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in Millimetern
Deutsche Vierteljahrsschrift für
öffentliche Gesundheitspflege
Carl Heinrich Reclam, Georg Varrentrapp, Alexander Spiess, Moritz
Pistor, Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege, ...
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Deutsche Vierteljahrsschrift
für
öffentliche Gesundheitspflege.
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Deutsche Yierteljahrsschrift
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öffentliche Gesundheitspflege
Heraasgegeben von
Prof. Dr. Finkelnburg in Bonn, Dr. Göttisheini in Basel,
Prof. Dr. August Hirsch in Berlin, Baurath Dr. Hobrecht in
Berlin, Prof. A. W. Hofmann in Berlin, Prof. H. y. Pettenkofer
in München, Regierungs- und Geh. Medicinal-Rath Dr. Ml Pistor
in Berlin, General-Arzt Prof. Dr. Roth in Dresden, Sanitäts-Rath
Dr. A. Spiess in Frankfurt a. M., Oberbürgermeister
y. Winter in Danzig.
Redigirt
von
Dr. A. Spiess und Dr. M. Pistor.
Frankfurt a. M. Berlin.
Neunzehnter Band.
Braunschweig,
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn.
1 8 87 .
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Inhalt des neunzehnten Bandes.
Erstes Heft.
Seite
Bericht des Aasschusses über die dreizehnte Versammlung des „Deutschen
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege“ zu Breslau vom 13. bis
15. September 1886 . 1
Erste Sitzung.
Eröffnung der Versammlung. 1
Rechenschaftsbericht. 4
Tagesordnung. ß
Nr. I. Die Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und
Genussmittel sowie Gebrauchsgegenstände, deren
Organisation und Wirkungskreis. 9
Schlusssätze von Professor Dr. Albert Hilger
(Erlangen) .. 9
Referat von Professor Dr. Albert Hilger (Erlangen) 10
Discussion.*. . 26
Resolution. 32
Nr. II. Volks- und Schulbäder. 33
Referat von Dr, Oscar Lassar (Berlin): Ueber Volks¬
bäder; hierzu Tafel IX. 33
Correferat von Oberbürgermeister Merkel (Göttm-
gen): Ueber Schulbäder. 46
Thesen. 54
Discussion. 55
Resolutionen. 57
Zweite Sitzung.
Aenderung der Satzungen. 58
Nr. HI. Ueber Rieselanlagen, mit besonderer Berück¬
sichtigung von Breslau, und über andere Reini-
gungsmethoden der städtischen Abwässer ... 60
Thesen. 60
Referat von Stadtbaarath Kau manu (Breslau) ... 61
Correferat von Professor Arnold (Braunschweig);
hierzu Tafel I — VIII. 73
Discussion. 95
Resolutionen.113
Dritte Sitzung.
Sechster internationaler Congress für Hygiene und Demographie
zu Wien, 1887 .. 114
383352
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VI
Inhalt des neunzehnten Bandes.
ftoite
Nr. IV. Moderne Desinfectionstechnik mit besonderer
Beziehung auf öffentliche Desin fection s-
anstal ten. 117
Referat von Professor Dr. Franz Hofmann (Leipzig) 117
Correferat von Bezirksphysicus Dr. Jacobi (Breslau) 125
Thesen.180
Discussion.130
Resolutionen.144
Neuwahl des Ausschusses.145
Schluss der Versammlung. .. . 145
Besichtigungen...146
Die hygienischen Aufgaben des Krankenhausarztes. Ein am 20. September
18S6 in der hygienischen Section der 59. Naturforscherversammlung in
Berlin gehaltener Vortrag vom Geh. Medicinalrath Dr. Oscar Schwartz
(Cöln)..147
[Kritiken nnd Besprechungen.]
Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte (Hüppe, Wiesbaden):
Löffler: Die Aetiologie der Rotzkrankheit.154
Koch und Gaffky: Versuche über die Desinfection des Kiel- oder
Bilgeraumes von Schiffen.154
Schütz: Ueber die Schweineseuche.155
Würzburg: Ueber die Bevölkerungsvorgänge in deutschen Städten
mit 15000 und mehr Einwohnern im Jahre 1884 . 156
Wolffhügel und Riedel: Die Vermehrung der Bactcrien im Wasser 156
Seil: Ueber Kunstbutter, ihre Herstellung, sanitäre Beurtheilung
und die Mittel zu ihrer Unterscheidung von Milchbutter . . . 156
Seil: Beiträge zur Kenntniss der Milchbutter und der zu ihrem
Ersätze in Anwendung gebrachten anderen Fette.. . 157
Wolffhügel: Erfahrungen über den Keimgehalt brauchbarer
Trink- und Nutzwässer.157
Bericht über die Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der
Hygiene und des RettungsweBens, unter dem Protectorate Ihrer
Majestät der Kaiserin und Königin, Berlin 1882 bis 1883. III. (Schluss-)
Band (A. S.). 157
Seitz, Carl, Dr.: Bacteriologische Studien über Typhusätiologie (L ach -
mann, Frankfurt a. M.).159
Ernst Almquist, Hygieniker der Stadt Göteborg: Thätsächliches und
Kritisches zur Ausbreitungsweise der Cholera (Wernich, Cöslin). 159
J. Soyka: Zur Assanirung Prags (Wernich, Cöslin).161
Prof. Dr. v. Langenbeck, Generalarzt I. CI. ä la suite, Dr. v. Coler,
Generalarzt I. CI. und Dr. Werner, Stabsarzt: Die transportable
Lazarethbaracke (Wasserfuhr, Berlin).162
Cazin: Les etablissements hospitaliers ä Berck sur mer (J. Uffel-
mann, Rostock).165
Dr. R. Raudnitz: Die Findelpflege (J. Uffelmann, Rostock) .... 167
J. Valette: La loi Roussel dans le Calvados (J. Uffelmann, Rostock) 168
R. Krüger: Die Filter für Haus und Gewerbe (Wiebecke, Frank¬
furt a. d. 0.).’.169
H. Oppermann: Die Magnesia im Dienste der Schwammvertilgung,
Reinigung der Effluvien und Pflanzensäfte, der Desinfection und
Beseitigung von Pilzbildungen und der Conservirung sowie Heilung
der Diphtheritis (Wiebecke, Frankfurt a. d. 0.).169
Th. Kitt: Werth und Unwerth der Schutzpockenimpfungen gegen
Thierseuchen (Hueppe, Wiesbaden).170
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Inhalt des neunzehnten Bandes.
YII
Seite
[Hygienische Gesetze und Verordnungen.]
Königl. Preussischer Ministerial-Erlass vom 24. und 25. September 1886,
betr. die asiatische Cholera.171
Königl. Sächsischer Ministerial-Erlass vom 27. September 1886, betr.
VorbeugungBmaassregeln gegen die Cholera.173
Königl. Bayerischer Ministerial-Erlass vom 5. October 1886, betr. Maass¬
regeln gegen die asiatische Cholera.174
Schweizerisches Bundesgesetz vom 2. Juli 1886, betr. Maassnahmen
gegen gemeingefährliche Epidemieen.175
Königl. Preussischer Ministerial-Erlass vom 28. April 1886, betr. Auf¬
gaben für die Prüfungen in der Hygiene.176
[Kleinere Mittheilungen.]
Zur Kenntniss der Wärmeökonomie des Infanteristen auf dem Marsche
und zur Behandlung des Hitzschlags.178
Neu erschienene Schriften über öffentliche Gesundheitspflege (37. Verzeich¬
niss) .181
Zweites Heft.
Ueber Abdecker und Abdeckereien. Von Dr. Richard Wehmer (Frank¬
furt a. 0.).197
Zur Frage der Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren.
Von Dr. Pull mann (Olfenbach a. M.).255
Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung aus dem Königl. Impf-
Institute zu Berlin. Von Dr. M. Schulz.276
Ueber die Vaccination in Russland. Einige Bemerkungen zu dem Aufsatze
des Dr. Ucke. Von Dr. Reimann in Kiew (Russland) ..237
Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. Von Dr. J. Soyka,
a. ö. Professor der Hygiene an der deutschen Universität in Prag . . . 290
Mittheilungen über Betriebsergebnisse der ersten öffentlichen Desinfections-
anstalt der Stadt Berlin und über ein neues Contactthermometer. Von
H. Merke, Verwaltungsdirector des städtischen Krankenhauses Moabit
(Berlin).311
Einige Bemerkungen zu der von dem Königlichen Polizeipräsidium in Berlin
unter dem 7. Februar d. J. erlassenen Anweisung zum Desinfections-
verfahren bei Volkskrankheiten. Von M. Pistoij.318
[Kritiken vnd Besprechungen.]
Dr. Wiener, Sanitätsrath: Handbuch der Medicinalgesetzgebung des
Deutschen Reiches und seiner Einzelstaaten (Dr. jur. Silber¬
schlag, Oberlandesgerichtsrath, Naumburg a. S.).329
Dr. med. Gustav Custer: Oeffentliche und private Gesundheitspflege
in populären Vorträgen und Aufsätzen (Dr. Mittenzweig, Berlin) 330
Dr. J. Scheinmann in Cöln: Was kann und soll ein Jeder thun, um
sich und seine Umgebung während einer Epidemie vor der Er¬
krankung zu schützen? (Dr. Quittei, Berlin).331
W. Koch: Milzbrand und Rauschbrand (Dr. Hueppe, Wiesbaden) . . 333
Dr. M. B. Freund: Die animale Vaccination in ihrer technischen Ent¬
wickelung und die Antiseptik der Impfung (Dr. M. Schulz, Berlin) 333
Dr. Friedrich Presl, k. k. Bezirksarzt: Das Findelwesen in Oester¬
reich während der Jahre 1873 bis 1882 (Dr. A. Baginsky, Berlin) 334
Dr. Friedrich Esmarch, Professor der Chirurgie in Kiel, Vorsitzen¬
der des Deutschen Samaritervereins: Samariterbriefe (Dr. Hein¬
rich Schmidt, Frankfurt a. M.).336
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VIII
Inhalt des neunzehnten Bandes.
Seite
Pridgin Teale, M. A. zu Leeds: Lebensgefahr im eigenen Hause
(Dr. Lustig, Liegnitz).337
Dr. Anton Heidenhain: Die Anwendung der Paragraphen 10 bis 14
des Nahrungsmittelgesetzes (Fleischverkehr) im praktischen Leben
(Dr. Wernich, Cöslin).340
Dr. med. Gustav Custer: Fort mit dem Gifte der Phosphorzünd¬
hölzchen !.340
[Zur Tagesgeschichte.]
Die hygienische Section auf der 59. Versammlung deutscher Natur¬
forscher und Aerzte zu Berlin. 18. bis 24. September 1886. Von
Dr. A. Kalischer (Berlin).341
[Kleinere Mittheilungen.]
Desinfection von Canalwasser (Dr. L. Becker, Berlin).352
[Hygienische Gesetze und Verordnungen.]
firlass des Reichskanzlers vom 12. April 1886, betr. die Einrichtung
und den Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken.354
Polizeiverordnung für Berlin vom 7. Februar 1887, betr. Anweisung
zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten.356
Circularerlass des königl. preuss. Ministeriums der geistlichen, Unter¬
richts- und Medicinalangelegenheiten vom 19. Januar 1887, betr.
Anzeigen von epidemischer Genickstarre.357
Circular des königl. preuss. Ministers des Inneren, betr. die Anfor¬
derungen, welche in baulicher und gesundheitlicher Beziehung an
die Gast- und Schankwirthschaften zu stellen sind, vom 26. August
1886 . 357
Neu erschienene Schriften über öffentliche Gesundheitspflege (38. Verzeich¬
niss) .359
Drittes Heft.
Die Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit und bei Unglücksfallen.
Sanitätswachen. Von Dr. M. Pi stör, Regierungs- und Geheimer
Medicinalrath.369
Der Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. Vom
Oberthierarzt Dr. Hertwig .390
Ueber polizeiliche Milchcontrole! Vortrag in der Deutschen Gesellschaft für
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin. Von Dr. C. Bischoff (Berlin) 411
Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth. Dr. Wollner, königl.
Landgerichtsarzt in Fürth.421
Die Bleierkrankungen durch Leitungswasser in Dessau im Jahre 1886.
Von Dr. Richter, Medicinalrath und Kreisphysicus in Dessau . . . 442
Zur Frage der Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. Von Pro¬
fessor Arnold (Braunschweig).447
Das Müller-Nahnsen’sche Reinigungssystem städtischer Abwässer. Auf
Grund der in Halle a. S. mit demselben vom 1. September 1886 bis
31. März 1887 gemachten Erfahrungen besprochen von Sanitäts - Rath
Dr. Hüll mann in Halle a. S.450
Das Bedürfnis einer Verringerung der Zahl der Schnapsschänken und
Schnapsverkaufsstelien in Berlin. Von Dr. Wasserfuhr, kais. Mini-
sterialrath a. D.461
Ueber die animalen Impfungen in Danzig in den Jahren 1885 und 1886.
Von Sanitätsrath Dr. Semon und Dr. Poelchen .470
Die Wasserverhältnisse Stralsunds. Von Dr. G. A. Ziegeler (Stralsund). 477
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Inhalt des neunzehnten Bahdes.
ix
[Kritiken und Besprechungen.]
Dr. J. Daimer, k. k. Aerztlicher Statthalterei-Concipist und Schrift¬
führer des Landes - Sanitätsrath es: Sanitätsbericht über Tyrol und
Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884 mit Rückblick auf die
früheren Jahre (Dr. E. Marcus, Frankfurt a. M.).
Risultati dell’ inchiesta sulle condizioni igieniche e sanitarie nei comuni
del regno (Dr. Uffelmann, Rostock)...
\Ad. Guerard, Ingenieur en Chef des Ponte-et-Chaussees, Ingenieur
en Chef du Port: Observations faites pendant l’epidemie cholerique
de 1885 (C. K. Aird, Berlin).
Dr. med. Albert Guttstadt: Krankenhaus-Lexikon für das König¬
reich Preu8sen (A. S.)..
Dr. Abegg: Die Kinderheilstätte in Zoppot (Dr. Uffelmann, Rostock)
26. Jahresbericht über die Louisen - Heilanstalt für kranke Kinder in
Heidelberg (Dr. Uffelmann, Rostock).
Dr. Wernich, Regierungs- und Medicinalrath: Lehrbuch zur Ausbil¬
dung von Heilgehülfen mit Berücksichtigung der Wundpflege,
Krankenaufsicht und Desinfection (Dr. L. Becker, Berlin) . . . .
Die Wohnungsnoth der ärmeren Classen in deutschen Grossstädten und
Vorschläge zu deren Abhülfe (Dr. Lustig, Liegnitz).
Das Trinkwasser der Stadt Kiel auf Grundlage von Analysen aller
Brunnenwasser Kiels (Dr. C. Bischoff, Berlin).
Axel Key: Die Gesundheitsverhältnisse in den Schulen Schwedens
(Dr. Uffelmann, Rostock).'.. . .
Dr. Leo Burgerstein in Wien: Die Gesundheitspflege in der Mittel¬
schule (A. S.).
Architekt Carl Hin träger: Der Bau und die innere Einrichtung von
Schulgebäuden für öffentliche Volks- und Bürgerschulen (A. S.) . .
Dr. Ignaz Ferdinand Tischler: Das ländliche Volksschulhaus (A. S.)
Baumeister Klette: Der Bau und die Einrichtung der Schulgebäude (A.S.)
Vierteljahrsschrift über die Fortschritte auf dem Gebiete der Chemie,
der Nahrungs- und Genussmittel, der Gebrauchsgegenstände, sowie
der hierher gehörenden Industriezweige (Dr. C. Bischoff, Berlin)
Hermann Falk, Inspector des städtischen Schlachthauses und Thier¬
arzt am Central-Impf-Institute zu Bernburg a. 8.: Die Errichtung
öffentlicher Schlachthäuser (Dr. Mittenzweig, Berlin).
Dr. M. Breitung: Ueber neuere Leichenanstalten (Dr. Quittei, Berlin)
G. Bunge: ord. Prof, der physiol. Chemie an der Universität Basel:
Die Alkoholfrage. Ein Vortrag (Dr. Baer, Berlin).
Seite
490
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519
[Kleinere Mittheilnngen.]
Ferienkolonien.522
Schulärzte in der Schweiz.523
Masern, Scharlach und Diphtherie.524
Ueber die Wohnungsnoth der ärmeren Classen in deutschen Grossstädten 527
Bleiröhren zur Wasserleitung (Berichtigung).527
[Hygienische Gesetze und Verordnungen.]
Königl. Preussische Verordnung vom 25. Mai 1887, betr. die Errichtung
einer ärztlichen Standesvertretung.528
Erlass Königl. Preussischer Regierung zu Stettin vom 21. Februar 1887,
betr. Maassregeln im Falle des Auftretens der Cholera.531
Bekanntmachung des Magistrats von Berlin vom 28. März 1887, betr.
die Untersuchung des von ausserhalb nach Berlin eingeführten
frischen Fleisches..533
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X
Inhalt des neunzehnten Bandes.
Seite
Erlass Grossherzogi. Hessischen Ministeriums des Inneren an die Kreis¬
ärzte vom 18. Februar 1887, betr. Vorschriften über das Verfahren
bei epidemischen ansteckenden Krankheiten . . *.538
Erlass des Königl. Württembergischen Ministeriums des Inneren vom
12. Mai 1886, betr. polizeiliche Controle des Milchverkehrs . 589
Neu erschienene Schriften über öffentliche Gesundheitspflege (39. Ver¬
zeichniss) ..543
Viertes Heft.
Die Wiener impfgegnerische Schule und die Vaccinationsstatistik. Von Jo¬
sef Körösi, Director des Budapester communal-statistischen Bureaus.
(Vortrag, gehalten in der Sitzung am 28. April 1887 des ungarischen
Landesvereins für Hygiene).553
Die Canalisation der Stadt Charlottenburg. Vom Königlichen Regierungs-
baumeister Köhn zu Charlottenburg.577
Die neue Berliner Baupolizei-Ordnung. Von Prof. R. Baumeister (Karls¬
ruhe) .600
Iät der Genuss einer mit Leberegeln behafteten Fleischwaare geeignet, die
menschliche Gesundheit zu beschädigen? Vom Medicinal - Assessor
Dr. Quittei, gerichtlichem Stadtphysicus zu Berlin ......... 609
Ist der Genuss des Fleisches perlsüchtiger Rinder geeignet, die mensch¬
liche Gesundheit zu zerstören? Vom Medicinal-Assessor Dr. Quitte!,
gerichtlichem Stadtphysicus zu Berlin.612
[Kritiken nnd Besprechungen.]
Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte (Hüppe, Wiesbaden):
M. Hochstetter: Ueber Mikroorganismen im künstlichen Selters¬
wasser .615
Gaffky: Die Cholera in Gonsenheim und Finthen im Herbste 1886 615
Ergebnisse des Impfgeschäftes im Deutschen Reiche für das Jahr
1883 . 616
G. Wolffhügel: Ergebnisse der Prüfung von Wasserproben aus
Rudolstadt.616
G. Wolffhügel: Ueber blei- und zinkhaltige Gebrauchsgegen¬
stände .616
A. Würzburg: Die Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche
während der Jahre 1875 bis 1877 . 617
Dr. Adolph Schmidt (Mülheim): Der Verkehr mit Fleisch und
Fleischwaaren und das Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1879
(Dr. Mitten zweig, Berlin).617
Prof. Dr. J. König in Münster: Die Verunreinigung der Gewässer,
deren sehädliche Folgen, nebst Mitteln zur Reinigung der Schmutz¬
wässer (Dr. L. Becker, Berlin).622
Bericht über die Vorarbeiten für die systematische Entwässerung und
Reinigung der Stadt Riga (Dr. Mitten zweig, Berlin).626
Repertorium der im Laufe des Jahres 1886 in deutschen und ausländischen
Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öffentliche Gesundheitspflege.
Zusammengestellt von Dr. Alexander Spiess.633
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Bericht des Ausschusses
über die
Dreizehnte Versammlung
des
Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege
zu Breslau
vom 13. bis 15. September 1880.
Erste Sitzung.
Montag, den 13. September, Vormittags 9 Uhr.
Oberingenieur F. Andreas Meyer (Hamburg) eröffnet die Ver¬
sammlung mit folgenden Worten:
Meine verehrten Herren!
„Da der Vorsitzende unseres Vereins, Herr Medicinalrath Dr. Arnsper-
ger aus Karlsruhe, zu seinem lebhaften Bedauern verhindert ist, in unserer
Versammlung zu erscheinen, so hat der Vorstand mich beauftragt, in seiner
Stellvertretung die Versammlung zu eröffnen. Es fällt mir also zum zwei¬
ten Male diese Ehre zu, und ich entledige mich dieses Auftrages mit dem Ge¬
fühl der Genugthuung, dass auch hier in der Stadt Breslau sich wieder so
viele unserer Vereinsmitglieder zu frischer Arbeit zusammengefuuden haben.
„Wenn wir in den letzten Jahren uns wohl einmal die Frage gestellt
haben, ob nicht vielleicht die Form unseres Vereinslebens eine andere sein
könnte, ob nicht vielleicht das Gute, das der Verein erstrebt, in anderer
Weise zur Erscheinung gebracht werden müsse, so muss ich sagen, dass
nach dem Ausgang der Freiburger Versammlung und nach unseren Arbeiten
im Ausschuss in diesem Jahre ich persönlich anderer Meinung geworden bin.
Sie werden ja Alle die von unserem ständigen Herrn Secretär mit grossem
Fleisse aufgestellte Uebersicht über die Thätigkeit des Vereins in den letzten
12 Jahren bekommen haben und werden — vielleicht ist es Ihnen ebenso
ergangen wir mir — mit Erstaunen gesehen haben, auf ein wie reiches
Gebiet sich unsere Arbeiten erstreckt haben, wie bedeutende Fragen in
unserem Verein erledigt und zur Lösung gekommen sind. Das ist eine That-
sache, die uns ja vielleicht verleitet hat, zu sagen: schliesslich ist einmal
der Stoff erschöpft. Als wir aber in unserer Ausschusssitzung in Frank¬
furt a. M. im Februar d. J. die Themen prüften, welche wohl Veranlassung
geben könnten, den Verein zusammenzuberufen, da fand sich eine solche
Reichhaltigkeit des Stoffes, dass wir ganz entschieden überzeugt sind: der
Verein wird noch lange Beschäftigung haben, und trotzdem sehr viel Con-
VierteljahrsBchrift für Gesnndheitftpflege, 1887. 1
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2 Bericht des Ausschusses über die dreizehnte Versammlung
currenz im Vereinsleben anfgetreten ist, haben wir doch erkannt, dass diese
Concurrenz nicht schädlich, sondern im Gegentheil nützlich ist, da ja das¬
selbe Ziel von allen unseren Schwestervereinen angestrebt wird nnd die viel¬
seitige Behandlung desselben Stoffes seiner Bearbeitung zu Gute kommt.
Ich wünsche auch unseren Arbeiten hier gutes Gelingen und eröffne damit
die Versammlung, indem ich zunächst dem Herrn Oberbürgermeister von
Breslau, Dr. Friedensburg, das Wort gebe, der uns freundlichst hier
begrüssen will.“
Oberbürgermeister Dr. Frioden8burg (Breslau):
„Namens der städtischen Behörden Breslaus und gleichzeitig im Auf¬
trag des Herrn Oberpräsidenten dieser Provinz, der zu seinem Bedauern
durch anderweitige Geschäfte verhindert ist, heute in Ihrer Mitte zu er¬
scheinen, habe ich die Ehre, Sie, meine Herren vom Deutschen Verein für
öffentliche Gesundheitspflege zu begrüssen und in unserer Stadt herzlich
willkommen zu heissen.
„Breslau hat in den letzten Jahren wiederholt den Vorzug gehabt, dass
es als Ort der Generalversammlung für manche Vereine und Gesellschaften,
welche ihre Mitglieder aus ganz Deutschland rekrutiren, gewählt worden
ist, und wir haben eine solche Wahl jedesmal mit grosser Freude begrüsst,
weil sie uns die gewünschte* Gelegenheit gab, unseren Landsleuten, nament¬
lich aus dem Westen Deutschlands, ad oculos zu demonstriren, dass Breslau,
wenn es auch in der Nähe der berüchtigten sogenannten polnischen Grenze
gelegen ist, dennoch eine durch und durch deutsche Stadt ist, und dass, wenn es
auch in vieler Beziehung der Naturschönheiten und derjenigen Annehmlich¬
keiten entbehrt, welche der dauernde Aufenthalt eines Fürstenhauses ge¬
währt , dennoch hier durch den Fleiss und die Thätigkeit seiner Einwohner
und durch die Mühe der städtischen Behörden manches geschaffen ist, um
das Leben und den Aufenthalt auch in dieser Stadt angenehm zu machen,
manches auch geschaffen worden ist, was der Besichtigung durch Fremde
nicht unwerth ist.
„Aber, meine Herren, wenn irgend ein Verein Anspruch darauf hat,
hier freudig aufgenommen zu werden, und wenn die Versammlung irgend
eines Vereins von uns mit Freuden begrüsst worden ist, so ist es die Ihrige,
denn der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege hat es ja zur
Aufgabe, die Ziele der öffentlichen Gesundheitspflege praktisch zu fördern.
Er will und strebt danach, dass die Wohnstätten der Menschen auch Heim¬
stätten der Gesundheit und des Wohlseins werden, und es liegt in der
Natur der Dinge begründet, dass seine Thätigkeit sich wesentlich auf die
grösseren Städte erstreckt, wo das dichte Zusammensein von grossen Men¬
schenmengen einen energischeren Kampf gegen die dadurch bedingten
Feinde der menschlichen Gesundheit erheischt, als dies auf dem platten
Lande der Fall ist, wo die Menschen und die Heimstätten derselben weniger
dicht gedrängt, letztere weniger stark bevölkert sind.
„Meine Herren! Wir hoffen, aus Ihren Verhandlungen reiche Beleh¬
rung und neue Anregung zu finden, fortzuschreiten auf dem Wege der
öffentlichen Gesundheitspflege in unserer Stadt. Was wir in dieser Be¬
ziehung gethan haben, das wollen wir Ihnen vorweisen in Wort und Schrift
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des Deutschen Vereins’f. öff. Gesundheitspflege zu Breslau. 3
und in natura. Ich erlaube mir in dieser Beziehung zunächst auf den In¬
halt der Festschrift*) Bezug zu nehmen, welche der Magistrat hiesiger Stadt
mit Unterstützung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur
ausgearbeitet und Ihnen gewidmet hat. Sie wollen daraus ersehen, dass
wir durch Canalisation und Rieselanlagen uns bemüht haben, die animali¬
schen und vegetabilischen Abfälle aus den Wohnungen und aus der Stadt
möglichst schleunig zu entfernen und sie gleichzeitig im Interesse der
Landwirtschaft nutzbar zu machen. Unsere Wasserwerke haben es er¬
reicht, dass allen Einwohnern der hiesigen Stadt auch in die höchsten
Stockwerke hinauf gutes, reines Trinkwasser zu einem verhältnissmässig
sehr billigen Preise geliefert wird und durch chemische Untersuchungen
hat unsere Stadt sich bemüht, der Verfälschung der Nahrungmittel vorzu¬
beugen und, wo solche eintritt, sie zu entdecken.
„Meine Herren! So werden wir gegenseitig lehrend und lernend uns
unterstützen und fördern in den beiderseitigen Bestrebungen, wir werden,
hoffe ich, beiderseits aus dieser Versammlung reichen Nutzen ziehen.
„Zum Schluss gestatten Sie mir, zu erwähnen, dass, damit Ihnen die¬
jenige Zeit, welche Sie Ihren Arbeiten nicht widmen, in Breslau nicht zu
lang werde, ein Localcomite aus Bürgern hiesiger Stadt sich gebildet hat,
welches sich bemüht hat, für mancherlei Zerstreuungen zu sorgen, und die
städtischen Behörden Breslaus erlauben sich, Sie zu Mittwoch zu einer
geselligen Vereinigung auf dem Plateau der Liebichshöhe einzuladen.
„Und nun nochmals herzlich willkommen, meine Herren, in Breslau.“
Vorsitzender Oberingenieur Meyer:
„Ich spreche den verbindlichsten Dank aus für die freundlichen Worte,
die uns von Seiten der Stadt Breslau eben durch den Herrn Oberbürger¬
meister gewidmet sind. Ich habe schon im vorigen Jahre in der Abgeord¬
netenversammlung des Verbandes der Deutschen Architekten und Ingenieure
Gelegenheit gehabt, die grosse Gastfreundschaft der Stadt Breslau und
auch die technischen Einrichtungen derselben kennen zu lernen, und da,
muss ich sagen, war es mir ein Bedürfnis, in unserer Ausschusssitzung mit
dafür zu sprechen, dass unser Verein seine Versammlung einmal nach dieser
drittgrössten Stadt Deutschlands verlegen möchte. Die Stadt hat den Ruf,
wie der Herr Oberbürgermeister es auch andeutete, ganz ausserordentlich
entfernt zu liegen. Jeder sagt es, er mag noch so nahe wohnen. Uns
kam es ganz besonders darauf an, diese Stadt, die in Deutschland einen
so hohen Rang einnimmt, uns und unserem Verein einmal möglichst nahe
zu bringen, nicht so sehr, um, wie es sonst unsere Aufgabe ist, die
gesunden Principien der öffentlichen Gesundheitspflege hier zu verbreiten,
nein, das ist wenigstens nach der Erfahrung, die ich hier gemacht habe,
eigentlich nicht nöthig, denn die Einrichtungen der hiesigen Stadtverwal¬
tung sind in dieser Beziehung so vortrefflich, dass ich glaube, es wird
l ) Festschrift zur XIII. Versammlung des Deutschen Verein^ für öffentliche Gesundheits¬
pflege, enthaltend Abhandlungen über die Canalisation und Rieselfelder, die Wasserversorgung,
das chemische Untersuchungsamt der Stadt Breslau. Herausgegeben unter Beihülfe der Schle¬
sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vom Magistrat der Königl. Haupt- und Residenz¬
stadt Breslau. Breslau 1886. gr. 8. 148 S. mit 4 Tafeln.
1 *
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4 Bericht des Ausschusses über die dreizehnte Versammlung
unsere Aufgabe sein können, aus denselben als einzelne Mitglieder des
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für alle die Bezirke, in denen wir
zu Hause thätig sind, zu lernen und daraus Nutzen zu ziehen, und da wir
das an der Hand der berufensten Vertreter der Stadt, des Herrn Ober¬
bürgermeisters und des Herrn Bürgermeisters, unseres Ortsausschusses, in
dem ja auch werthe Genossen unseres Vereins vertreten sind, erreichen
können, die uns freundlichst hier führen wollen, so müssen wir besonders
unseren Dank dafür aussprechen und auch allen denen, die sich sonst
unserer angenommen haben. Wir sprechen auch den Dank aus für das
Buch, welches uns durch Hülfe der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän¬
dische Cultur hier unterbreitet worden ist und für die freundliche Ein¬
ladung nach der Liebichshöhe. u
Der ständigeSecretär, Sanitätsrath Dr. SpleSS (Frankfurt a. M.),
verliest hierauf den
Eechensohaftsbericht
des
Ausschusses des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für die
Zeit von September 1885 — 1886.
Durch Beschluss der Vereinsversammlung in Freiburg i. B. vom 17. Sep¬
tember 1885 wurde der Ausschuss für das Geschäftsjahr 1885 — 1886
wie folgt zusammengesetzt:
Medicinalrath Dr. Arnsperger (Karlsruhe), Vorsitzender,
Oberbürgermeister Becker (Düsseldorf, jetzt Köln),
Bürgermeister Dr. v. Erhardt (München),
Medicinalrath Dr. Flinzer (Chemnitz),
Oberingenieur F, Andreas Meyer (Hamburg),
Regierungsrath Dr. Wolffhügel (Berlin), • *
Sanitätsrath Dr. Spiess (Frankfurt a.M.), ständiger Secretär.
Der Ausschuss trat vollzählig am 13. und 14. Februar 1886 zu einer
Ausschusssitzung in Frankfurt a. M. zusammen, in der die folgenden Gegen¬
stände zur Erledigung kamen:
1) Als Zeit für die diesjährige Versammlung bestimmte man
dem Herkommen gemäss die Tage vor Beginn der Naturforscherversammlung,
den 13. bis 16. September.
2) Als Ort der Versammlung wählte man, nachdem die Ver¬
sammlung zweimal im Westen Deutschlands getagt hatte, und mit Rücksicht
auf die in Berlin am 18. September zusammentretende Naturforecherversamm-
lnng, die Stadt Breslau, deren Behörden und wissenschaftliche Corporationen
auf Anfrage uns in freundlichster Weise willkommen hiessen.
3) Als Themata für die Verhandlungen wurden aus einer
grossen Anzahl vorgeschlagener die folgenden ausgewählt, und die Herren
bestimmt, die um Uebernahme der Referate ersucht werden sollten. Die¬
selben haben sämratlich bereitwilligst zugesagt.
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des Deutschen Vereins £ öff. Gesundheitspflege zu Breslau.
5
Tagesordnung:
I. Die Uutersuchiingsanstalten für Nahrung»- und Genussmittel
sowie Gebrauchsgegenstände , deren Organisation und Wirkungs¬
kreis.
Referent: Herr Professor Dr. Albert Hilger (Erlangen).
II. Volks- und Schnlbäder.
Referenten: Herr Privatdocent Dr. Oscar Lassar (Berlin).
„ Oberbürgermeister Merkel (Gottingen).
III. Ueber Rieselanlagen mit besonderer Berücksichtigung von Breslau
und über andere Reinignngsmethoden der städtischen Abwässer.
Referenten: Herr Baurath Kaumann (Breslau).
„ Professor Arnold (Braunschweig).
IY. Maassregeln zur Verhütung von Kohlenoxydvergiftungen.
Referent: Herr Professor Dr. Max Gruber (Graz).
Y. Moderne Desinfectionstechnik mit besonderer Beziehung auf öffent¬
liche Desinfectionsanstalten.
Referenten: Herr Professor Dr. Franz Hofmann (Leipzig).
„ Bezirksphysicus Dr. Jacobi (Breslau).
An den Nachmittagen sind Besichtigungen der Canalisations - und
Kieselanlagen, des städtischen Wasserwerkes, der öffentlichen Desinfec¬
tionsanstalten, des chemischen UnterBuchungsamtes etc. und am 16. Sep¬
tember ein Ausflug nach Fürstenstein in Aussicht genommen.
Leider musste Einer der Herren Referenten, Herr Prof. Dr. Max Gru¬
ber in Graz, im Sommer seine Zusage zurücknehmen, da die im Süden der
österreichischen Monarchie ausgebrochene Cholera ihm eine Entfernung aus
seinem Wohnorte unmöglich machte.
4) In Ausführung eines Beschlusses des Ausschusses in Freiburg legte
der ständige Secretär den Entwurf zu einem Bericht über die Thätig-
keit des Vereins in den ersten zwölf Jahren seines Bestehens,
1873 bis 1885, vor, dem der Ausschuss beistimmte und dessen Yertheilung
an 8ämmtliche Mitglieder, die Landes- und Provinzialregierungen, sowie an
die Magistrate aller grösseren Städte er beschloss, an letztere mit der Auf¬
forderung, dem Vereine beizutreten und bei dessen Versammlungen sich
vertreten zu lassen. Dieser Aufforderung entsprechend sind eine grössere
Anzahl Städte dem Vereine beigetreten.
5) Ein von Herrn Dr. Dornblüth geäusserter Wunsch, die Referate
nicht mehr in der Versammlung zu verlesen, sondern sie vor der Ver¬
sammlung gedruckt den Mitgliedern zuzustellen, wurde einer
sehr eingehenden Discussion unterzogen. Doch musste sich der Ausschuss
von der Undurchführbarkeit dieses Vorschlages überzeugen und beauftragte
den ständigen Secretär, in der Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche
Gesundheitspflege, in der jener Vorschlag des Herrn Dr. Dornblüth
erschienen, die Ansicht des Ausschusses darzulegen.
6) Herr Oberingenieur Meyer machte darauf aufmerksam, dass es
sich wiederholt als missstandig erwiesen habe, dass der Vorsitzende der
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6 Bericht des Ausschusses über die dreizehnte Versammlung
Versammlung, der zu Anfang der ersten Sitzung gewählt werde, un¬
mittelbar darauf den Vorsitz übernehmen und die Verhandlungen leiten
müsse, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, sich mit den Absichten des Aus¬
schusses bei Wahl der Themata und den Ansichten sowie der Behandlungs¬
art der Referenten vorher bekannt zu machen. Der Ausschuss schloss sich
dieser Ansicht an und legt desshalb der diesjährigen Versammlung einen
dahin zielenden Statuten-Abänderungsvorschlag vor.
7) Die Rechnungsablage für das Jahr 1885 wurde von dem
Ausschuss geprüft und in der anliegenden Aufstellung genehmigt. Es
betrug:
Ca88ensaldo am 1. Januar 1885 . 4302*05
Jahresbeiträge von 1066 Mitgliedern. 6396*00
mithin zusammen Einnahmen. 10 698*05
Dagegen an Ausgaben.. . . 4 719*29
bleibt ein Cassensaldo für 1886 von. 5 978*76
Die Mitgliederzahl des Vereins betrug zu Ende des Jahres 1885:
1066. Von diesen sind im laufenden Jahre ausgetreten 96, davon 22
durch Tod. Es sind dies die Herren
Geh. Sanitätsrath Dr. Varrentrapp in Frankfurt a. M.,
Sanitätsrath Dr. Lefson in Berlin,
Oberstabsarzt Prof. Dr. Starcke in Berlin,
Dr. med. W. Strassmann in Berlin,
Ingenieur Gottfried Stumpf in Berlin,
Oberstabsarzt Dr. Anton Schmidt in Hannover,
Sanitätsrath Dr. Vogelsang in Hannover,
Regierungs- und Medicinalrath Dr. Wittichen in Hildesheini,
Rentier Constanz Wörteler in Höxter,
Oberbürgermeister Hache in Eßsen,
Oberbürgermeister Dr. Hermann Becker in Köln,
Dr. med. Ploss in Leipzig,
Stadtrath Schleissner in Leipzig,
Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Uhde in Braunschweig,
Regierungs- und Geh. Medicinalrath Dr. Fränkel in Dessau,
Medicinalrath Dr. Scheven in Rostock,
Dr. med. Eduard Lore nt in Bremen,
Prof. Köhne in Hamburg,
Prof. Dr. Au spitz in Wien,
Primararzt Dr. Isidor Hein in Wien,
Obersanitätsrath Dr. Schneller in Wien,
Stabsarzt Dr. Haider in Znaim.
Neu eingetreten sind 120 Mitglieder, so dass der Verein zur
Zeit 1 ) 1090 Mitglieder zählt, von denen 172 in Breslau anwesend sind.
0 Die Zahlet! sind die nach Schluss der Versammlung festgestellten.
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des Deutschen Vereins f. öff. Gesundheitspflege zu Breslau. 7
Vorsitzender Oberingenieur Meyer:
„Wie wir jedes Jahr die Trauer haben, einige Mitglieder durch den
Tod zu verlieren, so habe ich auch heute wieder die schmerzliche Pflicht,
der Klage um die Todten Ausdruck zu geben. Ich kann aber dabei nicht
umhin, ganz besonders eines Mannes zu gedenken, dessen Name zuerst ver¬
lesen worden ist, unseres Varrentrapp. An ihm hat der Verein einen Mit¬
begründer, einen warmen Freund und grossen Förderer gehabt, und der
VerluBt ist unersetzlich. Er wird auch weit hinaus über die Kreise unseres
• Vereins empfunden, denn nicht allein unserVerein hat diesen hervorragenden
Mann verloren, sondern es ist ein Verlust für die ganze Wissenschaft, wel¬
cher unser Verein huldigt und der Verlust wird gewiss empfunden werden
auf der ganzen Erde, denn Varrentrapp war einer von den Wenigen, die
mit ganzer Hingabe, mit klarem Verständnisse und in selbstloser Auf¬
opferung arbeiteten. Es giebt ja sehr viele Andere, die das auch thun,
aber gewiss ist es sehr schwer, in seiner ganzen Universalität diesen Mann
zu ersetzen. Alle Mitstrebenden, sie mögen noch so bedeutend sein, sie
mögen Richtungen huldigen, welchen sie wollen, Alle werden mit uns über-
einstiramen in dem Schmerze über den Verlust Varrentrapp’s. Ich bitte
Sie, das Andenken Varrentrapp’s und aller anderen Entschlafenen durch
Aufstehen von den Sitzen zu ehren. (Die Versammlung erhebt sich.)
„Statutengemäss habe ich Ihnen jetzt die Wahl eines Vorsitzenden für
die diesmalige Versammlung vorzuschlagen. Der Ausschuss hat darüber
berathen und.war der Meinung, dass es richtig sei, bei der Form zu bleiben,
wie wir sie in der letzten Zeit immer innegehalten haben, indem ein Bürger¬
meister oder ein Mitglied der städtischen Verwaltungen, dann ein Arzt und
ein Techniker mit einander wechseln, wenn dies irgend möglich ist. Wir
haben nun heute, dieser Form gehorchend, die grosse Freude, ein Mitglied
hier unter uns zu haben, welches wir mit voller Seele bitten können, den
Platz einzunehmen. Es ist der Herr Oberbürgermeister von Breslau,
Dr. Friedensburg, und ich möchte Sie bitten, darüber zu befinden, ob
der Herr Oberbürgermeister uns die Ehre geben will, die Versammlung zu
leiten. Ich bitte die Herren, die dafür stimmen, sich zu erheben. (Die
ganze Versammlung erhebt sich.)
„Ich bitte den Herrn Oberbürgermeister, diesen Sitz einzunehmen.“
Oberbürgermeister Dr. Friedensburg:
„Meine Herren, ich danke Ihnen für die grosse Ehre, die Sie mir
dadurch erweisen, dass Sie mich, der ich ja dem grössten Theile von Ihnen
nicht bekannt bin, zu Ihrem Vorsitzenden für die heutige Versammlung und
für die Tage, welche dem heutigen folgen werden, gewählt haben.
„Meine Herren! Nach §. 4 Ihrer Satzungen ernennt der Vorsitzende
zwei Stellvertreter sowie zwei Schriftführer und stellt die Tagesordnung
der Sitzungen fest. Ich erlaube mir, als Stellvertreter zu ernennen: Herrn
Generalarzt Professor Dr. Roth aus Dresden und Herrn Landesrath F u s s
aus Danzig. Als Secretäre bitte ich die Herren Dr. Spiess (Frankfurt)
und Bezirksphysicus Dr. Jacobi (Breslau) zu fungiren.“
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8 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Der ständige Secretär Sanitätsrath Dr. SpiGSS theilt hierauf
mit, dass der Ausschuss ein Schreiben des Organisationscomites des
VI. internationalen Congresses für Hygiene und Demographie
zu Wien 1887 erhalten habe. In diesem Schreiben spreche das Comite
die Ansicht aus, dass der nächste internationale Congress nur durch eine
rege Antheilnahme der Gelehrten und Fachmänner aller Länder Bedeutung
gewinnen könne. Hierdurch allein werde es möglich, dass dem Congresse
der internationale Charakter wiedergegeben werde, den der erste dieser
Congresse in Brüssel 1876 getragen habe, während die folgenden Congresse
durch die Abstinenz der deutschen Gelehrten und Fachmänner mehr und
mehr diesen Charakter eiugebüsst haben und so mit ihrem Namen und ihren
Tendenzen in Widerspruch gerathen seien. Nun hege das Organisations-
Comite die Befürchtung, dass ein gleichzeitiges oder nahezu gleichzeitiges
Tagen zweier Versammlungen, welche nahezu gleichen Zweck verfolgen, zu
einer Kraftzersplitterung führen und für das Gelingen beider Versammlungen
von Nachtheil sein könne. Desshalb erlaube sich das Organisations-Comite
dem Ausschüsse des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege den
Vorschlag zu machen, im nächsten Jahre eine Versammlung des Deutschen
Vereins ausfallen zu lassen und dafür die Mitglieder einzuladen, dem inter¬
nationalen hygienisch - demographischen Congresse zu Wien möglichst zahl¬
reich anzuwohnen.
Der Ausschuss habe dieses Schreiben des Organisations-Comites des
Wiener internationalen hygienischen Congresses in seiner gestrigen Sitzung
eingehend in Berathung gezogen, und, wiewohl nach den Satzungen des
Vereins ihm allein die Entscheidung über Ort und Zeit der nächsten Ver¬
sammlungen zustehe, doch, da es sich hier um eine ganz aussergewöhnliche
Entscheidung ohne Präcedenzfall handle., sich nicht für befugt gehalten,
einen Beschluss selbstständig und ohne Befragen des Vereins zu fassen. Der
Ausschuss ersuche desshalb den Verein, ihm seine Ansicht über diesen Punkt
bekannt zu geben und schlage zu dem Ende der Versammlung vor, nicht
heute, sondern erst zu Beginn der dritten Sitzung in Verhandlung über
diesen Gegenstand einzutreten, damit die Mitglieder dem Vorschläge gegen¬
über erst Stellung nehmen und durch Besprechung unter einander sich eine
bestimmte Ansicht bilden könnten.
Nachdem der von dem Wiener Organisationscomite zur Vertretung
und Erläuterung jenes Schreibens eigens nach Breslau gesandte Herr Pro¬
fessor Ritter Franz von Gruber in ausführlicher Auseinandersetzung
weitere Mittheilungen über die beabsichtigte Organisation des internationalen
Congresses und über die in Aussicht genommenen und grossen Theils schon
zugesagten Vorträge gegeben hatte, beschloss der Verein dem Vorschläge
des Ausschusses gemäss, den Gegenstand zu Beginn der dritten Sitzung zur
Verhandlung zu stellen.
Es wird hierauf in die Tagesordnung eingetreten. Das erste Thema
lautet:
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 9
Die Untersuckungsanstalten für Nahrungs- und
Genussmittel sowie Gebrauchsgegenstände, deren
Organisation und Wirkungskreis.
Es lauten die von dem Referenten, Herrn Professor Dr. Albert Hilger
(Erlangen) aufgestellten
Schlusssätze:
1 .
Die Errichtung öffentlicherUntersuchungsanstalten zum Zwecke
der Ausübung der Controle der Nahrungs- und Genusßmittel sowie der Ge-
brauchsgegenstände ist ein dringendes Bedürfniss.
Diese Controle muss eine regelmässige, d. h. in bestimmten Zwischen¬
räumen stattfindende sein.
2 .
Die öffentlichen Untersuchungsanstalten sollen theils staatliche, theils
städtische sein. Die ersteren sind wo möglich mit Universitäten, technischen
Hochschulen oder sonstigen höheren technischen Lehranstalten zu vereinigen
und haben ihre Thätigkeit vor Allem in den kleinen Städten und Landgemeinden
zu entfalten, während die letzteren zunächst für den betreffenden Stadtbezirk
errichtet werden.
Es sollte daher jede Provinz, jeder Kreis (je nach der politischen
Eintheilung, der Ausdehnung, der Grösse der Bevölkerung) eine oder mehrere
Staatsanstalten besitzen.
3.
Die Untersuchungsanstalten, staatliche wie städtische, sind vom Staate als
öffentliche Anstalten anzuerkennen.
4.
Die Vorstände der öffentlichen Untersuchungsanstalten, nicht minder die
Mitarbeiter, müssen vollkommen unabhängig und selbstständig gestellt
sein, damit dieselben ihren Wirkungskreis frei von jedwelcher Beeinflussung
entfalten können.
Jede öffentliche Untersuchungsanstalt soll einer^Vorstand und die ent¬
sprechende Anzahl Assistenten besitzen, von welch letzteren Einer stets als
stellvertretender Vorstand zu fungiren hat. Es bedarf kaum der Erwähnung,
dass das gesammte Personal die entsprechende Ausbildung auf dem Gebiete
der Naturwissenschaften besitzt, vor Allem Chemie, Physik, Botanik (Waaren-
kunde), nicht minder Hygiene, Mineralogie, Geologie und Zoologie, wobei die
Tüchtigkeit in chemisch-analytischen Arbeiten, sowie mikroskopischen und bac-
teriologischen Untersuchungen ausser Frage steht.
5 .
Ein Vertreter derMedicin, am besten ein Medicinalbeamter, ist einer
jeden öffentlichen Untersuchungsanstalt als Sachverständiger und Berather zur
Seite zu stellen.
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10 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpfig. zu Breslau.
6 .
Jede öffentliche Untersuchungsanstalt soll neben den zu chemischen Arbeiten
nothwendigen Räumen getrennte Abtheilungen für optische und spectralana-
lytische Untersuchungen, Gasanalysen, mikroskopische und bacteriologische
Arbeiten besitzen.
7.
Der Wirkungskreis der Untersuchungsanstalten soll sich nur auf das Gebiet
der Nahrungs- und Genussmittel, sowie Gebrauchsgegenstände erstrecken, welch
letztere einschliessen: gefärbte Gegenstände aus Holz, Metall, Kaut¬
schuk, Papier, Spiel waaren überhaupt, Buntpapiere, Beizen,
Leder, Haus- und Küchengeräthe, Umhüllungs-, Verpackungs-,
Aufbewahrungsmaterialien, Oblaten, Petroleum und Beleuch¬
tungsmaterialien, Textilfabrikate, Seifen und Kosmetika, Ge¬
heimmittel, Zündmaterialien, Wasser.
8 .
Die Qualification zum Eintritte in eine öffentliche Untersuchungsanstalt
verlangt vor Allem eiue bestandene Staatsprüfung, welche speciell für den
Dienst an den genannten Anstalten zu organisiren ist.
9.
Soll die Thätigkeit der öffentlichen Untersuchungsanstalten, besonders der
staatlichen, welche ihren Wirkungskreis in kleineren Städten, auf dem Lande
mehr entfalten sollen, wirklich erfolgreich sein, so ist die sogenannte ambu¬
lante Thätigkeit durchzuführen, welche darin besteht, dass die Vertreter der
Anstalt die Gemeinden besuchen, die Verkaufshallen, Werkstätten etc. in Beglei¬
tung eines Polizeibeamten besichtigen, Proben entnehmen, Auskunft ertheilen,
event. Untersuchungen an Ort und Stelle vornehmen.
10 .
Die Erhaltung der Staatsanstalten hat aus Staats mittein, Zuschüssen
von Seiten der Provinzial- (Kreis-, Districts-) Vertretung zu
erfolgen.
11 .
Es sind für ganz Deutschland gültige, einheitliche Bestim¬
mungen über die Ausübung der Controle auf dem Gebiete der Nahrungs- und
GenuBsmittel sowie Gebrauchsgegenstände in Betreff der Probeentnahme, der
Betheiligung der Untersuchungsanstalten bei der Ausübung der Lebensmittel¬
polizei festzustellen, ebenso muss auf das Energischste angestrebt werden,
einheitliche Untersuchungs- und Beurtheilungsnormen durch¬
zuführen.
Referent Professor Dr. Albert Hilger (Erlangen):
„Hochgeehrte Versammlung!
„Als ich im Jahre 1869 als Docent der Universität Würzburg, mit dem
Studium der Untersuchungsmethoden der alkoholischen Getränke beschäftigt,
gleichzeitig als beneidenswerther Besitzer eines Privatlaboratoriums eiue
Anzahl Biere in der Stadt Würzburg untersuchte und die Resultate der
Untersuchung veröffentlichte, wurde ich von Seiten der betreffenden Bier¬
brauer mit Vorwürfen, ja sogar sehr energischen Grobheiten überhäuft,
welche zu dem für mich befriedigenden Resultate führten, dass meinerseits
der Nachweis geführt wurde, dass eine Reihe von Schenkwirthen das ihnen
von den Brauern gelieferte Bier zu taufen gewohnt war. Dieser erste
Erfolg brachte mich dem Gebiete der Untersuchung der Nahrungs- und
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 11
Genussmittel in dieser Zeit näher, dessen weiteres Studium zum Zwecke
der wissenschaftlichen und organisatorischen Ausbildung bis heute meine
Aufmerksamkeit im vollsten Maasse in Anspruch nahm, soweit es mein
Wirkungskreis an der Universität gestattete. Meine Uebersiedelung nach
Erlangen war der Entwickelung dieser Frage insofern günstig, als sohon
im Jahre 1874 der damalige Vorstand der Stadt Erlangen auf meine Ver¬
anlassung eine regelmässige Lebensmittelcontrole einführte, die, wie voraus¬
zusehen, von durchschlagendstem Erfolge begleitet war.
„Immer mehr trat, wie Sie Alle wissen, nicht bloss in Deutschland und
in den übrigen europäischen Staaten, sondern auch in aussereuropäischen
Ländern, das Bedürfniss der Controle der Lebensmittel hervor. Unser
Reichsnahrungsmittelgesetz gelangte zur Einführung, allerseits begrüsst,
von den Sachverständigen aber mit einer gewissen Wehmuth aufgenommen,
fehlten ja doch die Ausführungsbestimmungen, welche man besser zuerst
überlegt hätte, bevor man überhaupt zu dem Gesetz geschritten wäre!
Doch was man damals versäumte, waren die Interessenten und die Sach¬
verständigen in den letzten Jahren bestrebt, bis zu einer gewissen Grenze
wenigstens, zu ergänzen, wenn auch manches noch zu thun übrig bleibt.
Trotzdem hat aber das Nahrungsmittelgesetz in erfreulicher Weise eine
grössere Zahl von Einrichtungen ins Leben gerufen, dazu bestimmt, die
Controle der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände durchzuführen, die
wissenschaftliche Ausbildung der Untersuchungsmethoden sowie der Beur-
theilungsnorraen zu fördern. Eine grössere Anzahl von Städten Deutsch¬
lands ging bekanntermaassen mit gutem Beispiele voraus. Zahlreiche
Männer der Wissenschaft nahmen Interesse an diesen Bestrebungen, ja auch
unsere Staatsregierungen waren vielfach schon mit Erfolg auf diesem Ge¬
biete thätig, und dennoch, meine Herren, befinden wir uns augenblicklich
noch in einem lebhaften Entwickelungsstadium dieser Frage. Das Bedürf¬
niss einer einheitlichen Organisation ist mehr als je vorhanden.
„Mit Freude habe ich es daher begrüsst, als ich vernahm, dass der
verehrte Ausschuss des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege
die Frage der Organisation und des Wirkungskreises der Untersuchungs¬
anstalten für Nabrungs- und Genussmittel zum Gegenstand der diesjährigen
Verhandlungen gemacht hat. Weniger erfreut war ich allerdings, als
mir der ehrenvolle Auftrag ertheilt wurde, diese Frage zu behandeln, mit
Hinblick auf meine allzu sehr zersplitterte Thätigkeit, mit Hinblick auf
meine sehr in Anspruch genommene Zeit. Und dennoch, meine Herren,
bin ich heute in Ihre Mitte getreten, um dies Thema näher zu beleuchten.
Ich glaubte dazu verpflichtet zu sein, da ich, was ich wohl an dieser
Stätte betonen darf, durch eine Reihe von Jahren mir vielfache Erfahrungen
auf diesem Gebiete gesammelt habe, deren Resultate Ihnen heute im All¬
gemeinen mitzutheilen rtieine Absicht ist. — Vor Allem muss ich voraus¬
schicken, dass ich in keiner Weise vorhabe, Sie mit statistischen Notizen
und Thatsachen hinzuhalten, Ihnen die verschiedenartigen Organisationen
unserer Untersuchungsanstalten in Deutschland, in ausserdeutschen Ländern,
die ja in gewisser Vollkommenheit, wie wir Alle zugeben müssen, existiren, im
Detail vorxuführen. Es soll vielmehr meine Absicht sein, jene Gesichtspunkte
fcstzustellen und zusammenzufassen, welche für die Entwickelung
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12 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndbpflg. zu Breslau.
unserer Untersuchungsanstalten, für deren Organisation
und Wirkungskreis in Zukunft maassgebend sein sollen. leb
trete aus diesem Grunde aueb ganz direct in diesem Sinne in die weitere
Behandlung des Themas ein und verweise Sie vor allen Dingen auf meine
Schlusssätze, in deren Besitz Sie Alle sind, um an die Mittbeilung derselben
die entsprechenden Erläuterungen zu knüpfen.
„Ich habe mir erlaubt, iu den Schlusssätzen zunächst den Satz auf¬
zustellen :
Die Errichtung öffentlicher Untersuchungsanstalten
zum Zwecke der Ausübung der Controle der Nahrungs- und Ge-
nussmittel sowie der Gebrauchsgegenstände ist ein dringendes
Bedürfniss.
Diese Controle muss eine regelmässige, d. h. in bestimmten
Zwischenräumen stattfindende sein.
„Meine Herren, das Bedürfniss der Errichtung solcher Untersuchungs¬
anstalten steht wohl ausser Zweifel. Ich werde wohl kaum hier in diesem
Kreise einen Widerspruch in dieser Richtung erfahren. Eine andere Frage
aber ist die regelmässige Controle. Dagegen können unter Umständen
Einwendungen erhoben werden. Von meiner Erfahrung ausgehend, muss
ich betonen, dass die ganze Controle unserer Nahrungs- und Genussmittel
und Gebrauchsgegenstände nur dann einen Zweck hat, wenn sie eine
ununterbrochene ist, wenn sie in bestimmten Zwischenräumen regel¬
mässig stattfindet. Man hat vielfach geglaubt, und diese Ansicht ist ja
auch noch in manchen Kreisen vorhanden, die Untersuchungsanstalten
könnten leicht von den Einnahmen seitens des Publicums existiren, welches
die Gegenstände der verschiedensten Art, Gebrauchsgegenstände, wie Lebens¬
mittel, untersuchen lässt. Das ist eine ganz irrige Auffassung. Wie können
wir einem Consumenten, der sich einige Flaschen Wein kauft, zumuthen,
von diesem Wein eine Flasche wegzunehmen, sie dem Untersuchungsamt
zur näheren Prüfung zu senden und dafür eine verhältnissmässig hohe Ge¬
bühr zu entrichten! Das wird selten stattfinden; das wird nur von Seiten
des Weinproducenten, des Weinhändlers geschehen. Die Untersuchungs-
anstalt hat die Aufgabe, das Publicum vor den Verfälschungen, Betrügereien
zu schützen, und aus diesem Grunde ist es nöthig, und zwar absolut
erforderlich, eine regelmässige Controle auszuüben. Dieselbe ist
ohne grosse Anstrengungen von Seiten der Mitglieder der Untersuchungs¬
anstalt durchführbar, allerdings selbstverständlich nur mit Unterstützung
der Polizeiorgane. Die Untersuchungsanstalten werden -ja niemals in der
Lage sein, und können es nicht sein, die Initiative zu ergreifen; aber sie
haben die Aufgabe, Hand in Hand mit den Polizeiorganen, mit den Medi-
cinalbehörden, für die Controle der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände
zu sorgen. Es handelt sich also bloss darum, zweckmässige Organisationen
zu schaffen, um in Gemeinschaft mit den Polizeiorganen, mit den Medicinal-
behörden, diese regelmässige Controle zur Ausübung zu bringen.
„Anknüpfend an diese Frage darf ich Sie zunächst auf den §. 9 hin-
weisen, den ich in meinen Schlusssätzen aufgestellt habe, welcher lautet:
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 13
Soll die Thätigkeit der öffentlichen Untersuchungsanstalten,
besonders der staatlichen, welche ihren Wirkungskreis in kleineren
Städten, auf dem Lande mehr entfalten sollen, wirklich erfolgreich
sein, so ist die sogenannte ambulante Thätigkeit durchzuführen,
welche darin besteht, dass die Vertreter der Anstalt die Gemeinden
besuchen, die Verkaufshallen, Werkstätten etc. in Begleitung eines
Polizeibeamten besichtigen, Proben entnehmen, Auskunft ertheilen,
eventuell Untersuchungen an Ort und Stelle vornehmen.
„Dieser Satz steht in innigem Zusammenhänge mit der Ausübung der
iegelmäsBigen Controle selbst, und ich glaube, gerade diesen Punkt hier
etwas eingehender beleuchten zu sollen, da diese von mir sogenannte
ambulante Thätigkeit bei der Lebensmittelcontrole bis jetzt wohl zu wenig
im deutschen Reiche zur Durchführung gelangt ist. Meine Herren, ich
muss zunächst daran erinnern, dass es von der grössten Bedeutung ist,
dass bei der Ausübung der Lebensmittelcontrole nicht allein die grösseren
Städte in Betracht gezogen werden, sondern die Landbezirke, die grösseren
Gemeinden, ja die kleinsten Dörfer. Berücksichtige ich zunächst, um diese
Frage zu beleuchten, meinen eigenen Wirkungskreis. Nürnberg, eine Stadt
von über 100000 Einwohnern, besitzt selbstverständlich eine Untersuchungs¬
anstalt für die Stadt selbst. In der Umgebung Nürnbergs befindet sich
eine ziemlich grosse Zahl von Gemeinden mit ein, zwei und mehr Tausend
Einwohnern. Lange Jahre hindurch wurde in diesen Gemeinden eine
Controle nicht ausgeübt. Seit zwei Jahren ist seitens der königlichen Unter¬
suchungsanstalt Erlangen ein Vertragsverhältniss mit diesen Districts-
gemeinden ins Leben getreten, und eine Controle in diesen der Stadt nahe
gelegenen Gemeinden zur Durchführung gebracht worden. Das Resultat
der ersten Controle war, dass durchschnittlich 40 bis 50 Proc. Verfälschungen
der Lebensmittel zu Tage traten, ein Beweis dafür, dass doch in der That
viel Material aus der Stadt auf das Land hinausgeworfen wird, welches
selbstverständlich der betreffende Lieferant, Fabrikant u. s. w. in der Stadt
nicht verkaufen kann, weil eben dort eine strenge Controle herrscht. Wir
sehen also aus dieser Thatsache, dass die Controle der Lebensmittel auf
dem Lande unbedingt nöthig, ja vielleicht nöthiger ist als in manchen
Städten selbst, wo einmal eine gewisse Regelmässigkeit und eine gewisse
Ordnung im Laufe der Zeit geschaffen worden ist. Diese Controle auf dem
platten Lande, gerade in diesen Gemeinden, soll nach meiner Ansicht von
den Untersuchungsanstalten, von dem Personal derselben zur Durchführung
gebracht werden, und zwar in der Weise, dass Vertreter der Anstalt in die
Gemeinden gesandt werden, in Begleitung eines Vertreters der Polizei die
betreffenden Verkaufsstellen, Läden u. s. w. besuchen, Proben entnehmen,
Untersuchungen sogar an Ort und Stelle und soweit möglich mikroskopische
Untersuchungen zur Durchführung bringen und die erforderlichen Maass-
regeln ergreifen. Meine Herren, diese Besuche haben ausserordentlich
grossen Werth. Manche Kaufleute, Fabrikanten, Bierbrauer u. s. w. ver¬
langen Rath und Auskunft bei den betreffenden Vertretern. Es ist die
erfreuliche Thatsache zu beobachten, dass bei diesen Besuchen von allen
Seiten, sogar von Seiten der Privaten, Anfragen an den betreffenden Ver¬
treter der Anstalt gelangen. Durch diese Besuche wird auch weiter er-
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14 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
reicht, dass das grosse Publicum allmalig den Werth der regelmässigen
Lebensmittelcontrole und der Controle der Gebrauchsgegenstände kennen
lernt. — Diese sogenannte ambulante Thätigkeit der Untersuchungs¬
anstalten ist auf Grund der bis jetzt gewonnenen Erfahrung einer der
wichtigsten Zweige ihrer Thätigkeit und von ganz hervorragender
Bedeutung.
„Gehen wir nun zur Organisation, zur Einrichtung dieser ambulanten
Thätigkeit, über, so tritt uns die Frage entgegen: wie ist es möglich, das
Interesse der Gemeinden zu erregen? Ist überhaupt eine solche Thätigkeit
durchführbar? Gestatten Sie mir, die Verhältnisse in meiner engeren Hei-
math zu schildern, den Weg anzudeuten, der hier zum Ziele führt. Zum
Zweck der Ausübung dieser ambulanten Thätigkeit, der Controle auf dem
platten Lande, werden auf Anregung der Untersuchungsanstalt in Gemein¬
schaft mit den Verwaltungsbehörden, der Districte (Bezirke), vor allen Ver¬
träge zwischen den Untersuchungsanstalten und den einzelnen Districten
(Verwaltungsbezirken) oder auch Districtsgemeinden, abgeschlossen. Die
Gegenleistungen der Districte (aus einer grösseren Anzahl, 30 bis 60 und mehr
Gemeinden bestehend) für Ausübung der regelmässigen Controls betragen
je nach Grösse und Leistungsfähigkeit 150 bis 400 und mehr Mark jähr¬
lich, eine geringe Leistung. Eine einzelne Gemeinde zahlt demnach kaum
oft pro Jahr die Summe von 5 Mark für die werthvolle Einrichtung, welche
gleichzeitig auch für die Verwaltungsbehörden, für die Medicinalheamten
von Bedeutung ist, indem die Untersuchungsanstalt bei bestehendem Ver¬
trage den betreffenden staatlichen Behörden berathend (ohne weiteren
Kostenaufwand) zur Seite steht. Von Jahr zu Jahr sieht man, speciell bei
uns in Bayern, mehr die Wichtigkeit der Lebensmittelcontrole ein, und
gerade diese ambulante Thätigkeit zum Zweck der Ausübung einer regel¬
mässigen Controle gewinnt immer mehr Ausdehnung.
„Wenden wir uns zu den Sätzen 2. und 3., welche lauten:
2. Die öffentlichen Untersuchungsanstalten sollen theils staat¬
liche, theils städtische sein. Die ersteren sind wo möglich mit
e Universitäten, technischen Hochschulen oder sonstigen höheren
technischen Lehranstalten zu vereinigen und haben ihre Thätigkeit
vor Allem in den kleinen Städten und Landgemeinden zu ent¬
falten, während die letzteren zunächst für den betreffenden Stadt¬
bezirk errichtet werden.
Es sollte daher jede Provinz, jeder Kreis (je nach der
politischen Eintheilung, der Ausdehnung, der Grösse der Bevölke¬
rung) eine oder mehrere Staatsanstalten besitzen.
3. Die Untersuchungsanstalten, staatliche wie städtische, sind
vom Staate als öffentliche Anstalten anzuerkennen.
„Ich habe in diesem Satze zwei Classen von Untersuchungsanstalten
unterschieden, staatliche und städtische Anstalten. Ich glaube, dass
die staatlichen Anstalten, wie ich sie nennen möchte, die, wie ein anderer
Schlusssatz sagt, aus Zuschüssen von Seiten des Staates, der Provinzial¬
vertretung, Districts- oder Kreis Vertretung u. s. w. erhalten werden sollen,
hauptsächlich die Aufgabe besitzen müssen, die Thätigkeit, wie ich sie eben
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 15
entwickelt habe, auf dem Lande auszuüben, dass sie aber von der Aus¬
übung der Controle für Privatpersonen mehr oder weniger befreit werden
sollen, denn durch eine solche Thätigkeit wird selbstverständlich die Arbeits¬
last zu gross, auch fehlt es nicht an Sachverständigen, Laboratorien, welche
den Wünschen des Publicums, des Kaufmanns, Producenten entgegenkommen
können. Die staatlichen Anstalten sollen in der That nur die regelmässige
Controle im wahren Sinne des Wortes zur Durchführung bringen. Ich
glaube ganz bestimmt, dass, wenn die Organisation in der Weise dnrch-
gefuhrt wird, wie ich es bereits geschildert habe, wenn mit den einzelnen
Gemeinden, mit den DiBtricten, mit grösseren Gemeindecomplexen u. s. w.
Verträge abgeschlossen werden, die Zuschüsse von Seiten des Staates sehr
minimale zu sein brauchen, denn ich kann Ihnen aus meiner Praxis die
Thatsache vorführen, dass die Untersuchungsanstalt, der ich vorstehe, von dem
Staate keine Opfer verlangt, und dass durch die Vertragsverhältnisse die Haupt¬
ausgaben, die im Laufe des Jahres erwachsen, vollkommen gedeckt werden.
„Die städtischen Untersuchungsanstalten wünsche ich ausdrücklich für
den Stadtbezirk, nicht für das Land oder für einen weiteren Wirkungs¬
kreis in der nächsten Umgebung bestimmt. Es sollen in der That städtische
Anstalten sein, da ja bekanntermaassen in einer grösseren Stadt stets eine
ganze Reihe von Fragen zu erledigen ist, nicht allein auf dem Gebiet der
NahrungB- und Genussmittel und der Gebrauchsgegenstände, sondern auch
Fragen, mehr rein technischer Art, über welche ja der Chemiker vielfach
auch durch Ausführung von Untersuchungen die besten Aufschlüsse zu
geben im Stande ist.
„Dass die Untersuchungsanstalten, staatliche wie städtische, öffent¬
liche sein müssen, d. h. vom Staate anerkannt als solche (mit Berücksichti¬
gung unserer Gesetzgebung), ist ja als selbstverständlich zu betrachten und
bedarf meiner Ansicht nach hier an dieser Stelle keiner weiteren Begründung.
„Wir kommen nun zur Organisation der Anstalten selbst, und zwar
zunächst zur Personalfrage. Die aufgestellten Sätze lauten:
4. Die Vorstände der öffentlichen Untersuchungsanstalten, nicht
minder die Mitarbeiter, müssen vollkommen unabhängig und
selbständig gestellt sein, damit dieselben ihren Wirkungskreis
frei von jedwelcher Beeinflussung entfalten können.
Jede öffentliche Untersuchungsanstalt soll einen Vorstand
und die entsprechende Anzahl Assistenten besitzen, von welch
letzteren Einer stets als stellvertretender Vorstand zu fungiren
hat. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass das gesammte Personal
die entsprechende Ausbildung auf dem Gebiete der Naturwissen¬
schaften besitzt, vor Allem Chemie, Physik, Botanik (Waaren-
kunde), nicht minder Hygiene, Mineralogie, Geologie und Zoologie,
wobei die Tüchtigkeit in chemisch-analytischen Arbeiten, sowie
mikroskopischen und bacteriologischen Untersuchungen ausser
Frage steht.
5. Ein Vertreter der Medicin, am besten ein Medicinal-
beamter, ist einer jeden öffentlichen Untersuchungsanstalt als
Sachverständiger und Berather zur Seite zu stellen.
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IG XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
6. Jede öffentliche Untersuchungsanstalt soll neben den zu
chemischen Arbeiten nothwendigen Räumen getrennte Abtheilungen
für optische und spectralanalytische Untersuchungen, Gasanalysen,
mikroskopische und bacteriologische Arbeiten besitzen.
„Hier glaube ich betonen zu sollen, dass in erster Linie als wichtigster
Satz aufgestellt werden muss: das gesammte Personal einer Untersuchungs¬
anstalt, mag es eine städtische oder staatliche sein, muss sich in vollkommen
unabhängiger Stellung befinden, muss vollkommen selbständig sein.
Die Vorstände wie die Hülfsarbeiter müssen in einer solchen Weise, auch mit
Berücksichtigung der pecuniären Seite, gestellt sein, dass dieselben der An¬
stalt auf längere Zeit erhalten bleiben; ja es ist dringend wünschenswerte
dass die beiden Vorstände lebenslänglich angestellt werden. Ebenso wäre
es im Interesse der erfolgreichen Wirksamkeit der Untersuchungsanstalten
wünschenswerth, dass die Vorstände, namentlich der staatlichen Unter¬
suchungsanstalten, pragmatische Rechte besitzen, gewissermaassen als Staats¬
diener betrachtet werden. In Bayern werden die Assistenten der Anstalten
von dem Ministerium ernannt und in eine bestimmte Rangclasse eingereiht.
„Dass in einer Untersuchungsanstalt das nöthige Personal zur Erledigung
der Anträge vorhanden sein muss, ist selbstverständlich, und zwar muss
ich in dieser Beziehung hervorheben, dass natürlich der Vorstand das Ganze
zu leiten hat, ihm zur Seite aber ein sogenannter stellvertretender Vorstand
stehen muss, da ja der Vorstand niemals in der Lage ist, seine Thätigkeit
nach allen Richtungen hin zu entfalten, namentlich auch die Vertretung
nach aussen, bei gerichtlichen Verhandlungen u. s. w. vielfach den Vorstand
in einer solchen Weise in Anspruch nehmen kann, dass eine Vertretung
nöthig wird. Also es muss mit einem Worte ein zweiter Beamter vorhanden
sein, der in Bezug auf seine Qualification den Vorstand in würdiger Weise
vertreten kann. Dass die nöthige Ausbildung erforderlich ist, bedarf ja
hier kaum einer weiteren Erörterung. — Wie muss diese Ausbildung be¬
schaffen sein? Meine Herren, in der That eine wichtige, bisher viel zu
wenig gewürdigte Frage. Das Personal der Untersuchungsanstalten darf
nicht einseitig naturwissenschaftlich ausgebildet sein, sondern muss gerade
mit Berücksichtigung des Wirkungskreises der Untersuchungsanstalten eine
viel weitergehendere und gründlichere naturwissenschaftliche Ausbildung
besitzen. Mit Bedauern — ich kann es nicht verhehlen — haben wir,
die wir an unseren Untersuchungsanstalten beschäftigt sind, zu constatiren,
dass es unter Umständen sehr schwierig ist, eine brauchbare Persönlich¬
keit als Mitarbeiter einer Untersuchungsanstalt zu erhalten, und zwar
aus dem einfachen Grunde, weil das Studium der Naturwissenschaften auf
unseren Universitäten augenblicklich in vielen Beziehungen ein sehr ein¬
seitiges ist. Der sogenannte junge Chemiker, der auf die Universität
kommt, glaubt vollkommen seine Schuldigkeit gethan zu haben, wenn er
seine Vorlesungen über Chemie in der eingehendsten Weise hört, höchstens
sich noch mit Physik beschäftigt, im Laboratorium arbeitet und dann pro-
movirt. Genügt eine solche Ausbildung? Verdient ein solcher Studien¬
gang den Namen naturwissenschaftliche Ausbildung? Wahrlich nicht,
meine Herren! Junge Leute mit solcher einseitiger Bildung können wir an
unseren Untersuchungsanstalten nicht gebrauchen. Dieselben werden auch
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Gcnussmittel etc. 17
in der chemischen Praxis, der Industrie wohl kaum Erfolge erringen. Es wird
heutzutage gerade von Seiten unserer jungen Chemiker vergessen, dass die
allgemeine naturwissenschaftliche Ausbildung die Grundlage sein muss.
Der junge Chemiker sowohl wie der sogenannte Studirende der Natur¬
wissenschaften , auch der Philosophie, hat nicht allein Chemie und Physik
auf unseren Universitäten zu treiben, um sich als tüchtiger Chemiker aus-
zubilden, sondern sich auf dem Gesammtgebiete der Naturwissenschaften
urazusehen. Vor allen Dingen ist ein gründliches Studium der Botanik,
der Mineralogie, ebenso der Zoologie und Geologie nöthig. — Der Vorstand,
das gesammte Personal einer Untersuchungsanstalt muss nicht bloss tüch¬
tig sein in der chemisch-analytischen Praxis, sondern es muss auch vor
Allem tüchtig sein in der Botanik (Waarenkunde). Vor allen Dingen
wird Deijenige, der nicht mikroskopiren kann, der sich nicht auf bacte-
riologischera Gebiete umgesehen hat, nicht zu beobachten versteht, in einer
Untersuchungsanstalt eine traurige Holle spielen, eben unbrauchbar sein.
Es kommen aber noch andere Fragen in Betracht. Die Beurtheilung der
Wässer als Trinkwasser, zum technischen Gebrauche, verlangt Kenntnisse
in der Geologie, weswegen auch die Ausbildung in dieser Richtung drin¬
gend nothwendig ist. Ja, wir sind noch nicht zu Ende, wir haben auch
vor allen Dingen zu verlangen, dass das Personal einer Untersuchungs¬
anstalt mehr oder weniger technisch gebildet ist, d. h. einen Einblick in
die technische Praxis besitzt. Derjenige Sachverständige, meine Herren,
der ein Gutachten über Wein oder Bier, Branntwein, abzugebeu hat, muss
auch die Praxis des Bierbrauens, der Spiritusfabrikation und der Wein¬
bereitung kennen, auf dem Gebiete der Gährungsgewerbe orientirt sein.
Auf den Universitäten wird vielfach auf diese Bedürfnisse gar kein Werth
gelegt; ja, meine Herren, wir können unter Umständen auf unseren deut¬
schen Universitäten vergeblich suchen nach Vorlesungen über chemische
Technologie oder bestimmte Zweige derselben. Man denkt nicht daran,
dem Studirenden Rathscbläge in dieser Richtung zu ertheilen, seinen
Studiengang entsprechend zu leiten. Ich verlange nicht, dass ein Assistent
einer Untersuchungsanstalt einen Curs in einer Bierbrauerei durchgemacht
oder sich eine Zeit lang auf dem Weingebiete herumgetrieben und selbst
Wein bereitet hat. Iqj| verlange aber, dass er ganz genau über die Fabri¬
kation orientirt ist und sich einen Einblick in diesen Industriezweig ver¬
schafft hat.
„Leider allerdings, wir dürfen es uns nicht verhehlen, fehlt an den
meisten deutschen Universitäten die Gelegenheit, sich Kenntnisse in der
erwähnten Richtung anzueignen. Es fehlen Vorträge über landwirt¬
schaftliche Nebengewerbe (Gährungsgewerbe), über die chemische Gross-
industrie, es fehlen die Sachverständigen, welche die erwähnten Gebiete in
einer Weise behandeln, dass sie in der Lage sind, dem Studirenden die
nöthigen Einblicke und Kenntnisse beizubringen. Es muss daher das
dringende Bedürfniss anerkannt werden, dass auf unseren Hochschulen
Lehrstühle und Institute entstehen, welche die erwähnte Lücke ausfüllen,
dem Vertreter der theoretischen Chemie ergänzend zur Seite stehen, Vor¬
träge und CurBe über technische Gebiete, Prüfung der Lebensmittel,
forensische Chemie, Gährungsgewerbe u. s. w. abhalten.
Vierteljahnschrift für Gesundheitspflege, 1887. 2
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18 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Mit der Frage der Befähigung deß Personals der Uutersnchungs-
anstalten steht selbstverständlich im innigen Zusammenhänge der Satz 8,
welcher sagt:
Die Qualification zum Eintritte in eine öffentliche Unter¬
suchungsanstalt verlangt vor Allem eine bestandene Staats¬
prüfung, welche speciell für den Dienst an den genannten An¬
stalten zu organisiren ist.
„In diesem Satze wollte ich aussprechen und betonen, wie wichtig es
ist, dass in der That eine gewisse Qualification für alle jene verlangt wer¬
den muss, welche an Untersuchungsanstalten thätig sind, und ich glaube,
gerade hier darauf hinweisen zu sollen — womit meine verehrten Herren
Collegen, die hier anwesend sind, ja gewiss übereinstimmen — welch grosse
Missgriffe vielfach von Seiten sogenaunter Sachverständiger in jener Zeit
gemacht wurden, als das Reichsnahrungsmittelgesetz zur Einführung ge¬
langte. Eine ganze Reihe sogenannter Sachverständiger hat sich mit der
Untersuchung von Lebensmitteln beschäftigt, welche — ich muss es hier
unumwunden aussprechen — meiner Ansicht nach nicht das Recht dazu
hatten. Zur Beurtheilung aller hierher gehörigen Fragen gehört vor allen
Dingen die nöthige Erfahrung. Diese muss vorhanden sein, und diese Er¬
fahrung kann man sich nur in der Praxis aneignen. Wir können die Unter¬
suchung der Lebensmittel nicht aus den Büchern lernen, durchaus nicht!
Die Methoden der Untersuchung sind verhältnissmässig einfach, die Be¬
urtheilung der Untersuchungsresultate bleibt aber die Hauptsache, und diese
ist selbstverständlich nur aus der Praxis zu holen. Die Einführung einer
Staatsprüfung als Qualificationsnachweis für das Personal der Uutersuchungs-
anstalten ist daher von der grössten Bedeutung und der erheblichsten Trag¬
weite. Es. wird ja schwierig sein, meine Herren, — dessen bin ich mir
bewusst, — ein allgemeines Reglement für das ganze Reich festzustellen.
Auch kann es meine Absicht nicht sein, Ihnen hier direct Vorschläge zu
machen. Ich möchte aber nur in allgemeinen Umrissen hier der Frage
näher treten und besonders hinsichtlich der Art und der Durchführung
einer solchen Prüfung meine Ansicht hier zur Geltung bringen.
„Wir werden, wenn wir diese Frage der Organisirung einer Staatsprü¬
fung näher behandeln wollen, zwei Gesichtspunkterfesthalten müssen. In
erster Linie wird Jemand, der bereits das Studium der Naturwissenschaften
absolvirt hat, ein Candidat für eine solche Prüfung sein, also ein junger
Mann, der bereits sein drei- oder vieijahriges Universitätsstudium hinter
sich hat, der also vielleicht in der philosophischen Facultät oder in einer
naturwissenschaftlichen Facultät als Doctor der Philosophie promovirt und
einen gewissen Abschluss erreicht hat. Wir werden andererseits, was ich
betonen muss, unter Umständen einen absolvirten Mediciner oder wenigstens
einen Doctor der Medicin als Candidaten kennen lernen, welcher Bich spe¬
ciell hygienisch ausgebildet hat, der in dieser Richtung sich weiter fortbilden
will. Wir werden drittens aber auch einen Lehramtscandidaten verwenden
können, also einen jungen Mann, der seine Staatsprüfung für den künftigen
Dienst in unseren Mittelschulen als Vertreter der Naturwissenschaften hinter
sich hat, und diese Lehramtscandidaten sind in der That t wie ja auch die
Erfahrung gezeigt hat, brauchbare Persönlichkeiten. Dieselben haben nur
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 19
eine Schattenseite, die aber mit der ganzen Organisation unserer Prüfung
zusammenhängt: entweder sind sie Chemiker oder sie sind keine Chemiker,
sondern mehr Botaniker, haben mehr beschreibende Naturwissenschaften
getrieben. Das ist eine eigenthümliche Thatsache, aber ein Factum, das in
Wirklichkeit existirt. Wir haben aber auch eine vierte Classe von Candi-
daten, wir haben auch — was wir wohl berücksichtigen müssen — Pharina-
ceuten, welche ihre Staatsprüfung bestanden haben, und sich dieser Branche
znwenden wollen, und ich betone, die ganze Ausbildung des Pharmaceuten
ist entschieden geeignet, später in dieser Branche zu wirken, aus dem ein¬
fachen Grunde, weil eben der Pharmaceut doch eine gewisse allgemeine
naturwissenschaftliche Vorbildung auf die Universität bringt, und wenn er
seine Zeit auf der Universität gut benutzt, sich weiter ausbildet, er sich
ja gewiss vortrefflich für den Dienst der Untersuchungsanstalten qualiflciren
wird. Also wir haben nach den vier Richtungen hin, die ich hier entwickelt
habe, jedenfalls ein Personal, das als ausbildungsfähig für unsere Unter-
suchuugsanstalten in Betracht zu ziehen ist, und ich wünschte auch, dass
das gerade bei der Organisation einer Staatsprüfung festgehalten wird. Ist
also ein Doctor der Philosophie vorhanden, um mich so auszudrücken, ein
absolvirter Lehramtscandidat, oder ein absolvirter Mediciner, endlich ein
Pharmaceut, der sein Staatsexamen hinter sich hat, und der sich nun durch
eine drei- bis vierjährige Universitätszeit auf dem Gebiete der Naturwissen¬
schaften ausgebildet hat, so glaube ich, dürfte eine Staatsprüfung für solche
Candidaten, wie ich sie eben erwähnt habe, darin bestehen, dass der Be¬
treffende von vornherein in das Laboratorium der Untersuchungsanstalt ein¬
geführt wird, und dass ihm entsprechende Gegenstände zur Bearbeitung
vorgelegt werden, und zwar so, dass einerseits die chemisch - analytische
Praxis, resp. die chemisch-analytische Tüchtigkeit, andererseits die Tüchtig¬
keit im Mikroskopiren, in bacteriologischen Untersuchungen u. s. w. er¬
kannt werden kann. Es ist das Resultat niederzuschreiben, es ist ein Gut¬
achten abzugeben, und nachdem dies vorüber ist, reiht sich ein Colloquium
mit dem Betreffenden an, welches hauptsächlich den Zweck hat, zu erfor¬
schen, ob der Candidat über die Hülfsgebiete der Chemie, vor allen Dingen
also über diejenigen naturwissenschaftlichen Gebiete orientirt ist, deren
Kenntniss für unser Personal in den Untersuchungsanstalten unumgänglich
nöthig ist; dieses Colloquium dürfte sich speciell auf das Gebiet der analyti¬
schen Chemie, auf das Gebiet der Gährungsgewerbe erstrecken, also jene
chemisch-technologischen Abschnitte, die den Untersuchungsanstalten direct
nahe stehen; ferner auf das Gebiet der Botanik, speciell Waarenkunde
(Pharmacognosie), ausserdem Hygiene, ferner allgemeine Kenntnisse in der
Geologie. Selbstverständlich kann ich nur die allgemeinen UmrisBe an¬
geben, da ja diese Frage hier nicht zur Entscheidung gebracht werden
kann. Jedoch glaube ich, da ich einmal von der Staatsprüfung spreche,
hier noch speciell darauf hin weisen zu sollen, dass Jeder, der zur Staats¬
prüfung zugelassen wird oder werden soll, mindestens eiuen einjährigen
Cursus in einer bereits bestehenden Untersuchungsanstalt nachweisen muss,
eine Anforderung, die wohl als selbstverständlich zu betrachten ist.
„Wir haben dann endlich noch einen zweiten Fall zu unterscheiden,
nämlich den, dass sich Candidaten zu einer solchen Staatsprüfung melden,
2 *
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20 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpfig. zu Breslau.
welche weder promoyirt haben, noch Lehramtscandidaten sind, noch die
pharmaceutische Staatsprüfung bestanden haben. In diesem Falle werden die
Bedingungen ziemlich allgemein zusammen zu fassen sein. Wir werden hier
jedenfalls ein zurückgelegtes dreijähriges Universitätsstudium und ein Jahr
Praxis in einer Untersuchungsanstalt verlangen müssen, und dann wird sich
selbstverständlich in diesem Falle eine rigorosere Prüfung anzureihen haben,
nicht bloss ein Colloquium in allen bereits vorhin von mir näher bezeichne-
ten Hülfsfächern, sondern auch eine Hauptprüfung in der Chemie und Physik.
„Anknüpfend an diese Frage komme ich nochmals zurück zu Satz 2,
in welchem es heisst: ,die staatlichen Anstalten sind wo möglich
mit Universitäten, technischen Hochschulen oder sonstigen
höheren technischen Lehranstalten zu vereinigen/ Gerade
die Möglichkeit der Durchführung dieser Idee könnte ja vielleicht einige
Bedenken bei Ihnen erregen. Wir haben im Auge zu behalten, dass der¬
jenige, der sich dem Dienste der Untersuchungsanstalten zuwendet, vor allen
Dingen verlangt, dass er an der Universität Gelegenheit hat, die entspre¬
chenden Curse und Vorlesungen zu hören. Wir haben, wie ilinen wohl
bekannt, nicht an allen deutschen Universitäten und auch technischen
Hochschulen Vorlesungen, die geeignet sind, den betreffenden Candidaten
die nöthigen Kenntnisse zu verschaffen. Vorlesungen über Untersuchung
der Lebensmittel, ja sogar leider über forensische Chemie u. s. w. existiren
vielfach an unseren deutschen Universitäten nicht. Es ist aber ein drin¬
gendes Bedürfniss, dass diese Vorlesungen gehalten werden, und dass man
die entsprechenden Einrichtungen auf unseren Universitäten trifft. Werden
an unseren Universitäten Lehrstühle speciell für angewandte Chemie ge¬
schaffen, so sind die Inhaber dieser Lehrstühle meiner Ansicht nach am
besten qualificirt, die staatliche Untersuchungsanstat aufzunehmen. Ebenso
sind die Vorstände der hygienischen Institute geeignet, die Untersuchungs¬
anstalten als Nebenzweig gewissermaassen, jedoch als selbständige Ab¬
theilung aufzunehmen. Nicht minder geeignet zu diesem Zwecke werden
die pharmaceutischen Institute, entsprechende Laboratorien an technischen
Hochschulen und höheren Gewerbe- oder Realschulen sein. Die Labora¬
torien der Institute sind also jedenfalls vorhanden, darüber ist kein
Zweifel, und es handelt sich bloss darum, ohne grossen Kostenaufwand in
einem dieser genannten Institute, sei es in dem chemischen Laboratorium,
in einem hygienischen Laboratorium eine selbständige Abtheilung zu schaf¬
fen, in der die Assistenten der Untersuchungsanstalten thätig sind, wo aber
gleichzeitig noch etwas Raum gelassen wird, um den Studirenden Gelegen¬
heit zu geben, in der Untersuchungsanstalt seihst thätig zu sein. Wir müssen
dem Studirenden, der nach dieser Richtung hin sich entwickeln will, Gelegen¬
heit gehen, die factischen Verhältnisse kennen zu lernen. Es ist eine ganz
andere Sache, meine Herren, wenn wir einen Wein mit Fuchsinzusatz u. s. w.
verfälschen oder mit Heidelheersaft vermischen oder irgend eine andere Ver¬
fälschungsmanipulation ähnlicher Art ausführen und dann die Untersuchung
vornehmen lassen, als wenn wir irgend eine Handelswaare vor uns haben,
an welcher sich auffallende Verhältnisse, Verfälschungen nachweisen lassen.
„Die Möglichkeit der Durchführung des soeben Entwickelten unter¬
liegt keinerlei Schwierigkeit. Man wird den jungen Studirenden nicht als
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Untersuchungsanstalten fiir Nahrungs- und Genussmittel etc. 21
Sach verständigen in einer solchen Anstalt benntzen und aus seinen Unter¬
suchungen das Resultat ohne jede Controle ziehen, man wird ihm nur das
Material geben, wenn es vorliegt.
„Es könnte hier jedoch die Frage aufgeworfen werden: das Institut ist da,
die specielle Einrichtung ist vorhanden, aber der betreffende Vorstand, dem die
Leitung der Austalt zu seinen Berufspflichten als Lehrer übertragen wird, wird
zu sehr mit Arbeiten überbürdet. — Die bis jetzt gemachten Erfahrungen be¬
seitigen diese Befürchtung, sobald einmal die Organisation der Anstalt voll¬
endet ist, und das nöthige Personal, vor Allem der stellvertretende Vorstand,
vorhanden ist. Die Erfahrung hat bei uns in Bayern gezeigt, dass die Vorstände
der Untersuchungsanstalten wohl Beschäftigung haben, aber nicht mit Arbeiten
überbürdet sind, dass dieselben sehr leicht die Untersuchungsanstalten zu leiten
im Stande sind, wenn die Organisation einmal besteht. Ich wünschte daher,
dass die Untersuchungsanstalten, und zwar im Wesentlichen die staatlichen,
die meines Erachtens mit Untersuchungen für das Publicum nichts za
schaffen haben sollten, aus dem Grunde mit höheren Lehranstalten vereinigt
werden, damit der Studirende Gelegenheit findet, sich in zweckentsprechen¬
der Weise für den Dienst in der Untersuchungsanstalt selbst auszubilden.
„Wir kommen zu einem weiteren Gegenstände, den ich in Nummer 5
zusammenfasse:
Ein Vertreter der Medicin, am besten ein Medicinalbeam-
ter, ist einer jeden öffentlichen Untersuchungsanstalt als Sach¬
verständiger und Berather zur Seite zu stellen.
„Wenn ich mir erlaubt habe, diesen Satz aufzustellen, so glaube ich
einem Bedürfniss im Allgemeinen entsprochen zu haben, welches sich wohl
in vielen Fällen ergiebt, namentlich dort, wo der Vorsteher der Unter¬
suchungsanstalt keine allgemeine medicinische Bildung besitzt. Ist die
Untersachungsanstalt in den Händen eines Vertreters der Hygiene, so wird
es ja nicht nöthig sein, dass ihm ein Berather aus medicinischen Kreisen
zur Seite steht. Dagegen scheint es mir aber doch vo.n grösster Wich¬
tigkeit zu sein, dass in solchen Fällen, wo kein medicinischer Sachverstän¬
diger direct mit der Untersuchungsanstalt in naher Beziehung steht, eine
solche Persönlichkeit beigesellt, gewissermaassen als Berather beigegeben
wird. Man könnte mir ja allerdings entgegenhalten: das ist nicht
nöthig; bei allen unseren Gerichtsverhandlungen wird ja, wenn auch das
Untersuchungsresultat des Chemikers vorliegt, vielfach noch ein medici¬
nischer Sachverständiger zugezogen, wenn es sich um die Frage handelt,
ob gesundheitsschädlich oder nicht. Das ist allerdings richtig; trotzdem
erscheint es mir aber sehr zweckmässig, wenn ein medicinischer Berather
der Anstalt zur Seite steht, da vielfach doch der chemische Sachverständige
in die Lage kommt, sich im Allgemeinen zu orientiren. Es ist ja gar nicht
nöthig, dass der medicinische Sachverständige zum Personal der Unter-
suchung8anstalt gehört. Das wünsche ich gar nicht. Es soll nur eine
Persönlichkeit vorhanden sein, uud zwar am besten ein Medicinalbeamter,
der der Untersuchungsanstalt als Berather gewissermaassen zur Seite steht
und in dieser Richtung unterstützend eingreifeu kann.
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22 XIII. Versammlung d. D. Vereius f. off. Gsndbpflg. zu Breslau.
„Was die Einrichtung der Untersuchungsanstalten betrifft, bo glaube
ich über dieses Thema hier keine eingehende Controverse eröffnen zu sollen.
Ich habe hier bloss, den Bedürfnissen entsprechend, den Schlusssatz auf¬
genommen, welcher lautet:
Jede öffentliche Untersuchungsanstalt soll|[neben den zu chemi¬
schen Arbeiten nothwendigen Räumen getrennte Abtheilungen für
optische und spectralanalytische Untersuchungen, Gasanalysen,
mikroskopische und bacteriologische Arbeiten besitzen.
„Wir haben zur Zeit in Deutschland vielfach vortrefflich eingerichtete
Untersuchungsanstalten, namentlich städtische, die schon längere Zeit exi-
stiren, und die als Muster dienen können, und wir haben ja, glaube ich,
über diesen Punkt uns hier in keiner Weise eingehend zu unterhalten, da
ich voraussetzen darf, dass diese Frage der inneren Einrichtung der Unter¬
suchungsanstalten eigentlich im Grossen und Ganzen gelöst ist, auch stets
von Fall zu Fall zu erörtern ist. Ich möchte nur betonen, dass bei Er¬
richtung der Untersuchungsanstalten von Seiten der Städte und des Staats
vor allen Dingen für eine genügende Einrichtung gesorgt werden muss,
dass nicht, wie das vielfach geschieht, die Untersuchungsanstalten mit
dürftigen Laboratorien in Verbindung gesetzt werden. Das ist nicht die
richtige Art des Vorgehens, wie ich mich überhaupt mit den Winkel¬
anstalten, die vielfach errichtet worden sind und noch in oft dürftigster Aus¬
stattung existiren, sei es unter Leitung eines vielbeschäftigten Vertreters
der Naturwissenschaften an einer Realschule, eines Apothekers oder son¬
stigen Sachverständigen, nicht einverstanden erklären kann. Derartige Ein¬
richtungen, die oft nur errichtet werden, damit das Kind den Namen hat,
sind zu verwerfen, denn sie können den Anforderungen nicht entsprechen,
die wir an die Thätigkeit einer Untersuchungsanstalt zu stellen haben und
bringen oft geradezu den Werth der Untersuchungsanstalten in Misscredit.
Für das Publicum kann der Apotheker sowie jeder Sachverständige an
unseren Mittelschulen berathende, auf klärende Person sein und erfolg¬
reich wirken. Für die Leitung einer öffentlichen Staats- oder städtischen
Untersuchungsanstalt wird der Apothekenbesitzer, dessen wissenschaft¬
liche Qualification ausser Zweifel stehen kann, nicht geeignet sein, da die
absolute Selbständigkeit und Unabhängigkeit-dem Publicum gegenüber fehlt.
„Ich gehe nun über zum Wirkungskreise der Untersuchungsanstalten,
der gerade mit Bezugnahme auf die Gebrauchsgegenstände wohl eine be¬
stimmte Begrenzung erfahren muss, und erlaube mir in dieser Richtung
den Schlusssatz 7. aufzustellen, der lautet:
Der Wirkungskreis der Untersuchungsanstalten soll sich nur
auf das Gebiet der Nahrungs- und Genussmittel, sowie Gebrauchs¬
gegenstände erstrecken, welch letztere einschliessen: gefärbte Gegen¬
stände aus Holz, Metall, Kautschuk, Papier, Spielwaaren überhaupt,
Buntpapiere, Beizen, Leder, Haus- und Küchengeräthe, Umhül-
lungs-, Verpackungs-Aufbewahrungsmaterialien, Oblaten, Petroleum
und Beleuchtungsmateralien, Textilfabrikate, Seifen und Kosmetika,
Geheimmittel, Zündmaterialien, Wasser.
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Uutersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 23
„Meine Herren, das Gesetz wendet den Ausdrnck ,Gebrauchsgegen-
stände 4 an. Darunter lässt sich vieles verstehen. Es tritt an uns die
Frage heran: wollen wir nur jene Gegenstände hineinziehen, welche wirk¬
lich in den Rahmen des Gesetzes gehören, oder wollen wir etwas weiter
gehen? An die Untersuchungsanstalten treten, wie die Erfahrung gezeigt
hat, die verschiedensten Fragen heran. Ein städtisches Untersuchungsamt
wird vielfach nicht bloss zu Gutachten über Nahrungs- und Genussmittel
sowie Gebrnuchsgegenstände, sondern auch zu solchen über technische Fra¬
gen in Anspruch genommen und mit vollem Recht. Aber trotzdem, meine
Herren, wünschte ich nicht, dass das, was ich Untersuchungsanstalt
nenne, ein technisches Auskunftsbureau für das grosse Publicum, für Fabri¬
kanten u. s. w. werden soll. Das muss vollkommen getrennt werden. Unsere
Untersuchungsanstalten können nicht in diesem Sinne technische Auskunfts¬
bureaus sein, wie sie in der That zahlreich existiren und mit P>folg unter
Leitung der tüchtigsten Sachverständigen vielfach als Privatinstitute tliätig
sind. Die Gebrauchsgegenstände schliessen allerdings eine Menge tech¬
nischer Gegenstände ein; ich meine aber, dass der Vorstand der Unter-
suchungsanBtalt nicht dieser Seite besondere Aufmerksamkeit zuwenden
soll. Seine erste Aufgabe muss es immer sein, als Vorstand dieser Anstalt
in erster Linie ausschliesslich den Nahrungs- und Genussmitteln und den
Gebrauchsgegenständen in einer gewissen Begrenzung seine Aufmerksam¬
keit zuzuwenden. Ich habe mir erlaubt, eine Reihe von Gegenständen zu-
sammenzufassen, allerdings in dem Bewusstsein, dass ich nicht alles in die¬
sen Rahmen in detaillirter Fassung eingeschlossen habe, und ich darf
vielleicht gerade an dieser Stelle die betreffenden Materialien einmal be¬
zeichnen, da es mir wichtig erscheint, den Ausdruck „Gebrauchsgegenstände 44
in irgend einer Weise präcisirt zu wissen. Ich möchte in den Wirkungs¬
kreis der UntersuchungBanstalten mit dem Namen Gebrauchsgegenstände
eingeschlossen wissen: Gefärbte Gegenstände aus Holz, Metall, Kautschuk,
Papier, Spielwaaren überhaupt. Also ich habe eigentlich hier im Grossen
und Ganzen zunächst die Spielwaaren im Auge, mit Berücksichtigung der
verschiedenen Farben, die eben bezüglich ihrer Gesundheitsschädlichkeit ja
stets näher in Berücksichtigung gezogen werden müssen. Die Buntpapiere
reihen sich an, die ja allerdings mit den Spielwaaren mehr oder weniger in
Zusammenhang stehen, dann gehören hierher die Anstrichfarben, die Bei¬
zen, Leder, Haus- und Küchengeräthe, Umhüllungs-, Verpackungs-, Auf-
bewahrungsmaterialien. Oblaten sind auch wohl zu nennen, Petroleum- und
Beleuchtungsmaterialien, selbstverständlich Leuchtgas mit eingeschlossen.
Begreiflicher Weise müssen auch die Textilfabrikate hier mit aufgeführt
werden, unter allen Verhältnissen Seifen und Kosmetika, Geheiinmittel,
Zündmaterialien, endlich das Wasser als Nahrungsmittel, wie zu technischen
Zwecken. — Vielleicht dürfen wir hier noch der Conservirungs- und
Desinfectionsmaterialien gedenken, die ich bis jetzt nicht aufgenom¬
men habe, die aber jedenfalls in unseren Untersuchungsanstalten vielfach
Gegenstand näherer Untersuchung und Prüfung sind.
„Bei dieser Gelegenheit kommen wir aber zu einer Unterfrage, die
allerdings nicht streng in dem Rahmen meines Referates liegt, die sich aber
doch auf die 'Ausdehnung, auf den Wirkungskreis der Uutersuchuugs-
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24 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
anstalten bezieht. Sie haben vielleicht vermisst, dass ich nicht die forensi¬
schen, die sogenannten gerichtlich - chemischen Untersuchungen mit in den
Wirkungskreis hineingezogen habe, also die Leichenuntersuchungen, Ver¬
giftungsfragen u. s. w. Sie sind absichtlich von mir weggelassen wor¬
den, allerdings muss ich sagen, aus mehr oder weniger egoistischen Grün¬
den. Mir hat nämlich die Organisation vorgeschwebt, die wir bei uns in
Bayern haben, wo bekanntlich für das ganze Königreich drei Chemiker an¬
gestellt Bind, die für sämmtliche Provinzen in gerichtlichen Fällen die
Untersuchung durchzuführen haben. Wir haben drei Medicinalcomites,
welche ihren Sitz an den drei Landesuniversitäten haben, und einem jeden
Medicinalcomite ist ein Chemiker beigegeben, der ausschliesslich diese
chemischen Untersuchungen von gerichtlichen Fällen, also die forensischen
Arbeiten, durchzuführen hat. Soviel mir bekannt — ich kann mich ja
auch irren — existirt diese Organisation allerdings nur in Bayern, wäh¬
rend wir in anderen Ländern andere Einrichtungen haben. Ich muss
offen gestehen, dass ich mich in dieser Frage für nicht ganz competent
halte. Ob es richtig ist, die rein forensischen Untersuchungen mit den
Untersuchungsanstalten zu vereinigen, weise ich selbst nicht. Ich für
meine Person wünsche nicht, dass die rein forensischen Fragen in der
Untersuchungsanstalt zur Ausführung gelangen und halte die Einrichtungen
in meinem eugeren Vaterlande für sehr zweckmässig.
„Wir kommen nun zu dem letzten Satze meiner Schlusssätze, zur Frage
der Einführung einheitlicher allgemein gültiger Bestimmungen über die Aus¬
übung der Controle auf dem Gebiete der Nahrungs- und Genussmittel,
sowie der Gebrauchsgegenstände in Betreff der Probeentnahme, der Be¬
theiligung der Untersuchungsanstalten bei der Ausübung der Lebensmittel¬
polizei überhaupt und endlich, was ja immer noch das dringendste Bedürfnis
ist, wenn auch bereits noch so viel auf diesem Gebiete gearbeitet worden
ist, der Feststellung einheitlicher Untersuchungs- und Beurtheilungsnormen.
Dass hier ein Bedürfnis vorliegt, wird Jedermann zugeben müssen, der
die Thätigkeit der Untersuchungsanstalten auf dem Gebiete der Lebens-
mittelcontrole kennt. Welche Ungeschicklichkeiten bisher allein bei der Probe¬
entnahme von Lebensmitteln geschehen sind, ist gar nicht zu schildern, und
es ist auch ganz begreiflich, dass der Kaufmann, derjenige, der die Lebens¬
mittel verkauft und für die Reinheit eintreten muss, sich bei den Behörden
über die Ungeschicklichkeit, über die Art und Weise, wie die Probeent¬
nahme stattfindet, beschwert. Wenn es factisch vorkommt, dass jetzt noch
in grösseren Städten die Lebensmittel gekauft und die Proben von Seiten
des Vertreters der Polizei in der Weise entnommen werden, dass der Polizei¬
anwalt oder wie die betreffenden Persönlichkeiten sich nenuen, Kinder in
Kaufläden schickt, um die Proben zu entnehmen und sie dann der Unter¬
suchungsanstalt in einem Korbe offen hinträgt, wenn derartige Ungeschick¬
lichkeiten immer noch Vorkommen, so ist ja durch diese einfache Thatsache
das dringende Bedürfniss unbedingt festgestellt. Es wäre sehr wünschens¬
wert, dass hier eine Einheit erzielt wird, dass nicht bloss wieder jedes
Land für sich seine ganz speciellen Bestimmungen erlässt, sondern dass in
dieser Richtung wirklich einmal durchgreifend eine Organisation für das
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 25
ganze Reich geschaffen wird, die diese Frage feststellt. Es wird ja bei¬
spielsweise vielfach noch die Frage: „hat der Vertreter der Untersuchungs¬
anstalt das Recht, in Gemeinschaft mit einem Polizei Vertreter eine Probe zu
entnehmen oder hat er es nicht“, verschieden interpretirt. Mir ist es noch
nicht vollständig klar, ob solches möglich ist, ob nicht der Kaufmann unter
Umständen das Recht hat, den Betreffenden zur Thür hinaus zu weisen,
wenn er hintritt und eine Probe verlangt. Ich selbst habe schon die ver¬
schiedenartigsten Anschauungen und Aeusserungen hören müssen, die es
wünschenswerth erscheinen lassen, präcisere Bestimmungen, vor Allem ein¬
heitliche Organisationen anzustreben. Es ist auch von der erheblichsten
Wichtigkeit, dass einmal in dieser Beziehung eine gewisse Vorschrift exi-
stirt, dass nicht, wie es thatsächlich der Fall ist, in jeder Stadt möchte ich
sagen, die Probeentnahme eine andere ist, die Art und Weise der Durch¬
führung der Lebensmittelcontrole eine andere ist, immer Verschiedenheiten
zu Tage treten, der eine diese, der andere jene Ansicht hat. Schon aus
diesem Grunde wäre es wünschenswerth, wenn endlich einmal eine Einheit,
speciell in Bezug auf die Art und Weise der Probeentnahme und der Be¬
theiligung der Untersuchungsanstalten bei der Ausübung der Lebensmittel¬
polizei, festgestellt werden könnte. Wie wichtig einheitliche Untersuchungs¬
und Beurtheilungsnormen sind, bedarf wohl hier keines weiteren Beweises.
Wir haben ja leider in dieser Richtung sehr viel Lehrgeld geben müssen,
eben veranlasst durch die verschiedenartige Auffassung und Beurtheilung
der Resultate der Untersuchung unserer Lebensmittel, vorzugsweise ge¬
wisser Gassen von Lebensmitteln, sei es von Seiten der Sachverständigen,
sei es von Seiten der Gerichtsbehörden. Dass diese Verhältnisse sich ge¬
bessert haben, ist eine erfreuliche Thatsache, und wir können ja auch wohl
constatiren, dass die Sachverständigen ununterbrochen thätig und bestrebt
sind, diese Fragen weiter anszubilden, die Untersuchungsmethoden und
Beurtheilungsnormen einheitlich zu gestalten. Aber trotzdem, meine Herren,
sind wir noch nicht am Ziele. Wir haben noch keine idealen Zustände
nach dieser Richtung hin, und werden darum zur Frage gedrängt: Ist es
nicht wünschenswerth, dass das Reich sich dieser Sache annimmt? Sollten
nicht von Seiten des Reiches ständige Commissionen, aus Sachverständigen
zusammengesetzt mit juristischem Beirath, eingerichtet werden, die sich mit
dieser Frage beschäftigen, die von Jahr zu Jahr über den Stand der Frage
berichten? Es brauchen ja keine Gesetze hierüber erlassen zu werden,
sondern es sollen eben für die Untersuchung und für die Beurtheilung
eines jeden Nahrungs- und Genussmittels vor allen Dingen einheitliche
Untersuchungsmethoden geschaffen und einheitliche Gesichtspunkte in Be¬
zug auf die Beurtheilung festgestellt werden, die von dieser Reichscommis¬
sion zur Mittheilung gelangen. Eine solche ständige Commission des Reiches,
welche sich je nach Bedürfniss durch weitere Sachverständige zu ergänzen
hat, wird einen segensreichen Wirkungskreis zu entfalten haben, wird aller¬
dings manches Geschaffene den Forschungen der Wissenschaft entsprechend
wieder umstossen und Neuerungen veranlassen. Sicher wird aber nach
meinem Dafürhalten durch eine solche Maassregel oder ihr verwandte Orga¬
nisationen nur allein die vollendete Handhabung des Nahrungsmittel-
gesetzes im Deutschen Reiche möglich sein.
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26 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Meine Herren, ich bin zu Ende und glaube, die wesentlichen Punkte
in speciellere Erwägungen gezogen zu haben, welche mich veranlassten,
diese 11 Schlusssätze aufzustellen. Ich stehe zu jeder weiteren Auskunft
bereit und bitte Sie, gerade auch über die Art und Weise der Behandlung
dieses umfangreichen Themas Ihre Meinung zu äussern. u
Der Vorsitzende eröffnet hierauf die Discussion und theilt mit,
dass ein Antrag des Herrn Syndicus Dr. Eras (Breslau) eingegangen
sei, der den Schlusssätzen des Herrn Referenten noch als Nr. 12 folgenden
Satz beizufügen wünscht:
„Man sollte nicht länger zögern, auf Grund des §. 5 des Ge’
setzes vom 14. Mai 1879 mittelst besonderer Verordnung fest¬
zustellen , welche Arten der Herstellung der gebräuchlicheren
Nahrungs- und Genussmittel zulässig resp. verboten sind und in
welchen Maximal- resp. Minimalmengen die hauptsächlich in Betracht
kommenden chemischen Stoffe darin enthalten sein dürfen, resp.
vorhanden sein müssen.“
Zur Begründung dieses Antrages ertheilte der Vorsitzende zunächst
dem Antragsteller das Wort
Syndicus Dr. Eras (Breslau) stimmt der von dem Herrn Referenten
gethauen Aeusserung bei, dass nicht geleugnet werden könne, dass nament¬
lich in der ersten Zeit seitens der Sachverständigen, die sich mit der Hand¬
habung des Nahrungsmittelgesetzes zu befassen gehabt haben, verschiedene
Missgriffe gemacht worden seien. Wenn wohl Niemand bezweifle, dass eine
Controle über die Beschaffenheit der Nahrungs- und Genussmittel ira öffent¬
lichen Interesse, wie im Interesse des Gewerbetreibenden selbst dringend
geboten erscheine, so könne eine solche Controle, wenn sie sehr streng
gehandhabt werde, doch unter Umständen Handel und Gewerbe tief schä¬
digen. Der Herr Referent scheine der Ansicht, dass möglichst sorgfältige
Ausbildung der Sachverständigen, zweckmässige Organisation der betreffen¬
den Untersuchungsanstalten, die grösste Sorgfalt bei der Entnahme der
Proben und dergleichen Handel und Verkehr gegen Belästigungen und
gegen unberechtigte Eingriffe sichere und habe desshalb in seinen Resolu¬
tionen gerade diese Punkte besonders betont. Aber alle Praxis der einzel¬
nen Sachverständigen, alle Thätigkeit der bestorganisirten Untersuchungs¬
ämter werde nicht im Stande sein, weder heute noch künftig, eine Lücke
auszufüllen, die in dieser Beziehung bestehe. Die Frage, was Bier, was
Wein sei, welche Beschaffenheit ein Trinkbranntwein haben müsse und der¬
gleichen , sei fast so schwer zu beantworten, wie die schon im Alterthum
aufgeworfene Frage, was Wahrheit sei, und die Ansichten der verschiedenen
Gelehrten gehen darin oft sehr weit auseinander. So dürfe z. B. eine ge¬
wisse Art Tapeten in Preussen nicht hergestellt werden, die in Württem¬
berg noch heute fortgesetzt gearbeitet werde, weil man dort der Ansicht
sei, dass durch das sehr geringe Quantum einer giftigen Farbe die Tapete
an sich noch nicht zu einem verbotenen Gebrauchsgegenstande werde. Wie
schwer diese Verschiedenheit der Ausschlag gebenden Ansichten mitunter
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Untersuchungsanstalten für Nakrungs- und Genussmittel etc. 27
der Kaufmann8tand empfinde, zeige ein Beispiel, das sich neuerdings in
Breslau zugetragen habe: Ein Specereihändler habe vor etwa zwei Jahren
von einem Obstweinfabrikanten in der Provinz ein Fass Apfelwein bezogen,
der als er angekommen, noch nicht einmal zum Abfüllen reif gewesen sei.
Von diesem Apfelwein habe ein Polizeibeamter Probe entnommen und die
chemische Untersuchung habe ergeben, dass der Wein ungefähr 15 Proc.
Alkohol und ausserdem auch noch etwas Fuselöl enthalte. Daraufhin sei
dem Kaufmann untersagt worden, den Apfelwein zu verkaufen, dieser habe
ihn dem Fabrikanten wegen nicht vertragsmässiger Beschaffenheit zur Ver¬
fügung gestellt, der Fabrikant aber habe den Kaufmann auf Abnahme ver¬
klagt. Das Amtsgericht habe verschiedene Gutachten eingeholt und darauf¬
hin erkannt, dass der betreffende Kaufmann zur Abnahme des Obstweins
verpflichtet sei, weil nach Ansicht der maassgeblichsten Sachverständigen
ein Alkoholgehalt von 15 Proc. bei Apfelwein keineswegs zu gross sei und
weil allerdings wohl Spuren von Fuselöl vorhanden seien, aber nach An¬
sicht der Medicinalbehörde nicht in solchem Maasse, dass dadurch der
Apfelwein nicht mehr zum Genuss tauglich sei. Der Kaufmann nun habe
den Apfelwein und die Processkosten bezahlt und dann bei der Polizei¬
behörde den Antrag gestellt, sie möge nunmehr den Apfelwein zum Ver¬
kauf frei geben. Der Polizeipräsident aber habe rescribirt: da in dem frag¬
lichen Apfelweim nach dem Ergebniss der chemischen Untersuchung fusel¬
haltiger Alkohol enthalten und derselbe daher gesundheitsschädlich sei,
mache sich der Kaufmann durch Verkauf desselben nach §. 12 des Nah-
rangsmittelgesetzes strafbar! Der Bezirkscommissarius aber — nur als
Cnriosum sei dies beigefügt —, der dem Kaufmann die betreffende Ver¬
fügung überbracht habe, habe ihm den guten Rath gegeben, er möge noch
etwas Alkohol zu dem Obstwein giessen und ihn dann als Branntwein ver¬
kaufen !
Wohl Jeder, der bei der Abfassung des Nahrungsmittelgesetzes vom
14. Mai 1879 mitgearbeitet habe, werde sich bewusst gewesen sein, dass
bestimmte Ausführungsverordnungen hinzutreten müssen, um die¬
ses Gesetz für die Untersuchungsanstalten zu einem wirklich brauchbaren
und handlichen zu machen und um nicht nur Missgriffen vorzubeugen,
sondern auch vor allen Dingen, um dem Verkehr eine gewisse Sicherheit zu
geben. Das Gesetz selbst schreibe in seinem §. 5 vor, dass „zum Schutze
der Ge8undheit u solche Verordnungen von der kaiserlichen Regierung er¬
lassen werden können; richtiger heisse es in dem Gesetz vielleicht: „zum
Schutz der Gesundheit und zur Sicherung des Verkehrs“. Jedenfalls aber
müsste eine solche kaiserliche Verordnung erlassen werden, in welcher
z. B. bestimmt ausgesprochen werde, was Wein sei, welche Bestandteile
er enthalten müsse und in welchem als Maximum und Minimum zulässigen
Verhältniss; das Gleiche gelte von Bier, Obstwein, Branntwein. Wenn man
eine solche Verordnung nicht fordere, weil man sage, dass dies die Praxis
machen möge, oder dass der Erlass solcher Ausführungsverordnungen den
Herren im Reichsgesundheitsamt zu viel Schwierigkeiten bereite, so heisse
dies einfach, die Verlegenheit von den kräftigeren Schultern der hervor¬
ragendsten Fachmänner im Reiche auf weniger kräftigere Schultern abwäl-
zen, es heisse, wenn die grossen Herren in einem heiklen Falle nicht
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28 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndlipflg. zu Breslau.
Bescheid wissen, dann mögen die dii minorum gentium sich darüber den
Kopf zerbrochen. Desshalb habe er den Zusatz zu den Schlusssätzen des
Herrn Referenten beantragt und ersuche die Versammlung, dem beizu¬
stimmen.
Landesrath FuSS (Danzig) beantragt, nicht in die Discnssion der
einzelnen Schlusssätze einschliesslich des Antrags des Herrn Dr. Eras ein¬
zutreten. So viel ihm bekannt, sei eine solche Ausführungsverordnung
seitens der Reichsbehörden wesentlich desshalb noch nicht erlassen, weil
es den Sachverständigen noch nicht gelungen sei, derartige Bestimmungen
zu finden, mit denen Handel und Gewerbe sich einverstanden erklären
könne. Wolle der Verein auf dem von Herrn Dr. Eras betretenen Wege
etwas erreichen, so sei das einzige Mittel dazu, dass der Verein eine Com¬
mission erwähle und dieser den Auftrag gebe, ganz bestimmte Vorschläge
zu machen, die dann seitens des Vereins bei dem Reichsgesundheitsamt zu
befürworten wären. Einer blossen Beschlussfassung im Sinne der Resolu¬
tion des Herrn Dr. Eras scheine es ihm nicht zu bedürfen, da das Er-
strebenswerthe solcher Ausführungsbestimmungen ganz allgemein aner¬
kannt sei. Aehnlich sei es mit den anderen Thesen, die ja manches Vor¬
zügliche und Beherzigungswerthe enthielten, aber auch Manches, das
zweckmässig fortbleibeu würde, so namentlich §. 10, der die pecuniäre
Seite der Frage berühre, die in den verschiedenen Theilen Deutschlands
eine sehr verschiedene Behandlung verlange. Im Ganzen stimme er dem
Herrn Referenten vollständig bei, der darauf hingewiesen habe, dass dem
Nahrungsmittelgesetz eigentlich noch Fleisch und Blut gegeben werden
müsse. Wenn es gelinge, lebenskräftige Behörden zu schaffen, die in steter
Praxis und Fühlung mit Handel und Wandel festere Grundsätze ausfindig
machen, dann werde es auch möglich werden, wirklich greifbare Bestim¬
mungen aufzustellen und im Wege der Verordnung und Praxis Grund¬
sätze zu schaffen, die von den renommirten und angesehenen Weinhändlern,
Bierbrauern und anderen Gewerbetreibenden von vornherein respectirt
werden.
Bürgermeister Francke (Stralsund) tritt den Wünschen des Vor¬
redners entgegen und bittet die Versammlung, sich mit dem hochwichtigen
Gegenstand doch eingehender zu beschäftigen und in eine Discussion des¬
selben einzutreten. Der Herr Referent habe gewissermaassen einen An¬
spruch darauf, dass seine Ansichten hier zur Besprechung gestellt werden,
und fraglich könne nur allenfalls sein, ob man in die Besprechung jeder
einzelnen These eintreten solle oder ob sich diese nur auf die allgemeinen
Grundsätze erstrecken solle. Ihm scheine es verfrüht, schon jetzt in alle
die Einzelheiten einzugehen, wie die Anstalten einzurichten, welche Leute
als Mitglieder derselben anzustellen, welche Gegenstände zu prüfen seien,
ehe man sich darüber klar sei, ob die ganze Einrichtung im Interesse der
Gesundheitspflege nöthig sei. Das aber scheine ihm vor Allem erforderlich,
dass sich der Verein über die allgemeine Frage ausspreche, ob dergleichen
Untersuchungsstationen in den Städten und auch ambulante, wie sie ge¬
nannt worden seien, für die ländliche Bevölkerung im Interesse der öffent-
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Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel etc. 29
liehen Gesundheitspflege nöthig und auch durchfahrbar seien, namentlich
auch in Bezug auf die finanziellen Opfer, die dadurch an die Gemeinden
her an treten.
Professor Dr. Schwartz (Graz) ist der Ansicht, dass die von Herrn
Dr. Eras beantragte Zusatzthese schon im §. 11 der Schlusssätze des
Herrn Referenten enthalten sei, in dem es heisse, dass es auf das Ener¬
gischste angestrebt werden müsse, einheitliche Untersuahungs- und Beur-
theilungsnormen durchzufahren. Die Bestimmung z. B., wie viel Alkohol
ein durch Spiritus unverfälschter Wein enthalten dürfe, könne durch eine
Vereinigung von Untersuchungschemikern, von den Vorständen von Uuter-
suchungsstationen viel leichter und sicherer ausgesprochen werden, als
wenn dies von oben herab commandirt werde. Gerade die technische Aus¬
bildung, die der Herr Referent gefordert habe, werde davor schützen, dass
man unnöthige Erschwerungen vorschreibe. Darum halte er es für ver¬
fehlt, wenn man so vorgehe, dass vom Gesetzgeber etwas ausgesprochen
werde, bevor man die Sachverständigen gehört habe, ja bevor man über¬
haupt Sachverständige herangebildet habe, die gerade für Lebensmittel¬
untersuchungen ganz specielle Uebung bedürfen. Desshalb würde er
empfehlen, dass §. 11 in der Weise erweitert werde, dass durch eine Ver¬
einigung der Vorstände der Lebensmitteluntersuchungsanstalten endlich
einmal grundlegende Normen darüber festgestellt würden, was im Handel
und Verkehr betreffs der Analysen möglich oder zulässig sei.
Docent Dr. Hneppo (Wiesbaden) glaubt, dass der Herr Referent
das reiche, sorgfältig durchgearbeitete Material wohl in erster Linie vor¬
geführt habe in der Hoffnung, dass die Wünsche eines grossen Fach Vereins
die competenten Behörden veranlassen möchten, dem Gegenstände in der
Praxis näher zu treten. Wolle man das erreichen, sei es wohl richtiger,
aus den Schlusssätzen alles das wegzulassen, worüber man allgemein gül¬
tigen Rath gar nicht geben könne, wie z. B. über die Geldfrage. Dann
aber sei es auch vielleicht in materieller Hinsicht vortheilhafter, die Schluss¬
sätze des Referenten zum. Zweck einer Resolution in drei natürliche Grup¬
pen unterzubringen und die Einzelheiten lieber diesen grösseren Gruppen
unterzuordnen.
Als erster Hauptwunsch würde dann zweifellos der zu bezeichnen
sein, dass die Einrichtung von Nahrungsmitteluntersuchungsämtem eine
unabweisbare NothWendigkeit sei und zwar als staatliche oder städtische
Anstalten, da sie nur dann, wenn jede industriell» Nebenabsicht sicher aus¬
geschlossen sei, dem Publicum jede berechtigte Garantie geben.
Das zweite wichtige allgemeine Moment betreffe die Ausbildung der
Beamten jener Untersuchungsämter und hier gehe der Herr Referent wohl
etwas zu weit. Bei bestem Unterricht und grösstem Fleiss halte er es
nicht für möglich, dass jeder Nahrungsmittelchemiker alles das vollständig
leisten könne, was der Herr Referent von ihm verlange. Manches grössere
Privatlaboratorium mit gut durchgeführter Arbeitsteilung müsse in dieser
Hinsicht zweifellos mehr leisten können als ein Nahrungsmittelarat mit
wenigen noch so universell gebildeten, im Einzelnen aber weniger geübten
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30 XIII. Versammlung d. I). Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Beamten. Dem Verlangen des Herrn Referenten nach eiuer besseren natur¬
wissenschaftlichen Grundlage, als sie bis jetzt üblich sei, stimme er voll
und ganz bei und ebenso der Ansicht, dass fast noch wichtiger als die
richtige Ausführung der Untersuchung die hygienische Beurtheilung sei.
Darum sei diese Seite des Unterrichts, mit der es meist noch sehr traurig
aussehe, ebenfalls von der grössten Wichtigkeit und liege hierin ein neuer
Hinweis, wie durchaus nothwendig es sei, dass an den Hochschulen und
technischen Lehranstalten endlich der Hygiene die ihr gebührende Stelle
angewiesen werde. Wenn der Herr Referent vielleicht einen besonderen
Hinweis in dieser Richtung für entbehrlich halte, so beruhe dies darauf,
dass eben in Bayern für den hygienischen Unterricht schon bedeutend mehr
gethan sei als in Preussen, wo ausserdem auch noch nicht einmal eine eines
grossen modernen Staates würdige Sanitätsorganisation bestehe, an die sich
die Organisation der Nahrungsmittelämter als neues Einzelglied sicher
und desshalb mit der Hoffnung grösster Leistungsfähigkeit anschliessen
könne.
Als dritter Hauptgegenstand sei dann die Abgrenzung des Gebietes
im Einzelnen, die Gegenstände der Untersuchung, Bestimmungen über Gren¬
zen und Maximalzahlen zu bezeichnen. Doch seien diese Fragen wieder
so umfassend und zum Theil so verschiedener Beurtheilung zugänglich,
dass zu vielen definitiven Bestimmungen noch die Arbeit von Jahren er¬
forderlich sei. Was nach dieser Richtung praktisch durchführbar sei, habe
die Vereinbarung der bayerischen Chemiker in trefflicher Weise gebracht und
sie habe dadurch eine vorläufig brauchbare Ausführungsbestimmung ins Leben
gerufen, von der nur zu wünschen sei, dass ihr reiches Material zusammen
mit dem im Gesundheitsamt gewonnenen Material bald zu allgemeinen Be¬
stimmungen führen möchte, die den Unsicherheiten des gegenwärtigen Zu¬
standes ein Ende machen.
Director Dr. Schmidt (Wiesbaden) erklärt sich auf Grund seiner
jahrelangen praktischen Erfahrungen mit den Ausführungen und Schluss¬
sätzen des Herrn Referenten im Wesentlichen einverstanden, wenn ihm
auch immerhin Einiges zu Bedenken Anlass gebe. Im Jahre 1884 habe
dasselbe Thema den Niederrheinischen Verein für öffentliche Gesundheits¬
pflege beschäftigt und der Verein habe damals beschlossen, auf die vom
Herrn Referenten aufgestellten Einzelthesen nicht einzugehen und folgende
drei Sätze angenommen:
Die Versammlung erklärt es für dringend wünschenswerth:
1. dass in jedem Regierungsbezirk mindestens ein Untersuchungs¬
amt für Lebensmittel und für physiologisch-chemische und
bacteriologisch - hygienische Arbeiten gegründet wird;
2. dass die zur Leitung und Arbeit an diesen Aemtern berufenen
Personen in Staatsanstalten (Universitäten, Hochschulen, Acade-
mieen) vorgebildet und staatlich für qualificirt erklärt werden
müssen;
3. dass ausser diesem Bezirksamt möglichst zahlreiche örtliche
Untersuchungsärater eingerichtet werden.
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Untersuchungsanstalten fiir Nahrungs- und Genussmittel etc. 31
Mit diesen drei Sätzen sei im Wesentlichen alles das gesagt, was der
Herr Referent ausgesprochen habe und wenn es desshalb, wie einzelne
Herren betont, zu weit fuhren würde, in die Discussion der einzelnen The¬
sen einzutreten, so dürfe es sich vielleicht empfehlen zu beschliessen, der
Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege stehe auf dem Boden der
vom Niederrheinischen Verein unter dem 8. November 1884 gefassten Be¬
schlüsse und erkläre es für dringend wünschenswerth, dass seitens der
Staats- und Communalbehörden diesen Folge gegeben werde.
Oberbürgermeister Bötticher (Magdeburg) stimmt dem Antrag
des Herrn Director Schmidt bei. Es sei ganz unmöglich, dass der Ver¬
ein sich hier über jeden einzelnen Paragraphen schlüssig mache, auf den
Antrag des Herrn Director S c h m id t aber könne sich die Versammlung
vereinigen und dadurch erklären, dass der Verein für die Einführung sol¬
cher Untersuchungsstationen sei, die einzelnen Detailbestimmungen aber
weiteren Berathungen Vorbehalte.
Referent ProfCSSOl* Dr. Hilger: „Meine Herren, ich halte mich
für verpflichtet, im Interesse der Sache, Sie auf die Grundgedanken auf¬
merksam zu machen, die mich bei der Bearbeitung des Referates selbst ge¬
leitet haben. Als ich von dem verehrten Ausschuss des Vereins für öffent¬
liche Gesundheitspflege den Auftrag erhielt, mich über die Frage der
Errichtung von Gesundheitsanstalten zu äussern, glaubte ich Alles, was in
dieser Richtung anzustreben sei, in möglichst gedrängter Form zusammen
fassen zu sollen. Das ist der Grundgedanke gewesen, der mich bei der
Ausarbeitung des Referats geleitet hat, und ich habe selbstverständlich
niemals daran gedacht, dass wir heute an diesem Orte die einzelnen
Fragen detaillirt berathen würden. Solches hat mir fern gelegen. Ich
habe nur diese Schlusssätze aufgestellt, um eine möglichst vollkommene
Uebersicht über das gesammte, wie wir alle wissen, ziemlich umfangreiche
Gebiet zu geben, und ferner die hier noch zu erfüllenden nothwendigen
Bedürfnisse zu kennzeichnen. Ich glaube, dass es in der That für die Ent¬
wickelung dieser Frage bedeutungsvoll wäre, wenn der Deutsche Verein
für öffentliche Gesundheitspflege sich dahin ausspricht, dass er im Wesent¬
lichen mit meinen Intentionen in dieser Frage einverstanden ist, ohne
dass er die einzelnen Paragraphen unterschreibt und sie als unfehlbar
hinstellt.
„Mir sind ja die Beschlüsse des Niederrheinischen Vereius für öffentliche
Gesundheitspflege selbstverständlich bekannt gewesen. An diesen Be¬
rathungen war ich sogar insofern auch betheiligt, als ich indirect dem be¬
treffenden Herrn Referenten meine Erfahrungen, die ich bereits in Bayern
gemacht hatte, zur Benutzung mitgetheilt habe. Ich bin ganz damit ein¬
verstanden, dass wir uns diesem Beschluss anschliessen. Aber andererseits
glaube ich, dass es doch zweckmässig wäre, wenn die Versammlung in
irgend einer Weise ausspricht, dass sie mit meinen 11 Schlusssätzen im
Grossen und Ganzen einverstanden ist und sie zur Kenntniss genommen
hat, sich aber demselben Beschluss anschliesst, den schon ein anderer Ver¬
ein für öffentliche Gesundheitspflege seinerseits ausgesprochen hat.
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32 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Meine Herren, ich bemerke dabei, dass ich von vornherein auf den
§.10 verzichte, auf den ich gar keinen Werth lege. Diesen Paragraphen
habe ich nur aufgestellt, um anzudeuten, dass es auch in der angedeuteten
Weise möglich ist, die Mittel zur Erhaltung der Untersuchungsanstalten
zusammenzuhringen. Aber ich gehe vollkommen zu, dass wir uns hier
nicht Über solche Fragen aussprechen können. Ebenso bemerke ich, was
die regelmässigeControle betrifft, dass ich darunter selbstverständlich
eiue solche verstanden habe, die nicht alle vier Wochen an einem bestimm¬
ten Tage stattfindet, sondern ohne Kenntniss der Betheiligten. Ich ersuche
daher die Versammlung, die von mir aufgestellten Schlusssätze in dem
von mir soeben entwickelten Sinne zu beurtheilen und einen entsprechen¬
den Beschluss zu fassen.“
Nach einer kurzen Debatte zur Geschäftsordnung, an der sich die Herren
Stadtrath Hendel, Sanitätsrath Dr. S p i e s s \ Oberbürgermeister Bötti¬
cher, Sanitätsrath Dr. Hüllmann und Landesrath Fuss betheiligen,
nimmt die Versammlung folgenden von den Herren Professor Dr. Hilger
und Director Dr. Schmidt redigirten Antrag nahezu einstimmig an:
„Die Versammlung nimmt mit Befriedigung von den seitens
des Herrn Referenten aufgestellten Schlusssätzen Kenntniss und
erklärt sich im Princip mit den bezüglich der Organisation der
Untersuchungsanstalten, sowie der Qualification des Personals auf¬
gestellten Grundsätzen einverstanden.
„Sie erklärt es desshalb im Anschluss an die vom Niederrhei¬
nischen Verein für öffentliche Gesundheitspflege am 10. October
1S84 gefassten Beschlüsse für dringend wünschenswerth:
1. dass in jedem Regierungsbezirk mindestens ein Unter¬
suchungsamt für Lebensmittel und für physiologisch - chemi¬
sche und bacteriologisch - hygienische Arbeiten gegründet
wird;
2. dass die zur Leitung und Arbeit an diesen Aemtern berufe¬
nen Personen in Staatsanstalten (Universitäten, Hochschulen,
Akademieen) vorgebildet und staatlich qualificirt erklärt
werden müssen;
3. dass ausser diesem Bezirksamt möglichst zahlreiche örtliche
Untersuchungsämter eingerichtet werden.“
12 bis 12 1 /* Uhr Pause.
Vorsitzender Oberbürgermeister Friedensburg eröffnet die
Versammlung wieder und es kommt nunmehr der zweite Gegenstand der
Tagesordnung zur Verhandlung:
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Volks- und Schulbäder.
33
Volks- und Schulbäder.
Referent Dr. Oscar Lassar (Berlin): Uober Volksbäder.
„Meine Herren! Wenn ich in Ihrem Kreise — dem ehrenden Aufträge
unseres Ausschusses Folge leistend — wage, über Volksbäder zu reden,
so kann dies nicht in der Voraussetzung geschehen, Ihnen selbst die Noth-
wendigkeit einer Reform auf diesem Gebiete zur Ueberzeugung gestalten
zu sollen. Ja, es dürfte vielleicht gerade im Verein für öffentliche Gesund¬
heitspflege überflüssig erscheinen, über Badeeinrichtungen überhaupt sich
zu verbreiten, nachdem erst vor wenigen Jahren in der Stuttgarter Ver¬
sammlung die Herren Architekt Robertson und Oberingenieur F. An¬
dreas Meyer 1 ) eine classische und nach vielfacher Richtung hin fruchtbar
gewordene Darstellung des modernen Badewesens gegeben haben. Auch
ist ja gelegentlich der Hygieneausstellung und durch die Monographie
von J. Renk in v. Ziemssen’s Handbuch der öffentlichen Gesundheits¬
pflege den fachwissenschaftlichen Gesichtspunkten mannigfaltige Rechnung
getragen worden. In diesem Saale wenigstens braucht Niemandem klar
gelegt zu werden, wie tiefgreifend die physiologische Förderung
der Hautthätigkeit, die Ventilation, die Widerstandskraft
gegen Schädlichkeiten thermischer und organischer Natur durch eine
rationelle Badegymnastik berührt werden, — aber ich hoffe, nicht irre
zu gehen, wenn ich einen der bedeutsamsten Schwerpunkte dieses Congresses
in der Aufdeckung socialgesundheitlicher Missstände und der Anregung zur
Abhülfe derselben erblicke. Der Wiederhall unserer Verhandlungen findet
Ohr bei allen raaassgebenden Factoren, und in diesem Sinne bitte ich, meine
Ausführungen entgegen zu nehmen.
„Wollen wir nach Mitteln und Wegen zur Abhülfe suchen, so muss vor
Allem das Vorhandensein und die Grösse des Missstandes bestimmt werden.
Die Frage lautet: Ist im Deutschen Reiche oder einzelnen Landestheilen
genügende Gelegenheit vorhanden oder nicht, um einem massigen Bade-
bedürfniss zu entsprechen? Nun wird man wohl annehmen dürfen, dass
ein warmes Reinigungsbad per Woche ungefähr das Maass desjenigen dar¬
stellt, was wir zur Popularisirung der körperlichen Reinigung erstreben
dürfen und müssten, ein Gebrauch, welcher bei anderen Nationen — es sei
nur an Russland und die Türkei erinnert — längst zur Volksgewohnheit
geworden ist. Damit aber jeder Einwohner eines Bezirkes, beispielsweise
von 1000 Einwohnern, wöchentlich einmal warm baden könne, müsste aus-
*) Siehe Deutsche Vicrteljalirsschr. f. üffentl. Gesundheitspfl., XII, 1880, Seite 180.
Vierteljahrtschrifl för Geaundheitrpflege, 1887. 3
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34 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
reichende und bequem erreichbare Gelegenheit gegeben sein, um jährlich
52 000 Bäder zu verabreichen. Diesem Zwecke würde eine (immerhin schon
grössere) Anstalt von 10 Wannen oder Badeständen genügen können,
wenn in der ganzen Zeit täglich von früh 6 Uhr bis Abends 8 Uhr und
Sonntags von 6 bis 1 Uhr ununterbrochen pro Wanne und Stunde ein Bad
genommen würde. Thatsächlich ist dies bekanntlich nicht durchführbar,
weil erfahrungsmässig nur in den arbeitsfreien Zeiten mit natürlicher Vor¬
liebe für Sonnabend und Sonntag gebadet wird. Selbst bei einer nur halb¬
stündigen Badezeit und wenn keine Minute von den gedachten 90 Bade¬
stunden der Woche verloren ginge, würden für einen Kreis von 30 000
Einwohnern immerhin allermindestens 16 bis 17 Anstalten erforderlich sein.
Da man aber mit imaginären Minimalziffern nicht arbeiten kann, so würde
eine Durchschnittsannahme nicht fehl gehen, welche für den Zweck eines
wöchentlichen Durchschnittsbades für je 1000 Einwohner eine irgend¬
wie eingerichtete Badeanstalt verlangt. Es würden also bei einer Be¬
völkerung deB Deutschen Reiches von etwa 44 bis 45 Millionen, um jedem
Deutschen einmal wöchentlich ein warmes Bad zu gewähren, im Ganzen
44 bis 45 000 Anstalten vorhanden sein müssen.
„Literarische Angaben über die Formen der Bäder, wie dieselben im
In- und Auslande am zweckdienlichsten eingerichtet sind, bestehen in Menge,
aber vergeblich sucht man nach Mittheilungen, an Hand derer ein all¬
gemeiner Nachweis von Angebot und Nachfrage, eine Uebersicht über
durchschnittliche Kosten und Frequenz der Bäder zu führen wäre. Für die
Beurtheilung der thatsächlichen Verhältnisse kann die Grundlage nur eine
statistische Kenntuiss bilden. Eine solche bestand bislang nicht. Sie musste
also so weit wie möglich geschaffen werden.
„Davon ausgehend, dass bei Förderung hygienischer Interessen stets
und in erster Linie auf das Entgegenkommen der medicinalbeamteten Aerzte
zu rechnen ist, habe ich mir gestattet, an jeden der 1030 im Börner-
G u tt m ann ’sehen Calender verzeichneten Herren Physici eine Antwort-
Postkarte mit der Bitte um Ausfüllung folgender Rubriken zu senden:
1. Wie viel Warmwasser-Badeanstalten befinden sich in Ihrem Kreise?
2. Wie viel in Städten über 10 000 Einwohner?
3. Wie viel in Städten unter 10 000 Einwohner?
4. Wie viel in Städten unter 3000 Einwohner?
5. Wie stellen sich i. A. die Preise?
6. Etwaige weitergehende Bemerkungen über besondere Einrichtungen?
„Obgleich nun diese Belästigung keine geringe war und für viele der
Herren Collegen die präcise Beantwortung eine grosse Summe von Zeit und
Bemühung in Anspruch nahm, ist die Zahl der eingegangenen Antworten J )
eine namentlich in Rücksicht auf den privaten Charakter der Enquäte über-
*) Bemerk, während der Correctur: Seither laufen noch fortwährend Karten ein, so
dass das Material ül**r Erwarten vollständig zu werden verspricht.
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Volks- und Schulbäder.
35
raachend grosse zu nennen. Bis zum 6. September, wo die Arbeit ab¬
geschlossen werden musste, sind 666 Antwortkarten angekommen und damit
ist über fast genau zwei Drittel der Gesammtbevölkerung Aufschluss ge¬
geben. Indem ich den Herren Physici für ihre uneigennützige Mitarbeit an
dieser Stelle danke, darf es in dem anspornenden Bewusstsein geschehen,
dass die gute Sache in der That zahlreiche Freunde im Lande besitzt.
„Die Eingänge beziehen sich auf eine Bevölkerung von 31 250 857 Ein¬
wohnern. Für diese 3174 Million Menschen bestehen nachweislich
im Ganzen nur 1060 oder procentualisch auf etwa 30000 Personen — statt
dreissig — eine Warmwasser - Badeanstalt. In Wirklichkeit kommen
nur 1011 Badeanstalten in Betracht, weil von den genannten 25 auf
Krankenhäuser und 24 auf Cnrbäder entfallen. Diese Art von Bädern,
ebenso wie die Gelegenheiten zu Fluss- und Seebädern haben einen speciellen
oder temporären Charakter. Sie sind nur für beschränkte Gesellschafts¬
oder Altersclassen in gegebener Jahreszeit verwendbar und entsprechen
nicht dem Wunsche, für die arbeitende Bevölkerung das ganze Leben hin¬
durch eine ausreichende Reinigungsstätte ausfindig zu machen. Auch die
häuslichen Badeeinrichtungen der bevorzugten Classen kommen für die Be¬
rechnung numerisch in Wegfall und werden durch die Tausende von Reisen¬
den mehr als ausgeglichen.
„Aus Preussen sind von 338 Kreisen Nachrichten eingegangen. In
denselben befinden sich für das grössere Publicum zugängliche Bade¬
anstalten 499 (mit den 20 Krankenhaus- und 13 Curbädern 532). Es
kommt also auf höchstens 38 000 Einwohner eine Badeanstalt. In den
zwei Dritteln der Monarchie, über welche die Zahlen berichten, bestehen in
etwa 397 Städten unter dreitausend Einwohnern nur 87 Anstalten, es sind
also ohne solche in diesen Kreisen 310 kleine Städte geblieben. Etwas
besser stellt sich das Verhältniss in den betreffenden 340 Städten zwischen
drei- und zehntausend Einwohnern mit 200 und den etwa 117 über zehn¬
tausend Einwohner zählenden Städten mit 212 Bädern. Ganz in den
Hintergrund tritt das flache Land. So weit dasselbe nicht in den benach¬
barten Städten Badegelegenheit findet (und auch sucht), müsste, nach den
eingegangenen Notizen, in zwei Dritteln des preussischen König¬
reichs die gesammte Landbevölkerung sich durchweg ohne
jedwede öffentliche Warmwasser-Badeanstalt behelfen. Von
keiner Seite her wenigstens ist über die Existenz einer Badeanstalt auf dem
Lande Bericht eingegangen. Selbst wenn wir hoffen wollen, dass diese An¬
gaben nicht ganz lückenlos sind, auch sich einige der 87 kleinstädtischen
Anstalten in Dorfschaften befinden mögen, so ist doch kaum zu viel gesagt:
Der Bauer badet nicht. Damit stimmt, dass von den erwähnten 338 preussi-
schen Kreisen im Ganzen 96 Kreise, also 30 Proc., thatsächlich ohne Bade¬
anstalten sind.
„An Hand des gegebenen Materials lassen sich verschiedene Erhebungen
anstellen, von denen einige — vorbehaltlich einer für später in Aussicht
genommenen, competenteren statistischen Verarbeitung — hier angeführt
werden mögen.
3*
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36 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Die verschiedenen Provinzen Preussens stellen sich folgendermaassen:
Es kommt eine Badeanstalt in
Hannover .
. . auf
24 000 Personen.
Pommern.
• • n
29 000
Schlesien ..
• • n
31000
Sachsen .
• • T»
33 000
Schleswig-Holstein . .
• • n
34 000
n
Brandenburg ....
• * n
35 000
rt
Westphalen .
* • n
36 000
n
Posen .
• • n
45 000
T»
Westpreussen ....
• • n
47 000
1)
Hessen-Nassau ....
* * T)
48 000
Rheinpreussen ....
* * »
53 000
n
Ostpreussen .
• • n
56 000
n
„Der absoluten Zahl angeblich vorhandener Badeanstalten nach grup-
piren sich die Provinzen mit
19 in Hessen - Nassau,
22 „ Westpreussen,
27 „ Posen,
28 „ Ostpreussen,
35 „ Schleswig-Holstein,
38 „ Westphalen,
40 „ Brandenburg,
46 „ Pommern,
48 „ Rheinpreussen,
53 „ Sachsen,
56 „ Hannover,
87 „ Schlesien.
„Es bestehen ferner beispielsweise in
Rheinpreussen....
Kreise
ohne Anstalt gegen
. ... 22
Kreise
mit Anstalt
23
Westphalen.
... 12
15
Hannover.
... 12
21
Ostpreussen ....
... 12
24
Hessen-Nassau . . .
... 10
12
Posen.
... 7
13
Westpreussen . . . . ,
. . . . 5
12
Schlesien..
. . . . 5
38
Schleswig-Holstein. . .
... 4
19
Pommern.
... 3
23
Brandenburg .
... 0
21
Sachsen .
... 0
27
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Volks- und Schulbäder.
37
„Unter grösseren Stadien finden wir je eine Anstalt in
Altona.
auf
100 000 Einwohner l ),
Cöln.
77
72 000
77
Magdeburg ....
n
66 000
77
Lübeck.
77
63 000
77
Hamburg.
77
62 000
77
Frankfurt.
7»
50 000
77
Barmen ......
77
50 000
77
Bremen.
77
39 000
77
Berlin.
77
34 000
77
Stettin.
77
26 000
77
Hannover .
77
17 000
77
Breslau..
77
14 000
» ’)•
„Von 268 Kreisen der deutschen Staaten ausser Preussen liegen Mit¬
theilungen vor. Unter ihnen sind 80 Kreise, also das Wohnungsgebiet von
etwa 2*4 Millionen Menschen, jeder öffentlichen Badeeinrichtung baar. Kom¬
men hierzu noch die 96 erwähnten Kreise gleicher Lage in Preussen, so
sind notorisch in zwei Dritteln des Reiches über fünf Mil¬
lionen, also mindestens ein Sechstel der Einwohnerschaft gänz¬
lich ausser Stande, jemals ein warmes Reinigungsbad zu
nehmen.
„In verschiedenen Einzelstaaten stellt sich das Verhältnis der Kreise
ohne Anstalten unter den sämmtlichen überhaupt gemeldeten Kreisen
auf Procente berechnet:
Baden . . *.10
Königreich Sachsen.10
Eisass- Lothringen.15
Württemberg.18
Mecklenburg - Schwerin.20
Sachsen-Weimar.20
Hessen.27
Preussen ..30
Sachsen-Altenburg.33
Bayern.37
Sachsen-Meiningen.40
Braunschweig.47
Sachsen-Coburg-Gotha.63
„Die Zahl der Badeanstalten in den verschiedenen Kreisen ist eine
äusserst verschiedene. Unter 242 preussischen Kreisen, in denen es solche
giebt, besitzen 111 Kreise je eine, die grössere Anzahl 2, 3 und 4 Anstalten,
auch mehr.
J ) Hier wie durchweg sind die Zidern der Volkszählung von 1880 zu Grunde gelegt.
Da die Angabe der Bäder aus der neuesten Zeit stammt, so stellt sich das Verhältnis»
eher angünstiger.
2 ) Im Landkreise Breslau befindet sich keine Anstalt.
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38 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. off. üsndhpflg. zu Breslau.
„So enthalten in Preussen
fünf Badeanstalten die Kreise Krotoschin 1 ) . . .
mit 69 905 Einwohnern,
Lublinitz l ) ... .
n
42 974 „
Merseburg ....
V
69 115
Bonn.
n
87 320
Osnabrück ....
n
59 164 „
Springe i. II.. . .
n
81930 „
sechs „
» » Kalbe .
n
84613
Obaus i. W. ...
n
35 649
Lübbecke i. W. .
n
47 895
Iserlohn .
n
60 956
sieben „
„ „ Adelnau in Posen
V
62 827
Cleve 2 ) .
n
50 460 „
neun „
der Kreis Zellerfeld i. H. . .
i)
28 905 „
somit kommt in
diesem Kreise auf 3200 Einwohner
eine Anstalt. In den
übrigen deutschen Ländern verfügen über eine grössere Anzahl von Bädern
namentlich folgende Kreise: In Bayern hat der Amtsbezirk Rosenheim
mit 48 580 Einwohnern 8 Anstalten, Pass au mit 56 451 Einwohnern 6
und Weringen mit 18 280 Einwohnern sogar 25 Anstalten, also je eine
auf 731 Einwohner. In Sachsen haben die Medicinalbezirke Leipzig
mit 311 027 Einwohnern und Glauchau mit 125 266 Einwohnern je neun,
Borna mit 69 764 und Freiberg mit 110 211 Einwohnern je acht An¬
stalten. In Württemberg sind Stuttgart (117 300 Einwohner) und
Cannstatt (40 400 Einwohner) mit je 7 Badeanstalten hervorzuheben,
ebenso in Hessen der Kreis Bensheim, welcher ebenso viele bei 47 600
Einwohnern aufweist.
„Diese Daten mögen einstweilen ohne jede weitere Schlussfolgerung
bleiben. Weitere Nachforschungen und Prüfungen müssen ergeben, in wie
weit das gewonnene Zahlenmaterial richtig und zum Einblick in die Gesetz¬
mässigkeit der Verhältnisse geeignet ist. Denn es liegt auf der Hand, dass
die Unterschiede in den einzelnen Landestheilen ganz regellose und zu¬
fällige zu sein scheinen. Zwar wird man annehmen dürfen, dass da, wo
bedeutende Wasserläufe wenigstens im Sommer das Baden ermöglichen, das
Bedürfniss für künstliche Anstalten weniger dringend erscheint. Auch sind
die Comraunicationsverhältnisse, die Grösse und Beliebtheit einzelner Insti¬
tute, Clima, Tradition und Verwaltungscharakter gewiss von maassgebendem
Einfluss, der sich rein schematisch von weitem nicht erkennen lässt. Wees-
halb kommt z. B. in Sachsen-Weimar auf 8000 Einwohner und im benachbarten
Sachsen - Meiningen erst auf 24 000 Einwohner eine, wesshalb in Meckeln-
burg-Strelitz schon auf 11000 Einwohner, in Meckeinburg - Schwerin nur
auf 19 000 Einwohner je eine Anstalt? Reuss ältere Linie muss sich für
34 000 Einwohner mit einem Bade begnügen, während auf den gleich¬
namigen Staat jüngerer Linie je 13 000 Einwohner ein solches benutzen
können.
*) Darunter je drei rituelle für jüdische Frauen. Die Anstalten werden jedoch auch
von der übrigen Bevölkerung benutzt.
s ) Hiervon sind vier Anstalten in Gasthöfen.
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Volks- und Schulbäder.
39
„Wie immer aber man diese Zahlen schieben und deuten will, Eins
geht ohne Zweifel aus ihnen hervor, dass zwischen dem berechtigten
Badebedürfnissund der Möglichkeit, dasselbe zu befriedigen,
ein absolutes Missverhaltniss besteht. Bass demselben nach
Kräften abzuhelfen sei, darüber sind alle Meinungen einig. Ueber den
einzuschlagenden Weg bestehen verschiedene Auffassungen.
„Es scheint desshalb am Platze, auf einige beispielgebende Einrich¬
tungen hinzuweisen, die zum Wohle der arbeitenden Classen und ohne
theoretische Voreingenommenheit eingerichtet sind.
„Kommen dieselben auch ihrer Zahl nach für die Gesammtheit voll¬
kommen ausser Betracht, so geben sie doch ein erfreuliches Zeugniss von
dem Bestreben leitender Kreise, dem erkannten Bedürfniss nach Vermehrung
den Arbeiterbäder entgegenzukommen.
„So besitzt 1 ) die Baumwollspinnerei am Stadtbach zu Augs¬
burg eine eigene Badeeinrichtung für Wannenbäder mit Zuleitung von
heissem und kaltem Wasser. In der Hospelt’schen Bleiweiss- und Farben¬
fabrik zu Ehrenfeld befindet sich ein Bad von acht Bassinzellen und vier
Wannenbädern. Bie Gesammteinrichtung wird auf etwa 3000 Mk. ge¬
schätzt. Ba im Ganzen 12 Bäder zur Verfügung stehen, ist die Burch-
führung einer Vorschrift ermöglicht, nach welcher die Arbeiter der Bleiweiss¬
fabrik, circa 80 an der Zahl, jeden Sonnabend baden müssen. Ausserdem ist es
den übrigen an besonders staubigen Arbeiten beschäftigten Leuten, die nicht
direct mit der Bleiweissfabrikation zu thun haben, gestattet, häufiger, wenn
nöthig, täglich zu baden, von welcher Gelegenheit in ausgedehntester Weise
Gebrauch gemacht wird. Vor dem Baden wird jedem Arbeiter ein reines
Handtuch und ein Stück Seife, Sonnabends auch ein reiner Arbeitsanzug
geliefert. Ber Zweck der Anstalt, bei den Arbeitern durch das regelmässige
Baden den Sinn für Reinlichkeit im Allgemeinen zu heben und auf diese
Weise auch ihr Wohlbefinden und auf ihre Gesundheit vorteilhaft einzu¬
wirken, scheint nach dem Bericht des Herrn Hospelt in sehr befriedigender
Weise erreicht zu werden. Ausserdem aber liefert auch die seit Benutzung
dieser Anlage, sowie der sonst zur Absaugung und zum Niederschlagen des
Staubes getroffenen Maassnahmen ein ge tre tene Abnahm e der Krank¬
heitsfälle und namentlich die sehr verminderte Häufigkeit der Bleikoliken
den Beweis für den Nutzen der Bäder. Im ersten Betriebsjahre 1884 ver¬
ringerten sich die Krankheitsfälle um 20 Proc., im Jahre 1885 schien bis
zum Ende November sich das Verhältniss sogar bis auf 50 Proc. herabzu¬
mindern. Wenn also hier nicht andere Zufälle vorliegen, kann man die
Erfolge der Badeeinrichtung in der That als sehr günstige bezeichnen.
„Bie Herren Gebrüder Heyl u. Co. in Charlottenburg bei Berlin
haben dem Muster des in Folge meiner Anregung auf der Hygieneausstellung
in Betrieb gesetzten Volksbades entsprechend in ihrer Farbstofffabrik ein
Brausebad von zehn Zellen errichtet. Bie Anstalt zeichnet sich durch Ge-
*) Da» einschlägige Material verdanke ich der Güte des Herrn Generalsecretär Ditt-
mar in Mainz, der mich im Namen des rühmlichst bekannten Vereins zur Förderung des
Wohles der Arbeiter Concordia zur Verfassung eines kleinen Mahnworts an die Arbeiter
„zu baden“ aufgefordert hat.
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40 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. tisndhpttg. zu Breslau.
räaraigkeit und Einfachheit aus. Sie ist einladend und reinlich. Die
Bäder werden mit Handtuch und Seife unentgeltlich verabreicht und in den
Abendstunden von den Arbeitern und ihren Kindern, im letzten Sommer
auch von mehreren Abtheilungen der Moabiter Feriencolonien, also aus
dem benachbarten Stadtgebiet, auf das Eifrigste benutzt. Dieselben er-
weisen sich, wie die Firma noch unter dem 6. d. M. gefälliger Weise mit¬
theilt, für das Wohl der Arbeiter von grösstem Segen und legen — wie
der Ausdruck lautet — den Wunsch nahe, dass eine solche Anstalt an
vielen Orten Nachahmung finden möge.
„In der Gladbacher Baumwollspinnerei der Herren M. May
u. Co. wird den Kranken unentgeltlich, den Gesunden gegen 10 Pf. ein
Wannenbad mit Seife und Handtuch verabfolgt. Das Baden fällt in
die gewöhnliche Arbeitszeit und die Arbeiter dürfen bis zu
einer halben Stunde Zeit dazu versäumen. Die Bäder werden im
Sommer stärker, in den kälteren Monaten wenig benutzt. Die Arbeiter
baden, wie es scheint, hauptsächlich um das Behagen der Abkühlung an
heissen Tagen zu gemessen; die Arbeiterinnen baden am wenigsten.
„Ausgezeichnete Einrichtungen bestehen in der Leipziger Woll¬
kämmerei. Die Zugänge sind von den Arbeitssälen aus vollständig getrennt
in die Männer- und die Frauenabtheilung, deren jeder ein Bademeister und
eine Badefrau vorsteht. Jeder der Arbeiter und Arbeiterinnen badet
wöchentlich einmal. Die Reihenfolge der Controle findet derart statt, dass
jeden Morgen von den Meistern eine bestimmte Anzahl Bademarken verab¬
folgt wird. Die Anlage der Bäder ist relativ theuer geworden durch ört¬
liche Verhältnisse, indem 766 Mk. pro Wanne haben aufgewandt werden
müssen. Die täglichen Unterhaltungskosten einer Zelle belaufen sich da¬
gegen nur auf 65 Pf. für Dampf- und Wasserverbrauch, Wäsche und Be¬
dienung. — Danach wäre bei fünf Badetagen und 12 Wannen ein Etat von
2500 Mk. zu balanciren. Rechnet man 20 bis 25 Bäder pro Tag und
Wanne, so stellen sich die Selbstkosten auf wenige Pfennige pro Bad.
„Entstehen nun wirklich an verschiedenen Plätzen — und wahrscheinlich
an mehr als bekannt — wohlwollend eingerichtete Arbeiterbäder, so werden
dieselben doch nicht immer hinreichend benutzt. So bestand seiner Zeit —
es ist seitdem in Essen ein coromunales Bad eingerichtet — nach dem für
die Hygieneausstellung ausgearbeiteten Bericht im Kruppschen Etablisse¬
ment eine Badeanstalt von sieben Zellen für die 10 000 Arbeiter der ge-
sammten Gussstahlfabrik. Man sollte annehmen, dass eine derartig geringe
Zahl von Badewannen nicht entfernt dem Andrange genügen könnte. Zwar
sind — wie wohl allerorten, wo dies nöthig — für die Kohlenarbeiter der
Zechen besondere Wasch Vorrichtungen vorhanden; aber wenn jeder der
zehntausend Arbeiter, von den Frauen und Kindern gar nicht zu reden,
wöchentlich einmal in Wirklichkeit baden wollte, so müssten mindestens
500 000 Bäder jährlich zur Verabreichung gelangen oder 100 statt 7 Bade¬
wannen vorräthig sein. Dieser Uebelstand aber scheint nie hervorgetreten zu
sein, denn im Jahre des stärksten Verkehrs ist die Zahl von 4000 Bädern
nicht überschritten, es sind also pro Tag und Wanne nicht ganz zwei Bäder
genommen worden. Mit einem Worte, selbst da, wo die Fürsorge der Ar¬
beitgeber die Möglichkeit schafft, bedarf es immer noch eines kräftigen
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Volks- und Schulbäder. 41
Antriebes für die mit dem Nothwendigsten rechnenden Volksclassen, um
sich der Wohlthat einer dnrchgeführten Badegewohnheit anznbequemen.
„Aus diesen Andeutungen, welche in so kurzer Fassung den geehrten
Herren gewiss genügen werden, gehen mit Nothwendigkeit zwei Haupt¬
ergebnisse hervor. Die Anzahl der in Deutschland vorhandenen
Badeanstalten steht in auffallendem, man darf wohl sagen,
beschämendem Missverhältniss zu der vorhandenen Ein¬
wohnerzahl. Andererseits werden selbst da, wo ausreichende
Einrichtungen existiren, dieselben nicht im Entferntesten
ausgenutzt. Diese beiden Factoren stehen in bleibender Wechselwir¬
kung. Wirtschaftlich erscheint diese leicht begreiflich, denn Anstalten,
die nicht genügend besucht werden, verfallen, gehen allmälig ein.
„Aber die Deutschen sind eine reinliche Nation. Mag es hier und da
verkommene Kreise der Bevölkerung gehen. Jedermann, dem es vergönnt
ist, in persönlicher Berührung mit den arbeitenden und selbst den ganz ver¬
armten Classen Einsicht in deren alltägliche Lebensgewohnheiten zu nehmen,
wird zageben müssen, dass die Wahrung der körperlichen Würde, die Sorge
für Reinlichkeit der Kleider und der Person eine nicht geringe Rolle spielt.
Und doch badet man nicht, pflegt vielmehr das Bad mit warmem Wasser
und Seife lediglich als einen für Wohlhabende oder für Kranke bestimmten
Luxus anzusehen. Demnach sind im Allgemeinen Badeanstalten selten von
einiger Rentabilität. Wo nicht bereits überkostbare Grundstücke und
Bauten die Ertragsfahigkeit von vornherein schmälern, kommen grosse
laufende Unkosten an Bedienung und Material, namentlich Heizung, Wasser
und Abnutzung in Betracht. Die Coutrole ist unsicher oder unverhältniss-
mässig kostspielig. Die Reparaturen und Sachbeschädigungen nehmen kein
Ende. Hierdurch werden die Preise im Verhältniss zur Leistung in die
Höhe geschraubt.
„Als Durchschnittspreis eines Bades ohne Seife, meist auch
ohne Wäsche, geht aus den Mittheilungen der Herren Physici in ganz über¬
wiegender Mehrheit der Satz von 50 Pfennigen hervor. Ausnahmen
allerdings bestehen. In einzelnen grossen gemeinnützigen Anstalten, wie zu
Barmen und in Cöln, verabreicht man Volksbäder schon zu 10 Pfennigen.
In Usingen baden die Seminaristen für den gleichen Preis. Im Kreise
Freystadt i. Schl, kostet das Bad 15 Pfennige, ebenso in Halle; hier
erhält man im Abonnement acht Marken für 1 Mk. Im Bezirksamt
Dinkelsbühl in Bayern sind die beiden dortigen Badeanstalten städtisch
und fordern nur 20 Pfennige für das Bad. Derselbe Preis wird in Chateau-
Salins (Elsass-Lothringen) verlangt. Diese Anstalt aber ist nur für Bahn-
bearate und -Arbeiter bestimmt. Die Ausnahmen nach der anderen Rich¬
tung sind aber nicht minder reichlich vertheilt. In den Kreisen St. Goar
und Apenrade schwankt der Preis eines Warmbades zwischen 100 und
150 Pfennigen, im Amtsbezirk Bayern (Königreich Bayern) zwischen 1*50
und 2*50 Mk. Es wird aus Ballenstedt in Anhalt speciell angeführt,
der Preis des Bades ermögliche die Benutzung nur für Wohlhabende. Alles
in Allem beträgt in 49 Anstalten, 26 derselben liegen in Preussen, der Preip
eines Einzelbades mehr als eine Mark.
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'42 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhptlg. zu Breslau.
„Der Durchschnittspreis von 50 Pfennigen für ein Warmbad muss
anstandslos als für einen Arbeiter unerschwinglich betrachtet werden, auch
die Abonnementsermässigungen kommen für ihn in Rücksicht auf die Höhe
des von ihm zu leistenden Vorschusses ausser Betracht. Und hier liegt
der Angriffspunkt gegen den bisherigen Zustand. Sind die
üblichen Bäder nicht so billig herzustellen, dass der Arbeiter ohne unver-
hältnissmässige Opfer für sich und die Seinen Nutzen ziehen kann, so muss
die Badeform geändert werden.
„Die Bestrebungen, unter den althergebrachten Verhältnissen billige
und sich selbst erhaltende Anstalten zu schaffen, sind nur da geglückt, wo
vorsichtige Bewirtschaftung Hand in Hand ging mit unablässiger Aufsicht
und Controle. Ein Beispiel dieser Art giebt die Anstalt des Vereins für
Volksbäder in der Höchstenstrasse in Berlin. Dieselbe hat es seit einer
Reihe von Jahren zu Wege gebracht, bei Verabreichung eines Vollbades mit
Seife für 25 Pf. selbständig unter Tragung aller Betriebsunkosten zu be¬
stehen. Allerdings darf dabei nicht verschwiegen werden, dass der Curator
der Anstalt, Herr Dr. A. Kalischer, eine Summe von Sorglichkeit und Ver-
waltungsgeschick entfaltet, welche bei etwaiger Nachahmung nicht in letzter
Linie in Betracht zu ziehen sein wäre.
„Die Wege, auf denen ein Fortschritt im Bade wesen möglich erscheint,
sind gewiss verschiedene. In grossen Städten, wo gewaltiges Capital, Legate,
Schenkungen monumentale Bauten, wie z. B. das HohenBtaufenbad in Cöln,
ohne directe Rücksicht auf finanzielle Auswerthung entstehen lassen, will
man sich ungern zu äusserlich bescheidenen Vorrichtungen bequemen. Auch
in Berlin, wo aus allen Schichten der Bevölkerung der Wunsch unauf¬
haltsam an die Oberfläche dringt, die Arbeitermassen mit Volksbädern aus-
zurüsten, will man sich auf die Zulassung zweckentsprechender aber ein¬
facher Badebuden einstweilen nicht recht einlassen, sondern ist auf Grund
anderer Voraussetzungen in Verhandlung über die Gründung grösserer
Bädercomplexe begriffen.
„Jedes Bestreben zur Hebung unserer Bäderarmuth muss mit Freude
begrüsst werden. Es bandelt sich aber in letzter Linie nicht darum, einige
besonders bevorzugte Orte mit gefälligen Anstalten zu schmücken. Das
Postulat lautet: Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! Und um dem
zu genügen, muss eine durchgreifende Umwandlung in unseren Einrichtun¬
gen und den Anschauungen Platz greifen.
„Gewiss gilt für viele Fälle und in den Augen der Mehrheit das
Wannenbad als das vorzüglichste. Aber wollte man dem entsprechend
Vorgehen, so würden die Mittel des Aufbaues und namentlich des Betriebes
wohl bald versagen und an der thatsächlichen Undurchführbarkeit auch
die volksfreundlichsten Bemühungen scheitern wie bisher.
„Zunächst wenigstens wird nur das denkbar Einfachste zu erreichen
sein. Als solches muss das lauwarme Brausebad gelten, ln ihm hat man
die Badeform der Zukunft zu erblicken.
„Abgesehen von geringem Preis und Platzaufwand besitzt das Brause¬
bad ganz allgemein folgende Vorzüge für den Badenden selbst. Die phy¬
siologische Einwirkung auf den Organismus ist eine belebende, erfrischende.
In jeder Jahreszeit ist es angenehm und nie erschlaffend, den eingeseiften
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Volks- und Schulbäder.
43
Körper mit lauem Wasser zu berieseln und hernach eine mässig kühle oder
ganz kalte Abgiessung vorzunehmen. Die Reinigung ist eine absolut
gründliche und wird dadurch wesentlich gefördert, dass alles mit dem an¬
haftenden Staub und Schmutz vermengte Wasser sogleich abgeschwemmt
und fortlaufend durch reines ersetzt wird. Im Vollbad aber badet man
doch schliesslich (namentlich ein Arbeiter, der alle Adhärenzen der ganzen
Woche in der Wanne zurücklassen will) in schmutzigem Wasser. Auch ist der
Einzelne im öffentlichen Brausebad mehr als in der Wanne vor Ansteckung
und intimer Berührung mit den Spuren seines Vorgängers gewahrt und
kann ohne Mühe die Reinigung der Badestelle durch einfache Abspülung
selbst besorgen. Dazu kommt, dass das Bad selbst wenig Zeit in Anspruch
nimmt, persönliche Bedienung des Badenden nicht erfordert und die Mög¬
lichkeit* bietet, eine grosse Anzahl von Personen rasch hinter einander ab¬
zubaden. Auch darf man annehmen, dass die Erkältungsgefahr jedenfalls
im Vergleich zu den gefässerschlaffenden warmen Vollbädern eine geringe
ist, vielmehr die Abhärtung kaum rationeller erlangt werden kann, als
durch auf einander folgende laue und kühle Abgiessungen.
„Hat schon das System an sich unbestreitbare Vorzüge, so giebt gewiss
die Kostenfrage unter allen Umständen den Ausschlag. Laut der uns
gütigst heute von der Stadt Breslau übergebenen Festschrift stellen sich
hierorts die Ueberlassungspreise von 1000 Litern Wasser auf 15 Pfennige.
„Zu einem Brausebad, wenn es geradezu verschwenderisch bemessen
wird, genügen nach von mir angestellten Versuchen bei richtiger Beschaffen¬
heit der Douchenöffnung ad maximum zehn Liter. Man kann jedoch
schon mit fünf Litern ganz gut auskommen. Das Wasser für ein
Brausebad kostet demnach höchstens 0 # 0015 Mk. Zu einem Wannenbad
braucht man 200 Liter = 3 Pf. Auslage für Wasser. Bei einem Wasser¬
preise von 15 Pf. pro Cubikmeter erhält man für eine Mark das Was¬
ser zu 666 Brausebädern, aber nur für 33 Wannenbäder.
Der Wasserverbrauch in einem Landkreise von 30 000 Einwohnern, wenn
diese je wöchentlich ein Bad nähmen, würde bei Brausebädern einen Auf¬
wand von 2340 Mk., bei Wannenbädern aber von 46 800 Mk. jährlich er¬
fordern. Dies bedeutet auf ganz Deutschland berechnet eine etwaige
Ersparniss von mehr als 66 Millionen oder 1*48 Mk. pro Kopf und
Jahr zu Gunsten der Brausebäder.
„Erachtet man auch vielleicht solche Durchrechnungen als müssig, so
legen sie gleichwohl dar, dass das Princip grossartig durchgeführter Volks¬
bäder nur auf Grundlage weitgehendster Wohlfeilheit als möglich zu denken
ist. Bedarf es doch keiner weiteren Ausführung, dass bei gesteigertem Wasser¬
verbrauch auch alle anderen kostenerregenden Factoren — Heizmaterial,
Raum, Bau und Bedienung — in geometrischer Progression sich steigern
müssen.
„Deshalb ist und bleibt, — wie ich schon Gelegenheit genommen
habe im Bericht über das Badewesen auf der Hygieneausstellung hervor¬
zuheben *) —Postulat, die Herstellung von Reinigungsanstalten, welche
*) Cl'r. Bericht über die Allg. deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und
des Rettungswesens. Breslau. Schottländer 1885, S. 340.
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44 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhptig. zu Breslau.
unter knappster Form, bequemer Zugänglichkeit und Erreichbarkeit alles
für die umfassende Körperreinigung Nöthige gegen ein minimales Entgelt,
aber in würdiger und zugleich einladender Weise zu bieten vermögen. Und
diese Bäder müssten geradezu auf der Strasse stehen, damit die Vorüber¬
gehenden immer und immer wieder darauf hingeführt werden, sie zu be¬
nutzen. So ist das auf meine Initiative in der Hygieneausstellung 1883
eingerichtete Volksbad construirt. Die ganze Anstalt — absichtlich
auf das Einfachste reducirt — bestand aus einem Wellblechhäuschen von
etwa 40 Quadratmetern Grundfläche, das in der Mitte längs getheilt eine
Frauen- und eine Männerabtheilung mit je besonderem Strasseneingang,
zehn Douchezellen, zwei Wasserclosets, Vorraum, Corridore, Waschküche,
Trocken- und Heizraum umfasste. Der Entwurf war von Herrn Regierungs-
baumeister Thür ausgeführt, um die sinnreiche Ausführung und Betriebs¬
leitung hat sich Herr David Grove ganz besonders verdient gemacht 1 ).
„Diese von mehr als 10 000 Personen, an einzelnen Tagen von hunder¬
ten mit sichtlichem Vergnügen benutzte Anstalt hat die Möglichkeit dar-
gethan, weitesten Kreisen der Bevölkerung die Wohlthat einer ausgiebi¬
gen körperlichen Reinigung zu verschaffen. Sie erfordert so geringe An¬
lage- und Betriebskosten, dass in geschlossener Einzelzelle ein warmes und
kaltes Regenbad mit Seife und Handtuch für 10 bis 15 Pfennige verabreicht
werden kann. Auf diese Weise nur vermag zahlreichen Classen der Be¬
völkerung, welche einstweilen das warme Bad als unerschwinglichen Luxus
statt als Lebensbedürfniss betrachten müssen, ein Ersatz bereitet zu wer¬
den. Ueberall in Städten und auf dem Lande, auf öffentlichen Plätzen und
an Knotenpunkten des Verkehrs, an Eisenbahnstationen, in Schulen, Fabri¬
ken, Bergwerken, Casernen, Asylen, Gefangenanstalten lassen sich die
Brausebäder ohne Schwierigkeit in Betrieb halten und werden in der That
dahin führen, dass für Jedermann das Bad zur Gewohnheit wird.
„Dass die Art der Körperreinigung in Brausebädern eine ausreichende
und gesundheitsfördernde ist, haben die vielfach erprobten Erfahrungen
dargelegt, welche wir dem Vorgehen der militärischen Behörden, nament¬
lich der Anregung der Herren Generalarzt Roth und Oberstabsart Mün-
nich, danken. Dass aber dieselbe wohl geeignet ist, sich rasch in das
Interesse und die Gewohnheiten des Publicums einzubürgern, hat der Be¬
trieb in der Hygieneausstellung bewiesen. Es ist überflüssig, die
zahlreichen Anerkennungen und Nachfragen, welche dieser einfache Ver¬
such hervorgerufen hat, anzuführen. Der Gedanke, grösseren Kreisen eine
auf das Nothwendige beschränkte, also billige, dabei aber ausreichende und
einladende Badegelegenheit vorzuführen, ist in der That kein ganz unfrucht¬
barer geblieben. Der Umstand, dass es mir an dieser hervorragenden
Stelle vergönnt war, in diesem Sinne das Wort zu ergreifen, beweist dies.
„Dürfen wir demnach annehmen, dass die mächtige sociale Hebung,
welche eine allgemeine Einführung billiger und leicht zugänglicher
Volksbäder bedeuten würde, in erster Linie durch Brausebäder erzielt wer-
0 Ein anderes nach meinen Angaben gearbeitetes Modell — die Pläne sind von den
Herren Börner ai. Co. ent Worten — befindet sich im Besitz des Hygienemuseum in Berlin,
Klosterstrasse 26.
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Volks- und Schulbäder. 45
den kann, so erübrigt es schliesslich, die Art der praktischen Durchführung
anzudeuten.
„Staat und Gemeinde haben so viele näherliegende Pflichten, dass mehr
als eine freundwillige Begünstigung auf diesem Gebiete von ihnen kaum
erwartet werden darf. Auch werden die Communen nur in ihrer Minder¬
zahl überhaupt in der Lage sein, grosse Opfer für das Badewesen zu er¬
zwingen. Die Privatwohlthätigkeit endlich dürfte einem so umfassenden
Werke kaum gewachsen und den eigentlichen Interessenten gewiss nicht
willkommen sein. Auch kann ein gemeinnütziges Unternehmen sich nur
dann als gesund erweisen, wenn es auf eigenen Füssen zu stehen vermag.
Sollen die Volksbäder lebensfähig sein, so müssen sie sich selbst erhalten.
„Dies wird nur möglich sein, wenn sie durch gemeinnützige Er-
werbsgesellschaften gehalten werden. Verwaltung und Beaufsichti¬
gung mögen unentgeltlich, als eine Art von Ehrenämtern besorgt, Grund
und Boden, an vielen Orten auch das Wasser von den Gemeinden gestellt
werden. Das geringe erforderliche Capital*) müsste in Form ganz klei¬
ner Antheilsscheine unter Bürgern und Bauern, bei Gutsbesitzern, Fabrik¬
inhabern, Handwerksmeistern, kurz allen besitzenden Haushaltungsvorstän¬
den aufgebracht werden. Dieselben sollten dann ihre Interessen nicht in
Form von Zinsen, sondern ih einem etwa gleichwerthig gedachten Be¬
nutzungsrechte für sich oder ihre Angehörigen und Angestellten erhalten,
etwa in der Art, wie man die meisten zoologischen Gärten in das Leben
gerufen hat. Auch würde die Organisation der grossen, durch das ganze
Reich verbreiteten Krankencassen hereinzuziehen sein. Zahlreiche Beamten¬
kategorien, selbst Militärbehörden, namentlich aber die Verwaltungen von
Eisenbahn und Post werden solchen Unternehmungen auf die Dauer nicht
fern bleiben wollen, bei denen es sich nicht um Gewinnüberschüsse zu
Gunsten von Privaten, sondern um die Ermöglichung einer gesundheit¬
lichen Förderung auch ihrer Untergebenen handelt. Auf diese Weise würde
auch die Hauptschwierigkeit, welche in der zu erwartenden Indifferenz der
Menge liegt, zwanglos beseitigt. Wenn aus den Familien und Hauswesen
heraus, von dienstlich Vorgesetzten, von CassenVorständen und Arbeitgebern
die Anregung immer wieder geweckt wird, nur dann ist Aussicht vorhan¬
den, dass die arbeitenden Classen der Neuerung ihre active und unentbehr¬
liche Theilnahme allmälig zuwenden. Hierzu muss allerdings kommen, dass
die Badeanstalten nicht in abgelegenen Winkeln und auf lichtscheuen Höfen
ein wie bisher unbeachtetes Dasein fristen, sondern dieselben müssen in
die Mittelpunkte des alltäglichen Verkehrs gestellt werden. Kein Umweg
und unnützer Zeitverlust darf der mühescheuen Indolenz zu Hülfe kom¬
men, sondern Lage und Bauart der Bäder müssen einladen, im Vorüber¬
gehen die Gelegenheit zur Kräftigung und Erfrischung wahrzunehmen.
Dabei bleibt es unbenommen, auch diesem einfachen Häusohen eine tekto¬
nisch angenehme Form zu geben, und endlich das Budget der Anstalt
durch Placate und Annoncen zu entlasten.
*) Die Herstellung des Volksbades für zehn Personen in der Hygieneausstellung hat
6300 Mark gekostet. Und dies war ein erster Versuch. Fabrikraässige Beschaffung, Be¬
nutzung vorhandener Räumlichkeiten oder Döcker’sche Baracken würden die Kosten er¬
heblich vermindern.
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4G XIII, Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„So viel steht fest, auf dem Felde des öffentlichen Bade wese ns ist
fast Unendliches zu thun. Was nicht brach liegt, krankt an Theilnahm-
losigkeit. Und diese zu brechen, ist die nächste Aufgabe. In Flug¬
schriften und Vorträgen, in Vereinen und durch Wanderlehrer, nament¬
lich aber in beispielgebendem Vorgehen einzelner Vergesellschaftungen
sollten die maassgebenden Kreise für eines der vornehmsten Interessen
praktischer Gesundheitspflege gewonnen werden. Dann kann allmälig die
Zeit herannahen, wo im entlegensten Winkel des Vaterlandes auch der
Armselige und Beladeno unsere Bestrebungen segnen wird."
Correferent Oberbürgermeister Merkel (Göttingen): lieber
Schulbäder.
„Meine hochgeehrten Herren!
„Der Herr Vorredner hat über die Befriedigung des Badebedürfnisses
unseres Volkes durch die neuerdings auf der Tagesordnung stehenden Volks¬
bäder gesprochen.
„Ich habe auf Wunsch des Vorstandes es übernommen, über eine
neue Specialität auf diesem Gebiete, über die Badeeinrichtungen inner¬
halb der Volksschulen der Stadt Göttingen Ihnen Bericht zu erstatten.
„Zunächst gestatten Sie zur Orientirung in den Göttinger Schul Ver¬
hältnissen Ihnen vorzuführen, wie die Stadt — 21 000 Seelen — vor zehn
Jahren eine gründliche Neuorganisation ihres Schulwesens erfuhr. Danach
ist die Stadt in zwei gleiche, durch die einigen der Herren wohlbekannte
Weenderstrasse geschiedene Volks-Schulbezirke getrennt. Der obere, nach
dem Berge belegene Theil hat ein für 700 Kinder berechnetes neues Schul¬
gebäude am Albanithore, der untere Bezirk ein gleiches Gebäude ausserhalb
des Gronerthores erhalten. Für die ganze Stadt ist eine etwa 1000 Kin¬
der fassende gehobene Volksschule oder Mittelschule gebaut und eine
600 Kinder fassende neue höhere Töchterschule. Das Gymnasium, gleich¬
falls in einem neuen Gebäude, ist ein staatliches.
„So stellt sich im Aeusseren und ich hoffe auch in seinen Leistungen
unser Schulwesen als ein durchaus befriedigendes dar.
„In allen Schulgebäuden finden Sie sämmtliche Anforderungen der
Neuzeit, hohe weite Räume, Centralheizung, Ventilation, Bänke bester
Construction u. s. w., erfüllt und zwar Dank unserem intelligenten Stadt¬
baumeister in tadelloser Weise ausgeführt. „„Ja! was helfen aber alle
diese hygienischen Einrichtungen — meinte in einem Gespräche der Pro¬
fessor Flügge, der unseren Lehrstuhl für Hygiene zu unserem Bedauern
verlässt —, wenn nun in diese gesunden Räume schmutzige Kinder mit
allen möglichen Infectionskeimen am Körper hineinkommen ? uu
„Dieser frappirende Ausruf führte mich auf den Gedanken, ,ob denn
nicht, wie neuerdings in einzelnen Casernen, auch in den Schulgebäuden
selbst ähnliche Badeeinrichtungen getroffen werden könnten, durch welche
den Kindern in Trupps zur Reinigung nahe Gelegenheit geboten würde?*
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Volks- und Schulbäder.
47
„Auf die freudige Bemerkung des Professors, dass das eine famose
Einrichtung werden dürfte, gab ich ihm die Zusicherung, dass der Versuch
sofort gemacht werden solle, da alle Bedingungen zu einer leichten Aus¬
führung vorlägen — leer stehende hohe Souterrains in den Gebäuden, vor¬
handene Wasserleitung und Canalisation, Centralheizung, tüchtige Schul¬
wärter u. s. w.
„In der nächsten gemeinschaftlichen Sitzung fand der Antrag auf
Bewilligung einer Summe von etwa 1000 Mark, zum Zwecke der Her¬
stellung Einer Badeeinrichtung, die einstimmige Genehmigung unseres auf
die Gesundheit der Universitätsstadt als solcher stets eifrig bedachten
Stadtverordneten - Collegiums in der Voraussetzung, dass Schulvorstand und
Lehrercollegium dem Unternehmen geneigt seien.
„Beides traf zu; namentlich war die Zustimmung des Lehrercollegiums
eine besonders freudige, und so wurde denn die Einrichtung getroffen in
der sogenannten Albanischule, wie sie dieselbe hier in Skizze und Modell
vor sich stehen sehen. Ein halbes Jahr später wurde nach einem etwas
veränderten Modell auch in der anderen Volksschule die Badeeinrichtung
ausgeführt. Dies Modell steht im nahen Universitätshofe und wird Ihnen
im vollen Dampfbetriebe von dem Göttinger Meister selbst, der zufällig
seine Geschicklichkeit hier in Breslau in achtjähriger Lern- oder Arbeitszeit
erworben hat (!), nach der Sitzung vorgeführt werden. (Folgt die
Demonstration der im Versammlungslocale aufgehängten grossen Skizze
und des Modells.)
„Ich will Ihnen nun den Vorgang beim Baden einer Classe genau
vorführen und wähle dazu eine zweite Classe unserer sechsstufigen Schule,
mit Schülern im 11. und 12. Lebensjahre. Der Lehrer fragt zu Beginn
der Stunde: „Wer will heute am Baden theilnehmen? u Von 54 Schülern
der Classe melden sich circa 50. Auf ein Zeichen des Lehrers gehen die
obersten neun nun still hinaus und begeben sich in das Vorzimmer zum
Baderaume, wo sie vom Schulwärter erwartet werden. Nach einigen Minuten,
in welchen sich die vorigen Knaben entkleidet haben können, entlässt der
Lehrer inderseiben geräuschlosen Weise die neun folgenden Knaben, so dass
gleichzeitig 18 Knaben in der Classe fehlen. Während die zuletzt ent¬
lassenen Knaben sich entkleiden, treten von den ersteren je drei unter eine
Donche. Der Wärter öffnet die Hähne und die neun Knaben werden gleich¬
zeitig überbraust. Sie waschen dann noch in dem in den Zinkwannen
zusammengeströmten Wasser die Füsse und andere Körpertheile besonders
ab, während das Brausen fortdauert. Jetzt treten sie zur Seite und reiben
sich ab. Inzwischen sind die folgenden Knaben bereit, unter die Douchen
zu treten, und die ersten kleiden sich an. Da nicht alle gleichmässig rasch
mit dem Ankleiden fertig werden, so ist es gestattet, in Gruppen von vier
bis fünf in das Classenzimmer zurückzukehren, jedoch nicht einzeln. Sind
die ersten neun Knaben wieder auf ihren Plätzen, so folgen neun andere
und so fort.
„Auf diese Weise sind am 30. November vorigen Jahres in Gegenwart des
Herrn Stadtschulraths Bertram und des Herrn Stadtverordneten Dr. Stryck
aus Berlin 51 Knaben in der Zeit von 5 Minuten nach 9 Uhr bis 5 Minuten
vor 10 Uhr vollständig fertig gebadet. Es ist demnach möglich, eine
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48 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Glasse von 50 bis 60 Knaben in einer Stunde zu baden; dagegen dürften
von den Mädchen und kleineren Kindern im ersten und zweiten Schuljahre
kaum mehr als 36 in einer Stunde gebadet werden können.
„Der Schulwörter ist angewiesen, sobald Unzuträglichkeiten im Vor¬
zimmer oder Baderaume Vorkommen sollten, die trotz seines Verbotes nicht
aufhören, durch ein Kind den Lehrer benachrichtigen zu lassen. Aber
auch ohne dass er gerufen wird, hat der Lehrer Auftrag, sich in der Stunde
wenigstens einmal zu überzeugen, dass in den genannten Räumen Alles
ordentlich zugeht.
„Regel ist sonst: „Der Lehrer ist in der Gasse, der Schulwärter (und
bei den Mädchen und kleineren Knaben die Fruu des Wärters) besorgt die
Aufsicht.“ Dabei muss ich gleich hinzufügen, dass der bisherige gute
Erfolg unserer Einrichtung nicht zum wenigsten dem guten Tacte und dem
Eifer der Wärter und ihrer Frauen zuzuschreiben ist.
„In der Auswahl der Wärter ist die Schulverwaltung in Anbetracht
der Bedienung der hier in allen Schulen vorzüglich bewährten Central¬
heizungen besonders vorsichtig und giebt geübten Maschinenheizern den
Vorzug. Nicht weniger wird auf Tüchtigkeit der Frau gesehen.
„Sie werden nun fragen, ob nicht doch der Unterricht durch solches
Baden innerhalb der Schulzeit allzu sehr gestört werde, und da sagt unser
Schuldirector: „„Es kann nicht geleugnet werden, dass der Erfolg des Unter¬
richts während der Badestunde beeinträchtigt wird. Schon das Gehen und
Kommen der Kinder und die vorübergehende Abwesenheit des Lehrers müssen
nachtheilig wirken. Aber da die einzelnen Kinder nur etwa 10 Minuten in
der Gasse fehlen, so braucht man die Stunde doch nicht als durchaus verloren
für den Unterricht anzusehen. Für die Unterstufe sind Abschreibeübungen
in Verbindung mit Wiederholung des vorher geübten Lehrstoffes, auf der
Mittel- und Oberstufe cursorisches Lesen in Verbindung mit orthogra¬
phischen und grammatischen Uebungen, welche unter Zugrundelegung des
LeBestückes angefertigt werden, geeignet, in der Badestunde vorgenommen
zu werden; auch kann recht zweckmässig in solchen Stunden gerechnet
werden, wenn man dabei die Erlangung grösserer Fertigkeit in den bereits
festgelegten Rechenoperationen ins Auge fasst. Da in den Volksschulen
doch wohl meistens der Gassenunterricht vorherrscht und nicht der Fach¬
unterricht, so lässt sich ohne Aenderung des Lectionsplanes leicht eine
Stunde verschieben, und wo dieses wegen eingeschobener Fachstunden
Schwierigkeiten haben sollte, kann man die Aufeinanderfolge der zu badenden *
Classen so ordnen, dass für jede derselben die Badestunde (resp. zwei auf
einander folgende Stunden) in ein geeignetes Unterrichtsfach fallt. Auf
diese Weise ist eine Störuug im Lectionsplane zu vermeiden.““
„Und wenn nun also, meine Herren, alle 14 Tage in jeder Gasse nur
eine Stande etwas beeinträchtigt wird, was will das sagen gegenüber dem
unschätzbaren Segen der Einrichtung nach allen anderen Seiten hin!
„Diese Badeeinrichtung in den Volksschulen Göttingens wurde von
der Presse als etwas Neues aufgegriffen und in den weitesten Kreisen ver¬
breitet, so dass nun ein solcher Sturm von allen Seiten gerichtet auf nähere
Mittheilungen sich erhob, dass ich mich genötliigt sah, in einer beschränkten
Zahl von Druckexemplaren solcher Mittheilungen diese Anfragen zu be-
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Volks- und Schulbäder.
49
friedigen. Den Reigen dieser Anfragen, Anerkennungen und Zustimmungen
zu der Idee und Anmeldungen zu Besuchen eröffnet in unserer Acte der
für die körperliche Entwickelung der deutschen Jugend so sehr interessirte
Herr Cultusminister mit dem folgenden Schreiben:
„„Ew. Hochwohlgeboren danke ich verbindlichst für die gefällige Ueber-
sendung der Druckschrift über die Badeeinrichtung innerhalb der Göttinger
Volksschulen. Bereits von Herrn Professor Flügge hatte ich vor einiger
Zeit Kenntniss von dieser trefflichen Unternehmung der Stadt Göttingen
erhalten und ich freue mich nun besonders, aus den mir freundlichst zur
Verfügung gestellten Materialien die mich sehr interessirendeu Einzelheiten
kennen zu lernen. Ich werde es mir angelegen sein lassen, diesen Vorgang
der in gemeinnützigen Angelegenheiten so rüstig vorwärts strebenden Stadt¬
gemeinde Göttingen zu verwerthen und ihm die verdiente Anerkennung und
Nacheiferung in weiteren Kreisen zu verschaffen etc.““
„Es folgen dann eine ganze Anzahl von Schreiben, sämmtlich für die
Idee freudig sich aussprechend, aus ärztlichen, Lehrer-, Beamtenkreisen und
Behörden der Städte. Aus Städten: von Plauen, Berlin, Stuttgart, 'Würz¬
burg, Breslau, Karlsruhe, Magdeburg, Höxter, Iserlohn, Stettin, Wittmund,
Wernigerode, Frankfurt a. M., Bielefeld, Bochum, Erfurt, Kiel, Herford,
Hamburg, Weimar, Hagen, Kassel, Hannover, Giessen, aus verschiedenen
Städten des Auslandes und so fort. Darau schlossen sich zahlreiche Be¬
suche unserer Einrichtung aus dem In- und dem Auslande, von denen Keiner
bedenklich ging, wie er etwa gekommen war, sondern sämmtlich voll von
Lob über die glückliche Idee und deren gute Ausführung. Zustimmende
Aufsätze in englischen, amerikanischen, schwedischen, dänischen, fran¬
zösischen Blättern kamen, unter Kreuzband uns zugesandt.
„Eine dieser Anerkennungen wird gerade dieser hochgeehrten Ver¬
sammlung von besonderem Werthe sein. Der Geh. Rath Professor Koch
in Berlin, der behufs Austausches seiner wissenschaftlichen Arbeiten mit
Professor Rosenbach in Göttingen war und auch unsere Badeeinrichtung
sich ansah, sprach sich vom hygienischen Standpunkte aus im hohen Grade
befriedigt aus, und gab namentlich dem rasch abfliessenden Douchewasser
vor dem stehenden Bassinwasser den Vorzug.
„Meine Aufgabe wird heute wesentlich noch darin bestehen, diejenigen
Zweifel und Bedenken, welche gegen die Bäder in den Volksschulen selbst
erhoben sind und aus dieser Versammlung etwa erhoben werden, zu be¬
seitigen.
„Nur von einer Seite sind solche Bedenken geltend gemacht und zwar
aus der Stadt der höchsten Intelligenz, unserer Hauptstadt Berlin. Das
dortige Stadtverordneten-Colleg hat in seiner Sitzung vom 4. März den auf
Anstellung eines Versuches mit Einrichtung von Bädern in drei Gemeinde¬
schulen gerichteten Antrag des Magistrats abgelehnt, sich in seiner Majorität
von vornherein als „principieller Gegner“ dieser Einrichtung erklärt, ab¬
geneigt, auch nur einmal auf eine weitere Prüfung der Sache in einer Com¬
mission sich einzulasBen.
„Dies Resultat war um so auffallender, als mehrere hochgeschätzte
Mitglieder jener Versammlung, der Schulrath Bertram und Dr. Stryck
von der Güte der Sache sich persönlich in Göttingen so sehr überzeugt,
Vtorteljahraschrift Air Gesundheitspflege, 1887. 4
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50 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
dass sie in der Stadtverordnetenversammlung dieselbe vom pädagogischen
wie hygienischen Standpunkte aus mit Liebe und grosser Wärme vertraten.
„Der erste Gegner der Vorlage, Dr. Gerstenberg, begann seine
Opposition mit der Aufstellung des allgemeinen Satzes: ,Diese Vorlage
bringt Sachen in die Schule hinein, die nicht in die Schule gehören. Die
Aufgabe der Schule ist doch eine doppelte, einerseits die Erziehung — das
wird als Hauptsache betrachtet — und dann der Unterricht, und ich meine,
eine wirkliche Leistung ist doch kein erziehliches Moment. Der Lehrer
kann durch Wort und Beispiel einwirken; das ist erziehlich. Aber dadurch,
dass die Reinigung an den Kindern vollzogen wird, wird nicht auf sie er¬
ziehlich eingewirkt/
„Darauf ist zu erwidern: Die Schule erzieht nicht nur durch Wort
und Beispiel, sondern auch durch die That, durch Gewöhnung und durch
nachhaltige Forderung von Leistungen Seitens der Zöglinge. Wir erinnern z. B.
an den Turnunterricht.
„Um solche Erziehung durch Gewöhnung (nämlich an regelmässige
Reinigung des Körpers) handelt es sich heim Schulbaden. Die Leistung
wird den Kindern nicht als etwas Fertiges dargereicht, sondern dieselben
werden angeleitet, die Arbeit des Reinigens an sich selbst in zweckmässiger
Weise zu vollziehen. Wir sollten meinen, dass wir durch diese Gewöhnung
an Sauberkeit, Ordnung, Decenz u. s. w. in eminenter Weise erziehlich
wirken.
„Dieser Gegner der Vorlage in der Berliner Stadtverordnetenversamm¬
lung, wie auch die später nachfolgenden ereiferten sich förmlich in dem
Gedanken, dass ,Etwas, was absolut der Familie gehöre, zwangsweise in
die Schule hineingehracht werden solle; dass neben dem Schulzwange jetzt
auch ein Badezwang eingeführt werden solle 4 !
„Ja, meine Herren, von einem solchen Zwange ist in Göttingen keine
Rede; das Baden ist nicht obligatorisch, sondern völlig den Eltern frei¬
gelassen, oh sie ihre Kinder am Baden theilnehmen lassen wollen oder nicht.
„Das Schlussresultat ist nun, dass die Wenigen, die anfangs dem Bade
fern blieben, jetzt auch kommen.
„Aber die falsche Voraussetzung, dass es sich um die Einführung eines
Badezwanges handle, beherrschte die ganze Stimmung der Opposition
in jener Stadtverordnetenversammlung von Anfang bis zu Ende.
„Der Herr Dr. Gerstenberg kommt dann auf die Kosten zu sprechen,
welche die Ausführung der Badeeinrichtungen in allen Berliner Gemeinde-
schulen veranlassen würde, falls der vom Magistrate vorgeschlagene Versuch
in drei Schulen gelingen und als segensreich sich erweisen sollte. Und dieser
finanzielle Gesichtspunkt ist für eine grosse mit zahlreichen Gemeinde¬
oder Volksschulen ausgestattete Commune allerdings von Bedeutung. Wenn
aber der Herr Dr. Gerstenberg die Gesamratausgahe für sämmtliche
180 Gemeindeschulen Berlins auf 600 000 Mk. veranschlagt, nachdem der
Magistrat für drei Schulen 10 000 Mk. verlangt, so muss ich nach meiner
Erfahrung annehmen, dass jene Summe übertrieben hoch angenommen ist.
„In Göttingen hat die Herstellung dieser Bäder in der einen Schule
1300 Mk., in den anderen 900 Mk. Alles in Allem gekostet, nicht 2000 Mk.,
wie der Magistrat zu Berlin in seiner Vorlage annimmt. Der Betrieb aber
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öl
Volks- und Schulbäder.
erfordert in Göttingen entfernt nicht die Summe von 1000 Mk. jährlich.
Angeschlossen an die vorhandene Centralheizung, Wasserleitung und Cana-
lisation stellen sich in Göttingen die jährlichen Kosten höchstens auf 200 Mk.
„Aber, wie gesagt, der Kostenpunkt kommt für Berlin und vielleicht
einzelne andere grosse Städte des Reiches in Betracht und wird, wenn ich
nicht irre, wesentlich die oppositionelle Haltung der Berliner Stadtvertreter
bestimmt haben 1
„Für alle anderen Städte aber spielt der Kostenpunkt gar keine Rolle, wenn
man sich einmal wie wir in Göttungen und mit uns alle unsere Besucher sich
überzeugt haben von den immensen directen und indirecten Erfolgen dieser
so höchst einfachen und bescheidenen Maassregel. Der Dr. Gersten¬
berg sagt ferner, dass sehr viele Eltern ihre Kinder in die „Gemeinde¬
schulen“ schickten, die sehr wohl in der Lage wären, die Bäder zu bezahlen.
Ich glaube nicht, dass es sehr viele sein werden; sollte diese Behauptung
aber richtig sein, so erhebe man doch ein mässiges Badegeld von diesen.
Jedenfalls darf man aus diesem Umstande nicht folgern, dass man nun
auch den Aermern die Wohlthat des Badens nicht zukommen lassen dürfe.
„Endlich meint der Dr. Gerstenberg: ,Das geht absolut nicht, dass
die Kinder ihre Handtücher mitbringen und allen möglichen Unfug damit
machen/ Ich bestätige Ihnen aus der Erfahrung, dass es vortrefflich geht.
Jedes Kind bringt alle 14 Tage zu seinem Bade, sobald es an der Reihe
ist, sein Handtuch mit und bringt es mit den Büchern wieder zurück nach
Hause, ohne irgend welchen Unfug damit zu machen. Dasselbe ist von den
Berliner Kindern doch auch wohl zu erwarten!
„Nächst dem Dr. Gerstenberg hat wesentlich der Stadtverordnete
Spinola gegen jeden Versuch mit dem Baden in den Schulen sich principiell
und in nicht sehr freundlicher Weise erklärt. Er hält die ganze Idee
verfehlt und nicht für nöthig, dass, wenn man in Göttingen eine verfehlte
Sache unternommen habe, in Berlin das nachzumachen.
„In Göttingen hält die ganze Bürgerschaft und Universität, jeder be¬
theiligte Vater, jede Mutter, die ganze Lehrerschaft, kurz Jedermann die
Idee und ihre Ausführung für vollkommen gelungen und zwar nächstjäh¬
riger Erfahrung.
„Die Herren Collegen des Stadtverordneten Spinola, Dr. Stryck und
Dr. Bertram, sind mit grossem Misstrauen gegen die Idee nach Göttingen
gekommen und gestehen, dass sie nach der eigenen Anschauung ihre Zweifel
und Bedenken völlig haben fallen lassen. Ich spreche die feste Ueberzeugung
aus, dass die Herren Spinola, Dr. Gerstenberg und Andere ihre prin-
cipielle Opposition aufgeben würden, wenn sie die Einrichtungen und den
ganzen Badevorgang in Göttingen angesehen hätten.
„Das Baden, sagt der Stadtverordnete Spinola, ist eine Sache, die
das Haus und die Familie angeht, nicht der Schule znkommt. Es erfüllt
nun aber das Haus und die Familie diese Sorge für Ordnung und Reinlich¬
keit so wenig und wird auch in absehbarer Zukunft diese Aufgabe so
schlecht erfüllen, dass man ohne Uebertreibung die Behauptung aufstellen
kann, dass an den bei Weitem grössten Theil der Jugend, abgesehen von
Gesicht und Händen, Jahr aus Jahr ein während ihrer Schulzeit kein Tropfen
Wasser kommt. Auf der anderen Seite aber ist gezeigt, wie die Schule,
4*
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52 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndpflg. zu Breslau.
wenn sie sich der Ordnnng und Reinlichkeit ihrer Schüler annehmen will,
mit Leichtigkeit und Sicherheit jene Aufgaben sofort zu erfüllen im
Stande ist.
„Und da sollte man auf die Hülfe der Schule jetzt und für die Zukunft
verzichten ?
„Die gegnerischen Stadtverordneten behaupten, ,dass jedenfalls durch
die Bäder der Schulunterricht gestört und beeinträchtigt werde*.
„Ja, meine Herren, dies ,jedenfalls* ist in Göttingen auch nicht ein¬
getroffen. Wohl sind die gleichen Bedenken auch dort gehegt, durch die
Erfahrung aber völlig beseitigt. Die Störung des Unterrichtes durch das
Baden ist, wie ich oben bereits ausgeführt, nicht von Bedeutung, wenn
die Badezeit in geeignete Unterrichtsfächer verlegt wird, welche, wie das
Lesen oder Schreiben ein Kommen und Gehen einzelner Schüler wohl ge¬
statten . Die Befürchtung, dass die Kinder unmittelbar nach dem Baden
für den Unterricht nicht disponirt seien, bestätigt sich durchaus nicht; im
Gegentheil zeigen dieselben eine erheblich grössere Frische als zuvor.
„ln hygienischer Beziehung sollen nach dem Stadtverordneten Spi-
nola diese Volksschulbäder Viel zu wünschen übrig lassen. ,Die Kinder
müssen nachher über die im Winter sehr kalten Flure, Corridore und Höfe
gehen* und werden sich zumal bei mangelhafter Kleidung und schwächlicher
Constitution viele Erkältungen zuziehen.
„Das gerade Gegentheil ist wahr. Deshalb werden ja die Kinder
gerade innerhalb des Schulgebäudes und in der Schulzeit gebadet, dass
sie in ihre warmen Classen zurückkehren; über Höfe brauchen die Kinder
nicht zu gehen, sondern über die Corridore, welche in den Schulen zumal
mit Centralfeuerungen nicht sehr kalt zu sein pflegen. Es kann in der
That kaum unter hygienisch günstigeren Umständen gebadet werden als hier.
„Endlich meint der Stadtverordnete Spinola: ,Die Kinder der armen
VolksclasBen sind häufig nur äusserlich anständig gekleidet; unter der
Oberkleidung zerrissene Hemden oder gar keine; nun soll sich ein solches
armes Kind vor den besser situirten Kindern decouvriren; das verletzt dos
Schamgefühl* u. s. w.
„Ja, meine Herren, da dachten wir ganz anders bei Errichtung unserer
Bäder. Wir dachten, welchen Einfluss muss dies Baden der Kinder in
den Kreisen der Eltern ausüben, welchen erziehlichen Einfluss auf die
Familien in Beziehung auf Reinlichkeit und Ordnungssinn in den Häusern.
Die Eltern schämen sich mit den Kindern, wenn diese zerrissenes, schmutziges
Zeug decouvrirt haben und gewöhnen sich durch ihre Kinder an mehr
Reinlichkeit und Ordnung. Diese indirecte Wirkung auf die Familie
halten wir für fast ebenso bedeutend wie den directcn Segen für
das Wohl der Kinder!
„Noch auf einen Vorgang innerhalb dieser Verhandlungen in der
Berliner Stadtverordnetenversammlung muss ich kommen. Zu verschiedenen
Malen, wenn der Schulrath Bertram und Dr. Stryck betonten, dass unter
den Berliner Lebensverhaltnissen eine grosse Anzahl von Familien während
des Winters keine Gelegenheit habe, für die Reinlichkeit der Kinder ge¬
nügend zu sorgen, so dass viele Eltern nicht im Stande seien, für dies
Lebensbedürfni8s zu sorgen; dass nach durchgemachten Hautkrankheiten
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Volks- und Schulbäder.
53
der Kinder viele Leute in der grössten Verlegenheit um eine Badewanne
seien u. s. w., bezeugt der stenographische Bericht aus der Versammlung,
(vermuthlich Seitens der Opposition) ,Wid er Spruch* und »Unruhe*. Es
scheinen damit die Herren der principiellen Opposition behaupten zu wollen,
dass die Zustände bezüglich der Reinlichkeit und Ordnung nicht eben
schlimm, dass also das Bedürfniss nach Badegelegenheiten für die Kinder
in Berlin so gross nicht sei.
„Dieser Widerspruch reizt mich, der ich Berlin ganz gut kenne, dazu,
gerade in Beziehung auf Berlin die Behauptung in etwas drastischer
Weise dahin zu wagen, dass an den bei Weitem grössten Theil der Berliner
Jugend, namentlich des weiblichen Theiles, abgesehen von Gesicht und
Händen, während ihrer Schulzeit kein Tropfen Wasser kommt!
„Jener Widerspruch Berliner Stadtverordneter veranlasste mich vor eini¬
gen Tagen doch einmal, einen Blick in die sogenannten höheren Stande zu wer¬
fen. Schon seit längerer Zeit trug ich mich mit dem Gedanken, dies Volksschul¬
baden auch in unserer Mittelschule einzuführen, welche also von der Jugend
des eigentlichen guten Bürgerstandes besucht wird. Ich richtete also an
den vortrefflichen Director unseres gesammten Volksschulwesens am 9. Sep¬
tember die folgende Anfrage:
„„Es ist mehrfach in Frage gekommen, ob dieselben Badeeinrich¬
tungen, wie wir sie in unseren Volksschulen eingeführt haben, nicht auch
in der gehobenen Schule — Mittelschule sich empfehlen würde. Wenn
dort auch Seitens der Jugend verhältnissmässig mehr gebadet wird, als in
den Volksschulen früher, so dürfte doch auch in Beziehung auf die Mittel¬
schule anzunehmen sein, dass ein grosser Bruchtheil der Schuljugend, nament¬
lich der weibliche Theil, insbesondere Winters entweder gar nicht oder doch
viel zu selten badet. Selbstverständlich würden die Bäder dort nicht ganz
unentgeltlich abzugeben sein, sondern nur gegen ein Badegeld von etwa
10 Pf. Ich würde es gern sehen, wenn ich vor meiner Abreise nach Breslau
am Sonnabend Nachmittag darüber Ihre und die Ansicht der Lehrercon-
ferenz hören könnte; und bitte ich um deren Mittheilung hierunter.****
„Ich erhielt darauf eben vor meiner Abreise die folgende überraschende
Antwort:
„„Nach Eingang obiger Zuschrift habe ich durch das Lehrercollegium
der gehobenen Volksschule verschiedene Ermittelungen anstellen lassen,
welche ich hier in Kürze zusammenfasse:
1. Von den 860 Kindern der gehobenen Volksschule haben im ver¬
gangenen Winter in Franz’s Badeanstalt im Ganzen 10 gebadet,
d. i. 1 Proc.
2. In Kübeln oder Wannen werden in der Familie gebadet insgesammt
145 Kinder =17 Proc. Dies sind vorzugsweise die kleineren Kin¬
der im Alter von sechs bis neun Jahren. Vom zehnten Lebensjahre
an hört die Gesammtreinigung des Körpers im Winter fast ganz auf.
3. 493 Kinder bestellen mir von ihren Eltern, dass sie am Schulbaden
theilnehmen sollten, wenn die gehobene Volksschule Douchenbäder
bekäme.
Bei einem Badegelde von 5 Pf. würden diese circa 500 Kinder
im Jahre 350 M. aufbringen, eine Summe, welche völlig zur Be-
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54 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpfig. zu Breslau.
Boldung des Wärters und zur Verzinsung und Amortisation des
Anlagecapitals, sowie zu den nöthigen Reparaturen ausreichen würde.
Ich empfehle deshalb 5 Pf., nicht 10 Pf. zu nehmen.
4. Obgleich das Baden auch an dieser Schule nur innerhalb der
Unterrichtszeit mit Erfolg betrieben werden kann, so ist das
Lehrercollegium einstimmig für die Einrichtung.
5. Wir haben hier einen ganz vortrefflichen Raum, der sich zu jedem
der beiden Systeme eignen würde, und in dem Wärter und dessen
Frau recht geeignete Aufseher.
„„Nach diesen Ausführungen darf ich hoffen, dass Sie, hochverehrter
Herr Oberbürgermeister, Ihren gewichtigen Einfluss geltend machen werden,
damit die neue Schule baldigst an dem Segen Ihrer Schöpfung theil-
nehmen kann.““
„Meine Herren, ganz ähnlich, nur noch viel bedenklicher wie in unserer
kleinen Universitätsstadt sieht es*in den grossen Städten aus.
„Meine Herren, ich will damit meine Mittheilungen über die neuen
Bäder in den Schulen der Stadt Göttiugen schliessen.
„Eingehendere Nachrichten werden Sie in der von unserem verehrlichen
Vorstände gütigst besorgten kleinen Druckschrift Anden, welche sogleich
vertheilt werden wird. Zu ferneren Mittheilungen auf Anfragen auch
später bin ich jederzeit gern bereit.
„Ich habe nur noch die Ueberzeugung auszusprechen, dass dem Be¬
dürfnisse des Badens der Schuljugend durch Einrichtung von allgemeinen
Volksbädern in keinem Maasse Rechnung getragen werden kann. Solche
Bäder sind für Erwachsene, schliessen aber den Besuch von Kindern in
grösserem Umfange aus naheliegenden Gründen geradezu aus.
„Darum gebe ich anheim, nehmen Sie sich durch ihre höchst wirkungs¬
volle Zustimmung einer hygienischen Maassregel an, von welcher Alle, welche
dieselbe gesehen, und darunter sind grosse Autoritäten auch aus Ihren
Kreisen, fest überzeugt sind, dass sie eine grosse Zukunft für das leibliche
und geistige Wohl unseres deutschen Volkes haben werde.“
Es lauten die von den beiden Herren Referenten aufgestellten
Thesen.
1. Eine Hauptaufgabe der praktischen Hygiene hat die Populari-
sirung der körperlichen Reinigung zu bilden.
2. Zu diesem Zweck muss die systematische Vermehrung der
Badegelegenheiten Hand in Hand gehen mit durchgreifen¬
der Anregung zur Ausnutzung derselben.
3. Die aussichtsvollste Form der Lösung ist in der Gründung ge¬
meinnütziger Erwerbsgesellschaften unter communaler
Aufsicht und Begünstigung gegeben.
4. Badeeinrichtungen in den Volksschulen, wie sie in Göttin¬
gen seit Jahresfrist in Wirksamkeit sind, verdienen die weiteste
V erbreitung.
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Volks- und Schulbäder.
55
Professor Dr. Hermann Cohn stimmt den Ausführungen der beiden
Herren Referenten vollständig bei. Sei es doch eine ausgemachte Sache,
dass Hygiene und Reinlichkeit zwei sich einander deckende Begriffe
seien. Für die Göttinger Bestrebungen der Schulbäder, für die er, als er
davon gehört habe, gleioh begeistert gewesen sei, habe er bei den Lehrern
bis jetzt noch wenig Zustimmung gefunden. Yon Seiten der Hygieniker
sei ihm kein Widerspruch bekannt, die Lehrer aber behaupteten wohl, es
sei nicht Sache der Schule, in dieser Richtung vorzugehen. Dem müsse
man aber entgegenhalten, dass die Schule überhaupt erziehen solle, und
dazu gehöre auch die Erziehung zur Reinlichkeit. Nun sei ihm von einem
Lehrer, dem er auseinandergesetzt habe, wie wünschenswerth die Einrich¬
tung der Schulbäder sei, die entgegengesetzte Antwort geworden, wie sie
Herr Oberbürgermeister Merkel von Professor Flügge erhalten habe; der
Lehrer habe gesagt: Was nützt mir das schönste Schulbad, wenn die Kinder
in die staubige und nicht gereinigte Schulstube wieder hineinkommen? Das
sei leider wahr, die Reinigung der Schulzimmer geschehe in der Regel nicht
so, wie sie sein sollte, sie geschehe in fast allen Schulen viel zu selten,
namentlich in Anbetracht der zahlreichen darin verkehrenden Schüler. Wenn
Schulärzte da wären — und in Breslau sei man eben daran, solche einzu¬
führen —, würde das nicht mehr Vorkommen, diese würden dann eben so
sehr wie auf die Reinlichkeit der Schüler auch auf die Reinlichkeit der
Schulzimmer zu achten haben.
Oberingenienr Meyer (Hamburg) spricht sich ebenfalls sehr warm
für die von den Herren Referenten vorgeschlagenen Einrichtungen aus und
für den Wortlaut der Thesen — wenn auch mit Abänderung einiger Fremd¬
wörter — und wünscht, dass in allen Schulen, nicht nur in den Volks¬
schulen, Badeeinrichtungen eingeführt werden, da es nicht darauf ankommen
könne, alle 14 Tage eine Stunde einem solchen Zwecke zum Opfer zu
bringen und man alle anderen körperlichen Uebungen doch auch in der
Schule betreibe.
Generalarzt Professor Dr. Roth (Dresden) erinnert daran, dass
das Princip der Brausebäder, die einzige Form, in der man ja an Massen¬
reinigung denken könne, in der ganzen Armee in grossem Maassstabe
existire, dass in sämmtlichen Casernements Brausebäder officiell eingerichtet
seien, in der sächsischen Armee jetzt bereits über 19 Jahre bestehen, mithin
ganz genaue Erfahrungen vorliegen. Danach halte er die Forderung von
10 Liter Wasser für unnöthig gross, mit 8 Liter komme man ganz voll¬
ständig aus, ja mit noch weniger, da es ganz erstaunlich sei, welch eine
ausserordentliche Wassermenge die Zerstäubung des Wassers producire. —
Was Herr Professor Cohn gesagt habe, dem stimme auch er ganz bei, was
könne Reinlichkeit des Körpers in unreinen Räumen nützen? Desshalb
herrsche auoh in den Casernements, die er näher kenne, die peinlichste
Reinlichkeit in jeder Beziehung. — Wenn man die Nothwendigkeit der
Reinhaltung der Luft in einem Schulzimmer betone, so. könne nichts Besseres
geschehen, als die Kinder recht oft abzuwaschen; ein einziger Mensch mit
SchweissfüsBen sei im Stande, die schönsten VentilationsVorrichtungen
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56 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
illusorisch zu machen. Die Bedenken der Lehrer schlage er nicht hoch an;
man könne in der Schule über so viele Dinge hinwegkommen, je nach den
herrschenden Strömungen, dass sich auch dies machen lassen werde. Wenn
den Schulkindern damit ein gewisses Interesse an Reinlichkeit anerzogen
werden könne, so sei damit der häuslichen Erziehung jedenfalls sehr gedient.
Darum könne er die möglichste Verbreitung der Brausebäder nur auf das
Wärmste empfehlen.
Referent Dr. Lassar ist sehr bereit etwaige redactionellen Aende-
rungen der Thesen ganz dem Belieben des Ausschusses zu überlassen, bittet
nur das Wort „Brausebäder“ in die Thesen irgendwo aufzunehmen, weil
die Erfolge, die in den Schulen und in der Armee erreicht worden seien,
gerade lediglich durch diese Form der Bäder haben erzielt werden können.
Wenn in erster Linie die Schule die Kinder baden lehre nnd wenn dann
die zweite grosse Schule, die sie durchzumachen haben, die Armee, sie lehre,
an dieser Badegewohnheit festzuhalten, so sei es auch Pflicht der Nation,
das so Gelernte nicht wieder fallen zu lassen.
Oberbürgermeister Knntze (Plauen) ist nicht mit These 3 einver¬
standen, die besage, dass die aussichtsvollste Form der Lösung dieser Frage
in der Gründung gemeinnütziger Erwerbsgesellschaften unter communaler
Aufsicht und Begünstigung gegeben sei. Er halte es für eine unabweisbare
Pflicht aller Gemeinden, auch in dieser Beziehung social-reformatorisch vor¬
zugehen, auch für die Reinlichkeitspflege durch Bäder, durch Vermehrung
von Badeanstalten, wie Arbeiterbäder und Volksbäder, besonders in der von
Herrn Dr. Lassar vorgeschlagenen Form der Brausebäder, zu sorgen.
Jedenfalls wolle er sich dagegen verwahren, dass durch eine etwaige An¬
nahme der These 3 seitens des Vereins die Gemeinde dadurch der Verpflich¬
tung, für Badeeinrichtungen zu sorgen, entbunden erscheine.
Oberbürgermeister Bötticher (Magdeburg) hält das Bedenken des
Vorredners gegen These 3 für vollständig begründet, da auch er dem nicht bei¬
stimmen könne, dass die aussichtsvollste Form der Lösung in der Gründung
gemeinnütziger Erwerbsgesellschaften zu suchen sei. Im Gegentheil, seiner
Ansicht nach werde es sehr schwer halten, gemeinnützige Erwerbsgesell¬
schaften zu bilden. Ihm scheine die aussichtsvollste Lösung die zu sein,
wenn in allen Kreisen möglichst für die Sache gewirkt werde, wenn auch
von oben herab seitens der Aufsichtsbehörden auf etwaige widerspenstige
Communen gedrückt werde. Desshalb halte er es für das Geeignetste, den
§. 3 ganz fallen zu lassen und es jedem einzelnen Kreise anheim zu geben,
sich selbst die aussichtsvollste Lösung zu suchen.
Vorsitzender Oberbürgermeister Friedensbarg bemerkt, die
Commune könne doch nur gezwungen werden, Badeeinrichtungen zu machen,
wenn es sich um Armenbäder handle, im äussersten Falle um Schulhäder,
aber zur Beschaffung weiterer Badeeinrichtungen könne eine solche „wider¬
spenstige Commune“ durch die höhere Aufsichtsbehörde nicht gezwungen
werden, weil diese Einrichtungen ausserhalb der durch Gesetz den Communen
überwiesenen Pflichten liegen.
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Volks- und Schulbäder.
57
Referent Dr. LaSS&r schlägt vor, den Wünschen der beiden Vor¬
redner dadurch Rechnung zu tragen, dass man in These 3 die Einschiebung
mache: „soweit die Gemeinden nicht selbstthätig vorgehen“.
Hiermit ist die Discussion geschlossen und die von den Referenten vor¬
geschlagenen Thesen kommen bei der Abstimmung in folgender Fassung
zur Annahme:
Resolutionen:
1. Eine wichtige Aufgabe der praktischen Hygiene besteht darin, die
Reinigung des Körpers durch Bäder volksthümlich zu
machen.
2. Zu diesem Zwecke muss die systematische Vermehrung der Bade¬
gelegenheiten, namentlich in Form von Brausebädern,
Hand in Hand gehen mit durchgreifender Anregung zur Ausnutzung
derselben.
3. Die aussichtsvollste Form der Lösung ist, soweit die Gemeinden
nicht selbstthätig vorgehen, in der Gründung gemeinnütziger
Erwerbsgesellschaften unter communaler Aufsicht und Be”
günstigung gegeben.
4. Badeeinrichtungen in den Volksschulen, wie sie in Göttingen
seit Jahresfrist in Wirksamkeit sind, verdienen die weiteste Ver¬
breitung.
Schluss der Sitzung 3 Uhr.
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58 XIII. Versammlung 4 D. Vereins f. öff. Gsmihpflg. zu Breslau.
Zweite Sitzung.
Dienstag, den 14. September, Vormittags 9 Ulir.
Vorsitzender Generalarzt Professor Dr. Roth (Dresden) er¬
öffnet die Sitzung und stellt zunächst den Antrag des Ausschusses auf
Aenderung der §§. 4 und 7 der Satzungen des Vereins
zur Verhandlung.
Es lautete der Antrag des Ausschusses:
„Der Ausschuss beantragte bei der 13. Versammlung des Deutschen
Vereins für Öffentliche Gesundheitspflege, der Verein wolle nachstehender
Aenderung der §§. 4 und 7 der Satzungen zustimmen.
Bisherige Fassung:
§. 4.
Die Verhandlungen der Versamm¬
lungen leitet ein Vorsitzender, der
in der ersten Sitzung von den anwesen¬
den Mitgliedern gewählt wird. Derselbe
ernennt zwei Stellvertreter, sowie zwei
Schriftführer und setzt die Tagesord¬
nung jeder Sitzung fest.
Er ist als solcher auch leitender
Vorsitzender des Ausschusses (§. 7) für
das Jahr bis zur nächsten Versammlung.
§• 7 .
Vor dem Schlüsse einer jeden Ver¬
sammlung wird für das nächste Ge¬
schäftsjahr ein Ausschuss gebildet;
derselbe besteht aus:
1) dem Vorsitzenden der Versamm--
Jung (§. 4);
2) fünf für das Jahr bis zur näch¬
sten Versammlung gewählten
Mitgliedern;
3) einem stimmberechtigten stän¬
digen Secretär, welcher von dem
Ausschüsse zu wählen und zu
engagiren ist.
Abänderungsvorschlag:
M-
Die Verhandlungen der yersamm-
lungen leitet der Vorsitzende des
Ausschusses (s. §. 7).
Derselbe ernennt zwei Stellvertreter,
sowie zwei Schriftführer und setzt die
Tagesordnung jeder Sitzung fest
§• 7 .
Vor dem Schlüsse einer jeden Ver¬
sammlung wird für das nächste Ge¬
schäftsjahr ein Ausschuss gebildet;
derselbe besteht aus:
1) sechs für das Jahr bis zur näch¬
sten Versammlung gewählten
Mitgliedern;
2) einem stimmberechtigten stän¬
digen Secretär, weicher von dem
Ausschüsse zu wählen und zu
engagiren ist
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59
Aenderung der Satzungen.
Der Ausschuss mit Ausschluss des
Vorsitzenden und des ständigen Secre-
tär8 wird von der Jahresversammlung
durch schriftliche Abstimmung gewählt
Der Ausschuss setzt etc.
Der Ausschuss mit Ausschluss des
ständigen Secretärs wird von der
Jahresversammlung durch schriftliche
Abstimmung gewählt.
Der Ausschuss wählt nach Schluss
der Versammlung seinen Vorsitzenden.
Der Ausschuss setzt etc.
Motive.
Es hat sich bisher wiederholt als missständig erwiesen, dass der Vor¬
sitzende der Versammlungen des Vereins, der zu Anfang der ersten
Sitzung gewählt wurde, unmittelbar darauf den Vorsitz übernehmen und nun
die Verhandlungen leiten musste, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, sich mit
dem betreffenden Gegenstände der Verhandlung, den Absichten des Ausschusses
bei Wahl des Themas und den Ansichten sowie der Behandlungsart der Refe¬
renten vorher bekannt zu machen. Diesem Mi9sstande glaubt der Ausschuss
dadurch abhelfen zu können, dass der Vorsitzende des Ausschusses,
der bei Aufstellung der Themata und der Auswahl der Referenten mit thätig
war und mit der Art, wie der Ausschuss sich die Behandlung des Gegenstandes
dachte, vollkommen vertraut ist, auch die betreffenden Verhandlungen in der
Versammlung noch leitet und die Neuwahl des Vorsitzenden für das nächste
Jahr erBt am Schlüsse der Versammlung und dann aus dem und durch den
neugewählten Ausschuss geschieht."
Oberingenienr Andreas Meyer (Hamburg) begründet Namens des
Ausschusses die vorstehend vorgeschlagene Abänderung der Satzungen, in¬
dem er sich wesentlich auf die Darlegung bezieht, wie sie in den dem An¬
trag beigegebenen Motiven enthalten sei. Der Verein besitze ja in seiner
Mitte einige Mitglieder, die dem ganzen Leben des Vereins so nahe stehen,
dass sie alle Zeit gesattelt seien und bereit, den Vorsitz zu übernehmen.
Aber so gehe es nicht allen Mitgliedern und er kenne es aus eigener Er¬
fahrung, wie schwer es sei, wenn man, ohne vorher eine Ahnung davon ge¬
habt zu haben, mit der Ehre des Vorsitzes betraut werde und nun eine
Verhandlung leiten solle über Thematen, mit denen man sich vorher gar
nicht beschäftigt habe und die man vielleicht in ihrer Materie noch gar
nicht einmal übersehe. Darum habe er im Ausschuss diese Aenderung an¬
geregt und er halte es für eine wesentliche Besserung, dass man denjeni¬
gen, dem man die Leitung der Verhandlungen anvertraue, schon ein Jahr
vorher wähle, damit er sich bei den Vorbereitungen für die nächste Ver¬
sammlung bereits betheiligen könne.
Sanitätsrath Dr. Notzel (Colberg) beantragt, da der Antrag seitens
des Ausschusses ausreichend motivirt erscheine und der Ausschuss selbst
wohl am besten beurtheilen könne, mit welchen Schwierigkeiten er und
speciell der Vorsitzende in früheren Jahren zu kämpfen gehabt habe, die
Annahme des Antrags ohne Debatte.
Der Antrag wird, da sich Niemand weiter zum Wort meldet, ohne
Discussion angenommen.
Es kommt hierauf das dritte Thema der Tagesordnung zur Verhandlung:
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GO XIII. Versammlung d. I). Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Ueber Rieselanlagen, mit besonderer Berücksich¬
tigung von Breslau, und über andere Beinigungs-
methoden der städtischen Abwässer.
Es lauten die von den beiden Referenten, Herrn Baurath Kaumann
(Breslau) und Herrn Professor Arnold (Braunschweig) aufgestellten
Thesen:
1.
Jede grössere, namentlich mit Wasserleitung versorgte Stadt kann der
geregelten Entwässerung durch eine unterirdische Canalisation nicht
entbehren, da die Schmutzwasser so rasch als thunlich aus dem Bereiche der
Wohnungen entfernt werden müssen.
2 .
Die Canäle sollen zur Aufnahme und sicheren Abführung der gesammten
Schmutzwasser, einschliesslich der Closetabgänge, geeignet sein und je
nach Lage der Ortsverhältnisse auch das Regen wasser mit abführen können,
sofern für letzteres keine besondere Ableitung vorzusehen ist.
3.
Die städtischen Abwässer dürfen in der Regel erst nach erfolgter
Reinigung den öffentlichen Flussläufen zugeführt werden, (cf. d. Resolut.
Pkt. 1, d. IV. Versammlung des Vereins zu Düsseldorf, 1876.)
4.
Zur Unschädlichmachung der städtischen Schrautzwasser und zur gleich¬
zeitigen Verwerthung der in denselben enthaltenen Dungstoffe ist bis jetzt die
Berieselung von Feld- und Wiesenflächen das geeignetste Mittel, (cf. die
Resolut. Pkt. 2, d. IV. Versammlung des Vereins zu Düsseldorf, 1876.)
5.
Wo die Berieselung nicht zweckmässig auszuführen geht, muss die mög¬
lichste Reinigung der städtischen Abwasser durch Anwendung des com-
binirten Verfahrens „der chemischen Fällung, der Abklärung
und Filtration“ erstrebt werden, unter thunlichster Gewinnung der .für die
Landwirtschaft dungwerthigen Stoffe.
Die erwähnten beiden Resolutionen der Düsseldorfer Versammlung
lauten:
1. Die directe Ableitung des städtischen Canalwassers in
fliessende Gewässer ist, sei es, dass sämmtliche menschliche
Excrete in dasselbe gelangen oder nicht, in der Regel aus sanitären
Gründen bedenklich.
Wie weit dieselbe nach der Wassermenge, Geschwindigkeit,
geologischen Beschaffenheit der Flüsse etc. zu gestatten sei, sollte
baldmöglichst durch exacte, gesetzliche Normen festgestellt werden.
Zur Vorbereitung der letzteren beantragt der Deutsche Verein
für öffentliche Gesundheitspflege beim Reichsgesundheitsamt syste¬
matische Untersuchungen an den deutschen Flüssen.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. Gl
Immer aber ist diese Einleitung als ein volkswirtschaftlicher
Nachtheil zu kennzeichnen.
2. Die Berieselung geeigneter mit Culturpflanzen bestandener Län¬
dereien ist, eine rationelle Anwendung technisch richtiger Principien
vorausgesetzt, erfahrungsgemäss das einfachste und durchschlagendste
Mittel, das Canalwasser sanitär unschädlich zu machen und es gleich¬
zeitig zu Gunsten der Interessenten landwirtschaftlich in befriedigen¬
dem Maasse auszunntzen.
Referent St&dtb&ur&th Kauma II n (Breslau):
„Meine Herren!
„Die fünf Thesen, die den Gegenstand der heutigen Verhandlung bilden,
und die Ihnen gedruckt vorliegen, habe ich gemeinschaftlich und in voller
Ue-bereinstimmung mit dem Herrn Correferenten, Professor Arnold in
Braunschweig, aufgestellt und dabei in erster Linie die mir zunächst liegen¬
den, bei der Canalisation von Breslau gesammelten Erfahrungen benutzt.
„Ein Bericht über die Canalisation und Rieselanlagen Breslaus ist der
Festschrift beigefügt, welche Ihnen die Stadt Breslau übergeben hat, und
ich kann mich, unter Bezugnahme auf diesen Bericht und die ausliegenden
Pläne, die denselben vervollständigen, sowie namentlich mit Rücksicht dar¬
auf, dass eine Besichtigung der Rieselfelder für heute Nachmittag in Aus¬
sicht genommen ist, in meinem Referate ziemlich kurz fassen; ja ich muss
dies thun, um Wiederholungen zu vermeiden, falls Einer oder der Andere
von Ihnen schon Zeit gefunden haben sollte, einen Blick in jenen Bericht
zu thun, und will Sie namentlich mit Zahlen verschonen, die nur dann Be¬
weise zu liefern im Stande sind, wenn man sie vor sich hat und genügend
vergleichen und prüfen kann, während das blosse Anhören derselben un¬
möglich genügt.
„Die erste These lautet:
Jede grössere, namentlich mit Wasserleitung versorgte Stadt kann
der geregelten Entwässerung durch eine unterirdische Canali¬
sation nicht entbehren, da die Schmutzwasser so rasch als thunlich
aus dem Bereiche der Wohnungen entfernt werden müssen.
„Ein Rückblick auf die grösseren Städte unseres Vaterlandes, wie sie
etwa vor einem Viertel-Jahrhundert aussahen, liefert allein schon einen
schlagenden Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung.
„Wenn ich zurückdenke an meine Studienzeit in Berlin (1849 bis 1851),
so treten jene tiefen, übelriechenden Rinnsteine der Leipziger Strasse und
anderer Hauptstrassen vor meine Augen, und wieder empfinde ich die ganze
Gräuel, welche die nächtliche Ausfuhr der Dunggruben in den Strassen und
Häusern verursachte, —
„wenn ich mich an jene Zeit nach dem Feldzage 1866 erinnere, wo
ich mit dem 4. Landwehrregiment in Danzig, jener Perle von West-
prenssen, stand, so drängt sich in dieses sonst so freundliche Bild die
alte Radaune mit ihren Schrecken, der gänzliche Mangel von Trinkwasser
in der Stadt, das damals meilenweit (von Pelonken) angefahren werden
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62 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
musste, und traurig stimmt mich die Erinnerung an manchen Kameraden,
der dort der Cholera zum Opfer fiel, und den ich zu seiner letzten
Ruhestätte auf den Danziger Friedhof begleiten musste; —
„wenn ich mir endlich Breslau vergegenwärtige, wie es vor 20 Jahren,
als ich hier mein Amt als Stadtbaurath antrat, aussah — so fallen mir
jene im höchsten Grade verunreinigten, sogenannten Pamsgräben ein,
die zur Entwässerung der incommunalisirten Ortschaften in Strassen
der Vorstädte dienten, die, wie die Kaiser Wilhelmstrasse, jetzt zu den
schönsten unserer Stadt gezählt werden; —
„dann tritt die ehemalige Ohle wieder vor meine Augen, die die
eigentliche innere Stadt umfloss und zur Aufnahme aller Schmutzmengen
diente, die man aus den umliegenden Grundstücken los werden wollte:
sie zeigte mit ihren Umgebungen: Hinterhäusern, Altanen, Abtritts¬
anbauten etc. stellenweise recht malerische Bilder, die lebhaft an die
unsaubersten Partieen Venedigs erinnerten, aber den Anforderungen der
Hygiene wenig entsprachen;
„und dann fällt mir endlich das sogenannte Auskübelgerüst wieder
ein: eine ganz merkwürdige Einrichtung, die am Oderufer unterhalb
der Vordermühle von Holzwerk hergestellt war und dazu diente, die
Schmützkübel einer Menge von Grundstücken, deren geringe räumliche
Ausdehnung die Anlage von Gemülle- und Abtrittsgruben nicht ge¬
stattete, bei nächtlicher Weile in die Oder zu schütten, was bei niedrigem
Wasser- oder Eisstande einen geradezu Schrecken erregenden Anblick
gewährte, denn die festeren Bestandteile, die der Schmutzkübel lieferte,
blieben dann dem Auge sichtbar und den Geruchsnerven fühlbar oft längere
Zeit auf dem trockenen Vorlande resp. der Eisdecke der Oder liegen.
„Wie ganz anders sieht es jetzt in diesen Städten aus: die tiefen
Rinnsteine Berlins sind durch die Canalisation verschwunden, und unbe-
lästigt von dem widerlichen Gerüche der Kothabfuhr kann man jetzt auch
zur Nachtzeit die Strassen der herrlichen Kaiserstadt durchwandern;
„die Bewohner Danzigs sind mit dem schönsten Trinkwasser ver¬
sehen,
„die Radaune und Mottlau dienen nicht mehr zur Aufnahme der
Schmutzmassen aus den Häusern und Höfen
„und die Cholera fordert nicht wie früher ihre zahlreichen Opfer; —
„Breslaus Pamsgräben sind nicht mehr, und mächtig hat sich die
Bebauung gerade der südlichen Vorstadt entwickelt, welche früher von
derartigen Gräben durchzogen war;
„die ehemalige Ohle ist zugeschüttet und in eine angenehme Fuss-
giingerpassage verwandelt worden, an deren beiden Seiten, an Stelle der
unsauberen, widerlichen Hofräume mit sehr untergeordneten Baulich¬
keiten, hübsche Gebäude mit Läden u. s. w. nufgeführt worden sind; —
„auch jenes berüchtigte Auskübelgerüst ist verschwunden und mit
peinlicher Sorgfalt wird jetzt jede Verunreinigung der Oder innerhalb
der Stadt vermieden, ja sogar die Thätigkeit der Regenauslässe, die nur
bei starken Regengüssen in Function treten, und dann etwaige Schmutz-
theile in sehr verdünntem Zustande dem Strome zuführen, wird ängstlich
überwacht.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 63
„Es sind gesunde Städte geworden: sie sind es geworden durch die
Einführung der Wasserleitung und durch die regelrechte Ableitung des
verbrauchten Wassers durch unterirdische Canäle, die man als eine noth-
wendige Folge der Wasserversorgung betrachten kann; —und sie verdanken
diese Veränderung und ihr rasches Emporblühen der Einsicht und Energie
von Männern, wie Hobrecht, v. Winter, v. Forckenbeck, die das
Uebel erkannten, es bei der Wurzel fassten und es mit der Wurzel aus¬
rotteten.
„Es erübrigt sich weitere Beispiele anzuführen: Ihnen Allen, meine
Herren, sind aus eigener Anschauung andere Städte bekannt, die in gleicher
Weise sich zu ihrem Vortheile verändert haben, — Ihnen Allen sind Männer
bekannt, deren Namen man den genannten ebenbürtig zur Seite stellen kann!
„In allen grösseren Städten ist der Entwickelungsgang der Canalisa-
tion fast genau derselbe gewesen, wie hier in Breslau und wie ich ihn in
dem Ihnen vorliegenden Berichte zu schildern versucht habe.
„Mit dem grösseren Wasserconsum wurde das Bedürfniss zu einer
geregelten Ableitung des verbrauchten Wassers immer dringender, überall
wurde man zur Anlage von Canälen und zur Vereinigung dieser Canäle in
ein geregeltes System gedrängt.
„Auf dem vorliegenden Plane sind die älteren Canäle Breslaus mit
blauen Linien angedeutet, und diese Linien zeigen recht deutlich an, wie
mit der fortschreitenden Wasserversorgung die unterirdische Entwässerung
Schritt gehalten hat, von der jetzt cassirten Ketzelkunst an der Ohle in der
Nähe des Ketzerberges und der Matthiaskunst bei der Matthiasinsel an, bis
zur Fertigstellung des noch im Betriebe befindlichen alten Wasserwerkes
an der Vordermühle und bis zur Inbetriebsetzung und Vervollständigung
des neuen Wasserwerkes am Weidendamm, welches sein Rohrnetz über die
ganze Stadt, an beiden Ufern der Oder ausbreitet, während die erst¬
genannten Werke nur den am linken Oderufer liegenden Theil Breslaus
und von diesem auch nur einen Theil, die eigentliche innere Stadt, vor der
Incommunalisirung der Ortschaften mit Wasser versorgten.
„So weit die Wasserversorgung reichte, wurden, unabhängig von ein¬
ander, Canäle gebaut, die das Schmutzwasser unterirdisch der Oder zu-
führten. Vor der Einführung einer geregelten Wasserversorgung dienten
hier, wie überall, offene Gräben zur Aufnahme und Ableitung des Schmutz-
Wassers.
„Diese offenen Gräben wurden bald zur Pein und Belästigung der
Gegend, die sie nicht durchströmten, sondern in der sie stagnirten, und die
Vorfluth in denselben wurde durch den Einsturz der Grabenböschungen
sehr oft beeinträchtigt.
„Man suchte diesem Uebelstande zunächst dadurch zu begegnen, dass
man massive Wände an Stelle der Erdböschungen setzte; später bedeckte
oder überwölbte man auch wohl diese Gräben, um sich gegen die Miasmen
zu schützen, die ihnen entströmten; und endlich befestigte man auch die
Grabensohle, um eine regelrechte Grabenränmung zu ermöglichen, vielleicht
auch um den Untergrund vor weiterer Verunreinigung zu schützen.
„So entstanden die ersten Canäle, die Hobrecht in seinem Werke
über die Canalisation Berlins mit vollem Rechte schlechte Canäle nennt.
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G4 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Diese Canäle mussten begehbar sein, um eine Räumung durch
Handarbeit zuzulassen, und sie führten, dem natürlichen Gefalle folgend,
nach irgend einem tiefer liegenden Punkte, einem Flusse, Bache oder Teiche,
und in dieselben mündete nun von beiden Seiten, was eben hineingeführt
werden konnte: offene Seitengräben, Rinnsteine, Hausröhren u. s. w., die
Alles hineinbr&chten, was man eben für den Augenblick los werden wollte,—
aber nur für den Augenblick, denn beim Räumen dieser Canäle und bei
der unvermeidlichen Abfuhr ihres widerlichen Inhaltes musste man jene
Schmutzmassen noch einmal Wiedersehen, noch einmal musste man die ihnen
entströmenden Gase, die an üblem Geruch durch die Fäulniss der dann
befindlichen organischen Stoffe nur noch zngenommen hatten, mit Mund
und Nase einathmen.
„Erst nach Einführung der Wasserleitung wurde die Abfuhr des
Canalinhaltes entbehrlich, — an Stelle der alten schlechten Canäle baute man
bessere, die Forderung der Begehbarkeit der Canäle konnte aufgegeben
werden, man gab den Canälen einen geringeren Querschnitt, und hierdurch
wuchs die spülende Kraft des Wassers, und der Widerstand, den die Schmutz¬
massen derselben entgegensetzten, wurde geringer.
„Die Schmutzwässer so rasch als thunlich aus dem Bereiche der Woh¬
nungen zu entfernen, war von jeher das Bestreben der Menschen, und diese
Wässer rasch und sicher abzuführen, ist nur durch die Schwemmcanalisation
möglich, die in keiner mit Wasserleitung versehenen Stadt entbehrt werden
kann.
„Die zweite These lautet:
Die Canäle sollen zur Aufnahme und sicheren Abführung der
gesummten Schmutzwässer, einschliesslich der Closetabgänge
geeignet sein und je nach Lage der Ortsverhältnisse auch das Regen¬
wasser mit abführen können, sofern für letzteres keine besondere
Ableitung vorzuBehen ist.
„Diese These zerfallt in zwei Theile: sie verlangt die unterirdische
Ableitung der gesammten Schmutzwässer, einschliesslich der Closetabgänge
und wünscht unter Umständen die Aufnahme des Regenwassers in die Canäle.
„Dem ersten Theile, meine Herren, werden Sie gewiss Ihre Zustimmung
nicht versagen, wenn Sie davon überzeugt sind, dass Schmutzwässer so
rasch wie thunlich aus dem Bereiche menschlicher Wohnungen entfernt
werden müssen, — denn der Closentinhalt ist wohl das non plus ultra aller
Schmutzwässer, deren Beseitigung man anstrebt.
„Ohne Wasserleitung ist die Anlage von Wasserclosets nicht wohl
möglich, wo aber Wasserleitung vorhanden ist, da ist die Anlage von
Wasserclosets kaum mehr zu verhindern, denn die Annehmlichkeit und
Nützlichkeit dieser Closets ist zu gross und so allgemein anerkannt, dass
Jeder, der einmal eine Wohnung mit Wasserclosets inne hatte, sich nur
sehr schwer entschliessen wird, diese Wohnung mit einer anderen zu ver¬
tauschen, in welcher diese Annehmlichkeit fehlt, —und wird sich nimmermehr
mit dem Bestehenbleiben der alten Abtrittsgruben einverstanden erklären
können, deren vollständige Beseitigung ein Hauptziel der Schwemmcana¬
lisation ist und seiu muss.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 65
„Sind aber erst Wasserclosets in Benutzung, und ist der Wasserver¬
brauch in denselben ein unbeschränkter, so ist die Abfuhr der durch
grössere Quantitäten Wasser verdünnten Imunditien, namentlich in grossen
Städten, nicht mehr möglich: es müssen Canäle angelegt werden, die den
Closetinhalt gleich bei seiner Entstehung aufnehmen und ihn abführen, ohne
ihm Zeit zu lassen, in Gährung und Fäulniss überzugehen.
„Die Aufnahme des Regen wassers in die Canäle ist vielleicht nicht
so dringend geboten, wie die des Closetinhaltes, — aber im Interesse der
Salubrität und der Reinhaltung der Canäle, sowie namentlich mit Rücksicht
auf eine zur. Verwendung des Closetinhaltes als Düngemittel auf Rieselfeldern
unerlässlich nothwendige Verdünnung der Excremeute, ist sie mindestens
dringend erwünscht.
„Die Aufnahme des Regenwassers in die Canäle bietet technische
Schwierigkeiten, weil überall die zuverlässige Grundlage für eine richtige
Bemessung der durch die Canäle abzuführenden Regenwassermenge fehlt,
und sie erhöht das Anlage- und Betriebscapital, weil sie eine entsprechende
Vergrösserung des Canalquerschnittes fordert, und diese grösseren Canäle
ein grösseres Wasserquantum zu ihrer Spülung nöthig haben.
„Auf die Ableitung ganz aussergewöhnlich starker, wolkenbruchartiger
Regen, die in kurzer Zeit sehr grosse Wassermengen liefern, muss man
von vornherein verzichten, denn dadurch würde man leicht wieder in den
alten Fehler der Anlage zu grosser und dadurch schlechter Canäle
verfallen, die enorme Kosten erfordert, und den Zweck einer guten Cana-
lisation verfehlt, weil bei ihr die unbedingt noth wendige, gründliche Canal¬
spülung mit den für gewöhnlich zur Disposition stehenden Verbrauchs- und
Regenwassermengen nicht mehr möglich ist.
„Solche grosse, den grössten Theil des Jahres nicht genügend an¬
gefüllte Canäle verschlämmen leicht, verlangen kostspielige, die Bewohner,
der Stadt belästigende Räumungen und werden leicht ein Lieblingsaufenthalt
von Ratten und anderem Ungeziefer, so dass die Nachtheile, die sie bringen,
erheblich grösser werden, als die Unbequemlichkeiten und Störungen, die
ein starker Regenguss im Gefolge hat, dessen Wassermassen die Canäle
nicht in derselben kurzen Zeit abzuleiten im Stande sind, in welcher sie
herabfallen.
„Gegen derartige Störungen, die doch Verhältnissesässig selten Vor¬
kommen, kann man sich durch zweckmässige Anlage der Hausentwässe¬
rungen, durch Anbringung von Stauklappen und Regenauslässen allenfalls
schützen, — gegen die ununterbrochen bestehenden Nachtheile zu grosser
Canäle giebt es aber keinen Schutz.
„Es ist unendlich schwer, ja fast unmöglich, bei Abmessung der Canal¬
dimensionen für alle Fälle das Richtige zu treffen, weil, wie gesagt, hierzu
die zuverlässige Grundlage fehlt.
„Diese Grundlage würde sein: die Kenntniss der heftigsten am Orte
vorgekommenen Regenfälle, — ihre Dauer, — ihre räumliche Ausdehnung, —
die Kenntniss der minimalen Verdunstung und der minimalen Versickerung
zur Zeit der heftigsten Regenfälle, — der Verzögerung im Abflüsse des
Regen wassers u. s. w.
Vlorteljahruehrift für Oetnndheitspflege, 1887 . 5
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GG XIII. Versammlung d. D. Vereins f. oft Gsndhpflg. zu Breslau.
„Diese Grundlage kennt man nicht, und es ist auch keine Aussicht
vorhanden, dass man sie je in zuverlässiger Weise auch nur für irgend
einen Ort kennen lernen wird. Und wenn man sie kennte, so würde dies
auch nur einen bedingten Vortheil gewähren, denn auch dann ist eine
Veränderung der Verhältnisse nicht ausgeschlossen, so namentlich die
Permeabilität des Bodens z. B. durch dichtere Bebauung, zahlreichere
Schieferdächer, bessere Pflasterung der Strassen u. s. w. Das gefundeno
Resultat müsste also wiederum willkürlich geändert werden; kurz man ist
hierbei lediglich auf Schätzungen und Annahmen angewiesen, die unmöglich
immer zutreffend sein werden.
„Trotzdem ist es im allgemeinen Salubritätsinteresse und für die Ver-
werthung des Canalinhaltes von hohem Werthe, Regenwasser den Canälen
zuzuführen, auch auf die Gefahr hin, dass die Canäle, trotz ihrer Nothans-
lässe, nicht unter allen Umständen imStande sein werden, auch die grössten
Regenmengen in der Zeit, wo sie fallen, aufzunehmen und abzuleiten, weil
dadurch die Canäle gründlich gespült, der Canalinhalt verdünnt und Unrei¬
nigkeiten von den Strassen und Höfen, die der Regen ab wäscht, wie Pferde¬
urin etc., nicht direct in den Strom, sondern zunächst in die Canäle gelangen.
„In Städten, die durch zahlreiche Wasserläufe durchschnitten werden,
wie Venedig, Amsterdam, vielleicht auch Hamburg etc., fällt diese Rücksicht
mehr oder weniger fort, weil das Regenwasser rasch jenen grossen, offenen
Canälen zugeführt werden kann, die auch jederzeit Gelegenheit zu einer
gründlichen Canalspülung bieten.
„Man kann auch in Städten, wo diese natürliche Ableitung fehlt, eine
solche für das Regenwasser künstlich schaffen, und ich habe vor Kurzem
Gelegenheit gehabt, ein grösseres, von einem Italiener höchst geistreich
bearbeitetes Project zur Entwässerung von Prag kennen zu lernen, in welchem
der Verfasser für die Ableitung des Schmutz- und Regenwassers vollständig
getrennte, und nur nach Bedürfnis zum Zwecke der Canalspülung in Ver¬
bindung gebrachte Leitungen angenommen hat. Aber die Durchführung
eines solchen doppelten Canalisationsprojectes kostet auch fast das Doppelte
als die einer Schwemmcanalisation, bei welcher Schmutz- und Regen wasser
durch dieselben Leitungen abfliesst, und bietet trotzdem nicht die Garantie,
dass bei starken Platzregen eine zeitweise Ueberfluthnng der Strassen unter
allen Umständen vermieden wird.
„Ich gehe nun zur dritten These über, die bereits vor zehn Jahren
bei der vierten Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheits¬
pflege in Düsseldorf Gegenstand der Berathung gewesen ist. Sie lautet:
Die städtischen Abwässer dürfen in der Regel erst nach er-
folgterReinigung den öffentlichen Flussläufen zugeführt werden,
und die geehrte Versammlung hat in Düsseldorf folgende Resolution gefasst:
Die directe Ableitung des städtischen Canalwassers in fliessende
Gewässer ist, sei es dass sämmtliche menschliche Excrete in dasselbe
gelangen oder nicht, aus sanitären Gründen bedenklich.
Wie weit dieselbe nach der Wassermenge, Geschwindigkeit,
geologischen Beschaffenheit der Flüsse etc. zu gestatten sei, sollte
baldmöglichst durch exacte gesetzliche Normen festgestellt werden.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 67
Zur Vorbereitung der letzteren beantragt der Deutsche Verein
für öffentliche Gesundheitspflege beim Reichsgesundheitsamte syste¬
matische Untersuchungen an den deutschen Flüssen.
Immer aber ist diese Einleitung als ein volkswirtschaftlicher
Nachtheil zu kennzeichnen.
„Ohne auf die damals gepflogenen Verhandlungen näher einzugehen,
möchte ich hier nur einige kurze Bemerkungen zu dieser These mir er¬
lauben.
„Auf dem vorliegenden Lageplane sehen Sie die Einmündungen der
alten Canäle Breslaus mitten in der Stadt, direct in die Oder, am Schlacht¬
hofe, an der Weissgerberstrasse, an der Königsbrücke, an der Neuen Oder¬
strasse und an der Füller Insel, die jetzt in Regenauslässe verwandelt worden
sind. Der Canalinhalt der früher dort in die Oder floss, wird jetzt in
der Pumpstation auf dem Zehndelberge zusammengeführt und von dort nach
den Rieselfeldern befördert.
„Aehnlich war es vor circa 30 Jahren fast in allen anderen grösseren
Städten, in denen zur Ableitung des verbrauchten Wassers Canäle angelegt
waren. Diese Canäle reinigten in der That den Stadttheil, den sie durch¬
zogen, verunreinigten aber das Flusswasser innerhalb der Stadt, weil sie
dem natürlichen Gefalle folgend, direct in den die Stadt durchströmenden
Fluss mündeten.
„Der Zustand Londons und die Klagen, welche über die Verunreinigung
der Themse daselbst laut wurden, geben hiervon ein beredtes Beispiel.
„Bazalgette war der Erste, der diesen Uebelstand zu beseitigen suchte:
er erbaute Abfangungscanäle, die meist in paralleler Lage mit dem Strome
angelegt wurden und den Inhalt der rechtwinkelig in sie einmündenden
Canäle aufnahmen und ihn unterhalb der Stadt, nach möglichster Abklärung
in Bassins, erst in den Strom laufen Hessen.
„Diese Abfangungscanäle (intercepting sewers) sind allerdings im
Stande, diesen Uebelstand für die Stadt und den Strom innerhalb der
Stadt zu beseitigen, — aber noch bleibt derselbe ausserhalb der Stadt be¬
stehen, und an dem Flusse unterhalb der Stadt wohnen in anderen Städten
und Dörfern wieder Menschen, und wenn die Entfernungen dieser Ortschaften
von einander gering, die Flüsse klein und die Städte gross sind, so
wird die Verunreinigung des Flusses doch ein grosses Uebel, denn die
chemischen und mikroskopischen Untersuchungen des Flusswassers unter¬
halb einer canalisirten Stadt haben, wenigstens in Breslau vor der Inbetrieb¬
setzung der Pumpstation, zur Genüge dargethan, dass namentlich bei kleinen
Wasserständen sich der Canalinhalt im Oderwasser meilenweit bemerkbar
macht.
„Mit Recht sind daher die Behörden überall kräftig gegen ein Ver¬
fahren eingeschritten, bei welchem durch Einführung des nicht desinficirten
CanalVassers der Strom verunreinigt und die Gesundheit der unterhalb am
Strome wohnenden Menschen gefährdet wird.
„Wunderbar bleibt es, dass auf die Reinhaltung der Flüsse nicht in
allen Städten mit gleicher Strenge gehalten wird, und dass sogar Badeorte,
wie das sonst so schöne Bad Kissingen, noch bis heute von derartigen Vor¬
schriften verschont geblieben sind. In Kissingen wird noch jetzt das Resultat
5*
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68 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
der Wirkung des Rakoczy-Brunnens, ganz in der Nähe der Trinkanstalt,
munter direct der kleinen fränkischen Saale anvertraut, die zur Fortschaffung
jener Fäcalmassen höchstens durch ihr starkes Gefälle geeignet erscheint,
während gerade dieses starke Gefälle die Ausführung einer Canalanlage
wesentlich erleichtern würde, die zur Aufnahme, Abführung und Verwerthung
des Closetinhaltes dienen könnte.
„Wenn unsere These nur in der Regel eine Reinigung der städtischen
Abwässer vor ihrem Eintritt in den öffentlichen Fluss verlangt und dadurch
für einzelne Städte Ausnahmen zulässt, so können zu diesen Ausnahmen
doch nur Städte gezählt werden, die an grösseren Strömen liegen, in
denen die Schmutzwässer eine solche Verdünnung erleiden, dass sie in der
nächst unterhalb gelegenen Ortschaft nicht mehr in einer Menge nachzu¬
weisen sind, die irgendwie schädlich auf die Gesundheit der Bewohner jener
Ortschaft einwirken kann.
„Die Entscheidung darüber, ob hier oder da eine Ausnahme von der
allgemeinen Regel zu statuiren sei, setzt eine möglichst genaue Kenntniss
des Flussgebietes und seiner Bevölkerung voraus: man muss wenigstens
annähernd das Quantum der städtischen Abwässer feststellen können und
wissen, wie viel Wasser der Strom im ungünstigsten Falle, d. h. beim
niedrigsten Wasserstande, abführt.
„Die vierte These, welche ebenfalls der geehrten Versammlung
schon vor zehn Jahren zur Fassung einer Resolution Veranlassung gegeben
hat, lautet:
Zur Unschädlichmachung der städtischen Schmutzwässer und
zur gleichzeitigen Verwerthung der in denselben enthaltenen Dung¬
stoffe ist bis jetzt die Berieselung von Feld- und Wiesenflächen
das geeignetste Mittel,
und die 1876 in Düsseldorf gefasste Resolution lautet:
Die Berieselung geeigneter, mit Culturpflanzen bestandener
Ländereien ist, eine rationelle Anwendung technisch richtiger Prin-
cipien vorausgesetzt, erfahrungsgemäss das einfachste und durch¬
schlagendste Mittel, das Canalwasser sanitär unschädlich zu machen
und es gleichzeitig zu Gunsten der Interessenten landwirtschaftlich
in befriedigendem Maasse auszunutzen.
„In welcher WeiBe man hier in Breslau bemüht ist, den Canalinhalt
durch Berieselung von Flächen der Rittergüter Otwitz, Leipe und Rausern
unschädlich zu machen und zu verwerten, habe ich in dem Ihnen vor¬
liegenden Berichte zu beschreiben versucht, und werde noch heute, bei
Besichtigung der Rieselfelder Gelegenheit haben, diesen Bericht zu ergänzen.
„Auch bei der Berieselung war England unsere Lehrmeisterin: dort
hat man zuerst das Canalwasser, das man nicht mehr in den Fluss leiten
durfte, zum Berieseln von Aeckern verwendet, wodurch es nicht nur in
vollkommenster Weise gereinigt wird, sondern auch einen nicht unbedeu¬
tenden Geldertrag abwirft Beispiele hiervon sind Croydon, Aldershot, Lodge-
Farra, Craigentenny-Farm u. s. w., — und wenn auch nicht alle diese Anlagen
gerade zur Nachahmung anreizen, so sind sie doch Alle in hohem Grade
belehrend, und mindestens konnte man dort die eine Lehre bestimmt
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. G9
empfangen, dass grosse Flächen sehr durchlässigen Bodens dazu gehören,
um die Canalwässer recht zweckentsprechend zu verwenden.
„Diese grossen Flächen anzuschaffen, ist aber gerade in England oft
sehr schwer, ja in manchen Gegenden fast unmöglich, und daher kam es,
dass die zur Berieselung bestimmten zu kleinen Flächen zuweilen sehr
ungünstige Resultate lieferten.
„Die Native Guano Compagnie legte sich ins Mittel; sie leitete, z. B. in
Watford die Canalwässer, die man auf den Rieselfeldern nicht mehr unter¬
bringen konnte, in Staubassins, führte sie über Stauwerke und geneigte Ebenen,
die mit Desinfectionsmitteln nach Art des Süvernaschen Verfahrens ver¬
sehen waren, in ein Hochbassin, in welchem die Schlussdesinfection stattfand.
„Wenn auch eine Verpestung der Luft auf diesem Wege nicht voll¬
ständig zu vermeiden war, so gelang es doch, das Canalwasser vollständig
zu desinficiren, und unterhalb des Hochreservoirs wurde durch dasselbe eine
Fontaine getrieben, in deren Bassin sich Gold- und Silberfische lustig
tummelten, und in der That hatte das so desinficirte Canalwasser einen
vollständig reinen Geschmack. Aber der auf diese Weise gewonnene Guano
kam, bis er zum landwirtschaftlichen Gebrauche geeignet war, viel Zu
theuer und wurde sehr bald vom Import-Guano verdrängt.
„Nach den Erfahrungen, die der auch in weiteren Kreisen bekannte
praktische Landwirth und Culturtechniker v. Lengercke gemacht und in
einem Berichte über die Danziger Rieselfelder niedergelegt hat, sind pro
Quadratmeter durchlässigen Bodens, nachdem derselbe einmal satt getränkt
worden ist, zur ferneren Anfeuchtung 11 Liter Wasser täglich nöthig, dies
ergiebt pro Tag und Hectar 110cbm. Rechnet man mit Lengercke pro
Einwohner und Tag 180 Liter Abwässer, so würde ein Hectar Rieselfeld
zur Aufnahme der Abwässer von circa 600 Einwohnern ausreichen und für
eine Stadt von 300 000 Einwohnern, wie Breslau, würden nur 500 Hectar
Rieselfelder erforderlich sein. Was jedoch für so durchlässigen Sand¬
boden wie die Dünen bei Danzig gilt, ist für schwerere Bodenarten nicht
zutreffend, und in Breslau, wo Ende dieses Jahres Rieselfelder im Umfange
von 659 Hectar fertig gestellt sein werden, sind wir mit unseren Aptirungen
noch nicht am Ende, sondern werden dieselben nach Bedarf fortsetzen, bis
jede Besorgniss einer Ueberdüngung der Rieselfelder ausgeschlossen ist.
„Glücklicher Weise ist, wie der Ihnen vorliegende Uebersichtsplan zeigt,
hierzu noch Areal am rechten Oderufer in Rausern disponibel, und sollte
dasselbe nicht ausreichen, so kann noch eine ziemlich umfangreiche Fläche
von den der Stadt gehörigen Gütern Herrnprotsch und Peiskerwitz am
linken Oderufer hinzugenommen werden, wenn auch nicht so viel, wie
Herr Löper in Magdeburg fordern würde, da er nur zwölf Personen pro
Hectar Rieselfeld rechnet, also für Breslau 25 000 Hectar, d. h. etwa
100 000 Morgen *)•
*) Die betreffende Mittheilung des Herrn Löper (Blätter für Handel, Gewerbe und
sociales Leben, 1886, S. 279) lautet: „Der Landwirth rechnet erfahrungsgemäss 5000kg
reinen Menschendünger, also das ungefähre Product von 12 Personen pro Jahr (365.12.1 %)
auf den Hectar, um ausserordentliche Ernten zu erzielen, der Rieselfeldingenieur hingegen
400 Personen pro Hectar, also ergiebt sich auch hierbei eine ca. 33fache Vergeudung des
so werthvollen Menschendüngers. *
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70 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhptig. zu Breslau.
„ Durch die Berieselung ist die Desinfection der Canalwässer eine bei¬
nahe vollständige, denn die Abflussstoffe haben keine Zeit, sich vor ihrer
Landung auf dem Rieselfelde zu zersetzen, und Analysen des Canalwassers
haben ergeben, dass nur Spuren von Ammoniak vorhanden und die Stick¬
stoff haltigen Substanzen als noch unzersetzte Organismen und hauptsächlich
als salpetersaure Verbindungen im Canalwasser vertreten sind.
„Das Rieselfeld soll die Gesundheit der Bewohner canalisirter Städte
fördern helfen, indem es die ihm gelieferten Canalisationsabflasse immerfort
absorbirt und zugleich desinficirt, — und es soll auch den Canalinhalt ver-
werthen, ihn in Waare und Geld verwandeln, damit er die Anlage unter¬
halte, verzinse und amortisire.
„Wenn dies auch nicht so rasch geht, wie man wünscht, so nähert
man sich diesem Ziele doch von Jahr zu Jahr immer mehr.
„Die Kosten der Canalisation Breslaus incl. der Aptirung der Riesel¬
felder bis zur vollständigen Fertigstellung dieser Anlagen werden die Höhe
von 6 000 000 Mk. kaum erreichen, das ergiebt pro Einwohner 20 Mk., also
für 100 Einwohner 2000 Mk., davon 6 Proc. für Verzinsung und Amorti¬
sation giebt pro Jahr 120 Mk., dazu die Unterhaltungskosten mit 30 Mk.
pro 100 Einwohner, erfordert pro 100 Köpfe jährlich für Verzinsung,
Amortisationen und Betrieb der ganzen Anlage 150 Mk., also für 400 Ein¬
wohner, die hier etwa pro Ilectar zu rechnen sind, 600 Mk., wovon schon
jetzt mindestens 100 Mk. durch die Verpachtung der Rieselfelder gedeckt
werden, so dass pro Einwohner und Jahr höchstens l 1 ^ Mk. verbleiben für
alle übrigen Vortheile, die ihm die Schwemmcanalisation bietet.
„Zur Zeit sind 5811 Grundstücke in Breslau an die Canalisation an¬
geschlossen, es entfällt also für die regelrechte Entwässerung eines Grund¬
stückes jährlich die Summe von circa 65 Mk.; eine Summe, die- sich von
Jahr zu Jahr verringern wird, und schon jetzt kaum so hoch ist, wie die
Kosten der jährlichen regelrechten Abfuhr sämmtlicher Schmutzwässer aus
dem Grundstücke.
„Wenn Herr Löper in seinem in Magdeburg im Januar d. J. gehaltenen
Vortrage über Städtereinigung ein verdammendes Urtheil über die Canal¬
wasserberieselungssysteme fällt, für Berlin eine Versumpfung des ganzen
Terrains und Veijauchung des Grundwassers in sichere Aussicht stellt, und
es betreffs der Rentabilität erklärlich findet, dass bei solchen Anlagen der
Pariser Rieselpächter William Hope wie der Danziger Aird in Concnrs
geriethen, so irrt er sich darin, denn William Hope hat mit der Riesel¬
anlage in Paris nie in irgend welcher Verbindung gestanden, und Alexander
Aird, der nachweislich nicht durch die Rieselfelderpachtung in Danzig und
Breslau, sondern durch die in Quedlinburg und München von der Firma
Aird u. Marc übernommenen Verpflichtungen in Concnrs gerathen ist, hat
die Danziger Rieselfelder auch nach dem Concurse wieder auf eine längere
Anzahl von Jahren übernommen, und der Magistrat von Danzig ist mit dem
bestehenden Arrangement durchaus zufrieden l ).
l ) Die betreffende Mittheilung des Herrn Löper (loco citato) lautete: „Besonders
der letztere Theil der Klage erscheint auch durchaus nicht ungerechtfertigt; wenn man
bedenkt, dass Berlin nach Vollendung seiner Ricselfeldanlage ungefähr 3000 ha Rieselland
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 71
„Lengercke sagt am Schlüsse seines Berichtes über die Danziger
Rieselfelder:
Ihr Städte bedenkt, dass Ihr die Canalisation doch haben müsst
für Eure Regen-, Wasch- und Fabrikwässer, — und säumt nicht,
Euch mit den nöthigen Flächen zu versehen, oder, wonn Ihr diese
habt, sie zu nutzen: statt dass Ihr unausbleiblich jedem Poudrette-
fabrikanten oder Abfahrer erheblich zuzahlen, müsst, werdet Ihr
sicher bei rationeller Anlage die Zinsen und das Capital bald ver¬
dienen resp. wieder verdienen, welches Ihr für gute entsprechende
Rieselfelder auslegtet, und Eure Zwecke wie auf keinem anderen
Wege erreichen: Gesundheit der Stadt durch die bequeme und
sichere Ableitung und Desinfection der Sch mutz wässer, — Hebung
der Industrie und Eures Vermögens!
„Wenn Sie, meine Herren, die Sie sich die herrliche Aufgabe gestellt
haben, die öffentliche Gesundheitspflege zu fördern, dem alten Praktiker
von Lengercke hierbei nur einigermaassen zustimmen, so werden Sie
auch nicht zögern, unsere vierte These anzunehmen.
„Die fünfte und letzte These endlich lautet:
Wo die Berieselung nicht zweckmässig auszuführen geht, muss
die möglichste Reinigung der städtischen Abwässer durch An¬
wendung des combinirten Verfahrens „der chemischen
Fällung, der Abklärung und Filtration“ erstrebt werden,
unter thunlichster Gewinnung der für die Landwirtschaft dung-
werthigen Stoffe.
„Meine Herren! Wenn nach These I. und II. die Schmutzwässer und
namentlich der Closetinhalt so rasch als möglich aus dem Bereiche mensch¬
licher Wohnungen entfernt werden muss; — wenn nach These III. die
städtischen Abwässer erst nach erfolgter Reinigung den öffentlichen Fluss¬
läufen zugeführt werden dürfen, — und wenn man endlich keine Gelegen¬
heit hat, den Canalinhalt nach These IV. zur Berieselung von Feld- und
Wiesenflächen zu verwenden, — dann entsteht die wichtige Frage, wie
man jene Schmutzmassen unschädlich machen, wohin man dieselben bringen
soll, ohne die Gesundheit der Bewohner von Stadt und Umgegend zu ge¬
fährden.
haben wird, so kommen pro Tag und Hectar bei einer Einwohnerzahl von 1 250 000 Seelen
und nur pro Kopf und Tag 40 Liter Wasser gerechnet, 16% cbm Jauche. Wenn nun
auch in den ersten Jahren die Ländereien diese Spülwasser leicht aufsaugen, so wird früher
oder später eine Versumpfung des ganzen Terrains eintreten und die Verjauchung des
Grundwassers zur Folge haben. — Es ist ja richtig, dass in den ersten Jahren die land¬
wirtschaftlichen Erzeugnisse der Rieselfelder ausserordentlich reichliche waren, alle
14 Tage bis drei Wochen konnte Gras von 45cm Höhe geschnitten werden, aber schon
heute will das Vieh weder Gras noch Heu von den Rieselfeldern fressen, ebenso wie die
angebauten Gemüse wegen mangelnder Güte nicht mehr den gewünschten Abgang finden.
Alles wuchert üppig in die Höhe, aber es fehlt den Producten der eigentliche Gehalt, die
Vegetabilien sind mit einem Worte schon heute verwässert. Hierunter leidet natürlich
auch die Rentabilität dieser so theuren Anlagen und es ist hierdurch wohl erklärlich, dass
der Pariser Rieselpächter (William Hope) wie der Danziger (Aird) in Concurs gerathen
mussten. “
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72 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Eine Frage, an deren Lösung sich schon Viele den Kopf zerbrochen
haben, ohne bisher das Richtige zu treffen, — und doch müssen die Schmutz-
mas8en fortgeschafft werden, doch dürfen dieselben nicht in dem Zustande
ihrer Entstehung gelassen werden, weil dieser sich von Stande zu Stunde
durch Gährung und Fäulniss zu seinem Nachtheile verändert, und auch der
Strom darf nicht verunreinigt werden.
„Und es giebt in der That Städte, in deren Nähe die Anlage von
Rieselfeldern absolut unmöglich ist; Städte, die in einem Thalkessel liegen,
die ringsum von Bergen umgeben sind, auf deren Gipfel oft ein zur Anlage
von Rieselfeldern ausreichendes Hochplateau mit durchlässigem Boden fehlt, —
und wenn ein solches vorhanden ist, so würde die Aptirung desselben zu
Rieselfeldern und namentlich der Transport des Canalwassers auf diese hoch¬
gelegenen Felder erhebliche Schwierigkeiten und Kosten verursachen.
„Ich führe hier nur Prag als ein solches Beispiel an: dort müsste das
Canalwasser über 100 m gehoben und meilenweit fortgedrückt werden, bevor
man es zur Desinfection und Verwerthung seiner Dungstoffe auf Rieselfelder
bringen könnte.
„Das Liernur’sche System, welches, wie Liernur selbst in der
Patentbeschreibung sagt, sich auf die Combination aller Mittel zum Sam¬
meln, Entfernen und Verwerthen der Fäcalien bezieht, und welches
sich mit den menschlichen Dejecten von dem Augenblicke ihres Entstehens
an bis zu dem Momente befasst, wo dieselben dem Boden einverleibt
werden — nämlich durch Einackern —, könnte uns hier vielleicht aus
der Verlegenheit helfen;— aber auch dieses Verfahren hat sich nicht bewährt,
was schon der Umstand beweist, dass die erste grössere Anlage in Amster¬
dam auf halbem Wege stehen blieb und sich mit der Bereitung von Com-
post begnügt, angeblich weil Compost bei Amsterdam leichter verkäuflich
ist; —es kann sich nicht bewähren, weil die Liernuraschen Berechnungen
der Entwässerung unter Beihülfe von Injectoren mathematisch unrichtig
sind. Liernur addirt nämlich die Druckhöhen der Injectoren und meint,
dass das Zusammenwirken vieler Apparate dieser Gattung wahrhaft wunder¬
bare Resultate hervorbringen müsse, — und befindet sich hierbei in einem
radicalen Irrthume, wie Hajnis in seiner ,Studie über das Liernur-
System* (Prag 1886) zur Evidenz klar nachgewiesen hat.
„Ausserdem hat das Liernur’sche Verfahren den grossen Nachtheil,
dass bei ihm der Wasserverbrauch in den Closets beschränkt werden
muss, während gerade in dem unbeschränkten Wasserverbrauche ein
Hauptvorth eil der Wasserclosets liegt.
„Auch eine geregelte Abfuhr, wie sie der Baudirector Linner in
Graz in ganz vorzüglicher Weise durchgeführt hat, vermag die Berieselung
nicht zu ersetzen, wenn auch in Ausnahmefällen in kleinen Städten dieses
Verfahren einer Grubenentleerung mit Menschenkraft oder auf pneumati¬
schem Wege, mit oder ohne Anwendung von Dampf, im Einzelnen oder
durch eine centrale Pumpstation aus fixen unter dem Strassenpflaster anzu¬
legenden Reservoiren, in welche eine ganze Gruppe von Häusern den Closet¬
inhalt abgiebt, vorzuziehen ist.
„Vor etwa 12 Jahren hatte ich Gelegenheit, die Anlagen in Graz zu
besichtigen: der in kleinen, sehr zweckmässig eingerichteten Fässern auf-
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 73
gefangene und ohne nennenswertbe Belästigung der Bewohner abgefahrene,
nur wenig mit Wasser vermischte Closetinhalt sollte zur Poudrettefabrikation
verwendet werden; — die betreffende Fabrik, ein Privatunternehmen, hatte
jedoch nach kurzem Bestehen das Schicksal vieler ähnlicher Fabriken
getheilt und ihre Arbeiten eingestellt, und der Inhalt der Closet-,Fassei 4
wurde nun munter über ein eigens dazu errichtetes Gerüst — ähnlich dem
Breslauer Auskübelgerüst — in die Muhr geschüttet, gelangte also auf einem
kostspieligen Umwege dorthin, wohin er rascher, billiger und besser durch
die Canäle der Stadt Graz ebenfalls gelangt wäre. — Wie es heute in Graz
ist, weiss ich nicht.
„So bleiben also wahrscheinlich nur chemische Mittel übrig, den Closet¬
inhalt ohne die Anlage von Rieselfeldern unschädlich zu machen, und wenn
möglich zu verwerthen.
„Chemiker und Teckniker sind unermüdlich in der Auffindung der¬
artiger Mittel, unter denen die intermittirende Filtration zuweilen, wenn
es an Terrain zu Rieselfeldern fehlte, namentlich in England, mit Vortheil
angewendet worden ist.
„Unendlich viel ist in dieser Beziehung bereits geleistet worden, und
Herr Professor Arnold wird die Güte haben, näher auf die verschiedenen,
bereits auch im Grossen zur Anwendung gebrachten Verfahren einzugehen.
Wenn bei allen diesen Verfahren bis jetzt vielleicht ein vollständiger Ersatz
für die Rieselfelder noch nicht gefunden worden ist, so zweifle ich doch
nicht daran, dass in unserem an grossartigen Erfindungen so reichen Jahr¬
hundert und bei den enormen Fortschritten, die gerade die Chemie in der
Neuzeit gemacht hat, auch die Lösung dieses Problems möglich werden
wird, — dass es gelingen wird, ein Verfahren ausfindig zu machen, das
den wirthschaftlichen und sanitären Interessen in gleicher und vielleicht
noch vollkommenerer Weise Rechnung zu tragen im Stande ist, wie die
Canalisation mit Rieselfeldern.
„Darum bitte ich Sie, meine Herren, auch unserer fünften These zuzu-
stimmen, denn nur durch die Unterstützung des Bestrebens, das bisher
Erprobte zu vervollkommnen und zu verbessern, kann die Lösung dieser
grossartigen hygienischen Frage gefördert werden.“
Correferent Professor Arnold (Braunschweig):
Geehrte Versammlung!
„Wenn wir uns heute den Stand der Städtereinigung vor Augen führen,
so fallen uns zunächst zwei entgegengesetzte Wege auf, deren einer ledig¬
lich die Reinhaltung der Städte verfolgt, während der andere hauptsächlich
die Verwertbung der Fäcalstoffe zum Ziele hat. — Auf der einen Seite ist
nämlich das Bestreben vorhanden, durch Sohwemmcanäle hinweg Alles in
den Flus8 zu leiten; man vergisst aber dabei im eigensten Interesse das
«Wasser 4 als Lebenseleroent alles organischen Seins, und als unentbehrliches
Bedürfniss für unseren Haushalt, möglichst rein zu erhalten. Das ist also
ein Extrem, das ausserdem noch die Masse der Dungstoffe, die in den
Städten producirt wird, vollständig nutzlos dem Flusse übergiebt. Dass
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74 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
dadurch die Flüsse, vorwiegend durch die grossen Städte, in bedenklicher
Weise verunreinigt werden, und dass dem Einhalt geboten werden muss,
ist ja schon wiederholt dargelegt worden, so dass die Gründe dafür hier
nicht noch besonders zu erörtern sind. Auf der anderen Seite will man
in erster Linie nur die Fäcalien gewinnen, um deren Dungwerth
für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Diese Richtung, welche ein
ordentliches Canalisationssystem in vielen Städten noch zurückhält, dient
jedoch nur teilweise der Landwirtschaft, ohne die Reinlichkeit in den
Städten wesentlich zu fördern und ist vom hygienischen Standpunkte voll¬
ständig zu verwerfen. Denn Jedermann weiss, dass die Aufspeicherung
der Abgänge in Senkgruben insofern eine technische Schwierigkeit bietet,
als wir nicht in der Lage sind, auf die Dauer die Senkgruben dicht zu
erhalten, also damit eine Verunreinigung des städtischen Untergrundes zu
verhindern, während ausserdem noch das sonstige Schmutzwasser zumeist
oberflächlich, also sanitätswidrig, in und aus der Stadt fliesst und dem
nächsten Wasserlaufe zugeführt wird.
„Sowohl der eine wie der andere dieser Wege ist demnach nicht geeignet,
das Ziel zu erreichen, welches wir dem heutigen hygienischen Standpunkte
entsprechend erstreben müssen. Es wird also auch hier ein Mittelweg zu
betreten sein, welcher der Reinlichkeit und zugleich der möglichsten Ver-
werthung der Dungstoffe Rechnung trägt; ein solcher ist bereits durch
meinen Mitreferenten Herrn Stadtbaurath Kauraann ,in der Canalisation
und in der Berieselung* zum Ausdruck gebracht, — wobei aber mit her¬
vorgehoben wurde, wie schwierig es ist, die Berieselung allenthalben und
unter allen Umständen zur Ausführung zu bringen!
„Wenn wir die SchmutzwasBer einer Stadt specialisiren, so sind zu
unterscheiden: 1. die Closet- und Pissoirabgänge, 2. die Haus- und Küchen¬
abwässer, 3. die Hof- und Strassenabwässer, 4. die Gewerbe- und Industrie¬
abwässer, und 5. das Regenwasser. — Vom hygienischen Standpunkte muss
auf eine möglichst rasche Entfernung der gesammten Schmutzwasser und
aller Abfälle aus dem Bereiche der Wohnungen Bedacht genommen wer¬
den; es fragt sich nur: wie und wohin sollen diese fünf verschiedenen
Gattungen Schmutzwässer mit ihren abschwemm baren Stoffen am zweck-
mässigsten abgeführt werden?
„Das ,wie?* ist in Bezug auf die unterirdische Ableitung in
geschlossenen Rohr- und Canalnetzen heute kein Streitpunkt
mehr; wir finden es bei der durch meinen Mitreferenten erörterten
,Schwemmcanali8ation*, welche alle Abwässer zusammen genommen in einem
und demselben Rohrnetze ableitet, mit aller Entschiedenheit beantwortet.
Aber auch beim ,Abfuhrsystem ( , das sich lediglich auf den Closetinhalt
bezieht, wird trotzdem ein grosser Theil der PissoirwäsBer und alles übrige
Schmutzwasser in einem unterirdischen Canalnetze abzuleiten sein. —
Selbstverständlich werden die festen nicht abschwemmbaren Abfälle des
Haushaltes, sowie diejenigen von Strassen und Höfen, selbst bei der ge¬
regeltest durchgeführten Canalisation nebenbei stets durch eine besondere
Art ,Abfuhr 4 entfernt werden müssen; diese Abfuhr gehört jedoch nicht
zu den brennenden Fragen der Hygiene und kann hier füglich ausser Be¬
tracht bleiben.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 75
„Es drängt sich uns vielmehr die Ueberlegnng auf, ob bei Verwer¬
fung des eigentlichen Abfuhrsystems der Landwirtschaft die Closet¬
abgänge direct entzogen, und die Schmutzwasser durch den Inhalt der¬
selben und vornehmlich durch deren organische Substanzen noch mehr
verunreinigt werden dürfen? — Wenn man an die Reinigung der Schmutz¬
wässer überhaupt und an deren wirtschaftliche Verwerthung durch Be¬
rieselung oder durch Wiedergewinnung eines Theils der dungwerthigen
Stoffe denkt, wird man unbedingt für die Einleitung der Closetabgänge in
die Canäle stimmen können. Die gesammte Stickstoffmenge eines städti¬
schen Schmutzwassers mit eingeleiteten Closetabgängen beträgt ungefähr
um 20 Proc. mehr, als ohne die Closetabgänge. Die Fäcalien machen nur
5 Proc. aller städtischen Abfallstoffe aus und belaufen sich durchschnittlich
pro Kopf und Tag auf etwa 1*3 Liter, wovon rund 0*1 Liter auf feste Theile
und 1*2 Liter auf flüssige Theile entfallen. Wenn wir dagegen die Haus¬
und KüchenabwäsBer in Vergleich ziehen, so hat man pro Kopf und
Tag rund 50 Liter anzunehmen, so dass sich zwischen beiden ein Ver¬
hältnis von 1:40 ergiebt. Werden dazu auch noch die Hof- und
Strasse nab wasser ins Auge gefasst, so steigert sich die Sch mutz wasser¬
menge pro Kopf und Tag auf etwa 75 Liter und das gegenseitige Verhält¬
nis auf 1:60. Es hat sich überall erwiesen, dass in den mit Wasser ver¬
sorgten Städten keine so grosse WasserverschWendung auf die Dauer statt¬
findet, wie man ursprünglich annahm; die Schwierigkeit der Wassergewin¬
nung wird auch die Städte mit noch grösserem Verbrauche, bis 100 und 1501,
dahin führen, dass die Vergeudung durch Einführung von Wassermessern
oder durch andere Controlraaassregeln gemässigt werden miiss. — Nach die¬
sem VerdünnungsVerhältnisse und in Berücksichtigung der Art und Be¬
schaffenheit der Verunreinigungen in den Haus- und Küchenabwässern wird
man die gemeinschaftliche Abführung, also die Einleitung der Closet¬
abgänge in die Canäle, wie auch mein Mitreferent aus einander ge¬
setzt hat a , unbedingt als das technisch Vorteilhafteste und zugleich auch
als das hygienisch Richtigste anerkennen müssen. Zudem wird, wie be¬
reits hervorgehoben, eine Erhöhung des Werthes des Schlammes, wenn wir
denselben gewinnen und an sich verwenden, oder aber eine Erhöhung des
Düngwerthes der Rieseljauche damit erzielt.
„Die Industrie ab wässer sollten principiell in das städtische Canal¬
netz nicht eingeleitet werden dürfen. Besondere Umstäude können die
Einleitung wohl erheischen und zweckdienlich erscheinen lassen; im All¬
gemeinen muss man aber auf dem Standpunkte stehen, dass die Industrie¬
abwässer für sich gereinigt werden müssen, weil sie den Dungwerth des
Schmutzwassers beeinträchtigen und vollständig vernichten können. Ob
endlich das Regenwasser gemeinschaftlich mit den vorgenannten
Schmutz wässern in denselben Leitungen abgeführt werden soll oder nicht,
ob also eine ,summarische oder eine getrennte Canalisation* in
jedem besonderen Falle das Richtige ist? — diese Frage wollen wir hier
nicht entscheiden; ßie lässt sich allgemein auch nicht ohne Weiteres
entscheiden, weil — wie mein Mitreferent besonders betonte — dabei
noch andere Factoren und namentlich der Kostenpunkt wesentlich mit¬
sprechen.
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76 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„In jedem Falle stehen wir aber immer vor der gewichtigen Frage:
„wohin?“ — vor dem Verbleib mit den Schmutzwässern — und wenn
damit nicht berieselt werden kann, so muss un ab weislich auf irgend eine
andere Weise Rath geschafft werden, um die Flüsse und kleine»
ren Wasserläufe vor nachtheiligen Verunreinigungen zu
schützen. — Die ,Berieselung 1 von Feld- und Wiesenflächen ergiebt
eine natürliche Reinigung der Sch mutz wässer, welche seit Alters her
geübt, bis heute noch die besten Resultate aufweist und gleichzeitig —
technisch richtig ausgeführt und behandelt — ein wirtschaftliches Er-
trägniss liefert. Wenn wir daher zu einem künstlichen Reinigungsver¬
fahren unsere Zuflucht nehmen, so fragt es sich: wie muss ein solches
künstliches Reinigungsverfahren beschaffen sein, damit es wenigstens an¬
nähernd diejenige Reinigung erzielt, welche bei der Berieselung tatsäch¬
lich erreicht wird?
„Hier haben wir zwei Analysen über das Ergebniss der Berieselung
in Berlin und Breslau zusammengestellt, welche von den Herren Sal-
kowsky beziehungsweise Klopsch ausgeführt sind. Dieselben finden
sich auch in der vortrefflichen Schrift ,Ueber die Principien und die Gren¬
zen der Reinigung von fauligen und fäulnissfähigen Schmutzwassern von
Professor Dr. J. König in Münster, — Berlin, Julius Springer 1885* —
abgedruckt. Die Tabellen besagen im Allgemeinen, dass bei der Be¬
rieselung durchschnittlich 2 /s des gesammten Stickstoffs entfernt werden,
das Chlor um etwa Vs reducirt erscheint, die Phosphorsäure dem Drain¬
wasser vollends entzogen ist, und auch ungefähr s / 4 des Kalis von den
Rieselfeldern aufgenommen sind. Diese VergleichBzahlen dürften genügen,
da es hauptsächlich auf die organischen Stoffe und im Besonderen auf die
dungwerthigen Stoffe, Phosphor, Stickstoff und Kali, ankommt.
„Wenn man nun den Vorgang bei der Berieselung näher studirt, so
findet man, dass erstlich ein Absetzen der suspendirten Stoffe des Schmutz¬
wassers, dann aber eine Filtration durch den Boden stattfindet; aasserdem
hat man das Absorptionsvermögen des Bodens und besonders für die ge¬
lösten organischen Substanzen deren Umwandlung oder Oxydation zu be¬
achten, welche nach neuerer Anschauung nicht lediglich durch den Sauer¬
stoff geschehen, sondern unter Mitwirkung der Mikroorganismen im Boden
vor sich gehen soll, wie auch die gelösten mineralischen Stoffe oder die
mineralisirten Verbindungen hauptsächlich durch den Einfluss der Pflanzen¬
vegetation, also durch Wurzelaufsaugung, umgebildet werden. Wäre sol¬
ches nicht der Fall, so würde alsbald eine Uebersättigung des Bodens und
wahrscheinlich der Zustand eintreten, der ja von mancher Seite noch den
Rieselfeldern vorausgesagt wird, wonach der Boden mit der Zeit voll¬
ständig verschlammen und unfähig werden soll, später das Wasser in sich
zu reinigen. Diese letztere Thatsache hat genügt, um die sogenannte
,intermittirende Bodenfiltration* als unzweckmässig erscheinen zu lassen,
wenn dieselbe auch in neuester Zeit nach dem ,Report of a Commission
appointed to consider a general System of drainage for the valleys Mystic,
Blackstone, and Charles rivers, Massachusetts, U. S. A. — Boston, Wright
and Potter, 1886* veröffentlicht vom Ingenieur Eliot C. Clarke als
praktisch, öconomisch und wirksam dargestellt wird.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 77
„Wenn ein künstliches Reinigungsverfahren an Stelle des natürlichen
durch die Berieselung treten soll, müssen die,Kriterien der Berieselung* den
Prüfstein bilden, also: eine mechanische Abklärung und Filtration, eine Oxy¬
dation der gelösten organischen Substanzen, ein Ersatz für deren Umwandlung
durch die Mikroorganismen, sowie für den Einfluss der Pflanzenvegetation auf
die gelösten Mineralstoffe, verlangt werden. Die Wirkung in letzterer Bezie¬
hung ist eine so gewaltige, dass es nicht leicht möglich sein wird, eine so voll¬
ständige Reinignng, wie dnrch die Berieselung, auf künstlichem Wege zu
erzielen, wenn wir den Einfluss der Mikroorganismen und der Pflanzen¬
vegetation nicht durch chemische Mittel ersetzen können. Ohne chemische
Behandlung wird demnach die gewünschte Reinigung der Schmutzw&sser,
allein auf mechanischem Wege durch Abklärung und Filtration, niemals zu
erreichen sein. — Wir haben desshalb in unserer fünften These gesagt, dass
die Reinigung durch das combinirte Verfahren ,der chemischen Fällung,
der Abklärung und Filtration* erstrebt werden muss.
„Von den verschiedenen chemischen Zuschlägen, die heutzutage in
Unzahl auftauchon und wieder verschwinden, spielen zur Zeit die Haupt¬
rolle: Kalk, Thonerde- und Magnesiasalze, Kieselsäurehydrat u. s. w. Die
Chemie macht ja mit jedem Tage neue Fortschritte, wodurch auch die
zum Theil noch schwache Seite der chemischen Behandlung der Schmutz¬
wässer verbessert wird. Auch der Torf wird wegen seiner desinficirenden
Eigenschaften, die uns in Torfclosets, Pissoirs und Stallungen hinlänglich
bekannt geworden, in neuester Zeit wieder vielfach bei der Sch mutz wasser-
reinigung mit Erfolg verwandt.
„Wenn wir die verschiedenen Bestrebungen zur künstlichen Reinigung
der Sch mutz wässer besprechen, so sollen alle diejenigen, welche sich lediglich
auf die Industriewässer beziehen, heute hier ausser Betracht bleiben. Die
Reinigung der Industrieabwässer ist verhältnissmässig insofern leichter, weil
man deren constante chemische Zusammensetzung im Wesentlichen kennt, also
eher in der Lage ist, die richtigen Zuschläge und das richtige Verhältnis
derselben auszuproben, als dies bei den städtischen Canalwässern möglich
sein wird, welche entsprechend dem stündlichen Wasserverbrauch und un¬
serer Lebensweise ihre Quantität und Qualität in den verschiedenen Tages¬
stunden ändern. In dieser stündlich verschiedenen Quantität und der fort¬
während wechselnden Qualität der städtischen Schmutz wässer liegt nun
eine grosse Schwierigkeit, die richtigen chemischen Zuschläge und deren
jeweilige Zusatzmenge zu Anden. Diese Schwierigkeit greift aber auch auf
das Ananzielle Gebiet über, denn durch eine übermässige Zuführung von
Chemikalien werden einerseits die Betriebskosten bedeutend erhöht, und
andererseits die zu erhoffenden Einnahmen für den Dungwerth des Schlam¬
mes vermindert. — Es muss daher bei jedem künstlichen Reinigungsverfahren
darauf Bedacht genommen werden, nach der stündlichen Verschiedenheit der
Schmutzwässer die chemischen Zuschläge auch nach Quantität und
Qualität reguliren zu können.
„Nachdem nunmehr dargelegt ist, welche Anforderungen an ein künst¬
liches Reinigungsverfahren gestellt werden müssen, können wir zur Erörte¬
rung deijenigen Systeme übergehen, die bis jetzt im Grossen versucht
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78 XIIL Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
worden sind. Dass die verschiedenen chemischen Zuschläge an sich kein
Reinigungssystem bilden, und als ein solches nicht betrachtet werden können,
ist aus dem vorher Gesagten wohl selbstverständlich, denn dieselben sind
nur ein Theil des Verfahrens, allerdings ein wichtiger, aber in ihnen liegt
nicht das System der Reinigung. Die vielen Laboratorienversuche mit städ¬
tischer Spüljauche, und die Erfolge, die man mit verschiedenen chemischen
Fällungsmitteln erzielt hat oder erzielt haben will, sind allein nicht aus¬
schlaggebend, sie müssen erst ins Grosse übersetzt in den Städten an den
stündlich veränderlichen Schmutz wässern ausprobirt werden, und in dieser
Beziehung zu irgend einem praktisch brauchbaren Ergebniss geführt haben.
Mit den bezüglichen chemischen Fällungsmethoden kann durchschnittlich
der gelöste organische Kohlenstoff um etwa 40 Proc., und der gelöste orga¬
nische Stickstoff um 50 Proc. reducirt, die Phosphorsäure aber ganz aus
dem Wasser entfernt werden, was desshalb von Wichtigkeit, weil dieselbe ein
wesentlicher Nährstoff der Mikroorganismen ist, und wir nach den neueren
Grundsätzen der Hygiene von den gereinigten Abwässern neben der mecha¬
nischen Klarheit nicht allein die erreichbare chemische Reinheit, sondern
auch die möglichste Reinigung von allen Mikroorganismen fordern müssen.
Die Herren Mediciner wissen ja, welcher Werth in dieser Beziehung heut¬
zutage auf die bacterioskopischen Untersuchungen nach derDr. Koch’schen
Methode gelegt wird. Die suspendirten Stoffe werden mit allen bislang
erprobten künstlichen Reinigungsverfahren völlig beseitigt. — Wir sind
wirklich in der Lage, klares, fast geruchloses und auch bacterienfreies Ab¬
wasser herzustellen, welches natürlich noch ,gelöste organische 1 Substanzen
enthält, da die Chemie diesbezüglich durchgreifend wirksame und praktisch
anwendbare Fällungsmittel ,bis jetzt nicht besitzt*! — Diese gelösten
organischen Substanzen widerstehen aber durch die Kalk- und Magnesia Zu¬
sätze der fauligen Gährung, bis die in erheblichem Grade gerei¬
nigten Abwässerin den Fluss gelangen, woselbst in Vermengung und
starker Verdünnung mit dem Flusswasser die weitere ,Selbstreinigung*
durch Oxydation des Restes der noch gelösten schädlichen Stoffe bewirkt
wird, ohne eine belästigende oder gar nachtheilige Verunreinigung des
Wasserlaufes befürchten zu müssen.
„Von den Methoden nun, die in Städten erprobt oder zur Ausführung
gelangt sind, hat man, der technischen Anordnung zu Folge, im
Wesentlichen zwei Gruppen zu unterscheiden. Die Grundlage der einen
Gruppe bilden die Klärbecken, wie die ausgestellten Pläne der in Aus¬
führung begriffenen Anlage in Frankfurt a. M. (siehe Tafel I und II) —
und der bereits im Betriebe befindlichen Reinigungsanlage in Wies¬
baden (8. Tafel III) — veranschaulichen. Die zweite Gruppe verwirft
die Klärbassins und führt dafür die aufsteigende Abklärung ver¬
bunden mit Filtration ein; als deren Repräsentanten dienen die aus¬
gehängten Pläne von der jüngst in Probebetrieb genommenen Anlage in
Halle a. S. (siehe Tafel IV) — und von der auf Grund eines vorher ge¬
lungenen Probebetriebes nunmehr in Ausführung begriffenen Gesammt-
anlage in Essen a. d. Ruhr (siehe Tafel V bis VII). Das letztere System
wird zur Zeit auch in Braunschweig versuchsweise ausgeführt. — An
diese beiden Gruppen reiht sich neuestens noch ein System, das auf der
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 79
letzten Zeichnung (siehe Tafel VIII) — dargestellt und der ,Berliner Maschi¬
nenbau- Actiengesellschaft, vormals L. Schwartzkopff* eigen ist
„Bei der ersten Gruppe mit Klärbecken werden die durch Chemikalien .
versetzten Schmutzwasser in verhältnissmässig grosse und flache Bassins
oben oder seitlich eingeleitet, gestaut und entweder in Buhe oder bei sehr
langsamer Zu* und Abströmung geklärt, wobei der Schlamm und die flocki¬
gen Niederschläge allmälig zu Boden sinken. Bei der zweiten Gruppe hin¬
gegen wird das mit Chemikalien behandelte Schmutzwasser in Tiefbrunnen
oder in aufrecht stehende Cylinder dicht über dem Boden derselben ein¬
geleitet und gezwungen, in aufsteigender Bewegung sich abzuklären
und dabei die gleichzeitig niedersinkenden, schwereren und flockigen
SchlammBchichten zu durchfliessen; es wird also in diesem Kampfe der
entgegengesetzten Bewegungen neben der Abklärung auch noch eine Fil¬
tration und eine vortheilhaftere Ausnutzung der Chemikalien erzielt — als
in den Klärbecken. Für beide Gruppen muss sich die jeweilige technische
Anordnung der Anlage in ihrer Gesammtheit uud im Einzelnen danach richten,
ob eine summarische oder eine gterennte Canalisation vorliegt. Bei einer
summarischen Canalisation kommt verhältnissmässig viel Sand und aller
Strassen- und Hofschmutz, der keinen oder nur geringen Dungwerth hat, in die
Canäle; man wird daher in solchen Fällen das Wasser zunächst von diesen
Stoffen möglichst mechanisch zu befreien suchen, bevor der Zusatz der
Chemikalien erfolgt, was natürlich bei einer getrennten Canalisation, wobei
nur die Closet- und PisBoirabgänge mit den Haus- und Küchen ab wässern
zusammen abgeführt werden, in dem Maasse nicht erforderlich sein wird.
In jedem Falle muss aber zur Vermeidung unliebsamer Störungen im Be¬
triebe der Anlage, sowie der Kostenersparniss wegen, Vorsorge dafür ge¬
troffen werden, dass vor dem Zusatz der Chemikalien, also vor Beginn des
eigentlichen Reinigungsprocesses, die schwimmenden Theilchen — nament¬
lich das Papier — aus dem Sch mutz wasser entfernt werden.
„Nach diesen allgemeinen Erörterungen sind wir nun in den Stand
gesetzt, die Wirkungsweise der einzelnen Anlagen an der Hand der Zeich¬
nungen uns klar zu machen, und den Grad der erreichten Vollkommenheit
in der künstlichen Reinigung der städtischen Sch mutz wässer zu erkennen.
„Die Klärbeckenanlage in Frankfurt a. M. ist auf Tafel I und II
dargestellt. — Das Schmutzwasser gelangt aus dem städtischen Hanptent-
wäs8erungscanal zunächst in die sogenannte Zuleitungsgallerie. Diese ist
gleich beim Eintritt dermaassen erweitert, dass das Wasser, welches mit
durchschnittlich 50 cm Geschwindigkeit aus dem Canale einströmt, momentan
eine Geschwindigkeitsänderung auf ungefähr 5 cm erleidet, wodurch alle
schweren Stoffe, wie Sand u. dergl., niederfallen; es besteht also hier ein
Sandfang, natürlich mit den nöthigen Vorkehrungen ausgerüstet, um die Sink¬
stoffe ohne Betriebsstörung ausbaggern und herausheben zu können. Am Ende
des Sandfanges verwehrt eine die Gallerie quer absperrende Eintauchplatte
auf etwa 0*4 m Tiefe den Oberflächenabfluss des von den schwersten Stoffen
befreiten Abwassers, damit hier die schwimmenden Theile sofort aufgefan¬
gen und entfernt werden, und nicht in die nun folgende Siebkammer mit
hinein (Hessen. Diese Kammer ist viertheilig und durch schräggestellte
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80 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Siebe abgeschlossen, durch welche die Schmutzw&sser durchgeseiht, und
die schwebenden Stoffe zurückgehalten werden. Damit sich die Siebe nicht
verstopfen und nach Bedarf gereinigt werden können, ist jede Abtheilung
für sich absperrbar eingerichtet, so dass jedes Sieb einzeln gehoben und für
kurze Zeit ausgeschaltet werden kann, während die anderen in Function
bleiben. Die derartig gereinigten Schmutzwässer treten nun in dieChemi-
kalien-Miscbkammer, in der sie mit den zugeführten Chemikalien, als welche
z. Z. Kalk und schwefelsaure Thonerde vorgesehen sind, durch Mischvor¬
richtungen und Rührwerke innig vermengt werden. Dann fliessen die mit
chemischen Zuschlägen versehenen Wässer in den Zuleitungscanal, durch
dessen Querschnittsvergrösserung sie abermals eine Geschwindigkeitsvermin¬
derung auf etwa 3cm erfahren, also den durch die chemische Fällung er¬
zeugten gröberen Schlamm daselbst zum Theil absetzen, der hier mittelst
Baggerung zeitweilig entfernt wird. Aus diesem Canal tritt das roh ge¬
klärte Wasser durch 2*0 m breite und 0*2 m hohe verstellbare Schützen¬
öffnungen, 5 cm unter Wasserspiegel, in die eigentlichen Klärbecken von
je 6 m Breite und 82 m Länge über. Dieselben haben eine gleichmässig
geneigte Sohle, derart, dass die Wassertiefe am Einlaufe 2 m und am Aus¬
laufe 3 m beträgt, und demnach die Durchströmungsgeschwindigkeit sich
von etwa 5 mm am oberen Ende allmälig bis auf etwa 3 mm am unteren
Ende des Beckens verlangsamt, und so bemessen ist, dass auch die feineren
Stoffe sich wirklich niederschlagen und absetzen können. Durch diese
Querschnittsänderung der Becken und die dadurch bedingte fortwährend
abnehmende Geschwindigkeit gegen den unteren Ueberlauf zu, wird eine
ArtSortirung der abgesetzten Schlammstoffe ihrer Schwere nach stattfinden.
Das am unteren Beckenende nun völlig geklärte Wasser fällt alsdann im
regelmässigen Betriebe mit nur 3 cm Strahldicke über den festen Rücken
der Au8flusBwehre in die Ableitungsgallerie und wird aus dieser durch den
Ablaufcanal dem Main zugeführt, woselbst die Ausmündung in der Strom¬
rinne unter dem niedrigsten Wasserstande erfolgt.
„Jedes Becken ist für die Reinigung von täglich 4500 cbm Schmutz¬
wasser bei durchschnittlich sechsstündigem Aufenthalt desselben in der
Anlage berechnet, so dass die jetzige Grösse mit vier Becken für täglich
18000 cbm genügt. Die ganze Reinigungsanlage ist als Tiefbau ausge-
führt und überwölbt, mithin den Einflüssen von Wind und Wetter und
der Betriebsstörung durch den Frost entzogen. Zur Beseitigung des Schlam¬
mes, als Lichtluken und auch zur Ventilation sind in den Gewölben
Schächte angeordnet, welche bis zur Krone der Ueberschüttung ragen und
daselbst abgedeckt sind.
„Es fragt sich nun, wie der Schlamm aus den Becken beseitigt wird?
Derselbe kann von der grossen Fläche auf keine andere Weise entfernt
werden, als dass das Becken vom Betriebe ausgeschaltet und das Wasser
mittelst Schieber schichtenweise abgelassen, beziehungsweise völlig ab-
gepuropt wird, zu welchem Zwecke unter der Ableitungsgallerie noch ein
gemauerter Entleerungscanal angelegt ist. Wenn also das Wasser ab-
gelassen und der dünnflüssige Schlamm am AusfluBsende des Beckens weg-
gepuropt ist, muss der dickere und feste Schlamm zusammengescharrt, in
Kübel gefüllt und durch die einzelnen Schachtöffnungen herausgehoben
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Ueber Reinigungsmetlioden der städtischen Abwässer. 81
werden, wozu ein Dampfkrahn vorgesehen. Die Kübel werden auf die
drainirten Schlamm - und Sand-Lagerplätze befördert und daselbst entleert,
wo alsdann durch Versickerung und Verdunstung des reichlichen Wasser¬
gehaltes die erforderliche Stichbarkeit des Schlammes erzielt werden soll.
Ob dessen Beschaffenheit und die hier leicht mögliche Wasserfracht die
Verwerthung als Dünger begünstigt, bleibt abzuwarten!
„Die Klärbeckenanlagen erfordern jedenfalls ein bedeutendes Anlage-
capital und sind auch im Betriebe nicht billig, indem die Schlammbeseitigung
unter allen Umständen eine missliche, beschwerliche und auch für die Arbeiter
keine recht angenehme ist, vielleicht sogar gesundheitsschädlich sein kann.
Selbstverständlich muss eine solche Anlage auch mit den nöthigen maschi¬
nellen Einrichtungen ausgerüstet sein, als da sind: Kraftmaschinen,Wasser-
und Schlammpumpen, Krähne und Becherwerke, sowie Rührapparate und
Mahlgänge für die Zubereitung der Chemikalien. Hier mussten auch noch
besondere Hochwasserpumpen für den Abzug des gereinigten Abwassers bei
eintretendem Hochwasser des Mains vorgesehen werden, weil dann der Ab¬
laufcanal gegen die Abi eitun gsgallerie abgesperrt werden muss, um einen
unliebsamen Aufstau in den Becken und im städtischen Canalnetze zu ver¬
hüten. Das sind jedoch technische Schwierigkeiten, die nach den gegebenen
Localverbältnissen jeweils gelöst werden müssen.
„Die Frankfurter Anlage ist bislang noch nicht ganz fertig gestellt.
Nach der Veröffentlichung des Herrn Stadtbaurath es W. H. Lindley in der
Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, Bd. XVI,
Heft 4‘ ist die Betriebseröffnung wohl für dieses Jahr in Aussicht genommen
gewesen, soweit mir aber mitgetheilt wurde, steht dieselbe erst zum Früh¬
jahr 1887 zu erwarten.
„Dagegen ist die Kläranlage in Wiesbaden — s. Taf. III — seit Mai
dieses Jahres im Betriebe, wenn auch noch nicht unter den geplanten nor¬
malen Verhältnissen. Dieselbe hatte ursprünglich die Frankfurter Anlage
zum Vorbilde; nachdem aber der günstige Erfolg der aufsteigenden Abklärung,
verbunden mit Filtration, sich mehr und mehr geltend machte, Hess man
hier eine Combination der beiden Methoden eintreten, so dass nun die
Wiesbadener Anlage gewissermaassen in der Mitte zwischen der Frankfurter
und der Essener, beziehungsweise deijenigen in Halle steht; denn das mit
Chemikalien vermischte Schmutzwasser tritt hier nicht direct in die Klär¬
becken, sondern es wird zuvor durch Vorkammern oder ,Schlammfönge‘
geleitet und da gezwungen, in ab- und aufsteigenden Bewegungen unter
Ausscheidung der schwereren Sinkstoffe sich schon wesentlich abzuklären.
„Das zugeleitete Wasser muss bei seinem Eintritt in den Zulaufcanal zu¬
erst wieder Eintauchplatten und Siebe passiren, welche die schwimmenden
Gegenstände auffangen und die schwebenden Stoffe zurückhalten, und von
diesen durch Herausheben und Umkippen leicht gereinigt werden können.
Dann fliesst dasselbe über einen Sandfang, wo die gröbsten Stoffe nieder¬
sinken, und gelangt durch Vertheilungsschützen regulirt, in Zweigcanäle,
welche nach je einem Mischraum führen, in dem die Chemikalien zugesetzt
und durch ein, Luftgebläse 1 mit dem Schmutzwasser tüchtig vermengt werden.
Vorläufig wird nur Kalkmilch allein verwendet, weil es sich z. Z. lediglich
V ierteljahrsschrift für Gesundheitspflege 1887. (J
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82 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
nur um eine Klärung bandelt, und von einer weiteren chemischen Reinigung
zunächst Abstand genommen wurde, bis über die Verwerthung der Schlamm¬
rückstände eine sicherere Beurtheilung möglich. Man hat hier aber die
Idee zum Ausdruck gebracht, atmosphärische Luft zuzublasen, wodurch
beim Aufbrausen eine bessere Oxydation der gelösten organischen Sub¬
stanzen stattfindet. Dieses derartig mit Chemikalien durchmischte und mit
Luft gesättigte Wasser tritt nun in die brunnenartigen Vorkammern, in
welchen das Wasser durch eine Scheidewand gezwungen wird, in der ersten
Abtheilung nach unten zu fallen, durch enge Oeffnungen in die zweite Ab¬
theilung überzufliessen und in dieser auf etwa 4 m * wieder emporzusteigen,
um dasselbe Spiel nochmals zu wiederholen. Beim Durchströmen der engen
Oeffnungen in der Scheidewand wird zunächst eine weitere Vermischung
zwischen Schmutzwasser und Chemikalien erzielt und ein rascheres Fällen
der Sinkstoffe begünstigt, während das Wasser, sich abklärend, nach oben
steigt, — also durch den niedersinkenden Schlamm hindurch filtrirt. Das
dermaassen abgeklärte Wasser fliesst über die obere Brunnenkante durch
verstellbare, unter Wasser liegende, flache Schützenöffnungen den Klär¬
becken zu. Die Sohle dieser 10 m breiten, 30 m langen und 2*5 m tiefen
Bassins ist nach dem Auslaufe um 0*5 m ansteigend, während die Durch¬
flussgeschwindigkeit des Wassers nur etwa 2 mm bis 4 mm beträgt, so dass
die Abscheidung und Ablagerung der feinen Schlammstoffe in fast voll¬
ständiger Weise vor sich geht. Aus den Becken tritt dann das gereinigte
Wasser über Ueberfalle in den Ableitungscanal und fliesst weiter dem
dortigen Mühlbach zu.
„Die Entfernung des Schlammes ist hier eine verschiedene, je nach¬
dem dieselbe aus den Klärbecken oder aus den Vorkammern erfolgen
soll. Letztere haben in den Schlammfangabtheilungen einen nach der
Mitte zu geneigten Boden, sowohl in der Länge als in der Quere, so
dass man daselbst im Stande ist, eine Schlammpumpe oder ein Baggerwerk
einzusetzen und den Schlamm ohne Unterbrechung des Betriebes, also ohne
Ablassung des Wassers, herauszuschaffen. Der Schlamm, welcher sich in
den Klärbecken niederschlägt, muss aber auf dieselbe Weise entfernt werden,
wie in Frankfurt, wesshalb in der Ueberfallmaucr zwischen den Vorkammern
und den Bassins, zum allmäligen Ablassen des Wassers durch einen Damm¬
balkenauslass, ein tiefliegender Canal mit Schiebern angelegt ist. Nach den
mir gewordenen Mittheilungen bleibt der Schlamm vorläufig so lange in
den Bassins liegen, bis das häufigere Aufsteigen von Blasen in dem Wasser
den Beginnreiner Gährung desselben anzeigt. — Durch das Aufquellen der
Gährungsgase wird das in den Becken befindliche gereinigte Wasser zum
Theil aber wieder verunreinigt, und das ist ein hygienischer Grund, der
mit gegen die Klärbecken spricht!
„Der gewonnene Schlamm wird in besondere Schlammbassins befördert
und da äurch Filtereinrichtungen von der Hauptmasse des Wassers befreit.
Ueber dessen Verwendung ist noch keine Entscheidung getroffen, welche z. Z.
des dortigen zu geringen Dungwerthes wegen auch sehr schwer zu treffen
sein dürfte. Doch darüber, wie über den hygienischen Erfolg der Reini¬
gung, welche ein klares, gelblich gefärbtes Abwasser liefert, kann erst nach
den betreffenden chemischen und bacteriologischen Untersuchungen geur-
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 83
tbeilt werden. — Leider können, der noch abnormalen Betriebsverhältnisse
wegen, z. Z. auch keine maassgeblichen Kostenangaben gemacht werden.
„Die ganze Kläranlage besteht ans drei offenen Becken mit je zwei
Schlammfangen und ist für die Reinigung von täglich 6500 cbm bestimmt,
wobei der Aufenthalt des Abwassers in der Anlage etwa 5 Stunden be¬
tragen soll. Für die Unterkunft der maschinellen Einrichtungen zum Be¬
triebe der Pumpen und Bagger, der Kalkmilch-Rührwerke und Luftgebläse
wurde eine ehemalige Mühle ausgebaut.
„Die Reinigungsanlage in Halle a. d. S., welche auf Tafel IV darge¬
stellt ist, gehört schon ganz der erläuterten zweiten Gruppe an, indem zur
mechanischen Abklärung ausschliesslich Tiefbrunnen benutzt werden. Sie
ist nach dem System Müller-Nahnsen (Schönebeck) ausgeführt, und erst
jüngst — am 1. September — in Betrieb genommen worden. Der techni¬
schen Anordnung liegt, wie in Frankfurt und in Wiesbaden, eine sum¬
marische Canalisation zu Grunde, die auch Fabrikwässer mit aufnimmt. Die
Leistungsfähigkeit ist auf täglich 3000 cbm vorgesehen, wird aber z. Z. nur
bis etwa 900 cbm ausgenutzt. — Das zufliessende Canalwasser passirt zu¬
nächst einen Sandfang, der durch ein eingebautes U eberfall wehr zugleich
mit einem ,Nothauslass* zur Umfluthung der Reinigungsanlage verbunden
ist. Dann treten die Abwässer durch den Zuführungscanal in das Maschinen¬
haus, wo sie, in zwei Arme getheilt und durch Schützen regulirt, in be¬
sonderen Rinnen abfliessen.
„Während wir bei den vorher besprochenen Anlagen keine Regulirung
für den Zusatz der Chemikalien vorgesehen fanden — meines Wissens solche
auch nicht ausgeführt Bind —, tritt uns hier und in Essen, eine der¬
artige Vorrichtung vor Augen. Die Aufgabe kann ja auf verschiedene
Weise gelöst werden; hier ist das Princip des oberschlächtigen Wasserrades
benutzt. Die Menge des aus den Rinnen zuströmenden Schmutzwassers
dreht diese Räder bald rascher, bald langsamer und damit die auf derselben
Welle sitzenden Schöpfbecher für die Chemikalien, deren Anzahl und Grösse
jeweils ausprobirt werden muss, und welche sich nach dem Gange der Räder,
also entsprechend dem zugeflossenen Wasserquantum, entleeren. — Ein
ähnlicher Apparat ist bei der Reinigungsanlage für die Arbeitercolonie
»Cronenberg* von Fried. Krupp in Essen »bereits im vorigen Jahre* zur
Ausführung gekommen, aber in einer etwas anderen Form, indem dort wirk¬
liche Wasserräder und hier Schöpfkästen verwandt sind. — Das Schmutz¬
wasser läuft zuerst in einen Kasten, deren vier an einem Kreuze angebracht
sind, und wenn der Kasten voll ist, kippt er das Drehkreuz durch sein
Uebergewicht selbstthätig um, und in demselben Momente schlägt ein
anderer vor den Rinnenausfluss. Ein solcher Kasten fasst 150 Liter; an
der Achse ist ein Zählwerk befestigt, das die Wellenumdrehungen, also
(4 X 150) Liter, angiebt, wodurch man im Stande ist, genau festzustellen,
wie viel Schmutzwasser überhaupt aus der canalisirten Zone zufliesst. Mit
jeder Kastcnkippung wird gleichzeitig aus den von den darüberstehenden
Rührwerken gespeisten Schöpfbassins je ein Becher Kalk und ein Becher
der übrigen Chemikalien geschöpft und seitlich in Rinnen ausgegossen, dem
Wasser aber getrennt zugesetzt. Zuerst fliesst der Kalk in den Ausguss-
6 *
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84 XI1L Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
canal der Kästen, dann fällt das Wasser über eine Mauerkante in einen
tieferliegenden Canal, woselbst durch die zweite verlängerte Rinne der Zu¬
satz der übrigen Chemikalien bewirkt wird.
„Nun fliesst das mit Chemikalien vermengte Wasser weiter in den Mittel¬
canal, welchen zwei hinter einander angeordnete Siebe in Form von Dreh¬
gittern abschliessen, um die schwimmenden und schwebenden gröberen
Theile aufzufangen und zu beseitigen, was durch einfache Drehung ohne
Ausschaltung geschehen kann. Die Entfernung dieser Theile erfolgt — im
Gegensatz zu den anderen Anlagen! — hier also erst nach dem Chemikalien¬
zusatz. Hinter den Sieben tritt das Wasser über zwei durchbrochene,
breite Ueberfallbleche, deren Anordnung so getroffen ist, dass es möglichst
zertheilt eine schlängelnde Bewegung zu machen gezwungen wird, damit
ein inuiges Vermengen stattfindet und die atmosphärische Luft reichlich zu-
treteu kann. Das dermaassen vermischte Schmutzwasser fällt alsdann in
einem Mauerschlitze hinab und fliesst durch einen 4'5 m breiten und 0*5 m
hohen Spalt in den Klärbrunnen, wo es, wie in den Wiesbadener Vorkam¬
mern, communicirend und durch den Ueberdruck des Zuflusses 3 m auf¬
steigt, während die Schlammmassen zu Boden sinken. Derselbe Vorgang
wiederholt sich hier in dem zweiten Brunnen, in dem die feineren Nieder¬
schläge sich noch absetzen sollen und aus dem schliesslich das abgeklärte
Wasser in die Saale geleitet und — wie in Frankfurt — durch einen
Bohrstrang bis in die Stromrinne geführt wird.
„Das Wesen der Abklärung der in Brunnen über der Sohle eingeleiteten
Schmutzwasser wurde eingangs erklärt. Da hier das Wasser unten an der
Seite eintritt und oben über die entgegengesetzte Hälfte des Brunnenrandes
abströmt, so wird in dem Brunnen eine schräge Strömungsrichtung sich
geltend machen und keine völlig gleichmässige Aufsteigegeschwindigkeit
im Querschnitte stattflnden. Selbstverständlich würde man den zweiten
Brunnen ersparen können, und gewiss auch einen besseren Erfolg des Ab¬
klärens erzielen, wenn der erste Brunnen mit grösserer Tiefe hergestellt wird.
„Es liegen bei der kurzen Zeit des Betriebes noch keine Kosten¬
ergebnisse und auch keine chemischen und bacteriologischen Untersuchungen
vor, die irgend welchen Anspruch auf eine verlässliche Beurtheilung der hygie¬
nischen Reinheit des Wassers machen könnten 1 ). Dem Augenscheine nach
sind die Wässer ziemlich rein, haben aber einen Stich ins Gelbliche und
riechen noch etwas nach ihrem Ursprünge. Das sind jedoch Umstände, die
wahrscheinlich beseitigt werden können; denn es kommt wesentlich darauf
an, dass bei einer gewissen Praxis in der Behandlung der Abwässer die
erprobten Zusatz Verhältnisse gewissenhaft angewandt werden. Die im
Maschinenhause durch den offenen Einlauf der Canalwässer auftretenden
Gase werden durch Ventilationsrohre abgeführt, so dass weder im Gebäude
noch draussen, über den mit Bohlen abgedeckten Brunnen und Canälen, be¬
lästigende Gerüche wahrzunehmen sind.
*) Während des Druckes ist ein Bericht des Stadtbauamtes in Halle erschienen, der
über die muthmaasslichen Betriebskosten der Anlage Mittheilungen enthält; desgleichen
sind die seitens der Braunschweiger Commission (s. S. 85) am 16. October ver-
anlassten chemischen und bacteriologischen Untersuchungen zum Abschluss gelangt.
Der Referent.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 85
„Die abgeschiedenen Schlammmassen werden ans dem unteren, trichter¬
förmigen Theile des Brunnens mittelst einer durch einen Gasmotor ge¬
triebenen Pumpe, ohne den Betrieb zu unterbrechen, abgesaugt, in gewöhn¬
liche Filterpressen, wie sie bei Zuckerfabriken gebräuchlich sind, gedrückt
und in 1 qm grosse, 2*5cm dicke Kuchen abgepresst, deren Abwasser in
den Zulaufcanal geleitet, den Reinigungsprocess wieder durchmacht, wäh¬
rend die Schlammkuchen an der Luft abtrocknen und wenig Raum ein¬
nehmend leicht verfrachtet werden können.
„Die ganze Anlage ist nett und sauber ausgeführt; es fragt sich nur,
ob .die mechanische Verarbeitung des Schlammes sich lohnt, und ob es
nicht bedenklich erscheint, ohne den Dungwerth des Schlammes zu kennen,
dergleichen Kosten dafür aufzuwenden? Das ist natürlich eine Frage, die
sich jede Stadtverwaltung selbst beantworten muss! Vom technischen und
hygienischen Standpunkte verdient diese Verarbeitung aber unbedingte Zu¬
stimmung, weil der Schlamm auf rasche Weise weggeschafft, seines über¬
mässigen Wassergehaltes entledigt und in eine sehr compendiöse Form ge¬
bracht wird.
„Die Reinigungsanlage für die Stadt Essen a. d. R., wie sie zurZeit
nach dem System Röckner-Rothe (Bernburg) im Ausbau begriffen, ist
auf Taf. V bis VII dargestellt.— Wie schon erwähnt, ist diese Gesammtanlage
auf Grund einer provisorischen Versuchsanlage, welche Ende Juli 1885 in
Betrieb genommen wurde und den vierten Theil der städtischen Canalwässer
durch mehrere Monate zur Zufriedenheit der städtischen und königlichen
Behörden gereinigt hat, vom Stadtverordnetencollegium beschlossen wor¬
den! — Es ist dies bislang der einzige Versuch im Grossen, nach dessen
Ergebnissen in vollständiger Weise über die Betriebskosten und über die
hygienische Reinheit der Wässer verlässliche Veröffentlichungen gemacht
sind. In dieser Beziehung muss in erster Linie auf die Mittheilungen des
Herrn Stadtbaumeister Wiebe in Essen hingewiesen werden, welche auf
der Generalversammlung des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege, abgehalten zu Essen am 21. October 1885, vorgetragen, —
und im ,Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege, V. Jahrgang 4 unter
der Ueberschrift ,die Reinigung städtischer Abwässer zu Essen 4 ab¬
gedruckt sind. Ferner ist der ,Bericht über das Röckn er -Roth e’sche
Reinigungsverfahren der städtischen Abwässer in Essen a. d. Ruhr, — er¬
stattet am 21. Januar 1886 von der seitens der Stadt Braunschweig
entsendeten Commission 4 zu erwähnen, welcher mit allen Beilagen in
dem vom ,Verein für öffentliche Gesundheitspflege im Herzogthum Braun-
schweig 4 herausgegebenen ,Monatsblatt, 1886, Nr. 3 und 5 4 zum Abdruck
gelangt ist.
„Dieses System zählt der Grundidee nach zur zweiten Gruppe, ist aber
dadurch, dass es früher zur praktischen Ausführung gelangt ist und auch
schon vorher bei verschiedenen industriellen Wässern angewandt und er¬
probt wurde, in technischer Beziehung — nach meinem Dafürhalten — mehr
ausgebildet, als die anderen Systeme, die ja erst kurze Zeit im Betriebe sind.
„Dem Röckner-Rothe 1 sehen Systeme eigenthümlich ist der für die
aufsteigende Abklärung angewandte ,Heberke8sel 4 , der aus einem Tiefbrun-
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86 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndkpflg. zu Breslau.
nen das Schmutzwasser ansaugt, wodurch neben anderen Vortheilen zu¬
nächst der erforderliche höhere Aufstieg des Wassers erzielt wird.
„lieber dem etwa 5 m tiefen Brunnen ist ein Heber aufgestellt, dessen auf¬
steigender Ast, als ein 7 bis 8 m hoher Cyliuder construirt, mit seinem unteren
offenen Rande in das Schmutzwasser eintaucht, während der abfallende Ast als
Rohr an dessen oberem geschlossenen Rande abzweigt und mit seinem Aus¬
gusse unter dem Wasserspiegel eines kleinen Auslaufbassins mundet. Wer¬
den nun die Wasserstände im Brunnen durch den Zufluss des Schmutz-
wassers und im Auslaufbassin durch den Abfluss des gereinigten Wassers
auf einer bestimmten Niveaudifferenz gehalten, so wirkt der angesogene
Heber selbstthätig. Es wird hierbei also der Druck der Atmosphäre aus¬
genutzt, und zwar in der Weise, dass oben auf dem Cylinder ein Aufsatz¬
rohr angebracht ist, in welchem etwa lim über dem Wasserspiegel das
Saugrohr einer kleinen Luftpumpe endigt, damit beim Ingangsetzen des
Hebers, selbst bei völliger Luftleere im Cylinder, das Wasser nicht in das
Luftrohr gelangen und den Betrieb der Luftpumpe störeu kann.
„Wenn nun eine Luftverdünnung im Heberkessel erzeugt wird, so steigt
das Schmutzwasser aus dem Brunnen durch den äusseren Druck der atmosphä¬
rischen Luft allmälig in die Höhe, bis es das Abfallrohr erreicht hat, und
fliesst dann in Folge der vorhandenen Wasserstandsdifferenz im Brunneu
und Auslaufbassin weiter selbstthätig und gereinigt ab. — Die Aufsteige¬
geschwindigkeit im Cylinder kann durch das Verhältniss der Querschnitte
zwischen Cylinder und Abfallrohr, dem zu leistenden Quantum und der
Qualität des Wassers entsprechend, bestimmt, und durch einen im Abfall¬
rohre vorgesehenen Schieber regulirt werden, darf aber nach den ge¬
wonnenen Erfahrungen nur 2 bis höchstens 9 mm betragen, um ein völlig
geklärtes Wasser zu Tage zu fördern.
„Wie einfach dieses Princip ist, so hat es doch in seiner praktischen
Durchbildung verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, welche
hauptsächlich in der Erzielung und Sicherung einer ruhigen und gleich-
mässigen Bewegung des Wassers im ganzen Cylinderquerschnitte bestanden.
Zu diesem Zwecke tritt das Schmutzwasser durch ein Rohr über der Sohle
des Brunnens unter einem sogenannten Stromvertheiler aus, der sich im gan¬
zen Brunnenquerschnitt trichterförmig über die Ausmündung erhebt und
aus schräg gelegten Lattenstäben mit jalousieartiger Vertäfelung besteht,
wodurch ein Zertheilen und Vertheilen des aufsteigenden Wassers statt¬
findet; ausserdem ist im oberen Theile desCylinders über den ganzen Quer¬
schnitt eine eigenartige Ueberlaufconstruction eingebaut, welche die vom
unteren Stromvertheiler eingeleitete gleichmässige Bewegung auf die ganze
Aufsteigehöhe gewährleistet, und die nachtheiligen Wirbel und Strömungen,
welche der Zulauf und Abfall des Wassers verursachen, nicht zur Wirkung
kommen lässt. Es ist dies jedenfalls eine entschiedene Verbesserung
gegenüber den einfachen Brunnen in Halle, mit im Wesentlichen einseitiger
Ein- und Abströmung.
„Der Verlauf der Reinigung ist nun folgender: Das aus dem städti¬
schen Canalnetz zufliessende Schmutzwasser wird zunächst durch schräge
Siebe geleitet, welche den Querschnitt des Zulaufcanals verstellen, um
alle schwimmenden und die groben schwebenden Theile aufzufangen.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 87
Dann gelangt es in den Sandfangbrunnen, der durch eine Scheidewand
bis nahe über die trichterförmige Sohle abgetheilt ist, um mit ver¬
langsamter Geschwindigkeit in der einen Hälfte hinabzusinken und nach
Ablagerung der schwersten Stoffe in der zweiten Hälfte wieder empor
zu steigen. — Der Sand und gröbere Schlamm wird durch ein Becher¬
werk heransgehoben, ohne dass der Brunnen geleert oder der Betrieb ge¬
stört zu werden braucht, und durch eine Rinne in das seitlich gelegene
Ablagerungsbassin geleitet — Das in der zweiten Brunnenhälfte aufsteigende
Wasser tritt nun in den Mischcanal über, wo zuerst die Kalkmilch und dann die
Chemikalien selbstthätig regulirt zufliessen. In diesen Mischcanal sind im
Zickzack gestellte Hindernisse eingebaut, so dass durch die erzwungenen
schlängelnden Bewegungen ein inniges Vermengen des Schmutzwassers mit
den chemischen Zuschlägen erreicht und auch der atmosphärischen Luft
genügender Zutritt geboten wird. Das auf diese Weise vorbereitete Schmutz¬
wasser gelangt dann in die Zuflusscanälo zu den Heberbrunnen und durch
die Mündungsrohre in jeden einzelnen Brunnen. Natürlich kann jeder Zu¬
fluss für sich durch Schützen abgestellt werden, damit einzelne Cylinder
vom Betriebe ausgeschieden werden können. Mit dem Eintritt des Wassers
in den Brunnen sinken die schwersten Stoffe gleich zu Boden, während bei
dem langsamen ruhigen Aufsteigen im Cylinder ein allmäliges Absetzen
und Niedersinken der speciflsch schwereren Verunreinigungen und der
durch den Zusatz der Chemikalien bewirkten Ausscheidungen stattfiudet,
so dass sowohl im Brunnen als auch im unteren Theile des Cylinders
Schlammschichten entstehen, die für das nachfolgende aufströmende Wasser
einen Filter bilden, der sich fortwährend selbst erneuert, wiewohl die com-
pacteren Schlammmassen sich niederschlagen. In diesem beständigen
Kampfe des aufsteigenden Schmutzwassers und der niedersinkenden zum
Theil noch mit Chemikalien vermengten Schlammschichten wird auch eine
vortheilhafte Ausnutzung der Chemikalien stattfinden. Der Schlamm logt
sich zunächt auf den Stromvertheiler; indem das nachströmende Schmutz¬
wasser durch die jalousieartigen Ritzen desselben durchzieht, wird hier be¬
reits der Filtrationsprocess eingeleitet, der nach oben sich fortsetzend eine
vorzügliche Abklärung des Schmutzwassers erzeugt.
„Wenn die Schlammmassen auf dem Stromvertheiler zu mächtig werden,
rutschen sie von den schrägen Flächen ab und gelangen auf die Brunnensohle,
von wo sie ohne jede Störung des Reinigungsbetriebes durch eine Schlamm¬
pumpe aufgesaugt, in Rinnen gedrückt und nach den Ablagerungsbassins ge¬
leitet werden. Da der Dungwerth des Schlammes bei der summarischen
Canalisation ein verhältnissmässig geringer ist, und man ihn zur Zeit noch
nicht recht unterzubringen, oder für die Landwirtschaft begehrenswert zu
machen weiss, hat man hier vorläufig nur drainirte Becken — wie in
Frankfurt a. M. — vorgesehen, aus welchen das absickernde Schmutzwasser
wieder in den Zulaufcanal fliesst und den Reinigungsprocess erneut durch¬
macht. — Die gefüllten Becken müssen natürlich, nachdem der Schlamm
abgelagert und stichfest geworden ist, ausgeleert werden, und da tritt
uns die Frage der Schlammverwerthung als wichtiger Factor für
die Lösung der künstlichen Reinigung der Schmutzwässer so recht vor
Augen!
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88 XIII, Versammlung d. D. Vereins f. oft Gsndhpflg. zu Breslau.
„Es war bislang bei dem Zusatz der Chemikalien noch nicht Rücksicht
darauf genommen worden, dass deren Mengenverhältnisse entsprechend der
Quantität und Qualität des Schmutzwassers zu reguliren sind. Wir finden
die hier getroffenen Vorrichtungen auf Tafel VII dargestellt. — Während in
Halle nur eine Regulirung nach der Quantität erfolgt, ist für die Essener
Anlage auch eine Regulirung nach der Qualität des Wassers vorgesehen.
An jedem Rührwerke ist ein Heber angeordnet, der mit der Luftpumpe in
Verbindung in Thätigkeit gesetzt wird. Der aufsteigende Arm saugt aus
dem Rührbottich das Gemenge in ein tiefer stehendes Gefäss, ,den Regulator*,
dessen Niveauhöhe durch einen Schwimmer beeinflusst wird, der an dem
abfallenden Heberarm sich auf- und abwärts bewegen kann. Dieser Schwim¬
mer hat den Zweck, das Regulatorgefäss bis zu einer bestimmten Höhe ge¬
füllt zu erhalten, damit die Druckhöhe für den Ausfluss der Chemikalien
immer dieselbe bleibt. Wenn der Heber in Thätigkeit gesetzt ist, wird
der Schwimmer gehoben, bis die daran befindliche Gummiplatte die untere
Oeffnung des Hebers verschliesst, in welchem Augenblicke der Zufluss aus dem
Rührwerke auf hört und damit die Grenze der Niveauhöhe markirt ist. Sobald
dann ein Chemikalienabfluss nach dem Schmutzwasser erfolgt, sinkt der
Schwimmer, die Gummiplatte desselben giebt die untere Heberöffnung wieder
frei und der Heber saugt den Verlust aus dem Rührwerke über. *— Ferner
befindet sich im Zulaufcanal des Sch mutz wassere abermals ein Schwimmer, der
eine über Rollen geführte Kettenleitung nach einem aufgehängten Gegen¬
gewichte hat, das am längeren Ende eines doppelarmigen Hebels sitzt, wäh¬
rend am kürzeren die Zugstange des RegulatorBchiebers befestigt ist. Fliesst
z. B. mehr Wasser zu, so steigt dessen Stand im Zulaufcanal, der Schwim¬
mer wird gehoben und die Kette dadurch nachgelassen, das Gegengewicht
drückt auf den Hebelarm, und die Schieberöffnung wird mehr aufgezogen,
also grösser gemacht. Im entgegengesetzten Falle, wenn der Schwimmer
sinkt, wird die Kette angezogen, das Gegengewicht mit in die Höbe ge¬
hoben, und der Schieber entsprechend geschlossen. Auf diese Weise ist
also die quantitative Regulirung gelöst und selbstthätig wirkend. Wie in
Halle die Grösse der Schöpfbecher, so muss hier die Grösse der Schieber¬
öffnung im Regulator sacbgemäss ermittelt und zweckentsprechend aus-
probirt werden.
„Wie schon mehrfach erwähnt, haben die Schmutzwässer in den ver¬
schiedenen Tageszeiten eine verschiedene Beschaffenheit, was mit unseren
Lebensgewohnheiten zusammenhängt. So haben die beim Probebetrieb in
Essen an gestellten Untersuchungen erwiesen, dass das Canal wasser von
Mitternacht bis 4 Uhr Morgens wesentlich reiner als tagsüber und von
4 bis 6 Uhr Morgens fast rein war. Danach müssen nun auch die Chemi¬
kalien regulirt werden, wenn man keine Verschwendung eintreten lassen
will. Zu dem Zwecke ist an der Schieberöffnnng des Regulators noch eine
Schraube angebracht, durch welche ein Horizontalschieber auf jede beliebige
Weite der Oeffnung eingestellt werden kann, und zwar mit Hand, weil
diese Einstellung ja nur einige Male zu bestimmten Stunden zu geschehen
braucht und dadurch der Wärter veranlasst wird, sich von der richtigen
Functionirung des Chemikalienregulators öfters zu überzeugen. — Wie wir
eine Tages-Verbrauchscurve für die Wasserversorgung besitzen, so wird sich
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 89
bei einiger Beobachtung wohl bald auch eine brauchbare Curve für die
stündliche Qualität der städtischen Abwässer ergeben. Es wird also dem
Wärter eine Stunden tabeile einzuhändigen und vorzuschreiben sein, danach
den Horizontalschieber auf der Scala an der Oeffnung zu verstellen. So
kann ohne Schwierigkeit das Verhältnis der Weite für die Ausflussöffnung
der Chemikalien, entsprechend der Qualität des Schmutzwassers, bestimmt
werden, während die Höhe der Oeffnung lediglich vom Wasserquantura ab¬
hängend sich selbst regulirt. — Bezüglich der Wasserqualität ist noch zu
bemerken, dass die leichteren fettigen Bestandtheile, welche sich auf der
Wasseroberfläche im Cylinder ansammeln, durch ein in Höhe der Ueber-
laufconstruction abzweigendeB kleines Rohr mit Hahnverschluss zeitweilig
in ein besonderes Becken abgelassen werden können.
„Hygienisch betrachtet hat die Essener Anlage manche Vorzüge, welche
einerseits im Absetzen und Abklären im geschlossenen Raume mit verhält-
nissmässig kleiner Fläche andererseits in der aufsteigenden Filtration ins
Vacuum und dabei zugleich im Entgasen der Schmutzwässer bestehen, in¬
dem durch die beständige Luft Verdünnung im Cylinder das. Aufquellen der
Blasen erleichtert wird, und die im Aufsatzrohr sich sammelnden übelrie¬
chenden Gase durch die Luftpumpe mit abgesogen und durch Einleitung
in die Feuerung der Maschinen unschädlich gemacht werden. Thatsächlich
ist die überraschende Geruchlosigkeit im Bereiche der wiederholt besuchten
Reinigungsanlage, da weder aus den mit Bohlen überdeckten Zulaufcanälen
und Brunnen, noch aus dem geschlossenen Cylinder merkbar üble Gase ent¬
weichen, und auch die offenliegenden Schlammbecken keine irgendwie widri¬
gen oder belästigenden Ausdünstungen verursachen.
„Die Versuchsanlage in Essen war mit einem Brunnen von 5 a 8m
Weite und einem Heberkessel von 4*2 m Weite, sowie mit einem provi¬
sorischen Maschinenhänschen für eine Locomobile, die Luftpumpe und
die Rührwerke ausgestattet, und für eine Tagesleistung von 4500cbm
vorgesehen. Thatsächlich kamen durchschnittlich 2600 cbm und im Maxi¬
mum 3100 cbm zur Reinigung, wobei der Aufenthalt des Sch mutz wassers
im Heberkessel rund 60 bis 45 Minuten betrug. Für die Gesammtanlage
sind — wie aus Tafel V ersichtlich — vier solcher Heberapparate mit dem
erforderlichen Zubehör und mit einer Gesammtleistung von 18 000 cbm pro
Tag in Ausführung begriffen.
„Genaue Angaben über die erzielte chemische und bacteriologische
Reinigung des Schmutzwassers enthalten die vorgenannten Veröffentlichungen
des Stadtbaumeisters Wiebe und der Braunschweiger Commission.
Daraus geht hervor: dass das trübe, reichliche Pilzfaden enthaltende, in
stinkender Fäulniss begriffene saure Schmutzwasser — in einen klaren,
fast farblosen, schwach alkalischen und sich makroskopisch nicht verändern¬
den Zustand übergeführt wird; dass alle suspendirten Substanzen anorga¬
nischer und organischer Natur entfernt, und die gelösten anorganischen
pho8phorsäurehaltigen Salze ,unter völliger Ausscheidung der Phosphor¬
säure* durch die zugesetzten Chemikalien in unschädlicher Weise vermehrt
werden, dass die gelösten flüchtigen und nicht flüchtigen organischen Sub¬
stanzen um ein Geringes zugenommen haben, durch den Kalkzusatz aber
in einen stabilen, der fauligen Gährung widerstehenden Zustand übergeführt
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90 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. off. Gsndhpflg. zu Breslau.
sind; dass der reichliche Schwefelwasserstoff ganz entzogen und das Chlor
in den Verbindungen vermindert ist, dass dagegen die an sich unschädliche
salpetrige Säure und Salpetersäure etwas zugenommen hat, durch Oxydation
des auf die Hälfte gesunkenen Ammoniakgehaltes; dass der in den suspen-
dirten organischen Substanzen enthaltene Stickstoff mit diesen ganz, und
der in Gestalt organischer Verbindungen vorhandene Stickstoff auf die
Hälfte entfernt wurde; — und dass auch eine beinahe vollkommene Reini¬
gung von allen Mikroorganismen erzielt ist.
„Die mechanische und bacterioskopische Reinheit entspricht hiernach den
gestellten Anforderungen vollständig, während die chemische Reinheit an die
Grenze des heutzutage wissenschaftlich und praktisch Möglichen reichen
dürfte! — „In letzterer Beziehung dürfte es sich vielleicht empfehlen, noch auf
eine Vermehrung der Oxydation dadurch hinzu wirken, dass sowohl der Zu¬
laufcanal des Schmutzwassers als auch der Abflusscanal des gereinigten
Wassers mit mehrmals abgetreppter Sohle hergestellt, oder wenn nicht ge¬
nügend Gefälle vorräthig, einfach Strauchwerk in die Canäle gelegt würde,
damit beim Abfall und Durchwinden des Wassers eine reichlichere Ver¬
mengung mit atmosphärischer Luft stattfindet. Wenn ferner die Erfah¬
rungen mit Torffiltern sich bewähren, so könnte ein solcher ganz leicht und
ohne nennenswerthe Kosten in den Abflusscanal noch eingeschaltet werden,
so dass das an sich schon gereinigte Wasser beim Durchgang durch den¬
selben nochmals flltrirt und nach der behaupteten Wirkung des Torfes
auf die organischen Stoffe vielleicht chemisch reiner werden würde.
„Der Essener Versuch hat uns auch einen Anhalt oder vielmehr Auf¬
schluss über die Kosten dieser künstlichen Abwässerreinigung gegeben. Sie
sondern sich wesentlich in die Ausgaben für die Chemikalien und für den
maschinellen Betrieb einschliesslich Kohlen, Schmiermaterial und Löhne und
haben durchschnittlich für 1 cbm gereinigten Wassers (1*0 + 0’7) = 1*7 Pfg.
betragen. Diese Zahlen dürfen jedoch nicht ohne Weiteres auf die Gesammt-
anlage übertragen werden. Bei der vier- bis sechsfachen Wassermasse in conti-
nuirlichem Tag- und Nachtbetriebe, und vorzugsweise durch die sorgfältige
Regulirung des Chemikalienzusatzes nach der Quantität und Qualität des
Schmutz wassers wird sich gewiss eine merkliche Ersparniss an Chemikalien
einstellen, welche eine Herabminderung der bezüglichen Kosten bis auf etwa
0*75 Pfg. erwarten lässt. — Nach den gemachten Erfahrungen musste für einen
Heberkessel die Luftpumpe täglich Vs Stunde und das Baggerwerk 3 Stunden
arbeiten. Die maschinelle Anlage für vier Heberapparate kann demnach un¬
streitig besser ausgenutzt werden, weil mit einer guten Maschine von nur
wenig grösserer Kraft als die Locomobile, die Luft- und Schlammpumpen ab¬
wechselnd neben den Rührwerken zu betreiben sein werden, so dass in An¬
betracht der vier- bis sechsfachen Wassermasse die Kosten des maschinellen
Betriebes für 1 cbm sich ganz bedeutend günstiger gestalten müssen und
schätzungsweise bis auf ungefähr 0*25 Pfg. sinken dürften. — Es kann also
für die Gesamratanlage vorausgesetzt werden, dass sich die Betriebskosten
bis auf etwa (0*75 -f- 0*25) = 1*0 Pfg. für lcbm gereinigten Wassers ver¬
mindern werden. Unter dieser Annahme und mit Berücksichtigung der
Verzinsung und Amortisation des Anlagecapitals von 240 000 Mark stellen
sich für die Essener Entwässerungs- und Einwohnerverhältnisse nach der
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 91
Berechnung des Stadtbaumeisters Wiebe — ,ohne Verwerthung des
Schlammes 1 — die jährlichen Kosten pro Kopf der Bevölkerung auf nahezu
1*00 Mark. — Wenn wir diesen Betrag mit den Angaben Zusammenhalten,
welche mein Mitreferent gemacht hat, so scheint der Kostenpunkt besondere
Schwierigkeiten der Berieselung gegenüber nicht zu ergeben, denn wir
haben gehört, dass auch dort die bezügliche Belastung 1*00 Mark, ja
1*50 Mark betragen kann.
„Das künstliche Reinigungsverfahren ist mithin so weit gediehen,
dass es den Stadtsackei nicht in einer allzu bedeutenden Weise bean¬
sprucht und mit der Berieselung unter Umständen wohl concurriren
kann, besonders wenn der Schlamm sich entsprechend verwerthen lässt!
„Das ist nun noch, wie schon betont, der wunde Punkt bei der
künstlichen Reinigung der städtischen Schmutzwässer. — Nach den mit-
getheilten authentischen Veröffentlichungen ergab 1 cbm Essener Schmutz¬
wasser 2*5 bis 3*0 Liter stichfesten Schlamm von rund 70 Procent Feuch¬
tigkeitsgehalt. Derselbe enthielt bei 100° C. getrocknet: 75 Procent
anorganische Substanzen, darunter 37 Procent Thon und Sand, und 25 Pro¬
cent organische Substanzen, darunter 5 Procent stickstoffhaltige. — Die
bedeutende Masse von anorganischen Substanzen lässt sich dadurch erklären,
dass damals noch kein Sandfangbrunnen angelegt war. Bei anderen che¬
mischen Untersuchungen haben sich die organischen Substanzen bis 30
und 33 Proo. ergeben; natürlich tritt mit der Vermehrung der organischen
Substanzen auch ein grösserer Dungwerth ein. Die dungwerthige Phosphor¬
säure ist mit 0*84 bis 1*45 Proc. und der dungwerthige Stickstoff mit 0*71
bis 0*94 Proc. ermittelt worden. Diese schwankenden Zahlen sind durch
die zu verschiedenen Tageszeiten, je nach der Verunreinigung des Wassers,
verschiedene Beschaffenheit des Schlammes zu erklären, so dass eine einzelne
Analyse keineswegs als Durchschnittswerth gelten kann.
„Die Braunschweiger Commission berechnete für den Gehalt von
0*84 Proc. Phosphorsäure und 0*71 Proc. Stickstoff in der Trockensubstanz,
mit Zugrundelegung der Preise dieser Dungstoffe im unverarbeiteten Schlamm
zu 0*75 Mark für 1 kg Stickstoff und 0*30 Mark für 1 kg Phosphorsäure, den
Dungwerth des für die Verwendung geeigneten lufttrockenen 4 Schlammes,
mit etwa 50 Proc. Wassergehalt, auf rund 5*00 Mark pro Cubikmeter, zu
welchem Resultate auchStadtbaumeister Wiebe ungefähr gekommen ist.—
Das sind natürlich vorläufige Annahmen und theoretische Zahlen, denn
man kann den Schlamm jetzt nicht an den Mann bringen, weil die Land-
wirthe noch nicht das nöthige Vertrauen dazu gewonnen haben, wesshalb
in Essen auf städtische Veranlassung der Dungerfolg praktisch erprobt
wird 1 ).
„Bezüglich des Gehaltes an dungwerthigen Stoffen bleibt noch hervor-
zuhehen, dass das untersuchte städtische Schmutzwasser in Essen nur ver¬
botwidrig einen Theil Fäcalien enthielt-, und dass mit der allgemeinen
Einleitung der gesammten Fäcalien in die Canäle der Dungwerth des
*) Nach der Sitzung ist aus Essen ein Telegramm cingegangen, dass das auf dem
Dungfelde gezogene Gemüse prämiirt wurde.
Der Referent.
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U2 XIIL Versammlung, d. D. Vereins f. oft Gsndhpflg. zu Breslau.
Schlammes nicht unbeträchtlich steigen wird, so dass dann in dem ge¬
wonnenen Schlamme der Landwirthschaft ihr Theil gereicht wird. Wir
sehen also, dass die Schlamm-Frage entschieden noch verbesserungsfi&hig
und — wie die chemische — auch noch verbesserungsbedürftig ist.
„Nach diesen Darlegungen und Ergebnissen des heutigen Standes der
künstlichen Abwasserreinigung glaube ich, in Uebereinstimmnng mit meinem
Mitreferenten, berechtigt zu sein, in der 5. These auszusprechen: dass dort,
wo nicht berieselt werden kann, das combinirte Verfahren ,der che¬
mischen Fällung, der Abklärung und Filtration 1 zur Anwendung zu kommen
habe.
„In der letzten Zeit hat noch eine Anlage, deren System auf Tafel VIII
schematisch klargelegt ist, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen,
vorsonderlich durch den unliebsamen Streit, der über die Entwässerung der
Stadt Ehrenfeld hei Cöln in den Blättern geführt wurde. Hierbei ist
nämlich ausgesprochen worden, dass man das Jauchenwasser derart zu be¬
handeln vermöge, dass das gereinigte Wasser beinahe dem Trink wasser gleiche.
Das war hygienisch wohl etwas zu weit gegangen; denn wenn das gewonnene
Wasser auch sehr schön klar aussieht, wird man doch nach dessen Ursprung
und Kreislauf wissen, dass wir mit den heutigen Hülfsmitteln der Chemie
die gelösten organischen Substanzen nicht vollständig ausfällen können.
Im Interesse des Fortschrittes auf dem Gebiete der Reinigung städtischer
Schmutzwä8ser habe ich es mir daher angelegen sein lassen, auch dieses
System kennen zu lernen und durch Erläuterung desselben in dieser Ver¬
sammlung möglichste Klarheit darüber zu verbreiten.
„Zunächst muss hervorgehoben werden, dass die Anlage, welche ich
selbst eingehend zu besichtigen Gelegenheit hatte, der Berliner Maschinen-
bau-Actien ge Seilschaft, vormals L. Schwartzkopff, durchaus eigen
und keineswegs das ,LiernurSystem* ist, wie es in der Literatur irrthümlich
angenommen wird; sie schliesst sich folgerichtig an die erörterten künst¬
lichen Systeme an, allerdings mit dem Unterschiede, dass principiell die
getrennte Canalisation vorausgesetzt, also nur die Closet- und Pissoir¬
abgänge, sowie die Küchen- und Hausabwässer gereinigt werden sollen. —
Nach den Mittheilungen, die mir daselbst geworden sind, hat man vorläufig
das Hauptaugenmerk bloss auf die Closet- und Pissoirabgänge gerichtet
und desswegen den praktischen Versuch auf der eigenen Maschinenbauans^alt
für 1200 Arbeiter ausgeführt, weil, wenn deren Reinigung in der gehörigen
Weise gelingt, dies um so mehr mit den verdünnten Küchen- und Haus¬
abwässern wird geschehen können.
„Zur allgemeinen Orientirung ist vorweg zu bemerken, dass das Heran¬
holen der Fäcaljauche aus den Abortsenkgruben nach den Reinigungsappa¬
raten durch pneumatische Ansaugung in eisernen Rohrsträngen, also nach
L i e r n u r ’ s Verfahren, geschieht und eigentliche Sch mutz wassercanäle nicht
angelegt werden. Der Heberkessel von Röckner-Rothe wirkt auch
pneumatisch, aber er lässt die Schmutzwässer durch die Canalisation bis
zur Reinigungsstelle zufliessen und saugt sie erst dann hoch; da liegt eben
ein principieller Unterschied in der Art des Transportes der Jauche. Die
chemischen Zuschläge sind sowohl ihrer Quantität als ihrer Qualität nach
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93
Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer.
von Professor Dr. Petri ermittelt und angegeben worden. — Die Methode
der Reinigung und die ganze maschinelle Anordnung ist aber lediglich
von der Firma selbst erdacht, durchgebildet und ausgeführt.
„Die technischen Einrichtungen, sowie der Verlauf und die Art
der Reinigung gehen aus den folgenden Erläuterungen hervor: Die
Abgänge und Schmutzwässer gelangen aus den Closet- und Küchen¬
leitungen in eiserne Cisternen oder Senkgruben, welche durch Rohrstränge
in directer Verbindung mit einem als Erapfangsreservoir bezeichneten
horizontalen Kessel stehen, der, luftleer gemacht, die Jauche ansaugt. —
Der Querschnitt der Rohre wird hier nach den Zeitintervallen des Ansaugens
und nach der Jauchenmenge zu bemessen sein, also immer verhältnissmässig
klein ausfallen, was den Gefälle-Canälen gegenüber in vieler Beziehung be-
achtenswerth ist. Während man also mit dieser Anlage die Closet-, Pis¬
soir- und Küchenabwässer wegsaugt, müssen die Hof- und Strassenschmutz-
wässer und das Regenwasser durch eine besondere Canalisation abgeführt
werden.
„Zum Zwecke des Ansaugens ist der Kessel mit einer Luftpumpe
verbunden, so dass nach Oeffnung des Hahnes der bezüglichen Rohrleitung
der Kessel in kurzer Zeit luftleer gemacht ist. Dann wird der sogenannte
Fäcalabsperrhahn geöffnet und hierdurch die Jauche aus den Senkgruben
sofort angesogen, bis der Kessel gefüllt ist, was an einem angebrachten
Standrohr ersichtlich. Nach Verschluss der Hähne erfolgt durch das im Kessel
befindliche Rührwerk ein tüchtiges Durcheinanderarbeiten der Jauche zu
einer möglichst gleichmässigen Masse, welche, mittelst eines Schiebers aus
dem Kessel in das Abflussrohr geleitet, einen eingeschalteten ,Zerreisser‘
passiren muss, wo die noch gröberen Theile und namentlich das Papier ge¬
hörig zerkleinert werden. — Es wird also hier keine Rücksicht darauf ge¬
nommen, die schwimmenden und schwebenden Stoffe vorher zu entfernen,
sondern es gelangt alles, wie es in der Ci st er ne ist, mit in den Kessel. — Der
Ausfluss der breiartig durchgerührten Jauche erfolgt unter verschiedenem
Drucke, je nachdem der Kessel voll oder weniger voll ist. Damit nun in
Folge dessen die Quantität der mit verschiedener Geschwindigkeit aus-
strömenden Jauche mit der Quantität der Chemikalien im Einklänge steht,
sind hier beiderseits Schwinghähne angeordnet, wodurch die Quantitäten
einander zugemessen werden, indem jeder Schwinghahn jedes Mal nur eine
bestimmte Menge ausströmen lässt. — Da die Fäcaljauche im Wesentlichen
gleiche Beschaffenheit hat, braucht auf eine wechselnde Qualität keine Rück¬
sicht genommen zu werden, was jedoch beim Einleiten der Küchen ab Wässer
erforderlich sein wird. — Die dermaassen gemessene Jauche durebfliesst nun
der Reihe nach die vier kleinen, vertical stehenden Chemikalienrührwerke,
denen gleichfalls durch Schwinghähne die aus den darüberstehenden Kästen
zufliessenden Chemikalien gesondert zugesetzt werden, wodurch die Jauche
zunächst mit dem Kalk und dann allroälig übersteigend mit den anderen
Chemikalien ordnungsmässig vermengt wird. — Nach den Veröffentlichungen
über die Versuche von Dr. Petri in Marienfelde mit Berliner Riesel¬
jauche scheinen im Wesentlichen Kalk, Magnesiumsulfat und Phosphate ver¬
wandt zu werden. — Während die Jauche bislang stets in verschlossenen
Röhren und Gefössen sich bewegte — was hygienisch hervorgehoben wer-
/
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94 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
den muss! — gelangt jetzt die mit Chemikalien vermischte und desinficirte
Jauche aus den Rührwerken in eine offene Rinne. Dieselbe ist offen, damit
man etwaige Störungen gleich sehen kann, und weil der weitere Verschluss
auch nicht mehr erforderlich ist, da das Gemenge keinen irgendwie belästi¬
genden Geruch hat. In dieser offenen Rinne sind drei einfache Schieber
angebracht, und unter denselben befinden sich drei Klärkästen, welche so
bemessen sind, dass jeder von ihnen Vio der ganzen Tages production auf¬
nehmen kann. Es wird nun abwechselnd ein Kasten nach dem anderen
gefüllt. Darin setzt sich der Schlamm langsam nieder, und das Wasser
klärt sich in der gewöhnlichen Weise ,in Ruhe* ab, wozu nach den dortigen
Erfahrungen ungefähr eine Stunde erforderlich ist. In den Klärkästen sind
über einander einige Ablasshähne angebracht, so dass das Wasser von oben
schichtenweise seiner Reinheit entsprechend abgelassen werden kann. Das
Ablassen muss schon der Controle wegen mit der Hand geschehen und das
kann der Wärter auch leicht besorgen. Das abgelassene Wasser fliesst
dann hier auf einen Torffilter, der mit einem Lattenwerk versehen ist und
dessen Grösse ausprobirt werden muss, wenn die Filtration ihren Zweck
wirklich erfüllen soll. Diesen Torffilter passirend fliesst hier thatsächlich
ein ganz geruchloses, ebenso vollkommen klares Wasser ab, das dem Aus¬
sehen nach vom Leitungstrinkwasser nicht zu unterscheiden ist.
„Das gereinigte Abwasser hat also nicht mehr den gelblichen Stich,
wie bei den vorhin besprochenen Systemen und desswegen erwähnte ich,
dass dieselben durch einen eingeschalteten Torffilter, welcher die im Wasser
noch vorhandenen Eiweissstoffe ausziehen soll, vielleicht wesentlich ver¬
bessert werden könnten. — Auf diese Weise ist also aus den Closetabgängen
das Wasser, welches im Harn und in den Fäcalien enthalten war, ganz
klar wieder gewonnen; um so mehr muss es nach meiner Ansicht möglich
sein, wenn dieselben durch die Kücbenabwässer und die häuslichen Schmutz¬
wässer noch sehr verdünnt werden.
„Der in den Klärkästen verbliebene Schlamm wird durch einen Hahn
in ein weiteres Gefass abgelassen, das für die erwähnten 1200 Per¬
sonen etwa 1 cbm gross ist, und den Namen ,Nachtkasten* führt; in
diesem bleibt der Schlamm von der ganzen Tagesproduction die Nacht
über stehen und hat hier Gelegenheit, sich vollständig niederzuschlagen
und consistenter abzusetzen, also noch einen Theil des Wassers abzu¬
klären. Dieses abgeklärte Wässer wird jeden Morgen in derselben Weise wie
aus den Klärkästen auf den Torffilter geleitet, während der Schlamm in
den darunter stehenden Schlammkasten abfliesst. Dieser Schlamm, der
zwar schon ziemlich consistent ist, aber immerhin, wie der aus den Röck-
ner-Rothe’schen oder Müller-Nahnsen’scben Brunnen gewonnene, un¬
gefähr 85 bis 90 Proc. Wassergehalt besitzt, muss natürlich noch weiter
abgetrocknet werden. — Zu diesem Zwecke wird er nochmals pneumatisch
in einen höherstehenden Behälter gehoben, damit man wieder einen abstei¬
genden Weg gewinnt, und aus diesem dann in die darunter befindlichen
Trocken-Kippkästen eingelassen. Diese flachen Trockenkästen haben einen
durchlöcherten oder aus Gitterwerk hergestellten Boden und sind mit Seih¬
oder Filtertüchern ausgelegt; darunter ist eine Platte schrägliegend gegen
eine Rinne angebracht, so dass das absickernde Wasser über die Platte und
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 95
durch die Rinne wieder auf den Torffilter geleitet wird. — In den Trocken¬
kästen verbleibt der Schlamm ungefähr 24 Stunden, bis er durch den Wasser¬
verlust zu einer lehmartigen Masse geworden, worauf die Kästen um ihre
Achse gekippt und entleert werden. Diese Schlammmasse, welche vollstän¬
dig geruchfrei ist, wird nun mit dem Torffiltermaterial zusammengemengt,
also damit eine Art Compost gebildet, dann von Hand zu ziegelähnlichen
Platten ausgeformt, und an der Luft einfach trocknen gelassen; wenigstens
hat man z. Z. keine besondere Vowrich tun gen dazu.
„Dass dieser Schlamm, der jetzt bloss aus Closetabgängen und später
auch aus den Küchenabwässern gewonnen wird, natürlicher Weise einen viel
bedeutenderen Dnngwerth haben muss, als bei der summarischen Canalisation,
wo aller Strassen- und Qofschmutz mit hineinkommt, ist ja selbstverständlich!
Chemische und bacterioskopische Untersuchungen sind aber meines Wissens
von unbetheiligter Seite noch nicht angestellt worden, so dass verlässliche
Angaben, sowohl über die Reinheit des Wassers, als auch in Bezug auf den
Dungwerth des Schlammes, heute nicht gemacht werden können. — Nach
meinen Wahrnehmungen ist das gereinigte Abwasser ganz geruchlos und
wirklich wasserhell, also klarer als bei den übrigen Systemen, und der
Schlamm sowie die Compostmasse vollständig geruchfrei.
„Aus dem Gesagten dürfte klar geworden sein, dass man über das
,System Schwartzkopff 1 in seiner ganzen Anordnung nicht so ohne
Weiteres zur Tagesordnung übergehen kann, wie das bislang zum Theil
geschehen ist, weil Niemand dessen Grundidee und technische Durchbil¬
dung kannte. Die Anlage hat entschieden etwas für sich und entspricht
den im Eingänge meines Vortrages aufgestellten Bedingungen, welche von
einem rationell durchgebildeten künstlichen Reinigungsverfahren erfüllt
werden müssen; denn wir haben auch hier nichts anderes, als ,eine che¬
mische Fällung, eine Abklärung undFiltration 1 kennen gelernt.
Der Vorsitzende eröffnet nunmehr die Generaldiscussion und
ertheilt das Wort zunächst Herrn
Sanität8rath Dr. Hfillmann (Halle a. d. S.). Derselbe legt im
Ansohlass an die Mittheilungen des Herrn Correferenten über das Müller-
Nahnsen’sche System Proben derProducte der seit Anfang September d. J.
nach diesem System betriebenen Reinigungsanstalt in Halle vor, und zwar
eine Probe des ungereinigten und eine des gereinigten Canalwassers und
Stücke der Kuchen aus der Filterpresse. Nach der von dem Chemiker
Herrn Dr. Drenkmann vorgenommenen Analyse, die bei dem kurzen
Bestehen der ganzen Anlage zunächst nur als eine provisorische anzusehen
sei, ergebe sich, dass in 100 g Schlamm 0*55 g Stickstoff und 1*49 g Phos¬
phorsäure, in dem ungereinigten Wasser 0*13 g Stickstoff per Liter, im
gereinigten etwa halb so viel enthalten sei. Das Abflusswasser sehe klar
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96 X11L Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
aus, sei frei von suspendirten Stoffen und von Phosphorsfture und reagire
alkalisch, dürfe somit als desinficirt zu betrachten sein. — Ueber weitere
Erfahrungen mit dem Reinigungsverfahren lasse sich zur Zeit noch nicht
viel mittheilen; von den Anwohnern der Anstalt werde über Gestank ge¬
klagt, welcher durch das Aufrühren der Schlammmassen und das Hinein¬
führen in die Klärbecken hervorgebracht werde; auch habe das ganz klar
abfliessende Wasser einen stechenden Geruch, nach Urin oder verdünntem
Menschenkoth. — Die Anlage in Halle sei für ein Achtel bis ein Zehntel
der Bewohner der Stadt gemacht, für die ganze Stadt würden noch 4 bis
5 solcher Anstalten erforderlich sein. Der Bau der jetzigen Anstalt habe
30Ö00 Mark betragen, über die Höhe der Betriebskosten lasse sich zur
Zeit natürlich noch gar nichts sagen.
Docent Dr. Hueppe (Wiesbaden) entnimmt den Mittheilungen des
Herrn Referenten, dass man erfreulicher Weise über die Berieselungsfrage
insofern etwas kühler zu denken anfange, als man zugebe, dass in Deutsch¬
land, besonders im Süden und Westen desselben, zahlreiche Städte bestehen, bei
denen eine Rieselanlage von vornherein ausgeschlossen sei und an die dess-
halb die Frage nach Kläranlagen herantrete. Zu diesen Städten gehöre
auch Wiesbaden, wo, wie erwähnt, der von der Regierung verlangten Klär¬
beckenanlage die aufsteigende Filtration nach dem Röckner-Rothe’sehen
System zugefügt worden sei. Die Wiesbadener Anlage unterscheide sich
von der Frankfurter Klärbeckenanlage wesentlich dadurch, dass dort die
mechanisch geklärten Wasser einem grossen Flusse zugeführt werden, der
das noch Fehlende durch „Selbstreinigung tt zu Ende führen könne, wäh¬
rend in Wiesbaden die Abflusswässer der Kläranlagen in einen kleinen
Bach gelangen, der nicht im Stande sei, durch „Selbstreinigung“ etwas
Nennenswerthes zu leisten. Hier müsse desshalb versucht werden, durch
chemische Zusätze neben der mechanischen Reinigung noch etwas mehr zu
erreichen, nämlich durch die Lebensthätigkeit von Mikroorganismen die
organischen Substanzen, wie dies die Flüsse oder bei Rieselanlagen der
Erdboden thue, in ihre Endresultate überzuführen, sie zu „mineralisiren“.
Der Aetzkalk, die Grundlage aller chemischen Methoden, aller Patente und
Geheimmittel, bewirke neben der Klärung eine entschiedene Verminderung
der Bacterien und damit zunächst eine günstige chemische Beeinflussung.
Sehr bald aber ändere sich das Bild, es beginne eine Zersetzung unter
rascher Vermehrung der Bacterien. Anders sei dies mit der Magnesia, die
gleichfalls mechanisch klärend, daneben aber auch antiseptisch, zersetzungs¬
hemmend wirke, wodurch die mit Magnesia geklärten Wasserproben lange
Zeit nicht in Zersetzung übergehen. So sei man also wohl im Stande, durch
die Anwendung von Magnesia statt von Kalk die Zersetzung der geklärten
Abwässer in einem kleinen Bach, der, wie dies bei Wiesbaden der Fall sei,
bald in den Rhein münde, so lange aufzuhalten, bis das Wasser dem grossen
Fluss zugeleitet sei, der nun durch Selbstreinigung das Weitere besorge.
Kalk und Magnesia habe er nur als Beispiele verschiedener Wirkung er¬
wähnt, nicht etwa als die einzig brauchbaren Klärmittel, die je nach der
Art der Abwässer ja ganz verschieden sein müssten. Jedenfalls aber sei
die Forderung eine berechtigte, dass inan neben der schon so hoch ent-
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 97
wickelten mechanischen Seite auch die chemische Seite der Klärfrage unter
Berücksichtigung der allgemeinen hygienischen Gesichtspunkte studire und
in Betracht ziehe. Der entscheidende Anhaltspunkt, der allein auf die
Dauer befriedigende Zustände erwarten lasse, bleibe aber auch für die
Kläranlagen, wie für die meisten hygienischen Einrichtungen, die sorgfältige
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse.
Stadtrath Marggraff (Berlin) wendet sich gegen die Angabe des
Herrn Prof. Arnold, dass die Kosten bei den mechanischen, resp. chemi¬
schen Reinigungsmethoden sich pro Kopf und Jahr auf 1 Mark beziffern,
während diejenigen für die Rieselfelder 1*20 Mark betragen. Solche Be¬
rechnungen seien sehr schwierig, da vor Allem erforderlich sei, dass die
beiden Vergleichsobjecte vollständig gleichgestellt seien, dass also, wie für
die mechanische und chemische Klärung die Canalisation einer Stadt mit
ihren Röhren und maschinellen Einrichtungen gänzlich ausscheide, auf
der anderen Seite auch nur die Rieselfelder, als Object der Reinigung, und
natürlich das Capital der Landerwerbung, Aptirung etc., in Betracht kom¬
men. Danach nun stelle sich die Sache für Berlin, was die Rieselfelder
anbetreffe, yorausgesetzt, dass dieselben gar nichts einbringen, pro Kopf
und Jahr auf 60 Pfg., also um 40 Pfg. geringer als bei der künstlichen
Reinigung. Dazu komme aber noch Manches, was den Vergleich für die
Rieselfelder noch günstiger mache: Bei den Berechnungen über die Klär¬
anlagen sei die Fortschaffung des Schlammes noch ganz ausser Rechnung
gelassen and es sei einer Zukunftsrechnung Vorbehalten, was etwa der
Werth des Schlammes ergebe. Vorläufig seien die Resultate überall so
gewesen, dass der Schlamm nicht nur keinen Werth ergeben habe, sondern
eigentlich die Hauptschwierigkeit für alle Reinigungsmethoden gewesen
sei, weil er die colossalsten Kosten und Umstände verursacht habe, wäh¬
rend, weun jetzt bei den Rieselfeldern gar keine Einnahmen gerechnet wür¬
den, in Zukunft wohl viel eher die dort gewonnenen Producte einen Werth
repräsentiren würden. Factisch sei in den letzten Jahren die Sache schon
so gewesen, dass ein kleiner Ueberschuss von 30-, 40-, 50 000 Mark, die
von diesen 60 Pfg. pro Kopf abgehen würden, erzielt worden sei. Endlich
komme ein dritter Factor hinzu, der für das Reinigungsverfahren sehr un¬
günstig and für die Rieselfelder, wo sie anwendbar seien, günstig spreche.
In der Berechnung von 1 Mark, resp. 60 Pfg., seien die Zinsen für die
Werthe enthalten, die dort geschaffen seien. In dem einen Falle seien Werthe
geschaffen in Mauern, Bassins, maschinellen Einrichtungen; auf der ande¬
ren Seite seien Werthe geschaffen in Landerwerb und Grundbesitz. Mathe¬
matisch genau werden nach einer Reihe von Jahren dieses Mauerwerk,
diese maschinellen Einrichtungen, grossartige Reparaturen erfordern, sie
werden nach längerer Zeit werthlos sein, und es würde sogar sehr bedeu¬
tende Kosteu erfordern, um sie wieder fortzuschaffen, und sollten neue
Methoden erfunden werden, so würde die Zeit vielleicht sehr bald kommen,
wo die ganzen angewandten Capitalien nutzlos geworden seien, während in
den Rieselfeldern, falls neue Methoden erfunden werden oder falls auch
keine erfunden werden, jedenfalls ein Werthobject den Gemeinden erhalten
sei, dass nicht nur nach einer Reihe von Jahren den heutigen Werth reprä-
Viertelj&hrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. 7
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98 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. üsndhpflg. zu Breslau.
sentire, sondern einen bedeutend grösseren. Desshalb sei es nöthig, wenn
man solche Vergleiche ziehe, erstens ganz richtige Zahlen zu Grunde zu
legen und zweitens alle Factoren zu berücksichtigen, die zum Vergleich
dienen können.
Correferent Professor Arnold bemerk^ hierzu, dass er gar nicht be¬
absichtigt habe, einen Vergleich zwischen den Kosten der verschiedenen
Reinigungsmethoden zu ziehen. Er habe die von Herrn Stadtbaumeister
Wiebe berechneten Kosten nur mitgetheilt, damit man nicht*von den un¬
erschwinglichen Kosten für den Betrieb solcher maschinellen Anlagen spreche
und dabei habe er nur erwähnt, dass nach Angabe des Herrn Stadtbaurath
Kau mann sich die Kosten der Berieselung in Breslau, wie angegeben,
stellen.
Dr. Lissaner (Danzig) stimmt den von den Referenten aufgestellten
Thesen im Allgemeinen vollständig zu, gestützt auf eine 14jährige Erfah¬
rung, die man mit Canalisation und Berieselung in Danzig gewonnen habe,
wo man glücklich über den Besitz dieser Anlagen und stolz darauf sei, den
anderen deutschen Städten mit gutem Beispiel vorangegangen zu sein.
Die Rieselfelder habe man anfangs nur als eine Versuchsstation angesehen,
weil weder die theoretischen noch die praktischen Landwirthe Erfahrungen
über die Behandlung solcher Anlagen besessen haben; nunmehr aber habe
sich eine bestimmte Praxis der Behandlung herausgebildet, die wohl auch
für die Zukunft als Norm bleiben dürfte. Es seien nämlich von den 560
Morgen in Betrieb befindlichen Riesellandes 400 Morgen Wiesenland an Ein¬
wohner der benachbarten Dörfer Weichsel münde und Heubude in Pacht
gegeben. Diese Leute seien früher die heftigsten Gegner der Farm ge¬
wesen, sie haben der Canalisation durch Einwendungen und Verdächtigun¬
gen aller Art die grössten Schwierigkeiten bereitet und jetzt seien sie die
grössten Freunde der Anlage, sie bitten förmlich um Ueberlassung dieser
Wiesen und es sei eine Freude zu sehen, wie sowohl der Wohlstand in die¬
sen armen Dörfern sich gehoben und die Gesundheitsverhältnisse in ihnen
sich gebessert haben. — Ausser zu Wiesencultur seien 60 Morgen der
gärtnerischen Cultur übergeben und diese seien an Handelsgärtner von Fach
verpachtet, die theils Gemüse für die Stadt bauen, theils Blumen, welche
als Strohblumen vielfach nach Paris und Amerika verschickt werden und
einen wichtigen Handelsartikel für Heubude bilden. Von diesen Leuten
werde stets mehr Land zur gärtnerischen Cultur verlangt, was aber die
städtische Verwaltung in richtiger Erkenntniss, dass der Wiesenbau als
die für städtische RieselanlAgen zweckmässigste Cultur gefördert werden
müsse, abgelehnt habe. — Die verbleibenden 100 Morgen habe die Verwal¬
tung in eigene Regie genommen und gleichsam als Versuchsstation behan¬
delt und baue hier abwechselnd Getreide, Rüben, Tabak etc. Hier bringe
der Boden, der vor der Berieselung ein Pachterträgniss von 0*75 Mark per
Morgen ergeben habe, nunmehr 4*50 Mark jährlich.
Was nun die übrigen Verhältnisse der Rieselanlagen betreffe, so seien
alle Besorgnisse, die man früher wohl gehegt habe, verschwunden. Das
Abwasser der Rieselfelder sei zu wiederholten Malen von dem Chemiker
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 99
Herrn 0. Helm untersucht, zuletzt im Jahre 1883, und so rein befunden,
dass man es ohne Bedenken in die Weichsel fliessen lassen könne. Es ent¬
halte nur noch Spuren von organisch gebundenem Stickstoff, nur Spuren
von Phosphorsäure, wenig Ammoniak, dagegen viel Chlor, Kali und Salpeter¬
säure. Während in den ersten Jahren das Abflusswasser sehr viel Ammo¬
niak und sehr wenig Salpetersäure enthalten habe, sei es jetzt umgekehrt.
Das sei ein Beweis dafür, dass sich die Verhältnisse in dem reinen Sand¬
boden durch die Berieselung günstig geändert haben. Wenn man das
Wasser längere Zeit in einem verschlossenen Gefässe stehen lasse, so gehe
es nicht in Fäulniss über, sondern bleibe geruchlos.
Was nun ferner die Gesundheitsverhältnisse der Bewohner der beiden
an die Rieselfarm angrenzenden Ortschaften betreffe, über die ja auch so
viel Verdächtigungen ausgesprengt worden seien, so sei auch hierüber nach
den amtlichen Listen *) nur Günstiges zu berichten. In Weichselmünde, wo
die Sterblichkeit früher im Durchschnitt 3 a 06 betragen habe, sei sie in den
letzten 11 Jahren 3*05 gewesen; in Heubude aber, wo die Sterblichkeit
früher 4*89 betragen habe, sei sie jetzt im Durchschnitt der letzten elf
Jahre auf 3*52 gesunken, Dies sei wohl nicht auf die Anlage der Riesel¬
farm zu schieben, sondern darauf, dass gerade die Bewohner von Heubude
durch die Beschäftigung auf den Rieselanlagen sehr viel Geld verdienen
und die Mädchen und Frauen dort den ganzen Tag auf den Feldern beim
Wiesenbau oder in der gärtnerischen Cultur arbeiten.
Was endlich den Punkt betreffe, der die Hygiene besonders interessire,
das Bedenken, es könne im Winter nicht berieselt werden, so sei diese Be-
sorgniss vollständig geschwunden nach den Erfahrungen von 14 zum Theil
sehr kalten Wintern. Selbst im letzten Winter, in welchem anhaltend sehr
hohe Kälte geherrscht habe, so zwischen dem 23. Febr. und 4. März 2 ) an¬
haltend zwischen — 5° und — 20° R., sei das Canalwasser mit einer Tem-
*) Die folgenden Zahlen sind aus den amtlichen Zählungslisten des Standesamtes be¬
rechnet :
Mortalitätsziffer:
B
Durchschnitt
der 11 Jahre
Weichselmünde .
3-64
2*96
2*32
2*45
3*08
3*70
2*74
3*76
2*86
2*80
3*23
3*05
Heubude ....
4*53
3*97
2*93
3*69
3*76
4*43
2*59
3*40
3*88
2*65
2*95
S*52
Ueber die Mortalität vor dem Jahre 1875 siehe diese Vierteljahrsschrift für ötfentliche
Gesundheitspflege 1875, S. 738 und folgende.
2 ) Ich gebe hier die Temperatur dieser Tage genauer:
1886
Temperatur
Februar
März
23.
24.
25.
26.
27.
28.
1.
2. |
3.
4.
der Luft.
des Canalwassers . . .
— 6
+ 65
o t-
T+
— 12
+ 7
— 12
+ 7
— 14
+ 7
o t-
T+
+ 11*5
— 7
— 20
+ 5
— 7-5
+ 6
— 5
+ 7
7*
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100 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
peratur von 5° bis -|-7 0 R. im Hauptcanal angekommen und sei ohne
Hinderniss auf die Fläche geflossen. Eine früher hergestellte Ausmündung
des Zuführungscanals direct in die Ostsee, durch die Düne hindurch angelegt,
um für den Fall, dass es nicht möglich wäre, im Winter zu rieseln, das Canal¬
wasser sicher los zu werden, sei jetzt vollständig geschlossen, weil davon
nie Gebrauch gemacht worden sei, ausser im ersten Jahre auf einige Wochen,
wo die Anlage überhaupt noch nicht aptirt gewesen sei. Seit der Zeit aber
sei trotz der grössten Kälte davon niemals Gebrauch gemacht worden.
So bestätige also die Danziger Erfahrung, welche nun 14 Jahre alt
sei, vollständig, was die Herren Referenten ausgesprochen haben, und zeige
besonders, dass die Berieselung von Feld- und Wiesenflächen als die vor¬
züglichste und, wo es irgend angehe, einzig richtige Methode der Reinigung
der städtischen Abwässer zu betrachten sei, während die anderen Methoden
nur als Nothbehelf anzusehen seien.
Oberbürgermeister Becker (Köln): Das vollkommene und klare
Bild, das der Herr Correferent über die in einzelnen Orten mit den ver¬
schiedenen Systemen der Abwässerreinigung gemachten Erfahrungen gegeben
habe und andererseits die Mittheilungen über Rieselanlagen, haben doch
gezeigt, dass bei allen Reinigungsverfahren, namentlich allerdings bei den
Systemen der künstlichen Klärung, die Sache trotz herrlicher Principien
und trotz mancherlei Vorzüge noch ihr grosses „Aber“ habe. Wie die
Berieselung, selbst in Berlin, noch zahlreiche Gegner habe, so seien auch
über die verschiedenen Klärmethoden, für deren Mehrzahl heutzutage noch
jede praktische Erfahrung fehle, die Ansichten noch sehr getheilt. Ausser¬
dem sei bei den künstlichen Klärmethoden die Fortschaffung des Schlammes,
dessen etwaiger Werth noch ein ganz unbekannter sei, und dessen Ver-
werthung aller Orten die grössten Schwierigkeiten biete, eine zur Zeit
noch gänzlich ungelöste Frage. Kurz, man befinde sich noch vollständig
auf dem Gebiete des Versuches, eines noch in keiner Weise bewährten Ver¬
suches; selbst in England, wo schon seit einer grossen Reihe von Jahren
die verschiedensten Versnche gemacht werden, seien die Erfahrungen noch
keineswegs abgeschlossen, überall experimentire man und noch keines der
zahlreichen Systeme habe sich dauernd als richtig und empfehlenswerth
erwiesen. Hierzu komme, dass, welches System der Abwässerreinigung man
auch wähle, dies in der ersten Anlage und der Durchführung Kosten erfor¬
dere, die ganz unverhältnissmässig das übersteigen, was alle Städte mittlerer
Grösse sonst für die grössten communalen Anlagen auf anderen Gebieten
aufzuwenden gewohnt seien und aufwenden können. Zur Zeit liege die
Sache also so: auf der einen Seite noch nicht abgeschlossene Erfahrungen,
auf der anderen Seite ungewöhnlich hohe Kosten, die, wie Herr Marggraff
richtig betont habe, bei den künstlichen Klärsystemen weit bedenklicher
seien, als bei Rieselfeldern, bei denen ein in der Nähe aufblühender Städte
an Werth stets steigender Grund und Boden bleibe, das Capital also jeden¬
falls gut angelegt sei, während nicht die geringste Bürgschaft dafür bestehe,
dass nicht alle diese Eintagsfliegen von Systemen zur künstlichen Klärung
vielleicht sehr bald zu den überlebten, veralteten Einrichtungen gehören
und die ganzen Anlagekosten einfach weggeworfen seien.
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Ueber ßeinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 101
Für den praktischen Yerwaltungsbeamten erwachse hieraus die Ver¬
pflichtung, mit der grössten Vorsicht vorzugehen, nicht zu sagen, wie es
die These 3 Vorschläge, es müsse in der Regel geklärt werden, sondern
zu sagen, bei dem jetzigen Standpunkte der Technik, bei den grossen Geld¬
mitteln, die jedes System erfordere, solle man die Sache von Fall zu Fall
behandeln und zur Zeit eine Klärung nur in denjenigen Fällen verlangen,
in denen sie durch die örtlichen Verhältnisse geboten sei. Wenn eine Stadt
in der glücklichen Lage sei, an einem grossen Flusse zu liegen, wenn die
Einwohnerzahl der Stadt im Verhältniss zur Wasser menge und Geschwin¬
digkeit des Flusses keine Bedenken errege, wenn bisher nicht die gering¬
sten Schwierigkeiten Vorgelegen haben, warum solle man jetzt mit einem
Male diese Stadt bei dem gegenwärtigen Stande der Technik zwingen, irgend
eine Klärvorrichtung anzulegen? Diese Forderung müsse auf die Fälle be¬
schränkt werden, wo entweder nachweisbare gesundheitliche Mängel sich
herausgestellt haben oder sonst erhebliche Missstände vorliegen, ln solcher
Zwangslage allein könne man es rechtfertigen, wenn eine Stadt zu Ver¬
suchen übergehe, die noch nicht in ihrer Erfahrung abgeschlossen seien;
dann müsse sie eben zu einem der jetzt bekannten, wenn auch unvollkom¬
menen und noch nicht bewährten Systeme greifen, um grössere vorhandene
Missstände zu beseitigen. Aber in den vielen Fällen, wo die Sache jetzt
nicht so ungünstig liege, da solle man zuvor mit wachsamem Auge die Vor¬
gänge in der Wissenschaft und Technik auf diesem Gebiete und die Erfah¬
rungen, die in anderen Städten gemacht werden, verfolgen, aber nicht schou
ein generellesPrincip aufstellen und sagen, es müsse in der Regel geklärt
oder gereinigt werden. So handle man auch im Interesse der Bestrebungen
dieses Vereines. Die grossen Geldmittel, die ohne zwingenden Grund in die
Klärbassins gesteckt werden, gehen für andere sanitäre Zwecke verloren,
und man habe in verschiedenen Städten viel dringendere sanitäre Aufgaben
zu lösen, die alle dann hinter diese Frage zurücktreten müssen.
Ein anderer Punkt noch sei der: Die Städte müssen doch vor Allem
die Schmutzwässer und Fäcalien aus ihrem Gebiete schnell los werden; das
sei doch das erste Erforderniss! Wenn die Städte aber zugleich auch ge¬
zwungen werden sollen, diese Abwässer zu klären, dann koste es das doppelte
Geld, und das schwierige sei gerade das Klären, das weniger schwierige
das Fortschaffen. Wenn man Beides verlange, hindere man die meisten
Städte, überhaupt etwas zu thun. Man hindere also durch diese For¬
derung gerade das, was man erreichen wolle, nämlich eine Besserung der
sanitären Verhältnisse, man verhindere, das Erprobte, oft mit geringeren
Mitteln Erreichbare einzuführen, zu Gunsten einer zweiten Aufgabe, deren
praktische Lösung noch in keiner Weise durch eine langjährige Erfahrung
sicher gestellt sei.
Aus diesen Gesichtspunkten habe er nach zwei Richtungen Bedenken
gegen die von den Herren Referenten vorgeschlagenen Resolutionen, zu¬
nächst gegen die Resolution 5, wo gleich apodictisch gesagt werde, dass,
wenn künstliche Klärung eintrete, dies durch chemische Fällung, Abklärung
und Filtration geschehen müsse. Diese Resolution gehe viel zu sehr ins
Einzelne, er halte die ganze Resolution 5 bei dem jetzigen Standpunkte
der Technik für unberechtigt, und glaube, man könne es dem Einzelnen
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102 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
überlassen, die Frage, wie geklärt werden solle, nach seinen örtlichen Ver¬
hältnissen und nach seinem Ermessen zu lösen; die nöthigen Erläuterungen
seien ja heute gegeben, die könne man sich auch aus Büchern u. s. w. ver¬
schaffen. Aber man sei heute sicherlich nicht in der Lage, für die Zukunft
Directiven zu geben, die durch neue Erfahrungen vielleicht schnell überholt
werden können.
Sodann entspreche die Fassung, dass die städtischen Abwässer „in
der Regel“ geklärt werden sollen, nicht dem, was er für die Praxis an¬
nehmbar halte. Im Gegentheil müsse man betonen, dass sich bei dem
jetzigen Standpunkte der Technik und bei den grossen Rosten die Behand¬
lung der Frage von Fall zu Fall und die Forderung der Klärung nur in
denjenigen Fällen empfiehlt, wo sich gesundheitliche oder praktische Miss-
stäüde heraussteilen.
Dr. Hulwa (Breslau) theilt mit, dass in Breslau auf »Grund von
chemischen und mikroskopischen Untersuchungen, welche seitens des Magi¬
strates dieser Stadt in den Jahren 1877 bis 1881 veranlasst worden seien,
um den Einfluss kennen zu lernen, den die Canalwasser Breslaus auf die
Oder ausüben, sich ein Abwasser-Reinigungsverfahren herausgebildet habe,
welches zwar noch in keiner Stadt im Grossen durchgeführt sei, wohl aber
bereits seit einigen Jahren in einer ganzen Anzahl von Industrien, so in
Zuckerfabriken, Brauereien, Färbereien, Krankenanstalten, in dauerndem
Betriebe zur Anwendung gekommen sei. Das Verfahren habe sich in allen
Fällen sehr zufriedenstellend bewährt und sowohl seitens der Verwaltungs¬
und Sanitätsbehörden, als auch bei den Interessenten volle Anerkennung
gefunden. Auf eine nähere Mittheilung über die Methode wolle er der
Kürze der Zeit halber verzichten und erlaube sich, eine solche gedruckt den
Mitgliedern zu vertheilen x ).
Oberingenieur Meyer (Hamburg) spricht als Techniker zunächst
Herrn Professor Arnold seine Anerkennung aus für seine ausgezeichnete
und belehrende Darstellung von dem jetzigen Stande der Klärungsmethoden.
Herr Stadtbaurath Kau mann, der durch seinen Vortrag den Verein so
trefflich über die Breslauer Rieselanlagen unterrichtet habe, habe nebenbei
einige Principien über die Anordnung der Schwemmcanäle ausgesprochen,
die er als Techniker nicht unwidersprochen lassen könne, so namentlich die
Bemerkung, dass die Miteinführung der Regenwasser in die Canäle deren
Querschnitte so vergrössere, dass hierdurch zu sehr grossen Ausgaben im
Betriebe Veranlassung gegeben werde, indem sich dann in trockenen Zeiten
der Schlamm anhäufe, Ratten hineingingen und dergleichen. Hier liege
doch wohl eine Verwechselung der grösseren Sammelcanäle des modernen
Sielsystemes mit den allerdings grundschlechten Canälen vor, wie sie fast
jede Stadt aus alten patriarchalischen Zeiten überliefert erhalte, von recht¬
eckigem, unreinem Querschnitte, von ganz schlechtem und hin- und her-
springendem Gefälle, willkürlich entstanden und ohne System und Flächen*
J ) Das Dr. Hui wa’ sehe Abwasser-Reinigungs-Verfahren. Breslau, Druck von
Gabsmann. 4. 8 S.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 103
berechnung ineiuandergefögt, wo sich das Alles so verhalte, wie Herr
K a u m a n n gesagt habe. Ein gut aufgestelltes Schwemmcanalisationsproject,
ein gutes Sielnetz, könne, wenn es so mächtig gemacht würde, dass es auch
das Regenwasser aufnehme, so ausgeführt werden, dass diese Bedenken des
Herrn Kau mann durchaus nicht zutreffen. Die Canalisation in Hamburg,
die schon an 300 km lang sei, sei allerdings nach etwas schwerfälligen Prin-
cipien angelegt, sie sei jetzt in Feinheit der Detailconstructionen überholt,
aber die geschilderten Missstände seien trotz der sehr grossen Querschnitte
keineswegs vorhanden, und Jeder, der sie einmal gesehen habe, werde
bezeugen, wie ausserordentlich rein und schön die Canäle seien und wie
sie mit wenig Menschen in Stand gehalten werden können, obgleich sie das
Regenwasser aufnehmen. Es gebe ja natürlich locale Verhältnisse, die zu
einem Fernhalten des Regenwassers führen können, wie z. B. in bergigen
Städten, oder in solchen, wie Kaiserslautern, wo das Quellwasser massenhaft
an die Oberfläche trete; doch das seien Ausuahmeverhältnisse. Wenn man
das Regen wasser ausscheide, scheide man damit eiuen grossen Theil des
Sch mutz wassers aus, denn das Regenwasser, wie es auf die Strassen der
Städte falle, werde in ganz beträchtlicher Masse zu Schmutzwasser, und da
komme wieder die Verunreinigung in die Stadt durch das oberflächlich ab-
fliegsende Regen wasser, während im Canal das Regenwasser die allergün-
stigste Wirkung schaffe. Selbstverständlich müsse man dafür sorgen, dass
Sturzregen durch Nothauslässe abgelassen werden. Eine Stadt, die dazu
keine Möglichkeit habe, solle lieber überhaupt gar keine Canalisation ein¬
führen. Wenn man aber sage, wie der geehrte College Kaumann, es
wäre besser, einen kleinen Querschnitt zu haben tfnd lieber einmal dabei
eine Heberschwemmung mit in den Kauf zu nehmen, so sei dies ein grosser
Fehler. Wer einmal das Unglück erlebt habe, dass die Fäcalien in die
Keller zurückstauen, der würde sagen, dass dies das Allerschlimmste sei,
was man den Städten anthun könne. Die Construction müsse derartig sein,
dass ein solcher Rückstau thunlichst vermieden würde und die Städte, die
ihre Siele zu klein gemacht haben, sollten sie jetzt noch vergrössern.
Im Uebrigen glaube er, dass man sehr wohl die Thesen, die hier vor¬
geschlagen seien, in ihrem ganzen Gedankengange annehmen könne, dass
man sich aber in Acht nehmen müsse, die Versuche, die jetzt von ver¬
schiedenen Seiten aus mit diesen Klärungen gemacht werden, schon als
wirklich geklärte Sachen in die Welt zu schicken. Die Versuche seien in
der That noch lange nicht abgeschlossen. Die treffliche Darstellung des
Herrn Correferenten habe immer die Frage offen gelassen: wo die Schlamm¬
massen bleiben. Jetzt bei der modernen Reinigung der städtischen Strassen,
wie sie z. B. in Hamburg und in Frankfurt nach Berliner Muster eingeführt
sei, bestehe schon die Schwierigkeit, wo den Kehricht lassen, denn die
Landleute holen ihn nicht ab, die Städte müssen ihn los sein, sie bezahlen
also Millionen jährlich, um ihn abzufahren. Trotzdem sie ihn umsonst auf
das Feld hinausbringen, nehmen die Landleute ihn nicht, weil sie ihn nur
zu einer bestimmten Jahreszeit brauchen können. Es müssen also bestimmte
Flächen als Stapelplatz für den Kehricht angewiesen werden und das sei
oft sehr schwer. Denn wo man damit hingehe, folge einem das drohende
Auge der Sanitätsbehörde; die Bewohner der anliegenden Stadttheile be-
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104 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
klagen sich; man sei verrathen und verkauft, man wisse nicht, wo man den
Schmutz hinthun solle. Dies sei aber noch weit schlimmer, wenn auch noch
die festen Stoffe eines städtischen Schwemmnetzes aufgestapelt werden
müssen und man werde dann sehr leicht dazu kommen, diese unleidlichen
Anhäufungen mittelst Wagenabfuhr wieder in den Fluss oder sonst wohin
wegzufahren oder man stelle daraus in Poudrette- oder anderen Fabriken
FormBteine her, wie dies vorhin in Bezug auf Halle als eine unschädliche
oder gar angenehme Decoration für die Umgebung bezeichnet worden sei,
während er nur constatiren könne, dass die vorhin herumgereichten Com-
postplatten aus Halle einen so Übeln, widerlichen Geruch verbreitet hätten,
dass man sie habe aus dem Saale schaffen müssen Das könne man doch
nicht für eine befriedigende Lösung der Frage ansehen und desshalb möge
die Versammlung sich doch ja in Acht nehmen, heute schon etwas vertreten
zu wollen, was noch nicht als vollständig klar gestellt bezeichnet werden
könne.
Begiernngs- und Stadtbaumeister Heuser (Aachen) glaubt, dass
erst nach einer Reihe von Jahren in Deutschland mit den verschiedenen
Reinigungsmethoden genügende Erfahrungen gesammelt sein würden, um
ein endgültiges Urtheil über dieselben zu ermöglichen. Aus diesem Grunde
habe er im vorigen Jahre im Aufträge der Stadt Aachen England bereist,
um die dortigen Anlagen zu besichtigen, die schon viel längere Zeit bestehen,
Rieselanlagen sowohl wie künstliche Klärungsverfahren. In letzterer Be¬
ziehung sei in England ausserordentlich viel experimentirt worden und die
Zahl von Patenten, welche auf Systeme und Chemikalien genommen worden
seien, betrage wohl 500 bis 600. Davon sei aber wenig übrig geblieben,
das meiste sei nach kürzerer oder längerer Zeit so zu sagen ins Wasser
gefallen. Man habe dann auch verschiedene Anlagen combinirt; man habe
häufig künstlich geklärt und das aus den Klärungsanlagen ablaufende Wasser
durch weitere Filtration durch Erde oder durch Filtration durch andere
Stoffe weiter gereinigt, man habe z. B. die chemische Klärung mit Riesel¬
anlagen verbunden und dergleichen. Eine Stadt, die das neuerdings aus¬
geführt habe, sei Birmingham. Diese Stadt habe seit längerer Zeit eine
Klärungsanlage, die recht gut functionirt habe. Man habe sich aber trotz¬
dem entschlossen, ausserdem Rieselanlagen zu machen. Dem gegenüber
stehe als anderes Beispiel Sheffield, welches eine sehr grosse Kläranlage vor
einigen Monaten in Betrieb genommen habe. Sie sei nach dem Muster der¬
jenigen von Bradford erbaut, die schon seit längeren Jahren in Betrieb sei
und sich ganz gut bewährt habe. Ohne auf alle Einzelheiten, die er dort
gesehen habe, einzugehen, möchte er nur als Schlussresultat seiner dortigen
Beobachtungen mittheilen, dass die durchgehende Meinung der gesaramten
englischen Techniker — abgesehen von einzelnen Ausnahmen — dahin
gehe, dass das Verfahren, welches am besten geeignet sei, die städtischen
Abwässer zu reinigen, immer noch die Berieselung bleibe, dass aber dieses
Verfahren in weit weniger Fällen anwendbar sei, als man früher voraus¬
gesetzt habe. Es erfordere erstens geeignete Bodenbeschaffenheit, geeignete
grosse Landflächen, es erfordere, dass das Hinschaffen des Wassers bis zu
diesen Landflächen nicht allzu theuer werde, dass das Aptiren der Land-
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 105
fläche für die Berieselung nicht allzu grosse Kosten verursache und dass
das Land zu Preisen gekauft werden könne, wie etwa der gewöhnliche prak¬
tische Landwirth, der von seinem Acker leben wolle, es auch kaufen würde.
Wenn aber, wie das häufig in der Nähe der grossen Städte der Fall sei, der
Preis von Grund und Boden plötzlich in die Höhe schnelle, namentlich
wenn ruchbar werde, dass die Stadt kaufen wolle oder müsse, dann werde
der Preis leicht so hoch, dass dadurch allein häufig die Anlage von Riesel¬
feldern unmöglich gemacht werde. Dann habe, sich ferner gezeigt, dass die
Reinigung der Abwässer durch die Rieselanlagen in der Praxis meistens
nicht in dem Grade erfolge, wie es wohl möglich sein würde. Es stehen
sich da eben zwei Interessen gegenüber. Das eine Interesse verlange, dass
das Wasser möglichst gut gereinigt werde; das Interesse des landwirt¬
schaftlichen Betriebes der Rieselfeldanlagen, welches in diesem Punkte
durchaus mit dem Interesse der städtischen Verwaltung zusammengehe,
laufe aber darauf hinaus, aus der Rieselanlage möglichst hohe Erträge zu
erzielen. Wenn man das wolle, könne man es in sehr vielen Fällen und zu
sehr vielen Zeiten nur dadurch, dass man die möglichste Reinigung des
Wassers vernachlässige. Er habe tatsächlich auf seiner Reise bei mehreren
Rieselanlagen, wohin er unerwartet gekommen sei, gesehen, dass das Wasser,
welches von denselben abfliesse, nach dem Augenschein beurteilt, nicht
klar, sondern in einzelnen Fällen sogar trüber gewesen sei, als dasjenige
Wasser, welches aus chemischen Anlagen abgelassen worden sei.
Es komme also nicht bloss darauf an, was man erreichen könnet son¬
dern was in der täglichen Praxis tatsächlich erreicht werde, und in dieser
Beziehung könne man sagen, dass die Rieselfeldanlagen und auch manche
chemische Klärungsanl&gen eine Reinigung des Wassers erzielen, mit der
man sich in der Praxis wohl zufrieden geben könne, wenngleich sie nicht
vollkommen sei.
In chemischer Beziehung sei sehr viel versucht worden, und es seien
auoh die Combinationen, die von Herrn Prof. Arnold als hier ausgeführt
erwähnt worden seien, in England längst probirt worden. Beispielsweise
bestehe in Bradford eine Klärungsanlage, bei welcher der Niederschlag des
Schlammes durch Kalk erfolge, worauf eine aufsteigende, und zwar eine
doppelte Filtrirung gegenwärtig durch Coaks stattfinde; das Wasser, wel¬
ches abfliesse, sei sehr rein. Andere Städte haben Kies als Filtermaterial
verwandt. In Bradford habe man eine Zeit lang Torf benutzt, sei aber davon
ftbgegangen — aus welchen Gründen, habe er nicht erfahren können, da
dies schon vor längeren Jahren stattgefunden habe. In Frankfurt, dessen
Kläranlage nach englischen Mustern erfolgt sei, folge auf die Niederschlagung
des Schlammes keine Filtration; in Frankfurt scheine man dieselbe vorläufig
nicht für nöthig zu halten. Es werde sich ja zeigen, ob die Erfahrung das
bestätige.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei der Kostenpunkt, und da zeige sich,
dass die Betriebskosten sehr variiren. Bei den Anlagen, die er besucht
habe, stellen sich, soweit er habe erfahren können, diese Kosten pro Kopf
der Bevölkerung auf etwa V* bis 2 und 3 Mk. jährlich, je nach den ört¬
lichen Verhältnissen und je nach der Grösse und Zweckmässigkeit der An¬
lage und des Betriebes. Diese Kosten seien so enorm hoch, dass er glaube,
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106 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
dass man doch sehr überlegen müsse, ehe man einer Stadt zumuthe, jährlich
so viel Geld für solche Zwecke auszngeben, namentlich wenn etwa nicht
behauptet werden könne, dass durch die Einleitung der ungereinigten Ab¬
wässer wirkliche Uebelstände entstanden seien. Man könne die Reinigung,
namentlich bei dem chemischen Verfahren, sehr weit treiben, und könne
sich auch mit einem geringen Grade der Reinigung zufrieden geben. Je
weiter man die Reinigung treibe, desto grösser seien die Kosten, und aus
diesen praktischen Gründen glaube er, dass man die Forderungen nicht
allzu schroff stellen sollte. Die englischen Städte seien im Allgemeinen
finanziell sehr viel leistungsfähiger als die deutschen Städte, man sähe das
dort an allen städtischen Anlagen, und spiele der Kostenpunkt in Deutsch¬
land noch eine viel wichtigere Rolle als in England.
Weiter noch sei zu erwähnen, dass die Meinung der englischen
Ingenieure im Allgemeinen jetzt dahin gehe, dass man überhaupt nicht eine
bestimmte Reinigungseinrichtung, sei es eine einfache oder eine combinirte,
als die beste empfehlen könne, sondern dass, man je nach der Lage der
örtlichen Verhältnisse eine genaue Prüfung eintreten lassen und sich da¬
nach entscheiden müsse, was für diesen gegebenen Fall das beste sei, und
das könne je nach Umständen sowohl eine Berieselungsanlage als eine che*
mische Klärung sein. Jedenfalls aber solle man sich mit demjenigen Grade
der Reinigung zufrieden geben, der durch die örtlichen Umstände zur Ver¬
meidung wirklicher Uebelstände bedingt werde.
Stadtrath Trampe (Danzig) schliesst sich mit voller Ueberzeugung
dem von den beiden Herren Referenten in Betreff der Rieselfelder Gesagten
an, die sich für die Stadt Danzig in so segenbringender Weise bewährt
hätten und denen in Verbindung mit der Ganalisation die Stadt Danzig es
wohl in erster Linie zu verdanken habe, dass bei den letzten Choleraepidemieen
der Jahre 1871 bis 1873, während die Krankheit in der nächsten Umgebung
Danzigs furchtbar gewüthet habe, die Stadt selbst fast ganz verschont
geblieben und wesentlich nur in den Theilen ergriffen worden sei, die noch
nicht an die Canalisation angeschlossen gewesen seien. Diese Thatsache
stehe fest und es sei wohl möglich, dass neben der Canalisation auch die
Rieselfelder ihren Antheil daran haben, indem die in den Fäcalien Cholera¬
kranker enthaltenen und mit den letzteren nach den Rieselfeldern hinaus-
gescbwemmten Bacillen dort durch schnelles Verdunsten und Versickern des
Wassers trocken gelegt und vernichtet worden seien. Jedenfalls scheine
durch den überaus günstigen Verlauf, welchen die letzten Choleraepidemieen
im Gegensatz zu früheren Jahren in Danzig genommen haben, der Beweis
erbracht zu sein, dass das Canalisations- und Rieselsystem nicht, wie von
Gegnern desselben behauptet sei, zur Verbreitung der Cholera beigetragen
habe, sondern dass dasselbe im Gegentheil in hervorragendem Maasse geeignet
sei, diese Krankheit durch schleunige Beseitigung und Vernichtung der
Ansteckungskeime mit Erfolg zu bekämpfen.
Da sich zur Generaldiscussion Niemand mehr zum Worte gemeldet hat,
wird dieselbe geschlossen und in die Specialdiscussion der einzelnen
Thesen eingetreten.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 107
These 1 :
„Jede grössere, namentlich mit Wasserleitung versorgte Stadt
kann der geregelten Entwässerung durch eine unterirdische
Canalisation nicht entbehren, da die Schmutzwasser so rasch als
thunlich aus dem Bereiche der Wohnungen entfernt werden müssen u ,
wird ohne Discussion angenommen.
These 2:
„Die Canäle sollen zur Aufnahme und sicheren Abführung der
gesammten Schmutzwasser, einschliesslich der Closetab¬
gänge, geeignet sein und je nach Lage der Ortsverhältnisse auch
das Regenwasser mit abführen können, sofern für letzteres
keine besondere Ableitung vorzusehen ist.“
Stadtbaumeister Stflbben (Köln) wendet sich gegen die Form der
These 2, weil diese die Vermuthung aufkommen lassen könne, als wolle die
Versammlung beschliessen, grundsätzlich sei eine getrennte Canalisation an-
zuBtreben, grundsätzlich sei das Regenwasser aus den Canälen fern zu halten
und nur „je nach der Lage der Ortsverhältnisse“, also gewissermaassen aus¬
nahmsweise, diesen zuzuführen. Damit bezeichne man alle bis jetzt in
Deutschland ausgeführten Canalisationsanlagen als fehlerhaft, was gewiss
nicht beabsichtigt sei. Wohl aber stehe er auf dem Standpunkte, dass man,
wenn man ein Canalisationsproject bearbeite, zunächt suchen solle, sich
derjenigen Regenwässer zu entledigen, die man, sei es oberirdisch, sei es
durch vorhandene Canäle, oder sei es durch kurze Stichcanäle, dem Flusse
zuführen könne, ohne dass man sie in die allgemeine Canalisation aufnehme.
Meist seien es aber verhältnissmässig geringe Regenwassermengen, die man
von dem Canal fern halten könne, wenn man nicht finanziell hohe Opfer
bringen wolle. Von einem vollständig getrennt durchgeführten Canalnetz
oder, um die Sache besser zu bezeichnen, zwei getrennten Canalisations-
netzen in der Stadt habe uns doch Herr Kaumann an dem Beispiele von
Prag gezeigt, dass das ungefähr die doppelten Kosten verursachen würde.
Das liege daran, dass in den meisten städtischen Strassen bei richtiger
Anlage der Schwemmcanalisation nur Rohrcanäle zu liegen kommen, die
also bei einheitlichem Schwemm System einfach, bei der Abtrennung des
Regen wassere doppelt erforderlich seien.
Die QuerschnittBersparniss, die man bei Ausschluss des Regenwassers
in diesen Schwemmcanalrohren gewinne, schlage gar nicht durch, da die
Kosten von Rohrcanälen sich im Grossen und Ganzen sehr wenig nach dem
Querschnitte richten, sondern weit mehr nach der Arbeit der Verlegung.
Ausserdem sei es technisch doch gewiss bedenklich, in Städte, die so
ausserordentlich von Rohrleitungen aller Art durchzogen seien, ohne Noth
nun nochmals ein besonderes Canalnetz hineinzubringen. Köln habe Strassen,
wo 7 bis 8 Rohrleitungen sich den Platz streitig machen und wo es einem
schon ausserordentlich schwierig werde, nachträglich einen einzigen Canal
auszuführen. Hier nun einem Princip zu Liebe, das man übrigens auch
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108 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
gesundheitlich anfechten könne, noch einen zweiten Canal anzubringen mit
fast verdoppelten Kosten, sei nicht richtig.
Die sanitären Bedenken, die gegen diese getrennte Abführung des
Regenwassers unter Umständen vorliegen, seien die, dass der Schmutz der
Strassen, der Schmutz der Höfe fast eben so sehr sanitären Bedenken unter¬
liege und unter Umständen ebenso der Reinigung bedürfen werde wie die
anderen Stoffe; auch sei das Regenwasser als Spülwasser für die Schmutz¬
canäle von erheblicher Bedeutung. Desswegen schlage er in Gemeinschaft
mit Herrn Oberingenieur Meyer vor, diese These 2 wie folgt zu fassen:
„Die Canäle sollen zur Aufnahme und sicheren Abführung der
gesammten Schmutzwasser, einschliesslich der Closetabgänge und
des Regen Wassers, geeignet sein, in so weit nicht die örtlichen
Verhältnisse die besondere Ableitung des Regenwassers als zweck¬
mässig erscheinen lassen. tt
Nachdem die Herren Referenten sich mit dieser veränderten Fassung
der These 2 einverstanden erklärt haben, wird dieselbe bei der Abstimmung
nach dem Antrag des Herrn Stadtbaumeister Stübben angenommen.
T h e 8 e 3.
„Die städtischen Abwässer dürfen in der Regel erst nach
erfolgter Reinigung den öffentlichen Flussläufen zugeführt
werden.“ (cf. d. Resolut. Pkt. 1, d. IV. Versammlung des Vereins
zu Düsseldorf, 1876.)
Oberbürgermeister Becker (Köln) beantragt im Anschluss an das
von ihm bei der Generaldiscussion Mitgetheilte au Stelle der von den
Referenten vor geschlagenen These 3 die folgende These zu setzen:
„Die Reinigung der städtischen Abwässer vor ihrer Zuführung
in die Flussläufe bleibt vor wie nach anzustreben. Bei dem jetzi¬
gen Stande der Technik und den erheblichen, mit jeder Reinigung
verbundenen Kosten empfiehlt es sich jedoch, die Forderung der
Reinigung nur in denjenigen Fällen zu erheben, wo gesundheitliche
Missstände zu befürchten sind oder sonstige erhebliche Uebelstände
sich fühlbar machen und nur in einem solchen Umfange, als zur
Beseitigung dieser Uebelstände geboten ist.“
Durch den voran gestellten Satz werde die Continuität der heutigen These
mit der Düsseldorfer Resolution gewahrt und das Princip, das der Verein
erstreben wolle und müsse, aufrecht erhalten. Dagegen entspreche es dem
praktischen Bedürfnis, den im zweiten Satz ausgesprochenen Vorbehalt zu
machen, einen Vorbehalt, der in ähnlicher Weise auch in der Düsseldorfer
Resolution enthalten sei, durch die Forderung, der Staat solle mit Rücksicht
auf die Grösse des Wasserlaufs, die Geschwindigkeit desselben etc. die
Normen gesetzlich feststellen, unter denen die Klärung geboten erscheine.
Diese gesetzliche Fixirung sei bis jetzt von keinem Staate versucht worden
und werde sich wohl auch so leicht nicht machen lassen. Da liege es viel
näher, vpn Fall zu Fall eine Püfung eintreten zu lassen, wie dies die oben
vorgeschlagene These ausspreche.
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 109
8tadtrath Marggraff (Berlin) findet, dass der zweite Satz des
Becker*sehen Antrages, namentlich der Schluss desselben, der die Forde¬
rung der Reinigung nur insoweit verlange, als zur Beseitigung von Uebel-
ständen geboten sei, über das hinausgehe, was der Verein .sich zur Aufgabe
gestellt habe und ihn von dem Ziel wieder zurücktreibe, das er schon er¬
reicht habe. Der Verein müsse doch einen etwas idealeren Standpunkt fest-
halten und nicht so weit gehen, hei der Canalisation ausschliesslich an die
Geldfrage anzuknüpfen. Er halte These 3, wie sie die Herren Referenten
vorgeschlagen hätten, durchaus nicht für bedenklich, könne allenfalls auch
einer Resolution zustiromen, die erkläre, der Verein stehe nach wie vor auf
dem Standpunkte der Düsseldorfer Resolution, nicht aber könne er den
Becker*sehen Antrag unterstützen.
Oberingenieur Andreas Meyer (Hamburg) erinnert daran, dass der
Standpunkt auf der Düsseldorfer Versammlung der gewesen sei, dass der
Verein erklärt habe, es komme auf das Verhältnis der Schmutzwassermenge
einer Stadt zu der Wassermenge des vorbeifliessenden Stromes während der
trockenen Jahreszeit an und dieses Verhältnis müsse so günstig sein, dass
kein sanitärer Nachtheil durch das Einlassen des Schmutzwassers der Stadt
in den Strom nachgewiesen werden könne. Zu dem Zwecke habe damals
der Verein beim Reichskanzleramt beantragt, Untersuchungen hierüber in
den deutschen Flüssen vornehmen zu lassen und habe diesen Wunsch später
auf dem Berliner Gongress erneuert und den früheren Standpunkt der Be-
urtheilung von Fall zu Fall wieder betont, gegenüber der These des Herrn
Virchow, dass jede Stadt von 100 000 Einwohnern und mehr in Betreff
ihrer Abwässer vom Flusse abgesperrt werden müsse, einer These, der der
wesentlich aus praktischen Hygienikern bestehende Verein nicht habe bei¬
stimmen können, da durch solch willkührliches Verdict den Städten un¬
geheurer Schaden zugefügt werde. Ganz allgemein die Einleitung unreiner
städtischer Abwässer in die Flüsse zu verbieten, sei unzweckraässig und
gesundheitsschädlich und er trete vollständig dem Anträge des Herrn Ober¬
bürgermeister Becker bei, der betone, dass es wünschenswerth sei, da, wo
ein Missverhältnis von Stadt und Fluss bestehe, einzugreifen, der aber nicht
weiter gehe. Das könne man vielleicht in einigen Jahren schon thun, so¬
bald sich ein für grössere städtische Schmutzwassermengen wirklich durch¬
führbares Klärverfahren erprobt habe; vielleicht seien bis dahin auch die
Untersuchungen über Grenzwerthe angestellt. Für heute aber halte er
es nicht für rathsam, weiter zu gehen und spreche er sich desshalb ent¬
schieden für die Annahme des Antrag Becker aus.
Bflrgermeister Frnncke (Stralsund) betont, dass damit gar nichts
gesagt sei, es sei schädlich, Abwässer in Flüsse zu leiten, es komme eben
Alles darauf an, wie gross die Flüsse und wie gross die in sie entwässernden
Städte und die Menge der Abwässer und sonstigen schmutzigen Flüssig¬
keiten, die in den Fluss gelangen, seien. Da bisher von den Gegnern der
Schwemmcanalisation die Thatsache beharrlich todtgeschwiegen werde, dass
in vielen Fällen, in denen Abwässer von Schwemmcanälen in den Fluss
gehen, sich durchaus kein Missstand ergeben habe, wie beispielsweise in
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110 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Hamburg-Altona, in Magdeburg, [in Lübeck, in Düsseldorf etc., so sei es
Sache des Vereins, dieser Frage praktisch näher zu treten. Nun habe ja
der Verein beim Gesundheitsamte beantragt, man möge auf Grund der
thatsächlich vorliegenden Verhältnisse ermitteln, wie es mit den Flüssen
stehe. Da das vom Gesundheitsamte nicht geschehen sei, sei es nunmehr
Sache des Vereins, diese Untersuchungen selbst vornehmen zu lassen und
stelle er desshalb folgenden Antrag:
Der Verein beschliesst, chemische Untersuchungen der Elbe
unterhalb Magdeburgs und Altonas, des Rheins unterhalb Düssel¬
dorfs und der Trave und der Wakenitz unterhalb Lübecks in Be¬
zug auf das Einfliessen der Schmutzwässer der betreffenden Städte
zu veranstalten und beauftragt einen Vorstand mit der Ausführung
dieses Beschlusses —
eventuell, den auf derartige Untersuchungen gerichteten
Antrag des Vereins an das Reichsgesundheitsamt zu wiederholen.
Correferent Profe 880 r Arnold wendet sich gegen den Becker’-
sehen Antrag, weil hier im Verein nicht Verwaltungsmaassregeln oder der
Geldsäckel als Basis der Berathungen betrachten werden müssten, sondern
lediglich der sanitäre Standpunkt Er könne desshalb nur dem ersten Theil
des Antrages zustimmen, der besage, in Uebereinstimmung mit den Düssel¬
dorfer Beschlüssen sei der Verein der Ansicht, dass nach wie vor eine
Reinigung der Abwässer zu erstreben sei. Der zweite Theil des Antrages
Becker aber muthe dem Verein zu, nachdem er 10 Jahre für eine Sache
gekämpft habe, nun die Flinte ins Korn zu werfen.
Stadtbaumeister Stübben (Köln) bittet aus praktisch sanitären
Gründen, nicht bloss wegen allgemeiner Verwaltungsrücksichten dem Anträge
Becker zuzustimmen. An der Donau wie am Rhein gebe es manch eine
Stadt von 10- bis 15000 Einwohnern, die bisher ihre Jauche oberirdisch
in den Fluss laufen lasse und es habe keiner gerügt, dass dies in sanitärer
Beziehung nachtheilig sei; noch weniger sei ein praktischer Beweis erbracht
worden. Er halte es daher für etwas gewagt, wenn man sage, das Einlaufen
eines solchen Wassers sei in der Regel sanitär bedenklich. Dadurch, dass
dieser Ausspruch gethan worden sei, sei bis jetzt nichts im gesundheitlichen
Interesse erzielt worden, sondern es habe sich im Gegentheil manche gesund¬
heitliche Maassnahme verzögert. Wenn man diese Stadt am Rhein von
lO-bis 15000 Einwohnern schliesslich dahin bringe, dass sie die Canalisation
ausführe — es sei das schon sehr schwer, sie müsse vielleicht 300- bis
400 000 Mk. dafür ausgeben — und nun wolle man sie auch noch nöthigen,
eine Klärung derjenigen Wasser vor dem Einlaufen in den Fluss vorzu¬
nehmen, welche bisher oberirdisch unbeanstandet dem Flusse zugeführt
worden seien, so verlange man von der Stadt, damit sie die Canalisation
vornehme, annähernd die doppelte Ausgabe und erziele damit in der Regel,
dass die Ausführung ganz unterbleibe. Daraus folge, dass es aus praktisch
sanitären Gründen nicht zweckmässig sei, dabei stehen zu bleiben, dass man
sage, man verlange die Klärung, denn damit verzichte man in der Regel
auf die sanitäre Besserung überhaupt. Nichts könne den Verein als sanitäre
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liebe* Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 111
Körperschaft zwingen, in der Regel von allen diesen Städten eine Reinigung
zu verlangen, wenn man sehe, wie diese Flüsse, welche die Ableitungen
ungeheuer grosser Entwässerungsbezirke bilden, bisher oberirdisch die Ab¬
wässer der Städte und der Ländereien aufgenommen haben, ohne dass irgend
ein nachweislich gesundheitlicher Nachtheil erzeugt worden sei.
Wenn man bei Rolandseck auf dem Rheine im Kahne lustfahre, und
Lieder singe vom schönen Rhein und von Wein und Liebe — denke Nie-
man daran, dass von St. Gotthard in der Schweiz bis dahin alle Abwässer
in den Rhein gegangen seien, wenn man sehe, wie klar und schön das
Wasser sei, weil eben der Vater Rhein es verstanden habe, auch die länd¬
lichen und städtischen Schmutzwasser zu reinigen, weil eben der Vater
Rhein für die Massen, die ihm zugeflossen seien, die allerbeste Canalwasser¬
reinigungsanstalt gewesen sei, die man überhaupt erfinden könne. DesBhalb
stehe er doch durchaus nicht auf dem Standpunkte, dass man die Schmutz-
wässer überhaupt nicht reinigen solle, wohl aber glaube er, dass es verkehrt
sei, zu sagen, es müsse in der Regel gereinigt werden, ohne Rücksicht
auf Quantität und Qualität des Schmutzwassers einerseits, des Flusswassers
andererseits. Darauf komme es in erster Linie an. Er bitte daher sehr,
das Verlangen, zu reinigen, erst dann auszusprechen, wenn wirklich prak¬
tische Veranlassungen, gesundheitliche Befürchtungen und örtlich begründete
Bedenken vorliegen.
Sanitätsr&th Dr. Hüll mann (Halle a. S.) bittet, den Umstand, dass
der Verein vor zehn Jahren in Düsseldorf auf einem anderen Standpunkte
gestanden habe als heute, nicht alB maassgebend für die heutigen Ent-
schliessungen ansehen zu wollen. Damals habe man eben noch nicht so
wie heut zu Tage gewusst, dass das Wasser selbst das beste Reinigungsmittel
sei. Darum spreche er sich für den Beck er* sehen Antrag aus. Wenn
die Aufsichtsbehörden auf ihren bisherigen Anschauungen beharren und alle
Städte zwingen sollten, ihre Abwässer nur in vollkommen gereinigtem Zu¬
stande in die Flüsse einzuleiten, so würde dieB den Städten so hohe Kosten
verursachen, dass viele von ihnen durch dieselben ihrem wirthschaftlichen
Ruin nahe gebracht werden möchten.
Geh. Medicinalrath Dr. Günther (Dresden) bemerkt zu dem An¬
träge des Herrn Bürgermeister Fr an ck e, der Verein solle selbst Fluss-
untersuchungen vornehmen lassen, dass in Sachsen in vier kleinen Flüssen
derartige Untersuchungen in verhältnissmässig kleinem Maassstabe vor¬
genommen worden seien, die Kosten dafür aber ganz bedeutende gewesen
seien und man trotzdem nicht im Stande gewesen sei, aus den Beobach¬
tungen sanitäre Rückschlüsse abzuleiten.
Oberingenieur Andreas Meyer (Hamburg) spricht ebenfalls gegen
die Ausführungen solcher Untersuchungen durch den Verein, der weder die
Kosten dafür ausgeben könne, noch auch die Stellung einnehme, welche ihn
zu der selbstständigen Durchführung einer so weit verzweigten, in das Ressort
der Staatsverwaltungen so tief eingreifenden Arbeit befähige. Ohne Zu¬
ziehung der Strombauverwaltungen sei dieselbe undurchführbar und diese
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112 XUL Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
werden nur in die Arbeit eintreten können, wenn sie von ihren Regierungen
dazu beauftragt und mit den entsprechenden Geldmitteln versehen werden.
Es bedürfe also für das Gebiet des Deutschen Reiches der Initiative und Füh¬
rung der Reichsregierung, der Verein werde damit nicht zu Stande kommen.
Hiermit ist die Discussion über These 3 geschlossen. Bei der Ab¬
stimmung wird der Antrag Becker mit grosser Majorität angenommen,
der Antrag Francke hingegen in seinen beiden Theilen ahgelehnt.
T h e 8 e 4.
Zur Unschädlichmachung der städtischen Schmutzwasser und
zur gleichzeitigen Verwerthung der in denselben enthaltenen Dung-
stoffe ist bis jetzt die Berieselung von Feld- und Wiesenflächen
das* geeignetste Mittel, (cf. d. Resolut. Pkt. 2 der IV. Versammlung
des Vereins zu Düsseldorf, 1876.)
Correferent Prof©8SOr Arnold: Nachdem Punkt 3 der Thesen,
im Sinne des Herrn Oberbürgermeisters Becker abgeändert, angenommen
und darin im Vordersätze ausgesprochen worden sei, „dass nach wie
vor die Reinigung der Abwässer vor dem Einlaufen in die
Flüsse zu erstreben sei“, so glaube er in Uebereinstimmung mit dem
Herrn Referenten Kau mann, dass der Verein in die „technische Frage“
weiter nicht eintreten solle, sie ziehen in Folge dessen die Thesen 4 und 5
zurück — und überlassen es den einzelnen Communen und den Behörden,
nach dem Stande der Wissenschaft und Technik in jedem Falle zu ent¬
scheiden, ob sie die Berieselung oder die künstliche Reinigung
vorziehen.
Geh. Oberregierungsrath Goltz (Berlin) glaubt, auch nachdem die
Herren Referenten die These 4 zurückgezogen haben, zu seiner wie vielleicht
auch zur Belehrung Anderer eine Frage betreffs der Breslauer Berieselung
an Herrn Stadtbaurath Kau mann stellen zu sollen. Der Herr Referent
habe wiederholt die Ziffern von 400 Einwohnern auf den Hektar Riesel¬
fläche als die in Breslau maassgebende und bewährte angegeben. Diese
Ziffer, glaube er, müsse doch wohl zunächst dahin richtig gestellt werden,
dass es sich um aptirte Rieselflächen handle. Wenn das aber auch von
Herrn Baurath Kau mann gemeint sei, dass die Ziffer 400 auf den Hektar
nur auf aptirte und drainirte Flächen sich beziehe, so sei die Ziffer doch
für ihn noch immer einigermaassen überraschend gewesen. Die Commission,
welche die Ressortminister zur Beaufsichtigung der städtischen Rieselgüter
in Berlin eingesetzt haben, und der er die Ehre habe anzugehören, sei nach
langen Debatten und vielfachen örtlichen Untersuchungen zu dem Ergebniss
gekommen, dass für die Umgebung Berlins die Ziffer von 250 Einwohnern
auf den aptirten Hectar als Normalziffer anzusehen sei, und daraufhin seien
auch alle die Anforderungen basirt, die von Seiten der Minister an die Stadt
Berlin in Bezug auf die Ausdehnung und den weiteren Erwerb von Riesel¬
feldern gestellt worden seien. Wenn nun in Breslau, wo in Bezug auf die
Boden beschaffenbeit doch ziemlich ähnliche Verhältnisse vorliegen wie in
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Ueber Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 113
Berlin, wirklich mit 400 Einwohnern auf den Hektar gerechnet werden
könne, dann würde es doch von Erheblichkeit sein, zu wissen, ob diese
Ziffer wirklich ermittelt und bewährt sei, denn dann würden sich ja die
Anforderungen an die Städte, welche sich für Schwemmcanalisation mit
nachfolgender Berieselung entschieden, erheblich billiger stellen.
Referent St&dtbaumelster Kau mann erwidert, er habe die Ziffer
von 400 pro Hektar nur als eine ungefähre hingestellt, habe aber besonders
dabei ausgesprochen, oder wenigstens aussprechen wollen, dass man in
Breslau mit der Aptirung ungeachtet jener Ziffern weiter gehen werde, so
lange noch irgendwie die Besorguiss der Ueberdüngung der disponiblen
Flächen vorliege. Auch könne er sich sehr leicht denken, dasB 250 Per¬
sonen schon genügen, um eine hinreichende Düngung für einen Hektar Riesel¬
feld zu liefern, obschon bis jetzt die Erfahrung auf den Breslauer Rieselfeldern
die sei, dass die Pächter sagen, man möge ja nicht mehr aptiren, sie
selber bekämen ja jetzt schon nicht mehr genug Canalwasser und zwar
jetzt, wo erst 659 ha Rieselfelder vorhanden seien. Uebrigens habe er mit
der Ziffer durchaus nichts Feststehendes, durchaus keine Norm geben wollen.
Hiermit ist die Discussion geschlossen und der Gegenstand erledigt.
Es lauten nunmehr die vom Verein angenommenen
Resolutionen:
1.
„Jede grössere, namentlich mit Wasserleitung versorgte Stadt kann
der geregelten Entwässerung durch eine unterirdische Cana-
lisation nicht entbehren, da die Schmutzwasser so rasch als
thunlich aus dem Bereiche der Wohnungen entfernt werden müssen.
2 .
„Die Canäle sollen zur Aufnahme und sicheren Abführung der
gesammten Schmutzwasser, einschliesslich der Closet-
abgä ngeund des Regen wassers, geeignet sein, insoweit nicht
die örtlichen Verhältnisse die besondere Ableitung des Regen wassers
als zweckmässig erscheinen lassen.
3.
„Die Reinigung der städtischen Abwässer vor ihrer
Zuführung in die Flussläufe bleibt vor wie nach anzustreben. Bei
dem jetzigen Stande der Technik und den erheblichen, mit jeder
Reinigung verbundenen Kosten empfiehlt es sich jedoch, die For¬
derung der Reinigung nur in denjenigen Fällen zu erheben, wo
gesundheitliche Missstände zu befürchten sind oder sonstige erheb¬
liche Uebelstande sich fühlbar machen und nur in einem solchen
Umfange, als zur Beseitigung dieser Uebelstände geboten ist.“
Schluss der Sitzung 1 / 2 2 Uhr.
Vierteli*hrsschrift f(i r Gesundheitspflege, 1887.
8
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114 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Dritte Sitzung.
Mittwoch, den 15. September, Vormittags 9 Uhr.
Vorsitzender Oberbürgermeister Friedensburg eröffnet die
Sitzung mit der Mittheilung, dass zwei der geladenen Ehrengäste, Se. Ex-
cellenz der Herr Oberpräsident der Provinz v. Seydewitz und Se. Excellenz
der Herr Stadt-Coinmandant General-Lieutenant v. Grote der Sitzung bei¬
wohnten und begrüsste Namens des Vereins die beiden Herren unter dem
Ausdrucke der grossen Genugthuung und Freude, dass dieselben dem Ver¬
ein die Ehre ihres Besuches haben zu Theil werden lassen.
Oberpräsident V. Seydewitz, Exc.: „Meine Herren! Ich habe um
Nachsicht zu bitten, dass ich nicht früher in Ihrer Mitte erschienen bin,
wie es meine Absicht gewesen ist. Es ist Ihnen wohl bekannt, dass ich
anderweitige amtliche Abhaltung gehabt habe, die es mir zu meinem Be¬
dauern unmöglich machten, früher bei Ihnen zu sein. Ich bitte, dass Sie
meine bisherige Abwesenheit nicht als Mangel an Theilnahme für diejenigen
Interessen, die Sie vertreten, ansehen wollen. Ich habe ein volles und
offenes Herz für die Angelegenheiten, die Sie vertreten, und wünsche, dass
Ihre Berathungen zu einem glücklichen, unserem theuren Vaterlande nütz¬
lichen Erfolge führen.“
Vorsitzender Oberbürgermeister Friedensburg stellt nun¬
mehr den
Antrag des Comites des VI. internationalen Congresses für
Hygiene und Demographie zu Wien 1887,
zur Verhandlung, der, wie in der ersten Sitzung mitgetheilt, dem Aus¬
schuss den Wunsch ausspreche, im Jahre 1887 eine Versammlung des Deut¬
schen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege ausfallen zu lassen und da¬
für die Mitglieder einzuladen, dem internationalen hygienischen Congresse
in Wien im September 1887 beizuwohnen.
Der Ausschuss hatte diesen Wunsch des Wiener Comites dem Verein
mitgetheilt, um dessen Ansicht darüber zu hören (s. oben S. 8) und hatte
bereits in der ersten Sitzung der seitens des Wiener Comites zu diesem
Zwecke eigens nach Breslau gesandte Delegirte
Professor Ritter Franz V. Gruber in längerer Auseinandersetzung
dem Vereine die Gründe dargelegt, die das Wiener Comite bestimmt haben,
dem Vereine die Bitte vorzulegen, im Jahre 1887 seine Jahresversammlung
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Sechster internationaler hygienischer Congress. 115
Ausfallen zu lassen. Veranlassung hierzu habe in erster Linie der Wunsch
gegeben, dass dem bevorstehenden Wiener Congresse der den letzten hygie¬
nischen Congressen mangelnde Charakter des „internationalen u wiedergegeben
werde und zwar wesentlich durch eine möglichst rege Betheiligung des
bisher stets sehr schwach vertretenen deutschen Elementes; ferner habe
der Gedanke, dass ein nahezu gleichzeitiges Tagen zweier hygienischer
Congresse, des „Deutschen“ und des „Internationalen“, beiden Versamm¬
lungen schaden könne und schliesslich die Mittheilung des ständigen Secre-
tärs des Deutschen Vereins in der Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesund¬
heitspflege, dass der Ausschuss bereits einmal einen zweijährigen Turnus
der Vereinsversammlungen besprochen habe, das Comite veranlasst, die
vorerwähnte Bitte an den Verein zu richten. Redner schloss hieran ein¬
gehende Mittheilungen über die geplante Organisation des ganzen Congresses,
die Thätigkeit der einzelnen Sectionen, die getroffene Auswahl der Themata
und die dafür bereits gewonnenen oder aufgeforderten Referenten.
Es entspann sich über den Gegenstand eine sehr eingehende Dis-
cussion, an der sich die Herren Oberbürgermeister Bötticher (Magde¬
burg), Stadtrath Hendel (Dresden), Professor Hermann Cohn (Breslau),
Generalarzt Prof. Dr.‘ Roth (Dresden), Oberingenieur Andreas Meyer
(Hamburg), Professor Ritter v. Gruber (Wien), Dr. Eduard Schiff
(Wien), Sanitätsrath Dr. Noetzel (Colberg) und der ständige Secretär,
Sanitätsrath Dr. Spiess, betheiligten und in deren Verlauf folgende An¬
träge eingebracht wurden:
Antrag von Stadtrath Hendel: „Die heutige Versammlung
des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege empfiehlt
zwar seinen Mitgliedern die thunlichst zahlreiche Betheiligung an
dem nächstjährigen internationalen Congresse, erachtet jedoch für
zweckmässig, dass auch im nächsten Jahre der Deutsche Verein
für öffentliche Gesundheitspflege in der bisher üblichen Weise
zuBammentrete.“
Antrag von Oberingenieur Andreas Meyer: „Der
Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege hält die von dem
Ausschüsse des internationalen Congresses erbetene Theilnahme des
Vereins an dem nächstjährigen internationalen Hygiene-Congresse
in Wien unter Absehung von einer anderswo stattfindenden Jahres¬
versammlung mit den Zielen des Vereins vereinbar, überläsBt aber
die Frage, ob und in welcher Form ein solches Zusammengehen mög¬
lich und zweckmässig sei, der Entscheidung seines Ausschusses.“
Antrag von Sanitätsrath Dr. Nötzel: „DieVersammlung
ersucht den Ausschuss, sämmtliche Mitglieder des Deutschen Vereins
über die Annahme der Einladung zu befragen.“
Bei der DiscusBion fand die Einladung des Wiener Comites allseitig
sympathische Aufnahme, man hielt es für sehr wünschenswerth, wenn das
8 *
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116 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
deutsche Element auf dem Wiener Congresse mehr, als es auf den bisherigen
internationalen hygienischen Congressen der Fall war, vertreten werde und
der internationale Congress einen möglichst günstigen Verlauf nehme; man
war auch der Ansicht, dass das gleichzeitige oder fast gleichzeitige Tagen zweier
Congresse, die nahezu dieselben Zwecke verfolgen, beiden Congressen schaden
könne, man hob den Nutzen der persönlichen Bekanntschaft mit gleichstre¬
benden Männern anderer Länder hervor, — aber man war doch auch allsei¬
tig der Ansicht, dass es schwer sei, schon jetzt einen definitiven Beschluss zu
fassen, da wohl erst genau geprüft werden müsse, in wie weit ein solches
Aussetzen der Vereinsversammlungen nach den Satzungen zulässig sei und
da sich jetzt noch gar nicht übersehen lasse, ob nicht im nächsten Jahre
wichtige Gründe vorliegen, die Vereinsversammlung abzuhalten. Wurden
doch auch von manchen Seiten schwerwiegende Gründe gegen den Wiener
Antrag vorgebracht, z. B. dass wichtige hygienische Fragen, die für unsere
vaterländischen Verhandlungen von grosser Bedeutung seien, sich auf inter¬
nationalen Congressen nicht verhandeln lassen, dass auf diesen die Sprachen¬
frage ein nahezu unübersteigbares Hinderniss für eine fruchtbringende
Verhandlung bilde, dass es nöthig sei, die Continuität in unseren Versamm¬
lungen zu erhalten, solle nicht das Interesse der Mitglieder an den Arbeiten
des Vereins abnehmen und dieser dadurch an Bedeutung verlieren, — dass
auch bisher stets mancherlei verwandte Vereine im selben Jahre getagt
haben, beispielsweise die hygienische Section der Naturforscherversammlung
ganz gut neben dem hygienischen Congresse hergehe und dass man die
Jahresversammlungen nicht aussetzen solle, wenn nicht die allerzwingend¬
sten Gründe (wie s. Z. der Brand der Hygieneausstellung) dies forderten.
Allgemein fand der Wiener internationale Congress warme Sympathie und
wurde der Wunsch einer möglichst zahlreichen Betheiligung seitens der
deutschen Hygieniker ausgesprochen, aber es wurde mit Recht auch die
Frage aufgeworfen: wer von den Mitgliedern des Deutschen Vereins steht
dem internationalen Congresse nicht nur sympathisch gegenüber, sondern
wer beabsichtigt auch hinzugehen, und liegt hierin genügender Grund, die
Vereins Versammlung im nächsten Jahre auszusetzen?
9
Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Herrn Oberingenieur
Meyer mit grosser Mehrheit angenommen, die beiden anderen Anträge
gelangten daraufhin nicht zur Abstimmung.
Zum Schluss sprach Herr Dr. Schiff (Wien) den Wuusch aus, dass,
wenn der Ausschuss beschliessen solle, dass der Verein als solcher nicht
nach Wien gehe, er sich doch mindestens durch officielle Delegirte bei dem
internationalen Congresse möge vertreten lassen.
Die Versammlung tritt hierauf in die Behandlung des letzten Gegen¬
standes der Tagesordnung ein:
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 117
Moderne Desinfectionsteclinik mit besonderer
Beziehung auf öffentliche Desinfectionsanstalten.
Referent: Professor Dr. Franz Hofmann (Leipzig):
„Meine hochgeehrten Herren!
„Der Ausschuss des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege hat Herrn
Bezirksphysicus Jacoby und mich beauftragt, hier ein Referat über die
moderne Desinfectionstechnik mit besonderer Beziehung auf öffentliche Des-
iufectionsanstalten zu geben. Ich freue mich, dass das Thema in* dieser
Weise eng begrenzt worden ist, und zwar darum, weil es dann nicht mehr
nöthig ist, auf die ganze Unzahl von verschiedenen Desinfectionsverfahren,
Desinfectionsobjecten und Desinfectionsmitteln einzugehen, die die Gegen¬
wart erfunden hat und anpreist. Der Schwerpunkt unserer Verhandlung
ruht also nur auf dem Verfahren der Desinfection in den öffentlichenDes-
infectionsanstalten. Sie wissen, dass in den jüngsten Jahren, namentlich
seit dem Ausbruch der Cholera in Südfrankreich und in Italien, eine Reihe
von Städten, auch in Deutschland, bereits jetzt Desinfectionsanstalten,
sowohl für specielle Zwecke, für Hospitäler, als auch für allgemeine öffentliche
Zwecke errichtet hat. Es besteht kein Zweifel, dass eine grosse Anzahl
von Städten auch gegenwärtig gewissermaassen ganz nahe daran ist, solche
Einrichtungen zu treffen, und ich wünsche nur, dass die heutige Versamm¬
lung recht klare und präcise Ziele nach dieser Richtung hin ergiebt.
„Die Thesen, die Ihnen hier vorliegen, stammen zum Theil von mir,
zum Theil von meinem Herrn Correferenten, und dies ist der Grund, wess-
halb sie sich in der einen oder anderen Fassung dem Sinne nach nahezu
decken.
„Die erste der Thesen von mir lautet:
Anlagen wirksamer Desinfectionseinrichtungen erscheinen als
Pflicht der Gemeinden im öffentlichen Interesse.
„Ich darf einschalten, dass ich hier die Gemeinden als Gesensatz von
Privatunternehmungen auffasse, und es gänzlich dahin gestellt sein lasse,
ob die Gemeinden allein oder mit Hülfe des Staats die Desinfectionsanstalten
etabliren. Sie können gerade so gut den ersten Theil der zweiten These
an nehmen, in welchem es heisst:
Jede grössere Stadt bedarf einer oder mehrerer stationärer
öffentlicher Desinfectionsanstalten.
„Diese erBte These oder den ersten Satz der zweiten These möchte
ijh in folgender Weise begründen. Bekanntlich besteht eine Reihe von
Infectionskrankheiten, welche direct vom Körper des Erkrankten auf den
Körper des Gesunden Übergehen können, welche aber gleichzeitig, und
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118 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
zwar in noch viel höherem Grade, dadurch Verbreitung finden, dass die
Krankheitskeime von dem erkrankten Körper auf Gebrauchsgegenstände
übergehen, dass sie an den Gebrauchsgegenständen haften bleiben, dieselben
inficiren und so nun, nicht direct vom Körper ausgehend, sondern indirect
durch die GebrauchBgegenstände des Kranken weiter verbreitet werden.
Ich hatte bereits in einem früheren Vortrage, soweit ich mich erinnere in
Stuttgart, darauf hingewiesen, warum gerade Kleider, Wäsche und Betten
bo ausgiebig geeignet sind, Krankheitskeime in ihrem porenreichen und
weitmaschigen Gewebe aufzunehmen, zu conserviren und so zu reichbeladenen
Infectionsträgern zu werden. Es ist klar, dass kein Gebrauchsgegenstand
des Menschen in so innige Berührung mit dem Körper kommt und so leicht
die Krankheitskeime, sofern sie vom menschlichen Körper ausgehen, auf¬
nehmen kann, wie Kleider, Wäsche und Betten, und ferner liegt es in der
Natur dieser Objecte, dass sie mehr wie jeder andere Gebrauchsgegenstand
von einer Hand in die andere wandern, so dass die Keime wirklich gerade
durch diese Objecte die weiteste Verbreitung in der Bevölkerung erfahren.
Es hängt dann nur von der Art und dem Zustande der Krankheitskeime
ab, wie lange sie z. B. im lufttrockenen Zustande lebensfähig und desshalb
übertragbar bleiben, ob solche Wäsche entweder auf die Dauer von Wochen
oder, wie z. B. bei Tuberculose, auf die Dauer von einigen Monaten, oder,
wie z. B. bei Milzbrand, bei Blattern, auf die Dauer von ein, zwei, drei
Jahren infectionsfabig wirkt; kurz, der Verkehr mit solcher inficirten
Wäsche erscheint in bestimmter Breite gleich werthig mit der Verbreitung
von Gift oder von explosiblen Körpern.
„Nun fragt es sich: Von wem soll die Unschädlichmachung dieser
Gifte vermittelt werden ? Der nächste Gedanke würde der sein, dass hierfür
jenes Individuum verantwortlich zu machen ist, welches die inficirten Ob¬
jecte besitzt, jene Familie, in welcher ein solcher Krankheitsfall vorkommt,
durch welchen Gebrauchsobjecte inficirt werden. Die Ausführung einer
wirklichen Desinfection durch solche Privatpersonen unterliegt aber den
allergrössten Schwierigkeiten, ja wir können sagen, sie ist nahezu ganz
unmöglich. Nehmen wir z. B. an, ein oder zwei Mitglieder einer Familie
wären an einer ansteckenden Krankheit, z. B. Blattern oder Scharlach,
erkrankt, das Familienhaupt hätte die Einsicht — welche nicht überall vor¬
handen ist —, hätte ferner den ernstlichen Willen, durch eine wirksame
Desinfection die Gefahr von den Seinigen und von weiteren Kreisen abzu¬
halten, so fehlen nun trotzdem alle Mittel und Einrichtungen, um wirklich
helfend einschreiten zu können. Es fehlen ferner auch alle Kenntnisse und
Erfahrungen, eine wirksame Desinfection von Seiten des Laien an seinen
eigenen Objecten durchznführen. Niemand, meine Herren, vermag die un¬
überwindlichen Schwierigkeiten, welche einer Desinfection in Privathäusern
entgegenstehen, besser zu beurtheilen, als der Arzt, wenn er sieht, wie die
einfachsten Vorschläge in den besten Familien an hundert kleinen Wider¬
ständen scheitern. Ganz unmöglich aber ist die Ausführung einer erfolg¬
reichen Desinfection in den Wohnungen der Armen, da, wo Massenquartiere
bestehen, wo ganze Familien, Gesunde und Kranke, auf einen einzigen
kleinen Raum zusammengedrängt wohnen müssen. Eine vollkommene Des¬
infection ist also nur da zu erwarten, wo allgemein zugängliche
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Moderne Desinfectionstecknik und Desinfectionanstalten. 119
Desinfectionsanstalten bestehen, welche zweckmässige Einrichtangen
besitzen, welche ein gewissenhaftes, geschultes Bedienungspersonal haben
und unter steter sachgemäseer Controle stehen. Solche Desinfectionsanstal-
ten. die also ständig organisirt sind, die den Zweck als solchen verfolgen,
können im Besitz und unter Leitung von Privatpersonen stehen, welche
sie uun natürlich analog anderen geschäftlichen Unternehmungen betreiben.
Wir müssen somit unterscheiden, ob in einer Stadt Privatdesinfectionsanstal-
ten oder öffentliche Desinfectionsanstalten einzurichten sind. Bezüglich der
privaten Desinfectionsanstalten muss ich hervorheben, dass eine Privat-
desiufectionsanstalt naturgemäss von dem Gesichtspunkte des Geschäfts aus
geleitet und betrieben werden muss, es hat also die Einnahme sowohl die
Betriebs- wie die Unterhaltungskosten zu decken, und der Unternehmer
darf selbstverständlich auch nicht dabei verhungern. Nun halte ich nichts
für gefährlicher, als wenn eine solche private Desinfectionsanstalt Noth
leidet nnd ein kümmerliches, beschränktes Dasein fristet, oder sich noch
mit anderen Unternehmungen befasst. Es ist klar, dass in Folge des
nothleidenden Zustandes eines solchen Etablissements eine unsichere Arbeits¬
entwickelung sehr leicht eintreten wird, und damit wird nun sofort im
Anbeginn das Wirken der ganzen Anstalt zweifelhaft. Sie wissen, dass die
Handhabung der Desinfection vor Allem eine Vertrauenssache ist, insbesondere,
wenn sie von fremden Händen ausgeführt und geleitet werden soll. Wir sind
durch eine einfache Besichtigung der Objecte, welche der Desinfection unter¬
worfen wurden, nicht im Stande, zu constatiren, ob sie nun wirklich desinficirt
sind. Nur in seltenen Fällen wäre es auf Grund umständlicher Versuche mög¬
lich, nachzuweisen, ob die Keime wirklich getödtet sind. In sehr vielen Fällen
ist das überhaupt nicht möglich, so zwar, dass wir nur dann eine Gewiss¬
heit haben, dass die Desinfection erreicht ist, wenn alle Voraussetzungen
einer sachgemässen Behandlung erfüllt sind. Ein Privatunternehmen wird
sich nun nicht selten auf längere Beschränkungen in den Einnahmen gefasst
machen müssen. Die Statistik der Infectionskrankheiten zeigt, dass die¬
selben nicht etwa gleichmässig verthoilt auf das ganze Jahr Vorkommen.
Wir finden, dass solche Infectionskrankheiten in bestimmten Fristen fast
ganz verschwinden, dann wieder massenhaft auftreten. Es ist also klar,
dass ein Privatunternehmen unter Umständen vielleicht Wochen, Monate
lang gar nichts zu thun hat, und dann kommen wieder Perioden, wo
sehr starker Andrang stattfindet, und die Anstalt nur ein ungeübtes Perso¬
nal oder nicht vollkommen ausgerüstete Einrichtungen zur Verfügung
hat. Gerade diese Unsicherheit im Geschäfltsumfange bringt es meiner Ueber-
zeugung nach auch mit sich, dass die Desinfectionsanstalten in den Händen
von Privatunternehmern so ausserordentlich schwer reussiren und vielfach
nach einer bestimmten Frist erlahmen und eingehen.
„Theiltman also die Ueberzeugung, dass die weitgehende Benutzung von
Desinfectionsanstalten wirklich Nutzen zu stiften vermag, dass der Gebrauch
dieser Desinfectionsanstalten im Öffentlichen Interesse liegt und zum Schutze
der Ortsangehörigen aus allen Ständen dienen soll, dann kann es nur die Ge¬
meinde sein, die solche Einrichtungen besitzt und zum Vortheil der Gemeinde¬
mitglieder auch unterhält. Die Gemeinde hat nach meiner Meinung, so weit
sie es finanziell zu leisten vermag, die Verpflichtung, da Schutz und Hülfe
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120 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
zu gewähren, wo der Einzelne nicht mehr im Stande ist, sie auszuführen.
Die öffentlichen Desinfectionsanstalten gehören in bestimmtem Grade zur
öffentlichen Krankenpflege. Keine Stadt trägt Bedenken, für den Unter¬
halt und für den Betrieb der Hospitäler grosse Summen aus Gemeinde¬
mitteln zu entnehmen. Die auf die Hospitäler verwandten Unkosten dienen
dazu, den dortselbst behandelten Personen die Gesundheit zu geben. Die
auf die Anlage und den Betrieb von Desinfectionsanstalten verwandten
Unkosten verfolgen aber ein gleiches oder ein ähnliches Ziel; sie sind be¬
stimmt, die Gesundheit der Gesunden zu erhalten und zu verhüten, dass die¬
selben in die Krankenhäuser anfgenommen und daselbst wieder gesund ge¬
macht werden müssen. Eine öffentliche Desinfectionsanstalt ist also in
der That nichts Anderes als ein Vorstadium der öffentlichen Kranken¬
pflege, an Gesunden vorgenommen. Wenn wir einen Beweis von den
humanen Bestrebungen der Neuzeit erbringen sollen, so dürfen wir
auf unsere ausgedehnten Krankenhäuser und auf die ungemein liberale
Benutzung derselben hinweisen. Unsere Krankenhäuser sind thatsächlich
der Zufluchtsort der schworst Erkrankten, sie sind ferner jene Plätze, an
welchen diejenigen untergebracht werden, die sonst eine gedeihliche Pflege
nicht erhalten können, und die Plätze, wo die von ansteckenden Krank¬
heiten Befallenen zusammengebracht werden, um die eigene Umgebung
nicht weiter zu gefährden. Es ist in hohem Maasse beachtenswert!),
welche bedeutende Anzahl von Infectionskranken sich aus dem weiten
Gebiete einer Stadt auf dem kleinen Raume des Krankenhauses sammeln.
Wir finden, dass unsere modernen Hospitäler hierdurch wirklich einem
eminent öffentlichen Interesse dienen. Zahlreiche Infectionskranke werden
von denselben gewissermaassen aufgenommen, concentrirt, so dass jetzt der
Vortheil nicht bloss darin besteht, dass die einzelnen Patienten persönlich
der Spitalbehandlung unterliegen, sondern dass auch verhütet wird, dass die
Patienten andere Kreise gefährden. In einer starken Anhäufung von ver¬
schiedenen Infectionskranken an einem Platze, im Hospital, liegt nun aber
auch eine Steigerung der Gefahr für die Hospitalbediensteten und für die
übrigen Patienten, die in der Anstalt untergebracht sind. Es sind desshalb
auch ganz besondere Schutzmaassregeln speciell in den grösseren Hospi¬
tälern erforderlich; und es erscheint als ein fast unabweisliches Bedürfniss,
dass die grösseren Hospitäler sich mit Desinfectionsanstalten ausrüsten. Ich
glaube, dass kein einziges unserer Hospitäler, welches gegenwärtig solche
Desinfectionseinrichtungen besitzt, auf die fast tägliche Benutzung derselben
verzichten möchte.
„Die in den Hospitälern functionirenden communalen Desinfections¬
anstalten geben nun auch den Beweis, wie einfach und sicher der Betrieb
durch ein geschultes Personal auszuführen ist.
„In den meisten Fällen werden die Desinfectionseinrichtungen des
Hospitals von dem inneren Dienst, wie er durch das Spital selbst bedingt
ist, nicht voll in Anspruch genommen. Wenn eine Stadt in ihrem Hospital
eine Desinfectionsanlage besitzt, so entspricht es nach meiner Auffassung
vollständig dem Princip einer richtigen wirthschaftlichen Verwaltung, die
einmal bestehende Einrichtung nunmehr auch im öffentlichen Interesse aus-
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 121
zunutzen und die Desinfectionseinrichtung des Hospitals, so weit es der Be¬
trieb gestattet, dem Publicum zugänglich zu machen.
„Weitere Stätten, wo die Anwendung der Desinfection sich als ein
wirkliches Bedürfnis darstellt, sind die Gefängnisse der Polizei, die Arbeits¬
häuser, die Asyle für Obdachslose und ähnliche Anstalten. Man hält es
nicht für möglich, in welch verwahrlostem Zustande jene Unglück¬
lichen sich befinden, die, sei es aus eigener Schuld oder durch Noth ge¬
trieben, von einem Orte zum anderen wandern und in den elendesten
Quartieren flüchtigen Aufenthalt nehmen. Bei ihnen ist nicht nur die Des-
infection, sondern auch die Reinigung zu erstreben. Sie wissen, dass in
früherer Zeit als Reinigungsmethoden gegen das Ungeziefer solcher Per¬
sonen die trockene Hitze angewandt wurde, oder die Schwefelkammer,
in welcher bestimmte Mengen von Schwefel zur Verbrennung kamen. Gegen¬
über diesem Verfahren hat aber die Behandlung mit heissem Wasser¬
dampf entschieden grosse Vorzüge, nicht bloss den Vortheil einer raschen
Abtödtung des Ungeziefers, sondern zu gleicher Zeit auch die sichere Mög¬
lichkeit, hochgradig beschmutzte Kleidung zweifellos zu desinficiren.
„Es entsteht die Frage: soll eine Gemeinde für die Benutzung des
von ihr aufgestellten und in Betrieb erhaltenen Desinfectionsapparates
Entschädigung verlangen, oder boII die Benutzung dem Publicum ganz
unentgeltlich freistehen. Ich möchte mich ganz entschieden für den letzteren
Modus aussprechen, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Benutzung
des Apparates nur auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung verlangt
wird. Die Aufstellung eines Tarifs unterliegt ziemlich grossen Schwierig¬
keiten. Es ist kaum möglich, die Gebühr nach dem Gewichte der ein¬
gelieferten Objecte zu bemessen, denn Leibwäsche oder Matratzen kön¬
nen wegen des ungleichen Volumens nicht nach demselben Einheitssätze
berechnet werden. Man verfahrt nun vielfach in der Weise, dass man für
den ganzen auf einmal zu erhitzenden Cubikraum eines Apparates eine be¬
stimmte Benutzungsgebühr aufstellt, welche von demjenigen voll bezahlt
werden muss, der so viel Objecte schickt, dass der ganze Raum in Anspruch
genommen wird. Kleinere Zusendungen, wie Kleider, Säcke, Decken u. s.w.,
bezahlen dann eine entsprechende Theilgebühr. In Leipzig, wo wir zur
Zeit zwei öffentliche Desinfectionsanstalten besitzen, sehen wir, dass nach
dem Volumen der eingesandten Objecte ein Betrag von 1 bis 5 Mark und
zwar letzterer Betrag bei vollständiger Füllung des Apparates gefordert
wird. Es scheint nun an sich begreiflich, dass die Verwaltung für Dienst¬
leistungen, welche sie dritten Personen aus dem Publicum gewährt, auch
eine Entschädigung verlangt. Der Zweck aber dieser öffentlichen Des-
infectionsanstalten beruht nie und nimmer darauf, dass die Gemeinde eine
Einnahme erzielt. Die Anlagen sind gemeinnützige Unternehmungen, ebenso
wie die Strassenbeleuchtung, wie die Herstellung der Wege und Trottoirs,
oder wie die Feuerwehr, welche sämmtlich nur dann einen wahren durch¬
greifenden Vortheil schaffen, wenn sie in ganz liberaler, unbeschränkter
Weise benutzt werden können. Eine öffentliche Desinfectionsanstalt, die
ihren Betrieb in der Art einrichten möchte, dass sie z. B. der armen Be¬
völkerung die Benutzung des Apparates, zwar gegen Bescheinigung von
Seiten der Armenpflege, umsonst gewährt, ausserdem aber Gebühren er*
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122 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
hebt, erreicht nur einen ganz beschränkten, einen höchst unvollkommenen
Erfolg. Wir können sagen, dass eine solche Einrichtung, die gegen Be¬
zahlung arbeitet, auch nur zum kleinen Theil wirklich in dem Umfange
aufgesucht wird, wie es die hygienischen Anforderungen verlangen. Wie
in so vielen anderen Fällen hängt der Erfolg einer Maassregel wie der¬
jenigen der Desiufection, welche in die weiten Schichten der Bevölkerung,
in die Verhältnisse der Privatpersonen hineingreifen soll, davon ab, ob sie
rasch und möglichst in jedem erreichbaren Fall zur Anwendung kommt. Es
ist nun ganz falsch, anzunehmen, dass die Gebührenerhebung, wenn sie auch
keinen hohen Satz erreicht, die allgemeine Benutzung der öffentlichen Des-
infectionsanstalten nicht wesentlich beschränken würde. Wenn für eine
Desinfection auch nur ein Betrag von 2 bis 3 Mark verlangt wird, so steht
diese Summe vielfach nicht im Verhältniss zu d$m Werthe des Objectes, das
desinficirt werden soll, ja wir sehen, dass gerade die werthlosen, recht
schmutzigen, unbrauchbaren Objecte vom hygienischen Standpunkte aus
vielfach eine um so peinlichere Beachtung erfordern, als dieselben
am allermeisten verschleudert und nun von Haus zu Haus gebracht
werden.
„Eine jede Gebührenerhebung nöthigt, wie ich selbst von vielfachen
Seiten weiss, unwillkürlich zu der Abschätzung, ob die ausgeführte Des-
infectiou so viel Gewinn erwarten lässt, als dafür bezahlt werden muss.
Der Anfang des Zögerns ist in der Regel auch der erste Schritt zur voll¬
ständigen Unterlassung. Der Mensch hat einen ganz merkwürdigen fata¬
listischen Zug, eine Gefahr, die er nicht direct sieht, oder die zur Hälfte
schon vorüber ist, nicht zu beachten, zumal eine häufige Erfahrung lehrt,
dass auch die inficirten Objecte durchaus nicht immer zu einer Ansteckung
Veranlassung geben. Es besteht also eine grosse Menge von subjectiven
Gründen, welche dazu dienen, schliesslich sich selbst einzureden, die
Desinfection ist nicht so viel werth, dass man 2, 3 oder 5 Mark bezahlt,
abgesehen von den Unbequemlichkeiten, die mit dem Transport der Gegen¬
stände verbunden sind. Alle Erschwerungen, die durch die Gebührenerhebung
selbst bedingt werden, laufen nach der Richtung hin, dass die Desinfection
unterlassen wird. Nun ist aber klar, dass eine Desinfectionsanstalt nur in
dem Maasse wirklich segensreich für eine Bevölkerung wirkt, als sie mög¬
lichst umfangreich in jedem Falle der Ansteckungsgefahr in Anspruch ge¬
nommen wird. Die mangelnde Körperdisposition erklärt, wesshalb die
directe Uebertragung der Krankheit auf die Umgebung des Patienten häufig
nicht stattfindet, oder wesshalb nur einzelne, wenige Personen der Familie
ergriffen werden. Eine Familie, in welcher z. B. ein Kranker derart dar-
niederliegt, hat gewissermaassen die Feuerprobe der Ansteckungsgefahr
bereits bestanden, während fremde Personen durch Objecte, die aus dieser
Familie stammen, häufig und leichter angesteckt werden können. Sie sehen
also hieraus, dass die Desinfection der inficirten Objecte nicht etwa so
sehr im Interesse der eigenen Familie liegt, die schon durchseucht ist, als
wie im Interesse von dritten, vielleicht ganz fremden Personen, und hier¬
aus leite ich einen weiteren Grund für die Forderung ab, dass die Des¬
infectionsanstalt in der That unentgeltlich zur Benutzung stehen soll, weil
ihre Aufgabe auch darin liegt, fern stehende Dritte zu schützen.
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 123
„Gegen die unentgeltliche Benutzung der Desinfectionseinrichtungen
wird man namentlich den Einwand erheben, dass hierdurch ein maassloser
Zudrang und eine Arbeitsüberhäufung dieser Anstalten zu erwarten steht.
„Wenn eine Gemeinde aber wirklich beabsichtigt, durch Errichtung
einer solchen Anstalt der Ausbreitung von Infectionskrankheiten ent-
gegenzutreten, so wird ja eben das gute Ziel gerade dadurch erreicht, dass
ein solcher Zudrang stattfindet, d. h. eine Häufung in dem Umfange,
dass möglichst wenig Fälle entgehen. Die Benutzung der Desinfections¬
anstalten des Zudranges, der Ueberarbeitung wegen zu erschweren, würde
eben so verkehrt sein, als wenn eine Gemeinde, um die Arbeitsüberhäufung
der Feuerwehr zu verhüten, bestimmen wollte, die Feuerwehr darf jährlich
nur bei einer bestimmten Anzahl von Bränden ausrücken.
„Ein Missbrauch der Desinfectionseinrichtungen kann allerdings statt¬
finden, und zwar dann, wenn Objecte in die Anstalt gebracht werden, welche
nicht desinficirt zu werden brauchen, welche gar nicht inficirt sind. Solche
Fälle treten, wie die Erfahrungen an den beiden Anstalten in Leipzig zeigen,
nicht selten ein. Durch die Behandlung mit heissen Wasserdämpfen er¬
halten nämlich manche recht schlechte und schmutzige Kleidungsstücke
ein viel besseres, reineres und schöneres Aussehen. Offenbar werden durch
die Einwirkung der heissen Dämpfe die Fettmassen, die auf der Oberfläche
der Kleider liegen, geschmolzen und dringen so in das Innere der Capillaren
des Gewebes, so dass der Schmutz sich von der Oberfläche in die Tiefe
des Gewebes vertheilt, und nun das Kleid in der That reinlicher er¬
scheint. Ganz besonders vortheilhaft aber wirken heisse Wasserdämpfe
auf Bettfedern. Die Bettfedern machen in dem Apparate eine bedeutende
Schwankung in ihrem hygroskopischen Zustande durch, ohne dass sie
direct benetzt werden, und erlangen hierdurch wieder ihre frühere elastische
Form. Es werden so z. B. harte, plattgedrückte Federkissen wieder zu
vollen geschwellten Kissen. Die Benutzung der Desinfectionseinrichtungen
an Stelle von Bettfedernreinigungsanstalten ist bei uns häufig versucht
worden.
„Alle solche Missbrauche lassen sich aber sofort leicht und ohne Schwie¬
rigkeiten vermeiden, wenn die unentgeltliche Desinfection in den öffent¬
lichen Anstalten nur auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung erfolgt. Auf
die Beigabe einer ärztlichen Bescheinigung, wie sie auf gedruckt vor¬
gelegten Formularen leicht auszufüllen ist, möchte ich ein grosses Gewicht
legen.
„Dieselbe ermöglicht nämlich, dass auf den Formularen auch die
Bezeichnung der Krankheitsform Platz findet, welche zur Vornahme der Des¬
infection Veranlassung giebt. Indem die Desinfectionsanstalten dem allge¬
meinen öffentlichen Interesse dienen sollen, ist es bei so neuen, sich erst
einbürgernden Einrichtungen sehr wichtig, Aufschlüsse über die Motive
ihrer Benutzung zu erlangen.
„Es hat wahrlich recht wenig Interesse, meine Herren, nur die Zahl der
Füllungen und die Art der Objecte, wie die Stüokzahl der Wäschesäcke, die
Stückzahl der Betten, Matratzen u. s. w. aufzuzeichnen und gar nicht zu
wissen, für welche Krankheitsgruppen denn die Desinfectionsanstalten in
der That in Thätigkeit getreten sind.
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124 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Ich habe bisher nur von der unentgeltlichen Benutzung der com-
munalen Desinfectionsanstalten gesprochen. Ich weiss, dass eine Reihe von
Privatanstalten, die eine strenge und vollständige Organisation besitzen,
z. B. Wohlthätigkeitsanstalten, Militäranstalten, gleichfalls solche Desinfec-
tionseinrichtungen besitzen, dieselben aber nur entsprechend dem eigenen
Bedürfnisse einrichten werden.
„Darüber nun, meine Herren, welche Methode der Desinfection
anzußtreben sei, nach welchem Verfahren die Objecte sterilisirt werden
sollen, habe ich bisher nicht gesprochen. Es kann kein Zweifel bestehen,
dass die Art und Beschaffenheit der Objecte, welche an eine öffentliche
Desinfectionsanstalt abgeliefert werden, die Anwendung von chemisch wir¬
kenden Desinfectionsimtteln überhaupt gänzlich ausschliesst, und dass die
Desinfection mit heissen Wasserdämpfen 1) wegen der leichten Handhabung,
2) wegen der sicheren Wirkungsweise, 3) wegen der Anwendbarkeit in
grossen wie in kleinen Verhältnissen und 4) wegen der billigen Beschaffung
jedes andere Verfahren weit übertrifft.
„Zahlreiche Experimente mit den verschiedenen niederen Organismen
und den widerstandsfähigsten Formen und Arten derselben beweisen, dass
ein kurzes, etwa 15 bis 20 Minuten fortdauerndes Erhitztsein der Objecte
mit heissem Wasserdampf das Leben in denselben vollständig vernichtet.
Sie verstehen also, dass nicht der Desinfectionsapparat, sondern nur der
heisse Wasserdampf das Wirksame hierbei ist. Alle Apparate und alle
Einrichtungen dienen nur dazu, resp. sollen nur dazu dienen, dass die Ob¬
jecte der vollkommen andauernden Wirkung der heissen Wasserdämpfe
unterliegen. Jeder Apparat hat also folgende Anforderungen zu erfüllen:
1) er muss eine ausreichend grosse Wasserdampfmenge liefern, er muss so
viel Dampf zu entwickeln vermögen, dass der Innenraum stets in allen
seinen Theilen mit dem heissen Dampf erfüllt ist; 2) müssen die Objecte
so gelagert und so beschaffen sein, dass der heisse Wasserdampf sicher
und rasch bis in das Innere derselben einzudringen vermag.
„Besonders ungünstig wirkt nun jede stärkere Durchnässung der Ob¬
jecte, z. B. der Betten, der Matratzen. Der Erfolg wird hierdurch ausser¬
ordentlich unsicher, weil die Hitze in die nassen Objecte nur sehr langsam
und allmälig eindringt, und somit gar nicht im Voraus zu bestimmen ist,
in welcher Frist nun wirklich die Hitze und die heissen Wasserdämpfe
bis in das Innere des nassen Objectes eingedrungen sind. Darum ist es
ein grosser Fehler, wenn die Apparate selbst Spritzwasser oder Condens-
wasser bilden, das von oben herunterträufelt oder von unten in die Höhe
spritzt und dadurch die Objecte so durchnässt, dass eine sichere Berechnung
des Desinfectionserfolge8 nicht mehr möglich ist.
„In These 4 ist als Desinficiens der strömende gespannte Wasser¬
dampf empfohlen. Nach Rücksprache mit dem Herrn Correferenten, Kreis-
physicus Dr. Jacoby bitten wir, das Wort „gespannte“ in Wegfall zu
bringen. Für die Zwecke der Desinfection ist gespannter Dampf, d. h.
Dampf, der eine höhere Temperatur besitzt, als der Siedetemperatur des
Wassers bei normalem Luftdruck entspricht, nicht nöthig. Die Apparate,
welche ausreichend Wasserdampf von einer frei kochenden Wasserfläche
nehmen, wirken ebenso günstig, ebenso sicher.
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 125
„Es giebt mehrfache Constructionen und Grössen von solchen Appa¬
raten, welche mit heissem Wasserdampf, gespannt und nicht gespannt, arbeiten.
Sie sind zum Theil auch patentirt. Hierzu gehören die zuerst in die Praxis
ein geführten Apparate von Schimmel u. Comp, in Chemnitz, die sehr treff¬
lich ausgeführten Apparate von Henneberg, die Apparate von Käuffer.
Die Anwendung von gespanntem Wasserdampf zwingt, complicirtere und
dann auch kostspieligere Constructionen zu wählen, als sie bei dem ge¬
wöhnlichen heissen Wasserdampf erforderlich sind. Im Interesse einer
möglichst allseitigen Einführung der Desinfectionsapparate liegt es aber,
dass die Preise derselben nicht zu erheblich werden, und in derThat sehen
wir, dass die Techniker bereits eifrig bemüht sind, durch Vereinfachung
der Construction auch billigere Apparate herzustellen. Hierbei brauchen
wir nicht zu befürchten, dass die neuen Apparate weniger zuverlässig
sind, nach dem Motto, billig und schlecht, denn nicht der Apparat, sondern
der Wasserdampf, der recht billig zu beschaffen ist, ist es, welcher desinficirt.
„Es ist in einem jeden Falle sehr leicht, einen fertig gelieferten
Apparat auf seine Leistungsfähigkeit zu prüfen, und wir müssen desshalb
gerade als Vorbedingung aussprechen, dass bei einem jeden Apparate vorerst
durch geeignete Prüfungsobjecte in ganz exacter Weise bestimmt wird, in
welcher Zeit eine absolut sichere Desinficirung, eine Vernichtung der Keime
erreicht wird, um hieraus die Vorschriften für die Bedienung des Apparates
geben zu können.
„Mein verehrter Herr Correferent beabsichtigt nun, über die Controle,
über den Betrieb und über die Aufstellung solcher Anlagen in den Gemeinden
weitere Mittheilungen zu geben.
„Ich möchte zum Schluss nur betonen, dass auch die besten Desin¬
fectionsapparate durchaus nicht etwa Universalmittel gegen das Auftreten
von Epidemieen oder Infectionskrankheiten sind. Der Erfolg wächst aber,
je mehr deren Benutzung erleichtert wird, und je häufiger und umfassender
sie bei geeigneten Krankheiten auch in Anwendung gezogen werden.
Correferent: Bezirksphysicus Dr. Jacob! (Breslau):
„Meine hochgeehrten Herren! Es ist eine brennende Frage, welche
wir zu behandeln haben. Ich als Sanitätsbeamter weiss, in welcher Ver¬
legenheit wir uns befinden, nachdem die bisher meist üblichen Methoden
der Desinfection ebenso wie die bisher meistens gebrauchten Desinfections¬
apparate durch die wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten sechs
Jahre als ausserordentlich unsicher und theilweise ganz unwirksam erkannt
worden sind. Es ist nun nicht bloss eine unnütze Belastung und Belästi¬
gung, eine unnütze Erhöhung der Kosten, nicht bloss ein Einwiegen in
falsche Sicherheit mit solchen unsicheren Apparaten und Verfahren ver¬
bunden, sondern es besteht auch die directe Gefahr einer Infection, wenn
ein unsicherer Desinfectionsapparat vom Publicum benutzt wird, wenn also
z. B. Jemand, der wegen Tuberculose Effecten desinficiren lassen will, durch
einen Apparat, der nicht genügend desinficirt, andere KrankheitsBtoffe mit
in sein Haus bekommt.
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126 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
„Ich möchte mir doch erlauben, noch mit einigen Worten zu begründen,
warum besondere Desinfectionsanstalten nöthigsind; denn man könnte
ja sagen, am besten und bequemsten wäre es, innerhalb der Krankenräume
selbst zu desinficiren. Am einfachsten wäre es zweifellos, innerhalb des
Zimmers selbst Mittel anzuwenden, welche den Raum und die Effecten
innerhalb desselben gleichzeitig derartig beeinflussen, dass alle vorfindlichen
Krankheitsstoffe zerstört werden. Nun, meine Herren, das hat sich leider
als nicht möglich herausgestellt. Die früher viel gebrauchte schweflige
Säure ist in ihrer Unwirksamkeit, selbst bei stärksten Graden der Anwen¬
dung, längst erkannt. Viel besser wirkt Chlor; aber wenn wir selbst
Fenster und Thüren vollkommen dichten und das Chlor in der Quantität
anwenden, dass bereits die Stoffe, die im Zimmer vorhanden sind, ausser¬
ordentlich geschädigt werden, ist die Wirksamkeit immer noch eine unge¬
nügende. Ein mittelgrosBes Zimmer von etwa 50 cbm Rauminhalt würde
mindestens beanspruchen, dass wir 12 kg Chlorkalk verwenden und 17 1 / 3 hg
Salzsäure darauf giessen, was, nebenbei bemerkt, etwa 7 l /-j Mark kostet.
Hierdurch werden die Sachen schon in hohem Grade angegriffen. Die
Desinfectoren müssen sich beeilen, das Zimmer zu verlassen, um nicht selbst
an ihrer Gesundheit Schaden zu erleiden, und die Einwirkung ist trotzdem
nicht eine derartige, dass die Krankheitskeime im Staube, in den Fugen
des Fussbodens, in den Falten der Tapeten oder gar innerhalb der Matratzen,
der Kleider, der Betten und WäBche von dem Mittel getroffen werden.
Neuerdings ist von Prof. König in Göttingen eine Sublimaträucherung der
Krankenzimmer empfohlen worden, allein bald nachher wurde in verschie¬
denen Laboratorien in Göttingen und Berlin nachgewiesen, dass selbst die
Sublimatdämpfe nicht im Stande sind, ein Krankenzimmer mit den darin
befindlichen Effecten vollständig zu desinficiren. Man hat dann noch eine
Art von Dampfspray, gemischt mit desinficiren den Flüssigkeiten, empfohlen,
einen Dampfspray, den man in die Fugen, Winkel u. s. w. hineinleiten
kann, aber es ist nicht erwiesen und recht zweifelhaft, ob auf diese Weise
eine sichere Desinfection ermöglicht wird. Es erscheint überhaupt nach Allem,
was bisher bekannt ist, nicht möglich, einen Raum mit seinen Effeoten zu
desinficiren. Wenn ein Zimmer zum Krankheitsheerde geworden ist, wenn
eine Reihe von schweren infectiösen Krankheitsfällen in einem solchen Zim¬
mer aufgetreten ist, so wird man in manchen Fällen, wenn man sicher des¬
inficiren will, wohl dazu schreiten müssen, den Fussboden aufzureissen, den
Fehlboden vollständig zu entfernen, die Tapeten abzunehmen, frisch zu
tünchen u. s. w., weil Tapeten, Fehlböden, Fussböden anders gar nicht zu
desinficiren sind.
„Nun aber die Effecten, Wäsche, Betten, die im Zimmer vorhanden
sind! Man könnte da sagen, — und das ist bei manchen Krankheitsfor¬
men wahrscheinlich ausreichend — : man bringe die Wäsche in gewisse
desinficirende Flüssigkeiten. Es ist besonders Sublimatlösung und Carbol-
lösung dazu empfohlen. Nun, zweifellos ist SublimatlöBung ein ausser¬
ordentlich kräftiges Desinficiens. Aber man sollte doch Bedenken tragen,
dies schwere Gift dem Publicum so frei zu empfehlen. Ich halte es für
unmöglich, die Sublimatdesinfection ohne strenge Controle, ohne sachver¬
ständige fortwährende Aufsicht vorzunehmen. Die Carbollösung ist in ihrer
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Moderne Desinfectionstechuik und Desinfectionsanstalten. 127
Wirksamkeit noch immer weit überschätzt. Es genügt, darauf hinzuweisen,
dass eine 48stündige Einwirkung einer fünfprocentigen Lösung dazu ge¬
hört, um die Sporen, also die widerstandsfähigeren Krankheitskeime, wirk¬
lich zu zerstören. Es ist demnach auch mit diesen flüssigen Desinfections-
mitteln nicht möglich, genügend im Krankenraume zu desinflciren — mit
wenigen Ausnahmen —, und immer bleiben noch einige Effecten zurück,
wie Kleider, Matratzen, Betten und Polstermöbel, welche auf diese Weise
gar nicht in Angriff genommen werden können.
„Daraus resultirt die absolute Nothwendigkeit, für Apparate zu sorgen,
in welchen die Desinfection Bicher und wirksam ausgeführt werden kann,
und es ist bereits hervorgehoben worden, dass die heissen Wasserdärapfe
von 100° C. und darüber als einzig sicheres Desinficiens in diesen Apparaten
zu betrachten sind. Die Erfahrungen, die aller Orten gesammelt worden
sind, bestätigen, dass die Stoffe mit Ausnahme der Ledersachen durch
diese heissen Wasserdämpfe an sich nicht geschädigt werden. Hier und
da werden empfindliche Farben etwas verwaschen; Pelze und andere
Ledersachen werden allerdings in derartigen Apparaten nicht desinficirt
werden können, weil sie darin schrumpfen, aber in den alten mit trockener
heisser Luft desinficirenden Apparaten war die Desinfection dieser Dinge
ebenfalls nicht möglich. Wie wirksam derartige Apparate mit heissem
Wasserdampf sind, dafür kann ich Ihnen eine Beobachtung aus Schlesien
mittheilen, welche vor einigen Jahren gemacht worden ist. Es bestand
hier in einer kleinen Stadt eine Rosshaarspinnerei, in welcher auch die
Haare von Rindern und Schweineborsten zur Verarbeitung gelangten. Von
1874 bis 1881 kamen nun bei dem kleinen Arbeiterbestande von etwa
50 Mann alljährlich mindestens drei schwere Milzbrandinfectionen vor.
Die Fabrikanten gaben sich alle mögliche Mühe, dieser Infection vorzu¬
beugen, es wurde mit Chlor, mit heisser Luft, mit Carbolsäure, mit
allem Möglichen versucht — vergeblich. Da erschienen die bahnbrechen¬
den Untersuchungen des Reichsgesundheitsamts im Jahre 1881, und so¬
fort wurde ein Dampf kästen aufgestellt, welchen man von heissem Wasser-
dampf durchströmen liess. Von diesem Augenblick an sind diese schweren
Infectionen verschwunden. Nur im Jahre 1883 traten noch zwei leichte
Fälle auf, und es liess sich bestimmt nachweisen, dass diese entstanden
waren, weil die Arbeiter, durch die grosse Sicherheit eingewiegt, einmal
vernachlässigt hatten, die vorgeschriebene Zeit der Einwirkung der Des¬
infection festzuhalten. Aber noch ein Charakteristicum will ich hinzu¬
fügen. Die Fabrikanten waren doch gezwungen, davon abzugehen, und, da
sie die Desinfection nicht aufgeben wollten, eine andere Art der Fabrika¬
tion einzuführen, denn durch die Einwirkung des heiBsen Wasserdampfes
verloren die Haare und Borsten bedeutend an Gewicht, und da die Dampf-
desinfection nicht im ganzen Reich von den Rosshaarspinnereien verlangt
wird, so konnten diese Fabrikanten ihrer Concurrenz wegen des Gewichts¬
verlustes nicht mehr Stich halten.
„Es erscheint bereits als Naturgesetz — so sicher sind die grundlegenden
Untersuchungen—, dass durch heissen strömenden Wasserdampf von 100° C.
nach verhältnissmäsqjg kurzer Einwirkung auch die widerstandsfähigsten
Krankheitskeime zerstört werden. Es ist nur noch von Bedeutung, genau
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128 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
zu wissen und anzugeben, wie lange diese heissen Dämpfe einwirken sollen,
und auch dafür liegt eine grosse Zahl von Untersuchungen vor, nach wel¬
chen es feststeht, dass für zusammengerollte Objecte und Packete, die
trocken sind, mindestens eine Stunde, für voluminöse und für nasse Objecte
mindestens zwei Stunden nöthig sind, damit die heissen Wasserdäropfe die
Objecte vollständig durchdringen und bis in den Mittelpunkt hinein sämmt-
liche Sporen vernichten.
„Es ist neuerdings noch eine Combination der Einwirkung heisser Wasser¬
dämpfe mit trockener Hitze empfohlen worden. Es ist gesagt worden: In diesen
DampfkäBten, welche von heissem Wasserdampf durchströmt werden, werden
die Objecte verhältnissmässig zu nass, weisse Leinwand und andere weisse
Stoffe bekommen gelbe Flecken u. dergl. Wir haben in Breslau seit 1883
ebenfalls einen Daropfdesinfectionsapparat im Polizeigefängniss, und in diesem
haben wir eine solche Combination mit heisser Luft nicht. Man kann diese
starke Durchnässung der Objecte und das Fleckigwerden verhindern, wenn
man das Condenswasser, welches von der Decke herabflicsst, durch eine Schicht
von dickem Filz, zusammengelegten wollenen Tüchern oder Aehnlichero,
welche oberhalb der zu desinficirenden Objecte sich befinden, zurückhält.
„Was nun die Prüfung und die Controle dieser Desinfections-
apparate betrifft, so ist dieselbe ganz unerlässlich. Ich habe mir bereits
erlaubt, darauf hinzuweisen, dass die Zeitdauer der Einwirkung von der
grössten Bedeutung ist. Man muss genau wissen, in welcher Zeit die Tem¬
peratur von 100°C. im ganzen Desinfectionsraume vorhanden ist; die Apparate
verhalten sich bezüglich der Schnelligkeit, mit welcher diese Temperatur
erreicht wird, eben verschieden, selbst gleichartig construirte, denn sie sind
mit der Präcision nicht herzustellen, dass man von vornherein sagen könnte,
hier ist in fünf Minuten eine Temperatuur von 100° C. überall vorhanden,
und es genügt also, die Objecte eine resp. zwei Stunden darin zu belassen.
Das ist dem Techniker unmöglich, und daher muss jedesmal bei der Ab¬
nahme des Apparates geprüft werden, was jeder einzelne Apparat in dieser
Beziehung zu leisten vermag. Eine dauernde Controle ferner ist desshalb
nothwendig, weil erfahrungsgemäss die Bediensteten leicht lässig werden
und in ihrem grossen Vertrauen auf die Kraft des desinficirenden Dampfes
die Abmessung der Zeit weniger streng festhalten. Ganz besonders wichtig
ist diese genaue Beobachtung bei Apparaten, bei denen die Combination
mit trockener Erwärmung stattfindet.
„Die Controle, meine Herren, kann nun nicht immer derartig vorge¬
nommen werden, wie es im wissenschaftlichen Laboratorium geschieht,
dass eine grosse Zahl von Krankheitsstoffen, Milzbrandsporen, Sporen von
Gartenerde u. dergl., in verschiedene Decken eingehülit, in den Apparat
gebracht werden, und dass dann gesehen wird, ob nach der Einwirkung
des Dampfes die Sporen ihre Entwickelungsfähigkeit bewahrt haben oder
nicht. Das ist für den praktischen Gebrauch unmöglich. Der praktische
Gebrauch bedarf zur Controle einfacher physikalischer Apparate, die sicher,
schnell und leicht beurtheilt werden können, und dazu empfehlen sich
zur Zeit nur Thermometer und Manometer.
„Von der grössten Bedeutung ist es bei den öffentlichen Desinfections-
anstalten, dass man verhindert, dass die Effecten des Einen von denen deB
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 129
Anderen inficirt werden. Es ist vor allen Dingen nöthig, eine strenge
Isolirung der zu desinficirenden von den bereits desinficirten Stoffen ein-
treten zn lassen, da ja sonst die Sicherheit für das Publicum auf hört, bei
der Benutzung des Apparats nicht Krankheitsstoffe neu zu bekommen. Es
ist daher nöthig, dass, wenn derartige Anstalten zur DeBinfection für das
Publicum mit Polizeigefängnissen, mit Krankenhäusern u. dergl. verbunden
sind, die Anstalten für die Desinfection der Effecten des Publicums erstens
eine genügende Absonderung vom Krankenhause, vom Polizeigefangniss etc.
haben, und dass zweitens verschiedene Ein- und Ausgänge für den Trans¬
port der zu desinficirenden und bereits desinficirten Objecte vorhanden
sind. Es müssen bestimmte, getrennte Aufbewahrungsräume vorgesehen,
es muss ferner dafür gesorgt sein, dass in bestimmten und verschiedenen
Transportgeräthschaften die desinficirten und die zu desinficirenden Objecte
transportirt werden.
„Es ist dann noch in These 6 gesagt: ,Es ist zweckmässig, mit der Des-
infectionsanstalt eine Einrichtung für Wannenbäder zu verbinden. 1 Das,
meine Herren, empfiehlt sich desshalb, weil zunächst die Desinfectoren selbst
die Gelegenheit haben müssen, sich nach der Desinfection baden zu können,
weil ferner Fälle Vorkommen, wo nach Evacuation eines inficirten Raumes
nicht bloss die Effecten, sondern auch die Personen gereinigt werden sollen,
und weil es da das einfachste ist, neben der Desinfection der Effecten in
einem Dampf kasten gleichzeitig die zu desinficirenden Personen in Wannen¬
bädern, möglichst sorgfältig sich reinigen zu lassen. Die Desinfectoren
sind übrigens nicht unbedeutenden Gefahren ausgesetzt, wie wir es hier in
Breslau kennen gelernt haben. Bei einer kleinen Epidemie von Flecktyphus
im Jahre 1883 waren die ersten beiden Opfer der Epidemie gerade die
beiden Desinfectoren, welche unseren Apparat bedienten, und wir haben
seitdem die Einrichtung getroffen, dass diese Leute besondere AnstaltBklei-
dung, und zwar Leinwandkittel, während der Desinfection tragen, dass sie
sich die Hände nach der Desinfection mit Sublimat waschen, und dass sie
während der Desinfection selbst Watterespiratoren vor dem Munde haben,
die leicht erneuert werden können.
„Wir haben einen Apparat bei uns, der mit gespanntem Dampf von
110°C. beschickt wird. Ein solcher würde sich überall dort empfehlen,
wo bereits eine Dampfmaschine vorhanden ist. Unser Apparat ist einfach
und verhältnissmässig billig. Derselbe Dampfkessel, welcher den Dampf
für den Desinfectionsapparat liefert, dient gleichzeitig dazu, in wenigen
Minuten das Wasser für die Wannenbäder zu erwärmen. Ueberall also,
wo überhaupt ein Dampfkessel vorhanden ist, glaube ich, wird die Anlage
derartiger Einrichtungen mit gespanntem Dampf vorzuziehen sein.
„Zum.Schluss möchte ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, dass in
der vorliegenden wie in der gesammten Desinfectionsfrage die Einwirkung
der praktischen Aerzte von der allergrössten Bedeutung ist. Während die
Sanitätspolizei erst spät herantritt und nur beschränkte Wirksamkeit hat,
können die behandelnden Aerzte sofort eine richtige Isolirung, Ventilation
und Reinlichkeit veranlassen und dafür sorgen, dass das geschieht, was jede
Desinfection in vielen Fällen unnöthig macht, dass nämlich sämmtliche un¬
reinen Abgänge der Erkrankten möglichst schnell aus der Nähe der Men-
Vi«rt«lj*hntchrift ftlr Gesundheitspflege, 1887. y
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130 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
sehen beseitigt werden, dass der Auswurf nicht auf denFussboden oder auf
Möbel etc. gelangt, dass die schmutzige Wäsche nicht trocken aufbewahrt
wird, dass vielmehr die Wäsche und die Abgänge der Kranken sofort unter
Wasser gebracht und so bis zum Durchkochen oder bis zur definitiven
Desinfection oder Beseitigung unschädlich gemacht werden. Ausser dieser
hochwichtigen Aufgabe aber können die praktischen Aerzte vor Allen auch
darauf hin wirken, dass die öffentlichen Desinfectionsanstalten im Publicum
Vertrauen finden und zur möglichst ausgedehnten Anwendung und richti¬
gen Verwerthung gelangen.“
Es lauten die von den beiden Referenten gemeinschaftlich vorge¬
schlagenen
Thesen:
1.
Anlagen wirksamer Desinfectionseinrichtungen erscheinen als Pflicht
der Gemeinden im öffentlichen Interesse.
2 .
Jede grössere Stadt bedarf einer oder mehrerer stationärer öffent¬
licher Desinfections-Anstalten. Der Anschluss einer solchen an
eine andere communale Anstalt ist zulässig. Für kleine Ortschaften und
ländliche Gemeinden ist seitens der Kreisbehörde die Beschaffung eines
transportablen Desinfections-Apparates vorzusehen.
3.
Die Benutzung der öffentlichen Desinfections-Anstalten ist auf Grund
ärztlicher Bescheinigung unentgeltlich zu gestatten.
4.
Als Desinficiens ist in den öffentlichen Desinfections - Anstalten der
strömende gespannte Wasserdampf zu verwenden. Diese Anstalten
müssen auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft sein und unter sachverständiger
Controle bleiben. Die desinficirten Gegenstände sind von den zu desinfi-
cirenden genügend zu sondern. Die Desinfectoren haben sich durch besondere
Kleidung, Respiratoren und Waschungen vor Ansteckung zu schützen.
6 .
Wahl der Apparate und technischen Einrichtungen hängen von
örtlichen Verhältnissen ab.
6 .
Es ist zweckmässig mit der Desinfections-Anstalt eine Einrichtung für
Wannenbäder zu verbinden.
Der Vorsitzende eröffnet die Discussion und ertheilt das Wort
zunächst Herrn
Dr. Ferdinand Hneppe (Wiesbaden). Derselbe schliesst sich in Bezug
auf das Verlangen der Aufstellung öffentlicher Desinfections-Anstalten den
Referenten vollständig an. Dazu aber sei es nöthig, den Städten, um ihnen
unnöthige kostspielige Versuche zu ersparen, einen Rath an die Hand zu
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 131
geben, welches Princip sie anwenden sollen. Dass die Desinfection mittelst
Dampf zu geschehen habe, darüber bestehe kein Zweifel, wohl aber seien
die Meinungen noch auseinander gehend, in welcher Form man den Dampf
an wenden solle, in gespannter oder strömender Form. Gespannter Dampf
sei bei kleineren Apparaten wohl anzuwenden, vortheilhafter aber sei für
eine sichere Desinfection und für die Integrität der Gegenstände der strö¬
mende Dampf von ca. 100° C. und sei desshalb für neue Anlagen dies
Princip in den Vordergrund zu stellen. Die einfachste Art, so hoch tem-
perirten strömenden Wasserdampf zu erhalten, beruhe in der Dampfent¬
wickelung von einer grösseren Wasserfläche und für kleinere Apparate,
sowie zum Improvisiren von Apparaten, z. B. für Militärzwecke, reiche man
mit dieser Form wohl aus. Für grössere Apparate aber genüge dies
nicht und hier müsse man zu einem combinirten Verfahren greifen, indem
man den Dampf einfach strömen lasse und durch gleichzeitige Anwendung
heisser Luft erhitze. Herrn Director Merke gebühre das grosse Verdienst,
in Verfolgung der diesbezüglichen Untersuchungen im Gesundheitsamts dies
Princip der Combination von strömendem Dampfe in heisser Luft in die
Praxis eingeführt zu haben. • Die heisse Luft, resp. die Ueberhitzung des
Dampfes bringe den sonst nicht genügend temperirten Dampf nicht nur
auf die erforderliche Temperatur von 100° C., sondern sie verleihe dem
Dampfe auch, so zu sagen, eine grössere Geschwindigkeit, welche für das
energische und schnelle Eindringen und Durchdringen der zu desinflcirenden
Gegenstände von grösster Bedeutung sei. Ausserdem aber biete ein solcher
Apparat noch die weiteren Vortheile, einmal, dass man die Gegenstände
trocken vorwärmen könne, was nachweislich für die folgende Desinfection
mit Dampf von grossem Vortheil sei und dann, dass man die desinflcirten
Gegenstände nach Abstellen des Dampfes schnell wieder trocknen könne,
wodurch ihre Brauchbarkeit wesentlich gesichert und ausserdem erreicht
werde, dass die Gegenstände sofort verpackt und verschickt werden können.
Um aller dieser Vortheile willen sei für stabile Apparate grösserer Gemein¬
wesen dies combinirte System am meisten zu empfehlen.
Kreisphysicns Dl\ Freymuth (Danzig) behauptet entgegen den
Ansichten des Herrn Dr. Hu epp e, dass nach seinen Versuchen der einfache
strömende Dampf, oder richtiger ausgedrückt, die einfache feuchte erhitzte
Luft genüge, um eine ausreichende Desinfection zu bewirken. Es sei sehr
wichtig dies festzustellen, da nicht jede Stadt in der Lage sei, so kostbare
Apparate aufzustellen, wie dies Berlin eben gethan habe, wo die Desinfec-
tionsanstalt in der Reichenbergerstrasse rot. 130000 Mark gekostet habe.
Wenn auch eine kleinere Stadt einen so grossen Apparat nicht brauche,
so werde doch auch für sie ein entsprechender Apparat in kleineren Ver¬
hältnissen noch immerhin sehr theuer kommen. Nun habe er früher im
Barrackenlazareth Moabit, ehe der Schimmel’sehe Apparat dort aufgestcllt
worden sei, einen Desinfectionsapparat gesehen, in den Dampf ein-, aber
keiner ausgeströmt sei, in dem also von strömendem Dampf nicht die Rede
gewesen sei, sondern nur von heisser Luft, die mit Dampf nahezu gesättigt
gewesen sei; und dieser Apparat mit feuchter heisser Luft habe besser des-
inficirt als ein solcher mit trockener heisser Luft.
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132 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Von diesem Gedanken ausgehend habe er mit dem Director der Danziger
Gasanstalt, Herrn Kunath, einen Apparat construirt, der aus einer Kammer
bestehe, an der als Appendix ein kleiner Dampfkessel sich befinde, welcher
eine Spannung von 2 bis 2 l / % Atmosphären zulasse. Er habe also ge¬
spannten Dampf und zwar lediglich desswegen, weil dieser eine höhere
Temperatur als 100° C. annehme, auf diese Weise die Kammer rascher er¬
hitze und dadurch das Tropfwasser auf ein Minimum beschränke (Redner
demonstrirt den Apparat im Einzelnen).
Zahlreiche Versuche mit dem Apparat, allerdings nur im Kleinen, haben
ergeben, dass eine sichere Desinfection mit demselben sehr wohl gelinge,
wenn auch in etwas längerer Zeit als mit anderen Apparaten, d. h. nicht in
einer, sondern in l 1 /? Stunde. Dem stehen aber als Vortheile gegenüber,
dass der Apparat noch nicht ein Viertel so viel koste als die anderen Apparate,
dass er leicht handlich und in entsprechenden Dimensionen auch transportabel
sei und dass an Arbeitskraft und ebenso an Raum viel erspart werde.
Oberbürgermeister Merkel (Göttingen) giebt eine durch Zeich¬
nungen erläuterte Beschreibung eines sehr einfachen Desinfectionsapparates,
der sich seit Jahresfrist in Göttingen sehr gut und zur allgemeinsten Zu¬
friedenheit bewährt habe. Derselbe sei unter zu Grundelegung der Er¬
fahrungen, die man mit dem Koch’sehen Apparat in Berlin gemacht habe,
construirt und koste in kleinem Format 190 Mark, in grossem 360 Mark.
In mehreren Exemplaren und in grösseren Dimensionen ausgeführt, eigne
sich dieser Apparat auch für grössere Städte, zumal es zweckmässig sei, die
Desinfection in diesen nicht zu centralisiren, sondern solche Apparate in
verschiedenen Stadttheilen aufzustellen. Ein solcher Apparat*) grösserer
Construction bestehe aus drei Theilen: unten ein grosser runder, kupferner,
durch ein Zuleitungsrohr an die Wasserleitung angeschlossener Wasser¬
kessel, der circa 80 Liter halte und durch zwölf Wobbe’sche Gasbrenner
Nr. 3 geheizt werde. Heber diesem Kessel befinde sich ein 1*40 m hoher
und 80 cm weiter Cylinder von 3 mm starkem verzinktem Eisenblech,
welcher zur Aufnahme der zu desinficirenden Gegenstände diene; geschlossen
werde er dann nach oben, durch einen ebenfalls aus verzinktem Eisenblech
hergestellten spitzen Hut. Diese drei Theile seien lose auf einander gestellt
der Art, dass der untere Rand des einen Theiles in die mit Wasser gefüllte
Rinne am oberen Ende des darunter befindlichen Theiles eintauche; sämmt-
liehe drei Theile seien zur Vermeidung von Wärmeverlust mit einem 1 cm
starken Ueberzuge von Kieselguhr-Composition versehen, welche durch eine
Drahtgazeumhüllung festgehalten werde. Die zu desinficirenden Gegen¬
stände werden nun in einen cylindrischen, 95 cm hohen, aus verzinktem
Eisendraht hergestellten Korb gethan, dessen innere Mantelfläche mit Wachs¬
leinewand belegt sei, und dieser Korb werde dann von oben, nach Abnahme
des Hutes mittelst eines einfachen Flaschenzuges in den Desinfectionscylinder
eingesetzt. Ein schmaler, zwischen dem Korbe und dem Mantel des Cy-
*) Eine genaue, mit Abbildungen versehene Beschreibung der ganzen Einrichtung
„Desinfectionsanstalt der Stadt Göttingen“ wird auf Anfrage von Herrn Oberbürger¬
meister Merkel gern zugesandt.
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1 Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 133
lindere verbleibender Zwischenraum gestatte das Hinabrieseln des im Hute
condensirten Wasserdampfes, ohne dass dadurch die zu desinficirenden
Gegenstände nass werden.
Die Wirkung des Apparates nun geschehe in der Weise, dass der
Dampf aus dem geheizten Kessel aufsteigend, nicht unter Spannung und
Druck, durch die zu desinficirenden Gegenstände durchdringe und oben am
Hute durch ein schmales Ableitungsrohr ausströme. Die Einsenkung des
Korbes mit den zu desinficirenden Gegenständen geschehe, sobald ein im
Hute angebrachtes Thermometer 100° C. zeige, und erfordere die vollständige
Sterilisirung der Gegenstände etwa drei Viertel Stunde. Nach den von
Herrn Prof. Flügge angeBtellten Versuchen mit den verschiedensten Arten
Bacterien und Infectionskeimen sei eine sichere Tödtung der Keime in der
angegebenen Zeit stets erfolgt.
Ein solcher Apparat sei in Gottingen in einem Raume neben dem
Hospital aufgestellt und werde von zwei Leuten bedient. Die Benutzung
für das Publicum sei aber nicht, wie es der Herr Referent verlange, unent¬
geltlich, sondern gegen Bezahlung nach einem bestimmten Tarif, der beim
Publicum auf keinerlei Widerspruch gestossen sei. Wer Typhus, Diph¬
therie, Tuberculose im Hause gehabt habe, sei glücklich, für 5 bis 20 Mark
die inficirten Betten, Wäsche etc. desinficirt zu erhalten. Selbstverständlich
geschehe die Desinfection unentgeltlich für alle Armen gegen physcats-
ärztliche Bescheinigung. Aber bei wohlhabenden, bei reichen Leuten die
Desinfection unentgeltlich vorzunehmen, dafür liege doch wahrlich kein
Grund vor, zumal die Ausgaben, namentlich bei einer grösseren Gemeinde
und einer doch zu erstrebenden möglichst reichlichen Benutzung sehr be¬
deutende seien. Desshalb werde er auch gegen die in den Thesen auf¬
gestellte Forderung der „unentgeltlichen“ Benutzung stimmen, so sehr er
sonst auch mit den Thesen übereinstimme.
Professor Dr. Hermann Cohn (Breslau) findet, dass die Herren
Referenten nur auf Betten, Wäsche u. dergl. Rücksicht genommen, dabei
aber einen wichtigen Uebertrager von Infectionskrankheiten noch unerwähnt
gelassen haben, das Papier. Es sei bekannt, dass die Masern durch einen
einzigen Brief auf die Fidjiinseln gebracht worden seien und bei den dor¬
tigen Eingeborenen, zu denen bis dahin niemals Masern gekommen seien,
gewaltige Verheerungen angerichtet haben. Ebenso seien Fälle festgestellt,
wo Personen an Scharlach und Diphterie erkrankt seien, die Esswaaren
genossen, die in Papier eingepackt gewesen seien, das in einer Scharlach-
stube gelegen habe. Aus diesen Gründen sei das Bestreben gerechtfertigt,
auch die Schulbücher möglichst zu desinficiren. Dies habe bisher
mancherlei Schwierigkeiten gehabt. Nachdem aber jetzt der Herr Correferent
mitgetheilt habe, dass bei der Behandlung mit heissen Dämpfen Bücher
ebenfalls vollkommen unversehrt und gut desinficirt aus dem Kasten heraus¬
genommen werden, sei es Pflicht, die Schulbücher und Effecten der an
Scharlach erkrankten Kinder, die gewiss Ueberträger der Krankheit sein
können, stets desinficiren zu lassen.
Referent Professor Dr. Franz Hofmann erwähnt, dass die von
Herrn Dr. Hueppe hervorgehobenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten der
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134 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
Desinfection mit gespanntem Wasserdampf sowohl wie mit heissem Wasser¬
dampf ohne Spannung und die darauf gegründete Forderung des combi-
nirten Systems, in gewissem Widerspruch zu stehen scheinen mit seinen
und des Herrn Correferenten Mittheilungen. Und doch bestehe zwischen
den Thesen und den Ausführungen des Herrn Hueppe gar kein Widerspruch,
eine Klarstellung aber scheine ihm erforderlich.
In These 4 werde direct ausgesprochen und betont, dass die sichere
Desinfectionswirkung, wie auch vom Herrn Geheimrath Dr. Koch früher
berichtet worden sei, durch den strömenden Wasserdampf vermittelt werde.
Es sei klar, wenn man in einen geschlossenen Apparat gespannten oder
nicht gespannten Wasserdampf einleite» ohne dass er entsprechend ent¬
weichen und ausströmen könne, dass dann in diesem Falle eine allseitige
Durchhitzung des Raumes, eine vollständige Vertheilung der Wärme im
Raume und in den eingehängten Objecten mit grossem Zeitaufwande, mit
Schwierigkeiten und Zufälligkeiten verbunden sei. Eine ungleichmässige
und oftmals ungenügende Hitze vertheilung trete hierbei je nach den Um¬
hüllungen, den Dimensionen und dem Kältegrad des Apparates, je nach der
Natur der Objecte, ganz ähnlich auf, wie z. B. in diesem Versammlungs¬
räume, in welchem wegen der geschlossenen Fenster sich die Temperatur,
der Wasserreichthum in den oberen und unteren Schichten des Raumes
höchst ungleich verhalte. Auf dieser ungleichen Wärme vertheilung im
Desinfectionsraume des Herrn Dr. Freimuth scheinen auch die unsicheren
DeBinfectionsresultate s?u beruhen, bei welchen trotz Anwendung gespannten
Wasserdampfes die Milzbrandsporen erst nach 5 / 4 und l 1 /* Stunden ab-
getödtet worden seien. Der Apparat besitze offenbar nicht die Construktion,
dass eine genügende Strömung des Wasserdampfes und eine sichere und
rasche Durchwärmung der Objecte eintrete, der Apparat leide an dem Fehler
der Dampfstagnation.
Erste Bedingung eines wirksamen Desinfectionsapparates sei, dass der
Constructeur denselben so ausarbeite, dass in ihm eine reichliche Menge
Wasserdampf in allen Theilen und Buchten sich bewege. Unter dieser
Voraussetzung sei es denn für den Erfolg der Desinfection gleichgültig, ob
der Wasserdampf in gespanntem oder nicht gespanntem Zustande in den
Apparat eintrete. Es beruhen z. B. die von Henneberg in jüngster Zeit
durch Beschreibung und Preiscourant bekannt gemachten Desinfections-
apparate darauf, dass sich aus kochendem Wasser nicht gespannter Wasser¬
dampf entwickele. Herr Regierungsrath Dr. Wolffhügel habe mit diesen
Apparaten Versuche ausgeführt, und ganz sichere und zuverlässige Des¬
infection erzielt.
Der Desinfectionsapparat des Herrn Oberbürgermeister Merkel aus
Göttingen zeige nach der gegebenen Zeichnung und Beschreibung grosse
Aehnlichkeit, ja Uebereinstimmung mit demjenigen Apparate, mit welchem
Herr Geheimrath Dr. Koch, Dr. Gaffky und Dr. Löffler 1 ) die ent¬
scheidenden Desinfectionsversuche mit heissen Wasserdäropfen ausgeführt
haben, bei welchen gleichfalls jede Spannung gefehlt habe. Er sei der
sogenannte Koch’sche Sterilisirungsapparat, mit welchem die zahlreichen
*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, I. Bd, 1881, S. 322.
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 135
Desinfectionen in den Laboratorien seit Langem vorgenommen werden, nur
in grösseren Dimensionen angefertigt.
Herr Oberbürgermeistef Merkel spreche sich nun direct dagegen aus,
dass man in öffentlichen Desinfectionsanstalten die Desinfection principiell
unentgeltlich gestatte. Er weise darauf hin, dass z. B. einzelne Familien,
die ein oder mehrere Familienmitglieder an Infectionskrankheiten, Diph¬
therie u. s. w. verloren haben, gerne bereit seien, 10 oder 20 Mark für die
Yornahme der Desinfection zu bezahlen. Das werde gewiss in Göttingen
wie in jeder Stadt Vorkommen, aber der Zweck der öffentlichen und städti¬
schen Desinfectionsanstalten liege doch nicht darin, der Gemeinde Einnahme
zu schaffen, sondern eine möglichst allgemeine und vielseitige Verwendung
und Benutzung zu finden. Der Herr Oberbürgermeister gebe selbst zu,
dass die Anschaffungs- wie Verzinsungskosten der Apparate relativ uner¬
heblich seien, auch die Anforderungen bezüglich des Bedienungspersonales
seien nicht grosse. In Leipzig reiche man in den beiden öffentlichen An¬
stalten mit je einem Manne aus, welcher ausserdem anderweitig beschäftigt
werde, da die Apparate in dem Hospitale und in der Gefangenenanstalt auf¬
gestellt worden seien. Aber das vom hygienischen Interesse getragene
Bestreben, wie auch das Bestreben jeder Verwaltung müsse dahin gehen,
dass die Bevölkerung eines Ortes nicht etwa aus financiellen Bedenken, aus
erschwerenden, umständlichen Benutzungsformalitäten, aus Nachlässigkeit
oder Gleichgültigkeit abgehalten werde, die zu desinficirenden Objecte in
die einmal errichteten Anstalten zu senden. Nicht etwa nur die wirklich
Armen, denen vielfach freie ärztliche Behandlung, Medicamente und Unter¬
stützung zu Gebote stehe, sondern viel weitere Bevölkerungskreise seien in
Zeiten der Krankheit auf Sparsamkeit angewiesen. Desinfectionseinrich-
tungen und Apparate, welche aus den Mitteln der Gemeinden angekauft
worden seien, welche einem öffentlichen Zwecke dienen sollen, nämlich der
Verbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung entgegenzuwirken, seien
entschieden als gemeinnützige Unternehmen aufzufassen, ebenso wie die
Gasbeleuchtung auf den Strassen, an deren Kosten sich jeder nach seiner
Steuerkraft betheilige, gleichviel, ob er Abends auf die Strasse gehe oder
nicht. Eine Gemeinde, die so arm sei oder zu sein glaube, dass sie die
Betriebskosten der aus den öffentlichen Mitteln errichteten Desinfections-
einrichtung nicht mehr zu bestreiten vermöge, solle dann in anderer Weise
sparen, z. B. die Gaslaternen eine Stunde früher auslöschen oder bei anderen
minder wichtigen Gelegenheiten eine Mehrausgabe vermeiden. Die Ein¬
richtung von Desinfectionsanstalten könne nur dann einem öffentlichen
Interesse dienen, wenn sie möglichst allgemein benutzt werde und wer sich
daran betheilige, durch Vernichtung des Contagiums die Verbreitung der
Krankheiten auf weitere Kreise zu verhüten, verdiene hierfür eher noch
eine Prämie.
Kranbenhansdirector Merke l ) (Berlin). „Meine Herren. Es ist
nicht meine Absicht, mich für oder wider die Zweckmässigkeit der hier
1 ) Herr Director Merke hat auf Wunsch der Versammlung die Güte gehabt
seine wegen Kürze der Zeit wesentlich beschränkten Mittheilungen ausführlich für den
Bericht auszuarbeiten.
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136 XIII. Versammlung d. D. Vereins r. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
bekannt gewordenen Desinfectionsapparate auszulassen; ich will Ihnen nur
meine Ansichten mittheilea über die Anforderungen, welche man an die
Leistungsfähigkeit eines Desinfectionsapparatea oder vielmehr einer Des-
infectionsanstalt stellen soll und welche Bedingungen man den Lieferanten
von Desinfectionsapparaten zu stellen hat.
„Bevor ich hierauf näher eingehe, wende ich mich gegen eine Aus¬
führung des Herrn Freymuth, nach welcher, wenn ich ihn recht verstan¬
den habe, es ihm nicht möglich erscheint, dass bei den von Guttmann
und mir in der Berliner DesinfectionsanBtalt vorgenommenen Desinfections-
versuchen die neben dem elektrischen Thermometer liegenden Maximal¬
thermometer erst 90° zeigten, während das erstere, das auf 100° eingestellt
war, bereits diesen Temperaturgrad erreicht hatte. Ich beziehe mich dem
gegenüber auf die bezüglichen ausführlichen Mittheilungen in meiner Publi-
cation über ,Die erste öffentliche Desinfectionsanstaltder Stadt Berlin 1 und halte
an dem darin ausgesprochenen Satze fest: dass bei der Prüfung eines Des-
infectionsapparates das Läuten eines elektrischen Thermometers nicht immer
ein sicherer Beweis dafür ist, dass auch in der unmittelbaren Umgebung
des Thermometers der gemeldete Temperaturgrad schon erreicht ist.
„Herrn Professor Hoffmann, welcher für die unentgeltliche Be¬
nutzung der öffentlichen Desinfectionsanstalten plaidirt hat, will ich ent¬
gegenhalten, dass mit der Errichtung von Desinfectionsanstalten, deren
unentgeltliche Benutzung im Belieben des Publicuros steht, allein nicht
alles das erreicht werden kann, was Herr Professor Hoffmann, wie ich
glaube, dabei verlangt: nämlich dass das betheiligte Publicum auch wirklich
die Gelegenheit zu der Desinfection von inficirten Sachen in jedem Falle
benutzen wird. Soll der Verschleppung von ansteckenden Krankheiten und
namentlich in Epidemiezeiten durch Desinfection erfolgreich entgegen¬
getreten werden, dann giebt es nur einen Weg: das ist der Zwang zur
Benutzung der Desinfectionsgelegenheit. So hart eine solche Maassregel
auch erscheinen mag, ebenso nützlich würde sie in ihrer Wirkung sein.
„Was nun die Anforderungen, welche man an die Leistungsfähigkeit
einer öffentlichen Desinfectionsanstalt stellen soll, anbetrifft, so möchte ich
darauf aufmerksam machen, dass die Leistungen einer solchen Anstalt ab¬
hängig sind von der Zahl der Einwohner, für welche die Desinfections¬
gelegenheit geschaffen werden soll, vor Allem aber von der Anzahl deijenigen
Erkrankungsfälle, bei denen die Desinfectionsanstalt in Benutzung gezogen
werden muss; z. B. bei einer Choleraepidemie. Die Zahl der Erkrankten
gewährt den Anhaltepunkt für eine Berechnung über die Grösse etc. der
einzurichtenden Anstalt. Nach den Beobachtungen, welche ich in meiner
Stellung vielfach zu machen Gelegenheit hatte, kommen auf den einzelnen
Erkrankungsfall im Durchschnitt etwa 3 cbm Raumbedarf für zu des-
inficirende Gegenstände — auf dem platten Lande wird es wohl weniger,
etwa zwei Raummeter sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die über¬
wiegende Zahl der zur Desinfection gelangenden Gegenstände entweder
cubisch geformt ist, oder, wie Federbetten z. B., eine horizontale Lagerung
in der Desinfectionskammer bedingen; hieraus ergiebt sich die Forderung,
dass Apparate für öffentliche Desinfectionsanstalten eine cubische Form
haben müssen.
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 137
„Wenn nun in einer Stadt, z. B. Berlin, öffentliche Desinfections¬
anstalten errichtet werden sollen, deren Thätigkeit nicht bloss für gewöhn¬
liche, sondern auch für Epidemiezeiten in Betracht gezogen werden soll,
so würde sich eine ungefähre Berechnung für die Grösse und Zahl der Des-
infectionsapparate wie folgt stellen:
„Berlin zählte im Jahre 1866 658071 Einwohner. Die damals in den
Monaten Juni bis November herrschende Choleraepidemie wüthete am hef¬
tigsten im Juli. Es erkrankten in diesem einen Monat 4819 Personen,
durchschnittlich täglich also 160. Die höchste Zahl der an einem Tage
Erkrankten schwankte zwischen 190 und 219. Da man der Vorsicht wegen
stets die höchste Zahl für Berechnungen wie die folgende anzunehmen hat,
so würde sich das Exempel wie folgt stellen:
219 Erkrankungsfalle X 3 cbm = 654 cbm Desinfectionsraum.
„Da Berlin inzwischen um das Doppelte an Einwohnerzahl zugenommen
hat, so würden die an einem Tage zu desinffcirenden Gegenstände einen
Raum von rund 1300 cbm beanspruchen, das sind, wenn ich Ihnen diese
Zahl in Möbelfuhren umrechne — ich habe dabei die wohl überall bekann¬
ten grossen Möbelwagen im Auge — 50 Fuhren Sachen!
„Hieraus wollen Sie entnehmen, dass eine Anstalt gar nicht ausrei¬
chen würde, solchen Anforderungen zu genügen, man wird deren mehrere
etabliren müssen. Nun folgt die Frage: wie viel Apparate beziehungsweise
in welcher Grösse sind erforderlich, um ein solches Quantum Sachen an
einem Tage reinigen zu können. Da die Stadt Berlin bereits eine grosse
öffentliche Desinfectionsanstalt errichtet hat, so fallt es mir nicht schwer,
das Exempel zu Ende zu führen. 1300 cbm Raumbedarf auf 24 Stunden
vertheilt, ergiebt pro Stunde rot. 55 cbm. Die Berliner Apparate haben ein
jeder 4*5 cbm benutzbaren Raum. Die Desinfection ist einschliesslich Ein-
und Ausladen der Effecten in 50 Minuten bewirkt. Da e i n Apparat in der
angegebenen Zeit 4*5 cbm Raum gewährt, so würden bei 55 cbm pro Stunde
zwölf solcher Apparate in Betrieb zu halten sein.
„Man wird, meine ich, nicht fehl greifen, wenn man die vorstehende
Berechnung bei etwaiger Einrichtung von öffentlichen Desinfectionsanstalten
für Landgemeinden in Betracht zieht. Nehmen wir an, es handelt sich um
die Errichtung einer öffentlichen Desinfectionsanstalt für einen Kreis mit
100 000 Einwohnern. Für diese Zahl würde ein Desinfectionsapparat von
drei Raummetern schon genügen; freilich müsste, meiner Meinung nach,
dieser Apparat ein transportabler und die Leistungsfähigkeit desselben mit
einer Stunde pro Charge Bedingung sein. Eine solche Leistungsfähigkeit
ist aber, wie ich glaube, nur zu erzielen, wenn, bei gehöriger Vorwärmung
des Apparates, als Desinüciens gespannte strömende Wasserdämpfe
zur Anwendung kommen, welche vermöge ihrer ausserordentlichen Geschwin¬
digkeit, mit der sie den Apparat durchströmen, sowie der verhältnissmässig
hohen Temperatur, mit der sie einBtrömen, die eintretenden grossen
Wärme Verluste in ausserordentlich kurzer Zeit zu decken
vermögen.
„Bei einer solchen Einrichtung würden auch die Kosten für öffentliche
Desinfectionsanstalten relativ geringe werden. Ich nehme an, dass eine
Einrichtung, wie die vorher genannte, für einen Kreis, der bei 100 000 Ein-
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138 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
wohnern etwa 60 Dörfer und kleine Städte hat, 12 000 Mark kosten wird.
Dies macht bei 60 Gemeinden, auf die einzelne Gemeinde 200 Mark,
120 Mark pro tausend Einwohner.
„Solche Einrichtungen würden, wie ich glaube und wie ich dies schon
an anderer Stelle ausgesprochen habe, über das ganze Land verbreitet,
nicht bloss in Epidemiezeiten, sondern zu allen Zeiten ihre segensreichen
Früchte tragen.
„Es würde zu weit führen, wenn ich mich über Einrichtung, Organi¬
sation und Verwaltung solcher Anstalten ausliesse, ich bemerke nur, dass
ich an anderer Stelle mich darüber einmal äussern werde.
„Ich komme nun zu den Bedingungen, welche man den Lieferanten
von Desinfectionsapparaten auferlegen sollte. Ich würde dieselben so for-
muliren:
„Jeder Apparat muss einen verfügbaren Raum von mindestens 3 cbm
haben und muss, sofern es sich um eine stationäre Einrichtung handelt, von
einer Seite be- von der anderen entladen werden können.
„Das erste Anheizen des Apparates (Vorwärmung bis zu 60° C.) darf
nicht länger als eine halbe Stunde Zeit beanspruchen.
„Der Desinfectionsprocess, einschliesslich Anheizen, Be- und Entladen
der Desinfectionsobjecte, muss jedesmal binnen einer Stunde bewirkt werden
und die Desinfection a tempo fortgesetzt werden können.
„Der vollbeladene Apparat beziehungsweise die in ihm unter¬
gebrachten Effecten müssen bei der Desinfection in allen ihren Theilen auf
eine Temperatur von mindestens 100°, nicht über 110°C. gebracht worden
sein. Die höchste Temperatur im Apparate selbst darf 120°C.
(diejenige höchste Temperatur, welcher Stoffe, Wäsche etc., ohne Werth¬
beschädigung zu verursachen, ausgesetzt werden können) nicht übersteigen.
„Der Apparat muss mit einem Manometer versehen sein, welcher den
Druck biszu 1 / i0 Atmosphäre anzeigt. Der höchste Druck im Apparate darf
während des Betriebes nicht unter l / i0 und nicht über Vio Atmosphäre
= 100 beziehungsweise 200 g Belastung für den Quadratcentimeter be¬
tragen.
„Für Erfüllung dieser Vorschriften istCaution zu stellen und Garantie
für die Leistungsfähigkeit des Apparates auf zwei Jahre zu übernehmen.
„Ueber die Bedeutung des Manometers für Apparate mit gespannten
strömenden Dämpfen theile ich noch Folgendes mit:
„Das Manometer hat den Zweck, anzuzeigen, dass im Apparate eine
gleichmässige Dampfvertheilung stattgefunden hat; bei gleichmässiger
Dampfvertheilung ist, wenn das Manometer einen Druck von Vao Atmo¬
sphäre zeigt, die Sicherheit gegeben, dass im Apparate überall eine
Temperatur von mehr als 100° C. vorhanden ist.
„Durch die Anwendung des Manometers wird ferner der Dampfver¬
schwendung vorgebeugt; die letztere kann eintreten, wenn die Abzugsklappe
des Apparates zu weit geöffnet bleibt, wodurch nicht nur ein ungehindertes
Ausströmen des Dampfes zu Stande kommt, sondern auch die Dampfver¬
theilung im Apparate auf einzelne Theile beschränkt bleibt, so dass an ver¬
schiedenen Stellen die erforderlichen Temperaturgrade nicht erreicht werden.
Sind aber die erforderlichen Temperaturgrade im Apparate nicht überall
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Moderne Desinfectionsteclinik und Desinfectionsanstalten. 139
vorhanden, so steht der Zeiger des Manometers auf Null; ein Blick auf den
letzteren genügt also, um zu erkennen, oh der Gang der Desinfection ein
vorschriftsmässiger ist oder nicht. u
Regienwgsrath Dr. Wolffhügel (Berlin) ist der Ansicht, dass der
Begriff „gespannter“ und „nicht gespannter“ Wasserdampf noch
nicht übereinstimmend klar gestellt sei und dass bloss ein Theil der Herren,
welche an der speciellen Bezeichnung „gespannter strömender Wasser¬
dampf“ Anstand nehmen, die Auffassung habe, dass damit nur die mit
Spannung im Apparate, d. h. im Desinfectionsraume befindlichen Dämpfe,
gemeint sein sollten. Aber es sei eben so gut möglich, dass man darunter
Wasserdämpfe verstehe, welche mit Spannung aus einer Rohrleitung, von
einem isolirt stehenden Dampfentwickler kommend, ausströmen, die also in
einem geschlossenen Dampfentwickler in Spannung gehalten seien, ln der
Desinfectionstechnik dürfte man aber überhaupt seit den im Jahre 1881
veröffentlichten Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte vollständig
davon abgekommen sein, es als eine unerlässliche Bedingung zu erachten,
in dem Apparate, im Desinfectionsraume selbst, eine Dampfspannung und
eine höhere Temperatur als die Siedewärme des Wassers zu verlangen.
Desshalb sei es wohl besser, in den Thesen von der näheren Bezeichnung
„gespannte“ ganz abzusehen, weil man eben an diesen Begriff „gespannte
Wasserdämpfe“ die Idee zu knüpfen leicht geneigt sei, dass im Apparat,
in der Desinfectionskammer selbst, eine Spannung sein müsse. Es solle *
also nur von den strömenden Dampf benutzenden Apparaten die Rede sein,
gleichgültig ob dieselben einen isolirten oder mit dem Apparat ein Ganzes
bildenden geschlossenen Dampfentwickler haben, beziehungsweise im An¬
schluss an eine vorhandene Centraldampfheizanlage aufgestellt seien, oder
ob in denselben der Dampf in einem Kessel von einer frei siedenden Wasser¬
fläche aus entwickelt werde, welcher Kessel in unmittelbarem Zusammen¬
hänge mit der Desinfectionskammer stehe. Mit Apparaten der letzteren
Art könne man eben so gut desinficiren, ja man könne sich ein zur Des-
infection geeignetes Geräthe in der mannigfachsten Manier aus den ge¬
ringsten Mitteln improvisiren und damit einen guten Erfolg erzielen, wenn
man nur mit Geduld die Beendigung des Desinfectionsprocesses abwarte
und überhaupt in Hinsicht der Anordnung und Ausführung des Versuches
richtig und mit Verständniss für die Sache verfahre.
Es sei ihm wiederholt in seiner Praxis vorgekommen, dass über Apparate,
deren Construction anerkannt gut sei, geklagt worden sei, dass sie nichts
taugen, indem nach einer längeren Desinfectionsdauer selbst grösseres Un¬
geziefer (Flöhe und Läuse) der Dampfeinwirkung nicht erlegen, vielmehr
in gewohnter Munterkeit und Fröhlichkeit mit den Desinfectionsgegenständen
wieder aus den Desinfectionskammern hervorgegangen sei. Bei näherer
Prüfung der Frage sei er, wie auch die beiden Herren Referenten, zu der
Ueberzeugung gekommen, dass jeder Apparat seine Besonderheiten habe,
und dass es eben so wenig möglich sei, einen Desinfectionsapparat nach
bekanntem Modell mit bekannter Leistungsgeschwindigkeit zu bauen, d. h.
einen Apparat, der genau in der gleichen Zeit das Nämliche leiste. Es sei
ähnlich wie beim Schiffsbau. Man sei beim Schiffsbau nicht gut im Stande,
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nach einem gegebenen Muster ein Schiff zu bauen, bei dem man bestimmt
Voraussagen könne, dass es die gleiche Geschwindigkeit wi$ das Vorbild habe,
wenigstens werde eine solche Nachbildung nur in seltenen Fällen gelingen.
Um nun einen Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, innerhalb welcher
Zeitdauer ein Apparat desinficire, habe er es für nöthig gehalten, zu¬
nächst zu untersuchen i wie lange es dauere, bis die Hitze in die mitten
in dem Apparat befindlichen Gegenstände bei beträchtlicher Anfüllung
desselben eindringe und die Siedetemperatur des Wassers erreiche. Er
halte es also nicht für maassgebend, dass die Temperatur in dem Des-
rafectionsraume auf diese Höhe gestiegen sei, sondern es müsse erwiesen
werden, dass die Hitze auch wirklich bis in das Innere des Gegenstandes
eingedrungen sei. Unter Mitwirkung der Herren Doctoren J. Leist,
R. Heyroth und 0. Riedel, mit welchen er die erwähnten Untersuchungen
über die Leistungen verschiedener Desinfectionsvorrichtungen ausgeführt
habe, habe er an einer grossen Reihe von Infectionserregern die Des-
infectionsdauer bestimmt, also festgestellt, wie lange man die Hitze auf die
Krankheitskeime an und für sich behufs Erzielung einer vollkommenen
Desinfection einwirken lassen müsse. In Anbetracht, dass die eigentliche
Hitzedesinfection aus zwei Vorgängen sich zusammensetze, aus dem Ein¬
dringen der Hitze in das Innere der Gegenstände bis zum Sitze der Krank¬
heitskeime und aus dem Abtödten der letzteren, werde man die für die
beiden Vorgänge ermittelten Werthe bei Ermittelung der Einwirkungsdauer
addiren, also dem Befunde an dem mit Gegenständen beschickten Apparate
noch einen entsprechenden Zuschlag für die Krankheitserreger an und für
sich geben müssen.
Um die- Zeit für den ersten Vorgang zu bestimmen, habe er vor zwei
Jahren, oder schon mehr, das elektrische Gontactthermometer, das so ver¬
schiedene Beurtheilung erfahren habe, in die Untersuchungstechnik ein¬
geführt. Die Idee, wie er sie dabei gehabt habe und noch habe, sei noch
nicht in weitere Kreise durchgedrungen, aus dem Grunde, weil die be¬
züglichen Arbeiten noch nicht veröffentlicht worden seien; wie bei allen
derartigen Instrumenten ergebe allerdings die experimentelle Erfahrung,
dass das elektrische Thermometer vorher sorgsam ausgewählt und vor der
Ingebrauchnahme erst gut justirt sein, und dass man in dieser Hinsicht erst
Lehrgeld bezahlen müsse. Wer aber den Unterricht in der hygienischen
Untersuchungstechnik erhalten habe, wisse, dass es die erste Vorbedingung
für das Arbeiten sei, das Handwerkszeug, das Geschirr, gehörig in Ordnung
zu bringen und sich selbst ordentlich darauf einzuüben. DaBs man mit
einem elektrischen Thermometer übele Erfahrungen, wie Herr Merke,
machen könne, glaube er gern, denn es sei dies ein Instrument, das weder
leicht herzustellen noch leicht zu handhaben sei. Aber dafür brauche man
keine grossen Erklärungsversuche, z. B. die Annahme einer Wärmeleitung
durch Vermittelung der Drähte nach dem Quecksilber, noch weniger die
Behauptung principieller Mängel der Methode an sich. Es wäre viel prak¬
tischer gewesen, wenn Herr Merke einmal zur Aufklärung des Sachver¬
haltes Versuche gemacht, wenn er probirt hätte, ob überhaupt die Drähte
unter den ungünstigsten Bedingungen, z. B. beim Glühen, nach dem Thermo¬
meter Wärme leiten. Vielleicht würde dieser Control versuch zu einer
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 141
anderen Erklärung geführt haben. Es wäre z. 6. ganz gut denkbar, dass
Herr Merke es nicht für nötbig gehalten hätte, seine Drähte mit Gummi¬
röhren und dergleichen noch besonders zu isoliren, und dass die dicht
neben einander liegenden Drähte durch Wärmeausdehnung sich einander
genähert und in Folge ungenügender Isolirung den Contact ergeben hätten.
Aber Herr Merke selbst weise auf eine nicht ein wandsfreie Yorsichtsanord-
nung, auf die Anwendung eines Holzfutterals, hin. Er wolle damit aber
nur gesagt haben, dass man damit noch nicht berechtigt sei, ein Verfahren,
das vorläufig nur als Nothbehelf diene, desswegen über Bord zu werfen,
weil der Eine oder der Andere damit nicht zurecht gekommen sei. Trotz¬
dem wäre es recht dankbar, wenn eine andere Methode angegeben werde,
die Desinfectionsdauer zu bestimmen. Nach seiner Ueberzeugung drehe
sich um diesen Punkt ausserordentlich viel in der ganzen Frage der Hitze-
desinfection. Er habe schon angedeutet, dass selbst Apparate der besten
Construction den Eindruck machen könnten, als ob sie absolut nichts taugen,
indem sie nicht einmal die unschuldigen Flöhe und Kleiderläuse umbringen.
An einem solchen Apparat habe er später mit Hülfe der angedeuteten
Methode gearbeitet, und schon nach ein oder zwei Versuchen mit Bestimmt¬
heit die Desinfectionsdauer fixireu können; seitdem thue der Apparat seine
Schuldigkeit. Und solche Fälle seien nichts Seltenes. Immerhin sei es wün-
schenswerth, eine bessere Methode als die mit dem Contactthermometer zu
finden und auch er sei stets so vorsichtig gewesen, immer noch neben dem
elektrischen Thermometer ein Maximumthermometer mit einzulegen.
Hiermit ist die Generaldiscussion geschlossen und es wird in die
Specialdi8cussion, und zwar auf Vorschlag des Herrn Vorsitzenden, der
Thesen 1 und 2 gemeinsam eingetreten.
Referent Professor Franz Hofmann beantragt, These 1, die in
These 2 eigentlich mit enthalten sei, ganz zu streichen und ebenso in
These 4 das Wort „gespannte“ wegfallen zu lassen.
Landesrath Fnss (Danzig) beantragt in These 2 den letzten Satz,
wie folgt, zu fassen:
„Zur gemeinsamen Benutzung für kleine Ortschaften, insbesondere
für ländliche Gemeinden, ist die Beschaffung transportabler Des-
infectionsapparate vorzusehen. tt
Bei der nun folgenden Abstimmung wird These 1, dem Anträge
des Herrn Referenten entsprechend, gestrichen und These 2 mit dem von
Herrn Landesrath Fuss beantragten Amendement angenommen.
Zu These 3 ergreift das Wort
Oberbftrgermeister Merkel (Göttingen), der nochmals betont, dass
zwar auch er die allgemein unentgeltliche Desinfection für wünschenswerth
halte, dass es aber Aufgabe des praktischen Verwaltungsbeamten sei, finan¬
ziell vorsichtig vorzugehen. Wenn die Erfahrung lehre, dass es vollständig
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142 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
unbedenklich sei, eine mässige Gebühr von den Wohlhabenden zu erheben,
so erscheine es ihm doch zweckmässiger, diese Gebühr zu erheben, als die
Communallasten zu vergrössern. Ob es richtiger sei, diese Gebühr auf
3 bis 5 Mark zu bemessen oder bis auf 20 Mark zu steigen, wie in Göt¬
tingen, wenn nämlich grosse Zimmerreinigung und Desinfection damit ver¬
bunden sei, was in Leipzig gar nicht geschehe, das könne man den ein¬
zelnen Communen Überlassen. Verwahren aber müsse er sich gegen die
etwaige Annahme, dass man in Göttingen in Bezug auf die Armen und die
weniger Bemittelten nicht mit der nötbigen Liberalität verfahre; trage
doch vielleicht in der Hälfte aller Fälle schon jetzt die Gemeinde die Kosten
der Desinfection!
Oberbürgermeister Bötticher (Magdeburg) stimmt dem Herrn
Referenten bei, dass es wünschenswerth sei, dahin zu streben, dass die Be¬
nutzung der öffentlichen Desinfectionsapparate unentgeltlich werde. Doch
könne es Vorkommen, dass dies ausgeschlossen sei, beispielsweise, wenn
nicht eine Gemeinde oder ein Kreis, sondern irgend ein Dritter, vielleicht
eine Gesellschaft, ein solches Institut gründe, die darauf angewiesen sei,
eine kleine Einnahme damit zu erzielen. Darum lasse sich vielleicht eine
Uebereinstimmung der beiderseitigen Anschauungen erreichen, wenn man
vor das Wort „unentgeltlich“ das Wort „möglichst“ einfüge.
Oberbürgermeister Merkel (Göttingen) und Landesrath Fuss
(Danzig) erklären sich mit diesem Zusatz einverstanden, letzterer mit dem
Wunsche, statt „möglichst“ lieber etwas präciser zu sagen „wenn irgend
möglich“.
Referent Professor Franz Hofmann ist bereit, sich allenfalls
mit diesem Amendement einverstanden zu erklären, richtet aber an die
Herren Gemeindevertreter die dringende Bitte, nicht zu glauben, dass es
nicht möglich sei. Herr Oberbürgermeister Merkel habe erwähnt, dass
man bei der Benutzung der Desinfectionseinrichtung in Göttingen sehr
liberal verfahre. Die reichen Leute lasse man bezahlen, den übrigen, deren
Vermögensverhältnisse weniger genau bekannt seien, werde der Betrag
mehr oder weniger erlassen; die Armen benutzen den Apparat unentgeltlich.
Gerade dieses System der Abschätzung müsse er als recht verderblich und
hinderlich bekämpfen. Es führe zu Consequenzen, zu Protectionen, die
den Zwecken der Anstalt nicht mehr förderlich seien. Die Absicht, Objecte
zum eigenen und allgemeinen Besten desinficiren zu lassen, habe also zur
Folge, dass der Vermögensstand der Familie jedesmal abgeschätzt werden
müsse. Wer solle dies vornehmen und controliren! Die bei der Desinfections-
anstalt Bediensteten vermögen es nicht. Niemand sei im Stande den Ver¬
mögensstand einer Familie, in welcher schwere Krankheiten herrschen, die
Ausgaben stiegen, die Einnahmen fielen, irgend richtig zu taxiren. Die Aerzte
seien es vor Allem, welche die weitgehendere Benutzung der öffentlichen
Desinfectionseinrichtungen in den Familien zu fordern und zu befürworten
haben. Wie hinderlich aber wirke es, wenn sie zugleich aussprechen
müssen, die Benutzung der öffentlichen Einrichtung werde der Familie
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Moderne Desinfectionstechnik und Desinfectionsanstalten. 143
vielleicht 2 Mark oder 5 Mark oder 10 Mark kosten, je nachdem man sie
für mehr oder weniger wohlhabend schätze! Bei solcher Einrichtung werde
der Apparat wenig empfohlen und noch häufiger ganz gemieden werden.
In Leipzig seien seit etwa zwei Jahren zwei Apparate gegen ein sehr
geringes Entgelt zur allgemeinen Verfügung gestellt. Die Erfahrung lehre,
dass das Geschäft trotzdem lange nicht so gehe, wie die Aerzte es wünschen
müssten. Man könne in den Apparaten die 20- und 30 fache Menge von
Objecten desinficiren; die Sterbelisten zeigen, dass in der Stadt genügend
Objecte, von Infectionskranken gebraucht, vorhanden wären; — die Des-
infectionsapparate und der durch sie zu bewirkende Vortheil sei noch lange
nicht Gemeingut geworden.
Sanitätsrath Dr. Goepel (Frankfurt a. 0.) spricht ebenfalls für
die unbedingte Unentgeltlichkeit der Benutzung der öffentlichen Desinfec¬
tionsanstalten. Als practischer Arzt kenne er nur zu gut die Schwierigkeiten,
die es habe, das Publicum zur Benutzung der Desinfectionsanstalten zu
bringen, zumal wenn es dafür etwas bezahlen solle, um so mehr, als es auch
noch die Angst habe, dass die Gegenstände dabei verdorben gehen. Je mehr
man also die Hindernisse hinwegräurae — und ein solches sei die Be¬
zahlung eines bestimmten Tarifs — je besser mache man die Sache der
allgemeinen Wohlfahrt zugänglich. Ein Analogon in Frankfurt habe ihm
dies bestätigt. Dort habe man eine sehr schöne neue Leichenhalle gebaut
und gehofft, dass namentlich aus den engen Wohnungen der Unbemittelten
die Leichen möglichst rasch auf dem Friedhofe beigesetzt werden würden.
Dies sei aber fast gar nicht der Fall gewesen bis zu dem Augenblicke, dass
die städtische Behörde die Gebühr für die Aufbewahrung der Leichen in
der Leichenhalle in Wegfall gebracht habe. Von dem Augenblicke an aber
habe ohne jede polizeiliche Zwangsmaassregel, ohne irgend eine Ermahnung
in der Presse und dergleichen die Benutzung der Leichenhalle in ganz
ausserordentlichem Maasse zugenommen. Desshalb sei er auch hier gegen
jede Ab8chwächung und für einfaches Belassen des Wortes „ unentgeltlich “•
Bei der Abstimmung wird hierauf These 3, unter Verwerfung des
Amendements auf Einschiebung der Worte „wenn irgend möglich“, in der
ursprünglichen Fassung der Referenten angenommen.
Zu These 4 nimmt zuerst das Wort
Oberbürgermeister Merkel (Göttingen) der in der These eine
Hauptsache, nämlich die Desinfection der Räumlichkeiten, vermisst. Man
werde doch nicht die desinficirten Gegenstände, Betten, Wäsche etc. wieder
in die inficirten Räume zurückbringen wollen! Diesen Punkt solle man in
der These doch wenigstens erwähnen, etwa in Form einer Empfehlung der
Desinficirung auch der Wohnungen.
Referent Professor Dr. Franz Hofmann erwidert, dass die Refe¬
renten die Frage der Zimmer- und Hausdesinfection absichtlich nicht mit in
Betracht gezogen haben, da dies nicht in dem Rahmen des ihnen ertheilten
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144 Bericht des Ausschusses über die dreizehnte Versammluug
Auftrages liege. Ein Zimmer könne man nicht mit sterilisirenden Wasser¬
dämpfen desinficiren. Hier seien Maassregeln erforderlich, welche der
Familienarzt oder der Kreisphysicus von Fall zu Fall zu entscheiden habe.
Dr. Hueppe (Wiesbaden) hält die weise Beschränkung der Herren
Referenten für durchaus gerechtfertigt. Die Desinfection der Zimmer sei
eine Frage für sich, hier handle es sich um die öffentlichen Desinfections-
anstalten und es sei zu fürchten, dass ein erreichbares Ziel vielleicht verfehlt
werde, wenn zu viele Nebenpunkte als gleichberechtigt mit berücksichtigt
würden. Er bitte desshalb, nicht weiter zu gehen, als es die Herren Refe¬
renten vorgeschlagen haben.
Bei der Abstimmung wird These 4 in der Fassung der Referenten,
aber mit Hinweglassung des Wortes „gespannte“, angenommen.
These 5 gelangt ohne Debatte zur Annahme.
Zu These 6 ergreift das Wort
Oüh. Medicinalrath Dr. Günther (Dresden) und beantragt, statt
des Wortes „Einrichtung für Warmbäder“ Zusagen: „Badeeinrichtungen“,
da mit ersterer Fassung gerade Brausebäder, die sich entschieden leichter
einrichten lassen als Wannenbäder, ausgeschlossen seien.
Nachdem die beiden Herren Referenten sich mit dieser Aenderung
einverstanden erklärt hatten, gelangt die These 6 so zur Annahme.
Hiermit ist die Verhandlung Über die Desinfectionsanstalten ge¬
schlossen und es lauten nunmehr die von der Versammlung angenommenen
Resolutionen:
1.
Jede grössere Stadt bedarf einer oder mehrerer stationärer öffent¬
licher Desinfectionsanstalten. Der Anschluss einer solchen an eine
andere communale Anstalt ist zulässig. Zur gemeinsamen Benutzung für
kleine Ortschaften, insbesondere für ländliche Gemeinden, ist die Beschaffung
transportabler Desinfectionsapparate vorzusehen.
2 .
Die Benutzung der öffentlichen Desinfectionsanstalten ist auf Grund
ärztlicher Bescheinigung unentgeltlich zu gestatten.
3.
Als Desinficiens ist in den öffentlichen Desinfectionsanstalten der
strömende Wasserdampf zu verwenden. Diese Anstalten müssen auf
ihre Leistungsfähigkeit geprüft sein und unter sachverständiger Controle
bleiben. Die desinficirten Gegenstände sind von den zu desinficirenden
genügend zu sondern. Die Desinfectoren haben sich durch besondere
Kleidung, Respiratoren und Waschungen vor Ansteckung zu schützen.
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des Deutschen Vereins f. öff. Gesundheitspflege zu Breslau. 145
4.
Wahl der Apparate und technischen Einrichtungen hängen von
örtlichen Verhältnissen ab.
5.
Ee ist zweckmässig, mit der Desinfectionsanstalt eine Badeeinrichtung
zu verbinden.
Es folgte hierauf die Neuwahl des Ausschusses und bei der Ab¬
stimmung in geheimer Wahl erhielten die meisten Stimmen die Herren
Oberbürgermeister Becker (Köln),
Bürgermeister Dr. v. Erhardt (München),
Medicinalrath Dr. Flinzer (Chemnitz),
Landesrath Fuss (Danzig),
Oberingenieur Andreas Meyer (Hamburg),
Regierungsrath Dr. Wolffhügel (Berlin),
die in Gemeinschaft mit dem ständigen Secretär
Sanitätsrath Dr. Spiess (Frankfurt a. M.)
den Ausschuss für das Geschäftsjahr 1886 bis 1887 bilden.
(Unmittelbar nach Schluss der Versammlung trat der Ausschuss zu
einer Sitzung zusammen und erwählte nach §. 7 al. 3 der nunmehr ver¬
änderten Satzungen Herrn Bürgermeister Dr v. Erhardt zum Vorsitzenden
für das nächste Jahr.)
Oberbürgermeister Bötticher: „Meine hochgeehrten Herren! Wir
stehen am Schlüsse wichtiger und hoch interessanter Verhandlungen. Dass
dieselben einen so befriedigenden Verlauf genommen haben, danken wir
unserem hochverehrten Präsidium, namentlich unserem ersten Präsidenten,
Herrn Oberbürgermeister Dr. Friedens bürg, und den Herren Referenten,
die mit grossem Fleiss und Eifer so interessante Referate erstattet haben.
Ich meine, wir können nicht aus einander gehen, ohne diesen Herren unseren
aller verbindlichsten, aufrichtigsten und herzlichsten Dank zu sagen.
Stimmen Sie, wie ich nicht bezweifle, darin mit mir überein, so rufen Sie
mit mir: Diese Herren, sie leben hoch! u
Die Versammlung erhebt sich und stimmt dreimal in das Hoch ein.
Vorsitzender Oberbürgermeister Friedensburg: „Meine Herren!
Namens des Präsidiums, und ich darf wohl auch sagen, Namens der Herren
Referenten, sage ich Ihnen unseren verbindlichsten Dank. In der Thätigkeit
der Herren Referenten liegt ja im Wesentlichen die Wirksamkeit und der
Einfluss des Vereins, seine Bedeutung wurzelt in der glücklichen Zusammen¬
setzung seiner Mitglieder. Wenn er, wie es jetzt der Fall ist, wesentlich
besteht aus höheren Verwaltungsbeamten, aus Bautechnikern und aus Män¬
nern der hygienischen Wissenschaft, und wenn diese Männer zusammen-
treten und Berathungen und Besprechungen pflegen, welche nicht bloss in
ihrem Gesichtskreise liegen, sondern eigentlich einen Theil ihrer Bcrufs-
Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. ]Q
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146 XIII. Versammlung d. D. Vereins f. öff. Gsndhpflg. zu Breslau.
thätigkeit ausmachen, so muss mau von vornherein überzeugt sein, dass die
Worte, die hier gesprochen worden sind, nicht in den Wind gesprochen
sind, sondern dass sie dem Samen gleichen, der auf fruchtbaren Boden fallt
und reiche Früchte bringt.
„Meine Herren, wir haben aus den Verhandlungen des Vereins Alle
reiche Belehrung und wichtige Anregungen erhalten, und jeder von uns
wird nunmehr in dem kleinen Kreise, in dem er zu wirken bestimmt ist,
diese Anregungen, diese Belehrung, ich möchte sagen, in sich oder im Kreise
seiner communalen Arbeitsgenossen, Berufsgenossen, freudig verarbeiten,
und ich zweifle nicht, dass daraus ein grosser Segen für viele Kreise unseres
deutschen Vaterlandes erwachsen wird. Ich schliesse die XIII. Versammlung
des Vereins mit der festen Ueberzeugung, dass die hier geführten Verhand¬
lungen Anklang Anden werden weit über die Grenzen des Saales hinaus
und dass sie dazu beitragen werden, dem Verein neue Freunde und neue
Mitglieder zuzuführen. u
Schluss der Sitzung 12 Uhr.
Besichtigungen:
Montag, den 13. September:
Die chemische Untersuchungsstation der Stadt;
das städtische Elementarschulgebäude der Lohestrasse;
das Allerheiligenhospital;
die Desinfectionsanstalt.
Dienstag, den 14. September:
Das Modell einer Göttinger Schulbadeeinrichtung im Betriebe;
die Canalisation und die Pumpstation;
die Rieselfelder.
Mittwoch, den 15. September:
Das neue städtische Wasserwerk am Weidendamme;
die städtische Hauptfeuerwache im Exercitium.
Zu dem Vorträge des Herrn Dr. Lassar über Volksbäder gehört die am
Schlüsse folgende Tafel IX.
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Dr. 0. Schwartz, Hygienische Aufgaben des Krankenhausarztes. 147
Die hygienischen Aufgaben des Krankenhausarztes.
Ein am 20. September 1886 in der hygienischen Section der 59. Naturforscher-
Versammlung in Berlin gehaltener Vortrag
vom
Geh. Medicinalrath Dr. Oscar Schwartz in Cölo.
Bei der vorletzten Naturforscherversammlung in Magdeburg, woselbst
mir Gelegenheit gegeben wurde, in der ersten dort stattgefundenen
allgemeinen Sitzung die Stellung der neueren Hygiene zur praktischen
Heilkunde zu besprechen, musste ich mit Rücksicht auf den umfassenden
Charakter des vorliegenden Themas und das für die Vorträge in den all¬
gemeinen Sitzungen von der damaligen Geschäftsführung bewilligte knappe
Zeitmaass mich auf die blosse Andeutung beschränken, dass die jüngeren
nach der neuen deutschen Prüfungsordnung hygienisch besonders geschulten
und geprüften Aerzte auch mehr, wie bisher, befähigt sein würden, in ihren
verschiedenen praktischen Lebensstellungen, namentlich als Kranken¬
haus-, Armen- oder Krankencassenärzte den nothwendigen Anforderungen
der neueren Hygiene Geltung zu verschaffen. Diese Aufgabe wenigstens
bezüglich der Krankenhausärzte eingehender zu besprechen, erschien
mir für die hygienische Section angemessener, wie für eine der ver¬
schiedenen medicinischen Sectionen, weil gerade die Krankenhäuser in
unserer Zeit eine besonders wichtige hygienische Bedeutung gewonnen
haben.
Sehen wir doch bei unseren heutigen socialen Zuständen und Ver-
kehrsVerhältnissen in allen Ständen sich die Zahl derjenigen fortschreitend
vermehren, welche bei Mangel oder nicht ausreichender häuslicher Pflege
auf die Hospitalpflege angewiesen sind und sind namentlich die öffent¬
lichen Krankenhäuser auch diejenigen Anstalten geworden, welche gegen
die Verbreitung ansteckender Krankheiten den wirksamsten Schutz uns
bieten können.
Die Aufgabe der Sanitätspolizei ist in dieser Beziehung ja eine weit
schwierigere, wie die der Veterinärpolizei. Letztere kann das inficirte
Thiermaterial mit Geld abschätzen, möglichst schnell durch die Schlacht¬
keule tödten und sammt allen Ansteckungskeimen im Brennofen oder einer
chemischen Fabrik vernichten lassen, während es sich bei Handhabung der
Sanitätspolizei und öffentlichen Gesundheitspflege nicht um abschätzbares
Material, sondern um Menschen handelt, die am Leben erhalten, wo
möglich geheilt und doch während ihrer Erkrankung für Andere unschäd-
10 *
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148
Dr. Oscar Schwartz,
lieh gemacht werden sollen, was in den meisten Fällen nur durch mög¬
lichst schnellen Transport des inficirten Kranken in ein geeignetes Kranken¬
haus möglich ist.
Oeffentliche Krankenhäuser werden desshalb heutigen Tages nicht nur
▼on der armen, obdachlosen, yagabondirenden Bevölkerung, sondern thatsäch-
lich von Kranken aller Stände in Anspruch genommen. — Erkrankt ein Gast
und wäre es auch der reichste und vornehmste, in einem modernen, oft für
die Unterbringung von nahezu tausend Gästen hergestellten Grand Hotel
an einer schweren, übertragbaren Krankheit, so kann nur schleunigster
Transport in ein geeignetes Krankenhaus einer Epidemie Vorbeugen. Ich
kann es aus eigener mehrfacher Erfahrung bestätigen, dass Pocken, Schar¬
lach, Ruhr, Typhus und Diphtherie durch Gäste aus den entlegensten Län¬
dern in diesseitige Gasthöfe ersten Ranges eingeBchleppt worden sind.
Nun wird aber Jeder, welcher den Betrieb eines öffentlichen Kranken¬
hauses praktisch kennen zu lernen Gelegenheit hatte, sich davon überzeugt
haben, dass die Aufgabe dieser ganzen Einrichtung, kranke Menschen aller
Stände und Lebensalter zu heilen, gesundheitsgemäss zu pflegen und wo
möglich der Ausbreitung weiterer Erkrankungen vorzubeugen, nur erreicht
werden kann durch zweckmässig geordnetes Zusammenwirken verschiedener
Berufsstände und besonderer Einrichtungen, ohne welches harmonisches Zu¬
sammenwirken jedes Krankenhaus statt eines gemeinnützigen und segens¬
reichen ein gemeingefährliches Institut werden, ja gerade das Gegentheil
von demjenigen bewirken kann, was es bewirken soll: statt der Gesundheit
neue Krankheit, statt der Genesung den Tod.
Abgesehen von den mannigfachen Gesundheitsbeschädigungen, welche
durch unnöthig verzögerte Aufnahme und Entlassung aus Hospitälern, un¬
geeignete Placirung und mangelhafte Trennung der Kranken entstehen
können, haben bekanntlich viele lebensgefährliche Krankheitsprocesse gerade
davon ihren Namen, dass sie in mangelhaft eingerichteten und betriebenen
Hospitälern zu entstehen pflegen; ich erinnere an den Hospitalismus, die
verschiedenen Hospitalinfectionen, die Lazarethfieber, Hospitalbrand u. s. w.
Mit Rücksicht auf diese grossen Gefahren mangelhaft eingerichteter und
betriebener Krankenhäuser, auf welche schon vor mehreren Jahren in Eng¬
land vorzugsweise von Prof. Simpson, in Deutschland bei Gelegenheit
eines Chirurgencongresses von Prof. v. Volkmann aufmerksam gemacht
wurde, sowie mit Rücksicht auf die Fortschritte, welche die Neuzeit
gerade in der Hospitalhygiene gemacht hat, erscheint es um so auf¬
fallender und beklagenswerter, dass trotzdem noch immer Krankenhäuser
in Stadt und Land ohne jede sachkundig - ärztliche Mitwirkung errichtet
und auch ohne Anstellung eines leitenden Arztes in Betrieb gesetzt werden.
In einer unterm 5. August 1873 an das Kaiserl. Deutsche Reichskanzler¬
amt Seitens des Vorstandes des psychiatrischen Vereins der Rheinprovinz,
welchem eine grössere Zahl von Klinikern, Universitätslehrern und praktischen
Krankenhausärzten angehört, gerichteten Vorstellung wurde in dieser Be¬
ziehung inhaltlich Nachstehendes ausgefübrt: „Die von allen nothwendigen
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149
Hygienische Aufgaben des Krankenhausarztes.
Requisiten zum Betriebe yon Krankenanstalten gänzlich Abstand nehmende
ConcessionsgeWährung wird zur nächsten Folge haben, dass Krankenhäuser
entstehen, die ungünstig gelegen, mangelhaft gebaut und eingerichtet sind
und worin die Stelle des Arztes eine untergeordnete ist; zur weiteren
Folge aber, dass mit der Zeit der eigentliche Zweck der Krankenhäuser, die
Förderung des öffentlichen Gesundheitswohls, ins gerade Gegen*
theil verkehrt wird. Es ist Thatsache, dass bereits die Mehrzahl der in
den letzten Jahren entstandenen P r i v a tkrankenanstalten, worunter sich
umfängliche befinden, in den Händen und unter Leitung von Nichtärzten
sind und dass die Zuziehung der ärztlichen Behandlung von aussen her in
denselben eine willkürliche, ungenügende und in Hinsicht auf allgemeine
Yerwerthung des Beobachtungsmaterials für Praxis und Wissenschaft eine
gänzlich unfruchtbare ist. Auch fehlen nachweisbar manchen dieser An¬
stalten in Bezug auf Territorium, Baulichkeiten und innere Einrichtungen
diejenigen Qualitäten, ohne welche der Name einer Krankenanstalt nicht ge¬
rechtfertigt ist. Der Nachweis, dass durch bedingungslose Concessionirung
yon Krankenanstalten eine Gefahr für das Wohl vieler Staatsangehöriger,
die sich derselben bedienen, entstehen kann, dürfte nicht schwer zu führen
sein. Es ist bekannt genug, wie von der Lage, Luftmenge, Heizung, Venti¬
lation, den Latrinen- und Entwässerungsanlagen die gesunde Beschaffenheit
eines Krankenhauses im Allgemeinen abhängt, wie verkehrte innere Ein-
theilung oder Ueberfüllung der Räume, versäumte Trennung ansteckender
Krankheiten, mangelhafte Verpflegung und ungenügende ärztliche Behand¬
lung die Quelle mannigfacher Gesundheitsbeschädigungen werden und zur
Entwickelung eigener lebensgefährlicher Krankheitsprocesse führen kann.
Eine regelmässige staatliche Beaufsichtigung der Krankenhäuser findet nur
in unvollkommenster Weise statt, weil die Kreismedicinalbeamten das
Revisionsgeschäft nur gelegentlich besorgen dürfen und beispielsweise ein
Kreisphysicus Jahre lang fungiren kann, ohne die Krankenhäuser seines
Bezirks revidirt zu haben."
Der Antrag der vorgenannten, hauptsächlich auf Ergänzung des §. 30
der deutschen Gewerbeordnung gerichteten Eingabe ging schliesslich dahin,
dass für alle Krankenanstalten die Vorlage eines genauen Situations- und
Bauplans, sowie eines ausführlichen Betriebsprogramms zu fordern sei; für
diejenigen Krankenanstalten, welche zur unfreiwilligen Aufnahme von Per¬
sonen bestimmt sind, namentlich von Geisteskranken oder von ansteckenden
Kranken, auch der Nachweis der ärztlichen Leitung resp. Vorlage eines
mit dem leitenden Arzte abzuschliessenden Contracts, der ohne Vorwissen
der staatlichen Aufsichtsbehörde nicht gelöst werden dürfe, verlangt wer¬
den müsse.
Der vorgenannte Antrag, welcher damals zur gutachtlichen Aeusserung
bezüglich des dort vorliegenden thatsächlichen Materials an die Landes¬
regierungen giDg, hatte insofern den gewünschten Erfolg, als der §. 30 der
deutschen Gewerbeordnung von 1869, nach welchem eigentlich Jeder¬
mann, der mit der Ortspolizeibehörde nicht thatsächlich in Confiict ge-
rathen war, ohne Weiteres eine Krankenanstalt betreiben durfte, in der
Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 dahin ergänzt wurde, dass die Concession
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150
Dr. Oscar Scliwartz,
für Privatkrankenanstalten zu versagen ist, wenn nach den vom Unter¬
nehmer einzureichenden Beschreibungen und Plänen die baulichen und
sonstigen technischen Einrichtungen der Anstalt den gesund heitspolizei-
lichen Anforderungen nicht entsprechen.
Die höhere Verwaltungsbehörde ist also jetzt gesetzlich verpflichtet,
für die Errichtung aller P r i v a t krankenanstalten die in hygienischer
Beziehung erforderlichen Einrichtungen, namentlich auch die technische
Leitung, durch einen zuverlässigen approbirten Arzt vorzuschreiben, falls
diese Leitung als eine zu den gesundheitspolizeilichen Anforderungen ge¬
hörige betrachtet wird.
Dagegen bestehen aber die vorhin geschilderten Uebelstände wenigstens
nach meiner persönlichen bis in die jüngste Zeit reichenden Erfahrung bei
Errichtung der öffentlichen nicht unter die Bestimmungen der Gewerbe¬
ordnung fallenden Krankenanstalten noch unverändert fort, wesshalb
auch ein besonderes, die unbedingt nothwendigen gesundheitspolizeilichen
Einrichtungen für den Betrieb aller Krankenanstalten speciell vorschrei¬
bendes Gesetz meines Erachtens auf die Dauer in keinem Culturstaate ent¬
behrt werden kann.
In Preussen, wo das allgemeine Landrecht alle Krankenhäuser unter
staatlichen Schutz stellt, bestehen nur die für Nothhospitäler bei Gelegen¬
heit von Epidemieen erlassenen gesetzlichen Vorschriften des §. 16 des
Sanitätsregulativs vom 8. August 1835, welche aber weder dem Stand¬
punkte der neueren Hygiene, noch der sonstigen neueren Gesetzgebung ent¬
sprechen.
Es liegt aber meines Erachtens nicht nur im Interesse der öffentlichen
Gesundheitspflege, sondern auch aller Hospital Verwaltungen, dass die für
den gesundheitlichen Hospitalbetrieb als nothwendig befundenen Einrich¬
tungen gesetzlich vorgeschrieben werden, weil in allen geordneten
Staaten irgend eine sanitätspolizeiliche Beaufsichtigung der Krankenanstal¬
ten stattfindet und jede Hospitalverwaltung durch gesetzliche, nur auf
das Nothwendige beschränkte Vorschriften vor übertriebenen, sachlich unbe¬
gründeten Anforderungen staatlicher Aufsichtsorgane am besten geschützt
werden kann.
Ich erlaube mir hier an Anstalten zu erinnern, die ebenso, wie die
Hospitäler, im innigsten Zusammenhänge mit dem öffentlichen Gesundheits¬
wohl stehen, nämlich die Apotheken. Ich habe noch nie einen deutschen
Apotheker kennen gelernt, welcher die Nothwendigkeit gesetzlicher Vor¬
schriften für die Errichtung, den Betrieb und die Beaufsichtigung der
Apotheken in Abrede gestellt hätte. Alle Apotheker wollen aber gesetz¬
liche Vorschriften, die dem Standpunkte der Wissenschaft und den Bedürf¬
nissen des praktischen Lebens entsprechen und von sachkundigen Aufsichts¬
organen gerecht gehandhabt werden.
Dieselben Wünsche haben aber auch die Krankenhaus- und Irren¬
anstaltsärzte, welche die obige Petition unterschrieben: nicht Aufhebung,
sondern Verbesserung und Ergänzung der den Hospitalbetrieb regelnden
Vorschriften.
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Hygienische Aufgaben des Krankenhausarztes. 151
Weil nun aber jedes Krankenhaus seiner Bestimmung gemfiss in erster
Linie eine Anstalt zur Heilung und Pflege von Kranken ist, diese Heilung
aber nur unter denselben Bedingungen zu erfolgen pflegt, welche auch zur
Erhaltung des gesunden Lebens und Beseitigung der Krankheitsursachen
wirksam sind, so folgt daraus, dass die Leitung durch einen sachverstän¬
digen approbirten Arzt für jede unter Aufsicht des Staates gestellte Kranken¬
anstalt vorgeschrieben werden muss.
Diese sachkundige ärztliche Leitung ist wichtiger als die kostspieligsten
anderweitigen Einrichtungen, weil erfabrungsgemäss die Heilerfolge eines
jeden Krankenhauses vorzugsweise abhängig sind von der Tüchtigkeit des
für dasselbe angestellten Arztes und von dem Einfluss, welchen derselbe
auf die ganze Anstalt auszuüben befugt ist.
Nach meiner Erfahrung schliesst die hygienische Leitung eines Kran¬
kenhauses durch einen Arzt die gleichzeitige selbständige curative Kranken¬
beb an diu ng durch andere Aerzte nicht aus; ein collegialisches Zusammen¬
wirken m e h r e r e r Aerzte bezüglich der Krankenbehandlung ist sogar
auch für die kleineren Hospitäler erwünscht und oft nothwendig. Ebenso
wenig braucht die einheitliche ärztliche hygienische Leitung störend einzu¬
wirken auf die selbständige Wirksamkeit der anderen für den Hospitalbetrieb
notbwendigen Berufsstände, der Geistlichen, Oekonomen und Bautechniker in
ihren verschiedenen speciellen Berufsgebieten, wenn nur der dirigirende Arzt
nach Bedürfniss unter Hinzuziehung von Assistenzärzten auf die Erfüllung
nachstehender Berufsaufgaben verantwortlich verdichtet wird: 1) Aufnahme
und Entlassung aller Kranken nach den bezüglichen Vorschriften; 2) Placi-
rung der Kranken nach Art ihrer Krankheit, also freie Verfügung über
sämmtliche der Krankenbebandlung dienende Räume und Einrichtungen;
3) Führung der Krankenjournale, Krankenstatistik und Krankheitsberichte;
4) Beaufsichtigung der lediglich den Bedürfnissen des Krankendienstes ent¬
sprechenden Hausordnung und des gesammten im Krankendienst thätigen
Pflegepersonals; 5) Beaufsichtigung aller speciell der Krankenheilung und
Gesundheitspflege dienenden Einrichtungen: der Hausapotheke und des
Instrumentariums, der Küche, Speise- und Vorrathsräume, der Trinkwasser-,
Wasch-, Bade- und Desinfectionseinrichtungen, der Ventilations-, Heiz-,
Beleucbtungs-, Entwässerungs-, Garten- und Latrinenanlagen. Endlich
6) stimmberechtigte Vertretung aller auf die Krankenbehandlung bezüglichen
Angelegenheiten in den Sitzungen der Hospitalverwaltungscommissionen.
In sehr grossen Krankenhäusern wird die Erfüllung vorgenannter Berufs¬
aufgaben Zeit und Kraft eines Arztes oder ärztlichen Directors vollständig
in Anspruch nehmen und die eigentliche Krankenbehandlung dirigirenden
Abtheilungsärzten und Hülfsärzten zu übertragen sein. Aber auch im klein¬
sten Landbospital, für welches ein einziger Arzt genügend ist, wiederholen
sich dieselben vorgenannten hygienischen Aufgaben im kleineren Maassstabe
und müssen ebensogut erfüllt werden, wenn die Interessen der Kranken¬
bebandlung gesichert sein sollen.
Uebernimmt der Krankenhausarzt nicht die technische Leitung, wird
überhaupt von der Hospitalverwaltung ein besonderer Arzt nicht angestellt,
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152
Dr. Oscar Schwartz,
oder wird der Arzt nur benutzt zum Verschreiben von Recepten und Aus¬
führung chirurgischer Operationen, so müssen dann auch die dem obersten
Heilzweck dienenden hygienischen Interessen der Anstalt in den Hintergrund
treten und durch andere finanzielle, ökonomische, politische oder confessio-
nelle Bestrebungen verdrängt werden.
Die inneren Conflicte, welche bekanntlich nicht selten in Kranken¬
häusern entstehen und zeitweise auch nach aussen zu explodiren pflegen,
beruhen meist auf unzweckmässiger Organisation des ganzen Hospital-
dienstes, auf ungeeigneter Abgrenzung der verschiedenen auf friedliches
Zusammenwirken angewiesenen Berufsstände.
Der in früheren Jahren bei Errichtung von Krankenanstalten, nament¬
lich Irren- und Entbindungsanstalten, so häufig gehörte Einwand, dass zur
Leitung derselben qualificirte Aerzte überhaupt schwer zu finden seien, ist
heute thatsächlich widerlegt, da bekanntlich eine grosse Anzahl von Kranken¬
anstalten mit vorzugsweise gutem Erfolge durch Aerzte geleitet worden sind
und auch die seit nahezu 20 Jahren unter selbständige Führung von Chef¬
ärzten gestellten deutschen Militärhospitäler im Kriege und Frieden sich
bewährt und in den letzten Kriegen ihre Feuerprobe bestanden haben.
Die Besetzung aller Hospitalarztstellen mit geeigneten Persönlichkeiten
kann deshalb heutigen Tages in Stadt und Land keine grossen Schwierig¬
keiten mehr bieten, wenn die richtige Einsicht für die Bedeutung dieser
Stellen vorhanden ist, da ein grosser Theil der Aerzte durch den obligato¬
risch gewordenen hygienischen Unterricht und die bestandene Physicats-
prüfung für die im Hospitalbetriebe besonders wichtigen Verhältnisse:
Beurtheilung von Grund und Boden, Trinkwasser- und Lebensmittelunter-
suchung, Entwässerungs- und Latrinenanlagen, Desinfection, Ventilation,
Heizung, Beurtheilung des Baumaterials und der baulichen Einrichtungen
besonders vorgebildet ist, ausserdem sich auch eine grosse Anzahl von
Aerzten als Assistenzärzte in grösseren Civil- oder Militärhospitälern, Irren-
und Entbindungsanstalten mit dem praktischen Hospitaldienst vertraut ge¬
macht hat. .
Es kann desshalb jeder zur Errichtung einer Krankenanstalt ent¬
schlossenen Corporation nur dringendst empfohlen werden, zuerst die
Hauptsache zu besorgen, beziehentlich einen für die Leitung der Anstalt
geeigneten und bereitwilligen Arzt zu wählen und dann unter dessen und
eines Bautechnikers sachkundiger Mitwirkung mit Berücksichtigung der
zur Verfügung stehenden Geldmittel den Bauplatz zu bestimmen, Bauplan
und Betriebsprogramm entwerfen zu lassen. Es wird auf diese Art am
sichersten vermieden werden, was leider noch häufig vorkommt, dass
Krankenanstalten mit glänzenden Fayaden, imponirendem Mauerwerk und
luxuriösen kostspieligen modernen Einrichtungen gebaut werden, die trotz¬
dem den hygienischen Anforderungen nicht entsprechen und sich auch im
praktischen Betriebe nicht bewähren.
„Exempla sunt odiosa u und ich möchte heute keine einzelne Hospi-
talverwaltuug durch specielle bezügliche Ausführungen verletzen; es stehen
mir aber aus eigener Erfahrung viele Beispiele zur Verfügung. Auch wird
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153
Hygienische Aufgaben des Krankenhausarztes.
in dem erst 1884 pubHcirten Generalsanitätsbericht über den Regierungs¬
bezirk Arnsberg nach vollständiger Anerkennung der neueren Leistungen
auf dem Gebiete des Hospitalwesens im Allgemeinen doch ausdrücklich
angeführt, dass eine grössere Anzahl städtischer Krankenhäuser in ihrer
Anlage vollständig verfehlt und mit anderen communalen Einrich¬
tungen in unzweckmässiger Weise combinirt sei. Besondere Contagien-
häuser für Isolirung von Pocken, Flecktyphus und anderen intensiv an¬
steckenden Krankheiten seien nur wenige im ganzen Regierungsbezirke
vorhanden, auch für mehrere Krankenhäuser Überhaupt kein Arzt an¬
gestellt.
Gewiss würde auch eine Aenderung des §. 30 der Gewerbeordnung
nach deren damals erst elfjähriger Geltung nicht erfolgt sein, wenn nicht
tbatsächlich begründete Uebelstände im Krankenhauswesen nachgewiesen
worden.
Hoffen wir desshalb, und damit erlaube ich mir meine heutige Be¬
sprechung zu schliessen, dass es gelingen werde, den Betrieb und die
Beaufsichtigung nicht nur der Privatkrankenanstalten, sondern unserer
sämmtlichen deutschen Krankenanstalten durch reichsgesetzliche, ledig¬
lich gesundheitspolizeiliche Vorschriften zu regeln, im Uebrigen aber
auf diesem Gebiete dem Wohlthätigkeitssinne aller Confessionen und Parteien,
sowie dem gemeinnützigen Erfindungsgeiste möglichst freie Bewegung zu
gestatten.
Es würde durch ein, namentlich den hygienisch-ärztlichen Dienst und
die sonst nothwendigen hygienischen Einrichtungen der Hospitäler regeln¬
des Reichsgesetz nach meiner Ueberzeugung nicht nur zahllosen Kranken,
welche im Kriege und Frieden, in Stadt und Land auf die Hospitalpflege
angewiesen sind, sondern auch der öffentlichen Gesundheitspflege
im Allgemeinen, sowie der ärztlichen Wissenschaft, deren Fortschritte
hauptsächlich von den in gut organisirten Krankenanstalten gesammelten
Erfahrungen abhängig sind, der grösste Dienst geleistet werden.
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154
Kritiken und Besprechungen.
Kritiken und Besprechungen.
Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte I, 3. bis
5. Heft. Berlin, Springer, 1886. gr. 8. S. 141 bis 566 mit sechs
Tafeln. 20 Mark.
Die vorliegenden Schlusshefte des I. Bandes der „Arbeiten“ realisiren
bereits einen Theil der Wünsche, welche ich bei der Besprechung der ersten
Hefte als besonders dringende hingestellt hatte. Diese Hefte enthalten
folgende Arbeiten:
Löffler: Die Aetiologie der Botzkrankheit; hierzu zwei
colorirte Tafeln.
Diese Untersuchung bringt eine eingehende historische und experimen¬
telle Kritik der ganzen Frage und eine solche Fülle werthvoller Einzelheiten,
dass ich nur einzelne Punkte herausgreifen kann. Von den leichter zu be¬
schaffenden Thieren erwiesen sich Meerschweinchen und Feldmäuse als die
empfindlichsten, so dass bei Schwierigkeiten in der Dififerentialdiagnose
Uebertragungen auf diese Thiere als entscheidendes Experiment anzusehen
sind. Die Hausmaus ist dagegen ganz immun gegen Rotz.
Die von Löffler und Schütz entdeckten Rotzbacillen wachsen nicht
unter 22°, üppig erst bei Brüttemperatur. Besonders charakteristisch ist
das Wachsthum auf Kartoffeln, aber auf diesem Substrat tritt immer bei
einige Zeit fortgesetzter Züchtung Abnahme und schliesslich Verlust der
Virulenz ein. Bildung von endogenen Sporen wurde nicht beobachtet.
ln der Mehrzahl der Fälle ging die Virulenz beim Eintrocknen in den
ersten Wochen schon verloren und länger als drei Monate waren die ein¬
getrockneten Bacterien niemals entwickelungsfahig. Aber auch die feucht
gehaltenen Bacterien waren nicht resistenter.
Zur Desinfection in der Praxis genügen kochendes Wasser, 3 bis 5 Proc.
Carbol und 1 pro Mille Sublimatlösung.
Nach Löffler’s Ansicht sind zur Infection wohl immer Defecte der
Haut oder Schleimhaut erforderlich. Wie weit vom Verdauungscanal und
den Lungen her eine Infection eintreten kann, muss aber noch sorgfältiger
ermittelt werden. Dass unter Umständen Vererbung der Krankheit auf
den Fötus stattfinden kann, hält Verfasser nach Ermittelung eines solchen
Falles bei Meerschweinchen für sicher.
Koch und Gaffky: Versuche über die Desinfection des
Kiel- oder Bilgeraumes von Schiffen.
Diese Arbeit berichtet über die im Anschlüsse an einige Vorversuche
an zwei Schiffen der Kriegsmarine, einem Holzschiffe und einem Eisenschiffe,
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Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte. 155
ausgeführten Desinfectionsversuche, welche der „Instruction zur Desinfection
von Seeschiffen etc. vom 11. Juli 1883“ zu Grunde gelegt wurden.
Dem Kielwasser waren sporenhaltige Erdproben zugefügt worden, um
die Verhältnisse möglichst schwierig zu gestalten. Als Desinfectionsmittel
erwies sich Sublimat als verwendbar und zwar wurde eine heiss gesättigte
Lösung, circa 6 bis 7 Proc. entsprechend, hinzugefügt und durch Pumpen
so vertheilt, dass eine gleichmässige Mischung eintrat. Um die Menge
des Sublimats zu bestimmen, wurde blank geputztes Kupferblech verwendet,
nachdem ermittelt war, dass bei der eben noch sicheren Concentration von
1 : 5000 Sublimat das Kupferblech innerhalb einer halben Stunde eine
deutlich blaugraue Färbung annahm, während bei noch stärkerer Verdün¬
nung diese Reaction undeutlich und damit unbrauchbar wurde.
Durch die Sublimatdesinfection leidet das Schiffs material nicht, wenn
die Vorschriften befolgt werden, und nur die zum Mischen der Sublimat¬
lösung mit dem Kielwasser dienenden Pumpen sind stärkerer Beschädigung
ausgesetzt, so dass sich fiir Hafenorte die Anschaffung eines besonderen
Pumpwerkes für diese Desinfection empfiehlt.
Ergebnisse der Morbiditätsstatistik in den Heilanstalten
des Deutschen Beiches für das Jahr 1882.
Diese Arbeit ist zu einem kurzen Auszuge nicht geeignet.
Schütz: Ueber die Schweineseuche. Hierzu eine Tafel.
Verfasser knüpfte an die bereits mitgetheilte Untersuchung von Löff¬
ler über Schweinerothlauf an, in welcher der letztere Kriterien mitgetheilt
hatte, welche zur definitiven Trennung der Schweineseuche vom Schweine¬
rothlauf führten. Schütz giebt eine eingehende Schilderung der Bacterien
der Schweineseuche. Die Uebertragungsversuche durch Hautimpfung er¬
gaben das von Löffler bereits als spontanes Vorkommen geschilderte Bild
einer septikämischen Erkrankung mit gleichzeitigem Oedem und erysipelatö-
ser Röthung der Haut.
Zu dieser Form lehrte Schütz noch eine zweite kennen, welche unter
dem Bilde einer multiplen, mortificirenden Pneumonie verläuft. Diese Form
wurde sowohl spontan bei epidemischem Auftreten beobachtet als auch experi¬
mentell hervorgerufen. Im Anschluss an diese nicht immer acut verlaufende
Form bildete sich bisweilen auch eine chronische Form aus mit käsigen
Zuständen der Lunge, Lymphdrüsen etc., welche klinisch - anatomisch fast
unter dem Bilde einer reinen käsigen Tuberculose verlief. Auch einige
chronische käsige Processe des Darmes bei Schweinen glaubt Verfasser mit
dieser Infectionskrankheit und wohl mit Recht in Verbindung bringen zu
können.
Die Arbeit ist besonders durch die eingehende Behandlung der pneu¬
monischen Form von Wichtigkeit. Verfasser ist sogar der Meinung, dass
die Schweineseuche gar keine echte Septikämie, sondern eigentlich nur eine
infectiöse Pneumonie sei.
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156
Kritiken und Besprechungen.
Würzburg: Ueber die Be völkerungs Vorgänge in deut¬
schen Städten mit 15000 und mehr Einwohnern im
Jahre 1884.
Die Sterblichkeit dieser Städte schwankte zwischen 160*8 und 446*4
auf je 10 000 Einwohner. Die Grossstädte zeigten im Allgemeinen mitt¬
lere Verhältnisse. Die Extreme fanden sich mehr hei den kleinen Städten.
Von Städten über 40000 Einwohner waren Rostock, Darmstadt, Wiesbaden,
Cassel die günstigsten.
Zwischen Geburts- und Sterbeziffer bestand in der Regel ein gewisser
Parallelismus. Die westlich einer von Stralsund über Weimar nach Ulm
gehenden Linie liegenden Städte hatten eine geringere Gesammtsterblichkeit
als die östlich dieser Linie gelegenen. Die Todesfälle an Diphtherie und
Croup gehen der Gesammtsterblichkeit am meisten parallel, ziemlich ähnlich
steht es mit Scharlach und Typhoid. Eine grössere Ruhrepidemie wurde
in Reutlingen beobachtet. Pocken und Flecktyphus waren fast nur auB
östlichen und westlichen Grenzstädten zu notiren, so dass die Vermuthung
einer Einschleppung aus dem Auslande nahe lag.
Wolffhügel und Riedel: Die Vermehrung der Bacterien
im Wasser.
Verfasser ermittelten ebenso wie in gleichzeitigen und zum Theil auch
fast zur seihen Zeit puhlicirten Untersuchungen aus den Laboratorien von
Flügge und Referent, dass die Ruhe in erster Linie auf Wasserorganismen
keinen sedimentirenden und klärenden Einfluss ausüht, sondern dass unter
allen Umständen eine Vermehrung einer ganzen Reihe von Bakterien sich
geltend macht.
Die Experimente mit pathogenen Bakterien ergaben, dass unter Um¬
ständen schon ganz geringfügige organische Beimengungen genügen, um
einzelne pathogene Bakterienarten nicht nur etwa lebensfähig zu erhalten,
sondern auch zur Vermehrung zu bringen. Dies wurde ermittelt für Milz¬
brandbacillen, welche in Bezug auf Nährmaterial sogar zu den wählerischeren
Arten gehören. Vor Allem aber für die Bakterien des Typhoid und der
Cholera asiatica. Die näheren Umstände, unter denen diese Vermehrung ein¬
trat, sind im Original einzusehen. Die Resultate stehen ebenfalls im Grossen
und Ganzen mit der Erfahrung von Flügge und mir in Einklang.
Seil: Ueber Kunstbutter, ihre Herstellung, sanitäre Be-
urtheilung und die Mittel zu ihrer Unterscheidung von
Milchbutter.
Bei der enormen nationalöconomischen Bedeutung des Gegenstandes
ist die vorliegende gründliche Untersuchung von grösster Bedeutung, um
so mehr, als eine eingehende Darstellung bei uns bis jetzt ganz fehlte.
Verfasser berücksichtigt diese öconomische Seite der Frage ausreichend.
Der colossale Umsatz war aber auch die Ursache zu einer ganzen Reihe
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Bericht über die Allgemeine Deutsche hygienische Ausstellung. 157
betrügerischer Manipulationen, welche das höchste Misstrauen gegen alle
Knnstbatter hervorriefen.
Die Darlegung der Principien der verschiedenen Patente, die analyti¬
schen Verfahren zur Erkennung der Milch butter und der diversen Surro¬
gate werden eingehend behandelt, ohne dass ich aber auf diese Einzel¬
heiten hier eingehen kann.
Auch die folgende Abhandlung:
Seil: Beiträge zur Kenntniss der Milchbutter und der
zu ihrem Ersätze in Anwendung gebrachten anderen
Fette
giebt eine Reihe weiterer gründlicher Versuche zur Aufhellung dieses
schwierigen Capitels der Nahrungsmittelchemie.
Wolffhügel: Erfahrungen über den Keimgehalt brauch¬
barer Trink- und Nutzwässer.
Unterstützt von vielen Beobachtern bringt Verfasser eine Anzahl
von Mittheilungen über den Gehalt von guten und schlechten Trink- und
Nutzwässern, welche isolirt kaum einen rechten Werth hätten, aber in die¬
ser Zusammenfassung den Beginn einer systematischen Bearbeitung liefern.
Wenn ich auch einem mir ausgesprochenen Wunsche folgend, diesen
2. Theil der „Arbeiten“ kürzer besprochen habe, so dürfte aber das eine
wohl ersichtlich sein, dass dieser Theil dem ersten in keiner Weise nachsteht
und dass der 1. Band dieser „Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheits¬
amte“ eine ganze Reihe werthvoller Arbeiten für die Hygiene bringt.
Hueppe (Wiesbaden).
Bericht über die Allgemeine Deutsohe Ausstellung auf
dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens,
unter dem Protectorate Ihrer Majestät der Kaiserin
und Königin, Berlin 1882 bis 1883. Mit Unterstützung des
königl. preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- urfd
Medicinalangelegenheiten, herausgegeben von Dr. Paul Börner
und nach dessen Tode vollendet von H. Albrecht. III. (Schloss-)
Band. Breslau, Schottländer, 1886. gr. 8. 695 S. mit 80 Text-
Illustrationen. Cplt. 35 Mark.
Von dem hochverdienstlichen Werke, das der dahingeschiedene
Dr. Börner, begonnen hat, leider aber nicht mehr vollenden konnte und
über dessen beide ersten Bände wir seiner Zeit eingehend berichtet haben x ),
ist nun der Schlussband erschienen, der unter der sachkundigen Redaction
0 Siehe diese Vierteljahrsschrift Bd. XVII, S. 437, und Bd. XVIII, S. 152.
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158
Kritiken und Besprechungen.
des Herrn Ingenieur Albrecht in Plan und Ausführung in voller Uebe r ein-
8timmung mit den beiden ersten Bänden sich diesen würdig anreibt. Das
Werk, das anfangs nur auf den Umfang zweier Bände berechnet war,
umfasst nunmehr drei stattliche Bände, denen fast 400 meist trefflich aus¬
geführte Illustrationen beigegeben sind, ohne dass durch den gegen den
ursprünglichen Plan nahezu doppelten Umfang des Werkes der anfangs für
den Bericht festgesetzte Preis seitens der Verlagshandlung eine Erhöhung
erfahren hätte.
Dem dritten Bande hat der Herausgeber eine kurze Lebensskizze
Born er 7 s vorausgeschickt, in der er dessen Lebensgang, seine ungewöhnliche
Arbeitskraft und seine vielseitige agitatorische und wissenschaftliche Thätig-
keit in warmen Worten schildert, dem Dahingeschiedenen „ein Gedenkblatt
treuer Liebe und Verehrung“ widmend.
So ist das unter den schwierigsten Verhältnissen begonnene und nur
durch die zähe Ausdauer seines Begründers und die überaus thätige Mit¬
hülfe zahlreicher Corporationen und Freunde der Hygiene durchgeführte
Werk glücklich zu Ende gebracht, ein Werk von bleibendem Werth, ein
unentbehrliches Nachschlagebuch für Jeden, der sich mit den betreffenden
Gegenständen beschäftigt, ein dauerndes Erinnerungsblatt an die erste
Grossthat der deutschen Hygiene. A. S.
Seitz, Carl, Dr.: Baoteriologische Studien über Typhus-
ätiologle. München, Finsterlin, 1886. 8. 68 S. 2*40 Mark.
Verfasser hat sich seit zwei Jahren in ausgedehnter Weise mit der Er¬
forschung der Ursachen des Typhus abdominalis auf bacteriologischem Ge¬
biete beschäftigt und wenn auch viele Resultate Seitz’s durch inzwischen
veröffentlichte Publicationen anderer Forscher schon bekannt geworden
sind, verliert die Arbeit trotzdem ihren Werth nicht; in unserem ent¬
deckungsfrohen und schnell arbeitenden Jahrzehnt ist eine vielfache Bestäti¬
gung neuer Thatsachen nicht unerwünscht. — In einem Schlusswort fasst
Verfasser seine Resultate zusammen. Seitz hat in den meisten Typhus¬
leichen, besonders in der Milz, die charakteristischen Bacillenhaufen gefun¬
den , aus denen er mit Leichtigkeit Reinculturen erzielen konnte; seltener
gelang die Isolation aus den Dejectionen, nur in zwei Fällen aus dem
Urin; Seitz bestätigt hierbei die Ansicht von Wyssokowitsch, dass
nur in den Fällen, in denen es zu Entzündungserscheinungen in den Nieren
und dabei zu wenn auch minimalen Hämorrhagien komme, Bacillen im
Urin auftreten. Aus Blut hat Seitz niemals Bacillen züchten können
{11 Fälle mit 13 Blutuntersuchungen); die Hoffnung von Neuhaus, dass
gerade der Befund der Bacillen im Blut von differentiell diagnostischer
Bedeutung sein könnte, kann Seitz nicht theilen. Die Eigenschaften, die
den Typhusbacillus ganz besonders charakterisiren, sind lebhafte Beweg¬
lichkeit, grosse Resistenz gegen Austrocknen und Kälte, GährWirkung auf
Kohlehydrate und ganz besonders das Wachsthum auf Kartoffeln. Was
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Almquist, Thatsächliches u. Kritisches zur Ausbreitung d. Cholera. 159
seine Specifität für den Typhus betrifft, so kann man ihn für verschiedene
Thierarten als pathogen betrachten. Der Dünndarm, speciell dessen Drü¬
sen, reagiren bei lnfection per os und per Blutbahn mit typhusähnlichen
Veränderungen. Es ist am Wahrscheinlichsten anzunehmen, dass der Darm
die Eingangspforte darstellt. Die Lunge ebenfalls als Eingangsöffnung an¬
zunehmen, hat wenig Plausibles für sich. — Der in vielen Fällen geringe
Bacillenbefund trotz sehr ausgeprägter deletärer Typhussymptome erklärt
sich am besten mit der Annahme einer toxischen Wirkung, nachdem
Brieger die Stoffwechselproducte der Bacillen genauer studirt hat. —
Nicht mehr zu bezweifeln ist die Möglichkeit der Propagation des Typhus
durch Wasser und Milch. Lachmann (Frankfurt a. M.).
Ernst Almquist, Hygieniker der Stadt Göteborg: Th&tSäcMiolies
und Kritisches zur Ausbreitungswelse der Cholera.
Göteborg, Wettergren & Kerber, 1886. 8. 60 S. 2 Mark.
Auf 11 Gholerajahre (im Zeitraum von 1834 bis 1873) und anderer¬
seits auf 62 unter den 90 schwedischen Städten vertheilten sich 124
Choleraepidemieen resp. 25 081 Choleratodte. Plattlandbewohner erlagen'
gleichzeitig 12 453 der Seuche. Die 11 Cholerajahre gruppiren sich zu
fünf Perioden, deren Anfänge durch die Jahreszahlen 1834, 1850, 1853,
1866, 1873 (unter denen alle — ausser 1853 — gleichzeitig auch End¬
jahre waren) bezeichnet werden. Unter den 62 befallenen Städten hatten
33 eine Epidemie zu überstehen, 14 deren 2, 8: 3, — je eine Stadt
wurde 9 Mal (Stockholm) resp. 8 Mal (Göteborg) ergriffen. Fast ohne
Ausnahme wurden alle diejenigen schwedischen Städte von Cholera heim¬
gesucht, welche an den centralen Wasserwegen liegen. Die Städte
des Binnenlandes dagegen blieben — und unter ihnen wiederum die kleinen
und kleinsten überwiegend — in der Mehrzahl exempt. Göteborg und
Stockholm (welche die Zielpunkte der centralen Wasserwege darstellen)
ausgenommen, blieben auch die Städte und Städtchen der Meeresküsten
in hervorragender Weise verschont. Von den 28 cholerafrei gebliebe¬
nen städtischen Ortschaften liegt die Hälfte am Meere, die Hälfte im
Binnenlande, — sämmtliche aber entbehren gänzlich jeder Wasser-
communication, sei es mit dem Meere, sei es mit Canal- oder Flussgebieten.
Ausserdem sieht Almquist für festgestellt an, dass die Cholera nirgends
Neigung gezeigt hat, sich längs einem nicht schiffbaren Flussgebiete aus¬
zubreiten.
Die speciellen Belege für diese Thatsachen der Choleravertheilung,
welche den Kern und Haupttheil der Schrift bilden, sind überall so durch¬
sichtig und ohne Künstelei dargelegt, dass man dem Verfasser nur bei¬
pflichten kann, wenn er zu der Ueberzeugung gelangt: n Schweden hat vor
Allem Recht, auf dem Gebiet der Epidemiologie mitzusprechen, da unser
statistisches Material viel vollständiger und benutzbarer ist als das der
meisten Länder, und da sowohl unsere Lage wie die Beschaffenheit des
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160 Kritiken und Besprechungen.
Landes für solche Stationen besonders vortheilhaft sind. Von Indien muss
mit grösster Vorsicht Material genommen werden, da die Statistik dort
schon unvollständig ist, und man die subjective Auffassung der Beobachter
schwerlich los werden kann. Besonders gefährlich scheint es mir, Beispiele
zum Analysiren von dort zu nehmen. u
Aber auch dem in Schweden gesammelten Material gegenüber macht
Almquist seine vorsichtigen Reservationen. Dort sind zwar seit 130
Jahren alle Todesfälle mit genauen Angaben über Ortschaft, Datum und
Person in den Kirchenbüchern aufgeführt, — nur die Krankheitsdiagnosen
sind vor 1860 nach Hörensagen verzeichnet und manchmal ohne ärztliche
Beihülfe gestellt. Dieser Mangel thut jedoch dem Werth jener Verzeich¬
nisse nur geringen Abbruch bei einer Krankheit, die — wie die Cholera —
im ganzen Lande Jahre lang ganz ausgeblieben ist, plötzlich massenhaft
zum Vorschein kommt, dabei in kurzer Zeit eine beträchtliche Anzahl von
Todesfällen verursacht und nachher wieder plötzlich verschwindet Die
von einer solchen Epidemie in der vorerwähnten Weise gebuchten Daten
haben mindestens den gleichen Werth, wie das Material der Meteorologie.
An der Hand der ihm zu Gebote stehenden so gestalteten Thatsachen
geht nun Almquist die sechs von anderen Seiten bis jetzt aufgestellten
Punkte der Choleraätiologie, welche sich mit der örtlichen und zeitlichen
Disposition decken sollen, kritisch durch:
1. Lockerer Boden sei für die Entwickelung der Cholera günstig. —
In Göteborg und Umgegend, dem Schauplatz furchtbarer Choleraepidemieen,
liegt unter den durchseuchten Häusern auf dem Granit oder Lehm eine
kaum mikroskopisch nach zu weisende Schicht lockerer Erde. Hätte man
die Verhältnisse Schwedens (und auch anderer Länder) berücksichtigt, so
wäre jene These, so wie der fernere Satz, dass für Wasser undurchdring¬
licher Boden seuchenfrei sei, niemals aufgekommen. Auch das Auftreten
der Cholera längs der schiffbaren Flüsse hat mau auf den lockeren Boden
der Ufer zurückführen wollen: mit Unrecht, da die Ufer der nicht schiff¬
baren Flüsse verschont bleiben.
2. Gewisse Jahreszeiten seien der Choleraentwickelung besonders
günstig. — Dies trifft, was den Spätsommer und Herbst anlangt, auch für
Schweden zu, wenn auch für eine vollständige Bestätigung des Verhältnis¬
ses noch genauere Studien über die Lebensweise des Cholerakeims dringend
erforderlich Bind.
3. Beim Sinken des Grundwassers erhöhe sich die Disposition für
Cholera. — Der Verfasser hält das Dominiren gerade dieser Hypothese für
die Choleraforschung direct gefährlich. Sie kann möglicher Weise etwas
Richtiges enthalten, — „jedoch“, fährt Almquist fort, „diesen hypotheti¬
schen Factor als ein Hauptmoment der zeitlichen Disposition der Cholera
hinzustellen, ist mindestens unvorsichtig“ .... „Ich kenne keine bestäti¬
genden Untersuchungen dieser Hypothese.“
4. Gewisse sanitäre Arbeiten und Verhältnisse vermindern die Neigung
für Cholera. — Nicht anzuzweifoln.
5. Durchseuchung einer Stadt oder Localität vermindere sie eben¬
falls. — Die Durchseuchung der Localität mit dieser Consequenz, ja direct
die Durchseuchung der Häuser als solcher hält Verfasser für viel besser
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1G1
Soyka, Zur Assanirung Prags.
bewiesen, als die Durchseuchung der Menschen, wie Koch sie neuerdings
als Grund einer späteren relativen Immunität behauptet hat. Diese Hypo¬
these wird für ebenso willkürlich erklärt wie die gleichfalls von Koch ver¬
teidigte, dass das Choleragift den Cholerakranken heim Krankenbett ähn¬
lich fertig verlasse, wie etwa das Pockengift. — Dem gegenüber werden
für das Durchseucht wer den von Städten und Local itäten mit daran sich
knüpfender Verminderung der Disposition neben den schwedischen auch die
mehrfachen Beobachtungen aus anderen Ländern angeführt, nach denen
die Immunität selbst in solchen durchseuchten Häusern sich äusserte, deren
Bewohner bis zur nächsten Epidemie völlig gewechselt hatten.
6. Bei noch herrschender Epidemie kann dagegen eine neu anziehende
Bevölkerung in einer bereits durchseuchten Localität die Krankheit wieder
beleben. — Gerade wegen dieses von ihm acceptirten letzten Punktes hält
Almquist es für dringend nöthig, den Factor der grösseren oder geringe¬
ren persönlichen Disposition („mehr oder weniger ausgesetzt tt ) ganz getrennt,
als eine unbekannte Grösse, von der einer Ortschaft innewohnenden Dis¬
position zu trennen. In Schweden weist zwar die Erfahrung ganz bestimmt
hierbei auf die maassgebende Wichtigkeit des Verkehrs hin, — allein auch
für diesen Zusammenhang liegt, so klar er sein mag, die Verlockung nahe,
aus Beispielen allgemein gültige Schlüsse zu ziehen.
Wernich (Cöslin).
J. Soyka: Zur AssanlPUIlg Prags. Sep.-Abdr. a. d. Prag. med.
Wochenschr. Prag 1886.
Soyka bespricht im ersten Theile seines Vortrages die noch immer
recht ungünstigen Sterbeverhältnisse der Stadt Prag. Die Mortalitäts¬
statistik wird dort in der Weise aufgestellt, dass alle auf ortsfremde Per¬
sonen entfallenden Todesfälle eliminirt werden. Trotzdem betrug der
Sterhecoefficient (die Vororte mit ein geschlossen) 1881: 30*75, — 1882:
28*14, — 1883: 31*80, — 1884: 30*52 pro Mille. Vier Gruppen von Todes¬
ursachen, die Verfasser im Einzelnen bespricht, sind die wesentlichsten An-
theilnehmer an dieser immerhin hohen Sterblichkeitsziffer: die Kindersterb¬
lichkeit, — die acuten Exantheme (voran die Pocken), — der Abdominal¬
typhus — und die Tuberculose. Speciell was den Typhus anlangt, hat sich
Prag — im Vergleich mit vielen früher davon durchseuchten Grossstädten —
noch immer auf einer sonst ungewöhnlich hohen Stufe der Sterblichkeit ge¬
halten.
Eine der vornehmsten prophylaktischen Sorgen, die für reines Trink¬
wasser, ist in Prag bereits seit vielen Jahren zum Ausdruck gelangt. Seit
1871 bereits ist der Beschluss zur Errichtung eines neuen grossen Wasser¬
werkes gefasst. Allein nur für Koch- und für Trinkwasser wurde durch
die Ausführung dieses Plans gesorgt; hinsichtlich des Gehrauchswassers
blieb die Stadt auf die Brunnen angewiesen, die zum grösseren Theil stets
als sehr unreines Wasser führend angesehen worden sind. Das Ergebniss
der hierüber angestellten Untersuchungen würde eigentlich in der Sperrung
sämmtlicher Brunnen gipfeln müssen.
Viertelj&hrftchrift für Geanndheitspflege, 1887. U
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162
Kritiken und Besprechungen.
Die Verunreinigung des Prager Brunnenwassers ist aber gleichzeitig
als Maassstab für die sehr erhebliche Verunreinigung des städtischen
Untergrundes anzusehen. Die Hauscanäle sind schlecht, Ablagerungs¬
stätten für sich zersetzende Unrathmassen, undurchlässig und nicht im
Stande, den Boden rein zu halten. Ein Theil des städtischen Unraths läuft
ausserhalb des Canalisationsnetzes der Moldau zu, im Uebrigen birgt
die Stadt Dunggruben und zwar solche von immenser Grösse: bis zu
256 000 Liter Inhalt, — und darunter manche, die gar nicht mehr gerei¬
nigt, sondern gefüllt vermauert wurden.
Die Regulirung dieser Verhältnisse wäre nur durch eine allgemeine
Canalisation mit Anschluss aller Häuser auf Grund einer neuen Bauordnung
und in Verbindung mit einer Neupflasterung der Strassen zu bewirken.
Aber auch im Hinblick auf die Verbreitung der ansteckenden Kinder¬
krankheiten stellen sich neue Schutz maassrege In als unvermeidlich und
unaufschiebbar heraus: hier in erster Reihe die Aenderung der Wohnungs¬
verhältnisse in der Josephstadt und zwar in Bezug auf die Schlafstellen¬
quartiere und die Kellerwohnungen. Bezüglich der letzteren wäre die in
Aussicht genommene Banpolizeiordnung viel schärfer zu präcisiren, nicht
weniger auch da, wo dieselbe von den Deckenconstructionen handelt und
als Zwischendeckfüllung Schutt anzuwenden gestattet, ohne an die
Beschaffenheit des Schuttes bestimmte Anforderungen zu stellen.
Ein schliessliches dringendes Bedürfnis im Assanirungsplan Prags ist
dann noch die Errichtung eines Centralleichenbauses ausserhalb der
Stadt, da die vorhandenen Leichenkammern nicht ausreichen und inmitten
sehr bevölkerter Stadttheile belegen sind.
Wernich (Cöslin).
Prof. Dr. v. Langenbeck, Generalarzt I. CI. ä la suite, Dr. v. Coler,
Generalarzt I. CI. und Dr. Werner, Stabsarzt: Die transportable
Lazarethbaracke mit besonderer Berücksichtigung der von
Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusta hervorgerufenen
Barackenausstellung in Antwerpen im September 1885. Berlin,
A. Hirschwald, 1886. gr. 8. 47 S. mit 24 lithographischen Tafeln
und mehreren Holzschnitten im Texte.
Der 1884 in Genf tagenden dritten internationalen Zusammenkunft
der Gesellschaften vom Rothen Kreuz war von Ihrer Majestät der Kaiserin
ein namhafter Preis für eine hervorragende Leistung auf dem Gebiete des
Feldsanitätswesens zur Verfügung gestellt worden. Man entschied sich,
denselben für das beste Muster einer versendbaren Lazarethbaracke
auszusetzen, und der Ausschuss des Rothen Kreuzes in Genf übernahm die
Einleitung und Durchführung des Preisbewerbes, welcher mit Unterstützung
der belgischen Behörden 1885 in Antwerpen stattfand. Dem aus Ver¬
tretern verschiedener Nationen gebildeten Preisgericht gehörten deutscher¬
seits die Herren Verfasser des obigen Werkes an. Die Betheilignng an der
Ausstellung war sehr erheblich. 13 Baracken in natürlicher Grösse,
36 Barackenmodelle in kleinerem Maassstabe, sowie 11 Pläne und Zeich-
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v. Langenbeck, v. Coler u. Werner, Transportable Lazarethbaracke. 1G3
nungen von Baracken ohne Beigabe von Modellen waren eingesandt, and
so entstand der Gedanke, die in den Ansstellangsgegenständen vertretenen
mannigfaltigen Ideen darzolegen und kritisch zu würdigen.
Das vorliegende Werk, welches sich diesen Aufgaben unterzogen hat,
vereinigt — wie alle von der Medicinalabtheilung unseres Kriegsministeriums
ausgehenden Veröffentlichungen — gründliche Beherrschung des Stoffes mit
sorgfältiger Darstellung und praktischem Urtheil. Das behandelte Gebiet
ist allerdings ein ziemlich eng begrenztes. Indessen reicht die Bedeutung
der versendbaren Lazarethbaracke doch über das Bedürfnis kriegführender
Heere hinaus und kommt — worauf die Herren Verfasser mit Recht hin-
weisen — auch für die Civil - Medicinalverwaltungen, besonders mit Rück¬
sicht auf Epidemieen, in Betracht.
Der erste Abschnitt giebt einen geschichtlichen Abriss der traurigen
Kriegserfahrungen, aus welchen die unbewegliche Lazarethbaracke sich
entwickelt hat, sowie der Art, in welcher dieselbe bisher Verwendung fand.
Hierbei wird zugleich die weit verbreitete Meinung widerlegt, als ob jene
Baracke erst ein Kind der Neuzeit sei; ihr Ursprung reicht vielmehr nach
Theorie und Praxis bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück.
Im zweiten Abschnitte, welcher die Ueberschrift: „Die Theorie
der transportablen Baracke“ trägt, wird ausgeführt und mit'Tbat-
sachen aus den letzten Kriegen belegt, dass die bisherige Benutzung von
Lazarethbaracken für Kriegszwecke noch nicht die wünschenswerthe Höhe
erreicht habe. Selbst der Ueberfluss eines Culturstaates wie Frankreich an
öffentlichen und Privatgebäuden jeder Art habe 1870/71 nicht vermocht,
der Masse der Hülfsbedürftigen gegenüber, den heutigen Ansprüchen an
passende Unterkunftsräume für Verwundete und Kranke zu genügen.
Andererseits hätten weder die jeweiligen materiellen Hülfsmittel, noch die
an den Orten des Bedarfes vorhandenen Arbeitskräfte ausgereicht, um
jenem Mangel durch Improvisationen von Barackenlazarethen abzuhelfen.
Aus solchen Erfahrungen sei der Gedanke entstanden, den in vereinzelten
Fällen bereits vorgenommenen Transport fertig gestellter zerlegbarer
Baracken zu einem System zu machen. Was Esmarch (1869), Pirogoff
(1877/78) und das österreichische Kriegsministe'rium (1878/79 in
Bosnien) in dieser Richtung geleistet haben, wird dem Leser vorgeführt.
In dem bosnischen Feldzuge, in welchem die transportable Baracke zuerst
systematisch in Gebrauch genommen wurde, habe dieselbe sich wohl be¬
währt. Die Hoffnung, dass sie kriegführenden Heeren in Zukunft noch
umfangreichere Dienste leisten werde, sei desshalb wohl berechtigt. Anderer¬
seits treten die Herren Verfasser mit vollem Rechte der Illusion entgegen,
als ob je die gesammte Krankenbehandlung auf dem Kriegsschauplätze in
Barackenhospitäler verlegt oder durch letztere das zu hoher Entwickelung
gelangte Princip der Evacuation beeinträchtigt werden könne. Die trans¬
portable Baracke solle nur behülflich sein, die Evacuation nicht um jeden
Preis und nicht unter Gefährdung des Zustandes der Verwundeten und
Kranken vornehmen zu lassen, und die nicht transportablen Schwerver-
wnndeten in Hospitalverhältnisse zu bringen, wie deren Behandlung nach
unseren heutigen Anschauungen sie erfordert. Zugleich biete jene Baracke
ein ausgezeichnetes Mittel, um durch rechtzeitige Isolirung an passenden
11 *
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1C4
Kritiken und Besprechungen.
Orten der Ausbreitung von Infectionskrankheiten unter den Feldtruppen
wie unter der Civilbevölkerung an den Orten der heimischen Reserve-
lazarethe entgegenzutreten. Es sei aber die Ausbildung dieses Systems
bereits in Friedenszeiten erforderlich, lind hierzu erscheine das Militär-
und das Civilhospitalwesen gleich sehr geeignet und berufen. Die Fälle
aussergewohnlichen Bedarfes an Krankenunterkunftsräumen bei Epidemieen
böten hierzu Gelegenheit, sei es, dass Massenunterkünfte erforderlich würden,
welche über die in den disponibeln Hospitälern vorhandene Bettenzahl
hinausgingen, sei es, dass die Art der Krankheit eine völlige räumliche und
administrative Trennung der Erkrankten von einer vorhandenen perma¬
nenten Krankenhausanlage erfordert. In letzterem Falle komme es auf
Isolirung der ersten Fälle an; hierzu fehle es besonders in kleineren Ge¬
meinden in der Regel an passenden Räumlichkeiten. Das Vorräthigsein
von transportablen Lazarethbaracken vermöge Ersatz zu schaffen. Auch
für manche kleine Badeorte könne deren Beschaffung in Frage kommen.
Andererseits werde für die Militärverwaltung ein Vorrath derselben theils
bei vorübergehendem Mehrbedarf an Unterkunftsräumen in einzelnen
Garnisonlazarethen, theils bei den zahlreichen grossen Truppenzusammen-
ziehungen im Frieden, theils zur Verwendung in den Aufmarschlinien und
bei den ersten Actionen im Kriege zweckmässig sein. Nothwendige Be¬
dingungen aber für ihre Einführung in die Praxis seien Billigkeit,
Möglichkeit schneller Herstellung und Fähigkeit leichten
Transportes — eine Ansicht, welche ohne Zweifel von allen sachver¬
ständigen Aerzten getheilt werden wird.
Nachdem die Herren Verfasser so die allgemeinen Gesichtspunkte
erschöpfend behandelt haben, welche zu Gunsten versendbarer Lazareth¬
baracken geltend gemacht werden können, fällen sie über die Antwerpener
Ausstellung das Urtheil: Dieselbe habe ein so reiches Material an
Constructionsarten geliefert, dass hierdurch eine Klärung der bisher noch
wenig gelichteten Ideen über die zweckmässigste Gestaltung des Systems
transportabler Baracken gesichert und auf dem Wege zur praktischen und
dauernden Einführung derselben ein wichtiger Fortschritt erzielt worden sei.
Hieran schliesst sich im dritten Abschnitte eine ausführliche kritische
Schilderung des Ergebnisses unter Berücksichtigung der Einzelleistungen.
Voraufgeschickt wird das vortrefflich abgefasste Programm, welches das
Preisgericht bei Ausschreibung der Preisbewerbung bezüglich der Con-
struction versendbarer Baracken veröffentlicht hatte. Die Gründe, aus
welchen die Minimalbetten zahl auf 12 und der Luftraum für jedes Bett auf
nur 12 cbm festgesetzt worden waren, sind vollkommen stichhaltig. Hier¬
auf werden die für den Zweck in Betracht kommenden Eigenschaften der
ausgestellten Baracken nach einander erörtert, nämlich Anlage des Unter¬
baues, Zerlegbarkeit der Wand- und Dachtheile, Material (Holz, Eisen,
Pappe u. dergl., einzeln und combinirt), Feuersicherheit, Zeltbekleidung,
Form (Rechteck, Kreuzform, Tollet’sche Bogenform, Kreisform), Ventilation,
Heizung, Kosten, Gewicht und Transportart.
Ein von zahlreichen Abbildungen begleiteter Anhang, in welchem 39
sehr mannigfaltige Ausstellungsobjecte einzeln beschrieben werden, be-
schliesst die Arbeit. Möge die von den Herren Verfassern gegebene dankens-
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Cazin, Les etablissements hospitaliers ä Berck sur mer. 165
werihe Anregung recht bald zu praktischen Versuchen mit den besten
ausgestellten Mustern führen! Den Gesellschaften vom Rothen Kreuze,
welchen es an Gelegenheiten zu internationalen Hülfsleistungen für Ver¬
wundete und Kranke leider nicht zu fehlen pflegt, und den Militärver¬
waltungen der europäischen Culturstaaten dürften solche Versuche am
nächsten liegen. Wasserfuhr (Berlin).
Cazin: Les ötablissements hospitaliers ä Berok sur mer.
Paris, Asselin et Houzeau, 1885.
Schon lange war es von allen denjenigen, welchen das Gedeihen der
Heilanstalten für scrophulöse Kinder am Herzen liegt, aufs Lebhafteste be¬
klagt worden, dass nähere Angaben über die Resultate eines der ältesten
und grössten Seehospize, nämlich desjenigen von Berck sur mer, seit dem
Jahre 1868 gänzlich fehlten. Mit um so aufrichtigerer Freude werden sie
das Erscheinen der vorliegenden Schrift Cazin’s begrüssen, welche diese
Lücke in der trefflichsten Weise auBfüllt.
Dieselbe beginnt mit einer kurzen Einleitung über die Heilwirkung
des Seewassers gegen Scrophulose und über die Geschichte der
Seehospize in England, Italien, Frankreich und anderen Ländern. Es
folgt sodann die Beschreibung der Heilstätten, welche zu Berck sur mer
für scrophulöse Kinder gegründet worden sind, zunächst des kleinen
und des grossen Hospizes, die von der Pariser Generalarmen Verwal¬
tung gegründet und für die kränklichen, einer Seebadecur bedürftigen
armen Kinder bestimmt wurden, sodann der anderen dort eingerichteten
Anstalten. Zum leichteren Verständniss gab der Verfasser einen Situations¬
plan und mehrere Grundrisse bei.
Das kleine und das grosse Hospiz werden gemeinsam beschrie¬
ben als „höpitäl maritime Cazin schildert die ersten bescheidenen Ein¬
richtungen, welche Ende der fünfziger Jahre für die scrophulösen Kinder
am Gestade von Berck getroffen waren, schildert die Gründung des provi¬
sorischen Hospizes daselbst im Jahre 1861, eine Anstalt mit 100 Betten,
und beschreibt darauf das umfangreiche Hospiz, welches am 18. Juli 1869
eröffnet wurde, in allen Einzelheiten an der Hand mehrerer Pläne. Diese
Heilstätte hat jetzt nicht weniger als 880 Betten, von denen 734 lediglich
für kranke Kinder bestimmt sind. Sie gehört, wie schon angedeutet wurde,
der Generalarmen Verwaltung von Paris und nimmt der Regel nach nur
Kranke auf aus dem Departement der Seine, wie aus demjenigen der Seine
und Oise. Die meisten sind arme Kinder, doch können auch einzelne
zahlungsfähige Aufnahme finden. Als Curmittel dienen Seebäder, Wannen¬
bäder mit Seewasser, Aufenthalt beziehungsweise Bewegung in dfir Luft an
der Seeküste und eine rationelle Ernährung. Die letztere bietet Weissbrot,
Milch, Fleisch, Eier, Reis, Gemüse, Kartoffeln, Obst, Bier und Chocolade.
Das tägliche Brotquantum beträgt 320 g beziehungsweise 360 g, das tägliche
Fleischquantum circa 140 g (Braten), das tägliche Bierquantum 480 ccm.
Verpflegt wurden von 1869 incl. bis 1882 incl. = 5847 im Alter von
2 bis 16 Jahren stehende Kinder, von welchen 4692 scrophulös waren, die
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166 Kritiken und Besprechungen.
übrigen an Rhachitis oder Paralysis infantilis litten. Von den 4692 Scro-
pkulö8en wurden
geheilt. 3321 oder 70*7 Proc.
gebessert. 148 „ 3*2 „
nicht gebessert. 127 „ 2*7 „
starben. 339 „ 7*2 „
fortgenommen. 757 „ 16*1 „
Wer die Resultate unserer deutschen und auch der italienischen See¬
hospize mit den hier notirten vergleicht, wird die Frage aufwerfen, wo¬
durch Berck sur mer bedeutsamere Erfolge erzielen konnte. Die Ant¬
wort lautet dahin, dass dies französische Hospiz die Pfleglinge nicht bereits
nach vier oder sechs Wochen wieder entlässt, sondern so lange behält, wie
der Arzt es für nöthig erklärt, so dass jedes Kind im Durchschnitte nicht
weniger als 423 Tage in der Anstalt verbleibt.
Es waren alle Formen der Scrophulose vertreten. Von ihnen heilten
am besten der Tumor albus (zu fast 85 Proc.), nächstdem die Hautaffectio-
nen, dann die Augenaffectionen (zu 78 Proc.), die Drüsenschwellungen (zu
75 Proc.), die Periostitis und Ostitis, sowie die Otorrhoe (zu etwa 73 Proc.),
viel weniger gut die Ozaena, die eiterige Coxitis und das Malum Pottii
mit Abscess. Der Tod erfolgte bei 50 Kindern durch Meningitis, bei 16
durch Phthisis, bei 23 durch tuberculöse Bronchitis und bei 47 durch Albu¬
minurie, bei 15 durch Pneumonie, bei 10 durch Wirbelcaries, bei 16 durch
Atrophie, bei 23 durch Diphtherie.
Es folgt nun die Beschreibung der beiden Institute P. Cornu, welche
nordöstlich von dem Haupthospize ebenfalls ganz nahe dem Strande liegen.
Sie stellen, gewissermaassen Dependenzen des höpital maritime vor und
sind dazu bestimmt, diejenigen Patienten aufzunehmen, welche in letzterem
keinen Platz mehr finden. Die Zahl der Betten beträgt jetzt gegen 300.
Nahe den Instituten befinden sich Wiesen und Ackerländereien; hier werden
die Kinder, so weit es das Alter und der Kräftezustand derselben gestatten,
mit ländlichen Arbeiten beschäftigt. Während der Jahre 1871 bis 1882
fanden in den beiden Anstalten, von denen die eine übrigens damals noch
zu GroflierB sich befand und von einer Frau de Paris geleitet wurde,
ira Ganzen 211 Scrophulose Aufnahme. Von ihnen wurden
geheilt.. . 180
gebessert. 17
starben. 14
Die Dauer des Aufenthalts betrug im Durchschnitt = 576 Tage. Am
besten waren auch hier die Erfolge bei Tumor albus und bei Periostitis.
Das Hospiz Nathaniel Rothschild’ s liegt nördlich von dem Haupt¬
hospiz unmittelbar am Strande, ist am 24. Mai 1872 eröffnet und hat
60 Betten. Es nimmt vorwiegend, doch nicht ausschliesslich, scrophulose
und schwächliche Kinder israelitischer Confession auf, verpflegt sie in
der Regel nicht länger als 90 Tage und entlässt die überwiegende Mehr¬
zahl der kleinen Patienten für die Dauer des Winters. In den Jahren 1872
bis 1882 fanden Aufnahme = 229 Kinder, grösstentheils scrophulose. Von
ihnen wurden
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Raudnitz, Findelpflege. 167
geheilt. 229 oder 72*7 Proc.
gebessert.70 „ 22*2 „
nicht gebessert.15 „ 4*8 „
es starb. 1 „ 0*3 „
Den besten Erfolg hatte die Cur bei allgemeiner Schwäche und scrophu-
löser Diathese (Heilung in 94 Proc.), und bei chronischer Entzündung des
Knie- resp. Ellenbogengelenks, nächstdem bei Otorrhoe und bei Periostitis.
Dies ist ein kurzer Auszug des Wichtigsten aus der lesenswerthen
Schrift Cazin’s, welche zu den besten der über Seehospize erschienenen
gerechnet werden darf. Möge sie bei uns fleissig studirt werden, dann
wird ihr reicher Inhalt auch den scrophulösen Kindern unseres Vaterlandes
zu Gute kommen. J. Uffelmann (Rostock).
Dr. R. Raudnitz: Die Fiüdelpflege. Erweiterter Sonderabdruck
aus der zweiten Auflage der Realencyclopädie der gesammten Heil¬
kunde. Wien, Urban und Schwarzenberg, 1886. 8. 48 S. 2 Mk.
Diese, dem bekannten Dr. Th. Roussel, Urheber des französischen Kin-
derschutzgesetzes, gewidmete Schrift bespricht zunächst die Findelpflege im
Allgemeinen; der Autor versteht aber unter „Findelpflege“ die Pflege aller
des öffentlichen Schutzes bedürfenden Kinder, also der verlassenen, der
verwaisten, der sittlich verwahrlosten, der Ziehkinder, der Kinder in Krip¬
pen und Bewahranstalten. Es ist danach der Ausdruck „Findelpflege“
nicht gut gewählt. Wir erfahren sodann das Wesentliche der verschiede¬
nen Systeme, des Drehladesystems, des romanischen, des germanischen und
des Josephinischen Systems der Pflege, erfahren Näheres über die Zahl der
Pfleglinge, die Sterblichkeit derselben, die Kosten der Pflege und finden
weiterhin zahlreiche Anmerkungen beziehungsweise Zusätze zu dem Vor¬
getragenen. Es werden dabei statistische Mittheilungen über die Findel¬
pflege in Spanien, Griechenland, Italien, Frankreich, Portugal, Russland,
Belgien, Deutschland, Grossbritannien und Irland, Nordamerika und Oester¬
reich-Ungarn gebracht. Schliesslich finden wir die Angelegenheit der com-
munalen und privaten Findelpflege und die Krippenfrage erörtert.
Die Abhandlung ist reich an werthvollen Daten und wird desshalb Allen
willkommen sein, welche sich für die Kinderpflege interessiren; namentlich
giebt sie eine treffliche Uebersicht über die Verhältnisse der italienischen
und österreichischen Findelhäuser. Nicht ausreichend erscheint aber das
über die Kinderpflege in Deutschland Gesagte, so dass diejenigen, welche
einen Vergleich des sogenannten romanischen und germanischen Systems
anstellen wollen, bezüglich des letzteren zu wenig Anhaltspunkte erhalten.
Insbesondere vermisse ich einen Hinweis auf die treffliche Kostkindercon-
trole im Grossherzogthum Hessen und die durch dieselbe erzielten Resul¬
tate, über welche bekanntlich jedes Jahr ausfürlich Bericht erstattet wird.
Dieselben hätten eine Erwähnung um so mehr verdient, als die betreffende
Controle sich auf alle in fremder Pflege untergebrachten 0- bis 6jährigen
Kinder des Grossherzogthums bezieht. Auch wäre es wohl am Platze ge-
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Kritiken und Besprechungen.
wesen, die Resultate der in Frankreich auf Grund des Kinderschutzgesetzes
gehandhabten Controle dem Leser, wenn auch nur in Kürze, vorzuführen.
Der Autor citirt zwar die dies behandelnde Dissertation J. Valette’s,
ohne jedoch aus ihr Notizen zu bringen.
J. Uffelmann (Rostock).
J. Valette: La loi ROUSSel dans le Calvados. These. Paris 1884.
Das französische Kinderschutzgesetz, gewöhnlich Loi Roussel ge¬
nannt, welches am 28. December 1874 publicirt wurde, aber erst 1877 mit
dem Erlass der betreffenden Ausführungsverordnung in Kraft trat, hat sich
seitdem aufs Trefflichste und jedenfalls ungleich besser bewährt, als man
anfänglich, zumal bei uns in Deutschland, glaubte voraussetzen zu dürfen.
Es hat ja unverkennbare Mängel-, dieselben werden jedoch durch grosse
Vorzüge weit überwogen. Letztere bestehen darin, dass das Gesetz eine
sehr scharfe Controle der in fremder Pflege untergebrachten Kinder anord¬
net, dass es neben den officiellen Inspectionsärzten auch Frauen zur Ueber-
wachung beruft, und dass es endlich die Obliegenheiten sämmtlicher Auf¬
sichtspersonen auf das Genaueste festsetzt. Allerdings würde der blosse
Erlass dieser Bestimmungen für sich nicht genügt haben; es musste das
Gesetz auch mit Strenge ausgeführt werden. Dies ist nun, ob in ganz
Frankreich, lässt sich noch nicht sagen, aber doch in einer Reihe von
Departements thatsächlich geschehen. Einen Beleg dafür liefert die Disser¬
tation Valette’s. In dem Departement Calvados starben früher, d. h.
bevor das Gesetz von 1874 zur Ausführung gelangte, nicht weniger als
78 Proc. aller in fremder Pflege dort untergebrachten Säuglinge, während
doch nur etwa 11 Proc. der von den Müttern selbst gestillten Kinder im
ersten Jahre zu Grunde gingen. Dies änderte sich mit einem Schlage, als
in Ausführung jenes Gesetzes Aufsichtscomites bestellt und in Thätigkeit
getreten waren. Vom 1. Januar 1880 bis zum Schlüsse des Jahres 1882,
also während eines Zeitraumes von drei Jahren, befanden sich in jenem
Departement 8021 Kinder von 0 bis 2 Jahren in Pflege. Von denselben
starben nicht mehr als 484, oder 6*1 Proc. Im Jahre 1880 betrug die
Mortalität noch 7*2 Proc., 1881 nur noch 5*84 Proc., und 1882 gar nur
5*4 Proc., verringerte sich also stetig. Von den 0- bis 1jährigen Kindern
wurden im Durchschnitt der bezeichneten drei Jahre nur noch 12*5 Proc.
dahin gerafft, so dass ihre Sterblichkeit nunmehr um Vieles niedriger als
die Säuglingssterblichkeit überhaupt in Frankreich sich stellte, wo diejenige
der legitimen Kinder 15*53 Proc. beträgt. Unser Autor führt dies un-
gemein günstige Resultat, welches nach Lage der Dinge kein zufälliges sein
kann, auf die ungemein sorgsame Auswahl geeigneter und gewissenhafter
Pflegerinnen, auf die scharfe Ueberwachung der letzteren durch die Aerzte
und Aufsichtsdamen, sowie auf die Zusicherung von Prämien für gute
Pflege zurück und hat hierin allem Anschein nach Recht.
J. Uffelmann (Rostock).
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Krüger, Filter, und Oppermann, Magnesium. 1G9
R. Krüger: Die Filter für Haus und Gewerbe. Wien, Hart¬
leben, 1886. 8. 236 S. mit 72 Abbildungen. 3.25 Mark.
Das Werkeben bildet den 139. Band der bekannten „Hartieben’s che¬
misch-technischen Bibliothek“. Die betreffenden Artikel aus Dingler’s polyt.
Journal und einiger bezeichneten technischen Bücher bilden die Grundlage
der verschiedenen Capital, in welchen Sand-, Kohlen-, Papier-, Gewebefilter
und die Filter aus natürlichen und künstlichen Steinen, Thon, Porcellan,
Eisen, Glas, Schwämmen u. s. w. besprochen werden nach einer voraus¬
geschickten Einleitung über Zweck und Wirkung der Filtration und einem
Capitel über Beschaffenheit, Klärung und Reinigung des Wassers. Die
Filter, welche in der Neuzeit eine bedeutende Rolle spielen, z. B. die
Chamberland-Pasteur’schen Porcellanfilter, die Bischof sehen Eisen¬
ach wammfilter, die Piefke*sehen Schnell-(Asbest-) und Cellulosefilter, die
Breyer’schen Mikromembran-(Asbest- und Cellulose-)Filter, die verschie¬
denen Kohlenfilter etc. werden beschrieben und der Werth derselben fest¬
zustellen gesucht. Wenn nun auch in dieser Beziehung, soweit hierüber
Dingler's Journal Auskunft giebt, hier und da die nicht günstigen Resul¬
tate der mit verschiedenartigen Filtern angestellten Versuche mitgetheilt
werden, so glaubt der Verfasser doch, dass zahlreiche Filtrirstoffe das Trink¬
wasser von den gesundheitsschädlichen Beimengungen, speciell von den
Mikroorganismen und Keimen befreien können, obwohl doch auch von ihnen
a priori anzunehmen und durch Experimente festgestellt ist, dass sie den
Mikroorganismen nicht auf lange Zeit den Durchgang verwehren. Auch
bei der Sandfiltration ist die Auswahl der technischen Literatur etwas zu
einseitig gewesen, das Journal für Wasserversorgung ist anscheinend nicht
berücksichtigt.
Das Werkchen verdient aber Beachtung, weil bislang keines existirt,
was in gleicher Weise das einschlägige Material gesammelt und durch zahl¬
reiche Abbildungen erläutert hat.
Dr. Wiebecke (Frankfurt a. d. 0.).
Oppermann, H.: Die Magnesia im Dienste der Schwamm-
vertilgung, Reinigung der Effluvien und Pflanzensäfte,
der Desinfeotion und Beseitigung von Pilzbildungen
und der Oonservirung sowie Heilung der Diphtheritis.
Bernburg und Leipzig, Bacmeister, 1886. 8. 63 S. 1*50 Mark.
Gelegentlich des von Bohlig angegebenen Verfahrens zur Reinigung
des Kesselspeisewassers wurde seit 1876 von verschiedenen Seiten auf die
klärenden und reinigenden Eigenschaften des sich hierbei bildenden Mag¬
nesiahydrats aufmerksam gemacht. In gleicher Weise wies schon früher
Scheibler nach, dass die Anwendung der Magnesia als Klärungs- und
Neutralisationsmittel bei der Verarbeitung des Zuckerrübensaftes belang¬
reiche Vortheile bietet und die sich abscheidende Magnesia grosse Mengen
organischer Verunreinigungen des Saftes mit niederreisst, nachdem früher
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170
Kritiken und Besprechungen.
Marschall, Morgenstern, Wandel und Frank verschiedene Magnesia-
salze in Vorschlag gebracht hatten. Auch die Wirkung des Süvernaschen
Desinfectionsmittels wurde nach dieser Richtung hin von Einzelnen zu er¬
klären versucht.
Zur Conservirung von Nahrungsmitteln, Desinfection von Wohn räumen,
Heilung der Diphtheritis gebraucht Oppermann borsaure Magnesia. Bis
jetzt hat nur Marpmann mit den angepriesenen Lösungen experimentirt
und „gegen höhere und niedere Pilze recht gute Resultate zu verzeichnen".
„Pilzrasen von Merulius und Polyperus wurden mit der Lösung befeuchtet,
nach zwei Tagen waren die befeuchteten Stellen verfärbt und trockneten
ab. Frische Milch mit 1 pro Mille Lösung gemischt hielt sich vier Tage,
nahm dann jedoch einen unangenehmen Beigeschmack an. Verschimmelter
Käse wurde in ein Tuch gewickelt, welches mit der concentrirten Lösung
angefeuchtet war und zwei Tage im Keller liegen gelassen. Nach dieser
Zeit hatten sich die Pilzrasen verflüssigt, jedoch waren an einigen Stellen
frische Colonieen von weisser Hefe neu entstanden." Es sind daher die
angewandten Methoden wohl noch mehrseitigen Prüfungen zu unterwerfen.
Dr. Wiebecke (Frankfurt a. d. 0.).
Th. Kitt: Werth und Unwerth der Schutzpookenimpfungen
gegen Thierseuchen. Berlin, Parey, 1886. 8. 248 S. mit 14 Holz¬
schnitten. 6 Mark.
Der Verfasser hat in der vorliegenden Arbeit den Versuch gemacht,
unsere bisherigen Erfahrungen über Schutzimpfungen bei Thieren mono¬
graphisch zu bearbeiten. Um das Werk allen sich für diese Fragen Interes-
sirenden zugänglich zu machen, wählte Verfasser eine mehr allgemein ver¬
ständliche Form. Die eigenen Versuche des Verfassers und eine eingehende
Berücksichtigung der Literatur haben aber dafür gesorgt, dass das Werk
über diesen Rahmen hinaus zu einem ganz unentbehrlichen Handbuche auch
für die Forscher auf diesem Gebiete wurde.
In scharfer Kritik zeigt Verfasser, dass meist prophylactische Maass¬
nahmen einer gut organisirten Veterinärpolizei mehr geleistet haben als
Schutzimpfungen. Aus diesem Grunde verhält er sich der praktischen Ein¬
führung der Schutzimpfungen gegenüber meist ablehnend. Manche Erfah¬
rungen über Erfolge bei Schutzimpfungen, z. B. bei Milzbrand, Schweine¬
rothlauf, Lungenseuche, zeigen aber doch, dass wohl hier ein etwas weni¬
ger schroffes Urtheil für manche Fälle berechtigt ist. Bei so schwierigen,
noch in der vollen Entwickelung begriffenen Untersuchungen ist aber Kritik
sehr nothwendig und auch eine scharfe Kritik weniger schädlich als über¬
grosser Eifer, der keine Rücksicht auf die übrigen Factoren bei der Be¬
kämpfung der Infectionskrankheiten nimmt.
Hueppe (Wiesbaden).
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
171
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Königl. Preußischer Hinisterial-Erlass vom 24. und 25. September 1886,
betr. die asiatische Cholera«
Da die Cholera, wie Ew. Hoch wohlgeboren auf ausseramtlichem Wege be¬
kannt geworden sein wird, seit mehreren Monaten in Italien aufgetreten ist und
sich mehr und mehr vornehmlich in verschiedenen Provinzen Ober-Italiens aus¬
gebreitet hat, so dass die Seuche unmittelbar an die schweizerische Grenze
bezw. an die Linie der Gotthardtbahn herangeruckt ist, auch in den öster¬
reichischen Küstengebieten, namentlich Ende Juni in den Städten Triest und
Fiume, in vereinzelten Fällen in Krain und der Herzegowina, neuerdings auch
in Budapest aufgetreten ist, nehme ich Veranlassung, Ew. Hoch wohlgeboren meine
Erlasse vom 14. Juli 1884 — M. 5251 —, betreffend Maassregeln gegen die Ein¬
schleppung der Cholera, und vom 25. April 1879 — Nr. 892 und 2547 M. —,
betreffend die Anzeigen über das Auftreten der Cholera, ergebenst in Erinnerung
zu bringen. Der sich anscheinend mehr den östlichen Provinzen zuwendende
Gang der Seuche erheischt es, wiewohl eine directe Bedrohung derselben zur
Zeit nicht als vorhanden anzunehmen ist, nunmehr ungesäumt diejenigen vor¬
bereitenden Maassnahmen zu treffen, welche es sicher stellen, dass die Bestim¬
mungen in Absatz 3, 4 und 5 des ersterwähnten Erlasses, welche sich auf die
Ueberwachung des Eisenbahn- und des Flussschifffahrt-Verkehrs beziehen,
erforderlichen Falles sofort zur Ausführung gebracht werden können.
Zunächst sehe ich thunlichst beschleunigtem Berichte darüber entgegen, an
welchen Grenzbahnhöfen des doPtigen Bezirks Einrichtungen zur Revision der
mit der Eisenbahn aus dem benachbarten Auslande kommenden Reisenden zu
treffen sind und welche Flüsse oder Canäle eine Ueberwachung des Schifffahrt-
Verkehrs auf denselben nach Art und Ausdehnung desselben erforderlich machen
würden, sowie an welchen Orten der Grenze letztere am besten ausführbar wäre.
Hierzu bemerke ich, dass es erforderlich sein wird, wegen Bereitstellung des
zur vorläufigen Unterbringung bei der Revision etwa cholerakrank oder cholera¬
verdächtig befundener Reisender bis zur Ueberführung in eine Krankenanstalt
erforderlichen Raumes auf dem Bahnhofe mit der betreffenden Königl. Eisen-
bahndirection in Verbindung zu treten. Im Nothfalle lässt sich übrigens ein auf
einen Nebenstrang gefahrener Güterwagen zur vorläufigen Aufnahme der in Rede
stehenden Personen leicht herrichten.
Den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten habe ich ersucht, die Eisen-
bahndirectionen mit den erforderlichen Anweisungen zu versehen. Der Aufent¬
halt der Kranken an der vorläufigen Aufnahmestelle würde jedoch stets nur ein
kurzer Bein dürfen und die Ueberführung derselben in eine Krankenanstalt des
Grenzortes zur weiteren Verpflegung und ärztlichen Behandlung thunlichst zu
beschleunigen sein. Es istdesshalb auch die Frage der definitiven Unterbringung
der Kranken am Orte der für die Revision in Aussicht zu nehmenden Grenz-
Eisenbahnstationen sofort mit ins Auge zu fassen.
Das Auftreten der Cholera in Budapest macht es nothwendig, den mit der
aus Ungarn kommenden Bahn anlangenden Reisenden sofort die erforderliche
Beachtung zuzuwenden. Soweit hier bekannt, ist weder in dem preussischen
Vorwerk Oderberg noch in Annaberg, wo überdies die Eilzüge kaum halten
dürften, ein Arzt ansässig und bis auf Weiteres müsste man sich alsdann darauf
beschränken, in Ratibor einen oder mehrere sich abwechselnde Aerzte zu
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172 Hygienische Gesetze und Verordnungen.
engagiren, welche sich zur Zeit der Ankunft der betreffenden Zuge auf dem
Bahnhof einzufinden hätten, um sich durch Erkundigung bei den Zugführern
(falls diese nicht in Oderberg wechseln), sowie durch eigene Beobachtung des
Verhaltens der Reisenden über den Gesundheitszustand derselben so weit zu
unterrichten, als es ohne eine systematische und auffällige Untersuchung der
Insassen der Wagen - Abtheilungen geschehen kann. Die Unterbringung eines
cholerakrank oder choleraverdächtig sich erweisenden Reisenden würde in der
Stadt bis auf Weiteres in derselben Art zu erfolgen haben, wie es im Falle der
Erkrankung eines Einwohners derselben an Cholera geschehen würde, der in
seiner Wohnung nicht verbleiben könnte.
Was die Untersuchungsstationen zur Ueberwachung des Schifffahrt-Verkehrs
auf Flüssen und Canälen betrifft, so wird deren Einrichtung unter Umständen
darin eine grössere Schwierigkeit finden, dass sie zweckmässiger WeiBe mög¬
lichst unmittelbar an der Grenze anzulegen sind, wo sich mitunter eine Ortschaft
nicht befindet. In diesem Falle würde der Bau einer Baracke und passende
Ausrüstung derselben nothwendig werden. Dem möglichst zu beschleunigenden
gefälligen Berichte Ew. Hochgeboren sehe ich demnächst ergebenst entgegen.
Berlin, den 24. September 1886.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal an gelegen heiten.
An sämmtliche
Königlichen Regierungs-Präsidenten.
Wie Ew. Hochwohlgeboren bereits ausseramtlich zur Kenntniss gekommen
sein wird, ist seit mehreren Monaten die Cholera in Italien aufgetreten und hat
sich allmälig daselbst, weiter verbreitet, auch sind in mehreren der italienischen
Hafenstädte Cholera-Erkrankungen in grösserer oder geringerer Zahl vor¬
gekommen; dessgleichen ist die Cholera seit Ende Juni d. J. in den österreichischen
Küstengebieten, insbesondere in den Städten Triest und Fiume, ausgebrochen.
Obgleich bisher die Häfen Italiens und Oesterreich-Ungarns mit Bezug auf
die Verordnung vom 5. Juli 1883 §. 1 Nr. 2 Min. f. Han. Nr. 3309 I. Ang.
und 8002, M. d. g. A. Nr. 4508 M. — für choleraverdächtig noch nicht erklärt
worden sind, weil in keinem derselben die Seuche einen solchen Umfang an¬
genommen hat, dass die Gefahr einer Einschleppung nach Deutschland auf dem
Seewege besonders nahe liegt, so erscheint es doch erforderlich, dem Gesund¬
heitszustand auf den aus den italienischen und österreichischen Häfen ankom-
menden Schiffen eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden und dieselben einer
Ueberwachung im Sinne der in der vorerwähnten Verordnung ergangenen Be¬
stimmungen zu unterziehen. Diese Ueberwachung wird darin zu bestehen haben,
dass für jedes einen preussischen Hafen anlaufende Schiff, welches aus einem
italienischen oder österreichischen Hafen herkommt, unter Zuziehung eines
Arztes festgestellt wird, ob auf demselben ein den Verdacht der Cholera er¬
regender Krankheitsfall während seiner Reise vorgekommen ist und ob sich auf
demselben Personen befinden, welche an Cholera oder einem den Verdacht der
Cholera erregenden Krankheitszustande leiden.
Trifft auch nur eine dieser Voraussetzungen zu, so wird das Schiff in jeder
Beziehung nach den Bestimmungen der Verordnung vom 5. Juli 1883 zu behan¬
deln sein, anderenfalls aber ist der freie Verkehr desselben nicht zu beschränken.
Ew. Hochwohlgeboren ersuchen wir ergebenst, hiernach sofort die erforder¬
lichen Anordnungen gefälligst zu treffen.
Rerlin, den 25. September 1886.
Der Minister Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und
für Handel u. Gewerbe. Medicinalangelegenheiten.
An die Königlichen Ober-Präsidenten
der See?Provinzcn.
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173
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Kftnlgl. Sächsischer Ministerial - Erlass vom 27. September 1886, betr. Tor-
bengungsmaassregeln gegen die Cholera.
Den eingegangenen Nachrichten zufolge hat die Cholera vom Süden Europas
sich noch in neuerer Zeit in nördlicher Richtung verbreitet und es erscheint
daher angezeigt, Vorbeugungsmaassregeln gegen die Einschleppung der Seuche
derart vorzubereiten, dass dieselben in Wirksamkeit treten können, sobald in
benachbarten Landesgebieten, als welche Böhmen, Mähren und das Erzherzog¬
thum Oesterreich in Betracht kommen, die gedachte Krankheit ausbrechen und
das Inland hierdurch bedroht erscheinen sollte.
Das Ministerium des Innern nimmt Bezug auf den Inhalt der an die Kreis¬
hauptmannschaften unter dem 16. Juli 1884 erlassenen Verordnung und des
dazu gehörigen Inserats und befindet, dass schon jetzt der Reinhaltung der
Strassen und Plätze, ingleichen der Desinfection der Aborte, insbesondere der
zum öffentlichen Gebrauche dienenden und derjenigen, welche sonst von einer
grösseren Zahl Menschen benutzt werden, besondere Aufmerksamkeit zuzu-
wenden ist.
Nächstdem verordnet das Ministerium, dass, sobald ein Todesfall an Cholera
oder einer derselben ähnlichen oder den Verdacht auf diese Krankheit begrün¬
denden Erkrankung im Königreiche Sachsen sich ereignen sollte, alsbald von
dem betreffenden Bezirksarzte telegraphische Anzeige anher zu erstatten, hier-
nächst die Leiche sofort aus dem Sterbehause zu entfernen und in der Leichen¬
halle unterzubringen, die Beerdigung aber bis auf Anordnung von hier aus zu
beanstanden ist.
Wenn der obengedachte Fall näherer Bedrohung einträte, würde demnächts,
in Gemässheit einer auf Beschluss der im Jahre 1884 berufenen Choleracommis¬
sion beruhenden Anregung des Herrn Reichskanzlers, eine ärztliche Ueber-
wachung des Verkehrs hinsichtlich der aus Oesterreich über die Grenze nach
Sachsen mit der Eisenbahn und auf Dampfschiffen eintretenden Reisenden
wenigstens auf den Hauptlinien einzutreten haben.
Dieselbe soll darin bestehen, dass der revidirende Arzt — ohne dass die
Passagiere den Zug, beziehentlich das Schiff verlassen — durch Einblick in die
Coupees und auf dem Schiff im Durchgehen durch die Passagierräume sich von
dem Nichtvorhandensein auffallender Krankheitserscheinungen überzeugt. So¬
bald dagegen eiue verdächtige Erkrankung sich hierbei zeigt, würde der be¬
treffende Kranke aus dem Zuge (Schiffe) zu entfernen und in einem möglichst
nahe an der Revisionsstation gelegenen Raume unterzubringen und daselbst in
ärztliche Behandlung zu nehmen sein. Wegen Leerstellung und nach Befinden
Desinfection des von dem Kranken benutzten Coupees, resp. des bezüglichen
Raumes auf dem Schiffe, nach Befinden auch Ausschaltung des betreffenden
Eisenbahnwagens aus dem Zuge, würde nächstdem das Nöthige anzuordnen sein.
Als Revisionsstationen würden für den Eisenbahnverkehr Zittau, Krippen
(für den Eingang über Voitersreuth), Brambach, für den Schiffsverkehr aber
Schandau in Betracht kommen, und es handelt sich — wozu schon jetzt — und
unerwartet des Eintritts des oben erwähnten Falles, Einleitung zu treffen ist —
zunächst darum, Aerzte zu ermitteln, welchen das Revisionsgeschäft übertragen
werden kann und deren Bereitwilligkeit, sowie die Bedingungen, unter denen
sie dazu erbötig sind, festznstellen. Demnächst bedarf es der Ermittelung,
welche Locale zur Unterbringung Kranker in der Nähe der Revisionsstation
verfügbar sind oder wie solche beschafft werden können.
Die Kreishauptmannschaft zu.wolle nach Vorstehendem sich achten,
soweit nöthig und soweit ihr Bezirk in Frage kommt, das Erforderliche ver¬
fügen und besorgen und das Ergebniss sobald als thunlich anher anzeigen.
Dresden, am 27. September 1886.
Ministerium des Innern.
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174
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Königl. Bayerischer Ministerial - Erlass vom 5. October 1886, betr. Maass-
regeln gegen die asiatische Cholera«
Der vor Kurzem erfolgte Ausbruch der Cholera in Pest und in R&ab lässt
es veranlasst erscheinen, für den Fall einer weiteren Annäherung der Seuche
vorbeugende Maassnahmen in Erwägung zu ziehen.
Nach dem gegenwärtigen Stande der Cholera ist für Bayern zunächst der
Schutz der östlichen Landesgrenze geboten und zu dem Ende eine Ueber-
wachung des Personenverkehrs auf den Eisenbahnlinien Wien-Passau, Wien-
Simbach und Wien-Salzburg in der gleichen Weise ins Auge zu fassen, wie sie
anlässlich der Choleragefahr im Jahre 1884 vermöge der Eutschliessung vom
12. Juli 1884, Nr. 8191 II. angeordnet worden ist. Als zur Ueberwachung geeig¬
nete Uebergang8orte werden zunächst Passau, Simbach und Salzburg ins Auge
zu fassen, im Weiteren wird aber eine Ueberwachung des Personenverkehrs
auch in München einzurichten sein, theils mit Rücksicht auf die besondere Be¬
deutung dieses Central- und Knotenpunktes, theils weil die Conducteure an den
Uebergangsorten, nachdem sie die Zugführung eben erst übernommen haben,
in der Regel nicht in der Lage sein werden, über den Gesundheitszustand der
Reisenden Aufschluss zu geben, wogegen sie während der Fahrt nach München
recht wohl die erforderlichen Beobachtungen anstellen können.
Für den Fall der Annäherung der Seuche von Süden her wird eine Ueber¬
wachung des Personenverkehrs in Kufstein (hinsichtlich der Brennerbahn) und
in Lindau (hinsichtlich der Arlbergbahn und der Schweizer Bahnen) in Aussicht
zu nehmen sein.
Nachdem eine unmittelbare Gefahr der Verschleppung der Seuche nach
Deutschland zur Zeit noch nicht besteht, kann zwar von der Verwirklichung
dieser Ueberwachung vorerst noch Umgang genommen werden und wird die
Generaldirection der königlichen Staatseisenbahnen im Falle einer bedrohlichen
Annäherung der Cholera noch weitere Entschliessung erhalten. Inzwischen
empfiehlt es sich jedoch, diejenigen vorbereitenden Anordnungen zu treffen,
welche nöthig erscheinen, um veranlassten Falles die erwähnte Ueberwachung
ohne Verzug eintreten lassen zu können. Die königliche Generaldirection wird
hiernach angewiesen, in dieser Beziehung vorerst das Erforderliche zu veran¬
lassen und insbesondere an die Bahnärzte an den in Betracht kommenden
Stationen eine entsprechende vorläufige Anweisung ergehen zu lassen. Hierbei
kann denselben für die von ihnen aufzuwendende ausserordentliche Thätigkeit,
sofern sich dieselbe über einen längeren Zeitraum zu erstrecken haben würde,*
wiederum eine besondere Remuneration nach dem hierfür im Jahre 1884 an¬
genommenen Maassstabe in Aussicht gestellt werden. Das königliche Staats¬
ministerium des Innern hat sich bereits damit einverstanden erklärt, dass die
hierdurch eventuell erwachsenden Kosten in erster Linie auf die einschlägige
Etatsposition desselben übernommen werden; sofern auf Cap. II, §. 11, Titel 1
der Eisenbahnbetriebsrechnung jedoch Erübrigungen erzielt werden sollten, kann
auch ein entsprechender Zuschuss aus Eisenbahngefallen in Aussicht genommen
werden.
Ueber den Vollzug gegenwärtiger Entschliessung ist Anzeige zu erstatten.
Königl. Bayer. Staatsministerium
des Königl. Hauses u. des Aeussern.
München, den 5. October 1886.
An
die Generaldirection der königlichen
Staatseisenbahnen.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
175
Schweizerisches Bandesgesetz vom 2. Juli 1886, betr. Mazssnahmen gegen
gemeingefährliche Epidemieen.
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Ein¬
sicht einer Botschaft und eines bezüglichen Gesetzentwurfes des Bundesrathes
vom 1. Juni 1886, in Vollziehung von Art. 69 der Bundesverfassung, beschliesst:
Art. 1. Die „gemeingefährlichen Epidemieen“ (Art 69 der Bundesverfassung),
gegen welche das Gesetz zur Anwendung kommt, sind: Pocken, asiatische Cho¬
lera, Fleckfieber (Kriegs-, Hungertyphus u. s. w.), Pest.
Art. 2. Beim Herannahen einer gemeingefährlichen Epidemie haben die
Cantone für die Controle des Trink wassere, der Lebensmittel und der Wohnun¬
gen, für Bereithaltung von angemessenen Absonderungslocalen und Transport¬
mitteln, sowie für die nothigen Aufnahmslocale für Gesunde zu sorgen.
Art. 3. Von jedem in Art. 1 genannten Krankheitsfalle hat der Inhaber der
Wohnung, in welcher sich der Kranke befindet, der Ortsbehörde unverzüglich
Anzeige zu machen. Ist der Inhaber der Wohnung selber betroffen, so liegt
die Pflicht jedem volljährigen Hausgenossen ob. Diese Anzeigepflicht liegt über¬
dies auch dem behandelnden Arzte ob, welcher neben der Ortsbehörde auch die
Gesundheitsbehörde zu benachrichtigen hat.
Die Orts-, bezw. die Gesundheitsbehörde übermittelt die Anzeige nach ärzt¬
licher Feststellung des Falles unverweilt der Cantonsregierung.
Art. 4. Der Kranke ist mit den zu seiner Pflege bestimmten Personen in
seiner Wohnung möglichst zu isoliren. Die übrigen Bewohner des Hauses, so¬
wie solche Personen, die mit dem Kranken in Berührung gekommen sind, kön¬
nen, so fern die Umstände dies nöthig erscheinen lassen, zeitweise ärztlicher
Ueberwachung unterstellt werden.
Der Kranke kann in seiner Wohnung verbleiben, insofern die Anordnungen,
betreffend die Isolirung, gehörig durchführbar sind und auch durchgeführt werden.
Wo die Durchführung dieser Maassregeln ohne Gefahr für die öffentliche Sicher¬
heit nicht möglich ist oder nicht befolgt wird, soll von den competenten Behör¬
den für die Unterbringung der Kranken in einem passenden Krankenasyl oder
für Auslogirung der Gesunden in zweckentsprechende Locale gesorgt werden.
Art. 5. Kranke, sowie Gesunde, welche ohne eigenes Verschulden den im
vorigen Artikel in Aussicht genommenen Maassnahmen unterworfen werden,
haben im Bedürfnissfalle Anspruch auf unentgeltliche Verpflegung und ärztliche
Behandlung, ohne desswegen armengenössig oder rückerstattungspflichtig zu
werden. Gesunde, welche auslogirt oder intemirt werden, haben ausserdem,
wenn sie bedürftig sind, für den in Ausführung des Gesetzes in ihrem Erwerbe
erlittenen Verlust eine den Verhältnissen entsprechende billige Entschädigung
zu beanspruchen, worüber die zuständigen cantonalen Verwaltungsbehörden
entscheiden. Eine nach Art. 4, Absatz 1 allfällig angeordnete ärztliche Ueber¬
wachung hat auf öffentliche Kosten zu geschehen.
Art. 6. Bezüglich der Desinfection trifft der Bundesrath je nach den für
die betreffende Epidemie geltenden Regeln die erforderlichen Anordnungen.
Art. 7. Derselbe erlässt auch die nothigen Vorschriften bezüglich des
Kranken- und Leichentransportes, sowie des Verkehrs mit ansteckenden Waaren.
Er setzt diejenigen Maassregeln fest, welche die öffentlichen Verkehrsanstalten
zum Schutze gegen die Epidemie zu treffen haben. Er kann in Beziehung auf
den internationalen Grenzverkehr und dessen sanitarische Ueberwachung be¬
sondere Maassregeln anordnen. Absperrungen einzelner Ortschaften und Lan-
destheile gegen einander sind unzulässig.
Art. 8. Der Bund ersetzt den Cantonen bei den in Art. 1 genannten Krank¬
heiten die Hälfte der Auslagen, die sie und die Gemeinden nachweisbar für die
Durchführung der in den Art. 5, 6 und 7, Al. 3 vorgeschriebenen Maassregeln,
einschliesslich der wegen Erwerbsverlustes entrichteten Entschädigungen ge-
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
macht haben. Die in diesem Artikel vorgesehenen Vergütungen stellt der Bun¬
desrath nach den Bestimmungen eines von ihm zu erlassenden Reglements fest.
Die Frage, ob und in welchem Maasse die Kosten, welche den Cantonen
aus der Vollziehung des gegenwärtigen Gesetzes erwachsen, von den Gemeinden
getragen werden sollen, bleibt der cantonalen Gesetzgebung Vorbehalten.
Art. 9. Nichtbeachtung oder Umgehung der in dem Gesetze oder durch
specielle Anordnungen der zuständigen Behörden vorgeschriebenen Maassregeln
wird mit einer Busse von 10 bis 500 Franken bestraft.
In schweren Fällen, insbesondere bei absichtlicher Umgehung sanitätspoli¬
zeilicher Anordnungen, kann die Geldbusse bis auf 1000 Franken erhöht werden,
sofern nicht die cantonalen Strafgesetze zur Anwendung kommen. 1
Alliällige Entschädigungsansprüche bleiben Vorbehalten. Die Untersuchung
und Beurtheilung der in diesem Artikel vorgesehenen Vergehen ist Sache der
cantonalen Amts- und Getichtsstellen.
Die ausgefällten Geldstrafen fallen den Cantonen zu. Unerhältliche Geld-
bussen werden nach dem Maassstabe von 5 Franken per Tag in Gefangnissstrafe
umgewandelt.
Art. 10. Die Cantone haben für den Vollzug dieses Gesetzes zu sorgen
und die bezüglichen Erlasse dem Bundesrathe zur Genehmigung einzureichen.
Der Bundesrath überwacht die Vollziehung des Gesetzes und trifft die hier¬
für erforderlichen Maassregeln.
Art. 11. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen
des Bundesgesetzes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung
über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Bundes¬
gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.
Also beschlossen vom Ständerathe,
Bern, den 2. Juli 1886. Der Präsident: Alph. Bory.
Also beschlossen vom Nationalrathe,
Bern, den 2. Juli 1886. Der Präsident: Morel.
König!* Preußischer Mlnlsterial-Erlass vom 28* April 1886, T>etr. Aufgaben
für die Prüfungen in der Hygiene.
Die mir in Folge des Erlasses vom 25. August 1885 — M. 5293 — ein¬
gesandten Aufgabensammlungen für die hygienische Prüfung, welche bei den
einzelnen Prüfungscommissionen für die ärztliche Prüfung in Gebrauch stehen,
zeigen unter einander sehr grosse Abweichungen, denen eine besondere Bedeu¬
tung desswegen beigelegt werden muss, weil sich daraus eine erhebliche Ver-
schiedenartigkeit der Auffassung über die Forderungen erkennen lässt, welche
bei dieser Prüfung an die Candidaten zu stellen sind.
Um in dieser Beziehung die wünschenswerthe U eberein Stimmung unter den
einzelnen Prüfungscommissionen, soweit sich das auf diesem Wege erreichen
lässt, herbeizuführen, ersuche ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst, in geeigneter
Weise darauf hinzuwirken, dass vom nächsten Prüfungsjahre ab die anliegende
Aufgabensammlung für den hygienischen Abschnitt der ärztlichen Prüfung bei
der dortigen Prüfungscommissionen zur Annahme gelangt:
1. Klima — Begriffsbestimmung und Beziehungen desselben zur Hygiene.
Acclimatisation.
2. Luft (chemisch-physikalisch beurtheilt, Verderbniss derselben, Mittel zur
Verhütung und Beseitigung der Luftverderbniss) und Wärme (Quellen
derselben, abnorme Temperaturen und Temperaturwechsel als Krankheits¬
ursachen, Schutz gegen dieselben).
3. Boden — vom physikalischen und chemischen Standpunkt in seiner Be¬
deutung für die Hygiene beurtheilt, Bodenbeschaffenheit und Bodenverun¬
reinigung als pathologische Momente.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
4. Wasser — Bezugsquellen desselben, physikalisch-chemische Eigenschaften,
Verunreinigung, Nachweis letzterer, Mittel zur Reinigung des Wassers.
5. Nahrungs- und Genussmittel vom Standpunkt des Nahrungsbedürf¬
nisses und der Ernährungsweise beurtheilt.
6. Fleisch — Nährwerth desselben, Aufbewahrung desselben, Fleischver-
derbniss, Fleisch kranker Thiere, Schlachthäuser.
7. Milch, Butter und Käse — chemische Eigenschaften derselben, Werth
als Nahrungsmittel, Aufbewahrungsmethoden, Milchverfalschung, Milch¬
untersuchung, Milch kranker Thiere; künstliche Butter, Butterverfalschung,
Käseverderbniss.
8. Getreide und Producte aus demselben, giftige Eigenschaften des Korns,
Mehlverfölschung, Mehlverderbniss.
9. Wein, Bier und Branntwein — Bereitung und chemische Beschaffen¬
heit derselben. Künstliche Behandlung des Weins (Gallisiren und Petioti-
siren), Weinverfalschung. — Werth des Bieres und Branntweins als Ge¬
nussmittel, pathogenetische Einflüsse derselben.
10. Wohnungshygiene.
11. Locale und centrale Heizungsarten, Ventilation und Be¬
leuchtung.
12. Krankenhäuser.
13. Kleidung, Hautpflege, Bäder.
14. Hygiene der Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und
Neugeborenen.
15. Hygiene der Kinder in den ersten Lebensjahren.
16. Schulhygiene.
17. Gewerbehygiene; Arbeitsräume, Arbeitszeit, Frauen- und Kinderarbeit,
schädliche Einflüsse in Fabriken und Bergwerken, Schutzmaassregeln.
Schädliche Einflüsse gewisser Metalle (Blei u. a.) auf die mit denselben
beschäftigten Arbeiter.
18. Volkskrankheiten, allgemeine Ursachen derselben. Die wichtigsten
Infectionskrankheiten nach Vorkommen und Verbreitung vom hygienischen
Standpunkte beurtheilt.
19. Thierische und pflanzliche Parasiten, über ihr Vorkommen beim
Menschen und ihre Bedeutung für die Hygiene.
20. Die acut-exanthematischen Krankheiten vom ätiologischen und
hygienischen Standpunkte beurtheilt.
21. Die Malariakrankheiten vom ätiologischen Standpunkte beurtheilt.
22. Abdominaltyphus, Auischlagstyphus und Rückfallfieber vom ätiolo¬
gischen Standpunkte beurtheilt.
23. Cholera vom ätiologischen Standpunkte beurtheilt.
24. Wundinfectionskrankheiten (Kindbettfieber) vom ätiologischen Stand¬
punkte beurtheilt.
25. Die venerischen Krankheiten vom hygienischen Standpunkte beur¬
theilt. Prostitution.
26. Schutzmaassregeln gegen die Verbreitung übertragbarer
Krankheiten im Allgemeinen, Sperren und Quarantänen.
27. DeBinfection und Desinfectionsmittel zur Verhütung oder Be¬
schränkung übertragbarer Krankheiten.
28. Präventive Impfung zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer
Krankheiten.
29. Die übertragbaren Thierkrankheiten: Lyssa, Rotz, Milzbrand, Perl¬
sucht — hygienisch beurtheilt.
30. Leichenwesen, Leichenschau, Leichenhallen, Leichen trän sport, Leichen¬
bestattung, Kirchhöfe.
Vierte^*hrsschrift für Gesundheitspflege, 1887.
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178
Kleinere Mittheilungen.
Kleinere Mittheilnngen.
Stabsarzt Hill er in Breslau hat seine Beobachtungen und Versuche zor
Kenntnis der W&rmedkonomie des Infanteristen anf dem Marsche nnd znr
Behandlung des Hitxschlags, über welche wir früher berichtet haben, fort¬
gesetzt und erweitert, und veröffentlicht dieselben in der Deutschen militärärzt-
lichen Zeitschrift, Heft 7, 8 und 9 dieses Jahrgangs (1886), S. 315 bis 351, 370
bis 386, 416 bis 434.
In Bezug auf das Verhalten der Eigenwärme des Infanteristen auf dem
Marsche berechnet Hill er, dass, während die Wärmeeinnahme des ruhenden
Menschen für die Dauer einer Stunde (nach Hirn) durchschnittlich 155Calorien
“beträgt, dieselbe sich während eines einstündigen Marsches im Sommer zur
Mittagszeit in feldmarschmässiger Ausrüstung auf rund 385 Calorien, das 2 Y 2 fache
der in der Ruhe gebildeten Wärme, steigert. Ohne gleichzeitig gesteigerte
Wärmeabgabe würde dadurch die Körpertemperatur um 28° C., d. h. bis auf
40-3°C. sich erhöhen. Durch den Wärmeregulirungsapparat der Haut, welche
4 /g der abzugebenden Wärmemengen ausscheidet, erfolgt aber gesteigerte Wärme¬
abgabe in der Weise, dass bei nacktem Körper die geringste Luftbewegung,
ebenso die Marschbewegung, auch unter den ungünstigsten Umständen, bei
30° C. und mit Wasserdampf gesättigter Luft, zur Ausgleichung genügen würde.
Der Grund dafür, dass dies häufig nicht geschieht, liegt in der Kleidung, und
zwar der Art der Kleidung des Infanteristen.
Zur genaueren Feststellung des Einflusses der Kleidung nahm Hill er im
Manöver und in der Garnison, vor und nach Marschübungen von bestimmter
Dauer und bei verschiedenartigem Wetter, Messungen der Temperatur im After
vor. Die Beobachtungen im Manöver, bei feldmarschmässiger Ausrüstung, er¬
gaben, dass selbst bei niedrigerer Lufttemperatur (10° biB 15° R.), aber schwach
bewegter und stark mit Feuchtigkeit gesättigter Luft, durch eine ein- bis zwei¬
stündige Marschleistung die Körpertemperatur bis auf 39*5°C. im Mittel ansteigt.
Bei 22° Lufttemperatur und strahlender Mittagssonne erreichte die Körper¬
temperatur selbst bei frischem Wind und geringer Luftfeuchtigkeit eine Höhe
bis 40*2° C. nach Inständigem Marsch.
Die Beobachtungen in der Garnison fanden bei Mannschaften mit ver¬
schiedener Ausrüstung und Bekleidung statt, die Erleichterung in der Bekleidung
bestand im Tragen von Litefke (blusenartiger ungefütterter Waffenrock) mit
Drillichhose und leinenem Hemd, oder Drillichrock, Drillichhose mit wollenem
Hemd.
Diese mannigfach modificirten und sehr genau beobachteten Versuche er¬
gaben, zusammen mit den Manöverbeobachtungen, nachstehende Schlussfolge¬
rungen:
Zunächst bestätigte sich der sehr wesentliche Einfluss des W r indes auf die
Abkühlung des durch die Marschleistung erhitzten Körpers des Infanteristen,
zumal bei schwitzender Oberfläche. Bei einem W r ind von 7 bis lim Geschwin¬
digkeit kann es trotz hoher Lufttemperatur (24° bis 25° R.) und unausgesetzter
Bestrahlung durch die Mittagssonne nicht wohl zum Auftreten von Hitzschlag
kommen, so lange der Organismus nicht an Wasser verarmt, und nicht die
Fähigkeit verliert, Schweiss zu secerniren. Dagegen wurden bei schwachen
Winden (1 bis 4 m), auch bei relativ niedriger Lufttemperatur (20° R.), nach
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Kleinere Mittheilungen. 179
l%8tündigem Marsch, bei höherer Temperatur nach kürzerer Zeit, regelmässig
Körpertemperaturen von über 39° C. (39*1° bis 40*7° C.) erreicht.
Auch die directe Bestrahlung durch die Sonne erscheint nur bei Windstille
oder schwachem Winde von wesentlichem Einfluss.
Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit macht sich erst bei einem Sättigungsgrad
von über 50 Proc. geltend, und auch da nur bei schwachem Winde.
Dagegen ergiebt die Beobachtung der Marschdauer, resp. Weglänge, wichtige
Resultate. Es zeigte sich die auffallende Erscheinung, dass unter fast genau
gleichen meteorologischen Bedingungen die Körpertemperatur nach einem
iy a ständigen Marsch noch nicht um einen Zehntel Grad höher gefunden wird,
als nach einem s / 4 ständigen Marsch, mit anderen Worten, dass die nach Zurück¬
legung von 4 km erreichte Körpertemperatur bei Zurücklegung von weiteren
4 km, bei gleicher Belastung und Kleidung, unverändert dieselbe bleibt. Es
scheint hieraus hervorzugehen, dass, nachdem sich die Wärraeeinnahme gleich
von Anfang an wesentlich erhöht, die vermehrte Wärmeabgabe erst langsam
und allmälig die entsprechende Höhe erreicht, d. h. dass ein gewisser Zeitraum
erforderlich ist, bis sich die Wärmeregulirung des Körpers auf einen höheren
Grad eingestellt hat. Ist dieser Punkt erreicht, sind Wärmeeiunahmen und
Ausgaben gleich geworden, so bleibt die erreichte höhere Körpertemperatur
vorerst constant. Wie hoch aber diese Temperatur steigt, hängt von dem Zeit¬
raum zwischen Beginn des Marsches und dem Eintritt vollkommener NVärine-
bilance ab. Wird letztere, bei kühlerem Wetter und stärkerem Wind, schneller
erreicht, so ist die Körperwärme nur wenig gestiegen, während es, wenn die
Bedingungen für die Steigerung der Wärmeabgabe der Haut ungünstig sind,
also bei warmer Lufttemperatur, Windstille und hohem Feuchtigkeitsgrade, er¬
heblich länger dauert, bis Wörmebilance erreicht ist; die Körpertemperatur ist
daher mittlerweile beträchtlich höher gestiegen.
So lange nun die Bedingungen für die Wärmeabgabe auf dem Marsche die¬
selben bleiben, erhält sich die Körpertemperatur auf der erreichten gleichen
Höhe. Aendern sich dieselben aber, durch die Intensität der Bestrahlung durch
die Sonne, oder durch Verringerung der Schweisssecretion in Folge Verarmung
des Organismus an Wasser, so tritt eine neue Phase der Störung der Wärme-
bilance ein, uud damit beginnt erst die eigentliche Gefahr für den Organismus,
weil auf eine erneute Ausgleichung bei Fortdauer dieser Momente nicht mehr
zu rechnen ist. Die Körpertemperatur steigt dann coutinuirlich in die Höhe.
Wird nicht der Marsch rechtzeitig beendet oder unterbrochen, so ist der In¬
fanterist unrettbar verloren und dem Hitzschlage verfallen. Bei Unterbrechung
des Marsches, so lange die Temperatur 42° noch nicht überschritten hat, und
dadurch erzieltem Auf hören der gesteigerten Wärmeproduction des Körpers,
kann noch vollkommene Erholung eintreten.
Von Einfluss sind ferner individuelle Verschiedenheiten, sowie die An¬
passung und Gewöhnung an höhere Leistungen des Wärmeregulirungsmechauis-
mus bei länger dienenden Mannschaften.
Der Einfluss der leichteren Bekleidung machte sich dahin geltend, dass bei
den leichter bekleideten Soldaten die Temperatursteigerung durchschnittlich um
die Hälfte geringer war, als bei den feldmarschmässig gekleideten.
Die Wirkungen der erhöhten Temperatur betreffen, neben durch Gewichts¬
abnahme nachzuweisenden Störungen der Ernährung, hauptsächlich das Central¬
nervensystem des Infanteristen, wobei sich drei Grade unterscheiden lassen.
\\ährend sich beim ersten Grade (Körpertemperatur zwischen 38 und 39° C.)
bei noch vollkommen klarem Bewusstsein Verstimmung, Wortkargheit, Ab-
geschlagenheit zeigt, ist beim zweiten Grade (39*0 bis 40'5° C.) schon eine gewisse
Benommenheit mit mühsam schleppendem Gang, Theilnamlosigkeit, dunkel
geröthetem Gesicht, starker Schweisssecretion, beschleunigter oft hörbarer
Athmung zu bemerken, eiu Zustand, welcher bei Vielen mit völliger Erschöpfung
und „Schlappwerden“ endigt, wodurch sie dem drohenden Hitzschlage entgehen.
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180 Kleinere Mittheilungen.
Letzterer tritt als dritter Grad ein, wenn die Körpertemperatur 41°C. erreicht
hat, und noch weiter in die Höhe steigt. Das Bewusstsein schwindet nach und
nach, es tritt Schwindel, Schwanken, Auf hören der Sinneswahrnehmungen
bei frequenter oberflächlicher Athmung, kleinem fliegendem Puls, trockener
cyanotischer Haut, endlich bewusstloses Zusammenstürzen, oft mit Convulsionen
und Delirien, ein.
Dieses Stadium ist bekanntlich immer in hohem Grade lebensgefährlich.
Zur Rettung muss die Gefahr bei Zeiten erkannt, der Mann alsbald aus Reih
und Glied gebracht, und möglichst schnell auf eine niedrigere Körpertemperatur
abgekühlt werden. Zu diesem Zwecke empfiehlt Hi 11er sein früher beschrie¬
benes Abkühlungsverfahren (Entkleidung, Besprengung mit Wasser und Zu¬
führung bewegter Luft).
Hiller hat die einschlägigen Versuche erneuert und erweitert, namentlich
auch mit der Wirkungsweise abkühlender Wannenbäder verglichen. Es zeigte
sich, dass die Abkühlung durch Wasserverdunstung in bewegter Luft von
-j-16°R. und 4 m Geschwindigkeit ungefähr der Wirkung eines wenig bewegten
Wannenbades von +24°R. gleichzusetzen ist.
Bei praktischen Versuchen mit seiner Abkühlungsmethode bei Typhus¬
kranken erzielte er einen Wärmeabfall von circa 3° in der Achselhöhle, 0*5° im
After unmittelbar nach Anwendung der Methode, während eine halbe Stunde
später die Achselhöhlentemperatur zwar wieder stieg, die Aftertemperatur aber
um 1° bis 2° weiter gesunken war. „Soviel leuchtet jedenfalls aus allen hierüber
angestellten Versuchen ein, dass die Abkühlung des hitzschlagkranken Soldaten
auf dem Marsche durch die Anwendung jenes Verfahrens, das keinerlei be¬
sondere Vorbereitungen erfordert und überall ausführbar ist, ganz beträchtlich
beschleunigt werden kann. Nicht zu unterschätzen ist dabei die gleichzeitige
intensiv reizende Einwirkung des Verfahrens auf die sensibeln Nerven der Haut
und damit auf das ganze Centralnervensystem, welche die Anwendung aller
anderen bisher gebräuchlichen medicamentösen Mittel entbehrlich macht“
In einem Schlussabscbnitt plaidirt Hiller für Umänderungen in der Klei¬
dung des Infanteristen auf Märschen im Sommer, und schlägt bei wollenem
Hemd und wollenen Strümpfen einen waschbaren Waffenrock aus blauem
Drillich mit aufgenähten Abzeichen vor; dabei würde sich der häufigere Ge¬
brauch des Mantels, welcher wasserdicht zu imprägniren wäre, als noth-
wendig erweisen.
Dr. Zimmern (Frankfurt a. M.).
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Neu erschienene Schriften.
181
Neu erschienene Schriften über öffentliche
Gesundheitspflege.
(37. Verzeichniss.)
1. Allgemeines.
Au8tralian Health Sooiety. Health Lectures for the people. First series.
Melbourne, Robertson, 1886. 12. 141 p.
Bericht über die Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene
und des Rettungswesens unter dem Protectorate Ihrer Majestät der Kaiserin
und Königin. Berlin, 1882/83. Herausgegeben von Dr. Paul Börner und
nach dessen Tode vollendet von H. Alb recht. III. (Schluss-)Band. Breslau,
Schottländer, 1886. gr. 8. XXVI—695 S. mit 80 Text - Illustrationen,
compl. 36 M.
Brömond, Felix, Dr., L’exposition d’hygiene urbaine ä Paris. Bruxelles,
A. Manceaux, 1886. 8. 32 p. avec gravures dans le texte et 1 planche.
Custor, Gustav, Dr., Oeffentliche und private Gesundheitspflege in populären
Vorträgen und Aufsätzen. Zürich und Stuttgart, Schröter & Meyer, 1887.
gr. 8. 318 S. 4 M.
Edinburgh Health Sooiety. Health Lectures for the people. Sixth series.
Edinburgh, Macniven & Wallace, 1886. 12. 152 p.
Tan Ermengem, E., Dr., Le laboratoire d'hygiene et de bacteriologie de l’Uni-
versite de Gand. Bruxelles, A. Manceaux, 1886. 8. 15 p.
Festschrift zur XIII. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege, enthaltend Abhandlungen über die Canalisation und Riesel¬
felder, die Wasserversorgung und das chemische Untersuchungsamt der
Stadt Breslau. Herausgegeben vom Magistrat der Stadt Breslau. Breslau,
Druck von Grap, Barth <ft Co., 1886. gr. 8. 148 S. mit 4 Tafeln.
Fox, Cornelius B., Sanitary examinations of water, air and food; a Vade-Mecum
for the Medical Offlcer of health. Second edition. London, Churchill, 1886.
8. With 110 illustrations.
Führer durch das medicinische Berlin. Berlin, Fischer, 1886. 8. X — 208 S.
mit 7 Grundrissen und 1 Plan. 2 M.
Guttstadt, Albert, Dr., Prof., Die naturwissenschaftlichen und medicinischen
Staatsanstalten Berlins. Festschrift für die 59. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte. Im Aufträge Sr. Exc. des Ministers der geist¬
lichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, Herrn Dr. v. Gossler,
bearbeitet. Berlin, Hirschwald, 1886. VII — 670 und XXV S. 14 M.
Hewett, C. N., Minnesota State Board of Health. Public Health, a monthly
joumal of state, municipal, family, and personal hygieoe, and of veterinary
sanitary Science. Voi. I. Red Wing, 1886. 8. 100 p.
Kaiserliche Gesundheitsamt, Das —. Rückblick auf den Ursprung sowie auf
die Entwickelung und Thätigkeit des Amtes in den ersten zehn Jahren
Beines Bestehens. Zusammengestellt im Kaiserlichen Gesundheitsamte. Berlin,
Springer, 1886. gr. 8. 99 S. 3 M.
Lemoigne, A., L’igiene dei contadini considerati nei loro rapporti col bcstiame.
Milano, Dumolard, 1886. 12. 271 p.
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182 Neu erschienene Schriften.
Manual of hygiene for schools and Colleges. Prepared by the Provincial Board
of Health. Toronto, Briggs, 1886. 8. 293 p.
Nivet, V., Memoire critique sur la legislation relative aux conseils d’bygiene
et de salubrite et aux etablissements insalubres. Clermont-Ferrand, imp.
Mont-Louis, 1886. 8. 32 p.
Pöcaut, E., Petit cours d’hygiene en dix le^ons. 2. edition. Paris, Hachette,
1886. 12. IV —92 p. 0*75 Frcs.
Reeves, James E., The value of sanitation in its national aspect, as compared
with other public interests. Concord, N. H., 1886. 8. 26 p.
Smart, Charles, ön some points of intereßt connected with the Wank ly method
of ßanitary analysis particularly on the detection of recent sewage, and the
determination of the nature of the organic matter. Red Wing, Minn., 1886,
8. 8 p.
UfFelmann, J., Prof. Dr., Dritter Jahresbericht über die Fortschritte und Lei¬
stungen auf dem Gebiete der Hygiene. Supplement der Deutschen Viertel-
jahrsßchrift für öffentliche Gesundheitspflege. Braunschweig, Vieweg, 1886.
gr. 8. VIII —296 S. 5 50 M.
Virchow, Rudolph, Dr., Geh. Med.-Rath und Prof. Dr. Albert Guttstadt, Die
Anstalten der Stadt Berlin für die öffentliche Gesundheitspflege und für den
naturwissenschaftlichen Unterricht. Berlin, Stuhr, 1886. gr. 8. 400 S. mit
Holzschnitten, 3 graphischen Tabellen, i geognostischcn Karte, 1 Karte der
Rieselfelder und 1 Plan der Stadt Berlin. 10 M.
Wernich, A., Dr., Reg.- und Medicinalrath, Zusammenstellung der gültigen
Medicinalgesctze Preussens. Mit besonderer Rücksicht auf die Reichsgesetz¬
gebung bearbeitet. Berlin, Hirschwald, 1887. 8. XL1X — 530 S. 3 M.
Wiemer, Dr., Handbuch der Medicinalgesetzgebung des Deutschen Reiches und
seiner Einzelstaaten. Mit Commentar. Für Medicinalbeamte, Aerzte und
Apotheker. II. Band, 2. Theil. Die Medicinalgesetzgebung der Königreiche
Bayern und Sachsen. Stuttgart, Enke, 1886. gr. 8. VIII — 580 S. 12 M.
Wight, O., W., Maxims of public Health. New York, Appleton, 1886. 16.
176 p. 75 Cents.
2. Statistik und Jahresberichte.
Apella, J., Dr., Zur medicinischen Statistik. Berlin, Hermann, 1886. gr. 8.
36 S. 0*60 M.
Arnould, J., Dr., Rapport sur les travaux du conseil central de salubrite et du
conseil d’arrondissement du departement du Nord pendant Fannee 1885.
Lille, imp. Danel, 1886. 8. LII — 419 p.
Belval, Th., Compte rendu des travaux du comite de salubrite publique de
Saint-Josse-ten-Noode pendant Fannee 1885. Saint-Josse-ten-Noode, imp.
Batat, 1886. gr. 8. 21 p.
Daimer, J., Dr., Sanitätsbericht über Tirol und Vorarlberg, für die Jahre 1883
und 1884, mit Rückblicken auf die früheren Jahre. Innsbruck, Druck von
Wagner, 1886. gr. 4. IV—263 S.
Daviea, David, Report of the Medical Officer of Health on the sanitary con¬
dition of the City and County *of Bristol and for the Port of Bristol with a
tabular return of mortality for the year 1885. Bristol, Boister print., 1886.
8. 33 p.
Erben, Joseph, Director, Statistisches Handbuch der königlichen Hauptstadt
Prag für die Jahre 1883/84. Hcrausgegeben von der statistischen Com¬
mission der königlichen Hauptstadt Prag. Neue Folge, 3. Jahrgang, l.bisS.
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Gautrelet, Dr., Compte rendu des travaux des conseils d’hygiene publique
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Dijon, imp. Darantiere, 1886. 8. 207 p.
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Neu erschienene Schriften.
183
Jablonski, Jean, Dr., Recueil des travaux du Conseil central d’hygiene et de
salubrite du departement de la Vienne (Proces - verbaux et rapportB de
l’annee 1885), et Rapport general sur sa Constitution raedicale et sur les
epideraies de l’arrondissement de Poitiers pendant l’annee 1885. Paris, imp.
Marcireau, 1886. 8. 180 p.
Jahresbericht über die Verwaltung des Medicinalwesens, die Krankenanstalten
und die öffentlichen Gesundheitsverhältnisse der Stadt Frankfurt a. M.
Herausgegeben vom Aerztlichen Verein. XXIX. Jahrgang. Frankfurt a. M.,
Sauerländer, 1886. gr. 8. 272 S. 3*60 M.
Jahresbericht, Medicinisch-statistischer — über die Stadt Stuttgart vom
Jahre 1885. Dreizehnter Jahrgang. Herausgegeben vom Stuttgarter ärzt¬
lichen Verein, redigirt von Dr. Adolf Reuse. Stuttgart, Metzler, 1886.
8. 96 S.
Janssens, Ernest, Dr., Annuaire demographique et tableaux statistiques des
causes de deces. Bruxelles, Baerlsoen, 1886. 8. 37 p. 1 chart. 2 pl.
Mauricet, Alph., Dr., Compte rendu des epidemies et des travaux des couseils
d’hygiene du Morbihan en 1885. Vannes, imp. Galles, 1886. 4. 68 p. avec
tableaux.
Rampal, Louis, Dr., et Dr. J. S. Roux, Compte rendu des travaux des Con¬
seils d’hygiene et de salubrite du departement des Bouches-du -Rhone.
Tome XV. Marseille, imp. Cayer, 1886. 8. 410 p. avec tableaux.
Rauchberg, Heinrich, Dr., Die Erkrankungs- und Sterblichkeitsverhältnisse bei*
der Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invalidencasse in Wien. Wien,
Holder, 1886. gr. 8. 37 S. 1*40 M.
Recueil des travaux du comite consultatif d’hygieue publique de France et des
actes officiels de Padministration sanitaire. Tome XV, annee 1885. Paris,
J. B. Bailliere & fils, 1886. 8. XIV — 587 p.
Reiter, J. Gg., Morbiditätsstatistik von Niederbayern für 1884. München, königl.
bayer. stat. Bureau, 1886. gr. 8. 21 S. mit 8 Karten und 12 Diagrammen.
Report, Annual — of the health of Liverpool, by the medical officer of
health for the year 1885. Liverpool, Russell, Son & Bayley, 1886. 8. 75 p.
1 map. 1 tab.
Report, Annual — of the Charleston health department, 1885. Charleston,
News & Courrier office, 1886. 8. 41 p. 1 tab.
Report of the department of health of the city of Chicago, for the year 1885.
Chicago, 1886. 8.
Report, Annual — of the health department of the city of Cincinnati for the
year 1885. Cincinnati, Wilstach, Baldwin & Co., 1886. 8. 129 p.
Report, Annual — of the Connecticut State Board of Health for 1884/5. Hart¬
ford, Tuttle, Morehouse & Taylor, 1886. 8. 172 p.
Report, Biennial — of the Louisiana Board of Health, for the years 1884 and
1885. Baton Rouge, Sastremski, 1886. 8. 157 p.
Report, Seventh Annual — of the State Board of Health, Lunacy and Charity
of Massachusetts. Boston, Wright <fc Potter, 1886. gr. 8. XXVIII and
357 p.
Report, Annual — of the Richmond board of health, 1885. Richmond, Va.,
Walthall & Bowles, 1886. 8. 75 p.
Report, Annual — of the health commissioner of St. Louis, for the year
1885 — 1886. St. Louis, 1886. 8.
Resultati delP inchiesta sulle condizioni igieniche et sanitarie nei communi
del regno. 2 parte. Roma, tip. neil’ ospizio di S. Michele, 1886. gr. 8.
179 & 503 p.
Bchleisner, P. A., Dr., Aarsberetning angaaende Sundhedstilstanden i Kjöben-
havn for 1885. Kjöbenhavn, 1886. 8.
Sehleisner, P. A., Ugentlige Oversigter over Sygdomme, Dödsfald og Födster
i Kjöbenhavn, 1885. Kjöbenhavn, Schiellerups, 1886. 8. 104 p.
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184 Neu erschienene Schriften.
Snow, Edwin M., Dr., Thirty-first animal report upon the births, marriages,
and deaths in the city of Providence for the year 1886. Providence, 1886.
8. 102 p.
Statistik, Oesterreich ische —. Heraus ge geben von der k. k. statistischen Central¬
commission. XII. Bd., 2. Heft, enth.: Bewegung der Bevölkerung der im
Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder im Jahre 1884. Wien,
Gerold, 1886. 4. XXI —137 8. 4*80 M.
Statitik, Oesterreichische —. Herausgegeben von der k. k. statistischen Central¬
commission. XII. Bd. } 4. Heft, enth.: Statistik des Sanitätswesens der im
Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder für das Jahr 1884. Wien,
Gerold, 1886. 4. XLVIII — 231 S. 9*40 M.
Statistisch overzicht der bij het Nederlandsche leger in het jaar 1885 be-
handelde ziehen, ’s Gravenhage, van Doorn & Zoon, 1886. 8. 140 p.
2 diag.
Travaux du conseil d’hygiene publique et de salubrite du departement de la
Gironde pendant l’annee 1885. Tome XXVII. Bordeaux, imp. Lauefranque,
1886. 8. XXIX —475 p.
Travaux du conseil central d’hygiene publique et de salubrite du departement
de la Seine-Inferieure pendant Pannee 1885. Rouen, imp. Cagniard,
1886. 8. 379 p.
Travaux des conseils d’hygiene publique et de salubrite du departement des
Vosges en 1885. Epinal, imp. Busy, 1886. 8. 199 p. avec tableaux.
Verslag aan den Koning van de bevindingen en handelingen van bet genees-
kundig Staatstoezieht in het jaar 1885. ’s Gravenhagen, van Weelden & Min-
gelen, 1886. 4.
3. Wasserversorgung, Entwässerung und Abfuhr.
Celli, Angelo, Dr., Relazione della analisi bacteriologica delle acque del sotto-
suolo di Roma. Eseguita per incarico del municipio. Roma, tip. d. r. accad.
dei licei, 1886. gr. 8. 27 p. con 3 tavole.
Döfosse, Ingenieur, Purification et eraploi economique des eaux d’egout, Systeme
Defosse. Paris, Dupont, 1886. 8. 40 p.
Dobel, E., Regierungs-Baumeister, Canalisation. Anlage und Bau städtischer
Abzugscanäle und Hausentwässerungen. Ein Handbuch für Ingenieure und
Architekten, Werkmeister und Bautechniker, Aerzte und Gemeindevertre¬
ter etc., sowie zum Gebrauche an technischen Schulen. Stuttgart, Kohl¬
hammer, 1886. gr. 8. VII—149 S. mit 15 Tafeln Pläne und Detailzeich¬
nungen. 4. 80 M.
Gaillet, Paul, Ing., Epuration des eaux de vindange des fabriques avec utili-
sation des residus. Lille, imp. Danel, 1886. 8. 111 p. avec tableaux et
figure.
Gnindwa8serbeobachtungen auf dem Rieselfelde Osdorf von 1882 bis 1886, nebst
graphischer Darstellung des Grundwasserspiegels sowie der täglich dorthin
geförderten Wassermengen und der atmosphärischen Niederschläge. Berlin,
Druck von Gisevius, 1886. 5 S. mit 2 Tafeln.
Guccia, G. B., Sulla conduttura delle acque potabili. Due iettere. Palermo,
Cristnia, 1886. 8.
Humblot, Ingenieur, Les Egouts de Paris ä la fin de 1885. Paris, Cheux, 1886.
4. 113 p. avec figures et plans.
Lauri&no, Nicolo, Progetto per togliere le cattive esalazioni provenienti dalla
cala ed acquedotti nelia citta di Palermo. Palermo, 1886. 16. 14 p.
Lepidi-Chioti, Guilio, Sülle acque potabili di Palermo. Richerche batteriosco-
piche. Palermo, Lao, 1885. 8. 32 p.
Lepeius, B., Dr., Ueber das Wasser in seiner Bedeutung für die Versorgung
der Städte mit Trink- und Nutzwasser j unter Berücksichtigung der neuen
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Neu erschienene Schriften. 185
Grundwasserleitung in Frankfurt a. M. Vortrag. Frankfurt a. M., Druck
von Naumann, 1886. gr. 8. 21 S.
Menzel, Paul Otto Joseph, Dr., Die Unschädlichmachung der städtischen Cloaken-
aus würfe durch den Erdboden. Versuche, die in den Jahren 1881/83 an der
land- und forstwirthschaftlichen Akademie Petrowsky bei Moskau von
Anatol Fadejeff ausgefuhrt wurden. Aus dem Russischen übersetzt und
mit einigen Bemerkungen sowie Zeichnungen versehen. Leipzig, Scholtze,
1886. 8. 144 S. mit in den Text eingedruckten Abbildungen. 4*50 M.
Kencki, L., et P. Rakowski, Alteration de l’air par les gaz des fosses d’ai-
sance. Le Mans, imp. Drouin, 1886. 8. 6 p.
Prion, Henri, Les Eaux potables de Compiegne; etude* d’hygicne publique
Compiegne, imp. Mennecier, 1886. 8. 50 p. et planche.
Rsehak, A., Prof., Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung des Trink¬
wassers der Stadt Brünn. Brünn, Knauthe, 1886. gr. 8. 28 S. mit 1 Tafel.
O 60 M.
v. Sellien, Dr., Ueber die Grundwasserverhältnisse der Stadt Hannover und
ihre Beziehungen zu den Infectionskrankheiten. Eine hygienische Studie.
Hannover, Schmorl & v. Seefeld, 1886. gr. 8. 60 S. mit 3 Tafeln. 1 50 M.
Trinlrwasser der Stadt Kiel, Das — auf Grundlage von Analysen aller
Brunnenwasser Kiels ausgeführt im Herbst 1883 im Aufträge der städtischen
Gesundheitscommission durch das agriculturchemische Laboratorium der
laudwirthschaftlichen Versuchsstation zu Kiel. Kiel, Lipsius & Tischer,
1886. 4. 34 S. 2 M.
4. Bau-, Strassen- und Wohnungshygiene.
Bufalini, P., Dei regolamenti edilizi con speciale riguardo all’ allineamento se-
condo la dottrina, la legislazione e la giurisprudenza italiana, francese e
beige, col testo della legislazione relativa e dei regolomenti edizili delle
principali citte italiane. Roma, tip. Unione. 1886. 8. 676 p.
Celovia, Giovanni, La polvere delP atmosfera. Milano, Sonzogno, 1886. 12.
31 p.
Delaire, A., Les Logements d’ouvriers et le devoir des classes dirigeantes.
Lyon, Vitte & Perrussel. 1886. 8. 35 p.
Diestelkamp, L., Prediger, Die Wohnungsverhältnisse unserer ärmeren Classen.
Berlin, George & Fiedler, 1886. gr. 8. VII — 59 S. 1 M.
Perrini, Rinaldo, Scaldaraento e ventilazione degli ambienti abitati. Milano,
Hoepli, 1886. 16. 33 p.
Hasse, Ernst, Dr., Die Wohnungsverhältnisse der ärmeren Volksclassen in
Leipzig. Leipzig, Duncker & Humblot. gr. 8. 100 S. 2 M.
Jourdan, G., Legislation sur les logements insalubres. 3. edition. Paris, Berger-
Levrault, 1886. 8. VI — 525 p. 6 Frcs.
Plunkett, H. M., Women, plumbers and doctors; or household sanitation. New
York, Appleton. 12. 248 p. illustr. 1*25 Doll.
Posadsky, S., Praktische Modification der Pettenkofer-Nagorsky 1 sehen
Methode zur Bestimmung des Kohlensäuregehaltes der Luft. St. Petersburg,
Lebedoff, 1886. 8. 41 S. 150 M.
Henk, Friedrich, Dr., Die Luft. Erster Theil, 2. Abth., 2. Heft von: Handbuch
der Hygiene und Gewerbekrankheiten, herausgegeben von Pettenkofer
und Ziemssen. Leipzig, Vogel, 1886. gr. 8. 242 S. 6 M.
Report, First — from the select committee on the Ventilation of the House,
April 13, 1886. London, Harrison, 1886. fol. 3 p.
Schaffer, Ludwig, Dr., Die Theerimprägnirung im Massenquartiere. Wien,
Braumüller, 1886. gr. 8. 32 S. 0*80 M.
Tracy, R. S., Hand-book of sanitary information for householders. New York,
• Appleton, 1886. 16. 50 Cents.
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1S6 Neu erschienene Schriften.
Vaughan, V. C., Healthy homes and foods for the working classes. Concord,
1886. 8. 62 p.
Wo hnun ggnoth der firmeren Classen, Die — in deutschen Grossstädten und
Vorschläge zu deren Abhülfe. Gutachten und Berichte herausgegeben im
Aufträge des Vereins für Socialpolitik. II. Band. Leipzig, Duncker & Hum-
blot, 1886. gr. 8. VIII —380 S. mit 8 Steintafeln. 9*60 M.
5. Schulhygiene.
Bach, J., et A. Boutrois, L’hygiene ä l’ecole ä l’usage des ecoles normales, des
instituteurs, des delegues cantonaux, des maires et des autoritös scolaires etc.
Paris, Picard-Bernheim, 1886. 12. 72 p. 1 Frc.
Bericht und Rechnung über die Ferienkolonien erholungsbedürftiger Schul¬
kinder aus Zürich 1885. Zürich, Zürcher & Furrer, 1886. 8. 27 S.
Code of rules for the prevention of infectious and contagious diseases io
Schools. 2. edition. London, Churchill, 1886. 8. 31 p. 1 sh.
Cohn, Hermann, Dr. Prof., Ueber die Nothwendigkeit der Einführung von Schul¬
ärzten. Leipzig, Veit, 1886. gr. 8. 54 S. 120 M.
Cohn, Hermann, Dr. Prof., Tafel zur Prüfung der Sehschärfe der Schulkinder,
Soldaten und Bahnbeamten. Nach Snellen’s Princip entworfen. Breslau,
Priebatsch, 1886. 4. 0,40 M.
Cohn, Herman, Dr., The hygiene of the eye in chools. An english translation,
edited by W. P. Turnbull. London, Sirapkin & Marshall, 1886. 8.
Hering, Dr. Prof., Die Ueberbürdungsfrage und eine einheitliche höhere Schule.
Ein populärer Vortrag. Leipzig, Reissner, 1886. gr. 8. 86 S. 1 M.
Klette, R., Baumeister, Der Bau und die Einrichtung der Schulgebäude. Karls¬
ruhe, Bielefeld, 1886. gr. 8. III —123 S. mit 52 Abbildungen. 2*90 M.
Lincoln, D. F., The sanitary condition» and necessities of school-houses and
school-life. Concord, 1886. 8. 36 p.
Löwenthal, W., Dr. Prof., Grundzüge einer Hygiene des Unterrichts. Wies¬
baden, Bergmann, 1887. gr. 8. VIII —162 S. 2 40 M.
Nauss, Rudolf, Dr., Ansteckende Krankheiten in der Schule. Aerztliche Winke
zum Erkennen derselben. Für Lehrer und Väter. In 15 Vorlesungen. Wien,
Pichler, 1886. 12. IV —207 S. 160 M.
Sanitation in our public Bchools. A Code of rules for the prevention of
infectious and contagious diseases in schools; being a series of resolutions
passed by the Medical officers of schools. Second edition. London, Chur¬
chill, 1886. 8. 1 sh.
6. Hospitäler und Krankenpflege.
DafFner, Franz, Dr., Stabsarzt, Ueber die erste Hilfeleistung bei mechanischen *
Verletzungen und über den Hitzschlag. Wien, Braumüller, 1886. 8.
III —47 S. IM.
Du Mesniel, 0., E. Cheysson, et Dr. A. Fovüle, L’hospice rural, sa necessite,
sa depense, ses voies et moyens. Paris, J. B. Bailliere & fils, 1886. 8.
48 p.
Esmarch, Frdr., Dr. Prof., Samariterbriefe. Kiel, Lipsius & Tischer, 1886.
Lex.-8. 46 S. mit 44 Abbildungen. 120 M.
Faure, H., Notes et documents sur les archivcs des hospices et sur les resultats
comparcs de l’assistance hospitaliere ä Narbonne et dans une partie de
^l’Europe. Tome II. Narbonne, imp. Caillard, 1886. 8. XI—394 p.
Hopit&ux ä Constantinople, Les —. Paris, Masson, 1886. 8. 30 p.
v. Langenbeck, B., v. Coler und Werner, Die transportable Lazarethbaracke.
Mit besonderer Berücksichtigung der von Ihrer Maj. der Kaiserin und
Königin Augusta hervorgerufenen Barackenausstellung in Antwerpen im
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Neu erschienene Schriften. 187
September 1885. Berlin, Hirschwald, 1886. gr. 8. XIII — 147 S. mit
24 Tafeln. 14 M.
Lut&ud, A. et W. D. Hogg, Etüde sur les hopitaux d’isolement en Angleterre.
Paris, Bailliere, 1886. gr. 8. 234 p. 12 Frcs.
Martin, John M. H., Dr., Arabulance Lectnres, to which is added a Nursing
Lecture, given under the auspices of the St. John Ambulance Association.
London, Churchill, 1886. 8. With 53 engravings. 2 sh.
Neuman, Rachel T., Home-nursing. London, Chambers, 1886. 24. 120 p.
Regnard, A. f De la mortalite dans les hopitaux de province et de la necessite
d’une reforme radicale de l’assistance publique. Paris, Delahaye & Le-
crosnier, 1886. 8. 32 p.
Scheimpflug, Max, Dr., Die Heilstätten für scrophulöse Kinder. Wien, Urban
& Schwarzenberg, 1887. gr. 8. VII — 87 S. mit 16 Illustr. 1*60 M.
7. Militärhygiene.
Diemer, Dr., Stabsarzt, Die Selbsthülfe bei Verwundung im Kriege. Einige
Winke für den deutschen Soldaten. Leipzig, Wartig, 1886. gr. 16. 31 S.
mit* 10 Abbildungen. 0*25 M.
Ehratt, G. J. H., On the Organisation and duties of the bearer Company of the
medical corps in war. London, Bellantye, Hason & Co., 1886. 8. 116 p.
1 plan.
Report, Annual — of the Sanitary Commissoner with the government of India,
with appendices and returns of sickness and mortality among European
troops, native troops, and prisoners, in India. Calcutta, 1836. fol. 174 p.
Roth, Wilhelm, Dr., Generalarzt, Jahresbericht über die Leistungen und Fort¬
schritte auf dem Gebiete des Militärsanitätswesens. XI. Jahrgang, Bericht
für das Jahr 1885. Berlin, Mittler, 1886. gr. 8. XII — 205 S. 4*80 M.
Salquin, H., Frau, Anleitung zur Anfertigung von Strümpfen und Socken in
rationeller Form. Mit Nachtrag nebst lithographischer Zeichnung zu „Die
militärische Fussbekleidung“ von Major S. A. Salquin. Bern, 1886. 8.
16 S. 0 50 Frc.
8. Infectionskrankheiten und Desinfection.
IMF" Alle Choleraschriften siehe am Schlüsse dieses Abschnitts unter 8 a.
Aillaud, F., Dr., Note sur le pneurao-mycosis. Lyon, imp. Plan, 1886. 8. 8 p.
et planche.
Albanese, E., Rapporto sulle stufe ad alta temperatura come mczzo di disin-
fezione. Palermo, tip. Virzi, 1886. 8. 14 p.
Anrep, V., Prof., L’Intoxication par les ptomaines. Le Mans, imp. Drouin,
1886. 8. 15 p.
Arloing, S., Influence de la lumiere blanche et de ses rayons Constituante sur le
developpement et les proprietes du bacillus anthracis. Lyon, imp. Pitrat,
1886. 8. 35 p.
Baumgarten, P., Dr. Prof., Lehrbuch der pathologischen Mykologie. Vor¬
lesungen für Aerzte und Studirende. 1. Hälfte: Allgemeiner Theil. Braun¬
schweig, Bruhn, 1886. gr. 8. IX — 220 S. mit 25 Abbildungen. 5 M.
Beehamp, A., Prof., Microzymas et microb^s. Theorie generale de la nutri-
tion et origine des ferments, ä propos de la discussion sur les ptomainfes,
les leucomaines et leur röle pathogeuique. Paris, imp. Bourloton, 1886. 8.
123 p.
Bertoye, Contribution ä l’etude des microbes de l’osteomyelite infectieuse.
Lyon, imp. Plan, 1886. 8. 42 p.
Boens, H., La vie universelle et la rage. Charleroi, imp. Hubert, 18S6. 8. 32 p.
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188 Neu erschienene Schriften.
Bonamy, Eugene, Dr., Une epidemie au siede dernier, d’apres les notes de
Frangois Bonamy, docteur-regent en medecine. Nantes, imp. Mellinet,
1886. 8. 16 p.
Bosse, Jules, l£tude comparative du beriberi et du scorbut surtout au point de
vue de la pathologie exotique. Lyon, imp. nouvelle, 1886. 4. 82 p.
Brieger , L., Dr., Untersuchungen über Ptomaine. 3. Theil. Berlin, Hirsch¬
wald, 1886. 8. 119 S. 2-80 M.
Brieger, L., Dr., Microbes, ptomaines et maladies. Traduit de Fallemand et
annote par le docteur Roussy et J. Winter. Preeede d’une introduction
par M. G. Ilayem. Paris, Doin, 1885. 18. XII — 239 p. 3*50 Frcs.
Carito, D., Del metodo curativo della idrofobia secondo le esperienze del dot.
Pasteur. Napoli, tip. Ferrante, 1886. gr. 8. 22 p.
Cheyne, W. Watson, Recent Essays by various authors on bacteria in relatiou
to disease. London, New Sydenham Soc., 1886. 8. 666 p. 8 pl.
Cordillo-Lozano, El problema de la rabia. Madrid, imp. Maroto y nermano,
' 1886. 8. 58 p.
Crookshauk, Edgar M., Manuel pratique de Bacteriologie, basee sur la methodo
de Koch. Traduit de l’anglais par M. Bergeaud. Paris, Carre, 1886.
8. 300 p. avec 44 gravures et 32 planches. 24 Frcs.
Delore, Dr., Des microbes au point de vue de la maladie et de l’hygifcne. Lyon,
imp. Plan, 1886. 8. 37 p.
Dobrovits, M., Dr. und Dr. G. Pävay, Wie soll man desinficiren? Ueber Auf¬
trag des Sanitätsausschusses der kgl. Freistadt Pressburg zusammengestellt.
Pressburg, Stampfei, 1886. gr. 8. 24 S. 0*40 M.
Dubreuilh, William, Des immunites morbides. Paris, Steinheil, 1886. 8.
202 p.
Du Moulin, G. van de Velde et H. Kuborn, Rapports sur la prophylaxie
des maladies pestilentiellcs exotiques, au congres national scientifique tenu
ä AnverB 26 au 31 aoüt 1885. Bruxelles, Hayez, 1886. 8. 365 p. 1 plan.
Duprö, V., Ancora una parola sulla cura della rabbia canina. Genova, tip.
Schemone, 1886. gr. 8. 24 p.
Ehrlich, Dr. Prof., Beiträge zur Theorie der Bacillenfarbung. Berlin, Hirsch¬
wald, 1886. gr. 8. 17 S. 0*40 M.
Fedeli, C., Della simultanes esistenza di piü infezioni acute nell* organismo.
Pisa, Mariotti, 1886. 8.
Feldbauseh, P., Ueber die Nothwendigkeit und die Ausführbarkeit einer Prä¬
ventivtherapie der Infectionskrankheiten und technische Beiträge zur Ver¬
hütung respiratorischer Infectionen und Catarrhe. Strassburg, Heinrich,
1886. gr. 8. VIII — 126 S. 2 M.
Ferrän, J., Fundaraentors racionales del metodo Pasteuriano contra la rabia
y explicacion de los fracasos occurrido. Catalana, 1886. gr. 8. 8 p.
Firket, Ch., Dr., L’actinomycose de l’horame et des animaux. Paris, Alcan,
1886. 8. 50 p.
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bacteriology; 25 subjects. London, Churchill, 1886. 1 Bh. 6 d.
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cardo, Marghieri di Gius, 1887. 8. 682 p. con 20 fig. 6 L.
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Gürtler, Wilhelm, Mortalitätsstatistik der Breslauer geburtshülflichen Klinik
vor und nach Einführung der antiseptischen Behandlung. Inaugural-
Dissertation. Breslau, Köhler, 1886. gr. 8. 32 S. mit 1 Curventafel. 1 M.
Guttmann, Paul, Dr., Dir. und Dir. H. Merke, Die erste öffentliche Des-
infectionsanstalt der Stadt Berlin. Berlin, Hirschwald, 1886. gr. 8. 34 S.
0*80 M.
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Neu erschienene Schriften. 189
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Harris, Vincent D., On the presence of the tubercle bacillns in old specimens
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Helme, Francois, Dr., Contribution ä l’etude des pneumonies infectieuses (epi-
demiologie, bacteriologie, clinique). Paris, Ollier-Henry, 1886. 4. 135 p.
Hergott, Alphonse, Dr., Une Epidemie de furoncles ä la Maternite de Nancy.
Paris, imp. Davy, 1886. 8. 7 p.
Hertz, H., Prof. Dr., Malaria-Infectionen und v. Liebermeister, C., Prof. Dr.,
Typhus abdominalis, Pest, Gelbfieber. II. Band, 1. Theil des Handbuchs der
speciellen Pathologie und Therapie von Ziemssen. Dritte, völlig um¬
gearbeitete Auflage. Leipzig, Vogel, 1886. gr. 8. 6 80 M.
Hoffe, Albert, Dr., Privatdocent, Die Natur des Milzbrandgiftes. Wiesbaden,
Bergmann, 1886. gr. 8. VII — 52 S. 160 M.
Holt, Joseph, The proposed yellow fever Commission and the National Board
of Health. Atlanta, 1886. 8. 6 p.
Huber, Karl, Dr. und Dr. Arno Becker, Die pathologisch-histologischen und
bacteriologischen Untersuchungsmethoden mit einer Darstellung der wich¬
tigsten Bacterien. Leipzig, Vogel, 1886. gr. 8. 122 S. mit 13 Abbildungen
und 2 farbigen Tafeln. 4 M.
James, Constantin, Dr., La Rage, avahtage de sou traitement par la metbode
de Pasteur; necessite de cauterisation prealables. Paris, Lahure, 1886. 8.
128 p. avec gravures.
Jaubert, Leon, Dr., Du parasitisme microbien latent. Paris, Ollier-Henry, 1886.
4. 241 p.
Kingsford, A., Dr., Pasteur, seine Methode und seine Erfolge. Frei über¬
setzt von Dr. Th. Bruckner. 7. Heft der Zeit - und Streitfragen, heraus¬
gegeben von Alfr. Brennwald. Thalweit, Brennwald, 1886 . 8. 32 S. 0*50 M.
Kitt, Th., Werth und Unwerth der Schutzimpfungen gegen Thierseuchen. Zu¬
meist nach eigenen Controlversuchen dargestellt. Berlin, Parey., 1886.
gr. 8. VIII—248 S. mit 14 Abbildungen. 6 M.
Klein, E., Dr., Microbes et maladies, guide pratique pour l’etude des micro-
organismes. Traduit de l’anglais d’apres la 2e edition par Fabre-
Domergue. 2e edition fran^aise. Paris, Tignol, 1887. 16. XXVI — 296 p.
avec 116 figures
Künstler, J., De la position systematique des bacteriens. Avignon, imp. Seguin,
1886. 8. 24 p.
Lange, J., Prof., Contribution a l’etude de la rage (communication prealable).
Le Mans, imp. Drouin, 1886. 8. ö p.
Leffm&nn, Henry, Typhoid fever in Philadelphia. Philadelphia, 1885. 8.
Lehmann, Bidrag tili Kundskab om Lungesvindsotens Forekomst i Danmark,
saerligt i Byerne. Kjöbenhavn, Lehmann & Hage, 1886. 8.
Leprosy in Hawaii. Extracts frora reports of presidents of the board of
health government pliisicians and others, and from official records, in re-
gard to leprosy, before and after the passage of the „Act to prevent the
spread of leprosy“ approved Jan. 3, 1865. The Law and regulatious in re-
gard to leprosy in the Hawaiian kingdom. Honolulu, 1886. 8. 192 p.
Leprosy in Honolulu. Report of the president of the board of health, to the
legislative assembly of 1886, on leprosy. Honolulu, 1886. 8. 47 p. —
Appendix 156 p.
Leprosy in India. Summary of reports furnished by the Government of
British India to his Hawaiian Majesty’s Government, as to the prevalence
of leprosy in India; and the measures adopted for the social and medical
treatment of persons afflicted with the disease. Honolulu, 1886. 8. 247 p.
Marfan, A., De l’immunite confere par la guerison d’une tuberculose locale
pour la phthisie pulmonaire. Paris, Asselin & Houzeau, 1886. 8. 31 p.
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190 Neu erschienene Schriften.
Lion, Charles, Dr., Rapport sur une mission ä Paris pour etudier au presp
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Lübbert, Anton, Dr., Biologische Spaltpilz-Untersuchung. Der Staphytococcu
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gr. 8. 112 S. mit 2 Tafeln. 8*50 M.
Michel, Dr. Prof., Ueber den Mikroorganismus bei der sogenannten ägyptischen
Augenentzündung (Trachom). Würzburg, Stahel, 1886. gr. 8. 3 S. 0'20 M.
Molliöre, Humbert, Dr., iStude d’histoire medicale: Un precurseur lyonnais
des theories microbiennes, J. B. Goiffon et la nature animee de la peste.
Lyon, Georg, 1886. 8. 156 p. avec figure et jetons conBulaires de la ville
de Lyon.
Hougin, L., Les Epidemies dans la ville de Vitry-le-Francois et dans son
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Nidpce, Dr., De la contagion et de la transmissibilite de la tuberculose. Gre¬
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Nunez de Villavioenoio and J. Holt, Yellow fever microbes. New Orleans,
1886. 1 sheet.
Obrzut, A., Dr., Contribution ä la morphologie des bacilles tuberculeux et ä la
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Ollivier, La puissance de la volonte dans les maladies et an cours des epide¬
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Pasteur, L., Le Traitement de la rage, communication faite ä PAcademie des
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Perroncito, E., Azione delP alcool assoluto sulle spore del bacillus anthracis.
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Persh, B., Photomicrographs of Bacillus subtilis. Frankford Arsenal, Philad.,
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Peter8en, Ernst, Ein Beitrag zur Statistik des Typhus abdominalis in Kiel.
Inaugural-Dissertation. Kiel, Lipsius & Tischer, 1886. gr. 8. 29 S. mit
1 graph. Steintafel. 1 M.
Pilat, Dr., Rapport general du conseil central de salubrite du departement du
Nord sur les epidemies qui ont regne dans ledit departement pendant
Pannee 1885. Lille, imp. Danel, 1885. 8. 31 p.
Pollet, Rapport sur les maladies contagieuses et epizootiques parues dans le
Departement du Nord pendant Pannee 1885. Lille, imp. Danel, 1886. 8.
68 p. avec tableaux.
Portanier, La Rage: Biographie et travaux de Pasteur. Notions generales
sur la rage cousideree chez Phomme et chez differentes especes animales.
Legislation et police sanitaire. Nice, imp. Yiterbo, 1886. 12. 244 p.
Proust, A., Second rapport adresse ä M. le ministre du commerce sur la pro-
phylaxie sanitaire maritime de maladie pestilentielles exotiques. Paris, 1886. 8.
Rätaud, Louis, Dr., Relation d’une epidemie de grippe ä Rochefort pendant
Phiver en 1886. Rochefort, imp. Theze, 1886. 4. 44 p.
Rilinger, Franz, Prophylaxis des Puerperalfiebers. Inaugural-Dissertation.
Greifswald, Abel, 1886. 8. 25 S.
Roux, Fernand, Traite pratique des maladies des pays chauds: maladie infec-
tieuses. Paris, Steinbeil, 1886. 8. XV — 543 p. avec 2 tabl. 10 Frcs.
Scheinmann, J., Dr., Was kann und soll ein Jeder thuu, um sich und seine
Umgebung während einer Epidemie vor der Erkrankung zu schützen?
Ein Versuch, den Einzelnen, besonders die Frauen, mit heranzuziehen zur
Bekämpfung einer beginnenden Epidemie. Hagen, Risel, 1886. 8. 40 S.
0*50 M.
Schmitt, J., Microbes et maladies. Paris, Bailiiere, 1886. 18. X — 299 p. avec
figures. 3’50 Frcs.
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191
Neu erschienene Schriften.
Schoondermark , J., Bacterien, de vorzaak van infectiezikten. Naar liet
Duitsch van Mittenzweig. Amsterdam, van Klaveren, 1886. gr. 8.
X —111p.
Seitz, Carl, Dr., Bacteriologische Studien zur Typhusätiologie. München, Fin-
sterliu, 1886. 8. 68 S. 2*40 M.
Sevestre, Dr., Sur la duree de Pincubation et sur la contagion de la rougeole.
Paris, Steinheil, 1886. 8. 16 p.
Silberberg, Nathan, Die Incubation u. Verbreitungsweise der Masern mit Rück¬
sicht auf eine selbsterlebte Epidemie. Inaugural-Dissertation. Breslau,
(Köhler) 1885. gr. 8. 82 S. 1 M.
Siredey, Dr., Rapport general ä M. le Ministre du commerce et de l’industrie
sur les epidemies pendant l’annee 1884, fait an nom de la Commission per¬
manente des epidemies de PAcademie de medecine. Paris, Masson, 1886.
4. 100 p.
Stamm, August, Dr., Krankheiten-Vernichtungslehre, Nosophtherie. Hygienische
Lehre der Entstehung, Verhütung und der Wege zur Ausrottung vieler der
furchtbarsten Krankheiten. Für alle wahren Hygieniker, Volks-, Gymnasial-,
Realschul- und Universitäts-Lehrer, Staats- und Communalbeamte. 3. Aufl.
Stuttgart, Dietz, 1886. 8. XIX — 621 S. 4 50 M.
Sternberg, G. M., Desinfection and individual prophylaxis against infectious
diseases. Concord, 1886. 8. 37 p.
Thayer, W. H., History of malarial fever in Brooklyn. New York, 1886. 12.
15 p.
Tricomi, Ernesto, Microorganismi della suppurazione. Ricerche esperimenti.
Azione degli antisettici sal micrococco piogeno. Napoli, Detken, 1886. 8.
108 p. 3 pl. *
Trouessart, E. L., Microbes, Ferments and Moulds. London, Regan, Paul,
French.& Co., 1886. 8. 320 p. with 107 engravings. 6 sh.
dl Ve8tea, A., Pasteur et la microbiologia (dalle fermentazioni alle profilassi
della rabbia). Napoli, Pasquale, 1886. 16. 2 L.
Vlllette, T. J. L. M., Dr., Contribution ä Petude du bäriberi d’apres l’epidemie
de Poulo-Condor en 1883 —1884. Lille, imp. Danel, 1886. 4. 104 p.
Warlonfent, Dr., Sur la prophylaxie de la rage. Communication faite ä PAca¬
demie royale de medecine. Bruxelles, A. Manceaux, 1886. 8. 14 p.
Woodhead, G. Sims, M. D., and Arthur W. Hare, Pathological Mycology, an
inquiry into the etiology of infective diseases. Section I. Methode. Edin¬
burgh, Young J. Pentland, 1886. 8. with original illustrations. 8 sh. 6 d.
v. Ziemssen, Dr., Prof., Ueber Volkskrankheiten mit besonderer Berücksich¬
tigung der sanitären Verhältnisse Münchens. Vortrag. München, Rieger,
1886. 8. 23 S. mit 4 Tafel. 0*50 M.
8 a. Cholera.
Almqvist, E., Om koleran enligt svensk erfarenliet. Göteborg, 1886. 8. 28 p.
1*50 M.
Argento, G., Sulla profilassi del colera. Palermo, 1886. 4.
Belehrung über die aus Anlass der Choleragefahr, beziehungsweise bei dem
Ausbruche der epidemischen Cholera zu beobachtenden Verhaltungsmaass¬
regeln. Wien, Hof- und Staatsdruckerei, 1886. gr. 4. 7 S. 0*10 M.
Burckhardt, W., Verbreitung der Choleraseuche und ihre Ursachen. Leipzig,
Gressner & Schramm, 1886. 8. 0*80 M.
Celli, Angelo, Dr., La profilassi razionale del colera. Roma, tip. Armanni, 1886.
8. 11 p.
Cholera-Instruction, Verfasst über Veranlassung des k. k. Ministeriums des
Innern durch die obersten Sanitätsbehörden. Wien, Hof- und Staatsdruckerei,
1886. Fol. 12 S. 0*20 M.
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192 Neu erschienene Schriften.
Colera in Italia, II — negli anni 1884 — 85. Ministero dell* Interno. Roma,
18S6. 8. XII — 243 p. 3 L.
Colera in Valencia en 1885. Memoria acerico de los trabajos realizados du-
rante la epidemia. Presentada por la Alcaldia al Excmo. Ayuntamiento
en nombre de la junta municipal de saoidad. Valencia, imp. Alufre. 1886.
4. 180 p.
van Ermen gern, E. f Dr., Neue Untersuchungen über die Cholera-Microben.
Officieller Bericht an das Belgische Ministerium des Innern. Mit Autorisa¬
tion des Verfassers frei bearbeitet von Dr. Richard Kukula. Wien, Brau¬
müller, 1886. 8. 105 S. mit 6 Tafeln. 4 M.
Fazio, E., Eziologia del colera secondo gli odierni studi. Napoli, 1886. 8. 1 L.
Ferr&n, J., La inoculatiön preventiva contra el cölera morbo assiätico. Va-
lenzia, Ortega, 1886. gr. 8. 337 p.
Guerard, A., Observations faites pendant Pepidemie cholerique de 1885. Mar¬
seille, typ. Barlatier-Feissat, 1886. gr. 4. 13 p. 5 pl.
Intrusion! sulle precauzioni a prendere in caso di cholera. Palermo, Virzi,
1886. 8.
Koeh, R., Dr., San.-Rath, Die Cholera auf ihrem neuesten Standpunkte. 28. Band
der „Medicinischen Hausbücher“. Berlin, Hampel, 1886. gr. 8. IV—42 S.
0*50 M.
Longo, P., Conferenze populari sul colera. Mostara, 1886. 16. VI — 196 p.
2 M.
Michel, H., Dr., Une epidemie de cholera dans les Basses-Alpes. Moutiers,
Ducloz, 1886. 8. 20 p.
Nieati, W. et M. Rietsch, Recherches sur le cholera. Paris, Alcan, 1886. gr. 8.
VIII—172 p. 2 pl. 5 Frcs.
Norchi, P., II colera asiatico secondo la dottrina di F. Pacini. Roma, 1886.
8. 132 p. 3 L.
Oliveri, Vincenzo, Sulle pretese ptomaiue del colera. Palermo, Amenta, 1886.
4. 8 p.
Poujade, P. R., Notes ä propos du cholera. Montauban, imp. Montalbanaise,
1886. 8. 28 p.
Resumen general de la invasiones y defunciones por causa de colera ^>ccuridas
en Eapana durante el ano de 1885. Madrid, 1886. Fol.
Rossbach, M. J., Cholera indica und Cholera nostras. Leipzig, Vogel, 1886.
gr. 8. VIII — 238 S. mit 8 Abbildungen. 5 M.
Thoinot, L. H., Dr., Histoire de Pepidemie cholerique de 1884; origine, marche,
etiologie generale. Paris, Steinheil, 1886. 8. 357 p. et 12 planches
10 Frcs.
Thoinot, L. H., Dr., Les eaux potables et le cholera en 1884. These. Paris,
1886. 4. 70 p.
Vaesallo, D., Sul cholera. Le precauzioni del Prof. Brunetti. La centinodia
del Prof. Falcone. L’anticolerico del Dr. Reforgiato. Ragusa 1888.
16. 109 p. 1 L.
Viaud-Grand-Marais, Dr., Analyse d ! un travail du P. Delpech sur une epi¬
demie de cholera ayant eu lieu ä Vadakencoulam (Madure) en decembre
1877, et le valeur des graines du Strychnos potatorum L. (Tettan - Cotte)
pour la clarification et la puiification des eaux. Nantes, imp. Mellinet,
1886. 8. 16 p.
Viaud-Grand-Marais, Dr., Simple note sur Pepidemie cholerique de Bretagne
de la tin d’octobre 1885 aux premiert jours de mars 1886. Nantes, imp.
Mellinet, 1886. 8. 4 p.
Vineentii8, E., Appunti sul colera. Taranto, Latronico, 1886. 8.
Weatenberg en Ruysch, Rapport der Gedelegeerden ter Internationale Sani-
taire Conferentie, gehouden te Rome in het jaar 1885. ’s Gravenliagen,
gedr. ter algemeene Landsdruckerij, 1886. 4. 25 p.
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Neu erschienene Schriften.
193
9. Hygiene des Kindes und Kindersterblichkeit.
Aubert, L., Dr. f Etiologie et prophylaxie de la scrofule dans la premiere en-
fance. Paris, Steinheil, 1886. 8. 35 p.
Baginski, A., Dr., Die Kost- und Haltekinderpflege in Berlin. Braunschweig,
Vieweg, 1886. gr. 8. 67 S. IM. *
Coni, E. R., Cause® de la morbidite et de la mortalite de la premiere enfance
ä Buenos-Aires. Buenos-Aires, imp. Coni. 1886. 8. 228 p.
Bsoherioh, Theodor, Dr., Die Darmbacterien des Säuglings und ihre Bezie¬
hungen zur Physiologie der Verdauung. Stuttgart, Enke, 1886. gr. 8.
IX —180 S. mit 2 Tafeln und 3 Holzschnitten. 6 M.
Gelabert^ Enrique, La creche o caso-enna; noticia historico-critica de su ori¬
gen, desenvolvimiento e importancia social en los grandes centros manufac-
tureros. Barcelona, Ramirez, 1886. 8. 80 p.
Hankel, Die Kindersterblichkeit der Stadt Glauchau. Glauchau, Peschke, 1886.
8. 20 S. 0*80 M.
Magnus, Hugo, Dr. Prof., Die Jugend-Blindheit. Klinisch-statistische Studien
über die in den ersten 20 Lebensjahren auftretenden Blindheitsformen.
Wiesbaden, Bergmann, 1880. gr. 8. X —148 S. mit 12 Tafeln und 10 Ab¬
bildungen im Text. 6*40 M.
Sänke, J. Fr., Dir., Die Gründung, Unterhaltung und Leitung von Krippen,
Bewahranstalten und Kleinkinderschulen. 7. ganz uragearbeitete und be¬
deutend erweiterte Auflage des 3. Theiles der Erziehung und Beschäftigung
kleiner Kinder. Elberfeld, Bädeker, 1887. 8. IV — 187 S. 2*40 M.
Raudnitz, Robert W., Dr., Die Findelpflege. Wien, Urban & Schwarzenberg,
1886. gr. 8. 48 S. 2 M.
Redmond, C. Stennett, Plain facts about infant feeding and management. Po¬
pulär treatise. London, Scott, 1886. 12. 82 p.
R ei mann , Max, Dr., Zur Belehrung über die Ernährung der Säuglinge.
153. Auflage. Kiel, Lipsius & Tischer, 1886. Placat, Fol. 0*20 M.
Rota, M., Scuola-asilo rachitici in Bergamo; relazione sanitaria. Bergamo,
Bohio, 1886. 8.
10. Variola und Vaccination.
Badaloni, G., La vaccinazione autunnale del 1885 nel circondario di Frosinone.
Fano, Sonciniana, 1886. 4.
Freund, M. B., Dr., Die animale Vaccination in ihrer technischen Entwickelung
und die Antiseptik der Impfung. Breslau, Morgenstern, 1887. gr. 8.
120 S. 2 M*
Layet, A., Dr., Prof., Le service municipal de la preservation de la variole
ä Bordeaux. Paris, Masson, 1886. 8. 15 p.
Lemaistre, Prosper, Dr., Variole et vaecine, leur aotion, leur force; con-
tribution ä l’etude de l’inooulation en France. Limoges, imp. Ducourtieux,
1886. 8. 27 p.
Leonard, C. H., The original Jennerian vaccine virus as preserved and used
in the public vaccinations in tho city of Providence, Rhode Island. Pro-
vidence, 1886. 8. 11 p.
Lewachew, S. W., Recherche® sur la production de la lymphe. Le Mans, imp.
Drouin, 1886. 8. 13 p.
Porquier, P., Methode d’attenuation du virus de la variole ovine. Montpellier,
1886, 8.
Stamm, August, Dr., Die Aasrottungsmöglichkeit der Pocken ohne jedes Impfen.
Stuttgart, Dietz, 1886. gr. 8. 88 S. 1 M.
Väillfvrd, L., Manuel pratique de la vaccination animale : Technique, procedes
de Conservation du vaccin* Paris, Doin, 1886. 18. 83 p. avec fig. et 2 pl.
en couleur.
Vierteljahr* Schrift für Gesundheitspflege, 1887. 13
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194
Neu erschienene Schriften.
11. Prostitution und Syphilis.
Bumm, Ernst, Dr., Der Micro-Organismus der gonorrhoischen Sohleimhaut-
erkrankungen, „Gonococcus Neisser“. Zweite ergänzte und vermehrte Aus¬
gabe. Wiesbaden, Bergmann, 1887. gr. 8. VII—166 S. mit 5 lithogr.
Tafeln. 6 M.
Otis, F. N., On the limitation of the contagious state of Syphilis, especially in
its relations to marriage. New York, Wood, 1886. 8. 16 p.
Schrank, J., Dr., Die Prostitution in Wien in historischer, administrativer und
hygienischer Beziehung. 2 Bde. Wien, Töplitz & Deuticke, 1886. gr. 8.
VIII —434 S., VII —345 S. 6 fl.
Stamm, A., Dr., Die Verhütung der geschlechtlichen Ansteckung. 2. verb. Aufl.
Zürich, Schmidt, 1866. 8. 96 S. 1 M.
Thiry, Dr., Hygiene sociale. De la Prostitution, communication faite ä PAca-
demie royale de medecine, le 31 juillet 1886. Bruxelles, A. Manceaux,
1886. 8. 134 p.
12. Gewerbe- und Berufshygiene.
Custer, Gustav, Dr., Fort mit dem Gift der Phosphorzündhölzchen. Populäre
Beleuchtung. Zürich, Schröter & Meyer, 1886. 8.
Disinfecting rags, Summary of the health ofßcer’s report to the Chamber of
Commerce on the importance of —. Albany, 1886. 4. 2 1.
Gordon, C. A., New Theory and old Practice in relation to medioine and cer-
tain indostries; being ar^ analysis of current literature of these subjects.
London, Williams & Norgate, 1886. 8. 151 p.
Heinzerling, Ch., Dr., Die Gefahren und Krankheiten in der chemischen In¬
dustrie und die Mittel zu ihrer Verhütung und Beseitigung. 8. und 9. Heft.
Halle, Knapp, 1886. gr. 8. 61 S. und 104 S. mit 25 Holzschniten. 4*20 M.
Jahresberichte der königl. sächsischen Gewerbe- und Berg-Inspectoren für
1885. Zusammen gestellt im königl. sächsischen Ministerium des Innern.
Dresden, Lommatz, 1886. gr. 8. VII — 247 S. 3 M.
Ireland, G. H., The preventable cause of disease, injury, and death in Ameri¬
can manufactories and workshops, and the best means and appliances for
preventing and avoiding them. Concord, 1886. 8. 17 p.
Lehmann, K. B., Dr., Experimentelle Stadien über den Einfluss technisch und
hygienisch wichtiger Gase und Dämpfe auf den Organismus. I. Ammoniak.
II. Salzsäuregas. München, Oldenbourg, 1886. 8. 126 S.
Napiae, Henri, Dr., Enquete sur les modiflcations ä apporter aux lois des 9 sep-
tembre 1848 et 19 mai 1674 sur le travail dans Pindustrie. Paris, Berger-
Levrault, 1886. 8. 13 p.
Report of a special committee of the Chamber of Commerce of the State of
New York on the rules and regulations of the health offleer of the port of
New York relative to the disinfection of imported rags. New York, 1886*
8. 10 p.
13. Nahrungsmittel.
Baillet, La Statistique et Pinspection des viandes de boucherie. Paris, imp.
Renou & Manlde, 1886. 8. 25 p.
Cauvet, D., Procedes pratiques pour Pessai des farines; caracteres, alterations
falsifications. Paris, Bailliere, 1886. 8. 97 p. avec 74 fig. 8 Frcs.
Cazeneuve, Paul, Prof., La Coloration des vins par les couleurs de 1a houille.
Methodes analytiques et marche systematique pour reconnaitre la nature de
la coloration. Paris, J. B. Bailiiere & Als, 1886. 8. 324 p. avec 1 planche.
8 # 60 Frcs.
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Neu erschienene Schriften.
195
Dämmer, Otto, Dr., Illustrirtes Lexicon der Verfälschungen und Verunreinigungen
der Nahrungs- und Genussmitte], der Colonialwaaren und M&nufacte, der
Droguen, Chemikalien und Farbwaarcn, gewerblichen und landwirtschaft¬
lichen Producte, Documente und Werthzeichen. Mit Berücksichtigung des
Gesetzes vom 14. Mai 1S79, betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genuss¬
mitteln und Gebrauchsgegenständen, sowie aller Verordnungen und Verein¬
barungen. 5. und 6. (Schluss-) Lieferung. Leipzig, Weber, 1886. gr. 8.
VIII — 641 bis 1028 S. 5 M. Cplt. geb. 35 M.
Dege, Hermann, Leipziger Blätter für Nahrungsmittel-Hygiene. Populär-wissen¬
schaftliche Wochenschrift für öffentliche und private Gesundheitspflege.
1. Jahrgang, October 1886 — September 1887. 52 Nrn. Leipzig, Dürselen,
1886. gr. 4. Viertelj. 1*50 M.
Depaire, J. B., Prof., La question du cuivre dass les substances alimentaires.
Recueil des discours prononces devant l’Academie royale de medecine de
Belgique. Bruxelles, A. Manceaux, 1886. 8. 285 p.
Dubrisay, Dr., Rapport sur le salicylage des substances alimentaires presente
au comite consultatif d’hygiene publique de France. Paris, imp. nationale,
1886. 8. 22 p.
Dujardin-Beaumetz, Dr., L’hygiene alimentaire. Paris, Doin, 1886. 8. VI—237 p.
avec fig. et planche. 6 Frcs.
Palk, Hermann, Die Errichtung öffentlicher Schlachthäuser; mit Anhang: Die
Schlachthausgesetze sowie Schlachthaus Verordnungen und Situationspläne.
Osterwieck, Zickfeldt, 1886. gr. 8. 56 S. mit 7 Tafeln. 120 M.
Hertwig, Dr., Ober-Thierarzt, Bericht über die städtische Fleischschau, 1. April
1885—1886. Berlin, Druck von Grunert, 1886. 8. 19 S.
Hersog | C., Kurzgefasster Leitfaden für den Selbstunterricht in der mikro¬
skopischen Fleischbeschau. Stettin, Schädel, 1886. 12. 0*50 M.
Kalb, G., Lehrer, Die Nahrungs- und Genussmittel und ihr Einfluss auf die
körperliche und geistige Entwickelung des Menschen. Znr Belehrung für
das Volk geschrieben. Mit 1 lith. Tafel zur Veranschaulichung des Nähr¬
stoffgehaltes der wichtigsten Nahrungs- und Genussmittel. Gera, Burow,
1886. gr. 8. 27 S. 0*30 M.
Leng, R., Dr., Sanitätsrath, Die Trichine. Eine Anleitung zur Fleiscbschau.
Berlin, Enslin, 1886. 8. IV — 31 S. mit 20 Abbildungen. 1 M.
Mauriae, E., Dr., La Question des morues rouges; etude d’hygiene alimentaire.
Bordeaux, imp. Gounoilhou, 1886. 8. 62 p. 1*50 Frcs.
Möbius, Die Milchfehler, ihre Verhütung und Abstellung. Plauen, Neupert,
1886. 8. 0*50 M.
Munk, J., Dr. und Prof. Dr. UfFelmann, Die Ernährung des gesunden und
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Rüffert, F. W., Fleischbeschauer, Mikroskopische Fleischbeschau. 2. verb. und
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Seil, Eugen, Dr. Prof., Ueber Kunstbutter, ihre Herstellung, sanitäre Beurthei-
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Kenntniss der Milchbutter und der zu deren Ersatz in Anwendung gebrachten
anderen Fette. Berlin, Springer, 1886. 4. 67 S. mit eingedr. Figuren. 3 M.
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196 Neu erschienene Schriften.
ötftl m r Dr., Kreiswundarzt, Anleitung für Fleischbeschauer, nebst einem Anhang,
die wichtigsten Gesetze und Verfügungen für die Fleisehbeschauer der Pro¬
lin* Brandenburg enthaltend. Berlin, Nicolai, 1886. 8. 81 S. mit 4 Holz¬
schnitten. 1 M,
Viertel^ahssÄiehriffc über die Fortschritte auf dem Gebiete der Chemie der
Nahrungs- und Genusamitfcel, der Gebrauchsgegenstände, sowie der hierher
gehörenden Industriezweige, üerausgegeben von DDr. A. Hilger, R. Kay-
ser, J. König und E. Seil. Erster Jahrgang, ersteß und zweites Heft.
Berlin, Springer, 1886. gr. 8. 5 M.
14. Leichenverbrennung und Leichenbestafctung.
B r eita agy Max, Dr., Ueber neuere Leichenaustalten. Eine hygienische Studie.
Berlin, Grosser, 1866. 8. 68 S. 1 M.
Cremamone, La — e la salute publica. Bologna, Mareggiani, 1686; 16.
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Zweite verbesserte und stark vermehrte Auflage. Zürich und Stuttgart,
Schröter & Meyer. 1887. 8. 47 S. 0*85 M.
Lefebre, Rapport sur le Service sanitaire veterinaire en France, oe qu’il est, ce
qu’il devrait etre. Angers, 1886.
Osthoff, Georg, Stadtbaurath, Die Badeanstalten, Badehäuser und Badestuben
der Neuzeit. Mit specieller Berücksichtigung der Volksbäder, Schwimm¬
bassins, Douohe-, Schwitz* und Wannenbäder. Anlage, Einrichtung, Aus¬
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Leipzig, Schölte, 1887. 8. 8 M.
. Richter, Heinr., Civ.-Ing., The ater maschin ist, Die Feuersicherheit der Theater
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8. 2 sh.
Anhang: Alkoholismus.
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Catania, Tropea, 1886. 8. 204 p. 3 L.
Kienholz, E., Der Branntwein und das Volks wohl. Berlin, Feldmann, 1886.
gr. 8. 15 S. 0*30 M.
Tourdot, A. L. A., Dr., De l’alcoolisme dans la Seine-Inferieure. Paris, Ollier-
Henry, 1886. 4. 126 p.
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Dr. Richard Wehmer, Ueber Abdecker und Abdeckereien. 197
Ueber Abdecker und Abdeckereien.
Von Dr. Richard Wehmer in Frankfurt a. 0.
Historisches und Etymologisches.
Während der Scharfrichter oder Henker bereits dem classischen Alter-
thume, besonders den Römern, bekannt war und auch von Rom aus zusammen
mit dem „Römischen Rechte“ erst relativ spät zu uns importirt wurde, ist sein
naher Verwandter, der Abdecker, ein einheimisches Product des Mittelalters ! ),
sowohl in Deutschland, wie in Frankreich. Zu jener frühen Zeit, als noch in
Deutschland vielfach die Vollstreckung der richterlichen Bluturtheile durch¬
aus ehrlichen, ja allgemein geachteten und angesehenen Leuten anheim fiel,
wie z. B. dem jüngsten Rathsherrn, oder auch gelegentlich dein jüngst-
verheiratheten Bürger der Stadt u. dergl., lag der Abdecker schon als all¬
gemein für unehrlich angesehene Person seinem unästhetischen und doch
für die öffentliche Gesundheit so wichtigen Gewerbe ob. Wie schon sein
Name besagt, war seine wichtigste Beschäftigung, von anderer dem Begriffe
jener frühen Zeit nach gleich verächtlichen Thätigkeit, wie Reinigung der
öffentlichen Canäle, Controle der öffentlichen Dirnen etc. etc., denen sich
später das Einfangen toller Hunde zugesellte, abgesehen, wesentlich die, die
gefallenen Thiere abzudecken, d. h. ihnen die Decke, die Haut, abzunehmen
lat. detegere 3 ), sie zu schinden, lat. excoriare , franz. icorcher , daher der
Name „Schinder“, excoriator , ecorcheur . — Gleiches bedeutet auch das viel¬
fach gebrauchte Wort „Kafiller“, das allerdings erst später im 17. Jahr¬
hundert auftaucht 3 ).
Das Wort, welches nach Weigand 3 ) auch wohl Kafeller oder Kafaller ge¬
sprochen wurde, lehnt an das niederdeutsche viller oder feiler, filier, wie das
Wort in Aachen lautete 4 ), = Schinder (Hautabzieher), vielleicht auch an das
bayerische Wort „das Gefill“ = Recht des Abdeckers auf das gefallene Vieh, an. —
Seiner Entstehung nach ist indessen Kafiller oder Kafeller auf das rothwälsche
Wort Caveller, Cafaller, Kafaller = Schinder, excoriator, zurückzu führen B ) und
abzuleiten vom Talmudischen kefal, welches im Syrischen „abziehen“ be¬
deutet und diese Bedeutung auch in seiner Paelform btij? kappe! wahrt.
*) Dr. Benecke, „Von unehrlichen Leuten“. Hamburg, Besser & Hauke, 1863,
S. 120 ff.
а ) Jac. u. Willi. Grimm, Deutsches Wörterbuch. Leipzig, Salomon Hirzel, 1854,
sub. „Abdecker“.
3 ) Weigand, Deutsches Wörterbuch, 2. Aufl. Giessen 1873. J. Ricker’sclie Buch¬
handlung. 1. Bd. S. 749.
4 ) Lex er, Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Leipzig, Salomon Hirzel, 1876.
б ) Moscherosch, Gesichte Philander von Sittewald’s II, 635 u. 649.
Viertetyahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. 13*
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198
Dr. Richard Wehmer,
Der Abdecker hatte seine Wohnung vor der Stadt, manchmal, wie
z. B. in Frankfurt a. 0., auch gegenüber dem Judenviertel, Ghetto, dessen
Thore er schliessen musste 1 ). Sonst wohnte er an einem freien unbebauten
Lande, dem „Schindanger“ oder „Schandanger“, ein Name, der ohne Weiteres
zu verstehen ist, da eben auf ihm der Abdecker das gefallene Vieh abzog,
schindete. Die abgezogenen Cadaver oder Aeser wurden dort — ebenso
wie übrigens auch die Selbstmörder — verscharrt. Doch war dies relativ
selten. Meist blieben sie liegen, bis sich die raub- und aasfressenden Thiere,
ferner unzählige Maden und die niederen Organismen ihrer bemächtigten,
von denen in Paris die Maden, asticote , als Hühnermastfutter einen geschätz¬
ten Handelsartikel bildeten s ).
Oder der Abdecker verfütterte die Aeser auch wohl an seine Schweine
und Hunde, ein Umstand, der bekanntlich mehrfach die Ursache für Tri-
chinenepidemieen geworden ist.
Dass übrigens diese Schindanger oder „Aeserplätze“ s ), wie man sie
wegen der dort angehäuften faulenden Aeser meist in Oesterreich nannte,
oder „Luderstellen“ die Umgegend weithin verpesteten, bedarf keiner be¬
sonderen Ausmalung.
Mit den Worten Aas, Cadaver, steht übrigens ein anderer, jetzt in seiner
Bedeutung total umgeänderter Ausdruck in Beziehung, nämlich „Schelm“,
wie man den Abdecker gelegentlich nannte, ein Wort, das besonders oft
auch in der Zusammensetzung von „Schelmensippen“ gebraucht wurde.
Dies Wort kommt her von schelme, schelm, schälm, schalm auch schölm
und bedeutet (einmal Seuche, sodann aber): todter Körper, Aas, Cadaver 4 ), in
welcher Bedeutung es z. B. die alte Strassburger Städtechronik braucht, wo es
heisst 6 ): „do hlibent die erdrunken tiere und Schölmen üf dem felde ligen
und stunkent sere.“
Adelung 6 ) sagt: „schelm ist ein im Hochdeutschen völlig unbekanntes
Wort und bedeutet eigentlich ein abgezogenes todtes Vieh, in welchem Ver¬
stände es noch in Niedersachsen hin und wieder gangbar ist, wo „sein Pferd
zum Schelmen machen lassen u so viel ist, als es abdecken lassen.“ — Bei Hans
Sachs ist z. B. „ein Schelmengeschmack“ so viel als ein Aasgeruch.
Die in Süddeutschland manchmal gebrauchten Worte „Fallmeister“
„Fallmeister ei“ erklären sich leicht von selbst; das Wort bedeutet die mit
gefallenem Vieh sich abgebende Person und Einrichtung.
Im Oberdeutschen werden der „Schindanger“ und „Schinder“ sehr oft
„Wasen “ und „Wasenmeister“, die Abdeckerei auch „Wasenmeisterei“
genannt. *
1 ) Ueberlieferung der jüdischen Gemeinde daselbst; auf dem Rogenannten Judenviertel
wurde später (1506) die Universität, auf der Wohnstätte des Abdeckers vor wenigen
Decennien die Prcrrinzial-Gewerbeschule gebaut.
*) Reel am, Die Beseitigung der Thierleichen ohne hygieinische Nachtheile und zum
Vortheile der Gemeindecasse. — Gesundheit, 1. Jahrg. (1876), S. 113.
8 ) Nowak, Lehrbuch der Hygiene. Wien 1883, S. 793.
4 ) Leier, Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Leipzig, Salomon Hirzel, 1876, Bd. II,
S. 694.
6 ) Strassburger Städtechronik, 528, 13 (im 14. u. 15. Jahrh.). Leipzig 1862. (Leier, 1. c.)
6 ) Adelung, Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der
hochdeutschen Mundart. Leipzig, Joh. Gottl. Jram. Breitkopf, 1786, Fol. 22.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 199
Das in diesen Ausdrücken enthaltene Wort „Wasen“ hängt keineswegs, wie
wohl gelegentlich fälschlich angenommen wird, mit „Aas“ zusammen, sondern
kommt von dem mittelhochdeutschen Worte „wasen“ 1 ), althochdeutsch waso,
wallonisch toazon 2 ), französisch gazon , mittellateinisch guaso , hängt zweifellos mit
„wachsen“ zusammen und bedeutet so viel wie cespes , locus graminosus/ Rasen 3 ).
Tsohudi 4 ) unterscheidet noch ausdrücklich „Wyse“, d. h. „ein rechtes Stück,
das man mähen kann, pratum“, von „Wasen“, „einem Winkel oderStreiff, so mit
Gras bewachsen“.
Auch das Wort „verwasen“ = „mit Rasen, Gras bedecken, verwachsen“
hängt mit „wasen“ zusammen, nicht aber das sehr ähnlich klingende verwäzen
= verwesen, verderben, zu Grunde gehen, was von wäz = Wehen, Sturm,
Athem etc. herkommt 5 ).
In späteren mittelalterlichen Zeiten, als das Römische Recht und mit
ihm der Scharfrichter nach Deutschland gekommen war, wurden sehr häufig
beide Aemter derselben Person übertragen, oder aber der Abdecker war der
Gehülfe, der erste Knecht des Scharfrichters 6 ).
So ist im „Arheil. Cent. Weisthum“ 7 8 ) §. 4 vorgeschrieben, „wann von
nöthen ist Galgen, Leiter oder Räder aufzurichten, so soll der Nachrichter
am ersten, nach ihme der Wasenmeister angreifen“.
Aus der Vereinigung der beiden Aemter resultiren dann wieder einige
Namen und Bezeichnungen für den Abdecker, welche eigentlich nur dem
Scharfrichter zukommen.
Hierher gehört die in Hamburg übliche Bezeichnung Frohn 6 ), corrum-
pirt aus „Frohnboten“, einer Bezeichnung, welche ursprünglich dem durch¬
aus ehrlichen und angesehenen Gerichtsboten, dem vröne bote 9 ), früher bote
vrone = heiligen und unverletzlichen Boten (vrön, althochdeutsch frön, ist
Adjectivum) zukamen. Da dieser aber, ohne dadurch seiner Ehrlichkeit
und seinem Ansehen zu schaden, in früheren Zeiten, wie anderwärts die
jüngsten Rathsherren, worauf zu Anfang bereits hingedeutet wurde, die
Verpflichtung des Aufhängens und sonstigen Justificirens hatte, so ging
später nicht nur das Amt, Bondern auch der Name an den — seinerseits nun
aber unehrlichen — Scharfrichter über. — Noch jetzt hat der Hamburger
Frohn ausser der Abdeckerei die Hinrichtungen mittelst des Fallbeils zu
besorgen 10 ).
Scharfrichter und Schinder wurden, um sie in gewissem Grade für ihre
Unehrlichkeit zu entschädigen, mit mancherlei Privilegien ausgerüstet; sie
1 ) Adelung, 1. c. Bd. V, 1. Hälfte, sub. „wasen“.
2 ) E. Litt re, [Prof. d. Medicin], Dictionnaire de la langue fran 9 aise, Paris 1878,
Librairie de L. Hachette.
8 ) Joh. Leonh. Frisch, Teutsch-Lateinisches Wörterbuch. Berlin, Chr. G. Nikolai
1741, Fol. 425. Ferner: Christiani Gottlob Haitaus, Glossarium germanicum medii
aevi, Lipsiae 1758, Joh. Ferd. Gledisch. — Adelung, 1. c. Bd. V. — Math. Lezer,
1. c. Bd. Hl, S. 702.
4 ) Tschudi, T. II, p. 161, citirt von Frisch, 1. c. Fol. 425.
ß ) Lexer, 1. c. Bd. UI, S. 297.
Ä ) Dr. Beneke, Von unehrl. Leuten.
7 ) In D. Ge Lud. Boehmeri Exerc. de Contena Sublimi, App. p. UI, citirt bei Hai¬
taus 1. c.
8 ) Conf. Dr. Beneke, 1. c. S. 126, 127.
9 ) Weigand, Deutsches Wörterbuch. Giessen 1873. J. Ricker’sche Buchh. S. 497 u. 498.
10 ) Esser in Eulenberg’s öffentl. Gesundheitswesen. Berlin 1881, Bd. I, S. 55.
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200
Dr. Richard Wehm er,
waren von Abgaben befreit, daher der Name „Frei mann“; der Abdecker
hatte ferner in seinem Bezirke das sogenannte Bannreoht auf jedes ge¬
fallene Stück Vieh, das ihm gehörte, er hatte ferner das Privilegium des
ausschliesslichen Gewerbebetriebes.
Ja, zu dem privilegirten Heilpersonale der niedrigsten Ordnung
gehörte der Scharfrichter - Abdecker Jahrhunderte lang 1 ). Nach Haeser
erklärt sich dies wohl daher, dass er sich der durch die Tortur Gemarter¬
ten annahm, ihre ausgerenkten Glieder einrichtete, andererseits aber daher,
dass die einmal in den Händen des Scharfrichters befindlich gewesene
Person „unehrlich“ wurde und somit auf die Hülfe desselben immer ange¬
wiesen war.
So hatten die Scharfrichter in Holland schon im 7. Jahrhundert das
Recht, Fracturen und Luxationen einzurichten.
In Deutschland war es nicht viel anders; ja selbst die Wundärzte
hatten mit ihnen zu kämpfen und mussten es erleben, daBS in Berlin König
Friedrich I. sogar den Scharfrichter Coblenz zu seinem Hof- und Leib-
medicus ernannte *).
Dass das Volk aber auch sonst noch trotz der Unehrlichkeit des Ab¬
deckers oft und viel seine ärztliche Hülfe in Anspruch nahm, kann nicht
Wunder nehmen. Musste nicht eine dem Mysticismus in so hohem Maasse
ergebene Zeit, wie das Mittelalter, besonders bei sog. „verzauberten“ Schäden,
diesen Leuten „die Kenntniss geheimer Künste beilegen, welche ihnen aus
dem Verkehre mit gefolterten Hexen zuflossen“ 8 ) und sie desshalb gerne
consultiren ?
Umgekehrt wurde aber auch streng darauf gehalten, dass der Abdecker
sich Nichts anmaasste, was ihm nicht zukam. So warnte sie z. B. König
Friedrich Wilhelm I. in Preussen davor, zu hohe Taxen zu erheben,
und erliess 4 ), als einmal einige Abdecker sich hatten beikommen lassen,
alte blaue Militärröcke zu tragen, unter dem 15. Juli 1727 eine „Ordre
an alle Scharfrichter und Abdecker in den Königlichen Landen,
dass sie von nun an keine andere als dunkelgraue Kleidung und keine
Degen tragen sollten“.
Um so fester hielten sie dafür aber ihre Privilegien. Selbstredend wurden
häufig Versuche gemacht, dem Abdecker seine Rechte zu schmä¬
lern. In früheren Zeiten pflegte in Fällen, wo Jemand dem Abdecker ein
gefallenes Stück Vieh nicht ausgeliefert hatte, der letztere dem Defrau¬
danten sein langes Messer in den Hausthürpfosten zu stechen, wo jener es
nicht selbst entfernen konnte, um nicht ebenfalls unehrlich zu werden.
Vielmehr blieb ihm meist Nichts übrig, als durch Geld und Bitten den Ab¬
decker zur Entfernung des ihn der öffentlichen Lächerlichkeit aussetzenden
Messers zu bewegen 5 ).
1 ) Haeser, Geschichte der Medicin. Jena, Hermann 1875, Bd. I, S. 845.
*) G. Fischer, Chirurgie vor 100 Jahren. Leipzig 1876. 8. S. 61 ff. (Citirt bei
Haeser, Gesch. der Medicin Bd. II. Jena, Gust. Fischer, 1881, S. 433.)
8 ) Haeser, 1. c.
4 ) Mylius, Corpus constitutionum Marchicarum, Berlin und Halle, 1740, V. Bd.
S. 116.
5 ) Beneke, „Von unehrlichen Leuten“.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
201
Später pflegte er dann den Schutz der Behörden für sich in Anspruch zu
nehmen. So wurden in Preussen *) am 18. Mai 1667, den 23. Mai 1662,
den 22. April 1689, den 11. Februar 1704, den 12. November 1707, den
30. Juni 1721 und den 29. April 1772 derartige Edicte erlassen. Das
letzte derselben, welches noch bis in unser Jahrhundert hinein Gültigkeit
hatte, bestimmte u. A.
„Jedermann ist schuldig, das ausser der Viehseuche abgestandene, auch
beim Schlachten unrein gefundene Vieh (Schafe ausgenommen) dem Scharf¬
richter oder Abdecker des Districts sofort gegen Erlegung des festgesetzten
Trinkgeldes, für die Meile ä 2 Groschen, an den Boten anzusagen; wie denn
auch erweislich rotzige und ganz incurable Pferde nicht verkaufet, ver¬
tauschet oder versohenket, in Gleichen die zur ferneren Arbeit gänzlich
untüchtig gewordenen Pferde nicht an fremde Scharfrichter verhandelt,
sondern an den Scharfrichter und Abdecker des Districtes abgeliefert werden
müssen. 41 — Weiter: „übrigens sollen die Scharfrichter und Abdecker . . . .
von Einquartirung, Servis, Contribution, Anlagen und anderen Oneribus
publicis , auch der Mahlzinse, ferner befreit bleiben.“
Als beiläufige Bemerkung sei übrigens hier erwähnt, dass nach Parent-
Duch&telet und Payen die Abdecker, ebenso wie die Fleischhauer
und überhaupt diejenigen Arbeiter, welche mit der Behandlung thierischer
Substanzen beschäftigt wären, dem Auftreten epidemischer Krank¬
heiten gegenüber sich einer gewissen Immunität zu erfreuen
hätten. Lay et, der diese Bemerkung bringt 9 ), sagt mit Recht, dass diese
Beobachtung noch sehr weiterer Bestätigung bedürfe.
Unser gegenwärtiges Jahrhundert hat auch in den Abdeckerei-
Verhältnissen vielfache Aenderungen vorgenommen. Dieselben sind aber,
wie schon hier angedeutet werden mag, keineswegs ausreichend gewesen,
vielmehr ist leider Manches noch in einem wahrhaft erschreckenden mittel¬
alterlichen Zustande.
Ein drastisches Bild in dieser Beziehung von dem Zustande allerdings
nicht einer deutschen Abdeckerei, sondern einer unserer Nachbaren jenseits
des Rheines, entwirft Reclam 3 ). Freilich muss dabei bedacht werden, dass
die Franzosen sowohl wie die Italiener in derartigen Dingen nicht sehr fein¬
fühlig sind. Man denke nur an die skandalösen Aborteinrichtungen, wie
sie sich oft in den elegantesten Hotels und feinsten Restaurants finden, eine
schreck volle Erinnerung für jeden deutschen Reisenden, der je dort gewesen!
Reclam schildert den Pariser Schindanger von Montfaucon, wie er bis
1849 gewesen, wo er erst in Folge der Cholera aufgehoben wurde, folgender-
maassen:
„Die Arbeit des Ablederns führt unvermeidbare Verunreinigungen herbei, deren
Beseitigung die hohe Lage des Ortes und der hierdurch hervorgerufene Wasser¬
mangel fast unmöglich machte. Dazu kam, dass man die Eingeweide derThiere
absichtlich in freier Luft liegen liess, um durch deren Fäulniss eine kleine
Industrie auszuführen“ (Verkauf der Fliegenlarven, asticots ; s. o. S. 198). „Die
*) Horn, Das preussische Veterinär-Medicinalwesen. Berlin 1858, S. 177.
2 ) Allg. und specielle Gewerbepathologie und Gewerbehygiene von Dr. Alexander
Layet; deutsch von Dr. Friedr. Meinel. Erlangen, Ed. Besold, 1877, S. 135.
*) Reclam, 1. c. Gesundheit I, S. 113.
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Dr. Richard Wehmer,
grossen Hänfen von Eingeweiden verbreiteten auf weite Entfernung einen
schauerlichen Pestgeruch. Da auch die Därme aus den Schlachtereien von Paris
in besondere flache Gruben abgeladen wurden, so bestand neben dem geschil¬
derten ein zweiter Fäulnissherd, dessen Gestank jede Vorstellung übersteigt und
jeder Beschreibung spottet. — Die neu ankommenden Fuhrwerke vermochten
des üblen Geruches wegen, welcher sogar die Pferde scheuen und aufbäumen
machte, nicht nahe herbeizufahren, und man war gezwungen, die neuen Ladun¬
gen so entfernt als möglich von den alten abzuladen, wodurch die offene Riesen-
kloake immer grösser wurde. — Unendlich ekelhaft und widerlich war der Ort
für die Abdeckerei der Pferde; Gerippe mit dem Fleische und Stücke der Ein¬
geweide lagen zerstreut auf dem Boden umher. Man beerdigte sie nicht.
Wöchentlich einmal wurden die Pferdecadaver, etwa 150 an der Zahl, zu einem
grossen Haufen geschichtet und verbrannt, wobei die bereits getrockneten oder
vom letzten Male halb verbrannten als Brennmaterial dienten. Wenn regnerisches
Wetter war, Hess sich diese Verbrennung nicht ausführen; die enthäuteten
Cadaver und Gerippe sammelten sich zu grösserer Menge an. Als ich im Jahro
1847 die Gräuelstätte besuchte, lagen nicht weniger als gegen 500 über und neben
einander. Nach Tardieu’s Erzählung fand man früher sogar 20 Jahre alte
halb verbrannte Gerippe. Man schichtete deren etwa 800 zu einem ungeheuren
Scheiterhaufen, in welchem das Feuer länger als vierzehn Tage Nahrung fand.“
Derartig mittelalterliche Zustände bestanden also noch vor wenig Jahr¬
zehnten in Paris. — Ob es in unserem deutschen Vaterlande nirgends
ähnliche Verhältnisse, wenn auch in entsprechend geringerem Umfange,
gegeben haben mag? Ich wage es zu bezweifeln.
Der Cantonalthierarzt Lentz sagt sogar noch im Jahre 1873/1874 in seinem
amtlichen Berichte: „In Saar-Union selbst wird kein crepirtes Thier eingegraben;
man findet auf einen Kilometer'vom Wasenplatze ganze Köpfe von Pferden und
anderen Thieren, welche auf dem Felde liegen.“ — „Das crepirte Vieh bleibt
auf dem Felde liegen, bis die Raben und Wölfe es ganz aufgezehrt haben.“
(Zündel, Generalbericht über die Hausthiere in Elsass-Lothringen pro 1873/1874,
S. 34.)
An Bemühungen der Behörden, Aehnliches zu verhüten, hat es nicht
gefehlt; das beweisen z. B. in Prenssen die mannigfachen desshalb in
unserem Jahrhundert erlassenen Verfügungen, so die Circularverfügung
vom 26. Februar 1817, in welcher u. A. sowohl Abdecker, wie Einwohner,
die selbst ihr Vieh abledern, zur Befolgung der bezüglichen polizeilichen
Vorschriften angehalten werden, ferner ein am 13. Juli 1846 von der Regie¬
rung zu Coblenz erlassenes Abdeckerei-Reglement u. A.
Die wichtigste Aenderung unseres Jahrhunderts in Betreff der
Person des Abdeckers ist die Aufhebung der Unehrlichkeit des Abdeckers
und seines Gewerbes. Freilich fielen dafür auch mancherlei Privilegien, so
die Berechtigung, wundärztliche Functionen auszuüben, ferner an vielen
Orten die Zwangs- und Bannrechte, in jüngster Zeit kam durch das Gesetz
vom 17. März 1868 die Aufhebung ihrer ausschliesslichen Gewerbeberechtigung,
Ausfälle, für die sie allerdings dann pecuniär entschädigt wurden. (Das
letztgenannte Gesetz ist noch nicht überall durchgeführt.)
Dagegen bemühte man sich, den nicht mehr unehrlichen Abdecker
moralisch zu heben und ihm ein grösseres Ansehen zu geben, um gleich¬
zeitig dabei sich der Möglichkeit einer gewissen Auswahl unter den Persön¬
lichkeiten, welche das Abdeckereigewerbe betrieben, zu versichern. — So
wurde in Preussen durch die Allgemeine Gewerbeordnung vom
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203
Ueber Abdecker und Abdeckereien.
17. Januar 1845 *) nicht nur die Nothwendigkeit einer polizeilichen Ge¬
nehmigung für Betreibung des Abdeckereigewerbes, sondern im §. 45 sogar
die Beibringung eines besonderen Bef&higungszeugnisses vorge¬
schrieben.
Letzteres erhielt der Abdecker, wenn er sich der Prüfung nach dem Regle¬
ment vom 29. September 1846 unterzog und vor einer aus dem Departements¬
thierarzte oder einem Kreisthierarzte und dem Landrathe oder einem von diesem
zu ernennenden Stellvertreter seine Fertigkeiten und Kenntnisse darlegte. —
Entere musste er durch Obduction eines Thiercadavers beweisen, letztere soll¬
ten in der Fähigkeit, lesen und schreiben zu können, und in einer allgemeinen
Kenntniss der normalen und pathologischen Thieranatomie mit besonderer Be¬
ziehung auf die Thierseuchen, fernerhin auch in einer Kenntniss der einschläg-
lichen gesetzlichen Bestimmungen bestehen.
Die Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit hat auch die Notli-
wendigkeit und die Bedeutung dieses Examens aufgehoben, auch ist seit
dieser Zeit das Abdeckereigewerbe nicht mehr steuerfrei.
Fassen wir nun die gegenwärtige Stellung des Abdeckers in das
Auge, so sehen wir, wie derselbe zunächst seiner scharfrichterlichen Func¬
tion seit Abschaffung der Tortur und der complicirten Todesstrafen allmälig
fast überall verlustig gegangen ist. Auch in der allerjüngsten .Vergangenheit,
in welcher nach Einführung des neuen allgemeinen Reichsstrafgesetzbuches
in Deutschland wieder die Todesstrafen etwas häufiger geworden, sind es nur
einzelne als besondere Virtuosen dieses speciellen Zweiges zu bezeichnende
Personen, welche sich mit der Vollstreckung der Todesstrafen befassen. Der
Abdecker hat jetzt im Wesentlichen nur die Thiere abzuziehen und ihre
Cadaver zu beseitigen.
Dagegen ist demselben eine andere umfangreiche Thätigkeit von grosser
Wichtigkeit geworden: *Die Aufnahme von seuchekranken oder
seucheverdächtigen Thieren in den von ihm zu unterhaltenden
sogenannten Contumazställen zum Zwecke der thierärztlichen Beobachtung.
Unter ihnen nehmen einen hervorragenden Platz die Hunde ein. Ihr
Einfangen hält, besonders da, wo Steuermarke und Maulkorb- oder Hals¬
bandzwang oder das Führen an der Leine vorgeschrieben sind, die Leute
des Abdeckers in steter Thätigkeit. Diese Beschäftigung aber hat dem Ab¬
decker, wenigstens von Seiten des hundebesitzenden und hundeliebenden
Publicums, ein Odium eingetragen, welches dem ihm früher in Folge seiner
Unehrlichkeit anhaftenden an Intensität wenig nachgeben dürfte.
Dies Odium hat aber auch seine guten Seiten. Denn in Folge dessen
ist der Hundefang des Abdeckers einer steten Controle des Publicums,
ganz abgesehen von den Thierschutzvereinen, und in Folge dessen auch
von Seiten der Aufsichtsbehörden ausgesetzt. Freilich geschehen trotzdem
mancherlei Unregelmässigkeiten. — So musste z. B. der Landrath und
Polizeidirector zu Frankfurt a. 0. im Jahre 1820 eine besondere Verfügung
erlassen, nachdem er wegen Ausbruch der Tollwuth das Anlegen der
a ) Horn, Das preussische Veterinär-Medicinalwesen. Berlin 1858, Ang. Hirschwald,
S. 176 u. 177.
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Dr. Richard Wehmer,
Hunde an die Kette und du Führen derselben an der Leine einerseits,
andererseits aber du Wegfangen und Tödten der frei herumlaufenden Hunde
bestimmt hatte. Denn der Frankfurter Scharfrichter hatte für sich und
seine Knechte einen sehr ergiebigen Erwerbszweig dadurch sich bereitet,
dass er dem Publicum bestimmte Hundehalsbänder verkaufte und die mit
diesen versehenen Hunde nicht wegfing. — Uebrigens wollen wir aber auf
die ganze Hundefrage specieller hier nicht eingehen, da sie ausserhalb des
Bereiches unseres eigentlichen Themu liegt.
Um so wichtiger ist aber die andere, recht eigentliche Thätigkeit des Ab¬
deckers, die Beseitigung der gefallenen oder wegen Krank¬
heiten bezw. aus anderen Gründen, nicht im Interesse der
Schlächterei getödteten Thiere.
Das Abdeckereigewerbe ist mithin ein sehr wichtiges Glied in der Frage
von der Beseitigung der öffentlichen Abfälle im weitesten Sinne des Wortes,
indem es zwischen dem Leichenbestattungswesen einerseits und der Besei¬
tigung der menschlichen und gewerblichen Abfallstoffe andererseits — Ab¬
fuhr, Canalisation — das verbindende Mittelglied darstellt, während es
ausserdem in vielen Dingen dem Gebiete der Fleischschau sich nähert.
Literatur.
Je mehr man die eben angeführte Wichtigkeit und Vielseitigkeit der
Abdeckereiangelegenheit betrachtet, um so mehr muss die principielle Ver¬
nachlässigung auffallen, welche von Seiten der öffentlichen Gesundheitspflege
diesem Gegenstände im Allgemeinen in der Literatur zu Theil geworden
ist. — Sehr viele Lehrbücher der öffentlichen Gesundheitspflege behandeln
den Gegenstand gar nicht, so z. B. auch das grosse Handbuch der Hygiene
von der Ziemssen’sehen Sammlung.
Ebenso arm ist die sonstige sowohl medicinalpolizeiliche und hygienische,
wie veterinärärztliche Literatur an Publicationen, welche diesen Gegenstand
behandeln.
Erst in allerneuester Zeit hat man angefangen, demselben etwas näher
zu treten, veranlasst durch den damit zusammenhängenden Erlass des Reichs¬
viehseuchengesetzes vom 23. Juni 1880, und ganz besonders hat sich mit
der Frage der Regelung des Abdeckereiwesens einmal der Deutsche
Veterinärrath in seiner am 3. und 4. August 1878 zu Hannover statt¬
gehabten vierten Versammlung (Bericht darüber in Augsburg 1876 bei
W.Lüderitz erschienen), sodann aber der Deutsche Landwirthschafts-
rath in seiner Sitzung vom 18. Januar 1881 befasst. (Bericht hierüber
im Archiv des Landwirthschaftsrathes. Berlin, Paul Parey. V. Jahrg.
1881, Heft Nr. 6.)
Diese Berichte bieten denn auch ein besonders werthvolles Material für
unsere Frage, während in zweiter Linie von neueren Arbeiten über den
Gegenstand noch zu nennen wären:
1. Der Artikel über Abdeckereiwesen von Prof. Dr. Esser (Göt¬
tingen) inEulenberg’s Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens.
Berlin 1881, Aug. Hirschwald, Bd. I, S. 48 bis 68. Ferner:
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
2. Der Artikel über „Abdeckerei oder Beseitigung der Thier-
cadaver“ in Eulenberg’s Handbuch der Gewerbehygiene.
Berlin, Aug. Hirschwald, 1876, S. 590 bis 592.
3. Der Artikel über „Abdeckereien in Nowak* s Lehrbuch der
Hygiene“. Wien, Toeplitz & Deuticke, S. 793 bis 796.
4. Die bereits mehrfach citirte Arbeit Prof. Carl Reclam’s „Die Be¬
seitigung der Thierleichen ohne hygieinische Nachtheile
und zum Vortheile der Gemeindecasse“. — Gesundheit I. Bd,
Nr. 8 u. 12.
5. Der Artikel über „Abdeckereien von Prof. Dr. Soyka (Prag)“ in
Eulenburg’s Realencyklopädie der gesammten Heilkunde. Wien u. Leipzig,
Urban & Schwarzenberg, 1885, Bd. I, S. 10 bis 18.
Weiterhin enthalten werthvolles Material die:
6. Generalberichte Zündel’s über den Gesundheitszustand
der Hausthiere, welche derselbe von 1872 ab jährlich veröffentlicht,
und die bis zum Jahre 1877 das Unter-Elsass (gedruckt in Strassburg
bei 0. Fischbach), von da ab Elsass-Lothringen betreffen (gedruckt in
Strassburg bei R. Schultz & Co. bis 1881, 1882 wieder bei 0. Fischbach).
Endlich ist von Wichtigkeit die Thätigkeit des Deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege, indem derselbe in seiner IV. Ver¬
sammlung zu Düsseldorf am 30. Juni 1876 verhandelte über „die Gefah¬
ren, welche der Gesundheit des Menschen von kranken Haus¬
sieren drohen, und über die zu ihrer Bekämpfung gebotenen
Mittel u . — Das diesbezügliche Referat von Prof. 0. Bollinger findet
sich in der „Deutschen Zeitschrift für Thiermedicin und vergl. Pathologie“,
Bd. III, Heft 1 u. 2, 1876.
Gesetzliohe und rechtliche Verhältnisse.
Wegen der verschiedenen Materien, in welche das Abdeckereiwesen
eingreift einerseits, und wegen des Alters und der anscheinenden Unantast¬
barkeit der vielen Einzelrechte und Privilegien andererseits ist es eine
grosse Anzahl sowohl von Gesetzesparagraphen, als auch von anderweitigen
rechtlichen Bestimmungen, welche hier in Frage kommen.
Handelt es sich doch nicht allein um die Gewerbeberechtigung und
den Gewerbebetrieb, sondern auch um die sehr wichtige Frage der Vieh¬
seuchentilgung und der Nahrungsmittelfiberwachung. Alles dies sind Dinge,
welche zwar anscheinend in Deutschland, auf das die nachstehenden Aus¬
lassungen sich allein beziehen sollen, durch Reichsgesetze einheitlich
geregelt sind, deren speciellere Ausführung in den einzelnen Bundesstaaten
aber trotzdem noch sehr verschieden ist. Wir können im Nachstehenden
des beschränkten Raumes dieser Zeitschrift wegen nur auf die Reichsgesetze
und allenfalls die preussischen Bestimmungen näher eingehen, während
rücksichtlich der übrigen Staaten nur die wichtigeren hiervon abweichenden
Bestimmungen erwähnt oder etwas specieller besprochen sind. — Aber auch
rücksichtlich Preussens ist es unmöglich, jede Regierungsverfügung, jede
Polizeiverordnung anzuführen, um so mehr, als dieselben häufig nur Er¬
läuterungen von Reichs- oder Landesgesetzen darstellen.
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Dr. Richard Wehmer,
Deutsches Reich.
1. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.
§. 328. Wer die Absperrungs- oder Aufsichtsmaassregeln oder Einfuhrver¬
bote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder
Verbreitens von Viehseuchen angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird
mit Gefängniss bis zu einem Jahre bestraft.
§. 367. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird
bestraft:
7) wer verfälschte oder verdorbene Getränke oder Esswaaren, insbesondere
trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft.
2. Gesetz vom 17. März 1868 (für den Norddeutschen Bund), betreffend
die Aufhebung und Ablösung bisher bestehender ausschliess¬
licher Gewerbeberechtigungen.
(Das später auch auf das ganze Deutsche Reich ausgedehnte Gesetz hat
aber bisher nur auf eine verhältnissmässig kleine Anzahl von Abdeckereien,
deren Privilegien und Rechte in Gemässheit desselben abgelöst worden sind,
Anwendung gefunden.)
3. Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869.
§. 16. Zur Errichtung von Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder
Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benach¬
barten Grundstücke oder für das Publicum überhaupt erhebliche Nachtheile,
Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die Genehmigung der
nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich.
Es gehören dahin:.chemische Fabriken aller Art, . . . Leim-,
Thran- und Seifensiedereien, Knochenbrennereien, Knochendarren, Knochen-
kochereien und Knochenbleichen, Zubereitungsanstalten für Thierhaare, . . .
Abdeckereien, . . . Pudrette- und Düngpulverfabriken.
Ferner sind von Wichtigkeit die §§. 17, 18, 24* und 25, dessen Schlusspassus
lautet:
Diese Bestimmungen finden auch auf gewerbliche Anlagen (§§. 16 und 24)
Anwendung, welche bereits vor Erlass dieses Gesetzes bestanden haben.
4. Reichsgesetz, Maassregeln gegen die Rinderpest betreffend,
vom 7. April 1869 (auf Bayern und Württemberg am 2. November 1871,
auf Eisass-Lothringen am 11. December 1871 ausgedehnt 1 ), nebst revidirter
Instruction zu demselben vom 9. Juni 1873.
Ges. §. 1. (Competenzen der Behörden.)
§. 2. (Maassregeln gegen die Seuche.)
§. 3. (Entschädigung für da9 gefallene und getödtete Vieh.)
§. 4. (Anzeigepflicht.)
§. 5. (Verpflichtung der Einwohner an den Seucheorten zur Ausführung
der polizeilichen Maassregeln.)
Instruction §. 8. Wird in den . . . Fällen (sc. des Auftretens der Rinder¬
pest in der Nähe eines deutschen Ortes) die angeordnete Sperre durchbrochen,
so sind die der Sperre unterworfenen Thiere sofort zu tödten und zu verscharren,
giftfangende Sachen aber zu vernichten oder zu desinficiren.
§. 9. (Controlmaassregeln in den Grenzkreisen.)
§. 12. Der Besitzer darf dann (d. h. wenn die Rinderpest in einem Orte
ausgebrochen ist) die kranken Thiere nicht schlachten oder tödten, etwa
1 ) Beyer: Viehseuchengesetze. Berlin, Paul Parev, 1886, S. 229.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
gefallene Thiere aber nicht verscharren oder sonst beseitigen, ehe die Natur
der Krankheit festgestellt ist. Bis dahin sind todte Thiere so aufzubewahren,
dass das Hinzukommen von Thieren und Menschen abgehalten wird.
§. 13. (Feststellung der Seuche durch den competenten Thierarzt.)
§. 17 bis 19. (Controle des Fleisch- und Viehmarktes.)
§. 20 bis 24. (AbsperrungBmaassregeln.)
§. 25. Alles an der Rinderpest erkrankte oder derselben verdächtige Vieh
ist sofort zu tödten.
Rinder gelten stets für verdächtig, sobald sie mit erkrankten Stücken in
demselben Stalle gestanden, die Wärter, Futtergeräthschaften oder Tränke
gemeinschaftlich gehabt haben, oder sonst mit erkrankten Stücken in eine
mittelbare oder unmittelbare Berührung gekommen sind . . .
In grösseren Städten und auf den unter regelmässiger veterinärpolizeilicher
Controle stehenden Schlachtviehhöfen kann die Verwerthung der Häute und des
Fleisches von Thieren, welche bei der Untersuchung im lebenden und ge¬
schlachteten Zustande gesund befunden worden sind, gestattet werden. Das
Schlachten der betreffenden Thiere muss jedoch unter veterinärpolizeilicher
Aufsicht in geeigneten Räumen stattfinden, auch dürfen das Fleisch und die
inneren Theile erst nach dem Erkalten abgefahren und die Häute nur dann
ausgeführt werden, wenn sie entweder vollkommen getrocknet sind, oder drei
Tage in Kalkmilch (1 : 60) gelegen haben.
§. 26. Die getödteten Thiere, bezüglich deren nicht die Bestimmung im
letzten Absätze des §. 25 Anwendung findet, sind zu verscharren. Zu diesem
Behufe sind geeignete Plätze, möglichst entfernt von Wegen und Gehöften, an
solchen Stellen zu benutzen, wohin kein Rindvieh zu kommen pflegt. So weit
möglich, sind wüste und gar nicht oder wenig angebaute,Stellen zu wählen.
Die Verscharrungsplätze sind zu umzäunen und mit solchen Pflanzen zu be¬
setzen, welche schnell wachsen und tiefe Wurzeln treiben.
Die Gruben müssen so tief gemacht werden, dass die Erde mindestens 2m
hoch die Cadaver bedeckt.
§. 27. TÖdten und Verscharren erfolgt, so weit möglich, durch die Einwohner
des inßcirten Gehöftes.
Personen aus anderen Orten, insbesondere auch ausserhalb des Ortes
wohnende Abdecker, dürfen nur dann, wenn keine geeignete Ortseinwohner
vorhanden sind, verwendet werden. Zur Verhütung der Verschleppung der
Rinderpest durch solche Personen sind die geeigneten Maassregeln zu ergreifen.
§. 28. Die Stelle, an der die Viehstücke getödtet werden sollen, hat der
Ortscommissar unter Zuziehung des bestellten Thierarztes, unter Berücksichtigung
der Vermeidung jeder Verschleppungsgefahr, zu bestimmen.
(Beseitigung der sonstigen Abfallstoffe; Transportbestimmungen.)
§. 29. (Abledern verboten; Bestimmungen in Betreff des Verscharrens; Be¬
schüttung der Cadaver mit Kalk; Ausstellen von Wachen.)
§. 30 bis 35. (Sperrebestimmungen.)
§. 36. (Bestimmungen für grosse Städte und Schlachthäuser.)
§. 37 bis 46. (Maassregeln nach dem Erlöschen der Seuche.)
5. Reichsgesetz, betreffend Zuwiderhandlungen gegen die
zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Vieheinfuhrverbote
vom 21. Mai 187 8.
(Enthält Strafbestimmungen.)
6. Reichsgesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung
von Viehseuchen. Vom 23. Juni 1880, nebst: Instruction des
Bundesrathes der §§. 19 bis 29 des Gesetzes vom 23. Juni 1880,
betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen.
Vom 12./24. Februar 1881.
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Dr. Richard Wehmer,
II. Unterdrückung der Viehseuchen im Inlande.
1. Allgemeine Vorschriften,
a. Anzeigepflicht.
§. 9. Der Besitzer von Hausthieren ist verpflichtet, von dem Ausbruche
einer der in §. 10 angeführten Seuchen . . . sofort der Polizeibehörde Anzeige
zu machen ....
Die gleichen Pflichten liegen demjenigen ob, welcher in Vertretung des
Besitzers der Wirthschaft vorsteht ....
Zur sofortigen Anzeige sind auch die Thierärzte und alle diejenigen
Personen verpflichtet, welche sich gewerbsmässig mit der Ausübung der Thier¬
heilkunde beschäftigen, ingleichen die Fleischbeschauer, sowie diejenigen, welche
gewerbsmässig mit der Beseitigung, Verwerthung oder Bearbeitung thierischer
Cadaver oder thierischer Bestandtheile sich beschäftigen, wenn sie, bevor ein
polizeiliches Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruche einer der
nachbenannten Seuchen oder von Erscheinungen unter dem Viehstande, welche
den Verdacht eines Seuchenausbruches begründen, Kenntniss erhalten.
§. 10. Die Seuchen, auf welche sich die Anzeigepflicht (§. 9) erstreckt, sind
folgende: 1) der Milzbrand; 2) die Tollwuth; 3) der Rotz (Wurm) der Pferde,
Esel, Maulthiere und Maulesel; 4) die Maul- und Klauenseuche des Rindviehs,
der Schafe, Ziegen und Schweine; 5) die Lungenseuche des Rindviehs; 6) die
Pockenseuche der Schafe; 7) die Beschälseuche der Pferde und der Bläschen¬
ausschlag der Pferde und des Rindviehs; 8) die Räude der Pferde, Esel, Maul¬
thiere, Maulesel und Schafe.
Der Reichskanzler ist befugt, die Anzeigepflicht vorübergehend auch für
andere Seuchen einzuführen.
c. Schutzmaassregeln gegen Seuchengefahr.
§. 24 (6). Die Tödtung der von der Seuche erkrankten oder verdächtigen
Thiere.
Dieselbe darf nur in den Fällen angeordnet werden, welche in diesem
Gesetze ausdrücklich vorgesehen sind . . .
(d. h. in den Fällen:
des §. 13, wo es sich um Zerlegung eines Thieres behufs der sicheren
Ermittelung des Seuchenausbruches handelt;
des §. 25, wenn Thiere in verbotwidpiger Benutzung u. 8. w. betroffen
werden;
der §§. 34, 37 und 38, welche wuthkranke oder der Tollwuth verdächtige
Thiere betreffen;
der §§. 40 und 42, welche von rotzkranken oder rotzverdächtigen Thieren
handeln;
des §. 45, welcher lungenseuchekrankes oder -verdächtiges Rindvieh betrifft;
des §. 45, welcher von in Schlachtviehhöfen und Schlachthäusern aufgestelltem
erkranktem oder verdächtigem Schlachtvieh handelt).
§. 26 (7). Die unschädliche Beseitigung der Cadaver solcher Thiere, welche
an der Seuche verendet, in Folge der Seuche oder in Folge des Verdachtes
getödtet sind, und solcher Theile des Cadavers kranker oder verdächtiger
Thiere, welche zur Verschleppung der Seuche geeignet sind (Fleisch, Häute,
Eingeweide, Hörner, Klauen u. s. w.), endlich der Streu, des Düngers oder anderer
Abfälle kranker oder verdächtiger Thiere.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
209
A. Milzbrand.
§. 31. Thiere, welche am Milzbrand erkrankt oder dieser Seuche verdächtig
sind, dürfen nicht geschlachtet werden.
§. 32. Die Vornahme blutiger Operationen an milzbrandkranken oder der
Seuche verdächtigen Thieren ist nur approbirten Thierärzten gestattet.
Eine Oeffnung des Cadavers darf ohne polizeiliche Erlaubnis nur von
approbirten Thierärzten vorgenommen werden.
§. 33. Die Cadaver gefallener oder getödteter milzbrandkranker oder der
Seuche verdächtiger Thiere müssen sofort unschädlich beseitigt werden.
Die Abhäutung derselben ist verboten.
Die gleichen Vorschriften finden beim Ausbruche des Milzbrandes unter
WildBtänden auf die Cadaver des gefallenen oder getödteten Wildes Anwendung.
Hierzu: §. 8, Absatz 2 der Instruction zur Ausführung der §§. 10 bis 20
genannten Gesetzes. — Publieirt am 24. Februar 1881. Jeder Verkauf
oder Gebrauch einzelner Theile, der Haare, der Wolle, der Milch oder sonstiger
Producte von milzbrandkranken oder der Seuche verdächtigen Thieren ist zu
verbieten.
Instruction §. 11, Die Cadaver gefallener oder getödteter milzbrandkranker
oder der Seuche verdächtiger Thiere müssen durch Anwendung hoher Hitze¬
grade (Kochen bis zum Zerfall der Weichtheile, trockene Destillation, Ver¬
brennen) oder sonst auf chemischem Wege unschädlich beseitigt werden. Die
hierdurch gewonnenen Producte können frei verwendet werden.
Wo ein derartiges Verfahren nicht ausführbar ist, erfolgt die Beseitigung
der Cadaver durch Vergraben, nachdem die Haut durch mehrfaches Zerschneiden
unbrauchbar gemaoht und die Cadaver mit roher Carbolsäure, Theer oder
Petroleum begossen worden sind,
Zur Vergrabung der Cadaver sind solche Stellen auszuwählen, welche von
Pferden, Wiederkäuern und Schweinen nicht betreten werden, und an welchen
Viehfutter weder geworben noch vorübergehend aufbewahrt wird.
Die Gruben sind von Gebäuden mindestens 30 m, von Wegen und Gewässern
mindestens 3m entfernt und so anzulegen, dass die Oberfläche der Cadaver
von einer unterhalb des Randes der Grube mindestens 1 m starken Erdschicht
bedeckt wird.
Die Abhäutung der Cadaver ist verboten.
Instruction §, 12, Absatz 4. (Betrifft den Transport.)
Instruction §. 13. Die Vorschriften der §§. 11 und 12 finden auch beim
Ausbruche des Milzbrandes unter Wildständen auf die Cadaver des gefallenen
oder getödteten Wildes Anwendung,
Instruction §. 14. (Beseitigung der Excremente und sonstigen Abfälle.)
B. Tollwuth.
§. 34. Hunde oder sonstige Hausthiere, welche der Seuche verdächtig sind,
müssen von dem Besitzer, oder demjenigen, unter dessen Aufsicht sie stehen,
sofort getödtet oder bis zu polizeilichem Einschreiten in einem sicheren Be-
hältniss ein gesperrt werden.
§. 36. Das Schlachten wuthkranker oder der Seuche verdächtiger Thiere
und jeder Verkauf oder Verbrauch einzelner Theile, der Milch oder sonstiger
Erzeugnisse derselben ist verboten.
§. 37. Ist die Tollwuth an einem Hunde oder an einem anderen Hausthiere
festgestellt, so ist die sofortige Tödtung des wuthkranken Thieres und aller
derjenigen Hunde und Katzen anzuordnen, rücksichtlich welcher der Verdacht
vorliegt, dass sie von dem wuthkranken Thiere gebissen sind.
Liegt rücksichtlich anderer Hausthiere der gleiche Verdacht vor, so müssen
dieselben sofort der polizeilichen Beobachtung unterworfen werden
Viertoljfthnaohrlfl für Gesundheitspflege, 1887. ] j
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Dr. Richard Wehmer,
Zeigen sich Sparen der Tollwuth an denselben, so ist die sofortige Tödtung
auch dieser Thiere anzuordnen.
Ausnahmsweise kann die mindestens dreimonatliche Absperrung eines der
Tollwuth verdächtigen Hundes gestattet werden etc.
§. 39. Die Cadaver der gefallenen oder getödteten wuthkranken oder der
Senche verdächtigen Thiere müssen sofort unschädlich beseitigt werden.
Das Abhäuten derselben ist verboten.
Die Ausführungsinstruction bestimmt hierzu:
a. Hunde.
§. 16, Absatz 3. (Einsperrung der Tollwuth verdächtiger Hunde zum Zwecke
der Beobachtung.)
§. 18. (Amtliche Section der getödteten oder gestorbenen Hunde.)
§. 19. Ist die Tollwuth eines Hundes festgestellt, so ist die sofortige Tödtung
desselben anzuordnen.
c. Andere Hausthiere.
§. 23. (Andere mit Wuthgift inficirte — gebissene — Hausthiere sind zur
Beobachtung einzusperren.)
Die Abschlachtung solcher Thiere ist gestattet (vergl. jedoch §. 29). Im
letzteren Falle müssen vor weiterer Verwerthung des Thieres diejenigen Körper-
theile, an welchen sich Bisswunden befinden, unschädlich beseitigt werden.
C. Hotz (Wurm) der Pferde, Esel, Maulthiere und Maulesel.
§. 40. Sobald der Rotz (Wurm) bei Thieren festgestellt ist, muss die un¬
verzügliche Tödtung derselben polizeilich angeordnet werden.
§. 41. Verdächtige Thiere unterliegen der Absonderung und polizeilichen
Beobachtung mit den nach Lage des Falles erforderlichen Verkehrs- und
Nutzungsbeschränkungen oder der Sperre (§§. 19 bis 22).
§. 42. (Betrifft die Tödtung verdächtiger Thiere.)
§. 43. Die Cadaver gefallener oder getödteter rotzkranker Thiere müssen
sofort unschädlich beseitigt werden.
Das Abhäuten derselben ist verboten.
Hierzu §. 39 der Instruction: Die Tödtung der rotzkranken Pferde muss
an abgelegenen oder an anderen, von der Polizei für geeignet erachteten Orten
erfolgen. Bei dem Transporte nach diesen Orten muss dafür Sorge getragen
werden, dass jede Berührung der rotzkranken Pferde mit anderen Pferden ver¬
mieden wird.
§. 40 derselben Instruction. Die Cadaver gefallener oder getödteter
rotzkranker Pferde sind durch Anwendung hoher Hitzegrade (Kochen bis zum
Zerfall der Weichtheile, trockene Destillation, Verbrennen) oder sonst auf
chemischem Wege sofort unschädlich zu beseitigen.
Wo ein derartiges Verfahren nicht ausführbar ist, sind die Cadaver an
abgelegenen Orten zu vergraben, nachdem die Haut durch mehrfaches Zer¬
schneiden unbrauchbar gemacht ist.
Die Gruben sind so tief anzulegen, dass die Oberfläche der Cadaver von
einer mindestens 1 m starken Erdschicht bedeckt wird.
Das Abhäuten der Cadaver, sowie die Benutzung der Haare und Hufe ist
verboten.
§§. 57 bis 64 des Gesetzes. (Entschädigung für getödtete Thiere.)
III. Strafvorschriften (im Gesetze).
§. 65. Mit Geldstrafe von 10 bis 150 Mark oder mit Haft nicht unter
einer Woche wird bestraft:
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 211
1) wer . . . Thiere einführt, welche an einer übertragbaren Seuche
leiden; . . .
2) wer ... die Anzeige . . . unterlässt ...
3) wer den Vorschriften der §§. 31 bis 33 zuwider an Milzbrand erkrankte
oder der Krankheit verdächtige Thiere schlachtet, blutige Operationen an
denselben vornimmt, oder die Cadaver derselben abhäutet oder vorschriftswidrig
eine Oeffnung derselben vornimmt, oder es unterlässt, dieselben sofort unschäd¬
lich zu beseitigen;
4) wer den zum Schutze gegen die Tollwuth . . . ertheilten Vorschriften
zuwider handelt;
5) wer den Vorschriften ipi §. 43 zuwider die Cadaver gefallener oder
getödteter rotzkranker Thiere abhäutet oder nicht sofort unschädlich beseitigt;
7) Reichsgesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungs¬
mitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen. Vom
14. Mai 1879.
Man sollte meinen, dass durch die vorstehenden Reichsgesetze die ganze
Materie ziemlich klar geregelt sei.
Es ist dies indessen keineswegs der Fall, da durch dieselben, besonders
durch die Gesetze vom 17. März 1868 und 21. Juli 1869 (Gewerbegesetze), die
in den einzelnen Staaten bestehenden besonderen Landesgesetze und örtlichen
Bestimmungen noch nicht aufgehoben sind.
Preussen 1 ).
Das Gesetz vom 11. März 1850, welches die Verwaltungsbehörden
ermächtigt, für ihre Bezirke gültige Polizeivorschriften zu erlassen, und
das Gesetz vom 13. December 1872, betreffend die Kreisordnung,
bestimmen im Allgemeinen die Competenzen der Aufsichtsbehörden, welche mit
unserer Materie zu thun haben.
Specieller gehören hierher:
1. Die technische Anleitung zur Wahrnehmung der den
Kreisau8schüs8en durch §. 135, Nr. 1 der Kreisordnung vom
13. December 1872 hinsichtlich der Genehmigung gewerblicher
Anlagen übertragenen Zuständigkeiten nach den Vorschlägen
der technischen Deputation für Gewerbe, erlassen vom Mini¬
ster für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten unter dem
14. April 1875.
II. Einzelne Anlagen.
26. Abdeckereien.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass der Betrieb von Abdeckereien Uebel-
stände durch Verbreitung übelriechender Dünste hervorbringt. Uebelriechende
Dünste entstehen beim Zerlegen der Thiercadaver, beim Trocknen der Felle,
der Flechsen und anderer Theile der Thierkörper, entwickeln sich aus den
Gruben, in welchen Thiercadaver verscharrt wurden, namentlich wenn dieselben
nicht genügend tief angelegt worden sind. Da bisher keine zur Beseitigung
dieser Uebelstände geeigneten Mittel existiren, so müssen Abdeckereien in
möglichst entlegene Gegenden verwiesen werden. Bei der Beurtheilung der
*) Unter theilweiser Benutzung von: B. Beyer, Geh. Ober - Regierungsrath, Vieh-
seuchengesetze. Berlin, Paul Parey, 1886.
Vergl. auch Dr. Ewald Woli'f, Regierungs- und Medicinalrath zu Breslau, die neuen
Veterinärgesetze. Breslau, Wilh. Gottl. Korn, 1876.
14*
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212
Dr. Richard VVehmer,
Zulässigkeit einer solchen Anlage kommt es namentlich auf die Entfernung der
nächsten Wohnhäuser und der in der Umgegend vorhandenen Wege an. Oeffent-
liehe Verkehrsstrassen dürfen in nicht zu geringem Abstande vorhanden sein,
weil die Passanten durch üble Gerüche belästigt werden, auch die Pferde leicht
vor dem Aasgeruche scheuen.
Ueber die einzuhaltenden Entfernungen lassen sich allgemeine Bestimmungen
desshalb nicht vorschreiben, weil hierbei vorwiegend die localen Verhältnisse,
die Beschaffenheit des Terrains, die vorherrschenden Windrichtungen etc. in
Betracht kommen resp. bezüglich der Zulässigkeit derartiger Anlagen ent¬
scheidend sind.
Um den Arbeitsplatz möglichst abzugrenzen* auch die Betriebsoperation den
Augen der Passanten thunlichst zu entziehen, ist es zweckmässig, den Arbeits¬
platz mit einer mindestens 2*5 m hohen, dichten Umfriedigung (Wand- und
Bretterzaun) zu umgeben. Ausserdem empfiehlt sich eine Umpflanzung dieser
Umfriedigung mit einer Hecke.
27. Poudrette- und Dungpulverfabriken.
Dieser Gewerbebetrieb verursacht erhebliche Belästigungen, wenn in den
Anstalten Latrinenstoffe oder thierische Abfälle, als Blut, Fleisch etc., verarbeitet
werden. Da bisher keine Mittel bekannt geworden sind, durch welche die bei
diesem Betriebe hervortretenden in der Verbreitung höchst übelriechender
Dünste beruhenden Uebelstände beseitigt werden, so müssen solche Anlagen
(wie auch die Abdeckereien) in möglichst abgelegene Gegenden verwiesen
werden.
Zu den Düngepulvern gehören auch gewisse chemische Präparate, wie
Superphosphat, Düngesalze etc. Anstalten, welche derartige Producte herstellen,
gehören zu den chemischen Fabriken, für deren Concessionirung die Bezirks-
Regierung zuständig ist.
Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.
2. Preussisches Gesetz, betr. die Ausführung des Reichs¬
gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen.
Vom 12. März 1881.
Der §. 25 des Gesetzes legt den Gemeinden und Gutsbezirken die Ausführung
für die Seuchenmaassregeln auf ihre Kosten, ebenso die Beschaffung der
nöthigen Hülfsmännschalten, Transportmittel etc. zur Beseitigung der Cada-
ver etc., sowie die Beschaffung eines geeigneten Verscharrungsplatzes auf.
3. Erlass des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und
Forsten an die Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und
Landdrosten, betreffend die Ausführung des Reichsgesetzes
vom 23. Juni 1880 und des preussischen Gesetzes vom 12. März
1881, sowie der Instruction des Bundesraths vom 22. März 1881.
4. Reglements derProvinzial- und Communalverbände über
die Aufbringung der Entschädigung für rotzkranke Pferde
und lungenseuchekrankes Rindvieh.
Derartige Reglements, in Betreff deren hier auf das schon erwähnte
Beyer’sche Werk verwiesen sei, sind, besonders in den letzten Jahren, in den
verschiedenen Provinzen und Regierungsbezirken erlassen worden.
Ihre Ergänzung in Betreff der Rinderpest bildet:
5. Circularverfügung desMinisters der geistlichen-, Unter¬
richts- und Medicinalangelegenheiten, betreffend die Ueber-
nahme der durch die Maassregeln gegen die Rinderpest er¬
wachsenden Kosten auf Reichsfonds vom 19. Januar 1872.
6. Gesetz, betreffend die Errichtung öffentlicher aus¬
schliesslich zu benutzender Schlachthäuser. Vom 18. März 1868.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 213
Von specielleren Verfügungen, wie solche wahrscheinlich auch anderwärts
erlassen worden sind, seien erwähnt:
Eine kurfürstlich-hessische Verordnung vom 26. Mai 1824 x )
für die Provinz Hessen-Nassau.
§. 2. Das an einer ansteckenden Krankheit gefallene Vieh darf nicht von
dessen Eigenthümer, sondern nur vom Wasenmeister fortgeschafft und ver¬
scharrt werden etc.
Verfügung der königl. Regierung zuKönigsberg vom 3. April
1820. „Insoweit nicht unzweifelhafte Privilegien oder sonstige gültige Ver¬
leihungen entgegenstehen, ist jeder Eigenthümer eines gefallenen Stückes Vieh
befugt, solches selbst abzuledern oder durch seine Leute abledern und mit
Beobachtung der polizeilichen Vorschrift verscharren zu lassen.“ etc. . . .
Bekanntmachung der Landdrostei Stade vom 26. Juli 1844.
Verfügung der königl. Regierung in Potsdam vom 5. Ma/z 1861,
welche das Fortbestehen der alten Abdeckerei-Privilegien in Erinnerung bringt.
Polizeiverordnung des königl. Polizei-Präsidiums zu Berlin, be¬
treffend das Abdeckereiwesen. Vom 28. September 1876.
Polizeiverordnung 2 ), betreffend die gefallenen Hausthiere im
Regierungsbezirk Minden; vom 28. September 1885.
Polizei Verordnung 8 ), betreffend die Cada verbeseitigung bei
Viehseuchen im Regierungsbezirk Minden, vom 19. Februar 1886.
Eine Verfügung der königl. Regierung in Oppeln vom 6. März 1883,
welche in Betreff des daselbst ausgebrochenen Milzbrandes die nöthigen Er¬
läuterungen und Belehrungen erlässt, empfiehlt als beste Methode der Beseitigung:
das Verbrennen der Cadaver oder das Kochen bis zum völligen Zer¬
fall der Weichtheile 4 ).
Verordnung 6 ), betreffend das Metzgergewerbe und den
Fleisehhandel, sowie Dienstanweisung für Fleischbeschauer
im Bezirk Unter-Elsass vom 31. Januar 187 6.
Ferner zahlreiche andere, die Fleischschau und das Viehseuchengesetz
betreffende Regierungs- und Polizeiverordnungen.
Daneben findet sich eine ausserordentliche Menge von Reservatrechten
und Privilegien der alten Abdeckereien, deren Ursprung oft noch Jahrhun¬
derte weit zurückreicht. — Dieselben sind besonders in jüngster Zeit, ebenso
wie das Publicandum vom 29. April 1772, wieder vielfach hervorgesucht
worden^, als es sich um die Einführung der Gewerbefreiheit und die Ab¬
lösung einzelner Abdeckereiprivilegien handelte. — Kam es hierbei zu
gerichtlichen Verhandlungen, so fiel die Entscheidung sehr verschieden aus,
je nachdem angenommen wurde, dass die betreffenden Privilegien als per¬
sönliche oder als reale aufzufassen seien.
An manchen Orten, wie in Frankfurt a. d. Oder, waren diese Rechte
im Grundbuche auf das Abdeckereigrundstück eingetragen.
Da nun die Verhältnisse so ausserordentlich coraplicirt liegen, da
fernerhin die Grundlagen für eine speciellere Ablösung, wie ordnungsmässig
*) Das Nachstehende meist unter Benutzung von Prof. Orth’s Correferat in der
Sitzung des Deutschen Landwirthschaftsrathes vom 18. Januar 1881. (A. d. d. Landwirth-
schaftsrathes, V. Jahrg. 1881. Heft 6. S. 207 bis 215.)
2 ) Grosser: Medicinalgesetzgebung 1885, S. 80.
8 ) Grosser: Medicinalgesetzgebung 1886, 8. 60.
4 ) Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentl. Gesundheitspflege, Bd. XV (1883), S. 695
bis 697.
6 ) Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentl. Gesundheitspflege, Bd. IX, S. 166 bis 167.
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214
Dr. Richard Wehmer,
geführte Bücher der Abdecker, oft ganz fehlen, da weiter die Forderungen
in einem solchen Falle ganz exorbitante sein können — so müsste z. B. der
einzige Kreis Kassel eventuell mindestens 100 000 Mark auf bringen 1 ) —
so ist die Ablösung nur an einzelnen Orten durchgeführt. — Bisweilen,
z. B. auch in Frankfurt a. d. Oder, sind dann die alten Abdecker nach¬
träglich von der Polizei wieder auf Kündigung angestellt worden.
Rechtlich stellt sich nun im Allgemeinen der Zustand folgender-
maassen:
In vielen Gegenden sind keinerlei Abdecker oder Abdeckereien vor¬
handen. So entbehrt, um einzelne beliebige Beispiele herauszugreifen, die
grössere südliche Hälfte des Kreises Guben *), der ganze Landkreis Danzig s )
derselbe?. Gleiches gielt von vielen Landestheilen in Sachsen, in der Rhein¬
provinz, im früheren Herzogthum Nassau, in Hannover, in Lüneburg, in
Westphalen 4 ) etc.
Auch im Ober-Eisass fehlen vielfach die Wasenmeister, die bis zur
französischen Revolution existirten, nachher aber ausgestorben sind 5 ).
Am nächsten kommen diesen abdeckerlosen Bezirken die sehr grossen
Abdeckereibezirke; so ist z. B. 4 ) in der Provinz Brandenburg ein Ab¬
deckereibezirk 40 Quadratmeilen gross, in Preussen einer über 18, ein
anderer über 20 Quadratmeilen gross; ebenso bildet fast der ganze Kreis
Landsberg a. W. 6 ) einen einzigen Abdeckereibezirk; Gleiches gielt vom
Kreise Rummelsburg in Pommern, wo der eine Bezirk 72 Ortschaften um¬
fasst 7 ).
In derartig grossen Bezirken ist es thatsächlich wegen der zu grossen
räumlichen Entfernungen durchaus unmöglich, dass der eine Abdecker
überall seine Rechte ausübe oder seinen Pflichten nachkomme. — Dann kom¬
men die kleineren Bezirke und Orte mit besonderen fabrikartigen Etablisse¬
ments.
Im Allgemeinen wechseln die Gegenden mit Abdeckern ab mit solchen,
welche derselben entbehren; viele der letzteren besitzen noch Wasen¬
plätze. — Noch sei erwähnt, dass in den Orten, wo grössere fabrikenartige
Etablissements zur Verarbeitung mittelst thermochemischer Apparate sich
befinden, meist der Besitzer oder Pächter derselben mit der betreffenden
Stadt in einem die Verhältnisse regelnden contractlichen Verhältnisse steht.—
So ist es z. B. in Berlin, in Leipzig, wie hier vorweggenommen werden mag,
und anderwärts.
Jedenfalls zeigt diese Schilderung die ausserordentliche Mannigfaltig¬
keit dieser Zustände, welche praktisch einer Rechtsunsicherheit rücksichtlich
dessen, wer im entsprechenden Falle abzudecken hat, sehr nahe zu kommen
scheinen.
] ) Archiv des deutschen Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg. 1881. 6. Heft, S. 210.
2 ) Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Klamroth.
8 ) Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Freymuth.
4 ) Correferat des Prof. Orth, 1. c. S. 207.
6 ) Archiv des deutschen Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg. 1881, 6. Heft, S. 215.
6 ) Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Simon.
7 ) Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Kraft.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
215
Bayern.
Wir erwähnen hier als für unsere Materie von besonderer Wichtigkeit nur:
Polizeistrafgesetzbuch vom 26. December 1871, §. 71. Io Gemäss-
heit dieses Paragraphen sind besondere ober polizeiliche Vorschriften x ) für ein¬
zelne Regierungsbezirke erlassen, z. B. für Niederbayern und Oberbayern. —
Es ist z. B. die Verscharrung nur auf Wasenplätzen vorzunehmen, an den Wasen¬
meister in 12 bis 18 Stunden, bei Seuchen in 6 Stunden Anzeige zu erstatten.
Fleischverkauf und Viehmästung sind dem Abdecker verboten, derselbe hat eine
Liste zu führen und erhält besondere Gebühren, kann aber zur Uebernahrae
der öffentlichen Dienstleistungen gezwungen werden.
Ausführungsgesetz zum Reichsviehseuchengetz vom 21. März
1881.
Oberpolizeiliche Vorschrift vom 12. Mai 1875, betreffend das Weg¬
schaffen etc. gefallener und getödteter Thiere etc.
Von Wichtigkeit ist ferner die oberpolizeiliche Vorschrift vom
28. April 1875 2 ), welche beim Ausbruche des Milzbrandes in den bayerischen
Alpen die Verbrennung der Cadaver sowie ihrer Abfallmassen (Blut, Dünger,
Streu) obligatorisch macht. Nur wenn die Verbrennung unausführbar ist, ist
die Vergrabung mindestens 9 Decimeter tief gestattet. Am Milzbrand gefallene
Thiere sind bis zu ihrer Beseitigung mit Erde wenigstens handhoch zu bedecken,
damit der Zutritt von Fliegen unmöglich wird. Der zwangsweise Abtrieb der
Heerden von den verseuchten Alpen kann als Strafe bei Nichtbeachtung der
polizeilichen Bestimmungen verordnet werden.
Die unschädliche Beseitigung von Thierleichen betr. ist
von der königl. bayerischen Regierung von Schwaben und Neu¬
burg unterm 6. Juni 1881 auf Antrag des thierärztlichen Kreisvereins etc.
an die königl. Bezirksämter der Auftrag ergangen, die Gemeinden zur Her¬
stellung von Verscharrungsplätzen für Thierleichen unter Beachtung der Be¬
stimmungen des §. 5 der oberpolizeilichen Vorschriften vom 12. Mai 1875 zu
veranlassen, da solches nicht bloss im Interesse der Thierbesitzer gelegen ist,
sondern auch mit den veterinärpolizeilichen Rücksichten im Einklänge steht 8 ).
In Betreff der Fleischschau wurden die Verordnungen der königl.
bayerischen Regierung von Schwaben und Neuburg vom 10. Ja¬
nuar 1857 und von der königl. bayerischen Regierung derPfalz
vom 20. August 1869 erlassen 4 ) etc.
Württemberg.
Ministerial verfügun g vom 21. August 1879.
Orth 5 ) führt hieraus folgende Paragraphen in seinem mehrfach erwähnten
Correferate im Deutschen Landwirtschaftsrathe an:
Im §. 2 heisst es: Von dem Umstehen oder der beabsichtigten Beseitigung
abgängiger Pferde, Esel, Rindviehstücke, Ziegen, Schafe und Schweine sind die
Eigenthümer verpflichtet, der Ortspolizei alsbald Anzeige zu machen, wenn sie
die Thierleichen verscharren, oder ganz oder theilweise veräussern wollen. Im
x ) Nach Orth’s Correferat, 1. c.
2 ) Bollinger, Zeonofen in Ziemssen’s Handbuch, Bd. 111, S. 523.
8 ) Wochenschrift f. Thierheilkunde von Adam, 1881, S. 243.
4 ) Gerl ach, die Fleischkost des Menschen. Berlin 1875, Aug. Hirschwald, S. 122
u. 127.
5 ) Archiv des deutschen Landwirthschaftsrathes, V. Jahrgang, 1881, Heft 8, S. 213.
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210 Dr. Richard Wehmer,
§. 4: Das Abledern und Verscharren der an keiner ansteckenden Krankheit
gefallenen Thiere kann auf dem Grunde der Eigenthümer stattfinden.
§. 7. Bei ansteckenden Krankheiten muss die Beseitigung unter polizeilicher
Aufsicht geschehen.
§. 9. Bei Milzbrand und Wuth sind die Cadaver mit Fell zu verscharren.
§. 10. Bei Rotz ist das Abledern gestattet. (Das Reichsviehseuchengesetz
verbietet dies.)
§. 21. Insoweit der Eigenthümer seine gefallenen oder getodteten Thiere
selbst zu verwenden oder vorschriftsmässig zu beseitigen nicht im Stande ist,
tritt die polizeiliche Fürsorge der Gemeinde ein. Zu diesem Zwecke hat sie
dafür zu sorgen, dass für den allgemeinen Gebrauch der Gemeinde ein Wasen¬
platz mit den erforderlichen Einrichtungen — Abdeckerei — zur Verfügung
steht. (Es ist hier also der Wasenplatz obligatorisch.)
§. 23. Das Oberamt erkennt über die Errichtung der Wasenplätze nach
der deutschen Gewerbeordnung.
§. 24. Die Besorgung der Wasenplätze liegt zu verpflichtenden Personen
(Wasenmeister) ob.... Er muss die erforderliche Tüchtigkeit haben. (Die Wasen¬
meister werden also in Eid genommen und sind Diener der Gemeinde.)
§. 26. Die Gebühren sind von der Ortsbehörde festzustellen.
In Betreff der Fleischschau besteht eine Verfügung des Ministe¬
riums des Inneren vom 14. März 18 60 l ).
B a o h s e n.
Hier herrscht nach Orth 9 ) völlige Freiheit betreffs der Verwerthung der
Cadaver, ohne dass sich ein Bedürfnis nach Wiederherstellung des Abdeckerei¬
zwanges gezeigt haben soll. Als Missstand aber habe es sich gezeigt, dass bei
Vorkommen von Rinderpest es an Abdeckereipersonal fehlte.
Für Nothschlachtungen besteht die Bestimmung, dass hierzu die poli¬
zeiliche Genehmigung einzuholen ist 3 ).
Baden 4 ).
Hier sind von besonderer Wichtigkeit: *
Die Verordnung vom 17. August 1865 betreffend die Behand¬
lung gefallener oder auf polizeiliche Anordnung getödteter
Thiere.
Nach derselben hat der Besitzer die Pflicht der Vergrabung binnen 24
Stunden.
Im §. 5. heisst es: Jede Gemeinde für sich oder mehrere Gemeinden haben
für einen Wasenplatz zu sorgen.
§. 6. Jede Gemeinde hat für das nöthige Abdeckereipersonal zu sorgen.
Der Abdecker ist zu verpflichten . und hat veterinärpolizeiliche üebertretungen
anzuzeigen.
Allgemeine Dienstanweisung für die Abdecker vom 21. Aug.
1865.
Der Abdecker hat auf Verlangen der Besitzer die betreffenden Thiere ab¬
zuholen und zu vergraben; in der Regel muss dies bei Nacht geschehen. Je
nach der Uebereinkunft mit dem Besitzer kann der Abdecker die todten Thiere
technisch oder ökonomisch nutzen. Der Abdecker hat das öffentlich zum Ver-
') Gerl ach, die Fleischkost etc., S. 127.
a ) A. d. d. Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg., 1881, Heft 6, S. 215.
8 ) Conf. Flinzer, V. f. g. Med. XL. Bd., S. 318 ff.
4 ) A. d. d. Landwirthschaftsrathes, 1. c. S. 213 u. 214.
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217
Ueber Abdecker und Abdeckereien.
kaufe gestellte ungeniessbare Fleisch zu beseitigen und muss bei ansteckenden
Krankheiten dem Bezirksthierarzt Mittheilung machen. Ueber die zugebrachten
Thiere hat er ein fortlaufendes Verzeichniss zu führen, unter Angabe der Zeit
des Verbringens der Eigenthümer und der Ursache des Fallens und Tödtens.
Rucksichtlich der Fleischschau gilt der Erlass des Grossherzogl.
badischen Ministeriums des Inneren vom 17. August 1865 1 ).
Hessen.
InHessen gilt die in einem eigenthümlichen Verhältnisse rucksichtlich ihrer
Bestimmungen zu denen der deutschen Gewerbeordnung stehende Ministe-
rialverfügung vom 20. März 1880 a ).
'Jede Gemeinde, besser mehrere, haben einen Wasenplatz anzulcgen und
einen unbescholtenen Wasenmeister zu bestellen. Letzterer ist auf emc be¬
stimmte Instruction zu verpflichten. Zu Wasenmeistern dürfen Hirten nicht ge¬
nommen werden. Die Gebühren sind nach Verabredung zu entrichten. Der
Transport der Cadaver für die Gemeinde ist an den Wenigstnehmenden zu ver¬
steigern. Wer concessionirt sein will, muss Wasenmeister werden. Durch Ver-
werthung der Cadaver wird ein nicht unbedeutender Theil des Nationalver-
vermögens erhalten, die Unschädlichmachung ist gründlicher und sind derartige
Anlagen möglichst zu fördern.
Oldenburg 3 ).
Hier steht nach der Regierungsbekanntmachung vom 19. Fe¬
bruar 1859 das Tödten und Verscharren der Thiere Jedem frei. In
Braunschweig 8 )
ist seit dem 1. Januar 1865 das Zwangsrecht aufgehoben.
Bachsen-Altenburg 8 ).
Verordnung vom 6. Februar 1865.
Hier ist die Abdeckerei ein Concessionsgewerbe, welches für die Person
ertheilt wird und es ist persönliche Zuverlässigkeit erforderlich, und sind be¬
sondere Kenntnisse durch Prüfung noch zu erweisen. Die Vergütung erfolgt
nach freier Vereinigung. Bei jedem gefallenen Thiere ist Anzeigepflicht für
den Besitzer vorgeschrieben. Die Verwendung zu gewerblichen Zwecken ist
gestattet, wenn nicht von der Sanitätspolizei Ausnahmen vorgeschrieben werden.
Das Selbstbenutzungsrecht des Besitzers ist gewahrt.
TJebrige Staaten 4 ).
Rücksichtlich der übrigen Staaten ist zu erwähnen, dass in Schwarzburg-
Sondershausen, Reuse j. L., Sachsen-Coburg-Gotha und Sachsen-
Meiningen die Abdeckereien im Allgemeinen abgelöst sind, während in
Mecklenburg-Strelitz noch Realprivilegien ohne Voraussetzung einer per¬
sönlichen Qualification existiren.
Im Fürstenthum Waldeck, wo das Ausführungsgesetz zum Reichsvieh-
seuchengesetze am 28. December 1881 erlassen wurde, besteht noch eine ältere
*) Gerl ach, die Fleischkost, 1. c. S. 131.
2 ) Orth, im A. d. d. Landwirthschaflsrathes, 1. c. S. 216.
8 ) Unter Benutzung von Orth’s Correferat (s. o.).
4 ) Unter Benutzung von Orth’s Correferat (s. o.).
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218 Dr. Richard Wehraer,
Verordnung, nach welcher jeder Eigenthümer eines gefallenen Stückes Vieh
dasselbe bei 160 Mk. oder 6 Wochen Freiheitsstrafe binnen 12 Stunden auf den
Schindanger zu schaffen und gehörig einzuscharren hat.
Die vorstehende Schilderung zeigt deutlich die ausserordentliche Ver¬
schiedenheit in Betreff der rechtlichen Bestimmungen über das Abdeckerei¬
gewerbe in den verschiedenen Gegenden Deutschlands. — Der mehrfach,
z. B. auch von dem deutschen Veterin&rrathe und dem deutschen Land-
wirthschaftsrathe ausgesprochene Wunsch nach einer einheitlichen
gesetzlichen Regelung der Abdeckereiverhältnisse erscheint
daher erklärlich.
Ausübung des Abdeckereigewerbes.
Rücksichtlich der Art und Weise, wie die Beseitigung der Thiercadaver
thatsächlich erfolgt, kann man drei verschiedene Arten des Abdeckerei¬
betriebes unterscheiden, welche allerdings theils in einander übergehen,
theils mehrfach neben einander an demselben Orte ausgeübt werden, nämlich:
1) die Selbstabdeckerei durch die Viehbesitzer; 2) die Abdeckerei durch
Abdecker vermittelst der gewöhnlichen mehr ländlichen, nicht mit beson¬
deren Dampf- und Kochapparaten versehenen Einrichtungen, denen als eine
Abart die Winkelabdeckereien beizuzählen sein würden; 3) die Abdeckerei
in Etablissements mittelst besonderer Dampf- etc. Apparate, die sog. tech¬
nische Vorwertbnng.
1. Die Selbstabdeekerei durch die Viehbesitzer.
Die Selbstabdeckerei durch die Viehbesitzer birgt unseres Erachtens
im Allgemeinen die grössten und schwersten sanitären Nachtheile in sich.
Sie wird in erster Linie dort ausgeübt, wo Abdecker überhaupt nicht
vorhanden sind; ferner aber auch da, wo besondere Verträge mit den etwa
vorhandenen Abdeckereien nicht existiren oder aufgehoben sind, oder aber
da, wo die Bezirke der Abdecker so ausserordentlich gross sind, dass die¬
selben nur unter den erheblichsten Mühen erreichbar sind.
Die specielleren diesbezüglichen Einzelheiten sind bereits bei Be¬
sprechung der rechtlichen Verhältnisse (S. 213 bis 214) dargelegt worden.
Die Beseitigung selbst wird in verschiedener Weise bewirkt werden,
je nachdem die betreffende Gemeinde einen für derartige Fälle bestimmten
besonderen Wasenplatz, Schindanger, besitzt oder nicht. Aber auch im er-
steren Falle werden sehr häufig aus irgend welchen Gründen die Wasen¬
plätze nicht benutzt. — Alsdann, sowie beim Nichtvorhandensein derartiger
Einrichtungen, werden die betreffenden Aeser an irgend einer beliebigen
Stelle, die allerdings in angemessener Entfernung von Wohnhäusern und
Strassen liegen muss, beseitigt. — So lange es sich hierbei um Beseitigung
von — sit venia verbo — Seucbenleichen handelt, werden hierbei, da dies
unter Aufsicht deB Kreisthierarztes etc. geschieht, gewiss alle gesetzlich vor¬
geschriebenen Vorsichtsmaassregeln beobachtet; dass auch diese nicht durch-
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 219
gehende als ausreichende nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft
zu bezeichnen sind, wird weiter unten zu erörtern sein.
Ganz anders ist es unter den gewöhnlichen Verhältnissen. —
Hier hat im Allgemeinen nur die von dem Guts- oder Gemeindevorsteher
(Schulzen) ausgeühte Dorfpolizei die Controle. — Dass die Ausübung der¬
selben hinter dem guten Willen der letzteren oft mit dem ganzen Dorfe
verwandten Leute zurückbleibt, ist nicht zu verwundern. Welche Autorität
dieselben in Folge dessen besitzen, besonders wenn es sich um Durchführung
unbequemer sanitätspolizeilicher Maassregeln handelt, dürfte jeder Medicinal-
beamte oft genug erfahren haben. Dass sie leider auch nicht immer zu¬
verlässig sind, dafür erzählt Nobbe 1 ) ein drastisches Beispiel.
Und doch wird man die Mitwirkung dieser Personen kaum bei unserer
in Frage stehenden Angelegenheit entbehren oder anderweit ersetzen können.
Die Beseitigung der Thiercadaver ist daher — denn der Amtsvorsteher,
der Landrath sind viel zu weit, um sich um jeden Einzelfall bekümmern
zu können — thatsächlich schliesslich dem Gutdünken des betreffenden
Viehbesitzers überlassen, der zunächst das an sich ganz gewiss gerecht¬
fertigte Bestreben hat, sein gefallenes Stück Vieh möglichst hoch zu ver-
werthen.
Wenn daher irgend möglich, sucht er überhaupt dem Missstande vor¬
zubeugen, dass ihm ein Vieh wirklich fällt. Er schlachtet es, — aber
nicht zu einer Zeit der Krankheit, wo es noch durchaus vom sanitären
Standpunkte zulässig wäre —, sondern er schlachtet es, wenn es in den
letzten Zügen liegt, oder selbst, wenn es bereits wirklich verendet ist, um
es noch als Schlachtvieh zu verwerthen. — Hierbei helfen ihm die sog.
Kaltschlächter, die dann — meist zur Nachtzeit — das betreffende, ge¬
wöhnlich an Ort und Stelle zerlegte Stück Vieh heimlich zur Stadt schaffen
und dort in den Verkehr bringen.
Oder aber der betreffende Viehbesitzer thut dies selbst und verkauft
es dann — meist zu einem gegen die Gewohnheit niedrigen Preise — an
die übrigen Dorfbewohner, wo besonders die ärmeren Leute dann davon
kaufen und gemessen 2 ). Die Verfolgung der weiteren Schicksale des hier
in den Verkehr gebrachten und bald direct, bald in Form von Wurst ver¬
kauften Fleisches würde uns hier zu weit führen.
Wir kommen an anderer Stelle (bei der sog. Luderschlächterei) da¬
rauf zurück.
Hier sei nur an die ausserordentliche Gefährlichkeit derartigen
Fleisches erinnert und an die unter Umständen sehr bedenklichen Krank¬
heiten, wie sie unter dem Namen der Wurstvergiftung 3 ), welcher die
Fischvergiftung 4 ) analog ist, des Milzbrandes, der intestinalen
Mycose, intestinalen Sepsis und der Fleisch Vergiftung überhaupt
*) Archiv d. d. Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg., 1881, Heft 6 , S. 198.
a ) Donf. V. f. ger. Med. XL. Bd., S. 318.
8 )Xonf. Emanuel Roth, zwei Fälle von Wurstvergiftung. V. f. ger. Med. Bd. 39,
S. 241 bis 254.
4 ) Vergl. Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundh. Bd. 16, S. 38 ; — ferner:
San.’Rath Dr. Hirschfeld-Colberg, fünf Fälle von Fischvergiftung mit drei Todesfällen.
V. f. ger. Med., N. F., XLI1I. Bd., S. 283 bis 293.
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220 Dr. Richard Welimer,
beschrieben werden. — Auch die Trichinose und die Bandwurm-
Erkrankung würden hierher zu rechnen sein 1 ), und endlich dürfte gewiss
eine nicht unbeträchtliche Zahl von Erkrankungen an Tuberculose
auf den Genuss von mit Perlknoten durchsetztem Fleische (z. B. in Würsten)
zu schieben sein 1 ).
So schwer nun auch die Erscheinungen in Einzelfällen aufgetreten sein
mögen, am beängstigendsten waren und sind doch immer derartige Massen-
erkranknngen.
Bollinger 2 ) hat die bekanntesten derselben zusammengestellt; wir führen
dieselben hier kurz auf, ohne weiter auf ihre Gruppirung einzugehen.
1) Die Fleischvergiftung in Fluntera bei Zürich 1867 (es erkrankten 27 Personen);
2) in L. bei Bregenz im Juli 1874, von Bär beschrieben; 61 Personen;
3) in Griessbeckerzell (Oberbayern) im Mai 1876; 22 Personen;
4) bei Sonthofen 1878, von Albrecht beschrieben; 10 Personen. — (Nr. 1 bis 4
sog. intestinale Sepsis);
5) in Lahn im August 1866, von Kussmaul beschrieben; 70 Personen mit
6 Proc. Mortalität;
6) in Garmisch (Oberbayern) im Juni 1878 (17 Personen);
7) in St. Georgen bei Friedrichshafen in Württemberg im August 1877; 18 Per¬
sonen.— (Nr. 5 bis 7 in Folge von Localerkrankuug der genossenen Eingeweide);
8) in Nordhausen (Thüringen) im Juni 1876 von Grasenick und Gerl ach
beschrieben ; 300 bis 400 Personen mit y 4 Proc. Mortalität;
9) in Wurzen (Sachsen) im Juli 1877 von Butter und Huber beschrie¬
ben; 206 Personen mit 3 Proc. Mortalität; (nach Ansicht der Beobachter selber
sind 8 und 9 als Intestinalmycose zu bezeichnen);
10) in Chemnitz, von Flinzer beschrieben, im Juli 1879: 243 Personen
von denen eine starb; (neue Epidemieen dort 1886);
11) in Lockwitz und Niedersedlitz bei Dresden im Juli 1879: 40 Personen;
12) in Middelburg (Holland) nach den Schilderungen von Tokker und van
Berlekom im März 1874, ca. 349 Personen, von denen 6 starben;
13) in Neubodenbach bei Nossen in Sachsen, von Siedamgrotzky be¬
schrieben im September 1879 87 Bahnarbeiter;
14) in Weiherschneidbach (Mittelfranken) im Herbst 1880 : 71 Erkrankungen
mit 4 Todesfällen; (Nr. 11 bis 14 durch Würste);
15) in Zermann bei Venedig im Mai 1875: ca. 150 Personen;
16) in Werdau (Sachsen) im Juni 1878: 30 Personen;
17) in Andelfingen im Jahre 1841 etwa 450 Personen, von denen 10 starben,
von Liebermeister, Biermer und Griesinger beschrieben;
18) in Kloten (Canton Zürich) im Jahre 1878: 657 Personen, von denen 6
starben; von Wälder beschrieben ;
19) in Biermenstorf (Schweiz) im Juli 1879; kleinere von Iluguenin be¬
schriebene Epidemie mit 1 Todesfall;
20) in Würenlos (Canton Zürich), von O. Wyss beschrieben (Fall 17 biß 20
wurde von den Beobachtern als Typhus angesehen, wogegen Bollinger an¬
kämpft) 3 ).
*) Vergl. Kr.-W.-A. Dr. A. Heidenhain-Köslin, sanitätspolizeiliche Betrachtungen
über die §§.10 bis 14 des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879. V. f. ger. Med. N. F.
XLII. Bd., S. 137 bis 147.
2 ) Ueber Fleischvergiftung, intestinale Sepsis und Abdominaltypbus. —- In „ZtR* Aetio-
logie der Infectionskrankheiten mit besonderer Berücksichtigung der Pilztheorie München
1881, J. A. Finsterlin, S. 367 bis 416.
8 ) Vergl. ferner Flinzer, eine Fleischvergiftung. V. f. ger. Med., XL. Bd., S. 318 bis 322,
ferner ebenda Bd. XL, S. 97 bis 99.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
221
Nicht minder wichtig und erschreckend sind die Massenerkrankun¬
gen bei Trichinose. Gerl ach 1 ) giebt eine nach Provinzen und Ländern
geordnete ausführliche Zusammenstellung der bis zum Jahre 1874 bekannt
gewordenen Erkrankungen. Der zu grosse Umfang derselben macht die
Wiedergabe unmöglich. Es sei nur hervorgehoben, dass die grosse Epidemie
im Jahre 1865 in Hedersleben (Prov. Sachsen), bei welcher 337 Personen
erkrankten und 101 starben, durch Fleisch von trichinösen Schweinen aus
einer Abdeckerei entstand.
Endlich ist hier eine kleine Epidemie zu nennen, die dadurch ent¬
standen war, dass in Schaffhausen Arsenik, wahrscheinlich Rattengift, in
die Würste gerathen war, worauf 16 Personen erkrankten 2 ).
Freilich Bucht man ja durch das Nahrungsmittelgesetz, ferner die
amtliche Fleischschau, wo dieselbe besteht, und endlich die sog. Noth-
ächlachtzeugnisse, wie sie an einzelnen Orten, z. B. in Sachsen, imUnter-
Elsass, der Gemeindevorsteher 3 ) auszustellen hat, wenn ein erkranktes Thier
geschlachtet wird, vorzubeugen. — Aber werden diese Gesetze auch immer
strenge gehandhabt? — Und an wie vielen Orten fehlt noch jede Controle!
Ist nun ein Cadaver in keiner Weise mehr als menschliches Genuss¬
mittel zu verwerthen, so wird zunächst vielfach immer noch gestrebt, dies
bei den Thieren, besonders bei Schweinen, Hunden und Geflügel, zu ver¬
werthen, wodurch dann diese ihrerseits wieder erkranken, und besonders die
als Nahrungsmittel selbst verwertbeten Thiere weiteres Unheil zu bereiten
geeignet sind.
Wenn auch eine solche Verwertung nicht mehr angeht, so pflegt
manchmal noch die Unsitte Platz zu greifen, d^es man Fell und Hufen,
allenfalls auch noch die Knochen an entsprechende Gewerbetreibende ver¬
kauft, nachdem sie vorher wochenlang, weithin einen kaum erträglichen
Gestank verbreitend, irgendwo herumgehangen haben, während der Rest
in dem Misthaufen ein Unterkommen findet und dabei nicht nur die Luft ver¬
pestet, sondern auch den Untergrund durchseucht und den meist nicht weit
vom Misthaufen entfernten Brunnen des betreffenden Besitzers gründlichst
vergiften hilft. — Selbst bei den intelligentesten Gutsbesitzern findet man
die Leichen kleiner Thiere, von Hunden, Katzen, Lämmern, Ferkeln, ferner
die ungeborenen Früchte von irgend welchen geschlachteten Thieren fast
immer daselbst.
So berichtet z. B. der Land- und forstwirtschaftliche Hauptverein Hannover 4 ),
dass in jener Gegend „auf den Gütern die Cadaver zum Theil in die Jauche¬
gruben geworfen würden“. Der Departementsthierarzt Jordan schreibt über
Lüneburg, dass die Cadaver daselbst „oft sehr oberflächlich verscharrt würden“,
. . . dass „in gar vielen Fällen nicht die in den Gemeinden vorhandenen . . . .
Plätze benutzt würden, sondern unmittelbar in der Nähe der Behausungen be¬
findliche Räumlichkeiten, z. B. Gärten“ B ).
*) Gerlach, die Fleischkost, S. 78 bis 79.
2 ) Bol 1 in ge r, über Fleischvergiftung etc., 1. c. S. 408.
s ) Conf. Flinzcr, Y. f. g. M. XL. Bd., S. 318, ferner: Zündel, der Gesundheits¬
zustand der Hausthiere im Jahre 1878 bis 1879, S. 61.
4 ) Archiv d. d. Landwirthschaftsrathes, 1. c., S. 210.
B ) Ibidem S. 211 und 212.
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222
Dr. Richard Wehm er,
Aehnlich berichtet Z ü n d e 1 J ) vom Unter-Elsass, dass noch dazu trotz des Vor¬
handenseins von Wasenplätzen — „allgemein die Thiercadaver von Privatleuten
in der Nähe der Wohnung abgehäutet und die Fleischtheile im Garten, auf
einem benachbarten Grundstücke oder gar im Düngerhaufen vergraben werden.
Das Geschäft wird durch Schäfer, Sattler oder Handelsjuden ausgeführt, welche
dann das Recht haben, für ihre Mühe die Haut zu verwerthen. Die Häute
werden aber nicht immer frühzeitig genug in Gerbereien gebracht, oder gehörig
eingekalkt oder sonst unschädlich gemacht. Die Fleischtheile werden nicht tief
genug verscharrt, so dass sie oft noch von Hunden ausgegraben und verschleppt
werden, wenn nicht sogar arme Leute sie im Geheimen holen“.
„Ja manchmal kommt es sogar“, wie derselbe Gewährsmann an einer anderen
Stelle a ) sagt, „wenn auch nur noch selten, vor, dass Thierleichen auf öffentlichen
Strassen oder Wegen, oder in deren Gräben liegen bleiben, auch — ziemlich
selten — in Bäche oder Teiche geworfen werden“.
Natürlich soll nun, wenn dies hier Alles angeführt wird, nicht gesagt
werden, dass es nicht auch ohne Abdecker möglich sei, in angemessener
Weise die Cadaver zu beseitigen. •
So werden z. B. in der Gegend von Köln a. Rh. die Cadaver von den Pri¬
vaten vielfach in die bei der genannten Stadt gelegene Poudrettefabrik geschafft 3 ).
Ebenso schafft man sie in Hannover vielfach in die bei den grösseren Städten
befindlichen Düngerfabriken 4 ) etc.
Ein weiteres Beispiel für zweckmässige Beseitigung von Cadavern bietet
nach einem Berichte des Professor Orth 6 ) ein bekannter Landwirth der Provinz
Sachsen, „Herr Sombart auf Ermsleben, der früher eine längere Reihe von
Jahren einen einfachen Kessel auf seinem Gute benutzt hat, um an Milzbrand
gefallene Thiere durch Kochen mit Schwefelsäure chemisch unschädlich zu
machen und diesen Krankheitsstoff zu tödten“ .... Der Apparat ist ein offener,
geräumiger und Btarkwan^ger Kessel aus Gusseisen, welcher überall leicht auf¬
gestellt werden kann. Die mit Schwefelsäure gekochten Cadaver werden zu
Compost verarbeitet.
Endlich ist noch die Beseitigung der Milzbrandleichen in Lenggries zu
erwähnen, welche — wie bereit« erwähnt — auf oberpolizeiliches Veran¬
lassen durch Verbrennen der Cadaver sehr zweckmässig und gründlich
bewirkt wurde.
Leider bilden aber diese zuletzt aufgeführten zweckmässigen Weisen
der Beseitigung der Cadaver immer nur eine Ausnahme, wogegen die vor¬
her beschriebenen Missstände fast überall die Regel bilden.
Wie bereits erwähnt, sind nun an vielen Orten, damit hierselbst nicht
nur die Ablederung und sonstige Verarbeitung geschehen kann, sondern
auch die Cadaver verscharrt werden, besondere
Wasenplätze
eingerichtet. — In diesen Fällen würde sich dann das Abdeckerei verfahren
von dem Verfahren, wie es in den im nächsten Abschnitt zu beschreibenden
*) Zündel, Gesundheitszustand der Hausthiere in Eisass - Lothringen ira Jahre 1880
bis 1881. — Strassburg, 0. Fischbach, 1882, S. 110 bis 111.
а ) Derselbe, Bericht über das Jahr 1876 bis 1877, S. 43.
8 ) A. d. D. LandwirthschafUraths, 1. c. S. 209.
4 ) Ebend. S. 210.
б ) Orth, Maassregeln zur Vertilgung der Infectionsstoffe und Schmarotzer als
Ursachen verschiedener thierischer Krankheiten. — Archiv des Deutschen Landwirthschafts-
raths, IV. Jahrg., 1880, Heft. 8, S. 335.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 223'
einfacheren Abdeckereien geübt wird, nur durch das Nichtvorhandensein
eines besonderen Abdeckers unterscheiden.
Es kann nicht geleugnet werden, dass diese Wasenplätze ganz be¬
deutende Vortheile mit sich bringen. — Einmal wird die Möglichkeit ver¬
ringert, durch die Abgänge eines zerlegten oder abgehäuteten
Cadavers noch weitere Thiere zu inficiren, wie es bei einer Ver¬
arbeitung auf den Höfen der Viehbesitzer der Fall ist. Fernerhin werden
alle die höchst unbequemen Belästigungen und Aergernisse, wie sie
das Trocknen der Häute, das Ausschmelzen des Fettes, das Trocknen der
Knochen und ähnliche Verrichtungen mit sich bringen, an eine von Woh¬
nungen und dem Verkehre so entlegene Stelle verlegt, dass sie hier Niemand
stören. — Endlich aber wird auch, und hierauf wird in neuester Zeit ganz
besonders Gewicht gelegt, bei dem schliesslichen Verscharren der letzten
Reste oder bei dem Verscharren der Seuchencadaver überhaupt die Mög¬
lichkeit ganz ausgeschlossen, dass man das Vieh über diese Ver¬
scharrungsstellen treibt. Denn schon lange, besonders auf den in
manchen Gegenden befindlichen sogenannten Milzbrandweiden, ist es beob¬
achtet worden, wie auf die soeben angeführte Weise die Seuchen weiter ver¬
breitet werden können.
Der Grund hierfür liegt bekanntlich darin, dass, um als bestbekanntes
Beispiel den Milzbrand beizubehalten, die Milzbrandbacillen, welche selbst
zwar durch Fäulniss zerstört oder wenigstens ihrer Giftigkeit beraubt werden,
nach R. Koch’s Beobachtungen im Stande sind, ausserordentlich resistenz-
fähige Dauersporen zu bilden, welche sich Jahre lang halten können *).
Daher erklärt sich eben die Gefährlichkeit der sogenannten Milzbrand¬
weiden, wie Bie sich besonders auf feuchtem humusreichem Erdboden, z. B.
am Niederrhein, in den Niederungen des badischen Rheinthaies, in der
Umgegend von Lüttich, von Toulouse und anderwärts finden; in Preussen
gemessen in dieser Beziehung die Provinzen Posen und Schlesien (Regierungs¬
bezirk Breslau) ein besonderes Vorrecht. — Nächstdem würden dann nach
ihrer Gefährlichkeit Sachsen, Preussen, Rheinland, dann Westphalen, Branden¬
burg (Havel-Land) und Pommern kommen 2 ).
Wie entsetzlich aber die Verheerungen sind, welche der Milzbrand an¬
zurichten vermag, ersieht man am besten im russischen Gouvernement
Nowgorod 8 ), wo in den Jahren 1867 bis 1870 allein neben 56 000 Pfer¬
den, Kühen und Schafen noch ausserdem 528 Menschen am Milzbrände zu
Grunde gingen.
Man wird daher aus allen diesen Gründen und besonders unter Berück¬
sichtigung der R.Koch’schen Entdeckungen praktisch und sanitätspolizeilich
auch nur einen geringeren Werth auf die negativen Ergebnisse der Fes er* -
sehen Versuche mit vergrabenen Milzbrandcadavern 4 ) legen,
l ) Soyka, Abdeckereien in Eulenburg’s Realencykl. Wien u. Leipzig 1885, Bd. I, S. 13.
a ) Anacker, Pathogenese des Milzbrandes. — „Thierarzt“ 1881, S. 73 bis 77. Vergl.
ferner Bollinger, Zoonosen in Ziemssen’s Handb. (Bd. 111), S. 500.
3 ) Orth, Referat über Maassregeln znr Vertilgung der Infectionsstoffe und Schmarotzer
als Ursachen verschiedener thierischer Krankheiten. — Archiv des Deutschen Landwirth-
schaftsraths, V. Jahrg. 1880, Heft 8, S. 338.
4 ) Ztschr. f. Thiermed., 4. Bd., 1. bis 2. Heft. (Ref. im „Thierarzt“ 1878, S. 113 bis 115.)
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224 Dr. Richard Wehmer,
um so mehr aber dafür die folgenden Versuche Pasteur’s 1 ) zu berück¬
sichtigen haben.
„Letzterer liess über zwei Gruben, von welchen die eine drei, die andere
12 Jahre lang zum Eingraben aller Schafe eines Hofes, welche am Milzbrand
gestorben waren, gedient hatten, sieben Schafe täglich einige Stunden herum,
gehen. Hierauf wurden dieThiere wieder mit den übrigen in den Stall zurück¬
geführt und ausschliesslich im Stalle gefüttert. Nach 46 Tagen waren von diesen
sieben Schafen zwei an Milzbrand gestorben, während unter der übrigen Heerde
kein Fall vorgekommen war.“
Da sich nun Aehnliches auch von den übrigen Viehseuchen annehmen
lässt, so ist es durchaus erklärlich, wie man derartigen Möglichkeiten da¬
durch aus dem Wege zu gehen suchte, dass man die Thiere nicht an be¬
liebigen Orten verscharrte, sondern zu diesem Zwecke die besagten Wasen¬
plätze (Schindanger, Schinderkuhlen oder Schinderkuten) einrichtete.
Dabei war natürlich Bedingung, dass eben ein solcher Wasenplatz nur
zur Abdeckerei benutzt, dass auf ihm weder Getreide gebaut, noch Vieh
gehütet werden durfte, und dass diesem überhaupt der Zutritt durch mög¬
lichst hohe Zäune, Hecken u. dergl. unmöglich gemacht wurde; ferner war
es selbstredend, dass die Plätze in bedeutenderen Entfernungen der Ort¬
schaften sowohl, sowie auch in bestimmten Entfernungen von Strassen,
Flüssen, Quellen u. dergl. liegen mussten.
Vielfach wurde denn auch den Gemeinden, welche über keinen eigenen
Abdecker verfügten, die Anlegung solcher Wasenplätze aufgegeben. —
Eine derartige Verfügung erliess z. B. die Koni gl. Regierung zu
Coblenz am 13. Juli 1846 2 ), in welcher die soeben angegebenen Eigen¬
schaften von den Wasenplätzen dabei gefordert wurden.
Aehnliche Forderungen wurden in vielen anderen Gegenden, z. B. in
Sachsen, Hessen-Nassau, in Bayern, Baden, Württemberg 3 ) etc., gestellt und
Wasenplätze daselbst eingerichtet.
„Auch in Eisass-Lothringen ist, wie Zündel 4 ) schreibt, in vielen Kreisen,
besonders des Unter-Elsass, in den meisten Gemeinden für einen Verscharrungs-
platz gesorgt worden, welcher der Grösse des Viehstandes der Gemeinde ent¬
spricht, von Strassen und Gebäulichkeiten gehörig entfernt ist, und eine Boden-
beschaffenheit hat, welche die Verwesung der Cadaver begünstigt und die
Infection von Brunnen und Quellen durch die Fäulniss verhütet. Der Platz
darf auch nicht Ueberschwemmungen ausgesetzt sein und niemals zum Weid¬
gang benutzt werden.“
Aber auch diese Plätze haben, selbst ihre gute Beschaffenheit vor¬
ausgesetzt, nur geringen Werth, wenn sie, wie Zündel auch von
jenen Gegenden zugiebt, mit Ausnahme von Seuchenfallen, wo es in Folge
des von Seiten der Veterinärbeamten ausgeübten gesetzlichen Zwanges ge¬
schehen muss, nur wenig oder gar nicht benutzt werden.
1 ) Soyka, 1. c. S. 13, 14.
2 ) Horn, Das preuss. Veterinär-Medicinalwesen. Berlin 1858, S. 179.
8 ) Correferat des Prof. Orth in der Sitzung des Deutschen Landwirthschaflsrathes
vom 18. Januar 1881.
4 ) Zündel, Gesundheitszustand der Hausthiere in Elsass-Lothringen in der Zeit 1880,
1881. — 1882, S. 110 u. 111.
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Heber Abdecker und Abdeckereien.
225
Die letztere Klage, dass die Wasenplätze zwar vorhanden wären, aber
gar nicht benutzt würden, wurde denn auch bei Gelegenheit der von dem
Deutschen Landwirthschaftsrathe zum Zwecke seiner Berathung über das
Abdeckereiwesen am 17. und 18. Januar 1881 angestellten Enquete von
den verschiedensten landwirthschaftlichen Vereinen erhoben. — Meist wurde
dabei gleichzeitig der Wunsch laut, diese Wasenplätze möchten wieder mehr
in Benutzung gezogen werden.
Wenn man indessen im Lichte unserer gegenwärtigen Klarheit über die
Entstehung und Weiterverbreitung gerade der gefährlichsten Thierseuchen,
z. B. des Milzbrandes, diese Wasenplätze betrachtet, wird man sich kaum
allzu weitgehenden Hoffnungen über die Zweckmässigkeit derselben in ihrer
alten Benutzung hingeben können. Denn in der That vermögen auch
sie nicht die Möglichkeit der Ansteckung durch die auf ihnen be¬
seitigten Thiercadaver auszuschliessen.
Ist es ja doch bekannt, welche Rolle die Insecten, besonders Fliegen
und Bremsen, bei der Weiterverbreitung der Seuchen spielen können und
z. B. 1874 in Lenggries l ) in der That gespielt haben.
Welcher Zaun wäre hoch, welche Mauer dick genug, um sie fern zu
halten! — Und ebenso ist derCadaver auch in der Erde eine Quelle weiterer
Ansteckung. Denn jeden Augenblick kann er wieder ausgegraben
und in denVerkehr gebracht werden; so wurden z. B. im Jahre
1883/1884 im „Gr. Strelitzer Kreise“ 16 Personen wegen Aufgrabens von
Milzbrandleichen bestraft 3 ). Mit Leichtigkeit vermögen ferner Ratten,
Maulwürfe, Füchse etc. zu ihnen zu gelangen und die Ansteckungs-
keime weiter zu tragen. Besonders bekannt ist dies ja bei den Trichinen
geworden; und wie gefährlich dieselben werden können, ermisst sich be¬
sonders, wenn man bedenkt, dass diese selbst einer hunderttägigen Fäulniss
Widerstand leisten 3 ).
Fernerhin ist bekannt, wie Pasteur in den Regenwürmern eines
Wasenplatzes Milzbrandbacillen nachgewiesen hat. Derselbe fand ferner
1880 in der Erde eines alten seit 12 Jahren nicht benutzten Wasenplatzes
noch keimfähige Milzbrandsporen, welche die Krankheit weiter verbreiteten,
als er im Vereine mit Cagny und Robinain Impfungen von Meerschwein¬
chen vornahm 4 ).
Und wie leicht kann diese sporenhaltige Erde nicht der Wind weit¬
hin forttragen, so dass sie eingeathmet oder zusammen mit der Nahrung,
auf welche sie vielleicht niederfielen, genossen werden, wie leicht kann das
durchdringende Meteorwasser nicht diese Sporen auswaschen und weiter
mit sich nehmen, das Grundwasser und mit ihm im Zusammenhänge stehende
Quellen vergiften?
*) 0. Bollinger, Ueber die Gefahren, welche der Gesundheit des Menschen von
kranken Hausthieren drohen. S. 52.
2 ) Arch. f. wissenseh. u. prakt. Thierheilkunde, 12. Bd., 5. u. 6. Heft, S. 411.
s ) Bollinger, Ebend.
4 ) Revue für Tliierheilkunde und Thierzucht, Nr. 2 (1882); citirt im „Thierarzt“, 1882,
S. 53, 54. Vergl. ferner: Soyka, „Der Boden“ in Pettenkofer und von Ziemssen’s Hand¬
buch der Hygiene. 1. Thl. 2. Abthl., 3. Heft, S. 208 ff. u. S. 224, 225.
Vierteljahraschrift für Gcsoadheitspflege, 1887.
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226
Dr. Richard Wehmer,
Alle diese Schädlichkeiten, auf welche besonders Bollinger 1 ) auf¬
merksam macht, werden uns daher veranlassen, auch die noch so gut und
gesetzm&ssig eingerichteten Wasenplätze, sofern eben eine Verscharrung
von Thiercadavern dort stattfindet, immer noch für eine hygienische Calami-
tät zu halten. — Freilich ist sie gering zu nennen im Vergleich mit dem
früher angeführten „wilden“ Verscharren; aber eine Calamität sind diese
Verscharrungsplätze desshalb doch, und mit Recht sagt daher Lydtin:
„Es sollte ein Preis für die Lösung der Frage ausgesetzt werden: Auf
welche Weise können gemeingefährliche Thierleichen zu jeder Zeit und an
jedem Orte ohne Verlochung unschädlich gemacht werden? *)“
2. Die gewöhnlichen Abdeckereien (ohne besondere Dampf- oder
Kochapparate).
Von den Abdeckereien, wie sie in der Mehrzahl der — besonders
mittleren und kleineren — Städte sind, entwirft Adam (Augsburg) folgendes
Bild 3) :
„In den gewöhnlichen Abdeckereien ist die Verwendung der benutzbaren
Theile der Thiercadaver, insoweit die seuchenpolizeilichen Bestimmungen das
Vergraben etc. nicht vorschreiben, sehr einfach; hier wird nach Abnahme der
Haut das am Cadaver befindliche Fett hinweggenommen und ausgeschmolzen,
das Fleisch mitsammt den Sehnen in Streifen geschnitten, an der Luft getrocknet
und als sogenanntes Leimleder an Leimfabriken verkauft; von den ausgelösten
Knochen werden die Röhrenknochen zuweilen an Beinarbeiter abgesetzt und die
übrigen Knochen klein zerhackt als Dünger verwendet, oder es werden die
Knochen insgesammt zur Leimfabrik verkauft, während die Eingeweide entweder
in Gruben (sog. Schwinggruben) geworfen und als Dünger verwendet oder in
Composthaufen gebracht werden.“
In ähnlicher Weise wurden auch noch in den sechziger Jahren in Berlin
auf der im Norden der Stadt belegenen Abdeckerei die abzudeckenden Thiere
behandelt 4 ).
Die Verarbeitung, bezw. Vorbereitung dieser Rohproducte sollte
eigentlich Btets auf den in einer gewissen grösseren Entfernung vor der Stadt
belegenen Wasenplätzen geschehen. — Da indessen keineswegs der
Abdecker an diesen Plätzen selbst immer wohnt, so sind hiermit
eine Reihe von Missständen verbunden. Bald werden die Vorarbeiten auf
dem in der Stadt belegenen Grundstücke des Abdeckers (d. h. um historisch
zu sprechen, dem Grundstücke des Scharfrichters) vorgenommen, bald liegen
sie auf dem Wasenplatze längere Zeit, halb angefangen, unbewacht, keines¬
wegs gegen Berührungen von Seiten anderer Thiere, besonders Ratten,
Fliegen, genügend sicher gestellt. — Wohnt dagegen der Abdecker
auf dem Wasenplatze vor der Stadt, wo ja für den Wasenmeister,
d.h. den Grossknecht des Scharfrichters, der historische Wohnplatz ist, so ist
*) Bollinger, Zur Pathologie des Milzbrandes. München 1872, Rud. Oldenbourg.
a ) Archiv des Deutschen Landwirthschaftsrathes, 1881, Heft 6, S. 214.
3 ) Unschädliche Beseitigung von Thierleichen. Von Th. Adam. (Adam’s Wochenschr.
f. Thierheilkunde u. Viezucht, 1883, S. 405.)
4 ) Reclam, Gesundheit. Jahrg. 1, Nr. 8, S. 114.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
227
zwar eine schnellere Aufarbeitung der einzelnen Gada vertheile gewährleistet,
als wenn immer zu diesem Zwecke eine umständlichere kleine Reise oder
mindestens ein weiterer Weg zurückgelegt werden muss. Dafür ist dann
aber Über den Abdecker die polizeiliche Controle ungemein schwer; er kann
sich die gröbsten Uebergriffe mit Leichtigkeit erlauben, und — erlaubt sie
sich wohl gelegentlich auch.
So ist nun vielfach gegen die Abdecker dieselbe Klage erhoben worden,
welche auch gegen die Landviehbesitzer laut wird, dass die Abdecker das
Bestreben hätten, das Fleisch des gefallenen Viehs noch als Nahrungsmittel
zu verwerthen l ).
Dieser Uebelstand ist, wenn in der That vorhanden, natürlich noch
erheblich grösser bei dem Abdecker als bei einem beliebigen Viehbesitzer.
Bei diesem findet meist nur einmal die Uebertretung statt, bei jenem ist es
eine fortlaufende Quelle erneuter Infectionen. — Ganz besonders bedenk¬
lich wird dies daher, wenn die Abdecker das Fleisch von an ansteckenden
Krankheiten verstorbenen Thieren verwerthen. — Es ist bekannt, welche
schweren Verluste vor wenigen Jahrzehnten der jardin des plantes in Paris
zu erleiden hatte, als ihm von der Abdeckerei das Fleisch seuchenkranker
Thiere als Futter für die wilden Thiere geliefert worden war.
Aehnlicher Fälle wurden mehrfach berichtet, wo das Fleisch rotziger
Thiere, z. B. 1839 von Löwen in der A lsen’schen Menagerie, oder in Dres¬
den von einer Löwin, ferner in einem von Martin beobachteten Falle von
einer Löwin und einem Tiger gefressen war und deren Tod bewirkt hatte 3 ).
Aber ebenso bedenklich ist es, wenn die Abdecker das Fleisch bei sich
selbst an ihre eigenenThiere, vorzüglich Hunde und Schweine s ), verfüttern
und diese dann, besonders Schweine, weiter verkaufen. Vorzüglich wurde
so die Trichinose verbreitet. Zenker bezeichnet daher „die Wasenmeiste-
reien, in welchen Schweine gezüchtet werden, als die allerraffinirtesten
Trichinenschweine-Züchtungsanstalten, die sich nur ausdenken lassen 4 ).
Wie Recht er dabei hat, beweist die bereits erwähnte grosse Trichinen¬
epidemie 1865 in Hedersleben, wo bekanntlich die Trichinose von den
Schweinen einer Abdeckerei ausgegangen war.
Es ist daher ausserordentlich zweckmässig, wenn, wie dies in Oester¬
reich durch den Staatsministerialerlass vom 10. Mai 1866 geschehen ist, den
Abdeckern überhaupt das Halten von Schweinen verboten wird 6 ).
Auch auf die Frage der Unterbringung der eingefangenen
Hunde in der Abdeckerei werfen diese Beobachtungen ein eigentüm¬
liches Streiflicht. — Werden die Abdecker nicht leicht in die Lage kommen,
dies zu vernichtende Fleisch seuchenkranker Thiere den eingefangenen, in
der Mehrzahl doch gesunden Hunden zu verfüttern? Dann würde der dem
Einfangen der marken- und maulkorblosen Hunde innewohnende gute Zweck
*) Nowak, Lehrbuch der Hygiene, S. 793.
*) Hertwig, Die Uebertragung der Rotzwurmkrankheit auf andere Thiere und Men¬
schen. — Magazin für ges. Thierheilkunde, 1874, S. 257 bis 259. Ferner: Bollinger,
Zoonosen in Ziemssen's Handbuch, Bd. 111, S. 470.
8 ) Zundel, Generalbericht über 1877/1878, S. 44.
4 ) Nowak, Lehrbuch der Hygiene, S. 794.
6 ) Eulenberg, Gewerbehygiene, S. 591. Anm.
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Dr. Richard Wehmer,
die Quelle einer Weiterverbreitung von Seuchen werden, und der Hunde¬
besitzer bekäme für sein früher gesundes Thier ein auf der Abdeckerei krank
gemachtes zurück!
Aber nicht allein den Thieren wird das Fleisch von Cadavern verfüttert;
es wird gelegentlich direct als menschliche Nahrung in den Handel gebracht,
und hier spielen ganz besonders die unreellen Pferdeschlächter, welche häufig
mit den Abdeckern unter einer Decke stecken, eine gefährliche Rolle, indem
sie jenen rotzige Pferde verkaufen, deren Fleisch dann wegen seines schönen,
dunkelrothen Aussehens noch besonders gern von den unerfahrenen Con-
sumenten aufgekauft wird. — Originell ist es auch, wenn der Abdecker
officiell gleichzeitig Rossschlächter ist Exempla sunt odiosa , sed in promptu !
Ja selbst bereits vergrabene Cadaver wurden gelegentlich wieder aus¬
gescharrt und verwerthet, wie dies neulich in Raden geschehen ist 1 ).
Ebenso beseitigen die Abdecker keineswegs, wie dies vorgeschrieben
ist, vollständig die an den schweren auch auf den Menschen übertrag¬
baren Seuchen, wie Milzbrand, Rotz, verendeten oder desshalb getödteten
Thiere. Auch hier besteht das Bestreben, die Häute, Haare etc. noch
zu verwerthen und es ist bekannt, wie viele Milzbranderkrankungen
z. B. dadurch entstanden sind. So erkranken oft die Gerber in den Gerbe¬
reien beim Zurichten milzbrandiger Häute. Bekannt sind die Arbeiter¬
erkrankungen in Montpellier in Folge des Verarbeitens von milzbrandiger
Wolle, die Erkrankungen jener von Fränkel in Berlin beobachteten Leute,
welche die Polsterhaare in einem Eisenbahnwaggon aufzupften 2 ). Auch die
von Schlemmer, Reitböck, Lewy u. A. beobachteten Erkrankungen an
der sogenannten Hadernkrankheit gehören hierher 8 ). Bekannt ist ferner,
wie selbst Geschirre, welche aus dem Leder milzbrandiger Thiere gemacht
waren, die Krankheit noch weiter verbreiteten 4 ).
Wenn nun auch nicht in allen diesen Fällen mit Bestimmtheit nach-
zuweisen sein wird, dass gerade die Abdecker hieran die Schuld hatten, so
dürfte dies doch für eine grosse Anzahl zutreffen.
Kommen ja doch die Abdecker oftmals gern den Yiehbesitzern ent¬
gegen, wenn es sich darum handelt, den stattgehabten Ausbruch einer
Seuche in ihrem Viehbestände zu verdecken. So schreibt Dam mann:
„Oft genug kommt es vor, dass die Besitzer, wenn sie den Rotz in ihrem
Pferdeinventare entdeckt haben, die verdächtigen und kranken Stücke den Ab¬
deckern übermitteln, um den Unbequemlichkeiten zu entgehen, welche nach der
Meldung bei der Behörde ihnen bevorstehen, und dass die Abdecker dem unbe¬
merkten Verschwinden dieser Thiere aus dem Verkehre den entsprechenden
Vorschub leisten B ). tf
Durch die historische Entwickelung ihrer Stellung erklärt sich ein
weiterer der Person ausserordentlich vieler Abdecker zu machender Vor-
*) Bollinger r Ueber die Gefahren, welche der Gesundheit des Menschen von kranken
Hausthieren drohen und die zu ihrer Bekämpfung nöthigen Mittel. (Deutsche Zeitschr.
für Thiermed. u. vergl. Pathologie, Bd. III, Heft 1 u. 2.)
2 ) Bölling er, Zoonosen (in Ziemssen’s Handbuch, Bd. III), S. 527 bis 528.
s ) Vierteljahrsschrift f. öff. Gesundheitspflege, Bd. IX, S. 350, 351 u. 716 bis 718.
4 ) Dam mann, Die Nothwendigkeit und die Grundzüge eines einheitlichen Vieh¬
seuchengesetzes für das Deutsche Reich. Berlin, Wiegandt, Hempel & Parey, 1875, S. 77.
6 ) Ebend. S. 62.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
229
wurf; es ist der der Kurpfuscherei. Noch jetzt sind die Abdecker gern
als „Ziehmänner u oder „Gliedereinrenker“ thätig. Auch das als Volks-
mittel gegen Lungenschwindsucht so beliebte Hundefett ist fast nur durch
die Abdecker zu beziehen; wie nahe liegt dabei die Versuchung für die¬
selben, auch noch weitere Rath schlüge in Betreff der Behandlung derselben zu
ertheilen! Fast aller Orten giebt es ferner irgend eine alte „Schindersalbe“,
ein „Scharfrichtereipflaster“ oder dergleichen alte, durch Generationen fort¬
geerbte Geheimmittel, deren sich das Publicum mit besonderer Vorliebe
bedient. Die Grundsätze der antiseptischen Wundbehandlung stehen dabei
in einem eigenthümlichen Verhältnis zu dem höchst wenig erfreulichen
Zustande, in welchem sich die Abdeckereien selber, wo diese Balsame und
Pflaster producirt werden, nicht selten befinden. Denn in sehr vielen Ab¬
deckereien herrscht eine ausserordentliche Unreinlichkeit.
Irgend welche Desinfection wird meist nicht ausgeübt *), falls nicht etwa
der beamtete Thierarzt dieselbe überwachen sollte.
Dass die Leichen viel länger als nothwendig an der Luft
liegen, dass die faulenden Knochen, die trocknenden aufgehängten Häute
und Flechsen, dass die beim Auskochen und Leimsieden entstehenden Dämpfe
weithin die Luft verpesten und so selbst, wenn sie weit ausserhalb der
Städte liegen, ein öffentliches Aergerniss geben, davon will ich noch
gar nicht sprechen. —Viel schlimmer ist die Sorglosigkeit, mit wel¬
cher man manchmal trotz der Seuchengesetze die Abgänge
der an Seuchen erkrankten Thiere behandelt. — Da führt
dann der Abdecker auf einem offenen Karren, nur mangelhaft oder auch
gar nicht bedeckt, das vielleicht an Milzbrand umgestandene Vieh fort; Blut
und Koth des getödteten Thieres bezeichnen den Weg, den er genommen.
Gierig setzen sich eine grosse Anzahl Fliegen und Bremsen theils auf diese
Abgänge, theils auf den Cadaver selbst. Und in wieviel erhöhterem Maass¬
stabe findet dies nicht noch in der Abdeckerei selber statt! — Dabei kann
jede dieser Fliegen, wie es z. B. in Lenggries in den bayerischen Alpen
beobachtet ist, die Seuche weiter verbreiten 2 ).
Und doch sind alle gerügten Uebelstände und alle die mit ihnen be¬
hafteten Abdeckereien noch lange nicht so schlimm, als die
Winkelabdeckereien.
Jede, auch noch so schlecht verwaltete officielle Abdeckerei ist immer¬
hin noch bekannt; man kann sie controliren, wenn es auch umständlich
und beschwerlich ist; man weiss, wo die Quelle für so mancherlei Unreinig¬
keiten und Missstände liegt.
Bei den Winkelabdeckereien, welche sich meist nach aussen als Pferde¬
schlächtereien 9 ), Leimsiedereien, oder auch als Wurstschlächtereien
manifestiren, ist dies nur in ganz seltenen Ausnahmefallen möglich, weil es
1 ) Bölling er, Ueber die Gefahren, welche der Gesundheit des Menschen von kranken
Hausthieren drohen. (Deutsche Zeitschr. f. Thiermed. u. vergl. Pathologie, Bd. III, Hefl 1
n. 2, 1876. — Seperatabdrnck, S. 51.)
2 ) Bollinger, Zoonosen (in Ziemssen’s Handbuch, Bd. III), S. 523.
3 ) Bollinger, Zoonosen (in Ziemssen’s Handbuch, Bd. III), S. 487.
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Dr. Richard Wehmer,
schwer wird, nachzu weisen, wie unter der Maske eines sonst anständigen
Geschäftes und neben demselben eine Thätigkeit getrieben wird, die in
hohem Grade die öffentliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist. — Das
Volk bezeichnet diese Art von Schlächtereien bekanntlich mit dem Namen
von Kalt- oder Luderschlächtereien, auch wohl von Katzenschläch¬
tereien oder Polkaschlächtereien.
Freilich sucht in diesen Dingen die Fleischsohau energisch Abhülfe
zu schaffen. Aber sie kann es doch nur dort, wo sie eben eingeführt ist,
und vermag am meisten fernerhin da zu leisten, wo alle Thiere unter Auf¬
sicht in öffentlichen Schlachthäusern geschlachtet werden.
Um so schlimmer sieht es dafür dann oftmals in den Umgebungen
solcher Orte, besonders also der grossen Städte, aus, wohin der Arm der
städtischen Fleischschau nicht mehr zu reichen vermag. Wie die Pilze
schiessen sie hier auf, die Winkelschlächtereien, und Alles, was in der
grossen Stadt beanstandet oder zurückgewiesen wurde, ja was man nicht
einmal wagte, dort nur zu zeigen, wird hier gern verarbeitet und gelangt
dann besonders im Inhalt der Würste, da in dieser Form bekanntlich schäd¬
liche und ekelhafte Fleischtheile am schwersten nachzuweisen sind 1 ), in die
Läden der Grossstadt.
So erzählt Bölling er, dass in einer Stadt drei finnige Schweine für unge-
niessbar erklärt wurden. Der betreffende Händler setzte die Schweine auf die
Bahn, fuhr mit ihnen nach einer anderen Stadt, wo die finnigen Schweine in Form
von Würsten verspeist wurden. Ebenso ist es vorgekommen, dass das Fleisch
von rotzkranken Pferden in Form von Würsten verkauft wurde.
Aehnlich berichtet Zündel vom Eisass 2 ): „Die Schweinehändler fürchten
die in den Schlachthäusern bestehende Fleischbeschau. — Sobald sie durch
Untersuchung unter der Zunge am lebenden Thiere die Finnenkrankheit be¬
merkt haben, verkaufen sie die Schweine nicht mehr in diese Städte, sondern
schaffen sie nach kleinen Orten, von denen sie wissen, dass daselbst keine
Fleischschau besteht.“
Professor Orth sagt 8 ): „Man behauptet, dass um Berlin viel Vieh verendet,
resp. vorher noch abgestochen wird, um hier auf dem Fleischmarkt mit ver¬
kauft zu werden. . . . Ich mache Sie ferner auf die Wurstfabrikation aufmerk¬
sam, deren Ausdehnung im Interesse des Consums der grossen Städte zunimmt,
und wobei ohne die entsprechende Controle immer Gefahr ist, dass Thiere,
welche wegen Krankheit oder Abzehrung dem Abdecker zufallen sollten, zur
Verarbeitung gelangen und mit eingehackt werden.“
In dieser Beziehung ist es nun in einem Falle ferner den dankenswerthen
Bemühungen des Kreisphysicus Dr. Simon-Landsberg a. W. gelungen, der¬
artige Einrichtungen in seinem Bezirke aufzudecken und dann unschädlich zu
machen.
Es war demselben 4 ), insofern er als Physicus in sanitätspolizeilicher Bezie¬
hung sich vor Errichtung von Schlachtehäusern gutachtlich zu äussern hatte,
1 ) Bollinger, Ueber die Gefahren, welche der Gesundheit des Menschen von kranken
Hausthieren drohen. Sep.-Abdr. S. 50 und 51.
2 ) Zündel, Die Gesundheit der Hausthiere in Eisass - Lothringen von l / A 1880 bis V 4
1881. Strassburg 1882, S. 106.
8 ) Correferat, erstattet über „das Abdeckereiwesen und seine Regelung“ in der IX.
Plenarversammlung des deutschen Landwirthschaftsrathes 1881. (Archiv des Deutschen
Landwirthschaftsrathes), V. Jahrg., Heft 6, S. 218.
4 ) Briefliche Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Simon an den Verfasser.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
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aufgefallen, „dass gerade aus der Nähe kleiner Eisenbahnstationen der Ostbahn
(Dietz, Döllensradung, Dühringshof *) besonders häufige Gesuche um Genehmi¬
gung von Schlachthauseinrichtungen zu seiner Begutachtung kamen. In der
Nähe von Dühringshof z. B. hatte sich die Zahl der Fleischer binnen wenigen
Jahren verdreifacht. Der Exporthandel mit Fleisch von hier nach Berlin muss
also ein sehr lohnender gewesen sein (da seit 10 Jahren weit über das Bedürf-
niss der Kreiseingesessenen hinaus geschlachtet ist), um eine so starke Concur-
renz zu ertragen. In einzelnen Gerichtsverhandlungen nun stellte sich heraus,
dass das Fleisch von geschlachteten kranken Thieren bis zu 300 bis 400 Proc.
Vortheil verwerthet wurde. Dass dies nicht mit rechten Dingen zuging, wurde
durch die Gerichtsverhandlungen erwiesen, und weniger der Concurrenzneid,
wie der Ehrgeiz der redlichen Fleischer führte zu Denunciationen, und deckte
das unsaubere Treiben auf.“ — Derselbe Gewährsmann sagt in seinem officiellen
Sanitätsberichte über das III. Quartal 1881 2 ):
„Krankes Vieh wird zu einem billigen Preise aufgekauft und, nachdem es
marktfähig gemacht, auf auswärtigen Plätzen (meist in Berlin) feil geboten.
Ein hiesiger Viehhändler kauft eine kranke an Tuberculose und Kachexie lei¬
dende Kuh für 54 Mk. und verkauft sie an einen Luderschlächter für 75 Mk.;
Letzterer bringt die zerlegten Theile nach Berlin, wo er wiederum Helfershelfer
in dortigen Fleischern findet, welche die unansehnlichen Theile mit durchzu¬
schmuggeln verstehen. Selbst wenn die Polizei ziemlich rechtzeitig von dem
Treiben unterrichtet wird, ist das Fleisch doch meist schon verpackt und nach
Berlin gebracht; und wenn sich nun auch Zeugen über die verdorbene Beschaf¬
fenheit (allerdings meist mit gewisser Zurückhaltung) des Fleisches äussern,
so hält es doch schwer, dass sich der Sachverständige und das Richtercollegium
ein klares Bild von der Natur der Krankheit des geschlachteten Viehes machen
können.“
Ebenso wurde daselbst im II. Quartale 1884 in Bechs Fällen verdorbenes
Fleisch marktpolizeilich confiscirt und gegen die Fleischer, welche dasselbe
zum Verkaufe gebracht hatten, die gerichtliche Untersuchung eingeloitet.
Auch für die Stadt Hannover muss Aehnliches angenommen werden.
Wanderten doch nach den Mittheilungen von Brandes 3 ) im Jahre 1873 nur
zwei Kühe und im Jahre 1874 nur elf Kühe und zwei Ochsen in die als Ab¬
deckerei für Hannover und Umgegend fungirendeKunstdüngerfabrik zu Linden:
Es kann also nur angenommen werden, dass das übrige crepirte Vieh als Nah¬
rungsmittel in die Küchen gewandert ist. — Allerdings War dies zu einer Zeit,
wo Hannover noch kein öffentliches Schlachtehaus besass.
Uebrigens war es in Hannover ebenfalls gelungen, in der Verhandlung des
Schöffengerichtes am 10. December 1873 einen Fall von Luderschlächterei zur
Verantwortung zu ziehen.
Ueberhaupt gehören hierher die zahlreichen fast in jedem Zeitungs¬
blatt zu findenden Fälle, wo verdorbenes krankhaftes oder ekelerregendes
Fleisch von der Marktpolizei confiscirt und die Bestrafung der betr.
Schlächter bewirkt worden ist.
Es ist nun vom hygienischen Standpunkte in hohem Grade beklagens¬
wert!^ dass es einmal so ausserordentlich schwer ist, derartigen empörenden
MisBbräuchen nachzukommen, doppelt beklagenswerth aber, dass manchmal,
*) Entfernung von Berlin 104*4 bez. 111*6 und 117*2 km nach dem Reichskursbuche.
*) Pi stör, Generalbericht über das öffentl. Gesundheitswesen im Reg.-Bez. Frank¬
furt a. 0., im Jahre 1881. — Frankfurt a. 0., Trowitzsch & Sohn 1883, S. 42 bis 43.
8 ) Brandes, Die Nothwendigkeit eines Schlachthauses für Hannover. Hannover ;
Carl Meyer 1874, S. 12.
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falls das wirklich gelungen ist, die gesetzlichen Bestimmungen es nicht er¬
möglichen, die Schuldigen zur Bestrafung zu ziehen.
Einen diesbezüglichen Fall theilt Dieterich 1 ) mit: Hier hatte ein
Schlächter eingestandener Maassen das Fleisch von vier theils crepirten, theils
im Verlaufe einer inneren Krankheit abgestochenen Kühen als Nahrungsmittel
verkauft. Als desshalb aus §. 10 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 (Nahrungsmittel-
gesetz) gegen ihn Anklage erhoben war, wurde er trotz eingelegter Revision
beim Reichsgerichte freigesprochen, wobei das letztere folgende Rechts-
grundsätze entwickelte: „Ein Nahrungsmittel erscheint dann als verdorben,
wenn es in Folge von Veränderungen des normalen Zustandes nach all¬
gemeiner Ansicht zum Genüsse von Menschen ungeeignet ist . . . Zur Ver¬
setzung in die Kategorie eines verdorbenen Nahrungsmittels berechtigt nicht
der blosse Umstand, dass das Thier, von welchem das Fleisch bez. Fett her¬
rührt , ohne Schlachtung gestorben ist. Entscheidend hierfür ist auch nicht
ein blosser bezüglich des etwaigen Vorhandenseins einer inneren Krankheit aus
der Untersuchzeit der Kuh vor ihrer Zertheilung sich ergebender Verdacht,
da das Gesetz nicht schon an den blossen Verdacht mangelhafter Beschaffenheit
oder die Unterlassung der Beobachtung etwaiger Vorschriften oder Regeln
zur Prüfung der Mangelhaftigkeit den Begriff des Verdorbenseins des
Nahrungsmittels geknüpft hat und auch nicht etwa die allgemeine Anschauung
schon hierin ein Verdorbensein desselben erblickt.“
Dieterich führt dann weiter aus, wie der vom Reichsgericht in dem vor¬
stehenden PasBus geforderte positive Beweis des objectiven Verdorbenseins
nachträglich fast nie mehr erbracht werden könne und äussert sich dann weiter:
Wenn also der Beweis, dass das verkaufte Fleisch eines erkrankten oder ge¬
fallenen Thieres thatsächlich verdorben war, nachträglich fast niemals wird ge¬
führt werden können, wenn selbst in solchen Fällen, wo thatsächlich nach dem
Genüsse solchen Fleisches Erkrankungen von Menschen in grösserem oder ge¬
ringerem Umfange erfolgt sind, der Beweis nicht wird geführt werden können,
dass das Fleisch wirklich verdorben war, und dass die Erkrankung der Menschen
eine Folge dieses Fleischgenusses war, so ergiebt sich als Folge davon in der
Praxis, dass der Verkauf des Fleisches von gefallenem und er¬
kranktem Vieh straflos ist 2 ).
Ausser den Luderschlächtereien sind auch als Winkelabdeckereien
gelegentlich Leimsiedereien und dergleichen Anstalten zu bezeichnen,
da in ihnen, wie Zipperlen in der Sitzung des Deutschen Veterinärrathes
am 4. August 1878 in Hannover ausführte 8 ), „manche Thiere weggeschafft
würden, von denen man wisse, dass sie mit ansteckenden Krankheiten be¬
haftet seien u . Ebenso spricht auch der Veterinärassessor Dr. Ulrich 4 )
davon, dass unter einer beliebigen Fabrikffrma (Düngerfabrik, Seifenfabrik,
Leimsiederei etc.) reine Abdeckereigeschäfte betrieben würden, ohne dass
diese veterinärpolizeilich controlirt und ohne dass sie zu der betreffenden
Gewerbesteuer herangezogen werden könnten. — Auch von diesen Etablisse-
*) Das Feilhalten des Fleisches von gefallenen und kranken Thieren. — Von Dr. L.
Dieterich, Kreisphysicus und San.-Rath in Oels. V. f. ger. Med. und öffcntl. San.-Wes.,
N. F., XXXVII. Bd., S. 135 bis 139.
2 ) Die Hervorhebung der letzten Worte durch anderen Druck findet sich nicht im Ori¬
ginale. Verf.
8 ) Bericht über die V. Versammlung des deutschen Veterinärrathes. — Augsburg
1879. W. Lüderitz, S. 37 bis 38.
4 J Ibidem, S. 73.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 233
mente ans vermag also niedere Gewinnsucht die gefährlichen Thierseuchen
in weitere Kreise zu verbreiten.
In einem erfreulichen Gegensätze zu den soeben geschilderten, leider
nicht selten zu beobachtenden Verhältnissen stehen die Zustände in Baden,
Württemberg und Sachsen-Altenburg, welche in Folge der dort
bestehenden strafferen und zeitgemässeren Verordnungen (s. o.) als ein er¬
strebendes Vorbild für andere Gegenden Deutschlands aufgestellt und be¬
nutzt werden könnten.
Doch soll auch nicht verkannt werden, dass einen nicht geringen An-
theil an der Lässigkeit und Mangelhaftigkeit der Abdecker in den kleineren
und mittleren Städten und Bezirken der relativ geringe pecuniäre
Erfolg wegen der nicht ausreichenden Ergiebigkeit ihres Abdeckerei¬
gewerbes trägt. Die Abdecker sind eben desshalb zum Nachtheile der Sache
und ihrer Brauchbarkeit meist gezwungen, neben ihrem Abdeckereigewerbe
noch eine andere Thätigkeit, meist Landwirtschaft, zu treiben.
Um hier einige Zahlen als Belege anzuführen, verarbeitete z. B. die
Abdeckerei zu Frankfurt a. 0., welche ausser für die genannte Stadt noch
für zwölf umliegende Dörfer bestimmt war, vor mehreren Jahren aber ab¬
gelöst worden ist, im Mittel der zehn Jahre 1863 bis 1872 im Durchschnitt
jährlich 99*1 Pferde, 1*1 Fohlen, 4*8 Rinder, 1*3 Schweine und 0*3 Ziegen.
Hierbei sind aber die bez. Pferde des in der Stadt garnisonirenden Cavallerie-
regimentes und die von dem Abdecker freihändig gekauften Cadaver eben¬
falls mitgezählt. Uebrigens war daselbst die (abgelöste) Abdeckereiberech¬
tigung nur eine ausschliessliche Gewerbeberechtigung und nicht mit einem
Zwangs- oder Bannrechte verbunden; das Recht selbst war auf das Ab-
deckereigrundstück im Grundbuche eingetragen.
Im Kreise Lebus finden Bich ausserdem noch in Lebus, Seelow und
Müllrose Abdeckereien. — Orte, welche einer dieser oder der zu Frankfurt
nicht angehörten, gab es im Kreise nicht.
Die Abdeckerei in Guben 1 ) (Reg.-Bez. Frankfurt a. 0.) verarbeitet
jährlich etwa 12 Schweine, 6 Rinder und 36 Pferde.
Diejenige zu Fürstenberg a. 0. 2 ) (Kreis Guben), welche für die
Stadt und 36 umliegende, früher zu dem alten in der Stadt befindlichen
Klosterstift gehörende ländliche Ortschaften noch jetzt Zwangs- und Bann¬
rechte besitzt, verarbeitet jährlich etwa IGO Stück Grossvieh (Pferde und
Rinder), 30 Fohlen und Kälber, 200 bis 300 Ziegen und Schweine und ca.
30 Hunde.— Bei der einfachen Verwerthung der Abdeckereiproducte spielt
die Fabrikation von Seife noch eine gewisse Rolle. — Ausserdem hat hier
jeder Ort für sich oder mehrere gemeinschaftlich einen Schindanger für
Rotz und Milzbrand.
In Rummelsburg (Pommern) verarbeitet die noch mit Bannrechten
ausgestattete, für 72 Ortschaften bestimmte Abdeckerei jährlich etwa 170
Stück Vieh 3 ).
1 ) Briefliche Mittheilung des Kreisphysicus Dr. med. Klamroth daselbst.
2 ) Briefliche Mittheilung des Dr. med. Brann daselbst.
3 ) Briefliche Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Kraft daselbst.
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Dr. Richard Wehmer,
Im Kreise Königsberg (N. M . l ) sind sämmtlichen Ortschaften Ab¬
deckereien zugewiesen, deren es für den Kreis vier giebt und zwar in
Königsberg für die Stadt und 21 Dörfer, in Schönflies für die Stadt und
9 Dörfer, in Bärwalde für diese Stadt, die Stadt Mohrin und 17 Dörfer
und in Zehden für dies selbst und 27 Dörfer; ausserdem gehören eine An¬
zahl von Ortschaften auf dem linken Oderufer zur Abdeckerei Wriezen
(Kreis Oberbarnim).
Was die im Kreise selbst belegenen Abdeckereien betrifft, so besitzen
dieselben sämmtlich Privilegien, die ihnen von Friedrich Wilhelm III. ver¬
liehen wurden, und zwar Zehden vom Jahre 1790, die übrigen vom
Jahre 1798.
Die Abdeckereien zu Königsberg und Schönflies, welche demselben Ab¬
decker gehören, verarbeiten im Mittel jährlich zusammen 110 Stück grosse
Thiere und mehrere Hundert kleine, daVunter besonders Schweine.
Im Kreise Calau befinden sich nach zuverlässigen Mittheilungen zwei
Abdeckereien, in Calau und Drebkan. — Die erstere, welche gegenwärtig
ausser Betrieb ist, umfasste die Stadt Calau und 42 Dörfer, die zweit¬
genannte die Stadt Drebkan und nächste Umgebung. Diese letzte ver¬
arbeitet jährlich im Durchschnitt nur zwei Pferde.
Im Kreise Cottbus befinden sich zwei Abdeckereien, in Cottbus und
Peitz, zu welchen auch die umgebenden Ortschaften und einige aus den
Nachharkreisen gehören. Beide sind mit Privilegien, Cottbus vom Jahre
1798, Peitz vom Jahre 1800 versehen. Der Abdecker in Cottbus, welcher
die Berechtigung und Verpflichtung hat, alles in seinem Bezirke gefallene
Vieh abzuholen und — soweit die Seuchengesetze zulassen — zu verwerthen,
besitzt indessen nicht die polizeiliche Concession, da sein Grundstück
innerhalb des Stadtweichbildes liegt. — Ausserdem befindet sich nordwest¬
lich von Cottbus ein Schindanger für Seuchencadaver. (Mittheilung des
Sanitätsrath Dr. Liersch.)
3. Abdeckereien mit besonderen Einrichtungen zur technischen
Verwerthung der thierischen Abfallstoffe.
Bei dem hohen Werthe, welchen die thierischen Abfallstoffe als Dünger
für den Landwirth besitzen einerseits, und bei der nicht geringen Schwierig¬
keit, die Cadaver umgestandener Thiere in den grossen Städten auf eine
angemessene Weise zu beseitigen andererseits, lag es nahe, Verfahrungs-
weisen zu ersinnen, welche beiden Momenten gerecht wurden.
Besitzen doch, wie Professor Orth in seinem mehrfach citirten Correferate
in der Sitzung des Deutschen Landwirthschaftsrathes 2 ) nachwies, 1000 Pfund
Lebendgewicht eines gefallenen Stückes Grossvieh 266 Pfund Stickstoff und
18*6 Pfund Phosphorsäure. Rechnet man nun das Pfund Stickstoff zu 1 Mark
und das Pfund Phosphorsäure zu 20 Pfennig, so ergiebt das rund einen Werth
von 30 Mark für ein gefallenes Stück Grossvieh, und geht man nur von zehn
Millionen Stück Grossvieh aus und rechnet nur 1 Proc. Verlust, so beträgt das
*) Briefliche Mittheilung des Kreisphysicus Dr. Wiedner daselbst.
2 ) Archiv des Deutschen Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg. 1881, Heft 6, S. 219.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. . 235
100000 Stück im Werthe von 30 Mark pro Stück = drei Millionen Mark y bei
2 Proc. sechs Millionen Mark und so fort.
Zum Behufe der Erschliessung dieser so wichtigen Stoffe hat man nun,
in Anlehnung an die bei der Poudrettefabrikation üblichen Einrichtungen
zweierlei principiell verschiedene Methoden, welche Eulenberg in
seiner „Gewerbehygiene“ folgendermaassen charakterisirt 1 ).
a) Die Maceration: Man behandelt den ganzen, nicht zerkleinerten
Cadaver mit siedenden Wasserdämpfen mit oder ohne Zusatz von Schwefelsäure
oder kaustischer Lauge resp. Kalk. Diese Procedur geschieht in hölzernen, mit
Blei ausgefütterten Gefässen, welche so gross sind, dass sie ein bis zwei Cadaver
der grössten Sorte aufzunehmen vermögen. Man erhält in ähnlicher Weise
wie beim Knochendämpfen (d. h. in Digestoren. W.) das Fett und den Leim,
während die Knochen weiter verarbeitet werden; es sind aber hier in erhöhtem
Grade die [früher] erwähnten Vorsichtsmaassregeln zu beobachten.“
b) Bei der trockenen Destillation benutzt man einen von Porion
construirten Apparat, der aus einem Destillationsapparate besteht, um die
Producte der trockenen Destillation und als Rückstand die Thierkohle zu
gewinnen. Diese Methode empfiehlt sich vorzugsweise, da sie selbst bei an
Rinderpest zu Grunde gegangenen Thieren angewandt werden kann; bei ihrer
sorgfältigen Anwendung sind die Belästigungen auf ein Minimum reducirt.
Meist sind bisher die betreffenden Etablissements für die erstgenannte
Methode eingerichtet. Ziemlich das erstgegründete derselben ist die auf
der Eutritzscher Feldmark bei Leipzig befindliche „Dampf-
Kunst-Dünger-Fabrik“ von Jul. Gebhardt. Reclam, welcher
bei Gelegenheit seiner Vorlesungen diese Anstalt seinen Zuhörern zu
demonstriren pflegt — auf solche Weise hat auch Verfasser im Jahre 1873
dieselbe kennen gelernt — giebt von ihr in der „Gesundheit“ eine ausführ¬
liche Beschreibung 2 ).
Die Anstalt, deren erster wesentlicher Bestandtheil grosse eiserne Retorten
(Papin’sche Töpfe) sind, behandelt in ihnen die zerstückten Cadaver mit Dampf
bei 2% bis 3 Atmosphärendruck, wobei Leim und Fett für sich gewonnen und
eventuell weiter verarbeitet werden. — Die eigentliche Fleischmasse nebst
Knochen und getrocknetem Blute wird gedörrt und in einer Pochmühle zu
„Pulver“ gemahlen, dann noch mit Schwefelsäure behandelt und zuletzt mittelst
des „Desintegrators“ 3 ) pulverisirt.
Gewonnen wird hierbei, abgesehen von den Häuten, welche in eine Gerberei
wandern, und den ebenfalls zu gewerblichen Zwecken abgegebenen Haaren,
Hufen und Hörnern (falls es sich nicht um Seuchen cadaver handelt): einmal
Leim, der auch häufig verdickt und als „bone-size“ zu Appreturzwecken ver¬
kauft wird, sodann das Fett für Maschinenöle und Seifenfabrikation, endlich das
„Leipziger Fleischmehl“ als Dungmittel.
Die Fabrik, welche die Thierleichen abholt und für das Stück Grossvieh
16 bis 55 Mark (im Durchschnitt 24 Mark) zahlt, verarbeitet ausserdem jährlich
durchschnittlich 10000 Centner getrocknete Flechsen, die sie aus kleineren
Abdeckereien aufkauft, und ausserdem frisches und trockenes Blut aus Schlacht¬
höfen.
Sie beschäftigt durchschnittlich 60 Arbeiter.
*) Eulenberg, Lehrbuch der Gewerbehygiene. Berlin 1876, Aug. Hirschwald, S. 592.
a ) Gesundheit, 1. Jahrg., S. 178.
3 ) Eulenberg, Handbuch des öffentl. Gesundheitswesens. Berlin 1881, Aug. Hirsch¬
wald, S. 54. („Abdeckereien“ von Esser.)
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Dr. Richard Wehmer,
In ähnlicher Weise ist die Einrichtung und der Betrieb der am Wedding
gelegenen industriellen Berliner Abdeckerei, welche für die Stadtbezirke
Berlin und Charlottenburg bestimmt ist. Dieselbe beschäftigt 24 Mann und ver¬
arbeitete in den letzten Jahren des vorigen Jahrzehnts durchschnittlich 1000 Pferde,
170 Rinder, 2000 Hunde, 150 Katzen, 110 Kälber, 600 Hammel, 400 Schweine 1 ).
Im Durchschnitt der Jahre 1881 bis 1885 wurden ihr zufolge zuverlässiger
Nachrichten zur Verarbeitung bezw. Vernichtung jährlich zugeführt: 1820 Pferde,
282 Rinder, 2127 Schweine, 156 Kälber, 510 Schafe und 1175 Hunde und
sonstige kleine Thiere. Für die ersten neun Monate des Jahres 1886 stellen
die Ziffern sich zum Theil erheblich höher, da in dieser Zeit 1659 Pferde,
520 Rinder, 1870 Schweine, 209 Kälber, 572 Schafe und 815 Hunde und sonstige
kleinere Thiere ihr überwiesen wurden. — Ausserdem hat die Abdeckerei
260 000 bis 300000 Kilo einzelner thierischer Theile zu verarbeiten, welche ihr
als Confiscate von der Marktpolizei überwiesen werden.
Ueber die Art und Weise der Verarbeitung wird Folgendes mitgetheilt:
„Abgesehen von dem auf offenem Feuer stattfindenden Ausschmelzen des
viel begehrten Hundefettes wird unter Benutzung eines Dampfkessels und
zweier Digestoren und Kessel Leim und Fett gewonnen und in offenen Kesseln
Fleisch gedämpft, das als Hundefutter bedeutenden Absatz findet. Diejenigen
frischen Knochen, welche nicht bei Gelegenheit der Fettgewinnung in die
Digestoren gelangt waren, sowie die Rückstände aus den Digestoren und Kesseln
und ausserdem eine erhebliche Menge solcher thierischer Theile, die eine nur
geringe Ausbeute an Leim und Fett ergeben würden, besonders Lungen, Lebern,
Gebärmütter, ungeborene Thiere, werden einer dem Abdeckereipächter ge¬
hörigen Fabrik ausserhalb des Berliner Stadtbezirkes zugeführt.“
„Die Pferde- und Rinderhäute gelangen gesalzen in den Handel, die Hunde¬
felle werden meist nach Amerika exportirt.“
In Folge des rapiden WachBthumB der Stadt Berlin beginnen jetzt bewohnte
Stadttheile und Gebäude die Abdeckerei, der ausserdem mehrere Kirchhöfe
nahe liegen, mehr und mehr einzuschliessen. Die Frage einer eventuellen
Verlegung der Abdeckerei nach ausserhalb ist daher neuerdings mehrfach
erörtert worden 2 ). Dieselbe ist übrigens vom sanitären Standpunkte um so
wünschenswerther, als die Ausdehnung der Stadt eine solche über kurz oder
lang doch erforderlich machen dürfte.
In Hamburg 8 ) ist der Abdecker, „Frohn“ genannt (vergl. S. 199 u. 238),
städtischer Beamter, mit 3168 Mark Gehalt und freier Wohnung. — Die mit
der Stadt telegraphisch verbundene, ausserhalb derselben liegende Abdeckerei
ist ähnlich wie die Leipziger eingerichtet und gehört der Stadt. — Die Ein¬
nahmen fliesBen dem Frohn zu, der dafür aber Arbeitskräfte, Instrumente und
Wagen zu stellen, sowie die kostenlose Wegschaffung der Thiercadaver zu
besorgen hat. (Nebenbei ist der Frohn noch Henker.) — Im Jahre 1878 ver¬
arbeitete die Abdeckerei: 187 Pferde, 39 Stück Hornvieh, 5 Kälber, 41 Schafe,
169 Schweine, 703 Hunde und 757 sonstige kleinere Thierleichen, 15 Tonnen
verdorbene Fleischwaaren, 50kg verdorbene Fische, ausserdem verschiedenes
Wild und Geflügel. — Im Jahre 1884 4 ) wurden daselbst die Cadaver von
191 Pferden, 71 Stück Hornvieh, 6 Kälbern, 941 Schweinen, 67 Schafen,
3289 Hunden, Katzen, sowie andere kleine Thierleichen, circa 2000 Kilo ver¬
dorbenes Fleisch, 83 Kilo Fische, 250 Kilo Geflügel beseitigt.
Eine andere ähnliche industrielle Anlage ist vor wenigen Jahren für
27 000 Mark bei Augsburg, 2 km von der Stadt entfernt, geschaffen worden.
*) Esser in Euenberg’s „öffentl. Gesundheitswesen“, S. 55.
2 ) Vossische Zeitung vom 3. November 1886 (Nr. 514).
8 ) Esser, 1. c., S. 55.
4 ) Veröffentlichung des Kaiserl. Gesundheitsamtes, X. Jahrg. Nr. 34 (24. August
1886), S. 493.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
Sie besteht nach einer von dem dortigen Bezirksthierarzt Adam in dessen
„Wochenschrift für Thierheilknnde“*) gemachten Beschreibung ausser dem
Wohnhause mit Adnexen für den Wasenmeister aus einem Gebäude mit
Contumazställen und einem hiervon 50m entfernt liegenden Gebäude, welches
aus einer veterinärärztlichen Sectionshalle und dem Kesselhause besteht. Hier
werden die zerstückelten Cadaver in grossen Cylindern mit Dämpfen von 5 bis
6 Atmosphärendruck durch drei Stunden behandelt; der Process ist also dem
in Leipzig geübten analog, die Wirkung dürfte nur des grösseren Atmosphären¬
druckes wegen eine noch gründlichere Bein.
Die Anstalt verarbeitet jährlich etwa 40 Pferde, 50 Stück Rindvieh,
20 Schweine, 100 Hunde, ausserdem eine grosse Menge einzelner kranker oder
sonst ungeniessbarer Organe und Theile von Schlachtthieren. — Unter den
verarbeiteten Rindern sind im Durchschnitt 40 Cadaver meist tuberculöser
Rinder aus dem städtischen Schlachthause mit inbegriffen.
Die Abdeckerei in Frankfurt a. M. 2 ) erhielt im Etatjahre 1883/84 ein¬
geliefert: 116 Pferdecadaver (davon 3 ungeniessbar von der Pferdeschlächterei,
1 wegen Lungenrotz), 6 Ochsen, 31 Kälber, 71 Schweine, 7 Ziegen, 1 Schaf,
1 Lamm, 190 Eingeweide von grossen Thieren, 2 Stück Rehe, IKorb confiscirter
Schellfische, 5 krepirte Hunde, 7 Hunde zum Tödten; es wurden ausserdem
181 Hunde eingefangen, von denen 67 getödtet wurden.
Aehnliche, aber kleinere Anstalten bestehen ferner z. B. bei Köln 3 ),
bei Metz 4 ), in Linden bei Hannover 5 ) etc.
Auch diese anscheinend allen Ansprüchen genügenden Apparate
zur chemischen und thermischen Vernichtung der Cadaver,
sowie der in ihnen enthaltenen Ansteckungsstoffe sind jedoch nicht
ganz einwandsfrei.
Einmal ist meines Wissens für alle hier in Frage kommenden Apparate
noch nicht positiv, d. h. durch entsprechende Experimente festgestellt
worden, ob die Zerstörung der Ansteckungsstoffe, besonders der Sporen,
von allen hier in Betracht kommenden Infectionsträgern und in allen Theilen
der verarbeiteten Cadaver eine vollständige sei.
Allerdings nimmt man ja an, dass siedendes Wasser und heisse
Wasserdämpfe durch mindestens V 2 stündiges Kochen der zu desinficirenden
Gegenstände bei einer Temperatur von mindestens 100° die Ansteckungs-
stofife zerstören. — Und ganz gewiss hat Adam Recht, wenn er daraus
folgert 6 ): „dass bei dem Verkochen der Cadaver mit einem. Dampfe von
5 bis 6 Atmosphären Ueberdruck, wo eine Temperatur von 160 bis 166*5° C.
durch drei Stunden auf die zu beseitigenden thierischen Theile einwirkt,
hierdurch die Ansteckungsstoffe sicherer zerstört werden, als
durch Vergraben. 4
') „Unschädliche Beseitigung der Thierleichen von Th. Adam in Adam’s Wochenschrift
für Thierheilkunde und Viehzucht 4 1883, S. 405 ff.
2 ) Prof. Dr. Leonhardt im Archiv für wissenscbaftl. und prakt. Thierheilkunde.
Bd. 12, Heft 5 u. 6, S. 409 u. 410.
8 ) A. d. D. Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg. 1881, Heft 6, S. 209.
4 ) Zündel, Der Gesundheitszustand der Hausthiere in Eisass - Lothringen vom 1. Apr il
1879 bis 1. April 1880. S. 100 u. 101.
°) Brandes, Die Nothwendigkeit eines Schlachthauses für Hannover. Hannover,
Carl Meyer, 1874, S. 12.
6 ) Adam, Wochenschr. für Thierheilkunde 1883, S. 405 ff.
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238
Dr. Richard Wehmer,
Man wird ja daher auch mit dem erreichten Resultate in hohem Grade
zufrieden sein können. Ja es ist vielleicht überhaupt einer nicht fernen
Zeit Vorbehalten, auch den soeben erforderten Beweis positiv zu erbringen.
Vorläufig erscheint es daher nothwendig, will man sich nicht in weiter¬
gehende Illusionen hüllen, sondern nüchtern auf dem Boden der Thatsachen
stehen bleiben, dass alle Apparate, in welchen Gadaver von Seuchenleichen
behandelt werden, einzeln ganz besonders rücksichtlich der Leistungs¬
fähigkeit ihrer desinficirenden Kräfte geprüft werden. Denn, falls sie
dieselben nicht in genügendem Maasse besitzen, würden sie die allergrössten
Gefahren für die betreffenden Fabrikarbeiter in sich tragen, Gefahren,
welche viel grösser dann sind, als diejenigen der Leute, welche nach alter
Gewohnheit einen Milzbrandcadaver z. B. verscharren.
Der zweite wunde Punkt der industriellen Abdeckereien ist der Geld¬
punkt.
Es ist ganz gewiss unrichtig, wenn man sich überall — ganz grosse
Städte, z. B. Berlin, machen ja hiervon eine Ausnahme — sofort bedeutende
pecuniäre Einnahmequellen aus einer derartigen Abdeckerei verspricht. Dazu
sind die Apparate zu theuer, die Arbeitslöhne zu hoch, der Werth der
gelieferten Dungmittel etc. ein zu geringer. In der That zieht z. B. die
Stadt Hamburg nicht nur keinerlei Gewinn aus ihrer Abdeckerei, sondern
sie überlässt denselben ihrem „Frohn“; ja sie muss demselben noch ein
nicht unbeträchtliches Gehalt zuzahlen x ).
Auch von der Augsburger industriellen Abdeckerei sagt
Adam 9 ), dasB wahrscheinlich nicht nur die Feuerungskosten, sondern auch
der Unterhalt des Wasen meistere aus den Erträgen gedeckt werden.
Von einer Verzinsung oder gar einer Amortisation des Anlagecapitals
ist hier also gar keine Rede.
Es verhält Bich daher in dieser Beziehung mit den industriellen
Abdeckereien ganz analog wie mit den Canalisationsanlagen, Rieselfeldern
und dergleichen. Sie werden, eben ihrer bedeutenden Geldkosten wegen,
vorläufig wohl immer ein Vorrecht der grösseren und reicheren Städte
bleiben.
Eine weitere sehr erhebliche Unbequemlichkeit dieser industriellem
Etablissements ist ihre quantitativ beschränkte Leistungsfähigkeit.
Dieselben sind, wie eben in der Natur der Sache liegt, nur im Stande, die
gewöhnlichen Mengen der eingelieferten Cadaver zu beseitigen. Tritt nun
aber plötzlich eine grosse Zufuhr ein, soll z. B. eine ganze Heerde milz¬
brandigen Rindviehs beseitigt werden, so wird die Einrichtung ebenso
versagen, wie die Canäle mancher Städte bei einem plötzlichen Wolken¬
bruche für die Menge des Meteorwassers nicht ausreichen. Man kann ja
allerdings in einem gewissen Grade diesen Uebelstand dadurch zu verringern
suchen, dass man cementirte Gruben u. dergl. bei den Etablissements
anlegt und in ihnen die im Augenblick nicht zu verarbeitenden Gadaver
eine Zeit lang vorübergehend aufbewahrt. Einerseits ist dies aber
auch mit hygienischen Nachtheilen verknüpft und andererseits auch nur in
*) Conf. Esser in Eulenberg’s öffentl. Gesundheitswesen, Bd. 1, S. 55.
2 ) „Unschädliche Beseitigung der Thierleichen.“ 1. c.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
239
einem gewissen Grade ausreichend. Gerade also in solchen Fällen, wo es
besonders darauf ankommen würde, energisch zu wirken, gerade dann lassen
uns diese Einrichtungen im Stiche.
Ebenso ist es auf der anderen Seite ausserordentlich störend, wenn
längere Zeit überhaupt keine Cadaver eingeliefert werden. In früheren
Jahren, z. B. in den ersten Jahren, als die Leipziger Anstalt arbeitete,
war dies weniger störend. Hier waren die massenhaften derselben zu¬
wandernden Pferdecadaver oder zu tödtenden Pferde ein reichlicher Ersatz.
Seitdem es aber Mode geworden, Pferdefleisch zu essen, wandern
die meisten alten Pferde zum Rossschlächter und nicht zur Abdeckerei,
deren Einnahmeausfall dadurch ein nicht unbeträchtlicher ist.
Endlich sei noch erwähnt, dass auch diese industriellen Abdeckereien
nicht geruchlos zu arbeiten vermögen, daher, was auch gesetzlich bereits
bestimmt ist, ebenso gut wie die alten, in einer relativ grösseren Entfernung
der Städte liegen müssen, wodurch andererseits ihr Betrieb erheblich
erschwert ist.
Schlussfolgerungen.
Es ist in den vorstehenden Ausführungen sorgfältig jede Uebertreibung
vermieden worden, vielmehr sind nur Dinge gebracht und beschrieben, für
welche die Beweise beigefügt werden konnten. Aus diesen Ausführungen
geht nun hervor, dass zwar in einzelnen Gegenden, z. B. in Baden und
Württemberg, ferner auch in verschiedenen grossen Städten, der Ab¬
deckereibetrieb in einer den Forderungen der Gesetze sowohl wie auch
besonders des gegenwärtigen Standes unserer Wissenschaft entsprechenden
Weise betrieben wird, dass dagegen in weitaus dem grössten Th eile Deutsch¬
lands und in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle hiervon keineswegs die
Rede sein kann.
So sagt denn z. B. B o 11 i n g e r von den Abdeckereien *): „Wer diese An¬
stalten kennt, wird sich leicht überzeugen, dass sie polizeiwidrige Anstalten sind. u
Professor Dam mann nennt sie die „Schlupfwinkel der Viehseuchen“ a )
und sagt weiter über das Abdeckereiwesen: „Bis zur Stunde ist der Zustand
des Abdeckereiwesens fast aller Orten ein geradezu roher zu nennen. Hier
fehlen über weite Strecken die Wasenmeistereien gänzlich; dort vermisst man
wieder die Verpflichtung der Abdecker, die eingegangenen Cadaver und deren
Herkunftsorte in ein Register einzutragen und von seuchenverdächtigen Stücken
Anzeige zu erstatten.“
Zündel 8 ) sagt darüber: „Das Wasenmeisterwesen ist noch ein sehr wunder
Punkt in den elsässisch - lothringischen veterinärpolizeilichen Einrichtungen, zu
*) 0. Bollinger, Ueber die Gefahren, welche der Gesundheit des Menschen von
kranken Säugethieren drohen. Zeitschr. für Thiermedicin und vergl. Pathologie. Bd. III,
Heft 1 und 2, 1876. Separatabdruck S. 51.
2 ) Die Nothwendigkeit und die Grundzüge eines einheitlichen Viehseuchengesetzes für
das Deutsche Reich. Von Prof. Dr. Dam mann (Eldena). Berlin, Wiegandt, Hempel &
Parey, 1875.
3 ) Zündel, Landesthierarzt für Elsass-Lothringen: „Der Gesundheitszustand der Haus-
thiere in Elsass-Lothringen vom 1. April 1879 bis 1. April 1880. Strassburg, R. Schultz
u. Comp., S. 100.
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240 Dr. Richard Wehmer,
dessen Beseitigung aber eine besondere Gesetzgebung für das ganze Reich
nöthig ist.“
Oekonomierath Nobbe-Niedertopfstedt*) nennt gelegentlich seines in der
Sitzung des Deutschen Landwirthschaftsrathes am 18. Januar 1881 abgegebenen
Referates den „thatsächlichen Zustand des Abdeckereiwesens einen völlig un¬
haltbaren und beklagenswerten“, und sagt weiter 2 ), „dass in den meisten
Theilen des Landes die Selbstabdeckerei herrscht, oder wie er es genannt habe,
die unerträglichste Blut- und Sudelwirthschaft. Die Seuchenfalle werden dem
Gesetze zum Trotz verheimlicht, indem man einfach sagt: „wer beweist mir
denn, dass das Thier an Seuche gefallen ist?“ und in einzelnen Wirthschafts-
höfen wird die Abdeckerei so lüderlich betrieben, dass dadurch an einzelnen
Orten der Milzbrand stationär geworden ist und dass wir ernstlich nach Mitteln
und Wegen suchen müssen, um das zu ändern.“
In Folge dieser Umstände haben denn, wie bereits erwähnt, der
Deutsche Veterinärrath sowohl wie der Deutsche Landwirth-
schaftsrath besonders eingehend mit der Materie sich befasst und sind
beide dabei zu dem Schlüsse gekommen, dass eine einheitliche gesetz¬
liche Regelung des Abdeckerei Wesens ein Bedürfniss sei.
Der innere Grund nun, aus welchem einer derartigen Regelung und
einem rationellen Abdeckereibetriebe überhaupt so viele Hindernisse sich
entgegenstellen, ist der: dass sich hierbei das landwirtschaftlich-
praktische und das hygienische Interesse gegenüberstehen. Während
jenes fordert, dass die Cadaver pecuniär so hoch als irgend möglich ver¬
wertet werden, insbesondere Nichts für die Landwirtschaft gänzlich ver¬
loren gehe, liegt im hygienischen Interesse, möglichst gründlich die
Cadaver und die in ihnen enthaltenen Ansteckungsstoffe zu beseitigen.
Es würde daher theoretisch die zweckmässigste Methode diejenige sein,
welche beiden Forderungen in gleicher Weise Rechnung zu tragen ver¬
möchte. Da es nun eine solche schlechthin nicht giebt, auch überhaupt
nicht geben kann, so wird in nationalökonomischem Interesse sorgfaltigst
zu erwägen sein, welches Interesse hierbei den Vorzug verdiene.
Je mehr nun aber die öffentliche Gesundheitspflege darauf dringen
muss, dass die von ihr als unumgänglich bezeichneten Forderungen, um
schweren wirtschaftlichen Schädigungen vorzubeugen, erfüllt werden, in um
so höherem Grade tritt an sie auch die Pflicht heran, diese ihre Forderungen
ganz genau zu prüfen und auf das notwendigste und geringste Maass zu
beschränken. Wollte sie weiter gehen, so würde sie einerseits die anderen
Interessen (der Landwirtschaft) nicht nur sehr schädigen, sondern voraus¬
sichtlich auch zu gewärtigen haben, dass gerade ihre dringendsten Forde¬
rungen nicht genügend beachtet werden.
Allerdings kommt der öffentlichen Gesundheitspflege hierbei eine ausser¬
ordentlich wichtige, bisher nicht erwähnte Einrichtung helfend zu Statten:
Es sind dies die Entschädigungen, welche für das an Seuchen gefallene
oder erkrankte und desshalb getödtete Vieh aus der Reichscasse oder
von den Communalverbänden dem Besitzer, falls er sich dieses Rechtes nicht
durch irgend welche Uebertretungen der gesetzlichen Bestimmung verlustig
gemacht hat, zufliessen; darüber handeln ausführlich die §§. 57 bis 64 des
') Archiv d. D. Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg. 1881, Heft 6, S. 195.
2 ) Ibidem, S. 200.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 241
ReichsViehseuchengesetzes, sowie besondere Gesetze und Verfügungen in
Betreff der Rinderpest.
Hierdurch wird es der öffentlichen Gesundheitspflege dem Einzelnen,
dem ja fast der ganze Werth seines Verlustes vergütet wird, gegenüber leicht
gemacht, ihre Forderungen zu betonen; der GeBammtheit des Staates und
Reiches gegenüber bleibt aber die Verpflichtung, ihre Forderungen auf das
nothwendige Minimalmaass zu beschränken, doch bestehen.
Dies geschieht hier dadurch, dass sie in allen Fällen, wo dies nur irgend
thunlich ist, eine lucrativere Verwerthung der Cadaver oder einzelnerTheile
derselben zulässt, als dies mittelst der von den Abdeckereien geübten Me¬
thoden möglich ist.
Man wird daher z. B. wenigstens auf der „Freibank“ den Verbrauch
des Fleisches von solchen tuberculösen Thieren gestatten, bei denen
die Tuberkeln selten und nicht käsig degenerirt sind, besonders wenn die
Thiere selbst gut gemästet sind *). „Die Fleischbeschauer würden gestei¬
nigt werden, wenn sie alles von tuberculösem Vieh abstammende Fleisch
mit Beschlag belegen und für den Genuss unbrauchbar machen wollten“,
sagt Vallin bei Besprechung der Pariser Einrichtungen 2 ).
Uebrigens schlösse auch schon die grosse Masse derartiger Thiere, in
Paris 3*6 pr. mille 2 ), in Berlin gar nach Villaret 3 ) 6*0 Proc. der Rinder und
1*4 Proc. der Schweine, ein derartig rigoroses Verfahren, wie man es z. B.
jetzt in der Schweiz einzuführen beginnt, aus.
Freilich ist dies Polizeigesetz des Cantons Wallis, betreffend
denVerkauf der Nahrungsmittel und Getränke vom 21. Novem¬
ber 1882, nebBt dazu gehörigem Reglement, betreffend die Voll¬
ziehung desselben vom 16. Mai 1883 4 ), ganz gewiss das Ideal einer
Fürsorge in Betreff des Fleischgenusses, wenn es im Artikel 20d. vor¬
schreibt: „Der Verkauf allen Fleisches, von einem kranken Thiere abstam¬
mend , ist verboten, gleichviel ob es der Gesundheit schädlich ist oder
nicht r, ). u
a Indessen werden wir bei uns schwerlich, obwohl dies ja früher stellen¬
weise ebenfalls geschehen ist 6 ), soweit gehen können, und Gleiches, wie von
diesen tuberculösen Thieren, gilt auch von manchen anderen Krankheiten,
auf welche wir gleich specieller eingehen werden.
Jene Ausnutzung aber ist nur dann zulässig, wenn die Garantie vor¬
handen ist, dass durch gründlichstes Kochen, was eventuell unter Aufsicht
vorgenommen werden müsste, jede Spur der Schädlichkeit zerstört wird.
Und dies wiederum ist nur dann möglich, wenn der Käufer den wahren
Charakter des Fleisches kennt.
*) Zündel, Generalbericht über das Jahr vom 1. April 1876 bis 1. April 1877.
а ) L’inspection des viandes de boucherie, par Vallin. Revue d’hygiene, Mars 1883.
Ref. V. f. ger. Med., N. F., XLI. Bd., S. 165.
3 ) Anmerkung zu letztgenanntem Referat.
4 ) Veröffentlichungen des kaiserlichen Gesundheitsamtes zu Berlin, X. Jahrg., Nr. 46,
S. 680.
б ) Ibidem Nr. 50, S. 736. Vergl. ausserdem: Gerlach, Die Fleischkost des Menschen.
Berlin 1875, Aug. Hirschwald, S. 105.
6 ) Gerlach, 1. c. S. 104 u. 105.
Vicrtcljahrsschrift Tür GceundbeitBi'flcgc, 1887. 1^*
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Dr. Richard Wehmer,
Man sollte daher, wie Gerlach sagt, den Verkauf derartigen Fleisches
nur unter allerstrengster Controle und niemals in Privatläden, sondern nur
auf der sogenannten „Freibank“ gestatten.
In Baden besteht hierbei eine ganz besonders zweckmässige Einrich¬
tung, insofern als mit der Freibank ein Schlachthaus zum Noth-
schlachten verbunden ist, wo jeder Besitzer sein krankes Vieh unter
Aufsicht schlachten kann, um eventuell dann das Fleisch desselben auf der
Freibank verkaufen zu können 1 ).
Als Krankheiten, bei denen noch das Fleisch auf die Frei¬
bank gebracht werden kann, führt Gerlach 2 ) folgende an:
1 Die Rinderpest, bei welcher allerdings aus veterinärpolizei¬
lichen Gründen die kranken Thiere selbst durch den Abdecker zu
beseitigen sind. Dagegen können die gesunden, nur der Ansteckung
verdächtigen Rinder unbedenklich geschlachtet werden, um so mehr,
als das Fleisch pestkranker Rinder unschädlich ist. — Die revidirte
Instruction zum Rinderpestgesetz (§. 25) gestattet daher in grösse¬
ren Städten und auf den unter regelmässiger veterinärpolizeilicher
Controle stehenden Schlachtviehhöfen unter Umständen („es ...kann ..
gestattet werden“) das Schlachten derartiger Thiere, das aber unter
veterinärpolizeilicher Aufsicht in geeigneten Räumen stattfinden
muss; auch dürfen das Fleisch und die inneren Theile erst nach
dem Erkalten abgefahren und die Häute nur dann ausgeführt werden,
wenn sie entweder vollkommen getrocknet sind oder drei Tage in
Kalkmilch (1: 60) gelegen haben.
2. Die Lungenseuche, an der jährlich Tausende von Rindern
erkranken und doch geschlachtet und ohne Schaden als Nahrungs¬
mittel verwdrthet werden.
3. Der nicht-milzbrandige Rothlauf der Schweine (Schweine¬
seuche 3 ).
4. Krankheiten, die zu der grossen Gruppe der Entzün¬
dungen gehören; ausgeschlossen sind aber alle septischen Ent¬
zündungen, besonders auch Darm- und Gebärmutterentzündungen,
bei denen die Cadaver der Abdeckerei zuzufallen haben.
5. Centrale Nervenkrankheiten, die nicht durch Krankheiten
bedingt sind, welche Ungeniessbarkeit verursachen.
6. Krankheiten, durch Parasiten bedingt, die nicht im
Fleische sitzen und auf den Menschen überhaupt nicht
übergehen, von denen also eine Invasion für den Menschen nicht
zu fürchten ist. (Distomum hepaticum, Strongylus contortus, Str.
filaria, Str. micrurus, Str. paradoxus, Coenurus cerebralis, Echino¬
coccus veterinorura.) Die kranken Organe der betreffenden Thiere
müssen natürlich der Abdeckerei zuwandern.
1 ) Gerlach, Die Fleischkost des Menschen. Berlin 1875, Aug. Hirschwald, S. 151.
2 ) Ibidem S. 104 bis 117.
3 ) Besser wäre es, besonders wegen der Schwierigkeit der Differentialdiagnose, dies
Fleisch immer der Abdeckerei zuzuführen. Couf. S. 135. Vert*.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
243
7. Alle Localleiden, die nicht von Zerstörungsprocessen begleitet
sind, d. h. die keine Infectionsherde bilden (Verwundungen, Knochen¬
brüche etc.).
8. Apoplexie bei schlachtbaren gesunden Thieren. (Hier ist
aber, besonders in Milzbranddistricten, grosse Vorsicht nöthig, da
bekanntlich auch Milzbrand apoplectiform au ft ritt.)
Ein weiteres Zugeständnis wird darin zu bestehen haben, dass man
auch die Häute, Knochen, Haare etc. von den durch die Abdeckerei besei¬
tigten Cadavern den sie verarbeitenden entsprechenden Werkstätten zuzu¬
führen gestattet, wenn sie in keiner Weise irgend im Stande wären, nach¬
theilig zu wirken.
Ebenso ist es auch zulässig, dass die Abdeckereien Fleisch (ausgenom¬
men von Seuchencadavern) in sorgfältig gekochtem oder gedämpftem zer¬
kleinertem Zustande, niemals aber roh, als Hundefutter verkaufen. (Leider
ist aber nicht zu controliren, ob nicht Menschen dieses ekelhafte Genuss-
mittel selbst aufesBen.)
Dagegen wird es eine unabänderliche Forderung der öffentlichen
Gesundheitspflege sein, dass gewisse Dinge nur mittelst der Abdeckerei
beseitigt werden dürfen.
Material, welches nur mittelst Abdeckerei beseitigt werden
darf.
Wir nehmen hier den Begriff der Abdeckerei im weitesten Sinne und
verstehen insbesondere auch die Selbstabdeckerei darunter.
Mittelst Abdeckerei, und zwar auf einem unschädlichen Wege,
welcher jede Möglichkeit ausschliessen soll, dass die betreffenden Cadaver
in irgend einer Weise als Nahrungs- oder Gebrauchsmittel im weitesten
Sinne des Wortes (ausgeschlossen nur die Benutzung als Dungmittel in
Fleischmehl und ähnlichen Formen) noch Schaden stiften können, sind nun
zu beseitigen:
1. Die vollständigen Cadaver der an Rinderpest, Milzbrand, Rotz, Wuth-
krankheit verendeten Thiere, bei denen allen die Reichsviehseuchen¬
gesetze ausdrücklich das Abhäuten verbieten. Ferner würden hier
noch folgende Krankheiten anzufügen sein: die Wild- und Riuder-
seuche (1878 bei München beobachtet 1 ), sodann der dem Milzbrände
verwandte Schweinerothlauf 2 ). Fernerhin Pyämie, Septicämie und
Pocken; Erysipel, Diphtheritis, eventuell Rauschbrand 3 ).
*) Bollinger, Ueber eine neue Wild- und Rinderseurhe. München, Finsterlin, 1878.
a ) Vergl.: l) Schütz, Ueber den Rothlauf der Schweine und seine Impfung; Arbeiten
aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, Bd. I, Heft 1 u. 2, 1885; ferner: 2) Löffler, Experi¬
mentelle Untersuchungen über Schweinerothlauf; Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheits¬
amte, 1885, S. 46. 3) Lydtin und Schottelius, Der Rothlauf der Schweine, seine
Entstehung und Verhütung. 4) Schütz, Ueber die Schweineseuche; Archiv für wissen¬
schaftliche und praktische Thierheilkunde, Bd. XII, Heft 3 u. 4, S. 218 bis 270.
®) Vergl. Lemcke’s Fütterungsversuche (Kef. in Ada in’s Wochcnschr. f. Thierheil¬
kunde, 1885, S. 319).
16*
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Dr. Richard Wehmer,
2. Die Cadaver ausschliesslich der benutzbaren Häute, Klauen, Haare etc.
von Thieren, welche erkrankt oder gefallen waren an Lungenseuche,
hochgradiger Tuberculose, an Typhen, schweren Entzündungskrank¬
heiten, an allgemeiner Carcinose oder Sarcomatose; auch die Cadaver
ungeborener oder neugeborener Früchte, deren Hinzurechnung zu
den „verdorbenen“ Nahrungsmitteln das Reichsgericht in der Sitzung
seines Strafsenats vom 3. Januar 1882 ausdrücklich anerkannt hat 1 ),
würden vielleicht hierher zu rechnen sein; endlich die Cadaver von
Thieren, bei welchen Finnen oder Trichinen gefunden waren (das
ausgeschmolzene Fett derselben darf aber beliebig, sogar als
Nahrungsmittel, verwandt werden; conf. S. 246), sowie von ver¬
gifteten Thieren, besonders bei Vergiftungen mit Blei-, Kupfer-,
Quecksilberpräparaten, ferner bei Phosphor und Arsenik u. A. 2 ).
3. Die kranken Organe von Thieren, welche sonst noch minder-bank-
werthiges Fleisch liefern und auf die Freibank gehören (siehe oben),
also z. B. die Gehirne mit Coenurus cerebralis, Lebern mit Egeln
oder Echinococcen, Lungen mit Tuberkeln, vereinzelte Krebs- oder
Sarcom- oder Actinomycosegeschwülste etc. Ebenso auch diejenigen
Theile, welche auf dem Fleischmarkte als zu den sub 1. und 2. auf¬
geführten Thieren gehörig constatirt werden, z. B. finnige und
trichinöse Speckseiten, rotziges Fleisch etc.
4. Alles faule und sonst verdorbene Fleisch, wohin auch gleich be¬
schaffene Conserven, Fische, Crustaceen und dergleichen Dinge
gehören.
5. Die Abgänge, Blut, Excremente etc. der sub 1. genannten Thiere.
Methoden der Abdeckerei.
Wenn nun alle vorgenannten Gegenstände auch durch Abdeckerei zu
beseitigen sind, so bleibt für die Wege, auf welchen dies zu geschehen hat,
doch immer noch eine gewisse Breite, welche von der Gefährlichkeit der
einzelnen Stoffe abhängt.
Die hierbei in jeder Beziehung vollkommenste Methode, welche
beiden Interessensphären, sowohl der pecuniären sowie der hygienischen,
Rechnung trägt, ist die Beseitigung der Cadaver etc. mittelst der sub 3.
(S. 234 bis 230 ff.) beschriebenen Apparate, die sogenannte thermochemische
Verarbeitung der Cadaver. Es ist indessen bereits ausgeführt, dass beson¬
ders zu diesem Zwecke eingerichtete Anstalten wohl nur grosse und reiche
Städte werden besitzen können.
Nobbe - Niedertopfstedt 3 ) wollte in seinem bereits mehrfach erwähnten
Referate in der Sitzung des Deutschen Landwirthschaftsrathes nur diesen
Etablissements mit thermochemischen Apparaten, welche er mit dem Namen
von Abdeckereien erster Classe belegt, die Berechtigung zugestehen, Thiere,
*) Vierteljahrsschrift f. ger. Med., N. F., Bd. XL, S. 149. Vergl. ausserdem S. 242
dieser Arbeit.
2 ) Ger lach, Die Fleischkost, S. 83.
Areh. d. D„ Landwirthschaftsrathes, V. Jahrg. 1881, Heft 6, S. 191 u. 192.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
welche an Rinderpest, Milzbrand und Pockenkrankheit verendet, bezw. desshalb
getödtet sind, zu verarbeiten (und zwar nur thermochemisch). Auch die an
Rotz und Tollwuth verendeten Thiere sollten lediglich diesen Anstalten zufallen,
wenn nicht ihre anderweitige Beseitigung von dem zuständigen Kreisthierarzte
genehmigt wäre.
Nächst diesen besonders zu diesem Zwecke eingerichteten Anstalten
würden — aber nur unter der Voraussetzung der Ermöglichung einer
strengen amtlichen Controle derselben und in der Voraussetzung des
Besitzes angemessener Apparate — Knochen-, Leim- und Seifensiede¬
reien, sowie Poudrette- und Düngerfabriken kommen ] ).
Unter Zuhülfeuahme dieser Einrichtungen würde sich allerdings ein
Verwerthen vieler Cadaver ermöglichen lassen.
„Denn es handelt sich dann“, wie Bollinger 2 ) sagt, „nur darum, dass die
Stadt mit den Besitzern derartiger Anstalten Verträge abschliesst, worin die
Fabrikanten sich verpflichten, gegen Lieferung der Cadaver dieselben sämmtlich
unschädlich zu machen.“
Auch auf dem Lande würde dies nach dem genannten .Gewährsmanne sehr
wohl möglich sein, wofür er Folgendes als Beweis anführt: „In einzelnen
Theilen Schwabens und Badens haben sich mehrere Gemeinden zusammengethan
und lassen ihre Thiercadaver in solche Fabriken transportiren oder sie legen
grosse wasserdichte Gruben an, in welche sie die Thiercadaver bringen, chemisch
vernichten, um sie dann zur DüQgerfabrikation zu verwenden.“
Leider aber existiren derartige Fabriken nicht überall.
Indessen auch auf einfachere Weise lässt sich die chemische Ver¬
nichtung erreichen.
Es ist dies in der von Sombart auf Ermsleben geübten Weise durch
Kochen mittelst Schwefelsäure 3 ). Bekanntlich vernichtet nach den Unter¬
suchungen Davaine’s 4 ) die Schwefelsäure, im Verhältnisse von 1 : 1000
bis 1: 5000 dem verdünnten Milzbrandblute «ugesetzt, dessen Infectiosität.
Allerdings ist hierbei stillschweigende Bedingung, dass auch die Schwefel¬
säure wirklich mit allen Theilen der zu zerstörenden infectiösen Massen
zusammenkomme. Dies wird aber nur bei einer gründlichen stunden¬
langen Durchkochung der betreffenden zerkleinerten Cadaver zu
erreichen sein. In ähnlicher Weise sind auch Salzsäure, Aetznatron und
Chilisalpeter angewandt, bezw. empfohlen worden 5 ).
Ein einfaches Ueber giessen der Cadaver mit Schwefelsäure oder
auch, wie dies vielfach üblich ist, eine einfache handhohe Ueberstreuung
derselben mit frischem Kalk, Chlorkalk, Uebergiessen mit
Petroleum, Carbolsäure, Sublimat etc. ist dagegen ganz unzureichend,
wenn man auch nachher die Cadaver verscharrt. Denn in ihrem Inneren
bleiben die infectiösen Stoffe doch unberührt; ja es ist sogar nur nöthig,
*) Arch. d. D. Landwirthschaftsrathes, V. Jabrg., Heft 6, S. 192.
2 ) O. Bollinger, Ueber die Gefahren, welche der Gesundheit des Menschen von kran¬
ken Hausthieren drohen. (Separatabdruck aus der Deutschen Zeitschr. f. Thiermedicin und
vergleichenden Pathologie, Bd. III, Heft 1 u. 2, 1876, S. 52.)
8 ) S. 222 dieser Arbeit.
4 ) Bollinger, Zoonosen in Ziemssen’s Handbuch, Bd. III (1876), S. 523.
ft ) Dr. E. Kopp, Leichenverbrennung und Leichenbestattung. Vierteljahrsschrift für
öffentliche Gesundheitspflege. Bd. VII, S. 8. bis 10.
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Dr. Richard Welimer,
dass man z. B. die Kalkniasse wegkratzt, vielleicht auch noch die oberfläch¬
lichsten Schichten des Cadavers entfernt, nm diesen dann in beliebiger
Weise, selbst als Nahrangsmittel, verwerthen zu können.
Und was hier von Milzbrand gesagt ist, gilt auch von den anderen
Viehseuchen.
Lässt sich nun aber eine thermochemische Verarbeitung nicht herbei¬
fuhren , oder aber reicht sie, wie bereits früher ausgefuhrt ist, quantitativ
nicht aus, so müssen andere Methoden an ihre Stelle treten.
Vom hygienischen Standpunkte ist in solchen Fällen als das gründ¬
lichste und Schädlichkeiten am besten beseitigende Mittel die Feuerver¬
brennung zu betrachten.
Da indessen hierbei die Zerstörung eine derartige ist, dass bei der fast
vollständigen Werthlosigkeit der Asche jede weitere Benutzung der Reste
für die Zwecke der Landwirtschaft oder Industrie ausgeschlossen ist, so
wird man die Feuerbestattung auch nur auf die Fälle beschränken, in
welchen eine anderweitige Verarbeitung ernste Gefahren in sich schlösse.
Es kann daher vom wissenschaftlichen Standpunkte aus keinerlei Be¬
denken unterliegen, dass z. B. von trichinösen und finnigen Schweinen das
Fett durch Ausschmelzen für den Genuss gewonnen wird.
Eulenberg 1 ) sagt hierüber: „Nach dem durch Verfügung des Ministeriums
der geistlichen etc. Angelegenheiten vom 18. Januar 1876 mitgetheilten Gut¬
achten der wisBeuchaftlichen Deputation für das Medicinalwesen (Berl. klin.
Wochenschr. 1876, Nr. 6) kann das ausgeschraolzene Fett (Schmalz) völlig frei
gegeben werden, also auch für den Gebrauch als menschliches Nahrungsmittel;
es bedarf dazu gar keines Zusatzes, weder der Schwefelsäure, noch eines anderen
Mittels. Das Ausschmelzen oder Ausbraten ist dem Auskochen vorzuziehen, da
höhere Hitzegrade dabei auf das Fleisch und Fettgewebe einwirken. Ebenso
unterliegt es keinem Bedenken, anderweitige Verwendungen der trichinösen
Schweine zur technischen Verart>eitung zuzulassen, z. B. zur Seifen- und Leim¬
bereitung. Die Verwendung der Borsten und der Haut bringt nicht die geringste
Gefahr mit sich. Wo zweckmässige Anstalten zur chemischen Verarbeitung des
ganzen Thieres bestehen, da ist es in jeder Beziehung ungleich besser, die
Schweine ganz und gar in die Fabrik zu liefern und verarbeiten zu lassen, als
sie zu vergraben, auch wenn sie vorher gekocht sind; denn erfahrungsmässig
wird das Kochen häufig nicht lange genug fortgesetzt und das Vergraben
schützt trotz des Bedeckens mit Kalk nicht ganz vor unterirdischen fleisch¬
fressenden Thieren. Jedenfalls wäre das Verbrennen dem Vergraben bei
Weitem vorzuziehen. a
Die beste und gründlichste Verbrennung wird zweifellos in einem
Siemen8'solien Verbrennungsofen, sowie in analogen Apparaten, z. B.
denen von Polli und Brunetti, bewirkt. — Da indessen derartige Appa¬
rate nur mit sehr grossen Kosten hergestellt werden können und in Folge
dessen nur vereinzelt in Deutschland existiren, so ist es praktisch gegen¬
wärtig nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Oefen, von manchen ander¬
weitigen, besonders kirchlichen Bedenken abgesehen, für unsere Frage in
Betracht kommen könnten. — Ausserdem würden auch sie voraussichtlich
den Mangel haben, für den Fall einer grösseren Epidemie nicht auszu¬
reichen.
] ) Lehrbtnh der Gewerbehygiene. Berlin 1876, S. 871.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
247
Den gleichen Nachtheil dürften auch transportable Verbrennungs¬
öfen haben, wie sie analog den in jüngster Zeit vielfach besprochenen
transportablen Dampfdesinfectionsapparaten von Prof. Reclam *), Prof, von
Rueff und — bei Gelegenheit der XL. Generalversammlung des Vereines
Pfälzer Thierärzte zu Kaiserslautern am 26. 8. 1882 — von dem Bezirks¬
thierarzt Werner 2 ) vorgeschlagen worden sind.
Diese Apparate würden dann wie bei einem Brande die Dorfspritzen
von Dorf zu Dorf gefahren werden und vermuthlich die bekannten Uebel-
stände derselben, im Gebrauchsfalle nicht zu functioniren etc., ebenfalls
aufweisen. Ausserdem liegt auch die Befürchtung nahe, dass sie analog
den alten Geburtsstühlen die Ansteckungsstoffe auf ihren Reisen von einem
Orte zum anderen weiter tragen könnten.
Es wird daher die einfache offene Verbrennung der Cadaver bei
hellem Feuer sich erheblich mehr empfehlen. Bekanntlich ist dieselbe
nicht nur in Lenggries 3 ) in Folge des oberpolizeilichen Gebotes bei den
Milzbrandcadavern mit sehr günstigem Erfolge ausgeübt worden, sondern
auch in Japan bei Choleraleichen von Menschen gebräuchlich 4 ). Ebenso
sind auch Massenverbrennungen der Kriegerleichen auf den Schlachtfeldern
der Jahre 1870 und 1871 von Seiten der belgischen Regierung nach Cr6-
teur’s Verfahren mit günstigem Erfolge ausgeführt worden 5 ).
Alle diese Verbrennungen, welche in Japan allerdings in grossen hallen¬
artigen Häusern angestellt werden, ebenso gut aber auch im Freien vor¬
genommen werden können, werden von Augenzeugen als sehr leicht vor¬
nehmbar und mit wenig Kosten verbunden dargestellt. So schreibt
Dammann 6 ) über das in Lenggries geübte Verfahren:
„Zur Ausführung der Verbrennung wird aus Holz uud Gesträuch ein Rost
hergerichtet, der Cadaver zerstückelt, die einzelnen Theile desselben auf den
Rost gelegt und angezündet. Bei genügendem Holzvorrath hat die Verbrennung
gar keine Schwierigkeiten geboten, sich im Gegentheil als weit weniger mühsam
und zeitraubend erwiesen als das Vergraben. Innerhalb 12 Stunden war der
Cadaver eines grossen Rindes völlig verkohlt, kleinere und unerwachsene Thiere
in viel kürzerer Zeit. (Bollinger), über die Milzbrandseuche in den bayeri¬
schen Alpen. Deutsches Archiv f. klin. Med. von Ziemssen und Zenker,
Bd. XIV, Heft 3 und 4.) In holzreichen Gegenden verdient diese Maassregel
sonach zweifellos die vollste Beachtung, weil sic eine sichere Vernichtung des
AnBteckungsstoffes gewährleistet.“
Aehnlich günstige Erfolge werden von den Menschenverbrennungen aus
Japan berichtet.
*) Wernher, Die Bestattung der Todten. Giessen, J. Rickersehe Buchhandlung, 1880,
S. 181.
2 ) Adam’s Wochenschrift für Thierheilkunde 1882, S. 439.
3 ) Bollinger, Zoonosen, in Ziemssen’s Handbuch, Bd. 111, S. 523.
4 ) Aus dem Sanitary Record, April 1883, Ref. V. f. ger. Medicin, XL. Bd. (1884),
S. 414 bis 415, ferner: Die Leiehenverbrennung in Japan, deren Geschichte und gegen¬
wärtiger Zustand. Nach Dr. T. W. Beukema, D. V. f. öff. Ges. Bd. 13, 8.592 bis 598.
B ) Küchenmeister, Die verschiedenen Bestattuugsarten menschlicher Leichname.
V. f. ger. Med. XLIII. Bd., 2. Heft, S. 335.
6 ) Die Nothwendigkeit und die Grundzüge eines einheitlichen Viehseuchengesetzes für
das Deutsche Reich. Von Prof. Dr. D a ra m an n - Eldena. Berlin, Wiegandt, Hempel u.
Rarev, 1875.
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248
Di*. Richard Wehmer,
Ueber das Creteur’sche auf den Schlachtfeldern bei Sedan geübte Ver¬
fahren schreibt Küchenmeister 1. c. Folgendes:
„Auf die blossgelegten (ausgegrabenen) Leichen (in den Gruben) streute man
zunächst Chlorkalk und liess so viel als möglich Theer in die Gruben zwischen
die Leichen fliesseu. Dann zündete man durch in Petroleum getauchte Stroh¬
bündel die ganze Masse an vielen Orten zugleich an. Eine ungeheure schwarze
durch den Zusatz von Chlorkalk geruchlos gewordene Rauchwolke entwickelte
sich unter enormer Hitze aus den Gruben. In 55 bis 60 Minuten war in den
grössten Gruben der Verbrennungs- (Reductions-) Process der Leichen be¬
endet.
„Auf 250 bis 300 Menschenleichen brachte man in die grösseren Gruben
5 bis 6, in kleineren mit 30 bis 40 Leichen verhältnissmässig mehr (2 Tonnen)
Theer. Für einen Leichnam wurden etwa 15 ccm verwendet.
„Aus den Gruben war aller Geruch verschwundeu. Hierauf deckte man die
Knochen mit ungelöschtem Kalk, warf Erdhügel darüber auf und säete in diese
Hanf oder Hafer.“
Etwas anders klingt freilich der Bericht Wernher’s 1 ) über diese Verbren¬
nungen. Derselbe sagt: „Nach zwei Stunden waren die dickeren Fleischtheile
immer noch nicht verkohlt, sondern nur oberflächlich geröstet und mit einer
Pechschicht bedeckt, welche das Eindringen der Verbrennung erschwerte. Auch
tiefe Einschnitte halfen wenig. Das Verfahren erwies sich als zu zeitraubend
und zu kostspielig.“
Unseres Erachtens würde auch ein derartiger Erfolg immer noch Vor¬
theile vor dem einfachen Vergraben bei Seuchencatfavern haben.
Uebrigen8 wird diese ganze Frage, welche in das Gebiet der Leichen-
verbrennung überhaupt überleitet, leider noch mit so grosser Animosität
pro et contra behandelt, dass es nicht opportun für den gegenwärtigen
Zweck erscheint, zu sehr in die Details einzugehen. — Ebenso erscheint es
auch überflüssig, die complicirteren Methoden, z. B. 2 ) Verbrennung auf
Platinrosten (E. II. Richter) mittelst Leuchtgases oder Knallgases noch
zu behandeln, da für die Seuchencadaver doch nur die einfachsten und
billigsten Methoden in Anwendung kommen könnten.
Derartige Verbrennungen sind nun gegenwärtig nicht nur in Deutsch¬
land durch das Reichsseuchengesetz für Milzbrandcadaver, sondern auch
für Jtalien 3 ), Holland 4 ) und andere Länder vorgeschrieben.
Selbstredend sind diese Verbrennungen wegen ihrer Fenergefährlichkeit
nicht überall anwendbar; jedenfalls sind die offeuen Verbrennungen niemals
in grossen Städten oder in der Nähe von Gebäuden, grossen Waldungen
und dergl. möglich; um so mehr passen sie für grosse und wenig bewohnte
Gegenden, für das Gebirge etc.
In den Städten wiederum wird es dafür nicht allzu schwer sein, wenig¬
stens die einfachsten chemischen Methoden (Kochen mit Schwefelsäure etc.)
anzuwenden.
Was endlich die gebräuchlichste und beliebteste, weil einfachste Me¬
thode anbetrifft, das Verscharren oder Vergraben, so ist bereits im
Früheren ausführlich nachgewiesen worden, welche Nachtheile dieselbe mit
*) Wernher, Die Bestattung der Todten, S. 182.
2 ) Wernher, Die Bestattung der Todten, S. 88.
3 ) tiiornule della soc. ital. dig. (Mailand) III, 538.
4 ) Veröflfentl. des Kaiserl. Gesundheitsamtes, X. Jahrg. (1886), Nr. 34, S. 495.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
249
sich bringt. — Das Reichsviehseuchengesetz nennt sie daher z. B. bei der
Beseitigung der Milzbrandleichen auch erst in zweiter Linie, während auffal¬
lender Weise das Rinderpestgesetz, das allerdings vor bereits 17 Jahren
erlassen ist, sie allein anführt. — Ueberdies ist sie vielfach wegen der
Bodenverhältnisse gar nicht durchführbar.
Es ist daher wünschenswerth, das Vergraben, besonders von
Seuchencadavern, so sehr als irgend möglich, zu beschränken,
jedenfalls dem Vergraben einen Verbrennungsact oder einen Vernichtungs¬
act durch Kochen mit Chemikalien (Schwefelsäure) vorauszuschicken, was,
wie bereits gezeigt, nicht mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft ist
und desshalb wohl immer durchführbar sein dürfte.
Vollständig verbieten würde sich ja, selbst wenn die Bestim¬
mungen des Rinderpestgesetzes entsprechend geändert würden, wenigstens
zunächst das einfache Vergraben leider nicht lassen. Vielleicht ist
es einer späteren Zeit Vorbehalten, dies zu thun.
Dagegen müssten in solchen Fällen alle nur denkbaren Vorsichts¬
maassregeln, Einhacken des zerstückelten Körpers in den Erdboden, Begiessen
mit Carbolsäure, Theer, Petroleum und dergl., reichliches Umgeben mit
frischem Kalk etc. angewandt werden. — Das Vergraben müsste auf den
bereits früher besprochenen Wasenplätzen geschehen, welche bei Be¬
nutzung der von uns als besser angeführten Methoden als Verscharrungs¬
orte in Wegfall kommen könnten, da ja hier die letzten Reste durchaus
unschädlich werden. — Auch die Eventualität, einmal grössere Wasenplätzo
in der Tiefe zu drainiren, kann in Frage kommen J ).
Die Person des Abdeckers.
Wenngleich bei eventueller Neuregelung der Verhältnisse anscheinend
die Abdecker vollständig überflüssig sind, da das Reichsgesetz, besonders
für den Fall eines Viehseuchenausbruches, die Sorge für die Beseitigung
der Cadaver den einzelnen Gemeinden auferlegt, so dürfte es doch praktisch
empfehlenBwerth sein, wenn von Seiten derselben, bezw. den Polizeiver¬
waltungen, besondere Beamte dafür angestellt würden.
Es erscheint dies desshalb nothwendig, da im Einzelfalle oft, besonders
auf dem Lande, sich thatsächlich Niemand findet, der die nothwendigen
Beseitigungsarbeiten vornehmen will. Ganz analoge Verhältnisse sind ja
J ) Vergl. hierüber: Projet de creation d’un nouveau cimeti&re k Boulogne-sur-Seine
par P. Brouardel (Ann. d’hyg. publ. et de med. 16g. 3. serie, tome XVI, Nr. 4, p. 289
— 309). Ferner: Ueber die hygienischen Anforderungen an Anlage und Benutzung der
Friedhöfe. Von Prof. Fr. Hof mann und Med. -Rath Siegel. D. V. f. öffentl. Ges.
Bd. XIV, S. 11 bis 32.
Weiter: Kuby, Die hygienischen Anforderungen an Anlage und Benutzung der Be-
gräbnissplätze. (D. V. f. öff. Ges. Bd. XIV, S. 462 bis 480.)
Breitung, Ueber neuere Leichenanstalten. Deutsche Med.-Zeitung, 1886, S. 221
und 285, 531.
Frank, Ueber die Mikro-Organismen des Erdbodens etc., ibidem, S. 1115 und 1123.
Soyka, „Der Boden“ in Pettenkofer & Ziemssen’s Handbuch.
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250
Dr. Richard Wehmer,
bekanntlich nur zu oft bei den gerichtlichen Sectionen der Medicinalbeamten
zu beobachten, wo sich oftmals nur gegen unverhältnissmässig hohe Be¬
lohnungen Leute zum Transport etc. der Leichen herbeilassen.
Die als Abdecker anznstellenden Personen würden dann auch den
Thierärzten bei ihren Sectionen zu assistiren haben J ), da dieselben gegen¬
wärtig dabei wegen deB Mangels einer angemessenen Hülfe oft in die
grösste Verlegenheit gerathen.
Keineswegs können aber hierzu ohne Weiteres die bisherigen Abdecker
mit ihren alten Zwangs- und Bannrechten oder sonstigen Privilegien benutzt
werden, da die Polizei eben dieser Privilegien wegen nicht in der Lage ist,
ihre Thätigkeit durchgehends in die richtigen Bahnen einzulenken. Die
alten Privilegien müssten vielmehr abgelöst und die neuen
Abdecker lediglich als besondere Beamte der Polizei künd¬
bar angestellt werden.
Die Thätigkeit dieser neuen Abdecker würde durch eine genaue
Instruction zu regeln sein.
Von den wichtigsten, bisher nicht oder nur beiläufig erwähnten Punkten
einer solchen sei hervorgehoben, dass die Abdecker nicht Schweine hal¬
ten, dass sie nicht Hunde bei Abholung irgend welcher Cadaver mit sich
führen dürften, dass sie gezwungen wären, genaue Bücher zu führen,
welche über den Verbleib der eingelieferten Cadaver Aufschluss gäben, dass
sie, wie übrigens bereits für Seuchencadaver durch das Reichsviehseuchen¬
gesetz geschehen, die Anzeigepflicht auf das Strengste zu erfüllen hätten,
dass der Transport der Thiercadaver nur in gut verschlossenen
Kastenwagen stattznfmden hätte, dass sie die Milzbrandcadaver dabei
stets mit Erde zu bedecken hätten, dass die Abholung, wenigstens an
verkehrsreichen Plätzen, zur Nachtzeit zu geschehen hätte n. dergl. mehr.
Stets müsste ferner der Abdecker, besonders nachdem er mit Seuchen-
cadavern zu thun gehabt hat, sich und seine Kleidung sorgfältig desinficiren.
Recht zweckmässig ist in dieser Beziehung die Mindener Polizeiverordnung
vom 28. September 1885, welche den Abdeckern in §.16 verbietet, die
Abdeckerei in ihren Arbeitskleidern zu verlassen, ferner die Berliner Polizei¬
verordnung vom 28. September 1876 u. A.
Die Frage, für wie viele Orte je ein Abdecker anzustellen wäre, ebenso
die Einrichtungen der Abdeckereien selbst müssten dem localen Bedürfniss
entsprechend unter Berücksichtigung der vorstehend ausgeführten Normen
geregelt werden. Hierbei würde aber dafür zu sorgen sein, dass die
Herbeirufung des Abdeckers für das Publicum nicht mit allzu grossen
Schwierigkeiten verknüpft ist, z. B. durch Verbindung der Abdeckereien mit
Fernsprechapparaten ermöglicht wird u. A., sowie dass kleinere Thiere
oder Cadaver, wie Hunde, Katzen, leicht selbst vom Publicum abgeliefert
werden könnten. Hierfür würden in grossen Städten, wie dies bereits an
einzelnen Orten der Fall ist, in der Mitte der Stadt oder auf dem Lande
in jedem der zu einem Abdeckereibezirke gehörenden Dörfer Annahme¬
stellen einzurichten sein, die aber niemals zu einer vollständigen Ab-
J ) Conf. Zündel, Der Gesundheitszustand der Hausthiere, 1882, S. 110 u. 111;
1881, S. 100 u. 101.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien. 251
deckerei Auswachsen dürften; vielmehr müsste dafür gesorgt sein, dass in
wenigen Stunden die Cadaver von hier weiter geschafft würden.
Dass die fortwährende sorgfältigste Controle dieser Annahmestellen,
die eigentliche Seuchencadaver niemals würden aufnehmen
dürfen, nothwendig wäre, ist selbstverständlich, da sie sonst leicht eine
Quelle weiterer Infectionen bilden würden. Trotzdem würden sie nicht gut
zu entbehren sein, da anzunehmen ist, dass das Publicum sonst überhaupt
die Hülfe der Abdecker verschmäht, wenn ihm deren Erreichung zu schwer
gemacht wird.
Die anscheinenden Schwierigkeiten, welche die Bestimmungen
über die Rinderpest und die Möglichkeit einer Verschleppung
derselben durch die Person des Abdeckers bereiten könnten,
dürften sich durch häufige und angemessene Desinfectionen desselben leicht
beseitigen lassen. Ueberdies würden die Nachtheile reichlich aufgewogen
durch die grössere Sachkenntniss und Geschicklichkeit, mit
welcher die angestellten Abdecker im Gegensätze zu beliebigen anderen
Personen die verschiedenen Verrichtungen ausführen würden, wodurch auch
eine grössere Garantie für ordentliche Durchführung der bezw. Maassregeln
gegeben wäre.
Im Allgemeinen würde man sich sehr wohl an die in dieser Beziehung
getroffenen und bereits bewährten neuen Einrichtungen in Baden und
Württemberg anlehnen können.
Fleischversorgung.
Insoweit die Abdeckereifrage in die Frage von der Fleisch Versorgung
hineinragt, würde sich Folgendes empfehlen:
Zur Beseitigung der hygienischen Nachtheile, welche eventuell durch
die gegenwärtige Lage der Gesetzgebung, betreffend den Verkauf des
Fleisches von verstorbenen Thieren, in Folge des S. 232 citirten Resoluts
des Reichsgerichtes entstehen könnten, wenn der Inhalt des letzteren in
weitere Kreise dränge, schlägt Dieterich Folgendes vor:
„Die Handhabe zur Beseitigung derselben ist in der Gesetzgebung geboten
und zwar in §. 5, Nr. 3 des Gesetzes vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr
mit Nahrungsmitteln etc., welcher lautet: „Für das Reich können durch Kaiser¬
liche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrath es zum Schutze der Gesund¬
heit Vorschriften erlassen werden, welche verbieten ... 3) das Verkaufen und
Feilhalten von Thieren, welche an bestimmten Krankheiten leiden, zum Zwecke
des Schlachtens, sowie das Verkaufen und Feilhalten des Fleisches von Thieren,
welche mit bestimmten Krankheiten behaftet waren.“ Es bedürfte somit nur
des Erlasses einer solchen Verordnung, wonach der Verkauf des Fleisches von
gefallenem und krankem Vieh nur dann gestattet wird, wenn durch einen Sach¬
verständigen bescheinigt wird, dass der Genuss dieses Fleisches keinen Nach¬
theil für die menschliche Gesundheit hat.“
Beiläufig sei hier auch bemerkt, dass die Fleischschau häufig
dem Wildpret eine verhältnissmässig zu geringe Aufmerk¬
samkeit schenkt. Man lässt z. B. oft genug beim Wilde ruhig die Fäulniss
(haut goüt) zu; ausserdem aber sprachen z. B. die Trichinenschau-Verord-
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252
Dr. Richard Wehmer,
nungen meist nur von „geschlachteten Schweinen“, während doch
die „geschossenen Wildschweine“ ebenso gut die Trichinose verbreiten
können *).
Zur Hintanhaltung weiterer Nachtheile würde eine strenge Beob¬
achtung der Anzeigepflicht von besonderer Wichtigkeit sein. Doch
müsste dieselbe nicht, wie jetzt schon durch das Reichsviehseuchengesetz
vorgeschrieben ist, auf das an Seuchen verendete, sondern überhaupt auf
alles gefallene Vieh sich erstrecken.
Als ideales Endziel der ganzen Fleischversorgungsfrage würde Bchliess-
lich immer die Einführung eines allgemeinen Schlaclitliauszwanges und
einer allgemeinen ofüciellen Fleischschau zu erstreben sein.
Vorläufig aber wiirde mindestens für alle Nothschlachtungen die
Untersuchung des kranken Thieres durch einen Thierarzt oder eventuell
durch einen empirischen Fleischbeschauer, wie dies z. B. im Unter-Eisass
üblich ist, und die Genehmigung desselben zum Verkaufe des Fleisches als
Nahrungsmittel erforderlich sein.
Es werden sich daher, wenn man ein kurzes Resume noch einmal ziehen
will, die verschiedenen von der Wissenschaft von einem rationell betriebenen
Abdeckereigewerbe zu verlangenden Forderungen am besten ausdrücken
lassen, wenn wir uns die Resolutionen des Deutschen Veterinärrathes und des
Deutschen LanwirthBchaftsrathes noch einmal ins GedächtniBS zurückrufen.
Der Deutsche Veterinärrath erklärte in seinerSitzung vom 4. August
1878 zu Hannover 2 ):
Die gesetzliche Regelung der unschädlichen Beseitigung thierischer
Cadaver und Cadavertheile ist ein Bedürfniss.
Bei dem Erlasse bezüglicher veteriuärpolizeilicher Vorschriften sind folgende
Grundsätze zu beachten:
1 .
Jeder Thierbesitzer, welchem ein Hausthier fallt, hat innerhalb 12 Stunden
nach eingetretenem Tode, jedenfalls vor Beseitigung des Cadavers, der Orts¬
polizeibehörde Anzeige darüber zu erstatten.
Besteht der Verdacht einer ansteckenden Krankheit, so hat die Ortspolizei¬
behörde die Beiziehung des beamteten Thierarztes zu veranlassen.
2 .
Jedem Eigenthümer eines gefallenen oder getödteten Thieres ist, sofern er
dasselbe nicht einem Abdecker oder einem Anderen überlassen will, gestattet,
dessen Bestandtheile nach seinem Ermessen zu benutzen oder zu verwerthen,
soweit nicht durch anderweitige Bestimmungen deren Benutzung ausgeschlossen ist.
*) Vergl. Polizei Verordnung für die Provinz Brandenburg, betreffend die Untersuchung
des Schweinefleisches auf Trichinen, vom 17. März 1886.
2 ) Bericht über die am 3. und 4. August 1878 in Hannover statt gefundene IV. Ver¬
sammlung des Deutschen Veterinärrathes. Augsburg 1879, W. Lüderitz, S. 48 u. 49.
Ferner: Dr. Ulrich, Die Regelung des Abdeckereiwesens in Bezug zum Viehseuchengesetz.
Augsburg 1881, W. Lüderitz, S. 5 u. fi.
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Ueber Abdecker und Abdeckereien.
253
3.
Sofern der Eigenthtimer seine gefallenen oder getödteten Thiere selbst zu
verwenden oder vorschriftsmässig zu beseitigen nicht in der Lage oder nicht
gewillt ist, tritt diö polizeiliche Fürsorge der Gemeinde ein. Das letztere ist
auch der Fall, wenn der Eigenthümer eines gefallenen Thieres nicht bekannt ist.
4.
Jede Gemeinde ist verpflichtet, für sich oder in Gemeinschaft mit benach¬
barten Gemeinden für einen entsprechenden Verscharrungsplatz (Wasenplatz)
mit den erforderlichen Einrichtungen zu sorgen.
Die Verscharrungsplätze der Gemeinden oder von Privaten sollen, soweit es
thunlich, 200 m von Wohngebäuden, Quellen, Bäumen und wenigstens 100 m von
öffentlichen Wegen, gemeinschaftlichen Tummel- oder Weideplätzen entfernt sein.
5.
Die Beseitigung der Cadaver von Thieren, welche an einer ansteckenden
Krankheit nicht gelitten haben, soll nicht über 24 Stunden verschoben werden.
Am zweckmässigsten werden die Cadaver durch chemische Zerstörung oder
hohe Hitzegrade (z. B. Kochen, Verbrennen) unschädlich gemacht. Die Ver¬
grabung der Cadaver ist nur dann für statthaft zu erachten, wenn die erstbezeichnete
Verwerthung unausführbar ist.
6 .
Das Abledern, Oeffnen und Zerlegen von Cadavern solcher Thiere darf, in-
soferne die Vorschriften der Seucheordnung nicht anders bestimmen, ausser in
geschlossenen Räumen nur auf der Wasenstätte oder dem Verscharrungsplatze
vorgenommen werden.
7.
Die Gemeinden oder Gemeindeverbände haben für die geeigneten Arbeits¬
kräfte zum Abledern, Oeffnen u. s. w. der Cadaver Sorge zu tragen. (Hier
würde ich eventuell für einen Zusatz der Worte „durch Anstellung eines Ab¬
deckers“ sein. Verf.)
8 .
Die Verpflichtung zur Anzeige ansteckender Kranheiten bei gefallenen oder
getödteten Thieren liegt sowohl den Thiereigenthümern als auch allen jenen ob,
welche sich mit der Ausnutzung und Verwerthung der Cadaver gefallener oder
getödteter Thiere befassen. (Ist jetzt gesetzliche Bestimmung. Verf.)
9.
Auf die Cadaver von Lämmern, jungen Ziegen, Saugferkeln, Geflügel, Katzen
und Hunden, sowie auf todtgeborene Hausthiere jeder Art finden vorstehende
Grundsätze keine Anwendung.
Der Deutsche Landwirthschaftsrath beschloss am 18. Januar 1881
Folgendes:
„Der Deutsche Landwirthschaftsrath erklärt eine einheitliche Regelung des
Abdeckereiwesens in ähnlicher Weise, wie es bei dem Reichsviehseuchengesetze
geschehen ist, durch die Reichsgesetzgebung, bezw. Landesgesetzgebung aus
sanitäts- und veterinärpolizeilicben, sowie aus wirtschaftlichen Gründen für ein
Bedürfhiss.
I. Bei dem Erlass eines bezüglichen Gesetzes ist ganz besonders darauf
Rücksicht zu nehmen:
1. Dass die polizeiliche Anzeigepflicht der Viehbesitzer nicht auf die an der
Seuche gefallenen resp. getödteten oder der Seuche verdächtigen Thiere
beschränkt, sondern auch auf den Abgang oder die Nothtödtung sämmt-
licher zu landwirtschaftlichen Zwecken benutzten grösseren Hausthiere
(einschliesslich Schafe und Schweine) ausgedehnt werde.
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254 Dr. Richard Wehmer, Ueber Abdecker uud Abdeckereien.
2. Dass das abgehende Vieh eine entsprechende möglichst hohe Verwerthung
im Interesse des Besitzers finde, soweit es mit Rücksicht auf die sanitäts-
polizeilichen Vorschriften möglich ist.
II. Die in einzelnen Staaten für Abdeckereien noch bestehenden Zwangs¬
und Bannrechte sind aufzuheben resp. zur obligatorischen Ablösung zu bringen 1 ). a
Wie man sieht, ergänzen sich beide Resolutionen in gewisser Weise
und geben so zusammen ein kurzes und prägnantes Bild der ganzen An¬
gelegenheit.
Es ist bereits erwähnt, dass in Baden und Württemberg in letzter Zeit
das Abdeckereiwesen gesetzlich neu geregelt ist; die dortigen Einrichtungen
dürften daher bei Regelungen in auderen Gegenden werthvolle Anhalts¬
punkte geben. — Fernerhin würden solche in den Entwürfen von Ab¬
deckereiordnungen zu finden sein, wie sie für den Veterinärrath von
dem Veterinärassessor Dr. Ul rieh-Breslau *) und für den Landwirthschafts-
rath von dem Oekonomierath N o b b e - Niedertopfstedt 8 ) ausgearbeitet
worden sind.
Ein genaueres Eingehen auf dieselben würde aber zu weit führen.
Hoffen wir, dass auch in diesen Dingen eine nicht allzu ferne Zukunft
unserem deutschen Vaterlande die gewünschte Einheit und Regelung der
Verhältnisse bringen möge!
l ) Archiv des Deutschen Landwirthschaflsraths, V. Jahrg. 1881, Heft 6, S. 238.
a ) Bericht über die Verh. d. D. Veterinärrathes, 1. c. S. 66 bis 74.
3 ) A. d. D. Landwirthschaftsrathes, I. c. S. 188 bis 193.
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Di'. Pullniami, Verunreinigung des Wassers etc.
255
Zur Frage der Verunreinigung des Wassers durch
bleierne Leitungsröhren.
Von Dr. Pullmann (Offenbach a. M.).
Unter dem Titel „Bleiröhren zur Wasserleitung“ veröffentlicht
E. Reichardt (Jena) im 4. Hefte des XVII. Bandes der Deutschen Viertel¬
jahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege eine Abhandlung, die er selbst
als Entgegnung auf die von A. Hamon in Paris unter der Ueberschrift
„Hygiene publique (Etüde sur les eaux potables et le plomb , Paris 188 l) u
herausgegebene, dasselbe Thema behandelnde Broschüre bezeichnet, und
womit er beabsichtigt, „diese hygienisch so wichtige Frage wiederum klar
zu stellen“. — Ob dieser beabsichtigte Zweck erreicht wird, muss ich nach
Kenntnissnahme untenstehender Erfahrungen und Versuche dem Urtheile
der Fachmänner überlassen, stehe aber nicht an, vom Standpunkte des
praktischen Arztes aus es zu verneinen.
Die Literatur über unser Thema schwillt von Jahr zu Jahr an * v de facto
bestehen seit Jahrhunderten Wasserleitungen, zu denen Bleirohre ohne
merklichen Schaden für die Gesundheit der das betreffende Wasser Geniessen¬
den benutzt wurden und werden (z. B. in Altenburg, Berlin, Bochum, Dan¬
zig, Dortmund, Essen, Frankfurt a. M., Halle, Hannover, London, Paris,
Posen, Rostock, Steele u. a. 0.); wenn trotzdem die Meinungen über die
Zulässigkeit dieses Materials zu dem bewussten Zwecke differiren, so
geschieht dies doch wahrscheinlich nicht einzig und allein aus Neigung zu
Widerspruch.
Mehrere mir in der Praxis vorgekommene Fälle chronischer Blei-
intoxicationen waren geeignet, mich in meinem Glauben an die Unschäd¬
lichkeit der Verwendung von Bleiröhren zu Wasserleitungszwecken wankend
zu machen. Die Ursache dieser Intoxicationen konnte in keinem einzigen
Falle in der Beschäftigung mit Blei gesucht werden, fand sich vielmehr
unzweifelhaft im Leitungswasser.
Um zunächst für mich in der Frage klarer zu werden, vertiefte ich
mich in die diesbezügliche Literatur. Anstatt nun hier die gesuchten
sicheren Thatsachen zu finden, musste ich sehr bald erfahren, wie recht
Bolley 0 hat, wenn er sagt, „vielleicht giebt es in der chemischen Technik
keine Frage, welche so voller Widersprüche ist, wie die des Verhaltens des
Bleies gegen Wasser“.
Im Handbuche der Hygiene und Gewerbekrankheiten (herausgegeben
von Prof. v. Pettenkofer und v. Ziemssen) äussert sich Regierungs-
] ) Bolley, Chem. Technologie des Waders, S. U5.
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256
Dr. Pullmann.
rath Dr. Wolffhügel za unserer Frage. Nach seinen hier gemachten
Angaben sind die Autoren F. Fischer, Christison, Solly, Faiszt,
v. Pettenkofer, Besnon und Robierre, Dumas, Balard, Lissauer
und Andere der Ansicht, „dass das gewöhnliche Brunnen- und Leitungs¬
wasser kein Blei löse, und hebt auch die englische Commission zur Ver¬
hütung der Flussverunreinigung hervor (in ihrem sechsten Berichte S. 224),
dass jedenfalls die Furcht vor Bleivergiftung durch Bleiröhren als über¬
trieben zu erachten sei“.
Bei Dr. Wolffhügel (l.c.) lesen wir weiter S. 239: „Sicherlich ist die
Schädlichkeit der Bleiröhren nicht zu fürchten, wenn dieselben für ge¬
schlossene Rohrleitungen Verwendung finden, in welchen die Mitwirkung
der Luft durch einen ununterbrochenen Betrieb, d. h. eine fortwährende
Füllung mit Wasser ausgeschlossen ist.“
Bei Dr. E. Reichardt (Grundlagen etc.) fand ich S. 106: „Die Unter¬
suchungen über die Abnutzung der Bleiröhren durch Lösung des Metalls
haben sehr beruhigende Ergebnisse gerade für Wasserleitung mit Hoch¬
druck ergeben.“
Im Handbuche der Hygiene von Dr. Wiel und Prof. Dr. Gnehm fand
ich S. 477 die Worte: „In hygienischer Beziehung verdienen die Bleiröhren
die grösste Beachtung. Es ist keinem Zweifel unterstellt, dass das Trinken
von bleihaltigem Wasser auch bei äusserst geringem Bleigehalt sehr gefähr¬
lich werden kann. Dagegen ist die Art, wie das Wasser Blei aufnimmt,
keineswegs mit der erwünschten Bestimmtheit aufgeklärt. Nur ein Trink¬
wasser mit grossem C0 2 - Gehalt (wie es höchstens bei Heilquellen vor¬
kommt l?d. V.]) kann durch Bildung von doppeltkohlensauren Salzen die
Löslichkeit des Bleies fördern. Immerhin muss also die Hygiene die An¬
wendung gewöhnlicher Bleiröhren verwerfen.“
Ferner fand ich im Archiv der Pharmacie, Bd. 215, S. 54, von Reichardt
folgenden Satz: „Bei Wasser der gewöhnlichen Quellen findet ein Angriff auf
Blei überhaupt nicht statt, wenn die Röhren gänzlich mit Wasser gefüllt sind.“
Was sind nun aber „gewöhnliche Quellen“ und was ist „gewöhnliches
Wasser“, und entstammt unser hiesiges Wasserleitungs-Quellwasser gewöhn¬
lichen oder ungewöhnlichen Quellen?
Im Gegensätze zu den oben erwähnten beruhigenden Versicherungen
steht auch die Zusatzbemerkung von Dr. Wolffhügel zu seinem oben an¬
gezogenen Urtheile.
„Vorsichtshalber sollte man das längere Zeit, z. B. über Nacht in der
Leitung gestandene Wasser unbenutzt abfliessen lassen und eine derartige
Ausspülung der Bleiröhre auch unmittelbar nach einer zu Reparatur- oder
Anschlussarbeiten stattgehabten Entleerung der Leitung vornehmen, bevor
Wasser zu Genusszwecken wieder entnommen wird.“
S. 79 (1. c.) sagt derselbe Autor: „Das Tränkwasser führt zu schweren
Schädigungen der Gesundheit, wenn es giftige Bestandtheile aus metallischen
Leitungsröhren der Wasserversorgung aufgenommen hat, am meisten giebt
davon Blei zu sanitären Bedenken Anlass, wie praktisch und experimentell
bewiesen.“
Dazu kommt das fortwährende Suchen nach brauchbaren Ersatzmitteln
für die wenigstens zweifelhaften Bleiröhren, oder nach Mitteln, welche durch
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren. 257
ihre chemische Wirkung geeignet wären, die unvermeidlichen Bleiröhren im
Inneren mit einem unlöslichen Ueberzuge zu bekleiden (Schwarz) und
dadurch den Angriffen von Seiten des Wassers zu entziehen.
Nachdem ich nun vergebens bei Wolffhügel, Reichardt, Wiel und
im Archiv für Pharmacie Aufklärung zu finden gesucht, stand ich immer
noch vor der Frage: was ist Wahrheit; wie kommt es, dass in einer Frage,
welche doch schon von den Römern ventilirt worden, noch heute so direct
widersprechende Ansichten herrschen ? Ist die verschiedene Qualität des
zu den Röhren verwendeten Bleies daran schuld, oder die wechselnde Zu¬
sammensetzung des Fluidums, welches hier allgemein als Wasser bezeich¬
net wird?
Dies zu eruiren, stellten wir denn unsere unten stehenden Versuche an,
deren Ergebnisse wir später in Uebereinstimmung fanden mit den Resul¬
taten früherer Experimentatoren, wie sie in der uns leider erst nachträglich
zugänglich gewordenen Literatur niedergelegt sind. Indem ich nun beim
Studium der letzteren weniger auf abstracte Urtheilsäusserungen, als auf
durch directe Versuche und Beobachtungen gewonnene Gewicht legte, glaube
ich auch dort so viel gefunden zu haben, dass ich annehmen darf, im Zu¬
sammenhalt mit meinen eigenen, unten näher zu beschreibenden Versuchen
einer befriedigenderen Lösung dieser wichtigen Frage näher gekommen
zu sein.
Zunächst mögen hier einige mir gewichtig erscheinende Aeusserungen
und Beobachtungen bedeutender Forscher Platz finden, deren Mehrzahl ich
im Auslände vertreten fand.
Armand Gautier sagt in seinem „ Lecuhre et le plomb dam Talimen -
tation etc., Paris , J. B. Bailliere , 1883“, dass die Gefahren der Bleivergif¬
tungen gewöhnlich unterschätzt würden. Letzteres Metall sei in relativ
kleinen, aber wiederholt genommenen Dosen, wenn es sich auch
geraume Zeit indifferent zu verhalten scheine, zu fürchten. Der Genuss
von Wasser, welches längere Zeit in Bleibehältern stehe, aus denen es Blei
löst, könne Intoxicationserscheinungen her vorrufen. In noch viel höherem
Grade geschähe dies, wenn das Wasser Kohlensäure enthält. —
Erschöpfender spricht sich, derselbe Autor in den Annates dhygienc
publique, tom VII, 3. ser., p. 30, aus: „On sait aussi, que les eaux, les plus
pures, quelques eaux de surces, les eaux de pluie, et tout particulierement
l’eau distillee, lorsqu’elles sejournent dans les reservoirs de plomb, attaquent
ce metal, gräce au concours de Toxygene et de l’acide carbonique et peuvent
le dissoudre en assez grande quantite pour produire quelquefois des acci-
dents graves. u
Zur Lösung dieser so wichtigen Frage stellte er folgende drei Ver¬
suche an:
1. Verweilen von Trinkwasser in neuem Bleirohre;
2. Verbleiben von Trinkwasser in Bleiröhren, welche schon lange zur
Leitung gedient haben ;
3. einfache Passage dieses Wassers durch diese Röhren.
Ad 1. Eine neue Bleischlange von 80 m Länge, in Spiralen auf¬
geschichtet, enthielt etwa 20 Liter Wasser und konnte an beiden Enden
durch Messinghähne verschlossen werden. Behufs vollständiger Reinigung
Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887.
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258
Dr. Pullmann,
derselben wurde während mehrerer Stunden Seinewasser durcbgelassen,
dann das Rohr gefüllt, geschlossen und so zehn Tage gelassen. Daun
wurden 20*75 Liter Wasser abgelassen, filtrirt, zum Sieden gebracht, auf
10 Liter eingedampft und der gebildete Niederschlag sorgfältig gesammelt.
Die Mutterlauge wurde nach Ansäuerung mit Salzsäure eingedampft und
auf V« Liter nach Abscheidung der Krystalle reducirt. Der oben erwähnte
Niederschlag, der bei dem Verdampfen des Wassers entstanden war, wurde
in heisser Salzsäure gelöst und ohne Filtration zu den saueren Mutterlaugen
zugegeben. Nun war alles Blei entweder als Chlorür oder als Sulfat in
letzterer (Mutterlauge) enthalten. Es wurde durch Schwefelsäure aus¬
gefällt. Nach zwei Tagen wurde der Niederschlag gesammelt, wieder auf¬
gelöst und das Blei elektrolytisch niedergeschlagen und gewogen.
Gautier fand nun bei Seinewasser, zehn Tage im Bleirohre gestanden,
0*13 mg Blei im Liter, oder 0*11; bei Wasser von der Dhuis, zehn Stunden
im Bleirohre gestanden, 0*1 mg im Liter. Also lösen diese Wasser inner¬
halb zehn Stunden bis zehn Tagen ungefähr 1 ding Blei pro Liter, und
zwar um so schneller, je reiner es ist.
Dieses Blei war gut gelöst, denn die vorstehenden Wägungen waren
mit Wasser vorgenommen, die durch gutes schwedisches Filtrirpapier filtrirt
waren. Dieses hatte die sehr feinen Partikelchen von Bleisalzen gesammelt,
welche in dem 20*75 Liter analysirten Wasser suspendirt bleiben konnten.
Die Bestimmung des Bleies, welches auf dem Filter blieb, ergab 0*001 g,
oder 0*048 mg pro Liter. Daraus ist ersichtlich, dass unter den ungünstig¬
sten Bedingungen Quell- oder Flusswasser, fliessend oder stehend, in neuen
Bleiröhren kaum mehr als 1 dmg Blei pro Liter gelöst oder suspendirt
enthält.
Ad 2. Das als sehr rein und vorzüglich bekannte Wasser der Vanne
wurde zehn Tage in Bleiröhren stehen gelassen, welche bereits ein Jahr im
Gebrauche waren. Dann wurden 9 Liter davon entnommen, das auf Blei
verdächtige Wasser in einen grossen Ballon gebracht und mehrere Stunden
lang kochend erhalten, während man Schwefelwasserstoff durchleitete. Blei,
Kupfer und erdige Carbonate wurden niedergeschlagen und auf ein kleines
Filter gegeben. Das Bleisulfid wurde in Sulfat verwandelt und wie gewöhn¬
lich bestimmt. Gautier fand nun auf 9 Liter Wasser: Bleisulfat 5*0mg,
davon metallisches Blei 3*416 mg und pro Liter 0*379 mg und 0*601 mg
Bleicarbonat.
Folglich kann Trinkwasser durch seinen Aufenthalt in Bleiröhreu,
selbst wenn solche innen durch eine allmälig gebildete Kalkkruste bekleidet
sind, mehr als */* nog Bleicarbonat pro Liter gelöst oder suspendirt erhalten,
wenigstens gilt dies für das Wasser der Vanne; ein Verhalten, welches
aber sicher differiren mmss bei verschiedenen Trinkwässern.
Bekanntlich greift das Wasser die Reservoire von Blei um so stärker
an, je weniger Kalksalze es enthält, und die aufgelöste Menge Blei
nimmt noch zu, wenn die Wässer auf natürlichem oder künstlichem Wege
zugeführte Luft enthalten.
Im Schlosse Claremont trank man 30 Jahre ohne Schaden Wasser,
welches durch Bleiröhren zugeführt und in mit Blei überzogenen Cysternen
aufgefangen war. Intoxicationserscheinungen traten erst auf, als man die
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leituugsröliren. 259
Cysternen reinigen liess und das Wasser über eine Sandlage filtrirte, welche
dessen Luftaufnahme begünstigte. Hieraus folgt, dass die Trinkwasser den
Bleiröhren, selbst wenn diese mit Blei incruBtirt sind, eine im Allgemeinen
sehr geringe Menge toxischen Metalls entnehmen. Diese wechselt aber
mit der Natur der Wässer, mit deren Reinheit und Luftgehalt, sie kann
gefährlich werden bei Regen- und destillirtem Wasser. — Es ist also unklug,
Wasser zu trinken, welches einige Zeit in alten oder neuen Bleiröhren
gestanden, besonders in Gegenwart von Luft.
Ad 3. Wie verhält sich Wasser, wenn es einfach durch Bleirohr
durchfliesst? Beim Versuche waren 26 m Rohr zu durchlaufen, 10 Liter
Wasser der Vanne enthielten keine bemerkbaren Spuren Blei, um so
weniger noch ein weniger reines Wasser, z. B. das der Seine. Diese
Schlüsse scheinen richtig. Thatsäcblich hatte man die Bleiröhren in Ver¬
dacht, welche zu Anschlussleitungen dienen. Man konnte fürchten („et
nous n’etions pas sans avoir quelques apprehensions ä ce sujet tt ), dass durch
das einfache Durchüiessen durch diese Bleiröhren das Wasser Bleipartikelchen
lösen oder suspendiren könnte. Ein schwerwiegender Vorschlag wurde in
diesem Sinne dem Municipalrath von Paris gemacht, es handelte sich darum,
alle Bleiröhren der Anschlussleitungen durch solche zu ersetzen, welche
innen mit Zinn doublirt seien. Diese Frage zu lösen wurden obige Versuche
gemacht. „Elles (ces experiences) montrent, que dans les conditions ordi-
naires les plus favorables, des eaux d’une purete exceptionelle, com me celle
de la Vanne, ne dissolvent pas de quantite de plomb appreciable en par-
courant simplement les tuyaux de conduite de plomb, que les eaux les plus
pures dissolvent ä peine 4 dmg. de plomb par litre; que cette quantitö doit
etre encore bien diminuee pour les eaux plus chargees de sels calcaires
(Seine), qu’il n’y a pas lieu, en general de se preoccuptr par consequent
de la distribution des eaux potables par des branchements de plomb par¬
tout de la rue, mais ä la condition, que les eaux ne sejournent pas dans
le tuyaux, qu’elles ne viennent pas s’accumuler dans les bassins etc. de
plomb, qü 1’acces de lair favoriserait la dissolution du rnetal toxique; enfin
que les eaux ainsi distribuees ne proveniennent pas d’eaux de pluie, n’aient
pas ete artificiellement aerees par leur passage prealable ä travers des filtres
favorisant Faeces de Fair, enfin qu’elles conlent ä pleins tuyaux sans pouvoir
s’y fouetter avec Fair.“
Ich habe im Vorstehenden Gautier’s Versuche und Schlussfolgerungen
absichtlich etwas detaillirt citirt, weil gerade seine mit weichem Flusswasser
angestellten Versuche geeignet sind, meine später folgenden und zu begrün¬
denden Behauptungen zu stützen, und weil die Methode, vermittelst deren
er zu seinen Resultaten kam, kaum etwas an Zuverlässigkeit vermissen
lassen wird.
Calvert fand *), „dass das aus einem kleinen Speiseröhre fliessende
Wasser vier Tage lang beträchtliche Bleiinengen enthielt ( 2 / 10 : 70 000).
Sechs Wochen hindurch nahm dann die Bleimenge ab und schwand. Nach
zwölfstündigem Stehen im Rohre war jedoch das Wasser wieder blei¬
haltig.“
J ) Schmidt’« Jahrbücher 1686, Bd. 130, S. 18.
17 *
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2 GO
Dr. Pullmann,
Nach Kersting 1 ) nimmt salpetersaures Alkali enthaltendes Wasser
24 Standen mit Bleiröhren in Berührung leichter Blei auf, als kohlensaures
Alkali enthaltendes.
Theodor Clemenz*) betont: „Ueberhaupt sind alle bleiernen Gerät¬
schaften ganz zu verwerfen, und am allerersten gehören hierher die bleier¬
nen Wasserleitungen. Diese gepressten Röhren geben zwar, so lange ihre
Flächen glatt und polirt sind, kaum nachweisbare Bleispuren ab, jedoch
die Zeit wirkt hier sehr bald zerstörend ein, und je kohlensäurehal¬
tiger ein Trinkwasser ist, desto schneller werden die Flächen rauh,
an denen sodann der Oxydationsprocess unaufhaltsam fort6chreitet. Diese
zerstörenden Eigenschaften des Wassers an bleiernen Brunnenröhren kom¬
men nach meinen Beobachtungen namentlich dem sogenannten harten
Wasser zu und empfehle ich diesen vergessenen Punkt sehr den Sanitäts¬
behörden zur Unheil verhütenden Aufmerksamkeit. So habe ich an dem
Pumpwerke einer Dampfmaschine, welche ein hartes kohlensäurehaltiges
Wasser Tag und Nacht durch gepresste Bleiröhren zog, diese Bleiröbren
nach einem nur fünfjährigen Gebrauche rauh und stellenweise angefressen
gefunden, ja ich habe in diesem Falle sogar in dem mehrmonatlichen, aus
jenem Speisewasser gebildeten Kesselsteine Blei chemisch nachgewiesen.“
M. X. Rocques*) gelangt auf Grund zahlreicher Versuche zu folgenden
Schlüssen: „Zink, Blei und Kupfer werden von gewöhnlichem Wasser und
von Salzlösungen (Chloride, Bicarbonate) sehr allmälig angegriffen; die
stärkste Zersetzung findet statt, wenn Sauerstoff zugegen ist.“
Mayencon und Bergeret (de S.-L.) 4 ) suchten noch einen Bleigehalt
des Wassers zu constatiren, der vermöge seiner Geringfügigkeit durch
Schwefelwasserstoff nicht mehr nachgewiesen werden kann, und zwar durch
Elektrolyse. Hierdurch gelang ihnen der Nachweis von Blei in mehr oder
weniger kalk- und gypsbaltigem Flusswasser; aber dieses erst durch Elektro¬
lyse nachweisbare Bleiquantum wurde von den Schülern und den Kranken
in St. Etienne, in Paris und allen Städten, in denen es Wasserleitungen
giebt, ohne Schaden für die Gesundheit mit dem Wasser consumirt.
Der römische Baumeister Vitruvius unter Augustus und Tiberius
machte bereits auf die Nachtheile der bleiernen Wasserleitungsröhren auf¬
merksam 5 ).
Docent Dr. Popper sagt mit Bezug auf die Bleiröhren in seinem
Referat im Prager städtischen Gesundheitsrathe 1882: „Die Frage wegeu
der Zulässigkeit ist wohl alt, aber noch nicht vollkommen befriedigend
beantwortet. Glaubwürdige Fälle in der Literatur erweisen die Thatsache
des schädlichen Einflusses der Bleiröhren. Bezüglich der zu Claremont
gemachten Erfahrungen siehe oben. Eine amerikanische Enquete 6 ) ergab,
dass y 4 der befragten Aerzte die von ihnen beobachteten Fälle von Satur-
*) Schmidt’s Jahrbücher 1866, Bd. 130, S. 18.
2 ) Vierteljahrsschrift für gerichtliche und öffentliche Medicin 1853, Bd. IV, S. 192.
3 ) Industrieblätter 1881, S. 230; Referat aus Bull. Soc. Chim. XXXIII, p. 499 — 501.
4 ) Mayencon et Bergeret (de Saint - Läger), De l’action des eaux douces sur le
plomb roetallique. Recherche» par la mcthode electrolytique, Nr. 7, p. 484.
ß ) Siehe Eulenberg, Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens, I. Bd., S. 7.
6 ) Siehe zweiten Jahresbericht des Gesundheitsamtes von Massachusetts.
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsrüliren. 2G1
nismus dem Genüsse von Wasser aus Bleiröhren zuschreiben. Dagegen
beruft man sich auf die Erfahrungen in Berlin, London, Paris etc.“
„Im Jahre 1873/74 eiferte man in Paris gegen die Bleiröhren. Damals
erklärte Champouillon dieselben für unschädlich, da er in den Casernen
und Militärspitälern von Paris keinen Fall von Bleiintoxication gesehen.
Die angestellten Experimente ergaben verschiedene Resultate und bestätig¬
ten, dass es von bestimmten Bedingungen abhängt, ob Blei in das
Wasser übergeht. Eine Bedingung ist die Beschaffenheit des Leitungs¬
wassers. Destillirtes und weiches, an Chloriden, Nitraten und organisch-
thierischen Stoffen reiches Wasser ist der Aufnahme von Blei günstig."
„Eine andere Bedingung ist Einwirkung der Atmosphärischen Luft
(i intermiitent supply in England). Dritte Bedingung: ob das Wasser im
Rohre immer fliesst oder steht."
Chandler in New York fand im Wasser nach sechsstündigem Stehen
0*0024 mg Blei pro Liter, dagegen im durchgeflossenen Wasser keines. Er
machte weiter geltend, dass kleinste Mengen Blei dauernd ein¬
geführt schaden, jvesshalb die Bleiröhren nie unbedenklich. Das englische
Gesundheitsamt hat sie geradezu für unzulässig erklärt.
Der innere Zinnmantel ist selten bleifrei und wird nach Popper leicht
rissig. Nach Reichardt’s Versuchen greift destillirtes Wasser Bleiröhren
mit Zinnmantel ebenso wie geschwefelte an, hartes Wasser nicht. Da das
Wasser der Moldau weich (Analyse siehe unten) und an Chloriden relativ
reich ist, war sein Verhalten gegen Blei vorauszusehen, wesshalb bei der
neuen Nutzwasserleitung (Prags) Versuche angestellt wurden. Diese fanden
bleifreies oder bleihaltiges Wasser je nach Bewegung oder Stillstehen des
Wassers, wesshalb Bleiröhren widerrathen wurden.
Prof. Stolba (Prag) fand bei geschwefelten und verzinnten Bleiröhren
keinen Bleigehalt des Wassers, wenn dieses nur durchfloss, doch giebt er
zu, dass das Wasser der Moldau reines Blei auffallend angreife und ebenso
schon, wenn der Mantel des Rohres mit einem Nagel geritzt werde. Auf
Grund vorstehender Beobachtungen und Urtheile gutachtete Dr. Popper:
„Die Verwendung von Bleiröhren zu Hauswasserleitungen ist
nicht zu empfehlen.“
Fordos 1 ) fand bei seinen Untersuchungen über Einwirkung von
Schrot auf Wasser, dass im Anfänge zwar das Bleioxyd mit der Kohlen¬
säure der im Wasser befindlichen, doppeltkohlensauren Kalk- und Magnesia¬
salze einen unlöslichen Niederschlag von Bleicarbonat bildete, dass aber
bei weiterer Einwirkung die im Wasser vorhandenen Chloride und Sulphide,
was er durch mehrere Versuche beweist, einen Theil des Bleies löslich machten
und eine alkalische Reaction des Wassers bewirkten. Ein Zeitraum von sechs
Tagen genügte, um diese Wirkung hervorzubringen. Er hält es daher für
gut, das aus Blcileitungen kommende Wasser vor dem Gebrauche jedesmal zu
flltriren und das, was längere Zeit in den Röhren verweilt hat, wegzugiessen.
Der Bericht von Boudet*) über den Gebrauch von Bleiröhren zur
Wasserleitung in Paris resumirt dabin, dass die Verwendung derselben für
*) Du röle des sels dans Paction des eaux potables sur le plomb, Kr. 16, p. 1108.
2 ) L’extrait d’un raport au conseil de salubrit£ de la Seine sur Pemploi des tuyaux
de plomb pour la distribution des eaux de Paris.
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2G2
Dr. Püllmann,
Regen- und ähnliche salzfreie Wasser gefährlich und zu häuslichem Ge¬
brauche zu verbieten, für das gewöhnliche salzhaltige Trinkwasser aber
ungefährlich sei; indess müsste man nach kürzerer oder längerer Unter¬
brechung des Abflusses das erste Wasser, gleichviel ob aus reinen Blei¬
röhren oder aus solchen von verzinntem Blei, unbenutzt ablaufen lassen.
Den Concessionären müsse es überlassen bleiben, ob sie die Arme der
Leitungen aus Schmiedeeisen oder aus gut verzinntem Blei hersteilen lassen
wollen. Uehrigens würden die noch vorhandenen 3 km Bleiröhren (von
13S6 km der Pariser Canäle) aller Wahrscheinlichkeit nach auch bald
schwinden. Nur für die circa 40 m für jeden Concessionär betragenden
Arme von den Hauptröhren zu den Häusern werde das Blei beibehalten.
Bei der Discussion erklärt Gobley, dass sich bald das in neuen Bleiröhren
sich bildende kohlensaure Bleioxyd zusammen mit kohlensaurem Kalk an
den inneren Wänden niederschlägt und festsetzt. Die anfangs mit fort¬
gerissenen Theile findet man abgeschieden auf den Filtern, deren sich die
Pariser in ihren Haushaltungen bedienen.
Roussel erklärt das Filter für überflüssig, zum Beweis dafür führt er
das Städtchen Meude im Süden Frankreichs mit einer sehr alten, grössten-
theils’aus reinem Blei bestehenden Wasserleitung an, wo sich nie ein Unfall
oder Krankheit eingestellt hätte. Allerdings kommt das Wasser aus Jura¬
kalk. Zweitens habe er auf seinem Landgute mit Granitboden vor 20 Jahren
eine 100 m lange Wasserleitung aus Bleiröhren legen lassen und nie hätte
einer von seinen Arbeitern, die das gute Wasser gierig tränken, den gering¬
sten Nachtheil verspürt. Da das Quellwasser sofort in die Bleiröhre ein-
tritt, so könne hier kein Schutz des kohlensauren Kalkes geltend gemacht
werden.
Der Artikel der Union medicale *) über Blei und Trinkwasser etc.
erzählt zwei Fälle von Bleivergiftung nach Chevalier. In einem Dorfe
ira westlichen England erkrankten die Einwohner unter Bleisymptomen und
zwar durch den Genuss von Flusswasser, in welchem man 1:500000 Blei¬
carbonat fand, herrührend aus einer jüngst entdeckten Bleimine oberhalb
des Dorfes. Der Genuss von nur 3 bis 4 Gran Blei pro Woche (bei täg¬
lichem Verbrauche von einer Gallone Wasser) hatte also auf die Länge ver¬
giftend gewirkt. Der andere Fall, welcher sich auf eine Vergiftung bezieht,
die in Folge von in der Flasche zurückgebliebenen Schrotkörnern zu Stande
kam, gehört nicht hierher.
Balard*) hat nach der Ursache geforscht, wesshalb salzhaltiges
Wasser, welches durch Bleiröhren flicsst, kein Blei aufnimrat, während
bekanntlich destillirtes lufthaltiges Wasser das Blei stark angreift und mehr
oder weniger starken Gehalt an kohlensaurem Blei zeigt. Wenu man eine
reine, mit freier metallischer Oberfläche versehene Bleiplatte in destillirtes
Wasser hängt, welchem 4 bis 5 Hunderttheile einer saturirten Lösung von
schwefelsaurem Kalk zugesetzt sind (dieses Verhältniss soll genügen, um
das Uebergehen von Blei in das Wasser zu hindern), so findet man aller-
*) Le plomb et lea eaux potables; danger de rincer les bouteilles avec des grains de
plomb, Nr. 88, p. 247.
2 ) Remarques relatives k la coramuniention de Robierre. Compt. rend. LXXY1I1, Sr. 1,
p. .T21.
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren. 2G3
dings auch nach geraumer Zeit bei Anwendung der gewöhnlichen Unter¬
suchungsmethoden kein Blei im Wasser, die Bleiplatte ist aber verändert,
wie beschlagen. Dies geschieht auch, wenn man mehr Gypslösung dem
Wasser zusetzt, ja selbst, wenn man unverdünnte Gypslösung verwendet.
Schüttelt man nun das Gefäss stark, so erhält man dann eine deutliche
Bleireaction, wenn man einige Tropfen weinsteinsaures Ammoniak zusetzt,
kocht und dann erst Schwefelwasserstoff hindurchleitet. Der schwefelsaure
Kalk hat mit dem Blei eine unlösliche Verbindung gebildet, welche ziemlich
fest an der Bleiplatte haftet, dieselbe vor weiterer Einwirkung schützt und
den Uebergang von Blei in das Wasser hindert. Dasselbe Verhalten zeigten
die übrigen Salze, welche wie schwefelsaurer Kalk die Lösung des Bleies in
Wasser hindern. Andere Salze, namentlich die Nitrate, Nitrite und die
Formate, begünstigen im Gegentheil die Lösung des Bleies; will man daher
zu Wasserleitungen Bleiröhren verwenden, so muss das Wasser genau unter¬
sucht und auf seine Beschaffenheit Rücksicht genommen werden.
Professor Belohoubek 1 ) sagt: Geschwefelte und verzinnte Bleiröhren
scheinen bei gehindertem Luftzutritte dem destillirten Wasser zu wider¬
stehen, während im umgekehrten Falle und bei längerem Gebrauche sich
nicht geringe Mergen von Blei im Wasser zeigen. Wenn das Wasser die
Rohren durchfloss, war das Resultat ein günstigeres, aber selbst in diesem
Falle war die Anwesenheit von Blei und Zinn zu constatiren, wenn 10 bis
12 Liter des betreffenden Wassers eingedampft und untersucht wurden. In
Bezug auf das Verhalten beider Arten von Röhren gegen Moldauwasser
fand er, dass bei Gegenwart der Luft unter dem Einflüsse von destillirtem
Wasser oder von Moldauwasser weder der Schwefelüberzug noch der Zinn¬
überzug einen Schutz gewährt und dass in allen Fällen nicht unerheb¬
liche Mengen von Blei im Wasser nachgewiesen worden sind. Der Zinn¬
mantel war eine Zinnlegirung. Wir lassen die Analyse des Moldauwassers
folgen:
Ein Liter enthält Abdampfrückstand (bei 140° C. getrocknet) 72*6200 mg
Glühverlust. 20*4700 „
Glührückstand also
so a
5*843
P s 0 5
—
0*408
so,
5*823
CI
—
6*877
n 2 0 5
0*713
Fe a 0 3 -f- A1 2 0 3
=
2*235
CaO
=
11*232
MgO
=
5*279
K 2 0
==
4725
Na 2 0
8*062
C0 2 geb.
=
14*780
Organ. Stoffe
=
4*782
52*1500 mg
C0 2 frei = 9*645
Härte = 1*86 deutsche Grade
Ein Liter enthielt ferner suspendirt
flüchtige u. organische Stoffe 1*052
mineralische Stoffe .... 7*467
zusammen . . . 8*492
Mit einer Serie von bereits im Jahre 1879 veröffentlichten Versuchen
beabsichtigte Reichardt die Frage der Klärung näher zu bringen und
*) Ueber das Verhalten verzinnter und geschwefelter Bleiröhren gegen destillirtes
Wasser.
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2G4
Dr. Pulhnann,
untersuchte den Effect, welchen destillirtes Brunnenwasser und kohlensäure¬
haltendes Wasser auf die umgebende und durchflossene Bleiröhre ausübte.
Das Resultat war: Destillirtes wie kohlensäurehaltiges destillirtes Wasser
gaben nach wenig Tagen Bleireaction, dagegen das Jenenser Brunnenwasser
(18 Härtegrade) nach wochenlangem Stehen im Bleirohre nicht, ausser
wenn neben dein Brunnenwasser noch Luft im Lumen des Rohres ein¬
gesperrt war. Aus diesen Versuchen zieht Reichardt den Schluss: „Blei¬
röhren sind unter allen Umständen zu verwerfen als Material bei Pump¬
brunnen oder Wasserleitungen, die nicht ununterbrochen mit Wasser erfüllt
sind.“ Zu demselben Schlüsse kam J. Smith 1857 und v. Pettenkofer
1864; Robierre 1873.
„Daneben machte Beigrand auf die grosse Fläche der Wasserbehälter
aufmerksam, die selbst abwechselnd der Einwirkung von Luft und Wasser
ausgesetzt kein Blei abgaben, wie es die Erfahrung von 500000 Häusern
in London lehre. In Paris hatten nach des Letzteren Angaben von 30000
Häusern die Hälfte Wasserleitungen, in London hatten sämmtliche Häuser
solche und die in 20 Minuten gefüllten Reservoirs entleerten sich im Laufe
des Tages, trotzdem wäre dort nie Blei in den öffentlichen Gewässern nach-
gewiesen; eine Beobachtung, die auch den Erfahrungen von Robierre
nicht widerspreche, welcher das Wasser acht Tage lang mit dem Blei in
Berührung lässt. Aus dem von ihm angeführten Briefe von Letheby, dem
er sein Referat über Londoner Wasserverhältnisse entnommen, erhellt, dass
die Hauptleitungsröhren aus Gusseisen, die zu den Häusern führenden
Röhren und die in diesen befindlichen dagegen aus Blei bestehen; die
Reservoire der Häuser bestehen fast alle aus Holz mit Bleibekleidung. Die
Erfahrung hat nun gelehrt, dass mit fünf und mehr Theilen Kalksalzen auf
100000 Theile versehenes Wasser auch bei längerem Verweilen Blei nicht
angreift. Das Wasser von London enthält aber 25 bis 40 Theile Salze auf
100000 Theile Wasser (!) und ist seines Wissens der Gesundheit der Ein¬
wohner nie nachtheilig geworden.“
Nach Balard „verhindern die meisten Salze die Einwirkung von Blei
auf destillirtes Wasser, dagegen ist dies nicht der Fall, wenn salpetersaures
Kali, Chlorkalk und Chlorbaryt, essig- und ameisensaures Natron darin ent¬
halten sind. Er möchte fast annehmen, dass Wasser mit Salzen, deren
Säuren mit Bleioxyd unlösliche Verbindungen eingehen, das Blei nicht
an greift“.
Besnon’s 1 ) Erfahrungen seien an dieser Stelle, weil auf Destillir- und
Kühlapparaten, also unter abweichenden Bedingungen gewonnen, nicht
genauer angeführt.
Weiter mit Bezug auf unser Thema theilt Reichardt noch folgende
Data mit: Orfila betone die Mitwirkung der Luft. Bezüglich der Blei¬
vergiftung in Windsor durch Trinkwasser aus Bleiröhrenleitung meint
Reichardt kurz: „Leider fehlen dabei die näheren und hier allein ent¬
scheidenden Umstände“.
*) Besnon, Artion des enux economiques ordinaires et distill£es, ainsi quc de l’eau
de mer distillee, sur le plomb et les s6frigerants en 6tain des divers appareils dislillatoires,
p. 322.
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren. 265
Beigrand habe die Bleiröhren bald überkalkt von dem kalkreichen
Wasser in Paris gefunden.
Fodor habe das Blei in den Ablagerungen in den Röhren und Reser¬
voirs gefunden; .Balard bestätige dies, schreibe aber die Einwirkung auch
dem Luftgehalte des Wassers zu.
Hamon gebe Beispiele von Bleivergiftungen, „und diese Vergiftungs¬
fälle sind jedenfalls wichtigste Belege der Schädlichkeit der Bleiröhren“,
aber die Fälle seien buntes Durcheinander der verschiedenen zusammen¬
gesetzten Leitungen und „ein solches Gemenge der verschiedenen Metalle“
könne schon durch Berührung wesentlich die Angreifbarkeit des einzelnen
verstärken.
Auf die Einzelheiten der Beispiele einzugehen sei nicht nöthig (?),
weil diesbezügliche Erfahrungen völlig bekannt seien.
Prof. Hirt sagt unter „Metallvergiftungen“ durch Wasser veranlasst:
„In erster Reihe ist hier Blei zu erwähnen. Der vom sanitären Stand¬
punkte nicht zu billigende Missbrauch, die Zweigröhren der Wasserwerke
aus Blei herzustellen etc. Würde besonders der erste Punkt von den
beschäftigten Praktikern mehr berücksichtigt, so gewännen nicht bloss die
Aetiologie der Bleivergiftungen um Vieles an Klarheit, sondern es würde
sich auch höchst wahrscheinlich so manche bis dahin als Magendarmkatarrh,
Magenkrampf etc. behandelte Affection bei eingehenderer Untersuchung als
chronische Bleivergiftung entpuppen.“
S. Steiner untersuchte Wasser der Budapester zehn Jahre alten
Leitung. Das Wasser war als bleifrei in den eisernen Hauptröhren con-
statirt, ergab aber, nachdem es ohne Stillstand 39 in Bleirohr durchlaufen,
1 mg Blei in 11*8 Liter Wasser, ja bei langsamer laufendem Wasser 1*04 mg,
im Rohre gestanden nach 24 Stunden 1'224, nach 48 Stunden 1*7, nach
sieben Tagen 3*25, nach einem Monat 4*7 rag Blei im Liter Wasser.
Sind nun die Ansichten über die Zweckmässigkeit oder Gesundheits¬
gefährlichkeit der Bleiröhren bei Benutzung derselben als Material für Haus¬
leitungen, wie wir gezeigt, noch nicht fest begründet, stehen vielmehr die
Beobachtungen und Erfahrungen der Autoren sich so schroff gegenüber,
so dürfte eine Mittheilung einiger bei der hiesigen Leitung gemachten
Erfahrungen und mehrerer dadurch veranlassten Versuche gewiss von all¬
gemeinem Interesse sein.
Die Zahl der wirklichen Beobachtungen von Bleiintoxicationen, welche
lediglich in Folge eines fortgesetzten Genusses von Rohrleitungswasser,
welches aus den Bleiröhren Blei aufgenommen hatte, hervorgerufen wurden,
ist verhältnissmäsBig sehr gering, und es sind wiederum nur einzelne Städte,
welche in Folge dieses Uebelstandes zu leiden hatten. Während viele und
grosse Städte (siehe oben) nie Veranlassung hatten, dem Bleirobre ein
anderes Material zu substituiren, sah man sich für einige wenige genöthigt,
die Benutzung von Bleiröhren geradezu gesetzlich zu verbieten (Wolff-
hügel). Je nach der Qualität des durch eine Leitung zu geführten Wassers
führten die Beobachtungen zu verschiedenen Erfahrungen und die rein
theoretischen Raisonnements konnten keine allgemeine Gültigkeit erlangen.
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266
Dr. Pullraann,
Die nächste Veranlassung zu vorliegender Studie gaben mir einige
Erkrankungen, deren Ursache ich auf den Genuss von bleihaltigem Leitungs¬
wasser zurflckführen musste, so dass für Offenbach wenigstens die Harmlosig¬
keit der Benutzung von Bleiröhren zu Wasserleitungszwecken gewiss nicht
behauptet werden kann. Der Widerspruch der Erfahrung verschiedener
Städte mit den Bleiröhren stempelt die Frage wegen der Zulässigkeit dieses
Materials zu einer rein localen, die Versuche müssen vor Benutzung
desselben in jedem Falle wiederholt werden, denn nicht alle Wässer
lösen Blei in dem Maasse, welches ausreicht, um bei fortgesetztem Gebrauche
toxische Wirkungen hervorzubringen, vielmehr sind es nur gewisse, nach¬
weisbare Bestandtheile des Wassers, welche die Aufnahme von Blei fördern
oder hindern. Hätte man vor Installirung der hiesigen Leitung im Jahre
1872, nachdem man über die chemische Zusammensetzung der vorgesehenen
Quellen durch die Analyse von Dr. Peterseu vergewissert, unser Wasser
als ein ganz vorzügliches, fast chemisch reines Trink- und Brauchwasser
anerkennen musste, auch sein Verhalten zu Bleiröhren geprüft, so würde
man sich die Ueberraschung des Jahres 1884 gespart haben und es würden
innerhalb des vierzehnjährigen Bestehens der hiesigen Leitung gewiss
manche als saturnine erkannte oder übersehene Gesundheitsstörungen ver¬
mieden worden sein. Man brauchte eben nur das Verhalten unseres Wassers
zu neuen Bleiröhren bekannt zu geben, so lag es in der Hand des Inter¬
essenten, sich dem schleichenden Gifte zu entziehen, indem er das Quantum
Wasser, welches längere Zeit im Bleirohre gestanden hatte, nicht zu Nahrungs¬
zwecken benutzte.
Bleiintoxicationen sind bei der hiesigen Fabrikbevölkerung (Arbeiter
der ScbriftgiesBer-, Schriftschleiferbranche, der Stanniol- und Metallkapsel¬
fabrik, Bleiweissfabrik, Maler- und Anstreichergewerbe) nicht seltene Fälle,
aber Bleiintoxicationen bei Einwohnern, die jenen Gewerben fern stehen,
Bleiintoxicationen, die als Folgen des Genusses von in den Bleiröhren blei¬
haltig gewordenem Trinkwasser nachgewiesen werden konnten, wurden hier
bis zum Sommer 1884 nach Aussage der Herren Collegen nicht beobachtet.
Die hiesige vorzüglich functionirende Quellwasserleitung wurde, wie bemerkt,
im Jahre 1872 ausgeführt, die Hauptleitungsröhren derselben sind aus Guss¬
eisen bis an die zu versorgenden Gebäude. Zur Leitung durch die Funda¬
mente und oberhalb des Erdbodens nach dem Inneren der Gebäude sind
Bleiröhren benutzt worden, nachdem man auf diesbezügliche Anfragen in
Städten, welche früher schon bei Anlage ihrer Wasserversorgung diese
Materialien benutzt und damit Erfahrungen gemacht haben konnten, sich
von der Ungefährlichkeit derselben überzeugt zu haben glaubte. Da, nach
zwölfjährigem Betriebe der hiesigen Leitung, werden mehrere Fälle von Blei-
iutoxicationen in derselben Familie beobachtet, einige Monate später wird
ein weiterer Fall constatirt und im August und September desselben Jahres
hatte ich Gelegenheit, fünf Fälle aus vier verschiedenen, entfernt von einander
wohnenden Familien festzustellen, die vermöge ihres Berufes und ihrer Lebens¬
stellung den mit Blei verkehrenden Gewerben fern standen und bei denen
die Untersuchung des bis dahin benutzten Trinkwassers aus der allgemeinen
Leitung starken Bleigehalt des Wassers ergab. Nach Ausschaltung der causa
morbi erfolgte in sämmtlichen Fällen prompte und dauernde Genesung.
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren. 2G7
Die erste Beobachtung von Bleiintoxication iu Folge der erwähnten
Ursache in unserer Stadt machte College Köhler im Sommer 1884 in der
Familie eines am äussersten Ende der Stadt wohnenden Octroi-Erhebers.
Der Anschluss an die Hauptleitung war auf Antrag der Familie kürzlich
vollzogen worden und nur eine Familie entnahm ihr Genusswasser dieser
Leitung.
Die zweite Beobachtung geschah im Herzen der Stadt bei einer Leitung
älteren Datums, doch waren die bleiernen Leitungsröhren hier besonders lang
und die diese Leitung benutzende Familie bestand nur aus zwei Personen.
Die dritte Beobachtung machte ich ebenfalls bei einer Familie von
zwei Personen. Diese bezogen in einem neuerbauten Hause die dritte
Etage, und da in der ersten und zweiten Etage kein Wasser entnommen
wurde, mussten auch hier zwei Personen die volle Schädlichkeit der neuen
Leitung erproben. Die viel Wasser zum Trinken consumirende junge Frau
erkrankte sehr schwer an Bleivergiftung.
Die vierte Beobachtung machte ich bei ganz analogen Verhältnissen,
nur dass die ebenfalls von zwei jungen Eheleuten bewohnte Wohnung mit
Wasserleitung eine Etage tiefer am Ostende der Stadt gelegen.
Die fünfte, sechste und siebente hiesige Beobachtung machte ich in einem
älteren Hause, welches aber eben erst der Hauptleitung angeschlossen
worden. Auch das Wasser kostet Geld, und desshalb drang die Besitzerin
des an mehrere kleine Familien vermietbeten Hauses auf äusserste Sparsam¬
keit bei der Wasserentnahme. Zuerst erkrankte hier ein junger Kaufmann,
der wegen anderweitiger Erkrankung mehrere Wochen sein Comptoir nicht
frequentirte f vielmehr sich in der parterre liegenden Familienwohnung
auf hielt. Fast gleichzeitig erkrankte dessen Frau und ein Fräulein der
ersten Etage.
Bei allen den genannten Gesundheitsschädigungen wurde das durch
Bleiröhren zugeführte und bleihaltig gewordene Trinkwasser als einzige
causa morbi constatirt, bei allen ist das Gemeinsame eine Vertheilung des
zugeführten Wassers und des darin enthaltenen toxischen Metalls auf wenige
Personen und mit Ausnahme der sub 2 mitgetheilten Beobachtung waren
alle Leitungen ganz neu. Im Falle 2 aber handelte es sich um eine beson¬
ders weit gestreckte Leitung des Wassers durch Bleirohr.
Gleichzeitig konnte bei einer neu angelegten Hausleitung constatirt
werden, dass bei besonders reichlichem Verbrauche von Wasser und einer
davon abhängigen Verminderung des relativen Bleigehaltes auch die erste
Zeit der Benutzung einer Bleiröhrenleitung ohne merkliche Gesundheits-
Schädigung der Consumenten geschehen kann. Im Verlaufe mehrerer Wochen
wurde Wasser einer neuen Leitung untersucht, das einem stark bewohnten
Hause zugeführt wurde und abnehmend bleihaltig gefunden, nachdem es
längere Zeit im Rohre gestanden. Doch wurde bei den zahlreichen Be¬
wohnern dieser Hofraithe kein Fall von Saturnisraus gefunden.
Die bei der Gelegenheit sich zunächst aufdrängende Frage ist:
Welche Umstände veranlassen den Bleigehalt des Wassers aus
den betreffenden Hausleitungen?
Nach der chemischen Analyse von Dr. Petersen aus dem Jahre 1871
ist das Wasser von zwei wesentlichen Quellen der hiesigen Leitung sehr
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2G8
Dr. Pullmann,
weich, sehr arm an mineralischen Stoffen und verdankt seinen „recht an¬
genehmen Geschmack der nicht unerheblichen Menge freier Kohlen¬
säure“. Von sehr schwach saurer Reaction (von der freien Kohlensäure
herrührend) giebt es einen festen Rückstand in 100 Thln. Wasser, bei 160°C.
ausgetrocknet, von 0*09, wovon V 3 organische Substanz. Die mineralischen
Bestandtheile sind hauptsächlich kohlensaurer Kalk, wenig Gyps, Magnesia
und Alkalisalze, wenig Chlorverbindungen. Schwefelwasserstoff fast 0, Sal¬
petersäure merklich, doch im Ganzen gering.
Unser verstorbener Stadtchemiker Herr Winter constatirte 1882: Bläu¬
liche Färbung (durch Thonerde), Gesammthärte 3‘6, permanente Härte 1*5,
fixe Bestandtheile (bei 140° ausgetrocknet) . . . 0*090
Glührückstand.0*060
Verlust als organische Substanz.0*030
Mineralische Bestandtheile in 1000 Theilen:
Kohlensaurer Kalk. 0*0460
Schwefelsaurer Kalk .... 0*0102
Kohlensäure Magnesia .... 0*0017
Chlornatrium. 0*0021
0*0600
Thonerde.Spuren
Salpetrige Salze
Ammoniaksalze .
Versuch I. Der Bleigehalt im Wasser der resp. Hausleitungen, welche
also bis auf eine sämmtlich innerhalb der letzten Monate gelegt
waren, war leicht zu constatiren, mit jeder Gasblase von Schwefelwasser¬
stoff, welche aus dem Darstellungsapparate in der Tiefe des verdächtigen
Wassers austrat, sah man eine neue Wolke von dunkler Färbung aus
Schwefelblei sich bilden und langsam niedersinken.
Versuch II. Das Wasser älterer Leitungen, ebenso behandelt, erwies
sich bleifrei.
Befand sich nun dieses Blei im Wasser gelöst oder suspendirt?
Versuch III. Das bleihaltige Wasser auf ein Filter von doppeltem Filtrir-
papier gebracht und nach der Filtration der Einwirkung von Schwefelwasser¬
stoff ausge8etzt, erwies dasselbe fast bleifrei; ganz sicher und vollständig
ging aber die Reaction auf Blei verloren, nachdem zu dem doppelten Filter
Kohle hinzugefügt wurde und das Wasser dadurch glanzhell filtrirt erschien.
Das in dem Wasser vorher enthalten gewesene Blei konnte also nur
darin suspendirt gewesen sein.
Nun ist eine nach dem Vorhergehenden bekannte Thatsache, dass Blei
nicht von jedem Wasser angegriffen wird, von weicherem (zu dem das
hiesige gehört) leichter, von hartem gar nicht. Dass aber der Härtegrad,
resp. der Gehalt an erdigen Bestandteilen des Wassers nicht ausschliesslich
die Intensität seines Angriffes bestimmt, ist theils ebenfalls aus den oben
gegebenen Citaten, theils aus Versuch VIII. zu deduciren. Auch das Vor¬
handensein von Chloriden, Nitraten, Nitriten oder Aramoniakverbindungen,
sowie der Gehalt an Luft und Kohlensäure steigert die Angriffsfahigkeit
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröliren. 269
des Wassers auf Blei. Möglicher Weise konnte der in der Leitung herrschende
Druck mit im Spiele sein.
Dagegen begünstigt ein Gehalt des Wassers an kohlensauren und
schwefelsauren Erdsalzen das Zustandekommen von schwerlöslichen Blei¬
verbindungen auf der Berührungsfläche, und indem diese das ganze Innere
des Bleirohres überziehen, halten sie weitere Angriffe von Seiten des Wassers
zurück — machen das Bleirobr unschädlich.
Welche Ingredienzien und Umstände befähigen nun das hiesige
LeitungswasBer zu der genannten Wirkung auf Blei?
Versuch IV. Um zunächst die etwaige Wirkung des Druckes zu
constatiren, unter dem die Wassersäule innerhalb der Röhre steht, wurde
eine neue 10m lange Bleiröhre mit 20cm lichter Weite, wie solche bei
der hiesigen Leitung in Anwendung sind, in horizontaler Lage unter dem
Drucke der Leitung nach sorgfältigem Ablassen der Luft, mit bis dabin
bleifreiem Wasser gefüllt belassen. Nach vier Stunden war der Inhalt der
Röhre deutlich bleihaltig und nach 24 Stunden war das Wasser stark
bleihaltig. Doch steigerte sich in diesem und den folgenden Versuchen
keineswegs der Bleigehalt des Wassers in gleichem Verhältnisse mit der
Zeit der stattgehabten Einwirkung des Wassers auf das Metall.
Versuch V. Dieselbe Röhre entleert, ausgespült und ohne Druck
gefüllt, ergab nach 24 Stunden im Inhalte starke Bleireaction, wenn auch
geringer als im Versuche IV.
Sonach konnte der Druck als wesentliche Ursache des Verhaltens des
Wassers gegen Blei ausgeschlossen und nur als begünstigende Nebenursache
angenommen werden.
Es konnte weiter die Qualität der Bleiröhren in der uns interessirenden
Frage wesentlich sein.
Zur Zeit wurden hier zu Wasserleitungszwecken benutzt ein sogenanntes
hartes und ein sogenanntes weiches Bleirohr. Letzteres, auch geschwefeltes
Bleirohr genannt, soll im Inneren mit einem Ueberzuge von Schwefelblei
(durch Ausspülen mit einer Schwefelkaliumlösung) versehen sein. Das oben
zu den Versuchen IV. und V. benutzte Rohr war von der sogenannten
harten Qualität, es erübrigte also noch, das Verhalten der sogenannten
weichen oder geschwefelten Qualität gegen unser Wasser festzustellen.
Versuch VI. und VII. Dieselbe ergab, unter dieselben Bedingungen
gebracht, wie die zu den Versuchen IV. und V. benutzte harte Qualität,
dieselben Resultate und bestätigte damit die auch von anderer Seite bei
demselben Material gemachte Erfahrung.
Es konnte also der Umstand, dass von den Privatinstallateuren (die
Installationsarbeiten oberhalb des Erdbodens sind hier Privatsache) in letzter
Zeit die billigere harte Qualität Rohrmaterial bevorzugt wurde, nicht die
mehrgenannten Befunde verschuldet haben.
Wie verhalten sich nun in unserem Wasser jene Stoffe, von denen
oben angegeben worden, dass ihre Gegenwart in einem Wasser dasselbe
besonders geeignet mache, die Bleiröbren anzugreifen?
Unser Wasser steht dem chemisch reinen, destillirten sehr nahe. Von
letzterem weiss man aber, dass es Blei rasch angreift und zwar, wie beob¬
achtet ist, durch seinen Gehalt an Sauerstoff und durch die darin enthaltene
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270
Dr. Pullmann,
freie Kohlensäure. Da nun aber in hiesigem Wasser ebenfalls ein Gehalt
an freier Kohlensäure nachgewiesen ist (4*89 Theile in 100 000 Wasser),
so lässt sich auch bei seinem so geringen Gehalt an (möglicher Weise za
beschuldigenden) fixen Bestandtheilen seine Eigenschaft, Blei rasch anza¬
greifen, leicht erklären. Sicherer Nachweis hierüber folgt unten durch
Versuch.
Verschiedene Wässer verhalten sich also verschieden gegen Blei, und
je mehr sich die von anderen Städten zur Wasserversorgung benutzten
Wasser in ihrer chemischen Zusammensetzung bezüglich der hier inter-
essirenden Bestandtheile von unserem hiesigen unterscheiden, um so weniger
konnten die dort gemachten Erfahrungen hier auf Bestätigung rechnen.
Das Wasser der Offenbacher Quellwasserleitung greift neue Bleirohre rasch
an und es dauert wenigstens sechs Monate lang, bis die Bleirohre durch
einen sie a]lmälig im Inneren auskleidenden schwerlöslichen Ueberzug sich
weiteren Insulten des geleiteten Wassers entziehen können.
Nach Vorstehendem drängt sich die Frage auf:
Was ist zu thun, um das Publicum im Allgemeinen und das
hiesige im Besonderen vor den thatsächlich vorhandenen Gefahren
der Bleiintoxitation durch das Rohrleitungswasser za schützen?
Zu verschiedenen Zeiten hat man verschiedene Materialien als Haus¬
leitangsröhren benutzt, versucht und vorgeschlagen, sie waren za wenig
dauerhaft, oder zu ungefügig. Auch Zinnrohre mit Bleimantel (Hamon)
scheinen sich nur in der Theorie zu eignen, Schmiedeeisen, das sich den
bei Hausleitungen erforderlichen Biegungen anbequemen Hesse, wird eben¬
falls von Wasser angegriffen und verleiht demselben einen widerlichen
Geschmack.
Es haben sich alle Surrogate für Bleirohre nicht bewährt und das Blei
blieb das souveräne Material für Anschlussleitungen, deren Wünschen vom
bautechnischen Standpunkte aus es ja auch ganz zu entsprechen geeignet
ist. Bis heute haben wir nichts Besseres an seine Stelle zu setzen.
Gelingt es nun nicht, den Fehler von Seiten des Rohrmaterials zu
paralysiren, so versuchen wir es bei der Gegenpartei, einen Ausgleich an¬
zubahnen! Unsere hiesigen Hausleitungen älteren Datums liefern blei¬
freies Wasser, das Leitungsmaterial und das zugeleitete Wasser sind aber
hier immer derselben Qualität gewesen, die jetzt alten Rohre müssen
anfangs bleihaltiges Wasser geliefert haben. Warum es nicht beobachtet
wurde? Die anfänglichen Consumenten waren gegen Bleiintoxicationen
wohl so wenig gefeit als die heutigen, der Wasserconsum pro Kopf wird
sich in den wenigen Jahren des Bestehens der hiesigen Leitung nicht
wesentlich verändert haben, es dürfte desshalb mit Sicherheit angenommen
werden, dass sich die aus den Röhren der hiesigen Leitung mitgeriesene
Bleiverbindung in den Eingeweiden der Consumenten ab und zu in un¬
angenehmer Weise geltend gemacht hat. Beschränkend auf die Zahl dieser
Patienten mag der Umstand gewirkt haben, dass in neuen Häusern die
Hausleitungen schon Monate lang der Hauptleitung angeschlossen waren,
ehe die dazu gehörigen Wohnungen bezogen wurden, und dass die der
Leitung angeschlossenen alten Häuser stark bevölkert sind, das pro Kopf
entfallende Bleiquautum sich daher sehr verminderte.
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsrühren. 271
Bei den während des Sommers 1884 constatirten Fällen benutzte
viermal eine einzelne kleine Familie von zwei bis vier Personen eine ganz frisch
gelegte Hausleitung allein, and in einem der Häuser war die Entnahme
des Leitungswassers, weil es pro Cubikmeter bezahlt werden muss, auf das
Dringlichste beschränkt, ln unseren Beobachtungen vertheilte sich also
das aus einer eben gelegten Leitung mitgerissene differente Metall auf
zwei bis vier Personen, während anderwärts bei schon länger fuhctionirenden
Leitangen leicht die vier- bis fünffache Anzahl Personen an dem mitgerissenen
Bleiquantum participirte, und durch den stärkeren Wasserconsum über¬
haupt weniger Blei in dasselbe gelangen konnte.
Dass eine minimale Quantität von Blei längere Zeit ohne besonderen
Schaden für den Consumenten dem Organismus einverleibt werden kann,
ist eine tägliche Erfahrung in der Praxis und je älter die Leitung, desto
mehr wird sich das Innere der Bleiröhre mit einer Schicht unlöslichen
Bleisalzes überzogen haben, mit deren Completirung dann auch die nicht
als solche erkannte colica saturnina der Consumenten verschwindet. Doppelt
interessant ist hier die Notiz von Dr. E. Reichardt über den Befund bei
einer 300 Jahre in Benutzung gewesenen Bleiröhre aus der Leitung von
Andernach. Das dortige Wasser ist ebenfalls noch ein weiches (5*25°) und
nahm aus der fraglichen Röhre zur Zeit der Herausnahme kein Blei auf.
Die Innenfläche der Bleiröhre zeigte nach dem Jahrhunderte langen Ge¬
brauche an keiner Stelle einen Ueberzug von über 0*5 mur Dicke, bestehend
aus basisch - phosphorsaurem Bleioxyd mit Chlorblei.
Phosphorsäure ist auch im hiesigen Leitungswasser in Spuren vor¬
handen, an Reinheit und Weichheit wird das Andernacher vom hiesigen
übertroffen, es könnte desshalb hiernach mit einem hohen Grade von Wahr¬
scheinlichkeit angenommen werden, dass auch die Bleiröhren der hiesigen
Leitung nach längerer Dienstzeit sich gegen weitere Insulte von Seiten des
Wassers durch Auskleidung mit jenem unlöslichen Bleisalze schützen.
Doch dürfte dieser Trost dem Wasser bedürfenden Publicum nicht
ausreichen, vielmehr ist es Sache der Commune, dem Einzelnen seinen
Bedarf auch an Wasser in genussfahigem Zustande zu bieten. — Wir haben
oben gesagt, dass das Blei in hiesigem Wasser nur suspendirt gefunden
werde und durch Filtration leicht und sicher daraus zu entfernen sei. Ein
Filter über den Erahnen jeder neuen Hausleitung gesetzt, würde nach Ver¬
such III. das Gewünschte leisten, doch machen die damit verbundenen Un¬
bequemlichkeiten und Umständlichkeiten dasselbe zum allgemeinen Gebrauche
ungeeignet. Durchgreifend und für alle der Leitung angeschlossenen
Wohngebäude das Erforderliche leistend, würde voraussichtlich eine Vor¬
richtung sein, welche dem Wasser unserer Leitung die Kohlensäure entzöge,
bevor es mit derselben an die Bleiröhren heranträte. Unser diesbezüglicher
Versuch bestätigte die daran geknüpften Erwartungen.
Versuch VIII. Wir beraubten einer Quantität bleifreien Wassers einer
älteren hiesigen Leitung eines Theiles seiner Kohlensäure vermittelst Filtration
durch feingepulverten Marmor (kohlensaurer Kalk), das Filtrat zeigte jetzt
den Härtegrad 5*5 (gegen 3*5) und enthielt noch in 100 000 Theilen
1*25 Theile freie Kohlensäure, blieb also weiches Wasser, zeigte aber nach
248tüudigem Stehen im Bleirohre nur schwachen Bleigehalt; das Filtrat,
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272 Dr. Pullmann,
durch Aufkochen auch des letzten Restes von Kohlensäure beraubt und
unter den uöthigen Cautelen in die Bleiröbre eingefüllt, zeigte nach 24stün-
digem Stehen keinen Bleigebalt mehr.
Versuch IX. Auch nachdem wir das bleifreie Leitungswasser durch
Zusatz von kohlensaurem Kalk auf den Härtegrad 8 brachten, zeigte sich
(im Gegensatz zu Kersting’s und Napier’s Ansicht) nach 24ständigem
Stehen in der Bleiröhre das Wasser ohne Bleigehalt. Es ist sonach mehr
als wahrscheinlich, dass es vermittelst künstlicher Filtereinrichtungen im
Grossen, welche wohl den Härtegrad unseres Wassers erhöhen, aber dem¬
selben noch lange nicht den Charakter des weichen rauben, welche gleich¬
zeitig die Farbe unseres Wassers verbessern (indem auch die Thontheilchen
auf dem Filter bleiben), ohne den Geschmack zu stören, erreicht werden
kann, dass auch das hiesige Quellwasser - Leitungswasser neue Bleiröhren
nicht mehr angreift.
Nur schade, dass das aus dieser Operation resultirende Wasser den
Zwecken und Wünschen der Industrie nicht mehr entspricht, und wir leben
hier doch in einer Industriestadt.
Kommen wir nun zu der eingangs erwähnten Abhandlung Reich ardt’s
zurück, welche ja überhaupt durch die Bestimmtheit, mit der sie Urtbeile
ausspricht, die uns nicht bestätigt erscheinen, die Veröffentlichung obiger
Versuche veranlagte!
Reichardt sucht Hamon's Angaben über den schädlichen Einfluss
der Bleiröhren auf das von ihnen geführte Wasser zu entkräften. Eine
Controle der hierher gehörigen beiderseitigen Angaben würde über den
Rahmen dieser kleinen Arbeit hinausführen, nur eins sei erwähnt. S. 567 1. c.
beleuchtet Reichardt das Gutachten Hofmann’s, bezüglich der Bleiver¬
giftung in Claremont, die Familie Orleans betreffend, indem er dessen
eigene Worte anzieht und sagt darauf: „Hier werden demnach Bleiröhren
und Reservoirs genannt;“ das thut aber Hof mann gar nicht, sondern er
sagt wörtlich: „L’eau qui traverse de conduites en plomb, ou qui sejourne
dans des reservoirs de meine metal“ etc., also nicht Bleiröhre und Reservoirs
gleichzeitig, sondern eins oder das andere genügt nach Hofmann's
Meinung.
Was die Reservoirs betrifft, wo der Luftzutritt mitwirkt, so wird deren
Schädlichkeit nirgends angezweifelt, aber zur Kritik der Harmlosigkeit der
Bleiröhren zu gedachtem Zwecke möchte ich das Wörtchen „ou“ doch betonen
und nicht mit „und“ übersetzen.
S. 568 und 569 theilt Reichardt den Bleigehalt der an verschiedenen
Orten von verschiedenen Forschern bleihaltig gefundenen Wasser mit und
rechnet einen solchen heraus, der einem Verhältnis von —
entspricht, „d. h. um ein Milligramm Blei in Form
1
1162 800
2 083 300
dieser Lösungen aufzunehmen, müssen 9 bis 20 Liter Wasser genossen
werden“.
Bei den oben referirten Gautier’sehen Versuchen fand sich schon,
wie auch Reichardt S. 569 mittheilt, ein Theil Blei in 769 240, 909 600,
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren. 273
1000 000 Theilen Seinewasser, oder ein Milligramm in 7*7 bis 10 Liter;
beim Wasser der Vanne 1 mg in 2*2 Liter.
Reicbardt experimentirte mit Wasser der Jenaer Leitung von
17*5 Härtegraden und fand, wenn das Wasser ununterbrochen floss, keinen
Bleigehalt, dagegen bei dem zuerst nach Oeffnung des Hahnes entnommenen
Wasser (wie lange war der Hahn geschlossen, wie lange diente das Rohr
schon, wenn es auch die letzten 14 Tage wasserleer war?) 1mg Blei in
24*3 Liter Wasser.
Aus einer älteren Leitung entnahm Reichardt Wasser, ohne vorher
welches abgelassen zu haben (wie lange war der Hahn geschlossen?), und
konnte Blei nur qualitativ nachweisen.
Reichardt untersuchte „Wasser aus einer Leipziger Hausleitung,
Pumpbrunnen, sofort aus einer Bleiröhre entnommen u , und fand bei 5 Liter
nur qualitativ nachweisbares Blei. Dies Wasser hatte eine Härte von 17*3.
Nachdem dasselbe Wasser 12 Stunden in der Bleiröhre gestanden, constatirte
Reichardt 1mg Blei auf 69 Liter Wasser. Bei dem Leipziger Wasser
betont Reichardt die vom Jenenser Wasser abweichende Zusammensetzung
in Bezug auf Nitrate etc. Wir erlauben uns, auf das Gemeinsame des
hohen Härtegrades beider Wässer (17*5 : 17*3) hinzuweisen, den auch
Gautier, Ghampouillon, Boudet als wesentlich ansprechen. Denselben
Befund berichtet Reichardt auch bei der Altenburger Leitung, deren
„Wasser ein dem Ealkgebiete angehörendes härteres ist“. Diese Leitung
war ziemlich neu und das Resultat 1 mg Blei auf 162 Liter Wasser.
Aus diesen Ergebnissen dieser Versuche resumirt nun Reichardt:
„Diese letzten Versuche bestätigen sonach die hier in Jena erhaltenen
Ergebnisse vollständig, ebenso stimmen auch die mit Wasser aus Leipzig
erhaltenen in dem Beweise überein, dass die bei geschlossener Leitung
aufgenommenen Mengen Blei von gar keiner Bedeutung sind und
sicher ohne jeden Nachtheil genossen, oder mit den Speisen aufgenommen
und dann auch wieder abgegeben werden können.“ Wenn Reichardt
dies mit Bezug auf die Jenenser, Leipziger und Altenburger und alle
harten Wässer sagt, so kann ich das Gegentheil nicht beweisen, wenn
dieser Satz aber allgemeine Gültigkeit beansprucht, so muss ich, gestützt
auf meine eigenen Versuche und Beobachtungen in der Praxis, energisch
dagegen protestiren, denn wenn auch das Wasser von Jena und Leipzig
in Bezug auf Nitrate und „im bewohnten Boden vorkommende Verun¬
reinigungen“ differirt, so sind dies doch nicht die einzigen und mit Bezug
auf unser Thema wesentlichen Componenten.
Steiner’s hohe Zahlen von Bleigehalt im Wasser fallen Reichardt
auf, die Versuche mit hiesigem Wasser bestätigen aber diese Zahlen voll¬
kommen. Das Gemeinsame beider Wässer (der Budapester und der hiesigen
Leitung) ist der geringe Härtegrad und das Verhältnis der freien Kohlen¬
säure, ein Verhältnis, das ja auch von Gautier, Clemenz, Reichardt,
Wiel als wesentlich bezeichnet wurde.
Beide Wässer sind in ihrer Analyse wesentlich verschieden von dem
Wasser, welches Reichardt und Andere zu ihren Versuchen benutzten;
wenn nun die Bedingungen sich ändern, warum soll es erstaunlich sein,
dass auch der Effect des Experimentes ein anderer wird? Die Wässer, die
Vicrtcljaliraschrift für Gesundheitspflege, 1887. jg
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274
Dr. Pullmami,
sich Blei gegenüber als inoffensiv erwiesen (die Reichardt’sehen Brunnen,
Spree, Havel, Themse, Seine, Dhuis, Vanne), besitzen theils hohen, theils
sehr hohen Gehalt an Kalk- nnd anderen Salzen, das Wasser der Moldau
und der hiesigen Leitung sind weiche Wässer, letzteres auf einen mittleren
Härtegrad gebracht und der freien Kohlensäure beraubt, wird Bleiröhren
gegenüber indifferent, folglich bedingen die freie Kohlensäure und die Armuth
an ErdBalzen die Angriffsfähigkeit unseres Wassers gegenüber den Bleiröhren.
Seite 574 1. c. sagt nun Re ich ard t: „Es ist sehr schwer, Versuche
Anderer auf die eigenen zu übertragen, da die Umstände örtlich zu ver¬
schieden sein können.“ Ich bin damit einverstanden, würde sogar noch
weiter gehen und sagen, es ist dies ganz unstatthaft und falsch, denn „die
Umstände“ — hier das Wasser — sind örtlich höchst verschieden, aber
ich begreife nach dieser Resignation nicht, wie Reichardt auf der folgenden
Seite Hamon zumuthen kann, dass dieser trotz der örtlich verschiedenen
Umstände bei seinen Versuchen zu den Schlussfolgerungen hätte kommen
müssen, „dass geschlossene Bleirohrleitungen nur minimale, nicht zu be¬
anstandende Mengen Blei an das Wasser abgeben und hierauf die zahlreich
beobachteten Bleivergiftungsfälle sich nicht beziehen können“.
Und weiter unten „gerade die von Hamon mit vorgeführten Unter¬
suchungen bestätigen die bekannte Thatsache, dass bei geschlossener Leitung
Bleiröhren ohne Bedeuken zur Wasserleitung gebraucht werden können“.
Ich erlaube mir nach meinen Erfahrungen in der ärztlichen Praxis
und gestützt auf meine Versuche zu behaupten, dass dies durchaus keine
Thatsache, vielmehr eine Täuschung, dass es vielmehr erforderlich
ist, bei jeder zu installirenden Leitung vor deren Inbetrieb¬
setzung das WasBer zu analysiren und (besonders, wenn es
weiches ist) sein Verhalten auf Bleirohr experimentell zu
constatiren und dann dem consumirenden Publicum die Er¬
gebnisse und die daraus zu folgernden Maassnahmen resp.
Vorsichtsmaassregeln mitzutheilen.
Wenn Graham und Calvert für unschädliches Trinkwasser 0*7ing Blei
im Liter zulassen wollen, so ist das ihre ganz individuelle Ansicht, die kein
Arzt theilen dürfte, oder können uns die beiden Herren vielleicht sagen,
wie viel Zehntel Milligramm Blei der Mensch in den verschiedenen Lagen
und Perioden des Lebens durch seine Nieren regelmässig täglich ausscheiden
kann und auf Wunsch ausscheiden muss? Dass Blei eine cumulative
Wirkung ausübt, ist bekannt, und die Ablagerung von Blei in menschlichen
Organen nachgewiesen. Der blaugraue Saum von Bleialbuminat an den
Zahnfleischrändern, die Verfärbung der Hautdecken bei Bleikranken sind
tägliche Beobachtungen.
Gr eh aut wies in den blauen Lippen Schwefelblei nach.
Troisier und Lagrange fanden Blei in einem Gehirne, nachdem
dessen Besitzer x / 2 Jahr vorher sich der Schädlichkeit entzogen. Das lang¬
same Schwinden der Bleisymptome und die träge Reconvalescenz der
Patienten deuten allgemein auf sehr allmälige Ausscheidung des toxischen
Metalls, und die Beobachtung in der Praxis beweist ein ganz verschiedenes
Verhalten gegen Blei bei den verschiedenen Geschlechtern und Entwickelungs¬
stufen des Menschen.
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Verunreinigung des Wassers durch bleierne Leitungsröhren. 275
Wenn also bei Aufnahme von Blei in den menschlichen Körper die
Ausscheidung desselben nicht gleichen Schritt hält, so muss sich doch bei
länger fortgesetzter Aufnahme allmälig ein toxisch wirkendes Quantum
ansammeln, selbst wenn die von Graham und Calvert beliebte untere
Grenze noch um eine ganze Decimalstelle vermindert würde. Es handelt
sich in unserer Frage durchaus nicht darum, wie viel Blei geht aus den
Bleiröhren auf das geführte Wasser über, sondern geht überhaupt solches
über, und in letzterem Falle ist es Pflicht, die Consumenten auf die ihnen
drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Natürlich sehe ich dabei ab von
einem Gehalte an Blei in jenen minimalen Spuren, wie sie Mayencon und
Bergeret noch elektrolytisch nachzuweisen suchten, und der ihrer Erfahrung
nach für die Consumenten irrelevant war, sonst müssten wir schliesslich
auch noch das Kupfer in Betracht ziehen, das sich durch den Ausflusshahn
dem Wasser mittheilt und auf demselben Wege noch nachweisbar ist. Wir
capricirten uns desshalb auoh bei unseren Versuchen nicht darauf nachzu¬
weisen, wie viel Blei übergeht, sondern darauf, dass Blei übergeht in einem
Quantum, wie es durch Schwefelwasserstoffgas leicht, gleichsam makroskopisch,
nachweisbar ist; ein Quantum, dem wir eben toxische Wirkungen Zutrauen
müssen, so lange bis uns das Gegentheil bewiesen wird.
Dürfen wir nun das Ergebniss unserer Studie resumiren, so kommen
wir zu folgenden Thesen:
1. Bleiröhren verhalten sich gegen verschiedene durch sie geleitete
Wässer verschieden.
2. Geschwefelte und ungeschwefelte Röhren differiren nicht wesentlich
in ihrem Verhalten gegen das eingeleitete Wasser.
3. Der Druck, unter dem das Wasser in der Leitung steht, beeinflusst
nicht dessen Verhalten gegen Blei. *
4. Hohe Härtegrade des Leitungswassers schützen das Bleirohr vor
stärkeren Insulten.
5. Ein Gehalt an freier Kohlensäure, sowie niedriger Härtegrad
(unter VIII.) des Wassers unterstützen dessen agressives Verhalten
dem bleiernen Leitungsmaterial gegenüber.
6. Es sollte desshalb in allen Fällen von Installirung einer Leitung von
GenusBwasser dessen Verhalten zu den event. beliebten Bleiröhren
geprüft und die daraus zu folgernden Schlüsse dem consumirenden
Publicum bekannt gegeben werden.
7. Längere Benutzung (6 Monate) macht die Bleiröhren auch gegen
weiches und kohlensäurehaltiges Wasser unempfindlich.
8. Durch einfaches, ununterbrochenes Passiren einer Bleiröhre erwirbt
das Wasser keine toxischen Eigenschaften.
9. Bei den meist cumulativ sich äussernden Folgen von Bleiintoxication
scheint es unstatthaft, für ein Trinkwasser einen unteren Grenzwerth
zulässigen Bleigehaltes festzusetzen, vielmehr ist alles Wasser vom
Genüsse auszuschliessen, welches so viel Blei enthält, dass solches
durch Schwefelwasserstoff 1 nachweisbar wird.
18 *
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27C
Dr. M. Schulz,
Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung
aus dem König]. Impf'Institute zu Berlin.
Von Dr. M. Schulz.
Während in manchen anderen deutschen Städten die öffentlichen
Impfungen in der Hanptsache mit animaler Lymphe ausgefährt werden, ist
die Verwendung dieses Impfstoffes zu gleichem Zwecke in Berlin bisher
immer nur eine vereinzelte gewesen. Eine tiefer gehende Abneigung gegen
die Menschenlymphe besteht hier unter denjenigen Classen, welche von den
öffentlichen Impfungen Gebrauch machen, nicht; das Verlangen nach animaler
Vacoination ist mehr unter den besser Situirten verbreitet und desshalb
waren es bisher auch hauptsächlich Privatärzte, welche sich derselben be¬
dienten. Die öffentlichen Impfärzte finden im Allgemeinen bei der Lymph-
abnahme wenig Widerstand und sind somit in der Lage, sich ein präcise
wirkendes Material ohne besondere Unbequemlichkeiten zu verschaffen.
Auch bestand hier bisher kein öffentliches Institut, welches in der Lage
gewesen wäre, ihnen ihren ganzen Bedarf an Thierlymphe zu liefern. Dem
Königl. Impf-Institut hierselbst sind seit 1881 fortlaufend Gelder zur Er¬
zeugung von solcher Lymphe gewährt worden, und es sind in dieser Be¬
ziehung auch zahlreiche Versuche angestellt, von welchen in den Generäl¬
berichten über das Sanitäts- und Medicinalwesen der Stadt Berlin aus den
Jahren 1881 und 1882 ausführlichere Mittheilungen gemacht ist, die auch
in den Uebersichten über die Thätigkeit der preussischen Impf-Institute in
Eulenberg’s Vierteljahrsschrift Nr. 42, Heft 1 u. Nr. 43, Heft 2 erwähnt sind.
Ein Versuch aber, die animale Impfung in den öffentlichen Terminen
der Königl. Impfanstalt in weiterer Ausdehnung zur Ausführung zu bringen,
ist in früherer Zeit nicht gemacht worden. Es geschah dies im Sommer
1885 zum ersten Male. Nachdem von Mitte Juni bis Ende Juli zum Zwecke
der Information und der Erlernung der Technik die Vaccinationen der
Erstimpflinge an einem Arme mit humanisirter, am anderen Arme mit
animaler Lymphe vollzogen waren, wurden von August bis Ende des Jahres
die sämmtlichen Impfungen und Wiederimpfungen mit animaler Lymphe
ausgeführt. Es gelangten in dieser Zeit 959 Erstimpflinge mit 98 Proc.
personellem und 68 Proc. Schnitterfolg zur Ausführung. — Bei 738 Wieder¬
impfungen war der personelle Erfolg 82 Proc., Scbnitterfolg 50 Proc. Es
wurden 1885 450 Röhrchen zu je 7 Impfungen an andere Aerzte ab¬
gegeben, von denen diejenigen, welche über ihre Resultate einen übersicht¬
lichen Bericht einschickten, 511 junge Kinder mit 99 Proc. personellem und
75 Proc. Schnitt erfolg impften, und 337 Schulkinder mit 97 Proc. personellem
und 70 Proc. Schnitterfolg revaccinirten.
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277
Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung.
Die Impfmethode, welche hier geübt und auch anderen Aerzten em¬
pfohlen wurde, besteht bei Erstimpfungen und bei Wiederimpfungen mit
ganz frischer Lymphe in einfachen flachen Längsschnitten mit nachherigem
Einstreichen des Impfstoffes in die Wunden, bei Wiederimpfungen und
etwas älterer Lymphe in Kritzelschnitten.
Der verwendete Impfstoff war im Kuhstalle der Königl. Thierarznei-
schule gewonnen. Es ist dies ein grosser für das Mustervieh der Anstalt
bestimmter Raum, der im Winter nicht geheizt wird, aber doch eine behag¬
liche Temperatur zeigt, im Sommer hingegen sehr warm ist.
Die Kosten der Lympheerzeugung sind in Berlin ziemlich hoch. Das
Leihgeld für das Thier, Ernähren, Abwarten und Rasiren beträgt jedesmal
etwa 50 Mark. Dabei fällt der Umstand ins Gewicht, dass der Viehmarkt,
auf welchem der Lieferant die Thiere allein beschaffen kann, sich auf dem
von der Thierarzneischule fern gelegenen Viehhof befindet, dass also die
Thiere zum Impfen nach der Stadt gebracht und zum Schlachten nach dem
Viehhofe zurück transportirt werden müssen. Die Umständlichkeiten und
höheren Kosten, welche mit diesen Verhältnissen verknüpft sind, lassen cs
in hohem Grade wünschenswerth erscheinen, dass ein in grösserer Aus¬
dehnung einzurichtendes Impf-Institut auf dem Viehhofe oder in der Nähe
desselben angelegt würde. Im Allgemeinen soll damit einer Verbindung
zwischen Schlachthof und Kälberimpfanstalt nicht das Wort geredet werden.
Die Frage muss eben für andere Orte in jedem einzelnen Falle nach den
localen Verhältnissen und Einrichtungen entschieden werden.
Der hier erzeugte Impfstoff war vorwiegend Retrovaccine, welche durch
Flächenculturen mittelst vieler sich nach allen Richtungen durchkreuzender
Schnitte gewonnen wurde. Die einzelnen Impfwunden wurden ziemlich tief
angelegt; die Abnahme erfolgte nach 5 X 24 Stunden mit dem Kücheu-
messer resp. Blechlöffel. Gereinigt wurde die Fläche sehr genau mit Wasser
und Seife.
Bei den tieferen Impfschnitten, die hier im Allgemeinen gemacht wurden,
liess sich die Lymphe nur in der oberen Schicht blutfrei abnehmen, der den
tieferen Schichten entnommene Impfstoff enthielt aber Blut und auch ein¬
zelne kleine Gewebstheilchen der Lederhaut. Der Blutfarbstoff konnte
unbeschadet der Wirksamkeit der Lymphe mit erkaltetem, vorher gekochtem,
destillirtem Wasser ausgezogen werden. Es ist dies aber durchaus nicht
nöthig und er wurde in der übergrossen Mehrzahl der Fälle in der Lymphe
belassen. Von den gebräuchlichen Präparaten wurde ausschliesslich die
Glycerinemulsion verwendet. Man hat nun gewisse Bedenken gegen den
den Flächenculturen entstammenden Impfstoff geäussert, die namentlich
darin bestehen, dass dem ausgeschabten Materiale eine grössere Menge von
thierischen Substanzen beigemengt wäre, als bei der Impfung einzelner
Pocken. Diese Substanz sollte nun die Fäulnissfähigkeit der Lymphe ver¬
mehren, andererseits aber durch ihre Anwesenheit die relative Menge des
in einem Quantum enthaltenen wirksamen Stoffes vermindern und so die
Wirksamkeit der Lymphe herabsetzen.
Diese Gefahren sind in der Praxis nicht vorhanden. Eine Fäulniss
des mit Glycerin vermischten Impfstoffes tritt nicht ein. Es wurde hier ein
Quantum präparirter bluthaltiger Emulsion während des Sommers vier
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Dr. M. Schulz,
Wochen offen in eine Stube gestellt, ohne irgend welche Fäulnisserscheinungen
zu zeigen. In Capillaren wurde bluthaltige Lymphe über ein Jahr auf¬
gehoben, war nach dieser Zeit noch unzersetzt, hatte ihre Farbe bewahrt
und zeigte noch eine — wenn auch geringe — Wirksamkeit. Manchmal
trocknet der Stoff in den Capillaren etwas ein, behält aber seine Brauchbar¬
keit längere Zeit. Nur in einzelnen schlecht verschlossenen Röhrchen zeigt
sich auf der offenen Seite beginnend eine grünliche Verfärbung der Flüssig¬
keit, die ins Braune übergeht und sich nach und nach auf den ganzen
Inhalt verbreitet. Die so veränderte Lymphe zeigt zwar keinen Fäulniss-
geruch, die Farbe entstammt somit wohl einer blossen chemischen Ver¬
änderung des Blutfarbstoffes; wir haben dieselbe aber nicht verwendet.
Was noch die Haltbarkeit der Lymphe Temperatureinflüssen gegenüber
anbetrifft, so zeigt sich dieselbe, so lange sie nicht gerade der Sonne aus¬
gesetzt wird, bei der hiesigen Sommerwärme wochenlang gut wirksam. Da
bei der Versendung im Winter auch Kältetemperaturen auf den Stoff ein¬
wirken, so haben wir wiederholt Röhrchen während der kalten Zeit 24 Stunden
ins Freie gelegt. Das Tagesminimum betrug bei dem Auslegen 7°C., doch
hatte diese Temperatur keinen schädigenden Einfluss auf die Wirksamkeit
der Lymphe.
Für Erstimpfungen ist also die Brauchbarkeit des Stoffes wochenlang
die gleiche. Nur wurde hier bemerkt, dass die einfache Schnittmethode bei
Wiederimpfungen nur bei ganz frischer Lymphe, bis etwa zu 10 Tagen,
gute Resultate ergab; nach dieser Zeit musste der Kritzelschnitt eintreten,
um den Erfolg auf gleicher Höhe zu erhalten. Derselbe dürfte aber kein
besonderes Hinderniss für die öffentlichen Impfungen sein, da die Kritzel¬
methode für ein Kind bei einiger Uebung nur etwa Vj Minute in Anspruch
nimmt; bei Erstimpflingen ist er freilich nicht in den öffentlichen Terminen
verwendbar.
Das Aussehen der bluthaltigen dicken Emulsion findet bei einzelnen
Aerzten, welche an die klare, durchsichtige Beschaffenheit der humanisirten
Lymphe gewöhnt sind, noch Anstoss, doch ist das Auf hören dieser Ab¬
neigung nur eine Frage der Zeit.
Die Beimischung organischer Substanz ist auch bei der Flächencultur
nur eine unerhebliche. Selbst der aus den tieferen Schichten herausgeschabte
Theil des Impfstoffes zeigt eine weisslich rothe Färbung. Wird er aber
nachher mit Glycerin verrieben, so tritt durch die stark röthende Wirkung
des mit Glycerin vermischten Blutes eine Färbung ein, welche den wirk¬
lichen Gehalt an organischer Substanz stark überschätzen lässt.
Sind im Ganzen auch die Erfolge der animalen Impfungen als relativ
günstig zu bezeichnen, so erschwert doch ihre Einführung die eigentliche
Aufgabe des hiesigen Institutes — nämlich die Production humanisirter
Lymphe — in hohem Grade. Am 7. Tage, an welchem hier die Abimpfungen
erfolgen, sind die aus Kälberlymphe erzeugten Blattern oft unentwickelt
und klein, sie ergeben daher nur einen geringen Ertrag. Hierzu kommt
noch, dass der Schnitterfolg bei animaler Vaccination hinter demjenigen der
Impfung mit Menschenlymphe, der fast unwandelbar 100 Proc. beträgt,
zurückbleibt.
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Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung.
Ungeachtet dieser Schwierigkeiten gelang es während des Jahres 1885,
das nöthige Lymphequantum trotz animaler Impfung zu beschaffen und
ausserdem noch so viel Stoff zu gewinnen, wie er zu den unten zu erwähnen¬
den Culturversuchen nöthig war.
Als aber zum Beginne der diesjährigen Impfperiode die Bundesraths¬
beschlüsse vom 18. Juni 1885 Gültigkeit erlangt hatten, als mit diesen
sämmtliche erstgeborenen Kinder von der Abimpfung ausgeschlossen wurden,
als ferner die Bestimmung beachtet werden musste, nach der bei jedem
Kinde zwei Blattern uneröffnet bleiben sollen, war es unmöglich, durch
animale Impfung dasjenige Quantum an Menschenlymphe zu gewinnen,*
welches trotz der grösseren Verbreitung der Thierlymphe in der Provinz
noch von dem hiesigen Institute beschafft werden muss. Auch bei einer
grösseren Zahl von Impflingen kann man nicht mit Sicherheit mehr darauf
rechnen, dass man in jedem Impftermine bei animaler Vaccination wirklich
Lymphe gewinnt. Wenn der Zufall es mit sich bringt, dass bei den ver¬
einzelten Kindern, die jetzt noch zur Lympheentnahme ausgewählt werden
können, sich Blattern in geringerer Zahl und Ausdehnung entwickelt haben,
so geschieht es, dass eine Ausbeute ganz ausbleibt. Auch ist es nicht leicht,
namentlich bei unruhigen Kindern, den Impfstoff der kleinen Blattern ganz
blutfrei zu entnehmen und, da in Preussen das Mischen der Menschenlymphe
neuerdings verboten wurde, hatte man meist kleine Quantitäten derselben
zu verarbeiten, aus denen das Blut nur schwierig zu entfernen ist. Wir
haben uns unter diesen Umständen schliesslich immer so geholfen, dass wir
die jedem einzelnen Kinde entnommene Vaccine mit Glycerin gründlich ver¬
mischten und sie in Capillaren füllten, welche dann verschlossen genau
senkrecht aufgestellt wurden. Hierdurch sinkt das Blut in den unteren
Theil des Röhrchens hinab, den man ganz einfach abbricht. Alsdann erhält
die Capillare einen mikroskopisch vollkommen blutfreien Impfstoff, wie er
den Beschlüssen der Impfcommission entspricht. Um nun das zur Ausgabe
nöthige Quantum von Menschenlymphe zu erhalten, verfahren wir jetzt so,
dass wir am Impftage schon diejenigen Kinder, welche sich zur Abnahme
des Stoffes eignen, aussuchen und mit humanisirter Lymphe impfen, während
bei den anderen Kindern animale Vaccination stattfindet. — Aehnliche
Schwierigkeiten werden aber auch für ein Thierlympheerzeuguugs-Institut
nicht ganz ausbleiben, wenn die Kälberimpfung allgemein eingeführt sein
wird. Man wird, da die Fortpflanzung der animalen Lymphe von Thier zu
Thier nicht in allen Fällen gelingt, nicht ohne Erzeugung von Retrovaccine,
also auch nicht ohne die Gewinnung von Menschenlymphe, auskommen. Da
im Durchschnitt auf 30 Impflinge ein Kind kommt, von welchem Lymphe
abgenommen werden kann, andererseits aber die Lymphe von 3 bis 4 Kindern
zu einem Kalbe gebraucht wird, so würde man, um Retrovaccine für 1000
bis 1500 Personen, welchen Ertrag man auf ein Kalb rechnen kann, zu
erzeugen, etwa 100 Impflinge haben müssen. Es würden also der Stadt
Berlin, in welcher ca. 50000 Kinder jährlich zur Impfung gelangen, allein
eine Auswahl unter 3000 Erstimpflingen zu Gebote stehen müssen, um die
nöthige Menge von Retrovaccine zu gewinnen. Der Bedarf für die ganze
Provinz ist aber ein noch ungleich grösserer und würde unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen vom hiesigen Institute nicht beschafft werden können.
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Dr. M. Schulz,
Es wird demnach nichts übrig bleiben als einen anderen Weg einzuschlagen.
Es sind hier zwar keine fortlaufenden Versuche der Verimpfung von Kalb
zu Kalb gemacht worden, aber unsere Experimente haben immer das gleiche
Resultat ergeben, dass frische Retrovaccine auf Kälber verimpft guten Er¬
trag giebt. Wenn man nun die gewonnene Retrovaccine nicht zu den
Menschenimpfungen ausgiebt, sondern sie nur zur Erzeugung derjenigen
Kälberlymphe benutzt, welche zur Ausgabe gelangen soll, so wird man
voraussichtlich die vorhandenen Schwierigkeiten umgehen können. Freilich
muss auch den Impfinstituten immer ein möglichst grosser Impfbezirk zu
Gebote gestellt werden.
Vom Herbste 1885 an bis zum September 1886 wurden hierselbst
eine Reihe von Versuchen gemacht, welche die Herstellung einer reinen,
d. h. von fremdartigen Bacterien freien Lymphe zum Zwecke hatten. Sie
wurden auf Anregung des Herrn Prof. Koch begonnen und im Anfänge
unter seiner persönlichen Mitwirkung durchgeführt, später hatte Herr Stabs¬
arzt Plagge die Güte, denselben theilweise beizuwohnen und die Probe-
culturen zu machen. Es ist schon in früherer Zeit vielfach der naheliegende
Gedanke ausgeführt worden, die Impffläche durch Verbände vor Ver¬
unreinigungen zu schützen. Dieses Bestreben erfuhr einen neuen Auf¬
schwung, nachdem man durch das Platten verfahren gelernt hatte, die animale
Lymphe zu analysiren und in ihr grosse Mengen der verschiedenartigsten
Keime vorfand, die auch sowohl in der Luft der Kuhställe wie auch auf dem
Haare der Rinder vorhanden waren. Es ist jedenfalls eine grosse Zahl von
Versuchen nach dieser Richtung hin gemacht, aber nachher wegen ihrer
Resultatlosigkeit aufgegeben. Andererseits liegt aber auch ein dringendes,
praktisches Bedürfniss, diese Frage zu lösen, nicht vor, da erfahrungsgemäss
auch die stark keimhaltige Lymphe ohne Schaden verimpft wird.
Die Aufgabe, eine reine Lymphe auf Kälbern zu erzeugen, ist eine sehr
complicirte und hat Vorbedingungen, welche theilweise zur Zeit noch als
unerfüllbar betrachtet werden müssen.
Die auf die Impffläche des Kalbes übertragenen Pilzkeime entstammen
zunächst der Lymphe, welche als Aussaatsmaterial benutzt wird, ferner dem
Kalbe selbst, dann den Instrumenten, Händen etc. des Impfenden und end¬
lich der Luft des Impfstalles, aus der sie nicht nur während der ganzen
langen Zeit der Operation, sondern auch nachher auf die beschickte Fläche
fallen. Es ist nun hier versucht worden, diese Fragen in Versuchen zu
prüfen.
Der verwendete Impfstoff soll rein, d. h. frei von solchen Keimen sein,
welche nicht unbedingt zur Erzeugung der Blattern nothwendig sind. Da
aber Reinculturen der Vaccine bisher noch nicht erzeugt werden konnten,
so bleibt nichts anderes übrig, als den Versuch zu machen, auf Umwegen zu
einem reinen Impfstoffe zu gelangen. Im Gegensätze zur animalen Vaccine,
welche — wie oben erwähnt — meist viele fremde Pilzkeime enthält, zeigt
die Kinderlymphe bekanntlich ein sehr verschiedenartiges Verhalten.
Manchmal findet man bei Gelatineplatten-Culturen, dass sich aus der aus-
gesäeten Menschenlyraphe viele Colonieen entwickeln, in anderen Fällen
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Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung.
erweist sich eine bei der Impfung sehr wirksame Lymphe auf Gelatine fast
keimfrei. Schon dieser Umstand lässt nur die Annahme zu, dass der eigent¬
lich wirksame Keim der Menschenlymphe auf der gewöhnlichen Fleisch¬
peptongelatine und bei gewöhnlicher Temperatur nicht wächst. Es wurde
von mir nun der Versuch gemacht, diesen Umstand zur Ausschaltung von
verunreinigenden Pilzkeimen aus der Menschenlymphe zu benutzen. Grössere
Mengen derselben wurden in relativ kleinen Quantitäten von Gelatine aus-
gesäet und zur Auskeimung gebracht. Die Stellen der Gelatineplatten, auf
welchen sich Golonieen entwickelten, wurden täglich mit ausgeglühten In¬
strumenten entfernt, so dass nach etwa 8 Tagen nur diejenigen Theile der
Gelatine übrig blieben, auf denen keine Keime ausgewachsen waren. Diese
wurden noch einmal mit dem Mikroskop durchmustert, um alle auch die
kleinsten Colonieen aufzufinden und dann der rein gebliebene Nährboden
zur Impfung verwendet. Man muss aber, weil viele Platten durch Ver¬
flüssigen der Colonieen zu Grunde gehen, sehr viele derartige Aussaaten
machen, um ein Resultat zu haben, und somit bedarf man sehr grosser
Mengen von Lymphe, welche tadellosen Kindern entstammt und welche man
weiter verimpfon kann. Günstiger sind die Verhältnisse bei Benutzung von
Agar-Agar. Dasselbe wird durch Keime in geringerem Maasse verflüssigt,
auch schrumpft es beim Eintrocknen nachher zu einem feinen Häutchen
zusammen, welches dann das wirksame Agens in einem relativ concentrirteren
Verhältnisse enthält als die Gelatine, welche sich beim Trocknen weniger
zusammenzieht. Freilich macht Agar-Agar nachher Schwierigkeiten beim
Zerkleinern dieses Häutchens. Das so erzeugte Impfmaterial ist auf Menschen
mittelst der Kritzelung und auch auf Thiere verimpft worden. Es trat
dabei einzelne Male wirklich Blatternbildung ein, doch geschah dies nur in
der grossen Minderzahl der Fälle. Dies erklärt sich aus der hochgradigen
Verdünnung, welche die Lymphe in der Gelatine erfahrt. Die grosse Menge
disponiblen Impfstoffes, deren man zu solchen Versuchen bedarf, hat später
nicht beschafft werden können, demnach sind dieselben zunächst noch nicht
wiederholt worden. Sollte sich aber bei ferneren Versuchen die Brauchbar¬
keit des Verfahrens bestätigen, so würde man ein Impfmaterial gewinnen,
welches wenigstens frei von denjenigen Bacterien ist, die auf Gelatine
wachsen. Diese Versuche sind ausschliesslich mit humanisirter, nicht aber
mit animaler Lymphe gemacht worden.
Es wird aber — wie oben erwähnt ist — stark mit Pilzkeimen ver¬
mischte Kälberlymphe erfahrungsgemäss ohne Schaden verimpft. Praktisch
würde es demnächst darauf ankommen, hauptsächlich die wirklich schäd¬
lichen Keime aus dem Impfstoffe auszuschliessen. Da durch Auswahl der
Stammimpflinge und der Impfkälber die meisten dieser Schädlichkeiten zu
vermeiden sind, so handelt es sich noch in der Hauptsache um die Keime des
Rothlaufes und der Wundkrankheiten. Wenn man einem Kinde, das an
keiner dieser Krankheiten vor der Abimpfung litt und auch nach derselben
nicht daran erkrankt ist, die reifen Pusteln an ihrer Oberfläche sorgsam
durch Befeuchten mit Sublimatlösung durchtränkt, den hervorqnellenden
Impfstoff, der nach hiesigen Erfahrungen trotz der Desinfection wirksam
bleibt, sofort in erhitzt gewesene Capillaren anfnimmt, so kann man, sofern
wirklich das Sublimat die Oberfläche vollkommen desinficirt, annehmen, dass
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man ein Aussaatsmaterial zur Impfung gewinnt, welches frei von schädlichen
Pilzkeimen ist.
Die Verunreinigungen, welche die ausgesäete Lymphe erfahren kann,
finden sich zuerst auf dem Kalbe selbst. Demnach wird das Thier einem
sorgfältigen ReinigungsproceBse unterzogen werden müssen. Die weitere
Umgebung der rasirten Fläche wird mit Wasser und Seife gründlich ge¬
waschen und die feuchten Stellen mit 1 pro Mille Sublimatlösung durch¬
trankt. Die Impffläche selbst kann man, wie ein auf Veranlassung des
Herrn Prof. Koch angestellter Versuch zeigte, mit einer starken Sublimat¬
lösung befeuchten, die Flüssigkeit eintrocknen lassen und nachher mit vollem
Erfolgo mit Lymphe beschicken. Für den übrigen Theil der Kalbshaut ist
es Hauptsache, dass dieselbe während des Impfprocesses feucht gehalten
wird, alsdann kann sich aus ihr kein Staub erzeugen und die Wunde inüciren
Selbstverständlich ist es, dasB die Hände des Operateurs sowie die Instru¬
mente gereinigt und desinficirt werden.
Die Procedur der Flächenimpfung ist von sehr langer Dauer, da eine
Person etwa 1 1 / 2 Stunden auf dieselbe verwenden muss und es fällt während
dieser Zeit natürlich eine grosse Menge von Keimen aus der Luft auf die
vorher desinficirte Fläche nieder. Demnach wäre es zunächst nothwendig,
diese Schädlichkeit durch Auswahl eines möglichst staubfreien Raumes zu
verringern. Für Impfungen würden sich demnach Localitäten eignen, welche
Terrazzofussböden, geölte Wände und Decken haben und ebenso wie die
Ovariotomienzimmer der Frauenkliniken nur die nothwendigsten Gebrauchs¬
gegenstände enthalten.
Auch auf die Abkürzung der zum Impfen noth wendigen Zeit muss
Bedacht genommen werden. Nach dieser Seite hin sind hier mehrfach Ver¬
suche gemacht worden, die Schnittmethode durch Aufkratzen der Impffläche
mittelst eines scharfen Löffels zu ersetzen und dann den Impfstoff auf die
wund gemachte Fläche zu bringen. In einzelnen Fällen, namentlich dann,
wenn die Kratzwunden oberflächlich waren und strichweise neben einander
lagen, ward auch hier Erfolg erzielt. Es entwickelten sich reichliche aber
zerstreut liegende Blattern, welche freilich mit den dicht besäeten Blattern¬
flächen, die die Schnittimpfung erzeugt, an Ertragsfähigkeit nicht zu ver¬
gleichen waren. Vielleicht ist es möglich, durch weitere Erfahrung, event.
durch eine Aenderung der Instrumente, auch nach dieser Richtung hin
besseren Erfolg zu erzielen. Es würde jedenfalls durch solche Kratzmethode
erreicht werden, dass die ganze Impfung einer grossen Fläche auf etwa
15 Minuten reducirt wird. Die Impfzeit aber derartig abzukürzen und einen
so staubfreien Raum herzustellen, dass gar keine Keime auf die Fläche
niederfallen, ist unmöglich. Es wurde aus diesem Grunde folgendes Ver¬
fahren versucht: die Bauchfläche ward mit den geglühten aber mit Lymphe
nicht benetzten Instrumenten zuerst vollkommen scarificirt. Alsdann wurde
die wunde Fläche gründlich mit 1 pro Mille Sublimatlösung gereinigt.
Das Desinfectionsmittel ward mit destillirtem Wasser abgespült oder mit
trockener, sterilisirter Watte gründlich abgewischt. Endlich wurde die
Lymphe mit einem Glasstabe genau aber schnell in die Fläche eingerieben,
und diese dann mit einem undurchlässigen vorher desinflcirten Stoffe be¬
deckt. Auf den Erfolg der Impfung ist dies Verfahren, wie eine ganze
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283
Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung.
Reihe von Versuchen ergeben hat, ohne Einfluss. Die Blatternbildnng erfolgt
nachher in durchaus befriedigender Weise. Nur einmal wurde bei sehr
ausgiebiger Anwendung des Desinfectionsmaterials, bei der die scarificirte
Fläche fortwährend unter Sublimat gehalten wnrde, ein Ausfall der Impfung
constatirt. Doch ist hier auch nicht ausgeschlossen, dass das bezügliche
Thier überhaupt immun gegen den Blatternstoff gewesen sei. Ob dieses
Verfahren den Erfolg hat, in Wirklichkeit die Fläche bis zur Anlegung des
Verbandet vor den auffallenden Keimen zu schützen, hängt wesentlich von
der desinficirenden Wirkung der Sublimatlösung ab. Es wurden daher, um
dieselbe unter den gegebenen Verhältnissen zu prüfen, Theile der Fläche
mit Menschenlymphe geimpft und nachher mit Sublimatlösung ausgewaschen.
In einem Falle blieb die Impfang an einer solchen Stelle erfolglos, obwohl
der verwendete Impfstoff sonst vollkommen wirksam war. In einem anderen
Falle wurde die mit Lymphe geimpfte Fläche genau mit Sublimatlösung
gereinigt und dann mit derselben noch überspült. Mit einer geglühten
Platinnadel wurden gleich nachher Theile der in den kleinen Impfschnitten
stehenden Flüssigkeit entnommen und in Gelatine geimpft. Es entwickelte
sich an dem Impfstiche des Reagenzgläschens eine ganze Reihe von kleinen
Colonieen, auch gingen die Blattern auf der geimpften Stelle fort. Hieraus
ergiebt sich, dass eine sichere Desinfcction in der angegebenen Weise nicht
mit Sublimat erzielt wird und es muss anerkannt werden, dass ein Ver¬
fahren, die Impfstelle vor dem Auffallen von Keimen während der Impfung
sicher zu schützen, damit noch nicht gefunden ist.
Den Schluss stellt nun die Anlegung des Verbandes dar, der, wie hier
gleich bemerkt wird, nur bei weiblichen Kälbern verwendbar ist.
Die zur Impfung benutzte Stelle hat unter verschiedenen Verhältnissen
eine verschiedene Gestaltung, sie wechselt mit der Füllung des Unterleibes
und mit der Stellung des Thieres. Ferner ist das Kalb gegen einen die
Kreuzgegend treffenden Druck sehr empfindlich, so, dass sich dabei eine
lähmungsartige Schwäche der Hinterbeine einstellt. Diese Verhältnisse sind
bei der Anlegung eines Verbandes zu berücksichtigen, ausserdem muss der¬
selbe wegen der relativ bedeutenden Kräfte des Thieres auch eine relativ
grosse Festigkeit besitzen. Es sind hiÄr und auch anderweitig eine ganze
Reihe von Verbänden probirt worden; am besten bewährte sich nur die
Anlage eines Verbandkissens, das durch Collodium befestigt .ward. Das
Kissen bestand entweder aus einem undurchlässigen Gummistoffe mit darauf
gepackter Salicylwatte oder es war aus Leinwand, die mit gereinigter Watte
gefüllt und durchsteppt war, hergestellt. Im letzteren Falle wird das Kissen
im Wärmschranke vor der Anlegung sterilisirt — die Befestigung erfolgt
durch breite Gazestreifen, die reichlich mit Collodium durchtränkt waren.
Dieselben hafteten während der kühleren Jahreszeit, wenn sie in einer
Breite von 4 cm auf die rasirte Bauchfläche geklebt waren, genügend, um
das Kissen fünf Tage lang auf der Blatternfläche zu erhalten. Nothwendig
war es nur, die Haut, auf welche die Collodiumstreifen geklebt wurden,
vollkommen trocken zu machen, die Streifen auf dieselbe anzudrücken und
durch Pusten die Verdunstung des Aethers und Alkohols zu beschleunigen.
Nachher ist es unumgänglich, alle Tage zu revidiren und Streifen, welche
sich abzulösen beginnen, durch neue zu ersetzen. Auf das Ganze kam dann
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Dr. M. Schulz,
ein grosses Luftkissen mit einem Ausschnitte, auf welchem das Thier beim
Liegen ruhte, dies hat sich aber nicht als absolut nöthig erwiesen.
Mit dem beschriebenen, nach und nach herausgebildeten Verfahren
sind seit dem Herbste 1885 Versuche des Impfflächenschutzes gemacht Die
Haut wurde desinficirt, die Impfstelle trocken scarificirt, alsdann die Lymphe
nach nochmaliger Desinfection eingerieben und der Verband angelegt
Während der kühleren Jahreszeit, etwa bis Ende April dieses Jahres, zeigten
sich dann am 5. Tage folgende Erscheinungen:
Auf der Impffläche lag die Epidermis, welche gelockert, gelblich ver¬
färbt und verdickt erschien. An einzelnen Stellen fanden sich röthliche
Auflagerungen, die dem bei der Impfung und dem Einreiben der Lymphe
ausgeflos8enen Blute entstammten. Die bräunliche Kruste, welche sonst auf
der Impffläche zu lagern pflegt, wär nicht bemerkbar. Die Epidermis liess
sich mit der Pincette in Fetzen von der Unterlage abziehen und zeigte an
ihrer unteren Fläche eine dünne, weisse Schicht des weiter unten beschriebenen
eigentlichen Impfstoffes. Es wurde die Oberhaut, welche keine Schmutz¬
anhänge besass, nun für sich zur Glycerinemulsion verrieben und probeweise
verimpft; dieselbe besass gar keinen Impfwerth. Unter dieser Oberhaut
befindet sich eine ziemlich dicke Schicht einer Masse von Butterconsistenz,
die eine fast weisse Farbe zeigt. Dieselbe liegt locker auf der Unterlage
auf und lässt sich mit einem Löffel von derselben abheben; des Ausschabens
bedarf es nicht. Sie enthält Impfstoff, der ganz leicht zur Emulsion ver¬
rieben werden kann, und dessen Wirksamkeit eine gute ist. Unter dieser
befindet sich die eigentliche Lederhaut, welche roth erscheint, von grauen
Streifen, den mit dem Impfstoffe ausgefüllten Impfschnitten, durchzogen ist
und ihrerseits noch wirksame Vaccine birgt.
Wurde nun auch dieser Impfstoff zu Glycerinemulsion verarbeitet, so
zeigte er eine gute Wirksamkeit, welche der ohne Verband erzeugten Lymphe
gleichkam. Durch Culturversuche auf Nährgelatine wurde im Allgemeinen
ein grosser Bacterienreichthum der Lymphe festgestellt. In einem Falle
jedoch war die Beimischung von fremden Keimen nur eine sehr geringe.
Der in reichlicher Menge im Hygienischen Institute ausgesäete Impfstoff ent¬
hielt nur sehr wenige Colonieeu dlner weissen Hefe. Dieser Fall war es,
welcher besonders zur Fortsetzung der Versuche ermunterte.
Während nun so die Ergebnisse der Anlegung der Verbände während
der kälteren Jahreszeit nicht ungünstig zu nennen waren, so gestalteten sie
sich ganz anders während der wärmeren Periode. Bei der Abnahme am
5. Tage waren jedes Mal die Epidermis und die darunter liegende Schicht
in eine flüssige Masse verwandelt. Dieselbe zeigte eine Neigung zu schneller
Zersetzung und war nicht verwendbar. Die darunter liegende Lederhaut¬
schicht hatte dagegen das oben beschriebene Aussehen, war absolut gesund
und gab, wenn die obere flüssige Schicht sorgfältig entfernt wurde, durch
Ausschaben einen Impfstoff, welcher, zu Lymphe verrieben, zwar wirksam
war, aber doch nicht ganz die gleichen Erfolge zeigte wie die sonst erzeugte
Vaccine. Mit der fortschreitenden Jahreszeit zeigten sich weitere Miss¬
stände. Schon gegen Ende Mai erhielten wir auch durch Verarbeiten des
Infiltrats der Lederhaut eine Lymphe, welche zwar das Aussehen und
sonstige Verhalten einer guten Glycerinemulsion zeigte, sich aber bei der
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Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung.
Verimpfung als beinahe unwirksam erwies. Bei dem nächstfolgenden Falle
war der Erfolg ein noch schlechterer, insofern, als das ganze Product eine
Neigung zu schneller Zersetzung zeigte und absolut unverwendbar war.
Wir waren somit schliesslich gerade zu dem Gegentheile von den erstrebten
Resultaten gelangt, da ja die Verbände eine antiseptische Wirkung haben
sollten. Es war gleichgültig, ob der Verband mit durchlässigen oder
undurchlässigen Stoffen hergestellt wurde. Vergleicht man nun diese
Resultate mit denjenigen, welche bei der unbedeckten Impffläche erzielt
werden, so ergiebt sich, dass der Verband von einem sehr bedeutenden Ein¬
flüsse auf die Blatternbildung ist. Während bei freigelassener Impffläche
eine braune, trockene Kruste sich vorfindet, nach deren Entfernung die
einzelnen Bläschen zu Tage treten, zeigte sich bei den im Winter hier beob¬
achteten Verhältnissen im Wesentlichen eine Ausdehnung und Lockerung
der oberen Schichten, wie sie einer serösen Durchtränkung entspricht. Es
ist mir aus einer mündlichen Mittheilung des Herrn Geheimrath v. Koch
bekannt, dass in Württemberg die Impffläche nach der Reinigung und vor
der Abnahme mit einem heissen, feuchten Tuche bedeckt wurde. Dadurch
wird ebenfalls der Impfstoff in einen Zustand der Quellung versetzt und
lässt sich leicht von den Unterlagen entfernen. Die Analogie mit den durch
den Verband erzeugten Verhältnissen liegt ja auf der Hand. Es handelt
sich in beiden Fällen um eine Durchfeuchtung des producirten Stoffes, die
seine Entfernung erleichtert.
Die beschriebenen Ergebnisse legten nun die Vermuthung nahe, dass
unter den Einflüssen der Verbände der ganze Blatternprocess einen schnelleren
Verlauf nehme als ohne dieselben. Namentlich hatte es den Anschein, als
ob die am 5. Tage beobachtete Verflüssigung der oberen Schichten der
Impffläche der unter normalen Verhältnissen später eintretenden Eiterung
entspräche und durch die Wärme resp. Schweissbildung erzeugt werde.
Die hier während des letzten Septembers herrschende, grosse Hitze
gewährte Gelegenheit, diese Frage zu prüfen. Wir impften zunächst ein
Kalb, ohne andere Maassregeln zu ergreifen als die Desinfection der Impf¬
fläche, und ohne einen Verband anzulegen. Das Resultat war am 5. Tage
45 ccm einer voll wirksamen Glycerinemulsion, von welcher hier und an
anderen Orten etwa 2000 Kinder mit dem günstigsten Erfolge geimpft
wurden; ausserdem blieben noch 8 ccm Lymphe übrig. Ein zweites Kalb
wurde so behandelt, dass die Impffläche in verschiedene Abschnitte getheilt
ward, von welchen der eine offen blieb, der andere mit kleinen Verbänden
bedeckt wurde. Vom Abend des 3. Tages an wurde nun alle 12 Stunden
einer dieser Verbände entfernt und die darunter liegenden Blattern mit
denen der offenen Abschnitte verglichen. Es zeigte sich aber kein schnellerer
Verlauf an den bedeckten Tbeilen. Dieselben waren feucht, frei von Kruste
und zeigten schliesslich die vorhin beschriebene Beschaffenheit, wie sie
während des Winters am 5. Tage hier beobachtet wurde. Eine Verflüssigung
war aber auch an diesem Tage nicht eingetreten. Die Vermuthung schnellerer
Entwickelung hat sich somit durch diesen Versuch nicht bestätigt. Da aber
die kleinen partiellen Verbände jedenfalls nicht in gleicher Weise wärmend
wirken, wie ein grosses über die ganze Fläche hinwegreichendes Verband¬
kissen, so ist es möglich, dass eventuelle spätere Versuche dennoch die
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286 Dr. M. Schulz, Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung.
Richtigkeit dieser Annahme nachweisen. Alsdann würde die Abnahme der
Lymphe an einem früheren Tage als dem fünften vorgenommen werden
müssen. Erwähnen will ich noch, dass bei der grossen Hitze, wenn die
Hant des Thieres zu schwitzen beginnt, auch das Collodium auf der nassen
Fläche nicht mehr haftet. Bei einer mittleren Temperatur geschieht dies
jedoch nicht und man kann, sobald man das oben erwähnte Gummikissen
weglässt und einen Stall benutzt, in welchem sich eine mittlere Temperatur
erhalten lässt, darauf rechnen, dass der Verband haftet.
Die Bemühungen, eine von fremden Bacterien freie Lymphe zu erhalten,
stossen also auf Hindernisse, welche zur Zeit nicht zu überwinden sind.
Wir besitzen keinen bacterienfreien Stoff zur Aussaat; wir sind ferner,
wie sich nachweisen lässt, ausser Stande, die Impffläche, so lange sie bei
der Impfung offen bleiben muss, vor auffallenden Keimen zu schützen.
Bedenkt man nun, dass jeder einzelne dieser Keime in der Wuudfläche einen
guten Nährboden findet, dass er Millionen von Abkömmlingen erzeugt, die
bei der Abnahme des Stoffes mit entnommen, bei der Bereitung der Lymphe
verrieben werden und bei neuer Impfung sich wieder vermehren, so erhellt,
dass es mit den gegenwärtig zu Gebote stehenden Mitteln nicht möglich ist,
einen bacterienfreien Impfstoff zu produciren, noch weniger ihn zu erhalten.
Ausserdem aber muss es noch zweifelhaft bleiben, ob die angelegten
Verbände in Wirklichkeit einen absoluten Schutz gegen das Eindringen von
Keimen gewähren, da es kein Kriterium für die Beurtheilung dieses
Punktes giebt.
Demnach leisten die Verbände unter den jetzigen Verhältnissen nichts
Positives. Der Zeitaufwand, den sie bei der Anlage und bei den täglichen
Revisionen beanspruchen, überwiegt das Quantum an Zeit bedeutend, welches
am Abnahmetage durch sie gespart wird. Sie gestatten ferner nicht eine
so ausgiebige Ausnutzung der Hautfiäche des Thieres wie die einfache
Impfung. Endlich ist die Brauchbarkeit des unter ihnen erzeugten Impf¬
stoffes eine sehr fragliche. Einen praktischen Nutzen haben sie demnach
noch nicht, sie befinden sich vielmehr im Stadium des Experimentes. Ein
Institut wie das hiesige, welches in der Hauptsache nur huraanisirte Lymphe
producirt und nur nebenbei geringere Summen zu Versuchen erhält, kann
wohl nach dieser Richtung hin experimentiren; eine Lympheerzeugungs-
Anstalt jedoch, die grosse Kreise mit Kälberlymphe versorgen soll, muss
auf die Verbände verzichten. Wenn aber die Antiseptik bei der Kälber¬
impfung nichts leistet, so kann andererseits die Reinlichkeit bei der Impfung
und Abimpfung bis ins Kleinste durchgeführt werden. Dies gilt sowohl für
die Flächenculturen als auch für die Production einzelner Pocken, und damit
ist den nothwendigen Ansprüchen für die Praxis für jetzt Genüge geleistet.
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Dr. Iteimann, Ueber die Vaccination in Russland.
287
Ueber die Vaccination in Russland.
Einige Bemerkungen zu dem Aufsätze des Dr. Ucke 1 ).
Von Dr. Beimann in Kiew (Russland).
Ein Artikel in der in russischer Sprache geschriebenen „Medicinischen
Rundschau“, in welchem Dr. Ucke heftig angegriffen wird, machte mich auf
seinen Aufsatz im 3. Hefte des 18. Bandes der „Vierteljahrsschrift für Ge¬
sundheitspflege“ aufmerksam.
Ich bin weit davon entfernt, den Ton zu billigen, in welchem die
russische Fachzeitung den Artikel und das „System Ucke“ bespricht; was
indess die Sache selbst betrifft, so kann ich mit Dr. Ucke nicht überein-
s tim in en, und wundere mich, dass ein mit bedeutender Localkenntniss aus¬
gestatteter und so bewährter Arzt und Administrator einen solchen Vor¬
schlag macht.
Er entwickelt ein Impfsystem, das dem ganzen Lande zur Richtschnur
gegeben werden soll. Aus dem Aufsatze ist nicht recht zu ersehen, ob das
vorgeschlagene System durch Regierungsbeschluss eingeführt worden ist oder
werden soll, ob es bloss ein Project der eingesetzten Commission ist, oder ob
es bloss ein Vorschlag des Dr. Ucke ist. Gegen das erstere spricht der
Umstand, das ich bis jetzt nichts davon erfahren habe, obgleich ich doch
die russisch medicinischen Blätter lese, und dass die „Medicinische Rund¬
schau“ mit solcher Heftigkeit sich dagegen ausspricht, und es das „System
Ucke“ nennt.
Doch sei dem wie ihm wolle, sollte ein solches Impfsystem wirklich
projectirt werden, so ist leicht vorauszusehen, dass es in der Wirklichkeit
undurchführbar ist und eben nur auf dem Papiere bestehen wird.
Zunächst, ist es möglich, von einem gebildeten Menschen zu verlangen,
wie ein Arzt doch sein soll, 9 Monate lang ununterbrochen von einem
Dorfe zum anderen zu fahren, 3 /4 Jahre lang von allem Umgänge mit ge¬
bildeten Menschen ausgeschlossen zu Bein und meistens in Behausungen zu
leben, die auch den primitivsten Anforderungen nicht entsprechen. Ausserdem
dürft« oft auf lange Zeiten der Zustand der Wege die Reisen ganz unmög¬
lich machen, da die einzige günstige Zeit, der Sommer, ausgeschlossen ist.
Würden sich wohl, ich sage nicht viele, ja nur ein einziger Arzt finden, der
solche Bedingungen eingeht? Ausserdem würde er bedeutende Schwierig¬
keiten mit seiner körperlichen Verpflegung haben, denn in den meisten
*) Siehe diese Vicrteljahrssehrift Bd. XVIII, S. 487.
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288 l)r. Reimann,
Dörfern würde er ausser schlechtem Branntwein und schwarzem Brote wohl
nichts finden.
Was seine sonstigen medicinischen Beschäftigungen anbetrifft, so wäre
es natürlich sehr erspriesslich, wenn er die im Orte befindlichen Kranken
besuchte, wäre aber der Nutzen sehr gross, da er sie doch erst in Jahres¬
frist wieder sehen würde?
Der Herr Verfasser ist auch in Betreff der Zahl und Beschäftigung der
bestehenden Aerzte nicht recht unterrichtet. In allen Gouvernements, wo
noch nicht die Landordnung eingeführt ist (z. B. die westlichen Gouverne¬
ments), giebt es in jedem Kreise nur einen Arzt für die Behandlung der
Landbevölkerung; der zweite ist nur mit gerichtlich- und polizeilich-medi¬
cinischen Angelegenheiten beschäftigt, und der dritte existirt nur für die
Kreisstadt. Könnte dieser eine Arzt seinen Kreis in 9, ja in 12 Monaten
auf diese Weise besuchen? In den Gouvernements, wo die Landordnung
eingeführt ist, steht es besser; dort hat die Landgemeinde 3 bis 4 Aerzte
angenommen; doch auch diese sind in ihren Rayons hinlänglich beschäftigt
und könnten sich nicht 9 Monate lang ausschliesslich dem Impfgeschäft
widmen. Es müssten also im ganzen Reiche speciell zu diesem Zwecke
besondere Aertzte engagirt werden, und es ist sehr fraglich, ob Regierung
und Landschaft die Mittel zur Erhaltung dieser neuen Aerzte (wenigstens
200) hergeben würde; jetzt schon macht sich in vielen Landschaften eine
grosse Unlust zu Ausgaben für Volksmedicin geltend.
Noch viel schlimmer aber steht es mit dem Impfen der Kälber. Wer
wird denn dafür sorgen, dass die Kälber zur rechten Zeit bereit stehen, wer
wird für sie sorgen, wer wird sie füttern und wer wird ihnen im Winter
eine warme Stallung geben ? Es ist vorauszusehen, dass trotz aller Befehle
die Kälber meistens nicht zur rechten Zeit bereit sein werden, oder dass sie
nichts taugen, dass sie vor Mangel an Pflege, Nahrung und Reinlichkeit
sterben oder keine erträgliche Lymphe geben werden, und dass die Be¬
schaffung der Lymphe, die doch eine ununterbrochene Continuität erfordert,
bald zu Ende sein wird. Oder sollen überall besondere Wärter und Pfleger
für die Kälber angestellt, Ställe etc. gemiethet werden ? Die Kosten würden
bald die ganze Sache unmöglich machen.
Welchen Verlass kann man ausserdem auf die Feldscheerer haben,
welche, selbstständig durch die Dörfer reisend, Kälber und Kinder impfend
dem Arzte vorhergehen? Würde nicht sehr oft der ankommende Arzt sich
sehr in seinen Erwartungen getäuscht finden, um so mehr, als er den immer
vor ihm her reisenden Feldscheerer ein ganzes Jahr nicht zu Gesichte be¬
kommt und also seine persönliche Autorität nicht geltend machen kann ? Es
soll dabei gar nicht erwähnt werden, ob es so leicht ist, so viele Feld¬
scheerer dazu anzulemen, Kälber und Kinder gut zu impfen, die Qualität
der Kälber und der Lymphe zu erkennen u. dergl. Es ist zu fürchten, dass
abermals die Vaccination nur auf dem Papiere stehen würde und mit be¬
deutend grösseren Kosten abermals nur pompöse Vaccinationslisten erreicht
werden würden, denen die sich immer wiederholenden Pockenepidemieen
das Dementi geben würden.
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Ueber die Vaccination in Russland.
289
Endlich ist noch auf einen wichtigen Umstand aufmerksam zu machen,
auf die Unentwickeltheit und die Vorurtheile der Landesbevölkerung. Als
ich vor ungefähr 15 Jahren in Kiew, einer grossen Stadt, Sitz einer Uni¬
versität, begann, Kälber zu impfen, begegnete ich nicht nur von Seiten des
Publicuras, sondern auch vieler meiner Collegen, grossem Widerstande, und
erst nach langer Zeit, vielen Bemühungen und Unannehmlichkeiten drang
die Ansicht vom Nutzen der Kalbslymphe durch. Was ist also von dem
ungebildeten Bauer zu erwarten, dem bis jetzt der Impfact als eine von der
Regierung geforderte Leistung und Pflicht erschien? Freilich fangen in
der letzten Zeit die Ansichten an sich zu bessern, aber es wird doch noch
lange dauern, bis ein Feldscheerer Autorität genug unter der Dorfbevölkerung
haben wird, um das Impfen durchzusetzen.
Andere Punkte sollen hier nicht berührt werden, z. B. die Schwierig¬
keit der Beschaffung guter Lymphe, einer genügenden Zahl von Kälbern
und manches andere. Meine Absicht war nur zu zeigen, dass der von
Dr. Ucke entwickelte Modus der Vaccination, so sinnreich er ersonnen,
bei den bestehenden Verhältnissen absolut nicht ausführbar ist.
Wie eine zweckmässige Impfung in Russland einzurichten wäre, liegt
ausserhalb des Bereiches dieses Aufsatzes und würde für das deutsche ärzt¬
liche Publicum auch vielleicht kein Interesse haben.
VierteljahrMchrlft für Ge*andheit«pfi«ge, 1887.
19
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290
Dr. J. Soyka,
Zur
Epidemiologie und Klimatologie yon Frankfurt a. M.
Von Dr. J. Soyka,
ft. ö. Professor der Hygiene an der deutschen Universität in Prag.
(Aus dem hygienischen Institute der deutschen Universität in Prag.)
Klimatologische und epidemiologische Fragen verlangen zu ihrer Ent¬
scheidung meist eine längere Reihe von Beobachtungsjahren, da nns das
directe Experiment hier insofern nicht zu Gebote steht, als wir nicht immer
über das Heer von Hülfsursachen, welche die Resultate modificiren, Gewalt
haben. Es wird desshalb nöthwendig, durch eine grössere Beobachtangs¬
reihe, welche diese mitwirkenden Factoren gewissermaassen eliminirt oder
wenigstens ihren Einfluss gesetzmässig erkennen lässt, an die Lösung der
Aufgabe zu schreiten.
Es ist nun die Absicht dieser Zeilen, zu untersuchen, wie sich in
Frankfurt a. M., wo seit den Jahren 1853 sorgfältige Aufzeichnungen über
den Typhus bestehen, die Beziehungen zwischen Typhus und gewissen klima¬
tischen Factoren gestaltet haben. Es soll diese Untersuchung durchgeführt
werden, so weit es sich um den Ablauf des Typhus handelt, seine zeitlichen
Schwankungen, seine Beziehungen zu gewissen ausserhalb des Menschen
gelegenen Momenten, insbesondere zu jenen klimatischen Factoren, die im
Stande des Grundwassers ihren Ausdruck Anden. Es soll ferner das letztere
gleichfalls in seinem zeitlichen Ablaufe, seinen eventuellen Schwankungen,
seinen Beziehungen zu den klimatischen Factoren geprüft werden, um
eventuell auch eine Aufklärung zu erhalten über die Vorgänge, welche bei
den Schwankungen des Grundwassers im Boden sich etabliren, und als deren
Ausdruck nur der jeweilige Grund wasserstand zu betrachten ist.
I.
Gehen wir zuvörderst an die Untersuchung des Abdominaltyphus. Wir
erfahren J ), dass derselbe in den letzten 30 Jahren in Frankfurt nie erloschen
ist. Doch sind die Fälle meist sporadische, über die ganze Stadt und über
das ganze Jahr verbreitete gewesen, und nur der Herbst zeigte stets eine
massige Zunahme der Todesfälle.
! ) Frankfurt a. M. in seinen hygienischen Verhältnissen und Einrichtungen 1881. Krank
heits- und Sterhlichkeitsverhältnisse von Dr. A. Spiess, S. 32.
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 291
Ausser dieser sporadischen Verbreitung des Typhus entwickelten sich
nun mitunter locale Epidemieen, so zu Anfang des Jahres 1861 eine kleine
Epidemie, die ihren Ausgangspunkt in der Gelnhäusergasse hatte; eine
kurze Epidemie in den letzten drei Monaten des Jahres 1865, die bis etwa
Mitte Januar 1866 reichte und in dieser Zeit 53 Opfer forderte. Im letzten
Quartal 1868 herrschte eine kurze, aber heftige Typhusepidemie in der da¬
mals noch nicht zur Stadt gehörigen Aussengemeinde Bornheim, die auch
anf Frankfurt nicht ohne Einfluss bleiben konnte. Dann nahm im Sommer
1873 der Typhus wieder einen epidemischen Charakter an: vom Mai bis zum
Herbste in dem nordöstlichen Theile der Neustadt (Vilbelergasse und benach¬
barte Strassen) und zu Ende des Jahres in den tiefstgelegenen Strassen der
Altstadt (Schüppengasse und Umgebung). Diesen beiden, leichten, localen
Epidemieen folgte dann im nächsten Jahre die heftigste Typhnsepidemie,
die Frankfurt seit den Befreiungskriegen gesehen hat. Sie begann Ende
Mai und war Anfangs September vorüber und beschränkte sich fast aus¬
schliesslich auf den nördlichen Theil der Altstadt, von Norden nach Süden,
zwischen Zeil und Bendergasse, Sohüppengasse, von Westen nach Osten
zwischen Hirschgraben, Katharinenpforte und Judengasse gelegen. In den
drei Monaten kamen 619 Typhuserkranknngen mit 46 Todesfällen, gleich
7*4 Proc., vor, von denen 2 / 3 > nämlich 405, in dem oben erwähnten Theile
der Altstadt, der knapp 1 / h der Bevölkerung umfasst, auftraten und deren
Ursprung sich auf zwei Häuser an der Ecke von Töngesgasse und Schärfen¬
gässchen zurückführen lässt. Diese letzterwähnte Epidemie war für Frank¬
furt eine ungewöhnlich heftige, da bedeutendere Typhusepidemieen hier
eben zu den grössten Seltenheiten gehören, und seit ihrem Erlöschen ist die
Zahl der Typhuserkrankungen so zurückgegangen, wie nie früher, wie die
folgende Zusammenstellung zeigt:
Es kommen nämlich ira Durchschnitt der Jahre
1851
bis
1855 .
. . 84*7 Typhustodesfalle auf
100000
Lebende,
1856
n
1860 .
. . 87*3
n
rt
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V
1861
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1865 .
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«
1870 .
. . 57*2
«
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1875 .
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n
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rt
1876
n
1880 .
. . 20*9
n
n
n
1881
1885 .
. . 12*2
n
rt
n
«i
Betrachten wir nun zuvörderst die zeitliche Vertheilung des Abdomi¬
naltyphus näher, indem wir die sogenannte Jahresperiode des Abdominal¬
typhus festzustellen suchen; es geschieht dies, indem man aus langjährigen
Beobachtungen die Anzahl der Fälle nach Monaten summirt und das Mittel
zieht. Man bekommt so ein Bild für den Rhythmus, in dem die Typhus¬
mortalität abläuft.
In nachfolgender Tabelle 1 ) sind nun die Todesfälle an Typhus nach
Monaten verzeichnet.
l ) Jahresberichte über die Verwaltung des Medicinalwesens der Stadt Frankfurt n. M.,
herausgegeben vom Aerztlichen Verein.
19*
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292
Dr. J. Soyka,
Tabelle I.
Jahr
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u*
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April
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1853
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20
185 1 85
119
107
93
85
87
93
, 127
159
, 178
181
136
1 131
1491
Wir erhalten auf dieße Weise eine Jahresperiode des Abdominaltyphus,
die sich am prägnantesten darßteilen lässt, indem man die procentuale Be¬
theiligung, die ein jeder Monat an der Gesammtsterblichkeit des Durcb-
schnittsjahre8 nimmt, berechnet; wir erhalten dann folgende Reihe:
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. Dec.
7 9 71 6 2 5 6 5’8 6 2 8'4 10 6 118 IM 9'0 8 7 Proc.
(Dec^'-Febr.) Früh,in 8 Sommer Herbat
237 17-6 2.V2 32-9
Diese Jahresperiode zeigt nun ein sehr deutlich ausgesprochenes Typhus-
maximura, das in die Monate August-October fallt, und ein ebenso deut¬
lich sich documentirendes Typhusminimum, das in die Monate April-Juni
fällt; die Amplitude, die grösste Schwankung, beträgt 6*5 Proc. Der
Typhus hat also im Herbst sein Maximum, im Frühling sein Minimum.
Es steht diese Typhusperiode in ausserordentlicher Analogie zu der von
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 293
Berlin, das für die Jahre 1854 bis 1885, also für ungefähr genau denselben
Zeitraum, folgenden Rhythmus zeigt 1 ) :
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. Dec.
65 6-0 5'4 5 9 5'9 58 81 110 126 135 106 8’2
(Dec.^br.) Frühli,, & Sommer Herbst
20*7 17*2 24*7 35*7
Wir wollen diese Analogie im Auge behalten, da sie sich auch bei
anderen hier zu behandelnden Factoren einstellen wird. Wenn wir nun an
die Feststellung der Beziehungen zwischen der Typhusfrequenz und den
klimatischen Factoren geben, so könnten wir vorerst an den Einfluss der
Temperatur denken, wofür ja auch von verschiedenen Seiten Gründe herbei¬
geführt worden sind. Aber der Umstand, dass wir andere Städte kennen,
welche eine Typhus-Jahresperiode besitzen, die dieser Periode und den da¬
mit übereinstimmenden Temperaturverhältuissen fast ganz entgegengesetzt
ist (München, Augsburg, Prag), gestattet uns schon, diesen Factor vorläufig
ganz ausser Betracht zu lassen; wir werden im Laufe dieser Untersuchungen
zeigen, dass ihm aber trotzdem, freilich in einer viel indirecteren Weise,
ein Einfluss zuzuschreiben ist. Untersuchen wir dagegen, ob diese inner¬
halb eines Jahres stets sich wiederholende Schwankung in der Frequenz des
Abdominaltyphus einen Zusammenhang zeigt mit jenen periodischen Ver¬
änderungen, die im Grundwasserstande ihren Ausdruck finden.
ln Frankfurt a. M. Bind von 1869 ab an 16 Brunnen allwöchentlich
Grundwasserbeobachtungen angestellt worden, welche in der neuesten Zeit
allerdings durch Eingehen einiger Brunnen sich auf sechs reducirt haben.
Zur Feststellung der Jahresperiode, zu der eine grössere Reihe von Beobach¬
tungsjahren nothwendig ist, werden von mir nur jene Brunnen verwendet,
welche bis in die neueste Zeit der Messung unterworfen sind. In folgender
Tabelle sind nun.die Werthe für die Jahresperiode für diese sechs Brunnen
verzeichnet.
Tabelle II. Jahresperiode des Grundwassers in Frankfurt a.M. 1 )
Brunnen
Hohe des
Terrains ;
über dem
Nullpunkt
des Main*
pegcls !
H6ha
der Sohle
des Brun¬
nens über
dem Null¬
punkt des
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415
414
416
1 429
1
! ) Soyka, Zur Aetiologie des Abdominaltyphus, Archiv f. Hygiene, Bd. VI.
9 ) Die Werthe für das Grundwasser sind berechnet aus den in den „Jahresberichten des
physikalischen Vereins zu Frankfurt a. W.“ veröffentlichten, wöchentlichen Beobachtungen.
Es befindet sich Brunnen I: Gutleutstrasse (südl.) 204, II: Gutleutstrasse (nördl.) 204,
111: Schneidwallgasse 4, IV: Stiftsstrassc 30, V: Hochstrasse 4, VI: Feldstrasse 8.
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294
Dr. J. Soyka,
Wie ein vergleichender Blick auf diese Tabelle zeigt, ist die Jahres-
periode dieser sechs Brunnen eine ziemlich identische; die Maxima sammt-
licher Brunnen fallen entweder in denselben Monat, oder sind höchstens um
einen Monat gegen einander verschoben, ebenso, ja noch viel mehr stimmen
die Zahlen der Minima unter einander überein; wir können also mit vollem
Rechte noch aus diesen sechs Brunnen ein Mittel ziehen, nnd erhalten so
eine Jahresperiode des Frankfurter Grundwasserstandes, die so ziemlich für
die ganze Stadt ihre Geltung hat.
Vergleichen wir nun diese beiden Jahresperioden des Typhus und des
Grundwassers.
Fig. 1 liefert auch ein graphisches Bild hiervon.
Massstab
tur das
Grund¬
wasser
in Metern
4*500
4*450
4*400
4*350
4*300
4*250
4*200
4*150
4*100
• Fig. 1.
*2 fl Ü
j* P* * § 3
! £ s < £
•£ bC
■4
rv a
Jahresperiode von Typhus und Grundwasser in Frankfurt a. M.
von 1869 bis 1885 resp. 1853 bis 1885.
Abdominaltyphus von 1869 bis 1885.
„ „ 1853 „ 1885.
Grund wasserstand von 1869 bis 1885.
Zur Erklärung sei angeführt, dass ich, um die Periodicität übersicht¬
licher zu gestalten und nicht willkürlich mit dem Jahresende zu unter¬
brechen, das Princip des „Doppel jahres“ gewählt habe. Das Durch-
schnittsjahr, wie es sich aus den Tabellen ergiebt, wird zweimal hinter
einander aufgetragen; der Vortheil dieser Darstellung liegt darin, dass wir
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 295
bei der Beurthoilung der Curven gewissermaassen unabhängig sind von
dem willkürlichen Jahresanfänge, und dass wir eine beliebige, nicht gerade
mit dem Januar beginnende Jahresperiode herausheben können, ohne die¬
selbe mit dem Schlüsse des Jahres unterbrochen zu sehen. In der graphi¬
schen Darstellung finden sich zwei Typhuscurven; die eine stellt nur jene
Zeitperiode dar, welche den Jahren, seit denen die Grund Wasserbeobachtungen
augestellt wurden, entsprechen.
Es beträgt die Anzahl der Todesfälle an Typhus und die procentuale
Vertheilung nach Monaten in dieser Periode 1869 bis 1885:
Tabelle III.
Jan.
Fbr.
März
Apr.
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Oct.
Nov.
Dee.
Zahl der Todesfälle von
1869 bis 1885 . . .
42
46
31
32
34
48
64
81
68
79
55
52
Procentuale Vertheilung
nach Monaten ....
6*6
7*2
4*9
5*0
5*3
7*6
10*0
12*8
10*7
125
87
8*2
Die andere Jahresperiode des Typhus jedoch erstreckt sich über einen
viel grösseren (dreiunddreissigjährigen) Zeitraum. Sie ist desshalb gewählt,
weil sich in ihr der Rhythmus noch viel Yeiner ausprägen muss, als in der
der Jahre 1869 bis 1885; je grösser die Zahl der Beobachtungen, desto
schärfer wird sich das Gesetz der Jahreszeiten ausprägen, weil dadurch die
vielen Zufälligkeiten eliminirt werden; es findet dieses Vorgehen seine
Analogie in den meteorologischen Untersuchungen, welchen allerdings in
der Regel auch schon kürzere Perioden zur Feststellung der Jahresperiode
genügen, da eben in den Vorgängen der äusseren Natur nicht so viel
störende Factoren einwirken, wie beim complicirten Getriebe der Erkran¬
kungen des Organismus. Diese Typhuscurve in Frankfurt a. M., besonders
jene, welche den genaueren, weniger durch Zufälligkeiten gestörten Rhyth¬
mus nach 33jähriger Beobachtung darBtellt, wird nun vom Grundwasser
wiederholt, nur in vollständig umgekehrter Anordnung. Das Maximum des
Abdominaltyphus fallt in den Monat October, in denselben Monat, in welchem
sich der tiefste Stand des Grundwassers etablirt; die Monate Juli-November
sind in Frankfurt die Monate der grössten Typhusfrequenz und zugleich des
niedrigsten Grundwasserstandes. Die Periode des Typhusminimums ist in
Frankfurt a. M. in der Zeit von März-Mai, in der Zeit, wo das Grundwasser
sein Maximum erreicht bat (März).
Es ist auf diesen Umstand, auf diese umgekehrte Coincidenz zwischen
Grundwasser und Typhusschwankung schon aufmerksam gemacht worden;
es heisst in der oben citirten Festschrift: „Im Allgemeinen entspricht diese
Steigerung im Herbste und die niedrigste Zahl im Frühjahre dem Stande
deB Grundwassers mit seinem höchsten Stande im Fühjahre und dem tief¬
sten Stande im Herbste u ; allerdings wird diesem Ausspruche auch noch die
Bemerkung hinzugefügt: „Doch lassen sich solche frappante Uebereinstim-
mungen vom Steigen des Typhus mit dem Sinken des Grundwassers und
umgekehrt, wie sie für München und manche andere Orte beobachtet sind,
für Frankfurt nicht nacbweisen,“
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296
Dr. J. Soyka,
Schon die ausserordentliche Uebereinstiramung zwischen Grundwasser
und Typhus, die sich in der Jahresperiode ausspricht, zeigt, dass dieser
Zusatz keine volle Berechtigung mehr hat, und in der That, es wird noch
durch weitere Vergleiche nachgewiesen werden können, dass sich Frankfurt
in dieser Beziehung gerade so verhält, wie viele andere Orte (Berlin, Bremen,
München), bei denen diese frappante Uebereinstimmung vorherrscht.
Es ist jedoch mit dieser Uebereinstimmung in der Jahresperiode noch
kein genügender Beweis für einen causalen Zusammenhang gegeben. Es
kann ein anderer Factor mitwirken, der ebenso den Grundwasserstand, wie
den Typhus beeinflusst, ohne dass die beiden sonst etwas Gemeinsames hätten.
Oder es fällt gerade mit dieser durch die Jahreszeit bedingten Schwankung
irgend eine Aenderung der Lebensgewohnheiten, Nahrangs-, Erwerbsverhält¬
nisse etc. zusammen, die nun die eigentliche Ursache für die Steigerung
resp. Verminderung der Typhusfrequenz ist. Um dies zu entscheiden, bedarf
es noch weiterer vergleichender Untersuchungen in anderen Städten mit
anderem Typhusrythmus; aber wir kommen der Entscheidung auch noch
etwas näher, wenn wir den Vergleich noch weiter führen und nicht bloss
die Jahresperiode in Betracht ziehen, Bondern auch die Jahresschwan¬
kungen; die Schwankungen des Grundwassers sind der Art, dass nicht
bloss in einem Jahre zeitliche hohe und tiefe Grundwasserstände auftreten,
sondern auch innerhalb grösserer Jahresperioden, so dass wir einen an¬
dauernden mittleren Hochstand in manchen Jahren constatiren können und
in anderen Jahren wieder einen andauernden Tiefstand; ebenso aber ist auch
die Typhusfrequenz in Frankfurt a. M. grossen Schwankungen ausgesetzt;
wir haben schon oben angeführt, dass der Typhus mitunter locale Epidemieen
zeigt. Ist nun ein Zusammenhang zwischen Grundwasser und Typhus, so
muss er sich auch hier zeigen, und lässt sich dabei nachweisen, dass
die anderen Momente, deren gleichzeitige Einflussnahme man annehmen
könnte, nicht in diesem Maasse Schwankungen unterworfen sind, so ge¬
winnt die Schlussfolgerung nach einem causalen Zusammenhänge an Wahr¬
scheinlichkeit.
Wir müssen aber für diesen Vergleich mit einer gewissen Vorsicht Vor¬
gehen. Das Grundwasser resp. diejenigen klimatischen Veränderungen, die
durch seinen Stand, seine Schwankungen angedeutet werden, ist ja nicht
die alleinige oder directe Ursache des Abdominaltyphus, sie ist ja nur die
Hülfsursache, eine sehr wichtige, vielleicht in manchen Fällen unentbehr¬
liche Ursache, aber doch eine Hülfsursache nur, die allein an und für sich,
wenn nicht andere Ursachen, die unmittelbaren Ursachen, hinzutreten, nie¬
mals zu einer epidemischen Ausbreitung des Typhus führen kann. Es kann
desshalb nicht erwartet werden, dass immer dort, wo sich ein Tiefstand des
Grundwassers etablirt, auch eine Typhusepidemie auftreten müsse; gesetzt
den Fall, der Zusammenhang zwischen Grundwasserschwankung und Typhus
sei vollkommen erwiesen und es tritt eine starke Erniedrigung des Grund¬
wasserstandes ein, aber es fehlt zum Beispiel der Typhuskeim, es wird ver¬
hindert, dass er in den Boden gelangt, oder dass er aus dem Boden an den
Menschen kommt, wird es doch zu keiner grösseren Typhusepidemie kom¬
men können; ebenso darf man umgekehrt nicht erwarten, dass jeder
geringeren Typhusfrequenz ein hoher Grundwasserstand entspricht; die
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 297
geringe Typhusfrequenz kann ebenfalls auch aus anderen Ursachen resul-
tiren; was aber als Postulat aufgestellt werden muss, wenn ein solcher Zu¬
sammenhang bestehen soll, ist, dass einer grösseren Typhusepidemie ein
tiefer Stand des Grundwassers entsprechen muss, und umgekehrt, einem
jeden Hochstande des Grundwassers eine geringere Typhusfrequenz; ist ein¬
mal eine Typhusepidemie zum Ausbruch gekommen, dann setzt diese voraus,
dass alle Ursachen Zusammenwirken, also auch die Hülfsursachen, wie z. B.
der Grund wasserstand, resp. die in ihm sich aussprechenden klimatischen
Verhältnisse; ist aber ein sehr hoher Grundwasserstand, dann fehlt in der
That eine Hülfsursache, und es darf dieses betreffende Jahr keine grössere
Typhusepidemie haben.
Von diesem Gesichtspunkte aus wollen wir nun die Periode von 1869
bis 1885 in Frankfurt a. M. ins.Auge fassen.
In Tabelle IV. sei die Typhusfrequenz in Frankfurt nach Jahren zu-
sarnmengestellt und im Verhältnisse zum 100000 der Bevölkerung berechnet.
Es ist letzteres nöthig, weil ja auch Frankfurt zu den stark anwachsenden
Städten gehört und sich die Bevölkerung seit dieser Zeit verdoppelt hat
(1867: 78277 Einwohner, 1887: 160116 Einwohner).
Tabelle IV.
Abdominal¬
typhus
o
<£>
00
o
t'-
00
r-
00
<N
t'-
00
co
00
t'-
00
1875
1876
1877 |
1878 |
05
00
o
00
00
00
00
c*
00
00
CO
00
00
00
00
1885 ||
Mortalität:
absolut . . .
36
51
53
57
63
112
43
35
16
33
28
27
16
22
13
18
20
auf 100 000
Einwohner
43
59 i
59
60
65
113
42
33
13
18
22
20
12
,6
9
12
13
Grundwasserstand von 1869 bis 1885 in Centimetern über dem Mainpegel.
Brunnen
I.
961
37
75
31
39]
—4*9
87
86
69
140
118
147
93
177
96
80
—
11.
35
118
158
136
84'
75
169
167
151
196
158
179
138
215
117
100
—
111.
138
146
175
137
139
152
176
192
177
175
184
182
182
94
78
74
IV.
500
404
552
499
422
509
589
593
577
595
613
576
632
585
551
543
—
V.
644
609
663
619
595
687
708
709
702
713
689
690
693
694
542
662
—
vi.
1057 1083
1140
t
1099
978
1005
1027
1029
1005
991
969
973
972
961
956
959
—
Mittel:
1 412
399
460
j 437
428
375
404
459
1 463
1
447 1
468
458
452
i
454
390
403
—
Mit Rücksicht auf die grosse Uebereinstimmung dieser Brunnen können
wir abermals für den gesammten Wasserst and in Frankfurt a. M. ein Mittel
aus diesen sechs Brunnen berechnen.
Fig. 2 stellt diese Verhältnisse graphisch dar, und bietet in der That
ein charakteristisches Bild; wir haben es in dem Zeiträume von 1869 bis
1885 eigentlich nur mit einer einzigen Epidemie zu thun, die allerdings
sehr heftig war, so dass sie die Curve zu einem plötzlichen starken An¬
steigen bringt; fragen wir nun nach dem Stande des Grundwassers in diesem
Jahre, so sehen wir, dass derselbe eine Erniedrigung, eine Tiefe, zeigt, wie
sie innerhalb dieser Periode überhaupt nicht wieder erreicht wurde. Das
Sinken des Grundwassers beginnt bereits vom Jahre 1871 an, wo ein recht
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298
Dr. J. Soyka,
hoher Grundwasserstand beobachtet wurde. Aber erst 1873 und daun 1874
erreicht es diese ausserordentliche Tiefe. Auch der Typhus hat schon im
Jahre 1873 im Sommer einen epidemischen Charakter angenommen; es
wurde schon oben (S. 291) erwähnt, dass er schon im Sommer, vom Mai
bis Herbst, in dem nordöstlichen Theile der Neustadt und zu Ende des
Jahres in den tiefst gelegenen Theilen der Altstadt herrschte. Aber erst
im Mai-September 1874 trat die grosse Typhusepidemie auf, die sich fast
ausschliesslich auf den nördlichen Theil der Altstadt beschränkte.
Maass¬
stab
für das
Grund¬
wasser
0*900
0-800
0.700
0*600
0*500
0*400
0*300
0*200
o-ioo
o-ooo
Fig. 2.
00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00
Maass¬
stab
für den
Typhus
110
100
90
80
70
60
50
Grundwasser
40
30
20
Typhus
10
(O N t» h h. t» ® 00 OO X ®
aoaoaoooaoaoooooooaoaoaoaoooaoaoao
Typhus.
Grund wasser.
Jahr688chwankungen von Typhus und Grundwasser in Frankfurt a. M.
von 1869 bis 1885.
Es war diese Coincidenz der Epidemie mit dem tiefsten Stande des
Grundwassers schon damals sehr auffallend: der Berichterstatter dieser
Epidemie, Dr. Spiess, betont, dass die atmosphärischen Niederschläge seit
den letzten 38 Jahren nicht diese niedrige Ziffer erreicht hätten, wie
November 1873 bis April 1874, und dass der Grundwasserstand tiefer war
als je. Jetzt, nachdem auch die neueren Grundwasserbeobacbtungen vor
uns liegen, sehen wir, dass auch das Grundwasser nie tiefer, ja auch
niemals so tief gefallen war, wie im Jahre 1874.
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 299
Vom Jahre 1874 an hatte Frankfurt a. M. keine bedeutendere Typhus¬
epidemie, und die geringen Schwankungen, die die Frequenz in den ein¬
zelnen Jahren zeigt, kann so sehr durch andere Hülfsursachen, durch
individuelle Disposition, Verkehr, WohnungsVerhältnisse etc. bedingt sein,
dass wir hier von einem Vergleiche ablassen müssen. Zudem hat Frank¬
furt a. M. durch seine neue Canalisation so sehr gegen eine Verunreinigung
des Bodens mit Typhuskeimen vorgebeugt, hat es ferner durch seine neue
Wasserleitung 1876 auch ein wichtiges Transportmittel für den Typhus¬
keim aus der Reihe der Factoren eliminirt, dass nun kaum mehr der Boden
in seinem Einflüsse sich geltend macht; desshalb wird es uns nach dem
Vorausgeschickten gar nicht wundern, dass wir im Jahre 1884 in Frank¬
furt a. M. einen sehr tiefen Grundwasserstand beobachten, ohne dass der
Typhus wesentlich zunimmt. Die Hulfsursache war wohl da, aber sie allein
ist nicht im Stande, eine Typhusepidemie zu erzeugen.
Dass der hohe Stand des Grundwassers in der Periode von 1876 bis
1883 mit einer sehr geringen Typhusfrequenz zusammenfallt, sei mit Rück¬
sicht auf die aus anderweitigen Gründen herzuleitende Typhusverminderung
nicht allzu hoch in seiner Bedeutung angeschlagen.
Der hohe Grund wasserstand des Jahres 1871 fallt zwar nicht mit einer
Typhusepidemie zusammen, aber er hat doch keine wesentliche Depression
der Curve im Gefolge. Es ist aber gerade dieser Befund von hohem
Interesse, so dass bei demselben etwas verweilt werden soll.
Das Jahresmittel giebt wohl im Allgemeinen eine ganz correcte Aus¬
kunft über die jeweilige Schwankung des Grundwassers in dem betreffen¬
den Jahre; aber es ist nicht immer Auskunft zu erwarten, wenn es sich
darum handelt, zu erfahren, in welcher Zeit des Jahres die steigende, in
welcher die sinkende Tendenz des Grundwassers obwaltet; nun ist es höchst
charakteristisch und in vollständigem Einklänge mit den hier entwickelten
Grundsätzen, dass nur in einer und zwar der ersten Hälfte des Jahres ein
Ansteigen des Grund wassers zu bemerken ist. In der zweiten Hälfte, gerade
in jener Periode, in welcher nach den Auseinandersetzungen von S. 292
(Fig. 1) die grosse zeitliche Disposition Frankfurts fallt, macht sich das
Sinken des Grundwassers geltend.
Folgende Tabelle soll die Verhältnisse des Jahres 1871 veranschau¬
lichen.
Tabelle V.
Brunnen
Jan.
Febr.
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Oct.
Nov.
Dec.
I.
98
86
98
84
79
69
109
88
67
54
45
! 27
11.
134
147
156
161
167
169
177
172
161
156
165 ,
137
III.
184
182
183
172
173
170
201
183
172
168
156
151
IV.
546
560
559
530
565
533
601
593
556
563
522
493
V.
663
664
659
649
659
661
710
696
670
672
638
617
VI.
1169
1194
1179
1159
1164
1139
1168
1134
1186
1104
1095
1093
Summe
2794
2833
2834
2755
2807
2741
| 2966
2866
2712
2717
2621
2518
Mittel
466
472
472
459
468
457
494
478
452
453
437
419
.1410 1384 1424 1309
470 461 475 436
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300
Dr. J. Soyka,
In den Monaten October, November, December trat also schon ein
bedeutendes Absinken des Grundwassers ein, und diesem Zustande der
Dinge entsprach auch der Verlauf des Typhus in diesem Jahre; nach je
drei Monaten zusammengestellt finden wir
Januar bis März April bis Juni Juli bis September October bis December
13 Fälle 12 Fülle 8 Fälle 20 Fälle
Die Verhältnisse von Frankfurt a. M. bieten also ein Beispiel für die
Beziehungen zwischen Grundwasser und Typhus, das sich den so genau
studirten Verhältnissen Münchens und Berlins ausserordentlich schön an die
Seite stellt. Und es ist desshalb nicht ohne Interesse, dieser Frage etwas
näher zu treten, und auch die Beziehungen des Grundwassers zum Boden
und zu den Atmosphärilien zu verfolgen.
II.
Um einen klaren Einblick in die Beziehungen des Grundwassers zu
den Zuständen des Bodens und der Atmosphäre zu erhalten, ist es noth-
wendig, sich über seine relative Lage zur Oberfläche, sein unterirdisches
Niveau, sein Gefalle zu orientiren.
Die Stadt Frankfurt lässt sich nach Oberfläche und Höhenlage in zwei
Theile trennen.
1. In eine Ebene, die längs beiden Ufern des Flusses sich hinzieht,
und in dem sich im Westen gegen Osten der Stadt erweiternden
Theile bis zum Fusse des ansteigenden bergigen Terrains sich aus¬
breitet.
2. Und in das eben genannte bergige Terrain.
Die Höhenlage der Ebene variirt zwischen 3 bis 7 in über dem niedrig¬
sten Wasserstande des Flusses (91*163 m über dem Amsterdamer Pegel);
also 94 bis 98 m über dem Meere.
Von der Ebene steigt das Terrain auf der rechten Mainseite allmälig,
im Osten sehr schroff an. Die grösste Höhe beträgt 69*2 m über dem Null¬
punkte, 160*366 m über dem Meere. Auf der linken Seite des Main ist die
Ansteigung eine steile und wird die grösste Höhe mit 58*6 m erreicht,
= 149*763 m über dem Meere.
Für den Ablauf des Grundwassers, sein Zutagetreten, seine Schwan¬
kungen ist jedoch nicht so sehr die Oberfläche, als vielmehr die unterhalb
derselben sich ausbreitende, undurchlässige Schicht maassgebend. Die
geologische Durchforschung Frankfurts a. M. ! ) hat ergeben, dass als Basis
der erreichbaren Gebirgsschichten, auf welchen Frankfurt a. M. aufgebaut
ist, das Permisch-Rothliegende zu betrachten ist, über diesem finden sich
die Schichten aus der Mitteloligänzeit, sandige und thonige Ablagerungen
als Basis zu derjenigen Schichtenfolge, welche man jetzt unter der Bezeich¬
nung „Mainzer Becken“ begreift. Die Ufer dieses Tertiärmeeres bezeichnen
runde glatte Quarzgerölle. Nach der Ebene sind diese Schichten sandiger
und führen eine reiche Fauna von Meeresconchylien. Sie liegen bei Frank-
*) Frankfurt a. M., Festschrift: Bodenverhältnisse von Dr. Carl Koch, S. ö ff.
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 301
furt und in dessen Umgebung sehr tief unter den auflagernden tertiären
Thonen, Mergeln und Kalken und sind bis jetzt noch durch keine Tief¬
bohrung erreicht worden.
Als zweites Glied der Tertiärschichten erscheint der Septarienthon in
bedeutender Mächtigkeit, dessen obere Grenze zwar auch nicht bei Frankfurt
selbst zu Tage tritt, aber doch in nicht zu grosser Entfernung, wie in der
Stadt Offenbach und in grösseren Aufschlüssen südlich davon ge'gen die
Tempelseemühle.
Als dritte Stufe der Tertiärschicht ist ein zu Cyrenenmergel umgewan¬
delter Schlamm. Als vierte Stufe Cerithiensand und -Kalk; als fünfte Stufe
treten die sogenannten Corbicularschicbten auf, Kalkschichten, Kalkstein
und Mergel enthaltend, auf welchen der nördliche Stadttheil von Frankfurt
sich erhebt.
Die sechste Stufe der Tertiärschicht des Mainzer Beckens schliesst das
Tertiärsystem nach oben ab, es sind dies Litorinellen oder Uydrobien-
schichten. Sie beginnen gewöhnlich mit braungrauen, schieferig spaltenden
Thonschichten; es sind dies gerade jene Schichten, die uns mit Rücksicht
auf die Wasseransammlung und Circulation im Boden am meisten interessiren.
Ueber dieser Tertiärschicht lagert das Diluvium, in der Ebene,
besonders durch den ganzen Frankfurter Wald und weiterhin, aus Sand
und Kies bestehend. Darin finden sich Trümmer aller Gebirgsarten, durch
welche der Main mit seinen seitlichen Zuflüssen hindurchbricht. Ursprüng¬
lich floss der Main auf höherer Terrasse. In späterer Diluvialzeit erodirte
das Flussbett tiefer ein. Die höher abgelagerten Dilnvialschichten nördlich,
nordöstlich und nordwestlich der Stadt gehören dem Löss an, welcher als
StauwasBerniederschlag aus der Zeit des Abganges von der diluvialen Eis¬
zeit zu betrachten ist.
Dem sandigen Diluvium lagern die alluvialen Torfbildungen und Rieth¬
boden auf und bezeichnen alte Flussläufe. Jüngeres Alluvium besteht in
neueren Sedimenten des Mains oder verwehtem Flusssande des älteren
Diluviums und bilden diese Partien nur untergeordnete Schichten.
Wesentlich sind noch die Basaltdurchbrüche, deren Entstehung gegen
Schluss der Tertiärzeit fällt: mächtige Ströme poröser Lava drangen aus
Spalten des Bodens und verbreiteten sich über die bereits abgelagerten
Tertiärschichten. Auf einem solchen alten Lavastrome liegt Bockenheira.
Gehen wir auf die Verhältnisse der obersten undurchlässigen Tertiär¬
schicht und ihre Beziehungen zur Diluvialschicht näher ein.
An einem Profil 1 ) (Fig. 3), das von Nord nach Süd die Stadt durcb-
schneidet, erkennen wir, dass der Verlauf dieser Schicht in grossen Zügen
im Allgemeinen ein analoger ist, wie der der Oberfläche. Es dacht sich
diese undurchlässige Schicht von Nordosten nach Südwest zu ab (auf dem
zur Darstellung gebrachten Theile beträgt die Abdachung circa 38 m auf
2*6 km oder 1:68), dabei finden sich jedoch grössere oder geringere Ab¬
weichungen, welche den Ablauf des Wassers und die Beziehung desselben
*) Durch freundliche Vermittelung des Herrn Sanitätsraths Dr. A. Spiess erhielt ich
vom Frankfurter Tiefbau-Amte den Alignements - Uebersichtsplan von Frankfurt a. M. mit
Angabe der Höhenlagen der undurchlässigen Schicht, wie sie beim Canalbau festgestellt worden.
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Maassstab lur die Län
Dr. J. Soyka,
Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 303
zur Oberfläche beeinflussen müssen. Es treten bald einzelne Einsenkungen
auf, wie an der Stelle am Friedberger Thor, bald wieder Vorwölbungen,
wie au der Wielandstrasse. Das unterirdische Wasser, das auf dieser Fläche
zum Ablauf gelangt, flieset nun ebenfalls in der Richtung von Nordost
nach Südwest dem Main zu, ohne jedoch für gewöhnlich eine besonders
mächtige Ansammlung zu zeigen; ja in Zeiten grosser Trockenheit kommt
es an einzelnen Orten sogar zum Versiegen. Sein Niveau bildet eine schräg
aufsteigende Ebene und ist es bei dem der Oberfläche ziemlich parallelen
Aufsteigen der undurchlässigen Schicht eine natürliche Folge, dass mit der
Erhebung der Oberfläche die Entfernung der letzteren vom Grundwasser
nicht abnimmt, sondern mitunter, wenn die undurchlässige Schicht der
Oberfläche etwas näher tritt, sogar zunimmt. In dem Profil (Fig. 3) ist das
Grundwasser nach dem höchsten und tiefsten Stande von fünf Brunnen ein¬
getragen; die undurchlässige Schicht auf der Strecke a bis b ist nicht nach
Bohrungen bestimmt, da diese an der betreffenden Stelle fehlen, sie ist
ungefähr nach dem Wasserspiegel bestimmt.
In dem Berichte der Festschrift heisst es: Die Schwankungen des
Grundwassers erscheinen hier fast ausschliesslich durch den unterirdischen
Abfluss und die Verdunstung einerseits und die Zufuhr meteorischen Wassers
andererseits bedingt. Die grössten und häufigsten Schwankungen zeigen
sich in den höheren Lagen, wo bei stärkerem Gefälle sowohl der Oberfläche
wie der undurchlässigen Schicht auch der Abfluss durch das Erdreich im
Allgemeinen ein rascherer ist. Das Grundwasser hat seinen niedersten
Stand gewöhnlich im Herbste, während die höchsten Stände in den Winter
und Frühling zu fallen pflegen.
Gehen wir nun auf die drei Factoren ein, welche die Schwankungen
des Grundwassers beeinflussen können; es sind dies die Niederschläge, die
Verdunstung und der Abfluss.
Tabelle VI. Jahresperiode von Niederschlag, Sättigungsdeficit
und Maiuwasserstand in Frankfurt a. M. von 1869 bis 1885.
Jan.
Febr.
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Oct.
Nov.
Dec.
Niederschlag in Millimetern
Sättigungsdeficit 1 ) in Milli*
37
36*9
40*3
348
44*1
64*7
83*2
61*8
51*2
63*6
61*6
53*3
metern.
Mainwasserstand in Centi-
0*48
0*76
1*82
3*14
4*23
4*33
5*23
4*21
2*70
1*49
0*87
0*55
metern über dem Pegel
Grundwasserstand in Centi-
metern über dem Main-
103
106
120
64
48
36
36
26
26
43
73
106
Pegel.
442
449
453
445
439
431
428
424
415
414
416
429
Vergleichen wir zunächst den Niederschlag als jenen Factor, den wir
doch für die Ansammlung des Grundwassers verantwortlich zu machen
J ) Das Sättigungsdeficit konnte nur aus den Jahren 1870 bis 1875 und April 1879 bis
1884 berechnet werden. Von 1869 fehlen Beobachtungen, 1876 bis März 1879 wurde der
Dunstdruck nicht mit dem Psychrometer, sondern mit dem Kl inkerfues’sehen Hygrometer
bestimmt, wodurch viel grössere Extreme gewonnen wurden. Auch bezüglich der Jahre
1870 bis 1873 muss noch bemerkt werden, dass in diesem Zeiträume nur einmal am Tage
(3 Uhr Nachmittags) Bestimmungen des Dunstdruckes gemacht wurden.
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304
Dr. J. Soyka,
haben, so vermissen wir in der Jabresperiode scheinbar jeden Zusammen¬
hang (Fig. 4). Das Maximum des Grundwasserstandes fällt in die Monate
iP 4
£
£> ~
«s
Fig. 4.
0*750 5*000
0*675 4-525
Niederschlag
0*600 4*450
0*525 4*375
0*450 4-300
0*375 4-225
0*300 4*075
Sättigungs¬
deficit
N TZ
U u • —
S < ^
V
Q
Main.
Grundwasser.
Niederschlag.
Sättigungsdeficit.
Jahresperiode von Grundwasserstand, Main Wasserstau d, Niederschlag
und Sättigungsdeficit in Frankfurt a. M.
Februar, März und April, das sind aber diejenigen Monate, welche in der
Tabelle und der Curve von Frankfurt a. M. durchschnittlich die geringste
Regenmenge besitzen. Die grösste Regenmenge besitzen die Monate Juli
bis November. Aber gerade in diesen Monaten fallt das Grundwasser an¬
dauernd und erreicht im October seinen niedrigsten Stand.
Dieses Verhältnis zeigt, dass der Niederschlag, den wir als Factor des
Zuflusses doch gewiss anerkennen müssen, in seinem Einflüsse von einem
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 305
anderen Factor compensirt oder übercompensirt wird, und dieser zweite
Factor, der also nicht anf die Wasserzunahme, sondern auf die Wasser¬
abnahme einwirkt, kann entweder in dem durch Verdunstung erfolgenden
Verlust oder in dem gesteigerten Abflüsse gelegen sein.
Wir werden sehen, dass diese beiden Umstande Zusammenwirken.
Betrachten wir zunächst den Ablauf dieser Ereignisse, wie er sich durch
die in Folge Verdunstung eintretenden Verluste gestaltet. Als Maassstab
für die Verdunstung wollen wir jenen Zustand der Luft nehmen, der
mit dem Ausdrucke Sättigungsdeficit bezeichnet wurde. Die Luft kann
bei einer bestimmten Temperatur eine bestimmte Quantität Wasserdampf
aufnehmen (P); die Differenz, die zwischen der Menge des in der Luft schon
vorhandenen Wasserdampfes (p) und der Menge des, entsprechend der Wasser-
capacität überhaupt aufnehmbaren Wasserdampfes besteht (P—jp), nennt man
Sättigungsdeficit; es wird nach der Dampfspannung gemessen und in
Millimeter Quecksilber zum Ausdruck gebracht, und ist dasselbe ein Index
für Trockenheit der Luft, das heisst für die Fähigkeit derselben, sich mit
Wasserdampf zu sättigen.
Es ist interessant, dass gerade in Frankfurt a. M. schon in früher
Zeit dem Sättigungsdeficit Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In den Jahres¬
berichten der physikalischen Vereine zu Frankfurt a. M., aber nur von 1870
bis 1873, findet sich in der graphischen Darstellung in den Witterungs¬
beobachtungen auch eine sogenannte Feuchtigkeitscurve, welche die
zur Sättigung eines Cubikmeters Luft nöthige Menge Wasser angiebt.
Ein Vergleich der Curve des Sättigungsdeficits mit der Curve des Grund¬
wasserstandes fuhrt nun eher zu einer Uebereinstimmung, besonders unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der Niederschlagsverhältnisse. Die Curve des
Sättigungsdeficits, die in unseren Gegenden einen grossen Parallelismus mit
der Temperaturcurve zeigen muss, ist der Ausdruck für die allenthalben,
also auch aus dem Boden erfolgende Verdunstung; je höher dieselbe steigt,
desto mehr muss sich das Bodenwasser verringern und desto niedriger wird
sein Stand sein; nun sehen wir in der That, dass der Rhythmus der Curve des
Sättigungsdeficits ein umgekehrter ist, wie der des Grundwassers, nur mit
einer gewissen Verschiebung. Die Curve des Sättigungsdeficits hat die Periode
ihres Maximums in den Monaten Mai bis August, der entspricht, mit circa
zweimonatlicher Verspätung, die Periode des Minimums des Grundwasser¬
standes, die vom Juli bis November dauert. October, November, December
beginnt nun ein rapides Sinken des Sättigungsdeficits, und dasselbe bleibt
niedrig bis zum März. Dem entsprechend beginnt im December das Grund¬
wasser wieder zu steigen, um im März seinen höchsten Stand zu erreichen.
Vergleichen wir jetzt nochmals Niederschlag und Grundwasser, so be¬
greifen wir, dass die relativ hohen Niederschläge Juni, Juli, August das im
April begonnene Sinken des Grundwassers nicht auf halten können, da die
Trockenheit der Luft jetzt einen so hohen Grad erreicht, dass wohl der
Niederschlag kaum hinreicht, das in der oberflächlichen Verdunstungszone
verdampfende Wasser zu ersetzen, so dass also kein Abfluss in die Tiefe
erfolgt. Das Grundwasser erhält also von der Oberfläche keinen Zufluss,
erniedrigt sich aber auch desshalb, weil der Fluss, gegen den es abfliesst,
sein Niveau, ebenfalls in Folge der Verdunstung, bedeutend erniedrigt. Die
Vierteljahrsschrift fhr Gesundheitspflege, 1887. 20
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306
Dr. J. Soyka,
Niederschläge dagegen der Monate November bis März, trotzdem sie (beson¬
ders die von Januar bis März) recht geringfügig sind, müssen das Grund¬
wasser zum Steigen bringen, da nun das Sättigungsdeficit sein Minimum
erreicht bat, die Verdunstung aus dem Boden auf ein Minimum reducirt ist
und also fast alles Wasser, das in den Boden eindringt, auch in demselben
versinkt, in die Tiefe abfliessi. Dazu kommt auch noch, dass der Fluss
unter denselben Einflüssen sein Niveau erhöbt, also auch den Abfluss des
GrundwaBsers verringert.
Aus dem Verhältnisse des Flussbettes zur undurchlässigen Schicht
ergeben sich auch die Beziehungen des Flusses zum Grundwasser; das
Flussbett liegt auf der undurchlässigen Schicht, nicht in dieselbe ein-
geschnitten, und, wie das Profil zeigt, muss ein jedes Steigen des Flusses
eine seitliche Infiltration des Mainwassers in den Boden zur Folge haben,
aber es muss auch ferner zur Folge haben, dass der Abfluss für den
Grundwasserstrom, der mit dem Flussniveau zusammen fallt, höher gelegt
wird, und es hat auf diese Weise der höhere Stand des Mains stauend anfs
Grandwasser zu wirken. Das ganze Niveau des Grundwassers wird gehoben
werden, aber auch gleichzeitig etwas flacher sich gestalten, umgekehrt wird
durch eine Erniedrigung des Flussniveaus der Abfluss des Grundwassers
tiefer gelegt, das Gefälle hierdurch vermehrt, der 4hfluss wird beschleunigt
und das Grundwasser fällt. Insofern also lässt sich schon a priori schliessen,
das8 Grundwasser und Mainwasser in Zusammenhang stehen derart, dass
die Veränderungen am Main sich im Stande des Grundwassers abspiegeln,
allerdings in einer etwas verspäteten Periode. Das Grund wasser macht
auch in der That die Schwankungen des Mains mit, nur zeigt sich beson¬
ders beim Eintritt des Minimums eine (einmonatliche) Verspätung. Dabei
aber sehen wir, dass die Schwankungen des Mains, welchen die meteorolo¬
gischen Factoren wie Niederschlag und Verdunstung unmittelbar treffen,
grössere, rapidere sind, als die des Grundwassers, wo sich einer directen
Einwirkung dieser Factoren Hindernisse in den Weg stellen und also diese
Einwirkung verzögert wird und desshalb auch vermindert zur Geltung kommt.
Tabelle VII. Jahresschwankungen von Grundwasser, Nieder¬
schlag, Sättigungsdeficit, Mainwasserstand und Temperatur
in Frankfurt a. M.
1869
1870
1871
1872
1873
1874
00
1876
1877
Grundwasserstand in Centimetern . .
411
398
451
421
433
367
405
456
455
Niederschlag in Millimetern ....
527*9
617*9
646*69
755*2
527*1
4455
660*4
654*3
645*7
Sättigungsdeficit in Millimetern . .
—
2*59
2*09
2*56
2*61
2*28
2*06
—
—
Mainwasserstand in Centimetern . .
63*3
76
83
51
56
26*6
58
74
68
Temperatur.
9*88
8*88
8*13
10*75
10*38
9*75
9*63
10*13
10*00
1878
1879
1880
1881
1882
1883
1884
1885
Grundwasserstand in Centimetern . .
447
466
452
461
444
453
417
403
Niederschlag in Millimetern ....
. .
782*
7
716*5
667*5
529*6
9375
551*6
540*4
660*9
Sättigungsdeficit in Millimetern . .
—
1*58
2*88
3*00
2*11
333
2*78
—
Mainwasserstand in Centimetern . .
. .
81
98
84
70
91
69
42
37
Temperatur.
10*00
8*3
10*2
9*4
10*0
9*6
10*3
9*2
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 307
Diese Abhängigkeit des Grandwasserstandes von dem wechselseitigen
Verhalten zwischen Verdunstung und Niederschlag spricht sich noch deut¬
licher in den einzelnen Jahresschwankungen (Tab. VII u. Fig. 5) aus,
Fig. 5.
■ *
iS“ a)OH(NWi<iflcoNQ0050H(N«^in
Cfj O (üNSNNNNt'NNNOOQOOOOlQOOO
M ä aoaoooooaoaoaoooaoooooaoooooaoaooo
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0*975
0*900
0*825
0*750
0*675
Sättigungsdeficit
0*600
0*525
0*450
0*375
Grundwasser
0*225
Niederschlag
0*000
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OOClOrHOICO^iß
b X 00 00 00 OO 00
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Main.
Grundwasser.
Niederschlag.
Sättigungsdeficit.
JahreeschwaDkuDgen von Grundwasser, Main, Niederschlag und Sättigungs¬
deficit in Frankfurt a. M. von 1869 bis 1885.
besonders in den Extremen. Leider können wir bezüglich des Sättigungsdeficits
aus den oben (S. 303) angeführten Gründen auf die Daten der Jahre 1876 bis
März 1879 nicht reflectiren, es genügt jedoch, die übrigen Jahre darauf hin
zu untersuchen. Natürlich wird auch hier mitunter die Wirkung etwas
verspätet sich einstellen; so zeigt uns das Jahr 1870 einen tiefen Grund¬
wasserstand; die Niederschläge sind zwar nicht unbedeutend, aber das Sät-
20 *
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308
Dr. J. Soyka,
tigungsdeficit ist ein hohes; umgekehrt hat 1871 einen sehr hohen Grund¬
wasserstand, die Niederschläge sind gar nicht so bedeutend, aber das Sät¬
tigungsdeficit ist ein sehr geringes (das Jahr war auch ein recht kühles,
mittlere Jahrestemperatur nur 8*13). 1872 hat trotz bedeutender Steigerung
der Niederschläge doch schon einen viel niedrigeren Grund wasserstand, weil
das Sättigungsdeficit sich bedeutend erhebt, das Jahr war sehr warm (10*75°).
Im Jahre 1873 entspricht der weiteren Vergrösserung des Sättigungsdeficits
und der Verminderung der Niederschläge ein weiteres Absinken, und das
Jahr 1874, das zwar ein geringes Sättigungsdeficit aufweißt (es ist kälter
als 1872 und 1873), hat eine so geringe Regenmenge, wie sie überhaupt
in den letzten 50 Jahren nicht erreicht wurde. Das Jahr 1875 mit erhöhter
Regenmenge und verringertem Sättigungsdeficit zeigt schon wieder ein An¬
steigen des Grundwassers.
In den Jahren 1882 bis 1883 zeigt sich bezüglich des Verhaltens von
Grundwasser zum Sättigungsdeficit und Niederschlag eine solche Erschei¬
nung wie bezüglich des Typhus und Grundwassers im Jahre 1871.
Das Grundwasser zeigt nämlich im Jahresdurchschnitt eine absinkende
Tendenz trotz niederen Sättigungsdeficits und sehr hoher Niederschläge, es
wäre also hier eine vollkommene Abweichung von der Regel. Verfolgt man
jedoch diese Verhältnisse ins Detail, so sieht man, dass es sich wieder nur
darum handelt, dass die hier in Betracht kommenden meteorologischen
Factoren ungleich vertheilt sind. Das Grundwasser steht nur in den ersten
Monaten des Jahres 1881 sehr tief, zum Theil auch noch als Nachwirkung
des sehr trockenen und regenarraen Jahres 1881; in der zweiten Hälfte des
Jahres 1882, wo erst die grossen Niederschläge einfallen, steigt aber das
Grundwasser sehr bedeutend. Nachfolgende Tabelle giebt darüber ausführ¬
licheren Aufschluss.
Tabelle VIII.
Brunnen
1881
1882
Der.
Jan.
Febr.
März
Apr.
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Oct.
Nov.
Dec.
J.
77
70
66
65
61
63
65
68
78
79
89
138
278
QC
11 .
134
126
122
118
114
114
113
118
128
126
139
178
264
zi
% ~
III.
162
163
163
163
165
167
169
176
186
179
188
230
232
-o 2
'mm
529
559
613 |
620
617
634
635
663
649
657
652j
i 639
649
3
■S;
659
654
646 1
650
652
672
673
696
760
698
717
j 742
756
O
Kl
934 |
936
937 |
931
939
945
936
955
1 992
972
1014
1053
1060
Mittel . .
416
418
424
424
425
432
432
446
465
452
1 466
497
540
Sättigungsdeficit . .
0-70
0*60
1-05
2*43
3*51
4*02
2*32
3*55
3*25
1*91
1*27
0*90
0*55
Niederschlag . . .
37*6
14*2
23*7
32*3
58*3
58*5
79-8
200*2
72*4
1
90-0
85*1
152-0
71*9
Monatsdurchschnitt:
Winter Frühling Sommer Herbst
419 427 447 488
0*78 3 32 3 04 1*16
25*1 49*7 117*5 99*7
Wir sehen in dieser detaillirten Darlegung, wie wieder nur das wech¬
selseitige Verhalten von Niederschlag und Sättigungsdeficit den Grund¬
wasserstand regulirt.
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Zur Epidemiologie und Klimatologie von Frankfurt a. M. 309
Sowie nun die Jahre 1881 und 1882 gemeinsam behandelt werden
müssen, so ist dies auch bei den Jahren 1882 und 1883 der Fall; der sehr
wichtige in der zweiten Hälfte des Jahres* 1882 fallende Niederschlag und
das sehr niedrige Sättigungsdeficit wirken noch nach bis in das Jahr 1883,
und bewirken ein Ansteigen des Grundwassers in den ersten Monaten, das
wieder dem ganzen Jahre seinen steigenden Charakter verleiht; dann aber
beginnt die Regenarmuth des Jahres 1883 selbst und das hohe Sättigungs¬
deficit ihren Einfluss geltend zu machen, das Grundwasser fallt, und zwar
sehr tief und andauernd bis in das Jahr 1884.
Tabelle IX.
Brun-
■
1883
1884
nen
Q
Jan.
Fbr.
März
Apr.
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Oct.
Nov.
Dec.
Jan.
Febr.
9
u
I.
278
307
246
219
195
169
136
116
127
151
152
150
152
143
.163
ei •§
k a .
II.
264
296
270
250
229
210
195
180
171
162
154
146
137
154
142
111.
232
209
94
97
90
85
82
79
75
75
76
80
88
84
84
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IV.
649
644
598
591
574
564
561
553
561
606
627
574
571
571
570
=s
V.
756
758
728
716
702
694
682
670
670
666
672
672
683
571
570
C
VI.
1060
1056
1029
1006
977
957
943
928
924
917
917
924
951
965
971
Mittel
540
545
494|
480
461
446
433
421
421
429
433
424
430
415
416
bl9
~46tT
"425"
"429"
420*
Niederschi.
71’9
44*6
24*8
28*3
6*1
31*6
26*6
85*1
51*5
61*4
72*6
76*3
42*7
48*3 31-3
47**1
22**0
" 54 T
70*1
40*7*
Sätt.-Def.
0*55
0*68
1*27
1*27
4*55
5*44
7*05
4*56
5*36
3*12
4*75
1*06
0*82
e*
00
ö 1
"ö-Sä"
" 3 * 75 "
TöT
ToT
0*98*
* Monatsmittel für die Jahreszeiten.
Wir sehen hier ganz deutlich Anfangs des Jahres 1883 die Nachwir¬
kung der meteorologischen Factoren des Jahres 1882. Das Grundwasser
steht im Winter 1882/83 durchschnittlich noch höher als im Jahre 1882,
eef sinkt aber dann ziemlich rasch, nur die eigenthümliche Vertheilung der
Niederschläge in diesem Jahre, die Concentration derselben auf den Herbst,
die Zeit des normalmässigen Absinkens des Niederschlages (vergl. Tab. VI
u. Fig. 4) lässt die eigentliche Wirkung des Jahres 1883 erst in 1884, aber
da auch in sehr ausgiebiger Weise erscheinen.
Im „ Boden tt x ) habe ich für die Abhängigkeit der Grundwasserschwan-
kungen von meteorischen Factoren zwei Typen aufgestellt, je nach dem
Ueberwiegen des einen oder des anderen Factors, und habe als Repräsen¬
tanten des einen Typus (Ueberwiegen des Einflusses der Niederschläge)
München, als Repräsentanten des zweiten Typus (Ueberwiegen des Ein¬
flusses des Sättigungsdeficits) Berlin hingestellt. Frankfurt a. M. schliesst
sich nun dem Verhalten Berlins ausserordentlich eng an, ja ist fast in
völliger Uebereinstimmung (vergl. S. 293 die Uebereinstimmung in Ablauf
des Abdominaltyphus).
*) Handbuch der Hygiene, herausgegeben vou Pettenkofer-Ziemssen, 1. Theil,
U. Abth., 3. Heil.
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310 Dr. J. Soyka, Zur Epidemiologie u. Klimatplogie von Frankfurt.
Es ist noch eines zu betonen; wir haben gesehen, dass der Fluss
auf den Grundwasserstand Einfluss zu nehmen vermag, indem er den Ab¬
fluss des Grundwassers befördert oder behindert; es ist nun noch wichtig
zu entscheiden, ob nicht dadurch Verhältnisse geschaffen werden, welche
das GrundwaBser nicht mehr als Maassstab oder Index der im Boden statt¬
findenden Veränderung gelten lassen. Im „Boden“ (S. 311 und 318) ist es
ausgeführt, dass wir in diesen Schwankungen des Grundwassers 1) einen
Maassstab haben für den im Boden vorhandenen Dnrchfeuchtungsgrad;
2) einen Index für die Richtung gewisser Wasserbewegungen im Boden,
die durch das jeweilige Ueberwiegen von Niederschlägen oder Verdunstung
veranlasst werden. In Frankfurt a. M. wird nun die Richtigkeit dieses
Index durch die stauende und abflussbeschleunigende Wirkung des Flusses
in der Regel nicht alterirt, da der Mainfluss in seinen Schwankungen ziem¬
lich genau von denselben localen meteorischen Factoren beeinflusst wird,
wie das Grundwasser selbst. Der Wasserstand des Mains variirt ebenfalls
ganz genau nach dem reciproken Verhältnisse von Niederschlag und Ver¬
dunstung, und sein Wasserstand wird nicht beeinflusst durch Zuflüsse von
Gebirgen, wo ein anderer Niederschlagsrhythmus und die Schnee- und Glet¬
scherschmelze eine Anstauung des Flusses mitunter zu einer Zeit herbei¬
führen, wo das Grundwasser bereits im Fallen begriffen ist. Desshalb kann
das Grundwasser als ein richtiger Maassstab der Bodenmeteorologie ange¬
sehen werden. Dass übrigens das Grundwasser in Frankfurt a. M. nicht
etwa bloss Infiltrationswasser des Flusses ist, sondern ein selbstständiger
Strom, der nur in seinem Abflüsse vom Flusse modificirt wird, zeigt bereits
ein Blick auf das Profil der Fig. 2; es geht aber auch aus dem Vergleiche
der Jahresschwankungen hervor, die doch wesentliche Differenzen zwischen
Grundwasser und Fluss zeigen, sodann aber auch aus dem Vergleiche der
jeweiligen Amplituden, der Grösse der Schwankungen« Die Schwankungen
der Jahresperiode sind bekanntlich (S. 304) beim Main viel grösser als
beim Grundwasser (vergl. Fig. 4), der Fluss steht eben viel unmittelbarer,
directer unter dem Einflüsse der jahreszeitlichen Factoren. Dagegen sind
die Jahresschwankungen des Grundwassers viel grössere als die des Mains,
weil die localen Factoren beim Grundwasser eine längere Einwirkung üben,
als beim Flusse, wo ein Ersatz aus den fernen Gegenden zuströmt, aber aus
Gegenden, die doch denselben klimatischen Charakter haben, wie Frankfurt
selbst. In jenem Falle also, wo der Wasserstand eines Flusses von Gegenden,
Localitäten beeinflusst wird, die einen anderen Charakter, einen anderen
jahreszeitlichen Rhythmus besitzen, und dessen Wasserstand auf den Stand
des Grundwassers ein wirkt, da sind die Schwankungen des letzteren nicht
mehr der richtige Ausdruck für die in dieser Localität vor sich gehende
Bodenveränderungen und können also auch nicht mit anderen an die Jahres¬
zeit gebundenen Ereignissen in Zusammenhang gebracht werden. In Frank¬
furt a. M. ist dies zumeist nicht der Fall, dort giebt in der That das Grund¬
wasser zumeist ein Bild von gewissen Bewegungen in der Bodenfeuchtigkeit
und daher wohl auch die grössere Uebereinstimmung zwischen zeitlicher
Disposition des Typhus und zwischen Jahres- und Jahreszeitrhythmus der
Factoren der ober- und unterirdischen Meteorologie.
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H. Merke, Betriebsergebnisse der Desinfectionsanstalt in Berlin. 311
Mittheilungen über Betriebsergebnisse der ersten
öffentlichen Desinfectionsanstalt der Stadt Berlin
und über ein neues Contactthermometer.
Von H. Merke,
Verwaltungsdirector des städtischen Krankenhauses Moabit (Berlin).
Die in der Reichenbergerstrasse belegene erste öffentliche Desinfec¬
tionsanstalt der Stadt Berlin, über deren bauliche Anlage, technische und
Verwaltungseinricbtungen bereits an einem anderen Orte *) berichtet worden,
wurde am 1. November v. J. eröffnet und ist seit diesem Tage in Betrieb*
Wenn auch die Benutzung dieser Anstalt einstweilen vollständig in das
Belieben des Publicums gestellt ist, da die Verhaudlnngen zwischen den
städtischen Behörden und dem Königl. Polizeipräsidium über die zwangs¬
weise Durchführung der Desinfection bei gewissen Infectionskrankheiten
noch nicht znm Abschluss gekommen sind, so dürften doch die folgenden
Zeilen, die eine Uebersicht über die bisherige Thätigkeit der neuen Anstalt,
sowie einzelne Wahrnehmungen enthalten, die sich auf die praktische
Handhabung des Betriebes beziehen, um so mehr von allgemeinerem In¬
teresse sein, als derartige öffentliche Einrichtungen in Städten von ähn¬
licher Grösse wie Berlin meines Wissens zur Zeit noch nicht bestehen und
es an Mittheilungen über gleiche Institute in kleineren Städten in der
Fachliteratur fehlt.
In den beiden Betriebsmonaten November und December 1886 wurden
von 327 Parteien Gegenstände zur Desinfection gebracht, die insgesammt
einen Ranm von 722*4 cbm beanspruchten. Von diesen 327 Fällen war
es möglich, bei 298 mit annähernder Sicherheit den Namen derjenigen
Krankheiten zu erfahren, welche das Publicum resp. die Behörde veranlasst
hatten, die Hülfe der Anstalt in Anspruch zu nehmen, die übrig bleibenden
vertheilen sich theils auf solche, in denen die Diagnose der jeweiligen
Krankheit nicht zu ermitteln war, theils betreffen sie die Desinfection von
in Säcken verpackten Putzlappen oder das bewegliche Inventar von Schlaf¬
wagen der internationalen Schlafwagengesellschaft, die aus seucheverdäch¬
tigen Orten (Frankfurt a. M., Wien, Pest) hier einliefen.
Bevor ich auf eine Besprechung der einzelnen Fälle eingehe, möchte
ich darauf aufmerksam machen, dass es bei der jetzigen Einrichtung häufig
sehr schwer, ja mitunter vollständig unmöglich ist, richtige Krankheitsdia-
*) Eulenberg’s Viertel jahrsschr. f. ger. Med. u. öffentliches Sanitätswesen, Bd. XLV.:
Guttmann und Merke, Die erste öffentliche Desinfectionsanstalt der Stadt Berlin.
Sep.-Abdr. Berlin 1886, Hirschwald.
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312
H. Merke,
gnosen zu erhalten. Wir sind in dieser Beziehung — abgesehen von den
wenigen Fällen, in denen die Desinfection behördlicherseits angeordnet
wurde — allein auf die Auskunft angewiesen, die von Seiten des bethei¬
ligten Publicums zu erhalten ist, nur äusserst selten war es möglich, von
dem behandelnden Arzt selbst die vorliegende Krankheitsursache zu er¬
fahren. Diesem Uebelstande wird nur dadurch zu begegnen sein, dass in
Zukunft die Abholung der Sachen von der Einreichung einer ärztlichen
Bescheinigung abhängig gemacht wird, die eine genaue Bezeichnung des
Krankheitsfalles, in Folge dessen die Desinfection gewünscht wird, enthalten
muss, ähnlich wie dies, wenn auch in etwas anderem Zusammenhänge, be¬
reits Professor Hoff mann auf der 13. Versammlung des Deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege in Breslau gefordert hat 1 ).
Die Desinfection von Effecten erfolgte bei den ersten 298 Fällen nach
Diphtherie in 122, Verdacht auf Cholera in 23, Schwindsucht in 47, Schar¬
lach in 34, Unterleibstyphus in 11, Syphilis, Krätze, Hautkrankheiten in
61 Fällen.
Am stärksten vertreten ist hierbei, wie wir sehen, die Diphtherie mit
40*93 Proc., ihr folgt mit bedeutend niedrigerem Procentsatz die Schwind¬
sucht mit 15*77 Proc., und daran scbliesst sich, wenn wir die Zahl der
Cholera verdächtigen übergehen, da wirkliche asiatische Cholera in keinem
Falle constatirt wurde und es sich in allen Fällen nur um heftige Darm¬
katarrhe handelte, bei denen prophylactisch auf die erste Meldung hin die
Desinfection angeordnet wurde, der Scharlach mit 11*40 Proc.; die Zahl der
Unterleibstyphen machte nur 3*6 Proc. aus, während die übrigen Krank¬
heiten, bei denen wohl auch manche falsche Bezeichnung mit untergelaufen
sein mag, noch niedrigere Procentsätze aufweisen. — Häufig wurden auch
Effecten, besonders Betten, eingeliefert, deren Besitzer zwar nicht an direct
ansteckenden Krankheiten gelitten hatten, bei denen man aber dennoch,
schon zur Beruhigung der Angehörigen, die Ausführung der Desinfection
für nothwendig hielt.
Was die gesellschaftliche Stellung derjenigen Personen betrifft, welche
die Anstalt benutzten, so finden sich zwar fast säm rötliche Stände und Be¬
rufsarten vertreten, im Ganzen und Grossen prävaliren jedoch, wie zu er¬
warten stand, die besser situirten Classen. Es waren nämlich vertreten:
Kaufleute mit 85 Parteien = 28*6 Proc., wohlhabendere Handwerker
mit 40 = 13*4 Proc., Gelehrte mit 34 = 11*4 Proc., Beamte mit 27 =
9 Proc., Fabrikanten und Fabrikbesitzer mit 17 = 5*7 Proc., Rentiers mit
12 = 4 Proc., Officiere mit 9 = 3 Proc., zusammen also rund 75 Proc.;
auch unter den übrigen 25 Proc. findet sich noch eine Anzahl wohlhaben¬
derer Familien, wie Restaurateure und dergl., während der eigentliche Ar¬
beiterstand nur mit 17 = 5*7 Proc. betheiligt ist.
Dies Zurücktreten des Ai;heiterstandes und der Kleinhandwerker
gegenüber den Wohlhabenderen ist um so bemerkenswerther, als bekannter-
maassen gerade in den Familien der ersteren ansteckende Krankheiten weit
häufiger aufzutreten und intensiver um sich zu greifen pflegen, als in den
*) Bericht des Ausschusses über die 13. Versammlung des Deutschen Vereins für
öffentliche Gesundheitspflege zu Breslau, 1886, siehe diese Vierteljahrssehrii't XIX, S. 123.
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Betriebsergebnisse der ersten öff. Desinfectionsanstalt in Berlin. 313
besser situirten CI aasen, bei denen eine strenge Isolirang und anderweitige
Schutzmaassregeln mit Leichtigkeit durch zu führen sind. Der Hauptgrund
für diese geringe Benutzung der Anstalt Seitens der Arbeiter dürfte wohl
darin zu finden sein, dass die Existenz der Anstalt den Meisten noch unbe¬
kannt ist, ein anderer Theil mag wohl auch die Kosten scheuen, über deren
Höbe nur sehr Wenige informirt sind. Dieselben betragen nach dem bisher
gültigen Tarif für den im Desinfectionsapparat eingenommenen Raum pro
Cubikmeter einschliesslich Abholen und Rücktransport der Sachen 4*00 Mk.,
bei notorisch Unbemittelten muss selbstverständlich auf die Kosteneinziehung
verzichtet werden. Für die Desinfection der Putzlumpen wird pro Ceutner
1 Mk. berechnet, den Transport nach der Anstalt und das Abholen der
Lumpen muss jedoch der Eigenthümer auf seine Kosten bewirken.
Insgesammt wurden während der beiden Monate November und De-
ceraber in der Anstalt desinficirt 12 935 einzelne Effecten und zwar:
1710 Bekleidungsgegenstände,
5351 Wäschestücke,
1940 Stück Federbetten,
1084 Matratzen und Keilkissen,
20 Strohsäcke,
101 Stück Möbel,
2729 diverse Gegenstände (Säcke mit Lumpen, Teppiche, Gar¬
dinen, Decken u. dergl.).
Eine Vertbeilung dieser 12 935 Stücke auf die 327 Parteien, welche
dieselben zur Desinfection eingeliefert hatten, würde durchschnittlich 39
Stück auf den Einzelfall ergeben, jedoch entspricht diese Zahl durchaus
nicht den thatsächlichen Verhältnissen, da in einem sehr grossen Theil der
Fälle dieser Durchschnitt nicht erreicht wird, während andererseits 100 bis
200 auf den Einzelnen entfallen. Diese grosse Differenz erklärt sich daraus,
dass weitaus in der Mehrzahl der Fälle das Publicum nach Gutdünken die
Gegenstände auswählt, die es zur Desinfection übersendet, ohne den sach¬
verständigen Rath eines Arztes einzuholen, so dass der Eine durch Zu¬
schickung eines Anzuges seiner Pflicht Genüge gethan zu haben glaubt,
während der Andere das Inventar von zwei und drei Zimmern dem Des-
infectionsprocess unterworfen sehen will.
Bei einer solchen verschiedenartigen Auffassung ist es klar, dass in
vielen Fällen der eigentliche Zweck der Desinfection, die Weiterverbreitung
von ansteckenden Krankheiten zu verhüten, nicht erreicht wird; um so
mehr ist es Pflicht des Arztes, dem Publicum in jedem Falle genau die
Gegenstände zu bezeichnen, welche als muthmaasslicb inficirt zur Desinfec¬
tion gebracht werden müssen — eine Pflicht, welche leider häufig genug
verabsäumt wird.
Es ist schon oben darauf hinge wiesen worden, dass unter anderen
Gegenständen auch sogenannte Putzlappen zur Desinfection kamen. Es
sind dies Lappen der verschiedensten baumwollenen, wollenen und anderen
Gewebe, welche in den Productengeschäften aus Lumpen herausgesucbt und
in den Fabriken zum Putzen der Maschinentheile u. s. w. verwendet werden.
Diese Lappen kommen in fest verpackten Ballen von 200 kg in den Handel
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314 H. Merke,
und hat dieser Geschäftszweig speciell in Berlin einen sehr bedeutenden
Umfang gewonnen, da von hier aus nicht nur Berlin selbst, sondern auch
ein grosser Theil des Inlandes mit diesem Artikel versorgt wird ] ).
Wie nothwendig und von welcher eminenten Bedeutung für die all¬
gemeine Hygiene eine Bcharfe Controle dieses Handelsartikels von Seiten
unserer Sanitätspolizei ist, liegt auf der Hand; in allen Theilen des Reiches
von herumziehenden Händlern aufgekauft, gleichviel ob sie an ihrem Ur¬
sprungsort mit Krankheits8toffen in Berührung gekommen sind oder nicht,
um später an Centralstellen gesammelt zu werden, sind diese Lumpen ganz
besonders dazu geeignet, die Uebertragung von contagiösen Krankheiten
zu vermitteln. Es wäre desshalb äusserst wünschenswerth, dass, so lange
noch Seitens der Sanitätsbehörden eine solche Controle fehlt, wenigstens
die einzelnen Fabriken zum Schutze der Gesundheit ihrer Arbeiter von den
betreffenden Lieferanten den Nachweis dafür forderten, dass die von ihnen
bezogenen Putzlappen vor erfolgter Lieferung einer wirksamen Desinfection
unterzogen seien, wie dies von einigen hiesigen Fabriken bereits geschieht.
Dass eine Beeinträchtigung dieses Handelszweiges selbst durch der¬
artige Forderungen nicht zu befürchten ist, beweist der Umstand, dass
einer der bedeutendsten hiesigen Händler bereits seit ca. zwei Monaten den
grössten Theil seiner Putzlappen desinficiren lässt und bereitwillig die
hierfür entstehenden Kosten trägt, ohne doch hierdurch ausser Stand ge¬
setzt zu sein, erfolgreich mit den hiesigen oder auswärtigen Händlern zu
concurriren.
Die Ausführung der Desinfection geschah in der bereits früher 3 ) be¬
schriebenen Weise: Verpackung der Kleidungsstücke, Wäsche und son¬
stiger Gegenstände in leinene Hüllen, der Federbetten ausserdem in beson¬
dere Hürden, Einwirkung von strömendem gespanntem Dampf während
30 Minuten und Nachventilation im Apparat. Mit Leichtigkeit gelang es,
auch während der kälteren Jahreszeit Temperaturen von 115° bis 118° C.
im Innern der Apparate zu erhalten, während die Spannung in maximo
Vio Atmosphäre betrug; die Innentemperatur in den Desinfectionsobjecten
selbst wurde in der angegebenen Zeit stets auf 102° bis 103° C. gebracht,
wie wiederholt mittelst Maximalthermometer an gestellte Controlversuche
ergaben. — Hinsichtlich der Desinfection von Putzlappen möchte ich noch
Folgendes erwähnen: Diese Lappen werden, wie oben angeführt, in Ballen
von ca. 200 kg Gewicht fest zusammengepackt in den Handel gebracht.
Wollte man solche Ballen uneröffnet desinficiren, so würde es voraussichtlich
mehrere Stunden dauern, ehe dieselben vollständig und in allen ihren
Theilen auf die nothwendige Temperatur von mindestens 100° erhitzt wären,
da auch bei der Benutzung von strömendem gespanntem Wasserdampf die
Hitze um so langsamer in ein Convolut von Gegenständen eindringt, je
grösser das Volumen desselben ist, und je fester die Sachen zusammen¬
gepresst sind. Ich veranlasste desshalb, als die Frage betreffs der Desin¬
fection von Putzlappen an mich herantrat, zunächst den betreffenden Händler,
*) Nach ungefährer Schätzung verbraucht Berlin und seine nächste Umgebung ca.
35 000 kg Putzlappen wöchentlich. Der Verbrauch der Wasserwerke der Stadt Berlin
an diesem Material beziffert sich allein schon auf 12 000 kg pro Jahr.
2 ) Eulenbcrg’s Vierteljahrsschrift f. ger. Med. u. öffentl. Sanitätswesen, Bd. XLV.
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Betriebsergebnisse der ersten öfl*. Desinfectionsanstalt in Berlin. 315
eine andere Verpackung der Lumpen und zwar in der Weise einzuführen,
dass dieselben in Säcken zu je 50 kg ohne feste Verschnürung zur Anstalt
gesandt wurden; sodann bestimmte ich wiederholentlich in der gewöhn¬
lichen (wie ich auf der vorjährigen 13. Versammlung des deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege in Breslau erfuhr, zuerst von Wolffhügel
angegebenen) Weise durch Einlegen eines mit einem elektrischen Läutewerk
verbundenen auf 100° C. eingestellten Contactthermometers die Zeit, welche
der strömende gespannte Dampf im Apparat brauchte, um bis zur Mitte
des Sackes vorzudringen, und berechnete an der Hand der hierbei erhaltenen
Resultate die Zeitdauer, während welcher diese Säcke der Einwirkung der
Dämpfe auszusetzen wären. Dieselbe beträgt, wie meine Versuche ergeben,
in unseren Apparaten 55 Minuten, von denen 45 Minuten auf das Ein¬
dringen des Dampfes in das Innere des Sackes und das gleichmässige Er¬
hitzen desselben bis auf 100° C. entfallen, und 10 Minuten auf das Ein¬
wirken des 100° C. und darüber heissen Dampfes auf die Gewebe behufs
Abtödtung etwa vorhandener Krankheitskeime gerechnet sind. Die Ge-
sammtdauer der Desinfection beträgt hiernach incl. Ein- nnd Ausladen ca.
lVa Stunden.
Zum Schluss lasse ich noch die Beschreibung eines neuen Contact¬
thermometers folgen, das ich in letzter Zeit öfters in Gebrauch gezogen
habe; dasselbe zeichnet sich durch Einfachheit der Construction, leichte
Handhabung und Billigkeit aus und dürfte für die Zwecke der Praxis wohl
zu empfehlen sein.
Dies Contactthermometer besteht aus einer aus zwei Holzstucken zu¬
sammengesetzten, federnden Klammer, wie sie häufig in Krankenhäusern
als sogenannte „Journalklammer“ zum Befestigen der Krankenjournale
und Temperaturtabellen an den Kopfstangen der Krankenbetten benutzt wird,
von der die durch die Feder zusammengedrückten Theile (Fig. 1, a) der einen
Fig. 1.
Klammer geschlossen.
Hälfte mit einem gut leitenden, etwas noch über das Holz hinausragenden
Metall-(Kupfer)-Ueberzug (c) versehen sind, während die entgegengesetz¬
ten aus einander stehenden Theile der anderen Hälfte ( b ) an den ein¬
ander zugekehrten Seiten je eine resp. zwei metallene Oesen ( d ) tragen, die
beim Zusammendrücken dieses Theiles, also beim Oeffnen der Klammer,
charnierartig in einander greifen, — und ausserdem einem kleinen runden
Metallstäbchen von ca. 2 mm Durchmesser, welches genau in diese Oesen
passt. Das Metallstäbchen ist aus einer Legirung ') von 8 Theilen Wismuth
*) Ich fand die Mittheilung über die Zusammensetzung dieser Legirung in dem Hand¬
buche für den prakt. Metallarbeiter von H. Schuberth. A. Hartlcben’s Verlag 1883.
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316
H. Merke,
5 Theilen Blei und 3 Theilen Zinn zusammengesetzt und schmilzt bei 100°C.
Drückt man nun die beiden Theile der Hälfte ( b ) so weit zusammen, dass die
drei Oesen in eine Ebene zu liegen kommen, befestigt sie in dieser Stellung,
indem man das Metall Stäbchen durch das von den Oesen gebildete Röhrchen
schiebt (Fig. 2), und setzt die so armirte geöffnete Klammer einer Tera-
Fig. 2.
Klammer geöffnet (armirt).
peratur von 100° C. aus, so wird, da bei dieser Temperatur der Schmelz¬
punkt der Legirung liegt, das Stäbchen schmelzen, die Wirksamkeit der
Feder tritt in Kraft, schliesst die Klammer und führt damit den Contact
der beiden mit Kupfer überzogenen Flächen der Hälfte a herbei. War an
jeder der beiden Kupferflächen an den Stellen e je ein Leitungsdraht einer
Batterie befestigt, so erfolgt gleichzeitig mit dem Contact der beiden Flächen
das Schliessen der Kette und ein in die Kette eingeschaltetes elektrisches
Läutewerk wird zur selben Zeit in Bewegung gesetzt werden.
Würde man dies „Klammercontactthermometer“ offen zwischen Wäsche¬
stücke oder andere Effecten verpacken, so könnte sich ein Stückchen von
dem umgebenden Gewebe zwischen die Kupferflächen schieben und hier¬
durch, trotzdem das Stäbchen geschmolzen ist und die Klammer sich ge-
Fig. 3.
Klammer von oben gesehen.
schlossen hat, den Contact und damit das Schliessen der Kette verhindern.
Um dem vorzubeugen, hat man nur nöthig, die armirte Klammer in eine
vorn und hinten offene Holzkapsel, deren Seiten Wandungen mehrfach durch¬
bohrt sind, zu stecken, es wird dann, sobald das Stäbchen geschmolzen
ist, die sich schliessende Klammer sofort den Contact herstellen.
Ferner möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Oesen nicht
aus rundem Draht gearbeitet sein dürfen, sondern aus etwa 3 mm breiten
Blechstreifen bestehen müssen, da es sonst Vorkommen kann, dass dieselben
den Metallstift, sobald er anfängt weich zu werden, vermöge der Schnell¬
kraft der Feder, die auf sie wirkt, durchreissen, bevor noch der Stift voll¬
ständig geschmolzen ist; aus diesem Grunde darf auch die Druck¬
kraft der Feder selbst 420 g nicht übersteigen.
Um zu verhindern, dass bei einem unachtsamen Verpacken der Klammer
der eine oder der andere Leitungsdraht sich zwischen die Kupferflächen
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Betriebsergebnisse der ersten öff. Desinfectionsanstalt in Berlin. 317
schiebt, was ja ebenfalls das Schliessen der Kette unmöglich machen würde,
habe ich zwischen beide Drähte, etwa l\/ s cm von der Klammer entfernt,
einen viereckigen Holzblock (/) eingeschaltet, auf dem die Drähte mittelst
Wolle oder Seide festgebunden sind.
Die Herstellung der Metallstäbchen ist eiue sehr einfache: Man schmilzt
zunächst das Wismuth in einem Schmelztiegel (aus Porcellan), setzt, sobald
es geschmolzen, Zink und Blei hinzu, rührt das Gemenge tüchtig um, ent¬
fernt die an der Oberfläche sich bildende Oxydationsschicht und giesst die
Legirung in eine entsprechende Form. Diese letztere besteht aus zwei
glatten Platten von hartem Holz, von denen jede auf der einen Fläche eine
Anzahl von Halbriunen besitzt, die so gearbeitet sind, dass beim Zusam-
menschrauben der Platten je zwei Halbrinnen auf einander treffen und einen
Canal von 2'5 mm Weite bilden, in den die Legirung hineingegossen wird.
Ein Kilogramm dieser Legirung stellt sich auf ungefähr 22 Mk., so dass,
da ein Metallstäbchen aus dieser Masse von 24 mm Länge 1 g wiegt, jedes
Stäbchen ca. 2*2 Pfennige kostet. Die Klammern selbst kosten 8 Pfennige
das Stück, die Unkosten für das Anbringen der Oesen und des Kupfer¬
bleches, das von jedem einigermaassen intelligenten Schlosser besorgt werden
kann (ich selbst habe diese Arbeiten von dem Maschinenschlosser unseres
Krankenhauses ausführen lassen), dürften sich auf höchstens 4*75 Mk. be-
lanfen, mithin kostet der ganze Apparat, der sehr lange zu gebrauchen ist,
und an dem Reparaturen kaum Vorkommen können, ca. 5 Mk.
Da es selbstverständlich sehr darauf ankommt, dass die zur Legirung
nöthigen Metalle absolut rein und genau in den vorgeschriebenen Gewichts¬
mengen in der Legirung enthalten sind, so empfiehlt es Bich, die Stäbchen
von sachverständiger Hand (Apotheker, Chemiker) anfertigen zu lassen; die
grösste Sicherheit würde jedenfalls die Anfertigung derselben in wissen¬
schaftlichen Instituten gewähren, von denen sie gegen Ersatz der Unkosten
bezogen werden könnten.
Diese Metallstäbchen können schliesslich auch ohne Hinzunahme der
Klammer vortheilhaft überall da benutzt werden, wo es sich darum handelt,
schnell \ind ohne Zuhülfenahme von Maximalthermometern zu constatiren,
ob in Desinfectionsobjecten eine Temperatur von 100° C. erreicht worden
ist oder nicht 2 ); man hat zu diesem Zweck nur nöthig, ein solches Stäb¬
chen, in ein Stückchen Papier eingehüllt, in dem zu controlirenden Gegen¬
stände zu verpacken und nach beendeter Desinfection nachzusehen, ob das¬
selbe geschmolzen ist; war dies der Fall, so weiss man bestimmt, dass an
der Stelle, an der das Stäbchen lag, die geforderte Temperatur vorhanden
gewesen ist.
1 ) Mit der Anfertigung solcher Klammern hat sich in neuester Zeit auch der
Lieferant für chemische und physikalische Apparate etc. Herr Dr. Robert Müncke in
Berlin, N. W. Luisenstrasse 58, befasst.
2 ) Aehnliche Versuche scheint nach einer Mittheilung, die mir von Herrn Director
Dr. P. Guttmann gemacht wurde; Herr Kreisphysicus Dr. Freymuth, Oberarzt am
Stadtlazareth in Danzig, mit Legirungen, die bei 102*5°, 107° und 116°C. schmelzen sollen,
angestellt zu haben, doch ist mir Genaueres darüber nicht bekannt geworden.
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318
M. Pistor,
Einige Bemerkungen zu der Ton dem Königlichen
Polizeipräsidium in Berlin unter dem 7. Februar d. J.
erlassenen Anweisung zum Desinfectionsverfahren
bei Volkskrankheiten.
Von M. Pistor.
Polizeiverordnung, betreffend Desinfection bei ansteckenden
Krankheiten.
Auf Grund der §§. 143 und 144 des Gesetzes über die allgemeine Landes¬
verwaltung vom 30. Juli 1883 (G.-S. S. 195 ff.) und der §§. 5 ff. über die Polizei¬
verwaltung vom 11. März 1850 (G.-S. S. 265) wird hierdurch nach Zustimmung
des Gemeindevorstandes für den Stadtkreis Berlin Folgendes verordnet:
8 - 1 -
Die Haushaltungsvorstände beziehungsweise deren Stellvertreter (in Anstalten
die Leiter, Verwalter, Hausväter etc.) sind verpflichtet, bei Krankheits- wie
Sterbefällen an asiatischer Cholera, Pocken, Fleck- und Rückfalltyph ub
und Diphtherie unbedingt, an Darmtyphus, bösartigem Scharlachfieber und
bösartiger Ruhr nach dem Ermessen des Polizei-Präsidiums die von den Kranken
benutzten Effecten und Räume, sowie die in letzteren befindlichen Gegenstände
nach Maassgabe der erlassenen Vorschriften zu desinficiren.
§• 2 .
Für die Desinfection gelten die unter dem 7. Februar 1887 im Einver¬
ständnis mit dem Magistrat erlassenen Vorschriften.
Wer diese Desinfectionsvorschriften, sowie die zukünftig zur Ergänzung
oder Abänderung derselben erlassenen und veröffentlichten ortspolizeilichen
Vorschriften nicht befolgt, hat die Ausführung des vorgeschriebenen Verfahrens
durch die Polizeibehörde auf seine Kosten zu gewärtigen, ausserdem aber, sofern
nicht im §. 327 des R.-St.-G.-B. eine höhere Strafe vorgesehen ist, eine Geld¬
strafe bis zu 30 Mark verwirkt.
Berlin, den 7. Februar 1887.
Der Polizeipräsident.
(gez.) Freiherr v. Richthofen.
Anweisung zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten.
Allgemeines.
§• 1 -
Die Desinfection hat den Zweck, die Verbreitung ansteckender Volkskrank¬
heiten durch Unschädlichmachung oder Vernichtung der Ansteckungskeime zu
verhüten.
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/
Anweisung zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten. 319
§. 2 .
Die ansteckenden Volkskrankheiten werden za diesem Zwecke eingetheilt
in solche,
A. welche unbedingt Desinfection erheischen:
1) Asiatische Cholera,
2) Pocken (ächte \\nd modificirte),
3) Fleck- und Rückfalltyphus,
4) Diphtherie,
B. bei welchen auf besondere amtliche Anordnung Desinfection stattfinden
muss, anderenfalls dringend empfohlen wird:
6) Darmtyphus,
6) Scharlach,
7) Epidemische Ruhr,
8) Masern,
9) Keuchhusten,
10) Lungenschwindsucht.
§• 3.
Ansteckende Krankheiten werden verbreitet:
durch den Kranken selbst und seine Ausleerungen,
durch Verstorbene,
durch Speisen und Gebrauchsgegenstände (Möbel, Kleider, Wäsche und
dergleichen),
durch mit dem Kranken verkehrende Personen,
durch das Krankenzimmer.
Die Desinfection hat alle diese Punkte ins Auge zu fassen.
§• 4 *
Zur Desinfection gehört:
1) peinlichste Reinlichkeit für den Kranken selbst, seine lebende und todte
Umgebung, das Krankenzimmer und dessen gesammten Inhalt;
2) ausgiebige und häufige Erneuerung der Luft im Krankenzimmer;
3) schleunigste Entfernung und Unschädlichmachung aller Ansteckungsstoffe
und werthloser Gegenstände.
Ausführung der Desinfection.
§•5.
1) Zur Erhaltung der Reinlichkeit gehört tägliche Reinigung des Kranken,
häufiger — wenn möglich täglicher — Wechsel der Leib- und Bettwäsche,
sofortiger Wechsel besudelter Wäsche und tägliche Reinigung des Kranken¬
zimmers durch Aufwischan mit feuchten Tüchern, welche nach Gebrauch
sofort eine halbe Stunde in kochendem Wasser gebrüht werden.
2) Lüftung des belegten Krankenzimmers wird durch häufiges und längeres
Oeffnen der Fenster und des von innen heizbaren Ofens, bei niedriger
AusBentemperatur durch Oeffnen eines verhängten Fensters erzielt.
3) Zur Unschädlichmachung der Ansteckungsstoffe dienen:
a. strömender überhitzter Wasserdampf in den von der Stadt Berlin
eingerichteten Desinfectionsanstalten,
b. halbstündiges Kochen in Wasser,
c. eine fünfprocentige Carboisäurelösung, hergestellt durch sorgfältige
Mischung (Umrühren) von 1 Theil sogenannter lOOprocentiger
Carbolsäure (acidum carbolicum depuratum) mit 18 Theilen Wasser,
d. eine 2procentige Carboisäurelösung, hergesteilt aus 1 Theil der¬
selben Carbolsäure mit 45 Theilen Wasser,
e. Verbrennung werthloser Gegenstände.
§. 6 .
Falls der Kranke nicht in ein Krankenhaus gebracht wird, ist ein thunlichst
abgesonderter Raum als Krankenzimmer zu wählen und ausser Verkehr zu stellen.
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320
M. Pistor,
In einem Zimmer, in welchem eine an Cholera, Pocken, Fleck- oder Rück¬
falltyphus, Diphtherie, Scharlach oder Ruhr erkrankte Person untergebracht
ist, müssen in der Regel die zur Zeit befindlichen Möbel und Gebrauchgegen¬
stände jeglicher Art verbleiben.
Ist die Entfernung einzelner Stücke nicht zu umgehen, so sind dieselben
vor Gebrauch nach diesen Vorschriften zu desinficiren.
Alle vom Kranken während der Erkrankungszeit benutzten Leib- und
Bettwäschestücke, zum täglichen Aufwischen des Zimmers gebrauchte Tücher,
sowie alle sonst waschbaren Gegenstände weiche man nach der Aussergebrauch¬
stellung, ohne sie vorher zu schütteln oder auszustäuben, in 2procentiger
Carbolsäurelösung mindestens 24 Stunden ein, koche dieselben dann eine halbe
Stunde in Wasser und wasche sie in Kaliseifenlauge aus, welche aus 20 Gramm
Kali- (schwarzer oder grüner) Seife mit 10 Liter Wasser hergestellt wird.
§• 7.
Alle Absonderungen von Cholera-, Typhus-, Diphtherie-, Scharlach- und
Ruhrkranken fange man in Gefassen, welche zu einem Viertel mit öpro-
centiger Carbolsäurelösung gefüllt sind, auf und schütte sie in den Abtritt.
In Betracht kommen:
bei Cholera: Erbrochenes, Stuhlgang und Urin,
bei Diphtherie und Scharlach: Auswurf, Nasenschleim und Urin,
bei allen Typhusarten und epidemischer Ruhr: die Stuhl¬
gänge.
Abtritte (Closets) dürfen Kranke vorgedachter Art nicht benutzen. Ist dies
dennoch vor Feststellung der Krankheit oder später verbotswidrig geschehen,
so reinige man die Sitzbretter und die Abtrittstrichter sofort durch Abscheuern
mit Öprocentiger Carbolsäure und spüle letztere durch Eingiessen von reich¬
lichen Mengen (3 bis 4 Liter) derselben Lösung sorgfältig nach.
§• a
Speisen und Getränke dürfen im Krankenzimmer weder aufbewahrt, noch
von irgend Jemand, ausser dem Kranken, genossen werden.
§•9.
Benutzte Verbandsstücke werden sofort verbrannt, Instrumente in öpro¬
centiger Carbolsäurelösung gereinigt.
§• 10 .
Uebele Gerüche beseitige man lediglich durch Entfernung der Gerucbsquelle
(Entleerungen, Verbandsstücke etc.) und durch wiederholte ausgiebige Lüftung.
Räucherungen mit wohlriechenden Stoffen bewirken keine Desinfection, ver¬
decken nur den Geruch, beseitigen ihn aber nicht.
§. n.
Nach Ablauf der Krankheit bringe man benutzte, nicht waschbare Klei¬
dungsstücke, Betten, Kissen, Matratzen, Decken, seidene Stoffe, Teppiche, Pelz¬
werk, Polstermöbel ohne fournirtes äusseres Holzgestell vorsichtig, d. h. ohne
viel zu rühren beziehungsweise gar zu schütteln oder auszuklopfen, in ein mit
2procentiger Carbolsäurelösung angefeuchtetes Leinentuch eingebunden, in eine
der städtischen Desinfectiousanstalten mittelst deren Transportwagen.
Besudelte Ledersachen (Schuhwerk) sind mit öprocentiger Carbolsäure¬
lösung zu reinigen.
§. 12 .
Alle werthlosen Gegenstände (Bettstroh, unbrauchbar gewordene Kleider
und dergleichen) werden verbrannt, und zwar, soweit nach Umfang möglich,
im Heiz- oder Kochheerd, welcher zur Zeit mit Speisen nicht besetzt sein
darf; grössere Gegenstände aber, wie grosse Mengen Bettstroh, gefüllte und
leere Bettsäcke und dergleichen mehr, werden durch die Revierpolizei den
städtischen Desinfectionsanstalten zur Unschädlichmachung überwiesen.
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Anweisung zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten. 321
§. 13.
Polirte und geschnitzte Möbel, Bilder mit Rahmen, Metall- und Kunst-
gegenstände werden mit trockenen Lappen scharf, Tapeten wie gestrichene
Wände mit Brot trocken und scharf abgerieben , nachdem der Fussboden des
Zimmers vorher mit Öprocentiger Carboisäurelösung stark angefeuchtet ist.
Von den Wandflächen, welche mit Auswurfsetoffen des Kranken besudelt
sind, müssen Tapeten beziehungsweise Anstrich nach Anfeuchten mit 6pro-
centiger Carboisäurelösung durch Abkratzen in entsprechender Ausdehnung
entfernt werden.
Alle Fussboden ohne Unterschied, Thören, Fenster, sowie alle Holzbeklei¬
dungen ohne Politur sind nach Cholera, Pocken, Diphtherie, Fleck- und Rück¬
falltyphus mit Öprocentiger Carboisäurelösung sorgfältig abzuscheuern; letztere
lässt man in etwaige Dielenfugen einziehen und wäscht die gereinigten Flächen
mit reinem Wasser nach.
Das zum Abijeiben verwendete Brot beziehungsweise die Lappen werden
verbrannt, etwa noch brauchbare Tücher in 2procentiger Carbolsäurelösung auf
24 Stunden eingeweicht, dann in Wasser gekocht und in heisser Kaliseifen¬
lösung (vergleiche §.6 Schluss) gewaschen.
§. 14 .
Nachdem so jeder Gegenstand im ehemaligen Krankenzimmer, wie jeder
Theil des letzteren selbst, vorschriftsmässig und sorgfältig gereinigt ist, lüfte
man das Krankenzimmer nach Cholera, Pocken, Diphtherie, Fleck- und Rück¬
falltyphus 24 Stunden hindurch.
§. 15.
Die Benutzung von öffentlichen Fuhrwerken (Lohnwagen, Droschken,
Omnibus, Pferdebahnen, Eisenbahnen) und von öffentlichen Wasserfahrzeugen
zum Transport von Cholera-, Pocken-, Typhus-, Diphtherie-, Ruhr-, Scharlach-
und Masernkranken ist verboten. Derartige Kranke sind in besonderen Kranken¬
wagen zu transportiren.
Krankenwagen wie Wagen der Desinfectionsanstalten bestellt das zuständige
Polizeirevier auf Verlangen.
§. 16.
Genesene Kranke müssen, bevor sie mit Gesunden wieder verkehren, sich
in einem warmen Seifenbad und, falls dies nicht thunlich ist, durch Abwaschen
des ganzen Körpers mit warmem Seifenwasser sorgfältig reinigen, darauf reine
Wäsche und in der Krankheit nicht benutzte oder desinficirte Kleider anlegen.
§• 17 .
Leichen von an Cholera, Pocken, Diphtherie, Ruhr oder einer Typhusart
Verstorbenen sarge man nach Feststellung des Todes ungewaschen und in
ein in Öprocentige Carbolsäurelösung getauchtes Leichentuch gehüllt ein, und
führe sie thunlichst bald mittelst Leichenwagens aus der Wohnung in eine
Leichenhalle über.
§. 18.
Alle Personen, welche mit an Cholera, Pocken, Diphtherie, Scharlach, Fleck¬
oder Rückfalltyphus Erkrankten in Verkehr getreten sind, haben sich, bevor
sie wieder mit Gesunden in Berührung kommen, die Hände mit 2procentiger
Carbolsäurelösung, Pfleger und Pflegerinnen auch das Gesicht, Haupt- und Bart¬
haar sorgfältig zu reinigen.
Desinfectoren tragen während ihrer Thätigke\t einen lediglich für diesen
Zweck bestimmten Arbeitsanzug, reinigen sich nach der Arbeit wie die Pfleger
und haben, wie Letztere nach vollendeter Arbeit, Wäsche und Kleider zu wechseln.
§. 19.
Die Vorschriften der §§. 13 bis 18 kommen auch in denjenigen Fällen (§. 2 B.)
zur Anwendung, bei welchen Desinfection auf besondere amtliche Anordnung
stattfindet.
Viertcljshrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. 21
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M. Pistor,
§. 20 .
Ist bei Darmtyphus, Scharlach oder Ruhr amtlich eine Desinfection nicht
angeordnet, so findet dieselbe, wie bei Masern, Keuchhusten, Lungenschwind¬
sucht, in jedem einzelnen Falle nach ärztlichem Ermessen statt.
Berlin, den 7. Februar 1887.
Der Polizeipräsident.
(gez.) Freiherr v. Richthofen.
Bekanntmachung, betreffend die Ausführung der Desinfection durch
geprüfte Heildiener und sonst amtlich mit der Desinfection beauftragte
Personen.
1. Jeder geprüfte Heildiener, sowie jede amtlich als Desinfector bezeichnet©
Persönlichkeit ist verpflichtet, jede Desinfection, welche durch Erkrankungen
oder Sterbefälle an asiatischer Cholera, echten oder modificirten Pocken, Fleck¬
oder Rückfalltyphus und Diphtherie erforderlich gemacht wird, ohne Säumen
genau nach den Vorschriften der vorstehenden Anweisung zum Desinfectious-
verfahren bei Volkskrankheiten vom 7. Februar 1887 auszuführen.
Dieselben Vorschriften finden Anwendung, wenn in Folge von Erkran¬
kungen oder Todesfällen an Darmtyphus, bösartigem Scharlach oder bösartiger
Ruhr durch die Behörden eine Desinfection angeordnet wird.
2. Jede Desinfection ist schleunigst auszuführen.
3. Geprüfte Heildiener und amtlich als Desinfectören bezeichnet© Persön¬
lichkeiten müssen sechs, je 2 Kilogramm haltende starke Flaschen mit Carbol-
säurelösung gefüllt bereit halten; drei Flaschen sind mit 2procentiger, drei
Flaschen mit öprocentiger Carboisäurelösung (nach §. 5 c und d der Anweisung
bereitet) anzufüllen.
Die Flaschen müssen in Oelfarben- oder eingebrannter Schrift deutlich:
2procentige Carbolsäurelösung — beziehentlich — öprocentige Carbolsäurelösung.
bezeichnet sein. Vorsicht I
4. Der Desinfector erhält für die Desinfection eines einzelnen Kranken¬
raumes 3 Mark; für die Desinfection weiter folgender Räume sind je 2 Mark
zu entrichten. Die haaren Auslagen für verbrauchte Desinfectionsmittel sind zu
erstatten.
5. Gegen geprüfte Heildiener und amtlich bestellte Desinfectören, welche
ohne triftigen Grund die Uebernahme einer Desinfection ablehnen beziehungs¬
weise eine übernommene Desinfection säumig, nachlässig oder unvollständig
zur Ausführung bringen, wird nach Maassgabe der bestehenden Bestimmungen
eingeschritten werden.
6. Die Anleitung zum Desinfectionsverfahren vom 15. August 1883, sowie
die Anweisung zur Ausführung der Desinfection für geprüfte Heildiener etc.
vom 22. October 1883 sind in Zukunft nicht mehr maassgebend.
Berlin, den 8. Februar 1887.
Der Polizeipräsident.
(gez.) Freiherr v. Richthofen.
Bekanntmachung.
Am 1. November dieses Jahres wird die von der hiesigen Stadtgemeinde
errichtete
öffentliche D e s i n f e c t i o n s a n s t a 11 in der Reichenberger-
strasse Nr. 66 (S. ().)
eröffnet. In derselben können Kleidungsstücke, Wäsche, Betten, Matratzen,
Strohsäcke, Decken, Teppiche, Gardinen, Polstermöbel etc. der Desinfection
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Anweisung zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten. 323
unterzogen werden. Dieselbe erfolgt durch heisse Wasserdämpfe beziehungs¬
weise bei solchen Gegenständen, welche, wie z. B. Pelz- und Ledersachen,
durch eine Dampfdesinfection leiden, mittelst Chemikalien.
Die zu desinficirenden Gegenstände werden durch diesseits gestellte Arbeiter
und Gespanne aus den betreffenden Wohnungen abgeholt und nach statt¬
gehabter Desinfection wieder dorthin zurückgebracht, wobei eine Vermengung
von zu desinficirenden mit bereits desinficirten Gegenständen auf das Sorg¬
fältigste vermieden wird.
Anträge auf Abholung von zu desinficirenden Sachen sind unt£r allgemeiner
Bezeichnung derselben, als z. B. „Betten, Matratzen, Polstermöbel etc.“ an den
Verwalter der städtischen Desinfectionsanstalt Reichenbergerstrasse Nr. 66. hier
S. 0., zu richten.
An Gebühren für die Desinfection, einschliesslich des Transports der Sachen
von und nach den Wohnungen, sind bis auf Weiteres zu entrichten:
a) für die mittelst heissen Wasserdampfes desinficirten Gegenstände 4 Mark
für jedes Cubikmeter des Raumes, welchen die Sachen im Desinfections-
apparat einnehmen, in minimo jedoch 4 Mark. Die Berechnung erfolgt
nach Zehntel-Cubikmetern;
b) für die mittelst Chemikalien zu desinficirenden Sachen 80 Pfennige für
jede Stunde der auf die Desinfection verwendeten Arbeitszeit, einschliess¬
lich der verbrauchten Chemikalien, in minimo jedoch 80 Pfennige. Die
Berechnung erfolgt nach Viertelstunden.
Obgleich zahlreiche Versuche ergeben haben, dass eine Beschädigung der
Sachen durch die Desinfection nicht erfolgt, so kann doch eine Garantie hier¬
für unsererseits nicht übernommen werden.
Magistrat hiesiger königlicher Haupt- und Residenzstadt.
(gez.) v. Forckenbeck.
Das Verfahren zur Desinfection der Auswurfsstoffe bei ansteckenden
Krankheiten sowie dadurch inficirter Gebrauchsgegenstände und Räume etc.
hat in den letzten Jahrzehnten mannigfach geschwankt, weil man über die
thatsächliche Wirksamkeit aller zur Desinfection empfohlenen Mittel keine
sichere Kenntniss hatte; man tappte auf Grund von Empfehlungen, welche oft
sogar wenig Vertrauen verdienten, im Dunkeln, und versuchte immer Neues
mit unsicherem Erfolge. Ein sehr bedenklicher Irrthum lag in der An¬
nahme, dass die Anwendung von Desinfectionsmitteln die Hauptsache, alles
Uebrige, wie Lüftung, Reinlichkeit nach jeder Richtung, Nebensache sei;
wenn nur eine starke Chlorräucherung, eine reichliche Entwickelung von
schwefliger Säure, von Bromdämpfen, ja selbst Carbolspray etc. stattgefun¬
den hatte, die Answurfsstoffe mit Eisenvitriol, Carbolsäure, Carbolkalk etc.
beschüttet worden waren, gleichviel in welchem Verhältniss, dann waren
die ausführenden Organe, meistens auch die anordnenden Behörden, ja
sogar viele Aerzte, mit den getroffenen Maassregeln durchaus zufrieden.
Ob die angewandten Maassnahmen rationell waren und thatsächlich Erfolg
hatten, ob die Ausführung sachgemäss geschah, danach wurde nur von
Wenigen und nicht immer zu ihrem eigenen Vortheil gefragt. Es war den
Betheiligten keineswegs angenehm, wenn ein Vorwitziger, sobald die Rinder¬
pestflagge gehisst war, die Wirksamkeit der Chlorräucherungen in den
Grenzbuden bezweifelte, oder dieselben gar für überflüssig erklärte, weil
sie, wenn gründlich ausgeführt, von den Geräucherten nicht ertragen wer¬
den konnten und nicht selten sehr üble Zufälle veranlassten. Die Desinfec-
21*
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324
M. Pistor,
tion bei ansteckenden Volkskrankheiten wurde im Allgemeinen derartig
ausgeführt, dass ein Erfolg nicht zu erwarten war; ich will nur an das
Aufstellen eines kleinen Tellers mit vielleicht 250 bis 500 g Chlorkalk,
welcher mit Essig begossen wurde, an die Besprengungen des Fussbodens
mit verdünnter Carbolsäure etc. erinnern. In der schwefligen Säure glaubt«
man im achten Jahrzehnt ein wirksames Desinfectionsmittel gefunden zu
haben; sie vertheilte sich vorzüglich, namentlich besser als Chlorgas, im
Raume, hatte weniger Nachtheile; aber die unter R. Koch’s Leitung im
kaiserl. Gesundheitsamt angestellten Versuche ergaben, dass die schweflige
Säure die Mikroorganismen nicht abtödte.
Hier sind wir am Wendepunkte im Desinfectionsverfahren; R. Koch
hat auf Grund sehr zahlreicher und eingehender Versuche, deren Ergebnisse
im ersten Bande der Mittheilungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes
S. 234 ff. veröffentlicht sind, den Werth der einzelnen zur Desinfection
empfohlenen und angewandten Mittel klar gelegt und mit scharfer Kritik
das Brauchbare von dem Unbrauchbaren gesondert. Darauf näher einzu¬
gehen, ist hier nicht der Ort; eine Beleuchtung des Werthes der einzelnen
Desinfectionsmittel in dieser Vierteljahrsschrift von berufener Feder wird
hoffentlich noch stattflnden.
Bevor ich auf die neue Anweisung zum Desinfectionsverfahren selbst
eingehe, sind noch zwei vor wenigen Jahren vielfach empfohlene Desinfec¬
tionsmittel zu erwähnen, Bromdämpfe und Sublimatlösung, neuester Zeit
auch vorübergehend Sublimatdämpfe.
Bei der Empfehlung der Bromdämpfe hat man nicht an das hohe
specifische Gewicht dieses Gases (5*5) gedacht, in Folge dessen eine gehörige
Vertheilung im Raume in solcher Weise, dass das Gas namentlich auch in
die höhergelegenen Abschnitte des Zimmers sowie in die Fugen etc. gelangt,
unmöglich wird, oder nur mit besonderen Geräthen und bei grösster Sorgfalt
der Ausführung gelingt, deren Beachtung von Heildienern und gewöhn¬
lichen Desinfectoren kaum jemals zu erreichen sein wird. Man darf niemals
vergessen, dass die bestgelungenen Versuche im Laboratorium und deren
glänzendste Ergebnisse in keinerlei Weise die Ausführbarkeit und den
gleichen oder auch nur annähernd gleichen Erfolg im praktischen Leben
gewährleisten. Brom war nach dem Gesagten von der Verwendung zur
Desinfection im gewöhnlichen Leben ausgeschlossen.
Ueber Sublimat wird später Weiteres gesagt und dort auch das dem
Brom nahestehende Chlorgas beleuchtet werden.
Für den preussischen Staat ist noch heute die der Allerhöchsten
Cabinetsorder vom 8. August 1835, betreffend Maassregeln gegen die Ver¬
breitung ansteckender Krankheiten, beigegebene Anweisung zum Des¬
infectionsverfahren, welche nunmehr ihr ÖOjähriges Bestehen bereits über¬
lebt hat, im Allgemeinen maassgebend. Die von einzelnen Behörden
vorgenomraenen Aenderungen halten im Wesentlichen an den zur Zeit der
Veröffentlichung vorzüglichen Vorschriften fest und geben eigentlich nur
Erläuterungen zur Ausführung, oder vereinfachen die Vorschriften in geringer
Weise für die Desinfectoren, geprüften Heildiener etc.
In Berlin hatte man unter dem 19. Januar 1856 derartige sehr bündige all¬
gemeine Vorschriften als sehr kurzen Auszug der alten Desinfectionsan Weisung
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Anweisung zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten. 325
und unter dem 12. September 1871 eine besondere Anweisung zur Des-
infection bei Choleraerkrankungen veröffentlicht.
Im Laufe der Jahre, besonders aber nachdem durch R. K o c k ’ s Unter¬
suchungen für hier eine anderweite Auffassung der Desinfection Bahn ge¬
brochen war, gelangte man zu der Ueberzeugung, dass eine Umarbeitung der
bestehenden Desinfectionsvorschriften geboten sei, und begann dieselbe im
December 1881; imGanzen hielt man dabei an derDesinfectionsanWeisung
vom 8. August 1835, an den Grundzügen und der Eintheilung des Stoffes
der Desinfectionsanweisung fest, änderte aber, den neueren Erfahrungen
über die Wirksamkeit der Desinfectionsmittel Rechnung tragend, wesentlich
an dem Inhalte.
Es sei nur noch kurz bemerkt, dass der Sublimat in Lösung, das
Chlorgas, Carbolsäurelösung und Kaliseife als Desinfectionsmittel auf¬
genommen und auf die Verwendung gespannten überhitzten Wasserdampfes
nach Fertigstellung der erforderlichen städtischen Desinfectionsanstalten
hingewiesen wurde. Wen Einzelheiten interessiren, der findet Näheres
im dritten Generalberichte über das Medicinal- und Sanitätswesen der
Stadt Berlin im Jahre 1882. Unter dem 15. August 1883 wurde die
nach eingehenden Berathungen im Jahre 1882 und 1883 festgestellte An¬
leitung zum Desinfectionsverfahren Angesichts der von Aegypten her drohen¬
den Cholera veröffentlicht, obwohl noch keine öffentliche Anstalten zur An¬
wendung überhitzter Wasserdämpfe vorhanden waren und man von
betheiligter Seite sich sagte, dass weitere wissenschaftliche Untersuchungen
vielleicht in wenigen Jahren eine Umarbeitung der bezüglichen Vorschriften
erforderlich machen würden. Hatte man doch das Chlorgas als Desinfec¬
tionsmittel für Brom nur aufgenommen, um von zwei Uebeln das kleinere
zu wählen, da ja auch Chlor wegen des hohen specifischen Gewichtes im
Raume sehr schwer vertheilbar ist.
Im Laufe der folgenden Jahre stellte es sich je länger um so mehr
heraus, dass die Forderung der in Rede stehenden Anleitung zum Des¬
infectionsverfahren selbst in wohlhabenden Familien nur mit der grössten
Aufmerksamkeit und Energie ausführbar sein, dass aber unter gewöhnlichen
Lebensverhältnissen und gar in den Hütten der Armuth die Ausführung auf
die grössten Schwierigkeiten stossen und beziehungsweise unmöglich werde.
Dazu kamen die sich mehrenden Bedenken gegen Verwendung des
Sublimates zur Desinfection. Schon in der erwähnten ersten Arbeit „Ueber
Desinfection“ hatte Robert Koch darauf aufmerksam gemacht, dass
Sublimat mit Rücksicht darauf, dass derselbe mit Schwefelwasserstoff,
Ammoniak und Eiweiss unlösliche Verbindungen eingehe, nur mit Vorsicht
und in solcher Menge im gegebenen Falle verwendet werden könne, dass
eine zur Abtödtung der vorhandenen Mikroorganismen genügende Menge
in Lösung bleibe; der Sublimat eignet sich daher nicht für einen fortlaufen¬
den Desinfectionsbedarf, welcher häufige Wiederholung in der Anwendung
des Desinfectionsmittel8 erfordert. In den von Koch und Gaffky gemein¬
schaftlich in dem ersten Bande der Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesund¬
heitsamte veröffentlichten „Versuchen über die Desinfection des Kiel- oder
Bilgeraumes der Schiffe“ werden die vorerwähnten Bedenken wieder hervor¬
gehoben.
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326
M. Pistor,
Dass Sublimat die Tuberkelbacillen nicht unschädlich macht, hatten
Schill und Fischer im zweiten Bande der Mittheilungen des kaiserlichen
Gesundheitsamtes nachgewiesen.
Die unter dem 14. Juli 1884 für Preussen erlassene Anweisung zur
Vornahme der Desinfection bei Cholera empfahl neben der Verwendung des
überhitzten Wasserdampfes lediglich Carbolsäure als Desinfectionsmittel;
vom Sublimat ist keine Rede mehr.
Im Mai 1885 trat in Rom die internationale Conferenz zur Berathung
von Maassregeln gegen die Verbreitung der Cholera zusammen und verein¬
barte auch Grundzüge zu einem Desinfectionsverfahren, welche sich in
Nr. 30 der Deutschen medicinischen Wochenschrift vom 23. Juli 1885
abgedruckt finden. Als einzige chemische Desinfectionsmittel werden dort
verschiedene Verdünnungen von Carbolsäure und Chlorkalk in verschiedenen
Lösungen aufgeführt und unter Nr. 70 zur Benutzung bei allen epide¬
mischen Krankheiten empfohlen, welche besonders auf schlechte Lebens¬
bedingungen zurückzuführen sind.
In Anbetracht der beschränkten Wirksamkeit des Sublimates und
seiner eminent giftigen Eigenschaften, sowie mit Rücksicht darauf, dass
auch von anderen Seiten als den erwähnten die Wirksamkeit der Sublimat¬
lösungen aus den von Koch geltend gemachten Gründen immer mehr in
Zweifel gezogen wurde, musste es angemessen erscheinen, die Berliner An¬
leitung zum Desinfectionsverfahren vom 15. August 1883 um so mehr
einer erneuten Prüfung zu unterziehen, als die betreffenden Vorschriften
durch eine mit dem Magistrat Anfang des Jahres 1886 vereinbarte Polizei¬
verordnung bindend gemacht werden sollten.
Die gegen die Verwendung des Chlorgases von jeher geltend gemachten
Bedenken der ungleichmässigen Vertheilung im Raume bei einem specifi-
schen Gewichte von 2*4 und der grossen Belästigung der Athmungsorgane
waren bei energischer und sorgsamer Desinfection nach den Vorschriften
von 1883 nur noch vermehrt worden, insbesondere, wenn es sich um kleine
Wohnungen mit nur einem oder zwei Zimmern handelte. Dazu kommt
noch ein Uebelstand, auf welchen, meines Wissens, selten oder gar nicht
hingewiesen worden ist; nach ausgiebigen, lange dauernden Chlor-
desinfectionen verschwindet der Chlorgeruch ungeachtet nachhaltigen Lüftens,
ungeachtet Aufstellung von Gefässen mit Ammoniak lange Zeit hindurch
nicht; wenn auch die .Athmungsorgane nicht belustigt werden, so macht
der Geruch die Luft keineswegs angenehmer.
Für die im August 1886 im Polizei - Präsidium begonnene Revision
der bis dahin geltenden Desinfectionsanleitung waren folgende Gesichts¬
punkte leitend:
Die Desinfection sollte den heutigen Anschauungen der Wissenschaft,
und bezüglich der empfohlenen Desinfectionsmittel den gemachten Er¬
fahrungen möglichst gerecht werden; Sublimat und Chlor waren desshalb
zu streichen und als Desinfectionsmittel lediglich überhitzter Wasserdampf
und Carbolsäure zuzulassen.
Die Anweisung sollte erschöpfender, aber so kurz und gemeinverständ¬
lich wie möglich sein, damit sie auch von Menschen mit geringer Bildung
leicht gefasst und ausgeführt werden kann; alle Vorschriften derselben
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Anweisung zum Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten. 327
sollten auch unter ärmlichen Verhältnissen im Allgemeinen ausführbar sein;
theoretische Auseinandersetzungen thunlichst vermieden werden.
Eine wesentliche Abweichung von der 1835 er und demgemäss auch
von der 1883 er Anleitung macht sich zunächst darin geltend, dass nur die
ansteckenden Volks krankheiten in der neuen Anweisung Berücksichtigung
gefunden haben. Hierbei war die Erwägung maassgebend, dass die auf
den Menschen übertragbaren Thierkrankheiten überhaupt nicht zu den
Menschenseuchen zu zählen seien; dieselben bieten als Menschenkrankheiten
niemals ein allgemein-polizeiliches Interesse in dem Sinne und Grade, wie
Diphtherie, Cholera etc.
Für die Bekämpfung der übertragbaren Augenentzündung, welche
in Deutschland sich doch verhältnissmässig nur selten verbreitet hat,
bestehen besondere Desinfectionsvorschriften; Krätze und Syphilis lassen
sich in dem angegebenen Sinne auch nicht zu den Volkskrankheiten zählen
und bedürfen ganz anderer Verhütungsmaassregeln als jene; das Kindbett¬
fieber steht mit einem ganz bestimmten physiologischen Vorgänge beim
weiblichen Geschlecht allein im Zusammenhänge, kann daher auch nicht zu
den Volkskrankheiten gerechnet werden; dasselbe hat erst in den letzten
Jahrzehnten die Thätigkeit der Sanitätspolizei wachgerufen und wird am
zweckmässigsten für sich behandelt, da die Maassregeln zu seiner Verhütung
wesentlich von denjenigen gegen die Verbreitung von Volksseuchen ab¬
weichen.
Dagegen mussten Diphtherie und Lungenschwindsucht nach den heu¬
tigen Anschauungen berücksichtigt werden.
Bei der Eintheilung der Krankheiten in solche, welche unbedingt Des-
infection erheischen, und solche, bei welchen nur auf amtliche Anordnung
Desinfection stattfinden muss, wurde insbesondere darauf Rücksicht genom¬
men, dass nur diejenigen übertragbaren Krankheiten, welche der Allgemein¬
heit die grösste Gefahr bringen, ausnahmslos eine Desinfection nach sich
ziehen sollen. Es durfte nicht ausser Acht gelassen werden, dass eine zu
weit gehende derartige bindende Verordnung leicht dazu führen könnte, die
ganze Maassregel in Frage zu stellen. Der Rückfalltyphus ist in die erste
Gruppe mit aufgenommen worden, weil diese Krankheit nicht selten neben
Flecktyphus zugleich vorkommt, einmal eingeschleppt meist sehr fest haftet
und unter Umständen sehr grosse Verbreitung findet.
Als vornehmstes Desinfectionsmittel oder besser Mittel zur Verhütung
der Verbreitung ansteckender Krankheiten ist abweichend von früheren
derartigen Anweisungen peinlichste Reinlichkeit nach jeder Richtung in
den Vordergrund gestellt; ohne die Beobachtung dieser Hauptbedingung,
zu welcher auch häufige und ausreichende Lüftung gerechnet werden muss,
versagt die Anwendung der wirksamsten chemischen Desinfectionsmittel.
Als solche hat neben überhitztem Wasserdampf nur die Carbolsäure in
zwei- bis fünfprocentiger Lösung Aufnahme gefunden; die angegebenen
Verhältnisszahlen gründen sich darauf, dass die sogenannte lOOprocentige
Carbolsäure nicht vollwerthig ist und mussten dem gemäsB die Verhältniss¬
zahlen für Wasser geringer genommen werden; ob Gewichts- oder Maass-
theile zu Grunde gelegt werden, macht keinen wesentlichen Unterschied, da
das specifische Gewicht der Carbolsäure nur 1*06 beträgt.
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328 M. Pistor, Desinfectionsverfahren bei Volkskrankheiten.
Die Kaliseife hat nur als Reinigungsmittel wieder Aufnahme gefunden,
da ihre desinficirende Wirkung nach R. Koch’s Untersuchungen min¬
destens sehr fraglich geworden ist.
Uebrigens dürften die Bestimmungen dieser lediglich für Berlin er¬
lassenen Anweisung ohne weitere Bemerkungen klar sein.
Für Ortschaften, welche nicht im Besitze von Desinfectionseinrichtungen
für die Verwendung gespannter oder wenigstens strömender Wasserdämpfe
sind, werden selbstredend die bezüglichen Vorschriften wesentlich geändert
werden müssen. In dieser Beziehung würden Ziffer 6 und 7 der Desinfec-
tionsanweisung des preussischen Medicinal-Ministeriums vom 14. Juli 1884
zur Beachtung zu empfehlen seien und glaube ich besonders auf die unter
7 empfohlene dauernde Aussergebrauchstellung und die Durchlüftung
der inficirten Gegenstände an einem warmen, trockenen und vor Regen
geschützten Orte (unbewohnter Hausboden, Scheuer etc.) Gewicht legen
zu sollen. Inficirte Federbetten wie Matratzen schüttet man, falls zuver¬
lässige Desinfection mittelst Wasserdampf nicht möglich ist, nur zweck¬
mässig aus, lässt die Inlette, Bezüge in kochendem Wasser eine halbe Stunde
brühen und dann auswaschen, den Inhalt aber ausbreiten und tagelang
durchlüften.
Hoffentlich wird es gelingen, durch Vereinfachung des Desinfections-
verfahrens bei den Laien für die Desinfection mehr Verständniss zu wecken
und damit ihre Durchführung zu fördern.
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Wiener, Handbuch der Medicinalgesetzgebung.
329
Kritiken und Besprechungen.
Dr. Wiener, Sanitätsrath: Handbuch der Medicinalgesetz¬
gebung des Deutschen Reiches und seiner Einzel¬
staaten. Mit Commentar. II. Band, 2. und 3. Theil. (Schluss
des Werkes.) Stuttgart, Enke, 1886 —1887. 580 u. 688 S. 26 M.
Der erste Band, sowie der erste Theil des zweiten Bandes dieses Hand¬
buches der Medicinalgesetzgebung ist bereits in einem früheren Jahrgange
dieser Zeitschrift von uns angezeigt und besprochen worden.
Gegenwärtig liegt der zweite und dritte Theil des zweiten Bandes
dieses Werkes vor und enthält der zweite Theil die Medicinalgesetzgebung
der Königreiche Bayern und Sachsen, der dritte Theil die Medicinalgesetz¬
gebung des Königreichs Württemberg, des Grossherzogthums Hessen und
des Grossherzogthums Baden.
Bereits in unserer früheren Anzeige haben wir die Ansicht ausge¬
sprochen, dass das vorstehende Werk, sobald es vollendet sein wird, wohl
geeignet sein werde, dem unleugbar vorhandenen Bedürfnisse eines Hand¬
buches für die, welche sich rasch in der Medicinalgesetzgebung orientiren
wollen, zu genügen.
An dieser Ansicht halten wir auch jetzt noch fest. Was den zweiten
Theil des Handbuches betrifft, so macht der Verfasser im Vorworte darauf
aufmerksam, dass die Medicinalgesetzgebung Bayerns durch Kuby und
Martin, die Sachsens durch Reinhardt bereits Bearbeiter gefunden hat,
dass es ihm jedoch durch die von ihm inne gehaltene, streng systematische
Form der Behandlung bei Ausscheidung alles dessen, was im Laufe der
Jahre antiquirt geworden ist, gelungen sei, das vorliegende Werk handlicher,
übersichtlicher und auch instructiver zu machen, als jene viel weitläufigeren
Bearbeitungen sind.
Der Unterzeichnete, der als preusBischer Jurist die Medicinalgesetz¬
gebung von Bayern und Sachsen niemals zum Gegenstände seines Studiums
gemacht hat, kann nun allerdings nicht über die Vollständigkeit der im
vorliegenden Handbuche enthaltenen sächsischen und bayerischen Medicinal¬
gesetzgebung aburtheilen. Sicher ist jedoch, dass auch im vorliegenden
Theile die Anordnung der mitgetheilten Gesetze eine klare und übersicht¬
liche ist.
Was die materiellen Bestimmungen der bayerischen Gesetzgebung
betrifft, so scheinen uns namentlich die Bestimmungen über Aerztekammern
und ärztliche Bezirksvereine, S. 27 ff., mitgetheilt und enthalten in der
Königlichen Verordnung vom 10. August 1871, sowie die über Gesundheits¬
commissionen, im Ministerialerlass vom 15. Juni 1875 enthalten und S. 30 ff.
mitgetheilt, höchst beachtenswerth zu sein und dürften namentlich die Vor-
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330
Kritiken und Besprechungen.
Schriften über Aerztekammern und ärztliche Bezirksvereine die sorgfältige
Beachtung aller derer verdienen, die sich für die Fortbildung unserer
Deutschen Medicinalgesetzgebung interessiren.
Wir müssen es uns versagen, auf Einzelnheiten der mitgetheilten Ge¬
setze und Verordnungen einzugehen; nur auf einen Punkt möchten wir
aufmerksam machen, nämlich den, dass sowohl die württembergische als die
grossherzoglich hessische Gesetzgebung und Verwaltung sehr wohl überlegt
und — wie wir glauben möchten — gewiss auch wirksame Schutzmaass¬
regeln zum Besten der Kost- und Pflegekinder getroffen haben, welche
Schutzmaassregeln Seite 97 und Seite 304 u. ff. des dritten Theiles mit-
getheilt sind.
Im preussischen Staate hat man oft und gewiss nicht ohne Grund es
beklagt, dass die Pflegekinder nur in höchst ungenügender Weise den
Schutz des Staates gemessen, dass in vielen Städten das Gewerbe der
sogenannten Engelmacherinnen blüht, die derartige Kinder annehraen und
soviel am Kostgelde sparen, dass die Mehrheit dieser Kinder verhungert.
Es würde wohl zu erwägen sein, ob nicht diesen Klagen durch einfache
Annahme der im Grossherzogthum Hessen bestehenden, S. 304 des Schluss¬
bandes mitgetheilten Bestimmungen abgeholfen werden könnte.
Dr. jur. C. Silberschlag, Oberlandesgerichtsrath (Naumburg a. S.).
Dr. med. Gustav Custer: Oefftentliche und private Gesund¬
heitspflege in populären Vorträgen und Aufeätzen.
Zürich und Stuttgart, Verlag von Schröter u. Meyer, 1887. 319 S.
4 Mark.
Der Verfasser bringt 31 populäre Vorträge und Aufsätze, welche er
vor Allem gegen die Mängel und Erfordernisse des praktischen Lebens
gerichtet hat und in welchen er seine Anschauungen über Volksgesund¬
heitspflege im Allgemeinen ansspricht, insbesondere aber auf die sanitären
Verhältnisse der Schweiz eingeht.
Letztbezüglich handelt er in Nr. 4 „Ueber Zukunftsaufgaben der öffent¬
lichen Gesundheitspflege im Canton St. Gallen“, in Nr. 8 „Ueber die öffent¬
liche Gesundheitspflege in der Schweiz“, in Nr. 9 „Ueber Niederlagen der
öffentlichen Gesundheitspflege in der Schweiz“, in Nr. 25 „Zur Geschichte
der Gesundheitspflege in der Schweiz“, in Nr. 26 „Ueber Stand und Refor¬
men der Schulgesundheitspflege im Canton St. Gallen“, in Nr. 31 „Gesund¬
heitspflegerische Bemerkungen über die erste schweizerische Kochkunst¬
ausstellung in Zürich im October 1885“.
Wenn schon die Besprechung der sanitären Verhältnisse einzelner
Länder den Anschauungen über Gesundheitspflege zur Vertiefung und Er¬
weiterung dient, so ist die Darlegung der Entwickelungszustände in der
Schweiz von besonderem Interesse, weil hier die Eigenart der einzelnen
Cantone nicht selten mit dem Geiste des ganzen Landes contrastirt und
gerade solche einander conträren Punkte das grellste Licht auf einzelne
Zustände werfen. In solchem Contraste stehen die Schilderungen von den
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Custer, Gesundheitspflege in populären Vorträgen u. Aufsätzen. 331
neueren sanitären Verhältnissen im Canton St. Gallen mit dem Inhalt von
Nr. 9. Dort wird das kräftige Vorgehen einer sanitarischen Centralbehörde,
die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Thätigkeit örtlicher Specialcom¬
missionen und der gute Wille, sowie das verständnisvolle Mitwirken jedes
einsichtigen Bürgers und der Erfolg solcher Thätigkeit für den einzelnen
Canton gerühmt, — hier dagegen die Sünde, welche die Gesammtsumme
des Volkes gegen die Gesundheitspflege begangen, gekennzeichnet: Das
Gesetz über das Geheimmittelwesen ist im Jahre 1880 zurückgewiesen.
Das Gesetz über Einrichtungen und Maassnahmen zur Verhütung und Be¬
kämpfung gemeingefährlicher Epidemieen ist im Jahre 1882 verworfen.
Das Gesetz vom 23. December 1879, betreffend die Fabrikation und den
Verkauf der giftigen Zündhölzchen mit gelbem Phosphor, ist wieder auf¬
gehoben.
Es ist nicht zu verkennen, dass Verfasser für die sanitären Mängel
seines Vaterlandes ein helles Auge und eine schneidige Sprache hat.
Die Aufsätze sind mit Sachkenntniss und mildem Urtheil geschrieben,
lesen sich unterhaltend und leicht, bringen zweifelsohne manche interessante
Aufklärung über das sanitäre Leben der Schweiz und empfehlen sich zur
anregenden Lectüre für Jedermann.
Dr. Mittenzweig (Berlin).
Dr. J. Scheinmann in Coln: Was kann und soll ein Jeder
thun, um sich und seine Umgebung während einer
Epidemie vor der Erkrankung zu schützen? Hagen
i. W., Verlag von H. Risel & Co., 1886. 40 S. 0*50 M.
Wenn unter die wesentlichen Aufgaben in dem Kampfe gegen die Ver¬
breitung ansteckender Krankheiten es gehört, thunlichst im Publicum
Interesse und Verständniss wach zu rufen für Maassnahmen, durch welche
mehr oder weniger der Einzelne, wie die Familie einen entsprechenden
Schutz sich zu verschaffen vermag, und wenn ferner bei Belehrungen,
welche diesem Zwecke dienen sollen, es darauf ankommen wird, bei Ver¬
meidung von Erörterungen über Dinge, welche noch nicht vollständig durch
die Forschung sicher gestellt erscheinen, einer bündigen Kürze und all¬
gemein fasslichen Darstellung sich zu befleissigen und ferner frei zti halten
in geeigneter Weise dasjenige Gebiet, auf welchem gegebenen Falles den
Behörden die Anordnungen zu überlassen sind, sowie nicht weniger das¬
jenige, welches in den Familien das Ressort des behandelnden Arztes ist,
so verdient thatsächlich das vorliegende Schriftchen Verbreitung in den
weitesten Kreisen. Verfasser behandelt zunächst — hinsichtlich der Ent¬
stehung von Epidemieen — die Bedeutung der Mikroorganismen; über die
Wirkungsweise dieser letzteren auf den Körper, in welchem dieselben zum
Einnisten gelangen, hätte noclj vielleicht, um von vornherein recht lebendige
Anschauungen zu erwecken, es sich empfohlen, ein prägnantes Beispiel,
etwa dasjenige des Milzbrandbacillus, dem Leser vor Augen zu führen.
Als die Eingangspforten der Organismen stellt Verfasser neben einander:
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332
Kritiken und Besprechungen.
die äussere Oberfläche des Körpers, in so weit etwa an derselben verletzte
Stellen sich vorflnden, und die im Inneren gelegenen Oberflächen im Bereich
der Athmungs- und der Verdauungs-Wege. Ein Missverständniss im Ver¬
folg der Bemerkungen über die äussere Haut dürfte nicht ausgeschlossen
erscheinen an der Stelle, an welcher es heisst, Seite 9 und 10: „Sie können
ruhig und sorglos mit den Fingern, an denen keine Verletzung vorhanden
ist, den Auswurf eines an Diphtherie Erkrankten anfassen oder die Wäsche
eines Cholerakranken berühren ohne Gefahr einer Uebertragung in Ihren
Körper. Nur dürfen Sie nicht kurz darauf die Finger mit irgend einer
Nahrung in den Mund stecken, sondern müssen dieselben möglichst bald
sorgfältig reinigen. u Dass zu solcher Reinigung es der Anwendung des-
inflcirender, die Bacillen tödtender Flüssigkeiten bedürfe, verfehlt Verfasser
nicht, an anderen Stellen zu erwähnen; da jedoch die Schrift für Laien
berechnet ist, dürfte immerhin es nicht unnöthig gewesen sein, auch sogleich
an der angeführten Stelle vollständig die Art und Weise der Reinigung zu
erläutern. Verfasser fahrt fort, dass, wenn bereits es wichtig sei, den
Schutz der äusseren Haut uns zu erhalten, noch bei Weitem mehr Ver¬
anlassung vorliege, in einem gesunden widerstandsfähigen Zustande auch
die fraglichen Schleimhäute zu erhalten, Erkältungen zu vermeiden, im
Essen und Trinken die geeignete Diät zu beobachten, grundsätzlich in
Zeiten von Epidemieen mit Sorgfalt jede Schleimhauterkrankung zu be¬
handeln, sowie auf Reinlichkeit der Mund- und der Rachenhöhle durch Aus¬
spülungen oder Gurgeln — unter Umständen mit zusammenziehenden, des-
inficirenden Mitteln, z. B. wässeriger Boraxauflösung — Bedacht zu nehmen.
Auch Inhalationen solcher Flüssigkeiten sind unter Umständen — nach
dem Ermessen des behandelnden Arztes — am Platze. Wie weit in unserer
Umgebung Organismen der fraglichen Art thatsächlich verbreitet und wie
dieselben im Stande sind, an den verschiedensten Gegenständen zu haften,
wird an der Hand der List er’schen antiseptischen Methode den Lesern
veranschaulicht. Der gleichen scrupulösen Reinlichkeit, wie sie die Lister’-
sche Methode gegenüber den Wundinfections-Keimen als erforderlich heraus¬
gebildet hat, bedarf es auch gegenüber den die Epidemieen erzeugenden
Schädlichkeiten hinsichtlich einer Reinhaltung des Körpers, insbesondere
der Hände, der Finger, der Nägel, der Haare, ferner der Bekleidungs¬
gegenstände, der Wohnräume, der Möbel, der Küche, der Nahrungsmittel,
der Aborte. Es wäre noch — bei Besprechung der in Betracht gekommenen
Maassnahmen — nicht unwichtig gewesen, wenn erwähnt worden wäre, dass
ausschliessliche Verwendung gekochten Wassers erforderlichen Falles nicht
nur auf das zum Trinken bestimmte, sondern ebenso auf das Wasch-, Spül-
und sonstige Haushaltungswasser sich erstrecken soll und dass ferner es
sich empfiehlt, in geeigneter Weise das gekochte Wasser, die gekochte
Nahrung, das mit dem gekochten Wasser gespülte Geschirr zu bedecken,
beziehungsweise bedeckt zu halten, damit nicht neuerdings aus der Luft
die zu vermeidenden Keime auffallen. Verfasser erörtert noch Regeln für
den Fall einer bereits in der Familie ein getretenen Erkrankung. Mit
Rathschlägen allgemeinerer Art schliesst das Scbriftchen.
Dr. Quittei (Berlin).
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Koch, Milzbrand u. Rauschbrand. Freund, Animale Vaccination. 333
W. Koch: Milzbrand und Rausohbrand. Lieferung 9 der deut¬
schen Chirurgie von Billroth und Luecke. Stuttgart, Enke, 1886.
8. 154 S., 2 Tafeln und 8 Holzschnitte.
Diese monographische Bearbeitung von zwei wichtigen Infectionskrank-
heiten der Thiere, welche für die experimentelle Bearbeitung wichtiger Ab¬
schnitte der Hygiene in den letzten Jahren eine grosse Bedeutung er¬
langt haben, dürfte Vielen willkommen sein, welche sich über diese
wichtigen Fragen orientiren wollen. Verfasser war mit Glück bemüht, die
überreiche Literatur zu sichten und das Wichtigste in ausreichender Weise
darzulegen. Die Darstellung berücksichtigt die Morphologie und Biologie
der verursachenden Bakterien, bringt dann diese Ermittelungen in Verbin¬
dung mit den Erfahrungen über die anatomisch - klinischen und epidemio¬
logischen Forschungen und gewinnt auf diese Weise eine gute Grundlage
zur Besprechung der prophylactischen Maassnahmen und der Schutz¬
impfungen.
Bei der Aufzählung der empfänglicheren Thiere und der Verluste an
Thieren macht er darauf aufmerksam, dass in den statistischen Mittheilun¬
gen der Schweinemilzbrand wohl mit zu grossen Zahlen auftrete, dass die
Schweine für den Milzbrand viel weniger empfänglich sind als man es
früher annahm. Dieser für die nationalöconomische Seite der Frage wich¬
tige Punkt ist in der letzten Zeit noch wesentlich gestützt worden durch
den Nachweis, dass Wildseuche und Schweineseuche, welche Referent als
identische Krankheiten erweisen konnte, früher mit zum Milzbrände ge¬
rechnet wurden. In den Abschnitten über Differentialdiagnose nimmt Ver¬
fasser Rücksicht auf die neueren, meist der Bakteriologie verdankten Er¬
mittelungen, welche es erst gestatten Milzbrand, Rauschbrand, malignes
Oedem und, wie Referent noch hinzufügen muss, Wildseuche sicher als
differente Infectionskrankheiten zu erweisen.
Dr. Hueppe (Wiesbaden).
Dr. M. B. Freund: Die animale Vaccination in ihrer tech¬
nischen Entwickelung und die Antiseptik der Impfung.
Im Anschluss an eigene Anstaltsversuche. Breslau, Morgenstern,
1887. 120 S. 2 M.
Der Verfasser hat im Jahre 1878 ein eigenes Kälber-Impfinstitut in
Breslau angelegt und bringt seine Erfahrungen sowie seine Anschauungen
zur Kenntnis, damit vielleicht einige Anhaltspunkte bei der weiteren Ver¬
allgemeinerung des thierischen Impfstoffes aus denselben entnommen werden
können.
Die Anstalt hatte mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen, vor¬
zugsweise war es der bemerkenswerthe Umstand, dass in Breslau Schlacht¬
kälber nur im Alter bis zu zwei Wochen zu beschaffen und somit schwer
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Kritiken und Besprechungen.
in einem dem Impfzwecke entsprechenden Ernährungszustände zu erhalten
waren, und die Abneigung der Schlächter, Thiere zur Lymphe-Erzeugung zu
verleihen, welche den Verfasser schliesslich zwangen, seine Anstalt auf ein
Gut in der Nähe der Stadt zu verlegen.
Die Verwendung originärer Kuhlymphe schlug vielfach fehl, die Resul¬
tate der Kälberimpfung wurden erst besser, als Verfasser begann, Retro-
vaccine zu cultiviren; die stets erneuerte Retrovaccine ist nach ihm ein voll¬
ständig ausreichendes und gleichzeitig das bequemste Material für Menschen-
und Thierimpfung. Von den Lymph-Präparaten giebt er der Emulsion
den Vorzug. Gegen die Flächenculturen spricht er sich aus verschiedenen
Gründen aus, es geht aber aus seinen Angaben nicht hervor, dass ihm
eigene Erfahrungen über dieselben zu Gebote stehen. Er hat den Versuch
gemacht, die Impfungen statt auf dem Bauche des Thieres auf dem Rücken
desselben vorzunehmen, die Operation erscheint ihm so leichter, er erspart
Zeit und Assistenz. Die auf diese Weise erzielten Erfolge bezeichnet er
als durchaus befriedigend, da von zwölf so behandelten Thieren zehn nor¬
male Blatternbildung zeigten. Da er nur einzelne Blattern erzeugt und die
Flächenculturen verwirft, ausserdem 10 Proc. impfsterile Thiere rechnet,
so bringt nach ihm der Ertrag eines Kalbes Stoff für nur 450 Impfungen
(S. 60). Der längere Schlussabschnitt der Abhandlung beschäftigt sich mit
der AntiBeptik, die er beim Kalbe nur auf die allgemein üblichen Reinigungs¬
vorschriften beschränkt wissen will. In Betreff der Kinderimpfungen
weichen hingegen seine Anschauungen mehrfach von dem Gebräuchlichen
ab. Er spricht sich zunächst für eine Vaccination während der ersten
drei Lebensmonate aus. Den Revisionstermin will er statt auf den 7. auf
den 5. oder 6. Tag nach der Impfung verlegt wissen. Vor der Impfung
soll das Impffeld mit Sublimat-Aether oder -Alkohol (1: 5000), am Revisions-
tage mit Sublimat- oder Jodoform-Collodium (1 :1000) bepinselt werden, das
Gleiche soll nach der Abimpfung geschehen. In Bezug auf die Wirksam¬
keit dieser Maassnahmen sind vom Verfasser Versuchsreihen gemacht worden,
die aber nach seiner eigenen Angabe zu klein sind, um endgültige Auf¬
schlüsse zu gewähren.
Als Anlagen sind der Abhandlung noch beigegeben: ein im Jahre 1878
an das kaiserliche Gesundheitsamt gerichtetes Promemoria des Verfassers,
ferner eine Uebersicht von Erfahrungen einzelner Thierimpfanstalten be¬
treffend die Anzahl impfsteriler Thiere und steriler Einzelinsertionen,
endlich eine Uebersicht der Betriebskosten einiger deutscher Kälber-Iinpf-
institute. Dr. M. Schulz (Berlin).
Dr. Friedrich Presl, k. k. Bezirksarzt: Das Findelwesen ln
Oesterreich während der Jahre 1873 bis 1882. Statistische
Monatsschrift Heft 4, Jahrgang XII, 28 Seiten.
In diesem Decennium wurden in allen Findelanstalten Oesterreichs
1873 1874 1876 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882
40015 39010 38 207 41 020 43347 4563 48099 49580 50607 49 171
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Presl, Das Findelwesen in Oesterreich während 1873 bis 1882. 335
also durchschnittlich in einem Jahre 44 528 Kinder verpflegt und zwar in
den Landesfindelanstalten von Wien, Prag, Zara, Cattaro, Ragusa, Sebenico
und Spalato. Jede der Findelanstalten verfolgt als Hauptzweck, den unehe¬
lichen Kindern ohne Unterschied der Confession die elterliche Pflege zu
ersetzen, eheliche aber nur im dringendsten Notkfalle, nie aber bleibend,
aufzunehmen. Nebenzweck der Anstalten ist die Versorgung des Sanitäts¬
personals mit Schutzpockenimpfstoff und Sicherstellung ärztlich garantirter
Ammen für das Publicum. Auffallend hoch ist die Zahl der Findlinge in
Steyermark und Mähren und nicht minder beträchtlich in Tyrol. Die
Findelanstalten erhielten auch Pfleglinge aus den Gebäranstalten überwiesen
und betrug der Zuwachs der Kinder in Folge dessen im genannten Decennium
durchschnittlich 14 362 Kinder, die entweder ausser dem Hause oder in der
Anstalt selbst verpflegt wurden. Die Mortalität der ausser dem Hause ver¬
pflegten Kinder ist aber weitaus grösser, 14*02 Proc., während von den in
der Anstalt verpflegten 8*53 Proc. von der Gesammtzahl 16*62 Proc. Kinder
zu Grunde gingen. Ein Hauptgrund der grossen Mortalitätsziffer ist der
Ammenmangel, da eine Mutter ausser bei ihrem eigenen Kinde höchstens
noch bei einem zweiten Ammendienste verrichten darf; leider sind in fast
der Hälfte der Todesfälle Krankheiten der Verdauungsorgane die Ursache,
und nur die Ernährung des Säuglings mit Mutter- oder Ammenmilch bietet
genügenden Schutz gegen diese Erkrankungsform.
Bei der Verpflegung der Kinder ausser dem Hause bestehen folgende
drei Bestimmungen: Die Kinder sollen
1. der eigenen Mutter, jedoch mit Beschränkung auf ein Kind,
2. den von der Mutter bezeichneten Verwandten oder Freunden,
3. sonstigen von den Müttern bezeichneten Pflegeparteien übergeben
werden.
Es folgen Tabellen, in denen die Pflegeverhältnisse der activen An¬
stalten Oesterreichs und diejenigen der passiven Anstalten, sowie der in
äussere Pflege gegebenen Findlinge übersichtlich zur Darstellung gelangen.
Im Allgemeinen sind betreffs der Vertheilung der Pfleglinge
1. Standort der Findelanstalt,
2. Heimathszuständigkeit der Mutter
maassgebend. Die Verpflegungsdauer reicht bis zum vollendeten 6. Lebens¬
jahre, in Wien bis zum 10. Lebensjahre; den Pflegeparteien werden die
Kinder wieder entzogen, wenn
1. sich die Pflegeparteien zu der Ernährung mit der Ammenbrust ver¬
pflichtet haben und derselben ohne ärztliche Erlaubniss nicht nach-
kommen;
2. die Pflegepartei den ihnen an vertrauten Pfleglingen schlechte Er¬
nährung, schlechte Erziehung und Behandlung zu Theil werden lässt.
3. die Pflegebefohlenen bei anderen Parteien angetroffen werden etc.
(Wiener Statuten, in denen die ganze Hygiene des Kindes enthalten ist.)
Das Verpflegungsgeld betrug bis zum ersten Lebensjahre 6 fl., bis zum
zweiten 4 fl., vom zweiten bis sechsten Lebensjahre 3 fl. monatlich, während
die in der Anstalt selbst verpflegten Kinder pro Tag und Kopf auf 15*5 kr.
berechnet sind.
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Kritiken und Besprechungen.
Viele der Österreichischen, ungarischen und böhmischen Findelanstalten
sind schon aufgelöst oder stehen im Begriff es zu werden, um Waisen¬
häusern und Kinderasylen Platz zu machen, denen die Findlinge, wenn
sie dem Säuglingsalter entwachsen sind, überwiesen werden sollen, um in
denselben bis zum vollendeten 14. Lebensjahre zu verbleiben.
Dr. A. Baginsky (Berlin).
Dr. Friedrich Esmarch, Professor der Chirurgie in Kiel, Vorsitzender
des Deutschen Samaritervereins: Samariterbriefe. Kiel, Lipsius
u. Tischer, 1886. 46 S. mit 44 Abbildungen ira Text. (Zuerst ab¬
gedruckt in Schorer’s Familienblatt.) 1*20 M.
Gewiss ist es ein löbliches Unternehmen gewesen, die Nächstenhülfe
bei Unglücksfällen in Laienkreisen einzuführen. Wem das Verdienst hier¬
für zufällt, das wissen wir Alle; es ist aber auch ebenso bekannt, dass das
Unterrichten von Laien in den bei Verunglückungen nöthigen Verfahren,
sowie besonders die Ausstellung von Befähigungszeugnissen an solche, die
diesen Unterricht mit gutem Erfolge genossen haben, also die Neuschöpfung
der „geprüften Samariter“ in weiten ärztlichen Kreisen, nicht zum wenig¬
sten in der Reichshauptstadt grossem Widerspruch begegnet ist. Es giebt
auch jetzt noch, nachdem eine Reihe von Berichten Material in Fülle ge¬
bracht hat, das sehr deutlich den hohen Nutzen der von eingeübter Laien¬
hand geleisteten Hülfe bei schweren Unglücksfällen darthut, nicht wenige
Collegen, denen das Wort Samariter sehr unsympathisch erscheint. An einen
derartigen Collegen und „lieben alten Freund“ hat Verfasser seine Briefe
gerichtet. Er weist, wie er schon so oft hervorgehoben, darauf hin,.die
Laienhülfe solle ja nur in den dringlichsten Fällen, wenn der eigentliche
Helfer, der Arzt, nicht zur Stelle sei, geleistet werden, und der Verletzte
so rasch als möglich dem Arzte übergeben und selbstverständlich auch nur
von diesem behandelt werden. Ueberdies stelle er bei jeder Laienhülfe als
obersten Grundsatz auf: „nur nicht schaden.“ Von dem Heranbilden
eines Kurpfuscherthum es könne bei seinen Samariterschulen durchaus keine
Rede sein. In dreien dieser Briefe macht uns Verfasser bekannt mit seinen
sprechenden Erfolgen der Laienhülfe bei Ertrunkenen, Erstickten, bei Ver¬
blutungen nach schwerer Verwundung. Was wäre aus den betr. Individuen
geworden, wenn geübte Laienhand nicht zum Helfen bereit gewesen wäre?
Auf diese Frage kann der Leser nur die Antwort geben, sie wären ge¬
storben. Wir werden es dem Verf. gern glauben, wenn er abermals ver¬
sichert, dass nur die traurigen Fälle von unzweckmässiger oder gänzlich
mangelnder Hülfeleistung es gewesen sind, die ihn veranlassten, die Sama¬
riterschulen in Deutschland einzuführen. Wenn in England auf jedem
Schiff, jedem Anlegeplatz der Dampfer, jedem Badekarren in Placatform
kurze Vorschriften sich finden, wie bei Ertrunkenen man zu verfahren habe,
so erscheine es, meint Verfasser, bei uns gewiss unberechtigt, zu behaupten,
solche Ilülfsraittel dürften von Laien nicht angewandt werden. Einen grossen
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Teale, Lebensgefahr im eigenen Hause.
Triumph seiner Bestrebungen sieht Verfasser mit Recht in dem Erlasse des
pretLSsischen Kriegsministeriums, d. d. 19. Januar 1885, laut welchem nicht
nur den Vorgesetzten, sondern auch den Mannschaften des ganzen Heeres
Unterricht in der ersten Hülfcleistung bei Unglücksfällen ertheilt werden
solle, da bei einer beträchtlichen Zahl der im Verlaufe von Dienstverrich¬
tungen sich ereignenden Verletzungen auf eine sofortige Hülfe von Sanitäts¬
personal nicht zu rechnen sei.
Nachdem es dem Verfasser gelungen, seinen Freund und Collegen von
der Nützlichkeit, ja Nothwendigkeit der Samariterschulen zu überzeugen,
bringt er die uns längst bekannten, hier kurz und bündig wiederholten
Vorschriften über den Unterricht und die Hülfsmittel bei demselben. Wer
die Nächstenhülfe nicht völlig von der Hand weist, der möge die aufmerk¬
same Lectüre der flott geschriebenen und mit vortrefflichen Abbildungen
versehenen Abhandlung nicht versäumen.
Dr. Heinrich Schmidt (Frankfurt a. M.).
Pridgin Teale, M. A. zu Leeds: Lebensgefahr im eigenen
Hause. Ein illustrirter Führer zur Erkennung gesundheitsschäd¬
licher Mängel im Wohnhause. Nach der 4. Auflage des Originals
übersetzt von I. K. H. der Prinzessin Christian von Schles-
wig-Hol stein, Prinzessin von Grossbritannien und Irland. Für
deutsche Verhältnisse bearbeitet von H. Wansleben, Stadtingenieur
zu Kiel. Mit einer Vorrede von Professor Esmarch. Kiel, Lipsius
& Tischer, 1886. 8. XXIII — 145 S. mit 70 Tafeln. 8 M.
Das Buch belehrt auf 70 Tafeln nebst begleitendem Texte über die
Gefahren, welche aus der fehlerhaften Herstellung oder der Schadhaftwer-
dung wesentlich der Entwässerungsanlagen in Wohnhäusern für die
Gesundheit der Bewohner entstehen. Im Besonderen wird die grosse Wich¬
tigkeit der Wasserverschlüsse bei jeder Art von Ableitung (aus Closets,
Badewannen, Küchenspülsteinen) hinsichtlich der Abhaltung der Canalgase
von den Wohnräumen an zahlreichen Beispielen demonstrirt. Die Her¬
stellung des Wasserclosets betreffend, wird verlangt, das Abfallrohr über
das Dach hinaus zu verlängern, das Wasser im Siphon nie verdunsten zu
lassen, weil sonst der Schutz des Wasserverschlusses gegen aufsteigende
Gase auf hört, Communicationen zwischen Abfallrohren aus Closets einer¬
seits und Wohn-, Schlaf-, Wirthschaftsräumen andererseits zu vermeiden,
weil durch rückläufige Luftströmungen Gase aus den ersteren in die letzteren
gelangen können, ferner: CloBetabfallrohre nicht durch die Wand bewohnter
Räume zu führen; auch wird gegenüber dem älteren „schauderhaften“ Becken¬
closet (in Deutschland wohl überhaupt nie angewendet) das einfache Wasser-
closet empfohlen.
Das Rohrmaterial aller Leitungen muss durchweg fehlerfrei, die Muffen
gut gedichtet sein. Bleiröhren unterliegen der Zerstörung — rascher wenn
sie nicht ventilirt sind, langsamer, wenn sie es sind — durch die Einwir-
Vicrteljfthrsftchrift für Gesnndheitspflege, 1887. 22
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4
338 Kritiken und Besprechungen.
kung der Canalgase (?), auch durch Ratten, die das Blei zernagen und durch
Bildung von Hohlgängen im Boden unterhalb der Röhren Brüche derselben
herbeiführen. Bleiröhren dürfen weder mit Kitt noch mit Cement, sondern nur
durch Zinn gedichtet werden. Die Abzugsrohren müssen ein ausreichendes,
geradliniges, nicht etwa durch Steigungen unterbrochenes Gefalle erhalten,
der freie Abfluss in den Strassencanal darf auch sonst nirgends gehemmt sein.
Die Verbindung der verticalen mit den horizontalen Röhren darf nie durch
gerade, sondern muss durch gerundete Rohrstücke hergestellt sein, die Muffen
stets stromaufwärts, nicht umgekehrt gerichtet liegen. Nachtheilig sind
Schlammfange unterhalb der Häuser, desgleichen Regenwassercisternen und
Senkgruben, entweder vergessen und unbenutzt, oder beibehalten und zur
Aufnahme der Abwässer dienend, aber ohne Ueberlauf in einen Canal. Die
Verunreinigung von Brunnen und Cisternen durch undichte Canäle, über¬
füllte oder defecte Senkgruben, Mistjauche aus Höfen, die Durchfeuchtung
und Verpestung von Wohnhäusern aus denselben Ursachen und durch am
Hause aufgestapelte Düngerhaufen — alle diese Mängel werden durch höchst
instructive Zeichnungen illustrirt. Ferner wird der Ungehörigkeit der
Verwendung von Kehricht und Müll zur Mörtelbereitung, der Bebauung
von mit Schutt aufgefüllten Gründen, der Verstopfung von Strassencanälen
durch tiefgründige Baumwurzeln gedaeht, anch den beherzigenswerthe Vor¬
schlag gemacht, jeden Hausbesitzer zu verpflichten, dass er einen genauen
Plan der Canalisationsanlage seines Hauses besitze, um bei Untersuchungen
sich sofort über den Verlauf der Röhren orientiren zu können. Endlich
wird ein Verfahren behufs Zuführung staubfreier Luft, Methoden zur Abhal¬
tung des Staubes von Museumssammlungen und die Ventilation eines ge¬
schlossenen Wagens mittelst eines in seiner Decke angebrachten Fensters
dargestellt.
Verfasser führt in den einzelnen von ihm angezogenen Fällen auf die
Wirkung der Canalgase eine grosse Reihe von Krankheiten zurück: Gesichts¬
rose, Neuralgie, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Durchfall, Panaritium,
Rheumatismus, Diphtherie, Lungcnleiden, Typhus etc. und meint, dass
namentlich für die Verhütung des Kindbettfiebers, der accidenteilen Wund-
sowie überhaupt der zymotischen Krankheiten die untadelhafte Beschaffen¬
heit der Hansableitungen Bedingung sei. Wenn ihm auch im Ganzen
beigepflichtet werden kann, so geht er doch stellenweise sicherlich zu weit.
Denn wenn er z. B. von einem Kinde erzählt, dass es, nach der Impfung
bis zum neunten Tage gesund, dann fieberhaft erkrankt sei und sich am
Finger und Knöchel Geschwüre gebildet hätten, diese Erscheinung aber
dem Umstande zuschreibt, dass die Ablaufrohre eines Wasch- und Bade¬
zimmers neben der Kinderstube ohne Wasserverschluss in den Canal gingen,
so entspricht dies mindestens nicht der Skepsis, die die deutschen Aerzte
bei dem Suchen nach einem ätiologischen Zusammenhänge anzuwenden
pflegen. Wesshalb sollten die Canalgase das Kind erst nach der Impfung
an jenen Geschwüren krank gemacht haben?
Die sauberen lithographischen Abbildungen sind von einer geradezu
frappirenden Verständlichkeit, die kaum die elementarsten Kenntnisse in der
Cannlisntionsteclmik beim Leser voraussetzt. Freilich nimmt in dem Streben
nach Deutlichkeit die bildliche Darstellung sowie der erläuternde Text oft
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Teale, Lebensgefahr im eigenen Hause.
einen etwas naiven Charakter an (was auch die Vorrede Esmarch’s zu-
giebt, aber als eine Manier der englischen Lehrbücher erklärt), doch soll
dies dem Buche durchaus nicht als Vorwurf angerrechnet werden. Die
Zeichnungen sind meist nach concreten, theils vom Verfasser selbst beob¬
achteten, theils ihm von Dritten mitgetheilten Fällen der Praxis entworfen.
Die Strömung der Canalgase durch das Haus, wie sie sich bei undichten Lei¬
tungen gestaltet, ist überall durch farbige Pfeile kenntlich gemacht, doch
scheint hierbei zuweilen die Phantasie den Griffel allzu kühn geführt zu
haben. Das Nämliche dürfte von den (gleichfalls farbig markirten) Spuren
gelten, welche der wässerige Inhalt durchlässiger Canäle, Senkgruben etc.
im Erdreich und Grundwasser zurücklassen soll.
Ein Theil der Rathschläge mag ja allerdings mehr für englische als
für deutsche Verhältnisse berechnet sein, weil, wie Referent auch durch einen
mit den englischen Zuständen wohlbekannten deutschen Landsmann erfährt,
in England Canalisationsarbeiten aus unredlicher Gewinnsucht oft sehr
lüderlich ausgeführt werden. Dazu kommt, dass die Canalanlagen in Eng¬
land meist schon seit vielen Decennien bestehen, daher in der Construction
veraltet und unvollkommen, überdies durch den Zahn der Zeit schadhaft
geworden sind, während bei uns, selbst in den grossen Städten, Ent¬
wässerungsanlagen erst seit 1 bis 2 Jahrzehnten eingeführt und mit Be¬
nutzung aller technischen Verbesserungen, auf die man im Laufe der Zeit
gekommen ist, hergestellt sind. Speciell dürften Blei- oder schadhafte
Thonröhren kaum irgendwo zur Anwendung kommen, auch die Dichtung
wird wohl durchweg mit der gehörigen Sorgfalt ausgeführt, ebenso wie die
Nothwendigkeit der Wasser Verschlüsse für alle Ableitungen anerkannt ist.
Immerhin wird auch für uns das Buch vieles Beherzigenswerthe und Lehr¬
reiche enthalten, namentlich in technischer Beziehung ein vorzüglicher, für
den Arzt und Medicinalbeamten auf der Suche nach der Ursache eines
Krankheitsfalles oder einer Epidemie geradezu unentbehrlicher Wegweiser
sein, denn gerade durch seine zahlreichen instructiven Abbildungen füllt es
jene bedauerliche Lücke, die die meisten deutschen Handbücher (übrigens nicht
bloss die der Hygiene), indem sie auf das so wirksame Lehrmittel der bild¬
lichen Anschauung verzichten, nach dieser Richtung so wenig vortheilhaft
von den Erzeugnissen der englischen (und französischen) Literatur unter¬
scheidet. Ob trotzdem der Arzt bei der hygienisch - ätiologischen Unter¬
suchung eines Wohnhauses im gegebenen Falle der Mitwirkung des Architek¬
ten, bezw. Rohrlegers, immer wird entrathen können, scheint zweifelhaft,
denn es ist ein anderes, in der Theorie die Erfordernisse einer guten Ent¬
wässerungsanlage zu kennen, und in praxi sich in dem Labyrinth einer
solchen, mit allen sonst in Betracht kommenden Beziehungen, zurechtzu¬
finden.
Die Uebersetzung des Buches ist vortrefflich, die Ausstattung äusserst>
opulent. Die Abbildungen sind englischen Ursprungs und dem Original
entlehnt.
Dr. Lustig (Liegnitz).
22 *
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340
Kritiken und Besprechungen.
Dr. Anton Heidenhain: Die Anwendung der Paragraphen 10
bis 14 des Nahrungsmittelgesetzes (Fleisohverkehr)
im praktischen Leben. Berlin, Hirschwald, 1887. 38 S. 0*80 M.
Dem Verfasser haben als Ausgangspunkt für seine Arbeit die mannig¬
fachen Zweifel vor Augen gestanden, welche bei der Anwendung der den
Fleischverkehr regelnden Strafparagraphen des Gesetzes vom 14. Mai 1879
sich in objectiver Richtung für die Feststellung des Thatbestandes geltend
machen. An der Hand zutreffender Definitionen theilt er die vom Reichs¬
gericht ausgesprochenen Entscheidungen gruppenweise ein und gelangt zu
klaren praktischen Fingerzeigen für die Richter und Sachverständigen ge¬
genüber den Begriffen des Gesetzes, wenn dasselbe nachgemachte und ver¬
fälschte von verdorbenen und gesundheitsgefährlichen Nahrungs- und Ge¬
nussmitteln unterscheidet. Auch der Begriff „ekelerregend“ mit seinen
Beziehungen zur Strafbarkeit ist ausführlich erörtert.
Den Schluss der Arbeit bildet ein Abschnitt mit Betrachtungen über
die sanitätspolizeilichen Gesichtspunkte, welche sich für den Sachverstän¬
digen aus den einzelnen Thierkrankheiten herleiten lassen.
Dr. Wern ich (Cöslin).
Dr. med. Gustav Custer: Fort mit dem Gifte der Phosphor-
Zündhölzchen! Zürich und Stuttgart, Druck und Verlag von
Schröter & Meyer, 1887.
Custer, der unermüdliche schweizerische Kämpfer für die Gesundheits¬
pflege namentlich seines engeren Vaterlandes, benutzt die Gelegenheit,
welche der Auftrag des Nationalrathes an den Bundesrath bietet, um noch
einmal energisch und mit Geschick für die vollständige Beseitigung der
gewöhnlichen Phosphorzündholz-Industrie und Verbreitung der giftigen
Phosphorzündhölzchen in der Schweiz ins Treffen zu gehen, namentlich
gestützt auf die Berichte der eidgenössischen Fabrikinspectoren vom
17. Mai 1879.
Die Maassregeln vom Jahre 1882 erscheinen theoretisch genügend,
bewähren sich aber in der Praxis nicht.
Von hohem Interesse ist der Abschnitt: „Die Phosphorzündholz-Industrie
in der Schweiz.“ Möge sein Werk Frucht tragen und von Erfolg gekrönt
werden! M. (Berlin).
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Hygienische Section auf der 59. Versammlung etc.
341
Zur Tagesgeschichte.
Die hygienische Section
auf der B9. Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte zu Berlin.
18. bis 24. September 1886.
Von Dr. A. Kalischer (Berlin).
Die wichtigen Errungenschaften der Hygiene in den letzten Jahren
hat die Zahl derer, welche diesem Gebiete eine rege Beachtung zuwenden,
rasch vermehrt, und wenn die hygienische Section der früheren Natur¬
forscherversammlungen in der Regel nur einen kleinen Kreis von Fach¬
männern, die Pioniere dieser Wissenschaft, versammelte, sahen wir sie in
Berlin, ihrer Bedeutung entsprechend, eine so grosse Anziehung ausüben,
dass sie an Mitgliederzahl unter den 30 Sectionen nur von dreien über¬
troffen wurde, von denen für innere Medicin, Chirurgie und Chemie.
Die erste Sitzung fand am 18. September Nachmittags 3 Uhr statt
und wurde vom Generalarzt Dr. Mehlhausen eröffnet, als dem
Vorsitzenden eines Comit^s, welches von der Deutschen Gesellschaft für
öffentliche Gesundheitspflege zur Vorbereitung der Verhandlungen der Section
auf Antrag des Ministerialraths Dr. Wasserfuhr und des Regierungsraths
Dr. Wolffhügel gewählt war und welchem ausser den genannten Herren
noch Prof. R. Koch, Stadtrath Marggraff, Dr. A. Kalischer und
Docent K. Hartmann angehörten. In der begrüssenden Ansprache
erinnerte Herr Mehlhausen insbesondere daran, welchen Werth Berlin
als Versammlungsort der Naturforscherversammlung, namentlich für die
Hygieniker habe. Der raschen und grossartigen Entwickelung der Haupt¬
stadt seien die sanitären Einrichtungen in gleichem Schritte gefolgt und
vieles hier Geschaffene sei mustergültig für andere Communen geworden.
Die Besichtigung dieser städtischen und staatlichen Einrichtungen, welche
das Entgegenkommen der Behörden ermögliche, werde für die Mitglieder
der Section von hervorragender Bedeutung sein.
Wegen vorgerückter Zeit wird ein Vortrag nicht mehr gehalten. Für
die Dauer der Verhandlungen werden Dr. A. Kalischer und Docent
K. Hartmann, welche als Schriftführer des vorbereitenden Comites fungirt
hatten, in gleicher Eigenschaft bestätigt.
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342
Hygienische Section auf der 59. Versammlung
Der II. Sitzung, Montag den 20. September, präsidirte Geheime
Medicinalrath Dr. Günther (Dresden).
Der Geheime Medicinalrath Dr. Schwartz (Cöln) leitete die Verhand¬
lungen mit dem Vortrage ein:
Ueber die hygienischen Aufgaben des Krankenhausarztes.
Die allgemeinen Krankenhäuser sind als die wichtigsten hygienischen
Einrichtungen unserer Zeit anzusehen, denn zweckmässig organisirt, tragen
sie zur Verhütung der Ausbreitung epidemischer Krankheiten bei, ausserdem
kommen sie der wachsenden Zahl derer zu statten, welche bei Erkrankungen
die Hospitalpflege aufsuchen müssen, Erspriessliches kann das Krankenhaus
aber nur durch das harmonische Zusammenwirken besonders qualiflcirter
Personen leisten. Den Aerzten, welche nun in der Hygiene unterrichtet
und geprüft werden, ist ganz besonders in allen öffentlichen Krankenhäusern
eine angemessene Stellung zu geben, in welcher ihnen die Möglichkeit
geboten wird, die hygienischen Aufgaben zu erfüllen. Die Publicationen
des Prof. Simpson, Prof. v. Volk man und eine an das deutsche Reichs¬
kanzleramt unter dem 5. August 1873 gerichtete Vorstellung des psychia¬
trischen Vereines der Rheinprovinz hatten eine entsprechende Abänderung
der für die Errichtung von Privatkrankenhäusern gültigen Bestimmungen
herbeigeführt. Doch besteht die fehlende technisch-ärztliche Leitung noch
bei vielen öffentlichen, nicht unter die Gewerbeordnung fallenden
Krankenhäusern und auch für diese kann für die Dauer kaum ein die
unbedingt nothwendigen gesundheitspolizeilichen Einrichtungen verschreiben¬
des Gesebz entbehrt werden. Die hygienisch technische Leitung der
Krankenanstalt durch einen approbirten Arzt ist durchaus vereinbar mit
der selbstständigen Wirksamkeit anderer behandelnder Aerzte, sowie der
für den Betrieb nothwendigen Berufsstände (Verwaltungsbeamte, Bau¬
techniker, Geistliche etc.). Zum Ressort des mit der hygienischen Leitung
des Krankenhauses beauftragten Arztes gehört aber unbedingt:
1. Aufnahme und Entlassung der Kranken nach den bestehenden Vor¬
schriften.
2. Ferner Verfügung über sämratliche der Krankenbehandlung dienende
Räume, behufs jederzeitiger geeigneter Placirung der Kranken.
3. Führung der Krankenjournale und Erstattung der Krankenberichte.
4. Beaufsichtigung der Hausordnung und des gesammten Dienst- und
Pflegepersonals.
5. Beaufsichtigung aller der Krankenheilung und Gesundheitspflege
dienenden Einrichtungen, namentlich der Dispensiranstalt, des
Instrumentariums, der Küche, der Vorrathsräume, der Trinkwasser-,
Wasch-, Bade- und Desinfectionsapparate, der Ventilations-, Heiz-,
Beleuchtungs-, Entwässerungs-, Hof-, Garten- und Latrinenanlagen.
6. Stimmberechtigte Vertretung aller auf die Krankenbehandlung
bezüglichen Angelegenheiten.
Entbehrt das Krankenhaus einen Arzt, dem die Wahrung der hygie¬
nischen Interessen zusteht, so werden dieselben von anderen Berufsständen
wahrzunehmen sein, die sich unausbleiblich mehr von sonstigen Rücksichten,
finanziellen, politischen oder confessionellen leiten lassen.
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deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin. 343
Die Zahl der hygienisch - technisch ausgebildeten Aerzte ist jetzt so
gross, dass keine öffentliche Krankenanstalt ohne ärztliche Leitung zu sein
braucht.
Der Vortragende spricht zuletzt die Hoffnung aus, dass durch die
Reichsgesetzgebung bald eine Abhülfe für die beklagten Uebelstände ein-
treten wird.
Prof. Herrn. Cohn (Breslau) sprach dann:
Ueber die für Arbeitsplätze nothwendige Helligkeit.
Es kam ihm darauf an, festzustellen, bei welcher Lichtmenge man
leicht und ohne Anstrengung lesen könne, nicht bei wie schwacher Be¬
leuchtung das Lesen noch allenfalls möglich sei. Er benutzte zu diesem
Zwecke eine (von der Priebatsch’sehen Buchhandlung verlegte) Tafel, auf
welcher sich 36 Haken mit Oeffnungen nach rechts, links, oben und unten
befinden und untersuchte bei vielen Aerzten und Studirenden, wie rasch
sie diese Haken bei verschiedenen Graden der Beleuchtung lesen konnten.
Mit dem Weber’schen (von Schmidt & Hänsch bezogenen) Photometer
wurde die Helligkeit der Tafel nach Meterkerzen bestimmt. Eine Meterkerze
(l Mk.) ist nach Weber die Helligkeit einer in 1 Meter Entfernung von
einer Normalkerze (6 auf 1 Pfund) aufgestellten Tafel. Das Resultat der
Untersuchung war, dass 50 Mk. dem guten Tageslicht entsprachen, während
bei 10 Mk. das Lesen in der doppelten Zeit mit nur wenigen Fehlern
gelang, und bei geringerer Beleuchtung viel mehr Fehler gemacht wurden.
Demnach hält der Vortragende 50 Mk. für Arbeitsplätze wünschens-
werth, als Minimum seien 10 Mk. zu beanspruchen. Da eine innige Beziehung
zwischen der Tagesbeleuchtung eines Platzes und dem mit einem anderen
von Weber sinnreich construirten Apparate nach Quadratgraden zu
messenden Raumwinkel besteht, stellte der Vortragende nun Hunderte von
Prüfungen an, welche ergaben, dass auf Plätzen, die weniger als 50 Quadrat¬
grade Raumwinkel haben, an trüben Tagen weniger als 10 Mk. Helligkeit
zu erwarten sind. Mit diesem Instrumente kann man demnach in Haus,
Schule und Werkstatt bestimmen, welche Plätze noch 50 Quadratgrade geben
und desshalb für die Arbeit zuzulassen sind.
Die mit künstlichem Lichte angestellten Messungen zeigten, dass
bei den gebräuchlichen Gas-, Petroleum- und Glühlampen selbst mit den
besten Glocken das Papier nur in l /? m Entfernung noch 10 Mk. Helligkeit
hat, worauf bei der Arbeit Rücksicht zu nehmen ist. Das neue Auer’sehe
Licht, welches demonstrirt wird, erreicht bei den jetzigen Bunsen-Brennern
nicht die Helligkeit der modernen A rgan d-Brenner, verbraucht aber auch
viel weniger Gas. Mit dem elektrischen Lichte hat es die Kohle gemein,
jedoch den Vorzug, dass es nicht zuckt.
III. Sitzung, Dienstag den 21. September,
Prof. Soyka (Prag).
Dr. Plagge (Berlin) sprach über:
unter Vorsitz des
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344 Hygienische Section auf der 59. Versammlung
Wasserflltration.
An ein gutes Filter ist die hygienische Forderung zu stellen, dass es
die Mikroorganismen zurückhält und keimfreies Wasser liefert. Auf diese
Forderung hin wurden eine Reihe von Filterapparaten, meist in Gegenwart
der Constructeure, einer Prüfung im hygienischen Institute unterzogen, wobei
es sich herausstellte, dass ihr die Mehrzahl der gebräuchlichen Hausfilter,
insbesondere solche aus Eisenschwamm, Kohle, Stein, Kies, Cellulose, nicht
entsprachen. Die Filtrationsversuche von Typhus- und Cholerareinculturen
iielen ebenso ungünstig aus.
1. Das Eisenschwammfilter des Dr. Bischoff machte das 38 000
Bacteriencolonieen im Cubikcentimeter enthaltende Spreewasser
völlig klar und frei von festen Niederschlägen, das Filtrat enthielt
jedoch 18 000 bis 24 000 Colouieen in einem Cubikcentimeter.
2. Kohlenfilter, welche, in grossen Städten viel verbreitet, aus poröser
plastischer Kohle bestehen und gelbliches Leitungswasser farblos
filtriren, befreien dasselbe nicht von Mikroorganismen. Das Kohlen¬
filter einer Stockholmer Firma, bei welchem an dem grösseren
Filter noch ein kleineres „Extraantibacterienfilter“ angebracht war,
ergab, als es, von vorangegangener Demonstration noch feucht, mit
Leitungswasser beschickt wurde, welches 68 Keime in 1 ccm ent¬
hielt, im Filtrate 12 000 Keime und nach Entfernung des kleineren
Filters 1000 Keime; in dem letzteren war es demnach zu einer
besonders lebhaften Entwickelung von Mikroorganismen gekommen.
Die Sterilisirung des Apparates mit fünfprocentiger Carbolsäure machte
ihn nur für einen Tag wirksam, am dritten Tage waren im Filtrate
bereits 4000 Keime, gegen 115 im Controlwasser.
Das mit fünfprocentiger Carbolsäurelösung sterilisirte Kohlen¬
filter einer Berliner Fabrik zeigte bei Versuchen mit Wasser, welchem
Typhus- und Cholerareinculturen (auf 1 ccm 48 000 resp. 60 000
Colonieen) beigemengt waren, dass die Bacterien durch das Filter
gingen; nach einer Stunde bereits 12 000 resp. 9000, sehr bald eine
weit grössere Anzahl am Schlüsse des Versuches, 30 000 Colonieen.
3. Kies- und Sandfilter waren nicht im Stande, die Mikroorganismen
des Spreewassers zurückzuhalten.
4. Papierfilter. Die sogenannten Piefke’schen von der Firma Enziger
in Worms sinnreich construirten Papierfilter erwiesen sich als un¬
geeignet, Wasser von Mikroorganismen, insbesondere von Cholera¬
keimen, zu befreien. Bei Versuchen mit Spreewasser befanden sich
im Controlwasser 40 000 Colonieen in 1 ccm, im Filtrate bei hohem
Drucke 8000, bei geringem Drucke 4000 Colonieen. Arnold &
Schirmer haben reine Cellulose in Scheiben zum Filter verwandt.
Dasselbe ergab wie das frühere quantitativ gute Leistungen, qualitativ
befriedigte es aber eben so wenig.
5. Thonfilter. Die Chamberland’sehen von Pasteur angegebenen
kerzenförmigen Thonzellen, in denen das Wasser von aussen nach
innen dringt, filtrirten sehr langsam; sie lieferten in den ersten
Tagen fast keimfreies Wasser, für die Dauer war jedoch dasselbe
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deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin.
345
Resultat nicht zu erzielen. Die abweichenden Angaben Frankland’s
finden ihre Erklärung darin, dass die Keime sich mit der Zeit ver¬
mehren aber auch vermindern können.
Das Filter des Dr. Hesse ist dem von Chamberland qualitativ
gleich zu setzen, quantitativ leistet es weniger. Bei dem Olschewsky’-
schen Filter, das anfangs auch keimfreies Wasser lieferte, wachsen
die Keime noch rascher hindurch als bei den anderen Thonfiltern.
6. Asbestfilter. Die von Arnold&Schirmer nach Angabe des Dr. Hesse
gelieferten Filter, ebenso Breyer’s Mikromembranfilter hielten wohl
einige Zeit, aber nicht dauernd die Keime zurück. Das letztere
zeigte auch bei geringem Drucke grosse Leistungsfähigkeit. Beide
zeichnen sich durch billiges, häufiges Auswechseln erlaubendes
Filtermaterial aus.
Filter aus comprimirtem Asbest und besonders dichte Thonzellen, wie
sie nach Dr. Hesse dauernd keimfrei filtriren sollen, sind bisher nicht zu
erlangen gewesen.
Bei diesen zum Theil negativen Resultaten hält es der Vortragende
für erfreulich, dass wir ein Verfahren besitzen, welches uns ermöglicht,
unbrauchbare oder gar schädliche Constructionen auszuschliessen. Er spricht
den Wunsch aus, dass es der Technik gelingen möge, eine befriedigende
Lösung der Aufgabe zu erzielen.
ln der Discussion bestätigte Dr. Hueppe (Wiesbaden), dass es ihm
mit den bisherigen Filtern nicht gelungen ist, dauernd keimfreies Wasser zu
gewinnen. In demselben Sinne sprach sich auch Regierungsrath Dr. Wolff-
hügel aus; er machte darauf aufmerksam, dass W. Kühne bereits vor
20 Jahren auf die Gefahr einer Vermehrung der Mikroorganismen bei
Kohlenfiltern hingewiesen habe.
Es folgte der Vortrag des Prof. Soyka (Prag):
Ueber die Grundwassersohwankungen von Berlin und
München nach ihren klimatischen und epidemiologi¬
schen Beziehungen.
Müssen wir an nehmen, dass alles Wasser im Boden von den Nieder¬
schlägen herrührt, so sollte sich ein Zusammenhang zwischen dem Grund¬
wasserstande und den Niederschlägen nachweisen lassen. Die directe
Beobachtung bestätigt dies jedoch z. B. für Berlin und Bremen nicht; ja in
Berlin fallt das Minimum des Niederschlages mit dem Maximum des Grund¬
wasserstandes zusammen. Aus der Analyse. einer Periode von 16 Jahren
für Berlin und von 28 Jahren für München konnten jedoch gewisse gesetz-
mässige Beziehungen ermittelt werden.
In München fallen Juni bis August die Maxima der Niederschläge und
des Grundwasserstandes zusammen. Beobachten wir nun das Minimum
des Grundwassers im November und von da ab eine Ansteigung, das
Minimum der Niederschläge aber erst im Februar, so lässt sich nach dem
Vortragenden dies durch die vom November ab bis Februar relativ mit
Rücksicht auf die geringere Verdunstung noch reichlichen Niederschläge
erklären. In Berlin trifft im April das Minimum der Niederschläge mit
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346
Hygienische Section auf der 59. Versammlung
dem Maximum des Grundwasserstandes zusammen und sinkt das Grundwasser
im Juli, wo der meiste Regen fällt. Hier vermisse man jedoch ein rythmisches
Auftreten der Niederschläge, eine deutliche Regenperiode, wie sie in München
zu erkennen ist, und sei auch die Schwankung in der Niederschlagsmenge
(34*1 mm) viel geringer, als in München (83*3 mm). Berlin zeichnet sich
durch grosse Trockenheit der Luft aus; das Sättigungsdeficit ist um 75Proc.
höher. Die Schwankungen sind 1 1 /. i mal so gross als in München. Zwischen
dem Sättigungsdeficit Berlins nun und dem Grundwasserstande lasse sich eine
Uebereinstimmung erkennen und zwar in der Weise, dass dem niedrigsten
Stande des Grund wassere die geringste Sättigung der Luft vorangehe; dieses
käme daher, weil erst allmälig die in Folge des grösseren Sättigungsdeficits
erfolgende reichlichere Verdunstung den Grund wasserstand herabdrücke.
Die Verhältnisse, wie sie in Berlin und München lägen, könnten als
typisch für Deutschland betrachtet werden, so zeige Salzburg das Verhalten
von München, Bremen das von Berlin.
Die Beziehung zwischen Grundwasserstand und Typhusfrequenz
sei in Berlin und München dieselbe. Sie stehen im umgekehrten Verhältnisse
zu einander, so dass dem Maximum des Grundwasserstandes die geringste
Typhusfrequenz entspreche und dem niedrigsten Stande des Grundwassers
das Maximum der Typhusfälle.
So fallen in Berlin die meisten Typhusfälle auf die Monate August,
September, October; in München der Grundwassercurve etwas nachfolgend
auf December, Januar und Februar.
Ausserdem ermittelte der Vortragende, dass Berlin mit einer 2*2mal so
grossen Schwankung des Griindwasserstandes wie München eine entsprechend
grössere Schwankung in der Zahl der Typhusfälle aufweise, und dass Bremen,
dessen Schwankungen des Grundwasserstandes noch grösser als die Berlins
seien, auch die Schwankungen Berlins in der Typhusfrequenz übertreffe.
Zuletzt sprach Herr Prof. Recknagel (Kaiserslautern):
Ueber geruchlose Wohnungen.
Die Belästigung durch Abtrittsgase zu beseitigen, benutzte man Des-
infectionsmittel, doch diese sind für die Armen, selbst wenn Eisenvitriol
benutzt wird, zu theuer. Der Wasserverschluss kann an vielen Orten nur
mit grossen Unkosten hergestellt werden. Das Ziel lässt sich leicht erreichen,
wenn man dafür sorgt, dass beimOeffnen des Sitz Verschlusses ein Luftstrom
von oben nach unten geht und dass die nach unten gedrängten Gase gezwungen
werden, den Weg nach oben über den First des Hauses zu nehmen. Zu
diesem Zwecke genügt es beim Gruben- und Tonnensystem, ein luftdichtes
Fallrohr vom Closet in die luftdicht abzuschliessende Grube oder Tonne
einzufügen und ein zu erwärmendes Steigerohr von dem Deckel der letzteren
nach dem Dache des Hauses hinaufzuführen. Dieser erwärmte Canal kann
entweder dadurch praktisch gewonnen werden, dass man von der Grube
oder Tonne aus ein Zinkrohr von 5 bis 7 cm im Durchmesser nach dem
Küchenkamine leitet, oder, wo dieses unthunlich ist, dadurch, dass man ein
verzinktes Eisenblechrohr bis über den First des Hauses führt und die Luft
in demselben durch eine Gasflamme oder in anderer Weise erwärmt. Der-
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deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin. 347
artige Einrichtungen hat der Vortragende mehrfach eich vollkommen be¬
währen sehen. Derselbe erläutert den physikalischen Hergang durch ein
leicht anzustellendes Experiment.
IV. Sitzung, Mittwoch den 22. September, unter dem Vorsitze
des Prof. Herrn. Cohn (Breslau).
Dr. Hueppe (Wiesbaden) sprach:
Ueber die Wildseuche.
Die Wildseuche, welche nach den Untersuchungen des Vortragenden
ganz identisch ist mit der Schweineseuche von Dr. Loeffler, wurde zuerst
von Bollinger im Jahre 1878 als vom Milzbrand verschieden erkannt; er
konnte Milzbrandbacillen in keinem Falle von Wildseuche constatiren.
Epidemisch befällt sie Roth- und Schwarzwild; im Anschluss an solche
Epizoothieen Hausthiere; doch werden diese, insbesondere Pferde, Rinder,
Schweine auch spontan befallen, während die Krankheit experimentell noch
auf andere Thierarten zu übertragen ist.
Es lassen sich drei Formen unterscheiden: eine rein septicämisc]ie, bei
Infection von der Haut aus, eine pneumonische durch Einathmung und eine
intestinalmykotische bei Zuführung des Krankheitsstoffes mit dem Futter,
bei welcher dann reichliche Hämorrhagieen im Darme Vorkommen. Diese
spontan vorkommenden Formen lassen sich experimentell combiniren. Weil
bei allen die wesentlichsten Symptome Septicämie und Blutungen in den
verschiedenen Organen sind, wird der Name Septicaemia haemorrhagica
in Vorschlag gebracht.
Die Krankheit wird durch einen Mikrococcus erzeugt, der, etwa viermal
kleiner als ein Blutkörperchen, sich leicht auf Gelatine, Agar, Blutserum,
Kartoffeln bei Zimmer- und Bluttemperatur cultiviren lässt. Er vermehrt
sich bei Zimmertemperatur auch in schlechtem Wasser und in gewachsenem
Boden von mittlerem Feuchtigkeitsgehalte. Eine endogene Sporenbildung
konnte nicht beobachtet werden. Sublimat ( x / 5 pr. Mille), Karbolsäure
(3 Proc.), Aseptol (3 Proe.), siedendes Wasser vernichten die Coccen mit
Sicherheit. Beim Austrocknen erweisen sie sich nicht sehr resistent.
Wildseuche und Milzbrand seien contagiöse, miasmatische Krankheiten
im älteren Sinne des Wortes; miasmatisch, wenn der Krankheitserreger
durch die Athmung oder das Futter in den Organismus gelangt. Während
nun die intestinale Form des Milzbrandes durch die ausserhalb des Körpers
zur Entwickelung gelangenden (ectogen) Dauersporen hervorgerufen wird,
entsteht die intestinale und ebenso die pneumonische Form der Wildseuche
durch den einfachen vegetativen Coccus, sowie er aus dem Körper heraus¬
tritt. Der Gegensatz zwischen Münchener und Berliner Schule werde
schwinden, wenn wir durch das Studium der Eigenthümlichkeiten der
Mikroorganismen dazu kommen, epidemiologische Thatsachen zu erklären,
dagegen nicht aus der Epidemiologie in die Biologie der Parasiten hinein
interpretiren. Jede der contagiös-miasmatischen Infectionskrankheiten (auch
Typhoid und Cholera) kann eine gesonderte Untersuchung und Beurtheilung
nicht entbehren.
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Hygienische Section auf der 59. Versammlung
Auf eine in der Discussion von Dr. Rubinsohn (Graetz) aufgeworfene
Frage, ob bei Menschen Erkrankungen nach dem Genüsse von an Rothlauf
erkrankten Schweinen zur Beobachtung gelangt sind, erwiderte Dr. Köttnitz
(Greiz), dass er chronischen, nicht tödtlich verlaufenden Magen- und Darm¬
katarrh sich habe entwickeln sehen.
Dr. Presl (Ji$in) hielt dann einen Vortrag:
Ueber das Verhältniss der Mortalität zur Dichtigkeit der
Bevölkerung in Oesterreich.
Derselbe zeigte zwei Karten, welche die Mortalität und die Dichtigkeit
der Bevölkerung Oesterreichs zur Anschauung brachten. Im Durchschnitte
wohnen in Oesterreich 74 Personen auf 1 qkm. Dichter bevölkert ist
Galizien, Böhmen, Mähren und Schlesien. Auf Niederösterreich und Trient
kann wegen des Einflusses der Grossstädte keine Rücksicht genommen
werden. Alle Alpenpassländer und die Bukovina erreichen den Durch¬
schnitt nicht.
Todesfälle kommen im Durchschnitte in Oesterreich auf 1 qkm 2*3.
Grösse^ ist die Zahl der Sterbefälle in Galizien, Böhmen, Mähren und
Schlesien, während die übrigen Länder unter jener Ziffer bleiben.
Berücksichtigt man die in hygienischer Beziehung wichtige Structur
der Ortschaften, so findet man im gelammten Staate 0*5 Proc. der gesammten
Ortsfläche von Gebäuden sammt Hofräumen eingenommen. Eine geringere
Bebauung der Ortschaften sehen wir in den Alpenpassländern und der
Bukovina, während Galizien, Böhmen, Mähren Und Schlesien die höchste
Bebauungsziffer aufweisen.
Somit ist statistisch , erwiesen, dass, wenn auf einem bestimmten Raume
die Bewohnerzahl zunimmt, auch die Mortalität sich steigert.
Zuletzt sprach Herr Moritz Wollmar (Dresden):
Ueber einige bisher wenig beachtete Gesichtspunkte bei
Anwendung von Desinfectionsmitteln.
Nach seinen ausgedehnten zehnjährigen Beobachtungen kommt er zu
dem Resultate, dass ein grosser Unterschied in der Wirkung entsteht, ob
ein chemisches Mittel in frische oder in längere Zeit faulende Fäcalien
gebracht wird; ferner, dass die saure Reaction der im Wohnhause lagernden
Fäcalien zu erstreben ist und desshalb solche chemische Mittel unausgesetzt
möglichst täglich, auch das Winterhalbjahr hindurch, verwendet werden
müssen.
V. Sitzung, Donnerstag den 23. September, Vorsitzender Herr
Regierungsrath Dr. Wolffhügel.
Der Sitzung ging eine unter Führung des Vorsitzenden abgehaltene
Besichtigung der wissenschaftlichen Ausstellung voran, bei welcher derselbe
eine gedrängte Uebersicht der Entwickelung und des heutigen Standes der
Desinfectionstechnik, insbesondere der Hitzedesinfection gab. Er betonte
die Nothwendigkeit, keinen Desinfectionsapparat, auch nicht einen solchen
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deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin.
349
▼on erprobter Construction, anzuwenden, ehe durch Versuche die Zeit fest¬
gestellt ist, in welcher die Hitze den zu desinficirenden Gegenstand völlig
durchdringt. Zu diesem Zwecke hat er sich mit Erfolg seit zwei Jahren
eines elektrischen Signalthermometers bedient, bei welchem jedoch gewisse
Cautelen nicht verabsäumt werden dürfen.
Nach Eröffnung der Sitzung hielt zuerst Dr. Emmerich (München)
einen Vortrag:
Ueber den Nachweis von Erysipelcoccen in einem Sections-
s aale.
Zu einer Zeit, in welcher Erysipelleichen lange nicht zur Section
gelangt waren, wurde im letzten Sommer Prof. Bollinger, der viel in
einem kleinen Zimmer des pathologischen Institutes gearbeitet und mit
Erysipelkranken keinen Verkehr gehabt hatte, zuerst vonNasen-Rachenkatarrh
und dann von heftigem Erysipelas befallen. Kurz darauf erkrankte auch
ein Assistent an Erysipelas.
Dem Vortragenden fiel nun die Aufgabe zu, zu untersuchen, ob ein
Infectionsherd sich in dem kleineren Section6zimmer finden lasse. Mit
Hülfe eines von ihm construirten Apparates constatirte er in der durch
Bouillon streichenden Luft des Zimmers durch Cultur- und Impfversuche
identificirte Erysipelcoccen; es kamen auf ein Liter Luft ungefähr fünf
Colonieen. Gelang es auch nicht, einen bestimmten Infectionsherd aufzufinden,
so muss man doch annehmen, dass er sich auf oder unter dem Fussboden
befand, da der feingeriebene Mörtel von Wanden, auch der des Sections-
zimmers, in vielen Untersuchungen, welche der Vortragende vorgenommen,
sich als keimfrei erwiesen hatte, wahrscheinlich weil der Gehalt an Aetzkalk
die Entwickelung von Spaltpilzen verhinderte. Auf eine Anfrage fügt
der Vortragende noch hinzu, dass er Wandtapeten auf Keimgehalt nicht
untersucht habe.
Herr Dr. Renk (München) gab darauf einen
Beitrag zur Kenntniss des Staubes in der Luft.
Derselbe zeigte, wie man experimentell die feinsten im Sonnenstrahle
nicht mehr sichtbaren Stäubchen deraonstriren kann. Wenn man die Luft
einer eben entleerten Wasserflasche, die als mit Wasserdampf gesättigt
anzusehen ist, durch Ansaugen abkühlt, so bemerkt man, wenn die Luft
staubhaltig ist, einen Nebel in der Flasche, aber wenn die Luft durch
Filtration staubfrei ist, keinen Nebel. Letzterer wird sichtbar, weil der
Wasserdampf sich nur auf festen Körpern (Staub) niederschlägt, sie mit
einem Wassermantel umgiebt.
Von besonderem Interesse waren die Versuche, welche angestellt
wurden, um das Verhalten der Luftwege gegenüber dem Staube zu
ermitteln. Wurde die Luft staubfrei eingeathmet, so befand sich auch kein
Staub in der exspirirten Luft. War die eingeathmete Luft aber staub¬
haltig, so fehlte der Staub auch in der zuletzt ausgeathmeten Luft (Residual¬
luft) nicht.
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Hygienische Section auf der 59. Versammlung
Wird ein Zimmer längere Zeit hindurch geschlossen gehalten, so fallen
die grösseren Staubpartikel allmälig zu Boden, so dass man nach einem
halben Jahre kein Sonnenstäubchen mehr entdecken kann, die unsichtbaren
Stäubchen jedoch treten durch obiges Experiment auch nach dieser Zeit
noch in die Erscheinung, ebenso sind noch entwicklungsfähige nach
Hesse’scher Methode darstellbare Keime vorhanden, doch in geringerer
Zahl als bei Beginn des Versuches.
Es folgten zwei Vorträge des Herrn Dr. K. B. Lehmann (München):
1. Ueber die Wirkung von Chlor und Brom auf den
thierischen Organismus.
Chlor und Brom wirken quantitativ auf den Organismus völlig gleich
ein, so dass 1 Mol. Chlor dieselbe Wirkung hat wie 1 Mol. Brom. Aber
auch die qualitative Einwirkung ist sehr ähnlich. Am bemerkenswerthesten
sind die Affectionen der Respirationsorgane, ausserdem finden sich Speichel¬
fluss und mannigfache Reizerscheinungen. Die von Binz für den Frosch
angegebene narcotisirende Wirkung wurde gleichfalls öfter wahrgenommen.
Speichelfluss und massige Reizerscheinungen treten bei Katzen schon bei
einem Gehalte der Luft von 0*001 bis 0*005 pr. Mille ein; eine Zunahme
der Reizerscheinungen, anhaltende Salivation, verlangsamtes Athmen wurden
bei 0*015 bis 0*030 bemerkt. Haben die Thiere 4 bis 6 Stunden in solcher
Atmosphäre geathmet, so findet man, wenn man sie nach einigen Tagen
secirt, eine schleimigeiterige Bronchitis und pneumonische Herde in den
Lungen. Der Aufenthalt von 372 bis 5 Stunden in einer Luft mit 0*04 bis
0*06 pr. Mille Gasgehalt ruft starkes Lungenödem und ausgebreitete hämor¬
rhagische Lungenentzündung hervor, ausserdem eiterige Bronchitis mit
spärlichen Fibrinauflagerungen. Steigt der Gasgehalt auf 0*1 bis 0*3 pr. Mille,
so bedecken sich Kehlkopf und die Bronchien tief hinunter mit einer Croup¬
membran; die Thiere ersticken rasch, bei 0*6 pr. Mille in einer Stunde;
Menschen empfinden, wie sich bei Versuchen in dem Bleichraume einer
Papierfabrik und bei sonstigen Versuchen herausstellte, einen Chlorgehalt
der Luft von 0*002 bis 0*004 schon unbequem, es treten Schmerzen in den
Augen, dem Kehlkopfe auf, doch können bei Gewöhnung diese und etwas
grössere Mengen noch ertragen werden. Als äusserste Grenze muss 0*01 pr.
Mille angesehen werden; der Vortragende hält die Angaben Hirt’s für
Chlor und Brom für unzuverlässig, um das 100- ja 1000 fache zu hoch.
Um die Arbeiter zu schützen, sind mit den giftigen Gasen angefüllte
Räume kräftig zu ventiliren. Von sonstigen Schutzmitteln empfiehlt sich
die Pitzker’sehe Ventilations-Schutzmaske am meisten, die einen kürzeren
Aufenthalt selbst in einem mit den Gasen fast gesättigten Raume ge¬
stattet.
2. Ueber die Gesundheitsschädliehkeit des blauen Brotes.
Bei Verunreinigung des Getreides mit den Samen vom Wachtelweizen
(Mclampyrum) und Klappertopf ( Blmiantlius ) nimmt das Brot eine blaue
bis dunkel violette Farbe an, wovon der Vortragende eine Probe vorzeigt.
Aus den Samen lässt sich ein blauer Farbstoff mit einem charakteristischen.
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deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin.
351
dem Indigo ähnlichen Spectrum gewinnen. Kaninchen, die in vier Tagen
mit 1238 g des frischen Rhinanthuskrautes mit halbreifen Samen gefüttert
waren, zeigten in ihrem Befinden keine Veränderung. Der Vortragende
konnte ohne Nachtheil drei Tage hinter einander Brot essen, das in den
ersten beiden Tagen je 10 g, am dritten 25 g Rhinanthussamen enthielt.
Das blaue Brot ist demnach nicht direct für die Gesundheit schädlich, es
darf aber, weil dazu min derwerthiges, schlecht gereinigtes Getreide genommen
wird, zum Verkaufe nicht zugelassen werden, zumal die Befürchtung nahe
liegt, dass solches Getreide auch von anderen schwerer zu beseitigenden
Beimengungen (Kornrade, Taumellolch, Mutterkorn) nicht frei ist.
Den letzten Vortrag hielt Dr. Baer (Berlin):
lieber die Sterblichkeit der Alkoholisten.
In England hat man ermittelt, dass diejenigen, welche im Interesse
ihres Geschäftes alkoholische Getränke zu geniessen pflegen, wie Schenk-
wirthe, Destillateure etc., eine viel grössere Sterblichkeit aufweisen, als die
sonstige Bevölkerung gleichen Alters und Geschlechtes. Der Vortragende
hat für ähnliche Ermittelungen in Preussen die in den Jahren 1879 bis 1883
allen Standesämtern angezeigten SterbefaUe aller derer benutzt, welche mit
der Herstellung und dem Verkaufe alkoholischer Getränke zu thun hatten
(wie Bierbrauer, Destillateure, Bier-, Branntwein- und Weinhändler, Gast-
und Schenkwirthe, Kellner, Krüger), im Ganzen 14295 Personen männlichen
Geschlechtes.
Es ergab sich die Lebenserwartung
dieser Kategorie
der männlichen Be¬
völkerung Preussens
(1816 bis 1860)
Im Alter von 25 Jahren
26‘23 Jahre
32"08 Jahre
»
* „ 35 „
20-01 „
25-92 „
77
n » 45
1519 ,
19-92 „
77
. n 55 „
1116 „
1445 „
V
» » 65 „
8-04 ,
9-75 „
Was ferner die Häufigkeit der Todesursachen bei chronischen Alkoholisten
ira Vergleiche zu der übrigen Bevölkerung gleichen Geschlechtes und Alters
betrifft, so kamen von den Todesursachen:
bei der
übrigen
bei Alkoholisten
Bevölkerung
auf Krankheiten des Gehirns
. . 14-43
Proc.
11-77
Proc.
Tnberculose.
. . 36*57
77
30*36
n
Pneumonie und Pleuritis . .
. . 11*44
V
9*63
r
Herzkrankheiten.
. . 3*29
n
1-46
77
Nierenkrankheiten ....
. . 2-12
r
1-40
77
Selbstmord.
. . 4*02
n
2*99
77
Krebs .
. . 3*70
77
2*49
77
Altersschwäche .
. . . 7*05
n
22*49
77
Der Vortragende fordert auf,
die Bemühungen des
Vereins
zu unter-
stützen, welche mit Rücksicht auf die nachgewiesene Verderblichkeit des
Alkoholmissbrauches sich zur Aufgabe machen, demselben entgegen zu
treten.
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352
Kleinere Mittheilungen.
Kleinere Mittheilungen.
Ueber die Desinfection von Canalwasser entnehmen wir dem Berichte der
Deputation für die Verwaltung der Canalisationsw T erke vom 29. März 1886 das
Folgende:
Zur Erweiterung des Canalisationsnetzes soll der Berliner Stadtverordneten¬
versammlung demnächst eine Vorlage gemacht werden, worin der Bau des
VIn. Radialsystems beantragt wird. Um den bei dieser Gelegenheit bevor¬
stehenden Erörterungen gegenüber ihre Auffassung klarzustellen, und besonders
um nachzuweisen, dass es weder in sanitärer noch in wirtschaftlicher Hinsicht
wichtig sei, etwa die Abwässer, statt sie zu Rieselzwecken zu verwenden, in
Klärbassins desinficiren und sie nachher in die öffentlichen Wasserläuf^ ablassen
zu wollen, unterzieht die Deputation für die Verwaltung der Canalisationswerke
alle zu letzterem Zwecke angepriesenen Methoden nochmals der Besprechung. —
Nur dem Kalk und allenfalls der söhwefelsauren Thonerde misst der Bericht
eine Bedeutung für eine etwaige Desinficirung der Spüljauche bei; aber auch
die Resultate der mit diesen beiden Mitteln angestellten Versuche genügten
keineswegs, weder in sanitärer noch in wirtschaftlicher Beziehung. Es wird
über die Wirkung beider Mittel auf die in dem Werke „Reinigung und Ent¬
wässerung Berlins, 1870“ veröffentlichten Berichte verwiesen und die in mehre¬
ren englischen Städten angestellten Versuche erwähnt, welche alle bewiesen
haben, dass es auf chemischem Wege nicht gelingt, das Canalwasser so weit zu
reinigen, dass man sein Einlaufen in die fliessenden Gewässer gestatten könnte.
Zur Ergänzung dieser durch frühere Erfahrung feststehenden Thatsachen
wird sodann das Resultat angeführt, zu welchem die von der Königin Victoria
von England 1884 eingesetzte Commission über die Beseitigung des Abzugs¬
wassers der Metropole in ihrem am 27. November 1884 erstatteten Bericht
kommt. Dieses Resultat gipfelt darin, dass die Uebelstände, welche aus dem
jetzigen System, nach welchem bekanntlich das ganze Canalwasser Londons in
die Themse abgelassen wird, unmittelbare Abhülfe gebieterisch erfordern; dass
die durch irgend welche Methoden gewonnenen festen Niederschläge des Canal¬
inhalts nicht nur völlig werthlos, sondern sogar ihrer Beschaffenheit wegen aus
sanitären Rücksichten möglichst bald zu beseitigen seien; dass der chemischen
Reinigung der Abwässer nur eine sehr begrenzte und gleichsam nur proviso¬
rische Bedeutung zuerkannt werden müsse, und dass die Abwässer vielmehr eine
weitere Reinigung erforderten, welche nach dem jetzigen Stande der Wissen¬
schaft nur durch Aufbringung auf Land wirksam erreicht werden könne.
Auch Bailey-Denton kommt am Schlüsse seines im Jahre 1885 in zweiter
Auflage erschienenen Werkes über Canalwasserbeseitigung zu dem Resultat,
dass durch kein chemisches Niederschlagsverfahren die flüssigen Abfallstoffe
billiger gereinigt werden können als vermittelst des Erdbodens.
An diese Resultate und Urtheile werden nun in tabellarischer Form zwan¬
zig Desinfectionsmittel resp. Desinfectionsverfahren gereiht, welche von ihren
Erfindern für die Desinficirung der Berliner Effluvien im Laufe der letzten
Jahre angeboten worden sind, oder von denen die Deputation sonst Kenntniss
erhalten hat. Der Bericht fasst sein Urtheil über diese verschiedenen Pro¬
positionen dahin zusammen, dass alle diejenigen Vorschläge, welche eine Schei¬
dung der suspendirten Stoffe mittelst Centrifugen, Filterapparaten, Pressen und
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Kleinere Mittheilungen. 353
dergleichen erreichen wollen, oder welche dahin zielen, durch Erhitzen, Kochen,
Abdampfen oder dergleichen eine Scheidung herbeizuführen und einen trockenen
Rückstand zu gewinnen, eine eingehendere kritische Beleuchtung nicht ver¬
dienen.
Nach dem Erachten der Deputation für die Verwaltung der Canalisations-
werke kommen eventuell nur diejenigen Vorschläge in Betracht, welche darauf
gerichtet sind, die Canalwässer auf chemischem Wege und zwar durch Kalk zu
desinficiren. Wie stellen sich aber die Kosten einer solchen Desinfection? Bei
der Berechnung dieser Kosten geht der Bericht von der feststehenden Voraus¬
setzung aus, dass durch Kalkzusatz gebildete Canalwassersedimente keinen Ver¬
kaufspreis erzielen können, und dass somit dieselben durch Anhäufung an irgend
einem Orte, wo sie möglichst wenig belästigen, untergebracht werden müssen.
Wenn die Klärbassins auf den Rieselfeldern angelegt werden, so können die
Maschinenanlage, Druckrobr und somit der ganze Betrieb in der Stadt in der
bisherigen Weise bestehen bleiben. Es würden nach dem bisher ermittelten
durchschnittlichen Wasserquantum im Ganzen fünf (im Süden drei, im Norden
zwei) Bassingruppenanlagen zu vier Stück einzurichten sein. Die Seiten¬
länge eines quadratischen Bassins würde 42*6 m betragen. Die Baukosten einer
solchen Bassingruppenanlage werden alsdann auf 1080000 Mark, die Be¬
triebskosten derselben auf 708 150 Mark berechnet. — Hiernach stellen sich die
Kosten der Gesammtbauanlage für Klärbassins auf 5 400000 Mark und die
Betriebskosten auf 3 540 750 Mark; zu letzterer Summe die Zinsen obiger
5400000 Mark hinzugerechnet ergiebt für die Betriebskosten rund 37U0000 Mark.
Da die Rieselgüter jetzt an Verzinsung 700000 Mark, an Betriebszuschuss nichts
erfordern, so stellt sich heraus, dass die Rieselfeldanlage jährlich rund
3 000 000 Mark weniger kostet, als eine Desinfectionsanlage kosten würde. —
Wenn die Klärbassins in Berlin selbst angelegt werden sollten, so würde der
Preis des Grund und Bodens 200mal theurer anzusetzen sein.
Zum Schlüsse weist der Bericht darauf hin, dass Rieselgüter eine nütz¬
liche Anlage im öffentlichen Interesse sind, durch welche Lebensmittel
producirt werden, dass ferner, nachdem der Betriebszuschuss auf Null reducirt
ist, angenommen werden kann, es werde sich auch eine Einnahme aus dem
Betriebe entwickeln; ferner dass umgekehrt bei einer Desinfectionsanlage die
Verhältnisse in sanitärer und finanzieller Beziehung sich unablässig ver¬
schlechtern müssen und werden. Unter diesen Umständen empfiehlt die Depu¬
tation für Verwaltung der Canalisationswerke an denjenigen Principien unbedingt
festzuhalten, nach welchen die städtischen Behörden bis jetzt gehandelt haben.
Dr. L. Becker (Berlin).
ViortoljahrBtchrirt für GcaundheitRpfleRe, 1887.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Erlaas des Reichskanzlers vom 12. April 1886, betr. die Einrichtung und deu
Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken.
Auf Grund des §. 120, Absatz 3 und des §. 139 a, Absatz 1 der Gewerbe¬
ordnung hat der Bundesrath folgende Vorschriften über die Einrichtung und
den Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken erlassen:
§. 1. Sämmtliche Arbeitsräume der Anlagen, in welchen Bleifarben oder
Bleizucker hergestellt werden, müssen geräumig und hoch hergestellt, kräftig
ventilirt, feucht und rein gehalten werden. Das Eintreten bleihaltigen Staubes
sowie bleihaltiger Gase und Dämpfe in dieselben muss durch geeignete Vor¬
richtungen verhindert werden.
§. 2. Staub entwickelnde Apparate müssen in allen Fugen durch dicke
Lagen von Filz oder Wollenzeug oder durch Vorrichtungen von gleicher
Wirkung so abgedichtet sein, dass das Eindringen des Staubes in den Arbeits¬
raum verhindert wird. Apparate dieser Art müssen mit Einrichtungen versehen
sein, welche eine Spannung der Luft in denselben verhindern. Sie dürfen erst
dann geöffnet werden, wenn der in ihnen entwickelte Staub sich abgesetzt hat
und völlig abgekühlt ist.
§. 3. Beim Trockenmahlen, Packen, Beschicken und Entleeren der Glätte-
und Mennigeöfen, beim Mennigebeuteln und bei sonstigen Operationen, bei
welchen das Eintreten von Staub in den Arbeitsraum stattfinden kann, muss
durch Absauge- und Abführungsvorrichtungen an der Eintrittsstelle die Ver¬
breitung des Staubes in den Arbeitsraum verhindert werden.
§. 4. Arbeitsräume, welche gegen das Eindringen bleihaltigen Staubes oder
bleihaltiger Gase und Dämpfe durch die in den §§. 1 und 2 vorgeschriebenen
Einrichtungen nicht vollständig geschützt werden können, sind gegen andere
Arbeitsräume so abzuschliessen, dass in die letzteren Staub, Gase oder Dämpfe
nicht eindringen können.
§. 5. Die Innenflächen der Oxydir- und Trockenkammern müssen möglichst
glatt und dicht hergestellt sein. Die Oxydirkammern sind während de» Be¬
hängen» und während des Ausnehmens feucht zu erhalten.
Der Inhalt der Oxydirkammern ist, bevor die letzteren nach Beendigung
des Oxydationsprocesses zum Zweck des Ausnehmens betreten werden, gründ¬
lich zu durchfeuchten und während des Entleerens feucht zu erhalten. Ebenso
sind Rohbleiweissvorräthe während der Ueberführung nach dem Schlemmraume
und während des etwaigen Lagerns in demselben feucht zu halten.
§. 6. Beim Transporte und bei der Verarbeitung nasser Bleifarbenvorräthe,
namentlich beim Schlemmen und Nassmahlen, ist die Handarbeit durch Anwen¬
dung mechanischer Vorrichtungen so weit zu ersetzen, dass das Beschmutzen
der Kleider und Hände der dabei beschäftigten Arbeiter auf das möglichst
geringste Maass beschränkt wird.
Das Auspressen von Bleiw r eis8schlamm darf nur vorgenommen werden,
nachdem die in letzterem enthaltenen löslichen Bleisalze vorher ausgefallt sind.
§. 7. In Anlagen, welche zur Herstellung von Bleifarben und Bleizucker
dienen, darf jugendlichen Arbeitern die Beschäftigung und der Aufenthalt nicht
gestattet werden. Arbeiterinnen dürfen innerhalb derartiger Anlagen nur in
solchen Räumen und nur zu solchen Vorrichtungen zugelassen werden, welohe
sie mit bleiischen Producten nicht in Berührung bringen.
§. 8. Der Arbeitgeber darf in Räumen, in welchen Bleifarben oder Blei¬
zucker hergestellt oder verpackt werden, nur solche Personen zur Beschäftigung
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
zulassen, welche eine Bescheinigung eines approbirten Arztes darüber beibringeu
dass sie weder schwächlich, noch mit Lungen-, Nieren- oder Magenleiden oder
mit Alkoholismus behaftet sind. Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzu¬
bewahren und dem Aufsichtsbeamten (§. 139 b der Gewerbeordnung) auf Ver¬
langen vorzulegen.
§. 9. Arbeiter, welche bei ihrer Beschäftigung mit bleiischen Stoffen oder
Producten in Berührung kommen, dürfen innerhalb eines Zeitraumes von
24 Stunden nicht länger als 12 Stunden beschäftigt werden.
§. 10. Der Arbeitgeber hat alle mit bleiischen Stoffen oder Producten in
Berührung kommenden Arbeiter mit vollständig deckenden Arbeitskleidern ein¬
schliesslich einer Mütze zu versehen.
§. 11. Mit Staubentwickelung verbundene Arbeiten, bei welchen der Staub
nicht sofort und vollständig abgesaugt wird, darf der Arbeitgeber nur von
Arbeitern ausführen lassen, welche Nase und Mund mit Respiratoren oder
feuchten Schwämmen bedeckt haben.
§. 12. Arbeiten, bei weichen eine Berührung mit gelösten Bleisalzen statt¬
findet, darf der Arbeitgeber nur durch Arbeiter ausführen lassen,* welche zuvor
die Hände entweder eingefettet oder mit undurchlässigen Handschuhen ver¬
sehen haben.
§. 13. Die in den §§. 10, 11, 12 bezeichneteu Arbeitskleider, Respiratoren,
Schwämme und Handschuhe hat der Arbeitgeber jedem damit zu versehenden
Arbeiter in besonderen Exemplaren in ausreichender Zahl und zweckent¬
sprechender BeschaffÄiheit zu überweisen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass
diese Gegenstände stets nur von denjenigen Arbeitern benutzt werden, welchen
sie zugewiesen sind, und dass dieselben in bestimmten Zwischenräumen, und
zwar die Arbeitskleider mindestens jede Woche, die Respiratoren, Muud-
schwämme und Handschuhe vor jedem Gebrauche gereinigt und während der
Zeit, wo sie sich nicht im Gebrauche befinden, an dem für jeden Gegenstand
zu bestimmenden Platze aufbewahrt werden.
§. 14. In einem staubfreien Theile der Anlage muss für die Arbeiter ein
Wasch- und Ankleideraum und getrennt davon ein Speiseraum vorhanden sein.
Beide Räume müssen sauber und staubfrei gehalten und während der kalten
Jahreszeit geheizt werden. In dem Wasch - und Ankleideraume müssen Geiasse
zum Zweck des Mundausspülens, Seife und Handtücher, sowie Einrichtungen zur
Verwahrung derjenigen gewöhnlichen Kleidungsstücke, welche vor Beginn der
Arbeit abgelegt werden, in ausreichender Menge vorhanden sein. In dem Speise¬
raume oder an einer anderen geeigneten Stelle müssen sich Vorrichtungen zum
Erwärmen der Speisen befinden. Arbeitgeber, welche fünf oder mehr Arbeiter
beschäftigen, haben'diesen wenigstens einmal wöchentlich Gelegenheit zu geben,
ein warmes Bad zu nehmen.
§. 15. Der Arbeitgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes
der von ihm beschäftigten Arbeiter einem, dem Aufsichtsbeamten (§. 139b der
Gewerbeordnung) namhaft zu machenden approbirten Arzte zu übertragen,
welcher monatlich mindestens einmal eine Untersuchung der Arbeiter vorzunehmen
und den Arbeitgeber von jedem Falle einer ermittelten Bleikrankheit in Kennt-
niss zu setzen hat. Der Arbeitgeber darf Arbeiter, bei welchen eine Bleikrankheil
ermittelt ist, zu Beschäftigungen, bei welchen sie mit bleiischen Stollen oder
Materialien in Berührung kommen, bis zu ihrer völligen Genesung nicht zulassen.
§. 16. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Krankenbuch zu führen oder
unter seiner Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Einträge
durch den mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Arbeiter beauf¬
tragten Arzt oder durch einen Betriebsbeamten führen zu lassen. Das Kranken¬
buch muss enthalten:
1. den Namen dessen, welcher das Buch führt;
2. den Namen des mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der
Arbeiter beauftragten Arztes;
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
3. den Namen der erkrankten Arbeiter;
4. die Art der Erkrankung und die vorhergegangene Beschäftigung;
5. den Tag der Erkrankung;
6. den Tag der Genesung oder, wenn der Erkrankte nicht wieder in Arbeit
getreten ist, den Tag der Entlassung.
Das Krankenbuch ist dem Aufsichtsbeamten, sowie den zuständigen Medicinal-
beamten auf Verlangen vorzulegen.
§. 17. Der Arbeitgeber hat eine Fabrikordnung zu erlassen, welche ausser
einer Anweisung hinsichtlich des Gebrauches der in den §§. 10, 11, 12 bezeich¬
net en Gegenstände folgende Vorschriften enthalten muss:
1. Die Arbeiter dürfen Branntwein, Bier und andere geistige Getränke nicht
mit in die Anlage bringen.
2. Die Arbeiter dürfen Nahrungsmittel nicht in die Arbeitsraume mitnehmen,
dieselben vielmehr nur im Speiseraume aufbewahren. Das Einnehmen der Mahl¬
zeiten ist ihnen, 6ofem es nicht ausserhalb der Anlage Btattfindet, nur im
Speiseraume gestattet.
3. Die Arbeiter haben die Arbeitskleider, Respiratoren, Mundschwämme und
Handschuhe in denjenigen Arbeitsräumen und bei denjenigen Arbeiten, für
welche es von dem Betriebsunternehmer vorgeschrieben ist, zu benutzen.
4? Die Arbeiter dürfen erst dann den Speiseraum betreten, Mahlzeiten ein¬
nehmen oder die Fabrik verlassen, wenn sie zuvor die Arbeitskleider abgelegt,
die Haare vom Staube gereinigt, Hände und Gesicht sorgfältig gewaschen, die
Nase gereinigt und den Mund ausgespült haben. #
§. 18. In jedem Arbeitsraume, sowie in dem Ankleide- und dem Speise¬
raume muss eine Abschrift oder ein Abdruck der §§. 1 bis 17 dieser Vorschriften
und der Fabrikordnung an einer in die Augen fallenden Stelle aushängen. Jeder
neu eintretende Arbeiter ist, bevor er zur Beschäftigung zugelassen wird, zur
Befolgung der Fabrikordnung bei Vermeidung der ohne vorhergehende Kündi¬
gung eintretenden Entlassung zu verpflichten.
Der Betriebsunternehmer ist für die Handhabung der Fabrikordnung ver¬
antwortlich, und verpflichtet, Arbeiter, welche derselben wiederholt zuwider¬
handeln, aus der Arbeit zu entlassen.
§. 19. Neue Anlagen, in welchen Bleifarben oder Bleizucker hergestellt
werden soll, dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem ihre Errichtung
dem zuständigen Aufsichtsbeamten (§. 139 b der Gewerbeordnung) angezeigt ist. Der
letztere hat nach Empfang dieser Anzeige schleunigst durch persönliche Revision
festzustellen, ob die Einrichtung der Anlage den erlassenen Vorschriften entspricht.
§. 20. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die-§§. 1 bis 19 dieser Vor¬
schriften kann die Polizeibehörde die Einstellung des Betriebes bis zur Her¬
stellung des vorschriftsmässigen Zustandes anordnen.
§. 21. Auf Anlagen, welche pur Zeit des Erlasses dieser Vorschriften im
Betriebe stehen, finden die §§. 1 bis 4, 5, Absatz 1, 6, Absatz 1, 14 erst vom
1. Januar 1887 an Anwendung.
Für solche Anlagen können Ausnahmen von den im Absatz 1 bezeichneten
Vorschriften durch den Bundesrath zugelassen werden, wenn nach den bisherigen
Erfahrungen anzunehmen ist, dass durch die vorhandenen Einrichtungen ein
gefahrloser Betrieb sicher gestellt ist.
Berlin, den 12. April 1886. Der Reichskanzler.
Polizei Verordnung für Berlin vom 7. Februar 1887, betr. Anweisung zum
Desinfectionsverfahren bei Volkskrankbeiten.
Siehe dieses Heft S. 318.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
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Circularerlass des königl. preuss. Ministeriums der geistlichen, Unterrichts¬
und Medicinalangelegenheiten vom 19. Januar 1887, betr. Anzeige tou
epidemischer Genickstarre«
Das seit einigen Jahren häufigere Vorkommen der epidemischen Genick¬
starre (Meningitis cerebrospinalis epidemica) in den verschiedensten Landes¬
bezirken lässt es wegen der hohen Gefahren, welche diese Krankheit für das
Leben der von ihr ergriffenen Menschen mit sich führt, wie auch wegen der
schweren Gesundheitsstörungen, welche nicht selten nach ihrem Ablauf dauernd
Zurückbleiben, als eine wichtige Aufgabe erscheinen, festere Anhaltspunkte für
die sanitätBpolizeiliche Bekämpfung derselben zu gewinnen. Hierzu aber bedarf
es zunächst noch der Klarstellung der Natur der Krankheit und der Bedingungen,
unter welchen letztere auftritt.
Insbesondere kommen hierfür die Art der Einschleppung bezw. die Um¬
stände, untor denen sich die ersten Fälle ereignen, und die Art der Verschleppung
oder der sonstigen Verbreitung der Krankheit an dem ursprünglich befallenen
Orte, wie von diesem nach anderen Orten, der zeitliche und örtliche Verlauf
der Epidemie, ferner das numerische Verhältnis der Sterbefalle und der
bleibenden schweren Nachtheile für die von der Krankheit Genesenen (Geistes¬
störungen, Lähmungen, Taubheit, Taubstummheit, Blindheit u. a.) zu den
Erkrankungen, namentlich auch in Beziehung zu der Dauer der letzteren, in
Betracht, wobei auf Alter, Geschlecht und sociale Verhältnisse der Erkrankten,
sowie auf alle etwaigen anderen, mehr oder weniger sicher festgestellten oder
vermutheten ursächlichen Momente (in Boden, Wasser, Luft, Reinlichkeit,
Wohnung, Schule, Verkehr u. dergl. m.) Rücksicht zu nehmen ist.
Nach den vorstehend bezeichneten Richtungen hin veranlasse ich die
königl. Regierung in allen denjenigen Fällen, in denen die in Rede stehende
Krankheit nicht bloss vereinzelt, sondern thatsächlich epidemisch innerhalb des
dortigen Verwaltungsbezirkes vorkommt, eingehende Ermittelungen eintreten
zu lassen und mir über die Ergebnisse derselben bei umfangreicheren oder
schwereren Epidemieen alsbald und nach Umständen in angemessenen Zwischen¬
räumen wiederholt besonders, im übrigen aber am Schlüsse jeden Kalender¬
jahres zu beriöhten und event. eine Vacatanzeige zu erstatten. Dem nächsten
Bericht über die bisherigen Erfahrungen sehe ich bis zum 15. März laufenden
Jahres entgegen. v. Gossler.
Circular des königl« preuss. Ministers des Inneren, betr. die Anforderungen,
welche in baulicher nnd gesundheitlicher Beziehung an die Gast- und
Schank Wirtschaften zu stellen sind, vom 26« August 1880«
§. 1. Gast- und Schankwirthschaften dürfen sowohl in den Städten, wie
auch auf dem platten Lande nur auf solchen Grundstücken errichtet werden,
welche an öffentlichen Wegen belegen sind und einen Zugang zu den letzteren
haben. In Städten ist die Errichtung von Gast- und Schankwirthschaften an
unbefestigten und unbeleuchteten Strassen oder Strassentheilen nicht zu ge¬
statten. Die Errichtung von Gast- und Schankwirthschaften ist ferner aus¬
geschlossen :
in Häusern, welche Schlupfwinkel gewerbsmässiger Unzucht sind, beziehungs¬
weise in welchen der gewerbsmässigen Unzucht ergebene Frauenspersonen
wohnen oder verkehren,
in Räumlichkeiten, welche dem Besitzer oder dritten Personen zu Wohn-
oder Wirthschaftszwecken dienen, oder in welchen noch andere fremd¬
artige Gewerbe betrieben werden,
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Pfarrhäusern, Unterrichts- und
Krankenanstalten.
§. 2. Die Gebäude, in welchen Gast- und Schankwirthschaften eingerichtet
werden sollen, müssen feuersichere Bedachung haben. Der Zugang zu den für
dieselben bestimmten Räumen muss ein gefahrloser und bequemer sein, ins¬
besondere ist darauf zu achten, dass etwaige Treppen genügend breit, nicht zu
steil, mit einem festen Geländer versehen und dass die Zugänge zu den Treppen
von aussen her nicht schmäler sind, als die Treppenläufe selbst.
Die Thüren zu den Gast- und Schanklocalen müssen eine entsprechende
Breite haben und nach aussen aufschlagen.
§. 3. In Gast- und Schankwirthschaften müssen die Gastzimmer, in ersteren
auch die Schlafräume, durchaus trocken, mit gedielten Fussböden, sowie mit
verschliessbareu Thüren und mit gut schliessenden, zum Oeffnen eingerichteten
Fenstern, welche einen hinreichenden Zutritt von Licht und Luft unmittelbar
von der Strasse oder vom Hofe aus gestatten und, soweit nöthig, mit sonstigen
zur Herstellung eines genügenden Luftwechsels erforderlichen Einrichtungen
versehen und überhaupt ihrer ganzen Anlage nach so beschaffen sein, daB8 sie
die menschliche Gesundheit in keiner Weise gefährden.
An den in diesen Zimmern vorhandenen Oefen dürfen Verschlussvorrich¬
tungen, welche den Abzug des Rauches nach dem Schornsteine zu verhindern
geeignet sind, als Klappen, Schieber oder dergleichen, nicht vorhanden sein.
Sämmtliche Räumlichkeiten sind mit den erforderlichen Ausstattungsgegen¬
ständen zu versehen.
Kellergeschosse dürfen als Schlafräume für Gäste überhaupt nicht, als
Schanklocale aber nur unter den Bedingungen benutzt werden, dass die Fuss¬
böden nicht tiefer als einen Meter unter der Oberkante der vorbeiführenden
Strasse belegen und dass die bezüglichen Räume gegen das Eindringen und
Aufsteigen der Erdfeuchtigkeit geschützt sind.
Die Gast- und Fremdenzimmer müssen ferner allen Anforderungen ent¬
sprechen, welche durch die an den betreffenden Orten geltenden baupolizeilichen
Vorschriften an solche Räume gestellt werden.
§. 4. In jeder Gast- und Schankwirthschaft muss sich ein Zimmer von
mindestens 25 qm Bodenfläche zum gemeinschaftlichen Aufenthalte der Gäste
befinden, und es müssen ferner in jeder Gastwirthschaft mindestens drei wohl
eingerichtete Schlafzimmer für Fremde vorhanden sein.
Für sämmtliche Gast- und Schlafzimmer wird eine lichte Höhe von minde¬
stens 2*80 m erfordert.
Für die Schlafzimmer sind mindestens 3 qm Bodonfläche und 12 cbm Luft¬
raum auf jeden einzelnen Gast zu nehmen.
Gast- und Schankwirthschaften dürfen nur auf solchen Grundstücken
errichtet werden, welche entweder an eine öffentliche Wasserleitung ange-
schlos8en sind, oder einen eigenen Brunnen mit völlig ausreichender Wasser¬
menge haben.
§. 5. Bei jeder Gast- und Schankwirthschaft muss die nöthige Anzahl mit
den erforderlichen Einrichtungen für Abfluss und Luftreinigung versehener
Pissoirs und Abtritte vorhanden sein, zu welchen der Zugang nicht durch
Wohn- oder Wirthschaftsräume, noch über die Strasse führen und niemals
behindert sein darf.
Diese Bedürfnisanstalten dürfen keinen unmittelbaren Zugang zu den
Schlafräumen haben und ihre Einrichtung muss eine derartige sein, dass eine
Verunreinigung der Luft in den Gastzimmern ausgeschlossen ist. Im Uebrigen
kommen hinsichtlich der Entleerung, Reinhaltung etc. derselben die in dieser
Beziehung an dem betreffenden Orte bestehenden polizeilichen Vorschriften zur
Anwendung.
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Neu erschienene Schriften.
359
Neu erschienene Schriften über öffentliche
Gesundheitspflege.
(38. Verzeichniss.)
1. Allgemeines.
Albanese , E., Proposta pel nuovo ufflcio d’igiene. Palermo, Verzi, 1886. 8.
13 p.
Custer, Gustav, Dr., Oeffentliche und private Gesundheitspflege in populären
Vorträgen und Aufsätzen. Zürich und Stuttgart, Schröter & Meyer, 1887.
gr. 8. 319 S. 4 M.
Dardano, Pier Alessandro, Degli ufficii del igiene e della medicina legale.
Genova, 1886. 16. 51 p.
Duohesne, L., et E. Miohel, Traite elementaire d’hygiene (programme des
lycees de jeunes Alles). 3. edition. Paris, Doin, 1886. 18. III — 231 p.
Krieger, J., Dr., Regierungsrath, Archiv für öffentliche Gesundheitspflege in
Elsass-Lothringen. Herausgegeben vom ärztlich-hygienischen Verein. XI. Bd.
Strassburg, Schmidt, 1887. gr. 8. VI—154 S. 6 M.
Kusy, E., Dr., Die Gesetze und Verordnungen über die Sanitäts-Organisation in
Mähren. Zweite vermehrte*Auflage. Brünn, Winiker, 1886. 8. XII —128
und 55 S. 1*60 M.
Laws of the State of Kentucky relative to the public health and sanitary memo-
ran da. Corapiled and published under the supervision of the State Board
of Health. Frankfort, Woods, 1886. 8. 92 p.
Layet, A., Prof., Medecine sociale: Hygiene et maladies des paysans, etude sur
la vie materielle des campagnards en Europe. Paris, Masson, 1886. 18.
XVII —570 p.
Manual for the use of Boards of Health of Massachusetts, containing the Sta¬
tutes relating to the Public Health and the Decisions of the Supreme Court
of Massachusetts relating to the same. Boston, Wright & Potter, 1886.
gr. 8. 117 p.
Mittheilungen aus dem Verein für öffentliche Gesundheitspflege der Stadt
Nürnberg. IX. Heft. 1886. Nürnberg, Ebner, 1887. 8. 148 S. mit zwölf
Tafeln.
Reinhard, Dr., Präs., und Amtshauptmann v. Bosse, Die Medicinalgesetze und
Verordnungen des Königreichs Sachsen. Systematisch geordnet und mit
Erläuterungen herausgegeben. Zweite, bis zur Gegenwart fortgeführte Auf¬
lage. Leipzig, Rossberg, 1887. 8. VIII —478 S. 7 M.
Risultati delF inchiesta sulle condizioni igieniche e sanitaire nel comuni del
Regno. Parte II. Relazione generale. Roma, tip. in San Michele, 1886. 8.
518 p. e CCLXXII —234 p. 5 L.
Scrive-Bertin, L’Hygiene publique ä Lilie ä partir de la Renaissance. Lille,
imp. Danel, 1886. 8. 28 p.
Sitsungsprotooolle der acht Aerztekammern Bayerns vom 5. October 1886.
München, Finsterlin, 1886. gr. 8. 76 S. 0*50 M.
Uhlworm, 0., Dr., Centralblatt für Bacteriologie und Parasitenkunde. I. Jahr¬
gang 1887. Jena, Fischer, 1887. gr. 8. Jährlich 26 Nummern. 14 M.
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300 Neu erschienene Schriften.
Verhandlungen und Mittheilungen des Vereins für öffentliche Gesundheits¬
pflege zu Hannover. 7. Heft. Hannover, Schmort & v. Seefeld, 1886. 'gr. 8.
94 S. mit 3 Tafeln. 2 M.
Vidal, J., Manuel d’hygieue rurale, notions elementaires d’hygiene a l’usage des
municipalites, des ecoles et des populations de la Campagne. Paris, Asse¬
lin & Houzeau, 1886. 8. 246 p. 3 Frcs.
Wiener, Dr. f Handbuch der Medicinalgesetzgebung des Deutschen Reiches und
seiner Einzelstaaten. Mit Commentar. Für Medicinalbeamte, Aerzte und
Apotheker. II. Band, 3. Theil (Schluss). Die Medicinalgesetzgebung des
Königreichs Württemberg und der Grossherzogthümer Hessen und Baden.
Stuttgart, Enke, 1887. gr. 8. 611 u. 77 S. 14 M.
v. Wyss, Hans, Dr., Populäre Vorträge über Gesundheitspflege insbesondere für
Frauen. Leipzig, Vogel, 1887. gr. 8. 178 S. 5*35 Frcs.
2. Statistik und Jahresberichte.
Allgemeine Resultate betr. Trauungen, Geburten und Sterbefalle in der
Schweiz 1885. Herausgegeben vom statistischen Bureau des eidgenössischen
Departements des Inneren. Bern, 1886. 4. 15 S.
Boeekh, Richard, Dir., Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin. Zwölfter Jahr¬
gang, Statistik des Jahres 1884. Berlin, Stankiewicz, 1886. 8. XII — 348 S.
6 M.
Buezek, Jan, Dr., Sprawozdanie fizyka stol. kröl. m. Krakowa za 1884 rok.
Krakowie, Kozianskiego, 1886. gr. 8. XII — 353 p.
Generalbericht über die Sanitätsverwaltung im Königreich Bayern. Bd. XVII,
das Jahr 1883 umfassend. München, lit.-art. Anstalt, 1886. gr. 8. VIII—263 S.
mit 22 Tabellen. 6 M.
Haller, Peter, Biostatik der Stadt Narva nebst Vorstädten und Fabriken in den
Jahren 1866 bis 1885 mit einem Anhänge* über die Morbidität daselbst.
Inaugural-Dissertation. Dorpat, Laakmann, 1886. 8. 121 p.
Hofmann, Dr., Kreismedicinalrath, Morbiditätsstatistik der Oberpfalz für 1884.
München, Druck von Gotteswinter, 1886. gr. 8. 26 Seiten mit 5 Tabellen,
15 Curven und 4 Kartogrammen.
Jahresbericht, Zehnter — der königl. technischen Deputation für das Veterinär¬
wesen über die Verbreitung ansteckender Thierkrankheiten in Preussen.
Berichtsjahr vom 1. April 1885 bis 31. März 1886. Berlin, Hirschwald, 1886.
gr. 8. 117 S.
Koehler, J. C., Dr., Regierungs- und Medicinalrath, Generalbericht über das
Sanitäts- und Medicinalwesen im Regierungsbezirke Stralsund auf die Jahre
1883 bis 1885. Greifswald, Bindewald, 1887. gr. 8. 102 S. 2*50 M.
Lefebvre, E., Rapport general sur les travaux du conseil central d’hygiene et
de salubrite du departement de Seine-et-Oise en 1885. Versailles, imp. Cerf,
1886. 8. 115 p.
Marian, A., Dr., Bericht über die Thätigkeit des städtischen Gesundheitsrathes
in Aussig im Jahre 1886. Aussig, Grohraann, 1887. 8. 31 S. mit XVI Tabellen.
de Nadaillac, Affaiblissement de la natalite en France, ses causes et ses con-
sequences; 2e edition. Paris, Masson, 1886. 18. VI — 151 p.
Rapport sur les travaux: 1° du conseil central d’hygiene publique et de salu¬
brite de la ville de Nantes et du departement de la Loire Inferieure, 2° des
conseils d’hygiene des arrondissements, 3° des medecins des epidemies etc.
pendant l’annee 1885. Nantes, imp. Mellinet, 1886. 8. 211 p. et tableaux.
Report, Fifteenth Annual — of the Local Government Board 1885—86. Supple¬
ment containing the Report of the Medical Officer for 1885. London, Eyre
& Spottiswoode, 1886. gr. 8. XVI — 221 p. 5 sh. 6 d.
Report, First Annual — of the Board of Health, of the State of Maine, 1885.
Augusta, Sprague & Son, 1886. 8. 331 p.
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Neu erschienene Schriften.
361
Röder , Julius, Dr., Bezirksarzt, Medicinische Statistik der Stadt Würzburg für
das Jahr 1883, mit Einschluss des Jahres 1882. Würzburg, Stahel, 1887.
gr. 8. 60 S. mit 3 lith. TafelD.
Rüssel, James B., The vital statistics of the City of Glasgow. Part II. The
districts of Glasgow, 1886. Glasgow, Macdougall, 1886. 8. 111 p. 1 plan.
2 tab.
Schwartz, Oskar, Dr., Geh. Medicinal- und Regierungsrath. Fünfter General¬
bericht über das öffentliche Gesundheitswesen des Regierungsbezirks Köln
für die Jahre 1884 und 1885. Köln, Du Mont-Schauberg, 1887. 4. 49 S.
Statistische Mittheilungen des Cantons Basel-Stadt. Bericht über den Civil-
stand, die Todesursachen und die ansteckenden Krankheiten im Jahre 1885.
Basel, Druck von Frehner <fc Rudin, 1886. 4. 65 S.
Törae, Chr., Biostatik der im Dörptschen Kreise gelegenen Kirchspiele Ringen,
Randen, Nügen und Kawelecht in den Jahren 1860 bis 1881. Inaugural-
Dissertation. Dorpat, Laakmann, 1886. 8. 76 S.
3. Wasserversorgung, Entwässerung und Abfuhr.
Agthe, Adolf, Versuch der Beantwortung einiger Fragen betreffend die syste¬
matische Entwässerung und Reinigung der Stadt Riga. Riga, Druck von
Müller, 1886. gr. 8. 30 S.
Anklam, G., Betriebs-Ingenieur, Die Wasserwerke der Stadt Berlin am Tegler
See. Berlin, Polytechn. Buchhandlung, 1886. Fol. 19 S. mit Abbildungen
und Zeichnungsbeilagen. 6*50 M.
Bericht der Deputation für die Verwaltung der Canalisationswerke für die Zeit
vom 1. April 1885 bis zum 31. März 1886. Berlin, Druck von Grunert, 1886.
gr. 8. 122 S. mit 5 graph. Darstellungen.
Bericht über die Vorarbeiten für die systematische Entwässerung und Reinigung
der Stadt Riga, enthaltend die Arbeiten vom Oberlehrer Ad. Werner, Pro¬
fessor M. Glasenapp, Dr. med. E. Bochmann und Oberingenieur Ad.
Agthe. Riga, Druck von Müller, 1887. gr. 8. VIII — 211 S. nebst Beilage
in 4. 26 Tafeln und eine Karte.
Frankland , Percy F., Water - purification; its biological and Chemical basis.
With an abstract of the discussion upon the paper. Edited by James
Forrest. London, 1886. 8. 71 p.
Gauer, Paul, Zur Frage der Desinficirung fliessenden Sielwassers. Inaugural-
Dissertation. Halle a. d. S., Kämmerer, 1886. 8. 36 p.
Gower, Charles Foote, On the horizontal ränge of tidal rivers, such as tho
river Orwell, with reference to sewage discharge. London, 1886. 8. 10 p.
Koch, R., Bericht über die Untersuchungen des Berliner Leitungswassers in der
Zeit vom 1. Juni 1885 bis 1. April 1886, ausgeführt im hygienischen Insti¬
tut der Universität Berlin. Berlin, Springer, 1887. Lex.-8. 14 S. 0*50 M.
König, J., Prof. Dr., Die Verunreinigung der Gewässer, deren schädliche Fol¬
gen, nebst Mitteln zur Reinigung der Schmutzwässer. Berlin, Springer,
1887. gr. 8. XV — 624 S. mit zahlreichen Abbildungen im Text und 10 litho-
graphirten Tafeln. 20 M.
Kuoni, Alletsandro, II Bistema delle cloache e dei closeti a terra. Milano, 1886.
8. 16 p.
Luoatello, Luigi, Sopra un bacillo curvo d’acqua potabile. Genova, 1886. 8.
8 p. 1 pl.
Raddi, A., Sulla fognatura della Citta di Spezia: studi, considerazioni e proposte.
Firenze, 1886. 8. 96 p.
Schuster, Goffredo, Le latrine asciutte coli’ uso della terra. Milano, 1886. 8.
32 p.
Stanley, C., and G. S. Pierson, The separate System of Sewerage, its theory
and construction. New York, 1886. 8. 183 p. 1 map. 2 diag. 14 pl. 4 Doll.
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362 Neu erschienene Schriften.
Wiebe , Stadtbaumeister, Die Reinigung der städtischen Abwässer zu Essen,
insbesondere mittelst des Röckner-Rothe’schen Verfahrens. Mittheilungen
über bacteriologische Untersuchungen Essener Abwässer von Dr. M. Wahl.
Bonn, Strauss, 1887. gr. 8. 22 S. mit 2 Tafeln.
4. Bau-, Strassen- und Wohnungshygiene.
Baupolizeiordnung für den Stadtkreis Berlin. Amtliche Ausgabe. Berlin,
Hayn, 1887. gr. 16. 47 S. 0*60 M.
—. Durchgesehen im Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Berlin, Emst <fc
Korn, 1887. 12. 31 S. 0 50 M.
— für den Stadtkreis Berlin vom 15. Januar 1887. Berlin, Heymann, 1887.
8. 36 S. 0*80 M.
Bunel, H., Etablissements insalubres, incommodes et dangereux: Legislation,
jurisprudence et condition techniques d’autorisation generalement proposees
par les conseils d’hygiene publique et de salubrite; 2e edition. Paris, Andre,
Daly 61s & Co. 8. VIII —623 p. 10 Frcs.
Hamilton, Hugh, The sanitary condition of Harrisburg (Pennsylvania). Harris¬
burg, Meyers, 1886. 8. 12 p. 10 maps. 2 plans. 6 diag.
Hariveau, Le Ventilateur Blackman. Paris, Chaix, 1886. 8. 12 p. avec iig.
et planche.
Farey, C., Syndicus, Denkschrift über die Handhabung der Baupolizei in der
Haupt- und Residenzstadt Berlin. Berlin, Toeche, 1886. gr. 8. 29 S. 1 M.
Report, Second — from the select committee on the Ventilation of the House.
Ordered by the House of Commons to be printed 31 May, 1886. London,
Harrison <fc Son, 1886. Fol. 114 p.
Soyka, J., Prof. Dr., Der Boden. Erster Theil, 2. Abth., 3. Heft von Handbuch
der Hygiene und Gewerbekrankheiten, herausgegeben von Pettenkofer
und Ziem8sen. Leipzig, Vogel, 1887. gr. 8. 351 S. mit 37 Abbildungen.
8 M.
Te&le, T. Prigin, Lebensgefahr im eigenen Hause. Ein illustrirter Führer zur
Erkenntniss gesundheitlicher Mängel im Wohnhause. Uebersetzt von Prin¬
zessin Christian von Schleswig-Holstein, für deutsche Verhältnisse
bearbeitet von Heinrich Wansleben. Mit einer Vorrede von Dr. F. Es-
march. Kiel, Lipsius & Tischer. 8. XXIII—145 S. mit 70 Tafeln. 8 M.
5. Schulhygiene.
Bericht über die Ergebnisse der Sommerpflege (Ferienkolonien, Kinderheil¬
stätten) im Jahre 1885. Erstattet von der Centralstelle der Vereinigungen
für Sommerpflegen. Berlin, Puttkammer & Mühlbrecht, 1886. gr. 8.
102 S. 2 M.
Centralstelle der Vereinigungen für Sommerpflegen. Verzeichniss: A. Der
Vereine, welche den Zweck haben, Kinder in Sommerpflege zu schicken;
B. der Vereine, welche den Zweck haben, für Schulkinder Spaziergänge ein¬
zurichten, oder sie in Stadt- etc. Kolonien aufzunehmen; C. der Bade¬
einrichtungen (See-, Sool- und andere), welche besonders zur Aufnahme von
ärmeren Kindern bestimmt sind; D. der sonstigen Einrichtungen zur Auf¬
nahme von Kindern in Sommerpflege, z. B. Heimstätten für Reconvalescenten.
Berlin, Puttkammer & Mühlbrecht, 1886. gr. 8. 47 S. 1*40 M.
Dubrisay et Vvon, Manuel d’hygiene scolaire, ä l’usage des delögues canto-
naux, des medecins inspecteurs et des instituteurs. Bruxelles, Manceaux,
1886. 18. 240 p. 2*50 Frcs.
Lagneau, G., Du surmenage intellectuel et de la sedentaire dans les ecoles;
memoire communique, en 1866, ä PAcademie des Sciences morales et poli-
tiques et ä PAcademie de medecine. Orleans, Girardot, 1886. 8.
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Neu erschienene Schriften. 363
Pflüger, Ernst, Prof. Dr., Kurzsichtigkeit und Erziehung. Festrede. Wiesbaden,
Bergmann, 1887. gr. 8. 39 S. 1 M.
Tischler, J. F., Dr., Das ländliche Volksschulhaus vom Standpunkte der öffent¬
lichen Gesundheitspflege erörtert für Aerzte, Techniker und Schulaufsichts¬
organe. München und Leipzig, Oldenbourg, 1887. gr. 8. 64 S. 1*20 M.
6. Hospitäler und Krankenpflege.
Biroher, H., Dr., Die Organisation der cantonalen Krankenanstalt in Aarau.
Aarau, Druck von Keller, 1886. 8. 63 S. mit einem Situationsplane.
Guttatadt, Albert, Dr., Krankenhaus-Lexikon für das Königreich Preussen. Die
Anstalten für Kranke und Gebrechliche und das Krankenhaus-, Irren-,
Blinden- und Taubstummenwesen. Herausgegeben vom königl. statistischen
Bureau. II. Theil. Berlin, Verlag des königl. statistischen Bureaus, 1886.
gr. 8. VI — 277 S.
Pfeiffer, L., Dr., Hülfs- und Schreibkalender für Hebammen, 10. Jahrgang,
1887. Im Aufträge des deutschen Aerztevereinsbundes herausgegeben. Wei¬
mar, Böhlau, 1887. 8. 134 S. 1 M.
—, Derselbe, Ausgabe B., für das Königreich Preussen, bearbeitet von Med.-
Rath Dr. Abegg. Weimar, Böhlau, 1887. 8. XX —139 S. 1*20 M.
Römer, A. f Dr., Anleitung zur Pflege im Wochenbett, Tübingen, Laupp, 1886.
8. 65 S. 1 M.
Seiler, H., Dr., Geh. Medicinalrath, Leitfaden der Krankenpflege zunächst für
Diaconissinnen. Leipzig, Thieme, 1886. gr. 8. VII — 95 S. 2 M.
ünterrichtebuch für Lazarethgehülfen. Berlin, Mittler, 1886. 8, XVI — 272 S.
mit 55 Abbildungen. 1 M.
v. Wardenburg, F., Wirkl. Geh,-Rath, Die Delegation der freiwilligen Kranken¬
pflege in Corbeil während des deutsch-französischen Krieges. Jena, Fischer,
1886. gr. 8. 94 S. 2 M.
Wassermann, Leonhard, Wer soll unsere Kranken pflegen? Bd. VIII, Heft 1
der Frankfurter zeitgemässen Broschüren, herausgegeben von Dr. J. M.
Raich. Frankfurt a. M., Foesser, 1886. gr. 8. 36 S. 0*50 M.
Wiehern, J., Die freiwillige Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krie¬
ger durch die deutschen Vereine vom Rothen Kreuz. Handbuch zur allge¬
meinen Orientirung für die auf Anregung des Centralcomites der deutschen
Vereine vom Rothen Kreuz 1886 gegründete „Genossenschaft freiwilliger
Krankenpfleger im Kriege“ zusammengestellt. Hamburg, Rauhe Haus, 1887.
8. VII —152 S. 0*60 M.
7. Militärhygiene.
Frölich, L., Dr., Hauptmann, Ueber Gebirgssanitätsdienst. Bern, 1886. 8. 43 S.
Instruotions for medical officiers of the United States Navy. Published by
the Navy Department. Washington, Gov. Print., 1886. 8. 111 p.
Report, Twenty-sixth Army Medical — for the year 1884. London, Eyre &
Spottiswoode, 1886. 8. 286 p.
Robert, A., Traite des manoeuvres d’ambulance et des connaissances militaires
pratiques ä Pusage des medecins de Parmee active de la reserve et de
Parmee territoriale. Paris, Doin, 1887. 8. 634 p.
Statistique medicale de Parmee beige. Periode de 1880 ä 1884. Bruxelles,
1886. Fol.
ITlilik, A., Dr., Statistischer Sanitätsbericht über die k. k. Kriegsmarine für das
Jahr 1885. Wien, Braumüller, 1886. Lex.-8. 181 S. 4 M.
Wahlberg, C. F., Dr., Uebung der Feldsanitätstruppen. Aus dem Schwedischen
übersetzt. Ilelsingfors (Leipzig, Voss), 1886. gr. 8. 19 S. mit 2 Tafeln.
0*50 M.
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364
Neu erschienene Schriften.
8. Infectionskrankheiten und Desinfection.
Alle Choleraschriften siehe am Schlüsse dieses Abschnitts unter 8 a.
Anweisung zum Desinfections verfahren bei Volkskrankheiten. Amtliche Aus¬
gabe. Berlin, Hayn, 1887. 16. 14 S.
Anleitung zur Desinfection und zur Desodorisation S. M. Schiffe und Fahr¬
zeuge. Berlin, Mittler, 1887. gr. 8. 24 S. 0 30 M.
Aradas, S., Primo saggio di batterio-terapia in Sicilia. Catania, Galatola, 1886.
8. Up. 2 diag.
de Bary, A., Vorlesungen über Bacterien. Zweite Auflage. Leipzig, Engel¬
mann, 1887. gr. 8. VI — 168 S. mit 20 Figuren. 3 M.
Bidenkap, J. L., An Abstract of Lectures on Lepra. Christiania, 1886. 8. 71 p.
5*25 M.
Brodin-Collet, A., M. Pasteur, la rage, le vaccin charbonneux. Paris, Tignot,
1887. 8. 142 p. avec fig. 4 Frcs.
Brugnoli , G., Notizie ed osservazioni intorno alle malattie da malaria nella
provincia di Bologna. Bologna, Gamberini e Parmeggiana, 1886. 4. 12 p.
Brunn, 0., Studier over Scorbutens Aetiologi og Pathogenese. Lund, 1886. 8.
222 p. 5*25 M.
Burekhardt, H., Dr., Zur Aetiologie des Puerperalfiebers. Vortrag. Neuwied,
Henser, 1887. gr. 8. 14 S. 0*75 M.
Cheverg, N., A Commentary on the Diseases of India. London, 1886. 8. 810 p.
28 sh.
Collie, Alexander, Dr., On Fevers; their history, etiology, diagnosis, prognosis,
and treatment. London, Lewis, 1886. gr. 8. AVith coloured plates. 8 sh. 6 p.
Estor, Eugene, Epidemie de scarlatine de 1885. Montpellier, Boehm, 1886. 8.
43 p.
Foueaud, J. M. II., Dr., Epidemie de dysenterie observee a Ninh-Binh (Tonkin).
Paris, imp. Davy, 1886. 8. 63 p.
Fränkel, Carl, Dr., Grundriss der Bacterienkunde. Berlin, Hirschwald, 1887.
gr. 8. IV —368 S. 8 M.
Fredet, G. E., Dr., Prof., La Rage: Deux jours chez M. Pasteur, Conference
faite ä l’Academie de Clerraont, le 24 mars 1886. Clermont-Ferrand, imp.
Mont-Louis, 1886. 8. 22 p.
Galtier, V., Prof., La Rage envisagee chez les animaux et chez Phomme au
point de vue de ses caracteres et de sa prophylaxie. Lyon, imp. Bourgeon,
1886. 8. 268 p.
Garbini, A., Guida alla bacteriologia. Firenze, Münster, 1886. 16. 5 L.
GressweH, D. A., Report to the Local Government Board on the prevalence of
diphtheria in, and on the sanitary condition of certain portions of the
registration district of Mansfield. London, 1866. Fol.
Hauser, Dr., Bezirksarzt, und Dr. Krelinger, Die Typhusepidemie in Triberg
1884—1886, vom ätiologischen, klinischen und sanitärpolizeilichen Stand¬
punkte aus bearbeitet. Berlin, Hirschwald, 1887. gr. 8. V—197 S. mit
3 lith. Tafeln. 6 M.
Henneberg, Desinfector in Bezug auf Princip, Construction, Betrieb und Kosten,
erläutert von Rietschcl und Henneberg. Berlin, Hermann, 1886. 8.
34 S. 1 M.
Kennedy, J. F., Typhoid fever, its cause and prevention. With appendix on
disinfection and disinfectants. Des Moines, Jo., Carter & Hussey, 1886. 8.
14 p.
Lagout, Du refroidissement dans la pathogenie de la pneumonie. Paris, Alcan-
Levy, 1886. 8. 31 p.
Leca, Joseph, Dr., De la pneumonie, maladie generale, infectieusc. Montpellier,
imp. Hamelin, 1886. 4. 59 p.
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Neu erschienene Schriften. 365
Le Dautec, A., Recherches sur la fievre jauue. Critique des theories micro-
biennes eraises en Araerique au sujet de cette maladie. These. Paris, 1886.
4. 59 p.
Leloir, Henri, Traite pratique et theorique de la lepre. Accompagne d’un
atlas. Paris, Delahaye & Lecrosnier, 1886. Fol. 359 p. 22 pl.
Le Pord, Eugene, Dr., Notes sur la fievre paludeenne ä Sainte-Marie de Mada-
gascar. Lyon, imp. nouvelle, 1886. 4. 61 p.
Marpmann, 6 ., Allgemeine Betrachtungen über Spaltpilz-Infections-Krankheiten.
Speeielle Untersuchung über Tuberculose und deren Heilung. Leipzig,
Belke, 1887. gr. 8. 27 S. 1 M.
Massachusetts State Board of Health, Circular: Suggestions for the pre-
vention of typhoid fever. Boston, 1886. 4.
Massen, Dr., Contribution a l’ätude des maladies infectieuses: de l’etiologie de
la tuberculose. Paris, imp. Davy, 1886. 8. 59 p.
Mittenzweig, Hugo, Bacterien de oorzaak van infectieziekten. Naar het duitsch
door J. Schoondermark. Amsterdam, van Klaveren, 1886. 8. 120 p.
Neusser, Edmund, Dr., Die Pellagra in Oesterreich und Rumänien. Wien,
Holder, 1887. gr. 8. 52 S. 150 M.
Moosbrugger, Paul, Ueber Actinomykose des Menschen. Inaugural-Dissertation.
Tübingen, Laupp, 1886. 8. 57 S. 1 Tafel.
Neustadt , Karl, Der puerperale Wundzustand und seine Bedeutung für die
puerperale Infection. Inaugural-Dissertation. Würzburg, Scheiner, 1886. 8. 17 p.
Nüeech, J., Ueber den gegenwärtigen Standpunkt der Bacterienkenntniss. Halle,
Gebauer-Schwetschke, 1886. 8. 15 S.
Oppenheimer, Gustav, Beitrag zur Rubeolenfrage. Inaugural - Dissertation.
Halle a. d. S., Schlesinger, 1886. 8. 24 S.
Fallier, F., Dr., Des fievres palustres observees ä Madagascar. Paris, imp.
Davy, 1887. 8. 54 p.
Parkin, John, Dr., Epidemiology, or the cause of epidemica, blight, hurri-
canes etc. Second edition. 2 Volumes. London, Sampson Low, Marston,
Searle & Rivington, 1886. 8. 8 sh. 6 d.
Pasteur, L., La Rage, le vaccin charbonneux. Paris, Tignol, 1887. 8. 142 p. 4Frcs.
Paulson, Friedrich, .Eis Beitrag zur Kenntniss der Lepra in den Ostseeprovinzen
Russlands. Inaugural-Dissertation. Dorpat, Krüger, 1886. gr. 8. 83 und
49 S. mit einer Karte. 2 M.
de Pezser, Dr., Le Microbe de la blennorrhagie (gonococcus). Paris, Bailiiere,
1886. 8. 48 p.
Pfeiffer, L., Dr., Geh. Medicinalrath, Die Schutzimpfungen des vorigen Jahr¬
hunderts. Weimar, Druck von Wagner, 1886. gr. 8. 14 S.
Report to the president of the board of health upon an outbreak of typhoid
fever in the municipal district of Leichhardt due to polluted milk. With
an account of the state of certain dairies in the same and other neighbou-
hoods, and remarks upon the legislation necessary to protect the purity of
public milk supplies. Sydney, Richards, 1886. Fol. 24 p.
Report of the Plymouth relief commitee on the epidemic of 1885, at Plymouth,
Pa. Plymouth, Pa, Star Job Print., 1886. 8. 31 p.
Sachau, Johann, Zur Aetiologie und Prophylaxis des Puerperalfiebers. Inaugu-
ral-Dissertation. Kiel, Schmidt & Klaunig, 1886. 8. 37 S.
Schoppe, H., Dr., Der Brechdurchfall der Säuglinge und seine Behandlung.
Beitrag zur Aetiologie und Therapie der Cholera infantum. Bonn, Haustein,
1887. 8. 58 S.
Sievers, R., Ora meningitis cerebro-spinalis epidemica i Sverige, Norge och
Finland. Helsingfors, Frenckell, 1886. gr. 8. 121 p.
Stiehler, Victor, Dr., Diphtherie zur Beachtung für Aerzte und zur Aufklärung
und zur Beruhigung für Laien. Freiberg, Craz & Gerlach, 1887. gr. 8.
48 S. 1 M.
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368 Neu erschienene Schriften.
Heidenhain , Anton, Dr., Die Anwendung der §§. 10 bis 14 des Nahrungs-
mittelgeBetzes (Fleischverkehr) vom 14. Mai 1879 im praktischen Leben. Auf
Grund der Reichsgerichtsentscheidungen. Berlin, Hirschwald, 1887. gr. 8.
38 S. 0*80 M.
Hexmigsen, W., Etwas aus der Küche der Soldaten, der Gefangenen, der
Arbeitslosen etc. oder die Ernährung der Menschen in Gewicht, in Geld, in
Stoff, in Wort. Hamburg, Koch, 1886. gr. 8. 70 S. 0-60 M.
Johne , A., Prof. Dr., Der Trichinenschauer. Leitfaden für den Unterricht in
der Trichinenschau und für die mit Controle und Nachprüfung der Trichinen-
Bchauer beauftragten Veterinär- und Medicinalbeamten. Berlin, Parey, 1887.
gr. 8. VIII —127 S. mit 98 Textabbildungen. 3 M.
Pfeiffer , Emil, Dr., Die Analyse der Milch. Anleitung zur qualitativen und
quantitativen Untersuchung dieses Secretes für Chemiker, Pharmaceuten
und Aerzte. Wiesbaden, Bergmann, 1887. gr. 8. VIII — 84 S. mit 5 Ab¬
bildungen. 2*40 M.
Verordnung des k. k. Statthalters im Erzherzogthum Oesterreich unter der
Enns vom 26. September 1886, betr. die Vieh- und Fleischbeschau-Ordnung
für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns mit Ausschluss der
k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Wien, Hof- und Staatsdruckerei,
1886. 8. 26 S. 0-25 M.
Weinverschnitte, Die — und das Nahrungsmittelgesetz. Nachtrag. Erkennt-
niss des königl. Landgerichts zu Danzig vom 31. Mai 1886 nebst Begrün¬
dung desselben. Danzig, Kafemann, 1886. 8. 47 S. 0*50 M.
14. Leichenverbrennung und Leichenbestattung.
Buffalo-Crematory, The —. Buffalo, N. Y., Northrup & Co., 1886. 4. 8 p.
Congress des Vereins für Reform des Bestattungswesens und facultative Feuer¬
bestattung zu Gotha am 27. September 1886. Darmstadt, Bergstrasser, 1886.
gr. 8. IV — 80 S. 0*80 M.
Regolamento intorno della Societä per la cremazione dei cadaveri di Milano.
Milano, 1886. 16. 14 p.
Venturoli, M., La cremazione e la salute pubblica. Bologna, Mareggiani, 1886.
12. 62 p.
15. Verschiedenes.
Alasoniere, De la mortalite par l’asphyxie lente des animaux de l’espece bovine
dans les etables malsaines. La Roche-sur-Yon, imp. Servant, 1887. 8. 14 p.
1 Frc.
Calmette, Albert, fitude critique sur Vetiologie et la pathogenie des maladies
tropicales attribuees ä la filaire du sang humain. These. Paris, 1886. 4.
46 p.
Jean, Numa, Contribution ä l’etude des quarantaines. These. Paris, 1886. 4.
28 p.
Report on the quarantine System of the St. Lawrence. Approved and adopted
1886. Toronto, Warwick, 1886. 8. 18 p.
Anhang: Alkobolismus.
Bunge, G., Professor, Die Alkoholfrage. Ein Vortrag. Leipzig, Vogel, 1887,
gr. 8. 23 S. 0*80 M.
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Dr. M. Pistor, Aerztlicke Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen. 369
Die Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit und
hei Unglücksfällen. Sanitätswachen.
Von Dr. M. Pistor,
Regierungs- und Geheimer Medicinalrath in Berlin.
Die Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit und bei Unglücksföllen
oder plötzlichen Erkrankungen, welche das Leben in Frage stellen, hat
zwar gewöhnlich und in der Mehrzahl der Fälle eine mehr persönliche
Bedeutung, ist aber zu Zeiten von Epidemieen, insbesondere von Cholera¬
verbreitung, auch für die Allgemeinheit, für die öffentliche Gesundheitspflege,
von der grössten Wichtigkeit. Gerade umfangreichere Choleraepidemieen
reiben die Kräfte der einzelnen Aerzte namentlich in grösseren Städten, in
welchen die Bevölkerung meist höhere Ansprüche an die ärztliche Hülfs-
bereitwilligkeit stellt, als auf dem Lande, sehr schnell auf, so dass der
einzelne Arzt ausser Stande ist, jedem Rufe Folge zu leisten. Aber auch
andere epidemische Krankheiten können bei grosser Verbreitung und Heftig¬
keit der Einzelerkrankungen (z. B. epidemische Ruhr oder Flecktyphus)
besondere Einrichtungen erfordern, um den Bedarf an ärztlicher Hülfe
einigermaassen zu decken. Bei umfangreicherem Auftreten von Cholera,
Ruhr, Pocken und Flecktyphus sind wiederholt ärztliche Wachen auf Zeit
eingerichtet worden; es soll hier nur an die grossen Choleraepidemieen aus
sämmtlichen Jahrzehnten dieses Jahrhunderts von 1831 ab bis zu den
70 er Jahren, an die ostpreussischen und oberschlesischen Flecktyphusseuchen
von 1868, 1846 bis 1848 und 1876/77 und an die Pockenepidemieen im
Anfänge dieses Jahrhunderts erinnert werden.
Vorstehende Bemerkungen dürften genügen, um die Besprechung der
Sanitätswachen in dieser Zeitschrift zu rechtfertigen, zumal ein erneueter
Ausbruch der Cholera in Deutschland für die nächste Zeit nicht ausge¬
schlossen ist.
Die Einrichtungen behufs Erlangung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit
sind zum Theil in Folge des Auftretens von Choleraepidemieen entstanden,
z. B. in Paris und Berlin wurden die ersten Anregungen dazu nach den
Choleraepidemieen von 1836 bezw. 1849 gegeben, weil sich zu jenen
Zeiten ein Mangel an ärztlicher Hülfe selbst in dem vor 20 Jahren noch
kleinen Berlin fühlbar gemacht hatte. Dazu kam aber auch in allen grossen
Städten, d. h. solchen, welche mehrere Hunderttausend oder gar eine Million
und mehr Einwohner zählten, der Umstand, dass es immer schwieriger
wurde, zur Nachtzeit, bei Unglücksfallen oder plötzlichen Erkrankungen,
besonders in den vom Verkehre entfernteren Stadttheilen, aber auch im
Mittelpunkte der Städte schnell ärztliche Hülfe zu erlangen. Diesem Uebel-
Vierteljahrflschrift für Gesundheitspflege, 1887. 24
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366 Neu erschienene Schriften.
Sweeting, R. D. R., Report to the Local Board on diphtheria in certain
districts of Hertfordshire. London, 1886. Fol.
Weichselbaum, A., Dr., Prof., Der gegenwärtige Stand der Bacteriologie und
ihre Beziehungen zur praktischen Medicin. Wien, Breitenstein, 1887. gr. 8.
47 S. mit 16 Abbildungen.
de Waldige, Anton, Zusammenstellung derjenigen Fälle von Puerperalfieber,
bei welchen Mikroorganismen nachgewiesen und seit 1874 veröffentlicht
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Kühn, Julius, Dr., Die Prostitution im neunzehnten Jahrhundert vom sanitäts¬
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Aus dem Italienischen übersetzt von Albert Fleischer. Forbach, Hupfer,
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Egger und Th. Weigle. Berlin, Springer, 1887. gr. 8. 103 S. 2 M.
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Hager, Arnold, Die Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen und
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Frankfurt a. d. 0., Waldmann, 1886. 8. 58 S. mit 56 Abbildungen. 1*80 M.
Heger, Hans, Dr., Zeitschrift für Nahrungsmitteluntersuchung und Hygiene.
Eine Monatsschrift für chemische und mikroskopische Untersuchung von
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I. Jahrgang, Heft 1. Wien, Perles, 1887. gr. 8. 3 fl. per Jahr.
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3G8 Neu erschienene Schriften.
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mittelgesetzes (Fleischverkehr) vom 14. Mai 1879 im praktischen Leben. Auf
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38 S. 0*80 M.
Hennigsen, W., Etwas aus der Küche der Soldaten, der Gefangenen, der
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Stoff, in Wort. Hamburg, Koch, 1886. gr. 8. 70 S. 0*60 M.
Johne, A., Prof. Dr., Der Trichinenschauer. Leitfaden für den Unterricht in
der Trichinenschau und für die mit Controle und Nachprüfung der Trichinen-
Bchauer beauftragten Veterinär- und Medicinalbeamten. Berlin, Parey, 1887.
gr. 8. VIII —127 S. mit 98 Textabbildungen. 3 M.
Pfeiffer , Emil, Dr., Die Analyse der Milch. Anleitung zur qualitativen und
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und Aerzte. Wiesbaden, Bergmann, 1887. gr. 8. VIII — 84 S. mit 5 Ab¬
bildungen. 2*40 M.
Verordnung des k. k. Statthalters im Erzherzogthum Oesterreich unter der
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für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns mit Ausschluss der
k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Wien, Hof- und Staatsdruckerei,
1886. 8. 26 S. 0*25 M.
Weinverschnitte, Die — und das Nahrungsmittelgesetz. Nachtrag. Erkennt¬
nis des königl. Landgerichts zu Danzig vom 31. Mai 1886 nebst Begrün¬
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bestattung zu Gotha am 27. September 1886. Darmstadt, Bergsträsser, 1886.
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Venturoli, M., La cremaziune e la salute pubblica. Bologna, Mareggiani, 1886.
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dans les etables malsaines. La Roche-sur-Yon, imp. Servant, 1887. 8. 14 p.
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Anhang: Alkobolismus.
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Dr. M. Pistor, Aerztliclie Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen. 369
Die Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit und
bei Unglücksfällen. Sanitätswachen.
Von Dr. M. Pistor,
Regierungs- und Geheimer Medicinalrath in Berlin.
Die Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit und bei Unglücksfällen
oder plötzlichen Erkrankungen, welche das Leben in Frage stellen, hat
zwar gewöhnlich und in der Mehrzahl der Fälle eine mehr persönliche
Bedeutung, ist aber zu Zeiten von Epidemieen, insbesondere von Cholera¬
verbreitung, auch für die Allgemeinheit, für die öffentliche Gesundheitspflege,
von der grössten Wichtigkeit. Gerade umfangreichere Choleraepidemieen
reiben die Kräfte der einzelnen Aerzte namentlich in grösseren Städten, in
welchen die Bevölkerung meist höhere Ansprüche an die ärztliche Hülfs-
bereitwilligkeit stellt, als auf dem Lande, sehr schnell auf, so dass der
einzelne Arzt ausser Stande ist, jedem Rufe Folge zu leisten. Aber auch
andere epidemische Krankheiten können bei grosser Verbreitung und Heftig¬
keit der Einzelerkrankungen (z. B. epidemische Ruhr oder Flecktyphus)
besondere Einrichtungen erfordern, um den Bedarf an ärztlicher Hülfe
einigermaassen zu decken. Bei umfangreicherem Auftreten von Cholera,
Ruhr, Pocken und Flecktyphus sind wiederholt ärztliche Wachen auf Zeit
eingerichtet worden; es soll hier nur an die grossen Choleraepidemieen aus
sämmtlichen Jahrzehnten dieses Jahrhunderts von 1831 ab bis zu den
70 er Jahren, an die ostpreussischen und oberschlesischen Flecktyphusseuchen
von 1868, 1846 bis 1848 und 1876/77 und an die Pockenepidemieen im
Anfänge dieses Jahrhunderts erinnert werden.
Vorstehende Bemerkungen dürften genügen, um die Besprechung der
Sanitätswachen in dieser Zeitschrift zu rechtfertigen, zumal ein erneueter
Ausbruch der Cholera in Deutschland für die nächste Zeit nicht ausge¬
schlossen ist.
Die Einrichtungen behufs Erlangung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit
sind zum Theil in Folge des Auftretens von Choleraepidemieen entstanden,
z. B. in Paris und Berlin wurden die ersten Anregungen dazu nach den
Choleraepidemieen von 1836 bezw. 1849 gegeben, weil sich zu jenen
Zeiten ein Mangel an ärztlicher Hülfe selbst in dem vor 20 Jahren noch
kleinen Berlin fühlbar gemacht hatte. Dazu kam aber auch in allen grossen
Städten, d. h. solchen, welche mehrere Hunderttausend oder gar eine Million
und mehr Einwohner zählten, der Umstand, dass es immer schwieriger
wurde, zur Nachtzeit, bei Unglücksfällen oder plötzlichen Erkrankungen,
besonders in den vom Verkehre entfernteren Stadttheilen, aber auch im
Mittelpunkte der Städte schnell ärztliche Hülfe zu erlangen. Diesem Uebel-
Vierteljahmchrift für Gesundheitspflege, 1887. 24
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370
Dr. M. Pistor,
stände zu begegnen, waren einzelne Menschenfreunde bestrebt, feste Wachen
zu schaffen, in welchen zur Nachtzeit stets ärztliche Hülfe gewährt, oder
doch nachgewiesen wurde; der Gedanke wurde dann von Vereinigungen zu
wohlthätigen Zwecken, von Orden (Johanniter, Maltheser) und von Behörden
weiter ausgebaut.
Zur Rettung Ertrunkener hatte eine Gesellschaft zu Amsterdam bereits
im Jahre 1767 Hülfsbäuser mit ärztlichem Dienste errichtet, welche sich
im Laufe eines Jahrhunderts über das ganze Königreich der Niederlande
verbreitet haben. Dem gegebenen Beispiele folgte man bereits 1772 in
Paris durch Errichtung von Rettungspavillons an der Seine, welche noch
heute, selbstredend wesentlich vervollkommnet und erheblich an Zahl ver¬
mehrt, zura Segen der Bevölkerung fortbestehen; ähnliche Einrichtungen
wurden 1774 in London getroffen. Diese ältesten Hülfsanstalten für Un¬
glücksfälle sollen hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Einrichtungen behufs Erlangung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit sind,
soweit meine Ermittelungen reichen, zuerst in Paris im Jahre 1836 getroffen
worden; wenigstens erliess der Polizeipräfect unter dem 1. Januar 1836
eine Verordnung nebst Anweisung betr. die erste Hülfe bei Verunglückungen.
In dieser Verordnung werden Hülfsstationen (depöts de secours ) erwähnt,
wohin alle auf der Strasse Verunglückten, sowie Verwundete, Ertrunkene,
Erstickte etc. gebracht werden; jene Depots können hiernach nicht gleich¬
bedeutend mit den vorerwähnten Seinepavillons gewesen sein. Die Ver¬
ordnung vom 1. Januar 1836, betreffend secours ä donncr aux Noyis ,
asphyxies ou blesses , wurde unter dem 17. Juli 1850 mit zeitgemässen
Aenderungen erneuert. Indessen erfreuten sich die nach jenen Vorschriften
geschaffenen Hülfsdepöts wegen ihrer vielen Mängel keines grossen Beifalls
in der Bevölkerung; die Räumlichkeiten befanden sich in den Polizei¬
stationen oder Militärkaseruen und boten oft nicht einmal einen geeigneten
Raum für die zeitweilige Aufnahme Verunglückter und Erkrankter; letztere
mussten vielmehr fast immer bei den Wachthabenden untergebracht werden
(man denke dabei an Frauen im schwangeren Zustande, an Epileptische etc.);
endlich verging nicht selten geraume Zeit bis zur Ankunft des Arztes. In
Folge dieser Unzuträglichkeiten wurden die Hülfsstationen nur in der äusser-
sten Noth bei Unfällen benutzt. Anderweite zweckmässigere Einrichtungen
scheinen mehrfach, aber ohne Erfolg, in Anregung gebracht worden zu sein.
Im Jahre 1869 trat endlich Dr. Passant, Generalsecretär des armen¬
ärztlichen Vereins (SocieU medicale des bureaux de bienfaisancc) zu Paris
in Gemeinschaft mit dem inzwischen verstorbenen Chirurgen Nelaton der
Angelegenheit ernstlich näher, um eine assistance medicale au nuit zu
schaffen. Die nach dieser Richtung gemachten Vorschläge wurden wieder-
holentlich von der Landesvertretung erörtert, aber durch den deutsch¬
französischen Krieg und später durch andere Zwischenfalle wieder in den
Hintergrund gedrängt.
Dr. PasBant’s Antrag ging dahin, dass diejenigen Aerzte, welche zu
ärztlicher Hülfsleistung während der Nachtzeit bereit waren, auf dem zu¬
ständigen Polizeirevier ihre Namen angeben sollten; unter diesen wählen
die Ilülfesuchenden nun einen Arzt aus, welcher unter Führung eines von
der Wache abgegebenen Schutzbeamten abgeholt wird und unter dessen
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 371
Schutz seinen Krankenbesuch abstattet. Darauf erhält der Arzt von dem
Polizeibeamten eine Anweisung auf 10 Francs Vergütigung, zahlbar an der
Kasse der Polizeipräfectur, welcher die Auslage von der Pariser Gemeinde¬
kasse erstattet wird, falls die Vermögenslage des Kranken keine Kosten¬
erstattung zulässt.
Die Passant’schen Vorschläge fanden eine nachdrückliche und erfolg¬
reiche Unterstützung bei dem damaligen Polizeipräfecten Leon Renault,
welcher in voller Würdigung der Bedeutung einer derartigen Einrichtung
für das Gemeinwohl im November 1875 im Pariser Gemeinderath für die
geplante Einrichtung lebhaft eintrat und in warmen Worten insbesondere
auch darauf hinwies, dass man den Aerzten, welche auch nur über
menschliche , also begrenzte Kräfte verfügten und durch ihren Beruf,
welcher unter steten Gemütsbewegungen und oft persönlichen Gefahren
ausgeübt würde, derartig angestrengt würden, dass körperliche und
geistige Ruhe für dieselben zu gewissen Stunden eine unabweisbare
Nothwendigkeit würde, keinen Vorwurf machen dürfe, wenn dieselben
unter Umständen ihre Hülfe verweigerten.
Die Verwaltung habe daher dafür zu sorgen:
1. dass Personen, welche der unverzüglichen Hülfe eines Arztes be¬
dürftig seien, eine solche sicher und ohne Zeitverlust finden
könnten;
2. dass der herbeigerufene Arzt auch im Stande und bereit sei, dem
Rufe zu folgen;
3. dass diese seine aufopfernde Thätigkeit den Arzt nicht in persönliche
Gefahr bringe und vielmehr durch eine Vergütigung der entstandenen
Störung in billiger Weise anerkannt werde.
Leon Renault drang ira Gemeinderath durch, und so trat am
6. Februar 1876 der ärztliche Nachtdienst ( assistance midicale au nuit)
nach den Vorschlägen des Dr. Passant ins Leben. Es betheiligten sich
zunächst 545 Aerzte, deren Zahl bis zum Jahre 1879 auf 664 stieg, zu
denen sich noch 106 Hebammen einschreiben Hessen.
Wer sich für Einzelheiten interessirt, möge in A. Decharabre’s
didionnaire encyclopidique des Sciences mMicales Alexander Layet’s
Artikel „nuit“, Abschnitt „ assistance medicale de nuit“, p. 766 einsehen, in
welchem die bezüglichen Vprarbeiten eingehend erörtert sind. Einen kurzen
Auszug daraus hat Dr. Pagel in Berlin im vierten Jahrgange des Berliner
ärztlichen Gorrespondenzblattes vom 10. Mai. 1886, Nr. 3, S. 63 ff., mit-
getheilt.
Nach Layet’s Angaben sollen in allen grösseren Städten Frankreichs,
auch in Algier, sowie Petersburg, Moskau, Warschau, Rom, Mailand, Turin
und Lissabon derartige Einrichtungen ins Leben getreten sein. Ueber
den heutigen Stand der Sache in Paris war keine weitere Auskunft zu
erlangen.
ln Madrid sind, soweit mir bekannt, im siebenten Jahrzehnt durch
Dr. Rivero, den späteren Minister, Hülfshäuser ( casas del soccoro) in jedem
Stadtbezirke (Municipaldistrict) errichtet worden, welche unabhängig und
ganz getrennt von Polizeiwachen und Casernen für plötzliche Erkrankungen
24*
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372
Dr. M. Pistor,
und Unfälle aller Art eingerichtet sind und sogar ausgesetzte und verlassene
Kinder, wie Heimathlose für eine gewisse Zeitdauer aufnehmen. Jedes Haus
hat einen ständigen Arzt sowie mehrere Krankenwärter und ist mit allen
erforderlichen Geräthen und Instrumenten ausgerüstet.
In England gründete die königliche humanitäre Gesellschaft 1774 die
bereits erwähnten Hülfsanstalten für Verunglückte, Ertrunkene etc. mit
ärztlichem Dienst, welche in späterer Zeit sehr vollkommen eingerichtet
und allmälig über das ganze Land ausgebreitet wurden. Zur Zeit sorgt
nach den mir gewordenen Mittheilungen besonders der englische Maltheser
Orden für die erste Hülfe bei Unglücksfallen etc. und bildet zu dem Zwecke
Personen in Lehrcursen aus. Die Abtheilung des englischen Maltheser
Ordens ( Order of St. John of Jerusalem [english language]) y welche sich mit
dieser Pflege beschäftigt, führt die Bezeichnung „St. John’s Ambulance
association u und wurdo 1877 von dem Herzog von Manchester und dem
Ordenscapitel zu dem Zwecke ins Leben gerufen, allgemeine Belehrung
bezüglich der vorläufigen Behandlung von Kranken und Verletzten in allen
Schichten der Gesellschaft zu verbreiten. Zu dem Behufe sind Haupt- und
Zweigstationen in London wie in ganz England eingerichtet. Diese
Stationen bezw. die daselbst Beschäftigten sollen aber nach der in be¬
stimmtester Weise ausgesprochenen Absicht des Ordens nur die erste Hülfe
bis zur Ankunft eines Arztes leisten, welcher sofort zu benachrichtigen ist.
Die englischen Polizisten, welche bei den dort häufigen Strassenunföllen
am häufigsten in die Lage kommen, dem Verunglückten bezw. Erkrankten
die erste Hülfe zu leisten, werden in den Lehrcursen des Maltheser Ordens
vorgebildet. Die Bestrebungen des Ordens sind, wie allgemein anerkannt
wird, bis dahin vom besten Erfolge gekrönt worden. Mit besonderem
Eifer witjmet Mr. John Furley sich diesen Werken wahrer Menschenliebe
und hat wesentlich zu den guten Leistungen des Ordens mitgewirkt. Ein
schönes Zeugniss für den Gemeinsinn der Engländer aber giebt die That-
sache, dass die von dem Maltheser Orden auf öffentlichen, besonders ver¬
kehrsreichen Plätzen Londons zum augenblicklichen Gebrauch für Ver¬
unglückte frei angebrachten Tragbahren bisher niemals beschädigt oder
entwendet worden sind J ).
Weitere derartige Einrichtungen, insbesondere zur Beschaffung ärzt¬
licher Hülfe zur Nachtzeit in London habe ich ungeachtet mehrfacher
Bemühungen bisher nicht ermitteln können. Ueber die amerikanischen
Verhältnisse, insbesondere diejenigen in New York, steht mir kein Material
zur Verfügung.
In Wien hat erst der Brand des Ringtheaters mit seinen Schrecken
eine den vorstehenden ähnliche, aber dieselben an Ausstattung und Umfang
weit übertreffende Einrichtung in Gestalt der Wiener freiwilligen Rettungs¬
gesellschaft am 9. December 1881 ins Leben gerufen. Diese mit sehr
grossen Mitteln seitens ihres Gründers Graf Wilczek und der hinzutretenden
Stifter ausgestattete Vereinigung, um deren weitere Entwickelung sich ins-
*) Während des Druckes geht mir von einem deutschen Arzte in London die Nach¬
richt zu, dass Ordensstationen nach Art der Berliner Sanitätswachen (mit ärztlichem
Dienst in der Wache) dort nicht bestehen.
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfullen etc. 373
besondere Baron Mundy grosse Verdienste erworben hat, bezweckt vor
allen Dingen bei grossen Katastrophen, Bränden, Wassersnoth, Schiffsunter¬
gang auf der Donau, Eisenbahnunfallen, kurz bei Massenunfallen den Ver¬
unglückten schleunige Hülfe zu leisten, beschäftigt sich gleichzeitig aber
auch mit der Hülfsleistung bei Einzelunfällen.
Zu letzterem Zwecke wurde bereits am 1. Mai 1883 eine permanente
Sanitätswache im I. Stadtbezirk am Fleischmarkt Nr. 1 und im Mai 1885
eine zweite Wache in demselben Bezirk Giselastrasse Nr. 1 eingerichtet.
Die erstgedachte Anstalt besteht aus zwei gut ventilirten, mit Meissner-
schen Füllöfen versehenen Zimmern, von denen eins für die Wache, das
andere für die Verunglückten bestimmt ist. Ausser der gewöhnlichen
Zimmereinrichtung sind noch eigene Kästen für die Rettungsgeräthe und
sonstige Apparate, ferner Eis- und Wasserbehälter und ein Inductionsapparat
zum Beleben von Scheintodten vorhanden. In dem zweiten Zimmer befinden
sich auch zwei zerlegbare Betten mit Kautschuk- und Wachslein ewand-
nnterlagen, ferner ein Krankenstuhl, eine Operationstragbahre, vier In¬
strumententaschen und zwei Rettuügskästen, welche Alles enthalten, was
die moderne Chirurgie und Hygiene für die erste Hülfe bei plötzlichen
Unglücksfällen fordern. Ein zur Bespannung hergerichteter Transportwagen
für Kranke und Verwundete, sowie Tragbahren sind in steter Bereitschaft
in einem besonderen Magazine aufbewahrt. In ähnlicher Weise ist die
zweite Wache eingerichtet. Weitere Sanitätswachen sind bis heute nicht
errichtet worden.
Als Fortschritt in diesem Theile des öffentlichen Wohlfahrtsdienstes
aber ist zu verzeichnen, dass die freiwillige Rettungsgesellschaft seit Ende
1885 auf mehreren Strassen und Plätzen der inneren Stadt, sowie an den
Wartehallen der Pferdebahn nach dem Vorbilde der Maltheser in London
Tragbahren aufgestellt hat, welche im Bedarfsfälle von Jedermann benutzt
werden können.
Im Ganzen haben sich bis 1885 für die erste Hülfsleistung bei plötz¬
lichen Unglücksfallen 130 Aerzte und 150 Freiwillige (grösstentheils
Studirende der Medicin) der freiwilligen Rettungsgesellschaft zur Verfügung
gestellt, welche den Nachtdienst übernehmen und damit ein erfolgreiches
Eingreifen sichern. Die Gesellschaft übernimmt auch die Ueberfiihrung
von Kranken nach den Krankenhäusern und verfügt zu diesem Zwecke
über einen Fahrpark von 25 Wagen und verschiedenartigen anderen
Transportgeräthen.
Aus der mir vorliegenden 1885er Dienstanweisung für die Sanitäts¬
stationen und Sanitätswachen sei hier Folgendes angeführt:
Die Sanitätswache hat den Hauptzweck, bei Tag und Nacht bei allen
auf den öffentlichen Strassen, Gewölben, Fabriken, in öffentlichen oder
Privatanstalten und Gebäuden, auf Eisenbahnen und in Kriegszeiten im
Gebiete der Stadt Wien und ihres Polizeibezirkes vorkoramenden plötzlichen
Unglücksfällen aller Art schnell und sachgemäss die erste Hülfe zu leisten.
(§. 2 der besonderen Vorschriften für den Sanitätsdienst.)
Um in den angegebenen Fällen jedem Rufe der Behörde, sowie der
Einzelnen unbedingt Folge leisten zu können * muss man über den Umfang
des Unglücksfalles und die näheren Umstände wenigstens theilweise unter-
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374
Dr. M. Pistor,
richtet sein, um dann auch demgemäss die nöthigen Anstalten treffen za
können. Es muss daher der Führer der Sanitätswache von der requiriren-
den Partei eine kurze Darstellung abverlangen. (§. 3.)
Nach der jeweiligen Ausdehnung des Falles entsendet der Führer der
Wache entweder zwei Sanitätsmänner mit der gedeckten Stadttrage und
der Sanitätstasche an den Unglücksort oder ordnet gleichzeitig das Rufen
eines Arztes oder mehrerer Aerzte und das Bespannen des Transportwagens
an, in welchem der Arzt mit dem Sanitätskasten I an den Unglücksort
eilt. (§. 8.)
Für den Fall der Meldung eines umfangreichen Unglücksfalles, in
welchem mehrere oder eine grössere Zahl von Menschen in Lebensgefahr
gekommen sind, enthält §. 9 entsprechende Vorschriften. Bei Verletzungen
sollen nur Chirurgen von Fach zu Hülfe gerufen werden. In der Regel
werden nur jene vorläufig für die Dienstleistung „erste Hülfe bei plötz¬
lichen Unglücksfällen tt vorgemerkten activen Mitglieder, welche den
abgehaltenen theoretischen und praktischen Vorträgen über diesen Dienst,
dann den abgehaltenen Uebungen, sowie den Belehrungen über den ersten
Verband und über den Transport von Kranken und Verletzten „andauer nd u
mit Erfolg beigewohnt haben, zu den activen Dienstleistungen in den
Sanitätsstationen zugelassen. (§. 1 der allgemeinen Dienstvorschriften.)
Name und Wohnung derjenigen, welche täglich zum Dienste in Bereitschaft
sein müssen, sind in einem Dienstvertheilungsbuche genau verzeichnet. (§. 2.)
In der Regel beziehen stets drei Mann die Wache, von denen der
Aelteste „Führer“ derselben ist. (§. 3.)
In jeder Jahreszeit beginnt die Wache um 8 Uhr Abends und wird
am folgenden Tage um dieselbe Zeit abgelöst. (§. 4.)
Allen nach der Sanitätswache gebrachten, auf der Strasse Erkrankten
und Verunglückten und sich selbst auf der Wache einfindenden Verletzten,
sowie von einem wirklichen plötzlichen Unwohlsein Befallenen ist sogleich
die erste Hülfe zu leisten. Diejenigen, welche nicht in die erwähnte
Kategorie gehören, sind an einen Arzt zu weisen und ist überhaupt
nie eine Medication oder Arzneianweisung ohne ärztliche Anordnung
in der Sanitätsstation zulässig. Die Sanitätsstation ist nur für die erste
Hülfe bei plötzlichen Unglücksfallen errichtet und eingerichtet worden;
ein Ambulatorium (Poliklinik) für Verletzte und Kranke darf dort unter
keiner Bedingung vorausgesetzt oder geduldet werden. Simulanten sind
zurückzuweisen. (§. 1 der besonderen Dienstvorschriften.)
Vom 1. Mai bis zum Schlüsse des Jahres 1883 leistete die Station in
509, während des Jahres 1884 in 675 Unglücks- und plötzlichen Erkrankungs¬
fällen Hülfe. (Wiener Jahres-Sanitätsbericht S. 267 und 268.)
Diese Thätigkeit hat nach brieflicher Mittheilung des Stadtphysicus
Dr. Kämmerer vom 10. Februar 1887 in den folgenden Jahren erheblich
zugenommen, so dass die gedachten beiden Stationen
im Jahre 1885 im Jahre 1886
bei 404 . . . bezw. 687 plötzlichen Erkrankungen
und 960 . . . bezw. 1450 Verletzungen
in Anspruch genommen wurden.
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 375
Dazu tritt noch die Thätigkeit der kaiserl. Sicherheitswache (Schutz¬
in annechaft), welche 1883 bei 2917 und 1884 bei 2618 plötzlichen Er¬
krankungen und Unglücksfällen den Betroffenen hülfreich zur Seite stand;
die Sicherheitsbeamten erwiesen sich als gut geschult, so dass die geleistete
Hülfe als stets zweckentsprechend bezeichnet wird; Einzelheiten über Ein¬
richtung der im Ganzen 79 Revierstationen, für welche 11 grosse, 68 kleine
Rettungskästen, 37 vollkommene und 35 einfache Tragbetten und 28 Leichen¬
tragen Ende 1884 vorhanden und nach Bedarf vertheilt waren, ergeben
sich aus dem wiederholt angegebenen Jabressanitätsbericht des Stadtphysi-
cats S. 248 bis 268.
Was nun die Berliner Verhältnisse betrifft, so wurde hier die Frage
in Rede zum ersten Mal 1849 nach Ablauf der damaligen grossen Cholera¬
epidemie, während welcher der Mangel an ärztlicher Hülfe sich sehr fühlbar
gemacht hatte, erörtert, verschwand aber bald von der Tagesordnung der
Presse, um aus gleicher Veranlassung 1854 und 1866 von dem inzwischen
verstorbenen Arzt Dr. Julius Beer wieder aufgenommen zu werden.
Leider blieb der von letzterem 1854 an den Magistrat gerichtete An¬
trag, Veranstaltungen zu treffen, welche die Erreichung ärztlicher Hülfe
für Jedermann auch zur Nachtzeit ermöglichen, erfolglos. Dr. Beer be¬
gründete seinen Antrag damit, dass nachgewiesenermaassen in Berlin all¬
jährlich eine nicht geringe Anzahl von Todesfällen vorkäme, weil bei plötz¬
lichen Erkrankungen etc. ärztliche Hülfe nicht rechtzeitig zu erlangen sei.
Eine im October 1866 an das Polizeipräsidium gerichtete gleichartige
Vorstellung, welcher ein kurz begründeter Satzungsentwurf mit sehr hohen
Anforderungen beigefügt war, führte ebensowenig zum Ziel, da Polizei¬
präsidium und Magistrat ungeachtet mehrfacher Erörterungen über die
Angelegenheit sich nicht zu verständigen vermochten; 1870 kam die Presse
nochmals ohne Ergebniss auf die Angelegenheit zurück.
Dem Berliner Local-Comite des Vereins zur Pflege im Felde verwundeter
und erkrankter Krieger, welches der öffentlichen Wohlfahrt auch im Frieden
dienen wollte, gelang es nach Dr. Beer’s Tode unter Leitung des Bild¬
hauers Gilli und einiger anderer Männer, am 15. Mai 1872 die beiden
ersten Berliner Sanitätswachen, welche aus freiwilligen Beiträgen errichtet
wurden, auf den Grundstücken Kurstrasse 34 im Mittelpunkte der Stadt,
und JoachimBtrasse 4 in der Schönhauser Vorstadt zu eröffnen; die Ein¬
richtung weiterer derartiger Anlagen wurde in Aussicht gestellt und er¬
folgte bereits Ende desselben Jahres auf den Grundstücken Schönhauser
Allee 27 und Unter den Linden 64. Nach dem von dem Comite veröffent¬
lichten Aufruf sollten an jeder Sanitätswache sechs approbirte Aerzte
und drei geprüfte Heilgehülfen fest angestellt werden, von denen alternirend
in jeder Nacht, während der sechs Sommermonate von Abends 10 Uhr bis
Morgens 5 1 /2 Uhr, in der Winterzeit von 10 Uhr Abends bis ö 1 /? Uhr früh,
zwei Aerzte und ein Heilgehülfe stationirt sein sollten, um den Mitbürgern
bei weniger dringenden Anlässen mit ihrem liathe, bei Fällen, wo Gefahr
im Verzüge, auch persönlich Beistand leisten zu können.
Das Innere der Sanitätswache war dergestalt hergerichtet, dass bei
vorkommenden Unglücksfallen Personen Aufnahme finden, und so lange dort
unter ärztlicher Fürsorge verbleiben konnten, bis der von der Behörde
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376 Dr. M. Pistor,
requirirte Krankenwagen dieselben in ihre Häuslichkeit oder in das Kranken¬
haus beförderte.
Die für dergleichen,Fälle nöthigen Apparate, Instrumente und augen¬
blicklich an zu wendenden Medicamente waren an Ort und Stelle vorhanden,
und war nach dieser Richtung hin für Alles auf das Beste gesorgt.
Aeus8erlich wurden die Wachen durch eine Transparent-Gaslaterne mit
dem Genfer rothen Kreuz und der Aufschrift „Sanitätswache“ kenntlich
gemacht; in den Räumlichkeiten der Wache befanden sich zwei Bettstellen
für den wachthabenden Arzt und den Heildiener, welche in den vorbe-
zeichneten Stunden stets anwesend waren.
Leider hatte diese gewiss zweckmässige Einrichtung wegen mangelnder
Geldmittel nur einen kurzen Bestand bis zum November 1873, während
welcher Zeit im Ganzen in 2060 Fällen Hülfe gewährt worden war.
Durch ein namhaftes Geschenk Ihrer Majestät der Kaiserin, welche
im Jahre 1872 eine der Wachen (Scharrenstrasse 10, früher Kurstrasse 34)
in Augenschein genommen und seither dem ganzen Vorhaben das lebhafteste
Interesse zugewandt hatte und bis auf den heutigen Tag bewahrt hat, sowie
durch eine einmalige Zuwendung des vaterländischen Frauenvereins und
anderweite Privatwohlthätigkeit wurde die Wiedereröffnung der vorbe-
zeichneten ersten Berliner Sanitätswache ermöglicht, welche noch heute im
Hause Brüderstrasse 22/23 Dank der Leitung durch einen tüchtigen Vor¬
stand ungeachtet mannigfacher finanzieller Schwierigkeiten fortbesteht.
Mehrfache Anregungen auch von ärztlicher Seite, weitere derartige Ein¬
richtungen ins Leben zu rufen, führten erst im Jahre 1874 zu einem greif¬
baren Erfolge.
Wenn damals, wie es auch htoute öfter noch geschieht, immer wieder
von einzelnen Seiten die Behauptung aufgestellt wurde, dass die Erlangung
ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit schwieriger geworden sei, nachdem bei der
Umarbeitung des preussischen Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich
der bekannte §. 200, welcher die Aerzte verpflichtete, Jedermann zu jeder
Zeit in dringenden Krankheitsfällen Hülfe zu leisten, falls nicht eigene
Krankheit oder sonstige triftige Gründe daran hinderten, gestrichen worden
sei, so muss dies als eine Uebertreibung oder mindestens als ein Irrthum
bezeichnet werden. Als jene Bestimmung noch zu Recht bestand, war der
von der Tagesarbeit erschöpfte Arzt, um sich die nothwendige Nachtruhe
zu wahren, genöthigt, einen Vorwand behufs Verweigerung seiner Hülfe zu
gebrauchen, d. h. in gutem Deutsch zum Lügen gezwungen; damals spielten
Rheumatismen, Katarrhe und starkes Schwitzen als ärztliche Nachtkrank¬
heiten eine grosse Rolle; heute sagt der überanstrengte Arzt einfach, er sei
zur Zeit im Interesse seiner eigenen Gesundheit ausser Stande, Hülfe zu
leisten. Dass Abweisungen von Hülfesuchenden auch ohne triftigen Grund
Vorkommen, soll, der Wahrheit die Ehre zu geben, nicht in Abrede gestellt
werden. Aber man nenne mir einen Stand, dem nicht auch einzelne weniger
pflichttreue Mitglieder angehören. Auch während des Inkraftstehens des
§. 200 sind dergleichen Ablehnungen, wie bemerkt, vorgekommen und war
ärztliche Hülfe unter Umständen hier (und an anderen Orten) schwer zu er¬
reichen, wie schon aus den Anträgen auf Errichtung von Sanitätswachen
bis zum Jahre 1866 hervorgeht.
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 377
Jene Beschnldigungen werden nach meiner Erfahrung meistentheils
von solchen Personen erhoben, welche dem Arzte gern rücksichtslos jede
Dienstleistung aufbürden möchten, ohne indess eine Gegenleistung, oft nicht
einmal einen Dank dafür zu gewähren. Möge man doch nicht vergessen,
dass der Arzt eben auch nur ein Mensch ist, also nur über menschliche,
d. h. begrenzte Kräfte verfugt, welche im Laufe des Tages nicht allein
durch grosse körperliche und geistige Anstrengungen, sondern oft auch
noch durch Gemüthsbewegungen um Schwerkranke erschöpft werden.
Was nun die weitere Entwickelung der Sanitätswachenfrage in Berlin
anlangt, so traten zunächst im Jahre 1874 geachtete Bürger der Oranien¬
burger Vorstadt zusammen und richteten eine derartige Anlage -in dem
Hause Invalidenstrasse 121 zu dem Zwecke ein, den Bewohnern der Stadt¬
bezirke 183, 184a, 184b und 185 während der Nachtzeit mit Sicherheit
ärztliche Hülfe zu gewähren; man traf Vereinbarungen mit zwei Aerzten,
welche abwechselnd in den Stunden von 10 Uhr Abends bis 6 bezw. 7 Uhr
Morgens in der Wache sich aufhielten und durch einen Heildiener unter¬
stützt wurden.
Im Jahre 1877 trat das Polizeipräsidium der Angelegenheit näher,
berief die Berliner Sanitätscommission zu einer Sitzung, in welcher sowohl
die Errichtung von Sanitätswachen, als auch die Beschaffung von ärztlicher
Hülfe während der Naohtzeit nach Pariser Muster eingehend, aber leider
erfolglos erörtert wurde; daran änderte auch ein an die Verhandlungen
anknüpfender Schriftwechsel zwischen Polizeipräsidium und Magistrat nichts.
Die städtischen Behörden hielten an der Ansicht fest, dass die Armen¬
ärzte zur steten Hülfsleistung für arme Kranke verpflichtet seien, Bemittelte
dagegen in Berlin bei gutem Willen sich stets und überall ärztliche Hülfe
zu schaffen vermöchten und dass bei plötzlichen Unglücksfallen auf offener
Strasse die Verunglückten sofort mittelst des telegraphisch reqnirirten
Krankenwagens nach einem der zahlreichen und in der ganzen Stadt ver¬
breiteten Krankenhäuser geschafft werden könnten.
Der Magistrat setzte sich in Folge der gepflogenen Verhandlungen mit
den Vorständen verschiedener Krankenhäuser in Verbindung und erwirkte
von denselben die Zusage, dass sie bei Tage wie zur Nacht solche Ver¬
unglückte oder Kranke, die ihnen von der Polizeibehörde zugewiesen
würden, ohne Weiterungen aufnehmen und denselben die zunächst erforder¬
liche ärztliche Hülfe zu Theil werden lassen würden. Ausser der Charite
und den beiden städtischen Krankenhäusern pebmen nunmehr auf polizei¬
liche Requisition Verunglückte und Kranke auf: Bethanien, das Lazarus-,
Elisabeth- und St. Hedwigs-Krankenhaus. (Vergl. J. Skrzeczka, General¬
bericht über das Medicinal- und Sanitäts wesen der Stadt Berlin 1879/80,
S. 297.)
Ein vorhandenes Bedürfniss lässt sich indessen nicht hinweg-
disputiren; die derzeitige Ansicht der städtischen Behörden wurde alsbald
dadurch widerlegt, dass immer neue Sanitätswachen, wenn auch zum Theil
mit sehr einfacher Einrichtung, entstanden, so dass am Schlüsse des Jahres
1877, ausser den schon erwähnten, vier neue Anstalten eröffnet werden
konnten; dazu kam noch eine siebente, ihrer Lage nach sehr wichtige Wache
am Wedding 1878. Zu Ende des Jahres 1882 entstand die achte Wache,
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378
Dr. M. Pistor,
und 1885 wurden zwei neue Einrichtungen ins Leben gerufen, zu denen iin
Januar 1886 sich noch eine weitere gesellte, so dass in Berlin zur Zeit
elf Sanitätswachen bestehen. Inzwischen sind aus dem Schoosse der Stadt¬
verordnetenversammlung Anträge wegen Uebernahme der Sanitätswachen
durch die Stadt gestellt worden, deren weitere Erörterung die städtischen
Behörden allmälig davon überzeugt zu haben scheint, dass die Errichtung
von Sanitätswachen nicht allein wohlthätig, sondern zum Wohle der
gesammten Bevölkerung nothwendig ist. Die Eingangs dieses Aufsatzes
geltend gemachten Gründe haben am Schlüsse des Jahres 1886 den Magistrat
bewogen, dem vorhandenen Bedürfnis entsprechend, bei der Stadtverordneten¬
versammlung die Bewilligung einer Summe von 10 000 Mark zur Unter¬
stützung für ordnungsmässig eingerichtete Sanitätswachen zu beantragen;
was unter ordnungsmässig eingerichteten Wachen verstanden wird, darüber
ist mir bis jetzt nichts Zuverlässiges bekannt geworden. Meine eigene
Ansicht über diesen Punkt werde ich sogleich aussprechen.
Wenn jene Unterstützung gewährt wird, ist auch die Möglichkeit
gegeben, die bisher zum Theil recht unvollkommenen Einrichtungen zu
vervollkommnen. Es kann für Berlin nicht angemessen erscheinen, dass
ein von einem Heilgehülfen für die Nacht zur Verfügung gestelltes Zimmer
mit dem Namen Sanitätswache bezeichnet wird, weil dort ärztliche Hülfe
nachgewiesen, beziehungsweise im Nothfall ein Arzt dorthin gerufen wird.
Dieser letztere Zweck lässt sich auf einem anderen Wege erreichen, wie
nach dem Beispiele von Paris auch Berlin bewiesen hat.
Der Umstand, dass die Errichtung einer grösseren Zahl von Sanitäts¬
wachen, wegen Mangels an den erforderlichen Geldmitteln, nicht durch-
zuführeu war, brachte den Spediteur Sachs auf den glücklichen Gedanken,
den in der Nacht der Hülfe Bedürftigen wenigstens Aerzte nachzuweisen,
welche dem an sie ergehenden Ruf unbedingt Folge leisteten. Der
Genannte rief zu diesem Zwecke im Januar 1877 die „Vereinigung für
Beschaffung ärztlicher Hülfe in der Nacht“ für die Königstadt ins Leben;
ihm folgte Dr. Jacusiel, welcher im März desselben Jahres für den Stadt-
theil Alt-Berlin, Stadtbezirke 1 bis 8, einen Verein zu denselben Zwecken
begründete, und im August 1877 die Revier-Sanitätscommissionen 32 und 36,
welche, den gleich bezifferten Polizeirevieren im Potsdamer Stadtviertel ent¬
sprechend, ähnliche Einrichtungen schufen. Im Wesentlichen waren diese
Schöpfungen dem Pariser System des Dr. Passant nachgebildet, unter¬
scheiden sich aber von diesem dadurch, dass die finanzielle Seite lediglich
privater Natur ist.
Diese Vereine haben sämmtlich den Zweck, für ihren Wirkungsbezirk
eine Anzahl von Aer?ten zu gewinnen, welche jedem an sie zur Nachtzeit er¬
gehenden Rufe Folge zu leisten sich bereit erklären. Die Wohnungen der
betreffenden Aerzte werden auf den im Wirkungsbereiche des entsprechenden
Vereins belegenen Polizeirevier-Büreaux, sowie in den Apotheken und von
dem Nachtwächter des Bezirkes mitgetheilt; auch finden sich rothe Zettel
in den Fluren der Häuser der dem Vereine angehörenden Bezirke, durch
welche Namen und Wohnungen der hülfsbereiten Aerzte bekannt gemacht
werden. Zahlungsfähige Kranke zahlen das Honorar entweder direct an den
Arzt oder durch Vermittelung des betreffenden Vereins, welcher seinerseits
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 379
die Kosten für Unbemittelte übernimmt; der Verein der 32. und 56. Revier-
Sanitätscommission lässt über die bülfsbereiten Aerzte nur durch die qu.
Polizeireviere und durch rothe Anschlagszettel in den Hausfluren Auskunft
geben, von Bemittelten wird das ärztliche Honorar vorausbezahlt.
Der Verein für ärztliche Nachthülfe in Alt-Berlin hat folgende Satzungen
für sich bindend gemacht:
Statut des Vereins für ärztliche Nachthülfe ln „Alt-Berlin“.
A. Name, Sitz und Zweck des Vereins.
§. 1 .
Der am 10. October gegründete Verein führt den Namen:
Verein für ärztliche Nachthülfe in „Alt-Berlin“.
Der Sitz des Vereins ist „Alt-Berlin“. Der Verein bezweckt die best¬
mögliche Beschaffung ärztlicher Hülfe*während der Nachtzeit für Jedermann in
„Alt-Berlin“, ferner, wenn thunlich, die Beschaffung von Arzneien, Verband¬
mitteln u. dergl. für unbemittelte Kranke.
B. Mitgliedschaft.
m. .
Mitglied des Vereins wird, wer für die Zwecke des Vereins einen Mindest¬
beitrag von fünfzig Pfennigen halbjährlich beisteuert.
§• 3.
Die Mitglieder unterscheiden sich in:
a) immerwährende, die einen einmaligen Mindestbeitrag von fllk. 100,
b) ordentliche, die einen Mindestbeitrag von halbjährlich Mk. 2*50,
c) ausserordentliche, die einen geringeren, laufenden Beitrag (jedoch
nicht unter 50 Pf. halbjährlich) entrichten.
Alle drei Mitgliederclassen sind bei den Generalversammlungen des Vereins
Btimm- und wahlberechtigt. Der Vorstand wird nur aus Mitgliedern der ersten
beiden Classen gewählt.
C. Vermögen des Vereins.
§•4.
Das Vermögen des Vereins besteht aus den Beiträgen der Mitglieder und
-etwaigen freiwilligen Zuwendungen von Nichtmitgliedern.
D. Ordnung und Leitung der Vereinsangelegenheiten.
§. 5.
Der Verein ordnet seine Angelegenheiten selbstständig. Seine Organe sind:
1) der Vorstand,
2) die Generalversammlung.
§• 6 .
Der Vorstand wird von der Generalversammlung durch Zettelwahl bei
einfacher Majoritätsentscheidung gewählt.
§•
Der Vorstand besteht aus:
1) dem Vorsitzenden,
2) dem Rendanten,
3) dem Controleur,
4) dem Schriftführer,
5) fünf Beisitzern, welche letztere je nach Uebereinkunft stellvertretend
für die vier erstgenannten Vorstandsmitglieder eintreten.
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380
Dr. M. Pistor,
§. a
Scheiden ein oder mehrere Vorstandsmitglieder aus, so fungiren die Zurück¬
bleibenden bis zur nächsten Generalversammlung.
§. 9.
Der Vorstand führt die Vereinsgeschäfte selbstständig, gemäss den Statuten
resp. den Beschlüssen der Generalversammlung. Er trägt insbesondere Sorge
für sichere Unterbringung des Vermögens, Aufstellung der jährlichen Bilanz,
Controle der Vereinsthätigkeit und Erledigung von Beschwerden.
§• 10 -
Beschlüsse des Vorstandes werden mit einfacher Majorität gefasst bei
Anwesenheit von mindestens der Majorität der Vorstandsmitglieder. Bei Stimmen¬
gleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Ueber die Sitzungen des
Vorstandes wird ein Protocoll geführt, welches von allen Anwesenden zu unter¬
zeichnen ist.
8- n-
Quittungen des Vereins müssen die Namensunterschriften des Vorsitzenden
und des Rendanten tragen.
§. 12 .
Die Generalversammlung wird vom Vorstande einberufen:
1) regelmässig, jährlich,
2) ausserordentlich, auf jeden desbezüglich von mindestens 30 Mit¬
gliedern an den Vorstand gerichteten Antrag.
§. 13.
Der Vorstand ist verpflichtet, die Einladung zur Generalversammlung minde-
tenB 14 Tage vorher durch gedruckte Anzeige an die Mitglieder ergehen zu lassen.
§. 14.
Die Tagesordnung wird vom Vorstande festgestellt. Jeder einschlägige,
von mindestens 15 Mitgliedern unterschriebene Antrag muss, wofern er mindestens
14 Tage vor der Generalversammlung beim Vorstande einging, in die Tages¬
ordnung aufgenommen werden.
§. 15.
Leiter der Generalversammlung ist der Vorsitzende des Vereins, welcher
auch das Bureau wählt.
§. 16.
Ueber die Generalversammlung >yird ein Protocoll geführt, welches vom
Vorsitzenden und dem Schriftführer unterzeichnet und zu Beginn der folgenden
Generalversammlung verlesen wird.
§. 17.
Zur Theilnahme an den Generalversammlungen ist die letzte Vereins¬
quittung als Legitimation erforderlich.
§• 18.
Aenderungen der Statuten können nur durch einfachen Majoritätsbeschluss
der Generalversammlung erfolgen; ebenso sind Streitigkeiten in Betreff der
Auslegung der Paragraphen des Statuts zu erledigen.
§. 19.
Die Auflösung des Vereins kann nur durch einfachen Majoritätsbeschluss
der Generalversammlung bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der
Mitglieder beschlossen werden. — Das Vermögen des Vereins verfällt desfalls
der städtischen Armendirection zur Verwendung im Interesse bedürftiger Insassen
von „Alt-Berlin“ resp. dem Verein gegen Verarmung.
Erläuterungen zu §. 1.
Möglichst viele in „Alt-Berlin“ ansässige Aerzte werden vom Vorstande ver¬
pflichtet, an zu bestimmenden Tagen von 10 Uhr Abends biR 6 Uhr Morgens in
ihrer Behausung anwesend zu sein und jedem Hülferufe Folge zu leisten.
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 381
Bei Bemittelten bleibt die Honorirung der' freien Vereinbarung zwischen Arzt
und Patienten Vorbehalten.
Für Unbemittelte tritt die Casse des Vereins ein und zwar mit nachbenannten
Taxs&tzen:
1) für einen einfachen Nachtbesuch. 6 Mk.
2) für eine Entbindung, leichte Operation u. dergl.10 „
3) für eine schwere Entbindung, grössere Operation u. dergl. bis 15 „
Bei Unbemittelten ist weiter dem Arzte anheimgesteUt, auf das Recept,
nach dem Datum und vor die Verordnung, die Buchstaben A. N. zu setzen,
worauf die Apotheken des Bezirks gegen Einsendung der Recepte, Copie nebst
Rechnung den Betrag für das Medicament von der Casse des Vereins erheben; der
Patient hat freie Wahl zwischen den Apothekern in „Alt-Berlin“.
Die Honorarforderungen der Aerzte, wie die A. N. Receptrechnungen, sind
an den Vorsitzenden des Vereins zu richten, welcher das Weitere anordnet.
Die Mitglieder haben Namen und Wohnungen der Aerzte auf der Rückseite
der Quittungen, Nichtmitglieder erfahren Beides in den Polizeirevier-Localen, den
Bezirksapotheken und bei allen Nachtwächtern „Alt-Berlins“; ausserdem sind des¬
bezügliche Tafeln in besuchten Localen von „Alt-Berlin“ ausgehängt.
Die verpflichteten Aerzte haben im Behinderungsfalle für Vertretung zu sorgen.
Der Verein macht sich event. nur für den Nachtbesuch, nicht aber für etwaige
ärztliche Weiterbehandlung verbindlich.
Der Arzt zieht von Bemittelten sein Honorar sogleich ein; für Unbe¬
mittelte stellt er die ihm vorstehend gewährleistete Vergütigung dem Verein
in Reohnnng.
Der Verein für ärztliche Nachthülfe in den Revieren 32 und 56
behändigt den Hülfsbedürftigen durch das betreffende Polizeirevier einen
Briefumschlag, auf welchem die Namen und Wohnungen der bereiten Aerzte
abgedruckt und in welchem folgende Anweisung enthalten ist, welche honorirt
wird, sobald die ärztliche Hülfe einem Unbemittelten geleistet worden ist.
Sanitätscommission 32 und 56 zu Berlin.
Die Casse der Sanitätscommission 32 und 56 zu Berlin zahlt gegen
Rückgabe der umseitig auszufüllenden Anweisung 6 Mark.
I. A.
Der Cassirer:
Liquidation
für
einen am .. 187. Uhr abgestatteten
( Stand \
Name ) ..-.
Wohnung/
/Name der KrankheitX
\ oder Verletzung / ..
Ist nach Ihrem Dafürhalten der Patient zahlungsfähig? ja oder nein.
Sind Arzneimittel verschrieben worden? ja oder nein.
Bemerkungen:
Betrag mit 6 Mark empfangen,
Berlin, den
(Unterschrift)
187.
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382
Dr. M. Pistor,
Im Laufe der Jahre haben sich die Einrichtungen zur Nach Weisung
ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit nach den vorstehend geschilderten Mustern
erheblich vermehrt, und hat sich eine besonders lebhafte Thätigkeit in dieser
Richtung kundgegeben, nachdem das Polizeipräsidium im Decemher 1885
auch der Frage der Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit näher
getreten ist. Bis zu dem gedachten Zeitpunkte war für Nach Weisung ärzt¬
licher Hülfe zur Nachtzeit in 11 Revieren gesorgt. Seither haben noch
22 Polizeireviere unter Leitung der in denselben bestehenden Sanitäts-
commisBionen im Verlaufe des Jahres 1886 ähnliche Einrichtungen nach
dem Muster der von Sachs und Jacusiel ins Leben gerufenen Ver¬
einigungen getroffen oder doch vorbereitet, so dass mehr als der dritte
Theil der 74 Polizeireviere für ärztliche Hülfe zur Nachtzeit in kurzer Zeit
gesichert sein wird.
Die bestehenden Sanitätswachen vertheilen sich auf die Stadttheile
wie folgt:
Für die mittlere Stadt.
„ „ Gegend vor dem Oranienburger Thore . . .
Ti n »’ «m Wedding.
„ „ n am ehemaligen Prenzlauer Thore 1
„ „ „ vor dem Schönhauser Thore J
„ „ „ nach dem Gesundbrunnen zu ...
„ „ „am Ost- und Schlesischen Bahnhofe
„ „ „am Görlitzer Bahnhofe.
„ „ „ am Moritzplatze.
„ „ „ zwischen Moritzplatz und Bethanien
„ „ „ . zwischen Oranienstr. u. Landwehrcanal
„ „ „ zwischen Wilhelm- und Lindenstrasse
einer- und Leipzigerstrasse und Sternwarte anderer¬
seits .
Wache
I,
II,
VII,
XI,
IX,
VI,
X,
IV,
VIII,
III,
Brüderstrasse 22/23.
Invalidenstrasse 121.
Pankstrasse 3 a.
Linienstrasse 245.
Schwedterstrasse 27.
Blumenstrasse 59.
im Bahnhof.
Oranienstrasse 115.
Adalbertstrasse 10.
Brandenburgerstr. 16.
Markgrafenstrasse 81
Die Bezifferung der Wachen entspricht der Zeit ihrer Entstehung.
Vergegenwärtigt man sich nun noch die Lage der öffentlichen Kranken¬
häuser: Charite zwischen Karlstrasse und dem Neuen Thore; Städtisches
Krankenhaus in Moabit; Augusta-Hospital am Invalidenpark; Lazarus-
Krankenhaus zwischen Acker- und Brunnenstrasse in der Bernauerstrasse;
Jüdisches Krankenhaus in der Auguststrasse; St. Hedwigs-Krankenhaus in
der Gr. Hamburgerstrasse, die beiden letzteren also zwischen Linien- und
Oranienburgerstrasse, d. h. der innersten Stadt nahe; Städtisches Kranken¬
haus im Friedrichshain; Bethanien am Mariannenplatze, also in der Louisen-
stadt diesseits des Landwehrcanals, so wird man nioht verkennen, dass die
Wachen zum Theil sehr zweckmässig nach örtlicher Lage untergebracht
sind, zum Theil aber auch über das örtliche Bedürfniss nach Zahl hinaus¬
gehen. Nach meinem Dafürhalten entsprechen einem örtlichen Bedürfniss,
wie dies auch die Zahl der jährlichen Einzelleistungen bestätigt, die Ein¬
richtungen in der Brüder-, Invaliden-, Pank-, Blumen-, Schwedterstrasse
und am Görlitzer Bahnhof; dagegen würden die dürftigen Wachen in der
Brandenburg-, Oranien- und Ad albert strasse am besten zu einer ordent¬
lichen Einrichtung mit dauerndem ärztlichen Dienst vereinigt; heute sind
dieselben nur Barbier- oder Heildienerwohnungen zum Nachweis ärztlicher
Hülfe, aber keine Sanitätswachen in dem Sinne, wie dies sogleich aus einander
gesetzt werden soll ; die in der Markgrafenstrasse 81 getroffene Einrichtung
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264
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23
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3151-01
3701-92
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104
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3420-55
3547*58
21
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1024-51
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32
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4397*55
4306*90
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1471
156
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941
12221-04
9489*93
2731-11
—
299
509
6
405
409
1152*76
723*55
429*21
127
003
3796
278
3752
3568
56867-18
32723-16
24144*02
■ n Voijahr62 sind 5 geburtshilfliche Hülfeleistungen mit enthalten.
'icitder K|809 sind 757 Personen nicht einbegriffen, welche Stundung erhalten
lusser rieij
□ds abgefii
der WachjKa88en bestand aus dem Vorjahre ist in der vorstehenden Einnahme
lten.
tar Kassenbestand der Sanitätswache Nr. 8 aus dem Vorjahre ist eben-
[in der diesjährigen Einnahme enthalten.
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Aerztliche Hülfe zur Machtzeit bei Unglückstallen etc. 583
würde am zweckmässigsten auch an eine grössere derartige Anlage ange¬
schlossen.
In der nebenstehenden Uebersicht sind die Berliner Sanitätswachen,
abgesehen von Nr. V, nahezu in der Reihenfolge ihrer Entstehung, mit ihren
Hülfsleistungen, je nachdem dieselben in oder ausserhalb der Wache statt¬
fanden, sich auf innere, äussere oder geburtshülfliche Fälle erstreckten, ohne
oder gegen Entgelt gewährt wurden, und mit ihren jährlichen Kassen¬
abschlüssen für die Jahre 1883 bis 1886 einschliesslich zusammengestellt.
Die Zahl der Hülfsleistungen ist bei acht Sanitätswachen von 2980 im Jahre
1883 bis 1885 nur auf 3162 gestiegen. Mit dem Inslebentreten der beiden
Anlagen im Görlitzer Bahnhof und in der Schwedterstrasse 27 steigt nach
nur viermonatlicher Wirksamkeit derselben die Zahl der Einzelfalle um 961
im Jahre 1885 und erreicht 1886 in sämmtlichen Wachen die hohe Zahl
von 8077 Einzelleistungen, welche fast zur Hälfte auf die Einrichtung ira
Görlitzer Bahnhof mit 3480 Hülfsleistungen entfallen. Dabei muss aber in
Betracht gezogen werden, dass diese letztbezeichnete Sanitätswache in einer
Stadtgegend eröffnet ist, welche von einer meist unbemittelten Bevölkerung
dicht bewohnt und mit Aerzten nur kärglich besetzt ist, dass diese am
vollkommensten eingerichte Wache Tag- und Nachtdienst hat und dass end¬
lich in den unbemittelten Familien thatsächlich häufiger Fälle aller Art
Vorkommen, welche schnelle ärztliche Hülfe erheischen; ich sehe hierbei
ganz ab von Händeln und Raufereien mit blutigem Ausgange und denke
lediglich an schwere Verletzungen im Gefolge harter Arbeit, an plötzliche
Unterbrechungen der Schwangerschaft, regelwidrige Geburten u. dergl. m.
Ob die von ärztlicher Seite vielfach erhobene Klage, dass die Wache im
Görlitzer Bahnhofe mehr eine Poliklinik, als eine Sanitätswache sei, richtig
ist, lässt sich mit Sicherheit bis jetzt nicht entscheiden; doch gewinnt es
den Anschein.
Betrachten wir die Oertlichkeit der Hülfsleistungen, so überwiegen die
innerhalb der Wachlocale geleisteten Dienste die ärztlichen Besuche im
Hause der Erkrankten im Ganzen alljährlich; doch dürfte zu wünschen sein,
dass der Unterschied zu Gunsten der Hülfe in der Wache sich noch erheb¬
lich dadurch steigere, dass jede nach den früher für Wien angeführten
leitenden Gesichtspunkten nicht nothwendige Inanspruchnahme der Wache
noch entschiedener als bisher zurückgewiesen werde; dass in dieser Beziehung
noch zu oft unnöthige Belästigungen Vorkommen, ergiebt sich meines Er¬
achtens auch aus der immer noch grösseren Zahl der inneren Erkrankungen,
welche zur Hülfsleistung der Wachen geführt haben; ira Jahre 1886 ist hier
eioe günstige Wendung der Zahl nach eingetreten und kann nur gewünscht
werden, dass die Sanitätswachen immer mehr lediglich Hüifshäuser für wirk¬
liche NothfUlle werden; heute sind sie vielfach noch nächtliche (bezw. eine
auch Tages-) Polikliniken, welche Jedwedem auf Erfordern sei es mit oder
ohne Entgelt Hülfe leisten, ohne nach den erwähnten Forderungen im §. 1
der Dienstvorschriften für die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft strenge
Kritik an den Einzelfällen zu üben.
Um diese Grundsätze mehr zur Geltung zu bringen, dürfen die zahlen¬
den Mitglieder der zu einer Sanitätswache vereinigten Bezirke nicht die
Berechtigung erhalten, wie es bei einzelnen Berliner Wachen der Fall sein
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384
Dr. M. Pistor,
soll, sich in jedem Erkrankungsfalle an die Wache zu wenden; letztere darf
eben auch den zahlenden Mitgliedern lediglich in Nothföllen die ärztliche
Hülfe gewähren.
Bevor auf die Kassenverhältnisse eingegangen wird, sei nur kurz ein
Geaammtbild der Thätigkeit der einzelnen Anlagen gegeben:
Dauernden ärztlichen Nachtwachdienst haben die Sanitätswachen
I, Brüderstrasse 22/23,
II, In validen strasse 121,
VI, Blumenstrasse 59 (seit Ende 1886),
VII, Pankstrasse 3 a,
X, im Görlitzer Bahnhof,
von Abends 10 bis Morgens 6 bis 7 Uhr eingerichtet; die Wache X hat
ausserdem noch Tagesdienst zur Zeit ausserhalb der Sprechstunden der
Aerzte; alle übrigen Anlagen bilden ein bald mehr bald weniger vollkommenes
Nachweisezimmer für ärztliche Hülfe während der Nachtzeit und werden für
gewöhnliche Fälle chirurgischer Art von dem dort wohnenden Heilgehülfen
bedient.
Hülfe geleistet wurde
bei inneren
chirurgischen
geburtshilflichen Fällen
1883 .
1646
1195
138 mal
1884 .
1582
1378
127 „
1885 .
2202
1775
145 „
1886 .
4003
3796
278 „
Nach der eigenen Angabe der Vorstände der Sanitätswachen kamen
880 Fälle vorwiegend chirurgischer Art im Jahre 1885 vor, für welche
schnellste ärztliche Hülfe dringend geboten war, der Mangel derselben also
Lebensgefahr zur Folge gehabt hätte; dazu gehören natürlich auch die
geburtshüblichen Leistungen.
Die Hülfe wurde
gegen Entgelt
1883 in 1173 Fällen,
1884 „ 1301 „
1885 „ 1323 „
1886 „ 3752 „
geleistet.
ohne Entgelt
1883 in 1807 Fällen,
1884 „ 1786
1885 „ 2800 „
1886 „ 3568 „
Was nun die Unterhaltung der Wachen, die Frage der Geldbeschaf¬
fung betrifft, so sind sämmtliche Anlagen durch freiwillige Leistungen ent¬
standen; unter den jetzt bestehendenn ist nur die älteste in der Brüder¬
strasse 22/23 von einem Centralcomit6, wie angeführt, ins Leben gerufen,
aber nunmehr auch seit Jahren eine örtliche Privatanstalt geworden, welche
sich wie alle übrigen Sanitätswachen durch Beiträge der Mitglieder, Samm¬
lungen in den nächsten Stadtbezirken, Wohlthätigkeitsconcerte u. dergl.
unterhält. Alljährlich wendet Ihre Majestät die deutsche Kaiserin den
Wachen ein Geschenk von 1000 bis 2000 Mark zu und lässt diese Summe
durch den Königl. Polizeipräsidenten nach strengster Erwägung des Be¬
dürfnisses und der Leistungen der einzelnen Anlagen vertheilen.
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 385
Betrachtet man die letzten Spalten der Jahresübersichten, so ergiebt
sich erfreulicher Weise eine alljährlich gesteigerte Zunahme der Privat -
wohlthätigkeit in den Einnahmen, so dass sämmtliche Einrichtungen zur
Zeit sich nicht in Bedrängniss befinden. Dieser Stand der Dinge kann
aber, wie weiterhin gezeigt werden wird, im Interesse des guten Zweckes
der Wachen für genügend nicht erachtet werden.
Hiermit dürften auch die Berliner Verhältnisse im Einzelnen genügend
erörtert und dabei nachgewiesen sein, dass die Zahl der Hülfesuchenden von
Jahr zu Jahr gestiegen ist. Dass eine grosse Anzahl der zur Behandlung
gelangten Erkrankungen etc. dringende Fälle waren, welche keinen Auf¬
schub duldeten, kann nach den Berichten der Wachen angenommen werden.
Einzelne Vorstände derselben gewähren ausserhalb des Wachtlocals nur
dann ärztliche Hülfe, wenn der Hülfefordernde versichert, er habe keinen
Arzt finden oder zum Mitgehen bewegen können. Es wird nunmehr mit
einem Rückblick auf die in den verschiedenen Welt- und Grossstädten
getroffenen und hier geschilderten Einrichtungen in die Erörterung darüber
einzutreten sein: was hat sich bisher als zweckmässig bewährt,
welche Anforderungen sind an die in Rede stehenden Einrich¬
tungen zu stellen und was ist im Interesse der Hülfsbedürftigen
wie der Aerzte und des ärztlichen Standes zu fordern bezw. zu
vermeiden.
Nach den in Paris und Berlin gemachten Erfahrungen haben sich die
lediglich zur Beschaffung ärztlicher Hülfe zur Nachtzeit in beiden
Städten getroffenen, aber wesentlich von einander verschiedenen Einrichtungen
bezüglich der Erreichung des gesteckten Zieles durchaus bewährt. Während
in Paris die Einrichtung eine öffentliche, behördliche ist und sich über die
ganze Stadt gleichmässig erstreckt, ist dieselbe in Berlin ein Ausfluss der
humanen Gesinnung einzelner Privatleute und damit auf diejenigen Stadt-
theile beschränkt, in welchen edelgesinnte Männer für ihre ärmeren Mit¬
bürger Gehör und klingende Unterstützung gefunden haben. Hier werden
die Kosten, welche von den Hülfesuchenden nicht beizutreiben sind, durch
die private Wohlthätigkeit der bestehenden Vereinigungen gedeckt, während
in Paris die Gemeindekasse das ärztliche Honorar für die Zahlungsunfähigen
übernimmt; dadurch sind in den Jahren 1880 und 1881 zufolge einer Mit¬
theilung der Societi de medecine publique in der Zeitschrift Vetude et les
progres de Vhygiene en France de 1878 ä 1882 , p . 328, 52 625 bezw.
56 622 Franken Kosten entstanden. Es ist wohl kaum einem Zweifel unter¬
worfen, dass die Ziffer der Zahlungsunfähigen grösser wird, wenn das
Honorar eventuell aus einer öffentlichen Kasse bezahlt wird, als wenn Ver¬
eine die Zahlung leisten.
Immerhin bleibt die Pariser Einrichtung als ein, soweit die Nachrichten
darüber reichen, wohlgeordnetes Ganzes mustergültig und Aehnliches für
Gross- und Weltstädte, sei es auf behördlichen oder privaten Wegen, zu
erstreben. Gemeinsames Wirken der Privatwohlthätigkeit und der betheilig¬
ten Behörden wird das beste und zweckmässigste Ergebniss liefern.
Nach einer vielfach, namentlich von Aerzten vertretenen Ansicht würden
diese Einrichtungen für alle Fälle von plötzlichen Erkrankungen, Ver¬
letzungen, Verunglückungen behufs rechtzeitiger Beschaffung ärztlicher
Vierteljahnschri ft für Gesundheitspflege, 1887. 25
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386
Dr. M. Pistor,
Hülfe genügen und die sogenannten Sanitätswachen, wie solche in Berlin,
Wien und wie es scheint auch in London in den Stationen der Maltheser
eingerichtet sind, überflüssig, ja vielleicht sogar nachtheilig für die Kranken
sein. Namentlich von chirurgischer Seite wird darauf hingewiesen, dass
z. B. Knochenbrüche sehr häufig mit durchaus ungenügenden, ja vorschrifts¬
widrigen festen Verbänden versehen den Krankenhäusern von den Sanitats-
wachen zugeführt würden, dass leichte Verletzungen nicht aseptisch, sondern
in einer Weise behandelt und verbunden würden, durch welche schwere
Complicationen nothwendig herbeigeführt werden müssten und thatsächlich
hervorgebracht werden. Diese Uebelstände sind im hohen Grade beklagens¬
wert^ dürfen aber nach meinem Dafürhalten nicht dazu verleiten, die Ein¬
richtung als solche einfach zu verurtheilen, sondern müssen vielmehr dahin
führen, dass Sorge getragen wird, jene Missstände zu verhüten. Eine
verständig geleitete Sanitätswache, in welcher nur Fälle, welche keinen
Aufschub erleiden dürfen, vorläufig ärztlichen Beistand erhalten, ist
für umfangreiche Städte eine äusserst wohlthätige, ja ich möchte sagen,
unentbehrliche Anlage.
Als erste Bedingung für Sanitätswachen und alle ähnlichen Ein¬
richtungen muss im Interesse der Kranken, der einzelnen Aerzte, wie des
ärztlichen Standes gefordert werden, dass derartige Anlagen ihre Hülfe
lediglich auf solche Unglücks- und Erkrankungsfälle beschränken, für welche
Gefahr im Verzüge liegt. Die Sanitätswachen sollen weder den Aerzten
Concurrenz machen, noch dazu dienen, die darin beschäftigten Aerzte in die
Praxis einzuführen, ein Vorwurf, der öfter und vielleicht nicht ohne Grund
laut wird; mir erwecken alle jene Wachräume, welche ärztliche Hülfe
nachweisen, denVerdacht, dass Privatinteressen im Spiele sind, sobald ledig¬
lich ein oder zwei Aerzte zum steten Dienst auf den Ruf des betreffenden
Heildieners bereit sind. Nach meiner Auffassung verdienen den Namen
einer Sanitätswache nur diejenigen Einrichtungen, in welchen der Dienst
unter mehreren Aerzten wechselt, von denen während der ganzen Nacht
bezw. auch bei Tage stets einer zugegen und jeden Augenblick bereit ist,
Hülfe bei dem Leben gefahrdrohenden Erkrankungs- und Unglücksfällen
ln der Wache zu leisten; in einzelnen, spärlich mit Aerzten besetzten Stadt-
theilen wird es sich zweifelsohne empfehlen, dass auch bei Tage auf der
Wache ein Arzt zu jenen Zeiten bereit sei, in welchen die Aerzte gewohn-
heitsgemäss ihre Praxis ausserhalb der Wohnung betreiben. Bei Tage kom¬
men ebenfalls plötzliche Erkrankungen und Verunglückungen vor, welche
eiligst sachverständiger Hülfe bedürfen. Und damit komme ich auf jene
Fälle, in welchen der alleinige Nachweis eines hülfsbereiten Arztes eine
gut geleitete Sanitätswache nicht ersetzen kann.
Ein von Hirnapoplexie (Gehirnschlag) oder von einer sonstigen schweren,
das Bewusstsein aufhebenden Gesundheitsstörung auf offener Strasse Be¬
troffener scheint mir doch zweckmässiger in einer geräumigen und gut
ausgestatteten, nahe gelegenen Sanitätswache, in welcher bis auf Weiteres
von sachverständiger Hand Hülfe geleistet wird, als etwa auf der Polizei¬
wache in der Sistirzelle, wie üblich, untergebracht zu sein, wo derselbe viel¬
leicht für trunken gehalten und demgemäss behandelt wird. Ja selbst für
einen sinnlos Trunkenen wird die vorläufige Unterbringung auf einer
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei UnglücksfaHen etc. 387
Sauitätswache bis zur Sicherstellung des vorliegenden Zustandes, wie es seit
einem Jahre in Berlin geschieht, kein Schaden sein und, bei der leichten
Verwechselung ernstester Bewusstseinsstörungen mit schwerer Trunkenheit
durch Laien, die Schutzbeamten oft vor unliebsamen Irrthümern bewahren;
mehrfache Beispiele haben dies hier schon gezeigt bezw. das Gegentheil
erwiesen. Auch der Ueberführung in ein oft mehrere Kilometer entferntes
Krankenhaus dürfte der Verbleib auf der näher gelegenen Sanitätswache
mit augenblicklicher Hülfe vorzuziehen sein.
Bei einer Verletzung mit starker arterieller Blutung wird alles darauf
ankommen, so schnell wie möglich sachverständige Hülfe zu erlangen; der
Zeitverlust, welcher durch das Suchen der in der Nähe des Thatortes
wohnenden Aerzte entsteht, kann tödtlich werden; die Lage der Sanitäts¬
wachen ist dem Publicum, insbesondere aber den Sicherheitsbeamten
bekannt; dort ist bei der meinerseits gewünschten Einrichtung zuverlässig
ärztliche Hülfe zu finden. Es scheint ferner nicht gleichgültig, ob ein
gebrochenes Glied in ganz unzweckmässiger Weise gelagert in einem
beliebigen Gefährt eine viertel, ja eine halbe Stunde lang zum nächsten
Krankenhause gefahren oder in 5 Minuten behufs vorläufigen, also
Nothverbandes zur nahe gelegenen Sanitätswache wo möglich getragen
wird; wenn hier sachverständige Hülfe, wie dies immer wieder betont
wird, geleistet wird, dann hat der Verletzte jedenfalls weniger Schmerzen
zu leiden, als im ersteren Falle. Bei Fehl- und Frühgeburten, wie bei
normalen Geburten kommen plötzliche Zwischenfalle vor, in welchen die
schleunigste ärztliche Hülfe zur Erhaltung oft zweier Leben nothwendig
oder doch im Interesse der Kreissenden dringend wünschenswerth ist. Soll
noch auf die durch Kohlendunst oder auf andere Weise Asphyktischen,
aus dem Wasser Gezogene, Vergiftungen etc., hingewiesen werden? wie
lange Zeit vergeht, bis der nächste Arzt bei schnellster Expedition herbei¬
gerufen ist; dann fehlen Instrumente, Arzneien, sachkundige Helfer u. s. w.
Diese Beispiele werden für vorurteilsfreie Männer, wie ich hoffe, zum Be¬
weis dafür genügen, dass in einer grossen bezw. Weltstadt immerhin eine
nicht geringe Anzahl von Erkrankungen und Unfällen Vorkommen, in
welchen das Vorhandensein einer von einem sachverständigen Arzt geleiteten
Sanitätswache eine Notwendigkeit und für die Betroffenen mindestens eine
grosse Wohltat ist; dass dies bei Massenverunglückungen, wie solche mit
der Zunahme des Verkehrs etc. sich häufiger einstellen, bei Choleraepidemieen
noch mehr hervortreten wird, dürfte nur zu erwähnen sein 1 ).
Um den etwaigen Einwand, dass derartige Fälle auch an Orten bezw.
in Stadtteilen, in welchen keine San itäts wachen sind, Vorkommen und
ohne letztere behandelt bezw. zur Genesung geführt werden, zu widerlegen,
darf ich wohl nur bemerken, dass man mit demselben Rechte sagen kann,
es genesen auch Kranke und Schwerverletzte ohne jede ärztliche, ja sogar
ungeachtet ganz verkehrter Hülfsleistung. Die erste Sorge soll sein, dass
der Erkrankte sachverständig, die zweite, dass er so schnell und so
*) Selbstredend dürfen Hülfeleistungen ausserhalb der Wache nur in Ausnahme¬
fällen stattfinden; zurZeit von Epidemieen aber müssen stets mehrere Aerzte auf der Wache
zugegen sein bezw. dort nachgewiesen werden können.
25*
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388 • Dr. M. Pistor,
angenehm wie möglich, d. h. ohne Schmerzen n. 8. w., ärztlich behandelt
werde.
Diesem Zwecke dienen feste Sanitäts wachen nach den in Wien und
Berlin gemachten Erfahrungen entschieden, wenn dieselben den im §. 1 der
allgemeinen Dienstesvorschriften der freiwilligen Wiener Rettungsgesellschaft
(S. 6 dieses Aufsatzes) ausgesprochenen Grundsätzen treu bleiben. Besser
als es dort gesagt ist, vermag ich den Zweck fester Sanitätswachen, sowie
dasjenige, was in denselben nicht zu gestatten ist, nicht zu bezeichnen.
Werden diese Grundsätze als leitende von den betheiligten Vorständen
und insbesondere in echt collegialer Gesinnung von den wachhabenden
Aerzten befolgt, dann können und dürfen auch die Aerzte in ihren
berechtigten Privatinteressen sich nicht geschädigt fühlen, müssen vielmehr
jene wohlthätigen Einrichtungen willig zum Nutzen der geschädigten Mit¬
menschen fordern.
Der heute noch berechtigte Vorwurf der Chirurgen über schlechte Ver¬
bände, über Vernachlässigung der Antisepsis wird verstummen, wenn jede
Sanitätswache von tüchtigen praktischen Aerzten geleitet wird, welche den
Besten des Faches es gleich zu thun jeder Zeit bestrebt sind; die Besten
des Faches wiederum aber sollen milde die Leistungen derjenigen Collegen
beurtheilen, welchen es nicht vergönnt ist, ihre ganze Kraft einem Special¬
fache zu widmen und alle daraus sich ergebenden ideellen und materiellen
Vortheile zu gemessen.
So wird echte Collegialität und ärztliche Standesehre, so das ärzt¬
liche Privatinteresse gewahrt und den in plötzliche gesundheitliche Nöthe
gerathenen Mitmenschen schnell und in erspriesslicher Weise genützt
werden; und an diesem letzten grossen Zweck nach Kräften mitarbeiten zu
dürfen, muss jedem edeldenkenden Menschen eine Genugthuung, eine
Freude sein.
Nach vorstehenden Darlegungen dürften für eine zweckmässigere Ge¬
staltung der Berliner Sanitätswachen im vorgetragenen Sinne folgende
Forderungen zu stellen sein:
1. Die Vorstände sämmtlicher Sanitäts wachen schaffen unter sich einen
Centralausschuss zur Berathung allgemeiner Fragen mit dem festen
Willen, jedes Sonderinteresse zum Besten des Allgemeinwohls zu
unterdrücken.
Dem Centralausschuss würde je ein Vertreter des Polizeipräsidiums
und des Magistrates beizugesellen sein.
2. Sämmtliche Wachen müssen von Aerzten geleitet werden; zu dem
Zwecke sind die bisherigen Heildienerstuben entsprechend zu ver¬
vollkommnen und, falls in einer Stadtgegend mehrere derartige Ein¬
richtungen nahe bei einander liegen, zu einer ärztlichen Sanitäts¬
wache zu vereinigen.
3. Jede Sanitätswache soll aus zwei im Erdgeschoss belegenen Zimmern
mit einfacher Einrichtung bestehen, von welchen ein Raum für Arzt
und Heildiener mit zwei Betten versehen ist, während das zweite
Zimmer für die Aufnahme und Abfertigung der Hülfesuchenden mit
einem Ruhebette, Operationstische und den für Nothfälle erforder-
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Aerztliche Hülfe zur Nachtzeit bei Unglücksfällen etc. 389
liehen Instrumenten, Verbandgegenständen and Arzneimitteln in
Yerscbliessbaren Schränken, auszustatten ist.
4. Wunden dürfen nur antiseptisch behandelt werden.
5. In jeder Wache soll eine Trag- oder Räderbahre vorhanden sein.
6. Für die von der Sanitätswache zu leistende Hülfe sind die Eingangs
mitgetheilten Grundsätze der Wiener Sanitätswachen-Ordnung maass¬
gebend.
7. Damit vorstehenden Anforderungen dauernd genügt werden kann,
ist die Schaffung eines Centralhilfsfonds für die Bedürfnisse sämmt-
licher Wachen anzustreben.
Als den Grundstock eines solchen eisernen Bestandes betrachte ich das
Capital, dessen Zinsen die von den städtischen Behörden bereit gestellte
Summe von 10 000 Mark darstellt, welche zur Unterstützung vorschrifts-
mässiger Sanitätswachen verwendet werden soll.
Möge die oft bewährte Privatwohlthätigkeit der Bewohner Berlins sich
auch nach dieser Richtung durch Schaffung eines Grundcapitals bethätigen,
wie ein solches in der Schwesterstadt Wien gestiftet ist.
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390
Dr. Hertwig,
Der Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb
auf demselben.
Vom Oberthierarzt Dr. Hertwig.
Nachdem in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die beiden vorhan¬
denen öffentlichen Schlachthäuser in Berlin in Verfall gerathen und nicht
wieder hergestellt waren, richteten die Schlächter zur Fortsetzung ihres
Gewerbes in ihren Häusern eigene Schlachtestätten ein. Die Schädigung
der sanitären Interessen, welche Berlin in Folge der vielen zerstreut liegen¬
den Schlächtereien zu erleiden hatte, gaben dem Königl. Polizei-Präsidium
im Jahre 1876 Veranlassung, die scharfe Ueberwachung der bestehenden
Schlächtereien und fortgesetzte Revisionen derselben hinsichtlich ihres bau¬
lichen Zustandes und ihrer Entwässerungsverhältnisse den Bau - Inspectoren
und den Re vier-Vorständen dringend anzuempfehlen. Bei dieser Gelegenheit
wurde ermittelt, dass am Schlüsse des gedachten Jahres von den vorhandenen
860 Schlachtstätten 581, in denen von Schlächtern, Restaurateuren und
Schankwirthen geschlachtet wurde, ohne gesetzliche Berechtigung bestanden.
Die allgemein empfundenen Missstände hatten sowohl bei den Behörden
als auch im Publicum den Wunsch nach Beseitigung derselben durch Er¬
richtung von öffentlichen, ausschliesslich zu benutzenden Schlachthäusern
erregt, und war daher von den städtischen Behörden, nachdem der Ankauf
des Actien-Viehhofes nebst den dazu gehörigen Schlachthäusern unmöglich
geworden war, im Jahre 1876 die Erbauung eines eigenen Vieh- und Schlacht¬
hofes beschlossen worden. Dank der schnellen Ausführung dieses Be¬
schlusses konnten diese Etablissements schon am 1. März 1881 dem Verkehr
übergeben und am 1. April 1883 der sogenannte Schlachtzwang — richtiger
wohl „Schlachthauszwang“ — verbunden mit obligatorischer Untersuchung
sämmtlicher dort eingebrachten Thiere vor und nach dem Schlachten, für
den ganzen Gemeindebezirk Berlin eingeführt werden.
Das Terrain, auf welchem sich die Schlachthofanlagen befinden, liegt
westlich vom Viehhof, von welchem es zum Zweck der besseren Controle
über die nach dem Schlachthof übergeführten Thiere durch einen Bretter¬
zaun mit bestimmten Eintriebsthoren, für Wiederkäuer und für Schweine
je ein besonderes Thor, getrennt ist. Auf diesem Terrain, welches einen
Flächeninhalt von circa fünfzig Morgen hat, befinden sich a) drei Rinder¬
schlachthäuser mit den dazu gehörigen Stallungen, b) drei Schweineschlacht¬
häuser mit den dazu gehörigen Stallungen, c) eine Brühhalle, d) eine Darm¬
wäsche, e) eine Darmschleimerei, f) eine Albuminfabrik, g) eine Talg¬
schmelze, h) eine Fettschmelze, i) ein Kesselhaus zur Herstellung des für
den Schichtbetrieb nothwendigen Dampfes.
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 391
Vor der Erbauung der Schlachthäuser wurde die für die innere Ein¬
richtung sehr wichtige Frage, ob dieselbe nach dem Hallen- oder nach dem
Kammersystem auszuführen sei, von den maassgebenden Sachverständigen
dahin entschieden, dass zum Schlachten der Schweine grosse Hallen, zum
Schlachten der Wiederkäuer aber Schlachthäuser mit Kammern zu empfehlen
seien. Begründet wurde diese Entscheidung dadurch, dass für die Schweine¬
schlachthäuser das Hallensystem schon in Folge der gemeinsam zu be¬
nutzenden Brühbottiche geboten ist, während für die übrigen Schlachthäuser
das Kammersystem der Neigung der norddeutschen Schlächter mehr entspricht
— und die Nachtheile, welche sich bei dem Kammersystem an anderen
Orten eingestellt haben, wie zum Beispiel erschwerte Controle, mangelhafte
Reinigung, schlechte Ventilation u. s. w. sich sehr wohl verhüten lassen.
Von der Errichtung besonderer Schlachtanlagen für Kälber und Schafe
ist Abstand genommen worden, weil für die Schlachtungen dieser Thiere
besondere Einrichtungen nicht erforderlich sind und desshalb die Rinder¬
schlachthäuser zu diesem Zwecke benutzt werden.
Die Anlagen auf dem Schlachthof lassen sich hiernach in drei Gruppen
eintheilen, nämlich 1) und 2) in die Schlachthäuser für Wiederkäuer und
für Schweine, 3) in die industriellen Anlagen. Siehe die Planskizze auf
folgender Seite.
Die Schlachthäuser für Wiederkäuer.
Drei an der Zahl, liegen sie parallel zwischen dazu gehörigen vier
Stallgebäuden in der Weise, dass mit einem Stall beginnend und schliessend
abwechselnd auf einen Stall ein Schlachthaus folgt. Dieselben sind in Folge
der abschrägenden Strassenflucht der sie begrenzenden Thaerstrasse nicht
gleich lang, ihre durchschnittliche Länge beträgt circa 125 m.
Sämmtliche Gebäude sind im Ziegel - Rohbau mit den besten Verblend¬
steinen aufgeführt. Die Pflasterung sowohl in den Gebäuden als auch in
den zwischen den Schlachthäusern liegenden Strassen ist undurchlassend —
und zwar um Erfahrungen in dieser Richtung zu gewinnen — aus ver¬
schiedenem Material und in verschiedener Weise hergestellt. Durch aus¬
reichendes Gefälle ist für ein schnelles Abfliessen des Gebrauchswassers und
der sonstigen Flüssigkeiten Sorge getragen.
Die Entwässerung des gesammten Etablissements ist der städtischen
Canalisation angeschlossen. Ebenso stehen die Gas- und Wasserleitungs¬
anlagen mit den betreffenden städtischen Werken in Verbindung. Die
WasserleitungBanlagen haben sogar einen doppelten Anschluss, nämlich an
die Wasserwerke vor dem Stralauerthor und an das Hochreservoir auf dem
Windmühlenberg. Der tägliche Wasserverbrauch beläuft sich auf circa
1444*4 cbm. Die Gesammtlänge der verlegten Gasrohrleitungen beträgt
circa 28 000 m und die Zahl der Auslässe rund 3000.
Die Schlachthäuser und Ställe sind mit Buchstaben, die Schlacht¬
kammern für Wiederkäuer, die Aufbewahrungskammern für Fleisch in den
Schweineschlachthäusern, sowie die Ställe für Wiederkäuer und Schweine
jede Art für sich mit durchlaufenden Nummern bezeichnet.
Digitized by
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 393
Die vorhandenen Einrichtungen genügen, um den Bedarf für eine Ein¬
wohnerzahl von zwei Millionen zu decken.
In den Schlachthäusern befinden sich 137 Schlachtkammern, welche durch¬
schnittlich 5 m breit und 9 m tief sind. Einzelne derselben, sogenannte
Doppelkammern, sind für den Grossbetrieb eingerichtet, und enthalten ihrer
Bezeichnung entsprechend den doppelten Raum. Die Kammern werden an
die Schlächter nicht vermiethet, sondern werden ihnen gegen die Erlegung
des tarifmässigen Schlachtgeldes zur dauernden — und wenn der Geschäfts¬
betrieb ein genügend grosser ist — auch zur ausschliesslichen Benutzung
überwiesen, im anderen Falle wird mehreren Schlächtern eine Kammer zur
Ausübung ihres Geschäftes zugetheilt.
Die Schlachtkammern sind zu beiden Seiten eines 12 m hohen und
9 m im Lichten breiten, vorzugsweise zum Aufhängen und Auskühlen des
Fleisches bestimmten Mittelbaues angelegt, und haben zum Schutz gegen
die Witterung und zum Unterstellen des aus den Schlachtstallungen ge¬
brachten Viehes 3 m breite Vordächer erhalten. Zum Anbinden des Viehes
sind an der Frontmauer der Schlachthäuser eiserne Ringe angebracht. Die
Schlachtkammern und die Mittelballen sind mit den besten Mettlacher Fliesen
auf einer flachen Ziegelunterlage gepflastert.
In der Nähe der äusseren Eingangsthür zu den Schlachtkammern ist
in eine Granitplatte der Schlachtring eingelassen, an welchem die zum
Tödten bestimmten Rinder mit dem Kopfe festgebunden werden, ihm gegen¬
über an der einen Längswand befindet sich die zum Aufziehen der getödteten
Thiere nothwendige Winde. Die Wände der Schlachtkammern und der
Mittelhalle sind auf 2*3 m Höhe mit geglättetem Cementputz versehen, im
Uebrigen aber mit hellen Verblendsteinen im Rohbau ausgeführt. Zum
Aufhängen der geschlachteten Rinder dienen zwei auf den Quermauern
ruhende, in der Mitte durch Console unterstützte eiserne Längsträger, welche
in 3*5 m Höhe vom Fussboden und 1*5 m Entfernung von einander ange¬
bracht sind; an denselben können mittelst der gebräuchlichen Hängebäume
25 Rinder gleichzeitig aufgehängt werden. Zum Aufhängen von ge¬
schlachteten kleineren Thieren und von zerlegtem Fleisch ist an den Wänden
in einem Abstand von denselben von etwa 7 a m und in 2*10 m Höhe über
dem Fussboden ein schmiedeeiserner Rahmen auf Consolen ruhend und mit
beweglichen Haken versehen angebracht, unter welchen, unmittelbar an
der Wand liegend, ein zweiter Rahmen zum Aufhängen einzelner Organe
und Theile angebracht ist.
Die Ventilation in den Schlachtkammern wird dadurch hergestellt, dass
in der Frontwand die Fenster um ihre Querachse drehbare Flügel erhalten
haben und die unteren Füllungen der Eingangsthüren zum Hochklappen
eingerichtet und mit starken Drahtgittern versehen sind, während in der
gegenüber liegenden Wand grosse fensterartige, ebenfalls nur durch Draht¬
gitter abgeschlossene Oeffnungen sich befinden.
Durch diese Einrichtung und in Folge der baulichen Anordnung der
Schlachtkammera zu beiden Seiten der grossen Mittelhalle kann die Luft
von allen Seiten in die Schlachträume dringen und herrscht in Folge dessen
in denselben stets ein mässig starker Luftzug, welcher in jeder einzelnen
Schlachtkammer nach Belieben verstärkt oder abgeschwächt werden kann.
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394
Dr. Hertwig,
Die Schlachtkammern sind unterkellert, und die Decken der Keller¬
räume wegen der starken Erschütterung, welche beim Niederstürzen der
getödteten Rinder entsteht, in der Breite durch eingezogene Gurtbogen noch¬
mals getheilt und gestützt. Die zu den Kellern führenden Treppen liegen
in einer Ecke des Schlachthauses, sie sind von einer erhöhten Granitzarge
umgeben, um das Einfliessen des Wassers beim Spülen der Schlachträume
zu verhüten. Die Treppenlöcher sind durch schmiedeeiserne Thüren ge¬
schlossen, deren Gewicht durch Gegengewichte abbalancirt ist. Der Fuss-
boden ist, wie überall, undurchlassend hergestellt, in den Kellern besteht
er aus Klinkern in Gement gelegt. Die Wände sind ringsherum mit schmiede¬
eisernen Vorrichtungen zum Aufhängen des Fleisches versehen. Die Ent¬
wässerung geschieht nach Gullys.
Eine besondere Sorgfalt ist der Herstellung der Ventilation zugewendet
worden. Zur Erreichung dieses Zweckes sind zunächst die in den Fronten
angebrachten Fenster in derselben Weise mit drehbaren Flügeln wie die
Fenster der Schlachtkammern versehen worden. Dinen gegenüber in den
Längsmauern der Mittelhalle liegen Ventilationsrohre, welche aufwärts bis
über das Dach hinausgeführt und mit Wolpert’sehen Saugern verbunden
sind. Ausserdem stehen die sich gegenüberliegenden Keller durch ein
quer unter der Mittelhalle durchgelegtes 30 cm weites Thonrohr in Ver¬
bindung.
Für die Conservirung des Fleisches ist somit die Methode des ununter¬
brochenen Luftwechsels sowohl in den Schlachtkammern als auch in den
Kellern zur Anwendung gebracht worden, und zwar mit gutem Erfolg;
jedoch ist die Möglichkeit offen gelassen, zur Erzielung einer niedrigeren
Temperatur Kaltluftmaschinen anbringen zu können, falls sich das Bedürf-
niss hierzu herausstellen sollte, was bisher noch nicht der Fall gewesen ist.
Von der Einrichtung von Kühlkammern mit Eisfüllung war von vornherein
Abstand genommen worden, weil die Erfahrung gelehrt hat, dass auf Eis
conservirtes Fleisch leicht in Fäulniss übergeht, wenn es den Einwirkungen
der atmosphärischen Luft ausgesetzt wird.
Etwa in der Mitte der Schlachthäuser und der Stallgebäude befindet
sich eine dieselben quer durchschneidende Durchfahrt, welche vorzugsweise
zum Transport der beim Schlachten gewonnenen Nebenproducte, als Talg,
Blut u. s. w. in die zur weiteren Verarbeitung derselben errichteten Anlagen
bestimmt ist. Von den Durchfahrten führen Treppen zu den Dachböden,
auf welchen unter anderem Räume zur Aufbewahrung der Garderobe der
Schlächtergesellen eingerichtet sind.
Die Mittelhallen, welche, wie bereits erwähnt, 12 m hoch und 9 m
breit sind, erhalten das Tageslicht durch über den Seitendächern angebrachte
Fensteröffnungen, welche zum Schutz gegen die Einwirkung der Sonnen¬
strahlen und zur Förderung der Ventilation mit feststehenden gusseisernen
Jalousie-Rahmen mit Rohglasverglasung versehen sind.
An den Giebelenden des Mittelbaues vermitteln eiserne Gallerieen,
welche durch Wendeltreppen zu erreichen sind, die Communication zwischen
den beiderseitigen Dachräumen. In den Mittelhallen befindet sich ferner
vor jeder Schlachtkammer, und mit denselben durch breite Doppelthüren
verbunden, ein Fleischscharren, welcher 2*2 m tief und ebenso breit wie
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 395
die dazu gehörigen Schlachtkammern ist. Dieselben sind mit 2*3 m hohen
Rundstäben von verzinktem Eisen umgeben; sie dienen zum Aufhängen des
auszukühlenden Fleisches und sind mit den zu diesem Zweck erforderlichen
Vorrichtungen versehen. In jedem Scharren ist ein verschliessbares Wand¬
pult zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher. Zur Verhütung von Dieb¬
stählen sind die Gitter der Scharren durch starke Drahtdächer geschlossen,
die Thorwege der Mittelhallen sind nach dem Normalprofil für die deutschen
Eisenbahnen gebaut, so dass Eisenbahnwagen hindurchgeschoben werden
können und zum Export bestimmtes Fleisch unmittelbar vor den Schlacht¬
kammern resp. vor den Scharren verladen werden kann. Vorläufig ist ein
Schlachthaus mit einem Schienenstrange versehen, welcher mit der hiesigen
Stadt- und Ringbahn und dadurch mit dem allgemeinen Eisenbahnnetz in
Verbindung steht.
Die Stallgebäude sind von den Schlachthäusern durch 11 m breite
Strassen getrennt, welche theils mit Eisenklinkern in Cement, theils mit
comprimirtem Asphalt auf Betonunterlage gepflastert sind. Die beiden
zwischen den Schlachthäusern liegenden Ställe haben eine Tiefe von 16*4 m;
sie dienen zur Aufnahme von Vieh für zwei Schlachthäuser und sind dess-
halb durch eine durchgehende massive Längswand in zwei gleiche Hälften
getheilt, wodurch zwei Reihen von Stallräumen entstehen. Die beiden
äusseren Stallgebäude enthalten nur Räume von 8*7 m Tiefe, weil sie nur
das Schlachtvieh für eine Reihe Schlachtkammern aufzunehmen haben.
Die Ställe gewähren zusammen Raum für 1300 Rinder; sie sind im
Rohbau aufgeführt und in gleicher Weise überwölbt, die Krippen sind von
Rathenower Steinen gemauert und mit geglättetem Cement überzogen, sie
haben ein geringes Gefalle nach dem einen Ende hin, an welchem sich eine,
durch ein einfaches Messingventil abzuschliessende Abflussöffnung befindet,
deren Rohr über dem Fussboden ausmündet, so dass das beim Entleeren
der Krippe abfliessende Wasser gleich zum Reinigen und Spülen des Fuss-
bodens benutzt werden kann. Die Raufen sind aus verzinkten Eisen-
Stäben gefertigt.
Zum Zweck der Ventilation haben einestheils die Fenster an den
Fronten die bereits mehrfach erwähnten drehbaren Flügel erhalten, anderen¬
teils geschieht dieselbe durch breite Metallcylinder (Eisenblech), welche
durch die gewölbte Decke nach aussen führen und mit stellbaren sogenannten
Drosselklappen versehen sind. Zur Beleuchtung der Ställe während der
Abendstunden sind in den Thür oberlichtem Laternen angebracht.
Die Schweineschlachthäuser.
Zur Zeit sind drei derselben, zwei grössere A und B und ein kleineres
C, dem Betriebe übergeben und ein viertes ist in Vorbereitung. Die beiden
grösseren Schlachthäuser sind jedes 101*5 m lang, das eine, A, nachträglich
erbaut, ist 27m, das andere, B, nur 23 m breit. In denselben sind zu¬
sammen 98 Schlachtkammern vorhanden, in welchen täglich bis 3000 Schweine
geschlachtet werden können.
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396
Dr. Hertwig,
Die bauliche Einrichtung derselben stimmt mit der der Riuderschlacht-
häuser im Wesentlichen überein. Zu beiden Seiten einer grossen Mittel¬
halle liegen die Kammern, welche hier jedoch nicht zum Schlachten, sondern
zum Aufhängen und Auskühlen der geschlachteten Thiere bestimmt sind.
Das Tödten derselben geschieht in besonderen an den Innenwänden der
Mittelhalle befindlichen Abschlägen, den sogenannten Todtschlagebuchten,
während das eigentliche Ausschlachten in der Mittelhalle selbst geschieht,
nachdem die getödteten Thiere in den Brühbottichen gebrüht, von den
Borsten befreit, gereinigt und an den hierzu bestimmten eisernen Rahmen
aufgehängt sind. Die Mittelhalle überragt die Seitenflügel sehr erheblich;
in ihrem oberen Theile befinden sich die Fenster, durch welche die Schlacht¬
halle das Licht bei Tage erhält, gleichzeitig ist in demselben zur Beseitigung
der sich stets bildenden Wasserdämpfe eine sogenannte Laterne mit fest¬
stehenden Glasjalousieen in Rohglas angebracht, neben welchen zur ver¬
stärkten Beseitigung der Wasserdämpfe eine Dampfrohrleitung gelegt ist.
In der Mittelhalle befinden sich ferner die aus verzinktem Eisenblech
verfertigten, auf der äusseren Seite mit Holzbekleidung versehenen Brüh¬
bottiche; dazwischen zum Aufhängen der geschlachteten Schweine eiserne
Doppelrahmen auf eisernen Säulen ruhend, an welchen gleichzeitig die
Drehkrähne zum Einbringen schwerer Schweine in die Brühbottiche an¬
gebracht sind. Dieselben erhalten von der städtischen Wasserleitung das
kalte Wasser, welches durch den für diesen Zweck in einem besonderen
Maschinenhause aufgestellten Dampfkesseln bereiteten und direct zugeführten
heissen Dampf erwärmt wird. Die Bottiche sind so gross, dass in jedem
derselben sechs bis acht Schweine gleichzeitig gebrüht werden können.
Das Schlachthaus A ist für den Grossbetrieb bestimmt und enthält nur
für 28 Schlächter die erwähnten Kammern von rund 5 Quadratmetern
Flächeninhalt. Zwischen je zwei dieser Kammern befindet sich von ausBen
her ein Gang zum Eintreiben der Schweine aus den Ställen in die in der
Mittelhalle gelegenen Todtschlagebuchten. In den Schlachthäusern B und
C, welche nach älterer Construction erbaut sind, fehlen diese Gänge und
die Todtschlagebuchten, die Schweine werden hier direct in die zum Tödten
derselben und Aufbewahren des Fleisches bestimmten Kammern getrieben.
Von sämmtlichen Kammern führen breite Doppelthüren ins Freie, wodurch
es möglich ist, dass die geschlachteten Schweine aus den Kammern direct
auf Wagen geladen werden können.
Die Ställe bieten nichts Erwähnenswerthes, sie sind äusserlich den
Rinderställen ähnlich, im Inneren aber enthalten sie, wie Schweineställe im
Allgemeinen, kleine Stallabtheilungen, die sogenannten Buchten.
Auf dem Schlachthof befinden sich ferner die zur Fleischschau gehörigen
Bureaus und Dienstzimmer, ein kleines bacteriologisches Cabinet, die Samm¬
lung wissenschaftlich interessanter, mikroskopischer und makroskopischer
Präparate von krankhaften Veränderungen, welche bei den diesseitigen
Untersuchungen gefunden worden sind, und schliesslich das Schauamt für
die Trichinenschau im Gebäude des Rinderstalles C. Das letztere besteht
aus 8 bis 12 m langen und 9 m breiten Sälen, mit zusammen 48 Fenstern
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 397
auf jeder Seite. Der leichteren Erledigung der Dienstgeschäfte wegen sind
die Säle unter sich und mit der in einem der mittelsten Säle befindlichen
Central - Meldestelle durch Sprachrohre verbunden. Da das Schauamt nicht
zu ebener Erde, sondern im ersten Stock des betreffenden Gebäudes liegt,
ist aussen an der Frontmauer desselben zur Erleichterung des Verkehrs mit
den Schlächtern ebenfalls ein Sprachrohr angebracht, welches nach der
Central - Meldestelle führt und von den Schlächtern zur Anmeldung der be¬
endeten Schlachtungen benutzt wird. ^
Die industriellen Anlagen,
welche mit dem Schlachtbetrieb im Zusammenhänge stehen und zur Ver¬
arbeitung der Nebenproducte dienen, Hegen in dem nordwestlichen Theil
des Schlachthofes. Es sind dies:
Die Albuminfabrik.
Alles bei den Schlachtungen gewonnene Blut, so weit es die Schlächter
nicht für ihren eigenen Geschäftsbetrieb verwenden, gehört contractlich dem
Pächter der Albuminfabrik, welcher dasselbe gegen eine mit den Schlächtern
vereinbarte Entschädigung erhält und während des Schlachtens in flachen
viereckigen Zinkschalen auffangen lässt. Dasselbe wird zunächst in eine
Abtheilung des Kellerraumes der Albuminfabrik, in den sogenannten
Schröpfraum, gebracht, in welchem die Trennung des Serums von den
übrigen Bestandtheilen des Blutes stattfindet , was in etwa 30 Stunden
beendet ist. Nach Verlauf vön weiteren 24 Stunden hat sich das Serum
geklärt und wird nun in die Raffinerie und alsdann in den Waschraum
gebracht. Dort wird es einer chemischen Behandlung unterworfen (dieselbe
ist ein Geschäftsgeheimniss des Pächters), nach deren Beendigung es in die
Trockenstuben geschafft wird, woselbst es in kleinen flachen, auf hölzernen
Gerüsten stehenden Blechschalen bei einer Temperatur von etwa 50° C.
getrocknet wird. — Die zurückgebliebenen Blutkuchen werden ebenfalls
getrocknet, gepulvert und als Düngemittel verwendet.
Die für die Trockenstuben erforderliche warme Luft wird in Caloriferen
erzeugt, von welchen sie behufs einer möglichst gleichroässigen Erwärmung
der Räume durch vielfach verzweigte unter dem Fussboden der Trocken-
stube liegende Canäle geleitet wird und schliesslich durch die in den Ge¬
wölben angebrachten Ventilatoren entweicht.
Die Talgschmelze.
In dem Gebäude derselben befinden sich ein Comptoir, ein Füllraum
Maschinenstube, Margarinfabrik, der Schmelz- und Klärraum und be¬
deutende Lagerkeller.
Aus dem Lagerraum wird der rohe Talg vermittelst eines Fahrstuhles
in das darüber liegende Stockwerk geschafft und gesondert. Der gute Talg
wird alsdann gewaschen und gereinigt und nachdem er durch Maschinen
in kleine Stücke zerschnitten ist, bei 40° C. in offenen Bottichen und unter
fortwährendem Rühren durch eigene Rührwerke geschmolzen. Aus diesen
Bottichen wird der Talg behufs Erstarrung in andere im Erdgeschoss
befindliche Bottiche geleitet. Nach dem Erstarren wird er in den Füllraum
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398
Dr. Hertwig,
gebracht, wo er in kleinen in Leinwand eingeschlagenen Päckchen durch
hydraulische Pressen bei einer Temperatur von 30° C. gepresst wird.
Hierdurch wird die Ausscheidung des Margarins erzielt, welches behufs
anderweitiger Verwendung, vorzugsweise zu Speisezwecken, in besonderen
Gelassen aufgefangen wird.
Der Talg geringerer Qualität, welcher nur zur Licht- und Seifen¬
fabrikation verwendet wird, wird einfach in kupfernen Blasen geschmolzen
und nach dem Erstarren an die Fabriken gedachter Art versandt.
In der Fettschmelze oder ^chmelzküche wird ausschliesslich Schweine¬
fleisch, welches wegen Finnen, Strahlenpilzen, Kalkconcrementen, sofern
dieselben nicht auf Trichinen zurückzuführen sind, zurückgewiesen und
beanstandet worden ist, sowie das Fett von tuberculösen Thieren unter
polizeilicher Controle von einem Privatunternehmer zu Speiseschmalz aus¬
geschmolzen. Das Etablissement besteht aus drei Abtheilungen zu ebener
Erde und aus einem Lagerkeller für das gewonnene Schmalz.
In der vorderen grösseren Abtheilung befindet sich ein grosser, herme¬
tisch verschliessbarer Kessel, ein sogenannter Digestor, und ein kleiner
offener Kessel mit doppelten, einen schmalen freien Raum zwischen sich
lassenden, Wänden, beide zum Auskochen und Ausschmelzen des Fleisches
und Fettes bestimmt. Das von den Fleischtheilen abgelöste Fett wird in dem
offenen Kessel, welcher durch Zuleitung von heissem Dampf in den Hohlraum
zwischen den doppelten Wänden geheizt wird, geschmolzen und durch einen
an dem unteren Theil des Kessels angebrachten Hahn abgelassen, in Eimern
aufgefangen und alsdann in grössere Tonnen zum Abkühlen gegossen. Die
in dem Kessel bleibenden Rückstände werden hiernach mit Wasser auf¬
gekocht, wobei dasselbe zum Verdunsten gebracht wird, und das Fett im
Kessel zurückbleibt.
In dem verschliessbaren Kessel (Digestor) werden die Knochen und
das Muskelfleisch und die Rückstände aus dem offenen Kessel behufs Ge¬
winnung von Fett und Leim ausgekocht, und zwar, weil diese Theile wider¬
standsfähiger sind als das eigentliche Fett, durch directe Zuführung von
Dampf unter einem Druck von 2 1 / i Atmosphären. An dem unteren Ende
des Digestors befindet sich ebenfalls, wie an dem offenen Kessel, ein Abzugs¬
hahn, welcher jedoch zwei verschliessbare Oeffnungen besitzt. Durch die
eine derselben wird der gewonnene Leim so lange abgelassen, bis ihm deutliche
Spuren von Fett folgen, alsdann wird diese Oeffnnng geschlossen und die
zweite geöffnet, aus welcher das Fett abgelassen wird. Die Rückstände
werden zu Dungpulver verarbeitet.
Die übrigen Räume dienen als Comptoir und zum Aufhängen des über¬
wiesenen Schweinefleisches.
Die zur Kaldaunenwäsche (Kutlerei) eingerichteten Räumlichkeiten
werden von den Schlächtern zu dem beabsichtigten Zweck nicht gebraucht,
dieselben ziehen es vor, die Eingeweide der geschlachteten Thiere unmittel¬
bar vor ihren Schlachtkammern in besondere Behältnisse zu entleeren und
durch sofortige Spülung zu reinigen.
Die gedachten Räumlichkeiten und Einrichtungen dienen zur Zeit
vorzugsweise zum Reinigen und Brühen von Kalbsgekrösen, Kalbsköpfen,
Kalbsfüssen, sowie von Rindermägen und Rindermäulern.
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 399
Die Darmschleimerei.
Im Kellergeschoss des hierzu bestimmten Gebäudes befinden sich acht
Salzgruben von je einem Quadratmeter Grösse und 85 cm Höhe, welche ans
Klinkern in Cement gemauert sind. Im Erdgeschoss befinden sich die
Bottiche zum Waschen und Schleimen der Därme. Das letztere geschieht
in der Weise, dass, nachdem der betreffende Darm gewendet und dadurch
die Schleimhaut nach aussen gekehrt ist, dieselbe durch Streichen mit einem
messerartigen Instrument aus dem Darm entfernt wird und nur die musculosa
und serosa desselben erhalten bleibt.
Wegen der stets feuchten Luft in diesen Räumen, welche Holzwerk
zerstört, wurden dieselben mit gewölbten Decken veraehen. Das Trocknen
der Gedärme erfolgt durch starken Luftzug.
Schliesslich ist noch der V er kaufshalle für Fleisch verkauf Erwähnung
zu thun. Dieselbe ist einfach, aber in einem grossartigen Maassstabe mit
vorzüglichen Verkaufs- und Aufbewahrungseinrichtungen versehen, wird
aber als solche eingehen, weil wegen der entfernten Lage von der Stadt die
Schlächter keinen ausreichenden Umsatz für ihre Waare erzielen konnten.
Fleischschau.
Wie bereits angeführt, trat mit dem 1. April 1883 die obligatorische
Fleischschau, in Verbindung mit dem Schlachtzwange, für den gesammten
Stadtbezirk Berlin in Kraft. Seit diesem Zeitpunkte darf das Schlachten
sämmtlicher Viehgattungen, sowie die Ausübung aller hiermit unmittelbar
verbundenen Verrichtungen, wie z. B. Entleerung und Reinigung der Gedärme
und Mägen, allein auf dem Central-Scblachthofe geschehen, und darf ferner
seitdem kein geschlachtetes Thier ohne vorherige Untersuchung durch die
städtischen Thierärzte von dort entfernt werden.
Die gesammte Fleischschau ist dem Curatorium des städtischen Central-
Viehhofes unterstellt. Sie bowegt sich in dem durch das Regulativ vom
23. Februar 1883 *) vorgeschriebenen Rahmen und wird unter Leitung des
städtischen Oberthierarztes Dr. Hertwig zurZeit ausgeführt von 13 Thier¬
ärzten, 3 Hülfsthierärzten, 5 Schauamt s-Abtheilungs-Vorstehern, 120 Fleisch¬
beschauern und Beschauerinnen und 40 Probenehmern. Dieses Personal
wird zur Zeit des stärkeren Schlachtbetriebes (im Winter) durch Hülfskräfte
nach Bedarf vermehrt. Ferner gehören zum Personal der Fleischschau
2 Buchführer und 12 Stempler, deren Zahl ebenfalls nach Bedarf ver¬
mehrt wird.
Die Beschau zerfällt zunächst in eine Untersuchung der lebenden und
in eine solche der geschlachteten Thiere.
*) Regulativ für die Untersuchung des in das Öffentliche Schlachthaus der Stadt Berlin
auf dem Central - Vieh - und Schlachthofe gelangenden Schlachtviehes. Druck von Gebr.
Grunert, Berlin, 1883.
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400
Dr. Hertwig,
Die Beschau der lebenden Thiere wird selbstverständlich von den
Thierärzten allein ausgeübt. Die Untersuchung kann natürlich bei der grossen
Anzahl der Schlachtthiere und der öfteren Wiederholung derselben keine
methodische sein, sondern beschränkt sich vielmehr auf die Feststellung, ob
die Thiere sämmtlich das Verhalten gesunder Thiere ihrer Art zeigen oder
nicht. Nur im letzteren Falle tritt eine genauere Untersuchung ein, und
es wird je nach der Art und dem Grade der Krankheit entweder die sofor¬
tige Schlachtung oder blosse Tödtung angeordnet, oder die Schlachtung
wird behufs vorläufiger Beobachtung des Thieres auf unbestimmte Zeit aus¬
gesetzt oder gänzlich untersagt.
Diese Untersuchungen finden täglich mehrmals statt, so dass jedes zur
Schlachtung gelangende Thier beinahe unmittelbar vorher auf seinen Ge¬
sundheitszustand geprüft worden ist. Sollen jedoch ausnahmsweise Thiere
innerhalb drei Stunden nach ihrer Ueberführung nach dem Schlachthofe
geschlachtet werden, so sind die Schlächter verpflichtet, die Untersuchung
der noch lebenden Thiere ira thierärztlichen Anmeldebureau besonders zu
beantragen.
Die Untersuchung der geschlachteten Thiere ist theils eine
makroskopische, theils eine mikroskopische.
Die makroskopische Untersuchung erstreckt sich nicht allein auf
die Prüfung der Beschaffenheit des Fleisches, sondern auch auf die der Ein¬
geweide, des Blutes und der Körperhöhlen. Ihr gehören auch diejenigen
mikroskopischen Arbeiten an, welche von den Thierärzten behufs genauer
Ermittelung einzelner Krankheiten, z. B. Rothlauf, Schweineseuche, oder
Feststellung des Charakters von Geschwülsten u. s. w. ansgeführt werden.
Die mikroskopische Beschau, „Trichinenschau“ genannt, weil sie sich
ausschliesslich mit dieser beschäftigt, wird allein von den Fleischbeschauern
ausgeübt, von Leuten, welche früher den verschiedensten Ständen und Be¬
rufsarten angehörten. Sie haben ihre Aufmerksamkeit ausser auf Trichinen
auch auf actinomycotische Veränderungen und auf Durchsetzung des Fleisches
mit ungewöhnlich zahlreichen Psorospermienschläuchen oder mit Kalkconcre-
menten jeder Art zu richten.
Der Gang der Untersuchung geschlachteter Thiere, gewissermaassen der
Mechanismus dieser Untersuchung, ist folgender:
Wünscht ein Schlächter nach beendeter Schlachtung einer beliebigen
Anzahl von Thieren die Untersuchung derselben, so macht er davon Anzeige
im thierärztlichen Meldebureau, wo der diensthabende Buchführer die Mel¬
dung entgegennimmt und an die Thierärzte übermittelt, deren Bureau mit
dem Meldebureau in unmittelbarer Verbindung steht. Die Untersuchung
findet in der Weise statt, dass zunächst das Fleisch des Thieres, alsdann
die Maulhöhle, Brust- und Hinterleibshöhle, die einzelnen Organe u. s. w.
einer eingehenden Besichtigung unterzogen werden.
In den Schlachthäusern für Wiederkäuer notirt der Thierarzt nach
beendeter Untersuchung die Nummer der Schlachtkammer, den Namen des
Schlächters, Gattung und Zahl der geschlachteten Thiere, sowie Art und
Zahl etwa beanstandeter Organe und Theile und den Beanstandungsgrund.
Die gesund befundenen Thiere werden unterdessen von dem begleitenden
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 401
Sterapler mit den vorgeschriebenen Stempelabdrücken (mindestens 1 an
jedem Viertel) versehen, während die nicht gesund befundenen Thiere (und
einzelne Theile) mit allem Zubehör entweder vorläufig oder endgültig „zurück¬
gewiesen und beanstandet u und zu diesem Zweck mit Zetteln mit ent¬
sprechender Aufschrift an augenfälliger Stelle beklebt werden.
Die vorläufige Beanstandung eines Thieres erfolgt in allen den Fällen,
wo eine wiederholte Besichtigung oder eine zeitraubende — vielleicht eine
mikroskopische — Untersuchung zur Gewinnung eines endgültigen Urtheils
erforderlich ist. Die vorläufige Beanstandung kann von demselben Thier¬
arzt, welcher dieselbe ausgesprochen hat, wieder aufgehoben oder in eine
endgültige umgewandelt werden. Endgültig beanstandete Thiere müssen
stets auch von dem Oberthierarzt oder seinem Vertreter untersucht werden;
die durch den ersten Sachverständigen ausgesprochene Zurückweisung wird
sodann je nach Befund entweder bestätigt oder wieder aufgehoben.
In gleicher Weise wird auch bei Beanstandung einzelner kranker
Organe und Theile verfahren, nur dass bei endgültiger Beanstandung der¬
selben eine Besichtigung und Begutachtung seitens des Oberthierarztes nicht
in jedem Falle, sondern nur auf ausdrückliches Verlangen des Eigentümers
stattfindet.
Die von den Thierärzten gelegentlich der Untersuchungen gesammelten
Notizen werden von den Beamten des Anmeldebureaus täglich zusammen¬
gestellt, mit den seitens der Schlachthausaufseher angestellten Ermittelungen
über die Zahl der von jedem einzelnen Schlächter geschlachteten Thiere
verglichen und nach Aufklärung etwaiger Abweichungen in ein Journal
(Schlacht- Controle) übertragen, worin die Thierärzte sodann die Unter¬
suchungsbefunde vermerken. Die erwähnten Vergleichungen dienen zur
Feststellung, ob etwa Thiere ohne die vorgeschriebene Untersuchung von
dem Schlachthofe fortgeschafft worden sind, um eventuell die Strafe der
Schuldigen herbeiführen zu können. Eine weitere Controle in dieser Rich¬
tung findet seitens der Pförtner an den Thoren statt.
In den Schweineschlachthäusern vermerkt der untersuchende Thierarzt
nur die von ihm beanstandeten ganzen Thiere, sowie einzelnen Theile und
Organe, theils zu statistischen Zwecken, theils um auf etwaiges Verlangen
< den Eigenthümern Bescheinigungen ertheilen zu können.
Vor Schilderung des Geschäftsganges im Sch au amt ist es erforder¬
lich, einen Ueberblick über die Organisation desselben zu geben.
Das Schauamt besteht aus fünf Ahtheilungen (drei Männer- und zwei
Frauen-Abtheilungen), deren jede aus einem Vorsteher, einigen zwanzig Be¬
schauern bezw. Beschauerinnen und acht Probenehmern besteht. In die Zahl
der Fleischbeschauer sind einbegriffen je ein Vorsteher-Stellvertreter und
ein Revisor.
Dem Vorsteher obliegt neben der Aufrechterhaltnng der Ordnung
die Vertheilung der Proben an die Beschauer, die Führung des Schau¬
registers und des Befundhuches, die Uebertragung der Untersuchungs¬
befunde in die Probenehmerbücher, die Prüfung solcher Befunde, welche
die Beanstandung eines Schweines zur Folge haben würden, auf ihre
Richtigkeit u. s. w.
Vicrtcljah rasch ri ft für Gesundheitspflege, 1887. 26
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402
Dr. Hertwig,
Die Vorsteher-Stellvertreter und die Revisoren übernehmen im Behin¬
derungsfalle des Vorstehers sämmtliche Functionen desselben; für gewöhnlich
untersuchen dieselben wie die übrigen Fleischbeschauer.
Der Revisor hat die besondere Aufgabe, zu prüfen, ob die Mikroskope
der Beschauer sich in brauchbarem Zustande befinden, ob die vorge¬
schriebene kürzeste Untersuchungszeit für jedes Schwein (18 Minuten, vom
Empfange der Proben ab gerechnet) wirklich innegehalten and ausgenutzt
wird, ob die von den Beschauern angefertigten Präparate in vorgeschriebener
Weise hergerichtet sind, und nach beendeter Untersuchung durch unver¬
hoffte öftere Nachuntersuchungen sich zu überzeugen, ob die erste Unter¬
suchung mit der erforderlichen Gründlichkeit und Zuverlässigkeit geschehen
war. Besonders nach letzterer Richtung hin ist jeder Beschauer mindestens
einmal wöchentlich zu revidiren.
In derselben Weise, wie seitens der Revisoren geschieht, wird die
Thätigkeit der Fleischbeschauer nach Möglichkeit von den Vorstehern und
ihren Vertretern, täglich aber von einem als Ober-Revisor fungirenden
Thierarzt und von dem Oberthierarzt überwacht.
Die Fleischbeschauer haben sich allein mit der mikroskopischen Unter¬
suchung des Schweinefleisches — der sogenannten Trichinenschau — zu
befassen, dabei aber von dem Auf finden jeder anderen Abnormität im Fleische
sofort Anzeige zu machen.
Die Mikroskope — mit Ausnahme einiger alter Exemplare — sind von
dem Optiker Thate, Louisenstrasse 59, bezogen. Sie sind nach einer beson¬
deren diesseitigen Angabe angefertigt und namentlich mit einem schweren
Fuss und in Rücksicht auf die hier eingeführte Art der Untersuchungs¬
gläser (Compressorien) mit einem ca. 15 cm langen Objecttisch versehen.
Diese Compressorien bestehen aus zwei gleich grossen, etwa 21*5 cm
langen und 5*5 cm breiten Platten von starkem Spiegelglas, von denen die
eine als Objectträger, die andere als Deckglas dient. Beide Platten sind in
der Nähe ihrer Enden mit je einem Loche versehen zur Aufnahme von zwei
Messingschrauben, mittelst deren dieselben fest auf einander geschraubt
werden können. Auf dem Objectträger ist der Raum zwischen beiden
Schrauben durch Querschliffe in 12 je 1 cm breite Theile getheilt; in der
Mitte der Oberfläche des Deckglases befindet sich ein mattgeschliffener Längs¬
streifen, welcher an dem einen Rande die Zahlen 1 bis 12, an dem anderen
die Zahlen 13 bis 24 in Abständen von ebenfalls 1 cm trägt. Das zu¬
sammengefügte Compres8orium zeigt somit von oben gesehen eine Ein¬
teilung in 24 je 1 qcm grosse Felder, deren jedes durch die Zahlen 1 bis
24 genau bezeichnet wird. Auf jedes der .24 Felder des Objectträgers
werden die zu untersuchenden Fleischproben aus dem Zwerchfell, den Kehl¬
kopf-, Bauch- und Zwischenrippenmuskeln in der Weise vertheilt, dass die
Präparate aus dem Zwerchfell die Felder 1 bis 6, und diejenigen aus den
Kehlkopf-, Bauch- und Zwischenrippenmuskeln die Felder 7 bis 12, 13 bis
18 und 19 bis 24 einnehmen. Die Einführung der Compressorien, sowie
die Bestimmungen über die Grösse und Verteilung der Präparate und über
die Dauer der Untersuchung ist für die correcte Anfertigung der Präparate,
für die schnellere Untersuchung und für die leichte und genaue Controle
von grösster Wichtigkeit.
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 403
Die Probenehmer haben den geschäftlichen Verkehr zwischen Schlacht¬
haus und Schauamt zu vermitteln. Sie sind zur Ausübung ihrer Thätigkeit
mit sogenannten Umhüllungskästen ausgerüstet, in welchen sich eine Anzahl
Probebüchsen, ein an der Spitze leicht aufwärts gebogenes Messer, eine
cylindrische Benzinlampe und ferner viereckige Zettel von Druckpapier be¬
finden. Ausserdem ist jeder Probenehmer im Besitz eines vorschriftsmässig
eingerichteten Buches zur Eintragung der Schweine, von welchen er die
Proben entnommen hat. Die Probebüchsen, von welchen jedem Probenehmer
ein volles Hundert dauernd überwiesen wird, sind flache, cylindrische Blech¬
büchsen von etwa 4 cm Durchmesser, deren in einem Scharnier leicht beweg¬
licher Deckel mit einer deutlichen, eingeprägten Nummer (1 bis 4000)
versehen ist.
Die. Umhüllungskästen sind rechteckige flache Blechkästen und dienen
zur Aufnahme der oben erwähnten Gegenstände.
Fleischbeschauer sowohl wie Probenehmer haben eine gleichmässige,
sehr sorgfältige fachliche Ausbildung erhalten. Es genügt nicht die blosse
Ablegung der vorgeschriebenen Prüfung, nicht die Fähigkeit, Trichinen,
actinomycotische u. s. w. Veränderungen zu erkennen und aufzufinden, um
die Beschauer an den amtlichen Untersuchungen theilnehmen zu lassen; sie
müssen vielmehr eine bestimmte Fertigkeit und Sicherheit in diesen Lei¬
stungen besitzen und zur Aneignung derselben sich zuvor unter Leitung
des Oberrevisors so lange — gewöhnlich 4 bis 6 Wochen — in der im
Schauamt eingeführten Untersuchungsmethode üben, bis sie im Stande sind,
die vorgeschriebenen 24 Präparate in 18 Minuten anzufertigen und so genau
zu untersuchen, dass sie die darin enthaltenen Trichinen und sonstigen
Abnormitäten zahlenmässig nach weisen können. Um über die Sehfähigkeit
und die gleichbleibende Tüchtigkeit der angcstellten Beschauer Gewissheit
zu haben, müssen sich dieselben alljährlich einmal einer Prüfung in gleicher
Richtung vor dem Oberthierarzt unterziehen.
Die fünf Abtheilungen des Schauamtes sind selten alle gleichzeitig in
Thätigkeit. Je nach der Stärke des Schlachtbetriebes, dessen tägliche,
wöchentliche und durch die Jahreszeit bedingte Schwankungen bekannt
Bind, ist das Schauamt in angemessener Weise mit Kräften besetzt, so dass
ebensowohl Verzögerung in der Erledigung der Untersuchungen, als auch
längere Unthätigkeit der Beschauer im Schauamte vermieden wird. Als
tägliche Maximalleistung eines Beschauers, welche in Folge der getroffenen
Einrichtungen nur selten eintritt, ist die Untersuchung von 20 Schweinen
angenommen worden.
Nach erfolgter Anmeldung von der beendeten Schlachtung entnehmen
die hierzu beauftragten Probenehmer die Fleisch proben aus den vorge¬
schriebenen oben genannten Muskeln. Zur Verhütung von Verwechslungen
sind dieselben angewiesen, die Nummer der Probebüchse, welche sie gerade
füllen wollen, an das Fussende der Hinterbeine desjenigen Schweines zu
schreiben, von welchem sie beabsichtigen, die Proben zu entnehmen. Sie
dürfen hierbei nur die eine gerade zu füllende Probebüchse geöffnet haben.
Zur Feststellung der Zugehörigkeit des sogenannten Geschlinges (Brust¬
eingeweide und Leber in natürlichem Zusammenhang) wird dasselbe mit
einem Blockzettel, welcher die Nummer der Probebüchse trägt, beklebt.
26*
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404
Dr. Ilertwig,
Hiernach untersuchen die Probenehmer die Schweine auf das Vorhandensein
von Finnen und sonstigen leicht erkennbaren Veränderungen des Fleisches,
wobei sie sich in den Abendstunden trotz der reichlich vorhandenen Gas-
beleucbtnng zur grösseren Sicherheit der Untersuchung der erwähnten
Benzinlampe bedienen. Hierbei krank oder verdächtig befundene Schweine
werden von ihnen durch Zettel mit entsprechender Aufschrift als vorläufig
beanstandet bezeichnet. Sobald diese Geschäfte und die vorschriftsmässigen
Eintragungen in ihr Buch und in das des Schlächters beendet sind, liefern
sie die Probebüchsen im Schauamt ab, wo der Vorsteher sie an die Fleisch¬
beschauer vertheilt. Diese fertigen in der oben angegebenen Weise aus
jeder Probe sechs Präparate an, welche in der erwähnten angeordneten Reihen¬
folge auf die Compressorien gelegt werden. Werden bei der Untersuchung
die Schweine gesund befunden, so wird dies in das Buch des Probenehmers
eingetragen und dasselbe ihm behufs Abstempelung der Schweine zurück¬
gegeben. Wird dagegen eins derselben trichinös befunden, so wird dasselbe
sogleich angehalten, durch rothe Farbestempel mit der Aufschrift „Trichinen¬
haltig“ kenntlich gemacht und dann sofort der Polizeibehörde überwiesen.
Alsdann aber werden säramtliche Schweine, von welchen der betreffende
Probenehmer gleichzeitig die Fleischproben entnommen hat, ebenfalls sofort
angehalten und erst freigegeben, wenn nach einer nochmaligen Untersuchung
neuer Proben ein gleiches Resultat wie bei der ersten Untersuchung erzielt
und somit der Verdacht einer Verwechslung ausgeschlossen ist.
Die Abtheilungsvorsteher und die Probenehmer beziehen ein festes Ge¬
halt, weil sie an den mikroskopischen Untersuchungen nicht Theil nehmen
und ihnen daher ein Antheil an den dafür gezahlten Gebühren nicht zusteht.
Für die Fleischbeschauer werden diese Gebühren im Betrage von 55 Pfennig
seitens der städtischen Behörden eingezogen und am 1. und 16. jeden Mo¬
nats vertheilt. In Anbetracht der gleichmässig angeordneten Dienststunden
werden die Gebühren gleichmässig verabfolgt. Das Einkommen der Fleisch¬
beschauer beträgt jährlich durchschnittlich 1400 Mark. Die Stellvertreter
und Revisoren erhalten eine Functionszulage.
Unabhängig von der Untersuchung im Schauamt, entweder während
oder bald nach derselben, erfolgt die Untersuchung (und eventuell Ab¬
stempelung) der Schweine durch die Thierärzte in der schon kurz ange¬
deuteten Weise.
Die Fortschaffung der Schweine vom Schlachthofe darf erst geschehen,
nachdem dieselben mit beiden Untersuchungsstempeln, nämlich mit dem
des Schauamtes und mit dem des Thierarztes, versehen und dadurch als
zum Genuss geeignet bezeichnet sind.
ln Anbetracht dessen, dass die Fleischschau nicht nur eine sanitäre,
sondern auch eine volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen hat, ist für
dieselbe oberster und leitender Grundsatz, alles Fleisch, welches die mensch¬
liche Gesundheit zu schädigen geeignet ist, vom Consum auszuschliessen,
hingegen aber auch alles Fleisch für den Consum zu erhalten (selbst das
mancher kranker Thiere), wenn dessen Genuss den wissenschaftlichen Erfah¬
rungen zufolge ohne jede Gefahr für die menschliche Gesundheit stattfinden
kann. Denn die schädlichen Veränderungen, welche das Fleisch bei g Qm
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Central-Schlaclithof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 405
wissen Krankheiten erleidet, sind nicht immer schon im Anfangsstadium
derselben vorhanden, sondern entwickeln sich erst im weiteren Verlaufe;
auch erstrecken sich diese Veränderungen nicht immer über den gesammten
Organismus, sondern beschränken sich oft auf einzelne Theile und Organe.
Im Uebrigen sind die Grundsätze, nach welchen bei Ausübung der Fleisch¬
schau im Allgemeinen verfahren wird, in Kürze die nachstehenden.
Ausgeschlossen vom Consum wird:
1. Das Fleisch solcher kranken Thiere, welche den bestehenden gesetz¬
lichen Bestimmungen zufolge unschädlich beseitigt werden müssen;
also das Fleisch von milzbrand- oder tollwuthkranken Thieren,
trichinösen Schweinen u. s. w.
2. Fleisch von verendeten oder zu spät, d. h. in der Agonie geschlach¬
teten Thieren.
3. Fleisch von Thieren, welche an schweren Infectionskrankheiten,
Blutvergiftung, Blutzersetzung, localen, mit hochgradigem Fieber
verbundenen Leiden, an Abzehrung, an Erkrankung in Folge Auf¬
nahme giftiger Stoffe oder heroisch wirkender Arzneimittel bis zur
Zeit der Schlachtung gelitten haben. Hierher gehören Pyämie,
Septicämie, Typhus und alle Leiden mit typhösem Charakter, hoch¬
gradige, insbesondere brandige Entzündung innerer und äusserer
Theile, umfangreiche jauchige Eiterungen u. s. w.
4. Fleisch von Thieren, welche an Tuberculose oder käsiger Pneu¬
monie leiden, sofern diese Krankheiten ein Allgemeinleiden oder Ab¬
zehrung herbeigeführt haben.
5. Fleisch von wassersüchtigen Thieren, wenn die Krankheit in hohem
Grade besteht oder mit Abmagerung verbunden ist.
6. Fleisch von Thieren, welche an Rothlauf oder Gelbsucht, bezw.
Lupinose leiden, wenn diese Krankheiten in höher entwickeltem
Grade bestehen, d. h. sofern bei der ersteren Krankheit ausgebreitete
dunkle Röthung vorhanden ist und bei der letzteren Fleich und
Fett eine deutlich gelbe Farbe zeigen.
7. Fleisch, in welchem mehr oder weniger umfangreiche oder multiple
krankhafte Veränderungen, als Geschwülste, Blutergüsse, Abscesse,
Entzündungsproducte oder kalkartige Ablagerungen irgend welcher
Art vorhanden sind.
8. Fleisch von Ekel erregender Beschaffenheit, wie sie z. B. — vor¬
nehmlich bei Schweinen — entsteht durch Fütterung mit verdorbenen
Oelkuchen, mit Fischen oder mit Fleischabfällen aus Abdeckereien;
Fleisch und Fett erleiden hierdurch eine Veränderung der Festigkeit,
der Farbe und besonders des Geruches, welch letzterer sich besonders
bei der Zubereitung des Fleisches in unangenehmsterWeise bemerkbar
macht. Dieser abnorme Geruch ist nach dem Genuss von Fischen
dem des Fischthranes ähnlich und nach dem Genuss von Fleisch¬
abfällen genannter Art oft geradezu aashaft.
9. Fleisch, welches mit Parasiten thierischer oder pflanzlicher Natur
durchsetzt ist, wenn ihr Genuss direct schädlich wird oder wenn sie
dem Fleische eine Ekel erregende Beschaffenheit verleihen.
10. Fleisch von neugeborenen und ungeborenen Kälbern.
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40G
Dr. Hertwig,
(Mit letzterem wurde vor Einführung der Schauordnung ein
schwunghafter Handel betrieben; erst durch die Revisionen der
Schlachträume, welche von den Thierärzten zur Sicherung der ord-
nungsmässigen Durchführung der Vorschriften des Regulativs täglich
und in unvermutheter Weise ausgeführt werden, und durch die in
jedem Falle der festgestellten Uebertretung erzielte Bestrafung der
Contravenienten ist dieser Handel unterdrückt worden.)
11. Fleisch, welches aufgeblasen worden ist.
(Durch Polizei-Verordnung vom 15. September 1885 ist das
Auf blasen geschlachteter Thiere oder einzelner Theile derselben
verboten.)
12. Fleisch, welches in Fäulniss übergegangen ist.
Bei der Beurtheilung der Tuberculose der Rinder dient als Richt¬
schnur eine von dem Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten im Ein¬
verständnis! mit dem Minister für Landwirtschaft etc. erlassene Circular-
Verfügung vom 27. Juni 1885, welcher zufolge eine gesundheitsschädliche
Beschaffenheit des Fleisches von perlsüchtigem Rindvieh in der Regel dann
angenommen werden soll, wenn das Fleisch Perlknoten enthält oder das
perleüchtige Thier bereits Abmagerung zeigt, auch ohne dass sich Perlknoten
im Fleische vorfinden, während andererseits das Fleisch von perlsüchtigem
Vieh für geniessbar zu halten ist, wenn bei einem Thier ausschliesslich in
einem Organ Perlknoten Vorkommen und dasselbe im Uebrigen noch gut
genährt ist.
Jedoch wird z. B. eine tuberculose Erkrankung der Lunge und des
serösen Ueberzuges derselben in Verbindung mit einer Erkrankung des
Herzbeutels oder eine solche des Bauchfelles und der Gekrösdrüsen allein
nicht als eine Erkrankung von „mehr als einem Organ“ und daher nicht
als ein Beanstandungsgrund aufgefasst, ebensowenig die Ausbreitung eines
tuberculösen Processes von der Brusthöhle duroh die pars tendinea dia-
phragmatis auf die Leberserosa — immer vorausgesetzt, dass diese Processe
noch keine Abmagerung zur Folge hatten —, dagegen bedingt das Vor¬
handensein tuberculöser Producte in einem Organ der Brusthöhle und in
einem Organ der Bauchhöhle, oder innerhalb der Knochen, überhaupt an
getrennten Körperstellen, wenn nicht augenscheinlich beide getrennte Krank¬
heitsherde mit Rücksicht auf Sitz und Beschaffenheit als von einander unab¬
hängige Primärherde aufzufassen sind, die Zurückweisung des Fleisches.
Bei der Beurtheilung dieser Krankheit bei Schweinen wird nach denselben
Grundsätzen verfahren.
Thiere, welche in geringem Grade an Gelbsucht leiden, so dass Fleisch
und Fett ausser einer geringen Gelbfärbung keine krankhafte Verände¬
rungen wahrnehmen lassen, werden zum Genuss zugelassen, da die Gelb¬
färbung in diesem Falle mit dem Erkalten des Fleisches bis auf einen kaum
noch wahrnehmbaren Grad zu verschwinden pflegt, jedoch wird diese günstige
Farben Veränderung stets erst abgewartet, da es auch Ausnahmen von dieser
Regel giebt. Einen der Gelbsucht ähnlichen Zustand des Fleisches findet
man als Folge der Fütterung mit Nahrungsmitteln, welche einen gelblichen
Farbestoff enthalten, ferner im Frühjahr besonders bei Rindern kurz nach
dem Beginn des Weideganges. Die feste derbe Beschaffenheit des Fleisches,
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Central-Schlaclithof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 407
das Fehlen oder nur sehr geringgradige Vorhandensein der Gelbfärbung
im Fleisch, während das Fett stark gelb gefärbt ist, ferner der normale
Zustand der Leber und des Darmcanals, sowie die unveränderte Beschaffen¬
heit des Darminhalts schützen hier vor einer unrichtigen Diagnose.
Veränderungen der Farben, wie sie bei der Gelbsucht beobachtet
werden, kommen in gleicher Weise bei der Rothlaufkrankheit der Schweine
vor dem Schlachten vor. Es treten nicht seiten einzelne, kurz nach dem
Schlachten beobachtete rothe Flecke zu einer grossen Fläche zusammen,
oder die anfänglich vorhanden gewesene blassrothe Färbung wird dunkler
und dringt, von der Haut ausgehend, in die Tiefe des Fettes. Dieser Vor¬
gang ist den hiesigen Schlächtern allgemein bekannt und wird von ihnen
mit der Bezeichnung „Nachröthen“ belegt. Es tritt aber auch der umge¬
kehrte Fall ein, dass dunkler geröthete Hautpartieen nach dem Erkalten
des Fleisches beinahe verschwinden.
Hinsichtlich der Beurtheilung des mit Parasiten durchsetzten Fleisches
wird eine Unterscheidung gemacht, ob die Parasiten dem Menschen selbst
direct gefährlich werden oder nicht, und im letzteren Falle, ob sie in
grösserer Menge oder vereinzelt vorhanden sind und sicher entfernt werden
können. Werden z. B. Echinococcen zahlreich in einem Organe gefunden,
so wird dasselbe zurückgewiesen, wogegen bei vereinzeltem Auftreten die
Entfernung durch Herausschneiden angeordnet, und wenn dies erfolgt ist,
die Freigabe verfügt werden kann. Ebenso wird verfahren, wenn z. B.
vereinzelte Distomen in der Musculatur eines Schweines oder in den
Gailengängen der Leber gefunden werden. In dem letzteren Falle werden
die Gallengänge sorgfältig entfernt und die Lebern freigegeben.
Ferner wird entsprechend der vielfach bestehenden Anordnung
schwach mit Finnen durchsetztes Schweinefleisch zum Genüsse zuzulassen,
nach Vereinbarung mit dem Königlichen Polizei - Präsidium das Fleisch
solcher Schweine, in welchem nach vollständiger Ausschlachtung und
üblicher Zerlegung in zwei seitliche Hälften trotz sorgfältigster Unter¬
suchung durch Probenehmer und Thierarzt nur eine Finne festgestellt
werden konnte, in dem Falle für den Verkehr freigegeben, dass bei gewerbs¬
mässiger Zerlegung und genauer Untersuchung der als bevorzugte Sitze
der Finnen bekannten Stellen (Backen-, Nacken- und Lendenmuskeln,
Zwerchfellpfeiler, Herz und Zunge) eine zweite Finne nicht mehr gefunden
wurde. Anderenfalls erfolgt die Beanstandung und Zurückweisung des
Fleisches. Von 541 innerhalb des Halbjahres Juni 1885 bis Ende März
1886 anfänglich mit nur einer Finne behaftet befundenen Schweinen
wurden 385, bei deren Zerlegung eine zweite, in einigen Fällen auch
mehrere Finnen gefunden wurden, beanstandet. 156 Schweine, in welchen
eine zweite Finne nicht ermittelt werden konnte, wurden dem Eigenthümer
zurückgegeben.
Die durch zahlreich vorhandene Psorospermienschläuche, Kalkconcre-
mente, Gregarinensäcke und durch Actinomycose bedingten Veränderungen
des Fleisches verleihen demselben eine Ekel erregende Beschaffenheit,
welche — abgesehen von etwaigen anderen Bedenken gegen die Zulässigkeit
des Genusses derartigen Fleisches — an sich die Beanstandung desselben
rechtfertigt.
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408
Dr. Hertwig,
Es finden sich namentlich bei Schweinen, wenn auch nicht häufig,
PsoroBpermienschläuche in allen Muskeln in so ausserordentlicher Menge,
dass man bei etwa ÖOfacher Vergrösserung in jedem Gesichtsfelde deren
mehrere (6, 8 und noch mehr) erblickt. Bei so hochgradiger Durchsetzung
des Fleisches mit diesen Gebilden hat dieses nicht mehr die gewöhnliche
braunrothe Farbe und glänzende Beschaffenheit, sondern einen stumpfen,
röthlichgrauen Farbenton und abnormen Wassergehalt.
Eine ähnliche Veränderung wenigstens der Farbe des Fleisches wird
bedingt durch Kalkconcremente in grosser Menge, d. h. durch Kalkkörper
verschiedenen Ursprunges, vielleicht untergegangene und mit Kalksalzen
imprägnirte Finnen, Psorospermien, Trichinen, Actinoraycesherde u. A. Diese
Concremente sind öfters fast mikroskopisch klein, etwa von der Grösse
feinster Nadelspitzen, und höchstens bei günstigster Beleuchtung makrosko-
pisch zu erkennen. Zu anderen Malen, und zwar nicht selten, sind dieselben
dem blossen Auge auffällig, mitunter sogar von der Grösse feinster Graupen,
so dass das Fleisch wie mit solcheu dicht bestreut aussieht.
Auch das von Actinomyces musculorum der Schweine befallene Fleisch
zeigt Veränderungen der Farbe, daneben aber auch solche der Consistenz
und des Wassergehaltes. Das Fleisch hat in höheren Graden der Erkrankung
eine graurothe bis schmutzig-gelbröthliche Farbe, ist leicht mit dem Finger
zu zertrümmern und sehr stark durchfeuchtet, so dass es bei behinderter
Verdunstung der wässerigen Bestandteile nach mehrstündigem Liegen unter
einer Glasglocke beträchtliche Mengen einer röthlichen Flüssigkeit abgiebt
und zu zerfliessen scheint. Bei manchen Schweinen ist nicht die gesammte
Musculatur befallen, sondern es wechseln kranke und gesunde Stellen ab
und mitunter mit ziemlich scharfen Grenzen, so dass z. B. neben Streifen
gelblich-graurother Musculatur solche von gewöhnlicher braunroter Farbe
sich befinden. Diese Beschaffenheit rechtfertigt schon allein vollauf die
Beanstandung des actinomycotischen Schweinefleisches, so dass die Frage,
ob der Genuss desselben — wenn auch nicht eine gleiche oder ähnliche
zerstörende Wirkung wie der Actinomyces hominis und bovis (Harz), so
doch überhaupt an sich eine nachteilige Wirkung auf die menschliche
Gesundheit auszuüben vermöge, in Hinsicht auf die Beurteilung der
Geniessbarkeit solchen Fleisches ausser Betracht gelassen werden kann 1 ).
Ferner ist Fleisch von Schafen, welches mit zahlreichen Gregarinen-
säckchen durchsetzt ist, als Ekel erregend zu bezeichnen. Dieselben, Ge¬
bilde von weisBlicher Farbe und rundlicher Gestalt, welche am Schlunde
der Schafe recht häufig, gewöhnlich in der Grösse und Form eines Ameisen-
Eies bis zu der einer Erbse, und meist in ansehnlicher Zahl beobachtet
*) Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass ein kleiner Aufsatz über den Actinomyces mus¬
culorum suis sich in dem Archiv für wissenschaftliche und praktische Thierheilkunde (Band XII,
Heft 5 und 6, 1886) befindet, und gegenüber wiederholt gemachten Einwendungen gegen die
Identität dieses Actinomyces mit dem bekannten Actinomyces hominis und bovis hier nochmals
besonders hervorgehoben, dass eine Identität derselben niemals behauptet worden ist. Ferner
sei gegenüber Zweifeln an der Pilznatur dieser Gebilde, welche sich auf eine angebliche
Widerstandsunfähigkeit gegen die gewöhnlichen Rengentien und Färbemittel stützen, auf die
an derselben Stelle erwähnte Widerstandsfähigkeit gegen Aufkochen in Kalilauge und ver¬
dünnter Essigsäure, gegen Aufbewahrung in Salzlösung u. s. w. hingewiesen.
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Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben. 400
werden, sind wiederholt auch im Fleische derselben in grösserer Menge
gefunden worden. Dieselben erhalten inmitten der Muskeln eine mehr
gestreckte, gersten- oder haferkornähnliche Gestalt, in den niederen Ab¬
theilungen der Bauchmuskeln durch den Druck der schweren Verdauungs¬
eingeweide eine mehr flächenhafte Ausdehnung von oft reichlich 1 qcm.
Vereinzelt werden diese Gregarinensäcke ziemlich häufig getroffen, vor¬
nehmlich in den Bauchmuskeln; dieselben werden dann entfernt und das
Fleisch wird zum Genuss zugelassen, da eine Schädigung der menschlichen
Gesundheit'durch Aufnahme dieser Gebilde in die Verdauungswege noch nicht
bekannt ist 1 ).
Ueber sftmmtliche endgültig zurückgewiesene Thiere wird ein Obductions-
buch geführt, auf Grund dessen auf Verlangen der Interessenten eine Be¬
scheinigung für gerichtliche und sonstige Zwecke ausgestellt wird.
Sämmtliche beanstandete Thiere werden der Polizeibehörde zur weiteren
Verfügung überwiesen, und zwar die Wiederkäuer in den Schlachtkammern,
in welchen ihre Beanstandung erfolgt ist, die Schweine nach vorheriger
Zusammenbringung in einem besonderen Aufbewahrungsräume, weil bei der
grossen Anzahl täglich beanstandeter Schweine die Ueberweisung der ein¬
zelnen Thiere zu viel Zeit und Arbeitskraft in Anspruch nehmen würde.
Auch die beanstandeten Organe und Theile werden nach vorheriger Samm¬
lung in verschlossenen mit einem Einwurf und drehbaren Flügeln
in denselben versehenen Behältern, deren je drei in den sechs Gassen
zwischen den Schlachthäusern aufgestellt sind, täglich einmal der Polizei¬
behörde überwiesen.
Soweit nicht durch gesetzliche Bestimmungen die upschädliche Beseiti¬
gung des Fleisches der beanstandeten Thiere angeordnet ist, wird dasselbe
der fiscalischen Abdeckerei zur Ausnutzung für technisch-gewerbliche Zwecke
gegen Zahlung eines alljährlich durch gegenseitiges Abkommen zwischen
den Viehcommissionären und dem Pächter der Abdeckerei oder bei nicht
erfolgter Einigung durch das Königliche Polizei-Präsidium festzusetzenden
Preises überwiesen. Auch die trichinösen Schweine, welche nach der
ministeriellen Circular-Verfügung vom 18. Januar 1876 ausgeschmolzen
werden dürfen, um das gewonnene Fett als Nahrungsmittel zu yepwertben,
werden dort zu gewerblichem Zweck ausgenutzt.
Diejenigen Schweine, welche mit Finnen behaftet sind, oder deren
Fleisch mit Strahlenpilzen oder Kalkconcrementen durchsetzt ist, werden
— sofern die Concremente nicht trichinösen Ursprunges sind — unter amt¬
licher Aufsicht in der auf dem Schlachthofe befindlichen Schmelzküche aus¬
geschmolzen. Das hierbei gewonnene Fett darf als Nahrungsmittel verwerthet
werden. Von tuberculösen Schweinen wird nur das abgeschälte Fett aus¬
geschmolzen, wogegen das Fleisch in der Abdeckerei nur zu gewerblichen
Zwecken verwerthet wird. Aus dem abgeschälten Fett aller dieser Thiere
wird, wie bei der Beschreibung der Schmelzküche angeführt ist, unter An¬
wendung hoher Hitzegrade (120° G.) Speiseschmalz gewonnen. Aus dem
1) Alle besonders schön eqtwickelten und selteneren Exemplare der bei der Untersuchung
gefundenen krankhaften Veränderungen werden von den städtischen Thierärzten gesammelt
und conservirt. Auf diese Weise ist eine ganz ansehnliche Sammlung entstanden, welche von
allgemeinem Interesse ist und ein lehrreiches Studienmaterial darbietet.
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Dr. Hertwig, Der Central-Schlachthof zu Berlin etc.
„Mager fleisch“ und den Knochen wird in einem grossen Digestor neben
Fett auch Leim gewonnen. Die Rückstände werden in verschlossenen
Wagen vom Schlachthofe fortgeführt und zur Gewinnung von Dungpulver
verwerthet.
Das in grossen Satten aufgefangene Blut der Wiederkäuer wird, soweit
es nicht zur Wurstfabrikation Verwendung findet, an die Albumin-Fabrik
abgegeben. Das Fett (Talg) dieser Thiere wird ebenfalls — soweit es nicht
direct zu Nahrungszwecken dient — an die Talgschmelze abgeliefert und
zur Stearin-, Kunstbutterfabrikation u. s. w. verwendet.
Die Fleischproben, welche zur mikroskopischen Untersuchung der
Schweine gedient haben, übernimmt ein Privatunternehmer zur Herstellung
von Würsten gegen eine jährliche Pachtsumme von 2750 Mark, welche an
die Krankencasse der Schlächtergesellen abgeführt wird.
Zur Gewinnung eines Ueberblickes über den Umfang und die
Steigerung des Geschäftsverkehrs auf dem Schlachthofe
mögen die nachstehenden Angaben dienen.
Die Schlachtzeit währt im Sommer von 4, im Winter von 5 Uhr Mor¬
gens bis 10 Uhr Abends. Ueber diese Zeit hinaus darf nur nach Einholung
besonderer Erlaubniss geschlachtet werden, welche nur auf triftige Gründe
hin ertheilt wird.
Die Schlachtungen werden zur Zeit von mehr als 900 selbständigen
Schlächtern ausgeführt, welche meist für sich selbst schlachten; ein kleiner
Theil derselben — sog. Lohn Schlächter — schlachtet im Aufträge Anderer,
namentlich der Kleinhändler und „ Laden Schlächter“.
Es wurden geschlachtet in den Berichtsjahren:
1883/84 1884/85 1885/86 1886/87
Rinder. 93 387 95 003 99 261 111088
Kälber. 78 220 75 843 78 733 87 685
Schafe . 171077 170324 176779 203705
Schweine. 244 343 264 727 285 883 310840
Von den im Jahre 1885/86 geschlachteten Thieren wurden endgültig
zurückgewiesen 3978 ganze Thiere und 43 899 einzelne Organe und Theile.
Die am häufigsten beobachteten Krankheiten waren: 1) die Tuberculose,
welche zur Zurückweisung von 183 Rindern, 510 Schweinen und 5 Kälbern,
sowie ausserdem von 6329 Organen führte, 2) die Trichinose, welche bei
143 Schweinen festgestellt wurde, 3) Rothlauf, welcher die Zurückweisung
von 172 Schweinen nothwendig machte, 4) Finnen, welche zur Beanstan¬
dung von 2584 Schweinen und 3 Rindern führte. Ferner mussten wegen
Echinococcen 7 Schweine und 18109 Lungen und Lebern von Thieren
aller Gattungen beanstandet werden.
Die auffallend hohe Zahl der finnigen Schweine erklärt sich aus der
ausserordentlich genauen Untersuchung der Schweine. Es waren nämlich
von den 2584 finnigen Schweinen 1002 mehr oder weniger stark, 743
„massig“ oder richtiger „spärlich“ mit Finnen durchsetzt, während bei
839 Schweinen nur ganz vereinzelte Finnen aufgefunden werden konnten.
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Dr. C. Bischoff, Ueber polizeiliche Milckcontrole.
411
Ueber polizeiliche Milchcontrole!
Vortrag in der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin.
Von Dr. C. Bischoff (Berlin).
Es ist bekannt, dass bereits vor dem Erlass des Gesetzes über den
Verkehr mit Nahrnngs- und Genassmitteln das kaiserliche Gesundheits¬
amt in Verfolg der Bedürfnissfrage nach möglichst einheitlicher Regelung
der Milchcontrole im Gebiete des Deutschen Reiches damit beschäftigt
war, Ermittelungen und Erhebungen anznstellen, in wieweit sich die zur
Sprache gebrachte Materie durch eine einheitliche Verordnung innerhalb
des Deutschen Reiches regeln Hesse. Es haben die damals gepflogenen
Berathungen und Vorarbeiten, welche einen Zeitraum von mehreren Jahren
in Anspruch nahmen, die maassgebenden Behörden zu der Ueberzeugung
geführt, dass sich der vorgelegte Gegenstand einheitlich für das Deutsche
Reich überhaupt nicht regeln lasse, da die Anforderungen, welche man je
nach den localen Verhältnissen an die Qualität der in den Handel zu bringenden
Milch stellen darf, in wesentlichen Punkten innerhalb Deutschlands diffe-
riren. Es ist daher in Hinweis auf die Mittheilung technischer Anhalts¬
punkte für die Handhabung der Milchcontrole den Einzelbehörden anheim
gegeben worden, die Materie innerhalb ihres Bezirkes auf dem Wege der
Polizeiverordnung zu regeln.
Bereits vor dem Bekanntwerden der Resultate der Berathungen im
kaiserHchen Gesundheitsamt haben an verschiedenen Orten Deutschlands
Localverordnungen über den Verkehr mit Milch bestanden. Andernorts
sind in Vorbereitung begriffene Entwürfe mit Rücksicht auf die Erwartung
bestimmter Vorschläge einer Reichsverordnung während des Verlaufs jener
Erhebungen im Reichsgesundheitsamt vorläufig suspendirt worden. Wieder
andernorts hat man endlich erst in Bezugnahme auf die technischen An¬
haltspunkte , welche aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte hervorgegangen,
die Materie auf dem Wege der Polizeiverordnung zu regeln angefangen.
Dass der Verkehr mit Milch im Interesse sowohl des Gesundheits¬
zustandes wie auch des pecuniären Vermögens der Bevölkerung der sanitäts¬
polizeilichen Ueberwachung dringend bedarf, darüber ein Wort zu verlieren,
ist unnöthig.
Es dürfte sich nur fragen, wie und nach welchen Gesichtspunkten hat
sich am zweckmässigsten eine Controle der Milch zu gestalten, so zwar,
dass sie einestheils den Bedürfnissen der Gonsumenten nacji Möglichkeit
Rechnung trägt, anderntheils auch den Milchhändlern nicht allzu erhebliche
Schwierigkeiten aufbürdet, endlich auch seitens der Organe der in Betracht
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412 Dr. C. Bischoff,
kommenden Behörde in wirksamer Weise zur Durchführung gebracht
werden kann.
Meine Herren! Es interessiren uns zunächst die Verhältnisse von
Berlin. Allein in meiner Thätigkeit als Chemiker des königl. Polizeipräsi¬
diums weiss ich, dass auch die Behörden anderer Orte mit Sehnsucht auf
den Erlass entsprechender Verordnungen innerhalb Berlins warten. Es
wird daher eine Regelung der Frage für Berlin vielfach auch die Ein¬
führung entsprechender Verordnungen in anderen Städten Deutschlands
nach sich ziehen.
Wenn man somit von jeder Verordnung an sich schon erwarten soll,
dass sie den Verhältnissen aufs Beste entsprechend und sicher fundirt sei,
so wird dies von der in Aussicht genommenen Berliner Polizeiverordnung
über den Verkehr mit Milch um so mehr erwünscht sein müssen, einestheils
in Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes an sich, anderntheils in
Rücksicht auf das besondere Interesse, welches die gedachte Verordnung
auch für weitere Kreise und die Bevölkerung anderer Orte Deutschlands
bietet.
Die Prüfung der Milch soll sich darauf erstrecken, dem Consumenten
die Milch in möglichst guter und möglichst unverfälschter Beschaffenheit
in die Hände zu liefern, Forderungen, die sich nicht immer zudecken
brauchen.
Fleisohmann präcisirt die Gesichtspunkte, welche man bei der
Ueberwachung des Milchhandels im Auge zu behalten habe, dahin, dass zu
verlangen sei:
1. Unverfälschte Milch, wie sie von der Kuh bei vollständigem Ans¬
melken und nach gründlicher Durchmischung des ganzen Gemelkes
erhalten wird.
2. Milch gesunder Kühe.
3. Reine Milch, frei von fremdartigen Zusätzen und namentlich frei von
allen Verunreinigungen und den Trägern gefährlicher Krankheiten.
4. Süsse Milch, welche nach dem Ankauf noch einige Zeit aufbewahrt
werden kann und das Kochen verträgt.
5. Milch von der gewöhnlichen Beschaffenheit guter Milch und frei
von ungewöhnlichen ihre Verwendung als Nahrungsmittel und ihre
Verarbeitung beeinträchtigenden Eigenschaften.
6. Preiswürdige Milch mit demjenigen Gehalt an Trockensubstanz und
Fett, welchen sie in der betreffenden Gegend gewöhnlich besitzt und
bei zweckmässiger Fütterung der Kühe besitzen kann.
Nicht alle dieser Forderungen lassen sich gleich gut controliren, ein¬
zelne entziehen sich gänzlich der Möglichkeit einer Controle innerhalb einer
grossen Stadt. Im Wesentlichen wird sich die polizeiliche Milchcontrole,
soweit sie sich praktisch mit dem Object Milch nicht etwa mit dem Auf¬
bewahrungsmodus etc. befasst, auf die Constatirung der Thatsache zu be¬
schränken haben, ob die verhandelte Milch den örtlichen Verhältnissen
entsprechend als gut, unverfälscht und frisch zu betrachten sei.
Es setzt diese Frage zunächst voraus, dass man die Qualitäten der an
dem betreffenden Ort zu Markt gebrachten Durchschnittswaare kenne, um
im Anhalt hieran gewisse Forderungen aufzustellen, welche nicht Minimal-
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Ueber polizeiliche Milchcontrole. 413
forderungen zu sein brauchen, welche vielmehr gerechter Weise von einem
so wichtigen Nahrungsmittel, wie es die Milch ist, erfüllt werden müssen.
Es setzt diese Frage ferner voraus, dass man sich vergegenwärtige,
welche Arten von Verfälschungen oder Entwerthungen bei der Milch am
Orte erfahrungsgemäss üblich sind und wie diese unlautere Behandlungs¬
weise auf den Zustand der Milch influirt.
Nun, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass bei der Milch, wie andern¬
orts in Deutschland, so auch in Berlin die hauptsächlichsten Verfälschungen
in erster Linie der Zusatz von Wasser sind, in zweiter Linie die Entziehung
des werthbestimmenden Factors, des Milchfettes, in dritter Linie die Ver¬
einigung beider Factoren. Alle übrigen angeblichen Fälschungen wie Zu¬
sätze von Gummischleim, Stärke, Eiweisslösung etc. gehören in das Gebiet
der Fabel.
Ich brauche Ihnen auch mit Rücksicht auf demnächst zu erörternde
Vorschläge der polizeilichen Controle nicht weiter zu motiviren, dass eine
Anreicherung der Milch an Fett das specifische Gewicht der Milch im All¬
gemeinen erniedrigt, wobei jedoch nicht zu vergessen ist, dass eine fett¬
reiche Milch meist auch reich an den anderen Milchbestandtheilen ist und
daher auch sehr fettreiche Milch relativ hohes specifisches Gewicht zeigen
kann. Eine Erniedrigung des specifischen Gewichtes bewirkt auch ein
Wasserzusatz. Entnahme des FetteB erhöht je nach dem Grade der Ent¬
nahme das specifische Gewicht. Ein demnächst zur entrahmten Milch er¬
folgender Wasserzusatz kann das specifische Gewicht der Milch wieder er¬
niedrigen und eventuell normal gestalten, d. h. die doppelt gefälschte Milch
unter Umständen, wenn nur nach dem specifischen Gewichte geprüft, als
eine normale Milch erscheinen lassen.
Fragt man sich nun, um auf die Berliner Verhältnisse im Besonderen
einzugehen, welche Qualitäten von Milch der Markt Berlins zur Zeit und doch
wohl durch die Nachfrage veranlasst, dem Consumenten bietet, so finden
wir drei Kategorieen von Milch , die in den Milchhandel Berlins gelangen,
und zwar a) Vollmilch, b) entsahnte Milch, c) theilweise entsahnte Milch,
auch Halbmilch oder Mischmilch genannt.
Von Sahne, Buttermilch etc. sehe ich ab. Gerade die letztgenannte
Milchsorte, die Halbmilch, stellt für den Milchhandel Berlins das grösste
Contingent. Die Milch gelangt nach Berlin grösstentheils durch Eisenbahn¬
transport. Die Anfahrt erfolgt meist nur einmal, während auf den Gütern
zweimal, auch dreimal gemolken wird. Es bleibt so Morgen- oder Mittags¬
milch bis zum Abend stehen, oder Abendmilch bis zum Morgen. Die
Sahne der älteren Milch wird abgeschöpft, für sich verwerthet und ein
Gemisch der frischgemolkenen und der theilweise entsahnten Milch her¬
gestellt, welche dann meistens als „gute frische Milch u dem Milchhändler
zugeht. — Ich sage nicht etwa, dass dies Verfahren allgemeine Regel ist;
aber es ist doch äusserst verbreitet und hat einen Handelsartikel in Berlin
eingeführt, welcher im Preise niedriger liegt als der einer guten vollen
Milch. Da nun nach einem solchen Material in Berlin reichlich Nachfrage
ist, und wenn der grössere Milchlieferant eine solche Waare nicht bietet,
der kleinere Händler durch theilweises Entrahmen ihm zugegangener Voll¬
milch sich dieselbe selbst leicht producirt, so bin ich der Ansicht, dass
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414
Dr. C. Bischof!*,
man eine solche Waare nicht ohne Weiteres von dem Markte Berlins ver¬
drängen kann, vielmehr nur dahin zu wirken habe, dass dieselbe unter
sachgemässer Bezeichnung und in einem Zustande, der sie stets werthvoller
als Magermilch erkennen lässt, verkauft werde. — Ich weiss wohl, dass ich
mich in dieser Hinsicht mit anderen Milch sachverständigen nicht ganz in
Einklang befinde. So wünscht z. B. Fleisohmann, dass sogenannte
Halbmilch gänzlich vom Verkehr ausgeschlossen sei. Dasselbe wünscht
Kirchner in Halle, Vogel in Memmingen und Andere. Es gründet sich
dies Verlangen vorwiegend auf die Schwierigkeit der Controle der Misch-
waare, für welche sich bestimmte Anhaltspunkte zur Prüfung nach Ansicht
genannter Herren nicht fixiren lassen. Ich für mein Theil hege die Ansicht,
dass die Schwierigkeit der Controle einer solchen Waare, wenn sich die¬
selbe als ein Bedürfniss und als ein gesuchter Handelsartikel darstellt,
nicht maassgebend sein darf, einen derartigen Artikel überhaupt vom Markte
zu verweisen. — Ich würde ein derartiges Verbot für ebenso verfehlt halten,
wie ein Verbot des Verkaufes der in der Centrifuge producirten Mager¬
milch, wie ein solches thatsächlich in Leipzig besteht, ein Verbot, das,
motivirt mit dem Hinweis, dass die Magermilch für die Zwecke der
Kinderernährung schädlich sei, ein äusserst werthvolles billiges Nahrungs¬
mittel dem wenig Bemittelten vorenthält.
Ich rechne somit bei der polizeilichen Milchcontrole Berlins auf die
Beaufsichtigung von drei Kategorieen von Milch. Dieselben Erwägungen
mögen übrigens wohl die Behörden von Breslau, von Köln, von Crefeld
veranlasst haben, in zur Zeit bestehenden Polizeiverordnungen ebenfalls
die drei angedeuteten Milchsorten im Handel zuzulassen und der Controle
zu unterwerfen.
Ehe ich zu der Charakterisirung der drei gedachten Milchsorten Berlins
übergehe, gestatte ich mir hervorzuheben, dass es für eine erspriessliche
Ueberwachung des Milchverkehrs durch die Sanitätspolizei unter allen Um¬
ständen nothwendig ist, dass der Verkäufer die Gefässe, aus denen derselbe
die Milch verkauft, mit festanhaftenden Inhaltsangaben versieht. Die Be¬
zeichnungen, die vorzuschlagen wären, sind „Vollmich“, „Halbmilch“, „Mager¬
milch“ , wobei sowohl mittelst Centrifugen, wie mit der Hand entsahnte
Milch unter letztere Bezeichnung zu fallen hat. Für die zweite Milchsorte
würde ich den Namen „Halbmilch“ wünschenswerth erachten, weil sich in
demselben ausspricht, dass man nichts „Ganzes“ erhält. Eine Bezeichnung
„Mischmilch“ besagt nichts Charakteristisches. Ich halte eine solche Be¬
zeichnung auch desshalb für wichtig, weil sie die Concurrenz anregen
dürfte. Nicht jeder wird „Halbmilch“ führen wollen. Und hat sich ledig¬
lich missbräuchlich diese Halbmilch im Verkehr Berlins eingebürgert, so
wird sie unter der Marke „Halbmilch“ am besten und schnellsten von der
Bildfläche verschwinden. Der Käufer sieht den Namen, weiss, dass er
nichts Vollwerthiges erhält und erfährt vielleicht, dass er bei dem Erwerbe
von ganzer Milch eventuell unter Zusatz von Magermilch mehr Vortheil
hat. Wenn das Bedürfniss nach Halbmilch sich verringert, wird dieselbe
auch nicht mehr producirt werden und die Milchcontrole sich alsdann nur
mit den beiden scharf aus einander zu haltenden Milchsorten Vollmilch und
Mngermilch zu beschäftigen haben.
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Ueber polizeiliche Milchcontrole. 415
Das königliche Polizeipräsidium in Berlin ist, wie durch die Tages¬
presse nnd öffentliche Mittheilung der beabsichtigten Maassnahmen an die
Interessenten, die Milchhändler Berlins, bekannt geworden ist, bereits seit
mehreren Jahren mit der Regelung der schwebenden Frage durch den Er¬
lass einer Polizeiverordnung über den Verkehr mit Milch beschäftigt.
Auch ich habe die Ehre gehabt, bei diesen Vorarbeiten reichlich mitthätig
gewesen zu sein und gestatte mir im Folgenden diejenigen Vorschläge,
welche ich über die Qualität der Milch im Handel Berlins seinerzeit der
Behörde vorgelegt, auseinanderzusetzen und zu motiviren. Ich gestatte
mir zugleich hervorzuheben, dass ich lediglich vom Standpunkte des Che¬
mikers den Gegenstand berühre, die Controle nach anderen Gesichtspunkten,
insbesondere vom medicinischen Standpunkte aus, mich nicht für competent
erachte, zu beleuchten.
Wie soll die in den Handel Berlins gelangende Milch beschaffen sein?
Vollmilch zunächst soll die Milch sein, wie sie von der Kuh kommt,
unentrahmt und ungewässert. Bei dem Massenimport von Milch in Berlin
hat man es so gut wie niemals mit der Milch einzelner Thiere zu thun,
sondern nur mit der Durchschnittswaare, wie sie aus ganzen Stallungen, aus
Gemischen von Milch grösserer Güter, hervorgeht. Erfahrungsgemäss sind
bei solcher Waare weit constantere Eigenschaften zu erwarten, als dies bei
der Milch einzelner Thiere angenommen werden darf. Aus zahlreichen
Untersuchungen zweifelsfreier Vollmilch, theils von ausserhalb eingeführt,
theils hiesigen Molkereien entnommen und unterstützt durch die Ergebnisse
der Milchuntersuchungen in dem grössten hiesigen Etablissement des Milch¬
handels, komme ich zu dem Schlüsse, dass man innerhalb Berlins von der
Vollmilch mindestens einen Fettgehalt von 2*7 Proc. verlangen darf, um
eine solche Waare als Vollmilch gelten zu lassen. In den meisten Fällen
wird diese Zahl überschritten werden. Das geringste specifische Gewicht,
welches diesseits vorgeschlagen worden ist, und welches sich bereits bei
der bisherigen polizeilichen Milchcontrole nach allen Richtungen- hin
bewährt hat, ist 1*028 = 14° des polizeilichen Milchmessers entsprechend,
auf Normaltemperatur von 15°C. bezogen. Will man für die Vollmilch
auch ein Maximum des speoifischen Gewichtes fixiren, über welches hinaus
das specifische Gewicht nicht steigen darf, so wäre die Zahl 1*034 festzu¬
halten = 17° des polizeilichen Milchprobers.
Unter Magermilch möchte ich zwei ihrem Ursprünge nach verschie¬
dene Milchsorten verstanden wissen, sowohl die mit der Hand entrahmte,
wie die centrifugirte Milch. Will man bei dieser Milchsorte ein Minimum
von Fett überhaupt präcisiren, so muss man dasselbe der Leitungsfähigkeit
der Centrifugen anpassen, und demgemäss auf eine Zahl bis 0*15 Proc.
Fett herabgehen, welches Fettminimum von einzelnen Centrifugen in der
Milch zurückgelassen wird. Oft genug findet man centrifugirte Milch mit
0*3 bis 0*5 Proc. Fett. Die mit der Hand entrahmte Milch hat meist noch
0*7 bis 0*9 Proc. Fett. Ich bin der Ansicht, dass man bei der Magermilch
den Schwerpunkt der Controle darauf zu legen hat, dass dieselbe nicht
neben der Fettentziehung eine Wässerung erfahre. Den besten Aufschluss
giebt hier die Bestimmung des specifischen Gewichtes. Bei einer Mager¬
milch liegt dasselbe erfahrungsgeraäss stets über 1*032, selbst für den Fall,
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416
I)r. C. Bischoff,
dass noch ein Maximum von Fett von 0*9 Proc. vorhanden sein sollte.
Man darf daher diese Zahl ohne Bedenken als die untere Grenze des speci-
fischen Gewichtes der Magermilch festhalten. In der Regel wird dasselbe
sogar über 1*034 liegen, Zahlen, welche am polizeilichen Milchmesser den
Graden 16 und 17 entsprechen.
Bei der Halbmilch, unter welcher eine theilweise entsahnte Milch oder
ein Gemisch von Vollmilch und Magermilch zu verstehen ist, halte ich es
für wünscbenswerth, einen Minimalsatz von 1*5 Proc. Fett zu fixiren. In
der Regel findet man bei der als solche gemischte Waare im Handel Ber¬
lins Vorgefundenen Milch mehr Fett, 2 Proc. bis 2*4 Proc. Das specifische
Gewicht dieser theilweise entrahmten Milch geht nach äusserst zahlreichen
Bestimmungen nicht unter die Zahl 1*030 = 15° des polizeilichen Instru¬
mentes herunter. Ich möchte somit die angegebenen Grenzzahlen als die
Minimalzahlen für diese Milchsorte angesehen wissen. — Besondere Grenz-
werthe für den Gehalt an Trockensubstanz neben jenen Zahlen für Fett
und specifisches Gewicht zu fixiren, habe ich nicht für erforderlich gehalten,
weil einestheils zur Charakterisirung der Milch auf Reinheit die Bestimmung
des Fettes und des specifischen Gewichtes genügt und weil man anderer¬
seits im Stande ist, durch Berechnung aus dem specifischen Gewichte der
Milch und ihrem Fettgehalte die Trockensubstanz derselben abzuleiten.
Die im Vorigen mitgetheilten Vorschläge, welche aus umfassenden
Feststellungen über die Beschaffenheit der Marktmilch Berlins hergeleitet
worden sind, sind dem königlichen Polizeipräsidium unterbreitet gewesen
und haben die Billigung der Behörde gefunden. Sie haben auch zum Theile
als Unterlage gemeinsamer Berathungen gedient, welche Vertreter des
Magistrats und des königlichen Polizeipräsidiums mit einander gepflogen
haben. Es sind im Verfolg dieser Berathungen seitens des Magistrats
nach einzelnen Richtungen Abänderungsvorschläge gemacht worden, welche
in die Tagespresse Eingang gefunden haben. — Es liegt mir hier ein Aus¬
schnitt aus dem Berliner Localanzeiger vom 21. November 1886 vor mit
folgendem Wortlaut:
Bezüglich der Polizeiverordnung, betreffend den Verkehr
mit Milch in der Stadt Berlin, welche dem Magistrat zur Zustimmung
vorlag, hat derselbe seine Genehmigung ertheilt, nachdem er die Bestim¬
mungen des §. 1 nach Maassgabe der Beschlüsse der städtischen Deputation
für die öffentliche Gesundheitspflege in folgender sehr wesentlicher Weise
abgeändert hat: „Frische Kuhmilch (im Gegensätze zu saurer Kuhmicb,
ferner zu Buttermilch und anderen Producten aus Kuhmilch, endlich zur
Milch anderer Thiere, auf welche Milchwaaren gegenwärtige Polizeiverord-
nung sich nicht bezieht) darf nur als Vollmilch oder als theilweise ent¬
sahnte Milch in denVerkehr gebracht werden. Vollmilch ist solche, welcher
der beim Melken vorhanden gewesene Rahmgehalt zu keinem Theile ent¬
zogen ist. Alle andere unter gegenwärtige Polizeiverordnung fallende
Milch gehört in die Classe der entsahnten Milch, sei es, dass sie unter
der Bezeichnung als Halbmilch, als Magermilch, oder wie sonst an den
Markt kommt. Für die als Vollmilch zu verkaufende Milch ist Bedingung,
dass sie einen Fettgehalt von mindestens 2*7 Proc. und bei 15°C. Tempe¬
ratur ein specifisches Gewicht von 1*028 = 14° des polizeilichen Milch-
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Ueber polizeiliche Milchcontrole. 417
probers bat. Entsabnte Milch ist, auch als Magermilch bezeichnet, vom
Verkehr ausgeschlossen, wenn der noch vorhandene natürliche Fettgehalt
nnter 0*15 Proc. hinabgeht und das Bpecifische Gewicht bei 15°C. Tem¬
peratur über 1*032 = 16° des polizeilichen Milchprobers steigt.“
Ehe ich mir selbst eine Aeussernng über diese Abänderungsvorschläge
erlaube, gestatte ich mir aus dem Repertorium für analytische Chemie Nr. 1
dieses Jahrganges eine Kritik dieser seitens des Magistrats vorgeschlagenen
Fassung des §. 1 gedachter Verordnung seitens der Redaction des Jour¬
nals mitzutheilen, welche nach wörtlicher Wiedergabe des vorgelesenen
Zeitungsreferates besagt: (Die letzte Bedingung ist nicht recht verständlich,
da bekanntlich jede abgerahmte Milch ein höheres specifisches Gewicht
als 1*032 hat und mit der obigen Forderung eine Prämie auf den Zusatz
von Wasser gesetzt wäre.)
In der That, es muss hier in den Vorschlägen des Magistrats ein Irr¬
thum obwalten. Die niedrigste Zahl des specifischen Gewichtes von Mager¬
milch, welche zugelassen werden darf, ist nach den obigen Erörterungen
die Zahl 1*032. In der Regel liegt das specifische Gewicht höher und zwar
zwischen den Zahlen 1*034 bis 1*040. Es durfte daher in jenem Vor¬
schläge niemals heissen, der Verkauf von Magermilch sei strafbar, wenn
das specifische Gewicht derselben über 1*032 = 16° steigt, sondern ent¬
gegengesetzt, wenn das specifische Gewicht unter diese Zahl von 1*032
sinkt, genau entsprechend denjenigen Forderungen, welche seitens des
königlichen Polizeipräsidiums für Magermilch aufgestellt worden sind.
Der Vorschlag des Magistrats spricht nun nicht von Magermilch, son¬
dern ausdrücklich von „theilweise entsahnter“ Milch, welche der Vollmilch
gegenübergestellt wird. Der Entwurf erwähnt auch ausdrücklich, dass in
diese Classe der „entsahnten Milch“ auch die eventuell als Halbmilch in
den Verkehr gebrachte Milch zu rechnen sei. Wollte man jedoch wirklich
an diese „Halbmilch“ nun den Maassstab legen, dass deren specifisches
Gewicht nicht unter 1*032 = 16° hinuntergehen dürfe, so würde sehr viel
Unrecht geschehen können, denn thatsächlich liegt das specifische Gewicht
der besseren Sorten der Halbmilch zwischen den Grenzen 1*030 bis 1*032,
welche besseren Sorten vom Markte verschwinden müssten, um fettärmerer
Waare Platz zu machen, wenn für diese von dem Magistrat gewollte Be¬
grenzung der „entsahnten oder theilweise entsahnten Milch“ eine Minimal¬
dichtigkeit von 1*032, nicht Maximaldichtigkeit, wie hoffentlich nur ein
Irrthum sein wird, aufgestellt werden sollte.
Wenn man durch die von dem Magistrat vorgeschlagene Fassung des
beregten Paragraphen der Polizeiverordnung beabsichtigt haben sollte, die
Controle einfacher zu gestalten und derselben nur zwei Sorten von Handels¬
milch zu bieten, so hätte ausdrücklich hervorgehoben werden sollen, dass
man Halbmilch oder theilweise entsahnte Milch vom Verkauf ausschliesse.
Ich glaube aber, dass eine solche Maassregel ausserordentliche Störungen in
den gegenwärtigen Milchhandel hineintragen würde, indem ein Massenver¬
kaufsartikel besserer Qualität unterdrückt würde, zum Nachtheil der Con-
sumenten wie der Producenten.
Zur Beleuchtung der seitens des königlichen Polizeipräsidiums vor¬
geschlagenen Forderungen über die Beschaffenheit der in Berlin zu ver-
Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. 27
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418 Dr. C. Bischoff,
handelnden Milch möchte ich kurz einzelne zur Zeit gültige Verordnungen
anderer Städte berühren.
Die Breslauer Polizeiverordnung lässt drei Sorten von Milch zu:
Vollmilch, halb abgerahmte Milch und ganz abgerahmte Milch. Die Zahlen
des specifischen Gewichtes sind nahezu denen der hiesigen Vorschläge gleich.
Der Fettgehalt der Vollmilch wird auf 3 Proc. im Minimum normirt.
Crefeld lässt ebenfalls drei Sorten Milch zu: Vollmilch, Halbmilch
und Magermilch. Die Miniraalwerthe bezüglich des specifischen Gewichtes
sind nicht nennenBwerth von den diesseitigen Vorschlägen verschieden. Der
Fettgehalt wird wesentlich geringer fixirt, 2*4 Proc. für Vollmilch, 1 Proc.
für Halbmilch.
Cöln lässt ebenfalls drei Sorten Milch zu, welche als Vollmilch, ab¬
gerahmte, Halb- oder Mischmilch und endlich als Magermilch bezeichnet
werden.
Stuttgart, Mainz und Celle gestatten nur zwei Milchsorten, Voll¬
milch und entsahnte Milch. Mainz und Celle verlangt 2‘8 Proc. als Mini¬
malfettgehalt von Vollmilch. Mainz bezeichnet jede Milch, welche weniger
als 2*8 Proc. Fett enthält, als entrahmt, eine Bestimmung, die meines Er¬
achtens sehr hart ist.
Leipzig gestattet nur Vollmilch und theilweise entrahmte Milch. Von
der Vollmilch werden 3 Proc. im Minimum Fett verlangt, die Magermilch,
mit der Centrifuge gewonnen, wird gänzlich verboten, weil untauglich und
schädlich zur Kinderernährung. Von der abgerahmten Milch wird als
Minimum ein Procentsatz von 1 Proc. Fett noch verlangt, eine Bedingung,
die sich nach meinem Ermessen sehr schwer innehalten lässt, da bei dem
Aufrahmen der Milch durch Stehenlassen ganz normale Milchsorten von
weniger als 1 Proc. Fett, von durchschnittlich 0*7 Proc. Fett, hervor¬
gehen können.
Gerade in Rücksicht auf die in anderen Städten gültigen Verordnungen
hege ich die feste Ueberzeugnng, dass die in dem Entwürfe des königlichen
Polizeipräsidiums aufgestellten Forderungen betreffs der Qualität der Milch
sowohl die Interessen der Consumenten wie der Producenten in möglichst
gerechter Weise berücksichtigen. Für die an „Vollmilch“ und an „Mager¬
milch 44 gestellten Anforderungen glaube ich die Behauptung aufstellen zu
können, dass sie leicht erfüllbar sind. Für die Qualität der Halbmilch ist
ein Minimalsatz von 1*5 Proc. Fett vielleicht zuweilen etwas hoch. Ich
habe jedoch gemeint, gerade bei dieser Waare, die viel gesucht ist, nicht zu
niedrige Anforderungen stellen zu dürfen, eben weil dieselbe so reichlich
zum Verkauf gelangt.
Ich komme nun zu der praktischen Durchführung der Controle, welche
ich, wie oben von meinem Standpunkte als Chemiker angedeutet, lediglich
in Rücksicht auf die Constatirung der Qualität der Milch nach den ange¬
deuteten Gesichtspunkten berühren will.
In einer grossen Stadt ist eine erfolgreiche Milchcontrole der grossen
Masse wegen ausserordentlich viel schwerer als in einer kleinen Stadt, und
hat sich demgemäss nach meiner Auffassung auch ganz anders zu gestalten.
Sämmtliche Schriften, welche sich zur Zeit mit der Frage der Organisation
der Milchcontrole in sanitätspolizeilichem Interesse beschäftigen, kommen
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Ueber polizeiliche Milchcontrolc. 419
zu dem Schlüsse, dass die Controle der Milch sich in eine vorläufige an
der Verkaufsstelle auszuführende und in eine endgültige im Wesentlichen
im Laboratorium vorzunehmende theilen solle, zu welcher in besonderen
Fällen noch die Stallprobe binzutreten soll.
Der tägliche Consum Berlins an Milch beläuft sich ungefähr auf
400 000 Liter, welches Quantum sich auf eine ausserordentliche Anzahl
von Milch Verkäufern vertheilt. Eine solche Masse zu controliren, ist nur
durch eine sehr energische Massencontrole möglich. Wenn man z. B. Auf¬
fassungen, wie sie Vogel in Memmingen in Vorschlägen zur administrativen
Organisation der Milchcontrole macht, „es genüge vollständig, wenn an einem
Controltage etwa fünf Milchsorten untersucht werden“, für eine Stadt .wie
Berlin gelten lassen wollte, wäre ich fest überzeugt, dass wir mit der Neu¬
organisation der Berliner Milchcontrole alle die zweifellos mit einer relativ
mangelhaften, im Uebrigen vielfach missverstandenen und verkannten Milch¬
controle, die uns bisher geholfen hat, errungenen Vortheile zum grössten
Schaden der Berliner Bevölkerung wieder einbüssen würden.
Die bisherige Milchcontrole Berlins hat es ermöglicht, dass von den
beauftragten Polizeibeamten täglich etwa 200 Milchsorten, monatlich circa
6000 Proben controlirt wurden, über welche Prüfungen regelmässige Tabellen
geführt werden. Erweist sich eine Milch als minderwerthig, so erfolgt ohne
Weiteres Confiscation; es blieb jedoch, wenn der Verkäufer sich zu Unrecht
geschädigt glaubte, demselben überlassen, eine Probe der Milch zur Unter¬
suchung zu reserviren. Die Polizeibehörde that alsdann das Gleiche auf
Kosten des Verkäufers. So lange ich Gelegenheit gehabt habe, diesen
Modus der polizeilichen Controle vor Gericht als Sachverständiger zu ver¬
treten, und das sind nunmehr nahezu 10 Jahre, ist mir nur ein Fall in
der Erinnerung, wo eine Bolche Confiscation zu Unrecht erfolgt war, und
lag hier die Schuld an den Angaben des Verkäufers, welcher den contro-
lirenden Beamten direct irre geführt hatte.
Es hat diese Art des Vorgehens des königl. Polizeipräsidiums continuir-
lich die Beschaffenheit der Marktmilch Berlins gebessert. Dies können
statistische Zahlen, die in den Acten des königlichen Polizeipräsidiums
reichlichst zur Hand sind, mit Leichtigkeit erweisen.
Die mit der Ausübung der sogenannten vorläufigen Controle beauf¬
tragten Polizeibeamten können mit den ihnen zu Gebote stehenden Instru¬
menten nichts weiter feststellen, als das specifische Gewicht. Ueber den
Fettgehalt können dieselben kaum ein oberflächliches Urtheil fallen. Die
Controle über die Innehaltung der in der Polizeiverordnung vorgeschriebe¬
nen Bedingungen bezüglich des Fettgehaltes gehört stets in das chemische
Laboratorium. Eine Vorcontrole nützt hier nichts. Die zum Gebrauch
der Polizeibeamten dienlichen Instrumente zur Fettgehaltsbestimmung sind
sämmtlich ungenau. Der Polizeibeamte könnte ebensogut eine Milch,
welche nur 2*6 Proc. Fett enthält, somit keine Vollmilch wäre, noch für
eine solche halten und demgemäss unverdächtig finden, wie er eventuell
eine Milch, welche 2*8 Proc. Fett enthält, als fettärmer ansehen könnte und
demgemäss als verdächtig vorläufig zur Untersuchung entnehmen würde.
Nach meiner Ansicht hat sich der controlirende Polizeibeamte daher um
diese Frage überhaupt nicht zu bekümmern. Die Controle nach dieser
21 *
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420 Dr. C. Bischoff, Ueber polizeiliche Milchcontrole.
Richtung muss parallel gehen mit jener Massencontrole, die sich auf das
specifische Gewicht erstreckt und lediglich Wasserzusätze zu eruiren hat.
Diese Parallelcontrole, die lediglich im Laboratorium bewirkt wird, kann
in viel begrenzterem Umfange angestellt werden und lässt in der Probe¬
nahme bald hier bald dort in der Stadt dennoch die Verkäufer fühlen, dass
sie unter einer Ueberwachung auch nach dieser Richtung stehen. Der
Controlbeamte findet in der Verordnung diejenigen Zahlen, die er als
Minima bei Beinen Feststellungen zu suchen hat. Findet er dieselben nicht,
so erlangt er das Recht zur Confiscation der Waare, eventuell mit dem
Vorbehalt der Probenahme des Verkäufers und des Beamten behufs genauer
Untersuchung. Im Uebrigen aber ist diese Controls durch die Polizei¬
beamten nicht eine vorläufige, sondern eine selbstständige, und wenn nicht
seitens des Verkäufers Einspruch erfolgt, eine endgültige.
Die einzige Ausführungsbestimmung, welche allenfalls das obige Ver¬
fahren etwas begrenzend in die Erläuterung der Handhabung der Controle
aufgenommen werden dürfte, wäre diejenige, dass, wenn Bich nach dem
äusseren Ansehen einer Vollmilch, sowie nach dem Verhalten derselben auf
den Controlinstrumenten ein aussergewöhnlich hoher Fettreichthum, even¬
tuell sogar eine Beimischung von Sahne direct vermuthen lässt, von einer
Confiscation einer Vollmilch, welche weniger als 1*028 specifisches Gewicht
zeigt, Abstand zu nehmen, alsdann vielmehr von einer Probenahme und der
chemischen Untersuchung die Entscheidung der Sachlage abhängig zu
machen.
Der chemischen Controle ist es alsdann auch Vorbehalten, eventuell
auf den Zusatz von Conservirungsmitteln oder anderweitiger unzulässiger
fremdartiger Stoffe zu achten und das Für oder Wider zu entscheiden.
Eine derartig organisirte Milchcontrole kann nach meinem Dafür¬
halten die Aufgabe lösen, eine nach örtlichen Verhältnissen möglichst gute,
möglichst unverfälschte und möglichst auch preiswürdige Milch den Con-
sumenten zuzuführen. Die Frage, ob solche Milch von gesunden Thieren
abstammt, ist bei der Controle in der Stadt nicht zu lösen. Diese Bedin¬
gung zu erfüllen, ist ira Wesentlichen in das Pflichtgefühl des Producenten
gelegt. Es ist ja auch für diese Frage nicht zu vergessen, dass derartig
eventuell zu behandelnde Fälle ausserhalb des Gebietes der Polizeiverord¬
nung oder neben derselben von den strengen Paragraphen des Nahrungs-
mittelgesetzes über den wissentlichen Verkauf von gesundheitsschädlichen
Nahrungsmitteln geahndet werden.
Den Wunsch dürfen wir im Interesse der Berliner Bevölkerung wohl
hegen und aussprechen, dass möglichst bald die schwebende Frage durch
den Erlass der in Aussicht genommenen Verordnung gelöst werde. Die
Erfolge derselben werden bei gewissenhafter Handhabung sicherlich nicht
ausbleiben.
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Dr. Wollner, Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth. 421
Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
Dr. Wollner,
königl. Landgerichtsarzt in Fürtlr.
I. Art des Betriebes.
Das Belegen von Spiegeln mit Quecksilber ist eine sehr alte Industrie
in Fürth, welches in diesem Geschäftszweige weitaas den ersten Rang ein¬
nimmt, da ja die Gesammtproduction Deutschlands noch nicht den zehnten
Theil der hiesigen Production erreicht. Es existiren gegenwärtig hier
32 Quecksilberspiegelbelegen und zwar 30 in Verbindung*mit Glasgeschäften
und zwei sogenannte Heimbelegen, das heisst solche Belegen, in welchen für
andere grössere Geschäfte meist von einem, manchmal von mehreren Personen
gegen bestimmte Preise belegt wird. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter
schwankt zwischen 160 und 185, von denen kaum der vierte Theil Männer
sind. Die Arbeiter sind weiter entweder Belegmeister, Beleger oder
Belegerinnen und Wischerinnen. Die ersteren übernehmen gegen einen
fixirten Preis das Belegen der Spiegel für einen Fabrikanten meist in
einem dem letzteren gehörigen Local, stellen dann die Arbeiter für ihre
Rechnung in Tagelohn ein. In der Regel arbeiten diese Meister wenigstens
den grössten Theil der Zeit selbst mit, werden daher von den Fabrikanten
auch als Beleger bei der Krankencasse als solche angemeldet und geführt.
Die Manipulation des Belegens, welche nun von den Beiegern oder
Belegerinnen und den Wischerinnen betrieben wird, ist eine ausserordent¬
lich einfache: Die Wischerin reibt das zu belegende Glas mit einem
erwärmten Lappen und Asche vollkommen trocken; während dieser Zeit
breitet der Beleger auf einer Marmor- oder Solenhofer Platte ein Stück
Folie, der Grösse des zu belegenden Spiegels entsprechend, dieselbe um
einige Centimeter überragend, aus, verreibt zunächst eine kleine Quantität
Quecksilber mit einem an einem Handgriff befindlichen Stück Flanell zur
Einleitung der Amalgamirung, übergiesst die Folie mit Quecksilber und
schiebt dann langsam das Glas über die mit Quecksilber bedeckte Folie.
Hierauf wird die ganze Platte etwas geneigt, das überflüssige Quecksilber
läuft dann in seitlich angebrachten hölzernen Rinnen in flache Holzschüsseln
ab. Da, wie oben erwähnt, die Folie etwas grösser als der Spiegel genommen
wird, so schneidet der Beleger den vorstehenden Rand mit einem Messer
ab, und schiebt ihn mit einem Hasenfuss zur Seite, wo sich im Laufe des
Tages dieses Amalgam zu einem kleinen Berge aufhäuft. Die Menge dieses
Amalgams ist sehr bedeutend, beträgt zum Beispiel aus einer grösseren
Belege im Laufe eines Jahres 150 Centner. Die frisch belegten Gläser
werden nun auf einandergelegt und zur Entfernung des nicht amalgamirten
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422
Dr. Wollncr,
Quecksilbers mit Steinen belegt, „gepresst“. Nach drei bis vier Tagen
werden die Spiegel in rings um die Belege laufenden breiten Holzkästen,
welche etwas geneigt und mit Rinnen versehen sind, aufgestellt, um hier das
noch überflüssige nicht amalgamirte Quecksilber vollends abzugeben, wozu
in der Regel ein Zeitraum von drei bis vier Wochen nothwendig ist. Auch
dieses in den Rinnen ablaufende Quecksilber wird in hölzernen Schalen
aufgefangen, und bleibt ebenso wie das zur Arbeit benutzte in diesen
schalenförmigen, mit einem einfachen Stückchen Holz oder Pappdeckel
bedeckten Gefassen in den Belegräumen stehen, bis zum Wiederbeginn der
Arbeit am anderen Morgen. Es muss hier noch bemerkt werden, dass auch
das Abheben und Aufeinanderlegen der Spiegel in den weitaus meisten Fällen
vom Beleger geschieht, so dass die Wischerin manuell fast nicht mit dem
Quecksilber in Berührung kommt, worauf wir später zurückkommen müssen.
Von den Arbeitern männlichen und weiblichen Geschlechtes ist nun
die kleinere Hälfte mit Belegen, die grössere mit Wischen beschäftigt, da
meistens ein Beleger mit einer Wischerin, in manchen Fällen dagegen auch
ein Beleger mit zwei Wischerinnen arbeitet. Da nun auch das Belegen
zum Theil von weiblichen Händen geschieht, so ergiebt sich von selbst, dass
das weibliche Personal bedeutend überwiegt.
Nach der Zusammenstellung des Gemeinde-Kranken-Bureaus waren im
Jahre 1885 von 195 Quecksilberarbeitern (davon 160 durchschnittlich in
Arbeit) 42 männliche und 151 weibliche; erstere sämmtlich Beleger, von
letzteren 41 Belegerinnen und 110 Wischerinnen, also im Ganzen 85 mit
Belegen, 110 mit Wischen beschäftigte Personen. Die Arbeitgeber geben
die Zahl der Arbeiter auf 280 an, bei derselben Durchschnittszahl von 160
zu gleicher Zeit Beschäftigten. Die Yerhältnisszahl zwischen männlichem
und weiblichem Personal wird hierdurch wohl kaum geändert werden.
Das von diesem Arbeiterpersonal gelieferte Product beziffert einen
Werth von ungefähr 8 Millionen Mark.
Von den Gesammtherstellungskosten eines Spiegels kommen nach Be¬
rechnung der Fabrikanten 372 bis 4 Proc. auf das Belegen, so dass zum
Beispiel für einen Spiegel, der 44 zu 18 cm oder 115 cm zu 47 cm Länge
und Breite hat, und 9 Mk^65 Pf. Gesammtkosten verursacht, 34 Pf. für
Belegen bezahlt wird. Dieser Procentsatz ist etwas kleiner bei grossen,
etwas grösser bei kleinen Spiegeln.
Hieraus geht hervor, dass das Belegen der Gläser einen geringen
Procentsatz des gesammten Werthes repräsentirt, dass also eine Vertheuerung
des Arbeitslohnes keinen sehr bedeutenden Einfluss auf den Werth des
Productes haben kann.
Zu demselben Resultate kommen wir, wenn wir in anderer Weise den
Arbeitslohn berechnen. Ein durchschnittlicher Lohn von 20 Mark für
Beleger und Wischerinnen berechnet ist ziemlich hoch angenommen. Nehmen
wir wie 1885 durchschnittlich 160 Arbeiter und 50 Arbeitswochen (bei dem
Ausfallen vieler Tage sicher zu viel), so ergiebt sich 160 X 20 X 50=160000 Mk.
Bei einem Werth von 8 Millionen berechnet sich also ein directer Arbeits¬
lohn von rund 2 Proc. Den Mehrverdienst der Arbeitsmeister und andere
kleine Ausgaben gerechnet, stellt sich auch hier der Arbeitslohn für das
Belegen des Spiegels nicht höher als 37* bis 4 Proc.
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423
Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
Die Arbeitsräume sind sehr verschieden: Unter denselben befinden
sich 22, welche vollkommen allen Anforderungen genügen, sechs welche noch
nicht alle Bedingungen erfüllen, welche gestellt werden können, doch im
Ganzen als gut bezeichnet werden müssen, vier dagegen sind nicht zweck¬
entsprechend, da das Eine oder Andere fehlt. Der nöthige Cuhikinhalt
fehlte nur hei zwei Belegen und wurde hei einer beseitigt, doch muss hinzu¬
gefügt werden, dass der angenommene Minimalcubikinhalt von 30 Cubik-
meter pro Kopf von mir als zu gering bezeichnet werden muss, worauf wir
später zurückkommen.
Die Arbeitszeit wurde, wie ich später ausführen werde, oft auf
gesetzlichem Wege zu regeln versucht, ohne dass es einmal gelang, hier
eine bestimmte Ordnung einzuführen. In den letzten Jahrzehnten bestand
gar keine gültige Vorschrift, und wurde ganz nach Willkür gearbeitet, in
der einen Belege lange, in der einen kurz, in derselben Belege einmal sehr
lange Zeit, das andere Mal sehr kurz, wie es nach Lage des Geschäftes noth-
wendig war. Im Durchschnitt wird der Wahrheit entsprochen, wenn eine
acht- bis neunstündige Arbeitszeit angenommen wird, wie auch Dr. Mayer
iu der später erwähnten Arbeit sie berechnet.
Seit zwei Jahren ist durch eine Uebereinkunft der Arbeitgeber, auf
die ich später zurückkomme, die Arbeitszeit auf acht Stunden festgesetzt
worden. Ob dieselbe streng eingehalten wurde, ist trotz der angedrohten
Conventionaistrafen immerhin fraglich, da es an dem geeigneten Aufsichts-
personal fehlt, und sind mir hierüber einzelne Klagen zu Ohren gekommen.
Die Reinigung der Localitäten geschieht durchschnittlich alle Woche
einmal, manchmal auch nur alle 14 Tage. Da nun das Trockenreiben
der zu belegenden Gläser mit Asche geschieht, da ferner von den Ab¬
schnitten der Folien immer kleine Theile abfallen, von der Luft weggetragen,
werden und an anderen Stellen niederfallen, so ist a priori anzunehmen,
dass bei einer nur wöchentlichen Reinigung sich Staub in beträchtlicher Menge
ansammeln muss. Da nun weiter auch die gewöhnliche Reinigung nur in einem
AuBkehren des Bodens ohne Anwendung von Feuchtigkeit geschieht, so
bedarf es kaum der Erwähnung, dass eine oft unglaubliche Menge von
Staub auf allen Tischen, allen Vorsprüngen der Wände, der Fenster und
allen übrigen im Raum vorhandenen Gegenständen sich findet.
II. Die Gefährlichkeit der Belegen für die Gesund¬
heit der Arbeiter.
Statistik der Erkrankung.
Trotzdem nicht nur die Aerzte, sondern auch die Laien längst von der
hoben Gesundheitsgefahrlichkeit der Quecksilberbelegen überzeugt waren,
wurde dieselbe vielfach, selbst von den Arbeitern, geleugnet, da es nicht
möglich war, diese Gefahr mit Zahlen zu belegen.
Um nun zunächst Aufschluss über diese Frage zu erhalten, bat der
ärztliche Verein Fürth im Jahre 1883 mit grosser Mühe statistisches Material
gesammelt, welches Herr Dr. Mayer zu einer Denkschrift (abgedruckt in
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424
Dr. Wollner,
Friedreich’s Monatsheften, Jahrgang 1884) verarbeitet hat, welche einem
hohen königl. bayerischen Staatsministerinm vorgelegt wurde.
Die damals gefundenen Thatsachen konnten unmöglich ein vollkommen
sicheres Resultat geben, vor allen Dingen war eine procentuale Festsetzung
der Erkrankten nicht möglich, da wir „kein Recht hatten, alle Arbeiter zu
untersuchen, da viele Arbeiter die Auskunft verweigerten und endlich weil
die mit der in Fürth endemisch gewordenen Mercurialerkrankung vertrauten
Arbeiter in seltenen Fällen ärztliche Hülfe suchten und desshalb auch die
Krankenjournale der Aerzte nur wenig Aufschluss gaben“. Dennoch gelang
es, wenigstens so viel Material zu beschaffen, dass ein ziemlich genauer und
recht trauriger Einblick in die GesundheitsVerhältnisse der Quecksilber¬
arbeiter gemacht werden konnte.
Wir fanden nämlich 191 Individuen, welche mit Bestimmtheit entweder
früher oder zur Zeit der Beobachtung noch krank waren und zwar zu einer
Zeit, wo im Ganzen nur 173 Arbeiter in Quecksilber belegen beschäftigt
waren. Von den 191 früher Erkrankten waren noch 42 unter den 173
Arbeitern.
Das weitere Bestreben des ärztlichen Vereines ging nun dahin, Arbeiter
zu finden, welche längere Zeit in Belegen gearbeitet hatten und gesund
geblieben waren. Trotz der grössten Mühe, und hier wurden wir von
Arbeitgebern und Arbeitern bereitwilligst unterstützt, konnten wir nur
Folgendes feststellen: Einzelne Fälle von langem Gesundbleiben besonders
aus früheren Jahren waren glaubwürdig, und auch in letzter Zeit sind
einzelne Arbeiter seit geraumer Zeit (in maximo 17 Jahre) in Belegen be¬
schäftigt, ohne zu erkranken, aber es waren dies meist Belegmeister, welche
einen Theil der Gefahren zu vermeiden im Stande sind und aufhören, „wenn
sie sich fühlen“, wie ihr Ausdruck für den Beginn der Erkrankung ist.
Gerade von diesen erkrankten in den letzten Jahren mehrere und zwar in
heftiger Weise. Dr. Mayer fasst nun seine Beobachtungen in dem vom
ärztlichen Verein gebilligten Schlusssätze zusammen:
Fast alle Belegarbeiter, die nicht nur vorübergehend dieses Geschäft
betreiben, sind mercurialkrank. Die Ausnahmen von dieser Regel, wenn
sie überhaupt existiren, sind verschwindend. Es stimmte diese Be¬
hauptung überein mit meiner bereits früher gewonnenen und ausgesprochenen
Ueberzeugung, dass in der Regel kein Quecksilberarbeiter das Geschäft
früher verlässt als er erkrankt ist, aber auch keiner eine längere Reihe von
Jahren, ohne krank zu werden, in einer Belege arbeitet.
So werthvoll nun das gewonnene Resultat war, und so wenig es bei
der Gewissenhaftigkeit, mit der jeder Arbeiter nach Namen, Art der Be¬
schäftigung einzeln aufgeführt war, von irgend einer Seite angegriffen
werden konnte, immerhin krankte es an dem Umstande, dass es eine
procentuale Feststellung der Zahl der Erkrankten zu der der Gesunden
nicht ermöglichte. Mit dem Inslebentreten des Krankencassengesetzes erst
war die Möglichkeit gegeben, genaue statistische Zusammenstellungen zu
machen, und liegen nun zwei Beobachtungsjahre vor, welche einen sicheren
Einblick gewähren.
Bevor ich daB Erkranktsein der Belegarbeiter des Näheren ausführe,
sei es gestattet, um einen Vergleich zu ermöglichen, zunächst über die Er-
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Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
krankungen der Arbeiter, welche bei der Gemeinde-Krankencasse versichert
waren, im Allgemeinen kurz zu referiren und bemerke dabei, dass sich
die Erkrankungsverhältnisse für die hiesige Stadt überhaupt sehr ungünstig
gestalteten, und die Casse ein grösseres Deficit hatte wie irgend eine andere.
Im Durchschnitt waren versichert: 7221 (bei dem enormen Ab- und Zugang
von circa 13000).
Von diesen erkrankten 2457 = 34*02 Proc. und hatten dieselben 57314
Krankheitstage, mithin 23*3 pro Kopf. In Quecksilberbelegen waren be¬
schäftigt durchschnittlich 160 Personen (bei einem Zu - und Abgang
von 120).
Erkrankungen kamen vor 165 = 103 Proc. und zwar an Mercurialismus:
100 oder 60*6 Proc. der Erkrankten oder 62*6 Proc. aller Arbeiter, an
anderen Erkrankungen: 65 oder 39*4 Proc. der Erkrankten oder 40*4 Proc.
aller Arbeiter. Krankheitstage bei ersteren 5463 oder 54*6 pro Kopf, bei
letzteren 21*24 oder 31*0 pro Kopf. Von den Männern, die in Belegen
arbeiteten, war der Procentsatz der an Mercurialismus Erkrankten fast genau
so gross wie bei den Frauen, nur die Zahl der Krankheitstage war etwas
grösser bei Männern, nämlich 66*7 zu 50’5. Bei den weiblichen Individuen
war ein etwas grösserer Procentsatz an anderen Erkrankungen als an
Mercurialismus erkrankt.
Zunächst muss noch bemerkt werden, dass die Zahl der an Mercuria-
lismus erkrankten Individuen thatsächlich noch viel grösser war, als hier
angegeben, da ein Theil der an Mercurialismus Leidenden von den Aerzten
mit einer anderen den Mercurialismus begleitenden Krankheit eingetragen
wurde, so vor Allem wegen chronischer Bronchitis, welche oft das hervor¬
stechendste Symptom bei einem sonst entschieden quecksilberkranken Indi¬
viduum ist. Ich übergehe das Jahr 1886, weil ich auf dasselbe bei Be-
urtheilung der gegen die Gefahren der Hydrargyrose anzuordnenden Maass-
regeln zurückkommen muss und recapitulire kurz das für 1885 gefundene
Resultat.
Bei der Fürther Gemeinde-Krankencasse waren 1885 erkrankt:
Im Allgemeinen Versicherte . . 34*0 Proc. mit 23*0 Krankheitstagen pr. Kopf
Versicherte ohneQuecksilberarb. 32*6 n „ 32*6 „ „ „
Quecksilberarheiter.103*0 „ „ 45*9 „ „ „
Wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte, welche grosse Ge¬
fahren die Arbeit in Quecksilberbelegen mit sich bringt, so wäre er wohl
hiermit aufs Deutlichste erbracht.
Die Zeit, welche jemand ungeschädigt in einer Quecksilberbelege
arbeiten kann und nach welcher ein Erkranken eintritt, ist bei den einzelnen
Individuen ausserordentlich verschieden. 10, 15 ja 17 Jahre hat mancher
gearbeitet, bis er erkrankt ist, aber es sind dies weisse Raben; viele sind
schon nach wenig Monaten heftig erkrankt; erst in letzter Zeit hatte ich
einen Kranken in Behandlung, der nach sechs Monaten bereits einen so heftigen
Tremor bekam, dass er Monate lang nicht aus dem Bette aufstehen konnte,
ja oft Gefahr lief, aus dem Bette zu fallen und bei jedem Versuche auf¬
zustehen auch wirklich fiel. Nach meinen Aufzeichnungen, welche sich
ungefähr auf 200 Individuen beziehen, stellt sich die Erkrankungszeit:
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Dr. Wollner,
Im ersten und zweiten Jahre der Arbeit erkrankten 21 Proc.
„ zweiten bis sechsten „ „ „ n 61 „
„ sechsten bis zehnten „ „ „ 15 „
v zehnten bis siebzehnt. „ „ „ „ 3 „
Da diese Aufzeichnungen nach den Angaben der Arbeiter über ihre Arbeits¬
zeit gefertigt sind, so ist die Zeit sicher nicht zu hoch angenommen, da
die meisten Arbeiter das Bestreben haben, eher eine zu hohe als zu niedere
Arbeitszeit anzugeben.
Das Geschlecht scheint keinen wesentlichen Einfluss auf die grössere
Empfindlichkeit gegen Quecksilber zu haben, die Differenz zwischen beiden
Geschlechtern beträgt nur 1*6 Proc. zu Ungunsten der Frauen; dagegen
scheinen die Männer intensiver zu erkranken, wenigstens längere Zeit krank
zu sein, da die Krankheitstage sich wie 66*7 zu 50*5 verhalten. Mit diesem
Punkte hängt auch die Beantwortung der Frage zusammen, welche Art
der Beschäftigung disponirt mehr zur Erkrankung, das Belegen selbst
oder das Wischen der Gläser, das heisst also, ist die manuelle Berührung
des Quecksilbers von grosser Bedeutung, oder bedingt der Aufenthalt in
dem Local eine gleiche Gefahr für beide. Die männlichen Arbeiter sind
ausschliesslich Beleger, die weiblichen zum grössten Theil Wischerinnen,
zum kleineren belegen sie. Es ist leider nicht möglich gewesen, bei den
weiblichen Individuen die Art und Beschäftigung genau zu bestimmen, weil
sie häufig die Arbeit wechseln und aus Wischerinnen Belegerinneh werden
und umgekehrt. Die weiblichen Individuen erkranken nun zu einem kleinen
Bruchtheil, 1*6 Proc., häufiger als die Männer, obwohl sie zum grössten Theil
Wischerinnen sind; daraus lässt sich nun jedenfalls nicht schliessen, dass
die manuelle Berührung eine grössere Gefahr bedinge. Andererseits erkranken
die Männer, die nur belegen, intensiver, da sie 66*7 gegen 50*0 Krankheits¬
tage haben; das erklärt sich wohl aus dem Umstande, dass die Frauen im Falle
des Beginns der Erkrankung die Arbeit schneller verlassen, weil sie weniger
Willensenergie besitzen, um mit dem bereits bestehenden Tremor weiter zu
arbeiten, und weil es ihnen viel leichter ist, wieder eine andere leichtere
Arbeit £u bekommen, als den Beiegern, die dann vollkommen rathlos der
Frage gegenüber stehen, wie sie ihre Familie ernähren sollen. Ich muss
auf diesen Punkt bei Beantwortung der Frage, wie das Quecksilber in den
Organismus kommt, zurückkommen, stehe desshalb hier von einer weiteren
Beleuchtung des Gegenstandes ab.
III. Art der Erkrankung.
Da hierüber bereits Yortreffliches (K u s s m a u 1) veröffentlicht ist, da ferner,
wie mir bekannt, Prof.Strümpell seine an hiesigen Kranken gemachten Be¬
obachtungen in Form einer Dissertation zu veröffentlichen gedenkt, so kann
ich mich kurz fassen und beschränke mich auf eine mehr statistische Zu¬
sammenstellung der einzelnen Formen des Mercurialismus.
Stomatitis kommt ja gewiss öfter vor, aber beweisen kann ich es nicht.
Heftige Formen, welche eine Arbeitseinstellung nothwendig machen, sind
ausserordentlich selten und leichtere entziehen sich der Controle des Arztes
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Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth. 427
da sie denselben aus diesem Grunde nicht aufsuchen. Auffallend ist es
immer, dass eine grosse Zahl zum Theil heftiger Fälle von Tremor in Be¬
handlung kommen, bei denen keine oder nur minimale Affection des Zahn¬
fleisches vorhanden ist. Ich erkläre mir diese Thatsache durch den Um¬
stand , dass die mit den Gefahren des Quecksilbers seit langen Jahren ver¬
trauten Arbeiter in der Anwendung zweckmässiger Mundwässer, in Reinigung
des Mundes etc. eine aussergewöhnliche Sorgfalt zeigen und so leichtsinnig
sie sonst sind, hierin sich wenigstens nichts zu Schulden kommen lassen.
Auch die sehr häufigen gastrischen Erscheinungen und die Quecksilber-
Gachexie entziehen sich meist der ärztlichen Beobachtung; letztere zeigt
sich dem Arzte nur in den höheren Graden, wenn die Arbeiter vor Ermat¬
tung nicht weiter arbeiten können, elend und hinfällig werden und mehr
und mehr abmagern.
Sehr interessant ist der Erethismus mercurialis, der, da er ja selten zu
klinischer Beobachtung kommt, wenigstens kurz berührt werden soll.
Dass mit Tremor Behaftete auch an Erethismus leiden, ist bekannt und
leicht erklärlich; weniger bekannt dagegen ist es, dass fast kein Arbeiter,
der nur eine längere Zeit arbeitet, davon frei ist, und weiter, dass ein solcher
in höchstem Grade erregbarer Mensch oft noch lange Zeit fortarbeitet, bis
ihm der eintretende Tremor auch dieses verbietet.
Dr. Mayer hat in seiner Broschüre darauf hingewiesen, dass alle
Fabrikanten darüber klagen, dass die Beleger sämmtlich die reizbarsten
Menschen seien, dass zum Beispiel ein nicht einmal scharf gegebener Tadel
sie in die furchtbarste Erregung versetze, dass desshalb die subtilste Be¬
handlung nothwendig sei, und bezeichnet mit allem Recht diesen Zustand
als Erethismus mercurialis. Wer, wie ich, oft gesehen hat, wie ein Be¬
leger durch den geringfügigsten Umstand, durch einen leisen Widerspruch,
in einen Zustand von Aufregung versetzt wurde, welcher von einem Tob¬
suchtsanfall kaum zu unterscheiden ist, der muss nur staunen, dass es solchen
Menschen noch möglich ist, oft noch längere Zeit weiter zu arbeiten. Aller¬
dings kommt es auch oft vor, dass ein solcher Anlass, eine geringe Erregung,
ein Schreck etc. hinreicht, den schlummernden Tremor zu erwecken, und
dann für viele Monate schwere Erkrankung zu veranlassen. In jüngster
Zeit besuchte ich zum Zweck der Gontrole der Belege einen Belegemeister,
der als gesund geführt wurde und sich selbst für gesund erklärte. Dieser
ihm nicht genehme Besuch brachte ihn in eine solche Aufregung, dass er
unfähig zu reden, plötzlich von einem so heftigen Tremor der Beine erfasst
wurde, dass er mitten im Zimmer zusammenstürzte und nicht mehr im
Stande war, sich zu erheben. Am nächsten Tage begegnete er mir auf der
Strasse und bemerkte mir, dass ich ja nicht glauben möge, dass er mercurial-
krank sei, „er babe sich nur geärgert“ und thatsächlich war an ihm kein
Tremor bemerkbar. Drei Wochen später legte er sich wegen Mattigkeit und
liess den Arzt rufen; ein mit den unteren Extremitäten beginnender Tremor
steigerte sich bald durch Antheilnahme aller Muskeln zu solcher Heftigkeit,
dass der Tod am 16. Tage eintrat. Herr Professor Strümpell wird auch
diesen Fall mit veröffentlichen.
Wir sind auf diesem Wege zum Tremor gelangt, der häufigsten und
wichtigsten Form des Mercurialismus, wie er durch die Beschäftigung in
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Dr. Wollner,
Belegen entsteht. Ich unterlasse natürlich die Schilderung dieser bekannten
Erkrankung und füge nur das noch hinzu: Der Tremor beginnt meist
in den Armen und Sprechorganen; doch kommt es vor, dass beide noch
gesund sind, dagegen die Beine bereits eine grosse Unruhe zeigen, und hat
in diesen Fällen der Gang der Betreffenden eine sehr grosse Aehnlichkeit
mit dem Atactischer. Dass der Tremor so heftig wird, dass er ohne weitere
Complication den Tod bedingt, ist keineswegs so sehr selten; in den letzten
vier Jahren kamen doch zwei Fälle vor, bei sonst noch gut genährten und
kräftigen Individuen. Was die Häufigkeit des Tremor gegenüber der
Stomatitis betrifft, so waren unter den früher beobachteten 192 Fällen
161 mit Tremor Behaftete; im Jahre 1885 waren von 100 Erkrankten nur
12, im Jahre 1886 von 84 Erkrankten nur 8 mit Stomatitis allein erkrankt.
Ich habe früher einmal nach langer Erfahrung behauptet: Kein Arbeiter
verlässt die Belege früher, als er erkrankt ist. Das wäre ja auch aus der
Leichtigkeit der Arbeit, der etwas besseren Bezahlung bei kürzerer Arbeits¬
zeit, zu erklären, aber trotzdem bleibt es merkwürdig, wie es die Arbeiter
nach den schwersten Erkrankungen immer wieder zur Belege zurückzieht,
trotzdem sie oft eine anderweitige, lohnende und gefahrlose Beschäftigung
gefunden haben. Ein erfahrener Belegbesitzer sagte mir oft: den Beleg¬
arbeitern geht es wie den Schnapstrinkern, sie kehren immer wieder zurück,
sie können vom Quecksilber nicht lassen. Sollte das Quecksilber, da es doch
zweifelsohne Erethismus hervorruft, vielleicht auch eine ähnliche angenehm
erregende Wirkung besitzen wie der Alkohol?
Art der Aufnahme des Quecksilbers in den Organismus.
Zur Beseitigung, resp. zur Verminderung der Gefahren, welche die
Quecksilberbelegen für die Arbeiter haben, ist es von höchster Wichtigkeit,
zu wissen, auf welchem Wege das Quecksilber in den Organismus gelangt,
in Dampfform, durch Berührung mit der Haut oder durch Verschlucken, in
letzterem Falle voraussichtlich durch Staub. Da das Quecksilber bei ge¬
wöhnlicher Temperatur verdunstet, so kann die Aufnahme in Dampfform
nicht geleugnet werden, aber doch kann dieselbe nur eine minimale sein.
Dr. Mayer hat jene Reagentien, welche nach Naunyn (siehe Ziemssen
Sammelwerk, Band XV.) die Anwesenheit von Quecksilberdämpfen in einem
Raum beweisen, geprüft und hatte die hierzu tauglichsten Räume und die
schlechtesten Belegen ausgewählt. Lebende Blumen sollen rasch absterben;
das ist nun nicht der Fall und glaube ich, dass Dr. Mayer wohl recht hat
mit der Bemerkung: „Wo lebende Blumen rasch absterben, dürfte wohl
auch der Mensch die Luft nicht mehr geniessbar finden. 4 Auch die anderen
Reagentien (Holzstäbchen mit Schwefelblumen bestreut, sollen rasch braun
werden, Goldblättchen rasch weiss amalgamiren) geben ein vollständig
negatives Resultat. Ich habe dieselben Versuche in grösseren aber besser
eingerichteten Belegen mit demselben Resultate gemacht. Dr. Mayer
kommt nun durch diese Versuche zu dem Schluss, dass diese Reagentien
theoretischen Reflexionen entsprungen seien; doch kann dieses Resultat auch
in anderer Weise erklärt werden, nämlich so, dass eben thatsächlich ein^
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Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
so verschwindend kleine Menge oder gar kein Quecksilber in Dampfform in der
Luft des Belegraums sich befindet, dass also die sonst sicheren Reagentien einen
Beweis nicht liefern können. Ich halte das letzte für richtig, denn es ist
erstens die verdunstende Oberfläche eine sehr geringe und zweitens wird
von allen jemals gegebenen Vorschriften die eine fast ausnahmslos befolgt
und nur bei äusserst ungünstiger Witterung ausser Acht gelassen, nämlich
das Offenlassen der Fenster. Ich habe bei meinen vielfachen Besuchen
stets offene Fenster getroffen und oft mein Erstaunen kaum unterdrücken
können, wie es möglich ist, in einer so entsetzlichen Zugluft den ganzen
Tag zu arbeiten. Es erfolgt desshalb nach meiner Ansicht die Aufnahme
des Quecksilbers entweder gar nicht oder zu einem sehr geringen Theil
durch Verdunstung. Dass die Aufnahme durch die Haut möglich ist,
wird wohl kaum mit Erfolg bestritten werden können, desto leichter aber
die Annahme, dass in den Quecksilberbelegen die Aufnahme in der Weise er¬
folge. Schon Dr. May er hat nachgewiesen, dass Wischerinnen, ja Packerinnen
ebenso leicht oder nicht nachweisbar weniger erkranken. Nach meinen Zu¬
sammenstellungen erkranken die Frauen um einen kleinen Procentsatz,*
1*6 Procent, häufiger als Männer. Da nun die Männer alle Beleger sind,
die Frauen nur zum kleineren Theil, so beweist dies doch wenigstens sicher
nicht, dass die Beleger mehr gefährdet sind als die Wischerinnen. Nun
berühren aber die Hände der Wischerinnen in den meisten Belegen über¬
haupt niemals, in einzelnen nur selten das Quecksilber, es ist daher wohl
der Schluss gerechtfertigt, dass die manuelle Berührung des Quecksilbers
keinen Einfluss auf das Eintreten des Mercurialismus hat.
Es bliebe also zur Erklärung der Aufnahme des Quecksilbers in den
Organismus als wichtigster, vielleicht alleiniger Factor die Aufnahme durch
den Mund in den Digestionsapparat, in diesem Falle wohl ausschliesslich
das Verschlucken des Staubes.
Wer einmal eine Qnecksilberbelege betreten hat, wird betroffen gewesen
sein über die Menge des Staubes, welche sich auf dem Fussboden, auf den
Tischen, auf allen Vorsprüngen des Locals befindet. Der Grund liegt, wie
oben angeführt, darin, dass die Belegen nur alle acht Tage, manchmal noch
seltener gekehrt werden, weil die Beleger das Aufwirbeln des Staubes
durch Kehren fürchten, die Entfernung desselben auf nassem Wege für un-
thunlich erklären, weil jede Feuchtigkeit das Anlaufen der Gläser begünstige,
während das Belegen nur dann möglich ist, wenn das Glas vollkommen
trocken ist. Um nun wirklich Klarheit zu bekommen, ob denn wirklich
der Staub Quecksilber enthält oder nicht, habe ich denselben vom Boden,
den Tischen etc. der Belege sammeln lassen und hat Herr Kellner, Assistent
der hiesigen Untersuchungsstation für Lebens- und Genussmitte], die chemische
Untersuchung des Staubes vorgenommen. Der Staub wurde in der Weise
gesammelt, dass er einfach mit einem Besen zusammengekehrt wurde. Diese
Art des Sammelns des Staubes wurde gewählt, weil hier sicher kein metal¬
lisches Quecksilber, welches etwa auf dem Boden lagt mit in den Staub ge¬
kommen ist, da das Quecksilber ruhig auf dem Boden liegen blieb. Auch
in dem in einem Glasgefässe gesammelten Staube wäre es ja leicht gewesen,
am Boden des Glases metallisches Quecksilber nachzuweisen, wenn wirklich
solches mit dem Staube zusammengekehrt worden wäre; das war aber nicht
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430 Dr. Wollner,
der Fall, trotz Schütteln und Stehenlassen war kein metallisches Quecksilber
in dem Staube zu entdecken.
Die chemische Untersuchung dagegen zeigte, dass in demselben sehr
bedeutende Mengen Quecksilber vorhanden waren, aber auch ebenso be¬
deutende Mengen von Zinn. Daraus geht nun mit Bestimmtheit hervor,
dass das Quecksilber im Staube nur in der Form von Amalgam enthalten
war und entspricht dies der aprioristischen Voraussetzung, dass von den
zahlreichen Abschnitten von Folie, mit Quecksilber amalgamirt, welche, wie
oben gezeigt, in enormen Quantitäten in einer Belege sich anhänfen (in einer
Belege 150 Centner pro Jahr), eine Anzahl kleiner Partikelchen vom Luft-
strom erfasst und durch die ganze Belege zerstreut werden. Nun hat weiter
Rector Rein de] in Kempten nachgewiesen, dass ein Quecksilberamalgam
kein Quecksilber abgiebt, das heisst, dass aus einem solchen kein Quecksilber
verdunstet. Das erklärt nun wieder die auffällige Thatsache, dass Gold¬
plättchen, trotzdem sie durch lange Zeit in der Belege gelegen, und mit
demselben Staube dick bedeckt, dennoch keine Spur von Quecksilber zeigen.
*Wenn nun feststeht, dass Quecksilberdämpfe in dem Belegraume nicht nach¬
gewiesen werden können, wenn weiter die Aufnahme durch die Haut aus
den oben erörterten Gründen im schlimmsten Falle nur eine minimale ist,
wahrscheinlich aber überhaupt nicht stattfindet, andererseits aber der Nach¬
weis geliefert ist, dass der Staub, der in den Belegen beständig herumfliegt,
Quecksilberamalgam in grossen Mengen enthält, so ist doch wohl der Nach¬
weis geliefert, dass eben der Staub die Ursache der Vergiftung ist, dass das
Quecksilber in Form eines Amalgams mit dem Staube eingeathmet, in die
Digestionswerkzeuge gelangt, und so die Ursache des Mercurialismus wird.
Für die Richtigkeit dieser Anschauung sprechen weiter folgende
Tunkte:
Jeder Arbeiter fürchtet die Kälte, vor allem aber stürmische Witterung,
und schiebt sein relatives rasches Erkranken auf diesen Witterungscharakter.
Da nun bei kaltem, besonders bei stürmischem Wetter die Luft in den Belegen
bei geöffnetem Fenster viel bewegter ist, als bei umgekehrten Witterungs¬
verhältnissen, so wird selbstverständlich auch der Staub mehr aufgewirbelt;
es ist also viel mehr Gelegenheit gegeben, denselben einzu&tbraen und zu
verschlucken. Weiter gehört die Beobachtung nicht zu den Seltenheiten,
dass die Angehörigen eines Belegers, besonders Kinder, an Mercurialismus
(meist Stomatitis) erkranken, ohne dass es möglich wäre, eine andere Ursache
aufzufinden, als dass der Arbeiter mit seinen bestaubten Kleidern eine Menge
von Amalgam (reines Quecksilber kann es nicht sein) mit in seine Wohnung
bringt, welches Veranlassung zur Erkrankung giebt. Ich habe erst in letzter
Zeit hiervon ein eclatantes Beispiel erlebt, auf welches ich weiter unten
zurückkommen werde (s S. 438). Es Hesse sich noch eine Reihe von Wahr¬
scheinlichkeitsgründen anführen, so zum Beispiel, dass die staubigsten
Belegen die schlechtesten Gesundheitsverhältnisse zeigen etc. etc., aber ich
glaube hiermit bereits den Beweis für die Anschauung, die für mich feststeht,
geliefert zu haben, dass das Quecksilber in Form eines Amalgams durch
den in den Belegen befindlichen Staub, welcher das letztere enthält, in den
Organismus gelangt. Es bedarf wohl keiner Entschuldigung, dass ich bei
diesem Punkte etwas länger verweilte, denn sollen zweckmässige Schutz-
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Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
maassregeln gegen die Erkrankung getroffen werden, so ist es doch vor
Allem nothwendig, zu wissen, wie das Quecksilber in den Organismus
gelangt.
IV. Schutzmaassregeln.
Bei Gelegenheit der Ausarbeitung der Denkschrift des ärztlichen Vereins
über die Quecksilberbelegen hat Herr Dr.Degen nach den Acten des Magi¬
strats Fürth alle jene Verordnungen zusammengestellt, welche jemals in
diesem Betreffe erlassen wurden. Sie stammen alle aus der Zeit von 1847
bis 1861; durch Einführung des Reichsgewerbegesetzes sind die alten ausser
Kraft gesetzt, neue seitdem nicht erlassen worden. Im Laufe der oben¬
genannten Jahre wurden eine Reihe zweckmässiger und nützlicher Vor¬
schriften von Seiten der Regierung gegeben, aber sie scheiterten immer
wieder an dem Widerstande der Fabrikanten, vor allem aber an dem der
Arbeiter. So wurde zum Beispiel die höchst zweckmässige Einrichtung, dass
die Arbeiter einer vierteljährigen amtsärztlichen Untersuchung sich unter¬
ziehen mussten, desshalb von der Königl. Regierung wieder aufgehoben, weil
die Arbeiter dagegen Protest erhoben, da die Untersuchung eine Entwürdi¬
gung und ein Eingriff in die persönliche Freiheit der Arbeiter sei. Durch
Entschliessung der Königl. Regierung von Mittelfranken d. d. 13. December
1861 wurden alle früheren und alle späteren Verordnungen, soweit sie über
die Bestimmungen der Regierungs* Entschliessung vom 9. Mai 1858 hinaus-
gingen, aufgehoben. Da alle früheren Entschliessungen niemals recht in
Kraft traten, übergehe ich dieselben, und will nur in Kurzem die letzte
berühren, da sie für lange Zeit als zu Recht bestehend angesehen werden muss.
Die Bestimmungen dieser Verordnung waren nun:
1. Das früher empfohlene Mil Ion’sehe Verfahren (Beimengung von V2000
Zinn zum Quecksilber) braucht nicht mehr angewandt zu werden.
2. Die Abkürzung der Arbeitszeit wird in dieser Regierungs-Entschlies-
sung nicht berührt.
3. Die Erlaubniss zur Einrichtung neuer Belegen ist von Errichtung
eines freistehenden Gebäudes ad hoc abhängig gemacht.
4. Die Heimbelegen werden nur geduldet, so lange sie der jetzige Be¬
sitzer inne hat, besondere Reinlichkeit herrscht und der Boden gut
gefügt ist.
5. Detail Vorschriften über die Zustände in den Belegen: unter Anderem
Offenlassen der Fenster während der Arbeit oder künstliche Ventilation,
Bedecken der Quecksilberschüsseln ausser der Arbeitszeit, gesonderte
Räume für die Kleider, alles dies unter Strafandrohung.
6. Die Fabrikanten haben je ein Buch evident zu halten über die Namen,
Tag des Ein- und Austritts jedes Arbeiters, ferner an die Arbeiter
die gedruckte Instruction zu vertheilen; jeder Arbeiter hat dem
Sicherungs-Verbände für Erkrankung beizutreten.
7. Die Arbeiter (so lange sie Beschäftigung haben) sind verpflichtet,
wöchentlich ein einfaches warmes Wannenbad zu nehmen. Der
Gebrauch von Dampfbädern ist ihnen lediglich zu empfehlen.
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Dr. Wollner,
8. Die Fabrikanten haben allwöchentlich Badebillets für ihre Arbeiter
bei der Polizei zu erheben und zu bezahlen. Dem Magistrat wurde
empfohlen, mit der Actien-Badegesellschaft einen Vertrag abzu-
schliessen, um billigste Behandlung und Bezahlung zu erzielen, da
es sich um ein Zw angsabonnement für mehr als 100 Arbeiter
bandelt.
Zu diesen höchst zweckmässigen Vorschriften beschloss der Magistrat
am 29. März 1860 auf Antrag des damaligen Bezirksgerichtsarztes Dr.
März weitere Anordnungen:
1. Die Arbeitgeber haben die vorgeschriebenen Arbeitslisten genau und
fortlaufend zu führen.
2. Jeder Austritt eines Arbeiters ist sofort zur Anzeige zu bringen.
3. Jeder Arbeiter muss sofort nach dem Austritt zur Visitation sich
stellen, um seinen Gesundheitszustand festzustellen.
4. Jeder Arbeiter muss vierteljährlich zur Controle beim Amtsärzte
sich stellen.
Diese sämmtlichen, im Anfang streng durchgeführten Bestimmungen,
namentlich die zwei- bis dreimal durchgeführten vierteljährlichen Visitationen
der Arbeiter erregten eine heftige Gegenströmung bei Fabrikanten und
Arbeitern, welcher sich bald der Gewerberath und Magistrat anschlossen,
und in verschiedenen Eingaben an die Regierung Ausdruck gaben. Hierauf
erfolgte der Beschluss des Magistrats vom 15. April 1861, an die Regierung
das Ersuchen zu stellen, alle getroffenen Maassregeln wegen polizeilicher
Ueberwachung des Gewerbes aufzuheben, „weil sich die Fälle von Mer-
curialismus seit Einführung der sanitätlichen Vorschriften nicht ver¬
mindert hätten u .
Darauf erging oben erwähnte Regierungs-Entschliessung vom 13.Decem-
ber, welche alle Bestimmungen, soweit sie über die Verordnung vom 9. Mai
1858 hinausgingen, als belästigend für Arbeitgeber und Arbeiter aufhob,
namentlich die vierteljährlichen Visitationen, dann den Bäder zwang, da
Belehrung ausreichend sei, endlich das Verbot der Arbeit. Trotz Wegfalls
dieser letzten Bestimmungen enthielt die Verordnung vom Jahre 1858 noch
sehr viel Gutes, was zum Theil auch heute noch nicht durchgeführt ist. Ob
und wie lange diese Entschliessung, namentlich in Bezug auf Visitationen
der Belegen, auf das Evidenthalten von Arbeitsbüchern, auf die Bestimmung
über Heimbelegen befolgt wurde, entzieht sich meiner Kenntniss. Soweit
meine Erfahrung (seit 1860) reicht, erinnere ich mich nicht, dass je ein
Gesuch um Genehmigung einer Quecksilberbelege von einem Fabrikanten
eingereicht wurde, obwohl viele eingerichtet wurden; ebensowenig wurde
eine Heimbelege geschlossen, obwohl dieselben oft den Besitzer wechselten,
wesRhalb es wahrscheinlich ist, dass auch die übrigen Vorschriften durch
vereinte Thätigkeit der Arbeitgeber und Arbeiter umgangen wurden.
Immerhin muss der Gesundheitszustand der Quecksilberarbeiter zeitweilig
ein wesentlich besserer gewesen sein, da Herr Obermedicinalrath Dr. Ker-
schen8teiner im Jahre 1874 die Gesundheitsverhältnisse der Arbeiter
nicht ungünstig fand. Im Jahre 1883 gab ich neuerdings Gutachten ab
über die Gefahren der Belegen und über die nothwendigen Schutzmaassregeln;
diesem Gutachten stimmte der Magistrat Fürths in wesentlichen Punkten
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Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
nicht bei, wesshalb auf meine Anregung auch der ärztliche Verein seine
Ansicht aussprach, wie sie in der dem Königl. bayerischen Staatsministerium
vorgelegten Denkschrift niedergelegt ist. Diesen unwiderlegbaren Beweisen
konnten auch die Arbeitgeber sich nicht verschliessen und suchten nun
ihrerseits selbst bestimmte Anordnungen zu treffen, welche geeignet waren,
die GeBundheitsverhältnisse ihrer Arbeiter zu verbessern.
Zu diesem Zwecke bildeten die Arbeitgeber einen Verein unter dem
Namen: „Glasbeleger-Hülfs verein Fürth.“
Der Zweck des Vereins ist „Beseitigung der Gefahren, die der Gesund¬
heit der Quecksilberarbeiter durch das Belegen erwachsen“; und wurde die
Erreichung dieses Zweckes durch folgende Maassregeln zu erreichen versucht.
Jeder männliche oder weibliche Arbeiter sollte vom Verein zum Zwecke
des Aussetzens der Arbeit für einen Monat in jedem Jahre ausreichende
Unterstützung erhalten und zwarBeleger und Belegerinnen 2, Wischerinnen
1 Mark für jeden Kalendertag durch 4 Wochen.
Ausserdem einigten sich dieselben zu Anordnungen für die Erhaltung
der Gesundheit, welche sie durch Conventionalstrafen für die Arbeitgeber
und den Verlust des Anrechts auf die jährliche Arbeitspause für die Arbeiter
durchzuführen versuchten.
Die betreffenden Anordnungen waren folgende:
1. Vor und nach der Arbeit Kleiderwe.chsel.
2. Allwöchentliches Waschen der Arbeitskleider.
3. Waschen und Gurgeln nach der Arbeit.
4. Essen und Trinken während der Arbeitszeit verboten.
5. Kohlenbäfen (zum Trocknen der Tücher) verboten.
6. Länger als 8 Stunden pro Tag darf nicht gearbeitet werden.
7. Während der Arbeit Fenster oder Ventilation bei jeder Wittterung
offen halten.
Mit dem 31. October 1884 eröffnete der Verein seine Thätigkeit, am
l.December desselben Jahres trat das Krankencassen-Gesetz in Wirksamkeit.
Wohl für keine Kategorie von Arbeitern hat das Gesetz eine wohlthätigere
Wirkung gehabt, als für die Quecksilberarbeiter, da diese bei keiner anderen
Casse aufgenommen wurden und desshalb im Falle einer Erkrankung jede
Unterstützung entbehren mussten.
Das Krankencassengesetz brachte aber auch vollkommene Klarheit über
die Gefahr der Arbeiter für diejenigen, welche dieselbe, wie der Magistrat
Fürth, bedeutend unterschätzt hatten. Der Abschluss des Jahres 1885 ergab,
was wir Aerzte dem Magistrat vorausgesagt hatten, ein enormes Deficit: die
Gemeinde-Krankencasse musste für die 150 Quecksilberarbeiter ungefähr
8000 M. mehr bezahlen, als sie an Krankengeld eingenommen hatte.
Die Folge davon war, dass sich der Magistrat um jeden Preis der
Quecksilberarbeiter zu entledigen suchte; die Fabrikanten aber, um die
Gründung eines eigenen Vereins mit eigener Verwaltung zu vermeiden,
gingen bereitwillig darauf ein, jede Mehrausgabe, welche der Gemeinde-
krankencasse für die Quecksilberarbeiter gegenüber den anderen Arbeitern
erwachse, zu ersetzen. Damit war neben dem humanitären auch das
finanzielle Interesse der Arbeitgeber in Mitleidenschaft gezogen. Es wurde
nun von Neuem eine strenge Controle über die Durchführung der an-
Vierteljahrsschrift ftlr Gesundheitspflege, 1887. 28
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Dr. Wollner,
geordneten Maassregeln, zugleich aber nach meinem Antrag, beschlossen:
„Dass kein Erkrankter wieder in eine Belege zngelassen werde, ohne hierzu
von mir als tauglich erachtet zu sein. u Zu diesem Anträge musste mich
mit Nothwendigkeit die längst bekannte Thatsache bringen, dass ein gesunder
Arbeiter relativ lange in Belegen arbeiten kann, ohne zu erkranken, dass
aber ein einmal Erkrankter nach kürzester Zeit wieder erkrankt. Mit dieser
Maassregel ist jedoch nicht nur das Interesse des Arbeitgebers, sondern noch
viel mehr das des Arbeiters gewahrt. Einmal erkrankt, wird er sicher
wieder gesund und kann eine andere Arbeit leisten, nach einem ein- oder
mehrmaligen Recidiv wird er nicht nur zum Belegen, sondern auch zu
jeder anderen Arbeit unfähig. Es liegt aber auch keine Härte für den
Arbeiter darin, da die Arbeit in den Belegen keine in der Jugend erlernte
Arbeit ist, zu der Jemand ausschliesslich ausgebildet wird, wie es bei den
verschiedenen Handwerken, selbst in vielen Fabriken der Fall ist.
Wischerin kann jedes Mädchen oder Frau sein, denn ein Glas trocken
und rein zu wischen, erfordert keine Vorkenntnisse. Belegen erlernt jeder
in der kürzesten Zeit und rekrutiren sich die Beleger aus den verschiedensten
Gewerben: meist sind es Leute, die in irgend einem anderen Berufe Schiff¬
bruch gelitten haben und als letztes Auskunftsmittel zum Belegen greifen.
Hierdurch kommt es, dass viele durch mangelhafte Ernährung und Sorgen
bereits heruntergekommen in. das Geschäft eintreten und um so schneller
dann von Mercurialismus befallen werden. Es muss desshalb nach meiner
Ansicht auch die Aufnahme in eine Belege von ärztlicher Seite einer Begut¬
achtung unterliegen.
Es sei gestattet, gleich hier die Frage zu beantworten, ob die einge¬
führten Schutzmaassregeln einen Erfolg und welchen sie gehabt haben. Die
beste Antwort giebt hierauf die Statistik des zweiten Beobachtnngsjahres
und besonders des zweiten Semesters dieses Jahres.
Es waren:
Jahr
Arbeiter
Im Allgemeinen erkrankt
Krankheitstage
Zahl
Proc.
Allgemein
pro Kopf
i885 .
160
165
103
- 7587
45*9
1886 .
182
112 1
61*5
5616
50*1
An Mercurialismus erkrankt
1885 .
160
100
62-5
5463
54*6
1886 .....
182
84
46*0
3990
58*6
An anderen Erkrankungen
1885 .
160
65
40*5
2124
31
1886 .
182
28
150
1626
58
An Mercurialismus
f I. Sem.
1886 {
182
64
35*0
3059
Ul. Sem.
182
20 !
11*0
931
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435
Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
Die Besserung des Gesundheitszustandes nach obiger Tabelle ist eine
so erfreuliche und vor Allem eine so rasch fortschreitende, dass es wohl
kaum denkbar ist, in kürzerer Zeit bessere Resultate zu erzielen.
Während im Jahre 1885 noch 62*5 Proc. aller Arbeiter an Mercuria-
lisinus erkrankten, waren es im Jahre 1886 nur 46*0 Proc. Von den im
letzten Jahre angemeldeten Kranken erkrankten im I. Semester des Jahres
75*5 Proc., im II. Semester dagegen nur 23*5 Proc. Würde dies in gleicher
Weise fortgehen, so würde ja der Mercurialismus bald verschwinden.
Es ist desshalb sicher lohnend, zu untersuchen, welche Ursache dieser
auffallenden Besserung der Verhältnisse zu Grunde liegt. Ich will ja nicht
leugnen, dass die getroffenen Maassregeln und Vorschriften mit zur Besserung
beigetragen haben, aber so viel ist sicher, dass dies nur zu einem sehr
kleinen Theile der Fall war. Der Grund dieser, um es offen zu sagen,
scheinbaren Besserung liegt einfach darin, dass mir das Recht eingeräumt
wurde, einmal erkrankte Arbeiter von der Arbeit auszu-
schliessen so lange, als ich es für nothwendig hielt. Der
Beweis hierfür ist mir ausserordentlich leicht zu führen. Im I. Semester
Erkrankte wurden nicht mehr zugelassen, der Procentsatz fällt im II. Semester
rasch; Ende des II. Semester liess ich eine Reihe der Arbeiter, meist nur
auf beschränkte Zeit, zur Arbeit wieder zu; am Anfang dieses Jahres steigt
die Zahl der Erkrankten, meist Recidive, ausserordentlich rasch. Es ist
mir daher sehr leicht möglich, die Zahl der Erkrankungen vollkommen
willkürlich steigen und fallen zu machen, je nachdem ich ein- oder mehr¬
mals erkrankte Arbeiter wieder arbeiten lasse oder nicht.
Dieser Umstand muss selbstverständlich berücksichtigt werden bei den
etwa zu erlassenden Vorschriften; aber Niemand wird behaupten wollen,
dass durch die Abnahme von Erkrankungen, welche hierdurch bedingt wird,
irgend ein Beweis für die Wohlthätigkeit der getroffenen Einrichtungen
erbracht, ja dass überhaupt etwas für die Gesundheit der Arbeiter geschehen,
oder dass das Auftreten des Mercurialismus beschränkt ist.
V. Vorschläge zur Besserung der Gesundheitsverhält-
nisse der Quecksilberbelegarbeiter.
Hieran schliesst sich nun nothwendig die Frage an, was hat denn zu
geschehen, um die Gefahr für die Arbeiter zu vermindern oder zu beseitigen,
und sind die bis jetzt gemachten Vorschläge geeignet, dieses Resultat
zu erzielen?
Für mich steht es nach meinen Erfahrungen und Experimenten fest,
dass die Aufnahme des Quecksilbers in den Organismus fast ausschliesslich
in der Form von Staub durch den Mund erfolgt, dass dagegen die Aufnahme
in Form von Quecksilber dämpfen und durch die Haut nur zu einem geringen
und kaum merkbaren Theile beitragen, und wird dies im Laufe der nächsten
Jahre auch praktisch bewiesen werden können durch den Erfolg der gegen
den Staub gerichteten Maassregeln.
Trotzdem halte ich es für geboten, auch alle Maassregeln, die eine Auf¬
nahme auf dem zweiten und dritten Wege verhüten sollen, beizubehalten,
28 *
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43G
Dr. Wollner,
da ja ein Plus nicht schadet, und nur dann muss eine Aenderung der Vor¬
schriften eintreten, wenn dieselben, die Richtigkeit meiner Anschauung vor¬
ausgesetzt, mehr schaden als nützen würden. An der Hand der Broschüre
des Herrn Dr. Mayer gehe ich nun die einzelnen Vorschläge durch, welche
* der ärztliche Verein in Fürth im Interesse der Gesundheit der Arbeiter
für nothwendig erachtete, und wird sich hierbei ergeben, welche dieser
Bestimmungen bereits durchgeführt sind und mit welchem Erfolge.
1. Die Grösse der Belegen und die Zahl der erlaubten Arbeitstische
ist festzusteilen.
Von dem Verein der Belegbesitzer wurde festgesetzt, dass für jeden
Arbeiter ein Fabrikraum von 30 cbm vorhanden sein muss. Die letzte
Besichtigung der Belegen ergab, dass nur zwei dieser Anforderung nicht
vollkommen entsprechen, die meisten einen grösseren Cubikinhalt für den
.einzelnen Arbeiter hatten. Ich halte denselben überhaupt für zu gering,
aber der Verein glaubte zunächst, bei der Unmöglichkeit für manche
Fabrikanten, rasch bessere Räume zu beschaffen, nicht höher greifen zu
dürfen; eine Bestimmung hierüber ist selbstverständlich noth wendig, und
wird wohl kaum unter 50 cbm für den einzelnen Arbeiter herabgegangen
werden können.
2. Die Trennung deB Belegraumes vom Raume zum Trocknen der
Gläser ist eine Forderung, welche bei den Fabrikanten wegen technischer
Schwierigkeiten auf grossen Widerstand stösst. Für sehr wichtig halte ich
sie nicht, weil von dem Spiegel nur metallisches Quecksilber abläuft und sich
rasch an einem Punkte sammelt, so dass die verdunstende Oberfläche eine
sehr geringe ist, und auch diese, wenn sie überhaupt Schaden bringt, kann
fast ganz unschädlich gemacht werden dadurch, dass daB Auffangen des
Quecksilbers in vollkommen geschlossenen Gefassen geschieht, welche nur
eine kleine Eintrittsöffnung haben.
3. Die Asphaltirung der Böden oder eine andere vollkommen glatte
und undurchlässige Bodenbekleidung halte ich für absolut nothwendig. Nur
von einer solchen Fläche kann jeder Staub, jedes Amalgamblättchen sicher
entfernt werden und zwar auf nassem Wege, während bei einem gewöhn¬
lichen Boden das Eindringen von Quecksilber, von Amalgam und mit dem¬
selben vermischten Staubes nicht vermieden und dessen Beseitigung nicht
ermöglicht werden kann.
4. Das Offenhalten der Fenster bei jeder Witterung zur Erzielung
ausgiebiger Ventilation, von jeher empfohlen und grösstentheils auch geübt,
ist eine Frage, welche verschieden beurtheilt werden muss, je nachdem man
sich der Ansicht einer Aufnahme des Quecksilbers in Dampf- oder Staubform
mehr zuneigt. Wer ersteres thut, kann nicht energisch genug für eine
Ventilation auch mit der Gefahr stärkerer Zugluft eintreten; der letztere
wird gerechte Bedenken haben.
So lange die Luft warm und ruhig ist, wird wohl Niemand das Offen¬
halten der Fenster bedenklich erachten, sondern auch aus anderen Gründen
als zweckmässig begutachten, und wird es wohl in den meisten Fällen auch
freiwillig geschehen. Wenn aber bei kälterer Witterung durch die ver¬
schiedene Temperatur in und ausserhalb des Zimmers oder gar durch mehr
weniger heftige Winde ein beständiger starker Luftstrom erzeugt wird,
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437
Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
welcher mit Noth wendigkeit ein heftiges Auf wirbeln des Staubes verursacht,
so dass auch eine viel grössere Quantität desselben eingeathmet werden
muss, dann kann man wohl mit Recht behaupten, dass durch das Offenhalten
der Fenster bei jeder Witterung entschieden Schaden gestiftet werden muss.
Wer einmal bei solcher Witterung eine Belege besucht hat, wer die heftige
Zugluft empfunden hat, welche durch die offenen Fenster und Thüren geht,
der begreift überhaupt nicht, wie es möglich ist, unter solchen Verhältnissen
zu arbeiten.
Auch die Arbeiter theilen die Ansicht von der Gefährlichkeit der Zug¬
luft; sie fürchten nichts mehr als Arbeit bei Kälte und stürmischem Wetter
und schieben das rasche Eintreten der Erkrankung auf diesen Witterungs¬
charakter. Hierzu kommen noch andere Momente, welche diesen Gebrauch
als bedenklich erscheinen lassen. Die Fabrikanten erklären, dass bei Kälte
ein feuchtes Abwischen der Tische, des Bodens etc. unmöglich sei, weil hier¬
durch ein Anlaufen der Gläser entstehe, welches das Belegen uninöglich
mache; sei der Raum dagegen geheizt, so stehe der feuchten Reinigung der
Belegräume kein Bedenken entgegen. ln Weiterem ist dieser Umstand
sehr wichtig für den Wechsel der Kleider. Da die Arbeiter in ungeheizten,
heftiger Zugluft ausgesetzten Räumen arbeiten müssen, so besteht der Wechsel
der Kleider, wenn dies überhaupt ein Wechsel genannt werden kann, darin,
dass sie über ihre Kleider, welche sie der Kälte wegen nicht ausziehen, ein
leinenes Gewand, manchmal auch bloss Rock, die Frauen eine Jacke anziehen.
Die Folge davon ist, dass die Arbeiter den Staub mit in ihre Wohnung
tragen und dort Gelegenheit zu weiterer Infection für sich und ihre An¬
gehörigen geben. Ich habe hierfür erst im letzten Jahre ein schlagendes
Beispiel gesehen: der oben erwähnte Arbeiter, welcher bereits nach sechs¬
monatlicher Arbeit in so heftiger Weise erkrankte, zog bei der Arbeit über
seine gewöhnliche Kleidung eine dünne Oberkleidung an. Er schlief mit
seinen Kindern in einem Zimmer, in welchem auch seine Kleider sich be¬
fanden. Schon einige Wochen vor ihm erkrankten seine drei Kinder, 4, 6
und 8 Jahre alt, an so heftiger Stomatitis mercurialis, dass sie 8 bis 10
Wochen zur Heilung nothwendig hatten. Da die Kinder niemals eine Belege
betreten hatten, jede andere Berührung mit Quecksilber ausgeschlossen
war, so kann die Erkrankung der Kinder in keiner anderen Weise erklärt
werden, als dasB in den Kleidern des Vaters Quecksilber in der Form des
Amalgams als Staub heimgetragen wurde, und dort Veranlassung zur Er¬
krankung gab.
Solche Fälle sprechen doch sehr entschieden für meine oben ausge¬
sprochene Ansicht, dass die Aufnahme fast ausschliesslich bedingt ist durch
Eindringen feiner Amalgamtheilchen in den Mund und Verschlucken der¬
selben.
Ich habe nun, um einen weiteren Beweis durch das Experiment zu
liefern, mir einfache Respiratoren anfertigen lassen, welche angefeuchtet
werden, und das Durchdringen des Staubes verhindern. Diese werde ich
solchen Arbeitern geben, welche bereits mehrmals erkrankt, also sehr dis-
ponirt zu weiterer Erkrankung, nur unter der Bedingung zugelassen werden,
dass sie dieselben tragen. Da die Arbeiter gern auf diese Bedingung ein-
gehen, um nur wieder zugelassen zu werden, sie desshalb jedenfalls auch
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438
Dr. Wollner,
gewissenhaft tragen, übrigens auch die Controle eine sehr leichte ist, so
ist dieser Versuch jedenfalls im Stande, weiteren Aufschluss über die Art
der Aufnahme zu geben und eventuell auch ein wichtiges, prophylactisches
Mittel gegen die Vergiftung mit Quecksilber zu ergeben.
Die tägliche Reinigung der Belegen auf nassem Wege hat im Sommer
nach Ansicht der Fabrikanten keine Bedenken in technischer Beziehung;
wären die Belegen im Winter geheizt, so wäre auch dann die Reinigung
derselben in derselben Weise möglich. So viel mir bekannt, werden in
Berlin die Belegen ebenfalls geheizt. Wenn nun der Staub mit den bedeutenden
Mengen kleiner Quecksilbertheile, besonders von Amalgamblättchen, beseitigt
ist, so besteht sicher keine Schwierigkeit, auch die wenigen Schalen metal¬
lischen Quecksilbers für die Zeit, in welcher nicht gearbeitet wird, zu ent¬
fernen oder wenigstens durch Verschluss unschädlich zu machen. Mit dem
Fallenlassen der Forderung des beständigen Offenhaltens der Fenster würde
auch mancher hiermit verbundene Uebelstand wegfallen, z. B. die häufigen
Rheumatismen, die starken Bronchialkatarrhe, die wenigstens zum Theil
davon herrühren etc. etc.
Es würde sich nun die Sorge für Ventilation dahin modificiren lassen:
a) Es muss vor Allem für Entfernung des Staubes aus den Belegen
und zwar auf nassem Wege gesorgt werden, was im Sommer leicht
geschehen kann.
b) Da dies nach Angabe der Fabrikanten im Winter nur dann möglich,
ist, wenn die Belegräume geheizt sind, so muss letzteres um so mehr
geschehen, als hierdurch auch eine zweckmässige Ventilation er¬
möglicht und andere gesundheitsschädliche Momente beseitigt werden.
c) Die Fenster dürfen und sollen offen gehalten werden, wenn dabei
ein Auf wirbeln des Staubes durch Zugluft vermieden wird.
d) Es ist für zweckmässige Ventilation ohne Zugluft, d. h. ohne zu
starke Bewegung der Luft, Sorge zu tragen.
5. a) Ein besonderer Raum für Kleiderwechsel und Reinigung muss
bestehen, b) Die Kleidung ist dem Arbeiter zu stellen, c) In dem Raume
sind Mundwässer vorräthig zu halten.
Diese Forderung muss nicht nur beibehalten, sondern auch dahin
erweitert werden, dass die Arbeiter nicht nur andere Kleider über die ge¬
wöhnliche Kleidung anziehen, sondern dass sie wirklich vollkommen die
Kleider wechseln. Das ist nur möglich, wenn die Belegen geheizt werden,
da nur dann die Arbeiter in leichten leinenen, oder überhaupt waschbaren
Kleidern arbeiten können, während sie jetzt, um vor Kälte geschützt zu
sein, so viel Kleider als möglich über einander anziehen, welche schliesslich
alle zusammen mit Staub durchdrungen sind. Wer die Kleidung stellt, ist
von geringerer Wichtigkeit, und wird sich hier leicht eine Vereinbarung
treffen lassen. Die hiesigen Arbeiter würden sich dieselben lieber selbst
stellen, als von Anderen bereits benutzte Kleider anziehen. Die Aufstellung
von Mundwässern muss unbedingt gefordert werden.
6. Die früher benutzten Kohlenhäfen zum Trocknen der Tücher sind
beseitigt und durch zweckmässige Petroleumöfen ersetzt. Ein Festhalten
an diesem Verbote kann nicht schaden.
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Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth. 439
7. Das Quecksilber ist Nachts verschlossen anfzubewahren. Diese
leicht durchführbare Bestimmung ist wohl beizubehalten.
8. Ammoniaksprengungen, Schwefelanstriche etc. können als werthlos
wohl fallen gelassen werden.
9. Das Verbot des Essens und Trinkens in der Belege beizubehalten,
ist wohl selbstverständlich.
10. Die Empfehlung von Mundwässern, von Reinlichkeit und zu diesem
Zwecke angeordneten Wannenbädern ist in keiner Weise zu beanstanden.
Wie bereits oben bemerkt, hat der Quecksilber-Arbeiter-Hülfsverein be¬
schlossen, jeden Arbeiter aus Vereins mittein jede Woche ein Bad nehmen
zu lassen; eventuell ist derselbe auch zur Verabreichung von Dampfbädern
bereit.
11. Die Abkürzung der Arbeitszeit ist immer als im höchsten Grade
wichtig betrachtet worden. In dieser Frage ist es am schwierigsten, eine
Vereinbarung der Interesssen der Arbeitgeber mit den Anforderungen für
die Gesundheit der Arbeiter zu treffen.
Die Arbeitgeber erklären, mit einer Abkürzung der Arbeitszeit, wie
sie in Paris und Berlin durchgeführt ist, nämlich 12 Stunden pro Woche,
gegenüber der auswärtigen, besonders böhmischen Concurrenz nicht mehr
leistungs- und concurrenzfahig zu sein, und bei der Bereitwilligkeit, mit der
die Fabrikanten auf andere Maassregeln eingehen, kann nicht geleugnet
werden, dass eine so bedeutende Herabsetzung der Arbeitszeit, wie in den
obigen Städten, die hiesige Fabrikation in eine sehr schwierige Lage bringen
würde. Es entsteht nun die Frage, ist eine so bedeutende Abkürzung der
Arbeitszeit nothwendig oder können Maassregeln getroffen werden, welche
diese Abkürzung unnöthig machen, oder vielleicht noch zweckmässiger sind,
als eine allgemeine Abkürzung der Arbeitszeit für alle Arbeiter? Darüber
besteht wohl kein Zweifel: Je kürzer die Arbeitszeit, desto geringer die
Gefahr der Erkrankung.
Nun aber lehrt die Erfahrung: Es können Individuen bis zu einer sehr
langen Zeit, bis zu 16 und 18 Jahren, arbeiten, ohne zu erkranken, wenn
auch verhältnissmässig Wenige so widerstandsfähig sind; andere dagegen,
allerdings meist vorher schon geschwächte Individuen, erkranken schon nach
unglaublich kurzer Zeit, oft in heftigster Weise. Daraus geht doch mit
Bestimmtheit hervor, dass die individuelle Disposition zur Erkrankung eine
ausserordentlich verschiedene ist, und dass neben einer Regelung der Arbeits¬
zeit im Allgemeinen doch auch für den einzelnen Arbeiter bestimmte Normen
aufgestellt werden.
Jetzt ist von den hiesigen Arbeitgebern die Arbeitszeit auf 8 Stunden
festgesetzt; ich glaube, dass eine weitere Herabsetzung derselben möglich
ist ohne Schädigung der Industrie. Wie weit dies geschehen kann, wage
ich nicht zu bestimmen, aber ich halte dies zunächst auch für unmöglich,
da hierzu erst weitere Erfahrungen nothwendig sind, welche vollkommen
klaren Einblick gestatten, für überflüssig, weil ich glaube, dass durch andere
Maassregeln in besserer Weise Fürsorge für die Gesundheit der Arbeiter
getroffen werden kann, als durch eine allgemeine Abkürzung der Arbeits¬
zeit, und dass hierbei die Interessen der Arbeitgeber, aber auch die der
Arbeiter, sicherer gewahrt werden. Bei noch so kurzer Arbeitszeit kann
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440
Dr. Wollner,
ein Arbeiter erkranken, kann bald recidiv und endlich für alle Zeiten arbeits¬
unfähig werden. Bei noch so langer Arbeitszeit kann er durch regelmässige
Untersuchung und rechtzeitige Entfernung, eventuell vollkommene Aus-
Bchliessung, von der Arbeit vor schwererer Erkrankung, sicher aber vor
bleibender Arbeitsunfähigkeit bewahrt bleiben. Ich halte es daher für ge¬
boten, die Arbeitszeit herabzusetzen, soweit es die Industrie, ohne sie
lebensunfähig zu machen, gestattet, halte aber für viel wichtiger als die
Abkürzung der Arbeitszeit im Allgemeinen die Durchführung der jetzt zu
besprechenden Maassregeln.
12. Der ärztliche Verein Fürth theilte diese Anschauung und hielt es
für wichtiger, als die Arbeitszeit allein in Betracht zu ziehen, dass folgende
Bestimmungen durchgeführt werden.
a) Sämmtliche Arbeiter der Belegen sind von einem ad hoc vom Staate
oder der Gemeinde bestellten Arzte in dauernde Beobachtung zu
nehmen.
b) In eine Quecksilberbelege kann nur derjenige als Arbeiter zugelassen
werden, der sich durch Zeugniss des hierzu bestellten Arztes als
gesund und zur Beschäftigung geeignet erweist.
c) Wer eine Quecksilbererkrankung durchgemacht hat, kann nur dann
wieder in eine Belege eintreten, wenn seine vollständige Genesung
von dem bestellten Arzte constatirt ist.
Wie hoch der Einfluss ist, welchen die Durchführung dieser Be¬
stimmungen auf den Gesundheitszustand der Arbeiter zu äussern im Stande
ist, geht schon aus der theilweisen Durchführung derselben hervor. Der
Glasbelege-Hülfs-Verein hat die letzte Abtheilung bereits durchgeführt und
ich habe bereits oben ausgeführt, dass es mir mit Hülfe dieser Bestimmung
möglich ist, vollkommen willkürlich die Zahl der Erkrankungen steigen und
fallen zu lassen. Hierdurch allein wird wohl klar die Unsicherheit und das
Problematische aller bis jetzt empfohlenen Schutzmaassregeln bewiesen;
ebenso weit aber bin ich entfernt von der Anschauung, dass durch diese
Herabsetzung der Zahl der Erkrankten der Beweis geliefert sei, dass irgend
etwas Wesentliches zur Verhütung des Mercurialismus geschehen sei. Wenn
ich jeden einmal Erkrankten ausschliesse, und immer neues MenBchen-
material den Belegen zuführe, so ist doch wohl sehr begreiflich, dass die
Zahl der Erkrankten sehr bedeutend herabgehen muss, aber damit ist doch
nicht verhütet, dass die Arbeiter mercurialkrank werden. Nichts desto
weniger muss die Bestimmung Absatz c) unter allen Verhältnissen beibe¬
halten werden, da es eben eine bekannte Thatsache ist, dass die erste Er¬
krankung meist rasch und ohne bleibenden Nachtheil vorübergeht, während
weitere Recidive endlich zur bleibenden Arbeitsunfähigkeit des Individuums
führen, und wird Niemand bestreiten wollen, dass dieser Punkt für den
Einzelnen von eben so hoher Wichtigkeit ist als für die Gemeinde, welcher
die weitere Unterhaltung des Arbeitsunfähigen obliegt.
Ebenso wichtig sind Punkt a) und b) Ein gesundes widerstandsfähiges
Individuum erkrankt später und meist leichter. Je weniger Arbeiter er¬
kranken, desto weniger neue Individuen werden dem Geschäfte zugeführt,
und um so viel weniger Individuen werden der Gefahr der Vergiftung aus¬
gesetzt.
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441
Die Quecksilberspiegelbelegen in der Stadt Fürth.
Werden die Arbeiter einer regelmässigen Untersuchung unterzogen,
so hat dies den Vorthei], dass dieselben nicht zu spät die Arbeit verlassen,
wenn sie bereits hochgradig erkrankt sind, sondern schon bei leichteren
Erkrankungen zum Aussetzen gezwungen sind. Die Durchführung dieser
letzteren Maassregel stösst zunächst wenigstens auf unübersteigliche Hinder¬
nisse, da bei dem jetzt vorhandenen Arbeiterpersonale so wenig absolut Ge¬
sunde aufgefunden wurden, dass thatsächlich für eine bestimmte Zeit das
Geschäft lahm gelegt würde. Dagegen hat sich der Quecksilberarbeiter-Hülfs-
Verein bereits dahin ausgesprochen, den ersten Punkt, die Untersuchung
neu eintretender Arbeiter, zu verlangen, glaubte aber den Zeitpunkt abwarten
zu müssen, wenn die Gesundheitsverhältnisse der Arbeiter überhaupt besser
geworden sind, und dem entsprechend auch eine grossere Anzahl zum Ein¬
tritt in die Arbeit sich melden.
Ich bin zu Ende mit den Vorschlägen, welche ich zur Besserung der
sanitären Verhältnisse der Quecksilber-Arbeiter für nothwendig halte und
muss ich nur den einen Punkt noch erörtern: Kann die Durchführung dieser
Anordnungen dem freien Willen der Arbeitgeber, d. h. hier der Vereinigung
derselben überlassen werden, oder ist es nothwendig, dass dieselbe durch
Vorschriften des Staates geregelt und überwacht werde. Das humanitäre
Interesse der Arbeitgeber ist hier so eng mit dem finanziellen verbunden,
dass ich nach meinen Erfahrungen die bestimmte Ansicht aussprechen darf,
dass die Vereinigung der Arbeitgeber, soweit es ihnen möglich ist, die stricte
Ausführung aller dieser Bestimmungen erstrebt. Aber trotz hoher Conven-
tionalstrafen ist es derselben nicht möglich, einzelne Bestimmungen mit aller
Energie durchzuführen, da dem der Mangel geeigneter Aufsichtsorgane
und andererseits die Rücksicht auf weniger gut situirte Arbeitgeber entgegen¬
stehen. Die Arbeitgeber setzen desshalb einer staatlichen Regelung und
Ueberwachung keinerlei Widerstand entgegen, begrüssen dieselbe vielmehr
als in ihrem eigenen Interesse gelegen.
Gegen einen Punkt allerdings kämpfen die Arbeitgeber mit aller Energie
an, gegen die so bedeutende Herabsetzung der Arbeitszeit, weil hiermit für
sie eine Concurrenz unmöglich sei. Bei der Schwierigkeit der Beurtheilung
dieser Verhältnisse muss eine Vermittelung, ein Uebergangsstadium, gefunden
werden. Dasselbe kann in nichts Anderem bestehen, als dass eine Abkürzung
der Arbeitszeit so weit stattfindet, als es die Arbeitgeber für möglich
erachten, und dann erwarte man die Resultate der übrigen Vorschriften.
Zum Voraus aber muss von Seiten der Staatsregierung erklärt werden, falls
diese Bestimmungen ein gewünschtes Resultat nicht erzielen, sei sie ge¬
zwungen, eine weitere Abkürzung der Arbeitszeit ins Auge zu fassen.
Vor allen Dingen aber suche man die einmal erlassenen Verordnungen
mit den denkbar höchsten Geldstrafen gegen Verfehlungen energisch
durchzuführen, dann wird der gewünschte Erfolg auch nicht aus-
bleiben. Kann aber trotz aller zweckmässigen und energisch durchgeführten
Maassregeln der Mercurialismus nicht beschränkt werden, so verbiete man
die Fabrikation von Quecksilberspiegeln überhaupt: die Menschheit wird
auch mit Silber belegten Spiegeln weiter cxistiren können.
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442
Dr. Richter,
Die Bleier kr anklingen durch Leitungswasser
in Dessau im Jahre 1886 .
Von Dr. Richter, Medicinalrath und Kreisphysicus in Dessau.
Unsere Stadt erfreut sich seit 13 Jahren einer Wasserleitung, welche
bis vor ungefähr l 1 /» Jahren die Wünsche des Publicums keineswegs befrie¬
digte. Das bei Anlage der Leitung monatelang probeweise gepumpte,
mehrfach von sachverständigen Autoritäten als gut und tauglich zum
Trinken befundene Wasser wurde nach und nach stark eisenhaltig, was seinen
Grund darin hatte, dass der Brunnen der Pumpstation, welcher ungefähr
15 Minuten von der Stadt entfernt, mitten im Felde lag, bei der Vergrösse-
rung der Stadt zu stärkerer Leistung veranlasst wurde, und sein unter¬
irdisches Gebiet erweitern musste. Bei dieser Gelegenheit wurde zunächst
Wasser aus einem Gebiete angesogen, in welchem Eisenstein liegt, ausser¬
dem gelangte aus demselben Gebiete in das Wasser eine Crenothrix
(C. Kühniana), welche mit dem Eisen des Wassers, resp. den eisernen
Leitungsröhren Oxydationsprocesse einging. Wenn man in einzelnen Stadt-
theilen das Wasser aus der Leitung abliess, so hatte man zumeist einen
ziemlich starken Geruch nach Schwefelwasserstoff, von Verbindungen der
enthaltenden Huminsäure herrührend, sodann ergoss sich eine braune
Flüssigkeit aus dem Leitungsrohr; endlich nach einigen Minuten hatte man
mitunter das Glück, leidlich reines Wasser zu haben, mitunter auch nicht.
Man hätte vielleicht, wie einst in England, wo eine Beschwerde über Verun¬
reinigung eines Flusses gleich mit dem verunreinigten Flusswasser geschrie¬
ben wurde, auch die Beschwerde über unser Leitungswasser mit seiner
braunen Flüssigkeit schreiben können. Zum Waschen war es nur nach
vorherigem Passiren eines Kohlenfilters, zum Kochen nothdürftig ohne Fil¬
tration zu benutzen. Die Menschen hatten sich aber daran gewöhnt, man
schalt, fügte sich jedoch ins Unabänderliche, zumal da zahlreiche Versuche
und jahrelange Bemühungen einer zur Abhülfe vom Magistrate ernannten
Commission zunächst ohne positiven Erfolg geblieben waren.
Endlich, vor drei Jahren, dämmerte eine Hoffnung auf Besserung —
jenseits des Muldeflusses war ein Terrain, welches bei Bohrungen nahezu
chemisch reines, mit dem Wasser der nahen Mulde fast gleiches Wasser
ergab. Die Mulde hat das weiche Wasser aller norddeutschen Flüsse
und fliesst hier ziemlich schnell. Die nächste anliegende Ortschaft aufwärts
Raguhn ist vier bis fünf Stunden entfernt. Das durch die Bohrungen
erhaltene Wasser ist durch eine sehr mächtige Kies- und Sandschicht in
natürlicher Filtration gereinigt, schmeckte gut und unterschied sich vom
Wasser des Flusses selbst nur durch geringeren Gehalt an organischer
Substanz und einen gewissen Reichthum an freier und halbgebundener
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Bleierkrankungen durch Leitungswasser in Dessau. 443
Kohlensäure, welche im Muldewasser gänzlich fehlt. Eine unendliche Zahl
von chemischen und anderen Untersuchungen, von den hiesigen Herren
Chemikern Pusch, Dr. Reichardt und Dr. Hey er ausgeführt, verschiedene
günstige Gutachten auswärtiger Techniker und Sachverständiger Hessen es
wünBchenswerth erscheinen, das Wasser zur Versorgung der Stadt zu benutzen.
Sechs bis acht Monate wurde abermals nach den verschiedensten Richtungen
hin geprüft, sodann wurde nach Regelung der Eigenthumsverhältnisse
der Brunnen angelegt, die alte Pumpstation verlegt und unterhalb des
Muldespiegels ein Rohr ans andere Ufer zum Maschinenhause geführt, von
wo das Wasser direct in die Stadt gepumpt wurde. Der vorhandene Ueber-
schuss an Wasser wurde auf den nahen Wasserthurm gedrückt. Bei An¬
lage der ersten Leitung waren in Erwägung der Thatsache, dass Blei¬
erkrankungen Vorkommen können, diesbezügliche Versuche angestellt worden.
Das Resultat derselben war günstig, indem kein Blei gelöst wurde. Auf
Gruud dieser Untersuchungen war eine abermalige diesbezügliche Prüfung
des neuen Wassers unterblieben. Wir hatten nun seit Januar 1886 sehr
schönes, wohlschmeckendes, weiches, reines, zu jedem Wirthschaftsgebrauche
taugliches Wasser, nach so langer „Wassernoth“ in unserem Sinne ein sehr
befriedigender Zustand. Die in den Röhren noch vorhandenen Reste von
Eisenschlamm sollten durch regelmässiges nächtliches Oeffnen einiger Hy¬
dranten entfernt werden.
Unsere Leitungsrohre bestehen aus Gusseisen, bis auf dieTheile, welche
vom Hauptrohre nach den Häusern führen und welche, wie die Hausleitun¬
gen selbst, aus Bleirohr bestehen, wie überall in ganz Norddeutschland.
Im Juli und August 1886, also sechs Monate nach Beginn der Benutzung
des neuen Wassers, traten bei einer ganzen Reihe Menschen Verdauungs¬
störungen auf, Stuhlverstopfung, Magenschmerzen, Abmagerung etc., welche
wohl ihrer Häufigkeit wegen auffielen, jedoch sonst zu näherer Unter¬
suchung keine Veranlassung gaben. Auch der erste Fall ausgebildeter
Bleikolik bei einem Fabrikarbeiter veranlasste nur erfolglose Nachforschungen
in der Fabrik nach der Erkrankungsquelle. Da erkrankten in einem Hause
zu gleicher Zeit vier Menschen verschiedener Lebensstellung, und in vier
verschiedenen Wohnungen (Gärtner, Näherin, Fabrikarbeiter) an Bleikolik,
ohne dass sie doch Gewerben angehörten, bei denen dies erfahrungsgemäss
öfter vorkommt. Beiläufig sei erwähnt, dass dies Haus (Neue Reihe 12),
welches in einem Winkel liegt, die längste Bleileitung in der ganzen Stadt
besitzt. Die meinerseits angestellten Ermittelungen ergaben als höchst¬
wahrscheinliche gemeinschaftliche Krankheitsursache Benutzung der Wasser¬
leitung. Die nun sofort auf amtlichem Wege veranlasste chemische Unter¬
suchung des Leitungswassers aus diesem Hause und aus anderen Häusern,
in denen sich zwischendurch auch Bleikranke gefunden hatten, ergab ziem¬
lich starken Bleigehalt nicht nur dieser, sondern einer ganzen Anzahl ande¬
rer Leitungen, die in den verschiedensten Theilen der Stadt untersucht
wurden. Analysen von Leitungswasser jenseits der Bleiröhren ergaben
stets bleifreies Wasser. Es musste also bei Passiren der Bleiröhren das
schädliche Metall aufgenommen sein. Selbstverständlich waren ausserdem
nach jeder Richtung hin Nachforschungen nach anderen „Bleiquellen“ au¬
gestellt, jedoch ohne Erfolg.
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444
Dr. Richter,
Vor dem Ergebniss der chemischen Analyse mussten nun auch die
Gegner und Zweifler verstummen — wir standen vor dem betrübenden
Resultate, dass unser sonst so gutes Wasser die unangenehme Eigenschaft
besitze, Blei in gesundheitsschädlicher Menge zu lösen. Auf den Grad
des Bleigehaltes und die chemisch-technischen Details möchte ich hier nicht
weiter eingehen, da dies von Seiten des bei den Untersuchungen hervorragend
betheiligten Herrn Dr. Hey er hier in specieller Ausführung veröffentlicht wer¬
den wird, nur will ich erwähnen, dass die von manchen Seiten als unschädlich
angesehene Menge von 7 Milligramm Blei im Liter oft bedeutend überschritten
war. Meinen hiesigen Beobachtungen nach kommt es auch weniger auf
den starken Gehalt des Wassers an Blei, sondern auf die Dauer der Ein¬
führung an; sämmtliche Fälle hier machten den Eindruck, dass sich das
Blei im Körper bis zu dem Punkte sammele, wo der Organismus nicht mehr
durch Ausscheiden im Stande ist, das Gift zu entfernen — dies ist der
Zeitpunkt der schwerer hervortretenden Erscheinungen, der je nach Alter
und Individualität, Empfänglichkeit etc. verschieden ausfallen wird.
Die nächste Aufgabe einer sofort (4. September) zusammenberufenen
Commission von MagiBtratsbeamten, Aerzten, Chemikern, Stadtverordneten,
Polizeibeamten und Wassertechnikern war nun die, wie wir das Publicum,
welches durch die auftretenden Krankheitsfälle Behr beunruhigt wurde, vor
weiteren Erkrankungen schützen könnten. Die Zahl der schweren Krank¬
heitsfälle hatte sich in nur 14 Tagen auf 30 gesteigert, stieg im Laufe der
nächsten Wochen bis zu hundert, während mindestens die doppelte Anzahl
Menschen unter dem Einflüsse der Bleiaufnahme an Magenschmerzen und
allgemeinem Uebelbefinden litten. Das Ziel, weitere Erkrankungen zu ver¬
hüten, war in Anbetracht der Thatsache, dass wir wohl die Gefahr der
Bleileitungen erfahren hatten, aber doch zunächst die veranlassenden
Ursachen der Lösung des Bleies noch nicht kannten, keineswegs leicht zu
erreichen.
Als erstes Mittel bis zum Ergebnisse genauerer vorzunehmender Unter¬
suchungen wurde zuftächst eine Bekanntmachung seitens der Polizeiver¬
waltung erlassen, des Inhaltes, dass das Lei tun gs wasser bleihaltig sei und
dass man vor Benutzung desselben eine Zeit lang Wasser möge auslaufen
lassen, indem sich ergab, dass der Bleigehalt nach längerem Entleeren der
Röhren schwand. Es ist dies die natürliche Folge des kürzeren Contactea
von Wasser und Bleirohr.
Beispielsweise ergab das Wasser meiner Hausleitung, welches eine
Nacht im Rohre gestanden hatte, mit Schwefelwasserstoff sofort dunkelbraune
Färbung; nach fünf Minuten Abfliessens war es bleifrei.
Die Erkrankung selbst hatte alle Gesellschaftsclassen ergriffen, von
hocharistokratischen Damen herab die ganze gesellschaftliche Stufenleiter
bis zum Handarbeiter, dessen Stand allerdings die meisten Patienten
lieferte. Man sah mit dem Blicke des Arztes schon von Weitem an der
weissgelblichen Gesichtsfarbe, den schlaffen Zügen und weissen Ohren beim
Begegnen den Menschen die Krankheit an; merkwürdiger Weise wurde
kein Kind krank. Die den Aerzten ja bekannten Krankheitserscheinun¬
gen, Bleirand der Zähne, weissgelbe Farbe, starke Abmagerung, Kolik¬
schmerzen, Muskelschwäche, waren immer vorhanden, ausserdem aber, was
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Bleierkrankungen durch Leitungswasser in Dessau. 445
nicht in allen Lehrbüchern erwähnt wird, starke Gedächtnisschwäche,
Unfähigkeit zu rechnen oder zu geistiger Beschäftigung. Die schwersten
Fälle sind mehrere jetzt noch nicht geheilte Lähmungen der Extremitäten,
die nach den hiesigen Erfahrungen anscheinend bei Potatoren viel schneller
und heftiger sich einfinden, als bei soliden Menschen; bei einer Dame
konnte man die Därme als gewundene Stränge in dem eingesunkenen
Leibe fühlen und jeden einzelnen Kothballen, um den sich der Darm krampf¬
haft zusammengezogen hatte, betasten. Dass auch bei einer so ernsten
Sache der Humor nicht fehle, gab mir ein wohlbeleibter Herr die Erklärung,
er trinke seit Monaten täglich zwei Liter Wasser und halte die ganze
Bleiangelegenheit für eine müssige Erfindung. Zwei Tage nach der Unter¬
redung trat der erste heftige Kolikanfall bei ihm ein mit nachfolgender
sechswöchentlicher Stuhl Verstopfung und heftigen Leibschmerzen. Er hat
nachher die „müssige Erfindung“ nicht wieder bemängelt.
Auf dem künstlichen Gummigebisse eines viel Wasser trinkenden
Collegen fand sich bei chemischer Untersuchung Blei abgelagert. Die
Schädlichkeit des Bleies wurde selbstverständlich durch Kochen nicht ver¬
mindert.
Von December 1886 an haben die Krankheitsfälle nachgelassen in
Folge später zu beschreibender Verbesserung der Leitung. Das Wasser
selbst war klar, im Aussehen nicht verändert; wenn es eine Nacht in
Gefässen auf bewahrt gewesen war, zeigte sich eine blaugraue opalisirende
Haut auf dem Spiegel.
Nun zurück zu den Untersuchungen. Dieselben ergaben:
1. Dass in vielen Häusern seit einigen Wochen bei dem starken Wasser¬
verbrauche des Sommers die Röhren der oberen Etagen wenig oder
kein Wasser enthielten, indem beim Aufschrauben des Hahnes
polternd, wie aus einer Seltersflasche, Wasser mit Luft gemischt
sich entleerte, mitunter kam auch gar kein Wasser. Hierdurch
war also aus einer perpetuirlichen Berührung des Wassers mit dem
Bleirohre eine interraittirende geworden, mithin durch Lufteintritt
die Gelegenheit zur Bleioxydation bedeutend vermehrt.
2. Dass beim Einpumpen des Wassers direct in die Stadt mit jedem
Pumpenstosse eine Quantität atmosphärische Luft dem Wasser ein¬
verleibt wurde.
3. Dass ohne Zutritt von Luft durch blossen Contact des Wassers mit
dem Bleirohre kein Blei gelöst wurde.
4. Dass jenseits der Bleileitungen befindliches, also an der Pump¬
station, aus den Hauptröhren und den Hydranten entnommenes
Wasser keine Spur Blei enthielt.
5. Dass die Berührung zweier oder mehrerer Metalle bei den Ver¬
schraubungsstellen der Hähne keine Veranlassung zu elektrolytischer
Zersetzung des bleihaltigen Wassers gegeben hatte, wie anfangs
vermuthet wurde.
6. Dass einige Brauer zur Bereitung des hier beliebten Braunbieres
sich des Leitungswassers bedient hatten, ebenso ein Fabrikant von
Mineralwasser.
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446 Dr. Richter, Bleierkrankungen durch Leitungswasser in Dessau.
Zunächst wurden nun zur Deckung des nöthigsten Bedürfnisses ungefähr
40 Brunnenständer in den Strassen zur allgemeinen Benutzung aufgestellt,
welche ihr Wasser aus der Leitung jenseits der Bleiröhren entnahmen,
sodann wurde, um die Luft aus dem Wasser zu entfernen, das Wasser nicht
mehr direct in die Stadt gedrückt, sondern erst auf den Wasserthurm gehoben,
damit dort im Bassin die Luft entweichen könne, ferner wurde ein neues
Hauptrohr von solchen Dimensionen in die betreffenden Stadttheile gelegt,
dass jederzeit ausreichender Druck in der Leitung vorhanden sein muss.
Den Brauern und Mineralwasserfabrikanten wurde untersagt, durch Blei¬
röhren zugeleitetes Wasser zu benutzen, endlich die Erbauer neuer Häuser
darauf aufmerksam gemacht, dass Bleiröhren nicht gefahrlos seien, und
ihnen verzinnte Röhren empfohlen, welche jedoch auch den Nachtheil haben
sollen, dass das Wasser durch Zerreissen des Zinnüberzuges doch in Berüh¬
rung mit dem Blei kommen kann.
Seitens der Oberbehörde wurde für die Schulen das Legen von Eisen¬
rohren angeordnet und sofort ausgeführt; auch hier in einem Privathause;
das Wasser ist jedoch des sich entwickelnden reichlichen Eisenoxydes wegen
zum Waschen nicht zu benutzen.
Da wir nun leider kein Material besitzen, welches in der angenehmen
und leicht handlichen Weise wie Blei sich zu Hausleitungen verwenden
liesse, so blieb, trotz des besten Willens, die Bleileitungen principiell nicht
mehr hier zu benutzen, als Mangel an Ersatz material zunächst nichts
übrig, als dieselben an Ort und Stelle zu belassen. Vielleicht schafft die
Technik auch da noch Abhülfe.
Sämmtliche angeführte Verbesserungen hatten aber doch nicht vermocht
das Blei total aus dem Wasser zu entfernen, es lässt sich immer noch in
minimalen Mengen nachweisen, wahrscheinlich davon herrührend, dass, wie
oben erwähnt, die in ihm enthaltene halb gebundene Kohlensäure beim Passiren
des Rohrnetzes frei wird. Wir müssen also noch darauf bedacht sein, durch eine
Veränderung des Wassers selbst die Löslichkeit des Bleies zu verhüten und
dies ist anscheinend jetzt nach verschiedenen misslungenen anderen Ver¬
suchen geglückt, indem durch Einbringen von Kalkpulver in den Sammel¬
brunnen in bestimmter Menge das Wasser kein Blei mehr löst, wenigstens
ist in den meisten Wasserproben der Nachweis von Blei nicht mehr gelun¬
gen. Ueber das Detail dieser Versuche verweise ich auf die demnächstige
Veröffentlichung des Herrn Dr. Hey er.
Zum Schlüsse bemerke ich noch, dass das Rcichsgesundheitsamt sich
auf Ersuchen des hiesigen Magistrats bereit erklärt hat, nach persönlicher
Instruction seines damaligen Mitgliedes, Herrn Professor Wolfhügel
(Göttingen), an Ort und Stelle, und nach Anstellung einer ganzen Reihe
gewünschter Recherchen, ein Gutachten über diese Sache abzustatten. Wir
dürfen also einer ausführlichen Bearbeitung der Angelegenheit von seiten
dieser Stelle entgegensehen.
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Prof. Arnold, Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 447
Zur Frage der Reinigungsmethoden der städtischen
Abwässer.
Von Professor Arnold (Braunschweig).
In der 13. Versammlung des „Deutschen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege u zu Breslau am 14. September 1886 habe ich über die
verschiedenen Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer referirt —
siehe diese Vierteljahrsschrift Band XIX, Heft 1, Seite 60 bis 113 — und
bei Erläuterung der
Reinigungsanlage in Halle a. d. S.
(siehe ebendaselbst Seite 83 bis 85) die Mittheilung machen müssen, dass
bei der kurzen Zeit ihres Betriebes noch keine Kostenergebnisse und auch
keine chemischen und bacteriologischen Untersuchungen vorliegen, welche
Anspruch auf eine verlässliche Beurtheilung machen könnten.
Während der Drucklegung des „Ausschuss-Berichtes über die genannte
Versammlung“ ist im October 1886 eine Veröffentlichung des Stadthaurathes
Lohausen in Halle erschienen und am 16. October 1886 die Besichtigung
der Anlage durch die Braunschweiger Commission erfolgt. Letztere
hat die darauf Bezug nehmenden Arbeiten nunmehr abgeschlossen, ihren
„Bericht über das Müller-NahnBen’sche Reinigungs-Verfahren der städti¬
schen Abwässer in Halle a. d. S.“ am 2. April 1887 erstattet und im
„Monatsblatt des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege im Herzogthum
Braunschweig, 1887, Nr. 4“ mit allen Beilagen zum Abdruck gelangen lassen.
Ich halte mich desshalb für verpflichtet, die erwähnte Lücke meines
Referates jetzt zu ergänzen, durch Mittheilung der erzielten hygienischen
und finanziellen Resultate „mit dem Müller-Nahnsen’schen Verfahren in
Halle a. d. S.“ und folge hierbei im Wesentlichen dem Inhalte des vorge¬
nannten Commissions-Berichtes:
Die bacterioskopische Untersuchung ergab einen befriedigenden
Befund, indem das „ungereinigte Abwasser“ etwa 67? Millionen Colonien
und das „gereinigte Wasser“ nur durchschnittlich 8 Colonien enthielt, welche
sich in fünf Tagen auf ungefähr 100 Colonien entwickelten.
Nach den chemischen Analysen war das „ungereinigte Abwasser“
trübe von schwarzen organischen Substanzen, mit Fäulnissgeruch und
schwach alkalisch, — das „gereinigte Wasser“ hingegen klar bis auf etwas
suspendirten kohlensauren Kalk, gelblich gefärbt, geruchlos und stark alka¬
lisch. Durch die Reinigung wurden die suspendirten anorganischen und
organischen Stoffe ganz entfernt, die gelösten Substanzen anorganischer
Natur haben etwas abgenommen, diejenigen organischer Natur aber um den
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448
Prof. Arnold,
vierten Theil zugenoramen, wie überhaupt die beträchtliche Vermehrung der
gesammten organischen Substanzen, um ungefähr V 3 Theile, hervorsticht!
— desgleichen fällt die Vermehrung des Chlorgehaltes um die Hälfte
und die nicht vollständige Ausscheidung der Phosphorsäure auf, — die
Salpetersäure erscheint nahezu verdoppelt, durch Oxydation des auf die
Hälfte gesunkenen Ammoniakgehaltes, hingegen ist die Verminderung der
gelösten Eiweissstoffe nur äusserst gering.
Die ausgeführten zwei Schlamm-Analysen haben in der Trockensub¬
stanz, bei 105°, ergeben: 82*5 Proc. und 79*0 Proc. „anorganische Stoffe" mit
über Vs Theil Kalk und reichlich V* Theil Sand u.dgl. — und 17*5 Proc. bezw.
21*0 Proc. „organische Stoffe", wovon 5*8 Proc. und 20 5 Proc. stickstoffhaltig
waren. — Die dungwerthige Phosphorsäure ist zu 1*72 Proc. bezw.3*93 Proc.
und der dungwerthige Stickstoff zu 0*93 Proc. bezw. 3*28 Proc. ermittelt
worden, also mit sehr schwankenden Zahlen, was einerseits vom Zufall bei der
Probenentnahme und andererseits von der Verschiedenheit der Verunreini¬
gungen in den verschiedenen Tagesstunden herrührt, zumal mit den häus¬
lichen Schmutzwässern auch grössere Mengen Fäcalien, sowie die Abwässer
von Schmieröl-, Stärke- und Malzfabriken in die Canäle geleitet werden.
Für den niedrigeren Gehalt von 1*72 Proc. Phosphorsäure und 0*93 Proc.
Stickstoff in der Trockensubstanz und mit Zugrundelegung der Dungstoffpreise
im Schlamm zu 0*30 Mark für 1 kg Phosphorsäure und 0*75 Mark für 1 kg
Stickstoff, berechnet sich der Dungwerth des „lufttrockenen“ Schlam¬
mes, mit 50 Proc. Wasser, auf rund 7*50 Mark für 1 cbm oder 0*30 Mark
für 1 Centner. Nach den Betriebsrapporten entfällt durchschnittlich auf
1 cbm Schmutzwasser 1 kg Schlamm, wie er „aus der Filterpresse“ ge¬
wonnen wird.
Dieser „abgepresste Schlamm“ wurde mit 0*11 Mark für 1 Centner oder
0*22 Pfg. für 1 kg bezahlt, wonach also eine Einnahme von Vs Theil des
theoretischen Dungwerthes erzielt ist!
Die Reinigungskosten für 1 cbm Schmutzwasser betrugen,gesondert
für „Chemikalien“ und „Betrieb“ : (1*93 + 1*42) = 3*35 Pfg., und in Be¬
rücksichtigung des Erlöses für die gewonnenen Schlammkuchen: (3*35 —0*22)
= 3*13 Pfg.
Unwillkürlich drängt sich im Interesse der möglichsten Klärung der
„Reinigungsfrage“ ein
Vergleich der Probeversuche in Essen und Halle
bezw. des „Röckner-Rothe’schen und Müller-Nahnsen’schen“ Reini¬
gungsfahrens auf.
In dieser Beziehung muss der beiderseitige hygienische und finan¬
zielle Erfolg in Betracht gezogen werden:
Der bacteriologische Befund war in Essen und Halle „gleich
günstig“; — der chemische Befund lieferte aber in Halle ein „ungün¬
stigeres“ Ergebniss, da im gereinigten Wasser verhältnissmässig eine be¬
trächtliche Vermehrung der gesammten organischen Substanzen, eine nur
äusserst geringe Verminderung der gelösten Eiweissstoffe und eine nicht
vollständige Ausscheidung der Phosphorsäure festgestellt wurde.
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Zur Frage der Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. 449
DieReinigangskosten für Icbm Schmutzwasser haben, gesondert für
„Chemikalien“ und „Betrieb“,
in Essen (1*00 + 0*70) = 1*70 Pfg. und
in Halle (1*93 -f 1*42) = 3*35 Pfg. betragen,
sind also durchweg in Halle doppelt so hoch als in Essen gewesen.
Obwohl die Entnahme der untersuchten Wässer in Essen und Halle zu
derselben Tagesstunde und von derselben Person in gleicherweise geschehen,
auch die chemischen Untersuchungen von denselben Professoren nach gleicher
Methode ausgeführt wurden, so bleibt immerhin noch der beiderseitige Ver¬
gleich der „erzielten chemischen Reinigung“ an die Bedingung geknüpft,
dass das entnommene gereinigte Wasser dem vorher entnommenen unge¬
reinigten Abwasser vollkommen entspricht. Dieser Umstand ist zwar in
beiden Fällen nach Maassgabe der Beurtheilung des Betriebsleiters
beachtet worden, kann aber doch die völlige Uebereinstimmung der Wässer
nicht so weit verbürgen, dass der diesbezügliche Vergleich ohne Weiteres als
feststehend zu bezeichnen ist.
Dagegen muss der „Kostenvergleich“ als durchaus sicher gelten und
demzufolge noch etwas eingehender dargelegt werden.
Nach den beiderseitigen „amtlichen Betriebsrapporten“ ergiebt sich der
durchschnittliche Chemikalien-Verbrauch für 1 cbm Schmutzwasser
beim Röckner-Rothe’schen Verfahren zu 0*518 kg,
hiervon: 0*423 kg = 4*5 Theile Kalk,
und 0*095 „ = 1 Th eil Präparat;
beim Müller-Nahnsen’schen Verfahren zu 0*389 kg,
hiervon: 0*325 kg = 5*0 Theile Kalk,
und 0*064 „ = 1 Theil Präparat;
bei „ersterem“ wird also verhältnissraässig weniger Kalk, im Allgemeinen
aber mehr Chemikalienzusatz verwandt und zwar
um 30 Proc. mehr Kalk,
und „ 50 „ „ Präparat,
als bei „letzterem“.
Der Gesammt-Verbrauch an Chemikalien steht demnach im Verhältnis
wie 4 : 3, während das entsprechende Kosten Verhältnis 1: 2 beträgt, so dass
der „durchschnittliche Einheitspreis“ der beiderseitigen Chemikalien auf
8:3 oder beim Müller - Nahnsen’schen Verfahren um rund 160 Proc.
theurer zu stehen kommt!
Rücksichtlich der „doppelt so hohen“ Betriebskosten des Müller-
Nah n sen’schen Verfahrens ist hervorzuheben, dass der Schlamm völlig
abgepresst und in leicht versandtfähiger Form erhalten wird, während beim
Röckner-Rothe’schen Verfahren die Schlamm-Trocknung und -Entfernung
aus den Ablagerungsbassins noch eine geringe Erhöhung der Betriebskosten
bedingt, was bei der Frage der „Schlammverwerthung“ nicht ausBer Be¬
tracht bleiben darf.
Braunschweig, im April 1887.
Vicrtcljahrsschrifl für Gesundheitspflege, 1887 .
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450
Dr. Ilüllmann,
Das Müllcr-Nahnsen’sche Rcinignngssystcm
städtischer Abwässer.
Auf Grund der in Halle a. S. mit demselben vom 1. September 1886 bis 31. März
1887 gemachten Erfahrungen
besprochen von
Sanitäts-Rath Dr. Hüllmann in Halle a. Saale.
Obgleich die maschinelle Anlage des Müller-Nabnsen’schen Reini¬
gungssystems in dem Referate des Herrn Prof. Arnold aus Braunschweig
auf dem hygienischen Congresse zu Breslau genau beschrieben und im
Berichte über diesen Congress im 19. Bande dieser Vierteljahrsschrift
Seite 83 und folgende abgedruckt ist, dürfte es doch im Interesse dieses
und jenes Lesers, dem der betreffende Baud der Vierteljahrsschrift nicht
zur Hand ist, liegen, wenn ich zunächst eine kurze Beschreibung des ganzen
Apparates vorausschicke.
Die Anlage 1 ist bestimmt zur Klärung sämmtlicher Canalwässer, also
nicht bloss der aus dem directen menschlichen Gebrauche und den bürger¬
lichen Gewerben, sondern auch aus gewissen Fabriken und industriellen
Anlagen herstammenden, wie sie in grösseren Städten vorzukommen pflegen.
Dicht vor dem Eintritte in das Maschinenhaus passirt das Canalwasser
zunächst einen Sandfang, in welchem ein Theil der gröbsten Sinkstoffe ab-
gesetzt wird — im Grossen und Ganzen nicht viel, denn derselbe ist
während des sechsmonatlichen Bestehens der Anstalt in Halle, soweit
meine Information reicht, nicht gereinigt worden.
Der Sandfang enthält gleichzeitig eine Vorrichtung, vermittelst deren
eventuell das Canalwasser durch einen besonderen Umfluthungscanal ausser¬
halb der ganzen Anlage abgeleitet werden kann. Unmittelbar nach seinem
Eintritte in das Maschinenhaus wird der Canalwasserstrom in zwei Arme
getheilt und in leicht geneigten Rinnen nach rechts und links mit kurzem
Falle auf je ein oberschlächtiges vierarmiges Schaufelrad geleitet. Auf
jeder Schaufel befindet sich ein durch einen Sperrhebel in der Horizon¬
talen gehaltener Kasten, welcher durch den Sperrhebel so lange still¬
stehend erhalten wird, bis er bis zum Ueberlaufen gefüllt ist. Sobald
dieser Moment erreicht und somit die Tragfähigkeit des Hebels erschöpft
ist, lässt derselbe nach, kippt der Kasten um und ergiesst eeinen Inhalt
in das dahinterliegende leicht geneigte Gerinne. Gleichzeitig macht das
Schaufelrad eine Viertelkreisdrehung, tritt ein zweiter durch den Sperr¬
hebel gehaltener Schöpf kästen ins Flussgefälle, wird bis zum Ueberlaufen
gefüllt, der Hebel lässt wieder nach, der Kasten kippt wieder um u. s. f.
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Müller-Nahnsen’sches Reinigungssystem städtischer Abwässer. 451
Zwischen diesen beiden Schöpfkästengerinnen befinden sich zwei
eiserne Kästen zur Aufnahme der Chemikalien. Kalkmilch und Kiesel¬
säurehydrat gebunden an eine gelbliche Erde — das Geheimniss der Patent¬
inhaber. Beide Kästen werden aus zwei, eine Etage über ihnen stehenden
Mischkesseln gespeist. Dieselbe Welle nun, welche den beiden vierarmigen
Schöpfrädern als Drehpunkt dient, dient als solcher auch zwei vierarmigen
Rädern, die sich in den Chemikalienkästen bewegen. An dem peripherischen
Ende eines jeden Armes haben dieselben einen kleinen Becher, welcher die
Chemikalien schöpft und gleichzeitig mit jeder Entleerung eines Schöpf¬
kasten s in das Canalgerinne ausgiesst. So werden also die Canalwässer
mit den Chemikalien bei der Wiedervereinigung der beiden Canalwasser¬
läufe unmittelbar hinter dem Schöpf kästen gerinne gemischt, stürzen gleich
darauf über eine Mauerkante durch ein grob durchlöchertes Blech etwa
IV* m tief in ein Gerinne, in welchem zwei hinter einander liegende Schaufel¬
räder von Drahtgeflecht das Wasser von Lumpen, grösseren Papierstücken etc.
säubern. Alsdann fallt das Canalwasser durch einen 4*5 m hohen und 0*5 m
breiten Mauerspalt auf die Sohle des ersten Klärbrunnens, steigt in dem¬
selben etwa 4 m hoch, ergiesst seinen Ueberlauf in offener Rinne in den
dicht daneben, ganz wenig tiefer liegenden zweiten Klärbrunnen und schickt
dann das geklärte Ueberlaufwasser erst in offener Rinne, dann in ge¬
schlossener Röhre auf der Sohle des Flussbettes hin nach der Mitte des
Stromes. Das schlammige Sediment aus beiden Klärbrunnen wird dann durch
eine mittelst eines Gasmotors bewegte Säugpumpe nach der in der oberen
Etage des Maschinenhauses stehenden Filterpresse gepumpt, zu Kuchen
von 2*5 cm Dicke und 1 qm Fläche gepresst, während das ausgepresste
Wasser aus den offenen Schnauzen der Presse erst in einem offenen Canale,
dann in geschlossener Röhre zu den Klärbrunnen zurückgeführt wird.
Endlich ist zur maschinellen Anlage noch zu erwähnen, dass an der
Achse der Schöpfräder ein ganz ausserordentlich einfaches, aber sehr zweck¬
mässiges Zählwerk angebracht ist, welches jede Umdrehung der Räder
notirt und somit die Menge der abgeführten Schmutzwässer, wie der zu¬
geschütteten Chemikalien ganz genau controliren lässt, da der Cubikinhalt
der Schöpfkästen wie der Chemikalienbecher bekannt ist und beide bei
jeder Umdrehung viermal entleert werden.
Das Müller-Nahnsen’sche Verfahren beruht also im Wesentlichen auf
dem Princip der aufsteigenden Klärung, wie z. B. das Rothe-Röck-
ner’sche auch — und das Eigentümliche desselben liegt, ausser
dem unbekannten Chemikale, in der selbstthätigen Mischung
der Chemikalien mit den Canalwässern und zwar in einem ganz
bestimmten Verhältnisse, welches auf das Genaueste im Labora¬
torium approbirt und festgestellt werden kann. Denn da der Cubik¬
inhalt der Schöpfkästen ganz genau bekannt ist, so hat man nur experimentell
festzustellen, welche Quantität der chemischen Zusätze zur möglichst voll¬
kommenen Sedimentirung und möglichsten Desinficirung des gegebenen
Canalwassers nöthig ist und danach die Grösse der Chemikalienbecher zu
berechnen. Die Beseitigung des Schlammes in Form von Presskuchen ist
nicht wesentlich. Kann man den Schlamm ungepresst in zweckmäßsiger Weise
beseitigen, so wird man die Filterpressen selbstverständlich gern entbehren.
29*
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Dr. Hüllmann,
Sehen wir uns nun die Leistungen des Müller-Nahnsen’schen
Verfahrens an, wie wir sie im Verlaufe von sechs Monaten in Halle be¬
obachtet haben.
Verständigen wir uns zunächst über die Anforderungen, die man an eine
Reinigungsmethode der Canalwässer billiger Weise stellen kann und muss.
Die beste Reinigung der Canalwässer erfolgt unbestritten bei einer
zweckmässigen Berieselung, d. h. durch die Filtration in geeigneter Erde
und durch die chemischen Veränderungen, welche die Luft, und die thieri-
schen und pflanzlichen Mikro- und Makroorganismen bei dieser Filtration
an den Zersetzungsstoflen hervorbringen.
Ein gut filtrirtes Riesel-Drainwasser hat nach Prof. König in Münster
etwa 2 / 3 des gesammten Stickstoffs, 3 /4 des Kalis» Vs des Chlors und den
ganzen Phosphor, der in dem Canalwasser war, verloren. Also ungefähr
dasselbe chemische Verhalten würde ein geklärtes Canalwasser haben müssen,
wenn wir das Verfahren, mittelst dessen es gewonnen wurde, vom hygieni¬
schen Standpunkte aus gutheissen sollen. Hören wir nun zunächst die
Berichte der Herren Chemiker über unsere gereinigten Canalwässer.
Die Wässer unserer Reinigungsanstalt wurden von zwei Chemikern
untersucht, von Herrn Dr. Teuchert im Aufträge der Herren Müller und
Nahnsen, und von Herrn Dr. Drenckmann im Aufträge des Magistrats.
Ausserdem sind auch noch durch die Königl. Regierung zu Merseburg
chemische und mikroskopische Untersuchungen durch Sachverständige ver¬
anlasst worden. Dieselben stehen mir aber nicht zu Gebote. Ich lasse
desshalb unter A. die Untersuchungsresultate der Herrn Dr. Teuchert,
unter B. die des Herrn Dr. Drenckmann folgen (siehe hierneben).
Herr Dr. Teuchert begleitet seine Untersuchungsresultate mit fol¬
gendem erläuternden resp. gutachtlichen Berichte.
• „Die Schmutzwässer waren durchgängig schwarz von Farbe, von höchst
unangenehmem Gerüche, der sich beim Stehen noch bis zum Widerlichen
steigerte; die suspendirten Stoffe setzten sich nur sehr langsam zu Boden,
waren äusserst schleimiger Natur und Hessen sich nur schwierig durch
Filtration vom Wasser trennen; das filtrirte Wasser trübte sich bald wieder.
„Die gereinigten Wässer waren sämmtlich klar, frei von suspendirten
Stoffen, geruchlos oder schwach laugenhaft riechend, alkalisch, und an der
Luft stehend, nur geringe Mengen von kohlensaurem Kalk ausscheidend,
sonst aber sich unbegrenzt lange im gleichen Zustande erhaltend. Nur das
gereinigte Wasser vom 29. December 1886, an welchem Tage ich die
Probenahme nicht controliren konnte, hatte noch etwas unangenehmen
Geruch, und vermuthe ich, dass an diesem Tage eine Unregelmässigkeit
bei der Probenahme oder bei dem Betriebe stattgefunden hat.“
Nachdem er dann auf die grosse Verschiedenheit der Schmutzwässer
an den verschiedenen Untersuchungstagen, wie sie aus der beigefügten
tabellarischen Zusammenstellung seiner Untersuchungsresultate ersichtlich
wird — dieselbe schwankt im Gesammtrückstande zwischen 1*6156 und
6*5770g pro Liter, im Glühverluste zwischen 0*5048 g und 4*8095 g, im
Stickstoff zwischen 0*0672 und 0*6482 g und in den suspendirten Stoffen
zwischen 0*2304 und 2*9250 g, während die Differenzen der gereinigten
Wässer erheblich geringer sind, im Gesammtrückstand sich nur zwischen
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Untersuchungsresultate des Herrn Dr. Tendiert.
Müller-Nahnsen’sches Reinigungssystem städtischer Abwässer. 453
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Untersuchungsresultate des Herrn Dr. Drenckmann.
454
Dr. Hüllmann,
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fl bO fl bC 0 bC fl bc fl bc C bo fl bC fl
fl fl fl P S fl
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gereinigt 0 1988 1480 0 Spur O’l 0*a 79*8 8*9 192 370
ungereinigt 679 1912 1269 1*5 „ 4*4 0*2 61*2 41*5 288 156
gereinigt 0 1158 1027 0 „ 0 0*4 59‘5 9*2 198 360
ungereinigt 520 2005 1635 1*3 0 0*2 0’3 71*8 37*9 294 t 280
gereinigt 0 1401 1382 0 0 0 0*4 54*4 7*5 235 240
Müller-Naknsen’scbes Reinigungssystem städtischer Abwässer. 455
1*2908 und 2*6512 und im Stickstoff zwischen 0*0462 und 0*0931 g pro
Liter bewegen — aufmerksam gemacht, äussert er sich schliesslich dahin,
„dass durch das fragliche Reinigungsverfahren ein sehr grosser Theil der
verunreinigenden gelösten Substanzen, circa zwei Dritttheile, aus den
Schmutzwässern entfernt und unschädlich gemacht wird, dass vor allen
Dingen die sonst schwer entfernbaren, für die öffentlichen Wasserläufe ganz
besonders schädlichen, schleimigen und zu unangenehmen weiteren Zer¬
setzungen geneigten suspendirten Substanzen mit Leichtigkeit aus den
Canalwässern entfernt werden und mit ihrem Düngerwerthe der Land¬
wirtschaft zu Gute kommen können; dass ausser diesen Stoffen auch noch
ein grosser Theil der gelösten zersetzungsfahigen organischen Stoffe stick¬
stoffhaltiger und stickstofffreier Natur entfernt wird; dass dies auch ge¬
schieht, wie die Zahlen beweisen, selbst bei so verschieden stark ver¬
unreinigten Wässern dieses Canales; dass endlich die gereinigten Wässer
sich in einem geruchlosen, haltbaren Zustande befinden und ohne Bedenken
auch kleineren Wasserläufen zugeführt werden können.“
Herr Dr. Drenckmann äussert sich etwa folgendermaassen:
„Von vornherein sei nicht zu erwarten, dass ein chemisches Fällungs¬
verfahren, also auch das Müller-Nahnsen’sche, auf alle möglichen städti¬
schen Abwässer, also auch der verschiedenen Industrien einen gleich
günstigen Reinigungseffect ausüben werde. In den meisten Fällen sei aber
eine nicht unbedeutende Aufbesserung der Reinheit zu erkennen.“
„Beseitigt waren mit Sicherheit die festen mineralischen Substanzen:
Sand, Schwefeleisen etc. Ebenso ersichtlich wirkte das Verfahren auf die
Entfernung der theils löslichen, theils höchst fein suspendirten
Substanzen, welche bei Vermischung mit den Wassermassen der
Flussläufe präcipitirend und absetzend hauptsächlich die An¬
häufung fäulnissfähiger Schlämme innerhalb der öffentlichen
Wasserläufe veranlassen. Die Ausfällung dieser gefürchteten
Sinkstoffe innerhalb des Absatzbassins der Reinigungsanlage
ist die hervorragendste Leistung des Nahnsen’schen Präparates.
Die vereinzelten Fälle, in welchen die Reinigungswirkung für das Canal¬
wasser unzulänglich erschien, sind jedenfalls darauf zurückzuführen, dass
zur Zeit Sauerwässer von Stärkefabriken (Milchsäuregährung) in unver-
hältnissmässiger Menge in die Canäle eindrangen.“
„Der in den meisten Fällen genügende Erfolg war schon durch die Durch¬
sichtigkeit und Geruchlosigkeit des gereinigten Wassers angedeutet, welches
auch bei längerer Aufbewahrung und bei Durchleitung von Luft gut blieb.“
Im Grossen und Ganzen müssen diese Untersuchungsresultate als be¬
friedigend bezeichnet werden uud kann man den gutachtlichen Aeusse-
rungen der Herren Chemiker bezüglich des hygienischen Werthes der
Müller-Nahnsen’schen Reinigungsmethode im Allgemeinen beistimmen,
denn die gereinigten Wässer waren meist vollkommen klar, geruchlos oder —
nur manchmal — schwach nach Fäcalien riechend, vollkommen frei von
Schwefelwasserstoff, meist frei von salpetriger und Salpetersäure, Ammoniak
nur in geringer Quantität enthaltend. Dagegen waren sie namentlich
während der ersten Monate des Betriebes ziemlich reich an Phosphorsäure.
Die ersten sechs Untersuchungen weisen ! / 3 bis 1 / 2 , die letzten vier V 4 und
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456
Dr. Hüllmann,
weniger des Gehaltes der Canalwässer an Phosphorsäure in den gereinigten
Wässern nach. Ob das mit der Temperatur zusammenhängt? Die ersten
Untersuchungen fanden während der warmen Herbstmonate, die drei letzten
während der kalten Wintermonate des vergangenen Wintersemesters statt.
Jedenfalls ist die Anwesenheit der Phosphorsäure vom hygienischen Stand¬
punkte aus zu tadeln, weil dieselbe ein wesentlicher Nährstoff der Mikro¬
organismen ist.
Auch der bacteriologische Befund war in den meisten Fällen günstig.
Nur in zwei Fällen, welche überhaupt sehr schlechte Resultate ergaben,
war er ungünstig. Es scheint, dass in diesen beiden Fällen ausserordentlich
reichliche Mengen des in milchsaurer Gährung befindlichen Abwassers der
Stärkefabriken, des so genannten Sauerwassers, in den Canalwässern vor¬
handen gewesen sind. Denn gegen dieses Sauerwasser erwies sich das
Müller-Nahnsen’sche Präparat auch im Reagenzglase unwirksam. Die
Flüssigkeit blieb trübe, moussirend. Uebrigens will ich noch erwähnen,
dass in der Reinigungsanstalt von jedem Tage des Betriebes je eine etwa
V a Liter fassende Flasche gereinigten Wassers auf bewahrt wird. Der
Inhalt sämmtlicher Flaschen ist, wie ich mich vor Kurzem durch eigene
Anschauung überzeugt habe, vollkommen klar und enthält nur einen mini¬
malen kalkigen Bodensatz. Die Flaschen sind allerdings durch einen Glas¬
stopfen verschlossen.
Nach alle dem komme ich zu dem Schlüsse, dass das nach Mülle r-
Nahnsen gereinigte Canalwasser so beschaffen ist, dass es un¬
bedenklich in öffentliche Wasserläufe eingelassen werden darf,
da es vollkommen frei von Sinkstoffen ist, die das Flussbett
verschlämmen könnten und so geringe Mengen von Ammoniak,
Phosphorsäure undBacterien enthält, dass deren Aufnahme selbst
in kleinere Flüsse als sanitär irrelevant angesehen werden kann.
Weniger erfreulich als dies chemische Resultat sind die Resultate des
ganzen Betriebes, die wir machen mussten.
So zweckmässig, gründlich und übersichtlich das Mischungsverfahren
durch die Schöpfräder, das Rinnen über das durchlöcherte Blech und durch
die Siebräder und der offene Absturz auf die Sohle des Klärbrunnens ist,
so hat dasselbe doch einen grossen Nachtheil: es werden durch die
eminent gründliche Aufrührung und Durchschüttelung der Canal¬
wässer eine so bedeutende Menge übelriechender und jedenfalls
auch gesundheitsschädlicher Gase freigemacht, dass es im
Maschinenhause selbst ganz erheblich, aber auch in dessen Um¬
gebung noch merklich stinkt, so dass in Halle Klagen der Adjacenten
gegen das Fortbestehen der Anstalt eingelaufen sind.
Durch die chemische Untersuchung ist festgestellt worden, dass die
rohen Canalwässer in Buttersäuregährung begriffen sind. Die bei der
Buttersäuregährung sich entwickelnden Gase gehören aber zu den giftigen,
irrespirablen, mehr noch wie die bei der alkoholischen Gährung abgehenden.
Diese, sowie eine ganze Menge anderer Gase, wie sie sich bei der Zer¬
setzung organischer Substanzen in den Canälen nothwendig bilden müssen,
werden bei ruhigem Flusse der Canalwässer von diesen zur Hauptsache
absorbirt und gebunden gehalten. Sobald aber das Canalwasser in schnelleren
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Müller-Nalmsen’sches Reinigungssystem städtischer Abwässer. 457
Fluss versetzt, ausgestürzt, durch Siebe getrieben wird, werden die bis da¬
hin gebundenen Gase nothwendig frei und verpesten mehr weniger die
umgebende Atmosphäre. Desshalb war namentlich in den unteren Räumen
des Maschinenhauses — in welchen die Arbeiter vorzugsweise zu thun
haben — ein betäubender Geruch, dessen Beseitigung sowohl im Interesse
der Arbeiter, als der Anwohner der Anstalt unter allen Umständen ge¬
fordert werden muss. Sachverständige Techniker versichern, dass dies
ohne erhebliche Kosten durch feste Ueberwölbung des ganzen Raumes, und
Ableitung der Gase in einen Ofen, der sie sofort durch Verbrennung ver¬
nichte, möglich sein werde. Zu diesem Behuf würde am zweckmässigsten
statt des Gasmotors, welcher die Maschine treibt, die den Schlamm von der
Basis der Klärbrunnen nach der Filterpresse führt, eine kleine Locomobile
aufzustellen und deren Feuerung zur Gasverbrennung mit zu verwerthen sein.
Ich vermag nicht zu beurtheilen, ob dies mir allerdings plausibel
erscheinende Raisonnement ganz richtig ist: jedenfalls kann ich den Müller-
Nah nsen*sehen Reinigungsapparat, so lange er noch die Canalgase in so
energischer Weise aufrührt und der Atmosphäre zuführt, nicht als empfehlens-
werth erachten.
Wir kommen nun zum Bericht über die Leistungsfähigkeit des
Apparates. Jeder der Schöpf kästen fasst 130 Liter und durch Ausprobiren
ist festgestellt worden, dass beim Umkippen des Kastens und ehe der
folgende zur Aufnahme des Canalwassers bereit steht, noch 20 Liter ab-
fliessen. Die Capacität eines jeden Kastens ist also auf rund 150 Liter
zu veranschlagen und mit jeder vollen Umdrehung eines Schaufelrades
werden 4 X 150 = 600 Liter und über beide Schaufelräder 1200 Liter
Canalwasser abgehen. Bei dem vorhandenen durchschnittlichen Tages¬
quantum von 600 cbm wurde nur ein Schaufelrad in Benutzung genommen,
welches bei gleichmässiger Vertheilung der Arbeit 25 cbm pro Stunde zu
bewältigen hatte. Dazu würden 40 Umdrehungen in 1 Stunde, oder
1 Umdrehung in l ] / s Minuten zu machen gewesen sein. Die Anzahl der
Umdrehungen wechselt aber selbstverständlich während der verschiedenen
Tageszeiten und Stunden ganz bedeutend und hat einmal während eines
heftigen Gewitterregens im September eine Höhe erreicht, welche genügte,
2400 bis 3000 cbm Wasser innerhalb eines Tages zu befördern. Es kamen
nahezu zwei Umdrehungen auf die Minute und der Ingenieur, Herr Bacher,
unter dessen Aufsicht die Anstalt steht, bezeichnet diese Leistung als „eine
bequem zu erreiphende Geschwindigkeit“. Demgemäss dürfen wir die
Leistungen der Maschine als durchaus befriedigend und den Versprechungen
der Herren Müller-Nahnsen entsprechend erachten.
Aus der beigefügten Tabelle ist ersichtlich, was die Maschine während
fünf Monaten geleistet hat: sie hätte bequem mehr als das doppelte leisten
können. Man würde aber fehlschliessen, wenn man sie desshalb für mehr
als die doppelte Zahl der Einwohner genügend erachten wollte. Der Stadt-
theil, dessen Abwässer die Reinigungsanstalt passirten ist vorzugsweise von
minder wohlhabenden und armen Leuten bewohnt, welche bekanntlich nur
äusserst geringen Wasserconsum haben, und hat ausserdem eine äusserst
geringe Industrie und so gut wie keine Wasserclosets, die die Canäle be¬
lasten. Und dann ist immer zu bedenken, dass die Canalwässer nicht gleicli-
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458 Dr. Hüllinann,
massig fliesscn, sondern oft minimal, zu gewissen Stunden aber wieder in
einer Menge, die die Maximalleistung des Apparates voll in Anspruch nimmt.
Monat
A.
Canal wasser-
Meiige in
cbm
B.
Verbrauchte Menge an
Chemikalien
C.
Menge des
abgepressten
Schlammes
kg
Nahnsen’ -
sches Präparat
kg
Kalk
kg
October = 31 Tage
161530
1637-0
7566-0
24800*0
November =30 „
17582*0
1596-0
7540*0
24800*0
December = 31 „
18363-0
1372*0
6760*0
21200*0
Januar =31 „
18840*0
1288*0
6700*0
24000*0
Februar =28 „
19170*0
12880
6760*0
23200-0
Summa 151 Tage
90108-0
7181-0
35326 0
118000*0
oder pro Tag
rund 600*0 cbm
rund 47’0 kg
rund 234*0 kg
rund 800*0 kg
Es bleibt nun noch übrig, Mittheilungen über die Betriebskosten
zu machen, welche das Müller-Nahnsen’sche Reinigungsverfahren wäh¬
rend eines halben Jahres verursachte. Die Anstalt ist zwar mehr als
sieben Monate lang im Betriebe gewesen, aber die Rechnung über den
letzten Monat März war, als ich die betreffenden Magistratsacten einsah,
noch nicht abgeschlossen, dürfte aber sich nicht höher belaufen, als die aus
den Monaten Januar und Februar; und die für die ersten Betriebstage im
August habe ich ausser Acht gelassen, weil während derselben manche
Unregelmässigkeiten in dem zum ersten Male im Grossen ausgeführten
Betriebe vorkamen und desshalb höhere Kosten veranlassten, die nachher
wegfielen. Ich bemerke nur, dass während der ersten Zeit sich die Betriebs¬
kosten pro Tag auf 33*50 Mark beliefen. Die Anlage selbst kostete:
Canalanlage im Gebäude. 6000 Mark,
das Gebäude selbst. 14000 „
sämmtliche maschinellen Anlagen . . . 10072 „
Summa 30072 Mark.
Bezüglich der Betriebskosten müssen zwei verschiedene Perioden A.
für die Monate September bis December 1886, und B. für die Monate
Januar und halben Februar 1887 getrennt werden, weil während der
letzten zwei Monate sowohl eine geringere Menge Chemikalien verbraucht,
als auch die Bedienungsmannschaft von vier auf zwei Mann reducirt wurde.
Die Periode A. umfasst 122 Tage, die Periode B. 46 Tage.
6019 kg Nahnsen’sches Präparat ä kg 20 Mk. = 1203*80 M., pr. Tag 50kg
28236 kg ungelöschter Kalk ä 100 kg 2 Mk. = 564*72 „ „ „ 232 „
Gas zum Betriebe des Motors.= 552*15 „
Wasser zur Lösung der Chemikalien ....== 62*25 „
Arbeitslöhne, Filtertücher etc. etc.=■ 1397*08 „
Summa 3780*00 Mark.
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Müller-Nahnsen’sches Reinigungssystem städtisclier Abwässer. 459
Dies ergiebt pro Tag 31 Mark oder pro Jahr und Kopf der Bevölkerung
(9500 Einwohner) 1'20 Mark. Während der 46 Tage im Januar und
Februar 1887 wurden statt 50 kg löslichen Kieselsäurehydrats nur 42*6 kg,
und statt 232 kg Kalk nur 225 kg täglich verbraucht, wodurch die Tages¬
kosten für Chemikalien von 14*64 Mark auf 13 Mark herabgemindert
wurden, und ausserdem durch Reduction der Bedienungsmannschaft noch
erheblich gespart, so dass sich die Tageskosten von 31 Mark auf 23 Mark
minderten, was auf die Bevölkerungszahl berechnet 0*88 Mark pro Kopf
und Jahr ergiebt. Eine weitere Reduction der Betriebskosten ist nicht zu
erwarten, da die Chemikalien sowohl, als die Bedienungsmannschaft ohne
Schaden für den Betrieb nicht weiter herabgesetzt werden können. Rechnet
man nun hierzu noch die Verzinsung und Amortisation des Anlagecapitals
von 30070 Mark, die Unterhaltung des Gebäudes, der Maschinen etc.,
rechnet man ferner, dass der jetzt bestehende und unter allen Umständen
zu beseitigende Uebelstand der sich frei verflüchtigenden Canalgase eine
mehr weniger kostspielige bauliche Veränderung zur Abfangung und
Verbrennung der Gase nothwendig macht und somit die Anlagekosten
erhöht, so wird man, auch wenn man die Leistungsfähigkeit der Anstalt
für 12000 bis 15000 Menschen veranschlagt, gewiss nicht zu hoch greifen,
wenn man die Kosten des Müller-Nahnsen’schen Reinigungs¬
verfahrens der Canalwässer auf 1 Mark pro Jahr und Kopf der
Bevölkerung veranschlagt.
Ob ein Gewinn aus dem gepressten Schlamme zu erzielen Bein möchte,
darüber wage ich nicht zu entscheiden. Bei einem täglichen Durchgänge
von rund 600 cbm Canalwässern wurden täglich circa 800 kg gepresster
Schlamm — welcher 30 Proc. Chemikalien mit enthält — gewonnen. Diese
Schlammkuchen wurden zu drei verschiedenen Malen, am 11. September,
18. October und 18. November 1886 in der landwirtschaftlichen Versuchs¬
station durch Herrn Dr. Aug. Morgen untersucht und bezüglich ihres
Düngewerthes begutachtet. Sie enthielten:
1. 0*67 Proc. P0 5 und 0*35 Proc. N,
2. 1-00 „ P0 5 „ 0*47 „ N,
3. 2*21 „ P0 5 „ 0*44 „ N,
und wurde ihr Geldwerth auf 30 Pfennig pro Centner der ersten und
66 Pfennig pro Centner der letzten festgestellt. Man sieht, dass der Phos¬
phorsäuregehalt ein sehr schwankender ist und man demgemäss wohl die
mittlere Probe als die durchschnittliche mit etwa 45 Pfennig Geldwerth
veranschlagen dürfte.
Herr Dr. Morgen äussert sich gutachtlich folgendermaassen:
„Da in den Niederschlagsmassen schädliche Substanzen, wie lösliche
Eisen- und Schwefel Verbindungen, nicht enthalten sind, so würde der Ver-
werthung derselben für Düngungszwecke Nichts im Wege stehen, und es
würden sich dieselben wie alle ähnlichen Abfallproducte hauptsächlich für
leichtere und besonders auch kalkarme Bodenarten eignen. Es würde
ferner noch zu prüfen sein, ob bei Aufbewahrung der feuchten Rückstände
nicht etwa Umsetzungen in denselben stattfinden, welche die Bildung
pflanzlicher Verbindungen im Gefolge haben. Bei einer kleinen Probe,
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460 Dr. Hüllmann. Müller-Nahnsen’sches Reinigungssystem etc.
welche im Laboratorium in einem verschlossenen Glasgefässe aufbewahrt
wurde, hatte eine derartige Zersetzung stattgefunden; es ist aber wohl
möglich, dass bei Luftzutritt, also bei der Aufbewahrung im Freien, eine
derartige Zersetzung nicht eintritt.“
Die Stadt konnte im Anfänge diese Schlammkuchen nicht los werden
und musste ihre Abfuhr bezahlen; später übernahm ein Stadtökonom die
Abfuhr ohne Entgelt und während der letzten Wochen hat derselbe für
600 bis 800 kg täglich 1 Mark 50 Pfennig bezahlt. Welche Resultate der
Mann damit erzielt hat, und ob er für die Zukunft das Zeug überhaupt
nehmen und besser oder schlechter bezahlen wird, darüber lässt sich noch
Nichts sagen, da die damit gedüngten Aecker eben erst bestellt worden sind,
resp. zur Zeit (Anfang Mai) noch bestellt werden.
Gleichermaassen dürfte wohl auch kein nennenswerther Nutzeffect zu
erwarten sein von der eventuellen Yerwerthung des Schlammes als Heiz-
und Dungmaterial. Herr Ad. Gontard in Mochau bei Leipzig besitzt, wie
aus seiner Zuschrift an den Magistrat zu Halle hervorgeht, einen paten-
tirten Apparat, vermittelst dessen der Schlamm verbrannt werden soll, ohne
dass dabei wesentliche Verluste an Dungbestandtheilen, namentlich an
Stickstoff, welcher als phosphorsaures Ammoniak wieder gewonnen würde,
stattfände. Für dieses Verfahren wäre aber nur der feuchte Schlamm, nicht
der stichfeste Filterkuchen zu gebrauchen. Man würde dabei freilich die
Filterpresse ersparen, aber an deren Stelle jedenfalls ein Gebäude mit mehr
weniger kostspieligem Apparate oder letzteren allein zu beschaffen haben.
Unter allen Umständen dürfte es desshalb gerathen sein, bei der Be¬
rechnung der Kosten, welche das Müller-Nahnsen’sche Reinigungs¬
verfahren macht, eine nutzbare Verwerthung der Pressrückstände oder des
Schlammes ausser Acht zu lassen. Man wird zufrieden sein müssen, wenn
man für die Beseitigung derselben Nichts zu zahlen hat.
Nach Vorstehendem kommen wir zu folgendem Schlussresume:
1 . Die Qualität des gereinigt abfliessenden Wassers ist befriedigend.
2 . Die Mischung der Canalwässer mit den Chemikalien erfolgt intensiv
und gleichmässig.
3. Die Methode der automatischen Beimengung der Chemikalien in
einer ganz bestimmten, nach Bedürfniss regulirbaren (durch Ver-
grösserung oder Verkleinerung der Schöpfbecher für die Chemi¬
kalien) Menge zu einer ganz bestimmten Menge Canalwasser ist
vortrefflich.
4. Die Controle des durch gelaufenen Canalwassers und der dazu
nöthigen verbrauchten Chemikalien mittelst des Umlauf-Zählwerkes
ist ebenso interessant wie zweckmässig, aber
5. die durch den Betrieb nothwendig erfolgende Entwickelung der
ebenso unangenehmen wie schädlichen Canalwassergase beeinträch¬
tigt den Werth des Verfahrens eminent und macht seine Aufstellung
in der Nähe bewohnter Gebäude unthunlich; und endlich
6 . das Verfahren ist zu theuer.
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Dr. Wasserfuhr, Verringerung der Zahl der Schnapsschänken etc. 401
Das Bedürfnis» einer Verringerung der Zahl
der Schnapsschänken nnd SchnapsrerkanfssteUen
in Berlin 1 ).
Von Dr. Wasserfuhr, kais. Minieterialrath a. D.
Um den Missbrauch des Branntweingenusses zu verhüten, kommt es
bekanntlich im Allgemeinen darauf an, den Branntwein theurer und schwerer
zugänglich aber an Qualität besser zu machen, dagegen weniger schädliche
alkoholische und andere anregende Getränke, wie Wein, Obstwein, leichtes
Bier, Kaffee und Thee, zu niedrigen Preisen in bequem gelegenen Räumen
dem Volke zum Genuss zu bieten. In beiden Richtungen müssen, um
praktische Erfolge zu erzielen, freie Vereinsthätigkeit und Gesetzgebung
Zusammenwirken. Die Gesetzgebung hat vorzugsweise ins Auge zu fassen:
hohe Besteuerung des zum Genuss bestimmten Branntweins, sanitätspolizei¬
liche Controle der Beschaffenheit desselben, strafrechtliche Vorschriften gegen
Trunkenheit sowie Beschränkung der Schankstätten durch zweckmässige
Regelung des Schankconcessionswesens. In letzterer Beziehung gilt
für Deutschland §. 33 der Gewerbeordnung von 1869 mit einer durch das
Reichsgesetz vom 23. Juli 1879 herbeigeführten Aenderung. Wer Gast-
wirthschaft, Schankwirthschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder
Spiritus betreiben will, bedarf dazu der Erlaubniss. Dieselbe ist nur
dann zu versagen, 1) wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen,
welche die Annahme rechtfertigen, dass er das Gewerbe zur Förderung
der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei, oder der Unsittlichkeit
missbrauchen werde, 2) wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte
Local wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen
nicht genügt. Die Landesregierungen sind befugt, ausserdem zu bestimmen,
dass a) die Erlaubniss zum Ausschenken von Branntwein oder zum Klein¬
handel mit Branntwein oder Spiritus allgemein, b) die Erlaubniss zum
Betriebe der Gastwirthschaft oder zum Ausschenken von Wein, Bier oder
anderen, nicht unter a) fallenden geistigen Getränken in Ortschaften mit
weniger als 15000 Einwohnern sowie in solchen Ortschaften mit einer
grösseren Einwohnerzahl, für welche dies durch Ortsstatut festgesetzt
wird, von dem Nachweise eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig
sein solle. — Bei Ertheilung der Erlaubniss ist die Ortspolizei und die
Gemeindebehörde gutachtlich zu hören..
Dass das Bedürfnis, dem übermässigen Schnapsgenuss überhaupt
entgegenzutreten, in Berlin mindestens in demselben Grade vorhanden ist
*) Nach einem Vortrage in der Jahresversammlung des Berliner Zweigvereins
gegen den Missbrauch geistiger Getränke am 29. April 1887.
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4C2
Dr. Wasserfuhr,
wie in anderen Grossstädten, bedarf kaum eines Beweises. Die höher
Gebildeten, welche ihr Beruf mit den unteren Volksclassen unserer Stadt
zusammenführt: die Armenärzte, die Gerichts- und Polizeiärzte, die Aerzte
an den öffentlichen Kranken- und Irrenanstalten, die Richter, Polizeibeamten
und Geistlichen, die Mitglieder der städtischen Armencommissionen machen
täglich neue traurige Erfahrungen über die Verheerungen der Schnapspest
innerhalb des Berliner Arbeiterstandes. Aber auch der oberflächliche Beob¬
achter des Strassen verkehre wird sich oft mit Widerwillen — und wenn er
ein Patriot ist, zugleich mit Schmerz — von den gedunsenen, brutalen
Gesichtern und den wüsten Geberden unter Handlangern, Lastträgern und
anderen Arbeitern abwenden, wenn die Schnapsflasche unter ihnen kreist,
und wird durch die Rohheit entsetzt werden, welche als Product des
gewohnheitsgemässen Schnapsgenusses bei Volksanhäufungen auf den Strassen
wie bei Vergnügungen jener Volkskreise zu Tage tritt. Denjenigen aber,
welchen es weniger nahe liegt, solche Beobachtungen zu machen, wird das
vortreffliche Werk von Baer „Ueber den Alkoholismus“ nähere Einsicht in
die Verbreitung und die Wirkungen des Branntweiutrinkens auch bezüglich
der Berliner Bevölkerung gewähren. Die betreffenden Mittheilungen gehen
jedoch nicht über das Jahr 1877 hinaus. Inzwischen sind in Gesetzgebung,
Gewerbe und Handel wie in Zahl und Zusammensetzung der Berliner Bevöl¬
kerung mannigfache Aenderungen eingetreten. Ich habe desshalb hinsicht¬
lich der letzten Jahre einige Ermittelungen vorgenommen, bei welchen das
statistische Amt der Stadt Berlin und das königliche Polizeipräsidium mich
in dankenswerther Weise unterstützt haben.
Wegen Trunkenheit wurden zu den Polizeiwachen geführt:
8025 Personen im Jahre 1882, 8003 Personen im Jahre 1884,
7724 „ „ „ 1883, 9307 „ „ „ 1885.
Ein Theil dieser Personen (472 im Jahre 1885) wurde wegen Betteins
und Vagabondirens aus der Polizeiwache inB Polizeigewahrsam geführt,
ein anderer Theil (525 im Jahre 1885) wegen anderer Vergehen oder wegen
Verbrechen zur gerichtlichen Bestrafung gezogen. Natürlich sind die
Gesammtzahlen derjenigen Individuen, welche sich in trunkenem Zustande
auf den Strassen gezeigt haben, sehr viel grösser gewesen, denn Trunken¬
heit ist für sich allein nicht strafbar, und Baer hat mit Recht darauf hin¬
gewiesen, dass nur solche Betrunkene von der Polizei aufgegriffen werden,
welche entweder groben öffentlichen Unfug treiben, oder so vollgetrunken
sind, dass sie wegen der Sicherung ihrer Person des polizeilichen Schutzes
bedürfen.
Andererseits betrug die Zahl der in den Öffentlichen Spitälern
Berlins an „chronischem Alkoholismus und Säuferwahnsinn“ behan¬
delten Kranken:
537 im Jahre 1882, 709 im Jahre 1884,
601 „ „ 1883, * 938 „ „ 1885 *).
*) Nach den „Veröffentlichungen des kaiserlichen Gesundheitsamtes“. Die Kranken*
häuser waren: Charit^, Friedrichshain, Moabit, St. Hedwig, Bethanien, Elisabeth, Augusta,
Lazarus und Jüdisches Krankenhaus.
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Verringerung der Schnapsschänken u. -Verkaufsstellen in Berlin. 4G3
Die ziffernmässige Erfahrung, dass im Jahre 1885 einerseits 1300 Per¬
sonen mehr wegen Trunkenheit auf den Strassen verhaftet, andererseits
229 Personen mehr wegen Alkobolismus und Säuferwahnsinn in den öffent¬
lichen Krankenhäusern behandelt worden sind als im Vorjahre, berechtigt
zu der Schlussfolgerung, dass die Trunksucht in Berlin in der Zunahme
begriffen ist. Die Vermehrung der Bevölkerung im Jahre 1885 gegen das
Voijabr steht zu jener Zunahme in keinem Verhältnis, zumal für die uns
beschäftigende Frage fast nur die Vermehrung der erwachsenen männ¬
lichen Bevölkerung in Betracht kommt.
Dass dem Ruin grosser Volkskreise in Berlin, welcher sich in solchen
Ziffern wiederspiegelt, durch eine Beschränkung der Branntweinlocale
allein nicht abgeholfen werden kann, ist selbstverständlich. Dass aber die
Erschwerung der Gelegenheiten zum Branntweintrinkeu eines der Mittel
ist, jenem Ruin entgegenzuwirken, folgt theils aus dem allgemeinen Erfah-
rungssatze, dass Gelegenheit Diebe macht und der Mensch um so leichter
einem Laster verfallt, je häufiger die Versuchung zu demselben an ihn her¬
antritt, theils aus der thatsächlichen Abnahme der Trunksucht und ihrer
Folgen in manchen Ländern, in welchen eine strenge Einschränkung jener
Gelegenheiten stattgefunden hat. Gewiss haben zu solchem erfreulichen
Ergebniss auch andere Maassregeln einer verständigen social - politischen
Gesetzgebung beigetragen, insbesondere hohe Besteuerung des Branntwein-
consums.
Es ist desshalb auch schwer nachzuweisen, wie viel gerade der Ver¬
minderung der Branntweinlocale und wie viel anderen wohlthätigen Maass¬
nahmen und Bestrebungen zu verdanken ist. Wo aber Abnahme der Trunk¬
sucht mit Abnahme der Branntweinlocale Hand in Hand gegangen ist,
macht die zweifellose innere Beziehung beider Umstände es wenigstens in
hohem Grade wahrscheinlich, dass es sich dort nicht um ein zufälliges, zeit¬
liches Zusammentreffen, sondern um einen Causalzusammenbang gehandelt
hat, wie denn ein solcher für einzelne Gegenden, z. B. für Gothenburg
in Schweden, auch gar nicht zu bestreiten ist.
In Berlin wird sowohl die Erlaubniss zum Ausschänken von Brannt¬
wein und zum Kleinhandel mit Branntwein und spirituösen Getränken in
Kaufmannsläden unter Prüfung des Bedürfnisses als auch die Erlaub¬
niss zum Betriebe der Gastwirthschaft sowie zum Ausschänken von Wein,
Bier und anderen Getränken als Branntwein ohne Prüfung des Bedürf¬
nisses vom Stadtausschuss (einer nach Analogie der Kreisausschüsse in den
Landkreisen gebildeten Behörde) ertheilt, nach Anhörung des Polizei¬
präsidiums und des Magistrats, welcher letztere sich durch seine Gewerbe¬
deputation vertreten lässt.
Wie sich nun unter der Herrschaft dieser gesetzlichen Einrichtungen
die Zahlen der betreffenden Schank- und Verkaufsstellen in den letzten
Jahren entwickelt haben, ergiebt folgende vom königlichen Polizeipräsidium
zusammengestellte Uebersicht:
Digitized by
Google
464
Dr. Wasserfuhr,
A. Snmmarische Uebersicht der in den Jahren 1884, 1885, 1886
im Bereiche des Polizeipräsidiums vorhandenen Verkaufsstellen von
spiritaösen und anderen Getränken.
Nr.
Bezeichnung des Gewerbebetriebes
1884
1885
1886
I.
Ausschank von Selterswasser mit Ausschluss aller
anderen Getränke.
103
108
95
II.
Kleinhandlungen mit Branntwein oder Spiritufr
(Kaufmannsläden).
1415
1491
1544
in.
Gastwirthschaften.
199
200
208
IV.
Sonstige 8chankwirthschaften und zwar ausscliliess-
lieh, beziehungsweise vorherrschend:
1.
Ausschank von Wein.
146
164
169
2.
„ „ Bier.
5355
5372
5522
3 .
„ „ Kaffee, Thee und Chocolade
54
68
53
4.
„ „ Bier, Kaffee, Thee und Cho¬
colade .........
433
438
443
5 .
„ „ Branntwein (Schnapsschän¬
ken) .
623
690
687
6.
„ der in Conditoreien üblichen Ge¬
tränke (Conditoreien) ....
151
140
134
Summe von III. und IV.
6961
7072
7216
Von den unter IV. genannten Schankwirthschaften
sind nicht zum Spirituosenschank berechtigt
544
642
756
Im Wesentlichen stellt sich heraus — zumal wenn man die Zunahme
der Bevölkerung in Anschlag bringt — dass die Zahl der Conditoreien
ersichtlich zurückgegangen ist (von 151 im Jahre 1884 auf 134 im Jahre
1886), und auch die Zahl der S eiterswasserSchänken sowie die der Aus¬
schankstellen für „Kaffee, Bier und Chocolade u sich vermindert hat.
Die absolute Zahl der „Gastwirthschaften“ hat sich sehr wenig ver¬
mehrt (Grösse und Umfang derselben scheinen zugenommen zu haben)
und ist hinter der Vermehrung der Bevölkerung offenbar zurückgeblieben.
Eine massige absolute Zunahme zeigen die Ausschankstellen für Wein (von
146 im Jahre 1884 auf 169 im Jahre 1886) und die für „Bier, Kaffee,
Thee und Chocolade “ (von 433 auf 444),eine bedeutende Zunahme hingegen
die Bierhäüser (5355 auf 5522), die Branntweinschänken (von 623
im Jahre 1884 auf 687 im Jahre 1886), besonders aber die Kaufmanns¬
läden, in welchen Kleinhandel mit Branntwein und ähnlichen Spirituosen
Getränken betrieben wird, und deren Zahl in den letzten drei Jahren von
1415 auf 1544 gestiegen ist. Die Bevölkerung Berlins am Schlüsse des
Jahres 1886 wird von unserem statistischen Amte auf 1362 455 Köpfe
berechnet. Demzufolge kam auf 1983 Einwohner eine Branntweinschänke
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Verringerung der Schnapsschänken u. -Verkaufsstellen in Berlin. 465
und auf 882 ein Kaufmannsladen mit Branntweinkleinhandel J ). Die „Gast¬
wirtschaften“ und solche Schänken, welche für Bier oder für „Wein, Bier
und Kaffee“ oder für „Bier, Kaffee, Thee und Chocolade“ concessionirt sind,
in welchen aber auch Branntwein und ähnliche spirituöse Getränke ver¬
abreicht werden, sind hierbei nicht raitgerechnet.
Ich lasse die ausserordentliche Zunahme der Bierkneipen, beziehungs¬
weise Bierpaläste, welche sich in den letzten drei Jahren um 150 vermehrt
haben, und in welchen grosse Massen von Personen aus den Mitteldassen
gewohnheitsgemäss schon in den Vormittagsstunden und Abends bis spät in
die Nacht hinein Zeit, Arbeitskraft und Gesundheit vergeuden, mit ihren
schädlichen socialen und sanitären Wirkungen hier unerörtert. Diese Wir¬
kungen verdienen eine gründliche Würdigung an einem anderen Orte.
Aber die beunruhigende Vermehrung der Schnapsschänken um 64 und der
Läden, in welchen Schnaps im Kleinhandel verkauft wird, um 129 — eine
Vermehrung, welche nacfh Lage der Gesetzgebung nur mit Erlaubnis des
Stadtausschusses und nach Prüfung und Bejahung des Bedürfnisses
erfolgen konnte — legt die Frage nahe: entsprach diese Vermehrung in
der That dem Bedürfnisse?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn was heisst „Bedürfniss“?
Das Gesetz giebt für dasselbe keinen Maassstab. Der Maassstab, welchen
der Stadtau8schus8 und die bei den Entscheidungen desselben mitwirkenden
Behörden, Polizeipräsidium und Gewerbedeputation des Magistrats, an die
Concession neuer Schnapsschänken und Kleinhandlungen mit Schnaps legen,
entzieht sich der öffentlichen Kenntniss; es ist dies eine Frage der inneren
Verwaltung. Da die Gesetzgebung aber den Begriff des Bedürfnisses nicht
definirt hat, so ist es nicht anders möglich, als dass jener Maassstab ein
subjectiver, mehr oder weniger willkürlicher ist. Vor zehn Jahren hatte
die Praxis in Berlin nach einer von Baer 3 ) mitgetheilten, auf der Tribüne
des Reichstages abgegebenen Erklärung eines Abgeordneten, welcher
Magistratsmitglied war, sich so herausgebildet, dass der Magistrat bei jeder
Anfrage, ob für die Errichtung einer neuen Schankwirthschaft ein Bedürfniss
vorhanden sei, gesagt hat: „Ja wohl, das versteht sich von selbst; wenn
der Mann sich etablirt hat, so wird es sich zeigen, ob die Leute in sein
Local hineingehen.“ Diese Praxis hatte, wie Baer im Jahre 1878 sagte,
es dahin gebracht, „dass in jedem neugebauten Hause einer neu angelegten
Strasse der erste Einwohner ein Schankwirth ist, und dass in manchen
Häusern, besonders in den ärmsten Arbeiterquartieren, in einem Hause zwei
bis drei Schankwirthe über einander wohnen, alle darauf berechnet, an
der Unmässigkeit der Nachbarschaft sich gütlich zu weiden.“
Man hätte erwarten sollen, dass, nachdem auf Grund des Reichsgesetzes
von 1879 für die Erlaubniss zum Ausschänken von Branntwein und zum
Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus der Nachweis eines Bedürfnisses
*) Legt man die wissenschaftlich berechnete mittlere Bevölkerungsziffer von 1 339 031
für das Jahr 1886 zu Grunde, so kam eine Schnapsschänke auf 1949 Einwohner und eine
mit Schnapaverkauf verbundene Kleinhandlung auf 867.
2 ) L. c. S. 461.
Vicrteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 18^7. oq
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466
Dr. Wasserfuhr,
obligatorisch gemacht worden war, ein strengeres Verfahren eingetreten
sei. Aber, soweit hierauf aus der Geschäftsthätigkeit der städtischen
Gewerbedeputation geschlossen werden kann, hat gerade das Gegentheil statt*
gefunden, wie die folgende, vom städtischen statistischen Amte zusammen-
gestellte Uebersicht ergiebt:
B. Gesuche um Erlaubniss zur Uebernahme bereits bestehender,
beziehungsweise zur Neuanlage von „Gast- und Schankwirthschaften“
sowie von Kleinhandlungen mit Spirituosen, begutachtet von der
städtischen Gewerbedeputation.
1880
1881
1882 und
1. Quartal
1883
1883/84
1884/85
1885/86
Gesuche.
4106
4414
4079
4079
4070
4301
Davon befürwortet .
3730
4104
3794
3736
3902
4156
Widerspruch ....
—
—
170
155
57
43
Zurück genommen . .
— |
—
115
131
110
99
Unerledigt.
—
—
—
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Die Gesammtzahlen der Schnapsgesuche zeigen somit jährlich nur
unerhebliche Schwankungen; die Zahl deijenigen aber, gegen welche Wider¬
spruch erhoben wurde, ist von Jahr zu Jahr bedeutend gesunken. Es
erscheint dies um so auffallender, als im Jahre 1875 nach Baer von 3990
Gesuohen, betreffend Schankwirthschaft, noch 353, und von 497, betreffend
Kleinhandel mit Getränken, noch 38 abschlägig beschieden wurden.
Dass das Polizeipräsidium und der den Ausschlag gebende Stadtaus¬
schuss den Begriff des Bedürfnisses nicht enger gefasst haben, als die
Gewerbedeputation, geht aus der bereits erwähnten, thatsächlichen, absoluten
Vermehrung der Schnaps-Schank- und Verkaufsstellen hervor.
Unsererseits müssen wir aus den im Eingänge angeführten Gründen
nicht nur das Bedürfniss der durch solche Auffassungen herbei geführten
Vermehrung der Gelegenheiten zum Schnapstrinken verneinen, sondern
diese Vermehrung geradezu als einen Schaden für das physische und sitt¬
liche Wohl der arbeitenden Classen ansehen. Es fragt sich, was soll
geschehen, um diesen Standpunkt zur Geltung zu bringen? Das Wichtigste
ist offenbar, die Beurtheilnng des Bedürfnisses dem wechselnden, subjectiven,
willkürlichen Ermessen der mit der Prüfung des Bedürfnisses betrauten
Behörden und Beamten zu entziehen, und denselben feste Normen für die
Beurtheilung vorzuschreiben, insbesondere dadurch, dass nach dem Vor¬
gänge der Niederlande im Verhältniss zur Kopfzahl der Bevölkerung in
einem bestimmten Districte nur eine beschränkte Zahl von Branntwein¬
schänken für zulässig erklärt, und der Branntweinverkauf neben dem Klein¬
handel überhaupt verboten wird. Hierzu bedarf es einer Aenderung der
Gesetzgebung.
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Verringerung der Schnapsschänken u. -Verkaufsstellen in Berlip. 467
Um eine solche herbeizuführen, hat der „Deutsche Verein gegen den
Missbrauch geistiger Getränke u bereits wiederholt sich an den Reichstag
mit Petitionen gewandt, welche in den Kreisen desselben eine wohl¬
wollende Aufnahme gefunden haben; eine Beschlussfassung hat jedoch aus
äusseren Gründen noch nicht erfolgen können. Der Erfolg jener Bestre¬
bungen wird daher zunächst abzuwarten sein. Derselbe ist jedoch unge¬
wiss, und kann auch im günstigen Falle noch lange ausstehen. Die Grösse
des Uebels aber wächst rasch von Jahr zu Jahr. Es empfiehlt sich daher,
die Hände nicht in den Schooss zu legen, sondern schon jetzt zu ver¬
suchen, der Ertheilung neuer Concessionen für Schnapsschänken und für
den Verkauf von Schnaps im Kleinhandel in Berlin so viel entgegenzuwirken,
als dies nach Maassgabe der jetzt in Kraft befindlichen gesetzlichen Vor¬
schriften möglich ist.
Von diesem Gesichtspunkte aus könnte man die städtischen Behörden
angehen, zum Zweck einer Beschränkung der Gelegenheiten zum Schnaps-
genuss nach Maassgabe des Gesetzes vom 23. Juli 1879 ein Ortsstatut zu
erlassen. Ein solches besteht in Berlin nicht. Nachdem aber der Reichs¬
tag um eine neue allgemeine gesetzliche Regelung des Schankconcessions-
wesens gebeten ist, wäre es nicht opportun, auf dem Boden der bestehen¬
den, offenbar unzureichenden Gesetzgebung von den städtischen Behörden
dauernde locale gesetzliche Einrichtungen zu verlangen, welche voraus¬
sichtlich wieder hinfällig werden, wenn die gesetzgebenden Gewalten den
Petitionen an den Reichstag entsprechen. Dagegen steht nichts im Wege,
dem StadtausschuBse, dem Polizeipräsidium und den städtischen Behör¬
den die Gefahren vorzutragen, welche sich aus neuen Concessionen für
Schnapsschänken und Schnapsverkauf im Kleinhandel für Berlin ergeben,
und um Beschränkung solcher Concessionsertheilungen zu bitten. Dabei
würde zugleich auf zwei auffallende Uebelstände aufmerksam zu machen
sein, welche die Uebersicht A. ergiebt, nämlich die grosse absolute Zahl der
Kleinhandlungen, in welchen Schnaps verkauft wird (1544 im Jahre 1885)
und ihre bedeutende Vermehrung im Laufe eines einzigen Jahres um
129 — eine Vermehrung, welche relativ noch erheblicher erscheint als die
der Schnapsschänken (von 146 auf 169), andererseits die ungleiche Ver¬
th eilung beider Arten von Schankstellen in den einzelnen Stadttheilen,
beziehungsweise Polizeirevieren, welche aus der nachstehenden, vom könig¬
lichen Polizeipräsidium zusammengestellten Uebersicht hervorgeht:
30*
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468
Dr. Wasserfuhr,
C. Von den Schnapssch&nken und von den „Kleinhandlangen mit
Branntwein und Spiritus" lagen:
Im Polizeirevier
Schnapssckänken
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Verringerung der Schnapsschänken u. -Verkaufsstellen in Berlin. 469
Dass Kaufmannsläden, in welchen Schnaps im Kleinhandel verkauft
wird, für die Verbreitung der Trunksucht noch gefährlicher sind als
Schnapsschänken, ist von Sachverständigen schon mehrfach erörtert und
beklagt worden. Das niederländische Gesetz vom 28. Juni 1881 hat dess-
halb mit Recht den Branntweinschank neben dem Betriebe des Kleinhandels
völlig verboten. Andererseits erscheint die Anhäufung der Schnapsschänken
und -Läden in manchen Stadttheilen ganz ungeheuerlich. So finden wir
z. B. im 58. Polizeirevier 30 SchnapBBchänken und 30 Kleinhandlungen, in
welchen Schnaps verkauft wird, und die Zahl der ersteren hat sich in einem
Jahre (von 1885 auf 1886) um 21 vermehrt. Es wäre interessant zu er¬
fahren, aus welchen Umständen der Stadtousschuss, welcher die Erlaubniss
zu dieser Vermehrung gegeben hat, das Bedürfnis der letzteren hergeleitet
hat. In anderen Revieren ist das Verhältnis der Schnapsschänken zu den
Kleinhandlungen mit Schnaps sehr auffallend. Es giebt nämlich eine Anzahl
Reviere, in welchen es gar keine Schnapsschänken giebt, aber um so mehr
Kleinhandlungen mit Schnaps. Die unheilvolle Bedeutung der letzteren
wird dadurch in ein helles Licht gestellt. So gab es im 32. Polizeireviere
keine einzige Schnapsschänke aber 44 solche Kleinhandlangen. Diese Ver¬
hältnisse legen die Anforderung nahe, dass, so lange die jetzigen gesetz¬
lichen Vorschriften in Kraft sind, bei einem Gesuche um eine Schank- oder
eine Kleinhandelconcession in einem bestimmten Polizeirevier vor Allem die
Zahl der in diesem Revier bereits vorhandenen öffentlichen Gelegenheiten
zum Schnapsgenuss geprüft werde.
Wenn es gelänge, auch nur eine der drei zuständigen Behörden für
die vorstehend erörterten Gesichtspunkte zu gewinnen, so würde dies allein
schon der Ertheilung neuer Concessionen der in Rede stehenden Art hinder¬
lich sein und praktische Erfolge zum Wohle der arbeitenden ClaBsen
bewirken.
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470
Dr. Semon und Dr. Poelcben,
Ueber die animalen Impfungen in Danzig in den
Jahren 1885 und 1886.
Von Sanitätsrath Dr. Semon und Dr. Poelchen.
Im April 1885 errichteten wir mit dankenswerther Unterstützung des
Herrn Oberbürgermeisters von Winter auf dem Centralviehhof zu Alt¬
schottland bei Danzig hauptsächlich nach Hamburger Muster und unter
Benutzung der vom Kreisphysicus Dr. Meyer in Heilsberg in Eulenberg’s
Vierteljahrsschrift gegebenen Daten ein Institut zur Gewinnung thierischer
Lymphe. Die Thiere, drei bis sechs Wochen alte K&lber, wurden durch
den Pächter des Viehhofs für uns angekauft, verpflegt und nach Gewinnung
der Lymphe an einen bestimmten Schlachter abgegeben.
Derselbe hatte die Kälber in unserer Gegenwart zu schlachten und
beliebige Organe uns zur anatomischen Untersuchung zu überlassen.
Die Impfcampagne begannen wir im Juli mit einem vier Wochen alten
Kuhkalbe. Die Impfung wurde, wie auch später, folgendermaassen vor¬
genommen :
Dem auf dem Impftisch aufgebundenen Kalbe wurden die Bauchhaare
mit Coo per’scher Scheere möglichst kurz abgescbnitten, der Rest abrasirt.
Letzteres ist auch für den Geübten ein ziemlich schweres Stück Arbeit.
Man braucht dazu circa eine halbe Stunde Zeit und zwei Rasirmesser.
Die sehr zarte, rosige Bauchhaut wurde darauf mit warmem Wasser
und Seife sorgfältig abgewaschen, abgespült und mit sterilisirter Watte
getrocknet.
Wir impften dann in der Art, dass wir uns ein Stück Haut nach dem
anderen über den Zeigefinger der linken Hand spannten und in diese ge¬
spannte Haut Kreuz- oder andere Schnitte unter möglichster Vermeidung
von Blutung machten. Die Schnitte wurden in der Länge von 1 cm und
mit 2 bis 3 cm Distanz von einander angelegt. Die im Griffe feststehende
grosse, nicht zu scharfe Lancette trägt während des Schnittmachens Lymphe
und wurde solche noch besonders in die Schnitte eingestrichen.
Je nach der Grosse des Kalbes wurden 60 bis 100 Impfstellen auf der
Bauchhaut zwischen Euter und Nabel, beziehungsweise zwischen Hodensack
und Penis angelegt.
Um gute Pocken zur Entwickelung kommen zu lassen, muss man die
Lymphe sehr reichlich in die Schnitte vertheilen und braucht man für ein
Kalb ein Quantum, mit dem man circa 50 Kinder impfen könnte.
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Animale Impfungen in Danzig in den Jahren 1885 und 1886. 471
Nachdem die Impfstellen ziemlich vollständig getrocknet ( ] / 3 bis 3 / 4
Stunden), wird das Kalb losgebunden und in einen Stall gebracht, der so
eng ist, dass sieb das Thier nicht umdrehen, am Bauche nicht lecken kann.
Von dem anfänglich gemachten Versuche eines Wattenverbandes auf der
Impffläche sind wir später ganz abgekommen; er erschien uns nicht
praktisch.
Nach viermal 24 Stunden sind, wenn das Kalb überhaupt empfäng¬
lich und die Impfung gut ausgeführt war, die Pocken zur vollen Ent¬
wickelung gekommen, und wurden alsdann folgendermaassen von uns ab¬
genommen :
Nachdem das Kalb wieder auf den Tisch aufgebunden, wird die pocken¬
tragende Bauchhaut mit warmem Seifenwasser und sterilisirter Watte sorg¬
fältig gereinigt, bis man die weissglänzenden Pusteln rein vor Augen hat.
Dieselben werden mit sterilisirtem, scharfem Löffel mit ihrem Grunde
energisch von der Haut abgekratzt , .wobei es sehr wenig oder gar nicht
blutet.
Die gewonnene Pustelmasse kommt nun in einen sterilisirten Porcellan-
mörser und wird hier mit sterilisirtem Glycerin und destillirtem Wasser
so lange verrieben, bis eine möglichst gleichmässige Emulsion hergestellt
ist, was eine bis zwei Stunden dauert. Man hat bei den Verhandlungen
im kaiserlichen Gesundheitsamt« darüber discutirt, wie bedeutend die Ver¬
dünnung der Lymphe gemacht werden dürfe, ohne ihre Wirksamkeit zu
schädigen.
Zu einem Resultate ist man dabei nicht gekommen, besonders Köch
lehnte es ab, darüber genaue Vorschriften zu machen.
Bei der von uns angewandten Lymphegewinnung hängt die Stärke
der Verdünnung ganz allein ab von der Consistenz der gewonnenen Lymphe¬
massen ; je consistenter diese, desto mehr Verdünnungsflüssigkeit (sterilisirtes
Glycerin und Wasser) ist nothig, um die Lymphe in Capillarröhrchen auf-
saugbar zu machen.
An dieser Stelle wollen wir noch bemerken, dass die Wirksamkeit der
Lymphemulsion vielleicht nicht im geraden Verhältnis zu ihrer Concen-
tration steht, ja dass eine dünnere Lymphe aus naheliegenden anatomisch-
physiölogischen Gründen möglicher Weise bessere Resultate giebt, als dick¬
flüssigere.
Auch wollen wir hier noch besonders betonen, dass auf reines, sterili¬
sirtes Glycerin und Wasser ganz besonderer Werth gelegt werden muss.
Ist die gewünschte Emulsion fertig gestellt, so wird sie in Glascapilla-
ren mit Hülfe eines Gun^mischlauches derart aufgesogen, dass man in das
eine markirte Ende des ihöglichst dünnen Schlauches die Capillaren ein¬
steckt, durch Fingerdruck den Schlauch luftdicht um das Röhrchen schliesst,
und nun durch Saugen mit dem Munde an dem anderen Ende desselben
die Capillare mit Lymphe füllt. Der Gummischlauch ist vor und nach dem
Gebrauche desselben genügend zu desinfleiren.
Die gefüllten Capillaren werden durch Zuschmelzen geschlossen und
geschützt vor Sonnenlicht bei Zimmertemperatur aufbewahrt. — Wenn wir
so besonderes Gewicht auf die allergrösste Reinlichkeit, auf sterilisirte In¬
strumente etc. gelegt haben, so geschieht es desshalb, weil wir uns bewusst
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472
Dr. Semon und Dr. Poelchen,
sind, dass man gerade bei Einführung eines neuen, noch nicht allgemein
anerkannten Impfverfahrens allen gegnerischen Einwendungen gegenüber
gewappnet und vor unglücklichen Zufällen gesichert sein muss, um nicht
durch vermeidbare Fehler den Endzweck zu schädigen.
Eine hier noch zu erörternde Frage ist die, ob es Werth hat, die
Kälberlymphe auf Tuberkelbacillen zu untersuchen. Obwohl dies unserer¬
seits geschehen ist, glauben wir es nicht Denn ein negativer Befund besagt
selbstverständlich gar nichts, und ein positiver nichts anderes, als was man
durch anatomische Untersuchung der Organe auch gefunden haben würde;
man müsste denn gerade ursprünglich mit der Impflymphe Koc h’sche
Bacillen auf das Kalb übertragen haben und diese dann wiederfinden.
An Kosten für das Impfinstitut sind uns erwachsen:
I. Für Anlage und erste Einrichtung circa 300 Mk.
II. Betriebskosten pro Kalb circa 40 Mk.
Im Grossen und Ganzen werden die Kosten für jedes Kalb ungefähr
immer dieselben sein, doch wird man nie vergessen dürfen, dass aus bisher
unbekannten Ursachen einzelne Kälber ganz versagen, die Lymphe von
anderen wegen Krankheit derselben verwprfen werden muss.
Wie viel Menschen kann man nun von einem Kalbe impfen? Nach
der von uns angewandten Lymphgewinnungsmethode günstigsten Falles
800 bis 1000, zuweilen aber auch bei wenig ergiebigen Pusteln kaum 100.
Es sei uns nun gestattet, über die am hiesigen Orte in den beiden
Beobachtungsjahren 1885 und 1886 gewonnenen Resultate zu berichten
und daran einige Bemerkungen zu knüpfen.
Im Sommer 1885 wurden von uns fünf Kälber geimpft Davon ver¬
sagten die beiden ersten, wahrscheinlich, weil wir zu wenig Lymphe in die
einzelnen Schnitte eingestrichen hatten. Beide Kälber waren zum Tbeil
mit humanisirter, zum Theil mit animaler Lymphe geimpft worden.
Durch diesen Misserfolg, der uns sehr deprimirte, Hessen wir uns indess
nicht abschrecken und sahen uns denn auch bei den späteren Impfungen
durch den besten Erfolg belohnt.
Zunächst ergab uns ein am 8. August geimpftes Kalb 68 grössere
Röhrchen Emulsionslymphe.
Nachdem wir uns von der Gesundheit des Kalbes überzeugt hatten,
stellten wir nach verschiedenen Richtungen Untersuchungen über Wirksam¬
keit und Haltbarkeit der Lymphe an. Dabei ergab sich zunächst ein
grosser Unterschied je nach der angewandten Impfmethode. Impfungen
durch Stiche ergaben ungleich schlechtere Resultate, als die durch Schnitte.
So wurden am 26. August mit einer 18 Tage alten Lymphe 51 Schüle¬
rinnen einer Communalschule und zwar 34 mit Kreuzschnitt, 17 mit Stichen
revaccinirt. Von jenen fand sich bei 33 vollständiger Erfolg, bei diesen
hatten nur 4, und auch diese nur dürftig entwickelte Pusteln.
Nach dieser Erfahrung impften wir später nur noch mit Schnitten
mittelst feststehender Lancette.
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Animale Impfungen in Danzig in den Jahren 1885 und 1886. 473
Diese Methode ergab uns nun folgende Resultate:
I. Erst-Impfung:
Am 18. August 35, davon mit Erfolg 33.
Am 19. August 4, davon mit Erfolg 4.
II. Wieder-Impfung:
Am 18. August 5, davon mit Erfolg 5.
Am 19. August 9, davon mit Erfolg 8.
Am 2ß. August 34, davon mit Erfolg 33,
d. h. nach Procenten ausgedrükt für Erst-Impfungen wie für Wieder¬
impfungen 95*8 Proc.
Am 8. November 1885 impften wir ein Kalb behufs Revaccination neu
eingestellter Rekruten und erzielten folgende Resultate mit der am 12. No¬
vember vom Kalbe abgenommenen Lymphe:
Es wurden 187 Mann sämmtlich mit Erfolg revaccinirt und zwar
entwickelten sich auf 671 Kreuzschnitten 592 Pusteln.
Mitte December impften wir mit derselben Lymphe 18 Mann, davon
16 mit Erfolg.
Am 6. Januar mit der jetzt circa sieben Wochen alten Lymphe
34 Mann mit Erfolg bei 32. An demselben Tage wurden noch 10 Mann
revaccinirt, die wenige Wochen vorher erfolglos mit humanisirter Lymphe
geimpft waren.
Acht von diesen zeigten wohl entwickelte Pusteln.
Die Erfolge der Rekrutenrevaccinationen betrugen im Ganzen 97*6 Proc.
Was die Haltbarkeit der Lymphe anbetrifft, so konnten noch im Februar
von einem hiesigen Arzte, Herrn Dr. Lissauer, mit der Lymphe vom
12. November zwei Kinder mit vollem Erfolge vaccinirt werden. Wir
selbst impften unsere ersten Kälber im April 1886 mit dieser Lymphe, die
sich dabei durchaus wirksam erwies.
Wir gewannen aus dieser unserer ersten Impfperiode folgende Erfah¬
rungen :
1. Die Impfmethode mittelst Stiches eignet sich für die
Impfung mit dickflüssiger animaler Impfemulsion nicht.
2. Die Lymphe bleibt bei Zimmertemperatur, geschützt vor
Licht, mehrere Monate wirksam.
3. Auch für die Impfung der Kälber selbst ist animale
Lymphe verwendbar.
Auf Grund der im Jahre 1885 gewonnenen Erfahrungen sah sich die
städtische Verwaltung veranlasst, mit uns einen Contract über die Lieferung
animaler Lymphe für das Jahr 1886 zur Abgabe an die städtischen Impf¬
ärzte abzuschlieBBen, um hier eine möglichst allgemeine Einführung der
Impfung mit Thierlymphe zu bewirken. Wir impften im Laufe des Som¬
mers 16 Kälber, von denen uns alle mit Ausnahme eines Kalbes reichlich
Impfstoff lieferten.
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474
Dr. Semon und Dr. Poelchen,
Es wurden von der gewonnenen Lymphe 4000 Vaccinationen und
Revaccinationen im Stadtkreise und über 1000 im Landkreise Danzig aus¬
geführt.
Erstere ergaben nach den verschiedenen Impfbezirken der Stadt fol¬
gende Resultate:
A.
Ers t-Impfungen.
B. Wieder-Impfungen.
Impf-
Bezirk
Geimpft
sind
Erfolge
bei
Erfolge
in Proc.
Wieder-
geimpft
sind
Erfolg
bei
Erfolge
in Froc.
I.
427
413
96*8
mm
100
II.
327
327
100
100
IH.
169
160
93*5
312
250
80
IV. u. IX.
88
62
70*4
66
20
30
V.
118
114
96*1
87
67
70
VI.
107
100
96
100
100
100
VII. u. VIII.
281
275
97*1
221
221
100
X.
401
397
99
389
356
91
Summa
1918
1848
96*4
1697
1536
90*4
An vorstehende Tabelle wollen wir einige Bemerkungen anknüpfen;
Zunächst ist hervorzuheben, dass einer der Herren Impfärzte (IV. und
IX. Impfbezirk) noch überwiegend mit humanisirter Lymphe sowohl vacci-
nirt wie revaccinirt hat. Es geschah dies aus dem Grunde, weil der be*
treffende Impfarzt bei den Impfungen mit Thierlymphe verhältnissmässig
ungünstige Resultate erzielt hatte, wie das auch aus der Tabelle hervor¬
geht, bei der nur die animalen Impfungen in Rechnung gezogen sind.
Die Ursache dieser abweichend geringen Erfolge liegt nach unserem
Erachten darin, dass der betreffende Arzt zum Theil wenigstens noch die
alte Impftechnik, wie sie bei humanisirter Lymphe üblich ist (Stiche), auch
bei animalen Impfungen beibehielt.
Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Schon in der Denkschrift des
Reichskanzleramtes
„Ueber die Noth wendigkeit der allgemeinen Einführung der Impfung
mit Thierlymphe“
ist nachdrücklich hervorgehoben, dass bei der gewöhnlichen Art und Weise,
wie die Impfung ausgeführt wird, die Thierlymphe einen hohen Procentsatz
von Fehlimpfungen ergiebt, dass für diese Lymphe eine andere Methode
der Technik erforderlich ist, dass dann aber auch vollkommene Erfolge
erzielt werden.
In gleicher Weise spricht sich Herr Geh. Medicinalrath Dr. Pfeiffer
in Weimar in seiner Anleitung zur Herstellung und Verwendung der ani¬
malen Lymphe dahin aus, dass er sagt:
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Animale Impfungen in Danzig in den Jahren 1885 und 1886. 475
„In der Verwendung der bisher üblichen Instrumente Hegt ein Haupt¬
fehler, welcher bedingt, dass die Resultate bei der Verwendung animaler
Stoffe ungünstiger Ausfallen, als bei dem Gebrauche von frischer Kinder¬
lymphe oder von Glycerinlymphe.“
Und ferner:
„Auch für die Kälberlymphe gilt der Erfahrungssatz, dass ein gleich-
mässiger Erfolg nur auf grösser angelegten Schnitten sich erzielen lässt und
dass beim Einhalten der für Kinderlymphe bisher üblichen Methoden in
der Regel viele Misserfolge zu verzeichnen sind. Der Misscredit, in dem
der animale Stoff bei vielen Impfarzten steht, ist nur durch die nicht pas¬
sende Technik verschuldet worden, während bei entsprechender Ausführung
der Impfung die Erfolge sich für beide Lympharten ziemlich gleich ver¬
halten.“
Beachtenswerth ist in dieser Beziehung noch eine Bemerkung, die einer
der städtischen Impfarzte (Impfbezirk II.) seiner Statistik und seinem Be¬
richte an den Magistrat hinzufügte.
„Hierzu bemerke ich“, sagt derselbe, „dass ich an den ersten Impf¬
tagen viele Ausfälle hatte und dass ich gezwungen war, fast die Hälfte der
kleinen Kinder zwei- und dreimal zu impfen. Später jedoch, nach erlangter
Uebung mit der grossen Impflancette, hatte ich einen so guten Erfolg zu
verzeichnen, dass fast jeder Schnitt glückte.“
Aehnliche Erfahrungen haben auch wir gemacht und sie werden auch
wohl den meisten Impfern im Anfänge nicht erspart bleiben. Die Technik,
an sich nicht schwierig, will doch erlernt sein.
Ein sehr günstiger Umstand für uns war der, dass im April 1886 ein
grösserer städtischer Impfbezirk frei wurde und wir für diesen vom Magi¬
strat als Impfärzte (Impfbezirk X.) angestellt wurden.
Dadurch wurden wir in die Lage versetzt, jede Lymphe vor der Abgabe
in Bezug auf ihre Wirksamkeit prüfen zu können. Ein Ausnahmefall, in
welchem durch unerwartete Anforderungen der geprüfte Vorrath schneller
absorbirt wurde und die Noth uns zwang, noch nicht geprüfte abzugeben,
ergab in der That auch schwächere Resultate.
Ueble Ereignisse als Folgen der Impfung sind nicht zu verzeichnen.
In einigen wenigen Fällen trat stärker verbreitete Phlegmone auf. Diese
dürfte jedenfalls mehr dem häuslichen Verhalten nach der Impfung (Un¬
reinlichkeit), als dieser selbst znznschrejben sein. Im Allgemeinen war die
Reaction sehr gering, namentlich seitdem wir bei Erst-Impflingen die
Kreuzschnitte Aufgaben und mit einfachen Schnitten von Vs cm Länge
impften.
Wir hatten dabei aber so gute Resultate und glauben annehmen zu
können, dass bei diesen einfachen Schnitten die wirksamen Bestandteile
der Lymphemulsion ebenso wie bei Kreuzschnitten eindringen und zur
Geltung kommen, während bei Stiohen aus mechanischen Gründen ein
solches Eindringen aus der dickflüssigeren Emulsion in gleichem Grade
nicht stattfinden dürfte.
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476 Dr. Semon und Dr. Poelchen, Animale Impfungen in Danzig.
Was nun schliesslich noch die Kälberimpfung anlangt, so haben wir,
wie aus Vorstehendem hervorgeht, sowohl mit humanisirter wie mit animaler
Lymphe die Kälber geimpft und für beide Lympbarten dieselben Erfolge
erzielt. Hierin läge also kein Grund, eine der anderen vorzuziehen. Aber
ein anderes Moment erscheint der Berücksichtigung werth. Wenn nämlich
auch nachgewiesen ist, dass auf dem Kalbe der Infectionsträger der Syphilis
nicht fortkommt und der Tuberkelbacillus sich nicht in diesen wenigen
Tagen vermehren kann, so ist doch gar nicht ausgeschlossen, dass, wenn
man einmal jene Infectionsträger für übertragbar erachtet, es doch im
Bereiche der Möglichkeit liegt, dass das auf das Kalb geimpfte humanisirte
Material den Infectionsträger mit enthält und dass man dann eben diesen,
der sich vielleicht im Schorf der Pustel befindet, mit abnimmt, auf Menschen
überträgt und dass er hier weitere Entwickelung findet.
Angesichts dieser Möglichkeit ^ haben wir in Uebereinstimmung mit
Piss in neuerdings unsere Kälber npr mit Kälberlymphe geimpft.
Die Erfahrungen, welche wir in den beiden Jahren, zumal 1886, ge¬
wonnen haben, sind durchaus geeignet, uns in der Fortführung unserer
Thätigkeit auf diesem Gebiete zu ermuthigen. Wir haben denn auch für
das Jahr 1887 in gleicher Weise die animalen Impfungen wieder auf¬
genommen.
Danzig, Mai 1887.
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Dr. G. A. Ziegeler, Die Wasserverhältnisse Stralsunds. 477
0
Die Wasserrerhältnisse Stralsunds.
Von Dr. GL A. Ziegeler (Stralsund).
Stralsund, die Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirkes Pom¬
merns, in einer schönen fruchtbaren Ebene an der Küste der Ostsee,
d. h. an der Meeresenge gelegen, die die Insel Rügen von dem Festlande
trennt, gehört unstreitig mit zu den schönsten Städten des nordöstlichen
Deutschlands. Die Stadt ist ringsum von Wasser umgeben; sie bildet ein
fast gleichschenkliges, rechtwinkliges Dreieck, dessen Basis durch die
Meeresenge, den Strelasund, und dessen Seiten durch zwei Teiche, den
Frankenteich und Knieperteich, gebildet werden. Wenn die Einwohnerzahl
früher auch nie wesentlich grösser gewesen sein mag als heute —* die
Meinungen gehen hierüber aus einander, — so hat die Stadt doch an ihrem
früheren Glanze und an ihrem Ansehen als alte See- und Hansastadt be¬
deutend Einbusse gelitten; Handel und Wandel liegen darnieder, es hat
sich von anderen Ostseehäfen den Rang ablaufen lassen. Viele ungünstige
Verhältnisse mögen hierzu beigetragen haben: Die ungenügende Ver¬
bindung mit der See, der Niedergang der Landwirtschaft, deren Producte
früher die wesentlichsten Exportartikel für die Stadt bildeten, das Fallen
der Festungswerke und die dadurch bedingte Verminderung des Militärs
und vieles andere.
Zwar fehlt es nicht an Bestrebungen, diesem Uebelstande abzuhelfen
und Stralsund wieder eine bessere Zukunft zu bereiten. Von diesen Be¬
strebungen interessirt uns hier nur der Wunsch eines grossen Theiles der
Bevölkerung, Stralsund zum Anziehungspunkte für alte und junge Rentner,
wie für pensionirte Beamte zu machen. Die Berechtigung dieses Wunsches
ist durchaus nicht zu bestreiten, denn, wie gesagt, Stralsund ist eine der
schönsten Städte des nordöstlichen Deutschlands und es dürfte sich seine
Anziehungskraft weit über die Grenzen des Pommernlandes erstrecken kön¬
nen, wenn es sich eines besseren Gesundheitszustandes zu erfreuen hätte.
Man pflegt zu sagen, Zahlen beweisen, und die Statistik liefert den
Beweis, dass die Sterblichkeit in wenigen Städten geringer ist, als in Stral¬
sund, und doch, sieht man sich in der Stadt etwas näher um, so findet man,
dass Nervenfieber selbst im Winter dauernd herrscht. Der Stralsunder
mag sich über diesen Zustand beruhigt haben, aber dem Fremden, der sich
in der Stadt niederlassen will, ist es nicht gleichgültig, wenn er sich sein
Bürgerrecht erst durch eine halbjährige Krankheit erkaufen soll — und
nur in den seltensten Fällen bleibt er von einer solchen verschont. — Es
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478
Dr. G. A. Ziegeler,
muss daher dem Wunsche, Stralsund zum Tusculmn Pommerns zu machen,
vorläufig jede Erfüllung abgesprochen werden, jedenfalls so lange, bis die Stadt
für die Hesserung ihres Gesundheitszustandes Sorge getragen hat. Und auffal¬
lend ist es, dass in dieser Beziehung bisher so wenig, um nicht zu sagen gar
nichts gethan worden ist, um so auffallender, als der einzige Grund dieses
Uebelstandes bereits erkannt und die Beseitigung mit so geringen Kosten
verbunden idt Es ist zweifellos, und einen hinlänglichen Beweis glaube
ich in den nachstehenden Zeilen geliefert zu haben, dass auch hier, wie in
so mancher Stadt, die mangelhafte Beschaffenheit des Wassers die alleinige
Ursache des schlechten Gesundheitszustandes ist. Unglaublich muss es dem
Unparteiischen erscheinen, wenn trotzdem und aller Wissenschaft zum Hohn
der Strakunder im Grossen und Ganzen behauptet, dass seine Wasser¬
verhältnisse billigen Anforderungen entsprechen und er daher auch nicht
nöthig habe, zu ihrer Verbesserung nur das Geringste zu thun. Jedoch
zur Sache:
Nachdem sich in den vierziger und fünfziger Jahren der Gedanke
immer mehr und mehr Bahn gebrochen, einen wie ‘hervorragenden Einfluss
das Trinkwasser auf die menschliche Gesundheit zu üben im Stande ist,
wurde zuerst im Jahre 1864 in Wien eine Commission zur Prüfung der
dortigen Wasserverhältnisse ernannt. Die Resultate der von dieser Com¬
mission ausgeführten Arbeiten wurden in den bekannten „Anforderungen u
zusammen gefasst. Diese Anforderungen bilden heute noch für den Chemiker
die Grundlage bei der Wasserbeurtheilung. Ammoniak und salpetrige Säure
haben damals freilich noch keine Berücksichtigung gefunden, wohl weil
man diesen Körpern nocht nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie ver¬
dienen. Heute ist das Verlangen nach völliger Abwesenheit derselben in
einem Trinkwasser ein durchaus gerechtfertigtes. Nachdem Koch uns die
Bestimmung der Bacterien im Wasser gelehrt hat, kann das Verlangen der
Wiener Commission, ein Wasser solle durchaus frei von organißirten Wesen
sein, nicht mehr aufrecht erhalten werden, und es dürften wenige unschäd¬
liche Organismen nicht beanstandet werden können.
Es ist den von der Wiener Commission den einzelnen Wasserbestand-
theilen vorgeschriebenen Grenzen jede Berechtigung abgesprochen worden,
namentlich von Behörden, denen ein Maassstab zur Beurtheilung mangel¬
hafter städtischer Wasserverhältnisse unbequem ist, und man sagt, dass
man sich nach seinen Verhältnissen richten, zwar das Bestmöglichste er¬
streben, sich aber auch zufrieden geben müsse, wenn das Erlangte vor der
Wissenschaft nicht standhalte. Mag es nun für manchen Ort auch schwer
fallen, ein gesundes Trinkwasser zu beschaffen, so braucht das Verkehrte
dieser Ansichten doch nicht erst nachgewiesen zu werden, wohl aber mag es
gerecht erscheinen, die Grenzzahlen für die einzelnen Bestandteile des
Wassers bei Beurtheilung der Wasserverhältnisse ganzer Städte nicht zu
enge zu ziehen und habe ich mich nicht nur den weitgehendsten Zu¬
geständnissen des Wiener Gutachtens angeschlossen, sondern habe bei der
Beurtheilung der Stralsunder Verhältnisse geglaubt, auch der Salpetersäure,
wie es dem Chlor und der Schwefelsäure zugestanden, ein Milligramm-
molecül im Liter einräumen zu dürfen und gelange dann zu folgenden Be¬
dingungen:
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Google
Die Wasserverhältnisse Stralsunds.
479
Das Wasser muss klar, farblos und geruchlos sein.
Es darf kein Ammoniak und keine salpetrige Säure enthalten.
Fäulnissorganismen dürfen durchaus nicht vorhanden sein.
Es müssen zugelassen werden im Liter:
500*0 mg Gesammtrückstand,
50*0 „ organische Substanzen,
63*0 „ Salpetersäure,
98*0 „ Schwefelsäure,
35*5 „ Chlor,
200*0 „ alkalische Erden.
Auch in Stralsund sind bereits anfangs der sechziger Jahre die ersten
Versuche gemacht, „dem immer drückender werdenden Wassermangel ab¬
zuhelfen tt und es wurde die Herstellung einer Anzahl von Quellbrunnen
beordert. Das in diesen gefundene, „zu den meisten wirtschaftlichen
Zwecken unbrauchbare“ Wasser mag Veranlassung zu den ersten chemischen
Untersuchungen der städtischen Brunnenwässer gegeben haben, denn im
Jahre 1866 wurden von der Polizeiverwaltung Anordnungen getroffen, eine
grössere Reihe derselben, und zwar 36 Stück, untersuchen zu lassen. Vier
davon haben sich jedoch in einem Zustande befunden, der eine Unter¬
suchung unmöglich oder überflüssig machte, die übrigen 32 sind von
Dr. Plettner, Lehrer der derzeitigen Gewerbeschule, untersucht.
Eine zweite Reihe von Untersuchungen fand dann im Februar 1877 statt;
diese und einige andere Analysen bis zum Jahre 1881 sind von Th. Scho-
rer, Gerichtschemiker in Lübeck, ausgeführt worden. Nachdem sich der
nachteilige Einfluss des ungenügenden Trinkwassers immer deutlicher fühl¬
bar gemacht hatte, wurde in den Jahren 1885 und 1886 von der Stadtbau-
inspection eine zweimalige, alle Pumpen umfassende, chemische Untersuchung
an geordnet und ich mit deren Ausführung beauftragt.
Die Resultate dieser drei Analysenreihen sind folgende:
Gesammt¬
rückstand
Glüh¬
verlust
h 2 so 4
Cl
hno 3
Alkal.
Erden
Dr. Plettnerl
(32 Analysen)!
Maximum.
. 3444
345
729
682
—
1052
Minimum .
. 262
22
Spur
16
—
124
[Mittel . . .
. 1450
170
127
220
—
460
Organisches
durch
Kg Mn Og
Th. Schorer 1
(20 Analysen)
[Maximum
. 4450
200
450
2236
475
630
Minimum
. 650
275
Spur
120
fehlt
225
[Mittel . .
. 1695
93*2
—
572
—
365
Dr. Ziegeler
(110 Analysen)
[Maximum
. 2660
250
357
510
450
500
Minimum
. 330
15
fehlt
10
fehlt
40
Mittel . .
. 14&7
78
186
183
81
330
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480
Dr. G. A. Ziegeler,
Es dürfte überflüssig erscheinen, dem Sachverständigen gegenüber zu
diesen Analysen noch einen Commentar zu liefern, dennoch sei es gestattet,
etwas näher anf dieselben einzugehen.
Dr. Plettner hat in seinen Analysen Ammoniak, salpetrige Säure
und Salpetersäure wohl aus den oben angeführten Gründen nicht bestimmt.
Die organischen Bestandteile sind von ihm durch den beim Glühen des er¬
haltenen Abdampfrückstandes erhaltenen Gewichtsverlust bestimmt worden,
eine Bestimmung, die als ungenau bezeichnet werden muss, namentlich bei
gypshaltigem Rückstände, da beim Glühen eines solchen auch das Ver¬
bindungswasser des Gypses mit fortgeht. Ich habe mir eine dem ent¬
sprechende Correctur der Piettner’sehen Analysen erlaubt, so dass der
verzeichnete Glühverlust der organischen Substanz möglichst entsprechen
dürfte; auch Kochsalz und Gyps sind der besseren Uebersicht wegen in
allen Analysen auf Chlor und Schwefelsäure berechnet.
Zu meinen Analysen habe ich noch die mikroskopische Untersuchung
des Bodensatzes aller der Brunnen hinzuzuziehen (von den untersuchten 66
etwa 20), die als trübes Wasser liefernd bezeichnet sind. Damit ist nicht
gesagt, dass diejenigen, welche klares Wasser gegeben haben, von jeglicher
Verunreinigung frei gewesen wären, im Gegentheil, geringe Flocken haben
fast alle Brunnen aufzuweisen gehabt.
Die mikroskopische Prüfung hat unmöglich eine vollständige sein
können, schon aus dem Grunde nicht, weil die Fauna eine so grossartige
ist, dass sie dem Mikroskopiker von Fach Material zu jahrelangem Studium
bietet. Auch ist hier nicht der Ort, auch nur ein oberflächliches Bild der
pflanzlichen und thierischen Bewohner der Brunnen zu geben. Nur so viel
sei erwähnt, dass von den einzelligen Schmutzalgen bis zu den sich be¬
reits geschlechtlich fort pflanzenden Oosporen keine Gattung fehlt, dass vou
dem niedrigst organisirten Proteus durch alle Abtheilungen der Infusorien
hindurch bis zu den complicirtesten Räderthierchen alle Arten vertreten
sind, dass sich in einigen Brunnen hierzu noch die mit unbewaffnetem Auge
sichtbaren Cyclops, Daphnia und Polypenarten gesellen.
Eine bacteriologische Untersuchung nach Koch ist nur mit dem
Wasser eines Brunnens (und zwar demjenigen aus der Pumpe in der Mühlen¬
strasse) ausgeführt worden. Im Durchschnitte von neun Bestimmungen
haben sich in 1 ccm Wasser 3000 Bacterien gefunden, darunter etwa 400,
welche eine Verflüssigung ihres Nährbodens veranlassten. Ein ähnlicher
Zustand dürfte bei den übrigen Brunnen vorhanden sein.
Plettner und Schorer bezeichnen die meisten Brunnenwässer als
übelriechend, als sehr hart und sehr schlecht; ich kann dieses Urtheil auch
heute noch im Allgemeinen als richtig gelten lassen. Wenn heute auch nur
wenige Brunnenwässer einen Übeln Geruch gezeigt haben und ich auch den
Superlativ „sehr“ streichen will, so bleibt immer noch ein hartes und
•schlechtes Wasser übrig, und der Stralsunder wird nie dazu kommen, aus
seinen Brunnen ein Wasser zu schöpfen, welches den oben aufgestellten oder
überhaupt billigen Anforderungen genügt
Aus den 1866 und 1885/86 ausgeführten Analysen geht aber hervor,
dass durch die inzwischen durchgeführte Canalisation eine wesentliche
Verbesserung der städtischen Pumpen eiDgetreten ist (ich bemerke hier,
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Die Wasserverhältnisse Stralsunds.
481
dass ich im Uebrigen kein Anhänger der Ganalisation bin), dass aber die
vorBtädtiscben Pumpen, denen die Vortheile der Canalisation niobt zu Tbeil
geworden sind, sich bedeutend verschlechtert haben. Die Analysen von
1885/86 beweisen aber ferner, dass der Erdboden noch stark mit organi¬
schen Stoffen durchsetzt und dass die Wirkung der Ganalisation nur eine
einmalige gewesen ist. Würde diese allmälig eingetreten sein, so würde
sie auch heute noch bestehen und es müsste sich, wenn auch nur eine ge¬
ringe, so doch eine Besserung des Wassers von 1885 bis 1886 ergeben
haben, eine solche ist aber durchaus nicht nachzuweisen.
Zur Verbesserung des Wassers sind verschiedene Vorschläge gemacht
worden.
Man hat versucht, durch wiederholtes vollständiges Abpumpen das
in dem Brunnenkessel befindliche Wasser zu reinigen; dadurch wurde
ein schnelleres Zuströmen von Wasser aus entfernteren Erdschichten be¬
dingt und dieses Wasser war noch schlechter, als das anfangs im Kessel
vorhandene, ein Beweis von der schlechten Beschaffenheit des Erdbodens.
Wenn aber durch das Wasser die schlechten Bodenbestandtheile entfernt
werden können, so müsste man doch schliesslich zu einer Reinigung des
Erdbodens gelangen können? Die Unausführbarkeit dieses Wunsches, der
hierorts in der That aufgestellt worden ist, bedarf wohl keines näheren
Beweises.
Man hat vorgeschlagen, den oberen Theil des Brunnenkessels mit
Lehm zu umkleiden, so dass die von den Strassen kommenden Unreinig¬
keiten nicht zum Wasser treten können. Wenn aber der gesammte Erd¬
boden mit Fäulnissstoffen durchsetzt ist und diese durch das Sinken und
Steigen des Grundwassers in die Brunnen gelangen, das Strassenwasser aber
durch die Canalisation abgeführt wird, so wird nicht dieses, sondern jenes
die Verunreinigung der Brunnen veranlassen. Kann man aber durch voll¬
ständiges Umkleiden der Kessel mit Lehm das Grundwasser von den Brun¬
nen fernhalten, da es die einzige Quelle ist, die ihnen Nahrung giebt? Man
müsste die Brunnen ganz eingehen lassen und sich auf die wenigen Bohr¬
brunnen beschränken um — noch schlechteres Wasser zu erhalten.
Es sind Einwendungen gemacht worden, dass die bei den Brunnen
befindlichen Schlammfänge zur Verunreinigung des Wassers beitragen. Ge¬
ringe Undichtigkeiten derselben zugestanden, so würden die Verunreini¬
gungen zunächst immer in einen Erdboden gelangen, der sich in einem
Zustande befindet, dass ihm das Zugeführte wenig schaden wird.
Eine Besserung des Wassers glaubt man ferner durch Einschütten von
Kies in die Kessel zu erlangen; dass eine solche unterirdische Filtration,
ohne Mitwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs, ohne jede Wirkung sein
wird, ist hinlänglich bekannt.
Ueber die unverbesserliche Unbrauchbarkeit des Erdbodens und der
in demselben stehenden Brunnen herrscht eigentlich auch nur eine Meinung.
Als Beweis führe ich eine Arbeit des Herrn Geheimrath Dr. Franke,
derzeitigen ersten Bürgermeisters der Stadt, an, „Die Wasser Verhältnisse
Stralsunds in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, die in der Stral-
sundischen Zeitung vom Jahre 1866 in den Nummern 65 bis 69 veröffent¬
licht ist und in der es einleitend heisst:
ViertcljahrMchrift für Gesundheitspflege, 1887. 01
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482
Dr. G. A. Ziegeler,
„So trefflich der Hügel, anf dem Stralsund gegründet, in den meisten
Beziehungen zur Anlage einer Stadt geeignet war, so litt der Platz doch an
einem empfindlichen Mangel, nämlich an dem: die Beschaffenheit des Unter¬
grundes erschwerte sehr die Anlegung von guten Quellbrunnen, ja machte
dieselbe an den meisten Stellen so gut wie unthunlich.“
Auch das in demselben Jahre von Dr. Plettner seinen Analysen bei¬
gegebene Urtheil sagt:
„Hieran anknüpfend kann ich jedoch die Bemerkung nicht unterlassen,
dass in den nicht in die Untersuchung hineingezogenen Brunnen sich noch
eine grosse Anzahl befinden mag, bei welchen ähnliche Verhältnisse ob¬
walten, wie sie sich bei den untersuchten herausgestellt haben; dass näm¬
lich ein grosser Theil unserer Pumpen ihr Wasser aus alten unterirdischen
Röhrenleitungen von den Teichen her bezieht, nur noch in stärkerem Grade
mit anorganischen und organischen Materialien beladen, und dass zweitens
die offenbar tiefer gesenkten wirklichen Quellbrunnen einen auffallenden
Reichthum an Chlormetallen und Gyps mit sich führen. Die benachbarte
Salzsole in Greifswald führt nun unwillkürlich auf die Vermuthung, dass
auch in unserem Boden eine grössere Menge salziger Bestandteile ent¬
halten sei und dass daher unsere tieferen Brunnen einen so grossen Gehalt
an Gyps und Salz aufweisen.“
Durch das Urtheil des Dr. Plattner werden wir auf den Ursprung
des Strakunder Brunnenwassers geleitet und es sei mir hieran anschliessend
ein kurzer Rückblick auf die hiesigen Wasserverhältnisse gestattet. Ich
habe dabei die bereits erwähnte Arbeit in der Stralsundischen Zeitung aus
dem Jahre 1866 und eine 1876 erschienene Broschüre des Rathsherrn
Brandenburg „Die Anstalten zur Versorgung der Stadt Stralsund mit
Wasser“ zu Grunde gelegt.
Bereits im Jahre 1271, also wenige Jahrzehnte nach der Gründung
der Stadt, wurde ganz Stralsund zum Zwecke der Wasserversorgung mit
einem Systeme unterirdischer, 8 bis 30 Fuss tiefer, 2 l h Fuss breiter Gänge
versehen. Die Sohle lag mehrere Fuss unter dem Wasserspiegel der Teiche«
Diese Gänge wurden mit Planken ausgesetzt und mit Planken bedeckt.
Auf dem Boden derselben befanden sich mit verpichten Deckeln geschlossene
hölzerne Wasserrinnen, die sowohl aus dem Frankenteiche, wie aus dem
Knieperteiche mit Wasser versehen wurden. Mit dieser Leitung wurden
zahlreiche Sode gespeist. Verstopfungen der Rinnen Hessen sich leicht be¬
seitigen, da diese frei in den für Menschen zugänglichen Stollen lagen.
Eine genaue Beschreibung dieser Leitungen aus dem Jahre 1547 nebst
Ergänzungen aus dem Jahre 1646 findet sich im Originaltexte in der
Brandenburg’schen Schrift. In dem Nachtrage von 1646 findet sich die
Bemerkung, dass ein theil weiser Verfall der Röhren bereits stattgefunden,
die Reste dieser alten Röhrenleitung aber existiren in der That heute noch,
auch kann der Zusammenhang einiger Brunnen unter einander und mit
den Teichen nicht bestritten werden, dennoch ist die Annahme, dass die
Brunnen Wasser aus den Teichen beziehen, nur dass dieses durch die
„nachgestürzten Erdroassen“ sickere und folglich „härter“ geworden sei,
nicht gerechtfertigt; freilich wird das Grundwasser in der Stadt wesentlich
durch die Teiche bedingt; wenn aber mit diesem Wasser solche Veränderung
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Die Wasserverhältnisse Stralsunds. 483
geschieht, wie sie thatsächlich stattfindet, so kann man nicht mehr behaupten,
dass der Stralsunder Teichwasser aus seinen Pumpen schöpft.
Aber weit vor dem Verfalle der Leitungen hat schon eine Ver¬
schlechterung des Wassers stattgefunden, weil theils die offenen Stellen,
theils die Teiche selbst zur Aufnahme allerlei lästigen Hausrathes dienten.
1418 erbot sich daher ein fremder Wasserkünstler, die etwa 1 / i Meile
von der Stadt liegenden Quellen hei Garbodehagen (auf die ich später
zurückkomme) durch eine Röhrenleitung nach der Stadt zu führen, und
drei Jahre später floss das Wasser auf beiden Marktplätzen aus. Dieses
wahrscheinlich etwas künstliche Werk ist aber nur kurze Zeit in Betrieb
gewesen. Ebenfalls von nur kurzer Dauer war eine zweite Leitung, die
das Wasser von dieser Quelle unter Druck nach der Stadt führte; in
den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts ist auch diese Leitung jedenfalls
nicht mehr in Betrieb gewesen. Die kurze Lebensdauer derselben möchte
ich hauptsächlich auf den Umstand zurückfuhren, dass die Quelle nicht den
Gesammtbedarf der Stadt an Wasser decken konnte, daher nothwendig ge¬
wordene Reparaturen wohl unterblieben und so ein schneller Verfall herbei-
geführt wurde. Andererseits wird behauptet, dass Wallen stein die Leitung
1628 zerstört haben soll. Der drückende Wassermangel, namentlich hei den
Feuersbrünsten, durch welche die Stadt am 10. und 11. October 1678 und
am 16. Juni 1680 heimgesucht wurde, gaben im Jahre 1687 der Bürger¬
schaft Veranlassung, für eine ergiebige Wasserleitung Sorge zu tragen.
Vor dem Küterthore, am Ufer des Knieperteiches, wurde durch den
Wismarischen Kunstmeister van Zwolle ein Pumpenwerk eingerichtet,
welches das Wasser in grosse, auf dem Boden des Betriebsgebäudes stehende
Kufen hob, von wo es mittelst des natürlichen Druckes in die durch die
meisten Theile der Stadt geführten hölzernen Röhren getrieben wurde. Es
wurde eine Anzahl Freipfosten zur unentgeltlichen Benutzung für Jeder¬
mann aufgestellt, im Uebrigen konnte jeder Hausbesitzer gegen Entschädi¬
gung eine Zweigleitung auf sein Grundstück führen. Als Triebkraft wurde
das Wasser des Obergrabens der Kniepermühle benutzt. Da dies aber auf
die Dauer nicht anging, so wurde das Werk durch Pferde in Bewegung ge¬
setzt. Die Kosten der Einrichtung und Unterhaltung wurden durch frei¬
willige Beiträge — die Stadt bewilligte einmal 1000 Gulden, König Carl XI.
600 Bäume zu Röhren — und durch die Einkaufsgelder gedeckt. Später
übernahm wegen des gemeinnützigen Interesses Rath und Bürgerschaft die
Haltung der Pferde, dann Anfang des 18. Jahrhunderts die Verwaltung der
ganzen Anstalt. Allmälig wurden die Wasserkufen vergrössert, das
Röhrennetz erweitert und die Freipfosten vermehrt, auch Verbesserungen
an dem Triebwerke vorgenommen. Trotzdem hielt diese „Wasserkunst“
mit den gesteigerten Anforderungen keineswegs gleichen Schritt und die
anfangs gepriesene Anstalt kam immer mehr in Verfall, ja das Wasser derselben
hat nie etwas getaugt. Schon 1613 sind Klagen über das schlechte Wasser
geführt, man meinte aber damals, die auf dem Teiche gehaltenen Schwäne
frässen das denselben verunreinigende Kraut genugsam weg. 1685 über¬
nahm die schwedische Krone die Verpflichtung, alljährlich baggern zu
lassen; die vielen Beschwerden aber, welche vom Rathe wegen unterlassener
Baggerung geführt wurden, zeigen, wie unvollkommen die Krone ihre Ver-
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Dr. G. A. Ziegeler,
pflichtungen erfüllte. Erst nacR der preussischen Besitznahme wurde der
Militärfiscus (1821) vertragsmässig von der Verpflichtung der Reinhaltung
der Teiche entbunden, eine bessere Instandhaltung erwuchs hieraus aber
nicht, nur wurde jeden Sommer in den Teichen gekrautet.
Anfang der sechziger Jahre geschah eine Besserung durch Aufhebung
der Knieper- und der Kuckucksmühle. Die Stadt hatte jetzt die Regelung
des Wasserstandes völlig in der Hand und konnte so einem Versumpfen der
Teiche Vorbeugen. Sodann wurde wieder ernstlich mit dem Baggern be¬
gonnen, namentlich wurde in den Jahren 1859 bis 1874 im Knieperteiche
kräftig gebaggert, wenn auch nicht in seiner ganzen Ausdehnung. Man
erhoffte eine Besserung des Wassers, dieselbe ist aber nicht eingetreten und
war eine solche von vornherein auch nicht zu erwarten, denn die Vertiefung
des Grundes auf drei Meter bedingte die Beseitigung aller Pflanzen, durch
die Abwesenheit dieser wird ein stehendes oder langsam fliessendes Ge¬
wässer aber nur verschlechtert werden.
Genau dieselbe Rolle, die die Pflanzen zur Aufrechterhaltung des
Gleichgewichtes in der Atmosphäre spielen, so dass bei mangelndem
Pflanzenwuchs auch immer nur eine niedere Thierwelt bestehen kann, bis
mit jenem auch diese ganz auf hört, so werden auch in einem an Pflanzen
armen Teiche sich immer niedere Organismen entwickeln und überhand
nehmen, weil die sie wieder vernichtenden, höher organisirten Wesen die
im Uebrigen für ihre Existenz nöthigen Bedingungen in einem solchen
Wasser nicht mehr finden.
Das Pumpwerk vor dem Küterthore existirt noch und versorgt noch
heute die Stadt mit Gebrauchswasser, mit nicht filtrirtem Knieperteich¬
wasser. Der Betrieb durch Pferde hat 1867 aufgebört und ist zunächst
durch eine 6pferdige, dann durch eine 8-, dann 15 pferdige Dampfmaschine
ersetzt worden. Die alten hölzernen Röhren sind nach und nach durch
eiserne ersetzt, auch heute bestehen noch eine Anzahl (23) Freipfosten;
der Boden des jetzigen Wasserbassins liegt 19 m über dem Teich; die bei
Reinigung und Reparaturen bisher eintretenden Störungen haben seit
Kurzem ihre Beseitigung gefunden und nur die schlechte Beschaffenheit des
Wassers selbst ist Schuld, dass die Anstalt billigen Anforderungen nicht
genügt.
Zur Verbesserung desselben sind ebenfalls verschiedene Vorschläge
gemacht, namentlich istFiltriren desselben gewünscht worden und nachdem
dieses hat aufgegeben werden müssen, die Verlegung des Einflussrohres.
Ein Filtriren des Knieperteichwassers gehört wegen der trüben Be¬
schaffenheit desselben während der Sommermonate geradezu zu den Unmög¬
lichkeiten. Zu dieser Zeit bildet das Wasser in einer wenige Centimeter
dicken Schicht eine undurchsichtige Flüssigkeit von bräunlicher oder bräun¬
lichgrüner Färbung, bedingt durch todte und lebende Mikroorganismen,
die in solcher Menge vorhanden sind, dass in kurzer Zeit jedes Filter ver¬
stopft sein muss. Der Mangel an Platz bei der Stadt hätte ausserdem nur
ein solches von beschränktem Umfange zugelassen (es war die frühere
Katharinenbastion dazu in Aussicht genommen), so dass im Sommer
jedenfalls täglich eine Erneuerung der Filterschichten hätte stattfinden
müssen.
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Die Wasserverhältnisse Stralsunds.
Zur Beantwortung der Frage, ob durch die Verlängerung des Einffuss-
rohres bis in die Mitte des Teiches eine Verbesserung des Wassers zu er¬
hoffen sei, sind von mir im Aufträge der Stadt-Bau-Inspection fünf, an
verschiedenen Stellen entnommene Wasserproben untersucht. Die Resultate
dieser Untersuchungen waren unter sich völlig übereinstimmend, dennoch
beschliesst das bürgerschaftliche Collegium die Verlängerung des Rohres
um 38 m, weil eine solche doch auf das Publicum einen beruhigenden
Eindruck machen dürfte! Die Nutzlosigkeit dieses Unternehmens wird
aber den Stralsundern noch in diesem Sommer klar werden.
Die zeitige Wasserversorgung in Stralsund besteht also in Beschaffung
des Trinkwassers aus einer Anzahl Brunnen, die in einem stark verunrei¬
nigten Erdboden stehen und in Beschaffung des Gebrauchs wassere durch
eine Leitung,' die nicht filtrirtes Knieperteichwasser liefert. Beide Ein¬
richtungen müssen als unzulänglich, erstere sogar als gesundheitgefahrdend
bezeichnet werden, beide sind einer Verbesserung unfähig, es bleibt daher
weiter nichts übrig, als sich mit dem Gedanken an eine Neugestaltung der
Wasserversorgung vertraut zu machen.'
Und diese ist so durchaus einfach und ohne grosse Kosten zu erzielen.
Leben und Gesundheit, Handel und Gewerbe haben unter diesen un¬
günstigen Verhältnissen gelitten und leiden täglich unter denselben. Aber
der Stralsunder ist blind gegen dieses Leiden, oder er will blind dagegen
sein, er behauptet, dass es heut zu Tage noch eben so viele alte und gesunde
Leute in der Stadt giebt, als vor 200 bis 300 Jahren, und doch ergeben die
Thatsachen das Gegentheil dieser Behauptung und zwar durch die alljährlich
geringer werdende Einwohnerzahl — ob diese nun durch frühzeitigeres
Ableben oder durch Fortzug bedingt wird,* bleibt ganz gleichgültig —
ergiebt sich ferner durch die Thatsache, dass Stralsund im Jahre mehr Geld
ausführt als einführt. Der Rückgang von Handel und Gewerbe, wird gesagt,
ist ein allgemeiner und Stralsund hat darunter nicht allein zu leiden, Stral¬
sund aber hat die Mittel, wenn auch dem Uebel nicht ganz abzuhelfen, so
doch dasselbe zu mildern, und nicht als schlechtestes gehört hierzu die
Möglichkeit, sich von dem Rufe, den es in Deutschland als eine ungesunde
Stadt geniesst, zu befreien, zu befreien durch die Beseitigung der alten und
die Errichtung einer gesunden, den heutigen Anforderungen entsprechenden
Wasserleitung.
Die Erkenntniss dieser Nothwendigkeit ist auch nicht neu. Bereits im
Jahre 1856 ist der Plan gefasst, die Stadt mit filtrirtem Borgwallsee wasser
zu versorgen. Der Borgwallsee liegt etwa eine Meile von der Stadt und
ergiesst sein Wasser durch einen vielfach gewundenen, durch gewerbliche
und landwirtschaftliche Einrichtungen vielfach verunreinigten Landgraben
in den Knieperteich. Im Jahre 1866 ist dem bürgerschaftlichen Collegium
ein ausgearbeiteter Plan dieses Projectes vorgelegt worden. Die Berathungen
über denselben wurden aber auf sechs Monate verschoben, weil die Geld¬
kraft der Stadt durch Bodenerwerbungen für die Angermünder Bahn und
für Hafenbauten zu sehr in Anspruch genommen war und an eine Aus¬
führung des Projectes doch nicht gedacht werden konnte.
Aus diesen sechs Monaten sind 21 Jahre geworden, noch immer ist die
Beschaffung eines gesunden Wassers ein frommer Wunsch eines kleinen
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Dr. G. A. Ziegelei*,
einsichtsvolleren Theiles der Bevölkerung geblieben. Ein Gutes mag diese
Verzögerung mit sich gebracht haben. Man ist zu der Erkenntniss gelangt,
dass filtrirtes Teichwasser keinen genügenden Ersatz als Trinkwasser
liefert.
Auf Grund besserer Erfahrungen sind dann in neuerer Zeit andere
Vorschläge gemacht worden. Von diesen mag das neueste Project, weil es
sich ebenfalls als unausführbar erwiesen, zunächst kurz erwähnt sein.
Man war der Ansicht, dass sich im Norden der Stadt Quellen mit
gutem Wasser finden würden; die beiden Bohrbrunnen auf dem hier gele¬
genen Hofe der Brauerei Bellevue berechtigten zu dieser Annahme. Es
war daher nur die Frage, ob sich Wasser in genügender Menge fände. Die
dahin angestellten Bohrversuche haben aber das Resultat ergeben, dass
dem nicht so ist. Die Lage der Quellen in einem niedriger als die Stadt
gelegenen Terrain wäre auch so ungünstig wie nur denkbar gewesen, die
Fassung der Quellen und die Herschaffung des Wassers zur Stadt wäre
für diese mit fast unerschwinglichen Kosten verbunden gewesen, und wenn
sich auch nur weiches Quellwasser zur Wasserversorgung der Städte eignet,
so muss es für Stralsund doch als ein Glück bezeichnet werden, dass hier
keine Quellen gefunden worden sind.
Es bleiben daher nur noch zwei Projecte übrig, die gegenwärtig die
Bürgerschaft beschäftigen. Das erste ist die Reinigung des Borgwallsee¬
wassers durch Berieselung und das zweite die Wiederherstellung der alten
Wasserleitung von Garbodehagen. Ersteres Project muss durchaus als
phantastisch und unausführbar bezeichnet werden, und so bleibt nur das
letztere, als einzig richtiges, dabei leicht und billig herzustellendes Mittel
zur Wasserversorgung der Stadt übrig.
Eine halbe Meile westlich von der Stadt liegt Gutshof und Mühle
Garbodehagen, bei denselben der sogenannte Galgenberg, auf dessen Höhe
Bich die Quelle befindet, die im 16. Jahrhundert Stralsund mit Trinkwasser
versorgt hat. Wiederum eine kleine halbe Meile hinter Garbodehagen und
noch etwas höher gelegen liegt der Borgwallsee.
Das Project der Berieselung geht nun dahin, das Wasser des Borg¬
wallsees durch eine Dampfmaschine auf die anliegenden Aecker zu pumpen,
es nun sich selbst zu überlassen, eventuell demselben seinen Weg derartig
vorzuschreiben, dass es am Fusse des Galgenberges wieder gesammelt
werden kann; hier soll es durch eine zweite Dampfmaschine auf die Höhe
des Berges gehoben und dann zur Stadt geleitet werden. Die Kosten der
Ausführung dieses Projectes sind auf 800000 Mark veranschlagt worden.
Die Unterhaltungskosten dürften vielleicht etwas niedriger sein als die
Unterhaltung künstlicher Filter. Aber es fehlt diesem Projecte jede
Garantie für ein glückliches Gelingen.
Es mag ja sein, dass das Wasser den gewünschten Weg nimmt, oder
sioh seinen unterirdischen Weg auf einem so grossen Terrain vorschreiben
lässt, unmöglich ist es aber andererseits auch nicht, dass es trotz des öst¬
lichen Gefälles seinen Weg zurück in den Borgwallsee nehmen wird. Jeden¬
falls hat eine Stadt keine Veranlassung, aufs Ungewisse hin solche Geld¬
opfer zu bringen. Auch die chemische Wirkung der Berieselung auf das
Wasser bedarf sehr der Berücksichtigung. Dass eine solche auf Canal-
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Die Wasserverliältnisse Stralsunds.
4b7
wasser von grosser Wirkung ist, steht fest; wird das Teichwasser aber
factisch eine solche Verbesserung erfahren, dass es Quell wasser an Güte
gleich kommt, oder wird die Wirkung der Berieselung nur die eines guten
Filters sein? Das sind Fragen, die erst nach Fertigstellung des ganzen
Projectes beantwortet werden können, bei einem ungünstigen Ergebniss
lässt sich aber die Ausführung nicht wieder beseitigen.
Andererseits ist die chemische Wirkung des Wassers auf den Erdboden
zu berücksichtigen and ist diese mit viel grösserer Bestimmtheit voraus¬
zusagen. Die aus leichtem Sandboden bestehenden Aecker, die zunächst
zur Aufnahme des Wassers dienen sollen, werden bald vollkommen aus¬
gewaschen sein. Das Bergwallseewasser ist kein Canalwasser und seine
Wirkung auf den Erdboden wird darin bestehen, dass zunächst die leichter
löslichen, dann die schwerer löslichen Salze ausgewaschen sein werden und
nichts als Sand übrig gebliebeu ist. Diese Sandflächen glaubt man nach
Bedarf reinigen zu können, dadurch, dass man dieselben anbaut und die
ihnen durch das Wasser zugeführten organischen Substanzen durch den
Pflanzen wuchs zerstört; man bedenkt dabei aber nicht, dass das Wasser
unter den obwaltenden Verhältnissen dem Erdboden mehr Pflanzennähr-
Stoffe nimmt, als es ihm giebt, ja daBS derselbe über kurz oder lang völlig
steril sein wird. Der Zeitpunkt, in dem dieser Zustand eingetreten, lässt
sich aus der chemischen Zusammensetzung des Bodens, der Grösse der
Fläche und der Menge des durch sie rieselnden Wassers, ich möchte sagen
auf Tag und Stunde, berechnen, und das Ende des Berieselungsprojecta
sind grosse Sandfilter, ohne Basis, ohne Umfassungsmauern, also ohne
Garantie über den Verbleib des Wassers.
Anlangend die Wiederherstellung der alten Wasserleitung, so ist
gesagt, dass die Quelle oder richtiger die Quellen auf der Höhe des Galgen¬
berges bereits im Jahre 1418 eingefasst und in ein über der Hauptquelle
angebrachtes gemeinsames Bassin, welches ein ungefähr 150 Fuss langes,
50 Fuss breites von Westen nach Osten sich erstreckendes Oval bildet,
geleitet worden sind. Im Grunde wurde dasselbe mit einem Rostwerk von
vierfach gekreuzten Balken belegt und oben mit Planken bedeckt; an der
gegen Osten oder der Stadt zugekehrten Seite mit einem Bohlwerk und
Damm gefasst und in diesem mit drei über einander liegenden Abzugsrohren
versehen.
Das Bassin ist heute völlig verfallen und versumpft, von dem Rost¬
werk werden im Grunde höchstens noch einige verfaulte Reste vorhanden
sein, seitlich rieseln einige kleine Quellen in das Bassin, das östliche Bohl¬
werk steht noch, statt der drei Abzugsrohren sind aber jetzt nur zwei
neben einander liegende vorhanden. Die Höhe des Wasserspiegels im
Sammelbecken liegt 4 1 /*m über dem höchsten Strassenpunkt der Stadt und
7*5 m über dem Wasserstand im Knieperteich. Die Quellen liefern nach
wiederholten Messungen in 24 Stunden rund 450 cbm Wasser; bei einer
Bevölkerung von 28000 kommen somit auf jeden Einwohner reichlich
16 Liter täglich, eine Menge, die als Trink wasser mehr als genügend ist.
Dass das Wasser in diesem Bassin viel schlechter ist als das Quellwasser
selbst, ist wohl selbstverständlich; dennoch hat die Stadt nicht einen ein¬
zigen Brunnen, dessen Wasser demselben schon jetzt an Güte glcichkäme:
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Dr. G. A. Ziegelei*,
von den 230 mg Rückstand sind allerdings noch 30 mg organische Substan¬
zen, dabei 14 mg Chlor, und Schwefelsäure ist spurenweise vorhanden, es
ist aber durchaus keine Frage, dass sich die organischen Substanzen nach
Reinigung des Bassins auf ein Minimum reduciren werden, und das, wenn
auch nur aus einer kleinen Seitenquelle rieselnde Wasser dürfte als allgemeiner
Beweis gelten können. Auch ist die Reinigung des Bassins nicht mit Kosten
verbunden, der directe Beweis für die Güte des Wassers leicht zu liefern.
Ausser dieser Galgenbergquelle ist in nächster Nähe vor Kurzem eine
zweite Quelle gebohrt, die ebenso reichlich fliessen soll als die alte. Ueber
die Güte des Wassers ist mir zur Zeit nichts bekannt Es dürften sich
auch noch andere Quellen in jener Gegend finden, sie alle werden aber von
keiner besonderen Bedeutung für die Stadt, weil die Gesammt-Wassermengen
immer nicht hinreichen werden, um den ganzen Bedarf der Stadt an Wasser
zu decken. In diesem Umstande liegt auch der alleinige Einwand, der mit
einigem Recht gegen die Ausführung des Projectes erhoben werden kann.
Würde man die Quelle zur Stadt leiten, so müsste sich die Leitung hier
verzweigen, so dass an mindestens fünf bis sechs Stellen in derselben und
an je einer Stelle in den drei Vorstädten Wasser geschöpft werden könnte.
Dadurch aber würde die Anlage eines zweiten Röhrensystems bedingt.
Gewiss ist der Wunsch nach einer das Gssammtwasser liefernden guten
Leitung gerechtfertigt, wo sich aber eine solche von selbst verbietet oder,
wie in Stralsund, mit fast unerschwinglichen Kosten und zweifelhaften
Resultaten verbunden ist, da hat man sich nicht lange zu besinnen, und
hat sich mit dem zu begnügen, was man erhalten kann. Und wahrlich
ist es das Schlechteste nicht. Freilich müsste man dem Stralsunder gleich¬
zeitig seine alte verdorbene Hof- und Strassenpumpe nehmen und der Um¬
stand, dass er dann genöthigt sein wird, sein Trinkwasser einige Schritt
weiter herholen zu müssen, macht ihn gegen das Project, als eine un¬
bequeme Neuerung, eingenommen. Aber möchte die Stadt doch nur
bedenken, von einem wie grossen Nutzen für das allgemeine Wohl die Be¬
schaffung eines gesunden Wassers ist, sie würde wahrlich etwas dafür thun,
ihr schlechtes Renommee, dass sie als ungesunde Stadt — ob nun mit Recht
oder Unrecht, ist gleichgültig — geniesst, zu beseitigen. Was nutzt es ihr,
wenn sie wirklich besser ist als ihr Ruf. Aber der Stralsunder ist nicht
im Stande, vorwärts zu streben ; wie der Ertrinkende sich an den ihm sich
darbietenden Strohhalm, so klammert er sich an seine fragwürdigen
Heldenthaten einer späten Vergangenheit, in ihr lebt und webt er und so
genügt ihm auch seine alte versumpfte Wasserversorgung. Und gerade
diese ist es, die ihn gefangen hält in seinen mittelalterlichen Vorurtheilen,
Leben und Weben hemmend und zerstörend, nur in seinem schlechten
Wasser hat er den Grund zu suchen, dass er als ein körperlich wie geistig
abgesondertes Glied unseres schönen deutschen Vaterlandes angesehen
werden muss. Ob im Weine Wahrheit liegt, mag dahin gestellt bleiben,
dass aber im Wasser die Gesundheit begründet liegt, bedarf keines Be¬
weises mehr; sollte es dennoch eines Beweises bedürfen, so ist Stralsund ein
solcher voll und ganz und mag es daher als warnendes Beispiel hingestellt
werden, bis es sich selbst aufgerüttelt hat aus seiner Lethargie, in der es
sich seit dem Jahre 1628 befindet.
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Die Wasserverhältnisse Stralsunds.
489
Aber es erübrigt noch, auch für das schlechte Gebranchswasser einen
Ersatz zu schaffen und auch dieser ist leicht beigebracht. Wie gesagt, will
man das Leitungswasser dadurch verbessern, dass man das Einflussrohr um
38m verlängert hat. Dass diese Verbesserung ohne Erfolg sein wird, ist*
ebenfalls bereits gesagt. Der Leser wird sich aber auch erinnern, dass
Stralsund noch einen zweiten Teich, den Frankenteich, in seiner Nähe hat.
Dieser ist grösser noch als der Kniegerteich, aber flacher und von sumpfige¬
rem Untergründe. Der Teich ist mit Pflanzen und Fischen reichlich besetzt
und führt ein klares, gutes Wasser, er erhält seinen Zufluss zum grössten
Theil aus dem tödlich der Stadt gelegenen Püttersee, auch die Galgenberg¬
quellen fliessen in denselben. In chemischer Beziehung ist . freilich das
Frankenteichwasser von demjenigen im Knieperteich wenig verschieden,
aber es ist klar und blank, während dieses eine trübe undurchsichtige
Flüssigkeit bildet. Würde man das Saugrohr der Wasserkunst statt um
38 m um 250 m verlängern, so würde es in den Frankenteich münden, und
der Stadt würde ein klares und reines Gebrauchswasser zugeführt werden.
Man hätte dann nicht nöthig, das zum Waschen von Händen und Gesicht
nöthige Wasser erst durch Absetzen oder Filtriren zu klären, eine Procedur,
die im Sommer oft zur Unmöglichkeit wird, weil die abgestorbenen Mikro-
und Makroorganismen in kurzer Zeit in Fäulniss übergehen und das Wasser
dann völlig unbrauchbar wird.
Beide Verbesserungen, die Leitung der Galgenbergquellen zur Stadt
und die Verlängerung des Einflussrohres, gebrauchen aber noch nicht den
achten bis neunten Theil der Kosten, die zur Ausführung des Berieselungs-
projectes nöthig sind. Bemerkt sei noch, dass sich die Leitung zur Stadt
immer noch auch für die grössere Leitung verwenden lässt, dass also ein
Risico in keiner Beziehung vorliegt, unbegreiflich ist und bleibt es daher,
dass diese Angelegenheit, die schon seit so langer Zeit völlig spruchreif ist,
in ihrer Ausführung noch so lange auf sich warten lässt.
Möge die Zeit nicht mehr fern sein, in der der erste Schritt zum neuen
Leben und Wohlergehen einer ganzen Stadt gethan wird.
Stralsund, Anfang Mai 1887.
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490
Kritiken und Besprechungen.
Kritiken nnd Besprechungen.
Dr. J. Daimer, k. k. Aerztlicher Statthalterei-Concipist und Schriftführer
des Landes-Sanitatsräthes: Sanitätsbericht über Tyrol und
Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884 mit Rückblick
auf die früheren Jahre, herausgegeben vom k. k. Landes-Sani tätsrathe
für Tyrol und Vorarlberg. Innsbruck, Wagnerische Universitäts-
buchdruckerei, 1886, 263 S., gr. 4.
In neun Abschnitten werden die Länder Tyrol und Vorarlberg, die Be¬
wohner, die Bewegung der Bevölkerung, die Gesundheitsverhältnisse, die
Mortalität, die Humanitätsanstalten, die Gurorte, Geisteskranke, Taubstumme,
Blinde und zuletzt das Sanitätspersonal besprochen.
Der Flächeninhalt von Tyrol beträgt 26 690*4, jener von Vorarlberg
2602*4 qkm; beide Länder gehören dem Gebiete der Ostalpen an und sind
reich an Thälern. Der Boden wird in den Centralalpen aus Silicaten, in
den nördlichen und südlichen Zonen vorwiegend aus Kalk gebildet. Das
Klima zeigt die extremsten Gegensätze und im Pflanzenleben herrscht die
grösste Mannigfaltigkeit. Am meisten von der Natur begünstigt wird die
Viehzucht.
Die Volkszählung Ende 1880 ergab in Tyrol eine Bevölkerung von
805 176, in Vorarlberg von 107 373 Menschen (oder von 1869 bis 1880 in
Tyrol eine Zunahme von 2*7, in Vorarlberg von 4*5 Proc., d. h. geringer als
in anderen österreichischen Kronländern), die sich in Tyrol auf 900 Ge¬
meinden mit 1887 Ortschaften, in Vorarlberg auf 188 Ortschaften vertheilen.
Auf 1 qkm Fläche in Tyrol kommen 30 Bewohner, es ist daher nach Salz¬
burg mit 23 das am dünnsten bevölkerte Kronland, in Vorarlberg 41 Ein¬
wohner. Das weibliche Geschlecht ist überwiegend. In ganz Tyrol wohnen
nur 1424 Protestanten und 360 Juden, in Vorarlberg 765 Protestanten und
168 Juden. Die Bevölkerung des erstgenannten Landes ist deutsch, italienisch
und rhätoromani8ch, die des letzteren deutsch. Hauptbeschäftigung ist die
Viehzucht Bergbau ist sehr zurückgegangen, Fabriken gibt es in Vorarl¬
berg viele, in Tyrol nur wenige.
Das Geburtsverhältniss war in Tyrol das ungünstigste in allen
Kronländern, im Mittel 29*73, in Vorarlberg 31*01 pro Mille der Lebenden;
auf 100 Geborene kommen in Tyrol 4*3, in Vorarlberg 5*6 uneheliche
Kinder, in Oesterreich 13*2. Todesfälle entfallen in Tyrol 25*0, in
Vorarlberg 26*1 auf 1000 Einwohner. Klima und Boden einerseits, Be¬
schäftigung und Lebensweise andererseits beeinflussen die Gesundheit der
Bevölkerung sehr vortheilhaft. Nichts desto weniger finden aber Ansteckungs¬
stoffe an vielen Orten günstigen Boden und verursachen mehr oder weniger
ausgebreitetes Vorkommen von Infectionskrankheiten. In den Jahren
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Daimer, Sanitätsbericht über Tyrol und Vorarlberg. 491
1883 und 1884 erkrankten an Blattern 5018 Menschen in Tyrol, 462 in
Vorarlberg, es starben hieran von 1000 Lebenden in Tyrol 0*81 (von
100 Geblätterten 11*8), in Vorarlberg 0*55 (von 100 Geblätterten 12*8).
Von Geimpften starben in beiden Ländern 5*2 Proc., von Ungeimpften
16*5 Proc. Als die wichtigsten prophylaktischen Maassregeln erwiesen sich
auch hier Isolirung und Impfung. — Ueber Scharlach, Masern, Keuch¬
husten liegen nur wenige verwerthbare Zahlen vor; zur Verhinderung der
Ausbreitung geschah so gut wie Nichts. Bei Diphtheritis wurde beob¬
achtet, dass sie in Häusern mit feuchtem Untergründe häufiger ist, dass
rauhe Witterung und besonders das Vorherrschen östlicher Winde auf das
Vorkommen von Einfluss war, dass aber Unreinlichkeit in Wohnungen,
Feuchtigkeit derselben, Mangel an Lufterneuerung entschieden das häufigere
Auftreten der Krankheit begünstigen. — Typhus ist in Tyrol keineswegs
selten und fordert in vielen Gegenden alljährlich ihre Opfer. Der alluviale
Boden, auf dem die Ortschaften stehen, der schwankende Wassergehalt des¬
selben, die Aufhäufung der Abfallstoffe, Stalldünger etc. in der nächsten
Nähe der Häuser, die hierdurch bewirkte Verderbniss des Wassers können
als Ursachen beschuldigt werden; Unreinlichkeit in den Wohnungen, Armuth,
Branntweingenuss sind begünstigende Momente. Zumeist tritt der Typhus
im Spätherbste oder bei schon gefrorenem Boden auf, oft als Hausepidemie,
nicht selten aber auch in mörderischen Epidemieen, Wälschtyrol, Vintschgau,
stellenweise das Pitzthal, Zillerthal und Pusterthal, sind wahrhaft classische
Typhuslocalitäten. Wo schlechtes Trinkwasser, wird dieses als Typhus¬
ursache beschuldigt, in manchen Gemeinden erzeugt es wenigstens regel¬
mässig Magen- und Darmkatarrh epidemisch. Ein genauer Nachweis über
die Erkrankungen und Todesfälle an Typhus lässt sich nicht geben, weil die
Anzeige sehr lückenhaft ist. Der Mangel der Anzeigepflicht macht auch
nähere Daten über Kindbettfieber unmöglich. Die Anzeigepflicht erstreckt
sich nur auf Blattern, Scharlach, Diphtheritis, Typhus, Cholera, Ruhr,
Masern, Keuchhusten. Sie besteht seit 1883 und, wenn sie auch vielfach
nicht ganz streng durchgeführt wurde, so erwies sie sich ebenso wie die
daran geknüpften prophylaktischen Maassregeln doch jetzt schon sehr
nützlich.
Die Sterlichkeit im Kindesalter (von 1000 Lebendgeborenen
233 im ersten Lebensjahre) ist in Tyrol und Vorarlberg keine ungewöhnlich
hohe, doch wird sehr geklagt, dass die natürliche Ernährung der Kinder
an der Mutterbrust immer seltener, Scrophulose und Rhachitis häufiger
werden. Die verderblichste Krankheit der Menschen, die Lungen¬
schwindsucht, ist in Tyrol (auf 1000 Lebende 2*5?, auf 100 Verstorbene
10*1 Todesfälle an Phthisis) nicht so verbreitet, wie anderswo, desto mehr
aber in Vorarlberg (auf 1000 Lebende 4*71, auf 100 Verstorbene 18*1
Todesfälle an Phthisis). Besonders leiden die Baumwollspinner und Sticker
darunter, am meisten aber die Barmherzigen Schwestern (!). Sehr unter¬
graben wird die Gesundheit der Bewohner durch die Zunahme des Alkohol¬
missbrauches und der Bericht ist sehr pessimistisch in Bezug auf das,
was Tyrol von der Branntweinpest zu fürchten hat.
Die Humanitätsanstalten Tyrols stammen zum Theil aus lang
zurückliegender Zeit und sind sehr belangreich; im Jahre 1884 zählte mau
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41)2 Kritiken und Besprechungen.
44 Spitäler, 24 öffentliche, 20 private. Vorarlberg hat kein öffentliches
Krankenhaus. Die Krankenpflege liegt meist den Barmherzigen Schwestern
oh. Sehr geklagt wird über den Mangel an Einrichtungen für das Des-
infectionsverfahren und über die Verbindung einzelner kleiner Spitäler mit
Schulen, welche beide von Barmherzigen Schwestern besorgt werden. —
Irrenanstalten besitzt Tyrol zwei, ausserdem eine private, und es waren
von 100 Irrsinnigen 23 in einer Anstalt; Vorarlberg eine, und hier waren
von 100 Irrsinnigen 30 in einer Anstalt. — Sehr reichlich sind die Ver-
Borgungsanstalten, sie leiden jedoch vielfach an hygienischen Miss¬
ständen. Die Zahl der Armeninstitute ist ebenfalls bedeutend, doch
soheint mit ihnen nichts Hervorragendes geleistet zu werden.
Die Curorte und Bäder Tyrols sind sehr zahlreich, aber es wird darüber
geklagt, dass es mit ärztlicher Hülfe schlecht bestellt sei.
Cretinismu8 ist ein selten vorkommendes Gebrechen. Geistes¬
kranke gibt es in Tyroleinen auf 313, in Vorarlberg auf 299 Einwohner;
Taubstumme einen in Tyrol auf 977, in Vorarlberg auf 1692 Einwohner;
Blinde einen in Tyrol auf 1031, in Vorarlberg auf 1142 Einwohner.
Doctoren der Medicin befanden sich Ende 1884 in Tyrol 338, in
Vorarlberg 44; Wundärzte 101, resp. 18; Thierärzte 21, resp. 8; Hebammen
905, resp. 109 = 1 auf jede Gemeinde; Apotheken 98, resp. 6. Die Zahl
der Aerzte hat entschieden abgenommen, der Grund liegt in derVerarmuug
der Bevölkerung, in dem Ueberhandnehmen der Curpfuscherei und der
Geheimmittelkrämerei. Um dem Aerztemangel, besonders auf dem Lande,
zu begegnen, wird die gesetzliche Regelung des Sanitätsdienstes in den
Gemeinden, die Sorge für einen anständigen Verdienst, die Gründung eines
Pensions- und Unterstützungsfonds für den Arzt und seine Familie lebhaft
verlangt.
Der vorliegende Bericht, aus dem wir einige Notizen brachten, macht
keinen anderen Anspruch, als das bis jetzt vorliegende statistische Material
gesammelt und verwerthet zu haben, er will nur spätere eingehendere der¬
artige Arbeiten erleichtern. Dieser Anspruch ist nur zu bescheiden, denn
der Bericht ist musterhaft und bietet hygienisch sehr viel Beachtenswerthes.
Dr. E. Marcus (Frankfurt a. M.).
Risultati delT inohiesta sulle oondizioni igieniohe e sani-
tarie nei comuni del regno. Rdazione generale , Roma 1886.
Das vorliegende inhaltreiche Werk steht einzig in seiner Art da und
verdient deshalb wohl eine etwas eingehendere Besprechung auch an dieser
Stelle. Es verdankt seine Entstehung der Initiative des italienischen Mini¬
steriums des Inneren, welches durch ein Rundschreiben vom 9. Januar 1885
die Gemeindebehörden des Königreichs aufforderte, sanitäre Erhebungen
nach einem bestimmten Fragebogen (siehe denselben in meinem Jahres¬
berichte über die Leistungen auf dem Gebiete der Hygiene pro 1885,
S. 27) anzustellen und über das Ergebniss zu berichten. Die eingegan-
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Risultati dell’ inchiesta sulle condizioni igieniche e sanitarie etc. 4 ( j3
genen Data wurden im Ministerium zusammengestellt, und aus dieser Arbeit
gingen zwei grosse Bände hervor. Der erste brachte die Specialdata über
die sanitären Verhältnisse der einzelnen Communen, der zweite, oben citirte,
aber auf 505 Seiten eine Generalübersicht über das Resultat der ganzen
Erhebung. Das erste Capitel bespricht die Lage der Communen nach den
Terrain Verhältnissen, nach der Höhe über dem Meere, erörtert dabei
den Einfluss der letzteren auf die Geburtenhäufigkeit, die Sterblichkeit und
den physischen Zustand der Bevölkerung und schliesst mit Angaben über
die Dichtigkeit der Einwohnerschaft in den Küstendistricten. Im zweiten
Capitel finden wir Mittheilungen über das K lima, über den meteorologischen
Beobachtungsdienst, die meteorologischen Verhältnisse, im dritten Notizen
über die Wasserläufe, im vierten über das stagnirende Wasser (die
Sümpfe des Landes umfassen noch ein grosses Terrain in nicht weniger als
1346 Gemeinden; im Jahre 1884 waren 238 258 Hectar ameliorirt,
492 380 Hectar in Bearbeitung genommen), über die Trockenlegungen
und die Methode der Trockenlegung, im fünften über das Trink¬
wasser, die Beschaffenheit und Menge desselben, im sechsten über die
Cultur des Landes, Ausdehnung der Wälder, der Reisfelder u. s. w.,
im siebenten über die Beschäftigungsweise der Bevölkerung, die
Sterblichkeit nach der Beschäftigungsweise, die Unglücksfalle, welche bei
den Arbeiten sich ereignen, und im achten über die Bewegung der Be¬
völkerung, Dichtigkeit derselben, Classification nach dem Alter, legitime
und illegitime Geburten. (Das Königreich zählte 1882 == 28459628 Ein¬
wohner; die Sterblichkeit fiel seit 1862 von 30*09 bis 27*07 pro mille in
den Jahren 1881 bis 1885, die Geburtsziffer war in dem letzten Quinquen-
nium 36*9 pro mille.) Das neunte Capitel berichtet über den Gesundheits¬
zustand der Bevölkerung, das Ergebniss der Conscriptionen, die
Körperverhältnisse der männlichen und der weiblichen Personen, die Ent¬
wickelung der Individuen vom 6. bis zum 20. Jahre, die Zahl der Epilep¬
tiker, Rhachitischen, der Myopischen, der mit Kropf Behafteten, der
Geisteskranken, Idioten und Kretins, der Blinden und Taub¬
stummen, das zehnte Capitel über Wohnungen und Strassen, das elfte
über Vieh und Viehstallungen, das zwölfte über die Ernährungsweise
des Volkes (4620 Communen des Landes besitzen ein Schlacht¬
haus!) mit detaillirten Angaben über den Consum von Fleisch, Fischen,
Milch, Wein und Branntwein, über die Nahraug des Bürgers und des
Arbeiters, des Soldaten und des Gefangenen, das 13. über die Friedhöfe
und die Leichenverbrennung, das 14. über den Sanitätsdienst
(1885 gab es im Königreich Italien 17 568 Aerzte und Chirurgen, unter
ihnen aber 8585 Medici oder Chirurghi condotti, d. s. communale Sanitäts¬
beamte), das 15. über Impfwesen, das 16. über die vornehmsten Krank¬
heiten (Enteritis, Malaria, Pellagra, Syphilis), das 17. über die Krank¬
heiten der Hausthiere, specieW über Hundswuth und die Lyssa des
Menschen (es starben an ihr in Italien im Quadriennium 1881 bis 1884
= 106 Personen, in Oesterreich von 1873 bis 1883 = 1159 (?), in Paris
von 1880 bis 1883 = 37). Im 18. Capitel berichtet das vorliegende Werk
über Kinderasyle und Findelhäuser, Krippen und Kleinkinder¬
bewahranstalten, im 19. über Spitäler und Hospize, Gebärhäuser,
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494
Kritiken und Besprechungen.
Irrenanstalten, Seehospize, Institute für Rhachitische, Armen¬
häuser, Taubstummenanstalten, Blindenanstalten, und im 20.
über Gefängnisse, die Zahl derselben, ihre Salubrität nach Luft, Licht
und Wasser, die Insassen und deren Mortalität. (Letztere war in der
Periode von 1877 bis 1882 in den eigentlichen Zuchthäusern = 37*43 pro
mille für Männer und 51*4 für Weiber, in den „ bagni u = 31*4 pro mille.)
Es folgen diesen Mittheilungen noch zahlreiche statistische Tabellen, Bowie
am Schlüsse der Wortlaut des vorhin erwähnten Circularschreibens des
Ministeriums vom 9. Januar 1885 und der Wortlaut des Fragebogens, nach
welchem die sanitären Erhebungen angestellt werden sollten.
Das Werk enthält, wie schon diese kurze Skizze lehrt, und wie Jeder noch
mehr erkennen wird, der einen Einblick in dasselbe thut, eine ungewöhnlich
grosse Fülle des werthvollsten Materials, welches sorgsam studirt zu werden
verdient, zumal es ein amtliches ist. Es kann als Muster für ähnliche
Erhebungen in anderen Ländern dienen und regt hoffentlich zu solchen
Erhebungen an. Mit dem grossen, vor zwei Jahren erschienenen Werke
n les institutions sanitaires en Halte “ und dem eben besprochenen haben die
Italiener nicht bloss Hochbedeutsames geleistet, sondern uns auch ein treff¬
liches Beispiel gegeben, welches wir nicht unbeachtet lassen sollten.
Dr. Uffelmann (Rostock).
Ad. GuSrard , Ingenieur en Chef des Ponts - et - Chausstes , Ingenieur en
Che/ du Port: Observations faites pendant l’öpidömie
obolörique de 1885. Marseille 1886, gr. 4., 13 p., 5 pl.
Ein sehr interessantes Werk, das in der Art seiner Anlage und Aus¬
führung sicherlich einzig dasteht, ist Ad. Guerard’s 1886 erschienene Schrift
über die Cholera in Marseille während der Jahre 1884 und 1885. Das
Buch, welches in England und Deutschland offenbar treffliche Aufnahme
fand, wurde in Frankreich noch in dem Jahr seines Erscheinens von der
Akademie der Wissenschaften preisgekrönt. Bei der enormen Zahl von
Arbeiten, welche im Laufe der letzten Jahre über die asiatische Cholera in
allen Richtungen der Windrose erschienen, kann man sich kaum genug
darüber freuen, wenn hier ein Werk geboten wird, das wohl geeignet ist,
einen frischen Zug in jenes ewige Einerlei zu bringen, und das man nicht
aus der Hand legen wird, ohne sich zu sagen, dass man hier etwas Neues
gefunden habe.
Es soll indessen nicht behauptet werden, dass dieses Buch uns epide¬
miologisch Neues bietet — das Neue sei denn, dass das Alte fehlt —
aber Neues zu bringen, lag auch schwerlich in der Absicht des Verfassers.
Es dürfte vielmehr dessen Wunsch gewesen sein, seinen Mitbürgern vor
Augen zu führen, welche Umstände, oder besser welche Missstände das Auf¬
treten der Cholera in Marseille begünstigen, und welche Wege eingeschlagen
werden müssen, um in Marseille die Cholera zu bekämpfen. In der That,
man müsste blind sein, wenn man diese an der Hand von diesem Werk
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Guerard, Observations faites pendant l’epidemie cholerique de 1885. 495
nicht sähe, denn Guörard hat, vielleicht in weiser Berücksichtigung der
Thatsache, dass Choleraschriften sich schon manchen Freund verscherzten,
nicht viel geschrieben, aber reichlich illustrirt. Die wenigen Seiten seines
Textes sind mit kurzen, inhaltsvollen Sätzen bedeckt and dienen einer
gedrängten Beschreibung der Epidemie, der Erläuterung der graphischen
Darstellungen und Tabellen und endlich wenigen korzgefassten Schluss¬
folgerungen und Rathschlägen für die Zukunft. Inclusive dreier Tabellen
und zweier graphischer Darstellungen finden wir bei weitem deutlichem
Druck nur dreizehn Seiten Text.
Der medicinische Standpunkt wird hier nicht berührt. Wir finden
nur den fleissigen Beobachter in einem erfahrenen Ingenieur; aber auch
dieser singt nicht die alten Klagelieder über schlechte Canalconstruction
oder mangelhafte Wasserversorgung, er ergeht sich nicht in Vermuthungen
und citirt nicht das, was andere Leute über ähnliche Fälle schon sagten,
sondern er legt dem Leser die nackten Thatsachen vor und überlässt ihn
alsdann seinen Gedanken. Und das eben ist das Anziehende an dem Buch,
dass der Verfasser nicht den Leser an einem Gängelbande führt, und dass
dem Leser volle Freiheit der Gedanken zur Bildung einer eigenen Mei¬
nung bleibt.
Unter den beigefügten Blättern erregen zunächst vier grössere Tafeln
die Aufmerksamkeit, von denen jede einem der Monate Juli, August, Sep¬
tember und October gewidmet ist, in welchen die Cholera anno 1885 Mar¬
seille bezog, beherrschte und verliess. Diese Tafeln sind in lauter kleinere
Carres von 45 qcm Flächeninhalt getheilt und ein einzelnes dieser Quadrate
entspricht immer einem Tag des betreffenden Monats. Jedes einzige von
den so gebildeten Feldern enthält nun das 88mal wiederkebrende Bild
eines Stadtplans von Marseille en miniature, in mattgefarbtera aber scharfem
Druck, und auf diesen kleinen Plänen ist jeder Cholerafall des Tages durch
einen kräftigen schwarzen Punkt markirt. Im ersten Moment könnte man
meinen, diese Ausführung sei überflüssig und verthenere nur unnöthiger Weise
die Kosten des Werkes — aber dem ist schwerlich so. Werden die vier
grossen Tafeln neben einander gelegt, so sehen wir nicht nur, was uns in
der Regel eine graphische Darstellung zeigt: das Entstehen, das Steigen
und das Fallen der Epidemie, sondern von jedem einzigen der aufgetretenen
Cholerafälle sehen wir gleichzeitig auch den Ort, w o er sich ereignete, und
das ist eine Neuerung von nicht zu unterschätzendem Werth.
In der That bietet sich dem Beschauer ein wunderbar interessantes
Bild, denn mit einem Blick kann er nun das ganze Ereigniss der 1885er
Epidemie überschauen. Erst ein Fall, nun ein zweiter, dann dort einer
und hier einer, und merkwürdiger Weise fallen alle diese zuerst beobachteten
Erkrankungsfälle nicht nahe zusammen, sondern alle liegen weit aus ein¬
ander, an den verschiedensten Enden und äussersten Grenzen der Stadt.
Und hierauf bemerkt man die freilich nicht neue, aber in dieser Art der
graphischen Darstellung doch eigenthümlich wirkende Erscheinung, dass die
einzelnen Cholerafalle sich mehr und mehr in bestimmte und zwar in die
ungesunden Stadttheile zusammenziehen, in denen die Epidemie sich fest-
setzte, um von hier aus zu ihrem Höhepunkte emporzuklimmen. Alsdann
lässt die Zahl der Fälle wieder nach, und als sei der dunkle Gast wirklich
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406
Kritiken und Besprechungen.
wie ein gewöhnlicher Sterblicher aus den Mauern der geprüften Stadt
retirirt, als sei er gegangen, wie er eingetreten war, so finden wir die letzten
Fälle, wie die ersten, an den verschiedenen und äussersten Enden der Stadt.
Diese Art der Darstellung ist wirklich so belehrend und so überzeugend,
dass man sich dem Wunsche nicht verschliessen kann, dasselbe Mittel noch
recht oft in Zukunft angewandt zu sehen. Ein solcher Plan deckt ohne
weiteres Zuthun manchen schweren aber doch versteckten Schaden vor dem
überraschten Auge auf. Eine solche Darstellung ist ein dauerndes Memento
für Viele, die nicht durch andere ihnen vorgeführte Bilder, geschweige denn
durch lange nnd wo möglich wissenschaftlich angelegte Schriften zu erreichen
sind, in deren Hände aber doch so oft das Wohl und Wehe einer Stadt
gelegt ist.
Die letzten Sätze gelten in noch höherem Maasse von dem interessan¬
testen Theil dieser Guärard’schen Arbeit, von dem als eine fünfte Anlage
beigefügten grossen Plan von Marseille mit seiner Umgebung, denn in der
That, für Jemanden, der Zeit und Lust hat, sich näher mit der Sache zu
befassen, ist dieses eine Blatt allein ein kleines, gutes Buch für sich! Im
Maassstab von 1:10000 haben wir hier den Stadtplan von Marseille nebst
zwölf bis vierzehn Orten der Umgebung. Im Westen die Küste des Mittel¬
ländischen Meeres mit den Hafenanlagen der grossen Handelsstadt. Alle
wichtigen und amtlichen Gebäude sind selbstverständlich auf dem Plan
markirt. Auch die wichtigsten Canallinien der inneren Stadt und die Zu¬
flussleitungen von den verschiedenen Trinkwasserquellen sind durch ab¬
weichend gefärbte und ausgeführte Striche bezeichnet. Auf diesem Plan
sind nun ferner die sämmtlichen Cholerafälle des Jahres 1885 in starken
schwarzen, die des Jahres 1884 in matteren blauen Punkten an dem Orte
ihres Auftretens sowohl in der inneren Stadt, wie in der ganzen Umgebung
markirt.
Die Stadt Marseille ist in sanitärer Hinsicht arg vernachlässigt und
der grausige Zustand, in dem sich besonders der tief in die Stadt hinein¬
führende alte Hafen befindet, ist ebenso bekannt, wie leicht erklärlich, denn
wir sehen, dass die meisten der fertig gestellten Canäle noch mitten in der
Stadt in diesen nicht von einem Fluss durchspülten Hafen münden, und der
Geruch, den das Gewässer nun verbreitet, ist ohne Zweifel „schaudervoll,
höchst Bchaudervoll tt ! Gewiss übt dieser Umstand einen äusserst üblen Ein¬
fluss auf die Gesundheit der betroffenen Bewohner aus und zweifellos
begünstigt er die Entwickelung einer Cholera-Epidemie, sobald der Keim
nur einmal da ist. Aber diese treffliche Arbeit des französischen Ingenieurs
zeigt uns in geradezu frappirender Weise, dass doch noch viel gefährlichere
Factoren, als alle höllischen Düfte dieses Hafens, in Rechnung gezogen
werden müssen. Möchten doch Alle, die sich mit der Bearbeitung von
städtischen Bebauungsplänen, mit Canalisationsprojecten und ähnlichen Ent¬
würfen zu befassen haben, einmal Gelegenheit erhalten, dieses Werk zu
lesen; dafür, dass sie es würdigen werden, ist wohl in reichem Maasse gesorgt.
Man ist ja berechtigt, eine grosse, vielleicht auch die grösste Cholera¬
mortalität in der Nähe des genannten Gewässers zu erwarten, und diese
Erwartung wird vollauf bestätigt. Aber geradezu erschreckend wirkt doch
die Thatsaclio, dass hier fast sämmtliche Fälle auf die eine, die nördliche
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Guerard, Observations faites pendent Tepidemie cholerique de 1885. 497
Seite des Hafens und auf das Ende desselben entfallen, während die gegen¬
überliegende Seite fast gänzlich verschont worden ist! Ganz schwarz von
den bedeutsamen Pünktchen erscheint uns die eine der Seiten, auf der
anderen dagegen sind sie überaus spärlich gesäet. Und worin ist die Ur¬
sache hierfür zu suchen ? — Jene nördlich vom Hafen situirten Gebiete sind
nicht nur wegen der Nähe des stinkenden Wassers, sondern auch sonst in
jeder Hinsicht als die ungesundesten Theile der Stadt zu bezeichnen. Hier
finden wir Guerard’s „ quartiers mal tenus “, hier finden wir die n rues tiroites ,
tortueuses , bordees de maisons trbs ilerees dans lesquelles est entassie une
population nombreuse , appartenant aux classes inßrieures et oublieuse en
ghibral des regles les plus elementaires de Vhygibne u . Ja der Mangel eines
guten Trinkwassers, einer guten Canalisation, die zu enge Bebauung, die zu
dichte Bevölkerung, sie ebnen diesem asiatischen GespenBte den Weg. Hier
zeigt sich wohl deutlich, was der Hygieniker vermag, wenn es gilt, das Ge¬
meinwohl zu schützen; denn dass es wirklich die gesundheitswidrigen Ver¬
hältnisse sind, welche das Uebel in so furchtbarem Maasse zu steigern
vermochten, auch dafür finden sich die schlagendsten Beweise auf dem näm¬
lichen Plan. Wo hier nur die tiefschwarzen Punkte der letzten Epidemie
sich zu grösseren Gruppen vereinten, dort stehen auch die blauen des vor¬
hergegangenen Jahres in der gleichen Weise, in der gleichen Dichtigkeit
bei einander, und immer und immer wieder sucht diese Krankheit die näm¬
lichen Häuser und die nämlichen Winkel der Stadt. Aber es lässt sich
dergleichen auch nicht deutlicher zeigen, als es hier durch die Zeichnung
geschah! Liesse sich diese herrliche Sprache des Griffels doch weit öfter
im Leben so günstig verwerthen, sie kennt nicht die künstlich gezüchtete,
die von Parteiinteressen genährte Uebertreibung; sie kennt weder das Ver¬
stecken noch das Beschönigen einer wenig erfreulichen Wahrheit, denn sie
kennt keine Laute, die sechsfache Deutung gestatten.
Als sei aber Alles, was dieser Plan uns vor Augen führt, nicht über¬
zeugend genug, erinnert uns der Verfasser, sobald er die einzelnen Fehler
gewisser Districte betont, auch daran, dass die Zahlen beweisen. Er bietet
zu diesem Behufe zunächst eine Tabelle, in welcher die einzelnen Bezirke,
„les 21 arrondissements de Marseille u , mit ihrer Einwohnerzahl, ihrem
Flächeninhalt, der Zahl ihrer Cholerafälle in den Jahren 1884 und 1885 in
voller Höhe und pro 1000 der Bewohner verzeichnet sind. Durch Be¬
nutzung der hier gegebenen Ziffern erfahren wir nun, dass nördlich vom
Hafen circa 500 bis 1000 und mehr Bewohner auf jeden Hectar der Bau¬
fläche kommen, auf der Südseite dagegen variirt diese Ziffer zwischen 100
bis 300 Personen. — Dass ferner die Canäle, wo solche existirten, zum
mindesten nicht gerade zu schaden vermochten, geht gleichfalls aus einer
der Tabellen hervor. Elf Strassen wurden nämlich kurz nach der Epidemie
des Jahres 1884 zum ersten Male mit neuen Canälen versehen, und beinahe
jede einzige von diesen weist 1885 eine geringere Sterblichkeit auf. ln
Summa hatten diese Strassen im ersteren Jahre 33, im späteren 22 Erkran¬
kungen zu verzeichnen. Die zweite Epidemie forderte in dem ganzen
Marseille allerdings nur das 0*71 fache der Opfer der ersteren und auf diese
elf Strassen kämen danach 0‘71 x 33 = 23, doch wurden in dem genannten
Jahre nur 22 Erkrankungen constatirt. — Was endlich die Wasserversorgung
Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. 32
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408
Kritiken und Besprechungen.
anbelangt, so ersehen wir, dass die schlechtesten Trinkwässer, eaux de
V Huveaune“ , in eben jenen am schwersten heimgesuchten Districten zur
Vertheilung gelangen. Es ist nun offenbar das Zusammenwirken aller
einzelnen Umstände, welches die Epidemie hier gefördert hat, und jeder
Versuch, einen einzelnen aus dieser Reihe von Factoren allein zu beschul¬
digen, hält einer ehrlichen Kritik gegenüber nicht Stand. Dem Einfluss
des genannten Trinkwassers misst aber auch Guerard, den wir jedenfalls
nicht als einen Feind der Trinkwasser-Theorie zU bezeichnen vermögen, eine
wesentliche, ja überwiegende Bedeutung bei, und er lockt uns sogar den
Gedanken herauf, dass die Krankheitskeime direct durch diese Leitung in
den betroffenen Districten verbreitet worden seien. Dieses Wasser wird
nämlich dem Flüsschen Huveaune (ca. 1*0 cbm p. S.) nicht allzu fern von
Marseille und einige Kilometer unterhalb der Orte La Penne und Aubagne
entnommen, die all ihre Abwässer in dasselbe ergiessen. Am 20. August
1885 wurde in Marseille eine gewaltige, plötzliche Zunahme der Epidemie
constatirt und genau in der Woche vor diesem 20. August brach die Cholera
in La Penne und Aubagne aus. Das erscheint nun gravirend genug, aber
Guerard enthält sich trotzdem und mit entschiedenem Recht der bestimmten
Behauptung, dass die Cholerakeime direct durch das Wasser der Huveaune
überbracht worden seien. Er versteigt sich allerdings zu dem Satze: v Ces
observaiions montrent que les eaux de VHuveaune ne sont pas etranderes au
developpemcnt considcruble que Vepidemie a pris dans eertains quartiers de
la ville en 1885.“ Die Cholera war aber nicht erst am 20. August,
sondern schon am 25. Juni in Marseille erschienen, und den plötzlichen
Aufschwung dem Trinkwasser allein zuzuschreiben, das wäre vielleicht ein
sehr voreiliger Schritt, so lange nicht Daten und zwar umfassende Daten
über alle übrigen Factoren, die hier eine Rolle gespielt haben können, z. B.
die Witterungsverhältnisse u. s. w., bekannt sind. Es steht jedem Leser
nun vollkommen frei, hier zu glauben, was er immer für Recht hält.
Natürlich könnte man annehmen, das Gift sei erst durch das Wasser in
alle die einzelnen Häuser des Districtes verschleppt und sei darum erst
jetzt recht eigentlich „unter die Leute gebracht“ und habe erst so seine
rechte Verbreitung gefunden. Es kommt alsdann andererseits ferner hinzu,'
dass die erwähnten am schwersten geprüften Bezirke „ recoivent cn menie
temps les eaux de la Durance u qui sont — wie Guerard sich einmal
an anderer Stelle geäussert hat — infiniment prcferables ä edles de VHu -
veaune.
Wie aus einer weiteren graphischen Darstellung hervorgeht, haben sich
die beiden Epidemieen in durchaus ähnlicher Weise entwickelt. In den beiden
sie bezeichnenden Curven erkennen wir das plötzliche und erschreckende
Anschwellen der Epidemie, das man im Allgemeinen wohl gern einem ver¬
derblichen Einfluss des Trinkwassers zuschreibt» und in beiden Curven
kommt auch das gleichartig langsame Verschwinden in erstaunlicher Aehn-
lichkeit wieder zum Ausdruck. Das plötzliche Anschwellen der Epidemie
von 1884 war aber ein noch gewaltigeres und noch rapideres, als in dem
folgenden Jahre. Um so mehr ist es zu bedauern, dass aus dem Guerard’-
schen Werk nicht hervorgeht, ob auch in jenem Jahre unmittelbar vor
Eintritt dieses Ereignisses die Cholera in den Orten La Penne und Aubagne
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Guttstadt, Krankenhaus-Lexikon für das Königreich Preussen. 499
sich gezeigt hat; und wäre dies wirklich beobachtet worden, hätte dann
der Verfasser diesen ungemein wichtigen Punkt nicht betont?
Es muss nun jedem Einzelnen überlassen bleiben, sich über dieses an¬
regende Werk seine besonderen Gedanken zu machen. Es ist nur zu schwer,
ein Buch aus der Hand zu legen, das trotz aller Knappheit der Form so
vorzüglich zu unterhalten vermag. Wir begreifen vollkommen, warum
diesem Heftchen die Ehre zu Theil ward, von der Akademie der Wissen¬
schaften preisgekrönt zu werden. Hier hat ein Ingenieur mit dem grössten
Erfolg den Zeichenstift reden gelehrt und ein Schriftsteller Feder und Tinte
gespart. Hier hat uns Guerard bewiesen, was ein Nichtmediciner auf diesem
Gebiete von seinem Standpunkt zu leisten vermag. Möchte doch die Cholera-
forschung, möchte die Hygiene überhaupt noch viele solche Freunde finden
und jenen in Marseille behalten.
C. K. Aird (Berlin).
Dr. med. Albert Guttstadt: Krankenhaus-Lexikon für das
Königreich Preussen. Die Anstalten für Kranke und Gebrech¬
liche und das Krankenhaus-, Irren-, Blinden- und Taubstummen¬
wesen. Herausgegeben vom Königl. statistischen Bureau. 2 Theile.
Berlin, Verlag d. königl. stat. Bureaus 1885 und 1886. Lex.-8. 888
und 277 S.
Das von dem Decernenten im königlich preussischen statistischen
Bureau Dr. Albert Guttstadt entworfene und von ihm in gewohnter, über¬
sichtlicher und vollständiger Weise bearbeitete Krankenhaus - Lexikon hat
zum ersten Male alle die zahlreichen staatlichen, communalen und privaten
Anstalten des Königreichs Preussen zusammengestellt, die der Krankenpflege
im weitesten Sinne des Wortes gewidmet sind. Es ist in Lexikonform ab¬
gefasst, da es in erster Linie den Zweck verfolgt, den Verwaltungsbehörden,
den Medicinalverwaltungen und den Aerzten ein Nachschlagebuch zu sein,
in dem sie sich über Art, Zahl und Ausdehnung, über das Heilpersonal, die
hygienischen Verhältnisse der betreffenden Anstalten und die auf dieselben
bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen leicht orientiren können.
Das Werk zerfällt in zwei Theile: Der erste Theil enthält auf nahezu
900 Seiten in alphabetischer Reihenfolge die Orte, in denen Kranken¬
anstalten vorhanden sind, alle im Jahre 1885 in Preussen vorhanden
gewesenen allgemeinen Heilanstalten mit Einschluss der Universitätskliniken
und Militär- und Geföngnisslazarethe, ferner die Krankenhäuser für Kinder
und für specielle Krankheiten, die Irren- und Idiotenanstalten, die Ent¬
bindungsanstalten und Hebammenlehranstalten, die Siechenhäuser, die
Blinden- und Taubstummenanstalten etc. In Betreff aller der einzelnen
Anstalten nun wird in thunlichster Vollständigkeit Entstehung und Zweck
der betreffenden Anstalt mitgetheilt, dann ärztliche Leitung und Warte¬
personal, ferner Bettenzahl, Aufnahmebedingungen, Kosten etc. und schliess-
32 *
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500
Kritiken und Besprechungen.
lieh möglichst eine genaue bauliche Beschreibung gegeben betreff Lage,
Grösse und Form von Areal und Anstalt, Baukosten, Raum Verhältnisse,
Ventilation, Heizung, Wasserversorgung, Koch-, Wasch- und Badeein¬
richtungen, Desinfectionsapparate, Dispensiranstalten, Closeteinrichtungen etc.
Der zweite Theil enthält statistische und historische Mittheilungen
über die Krankenanstalten, die gesetzlichen Grundlagen und Anordnungen
der Behörden, und namentlich sehr eingehende Schilderungen der Liebes-
thätigkeit auf dem Gebiete der Krankenpflege und der Ausbildung des
Krankenpflegepersonals.
Man sieht, welche enorme Fülle von Material der überaus fleissige
und gewissenhafte Autor hier auf verhältnissmässig engem Raume zu¬
sammengestellt und höchst übersichtlich und praktisch geordnet hat. Es
ist dadurch das Buch für Viele ein ganz unentbehrlicher Rathgeber ge¬
worden und würde es in noch höherem Grade sein, wenn es nicht gezwun¬
gen gewesen wäre, Überall an den schwarz-weissen Grenzpfählen Halt zu
machen, sondern ganz Deutschland umfassen könnte, wie in Betreff der
Militär]azarethe pin schöner Anfang in dem Buch ja schon gemacht ist.
A. S.
Dr. Ab egg: Die Kinderheilstätte in Zoppot. Danzig, Bertling,
1887. gr. 8. 15 S. mit einer Ansicht und zwei Plänen.
Diese zwar nur fünfzehn Druckseiten umfassende, aber sehr lesens-
werthe Abhandlung bringt zunächst eine kurze Geschichte der zur Heilung
der Scrophulose gegründeten Kinderheilstätten in England, Frankreich,
Holland, Dänemark, Russland, Portugal, Italien und Nord¬
amerika, sowie endlich in Deutschland, schildert sodann die Einrichtung
des in Zoppot neuerdings gegründeten Seehospizes an der Hand zweier
Pläne, bespricht die klimatischen Verhältnisse des Ortes, die Art der Be¬
handlung beziehungsweise Verpflegung der Kinder und führt uns das Er¬
gebnis der ersten Cur (während des Jahres 1886) vor. Es wurden auf¬
genommen 43 Kinder, fast alle mangelhaft ernährt, blutarm und scrophulös.
Der Erfolg war im Allgemeinen ein sehr befriedigender, insbesondere
besserte sich bei allen die Ernährung wesentlich und zwar in dem MaaBse,
dass die durchschnittliche Gewichtszunahme .für jedes Kind 1*8 kg bei
einem mittleren Aufenthalt von 40 Tagen betrug. — Ein Anhang enthält
das Verzeichnis der wichtigeren über Kinderheilstätten erschienenen
Schriften. Die Abhandlung sei allen Denen, welche sich für das Gedeihen
der Seehospize interessiren, warm empfohlen.
Dr. Uffelmann (Rostock).
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Wernicli, Lehrbuch zur Ausbildung von Heilgehülfen.
501
20. Jahresbericht über die Louisen-Heilanstalt für kranke
Kinder in Heidelberg, erstattet im Namen des Verwaltungs-
rathes von Prof. Dr. von Dusch, Prof. Dr. Oppenheimer und
Stadtrath J. Keller. Heidelberg 1SS7.
Nach einer kurzen Uebersicht über die Leistung des bezeichneten
Spitales während des Jahres 1886 finden wir in diesem Berichte einen
trefflichen Aufsatz über Sool- und Seebäder bei scrophulösen Erkrankungen
der Kinder, über die Bestrebungen zur Gründung von Heilstätten für
scrophulö8e Kinder im In- und Auslande, sowie über die Einrichtung
zweier solcher Heilstätten im Grossherzogthum Baden, nämlich in Dürr¬
heim und Rappenau. Mit vollstem Rechte wird am Schluss der Abhand¬
lung (Seite 16) eindringlichst betont, dass die bisher üblichen Curperioden
von 28 Tagen viel zu kurz seien, und dass man sie auf mindestens sechs
Wochen ausdehnen müsse, wenn man dauernde Erfolge erzielen wolle. Viel¬
leicht wäre es sogar zweckmässig, Curperioden von acht Wochen für die
schwereren Erkrankungen einzurichten.
Dr. Uffelmann (Rostock).
Dr. Wern ich, Regierungs- und Medicinalrath: Lehrbuch Zur
Ausbildung von Heilgehülfen mit Berücksichtigung
der Wundenpflege, Krankenaufsicht und Desinfection.
Zweite verbesserte Auflage. Berlin, Hirschwald, 1887. gr. 8. 155 S.
mit 30 Holzschnitten.
Die gute Aufnahme, welche* die erste Auflage (1884) dieses vortreff¬
lichen Lehrbuches sowohl in Privatkreisen als officiell (Hessen, Ministerial¬
erlass vom 17. Mai 1884) gefunden, hat alsbald eine zweite Auflage des¬
selben nothwendig gemacht. Sehr interessant ist die Nachricht, welche der
Verfasser in seinem Vorwort zu dieser Auflage mittheilt über die Antworten,
welche er erhalten auf ein Rundschreiben an sämmtliche preussischen
Physiker, worin er um Mittheilungen über Erfahrungen resp. eventuelle
Verbesserungs- Vorschläge in Bezug auf die Ausbildung der Heildiener ge¬
beten; dem grössten Theile der Physiker sei entweder das ganze Institut
der Heildiener unbekannt, oder die Physiker wären ohne Kunde von der
Existenz des Lehrbuches, oder sie seien überhaupt dagegen, „dass in den
Heildienera eine ganz bedenkliche K*ste von Medicinalpfuschern gross¬
gezogen werde.“ — Auch nach der Ansicht des Referenten steht dieses
officielle „Institut der Heilgehülfen“ seit Einführung der Gewerbe-Ordnung
vom 21. Juni 1869 vollständig in der Luft. In Folge der Gewerbefreiheit
kann die Ausübung der sogenannten kleinen Chirurgie Niemandem verwehrt
werden, wie das im Ministerialerlass vom 27. December 1869 ausdrücklich
anerkannt wird. Nun kann ein Heilgehülfe durch Ablegung einer Prüfung
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Kritiken und Besprechungen.
sich das Recht des Titels eines „geprüften Heildieners“ erwerben, und
gehört damit zu den „ Medici nalpersonen “! Was tauscht er aber gegen
diesen Vorzug ein? — Nichts, als eine erhöhte Verantwortlichkeit (§. 222
und 230 des Straf-Gesetz-Buches), welche es eventuell bewirken kann, dass
er bei einer fahrlässigen Körperverletzung anstatt mit zwei nunmehr mit
drei Jahren, und bei einer fahrlässigen Tödtung anstatt mit drei nunmehr
mit 5 Jahren Gefängniss bestraft wird. Es wiederholt sich eben bei der
jetzigen Lage der Gesetzgebung bei den Heilgehülfen dasselbe eigen-
thümliche Verhältniss wie beiden Aerzten: Der freie Heilkünstler (Pfuscher)
hat dieselben Rechte, wie der „geprüfte“ und — steht rechtlich günstiger da.
Dass unter diesen Umständen sich das „Institut der geprüften Heildiener“
allmälig verflüchtigt, ist nicht wunderbar. Auch das Wort „Diener“ wirkt
wohl in unserer socialistisch angehauchten Zeit nicht gerade verlockend.
Nach Ansicht des Referenten würde es überhaupt zeitgemässer und zweck¬
entsprechender sein, wenn die sogenannte kleine Chirurgie in die Hände
der Aerzte zurückkehren würde, und wenn sich die Heilgehülfen in
Krankenwärter um wandeln wollten. — Indess der Lehrgegenstand ist in
beiden Fällen derselbe, und so können wir das vorliegende Buch nur an¬
erkennend begrüssen. — Das erste Capitel desselben behandelt das von der
Anatomie für den Heilgehülfen Wissenswerthe und Verständliche in classi-
scber Kürze. — Im zweiten Capitel werden die bei plötzlichen Unglüeks-
fällen erforderlichen Hülfeleistungen vorgeführt, die Blutstillungsmethoden
durch Compressiren der Arterien an Illustrationen erläutert, und sodann
die Grundsätze der antiseptischen Verbandmethode in klarer, verständlicher
Darstellung erörtert. — Das dritte Capitel giebt sehr praktische Ver¬
haltungsmaassregeln für den Transport Verletzter und Schwerkranker. —
Im vierten Capitel wird die Hülfeleistung bei den vom Arzte ausgeführten
Operationen in zweckentsprechender Weise besprochen, und die Anlegung
fester Verbände gelehrt. — Das fünfte Capitel handelt von der selbst¬
ständigen Thätigkeit des Heildieners im Bereiche der sogenannten kleinen
Chirurgie. Hier hätte wohl die Erwähnung der „Scarificationen“ weg¬
bleiben können, und auch die ausführliche Abhandlung über den Aderlass,
da dessen Anwendung nach den Anschauungen der modernen Medicin den
Heildienern überhaupt zu entziehen sein dürfte. — Diese fünf Capitel zeigen
kaum nennenswerthe Veränderungen gegen die erste Auflage des Lehrbuches.
Dagegen sind im sechsten Capitel die eigentlichen Kranken Wärter-Dienste
mit Recht mehr in den Vordergrund gestellt als in der ersten Auflage. Eine
Bereicherung hat hier durch die Regeln für das Benehmen gegen Geistes¬
kranke stattgefunden — Im siebenten Capitel dieser neuen Auflage ist an
Stelle der complicirten und weniger praktischen „Anweisung zur Ausführung
der Desinfection für geprüfte Heildiener u. s. w.“ der ersten Auflage die ver¬
einfachte allerneueßte „Anweisungspum Desinfectionsverfahren bei Volks¬
krankheiten“, wie sie vom Berliner Polizei-Präsidium unter dem 8. Febr.
1887 publicirt ist, der Darstellung zu Grunde gelegt. — Das achte Capitel
giebt eine Zusammenstellung der gesetzlichen und behördlichen Verfügungen,
Strafbestimmungen, Taxen, und zählt die für den Heildiener nöthigen In¬
strumente, Geräthe und Verbandgegenstände auf. — Den Schluss bildet
ein drei Seiten langes alphabetisches Wörterverzeichniss, welches den
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Wolinungsnotli der ärmeren Classen in deutschen Grossstädten. 503
Heildiener mit den von Aerzten am häufigsten gebrauchten Fremdwörtern
bekannt macht.
Auch dieser zweiten Auflage des vortrefflichen Buches ist es nur zu
wünschen, dass sie weitere Verbreitung, Anerkennung und Benutzung finde.
Dr. L. Becker (Berlin).
Die Wohnungsnoth der ärmeren Classen in deutschen
Grossstädten und Vorschläge zu deren Abhülfe. II. Bd.
Leipzig, Duncker & Humblot, 1886. VIII — 380 S. mit acht Stein¬
tafeln. 9*60 M.
Der Band, fast doppelt so stark als der erste, enthält Berichte über
die WohnungsVerhältnisse in Frankreich, speciell in Paris (Raffalovich),
in den rheinisch-westfalischen Industriecentren: Bochum (Bürgermeister
Lange), Crefeld (L. F. Seyffardt), Dortmund (Bürgermeister Amecke),
Essen (Stadtbaumeister Wiebe), Elberfeld (Beigeordneter Ernst), Osna¬
brück (Oberbürgermeister Brüning), in Chemnitz i. S. (Stadtrath
Dr. Dittrich), Berlin (Dr. G. Berthold), Breslau (Rechtsanwalt
Dr. P. Honigraann), Leipzig (Dr. E. Hasse). Die Berichterstattung
erfolgte diesmal nach Anleitung eines Fragebogens, der den Referenten
vom Ausschüsse des Vereins für Socialpolitik vorgelegt worden und vier
Capitel: die Aeusserungen, die Ursachen, die Folgen der Wohnungsnoth
und die Mittel gegen dieselbe, zur Bearbeitung stellte. Trotz des gegebenen
Schemas fielen die Aufsätze nach Inhalt und Umfang sehr verschieden aus.
Während Crefeld mit 3, Essen mit 10, Elberfeld mit 11 Seiten abgethan
werden, umfasst der Bericht für Berlin 35, Breslau 40, Frankreich 72,
Leipzig 100 Seiten, die übrigen Berichte halten die Mitte. Der Umfang
richtet sich wesentlich nach dem Vorhandensein wohnungsstatistischen
Materials, welches allerdings leider für die meisten, namentlich für die
rasch herangewachsenen, mittelgrossen Industriestädte noch fast gänzlich
fehlt. Diesen Mangel suchen die Referenten durch Schilderungen allgemeiner
Natur auszugleichen.
Bei dieser Gelegenheit sei nicht unterlassen, die grosse Lücke zu
urgiren, welche in Deutschland in Betreff der Statistik der Wohnverhältnisse
noch immer besteht. Das einzige, was wir durch die Volkszählungen
(wenigstens in Preussen) in dieser Hinsicht erfahren, ist die Zahl der
bewohnten, der unbewohnten Wohnhäuser, der sonstigen Aufenthaltsorte
und der Haushaltungen (Einzeln-, Familien-, Anstaltshaushaltungen). Nur
die grossen Städte veranstalten bei Gelegenheit der Volkszählungen specia-
lisirte wohnungsstatistische Aufnahmen, die sich auf alle möglichen Details:
Grösse der Wohnung nach der Zahl der Wohnräume, Zahl der Bewohner,
Etagenhöhe, Fensterlage, Miethpreis, Verhältniss des letzteren zum Ein¬
kommen, gewerbliche Benutzung, Aftermiether, Schlafgänger, Heizbarkeit
der einzelnen Räume etc. erstrecken und auf diese Weise sehr correcte und
detaillirte Einblicke in die Wohnverhältnisse gewinnen lassen. Unseres
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504
Kritiken und Besprechungen.
Erachtens würden bei der hohen socialen und hygienischen Bedeutung der
Wohnungsfrage dergleichen Ermittelungen, über das ganze Reich ausgedehnt
und, sei es an die allgemeinen Volkszählungen angeschlossen, sei es für sich
angestellt, keine geringere Berechtigung und Nützlichkeit beanspruchen, als
etwa die Ermittelungen der Ernteaussichten und Ernteergebnisse, die
Gewerbe-, die Viehzählungen u. A. Der Staat hat diese Aufgabe bisher
den Communen überlassen. So eingehend nun auch diese bei den Wohnungs¬
zählungen verfahren, so hat sich doch bisher noch keine an die wichtige
Frage nach dem Cubikinhalte der Wohnräume herangewagt, alle haben
sich vielmehr nur auf die Feststellung deren Zahl beschränkt. Allerdings
unterliegt die Beantwortung dieser Frage gewissen Schwierigkeiten, doch
scheinen sie nicht unüberwindlich, wenn die Ermittelung des Cubikinhaltes
nicht erst durch directe Messung geschieht, sondern nach der Zeichnung
des Hauses (welche jeder Besitzer aufzubewahren gehalten sein müsste),
eine Mühe, die übrigens nur für die neu hergestellten Wohnräume erforder¬
lich wäre, bei allen bereits früher einmal aufgenommenen aber entfiele.
Erst durch die Kenntniss der Cubikgrösse der Wohnräume Hesse sich ein
mathematisch sicheres Urtheil über die Bewohnungsdichtigkeit gewinnen.
Doch dies nur nebenbei.
Wohnungsnoth wird von fast allen Berichterstattern in qualitativer
Hinsicht, d. h. mit Bezug auf Wohn dich tigkeit, Salubrität, Höhenlage,
Miethpreis, für ihre Städte constatirt, und das nicht bloss als vorüber¬
gehender, sondern als dauernder Zustand, während quantitative Wohnungs¬
noth, d. h. Mangel an Unterkommen überhaupt, überall nur zeitweiHg, in
den industriellen Städten namentlich in den Zeiten rapiden Aufschwunges
der Industrie (Gründeijahre), existirte. Ueberall, wo die nöthigen Zahlen¬
unterlagen vorhanden sind, konnte das Schwab ersehe Gesetz, wonach die
Höhe des Aufwandes für Miethe im umgekehrten Verhältnisse zum Ein¬
kommen steht, mithin die ärmeren Classen Verhältnissesässig am theuersten
(dabei auch am schlechtesten) wohnen, als zutreffend erkannt werden. In
manchen Städten steigt die Quote der Miethausgabe bei den Arbeitern
und kleinen Leuten auf V 4 , ja Vs des Einkommens. Selbstverständlich
wächst die Wohnungsnoth mit der Grösse der Städte. Das Bild der
WohnungsVerhältnisse der ärmeren Classen — Detailschilderungen dürften
sich hier erübrigen — ist in den Berichtsstädten mehr oder weniger das
gleiche. Die Arbeiterwohnungen vertheilen sich überall so ziemHch auf die
ganze Stadt, sind aber allerdings in den neuen Stadttheilen, nach der
Peripherie hin, zahlreicher als in den alten Centren. In den grossen
Städten, Paris, Berlin, wird die Wohnungsnoth durch die Entfernung von
der Arbeitsstätte erheblich verschärft. Die Salubrität der Wohnungen an¬
langend, schreiben wohl die neueren Bauordnungen strengere Anforderungen
vor, hingegen wehren sie der Ausnutzung des Bauplatzes nach der Fläche,
wie insbesondere nach der Höhe, noch immer zu wenig. Die Wohnkeller
scheinen in Deutschland in der Abnahme begriffen, in manchen Städten
werden sie überhaupt nicht mehr, überall aber nur unter erschwerenden
baulichen Bedingungen zugelassen; hingegen nehmen die hochgelegenen
Wohnungen enorm zu. Die Communen, welche auf dem Gebiete der hygie¬
nischen Wohlfahrtseinrichtungen in den letzten 10 bis 20 Jahren sich
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Wohnungsnoth der ärmeren Classen in deutschen Grossstädten. 505
überall durch Anlage von Wasserleitung, Canalisation, Regelung der
Strassenreinigung, Anlage von Promenaden etc. so vortheilhaft bethätigt
haben, können leider auf dem Gebiete des Bauwesens nicht in gleichem
Maasse energisch und durchgreifend vorgehen, weil man die Härten und
Gefahren, welche mit jedem Eingriffe in privates Recht und Eigenthum
verknüpft sind, scheut. (Man denke an die Geschichte des neuen Bau¬
ordnungsentwurfes für Berlin!) Allerdings werden, worauf schon frühere
Berichterstatter warnend hingewiesen haben, durch die Erhöhung der poli¬
zeilichen Ansprüche an die Bebauung die Wohnverhältnisse gerade der
ärmeren Classen nicht gebessert, weil in Folge der grösseren Beschränkungen
das Capital sich von der Bauspeculation, wenigstens in Bezug auf billige
Wohnhäuser, zurückzieht.
Am besten wohnen, wie es nach den Berichten den Anschein hat, die
Arbeiter in sogenannten Familienhäusern, kleinen, für je eine, zwei,
höchstens vier Familien bestimmten, getrennt stehenden, zu Colonieen
gruppirten, an der Peripherie der Städte oder in der Nähe der Arbeitsstätten
gelegenen Wohnhäusern. Dieses System ist vorzugsweise im Gebiete der
rheinisch-westfälischen Bergwerks- und Hüttenindustrie entwickelt. Die
Häuser werden entweder von den Werksbesitzern erbaut und an die
Arbeiter vermiethet oder es bilden sich unter den Arbeitern mit Hülfe der
Werksbesitzer oder von Capitalisten Genossenschaften, deren Mitgliedern
durch periodische Abschlagszahlungen die Möglichkeit geboten ist, im
Laufe von Jahren Hausbesitzer zu werden. Illustrirte Modelle' solcher
Häuser sind dem Osnabrücker Bericht auf acht Tafeln beigegeben. In
Essen wohnten 1886 14800 Personen in 2656 derartigen Arbeiterwohnungen.
Freilich ist im Allgemeinen das System der Familienhäuser nur für das
flache Land oder kleinere Städte anwendbar.
Die Ursachen der Wohnungsnoth liegen überall in dem Zuzuge der
arbeitenden Bevölkerung nach den grösseren, industriereicheren Städten,
wo sich mehr Arbeitsgelegenheit bietet. Mit dem Niedergange der Industrie
wird auch die Wohnungsnoth mehr oder weniger rückgängig. Seltener ist
das Niederlegen von Häusern zum Zwecke von Strassendurchbrüchen,
Bauten, die viel Terrain in Anspruch nehmen, schuld. Dem steigenden
Zuzuge könnte wohl durch Erhöhung der Bauthätigkeit entgegengekommen
werden, allein die Unternehmer sind der Erbauung billiger Wohnungen, als
einem zu wenig rentablen Geschäft, nicht geneigt.
Die Folgen der Wohnungsnoth bestehen in gesundheitswidriger Häufung
der Insassen, in der Aufnahme von Aftermiethern und Schlafgängern
(welche der Familie die Kosten der Miethe tragen helfen), in der Inanspruch¬
nahme der öffentlichen Armenfürsorge, welche in einzelnen Städten ständige
Asyle für Obdachlose herzurichten genöthigt war. Gegen die viel¬
beklagte Seuche des Schlafburschen- und Schlafmädchenwesens,
welches die verderblichsten gesundheitlichen und moralischen Wirkungen
äussert, ist in Bochum ein höchst beachtenswertes Mittel zur Anwendung
gekommen in der Erbauung eines Kost- und Logirhauses für 1500 unver¬
heiratete Arbeiter, 1873 vom dortigen Verein für Bergbau und Gnssstahl-
fabrikation errichtet. Die Beschreibung dieser Musteranstalt und ihre
Hausordnung sind im Originale nachzulesen. In dem Berichte für Bochum
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506
Kritiken und Besprechungen.
ist auch die Hausordnung für das dortige Asyl für Obdachlose abgedruckt,
sowie eine in den Bezirken Arnsberg und Düsseldorf geltende Polizeiver¬
ordnung betr. das Kost- und Quartiergängerwesen.
Unter den Mitteln gegen die Wohnungsnoth findet das der Bildung
von Baugenossenschaften die meiste Billigung, sei es, dass dieselben durch
gemeinnützige und wohlthätige Vereine, sei es durch Arbeiter selbst ge¬
gründet werden. Von den Werksbesitzern dürfte gegenwärtig nichts zu
erwarten sein. Der Staat sollte da, wo er selbst Besitzer ist (bei Eisen¬
bahnen, Bergwerken), nach dem Vorgänge der in Saarbrücken von ihm
errichteten Arbeiterhäuser auch anderwärts, wo er zahlreiche Arbeiter be¬
schäftigt, für deren Wohnungsbedürfniss sorgen. Die Gemeinden werden
direct, durch Herstellung von Wohnungen auf öffentliche Kosten, kaum
zweckmässig eingreifen, können jedoch durch Bebauungspläne, durch Auf¬
schliessung von Bauterrain, durch gewisse polizeiliche Anforderungen an
die gesundheitsgemässe Herstellung der Wohnungen, durch Verbindungen
zwischen den Centren der Städte mit ihrer Peripherie und Umgebung
indirect der Wohnungsnoth entgegen wirken.
Aus den einzelnen Aufsätzen heben wir noch Folgendes heraus: In
der Darstellung der französischen WohnungsVerhältnisse finden insbesondere
die geltende Gesetzgebung (Gesetz von 1850 betr. die Verbesserung der
ungesunden Wohnungen) und die in neuester Zeit discutirten Reform Vor¬
schläge eine eingehende Besprechung, namentlich auch die bezüglich der
möblirten Arbeiterwohnungen, „ garnis w , bestehenden Bestimmungen. Es
folgt eine interessante Detailschilderung der Pariser Arbeiterwobnungen,
welche demjenigen, der sie nicht aus Zola’s Romanen bereits kennt, eine
ungeahnte Nachtseite der eleganten Boulevard-Stadt aufdeckt. Auch das
Verhältniss der Miethpreise zum Budget der Arbeiter wird erörtert. Nach
dem Verfasser giebt es kein absolutes Heilmittel, keine alleinige Formel:
die Verbesserung kann nicht vom Staate oder den Gemeinden, die den
Arbeitern billige Wohnungen bauen oder beschaffen, kommen, sondern
von einem Zusammenwirken mehrerer Factoren: pecuniäres Interesse,
Mildthätigkeit, Selbsthülfe der bessergestellten Arbeiter. Die unter dem
zweiten Kaiserreiche gemachten Versuche zur Abhülfe haben dem ungeheuren
Bedürfnisse gegenüber nur wenig fühlbare Resultate gehabt. In der letzten
Zeit hat die Wohnungsfrage den Geraeinderath von Paris in hervorragendem
Maasse beschäftigt. Den Schluss der Arbeit bildet die Schilderung der in
einigen Provinzialstädten Frankreichs gemachten Versuche zur Verbesserung
der Arbeiterwohnungen. An vielen Orten hat das Mülhausener Genossen-
schaftsprincip mit seinen günstigen Erfolgen als Beispiel gedient.
Aus dem Chemnitzer Berichte sei erwähnt, dass derselbe sich ent¬
schieden gegen die in der Einleitung des 1, Bandes gemachten Vorschläge,
durch Aenderung des bestehenden Rechtes gegen die Wohnungsnoth anzu¬
kämpfen, ausspricht; er ist gegen die Fixirung der Miethpreise, wie sie
als Abhülfe gegen den Wohnungswucher vorgeschlagen wurde, auch gegen
die Beschränkung des Retentionsrechtes, im Gegentheil will er dasselbe zur
Erhöhung der Creditfähigkeit des Miethers aufrecht erhalten wissen; auch
von den besten polizeilichen Vorschriften erwartet er nichts, wenn in Folge
ihrer Beschränkungen die Baulust zurückgodrängt wird. Die Bauthätigkeit
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507
Trinkwasser der Stadt Kiel.
soll derart beeinflusst werden, dass sie sich dauernd selbstständig nach dem
Bedürfnisse regelt; dazu können die Communen durch Aufschliessung von
Baugrund beitragen. Die Forderung eines Mindestmaasses an Luftraum
würde schon an der Unmöglichkeit der Controle scheitern.
In dem Bericht für Osnabrück ist die Beschreibung der dort bestehenden
Eisenbahn- und Industriearbeiter-Colonieen von Interesse. Der Dortmunder
Bericht enthält eine detaillirte Statistik der Arbeiterwohnungen, getrennt
nach Privat- und nach Sparcassenhäusern, auch eine Sterblichkeitstabelle
der letzten 22 Jahre, nach der man die Wirkungen der sanitären Verbesse¬
rungen in der Stadt beurtheilen kann. In dem Bericht für Essen findet
sich eine kurze bauliche Schilderung der dortigen (meist Krupp’schen) Co-
lonieen.
Die Berichte für Berlin, Breslau und Leipzig interessiren durch die
Fälle wohnungsstatistischer Ergebnisse und können für die Anbahnung von
analogen Untersuchungen der Wohnungsverhältnisse anderer Städte als
Muster dienen. Dr. Lästig (Liegnitz).
Das Trinkwasser der Stadt Kiel auf Grundlage von Ana¬
lysen aller Brunnenwasser Kiels, ausgeführt im Herbst
18S3 im Aufträge der städtischen Gesundheitscommission durch das
agriculturchemische Laboratorium der landwirthschaftlichen Versuchs¬
station zu Kiel. Kiel, Lipsius & Tischer, 1886. 4. 34 S.
Die Broschüre ist im Aufträge der Untersuchnngscommission von den
Herren Kreisphysicus Dr. Joe ns und Professor Dr. Emmerling heraus¬
gegeben. Sie enthält nach kurzen Vorbemerkungen eine Zusammenstellung
von 661 Brunnenwasseranalysen, deren Angaben sich auf „Allgemeine Be¬
schaffenheit, Gesammthärte, bleibende Härte, organische Substanz, Salpeter¬
säure, salpetrige Säure, Ammoniak und Chlor tt erstrecken. Eine allgemeine
Charakteristik der Wässer auf Grund der Analyse ist beigegeben und sind
die Motive der Beurtheilung in den Vorbemerkungen in Kurzem nieder¬
gelegt. Mikroskopische Untersuchungen haben nicht stattgefunden. In
den analytischen Zahlen ist dasjenige, was als „organische Substanz“ ver¬
standen wird, nicht klar. — Eine Monographie der vorliegenden Art hat
vorwiegend ein locales Interesse. Man hätte den Werth derselben durch
Berücksichtigung der Tiefenverhältnisse der Brunnen, geologische Verhält¬
nisse, Grundwasserströmung nach diesseitiger Auffassung wesentlich erhöhen
können. In der Beurtheilung der Wässer ist man wohl etwas zu tolerant
verfahren. Nach diesseitigem Ermessen dürften Wässer, welche 30 Theilo
Salpetersäure und Chlor in 100000 Theilen Wasser enthalten, nicht nur als
„verdächtig“ bezeichnet, sondern der Rubrik „schlecht“ einverleibt werden,
wenn, wie die Uebersicht ergiebt, in nächster Nähe gute Wässer zu finden sind.
Dr. C. Bise hoff (Berlin).
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508
Kritiken und Besprechungen.
Axel Key: Die Gesundheitsverliältnisse in den Schulen
Schwedens. Copenhagen, Cohen’s Buchdruckerei.
Die vorliegende Schrift war bereits 1885 in schwedischer Sprache
erschienen; jetzt geht nns erfreulicher Weise auch eine deutsche Ueber-
setzuug zu, auf welcher das Datum der Publikation übrigens nicht ver¬
merkt ist. Ihr bemerkenswerther Inhalt motivirt es, dass sie, obgleich
lediglich auf schwedische Verhältnisse sich beziehend, in dieser Zeitschrift
erwähnt wird. Die Schrift bringt das Ergebniss einer ärztlichen, durch eine
besondere Commission vorgenommenen Untersuchung von Schulkindern
Schwedens neben Angaben über die Unterrichts- und Arbeitszeit Es
wurden untersucht
14 722 Knaben der höheren Knabenschulen,
3 246 Mädchen der höheren Mädchenschulen.
Von den Knaben waren incl. der Myopischen 44*8 Proc. langwierig
krank oder kränklich, und zwar von den Lateinschülern 50 Proc., von den
Realschülern 40 Proc. Der Prooentsatz stieg von 37‘6 in der untersten zu
58 in der höchsten Classe.
Von den Mädchen erkrankten je nach den Classen 28 bis 68 Proc.,
im Allgemeinen erheblich mehr als von den Knaben.
An Kopfweh litten .... 13*5 Proc. der Knaben
„ Nasenbluten . • . . . 6*2 „ „ „
„ Bleichsucht.12*7 „ „ „
» Myopie.15'2 „ „ „
doch 28*2 „ in I. und II.
Bemerkenswerth sind auch die Angaben über die Längen- und Ge¬
wichtszunahme der betreffenden Kinder. Die Mädchen waren von ihrem
12. bis zum 16. Lebensjahre sowohl länger als schwerer, wie die Knaben.
Die grösste Läpgenzunahme der ersteren Hel in das 12. Jahr, diejenige der
Knaben dagegen in das 15 f Jahr, die grösste Gewichtszunahme der Mädchen
in das 14., diejenige der Knaben in deren 16. und 17. Jahr, welche demnach
als die kräftigsten Entwickelungsjahre der schwedischen männlichen Jugend
anzusehen sind.
Das durchschnittliche Längenmaass betrug
bei Knaben
des
7.
Jahres = 116 cm
n n
n
10.
. = 133 „
r v
n
15.
» = 149 7*
r> n
n
17.
• = 162 „
bei Mädchen des
7.
* =H3„
r> n
n
10.
* = 127 „
n n
n
15.
* = 153 „
n n
17.
. = 159 n
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509
Burgerstein, Gesundheitspflege in der Mittelschule.
Das durchschnittliche Körpergewicht betrug
bei Knaben des
nun
n n yi
rt n n
bei Mädchen des
n n n
n n n
n n n
7. Jahres = 20*5 kg
10.
»
= 29-3 „
15.
n
= 42-3 B
17.
w
= 57-6 „
7.
n
= 20-7 kg
10.
n
= 26-9 „
15.
n
= 48-9 „
17.
n
= 51-6 „
Nun zeigten sich die meisten Erkrankungen bei den Knaben kurz vor
deren Pubertätsentwickelung, d. h. im 13. Jahre, weiterhin im 19., bei den
Mädchen ziemlich gleichmässig in dem ganzen Zeitraum vom 12. bis 20. Jahre.
Auch die Arbeitszeit der Schulkinder wurde ermittelt und zwar bei
2000 Stockholmer Knaben. Es stellte sich heraus, dass von den Knaben
mit kürzerer Arbeitszeit 50*8 Proc., von denjenigen mit längerer Arbeitszeit
dagegen 56*1 Proc. erkrankten. Ganz besonders scharf trat der Einfluss
der letzteren auf den Gesundheitszustand in den fünf untersten Classen
hervor. Key erblickt darin eine neue Mahnung, die Arbeitslast besonders
der jüngeren Schüler zu erleichtern, da sie mit ihrer geringeren Wider¬
standsfähigkeit eine grosse Belastung am wenigsten vertragen.
Ein Vergleich mit den Volksschulkindern wurde nicht angestellt, doch
glaubt der Autor aus den bekannten Ermittelungen Hertel’s über die
Schüler der dänischen Volksschulen schliessen zu können, dass auch
die schwedischen Zöglinge dieser Art Schulen nahezu ebenso kränklich seien,
wie diejenigen der Latein* und Realschulen. Er erklärt endlich, dass die
schwedische Enquetecommission den Vorschlag angenommen hat, zu bean¬
tragen, es möge an jeder Schule ein Schularzt fest angestellt werden, um
am Anfang und Ende jedes Schuljahres eine Untersuchung aller Schul¬
kinder vorzunehmen, namentlich ihre Länge, ihr Gewicht, ihr Sehvermögen
zu ermitteln und allmonatlich einmal die ihm zugewiesenen Schullocale in
Bezug auf Hygiene zu inspiciren.
Dr. Uffelmann (Rostock).
Dr. Leo Burgerstein in Wien: Die Gesundheitspflege in der
Mittelschule. Hygiene des Körpers nebst beiläufigen Bemer¬
kungen. Wien, Hölder, 1887. gr. 8. 140 S. 2*40 Mark.
Die vorliegende Schrift rührt von einem Lehrer her, der, durch seine
Erfahrungen auf den hohen Werth der Hygiene für Schüler und Schule
hingewiesen, sich hierüber zu belehren suchte und zunächst in den päda¬
gogischen Journalen so gut wie Nichts fand. Als er dann die ärztliche
Literatur zur Hand nahm, fand er, dass diese eine dem Lehrpraktiker im
Allgemeinen viel zu wenig bekannten Reichthum an höchst wichtigen dies¬
bezüglichen wissenschaftlichen Untersuchungen enthält. Diese Literatur,
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510
Kritiken und Besprechungen.
deutsche wie ausländische, hat Verfasser gründlich studirt und sie mit
einem reichen Schatz eigener Erfahrung und gesunden Sinnes zu einem
werthvollen Werke vereinigt, aus dem Jeder, namentlich aber Schulbehörden
und Lehrer, für die es wohl zunächst bestimmt ist, viel werden lernen
können.
Verfasser konnte mit gerechtem Stolz constatiren, dass es ein Oester-
reicher war, Lorinser, der zuerst 1836 in Aufsehen erregender Weise auf
die Gefahren hingewiesen hat, welche der Schulbetrieb für die Gesundheit
im Gefolge hat. Leider musste er aber im Verlauf des Buches seinen Land¬
leuten wiederholt zu Gemüthe führen, wie sie sich im weiteren Verlauf von
den Deutschen und von anderen Nationen haben überflügeln lassen.
Da Verfasser die fremdländische Literatur überall mit benutzt und
erwähnt, gewährt das Buch ein vollständiges Bild zunächst von all den
Schädlichkeiten, die die Schule mit sich bringt, oder die man ihr mit mehr
oder weniger Recht zur Last legt und dann der hiergegen an zu wendenden
Mittel, bei denen die Uebung des Körpers als Gegengewicht gegen die
geistige Thätigkeit natürlich obenan steht, aber auch alle anderen Mittel
des Baues und der Einrichtung der Schule, die Subsellien und die Haltung
der Schüler und die ärztliche Aufsicht in der Schule eingehend erörtert
werden. Gerade wie der verständige und einsichtige Lehrer sich die Stellung
des Schularztes und dessen Thätigkeit denkt, wie er zu der Ueberzeugung
gekommen ist, dass „der schulhygienisch gebildete Arzt der einzige com-
petente Beurtheiler und Mitarbeiter für gewisse Verhältnisse der Schule
sei, eben so gut wie der Lehrer für die anderen“ und welche grosse Reihe
von Aufgaben er dem Schulärzte zugewiesen haben will, ist ein besonders
interessantes Capitel des Schriftchens. Die Ueberbürdungsfrage bildet den
Schluss des höchst lesenswerthen und anregenden Buches und hier spricht
sich die Ansicht des Lehrers in folgenden, gewiss allgemein als richtig
erkannten Sätzen aus: „Falls für Uebung und Pflege des Körpers nicht
drei Stunden täglich erübrigt werden könnten, so ist der geistigen Arbeit
zu viel.“ — „Millionen begabter Menschen haben, seitdem die Menschheit
besteht, Geistesschätze gefördert: Altes wollen wir nicht fallen lassen, und
immer wieder die Quintessenz des Neuen dem Schüler eingeben ? Die
heutige graduelle Höhe dieser Schulung lastet schon so schwer, dass zeit¬
weise der mit Anstrengung von Seite des Lehrers dem Schüler abgepresste
Gewinn in gar keinem Verhältniss steht zu der Mühe, die er beiderseits
erfordert, zu den Gefahren, welchen der Schüler dadurch aus¬
gesetzt wird.“ — „Die Jugend soll zu jenem Kampfe ums Dasein ge¬
stählt werden, welchen Völker und Individuen seit jeher führen, nicht
ihn durchkämpfen. Heute aber kämpfen ihn Mittelschüler. Nicht
Gefühlsduselei, sondern kluge Sorge für ein lebenskräftiges, kampf¬
in uthiges Geschlecht soll der leitende Gedanke der öffentlichen Erziehung
sein. Blosse Geistesbildung wird nie ein solches erzeugen.“
A. S.
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Hinträger, Bau und innere Einrichtung von Schulgebäuden. 511
Architekt Carl Hinträger: Der Bau und die innere Ein¬
richtung von Schulgebäuden für öffentliche Volks¬
und Bürgerschulen. Mit besonderer Berück sich tignng der
Verhältnisse in Oesterreich. Ein Handbuch für Schulbehörden,
Pädagogen, Aerzte, Architekten, Baugewerbetreibende. Wien,
* Gräser, 1887. gr. 8. 87 S. mit 142 in den Text gedruckten Ab¬
bildungen. 2*40 Mark.
Das vorliegende Buch, von einem Oesterreicher und für Oesterreich ge¬
schrieben, liefert den Beweis, dass man in Oesterreich die Schulhygiene
mit demselben Ernst und von denselben Gesichtspunkten aus wie in
Deutschland betreibt und in Folge dessen auch ganz zu denselben Resul¬
taten und Ansichten gelangt. Es ist von einem Architekten geschrieben
und ganz vom technischen Standpunkt aus, aber nirgends setzt sich der
Architekt in Gegensatz zu den Forderungen der Aerzte und der Schul¬
männer, sondern ist stets bestrebt, ihren berechtigten Wünschen zu ent¬
sprechen. Und er verfolgt seine Aufgabe mit einem warmen Herzen für die
Jugend, die einen grossen Theil ihrer Bildungszeit im Schulgebäude zu¬
bringe und die mit empfänglichem Kindergemüth hier erhaltenen Eindrücke
bleibend bewahre. Darum soll seiner Ansicht nach das Schulhaus, wenn
auch mit den einfachsten Mitteln erbaut, in Anlage und Einrichtung das
Muster eines Gebäudes und dem Kinde zeitlebens eine angenehme und
freudige Erinnerung der Zeit seines Aufenthalts in diesen Räumen sein.
Darum verlangt er auch, dass das Schulhaus in seinem Aeusseren freund¬
lich und einladend sein und die Sauberkeit des Hauses auch schon von
aussen erkennen lassen soll, dass in dem Gebäude die Kinder auch zu
Reinlichkeit und Ordnung erzogen werden sollen.
Das Buch soll ein Handbuch für Bautechniker wie für Schulmänner
und Aerzte sein und es enthält desshalb eine ganz vollständige Darlegung
aller Einzelheiten beim Bau und der Einrichtung von Schulgebäuden, deren
Werth und Verwendbarkeit noch erhöht wird durch eine grosse Zahl meist
trefflicher Zeichnungen, die Details von Constructionen, innere Einrich¬
tungen und räumliche Dispositionen darstellen. Namentlich die zahl¬
reichen Pläne von Schulhausbauten und Classendispositionen für 1- bis 8-
und mehrclaßsige Schulen mit und ohne Lehrerwohnung sind auch für den
Nichttechniker von grossem Interesse.
Auf don sehr reichen Inhalt des Werkes im Einzelnen einzugehen,
würde hier zu weit führen, um so mehr, als die Gesichtspunkte überall die¬
selben wie bei uns in Deutschland sind. Beachtung verdienen die An¬
gaben über künstliche Beleuchtung der Schulzimmer mittelst Sonnenbrenner,
die ein helles gleichmössiges Licht geben und die Ventilation bofördern;
ist doch die künstliche Beleuchtung in unseren deutschen Schulen noch
einer der schwächsten Punkte! Bei den Centralheizüngen ist nur von Luft
und Warmwasserheizungen die Rede, bei uns in Deutschland spielt aber
neben diesen die Niederdruck-Dampfheizung zur Zeit eine nicht unbedeutende
Rolle und wird dies in Zukunft vielleicht noch weit mehr thun. Besonders
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512
Kritiken und Besprechungen.
ausführlich und mit sehr zahlreichen Abbildungen versehen ist auch das
Capitel der Subsellien.
Durch die vielen, zum Theil auch schematischen Zeichnungen, durch
die übersichtliche und erschöpfende Behandlung des ganzen Themas wird
das Handbuch Vielen eine willkommene Gabe sein« A. S.
Dr. Ignaz Ferdinand Tischler: Das ländliche VolkSSChulll&US
vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege erörtert für
Aerzte, Teckniker und Schulaufsichtsorgane. München und Leipzig,
Oldenburg, 1887. gr. 8. 64 S. 1‘20 Mark.
Der Verfasser vorliegender Schrift, der in einem kleinen Ort in Nieder¬
bayern lebt, hat sich die dankbare Aufgabe gestellt, „die ganz colossal
an wachsende Literatur über Schulhygiene bezüglich des für die ländliche
Volksschule Brauchbaren zu prüfen, um in gedrängter Kürze und schlichter
Darstellung die gesundheitlichen, überall ausführbaren Anforderungen an
das ländliche Schulhaus feststellen zu können u .
Die hygienischen Bestrebungen der Neuzeit haben sich nicht mit Un¬
recht oft den Vorwurf machen lassen müssen, dass sie vorwiegend nur die
Verhältnisse der Städte, meist sogar nur der grösseren Städte, berück¬
sichtigten und hat man dem gegenüber mit vollem Recht betont, dass in
den rasch wachsenden und dicht bevölkerten Städten die hygienischen Ver¬
besserungen auch am nothwendigsten, weil die hygienischen Missstände die
grössten, sind. Aber wenn es auch richtig ist, dass auf dem Lande der
fünf- bis sechsstündige Aufenthalt in einem unsanitären Schulzimmer für
die Kinder, die den übrigen Theil des Tages viel in frischer Luft sind,
nicht so nachtheilig wie für Stadtkinder ist, so ist dies schliesslich kein
Grund, dass man sich auf dem Lande allen sanitären Verbesserungen ver-
schliesst So dachte offenbar auch der Verfasser, als er das vorliegende
Buch schrieb. Er hatte nicht die Absicht, dem Hygieniker neue Gedanken
und Ansichten vorzulegen, im Gegentheil, er hat ausschliesslich aus den
zahlreichen Arbeiten Anderer geschöpft und sich das herausgesucht, was er
brauchen kann. Und da ist es erstaunlich und erfreulich, wie zahlreiche
hygienische Forderungen und Schulbauten sich auch in bescheidenen länd¬
lichen Verhältnissen benutzen lassen, um auch hier Schulen herzustellen,
die in ihrer Einfachheit gerade so zweckmässig und sanitär richtig aus¬
geführt sind, wie die grossen neuen Schulpaläste unserer Städte. Wo man
auf dem Lande eine neue Schule bauen oder eine alte Schule verbessern
will, wird man gut thun, das vorliegende Schriftchen zu Rathe zu ziehen,
das mit gesunden hygienischen Ansichten und grosser Vollständigkeit
„Kürze und schlichte Darstellung“ verbindet. A. S.
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Klette, Bau und Einrichtung der Schulgebäude.
513
Baumeister Klette: Der Bau und die Einrichtung der Schul¬
gebäude. Karlsruhe, Bielefeld, 1886. 8. 123 S. 2*90 Mark.
Die vorliegende Schrift behandelt die in den letzten Jahren so vielfach
bearbeitete Frage über den Bau und die Einrichtung von Schulhäusern von
einer neuen, und man kann wohl sagen, überraschenden Weise. Gerade im
Schulwesen hat es bekanntlich am schwersten gehalten, den Anforderungen
der Hygiene Geltung zu verschaffen und in Bezug auf den Lehrplan, die
Ueberbürdungsfrage etc., so sehr man auch hierin dem Verlangen der
Hygieniker und Aerzte bereits entgegengekommen ist, sind vielleicht noch
manche Wünsche zur Zeit unerfüllt. Aber speciell in Bezug auf Bau und
Einrichtung der Schule ist seit lange zwischen Schulmännern und
Hygienikern eine vollständige Uebereinstiramung erzielt, und wo im ganzen
Lande von einsichtigen Behörden neue Schulhäuser gebaut oder alte umge¬
baut werden, ist man über die dem Bau zu Grunde zu legenden Principien
vollständig einig, und die einzige Schwierigkeit lag bislang nur bei den
Bautechnikern, die nicht leicht dazu zu bewegen waren, bei einem Nutzbau
das anerkannt Nützliche ihrem vermeintlichen Schönheitssinn zu opfern.
Aber auch hierin haben die letzten Jahre bedeutende Fortschritte gebracht,
die Bautechniker befreunden sich mit den hochhinaufgehenden und dicht¬
stehenden Fenstern, die allein den Schulräumen das nöthige Licht liefern
können, sie stellen den Heiz- und Ventilationsingenieuren den von ihnen
geforderten Raum in zweckmässiger Weise zur Verfügung, sie hören bereit¬
willig auf die Wünsche der Schulmänner und Aerzte und sie verlassen den
den neueren Schulpalästen oft mit Recht vorgeworfenen Luxus, der doch
fast immer der Architectur zu Liebe hat aufgewandt werden müssen.
Dass diesen Schritt aber noch nicht alle Bautechniker gemacht haben,
darüber belehrt uns Herr Klette. Ihm will es nicht in den Sinn, dass die
„unabhängige Bautechnik tf Zusehen muss, „wie ein in ihren ureigenen
Bereich gehöriger Gegenstand von fremden Händen behandelt wird“. Er
will diese „rein bautechnische Aufgabe“ ausschliesslich von Bautechnikern
und Architecten gelöst sehen, sie allein seien „das Forum, dessen Ausspruch
sich Jeder zu unterwerfen hat“ (!), wobei Herr Klette allerdings die Gnade
hat, zuzugestehen, dass „Schulmänner, Aerzte, Hygienisten, Gesetzgeber und
Eltern gehört werden sollen“.
Solchen einseitigen Ueberhebungen gegenüber hat die Hygiene doch
die Pflicht zu protestiren und jenem Verlangen den Satz gegenüber zu
stellen, dass die Bautechniker die Verpflichtung haben, sich in den Dienst
der Schulbehörden zu stellen und die von den Schulmännern in Gemein¬
schaft mit den Hygienikern aufgestellten Forderungen nach bestem Können
auszuführen, gerade wie jeder Bauherr sich für sein Wohnhaus seine Be¬
dürfnisse zurecht legt und nun von dem Bautecbniker verlangt, dass er ihm
ein diesen Bedürfnissen entsprechendes Haus baut. Dass übrigens Herr
Klette nicht die anderen Bautechniker hinter sich hat, beweist unter
anderem der Umstand, dass bei einer vor zwei Jahren in Frankfurt a. M.
ausgeschriebenen allgemeinen Concurrenz für ein Schulhaus unter 54 sich
betheiligenden Architecten nur ganz Wenige waren, die nicht streng alle
Vierteljahraschrift für Gesundheitspflege, 1887. 33
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514
Kritiken und Besprechungen«
die Forderungen der Hygiene vollauf berücksichtigt und ihren Planskizzen
zu Grunde gelegt hätten.
Sehen wir uns nun aber in dem Buche näher um, das mit so grossen
Prätensionen auftritt, so wissen wir nicht, ob der Techniker aus demselben
viel Nutzen ziehen wird; uns hat es nur den Eindruck gemacht, dass es
ungemein lückenhaft, oberflächlich und ohne jede Motivirung absprechend
ist, dass es wenig Neues bringt, und dass das Neue darin unglaublich
unzweckmässig ist. Lückenhaft ist das Buch allenthalben, es nennt sich
der Bau und die Einrichtung der Schulgebäude und lässt die wichtigsten
Gesichtspunkte beim Schulbau zum Theil ganz unberücksichtigt, theils streift
es sie nur; es ist oberflächlich, die meisten Gegenstände werden nur ganz
einseitig aufgeführt und ohne näheres Eingehen in absprechender Weise be¬
seitigt. Ueberhaupt macht es den Eindruck, als ob der Verfasser nie in
einer Schule gewesen jsei, jedenfalls sind ihm die Schulbedürfnisse ganz
fremd; das zeigt z. B. das unglaublich schwache Capitel der „Bestuhlung“»
Das Meiste ist nicht dem Leben, sondern einigen wenigen anderen Schriften
entnommen und das ganze Schriftchen wohl nur geschrieben, damit Ver¬
fasser einige eigene neue Ideen vorführen kann, die denn auch das allein
Lesenswerthe des Büchelchens bilden. Die Trennung der Geschlechter in
den Schulen ist zu beseitigen, Unterkellerung der Schulräume ist überflüssig,
als Thüren werden Pendelflügelthüren ohne Verschluss empfohlen; Fenster,
über deren Zahl, Grösse, Stellung-etc. kein Wort gesagt ist, sollen aus einer
Glasscheibe bestehen und zum Oeffnen sich um die obere Querachse drehen
und in das Classenzimmer hinein aufgestellt werden, und Doppelfenster nur
am unteren Drittel der Fenster haben; alle Centralheizung ist zu verwerfen
und wird dafür Ofenheizung ganz eigener Art empfohlen, indem jeder
einzelne Ofen das im Stockwerk darüber befindliche Classenzimmei; heizt;
das schönste aber sind die S. 79 bis 82 mitgetheilten neu erfundenen Pläne
von Schulen bis 20 Classen, alle Classen ohne Fenster, nur mit Oberlicht!
Und dazu bemerkt der Autor naiv: „Der einzige Ein wand, der erhoben
werden könnte, wäre, dass die Lüftung durch die Fenster wegfiele. Allein
dem ist entgegenzuhalten, dass die Fenster in erster Reihe zur Beleuchtung
und nicht zur Lüftung da sind.“
Schönes „Forum, dessen Ausspruch sich Jeder zu unterwerfen hat“!
A. S.
Vierteljahrssohrift über die Fortschritte auf dem Gebiete
der Chemie, der Nahrungs- und Genussmittel, der
Gebrauohsgegenstände, sowie der hierher gehörenden
Industriezweige. Herausgegeben von A* Hilger, R. Kays er,
J. König, E. Seil. Erster Jahrgang. Erstes und zweites Heft.
Berlin, Springer, 1886. gr. 8. 5 M.
Die lebhafte Entwickelung, welche im letzten Jahrzehnte die Unter¬
suchung der Nahrungs- und Genussmittel in sich erfahren hat, die stetigen
Fortschritte auf diesem Gebiete, die, in äusserst zahlreichen Zeitschriften
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Falk, Errichtung öffentlicher Schlachthäuser. 515
zerstreut, von den interessirten Kreisen ohne grösste Mühe nicht übersehen
werden können, haben den Gedanken nahe gelegt, das von Jahr zu Jahr
zunehmende Material cursorisch in einer „Vierteljahrsschrift“ zu sammeln.
Das Werk, unter dem an der Spitze verzeichneten Titel herausgegeben, von
welchem uns das erste und zweite Heft vorliegt, muss zunächst als ein
durchaus zeitgemässes bezeichnet werden. Es wird — vorausgesetzt, dass
es den Zielen, die es sich gesteckt hat, treu bleibt — eine werthvolle
laufende Ergänzung anerkannter Handbücher und Sammelwerke bilden,
welche die gleiche Materie behandeln.
Die beiden uns vorliegenden Hefte der „Vierteljahrsschrift über die
Fortschritte der Chemie der Nahrungs- und Genussmittel etc.“ enthalten die
Artikel: Fleisch, Fleischpeptone, Milch, Käse, Butter, flüssige Fette, Speise¬
öle, Gewürze, Thee, Mehl, Stärkemehl und Brot, Traubenzucker, Rohr¬
zucker, Gährungserscheinungen, Wein, Bier, Spiritusfabrikation, Essig,
Wasser und Wasserversorgung, künstliche Mineralwässer, Conserven und
Conservirung von Nahrungsmitteln, Gebrauchsgegenstände, analytische Me¬
thoden, Apparate, Gesetze, Gesetzentwürfe, Verordnungen etc.
Die einzelnen Artikel sind zum grössten Theil von bekannten Fachleuten
verfasst, deren Namen im Verein mit denjenigen der Herausgeber dafür Bürg¬
schaft leisten wird, auf dem behandelten Gebiete über die wesentlichen Neu¬
heiten und Fortschritte sachgemäss und ausreichend orientirt zu werden.
Die Bearbeitung der Artikel ist eine etwas ungleiche. Es dürfte an¬
zustreben sein, über das innerhalb eines Artikels verwandte Material möglichst
zusammenhängend an einer Stelle zu referiren. Während diese Aufgabe,
um ein Beispiel herauszugreifen, die Artikel Milch und Käse, Spiritus¬
fabrikation vortrefflich lösen, sind in anderen Artikeln mehr cursorisch ohne
directen Zusammenhang die der Besprechung unterzogenen Arbeiten an ein¬
ander gereiht. Der Artikel Wasser und Wasserversorgung trennt z. B. die
Arbeiten über bacteriologische Untersuchungen wie über Wasserfiltration
ohne sichtbaren Grund. — Den Inhalt der einzelnen Mittheilungen selbst
zu berühren, dürfte über den Rahmen einer hier nur möglichen kurzen Be¬
sprechung zu weit hinausführen. Wir erwähnen nur, dass nach eingehender
Prüfung der Inhalt der ersten beiden Hefte ein sehr reichhaltiger ist, und
uns aus der Literatur und Praxis der ersten Hälfte des Jahres 1886 keine
wesentliche Neuheiten des behandelten Gebietes bekannt geworden sind,
welche wir in der vorliegenden Zeitschrift vermissten.
Dr. C. Bischoff (Berlin).
Hermann Falk, Inspector des städtischen Schlachthauses und Thierarzt
am Central-Impf-Institute zu Bernburg a. S.: Die Errichtung
Öffentlicher Schlachthäuser; mit Anhang: Die Schlachthaus¬
gesetze sowie Schlachthausverordnungen und Situationspläne. Oster¬
wieck, Zickfeldt, 1886. 56 S. mit 7 Tafeln. 1*20 M.
In der 56 Seiten langen Broschüre stellt sich der Verfasser die Auf¬
gabe, die Interessenten mit den Erfahrungen bereits bestehender Schlacht¬
häuser bekannt zu machen zur Verhütung uunöthiger Kosten bei Neuanlage
33*
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516 Kritiken und Besprechungen.
von Schlachthäusern. Gleichzeitig will er das Interesse für solche Anlagen
in grossen und kleinen Städten erwecken.
Er versucht an der Hand zahlreicher Beispiele den Beweis zu erbringen,
dass die Anlage von Schlachthäusern den Communen keine Lasten bringt,
dass das Fleisch nicht vertheuert wird und dass Unzuträglichkeiten för die
Metzger daraus nicht erwachsen. Vielmehr biete sie das Mittel zur Assani-
rung der Städte, sie schaffe gesundes und billiges Fleisch und gewähre
auch die Möglichkeit, die animale Impfung genereller als bisher durch¬
zuführen, sowie gute Milch für die Kinderernährung zu beschaffen.
Natürlich fordert er vor allen die Leitung der Anstalt durch einen
approbirten Thierarzt.
Die Broschüre liest sich leicht, und wird ihre Kenntniss bei Einrich¬
tung von öffentlichen Schlachthäusern nicht ohne Nutzen bleiben.
Erwünscht wäre indess ein näheres Eingehen auf die Einrichtungen
des Bernburger Schlachthauses selbst gewesen, wie die Besprechung der
Kosten des Baues, der Behandlung der Abwässer u. m. a. Der Satz: „Die
Abwässer gehen per Canal in die Fuhre, welche etwa 200 Schritte hinter der
Canaleinmündung in die Saale fliesst“, dürfte ohne Weiteres in seiner Nackt¬
heit den sanitären Wünschen bezüglich Reinhaltung der öffentlichen Wasser¬
läufe trotz Verzeichnung von Klärbassins wenig entsprechen.
Im Uebrigen können wir uns indess dem oben genannten Wunsche
des Verfassers nur anschliessen und die Hoffnung aussprechen, dass auch
seine Darlegungen dazu beitragen werden, die Vorliebe für öffentliche
Schlachthäuser auch in Mittelstädten mehr und mehr zu erwecken.
Dr. Mitten zweig (Berlin).
Dr. Max Breitung: Ueber neuere Leiohenanstalten. Eine
hygienische Studie. Berlin, Grosser, 1886. 8. 68 S. 1 M.
Verfasser veranschaulicht — insbesondere mit Bezug auf Berlin —
die Uebelstände bei Unterbringung und Transport von Leichen. Raum¬
mangel in der Wohnung bei Eintritt eines Todesfalles mache auch vielfach
in Familien besserer Stände sich geltend. Nicht nur kläglich, sondern auch
in hygienischer Hinsicht, wenn es sich um Todesfälle zufolge von anstecken¬
den Krankheiten handle, mit Gefahren verbunden sei die unter den Armen
übliche Art des Transportes kleiner Kindersärge nach den Friedhöfen;
selbst auf grosse Entfernungen — stundenlange Wege — werde oft genug
von den Hinterbliebenen der kleine Sarg getragen. Einen ferneren schon
von Mehlhausen hervorgehobenen Uebelstand bedinge die undichte Zu¬
sammenfügung der Bretter bei Herstellung der Armensärge, aus welchen
schon während des Transportes nach den Friedhöfen auf der Strasse faulige,
von der Leiche stammende Flüssigkeit in vielen Fällen aussickere. Mit
dem Hinweis auf solche, insbesondere zu Zeiten von Epidemieen sehr be¬
deutsame Uebelstände fordert Verfasser, dass für Unterbringung und
bezw. Abholung von Leichen eine hinlängliche Fürsorge wenigstens in den
grossen Städten getroffen werde.
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Breitung, Ueber neuere Leichenanstalten. 517
In diesem Sinne wird ausführlich eine seit Jahren wohl bewährte Ein¬
richtung der Stadt Brüssel, das D6pöt mortuaire , beschrieben und in rich¬
tiger Würdigung der Verhältnisse des praktischen Lehens schon an dem
Namen „Hipöt mortuaire welcher alsbald durch „Hotel des morts u im
Volksmunde verdrängt worden ist, veranschaulicht, wie für Einrichtungen
der fraglichen Art es wesentlich sei, dass grundsätzlich Alles vermieden
werde, was nicht von vornherein — unbeschadet den polizeilichen und den
hygienischen Zwecken — auch thunlichst den Gefühlsinteressen des Publi-
cums Rechnung trage. Beachtenswerth bei den Brüsseler Einrichtungen ist
die ebenso schnell, wie geräuschlos, und ohne irgend welches Aufsehen
zu bewerkstelligende Abholung der Leichen. Als Transportmittel dient
eine Räderhahre, auf welcher ein mit einem Deckel zu verschliessender,
jedoch nicht etwa von der Bahre abzunehmender Korh sich befindet. Die
letztere wird in das Baus und bezw. den Hof gefahren, und erfolgt als¬
dann die Abholung aus der Wohnung mittelst eines in dem Korbe mit¬
geführten flachen und an den Rändern den Umrissen des menschlichen
Körpers entsprechend geformten, in geeigneter Weise mit einer Fussleiste
versehenen Brettes, welches an den Kanten mit Wachsleinwand und mit
Gummituch zum Zwecke demnächstiger Einhüllung der Leiche beschlagen
ist; die letztere, befestigt auf dem Brette und eingehüllt, lässt bequem auch
aus Wohnungen der höchsten Stockwerke sich heruntertragen. In dem —
übrigens mitten in der Stadt belegenen — Depot beherbergt eine Halle die
von einander durch dünne, 2m hohe Wände getrennten und mit Wachs¬
leinwand überzogenen Lagerstätten, zu deren jeder eine wollene, nach
Ansicht des Referenten besser durch Leinen- oder wasserdichten Stoff zu
ersetzende Decke gehört. Natürlich ist in der Halle der Fusshoden cemen-
tirt, Wasserleitung vorhanden und für Heizung sowie in ausreichender
Weise für Ventilation gesorgt. Die Benutzung der Anstalt ist für Niemanden
etwa obligatorisch; andererseits ist bei beabsichtigter Ueberführung einer
Leiche das zu beobachtende Verfahren ein so wenig umständliches, dass in
Fällen der Dringlichkeit lediglich es eines entsprechenden ärztlichen Attestes
bedarf. Was unter diesen Umständen die thatsächliche Benutzung betrifft,
so beläuft sich auf etwa 900 die Zahl der jährlich eingestellten Leichen bei
einer Gesammteinwohnerzahl von über 400 000. Ausgeschlossen von der
Einstellung sind Leichen, welche in Fäulniss übergegangen, sowie solche
von Personen, welche an übertragbaren, epidemischen oder infectiösen
Krankheiten gestorben sind. Für Unterbringung von Leichen der letzteren
Art dient das Leichenhaus auf dem Gemeindehegräbnissplatze. Auch unbe¬
kannte, zu recognoscirende Leichen werden nicht in das Depot, sondern
in die vollständig von demselben getrennte Morgue gewiesen.
Mit Recht fordert hinsichtlich des Betriebes von Leichenanstalten der
Verfasser die Vermeidung polizeilichen Zwanges für den Anfang. Nur aus
freiwilliger und allmälig — bei zweckmässigen Einrichtungen — gewohn-
heitsmässig gewordener Benutzung lässt unschwer demnächst die obli¬
gatorische sich entwickeln, wie München dies beweist, wo nach einer aller¬
dings bis in das vorige Jahrhundert, zurückreichenden Gewöhnung eine
entsprechende polizeiliche Zwangs Vorschrift vom 1. Juli 1862 einem Wider¬
spruch nicht im Geringsten begegnet ist. Nur in Bezug auf infectiöse
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518
Kritiken und Besprechungen.
Leichen möchte wegen Einführung geeigneter obligatorischer Maassnahmen
Referent weniger dem exspectativen Verfahren das Wort reden; auch in
Brüssel ist in dieser Hinsicht ein auch von dem Verfasser hervorgehobener
Unterschied statuirt insofern, als zwar die Benutzung des Depots facultativ,
jedoch die Ueberführung der Leichen von Personen, welche an übertrag¬
baren, epidemischen oder infectiösen, Krankheiten gestorben sind, in das
obengenannte Leichenhaus eine obligatorische ist.
Von Brüssel geht Verfasser über auf Paris, wo im Jahre 1880 Leichen¬
anstalten, „Maisons mortuaires *, in drei Stadtvierteln mit je einer Abtheilung
für nicht infectiöse und je einer solchen für infectiöse Leichen, versuchsweise
errichtet wurden; die Ueberführung der Leichen letzterer Art sollte obli¬
gatorisch sein. Die Anstalten erhielten Apparate zur Vornahme von Des-
infectionen mit heisser Luft. Die Bestimmungen über die obligatorische
Ueberführung haben eine praktische Probe insbesondere 1884 anlässlich des
Ausbruchs der Cholera bestanden; täglich bis zu 40 Choleraleichen wurden
in die Anstalten im November 1884 eingeliefert.
Als mustergültig auf dem Gebiete des polizeilichen Leichenwesens
beschreibt der Verfasser das Berliner neue polizeiliche Leichenhaus. Dasselbe
besteht aus dem als eigentliches Leichenhaus benutzten Mittelbau und zwei
seitlichen Flügeln, von denen der eine Verwaltungs-, der andere die gericht¬
lichen Zwecken dienenden Räume und das Institut für Staatsarzneikunde
beherbergt. Der zu Recognoscirungen für das Publicum bestimmte Raum
befindet sich hochparterre in dem Mittelbau. Eine vor diesem errichtete
Vorhalle bezweckt, von den dahinter gelegenen Räumen thunlichst die
Sonnenstrahlen fern zu halten. Isolirschichten sind in dem Mauerwerk des
Gebäudes als schlechte Wärmeleiter eingeschaltet. Kühlschlangen, von einer
im Souterrain aufgestelten Kaltluftdruckmaschine versorgt, ziehen sich durch
die sämmtlichen für Belegung mit Leichen bestimmten Räume. Ausserdem
ist Wasserberieselung des für den Mittelbau das Oberlicht gewährenden
Glasdaches für die heisse Jahreszeit vorgesehen. Der Recognoscirungsraum
umfasst 12 für je 2 Leichen bestimmte Zellen, in welchen hinter Glasscheiben
die Leichen auf Tischen in eine nach vorn schiefe Stellung sich bringen
lassen, so dass thunlichst die Erkennung der Gesichtszüge erleichtert wird.
Unter dem Recognoscirungsraum beherbergt ein Kellerraum ebenfalls ge¬
sonderte, durch Glasfenster geschlossene Abtheilungen behufs Aufbewahrung
gerichtS8eitig requirirter Leichen. Unter dem Keller liegt noch eine durch
Röhrenleitungen zur Abwehr der Bodenfeuchtigkeit ventilirte Unterkellerung.
Im Uebrigen befindet sich in dem Keller ein zum Verbrennen abgängiger
Kleidungsstücke bestimmter Ofen, und mündet neben diesem von oben her
ein Thonrohr, durch welches aus dem parterre belegenen, zum Reinigen der
anlangenden Leichen dienenden Waschraum das zu verbrennende Material
sich herabwerfen lässt. Zum Transport der Leichen innerhalb des Gebäudes
dienen neben einer Fahrstuhlvorrichtung zierliche, dreiräderige, auf Gummi¬
rädern laufende Handwagen. In den Obductionssälen ist für Reinlichkeit
in jeder Weise gesorgt; glatte, weisseKacheln bedecken bis zur Mannshöhe
die Wände; der Fussboden besteht wie in den sämmtlichen für Leichen be¬
stimmten Räumen aus Steinfliesen. Die Leichentische sind drehbar und
mit Abflussvorrichtungen versehen, welche letztere nicht Flüssiges zurück-
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Bunge, Die Alkoholfrage. 519
halten. Ventilation der verschiedenen Raume ist in dem ausgiebigsten
Ma&sse gewährleistet.
Hinsichtlich der in Berlin von Privatleuten zur Unterbringung von
Leichen in Anspruch zu nehmenden parochialen Leichenhäuser rügt mit
Recht der Verfasser die Kostspieligkeit der Benutzung als einen der Hygiene
zuwiderlaufenden Factor.
In dem letzten Theile der Arbeit hat der Verfasser die Frage nach dem
Vorkommen von Scheintod und von Lebendigbegrabenwerden erörtert. Diese
Erörterung ist, zumal wenn die beschaffte Aufklärung ausgiebig auch dem
Laienpublicum zugänglich gemacht würde, als eine verdienstliche um so
mehr zu begrüssen, als in der objectivsten Weise dieselbe eingeht auf An¬
gaben über eine grosse Zahl von Fällen von Lebenfligbegrabenwerden, welche
vor einiger Zeit eine gewisse Friederike Kempner in einer „Denkschrift
über die Nothwendigkeit einer gesetzlichen Einführung von Leichenhäusern “
sich veranlasst gesehen hat zu veröffentlichen. Weder Zeit noch Mühe
sparend hat Verfasser directe Nachrichten ira Verfolg einer ansehnlichen
Zahl der Kempner’sehen, sowie anderer ähnlicher, insbesondere auch in der
Presse aufgetischter Fälle eingezogen. Dieses Verfahren hat durchaus die
Angaben, welche wohl geeignet waren, die Gemüther zu beunruhigen, in
Nichts zerrinnen lassen, so dass Niemand dem Verfasser wird zu wider¬
sprechen vermögen, wenn derselbe dahin die Ergebnisse seiner Erkun¬
digungen zusammenfasst: Es ist kein Fall bekannt, bezw. sicher verbürgt,
in dem ein Scheintodter begraben, danach dem Grabe entzogen und dem
Leben wiedergegeben wurde, und es ist kein Fall bekannt, in dem auf Grund
gewisser an Leichen bei Exhumationen wahrgeuommener Veränderungen
der Lage, Verletzungen u. dergl. ein sicheres Urtheil von competenter Seite
auf vorhanden gewesenen, nicht erkannten Scheintod abgegeben werden
konnte. Dr. Quittei (Berlin).
G. Bunge, ord. Prof. d. physiol. Chemie an der Universität Basel: Di©
Alkoholfrage. Ein Vortrag. Leipzig. Vogel 1887. 8. 23 S.
0*80 Mark.
Der Vortrag des Herrn Verfassers über die Alkoholfrage bildet einen
ungemein werthvollen Beitrag zu dem in neuerer Zeit so vielfach in Wort
und Schrift discutirten Gegenstände. Es sind nur wenige Punkte dieser weit
verzweigten Materie, welche Verfasser behandelt, aber diese sind in einer
so gründlichen, lehrreichen und überzeugenden Weise erörtert, dass sie die
öffentliche Meinung aufzuklären und für den Gegenstand zu interessiren in
einem hohen Grade geeignet sind.
Verfasser wendet sich zunächst — und das ist nach unserem Dafür¬
halten der wichtigste und verdienstlichste Theil der Arbeit — gegen den
schweren, allgemein getheilten Irrthum, dass der Alkohol ein Nahrungsstoff
sei. Daraus, dass der Alkohol in unserem Körper verbrennt, und eine
Quelle der „lebendigen Kraft“ werde, folgt noch nicht, wie Verfasser aus-
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520 Kritiken und Besprechungen.
führt, dass er ein Nahrungsstoff sei. „Um diese Annahme zu begründen,
müsste zuvor der Nachweis geführt werden, dass die aus seiner Verbrennung
hervorgehende lebendige Kraft Verwerthung finde zur Verrichtung einer
normalen Funktion. Es ist nicht genug, dass chemische Spannkraft in
lebendige Kraft sich umsetzt. Die Umsetzung muss zur rechten Zeit am
rechten Orte vor sich gehen, an ganz bestimmten Punkten, ganz bestimmten
Gewebselementen. Wir wissen nicht, ob die Muskelfaser, die Nervenzelle
den Alkohol als Kraftquelle verwerthen könne. Unsere Gewebe sind gar
nicht darauf eingerichtet, mit jedem beliebigen Material gespeist zu werden;
sie entnehmen dem Blute ganz bestimmte Nahrungsstoffe, sie weisen das
Fremde, das Schädliche zurück.“ Wenn der Alkohol durch seine Ver¬
brennung zur Quelle von Wärme wird, die unserem Körper zu Gute kommen
könnte, so ist seine physiologische Wirkung doch eine derartige, dass
thatsächlich eine Abnahme der Körpertemperatur die Folge ist.
Alle Wirkungen des Alkohols, die gewöhnlich als Erregung
gedeutet werden, sind, wie Verfasser in Uebereinstimmung mit
Schmiedeberg lehrt, im Grunde nur als Lähmungserscheinungen
aufzufassen. Der Alkohol lähmt das klare Denken, das Urtheil, daher
prävalirt das Gemüthsleben und schon im Beginn der Intoxication wird der
Mensch mittheilsamer, sorgloser, heiterer. „In dem Maasse, als die Selbst¬
kritik sinkt, steigt die Selbstgefälligkeit.“ Weil die hemmende Schranke,
die Selbstbeherrschung, beseitigt ist, werden unnütze Muskelactionen, leb¬
hafte Gesticulationen ausgeführt, und in Folge dieser ist die Herzthätigkeit
gesteigert. Man hat diese letztere Erscheinung irrthümlich als Erregung
bezeichnet, ganz ebenso wie die Betäubung des Müdigkeitsgefühls als
Steigerung der allgemeinen Muskelkraft. Der Alkohol stärkt und kräftigt
nicht, das Gefühl der Müdigkeit wird nur betäubt. — Unter den alko¬
holischen Getränken hält Verfasser das Bier für das allerschädlichste, weil
kein anderes in dem Maasse dazu geeignet ist, zur Betäubung der langen
Weile missbraucht zu werden. „Branntwein zu trinken, gilt in allen
Volksclassen für eine Schande, mit unmässigen Biertrinkern renommirt die
geistige Elite unserer Nation.“ — Die alkoholischen Getränke verlang¬
samen und stören die Verdauung und geben dem Geschmack des Trinkers
eine perverse Richtung. Die meiste Freude, hebt Verfasser mit Recht her¬
vor, bereiten dem unverdorbenen Geschmack zuckerreiche Früchte und
süsse Speisen, das Kind greift instinktiv nach ihnen und die Physiologie
lehrt, dass der Zucker die Quelle der Muskelkraft ist. Dem Trinker
schmeckt das Süsse nicht und das deutet auf einen abnormen Zustand.
Mit der Beseitigung der alkoholischen Getränke würden unsere Tafel¬
freuden nur erhöht; nur weil die Nahrung der meisten Menschen zu wenig
wohlschmeckend ist, haben sie ein Verlangen nach Genussmitteln, die
Nahrungsmittel sollten aber zugleich die Genussmittel sein. — Verfasser
weist auf die schweren körperlichen, geistigen und sittlichen Schäden hin,
auf das grosse Elend, das der Alkoholmissbrauch hervorruft und kommt
zu dem Ergebniss, dass nur durch die volle Enthaltsamkeit dem
Uebel abgeholfen werden kann, und dass ein Jeder, der an den sittlichen
Fortschritt der Menschheit glaubt, mit diesem Beispiele vorangehen müsse.
Noch niemals ist ein Trinker gerettet worden durch den Vor-
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521
Bunge, Die Alkoholfrage.
salz der Mässigkeit. Die einzige Rettung ist die Vermeidung des ersten
Glases und die Trunksucht eines Volkes kann nicht anders geheilt werden
als die des Individuums. „Diejenigen, die sich berufen glauben, ein Volk
zu erziehen, sollen vor Allem mit sich selbst den Anfang machen. So
lange man nur dem Armen seinen Branntwein nehmen, selbst aber auf
seinen Wein nicht verzichten will, wird Niemand an die Uneigennützigkeit
der Bestrebungen glauben."
Wir sind mit der Berechtigung und NothWendigkeit dieser Anforderung
vollkommen einverstanden. Wir glauben aber, dass die praktische Aus¬
führung desselben nur dann mit Zuversicht und Erfolg zu erhoffen ist, wenn
die allgemeinen Anschauungen über den Werth des Alkohols aufgeklärt
und der Boden für die Beseitigung der tief eingewurzelten Neigung zum
Alkoholgenusse mehr vorbereitet sein wird. Und dazu wird, wie wir über¬
zeugt sind, die Schrift des Herrn Verfassers in reichem Maasse beitragen.
Wir können die Lectüre dieses Vortrages allen denen, welche ein
Interesse an dieser Frage nehmen, aufs Eindringlichste empfehlen. Sie
werden in dem Optimismus und in der begeisternden Wärme desselben
neuen Muth zum weiteren Kampfe finden; sie werden mit uns dem Herrn
Verfasser für sein anregendes und wackeres Eintreten in diesen Kampf
vielen Dank wissen.
Dr. Baer (Berlin).
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522
Kleinere Mittheilungen.
Kleinere MittHeilungen.
Die Ferienkolonien armer, kränklicher Schulkinder, diese segensreiche Ein¬
richtung, die vom Pfarrer Bion in Zürich ins Leben gerufen und in Deutsch¬
land durch die Initiative des Gründers und langjährigen Herausgebers 'dieser
Vierteljahrsschrift, Dr. Varr ent rapp, so rasch Verbreitung gefunden hat,
dass die Zahl der im Sommer 1885 in Sommerpflege geschickten Kinder in
77 deutschen Städten 10079 betrug, haben selbstverständlich auch mancherlei
Widerspruch gefunden. Unter den Gründen, die man gegen den vermeint¬
lichen Nutzen der Ferienkolonien vorbrachte, war neuerdings auch der, dass
die raschere Gewichtszunahme der Ferienkoloniekinder in den vier Ferien¬
wochen zwar nicht zu bestreiten sei, dass er aber nicht durch die Ferien¬
kolonien, sondern durch die Jahreszeit, die Ferien, das Ausspannen der Kinder
aus dem Schulleben und den reichlicheren Aufenthalt im Freien, statt in den
Schulräumen, bedingt sej. Dies veranlasste mich, als Mitglied des Vereins der
Ferienkolonien in Frankfurt a. M., wo seit Beginn der Ferienkolonien 1878
durch Dr. Varrentrapp stets Wägungen und Messungen der Ferienkolonie¬
kinder vorgenommen und deren Zunahme verzeichnet und mit der Normal¬
zunahme (nach Quetelet) verglichen wurden, zur Controle für dieselben vier
Wochen Wägungen von Schülern derselben Schule vorzunehmen, die nicht
in Ferienkolonien waren. Das Ergebniss findet sich in folgender Tabelle zu-
Bammengestellt:
Gewichtszunahme in den vier Ferienwoehen.
A. Mädchen in Ferienkolonien.
Alter
am letzten
.Geburtstage
Zahl
der
Mädchen
Durchschnitts¬
gewicht
Durch¬
schnittliche
Gewichts¬
zunahme
Normal¬
gewicht
p&ch
Quetelet
Normal¬
zunahme
in
4 Wochen
Anfang
der Ferien
Ende der
Ferien
kg
hg
hg
hg
hg
8 Jahre
4
17-3
18*6
1*3
19*1
9 »
19
22'0
23-5
1*5
21-4
0-2
10 *
32
22*8
243
1-5
235
0*2
11 »
29
25*1
26*4
1-3
26*6
12 n
37
26*7
28*3
1*6
29*8
13 „
36
30*2
32*2
2*0
32-9
0*3
14 „
20
32*7
34*4
1*7
36*7
0*3
177
—
—
1-6
—
0*2
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Kleinere Mittbeilungen.
B. Knaben in Ferienkolonien.
523
Alter
am letzten
Geburtstage
Zahl
der
Knaben
Durchschnitts¬
gewicht
Durch¬
schnittliche
Gewichts¬
zunahme
Normal¬
gewicht
nach
Quetelet
Normal¬
zunahme
in
4 Wochen
Anfang
der Ferien
Ende der
Ferien
mm
kg
kg
kg
kg
kg
8 Jahre
19*2
20*4
1*2
20*8
0*1
e n
gj [H
21*7
22*9
1*2
22*7
0*1
10 B
SH
23*3
24*7
1-4
24*5
0*2
11 »
24*5
25*7
1*2
27*1
0*2
12 B
26*1
27*7
1*6
29*8
0*3
13 b
29*5
31*2
1*7
34*4
0*3
14 ,
WM
32*1
339
1*8
38*3
0*4
163
—
—
1*4
—
0*2
C. Knaben nicht in Ferienkolonien.
Alter
am letzten
Geburtstage
Durchschnitts¬
gewicht
Durch¬
schnittliche
Gewichts¬
zunahme .
Normal¬
gewicht
nach
Quetelet
Normal¬
zunahme
in
4 Wochen
Anfang
der Ferien
Ende der
Ferien
kg
kg
kg
kg
kg
8 Jahre
26
21*9
22*2
0*3
20*8
0*1
9
70
23*3
23*3
0*0
’ 22*7
01
10
n
106
25*2
25*2
00
24*5
0*2
11
n
101
27*1
27*4 |
0*3
27*1
0*2
12
m
96
29*5
29*7
0’2
29*8
0*3
13
B
85
32*4
32-7
0*3
34*4
0*3
14
»
38
343
35*0
0*7
38*8
0*4
522
—
—
0*2
—
0*2
Es zeigt die vorstehende Tabelle, dass bei den nicht in den Ferienkolonien
gewesenen Kindern die Gewichtszunahme eben nur eine normale, bei den Ferien¬
kolonisten aber eine bedeutend höhere war (bei den Mädchen um das Sieben¬
fache, bei den Knaben um das Achtfache), was wohl zweifellos den ausser¬
ordentlich günstigen Einfluss der freien Bewegung in der Bergluft und der dem
gesteigerten Appetite entsprechender* kräftigeren Ernährung beweist.
Alexander Spiess.
Schulärzte in der Schweiz. In Lausanne und neuerdings auch in Basel
hat man einen städtischen, besoldeten Schularzt angestellt, der aber
nebenbei noch praktizirt. Ein Bild seiner Thätigkeit giebt die nachfolgende
Amtsordnung Tür den Schularzt.
§. 1. Der Schularzt wird vom Erziehungsrath, zunächst auf ein Jahr,
ernannt.
§. 2. Er ist dem Erziehungsdepartement unterstellt und hat demselben
alljährlich über seine Thätigkeit einen Bericht zu erstatten.
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524 Kleinere Mittheilungen.
§. 8. Dem Schulärzte liegt ob, dafür zu sorgen, dass die gesundheita-
gefährlichen Einflüsse der Schule bekämpft und die gesunde körperliche Ent¬
wickelung der Jugend durch die Schule gefordert werden.
§. 4. Zu diesem Behufe wird er sich vor allem durch Besuche in den
öffentlichen und Privatschulen mit den sanitarischen Verhältnissen derselben
bekannt machen und darüber wachen, dass den Vorschriften und Anweisungen
der Behörden über die Gesundheitspflege in den Schulen gewissenhaft nach¬
gelebt werde.
Jede Gasse der öffentlichen Schulen wird er jährlich wenigstens viermal
besuchen, nämlioh einmal in der Zeit nach Beginn des Schuljahres bis zum Be¬
ginne der Sommerferien, einmal zwischen den Sommerferien und den Herbst¬
ferien, und zweimal während des Wintersemesters.
§. 6. Ueber die hierbei gemachten Wahrnehmungen und Beobachtungen
wird er, so oft er es für zweckmässig hält, dem Erziehungsdepartement be¬
richten und zur Abstellung von Uebelständen, zu Verbesserungen, zur Vornahme
von Untersuchungen u. dergl. die gut scheinenden Anträge stellen.
Ueber die Situations- und Baupläne neuer Schulhäuser, sowie über andere
ihm vom Erziehungsdepartement zugewiesene Fragen hat er sein Gutachten
abzugeben, insbesondere hat er über Gesuche um Dispensation von einzelnen
Unterrichtsfächern, über die Zurückstellung von Schülern, und über die vor¬
zeitige Entlassung solcher aus der Schule wegen leiblicher oder geistiger Ge¬
brechen zu berichten.
§. 6. Bemerkt er Uebelstände, deren Abstellung ohne Weiteres erfolgen
kann, wie z. B. in Bezug auf Zutheilung der richtigen Bänke, Körperhaltung
während des Unterrichtes, Zimmertemperatur, Lüftung, Reinigung, Zwischen¬
pausen, Entfernung kranker oder für den Schulunterricht körperlich oder geistig
unreifer Kinder, so wird er sich zu dem Ende mit dem Classenlehrer, bezw.
dem Schul Vorsteher ins Einvernehmen setzen.
§. 7. Bei seinen Schulbesuchen wird er den Schulvorstehern und Lehrern
auf ihren Wunsch mit seinem Rathe zur Seite stehen. Wenn ein Schulvorsteher
sein Erscheinen in der Schule zu einer anderen Zeit für nöthig hält, so wird
er der bezüglichen Einladung desselben folgen.
§. 8. Er wird überhaupt bestrebt sein, so viel als möglich durch Belehrung
zu wirken, sei es bei Gelegenheit seiner Schulbesuche, sei es, indem er die gut¬
scheinenden Instructionen zu Händen der Lehrer und Eltern mit Genehmigung
des Erziehungsrathes erlässt, über Fragen der Schulgesundheitspflege Vorträge
hält und dergleichen mehr.
Für Masern sowohl wie für Scharlach und Diphtherie hat der Stadtmagi¬
strat von Regensburg polizeiliche Vorschriften und Belehrungen erlassen,
die kurz uud allgemein verständlich gehalten sind und in ihren Forderungen
nicht weiter gehen, als nöthig. Dieselben lauten:
A. Masern.
I. Polizeiliche Vorschriften.
1. Jedes an Masern erkrankte Kind muss sofort nach Erkenntniss der Krank¬
heit oder wenn deutliche Vorzeichen derselben vorhanden sind (siehe Be¬
lehrungen) vom Besuche der Schule oder Kirche ausgeschlossen werden.
2. Die schulpflichtigen Geschwister der an Masern erkrankten Kinder sind
für die Dauer von 14 Tagen vom Schulbesuche fernzuhalten, ebenso
kleinere Geschwister vom Besuche der Kindergärten, Spielschulen, Be¬
wahranstalten u. dergl., weil erst nach Ablauf dieser Zeit mit Sicherheit
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Kleinere Mitteilungen. 525
angenommen werden kann, dass dieselben nicht schon selbst angesteckt
sind.
8. Der Wiedereintritt in die Schule kann nur nach vollständiger Wieder¬
genesung erfolgen, welche durch ärztliches Zeugniss zu bestätigen ist;
war das Kind nicht ärztlich behandelt worden, so darf der Wiedereintritt
nicht vor 4 Wochen erfolgen.
4. Beim Wiedereintritt muss durch den Qaushaltungsvorstand schriftlich be¬
zeugt werden, dass das Kind reinlich gewaschen und mit frischer Wäsche
und Kleidern versehen worden ist.
5. Das Pflegepersonal masernkranker Kinder soll nicht in Yerkaufsläden,
Wirthschaftslocalitäten u. dergl. beschäftigt werden.
6. Dae Besuchen masernkranker Kinder ist strengstens zu vermeiden. Ebenso
dürfen die Leichen von an Masern verstorbenen Kindern nicht zur Be¬
sichtigung ausgestellt werden, und die Schulkinder ein solches Leichen-
begäDgniss nicht begleiten.
II. Belehrungen.
1. Die Masern sind eine ansteckende, d. h. auf Andere sehr leicht übertrag¬
bare Krankheit der Haut.
2. Diese Krankheit befallt vorwiegend das kindliche Alter, doch ist kein
Lebensalter vor derselben geschützt. Wer die Krankheit durchgemacht
hat, ist in der Regel vor weiterer Anstockung sicher.
3. Der Verlauf der Masern ist meistens gutartig; doch können in einzelnen
Fällen auch schwere Nebenkrankheiten Seitens der Athmungsorgane, des
Gehirnes, der Augen binzutreten, wesshalb jeder auch noch so leichte Fall
mit Vorsicht zu behandeln ist. Kränkliche Kinder sind am meisten ge¬
fährdet.
4. Die Uebertragbarkeit und somit die Ansteckungsgefahr ist in den ersten
Tagen der Krankheit am stärksten und vermindert sich mit dem weiteren
Verlaufe.
5. Die Vorboten der Masern sind Schnupfen, Husten; geröthete Augen, Hals¬
weh, Fieberhitze, röthliche Punkte im Gesichte und am Halse.
6. Am 4. oder 5. Tage verbreitet sich dieser punktförmige Ausschlag all¬
mählich über den ganzen Körper, es tritt Fieber auf, die Schleimhäute
der Augen, des Rachens und der Luftwege nehmen fast regelmässig durch
katarrhalisch entzündliche Erscheinungen Antheil; in der zweiten Woche
beginnt eine staubförmige Abschuppung; nach drei Wochen ist gewöhn¬
lich die Krankheit als abgelaufen zu betrachten.
7. Ein unter solchen Erscheinungen erkranktes Kind soll sofort in einem
gut gelüfteten, nicht übermässig erwärmten Zimmer zu Bette gebracht
werden. Die Bedeckung des Kindes im Bette soll eine leichte sein, da
das Kind durch das Fieber und den Hautausschlag ohnehin unter erhöhter
Wärme zu leiden hat. Das Krankenzimmer soll täglich mehrmals durch
Oeffnen eines Fensters gelüftet werden, ohne das Kind einer Zugluft aus¬
zusetzen. Die Augen sind gegen grelles Licht zu schützen.
8. Die Leib- und Bettwäsche muss stets reinlich gehalten und darf jederzeit
gewechselt werden. Gebrauchte Wäsche ist sofort in Seifenwasser (am
besten grüne Seife) zu legen und muss getrennt gewaschen werden.
9. Gesicht und Hände des kranken Kindes dürfen regelmässig gewaschen
werden. Nach Ablauf der Krankheit soll das Kind gebadet und mit fri¬
scher Wäsche und Kleidung versehen werden.
10. Der Wiedereintritt in die Schule erfolgt nach der oben vorgeschriebenen
Frist.
11. Bettstellen, Fussboden etc. sind nach Ablauf der Krankheit mit einer Lö¬
sung von Carbolsäure 5:100 oder von Sublimat 1:1000 zu reinigen und
das Krankenzimmer längere Zeit gut zu lüften.
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526 Kleinere Mittheilungen.
B. Scharlach und Diphtheritis.
I. Polizeiliche Vorschriften.
1. Jedes an Scharlach oder Diphtheritis erkrankte Kind muss sofort nach
Erkenntniss der Krankheit oder wenn deutliche Vorboten derselben vor¬
handen sind, vom Besuche der Schule und Kirche ausgeschlossen werden.
Die Vorboten und sioheren Kennzeichen dieser Kranheiten enthalten die
„Belehrungen“.
2. Die schulpflichtigen Geschwister der an Scharlach oder Diphtheritis er¬
krankten Kinder dürfen bis zu deren Wiederzulassung zur Schule die
Schule, kleinere Kinder die Kindergärten, Spielschulen oder Bewahrungs¬
anstalten nicht besuchen.
Ausnahmen hiervon werden gestattet, wenn durch ärztliches Zeugniss
die vollständige Absonderung des kranken Kindes nachgewiesen ist; doch
müssen auch in diesem Falle die Geschwister bei Scharlach 14 Tage, bei
Diphtheritis 10 Tage die Schule vermeiden, weil erst nach Ablauf dieser
Zeit mit Sicherheit anzunehmen ist, dass dieselben nicht schon selbst an¬
gesteckt sind.
3. Der Wiedereintritt in die Schule kann nur nach vollständiger Wieder¬
genesung des Kindes erfolgen, und muss der Haushaltungsvorstand beim
Eintritte schriftlich bezeugen, dass das Kind reinlich gewaschen und mit
frischer Wäsche und Kleidung versehen worden ist. Der Wiedereintritt
soll bei Scharlach nicht vor 6 Wochen, bei Diphtheritis nicht vor
3 Wochen erfolgen.
4. Der Besuch bei kranken Kindern ist strengstens zu verhindern; ebenso
dürfen die Leichen von an den genannten Krankheiten verstorbenen
Kindern nicht zur Besichtigung ausgestellt werden und die Schulkinder
ein solches Leichenbegängniss nicht begleiten.
5. Das Pflegepersonal von an Scharlach, und Diphtheritis erkrankten Kindern
soll nicht in Verkaufsläden, Wirthslocalitäten u. dergl. beschäftigt sein.
II. Belehrungen.
1. Die Vorboten des Scharlach sind Schlingbeschwerden, Rothe des Rachens,
Schwellung der Mandeln, grosse Abgeschlagenheit, Fieber, Erbrechen, be¬
ginnende Röthe der Haut.
2. Die Vorboten der Diphtheritis sind gleichfalls Halsschmerzen, Schling¬
beschwerden, Anschwellung der Mandeln und Halsdrüsen, weisse Punkte
oder Flecken auf den Mandeln, übler Geruch aus dem Munde, Fieber.
3. Kinder, welche derartige Erscheinungen bieten, sind sofort vom Verkehr
mit Anderen abzuschliessen, jedenfalls aus Schule und Kirche femzuhalten
und in einem gut gelüfteten, mässig erwärmten Zimmer unterzubringen.
Die Bedeckung der Kinder im Bette soll leicht und nicht übermässig
warm sein. Die Krankenräume sollen täglich gehörig gelüftet werden,
ohne Zugluft zu erzeugen.
4. Besuche des Kranken sind durchaus nicht zuzulassen.
5. Im Krankenzimmer und an der Wäsche des Kranken, wie am Kranken
selbst, soll die grösste Reinlichkeit beobachtet werden, und dürfen Gesicht
und Hände stets gewaschen werden.
6. Das kranke Kind soll eigenes Trink- und Essgeschirr und namentlich
eigene Schnupftücher haben.
7. Verunreinigungen des Fussbodens, der Wände oder Bettstellen erfordert
Reinigung mit desinficirenden Mitteln, wie Carbollösung 5 : 100 oder
Sublimatlösung 1:1000.
8. Die abgelegte Wäsche der Kranken muss sofort in Lösung von Seife (am
besten grüner Seife) gelegt und gesondert von anderer Wäsche gewaschen
werden.
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Kleinere Mittlieilungen. 527
9. Verbandstücke, Bettstroh, gebrauchte Pinsel u. dergl. sind zu verbrennen.
10. Nach Ablauf der Krankheit sind die Kinder zu baden, mit frischer Wäsche
und Kleidern zu versehen und erst nach der oben vorgeschriebenen Frist
wieder in die Schule zu bringen.
Veber die Wohnungsnot!! der ärmeren CI aasen in deutschen Gressstädten
hat der Verein für Socialpolitik auf seiner letzten Generalversammlung, am
24. Sept. 1866, auf Grund der vorher eingeholten und in zwei Bänden veröffent¬
lichten Berichte und Gutachten (s. Bd. XVIII., S. 286 und Bd. XIX., S. 503
dieser Vierteljahrsschrift) verhandelt Das Referat erstattete Herr Miquel,
indem er im Wesentlichen auf seine, in der Einleitung zum I. Bande gemachten
Vorschläge zurückkam, insbesondere auf die Nothwendgkeit einer Wohnungs¬
gase tzgebung hinwies. Die Debatte ergab allgemeine Billigung des Stand¬
punktes des Referenten, insbesondere mit Bezug auf das Wohnungsgesetz,
förderte im Uebrigen neue Gesichtspunkte kaum zu Tage. Das Correferat des
Herrn Pastors von Bodelschwingh, welches derselbe zu halten verhindert
war, ist den Verhandlungen im Anhänge beigefügt; es führt in der Hauptsache
den Plan einer von ihm in Bielefeld gegründeten Bausparcasse aus.
Dr. Lustig (Liegnitz).
Bleirtihren zur Wasserleitung (Berichtigung). In meiner Abhandlung
(Bd. XVII, S. 565 ff.) sind leider verschiedene Druckfehler verblieben, welche
ich erst vor Kurzem fand. Sie beeinträchtigen die Schlussfolgerungen über die
Anwendung der „Bleiröhren zu Wasserleitungen“ nicht im Mindesten und sind
eigentlich sofort zu erkennen:
S. 569 Z. 1 v. o. lies 0*109 statt 109; Z. 2 0179 und 0*048; Z. 3 0*081 und
0*029; Z. 4 0*034 und 0 025; 1 Thl. Blei ist gelöst enthalten in Z. 6 v. o.
9 174 300 Thln.; Z. 7 11 628 000 und II 20 833000 Thln. Wasser; Z. 15 1 mg
in 220*6 Liter; Z. 21 in 7 692 400 Thln. Wasser; Z. 22 in 9 090 900; Z. 23
in 10000 000; Z. 30 1 Thl. Blei in 2 638 500 Thln.; Z. 31 1mg in
2*6 Litern.
S. 570 Z. 15 v. u. 7*32 Liter.
S. 571 Z. 22 v. o. 6*9 Liter; Z. 10 v. u. 16*2 Liter.
S. 572 Z. 22 v. o. 10*9 Liter; Z. 16 v. u. 11785 000 Thle.; Z. 9 v. u.
1430000 Thle.
S. 573 Z. 2 v. o. 9174 300 Thle.; Z. 3 11628 000 und 20833 000; Z. 5 7 692 400
und 9090900; Z. 6 10000 000 Thle.; Z. 14 v. o. 2 638 500 Thle.
S. 574 Z. 8 und 9 v. o. 24*39; Z. 14 6*94; Z. 15 und 16 16*20 Liter.
Jena, 29./4. 1887. Dr. E. Reichardt.
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528
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
KönlgL Preußische Verordnung vom 25. Mai 1887, betr. die Errichtung
einer Ärztlichen Standesvertretnng.
(Gesetzsammlung für die Königl. Preussischen Staaten 1887, Stück 18, S. 169 ff.)
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc. verordnen auf
den Antrag Unseres Staatsministeriums, was folgt:
§. 1. Für jede Provinz ist eine Aerztekammer zu errichten. Der Bezirk
der Aerztekammer der Provinz Brandenburg hat zugleich den Stadtkreis Berlin,
der Bezirk der Aerztekammer der Rheinprovinz zugleich die hohenzollernschen
Lande zu umfassen. Die Kammern erhalten ihren Sitz am Amtssitz des Ober-
Präsidenten, die Kammer der Provinz Brandenburg und des Stadtkreises Berlin
erhält ihren Sitz in Berlin.
§. 2. Der Geschäftskreis der Aerztekammern umfasst die Erörterung aller
Fragen und Angelegenheiten, welche den ärztlichen Beruf oder das Interesse
der öffentlichen Gesundheitspflege betreffen, oder auf die Wahrnehmung und
Vertretung der ärztlichen Standesinteressen gerichtet sind. Die Aerztekammern
sind befugt, innerhalb ihres Geschäftskreises Vorstellungen und Anträge an die
Staatsbehörden zu richten und sollen die letzteren geeignetenfalls, insbesondere
auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege, den Aerztekammern Ge¬
legenheit geben, sich über einschlägige Fragen gutachtlich zu äusssern.
§. 3. Zu den Sitzungen der Provinzial-Medicinal-Collegien und der Wissen¬
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, in denen allgemeine Fragen
oder besonders wichtige Gegenstände der öffentlichen Gesundheitspflege zur
Berathung stehen, oder in denen über Anträge von Aerztekammern beschlossen
wird, sind Vertreter der Aerztekammern als ausserordentliche Mitglieder mit
berathender Stimme zuzuziehen. Jede Aerztekammer hat als Vertreter im Pro-
vinzial-Medicinal-Collegium zwei, als Vertreter in der Wissenschaftlichen Depu¬
tation für das Medicinalwesen eines ihrer Mitglieder und für jedes gewählte
Mitglied einen Stellvertreter zu wählen. Ob der Fall der Einberufung dieser
Vertreter zu einer Sitzung vorliegt, bestimmt bei dem Provinzial-Medicinal-
Collegium dessen Vorsitzender, bei der Wissenschaftlichen Deputation für das
Medicinalwesen der Minister der Medicinal-Angelegenheiten.
§. 4. Die Mitglieder der Aerztekammern werden gewählt. Die Wahl erfolgt
innerhalb des Bezirks der Kammer getrennt nach Regierungsbezirken (Wahl¬
bezirken). Der Stadtkreis Berlin bildet einen eigenen Wahlbezirk. Wahlberech¬
tigt und wählbar sind diejenigen Aerzte, welche innerhalb des Wahlbezirks ihren
Wohnsitz haben, Angehörige des Deutschen Reichs sind und sich im Besitz der
bürgerlichen Ehrenrechte befinden. Das Wahlrecht und die Wählbarkeit gehen
verloren, sobald eins dieser Erfordernisse bei dem bis dahin Wahlberechtigten
nicht mehr zutrifft. Sie ruhen während der Dauer eines Concurses, während
der Dauer des Verfahrens auf Zurücknahme der ärztlichen Approbation und
während der Dauer einer gerichtlichen Untersuchung, wenn dieselbe wegen
Verbrechen oder wegen solcher Vergehen, welche den Verlust der bürger¬
lichen Ehrenrechte nach sich ziehen müssen oder können, eingeloitet, oder wenn
die gerichtliche Haft verfügt ist.
§. 5. Aerzten, welche die Pflichten ihres Berufs in erheblicher Weise oder
wiederholt verletzt, oder sich durch ihr Verhalten der Achtung, welche ihr Beruf
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529
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
erfordert, unwürdig gezeigt haben, ist durch Beschluss des Vorstandes der Aerzte-
kamraer das Wahlrecht und die Wählbarkeit dauernd oder auf Zeit zu entziehen.
Denselben ist vorher Gelegenheit zu geben, sich über die gegen sie erhobenen
Anschuldigungen zu äussern. Zu der Berathung und Beschlussfassung über die
Entziehung des Wahlrechts ist ein von dem Oberpräsidenten zu ernennender
CommiBsarius zuzuziehen, welcher das Recht hat, jederzeit gehört zu werden.
Ein Stimmrecht steht demselben nicht zu. Gegen den Beschluss steht dem Be¬
troffenen innerhalb vier Wochen die Beschwerde an den Minister der Medicinal-
Angelegenheiten zu. Die Bestimmungen über die Entziehung des Wahlrechts
finden keine Anwendung auf Aerzte, welche als solche ein mittelbares oder un¬
mittelbares Staatsamt bekleiden oder dem Spruch der Militär-Ehrengerichte
unterliegen.
§. 6. Die Wahlen finden alle drei Jahre im November statt. Der drei¬
jährige Zeitraum, für welchen die Mitglieder gewählt werden, beginnt mit dem
Anfang des nächstfolgenden Jahres. Vor jeder Wahl ist für jeden Wahlbezirk,
das erste Mal von deip Regierungspräsidenten, in künftigen Fällen von dem
Vorstande der Aerztekammer, eine Liste der Wahlberechtigten aufzustellen.
Dieselbe ist in jedem Kreise (Ober-Amtsbezirk) im Laufe des der Wahl vorher¬
gehenden Monats Juni vierzehn Tage öffentlich auszulegen, nachdem die Zeit
und der Ort der Auslegung vorher öffentlich bekannt gemacht sind. Einwen¬
dungen gegen die Liste sind unter Beifügung der erforderlichen Bescheinigungen
innerhalb vierzehn Tagen nach beendigter Auslegung der Liste bei dem Vor¬
stande der Aerztekammer — das erste Mal bei dem Regierungspräsidenten —
anzubringen. Gegen die hierauf ergehende Entscheidung findet innerhalb vier¬
zehn Tagen Beschwerde an den Oberpräsidenten statt, welcher endgültig ent¬
scheidet.
§. 7. Zu wählen sind für jede Aerztekammer auf je fünfzig Wahlberechtigte
ein Mitglied und ein Stellvertreter, mindestens aber je 12 Mitglieder und Stell¬
vertreter. Wie viele Mitglieder und Stellvertreter hiernach auf jeden Wahl¬
bezirk entfallen, wird von dem Oberpräsidenten auf Einreichung der Liste
der Wahlberechtigten bestimmt und ist bei Veröffentlichung des Wahltermins
bekannt zu machen. Die Festsetzung und Ausschreibung des Wahltermins
geschieht durch den Vorstand der Aerztekammer, das erste Mal durch den
Regierungspräsidenten. Die Wahl erfelgt schriftlich durch Einsendung des
Stimmzettels an den Vorstand der Aerztekammer, das erste Mal durch Einsen¬
dung an den Regierungspräsidenten. Jeder Stimmzettel muss Namen, Stand
und Wohnort des Wählenden, der von ihm gewählten Mitglieder und der von
ihm gewählten Stellvertreter enthalten und rechtzeitig bis zu dem bekannt
gemachten Endtermin (Wahltermiu) eingereicht werden. Ungültig sind:
1) Stimmzettel, welche die Person des Wählenden nicht erkennen lassen, oder
von einer nicht wahlberechtigten Person ausgestellt sind, 2) Stimmzettel, welche
keinen oder keinen lesbaren Namen enthalten, 3) Stimmzettel, auf welchen mehr
Namen als zu wählende Personen verzeichnet sind, 4) Stimmzettel, welche einen
Protest oder Vorbehalt enthalten, 5) Stimmzettel, insoweit dieselben die Person
des Gewählten nicht unzweifelhaft erkennen lassen oder den Namen einer nicht
wählbaren Person bezeichnen oder der Angabe entbehren, ob der Betreffende
als Mitglied oder als Stellvertretender gewählt worden ist. Gewählt sind die¬
jenigen, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Bei Stimmengleich¬
heit entscheidet erforderlichenfalls das Loos. Das Ergebniss der Wahl ist das
erste Mal von dem Regierungspräsidenten, demnächst von dem Vorstande der
Aerztekammer innerhalb acht Tagen nach Ablauf des Wahltermins festzustellen
und den Gewählten bezüglich der auf sie gefallenen Wahl mit der Aufforderung
bekannt zu geben, sich über die Annahme oder Ablehnung innerhalb acht Tagen
zu erklären. Wer diese Erklärung nicht abgiebt, wird als ablehnend betrachtet
und tritt an seine Stelle Derjenige, welcher die nächstmeisten Stimmen erhalten
hat. Das Ergebniss der Wahl ist dem Oberpräsidenten anzuzeigen, welcher
Vicrteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. qa
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
dasselbe für den ganzen Bezirk der Aerztekammer bekannt macht. Jede Wahl
verliert ihre Wirkung mit dem gänzlichen oder zeitweisen Aufhören einer der
für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Bedingungen. Der Vorstand der Aerzte¬
kammer hat darüber zu befinden, ob einer dieser Fälle eingetreten ist. Eine
Ersatzwahl ist nur dann anzuordnen, wenn einschliesslich der für die Ausge¬
schiedenen einberufenen Stellvertreter die Zahl der Mitglieder der Aerztekammer
weniger als zwölf beträgt. Die Mitglieder der Aerztekammer verwalten ihr
Amt als ein Ehrenamt.
§. 8. In dem auf die Wahl folgenden Monat Januar sind die Mitglieder
der Aerztekammer von dem Oberpräsidenten behufs Wahl des Vorstandes zu¬
sammenzuberufen. Mitglieder, welche am Erscheinen behindert sind, haben
hiervon behufs Einladung der Stellvertreter rechtzeitig Anzeige zu machen.
Die in jedem Wahlbezirk gewählten Stellvertreter werden in der Reihenfolge
einberufen, in welcher sie der Stimmenzahl nach gewählt sind. Bei Stimmen¬
gleichheit entscheidet das Loos. In der Wahlversammlung führt der Oberpräsi¬
dent oder dessen Stellvertreter den Vorsitz. Der Vorstand ist für die Dauer
der Wahlperiode der Aerztekammer zu wählen und hat aus einem Vorsitzenden
und mindestens vier Mitgliedern zu bestehen. Die Aerztekammer beschliesst
mit dieser Maassgabe nach absoluter Stimmenmehrheit, wie viele Vorstands¬
mitglieder, und ob für dieselben Stellvertreter zu wählen sind. Die Wahl Er¬
folgt in geheimer Abstimmung durch Stimmzettel in besonderen Wahlgängen.
Der Vorsitzende wird zuerst gewählt. Ungültige Stimmzettel (§. 7) werden als
nicht abgegeben betrachtet. Ueber die Gültigkeit entscheidet die Aerztekammer.
Als gewählt sind Diejenigen zu betrachten, welche die absolute Stimmenmehrheit
erhalten haben. Ergiebt sich keine absolute Stimmenmehrheit, so wird zu einer
engeren Wahl zwischen denjenigen zwei Personen geschritten, welche die meisten
Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das von dem Vor¬
sitzenden zu ziehende Loos darüber, wer auf die engere Wahl zu bringen, be¬
ziehungsweise wer als schliesslich gewählt zu betrachten ist. Die Gewählten
haben sich über die Annahme der Wahl, sofern sie anwesend sind, sofort, ande¬
renfalls nach Mittheilung der auf sie gefallenen Wahl durch den Oberpräsidenten
binnen acht Tagen zu erklären. Wer diese Erklärung nicht abgiebt, wird als
ablehnend betrachtet. Die vorstehenden Wahlvorschriften sind auch für die
Wahlen der Vertreter der Aerztekammer in dem Provinzial-Medicinal-Collegium
und in der Wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen mit der
MaasBgabe zur Anwendung zu bringen, dass zur Beschlussfähigkeit der Aerzte¬
kammer die Theilnahrae von zwei Dritteln der Mitglieder, beziehungsweise
deren Stellvertreter, erforderlich ist, dass die Mittheilung von der Wahl durch
den Vorsitzenden der Aerztekammer erfolgt, und dass von dem Ergebniss der
Wahl unter Vorlegung des Wahlprotokolls binnen vierzehn Tagen nach erfolgter
Wahl Anzeige an den Oberpräsidenten zu erstatten ist.
§. 9. Der Vorstand der Aerztekammer vertritt dieselbe nach aussen und
vermittelt den Verkehr derselben mit den Staatsbehörden. Der Vorstand fasst
seine Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit ent¬
scheidet die Stimme des Vorsitzenden, sofern es sich nicht um die Entziehung
des Wahlrechts (§. 5) handelt, welche in diesem Falle als abgelehnt gilt. Zur
Beschlussfähigkeit des Vorstandes ist die Theilnahme der Mehrheit der Mit¬
glieder erforderlich. Die Beschlüsse des Vorstandes können mittelst schrift¬
licher Abstimmung gefasst werden, sofern nicht ein Mitglied mündliche Ab^
Stimmung verlangt, oder über die Entziehung des Wahlrechts zu beschliessen ist.
§. 10. Der Vorsitzende hat den Verkehr der Aerztekammer und des Vor¬
standes zu vermitteln und die Beschlüsse derselben zur Ausführung zu bringen.
Der Vorsitzende beruft die Versammlungen der Aerztekammer und des Vor¬
standes und leitet in beiden die Verhandlungen. Die Berufung der Aerzte¬
kammer muss erfolgen, wenn die Hälfte der Mitglieder derselben unter Angabe
des zu verhandelnden Gegenstandes schriftlich darauf anträgt, oder der Vor-
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531
Hygienische Gesetze und Verordnungen.
etand dieselbe beschliesst. Die Berufung des Vorstandes muss erfolgen, wenn
in gleicher Weise zwei Vorstandsmitglieder dieselbe beantragen. Die Berufung
des Vorstandes und der Aerztekammer erfolgt mittelst schriftlicher Einladung,
welche spätestens acht Tage vor der Versammlung eingeschrieben zur Post zu
geben ist. Bei der Berufung der Aerztekammer muss der Gegenstand, über
welchen in der Versammlung ein Beschluss gefasst werden soll, bezeichnet
werden. Ueber andere Gegenstände, mit Ausnahme des Antrages auf abermalige
Berufung der Aerztekammer, darf ein Beschluss nicht gefasst werden. Hinsicht¬
lich der Theilnahme der Stellvertreter an den Sitzungen der Aerztekammer
finden die Vorschriften des §. 8 Absatz 2 und 3 Anwendung. Im Uebrigen
regelt die Aerztekammer ihre Geschäftsordnung selbstständig.
§.11. Den zu den Sitzungen der Provinzial-Medicinal-Collegien und der
Wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen von auswärts einberufenen
Vertretern der Aerztekammern sind Tagegelder und Reisekosten aus der Staats-
casse zu gewähren. An Tagegeldern erhalten dieselben: 1) für die Theilnahme
an den Berathungen der Wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen
15 Mark, 2) für die Theilnahme an den Sitzungen der Provinzial-Medicinal-Colle-
gien 12 Mark. An Reisekosten sind ihnen die den Beamten der vierten Rang-
classe zustehenden Sätze zu gewähren.
§. 12. Die Kosten der ersten, im Jahre 1887 stattfindenden Wahl zur Aerzte¬
kammer, sowie der von dem Oberpräsidenten ausgehenden Veröffentlichung des
Ergebnisses der Wahlen trägt der Staat. Im Uebrigen bleibt es den Aerzten
und Aerztekammern überlassen, für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel
selbst Sorge zu tragen.
§. 13. Die allgemeine Staatsaufsicht über die Aerztekammer und deren Vor¬
stand wird durch den Oberpräsidenten geführt.
§. 14. Diese Verordnung ist durch die Gesetzsammlung zu veröffentlichen.
Berlin, den 25. Mai 1887.
(L. S.) Wilhelm,
v. Bismarck, v. Puttkamer. Maybach. Lucius. Friedberg. v. Boetticher.
v. GosBler. v. Scholz. Bronsart v. Schellendorff.
Erlass König!. Preußischer Regierung zu Stettin vom 21. Februar 1887,
betr. Maassregeln im Falle des Auftretens der Cholera.
Nachdem die nun seit mehreren Jahren auf dem europäischen Continent
herrschende asiatische Cholera sich gegen Ende des vorigen Jahres den Grenzen
Deutschlands bedenklich genähert hat und auch während des Winters in den
zuletzt befallenen Gegenden nicht gänzlich zum Stillstand gekommen ist, ge¬
bietet es, die Vorsicht, rechtzeitig diejenigen Maassregeln zu ergreifen, welche
im Falle eines weiteren Fortschreitens der Epidemie geeignet sind, derselben
entgegenzuwirken.
Indem ich daher die in meinen Rundverfügungen vom 30. Juli, 3. und
15. August 1883, und vom 21. und 25. Juli 1884 angeordneten Maassregeln
wiederum in Erinnerung bringe, weise ich noch besonders darauf hin, wie die
Erfahrungen ganz besonders auch der jüngsten Zeit gelehrt haben, dass da, wo
die Behörden sofort auf den ersten eingeschleppten Fall der
Krankheit aufmerksam geworden sind und die entsprechenden
Maassregeln ergriffen haben, eine weitere Ausbreitung der Krank¬
heit verhindert worden ist. Es wird daher die Pflicht der Polizeibehörden
sein, sobald sie von einem zweifelhaften, denVerdacht der Cholera erweckenden
Todes- oder Erkrankungsfalle Kenntniss erhalten, so schnell als möglich die
amtliche Constatirung der Krankheit zu veranlassen.
34*
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532 Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Auf Befehl des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-
Angelegenheiten haben im Januar d. J. die Kreisphysiker Sanitätsrath
Dr. Hanow in Ueckermünde und Dr. Frey er in Naugard an einem bacterio-
logischen Cursus im Kgl. hygienischen Institute zu Berlin Theil genommen und
daselbst das Verfahren zur Constatirung der asiatischen Cholera praktisch ken¬
nen gelernt. Dadurch ist auch im diesseitigen Regierungsbezirke die Möglich¬
keit gegeben, die Constatirung der Krankheit auf das Schnellste zu bewirken,
und ich ordne demgemäss Folgendes an:
1. Die Amtsvorsteher und die städtischen Polizeiverwaltungen sind ver¬
pflichtet, wenn ein den Verdacht der Cholera erweckender Todes- oder
Erkrankungsfall zu ihrer Kenntniss gelangt, sofort einen der beiden ge¬
nannten Kreisphysiker zu requirirec.
Die Kreise Demmin, Anklam, Usedom - Wollin, Ueckermünde und
Randow haben den Sanitätsrath Dr. Hanow in Ueckermünde, die Kreise
Greifenhagen, Pyritz, Saatzig, Naugard, Catnmin, Greifenberg und Regen¬
walde den Kreisphysicu8 Dr. Frey er in Naugard zu requiriren. Für
den Stadtkreis Stettin wird noch besondere Bestimmung getroffen werden.
2. Bis zum Eintreffen dieses Commissars haben die Polizeibehörden den Fall
als Cholerafall zu behandeln und dem entsprechend Anordnung zu treffen,
dass der Erkrankte und eine zu seiner Wartung zu bestellende Person
auf das Strengste iaolirt und alle Personen und Gegenstände, welche mit
dem Erkrankten bereits in Berührung gekommen sind, einer gründlichen
Reinigung und Desinfection unterzogen werden. Diese Isolirung kann
auf zweierlei Weise bewerkstelligt werden:
a) dadurch, dass der Kranke an seinem Aufenthaltsorte belassen und alle
gesunden Personen aus diesem Hause evacuirt werden. In diesem
Falle ist darauf zu sehen, dass mit den Personen möglichst wenig
Gegenstände aus dem Hause entfernt, und dass diese Gegenstände, so¬
wie die Personen selbst, insbesondere ihre Kleidungsstücke, gründlich
desinflcirt werden;
b) dadurch, dass der Kranke mit seinem Wärter in ein leerstehendes
Haus übergeführt wird. In diesem Falle sind die Zimmer, in welchen
der Kranke sich aufgehalten hat, mit ihrem ganzen Inhalte an Möbeln,
Betten, Kleidungsstücken, Geräthen etc., der Abtritt, den er benutzt
hat, und die Personen, mit denen er in Berührung gekommen ist,
gründlich zu desinficiren.
Welche von beiden Arten der Isolirung einzutreten hat, muss in je¬
dem einzelnen Falle der Beurtheilung der Polizeibehörde überlassen
bleiben.
Wenn es sich um einen Todesfall handelt, so ist die Leiche an einem
sicheren, für Menschen und Thiere unzugänglichen und kühlen Orte bis
zum Eintreffen des Commissars zu verwahren und alle Desinfections-
maassregeln sind in gleicher Weise sofort vorzunehmen.
War der Erkrankte unmittelbar vor seiner Erkrankung am Orte zu¬
gereist, ob ortsangehörig oder nicht, oder war er vorübergehend vom
Orte abwesend, so ist das Desinfectionsverfahren auch auf das Gefährt,
dessen sich der Kranke bedient, sowie auf alle diejenigen Stellen, an wel¬
chen er sich auf der Rei^e aufgehalten hat, auszudehnen. Der Polizei¬
behörde liegen die diesbezüglichen Ermittelungen und Benachrichtigun¬
gen ob.
3. Gleichzeitig hat die Polizeibehörde telegraphisch an mich und an den
Königlichen Landratrh zu berichten, worauf der letztere ungesäumt die
Entsendung des zuständigen Kreisphysicus an Ort und Stelle zu ver¬
anlassen hat.
4. Der früher als der Commissar an OH und Stelle eintreflende zuständige
Kreisphysicus hat alle nothwendigen Erhebungen und Ermittelungen auf
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
das Sorgfältigste vorzunehmen, die Vorbereitungen für die von dem Com-
missar vorzunehmeuden Maassregeln zu treffen, sich über die von der
Polizeibehörde getroffenen vorläufigen Anordnungen zu unterrichten,
event. dieselben zu ergänzen und den Commissarius nach seinem Ein¬
treffen in allen von diesem vorzunehmenden Maassregeln zu unterstützen.
6. Der Commissar hat in Gemeinschaft und mit Unterstützung des zuständi¬
gen Kreisphysicus die zur Feststellung der Krankheit erforderlichen
Maa8sregeln vorzunehmen. Demselben bleibt überlassen, das ganze etwa
zweimal 24 Stunden erfordernde Verfahren an Ort und Stelle oder an
seinem Wohnorte vorzunehmen, nachdem er das erforderliche Material an
Ort und Stelle entnommen hat. Im letzteren Falle ist er verpflichtet,
sobald er ein definitives Ergebniss seiner Untersuchungen erreicht hat,
die Nachricht desselben telegraphisch der betreffenden Polizeibehörde zu
übermitteln, den ausführlichen Bericht über seine Untersuchung aber un¬
gesäumt an mich einzureichen.
6. Die Polizeibehörde ist verpflichtet, sofort nach Eingang dieser Nachricht,
dem Königlichen Landrathe Bericht zu erstatten und dem Untersuchungs¬
ergebnisse entsprechend die weiter erforderlichen Maassregeln sofort an¬
zuordnen.
7. Die Verpflichtung zur Requisition des Commissars gilt nur für diejenigen
choleraverdächtigen ersten Erkrankungen, welche sich in einer noch
seuchefreien Gegend ereignen. Es bedarf selbstverständlich dieser Con-
statirung für gewöhnlich nicht, wenn sich der erste Fall an einem Orte
ereignet, in dessen Nähe bereits andere Orte von der Seuche ergriffen
sind. In solchen Fällen genügt der schleunige Bericht an den König¬
lichen Landrath und die sofortige selbstständige Anordnung aller er¬
forderlichen Maassregeln seitens der Polizeibehörde.
8. Die Königlichen Landräthe haben mir über den weiteren Verlauf fort¬
dauernd Bericht zu erstatten.
Stettin.
Der Regierungs - Präsident:
gez. W e g n e r.
Bekanntmachung des Magistrats von Berlin vom 28. März 1887, betr. die
Untersuchung des von ausserhalb nach Berlin eingeführten frischen
Fleisches.
Auf Grund des Art. 1 des Gesetzes zur Abänderung und Ergänzung des
Gesetzes vom 18. März 1868, betreffend die Errichtung öffentlicher, ausschliess¬
lich zu benutzender Schlachthäuser, vom 9. März 1881 (G. S. S. 273) und im
Anschluss an den Gemeindebeschluss vom 15./16. Juni 1882, bestätigt durch den
Herrn Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg am 16. Juni 1882, wird hier¬
mit durch Gemeindebeschluss Nachstehendes angeordnet:
§. 1. Alles nicht in den auf dem städtischen Central-Viehhofe befindlichen
öffentlichen Schlachthäusern ausgeschlachtete frische Fleisch darf in dem Ge¬
meindebezirke der Stadt Berlin nicht eher feilgeboten werden, als bis es einer
Untersuchung durch Sachverständige gegen eine zur Gemeindecasse fliessende
Gebühr unterzogen ist.
§. 2. Die Untersuchung erfolgt nach Maassgabe eines durch Gemeinde¬
beschluss festzusetzenden Regulativs.
§. 3. Dieser Beschluss tritt 14 Tage nach erfolgter Veröffentlichung des¬
selben in Kraft.
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534 Hygienische Gesetze und Verordnungen.
So beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung in der §itzung vom
9. September 1886 und bestätigt durch Beschluss des Magistrats vom 24. Sep¬
tember desselben Jahres.
Berlin, den 25. September 1886.
Magistrat hiesiger Königlichen Haupt- und Residenzstadt:
gez. von Forckenbeck.
Regulativ für die Untersuchung des von ausserhalb nach Berlin ein¬
geführten frischep Fleisches.
Auf Grund des Art. 1 des Gesetzes zur Abänderung und Ergänzung des
Gesetzes vom 18. März 1868, betreffend die Errichtung öffentlicher, ausschliess¬
lich zu benutzender Schlachthäuser vom 9. März 1881 (Gesetzsammlung S. 273)
und des Gemeindebeschlusses vom 15./16. Juni 1882 ist durch Gemeindebeschluss
vom heutigen Tage die Anordnung getroffen, dass alles nicht in den auf dem
städtischen Central-Viehhofe befindlichen öffentlichen Schlachthäusern aus¬
geschlachtete frische Fleisch von Schlachtthieren (Rindern, Kälbern, Hammeln,
Ziegen, Schweinen) in dem Gemeindebezirke der Stadt Berlin nicht eher feil¬
geboten werden darf, bis es einer Untersuchung durch Sachverständige unter¬
zogen ist.
Nach §. 2 dieses Gemeindebeschlusses soll die Untersuchung nach Maass-
gabe eines durch Gemeindebeschluss festzusetzenden Regulativs erfolgen.
ln Ausführung dessen wird hiermit Folgendes bestimmt:
I. Die Organe der städtischen Verwaltung für das Unter¬
suchungswesen und die Sachverständigen.
§. 1. Das Untersuchungswesen wird deA Curatorium des städtischen
Central-Viehhofes unterstellt. Dasselbe führt die Oberaufsicht über die ein¬
gerichteten Untersuchungsstationen und die angestellten Sachverständigen und
versieht dieselben vorbehaltlich der Anordnungen des Magistrats mit Anweisun¬
gen und Instructionen.
Die Untersuchung erfolgt in besonderen Untersuchungsstationen, welche
mit den vom Magistrat hierzu bestellten Sachverständigen besetzt werden.
Sachverständige sind der Ober-Thierarzt und der oder die Stellvertreter
desselben, die Thierärzte, Fleischbeschauer und Probenehmer. Dieselben wer¬
den auf Widerruf durch den Magistrat angestellt, nachdem das Königliche
Polizei-Präsidium erklärt hat, dass gegen ihre Anstellung seitens desselben
nichts eingewendet wird. Der Widerruf muss erfolgen, wenn das Königliche
Polizei-Präsidium seine Zustimmung zur Anstellung zurücknimmt.
§. 2. Der Ober-Thierarzt und der oder die Stellvertreter desselben und die
Thierärzte werden eidlich verpflichtet, die Fleischbeschauer und Probenehmer
durch Handschlag an Eidesstatt.
Sämmtliche Sachverständige verpflichten sich dabei, die Fleischschau treu
und gewissenhaft auszuführen, allen gesetzlichen und polizeilichen Vorschriften,
sowie den Bestimmungen dieses Regulativs nachzukommen, die Durchführung
derselben zu überwachen und alle Zuwiderhandlungen zur Anzeige zu bringen.
§. 3. Der Ober-Thierarzt ist der Vorgesetzte der sämmtlichen Sach¬
verständigen (§. 1); ihm ist die Leitung und Beaufsichtigung des ganzen Fleisch-
schauverfahrenB übertragen, und es sind alle Sachverständigen und sonstigen
Angestellten seinen amtlichen Anordnungen Folge zu leisten verpflichtet.
Dieselben Befugnisse, sowie alle Functionen und Rechte, welche dieses
Regulativ dem Ober-Thierarzte ertheilt, stehen dem Vertreter desselben, sobald
er in Function tritt, zu; er ist gleichfalls berechtigt, von allen Sachverständigen
und Angestellten Folgeleistung für seine Anordnungen zu fordern.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
An den Ober-Thierarzt, beziehungsweise dessen Stellvertreter sind alle An¬
zeigen, Anträge and Beschwerden, welche die Ausführung der Fleischschau be¬
treffen, zu richten.
Bas Curatorium des städtischen Central-Viehhofes ist berechtigt, im Fall
es nothwendig erscheint, einen oder mehrere Stellvertreter des Ober-Thierarztes
aus der Zahl der Thierärzte dauernd oder vorübergehend zu bestellen.
§. 4. Untersuchungsstationen werden in der erforderlichen Zahl, dem Ver¬
kehre entsprechend, auf oder nahe bei denjenigen Bahnhöfen, auf welchen
regelmässig frisches Fleisch eingeführt wird, sowie an geeigneten Orten inner¬
halb des Weichbildes der Stadt, unter besonderer Berücksichtigung der städti¬
schen Markthallen, errichtet.
Die Errichtung, sowie späterhin die Neueinrichtung, Aufhebung oder Ver¬
legung der Untersuchungsstationen, sowie die Zeit, während welcher die einzelnen
Untersuchungsst&tionen dem Verkehre geöffnet sind, wird durch besondere Be¬
kanntmachung der Verwaltung veröffentlicht.
Ausserdem wird jede Untersuchungsstation durch deutliche Merkmale als
solche bezeichnet werden.
§. 6. Jede Untersuchungsstation erhält einen Thierarzt, welchem das er¬
forderliche Hülfspersonal beigegeben wird.
§. 6. Die Untersuchung des eingeführten frischen Fleisches erfolgt durch
die Thierärzte und, soweit es sich um Schweine handelt, ausserdem durch die
Probenehmer und die Fleischbeschauer, welche letzteren die mikroskopische
Untersuchung durchzuführen haben.
II. Beschränkung der Einfuhr und die Gebühren.
§. 7. So weit für eine Bahn eine Untersuchungsstation auf oder bei dem
Bahnhofe eingerichtet ist, muss das auf dieser Bahn eingeführte frische Fleisch,
welches im Gemeindebezirke der Stadt Berlin feilgeboten werden soll, sofort
und unmittelbar nach Eintreffen des Bahnzuges in diese Untersuchungsstation
gebracht werden.
Im Uebrigen sind diejenigen Personen, welche frisches Fleisch einführen,
in der Wahl der Untersuchungsstation unbeschränkt.
§. 8. Frisches Schweinefleisch muss mindestens die Grösse eines halben
Schweines, vom Kopfe nach dem Hintertheile zu getheilt, besitzen.
Andere Fleischarten müssen mindestens die Grösse eines ganzen Viertels
des geschlachteten Thieres haben.
Mit diesem Fleisch dürfen auch die dazu gehörigen Köpfe und Eingeweide
eingeführt werden.
Die Einführung von ganzen Rinderfilet«, ungeteilten Hammel- und Kalbs¬
keulen, Hammel- und Kalbsrücken wird gestattet, dagegen ist die Einfuhr von
gehacktem Fleisch verboten.
§. 9. Durch Bescheinigung der Ortspolizeibehörde oder eines approbirten
Thierarztes oder eines geprüften Fleischschaubeamten oder durch Stempel oder
Plombe eines unter öffentlicher Controle stehenden ^chlachthofes muss nach¬
gewiesen werden, dass das zur Untersuchung vorgelegte Fleisch von einem
Thiere herrührt, welches vor der Schlachtung einer Besichtigung unterzogen
und hierbei mit erkennbaren Krankheitszeichen behaftet nicht befunden wor¬
den ist.
Die Bescheinigung ist auf der Untersuchungsstation zurückzubehalten.
§. 10. Das in die Untersuchungsstation einmal eingeführte Fleisch darf,
bevor es nach Maassgabe dieses Regulativs der Untersuchung unterworfen und
freigegeben ist, aus der Untersuchungsstation nicht wieder entfernt werden.
§. 11. Fleisch, welches bereits einmal von einer hiesigen Untersuchungs¬
station oder auf dem städtischen Central viehhofe einer Untersuchung unterzogen
ist, bedarf bei erneuerter Einführung nur einer Besichtigung auf eine inzwischen
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
eingetretene Verderbniss, Bobald dasselbe noch erkennbare Stempel oder Plombe
der früheren Untersuchung trägt. Kann ein solches Untersuchungszeichen nicht
nachgewiesen werden, so unterliegt es der Untersuchung von Neuem.
§. 12. Für die Untersuchung ist eine Gebühr im Voraus zu zahlen und. die
über die Zahlung ertheilte Quittung vor der Untersuchung abzugeben.
Quittungsscheine, welche für das betreffende Verwaltungsjahr Geltung be¬
halten, können an der Casse einer jeden Untersuchungsstation gelöst werden.
§. 13. Die Gebühr für die Untersuchung bleibt für jedes Stück Fleisch,
gleichgültig, welche Grösse dasselbe hat, dieselbe wie für das ungetheilte Thier.
Dieselbe wird für jedes abgesonderte Stück Fleisch besonders berechnet und
macht es hierbei keinen Unterschied, ob die verschiedenen Stücke von einem
und demselben oder mehreren Thieren herrühren.
Für die Untersuchung von Lungen, Lebern und Eingeweiden, welche mit
Ilaupttheilen eines gleichartigen Thieres vorgelegt werden, wird eine Gebühr
nicht erhoben, ohne dass es eines Nachweises, das9 dieselben mit den vor¬
gelegten Haupttheilen von demselben Thiere herrühren, bedarf.
• Die nochmalige Besichtigung von bereits früher untersuchtem Fleisch im
Falle des §.11 geschieht kostenfrei.
§. 14. Die Gebühr wird nach einem Gebührentarife erhoben. Der letztere
wird so festgestellt werden, dass die Einnahmen an Untersuchungsgebühren die
Ausgaben der städtischen Verwaltung für die Durchführung der Untersuchung
decken.
Der Gebührentarif wird durch Gemeindebeschluss, welcher der Bestätigung
der Aufsichtsbehörde bedarf, festgestellt.
Soweit es sich herausstellt, dass die vorgeschriebene Gebühr im Verhält¬
nisse der Einnahmen zu den Ausgaben zu hoch oder zu niedrig bemessen ist,
kann die Herabsetzung oder Erhöhung in der im zweiten Absätze dieses Para¬
graphen angegebenen Weise für die Zukunft angeordnet werden.
III. Untersuchung des eingeführten Fleisches.
§. 15. In welchem Umfange das zur Untersuchung vorgelegte Fleisch einer
solchen zu unterziehen ist, wird ausschliesslich der Entscheidung des diese
Untersuchung ausführenden Thierarztes überlassen. Die Beurtheilung erfolgt
im Allgemeinen nach den in Berlin und insbesondere auf dem städtischen
Schlachthofe geltenden Grundsätzen. Der Besitzer hat kein Widerspruchsrecht
gegen die Art, in welcher der Thierarzt die Untersuchung ausführt. Die Unter¬
suchung hat ausschliesslich in der Untersuchungsstation selbst und jedenfalls
vor Unterbringung des Fleisches in einer Verkaufsstelle stattzufindeh.
§. 16. Findet der Thierarzt das untersuchte Fleisch gesund, so bezeichnet
er dasselbe an einer leicht erkennbaren Stelle mit dem Untersuchungszeichen
(Stempel oder Plombe) der betreffenden Untersuchungsstation.
Sobald die Stempelung erfolgt ist, kann der Eigenthümer des Fleisches
über dasselbe verfügen.
§. 17. Ergiebt sich dagegen, dass das geschlachtete Fleisch ungesund und
zur menschlichen Nahrung nicht geeignet ist, so wird dasselbe an einer in die
Augen fallenden Stelle mit einem Zettel beklebt, welcher die Aufschrift trägt:
„Zurückgewiesen und beanstandet.“
Dasjenige Fleisch, welches zurückgewiesen und beanstandet worden ist,
wird sofort der Polizeibehörde zur weiteren Verfügung überwiesen.
§. 18. Erachtet der Thierarzt nur einzelne Theile des Fleisches für un¬
geeignet, die übrigen aber zur menschlichen Nahrung für geeignet, so weist er
nur. jene einzelnen Theile unter Beanstandung derselben zurück, giebt aber die
übrigen frei, indem er, soweit angängig, die Abstempelung (§. 16) veranlasst.
§. 19. Soweit gemäss der §§. 17 und 18 eine Zurückweisung und Be¬
anstandung von dem Thierarzte ausgesprochen ist, ist der Besitzer des Fleisches
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
berechtigt, die Entscheidung des Ober-Thierarztes zu fordern. Muss zu diesem
Zwecke der Beschleunigung wegen auf Antrag des Besitzers das Fleisch nach
einer anderen Stelle geschafft werden, so hat der Besitzer die Kosten des
Transportes zu tragen und auf Erfordern einen Vorschuss hierfür zu erlegen.
Der Besitzer hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der Ver¬
zögerung der Entscheidung des Ober - Thierarztes, sofern dieselbe nur binnen
24 Stunden, nachdem er seinen Antrag gestellt hat, erfolgt.
§. 20. Stellt sich bei der Untersuchung heraus, dass das Thier, von wel¬
chem das zur Untersuchung vorgelegte Fleisch herrührt, an einer übertragbaren
Krankheit (Seuche) gelitten hat, so wird dasselbe schleunigst abgesondert und
der Polizeibehörde überwiesen.
Der Eigenthümer des Fleisches haftet für allen Schaden, welcher durch die
ansteckende Krankheit des Fleisches herbeigeführt wird, insbesondere für die
Kosten einer etwa erforderlichen Desinficirung.
§. 21. Ueber alles in der Untersuchungsstation zurückgewiesene und be¬
anstandete Fleisch wird ein Register geführt, für welches die Verwaltung die
näheren Anordnungen erlässt.
Auf Grund desselben ertheilt der Thierarzt den Besitzern des zurück¬
gewiesenen und beanstandeten Fleisches auf Verlangen eine Bescheinigung, aus
welcher die Ursache der Beanstandung hervorgeht.
§. 22. Behufs mikroskopischer Untersuchung der Schweine nach näherer
Anordnung der Verwaltung entnimmt ein Probenehmer die hierfür* erforder¬
lichen Proben und versieht das Fleisch mit der Nummer des Probekästchens.
Die Probekästchen überbringt der Probenehmer dem hierzu von dem Thierarzte
bestimmten Fleischbeschauer,
§. 23. Der Fleischbeschauer hat die Untersuchung mit voller Sorgfalt und
Gewissenhaftigkeit den Anordnungen der Verwaltung uud den hierüber be¬
stehenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechend auszuführen.
§. 24. Ergiebt die Untersuchung keine Trichinen, so hat der Fleisch¬
beschauer unter Beifügung seines Namens in einem nach dem anliegenden
Muster von dem Probenehmer geführten Schaubuche dieses zu bescheinigen.
Auf Grund dieser Bescheinigung erfolgt die Abstempelung „trichinenfrei“
durch den Probenehmer.
Findet der Fleischbeschauer bei der Untersuchung das Fleisch trichinen¬
haltig, so hat derselbe die Entscheidung des Thierarztes anzurufen.
Stellt der Thierarzt keine Trichinen fest, so ist die Entscheidung des Ober-
Thierarztes, welche binnen 24 Stunden zu erfolgen hat, einzuholen. Findet er
dagegen die Fleischproben trichinenhaltig, so ordnet er, nachdem das Fleisch
mit dem Stempel „trichinenhaltig“ versehen ist, die Entfernung desselben und
der Proben nach Maassgabe des §. 17 an und giebt die die Trichinen nachweisen¬
den mikroskopischen Präparate an den Fleischbeschauer zur Aufbewahrung
nach Maassgabe des §. 25 zurück.
§. 25. Alle mikroskopischen Präparate, in denen das Vorhandensein von
Trichinen endgültig festgestellt ist, sind wohlverkittet auf der Untersuchungs¬
station zwei Monate lang aufzubewahren und alsdann unschädlich zu be¬
seitigen.
§. 26. Finden die mit der öffentlichen Trichinenschau betrauten Personen
an dem zu untersuchenden Fleische eine andere Krankheit, als Trichinosis, ins¬
besondere Finnen, Rothlauf und Gelbsucht, so haben dieselben dem Thierarzte
Anzeige zu machen.
§. 27. Die Freigabe des Schweinefleisches gemäss §. 16 erfolgt erst dann,
wenn die Untersuchung durch die Fleischbeschauer ergeben hat, dass dasselbe
von Trichinen und von den in §. 26 erwähnten Krankheiten frei ist.
§. 28. Die Verwaltung kann geeigneten Falles von der Bestellung be¬
sonderer Probenehmer Abstand nehmen, und versehen alsdann der oder die
Fleischbeschauer auch die Thätigkeit jener. (§§. 22 bis 27.)
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
IV. Allgemeine Bestimmungen.
§. 29. Die behufs Untersuchung des Schweinefleisches entnommenen Proben
verbleiben der Verfügung der Untersuchungsstation.
§. 30. Nach erfolgter Abstempelung ist das untersuchte Fleisch sofort aus
dem Untersuchungsraume zu entfernen, widrigenfalls die Verwaltung berechtigt
ist, dasselbe auf Kosten des Eigenthümers wegschaffen zu lassen.
Die Verwaltung übernimmt weder in diesem Falle, noch sonst eine Garantie
irgend einer Art für die Sicherheit des in die Untersuchungastation gebrachten
Fleisches. Die Beaufsichtigung desselben ist ausschliesslich Sache des Eigen-
thümers.
§. 31. Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen dieses Regulativs wer¬
den, sofern nicht nach den allgemeinen Strafgesetzen eine höhere Strafe ver¬
wirkt ist, auf Grund des §. 14 des Gesetzes vom 18. März 1868 in der Fassung
des Gesetzes vom 9. März 1881 (Gesetzsammlung, S. 273 ff.) für jeden Ueber-
tretungsfall mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft
§. 32. Die Abänderung und Ergänzung dieses Regulativs bleibt Vorbehalten
und erfolgt durch Gemeindebeschluss.
§. 33. Dieses Regulativ tritt zusammen mit dem demselben zu Grunde
liegenden Gemeindebeschlusse vom heutigen Tage in Kraft.
So beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung in der Sitzung vom
9. September er. und bestätigt durch Beschluss deB Magistrates vom 24. Sep¬
tember er.
Berlin, den 25. September 1886.
Magistrat hiesiger königlichen Haupt- und Residenzstadt;
gez. v. Forckenbeck.
Erlass Grossherzogi. Hessischen Ministeriums des Inneren an die Kreisärzte
vom 18. Februar 1887, betreffend Vorschriften über das Verfahren bei
epidemischen und ansteckenden Krankheiten.
Die Verbreitung ansteckender Krankheiten, namentlich diejenige des Ab¬
dominaltyphus hat, wie die Erfahrung zeigt, in nicht seltenen Fällen in der
Weise statt, dass solche Personen, welche in einem von einer ansteckenden
Krankheit betroffenen Hause oder einer solchen Ortschaft als Handwerks-
gehülfen, Dienstboten u. s. w. sich aufgehalten hatten, wenn dieselben von den
Vorboten der infectiösen Krankheit befallen worden oder auch bereits erkrankt
sind, in ihre Heimathsorte sich begeben.
Da in einer Mehrzahl solcher Fälle, sei es, weil die Krankheit einen leichten
Verlauf nimmt, oder bei ärmeren Leuten, oder da, wo die Bevölkerung über¬
haupt zur Berufung eines Arztes wenig geneigt ist, ein Arzt überhaupt nicht,
oder doch nur nach längerer Dauer der Krankheit zugezogen zu werden pflegt,
in letzterem Falle auch häuflg lediglich auf das unzulängliche Referat der An¬
gehörigen hin Diagnose und Behandlung statthaben müssen, so kommt es nicht
selten vor, dass in der gedachten Weise verschleppte, unerkannt und unbeachtet
gebliebene Krankheitsfälle bereits zu Haus- und Familienepidemieen geführt
haben, bis sie zur Kenntniss der Sanitätsbehörden gelangten.
Zur möglichsten Vermeidung derartiger Vorkommnisse geben wir Ihnen
auf, bei den Ihnen obliegenden Besuchen in den von Epidemieen betroffenen
Wohnungen und Orten Ihre Nachforschungen unter Mitwirkung der behandeln¬
den Aerzte auch darauf zu erstrecken, ob und in wieweit die Gefahr einer
weiteren Verschleppung der Krankheit in der oben gedachten Weise vorliege.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Sie werden, falls die der Verbreitung verdächtigen Personen innerhalb
Ihres Dienstbezirkes den Wohnort gewechselt haben, die betreffende Ortspolizei¬
behörde von der drohenden Gefahr in Kenntniss setzen und dafür Sorge tragen,
dass deren Gesundheitszustand überwacht und Ihnen davon Mittheilung gemacht
werde; eventuell werden Sie selbst baldmöglichst von der Sachlage an Ort und
Stelle Einsicht nehmen und entsprechende Maassnahmen treffen. Hat der Ver¬
zug der einer Krankheitsverschleppung verdächtigen Personen in einen anderen
Kreis des Grossherzogthums stattgehabt, so werden Sie dem betreffenden Kreis¬
gesundheitsamte sofort davon Nachricht geben, welchem dann obliegt, seiner¬
seits die im’ Vorstehenden erwähnten Aufgaben zu erfüllen. In denjenigen
Fällen endlich, in welchen die einer Krankheitsverschleppung verdächtigen
Personen ausserhalb des Grossherzogthums verzogen sind, werden Sie die Mit¬
wirkung des grossherzoglichen Kreisamtes in Anspruch nehmen und dort be¬
antragen, dass die bezüglichen auswärtigen Behörden von der Lage der Sache
in Kenntniss gesetzt und zur Einleitung von Vorsichtsmaassregeln veranlasst
werden. .
In Ihren Berichten über den Verlauf der Epidemieen wollen Sie es nicht
versäumen, der von Ihnen im Sinne dieses Ausschreibens veranlassten Vor¬
kehrungen und deren eventuellen Erfolg zu erwähnen.
Darmstadt.
J a u p.
Erlass des Königl. Wttrttembergischeii Ministeriums des Inneren vom 12« Mal
1886, betr. polizeiliche Controle des Milchverkehrs«
Die Einführung der polizeilichen Controle des Milchverkehrs in Gemässheit
des §. 3 der MinisterialVerfügung vom 24. April 1886 (Reg.-Bl. S. 156) soll
jedenfalls in den Städten mit mehr als 10000 Einwohnern, aber auch in
sonstigen grösseren Gemeinden erfolgen, in welchen der grösste Theil der Ein¬
wohner die Milch von Zwischenhändlern bezieht.
Bei der Ausübung dieser Controle ist nach folgenden Grundsätzen zu ver¬
fahren :
1. Die polizeiliche Milchcontrole soll den Verkauf gesundheitsgefahrlicher,
insbesondere der im §. 1 der Ministerialverfügung vom 24. April 1886 bezeichneten
Milch, sowie den Verkauf minderwerthiger Milch als vollwerthiger verhindern
und diejenigen, welche sich strafbarer Handlungen in dieser Beziehung schuldig
machen, zur Anzeige bringen. (Art. 32 Ziff. 5 des Landes - Polizeistrafgesetzes
und §. 10 ff. des Reichsgesetzes vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit
Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen, R.-G.-B. S. 145 ff).
Da sich beim Mangel eines Zugeständnisses des Verkäufers durch die blosse
Prüfung der Milch seitens der controlirenden Polizeibediensteten eine zu einer
Strafeinschreitung genügende Feststellung der Beschaffenheit der Milch in der
Regel nicht gewinnen lässt, diese Feststellung vielmehr meist im chemischen
Laboratorium zu erfolgen hat, so hat die polizeiliche Untersuchung im Wesent¬
lichen nur festzustellen, ob der Verdacht vorliegt, dass die Milch gesundheits-
gefahrlich, verdorben oder verfälscht ist, oder dass eine als vollwerthig zum
Verkauf gebrachte oder feilgehaltene Milch minderwerthig (abgerahmt) ist.
2. Bei jedem Verkäufer soll die Controle durchschnittlich alle vier Wochen
einmal unvermuthet stattfinden.
Dabei ist das äussere Ansehen, Farbe, Geruch und Geschmack der Milch
zu prüfen und deren spccifisches Gewicht zu bestimmen. Letzteres hat zu
geschehen mittelst einer Milchwage aus Glas oder Hartgummi, auf deren
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Gradeintheilung jeder Grad einem Tausendstel des specifischen Gewichts bei
einer Temperatur von 15° C. entspricht (Lactodensimeter von Quevenne*
Möller, Recknagel 1 ).
Die mit dieser Controle betrauten Polizeiorgane sind mit der im Anhänge
folgenden Belehrung zu versehen und durch Sachverständige, z. B. Oberamts¬
ärzte, Oberamtsthierarzte, Apotheker, in diesem Geschäfte praktisch unterweisen
zu lassen.
3. Finden sich bei der polizeilichen Prüfung der Milch verdächtige Merk¬
male, liegt insbesondere der Verdacht vor, dass die Milch eine dep im §. 1 der
MinisterialVerfügung vom 24. April 1886 bezeichneten Eigenschaften hat, oder
dass als volle Milch feilgehaltene Milch abgerahmt sei, oder dass die Milch
durch Wasserzusatz oder in anderer Weise gefälscht sei, so ist, wofern der Ver¬
käufer nicht die Gesundheitsgefahrlichkeit oder Fälschung der Milch zugesteht,
in Gemässheit des §. 2 des Reichsgesetzes vom 14. Mai 1879, betreffend den
Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen
(R.-G.-B. S. 145) — vergleiche auch §. 9 daselbst — eine Probe «um Zweck der
technischen Untersuchung zu entnehmen. Als solche ist nicht weniger als ein
Liter Milch nach gutem Mischen in eine Glasflasche zu bringen, die letztere
sofort mit einem unbenutzten guten und reinen Kork zu verschliessen, zu ver¬
siegeln und mit einer jede Verwechselung ausschliessenden Bezeichnung zu ver¬
sehen. Diese Bezeichnung hat in allen Fällen Namen und Wohnung des Ver¬
käufers sowie des Milchproducenten beziehungsweise Lieferanten, die Angabe,
ob die betreffende Milch als volle (ganze) oder abgerahmte feilgehalten wurde,
ferner das Datum der Entnahme der Probe zu enthalten.
Gleichzeitig ist die ungefähre Gesammtmenge der Milch, von welcher die
Probe entnommen wurde, zu notiren und durch Befragung des Verkäufers zu
erheben, ob die Milch von einer einzigen oder von wie vielen Köhen sie stammt,
ob sie Früh- oder Abendmilch und wann sie gemolken wurde.
4. Die nach Ziffer 3 entnommene Milchprobe ist sobald als möglich einer
technischen Untersuchungsanstalt oder einem sonstigen sachverständigen Chemiker
mit den erhobenen Notizen zur Untersuchung zu übergeben.
An solchen technischen Untersuchungsanstalten bestehen zur Zeit in Würt¬
temberg die chemischen Laboratorien der Centralsteile für Gewerbe und Handel,
der Landesüniversität und des Polytechnikums und dag städtische Laboratorium
zu Stuttgart.
5. Bei Entnahme der Probe für die technische Untersuchung der Milch
ist dem Verkäufer zu eröffnen, dass ihm freistehe, zur Erbringung des Nach¬
weises, dass die Milch so in den Verkehr gebracht wurde, wie sie von der Kuh
gewonnen wurde, innerhalb drei Tagen die Stallprobe zu verlangen. Die auf
Verlangen vorzunehmende Stallprobe hat darin zu bestehen, dass unter polizei¬
licher Aufsicht alle diejenigen Kühe, welche zur Gewinnung der beanstandeten
Milch dienten, vollständig ausgemolken werden, die so gewonnene Milch ordentlich
durchgemischt und von derselben in der unter Ziffer 3 bezeichneten Weise
eine Probe entnommen und der technischen Untersuchungsanstalt oder dem
sonstigen sachverständigen Chemiker übersendet wird.
Die Stallprobe muss spätestens innerhalb dreier Tage nach der an der
Verkaufsstelle erfolgten Entnahme der beanstandeten Probe und zur gleichen
Tageszeit, zu welcher die beanstandete Milch gemolken wurde, vorgenommen
werden.
6. Als sehr zweckdienlich für die Verhinderung des Absatzes ungesunder
oder gefälschter Milch an die Consumenten wird den Orts Polizeibehörden der
grösseren Städte empfohlen, sich mit den Ortspolizeibehörden derjenigen benach¬
barten Gemeinden, von welchen die Milch vorzugsweise in die betreffende Stadt
geliefert wird, behufs Einführung einer Controle des Milchhandels am Produc-
*) Solche Milch wagen sind zu haben bei F. Mollenkopf in Stuttgart, Thorstrassc 10.
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Hygienische Gesetze und Verordnungen.
tionsort bei denjenigen Producenten, welche die Milch selbst oder durch
Zwischenhändler an die Consumenten verkaufen, und bei den Zwischenhändlern
ins Benehmen zu setzen.
7. Die mit der Controle der Milch betrauten Polizeiorgane haben durch
Notirung der bei ihren periodischen Untersuchungen gefundenen Werthe des
specifischen Gewichtes der Milch sich allmälig ein Material anznsammeln, da
ihnen dies die Beurtheilung der in ihrem Bezirk in Handel kommenden Milch
wesentlich erleichtert.
8. Je nach dem Ergebniss der polizeilichen oder chemisch - technischen
Untersuchung der Milch ist gegebenen Falls behufs der Strafeinschreitung
(vergleiche §§. 10 ff. des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 und Art. 32,
Ziff. 5 des Polizeistrafgesetzes) dem zum Erlass der polizeilichen Strafverfügung
zuständigen Oberarat oder der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten.
Belehrung, betreffend die Beschaffenheit der Milch.
§. 1. Gesundheitsgefährlich ist namentlich die im §. 1 der Mini-
sterialverfügung vom 24. April 1886 bezeichnete Biestmilch, schleimige, bittere,
rothe oder blaufleckige Milch, sowie diejenige Milch, welche von den im §. 1
Abs. 2 der Ministerialverfügung vom 24. April 1886 bezeichneten kranken
Thieren herrührt:
Die Biest milch (Colostralmilch), d. h. diejenige in ihren Eigen¬
schaften von der normalen erheblich abweichende Milch, welche kurz vor und
nach dem Gebären von den Kühen abgesondert wird, hat ein viel höheres
specifisches Gewicht als die gewöhnliche Milch. Dasselbe schwankt von 1046
bis 1*079.
Blau, schleimig (fadenziehend), bitter oder roth (biuthaltig) wird die
Milch entweder durch Krankheit des Thieres oder durch Entwickelung eines
besonderen Fermentes (Gährung), oder auch durch gewisse Futtermittel und
ArzneiBtoffe, welche den Thieren beigebracht werden. Die Untersuchung durch
Gesicht und Geschmack lässt diese Abnormitäten leicht erkennen.
§.2. Gefälscht ist diejenige Milch, welche etitweder durch Wegnehmen
oder Hinzusetzen von Stoffen verschlechtert, oder welcher hierdurch der Schein
einer besseren als der wirklichen Beschaffenheit gegeben ist.
Die gewöhnlichste Art der Verfälschung der Milch besteht darin, dass ihr
Wasser zugesetzt wird. Durch Wasserzusatz gefälschte Milch wird bläu¬
licher, als die mehr ins Gelbliche spielende reine Milch und hat nicht mehr
den vollen Geschmack einer solchen. Ihr specifisches Gewicht ist kleiner
geworden als das der normalen Milch. Da nun aber das letztere namentlich
unter dem Einfluss der Viehrasse, übrigens auch bei demselben Thiere, z. B.
unter dem Einfluss von Anstrengungen der Thiere oder verschiedener Fütte¬
rung etc. ein verschiedenes sein und bei 15° C. von 1*029 bis 1*034 schwanken
kann, so kann es Vorkommen, dass eine Milch, auch wenn sie ein specifisches
Gewicht von 1*029 oder 1*030 hat, also innerhalb der Grenzwerthe für die
normale Milch steht, doch durch Wasserzusatz gefälscht ist. Der Verdacht,
dass dies der Fall sei, ist namentlich dann gerechtfertigt, wenn bei einem und
demselben Häudler beziehungsweise Producenten bei der Controle fortgesetzt
nur die unteren Grenzwerthe (1*029 bis 30) und nie abwechselungsweise auch
ein höheres specifisches Gewicht angetroffen wird. Erfahrungsgemäss setzen
nämlich nicht selten Producenten und Händler unter Benutzung des Lacto-
densimeters zu ihrer von Hause aus schwereren Milch von 1,033 bis 1,034 speci-
fischem Gewicht so viel Wasser zu, dass jenes gerade die bei normaler Milch
noch vorkommende untere Grenze (1*029 bis 30) erreicht, um so die polizeiliche
Controle zu hintergehen.
§.3. Abgerahmte Milch darf als solche, aber nicht als volle Milch ver¬
kauft werden. Durch die bei der Abrahmung stattfindende Wegnahme des
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542 Hygienische Gesetze und Verordnungen.
Fettes wird die Milch specifisch schwerer und hat desshalb solche Milch bei
15° C. ein specifisches Gewicht von 1*032 bis 1*037. Sie ist weniger dickflüssig'
als volle Milch und hat weniger vollen Geschmack.
Durch Wasserzusatz kann abgerahmte Milch wieder specifisch leichter
gemacht werden, somit ein specifisches Gewicht erhalten wie normale Milch.
Dann ist aber ihr Ansehen und ihr Geschmack so verschieden von dem normalen,
dass man trotz des richtigen Gewichts leicht Verdacht schöpfen und Veranlassung
nehmen kann, behufs weiterer chemischer Untersuchung Probe zu entnehmen.
§. 4. Die Bestimmung des specifischen Gewichtes geschieht mittelst der in
Ziffer 2 des Ministerialerlasses vom 12. Mai 1886 bezeichneten Milchwage.
Es dürfen nur solche Milch wagen angewendet werden, welche auf ihre Richtig¬
keit geprüft sind. Bei der Anwendung ist darauf zu sehen, dass die Milch
vorher gehörig gemischt und das Instrument mindestens zwei Minuten in der¬
selben gelassen wird. An der Milchwage ist eine Gradeintheilung angebracht,
so dass je ein Grad einem Tausendstel des specifischen Gewichtes entspricht.
Wenn älso beispielsweise das Instrument bis zu Gradstrich 29 in die Milch ein¬
sinkt, so hat diese ein specifisches Gewicht von 1*029. Da aber für die Beur-
theilung der Milch nur dasjenige specifische Gewicht maassgebend ist, welches
sie bei 16° C. besitzt, so ist stets gleichzeitig auch mit einem Thermometer die
Temperatur der untersuchten Milch festzustellen und kann dann mit Hülfe
einer der Milohwage beigegebenen Tabelle leicht das specifische Gewicht der
Milch bei 15° abgelesen werden.
§. 6. Nach Vorstehendem ist bei der polizeilichen Controle zu beanstanden
und giebt Veranlassung zu dem Verfahren nach Ziffer 3 des Ministerialerlasses
vom 12. Mai 1886:
1) Milch, welche blau oder roth oder schleimig ist oder bitter schmeckt
oder ein auffallend hohes specifisches Gewicht (über 1*037) zeigt, — wegen
Verdachts der Gesundheitsgefährlichkeit,
2) Milch, welche weniger als 1*029 specifisches Gewicht besitzt, oder wenn
bei einem und demselben Producenten oder Händler die mehrfach und zu ver¬
schiedenen Zeiten wiederholte Controle immer nur die unteren Grenzwerthe
des normalen specifischen Gewichtes (29 bis 30 Grade) ergiebt, — wegen Ver¬
dachts deB Wasserzusatzes,
8) angeblich volle Milch, welche mehr als 1*034 specifisches Gewicht besitzt
oder bei einem specifischen Gewichte von 1*032 bis 1*034 auffallend dünn aus¬
sieht und schmeckt, — wegen Verdachts der Abrahmung,
4) angeblich volle Milch, welche ein specifisches Gewicht von 1*029 bis 34
besitzt, aber besonders auffallend dünn aussieht und schmeckt, — wegen Ver¬
dachts der Abrahmung und des Wasserzusatzes,
5) angeblich abgerahmte Milch, deren specifisches Gewicht weniger als
1*032 beträgt, — wegen Verdachts des Wasser zu satzes.
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Neu erschienene Schritten.
543
Neu erschienene Schriften über öffentliche
Gesundheitspflege.
(39. Verzeichniss.)
1. Allgemeines.
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. II. Band, 1. u. 2. Heft. Berlin,
Springer, gr. 8. 222 S. mit 5 Tafeln. 8. M.
Dose, A. P. J., Dr., Zur Kenntniss der Gesundheitsverhältnisse des Marschlandes.
III. Hydrargyrose und Quecksilberwirkung in ihrer Abhängigkeit vom
Chlorgehalt der Luft. Leipzig, Breitkopf u. Härtel, 1887. gr. 4. 10 S.
1 M.
Du Mesnil, 0., Dr., Bureaux municipaux d’hygiene (Turin, Bruxelles, Nancy,
Le Havre, Reims, Saint-Etienne, Amiens, Pau, Rouen), rapport sur leur
mode d’organisation et de fonctionnement. Paris, impr. Nationale, 1886. 8.
76 p.
Fox, Cornelius B., Sanitary examinations of water, air, and food. A vade-
mecum for the Medical üfficer of health. 2. edition. London, Churchill,
12. 586 p. 2 pl.
Grandhomme, Dr., Der Kreis Höchst a. M. in gesundheitlicher und geBund-
heitspolizeilicher Beziehung einschliesslich einer geschichtlichen und geolo¬
gischen Beschreibung desselben. Frankfurt a. M., Alt, 1887. gr. 8. VII —
193 u. XXXI S.
Hensgen, Dr., Kreiswundarzt, Zur Reform des Hebammenwesens. Neuwied,
Heuser, 1887. gr. 8. 17 S. 0*75 M.
Hunt, Ezra M., Principles of hygiene for the school and the home, together
with so much of anatomy and physiology m is necessary to the correct
teaching of the subject. New-York, Ivison, Blakeman, Taylor & Co., 1886.
12. 382 p.
Laporte, V., Hygiene; elements usuels. Paris, Dupont, 1887. 18. II—178 p.
1*60 Frcß.
Palm borg, A., Dr., Organisation et legislation sanitaires de la Finlande.
Paris, impr. Chaix, 1887. 8. 19 p.
de Pietra Santa, P., Organisation des Services de Phygiene publique en France.
Paris, impr. Chaix, 1887. 8. 20 p.
Reimann, Max, Dr., Kreisphysicus, Gesundheitslehre auf naturwissenschaftlicher
Grundlage. Für Gebildete aller Stände. Kiel u. Leipzig, Lipsius & Tischer,
1887. gr. 8. 640 8. 7*50 M.
2. Statistik und Jahresberichte.
Becker, Herrn., Dr., Reg.- u. Med.-Rath, Der Regierungsbezirk Hannover. Ver¬
waltungsbericht über dessen Sanitäts- u. Medicinalwesen mit besonderer
Berücksichtigung der Jahre 1883 bis 1885. Hannover, Schmorl & v. Seefeld,
1887. gr. 8. m —188 8. 5. M.
Berioht des Medicinal - Inspectorats über die medicinische Statistik des Ham-
burgischen Staates für das Jahr 1886. Hamburg, Druck von Rüter, 1887.
gr. 4. 22 S. mit 32 Tabellen und Tafeln.
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544 Neu erschienene Schriften.
Bockendahl, J., Dr., Reg.- u. Med.-Rath, Gesammtbericbt über das öffentliche
Gesundheitswesen der Provinz Schleswig - Holstein, die Jahre 1883, 1884 u.
1885 umfassend. Kiel, Schmidt <fc Klaunig, 1887. 4. 229 S.
Dietrich, Ludwig, Dr., Reg.- u. Medicinalrath, Das öffentliche Gesundheitswesen
des Reg.-Bezirks Stettin in den Jahren 1888, 1884 und 1885. Fünfter Ver¬
waltungsbericht. Stettin, Hessenland, 1887. gr. 8. 266 S. 6 M.
Gemmel, B., Dr., Reg.- u. Geh. Med.-Rath, Generalbericht über das Medicinal-
und Sanitätswesen im Regierungsbezirk Posen für die Jahre 1888, 1834 u.
1885. Posen, Merzbach, 1887. gr. 4. 34 8. 2 M.
Hoöl, Dr., Rapport annuel du bureau d’hygiene et de statistique de la ville de
Reims; 4e annöe 1885. Reims, Matot, 1887. 8. 174 p. et planches.
Jahresbericht, Siebzehnter — des Landes-Medicinal - Collegiums über das
Medicinalwesen im Königreich Sachsen auf das Jahr 1885. Leipzig, Vogel,
1887. Lex.-8. 159 S. 4 M.
Kusy, Emanuel, Dr., Sanitätsbericht des k. k. Landes-Sanitätsrathes für Mähren
für das Jahr 1885. VI. Jahrgang. Brünn, Winiker, 1887. 4. 156 S. 6 M.
Marian, A., Dr., Bericht übei* die Thätigkeit des städtischen Gesundheitsrathes
in Aussig im Jahre 1886. Aussig, Grohraann, 1887. 8. 81 S. mit XVI Tabellen.
0-80 M.
Medicinalbericht, Amtlicher— des Cantons Zürich über das Jahr 1884. Winter¬
thur. 8. 111 S. u. Tabellen.
Pfeilsticker, Dr., Medicinalrath, Medicinalbericht von Württemberg für die
Jahre 1882, 1883 und 18S4. Im Aufträge des kgl. Ministeriums des Innern
bearbeitet. Nebst einem Anhang: Meteorologie, Bevölkerungsstatistik,
Morbidität in den Heilanstalten von Dr. R. Elben. Stuttgart, Druck von
Kohlhammer, 1887. gr. 8. 317 S. mit 17 Uebersichtskärtchen.
Pistor, M., Dr., Regierungs- und Geh. Medicinal-Rath, Das öffentliche Gesund¬
heitswesen und seine Ueberwachung in Berlin während der Jahre 1883 bis
1885. Vierter Generalbericht. Berlin, Enslin, 1887. gr. 8. Mit 5 lithogr.
Tafeln. 10 M.
Rampal, Louis, Dr. u. Dr. J. S. Roux, Compte rendu des travaux des conseits
d’hygiene et de salubrite du departement des Bouches-de-Rhöne, annee
1885, Tome XVI. Marseille, impr. Cayer, 1887. 8. 212 p.
Report, Forthy first Annual — of the Board of Supervision for the relief of the
poor and of public health in Scotland, 1885—86. Edinburgh, Neill & Co.,
1886. 8. 307 p.
Report on sanitary measurcs in India in the year 1884 — 85, together with
miscellaneous information up to June of the following year. London,
Eyre & Spottiswode, 1886. 8. 263 p.
Report, Eighth Annual — of the State Board of Lunacy and Charity of Massa¬
chusetts for the year 1886. Boston, Wright & Potter, 1887. 8. 298 p.
Report, Sixth Annual — of the New-York State Board of Health to the
governor of the state, 1885. Albany, Weed, Parsons&Co., 1886. 8. 685 p.
6 maps. 8 planB.
Report, Annual— of the Pennsylvania State Board of Health to the governor,
1885. Harrisbarg, Meyers, 1886. 8. 472 p. 3 pl. 5 maps, 4 plans, 4 diag.
Report, Annual — of the Health Officer of the city and county of San Fran¬
cisco for the year 1885—86. San Francisco, Hinton & Co., 1886. 8. 65 p.
Statistik, Preussische —. Amtliches Quellenwerk, hrsg. vom kgl. statistischen
Bureau in Berlin. 87. Heft. Inhalt: Die Sterblichkeit nach Todesursachen
u. Altersclassen der Gestorbenen, sowie die Selbstmorde und Verunglückun¬
gen im preussischen Staate während des Jahres 1884. Berlin, Verlag d. k.
stat. Bur., 1887. Impr.-4. XIII —187 S. 5 20 M.
Statistik, Schweizerische —. Die Bewegung der Bevölkerung in der Schweiz
im Jahre 1885. Herausgegeben vom statistischen Bureau. Bern und Zürich,
Orell, Füssli & Co., 1887. 4. 110 S. mit 2 Karten. 4 M.
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Neu erschienene Schriften.
545
3. Wasserversorgung, Entwässerung und Abfuhr.
Brown, Glenn, Report on experiments in trap siphonage at the museum of
bygiene, U. S. Navy Department, Washington, D. C. Washington, Judd &
Detveiller, 1886. 8. 13. p. 2 pl.
Cahen, Locien, Etüde comparative des differents procedes d’analyse biologique
des eaux potables. These. Nancy, 1886. 4. 59 p. 27 pl.
Cesarini, Giuseppe, Bonificazione dell’ agro Romano. E possibile colmare col
Tevere gli stagni e le paludi littorale d’Ostia e di Maccarese? Roma,
Voghera, 1886. 8. 64 p.
Corfieldj W. H., Dr. Prof., The treatment and utilisation of Sewage. Third
edition, revised and enlarged by the Author and by Louis C. Parkes.
London, Macmillan, 1887. 8. 16 sh.
Heine 9 II., Ueber die Canalisationsfrage der Stadt Dessau mit Bezug auf das
Gutachten des Stadtbaumeisters Dr. Hobrecht in Berlin. Dessau, Heine,
1887. 8. 20 u. 17 S. 0*70 Mk.
Moser, Ernst, Dr., Ueber die organischen Substanzen des Mainwassers. Ein
Beitrag zur Frage der Flussverunreinigung. Wurzburg, Stahel, 1887. gr. 8.
15 S. 1 M.
Richard) E., Dr., Les nouveaux cabinets d’aisanoe des Etablissements militaires
de Paris. Paris, Rozier, 1887. gr. 8. 24 S.
Smith) Theobald, Some recent investigations concerning bacteria in drinking
water. Philadelphia, 1886. 8. 12 p.
4. Strassen- Bau-, und Wohnuügshygiene.
Abadie, B., Rapport sur les Etablissements insalubres de la prairie au Duc.
Nantes, impr. Mellinet, 1887. 8. 40 p.
Anders) J. M., House-plante as sanitary agents; or the relations of growing
Vegetation to health and diseaae. Comprising also a consideration of the
subject of practical floriculture, and of the sanitary infiuence of forests
and plantations. Philadelphia, Lippincott, 1887. 8. 834 p.
Bethke, Hermann, Architekt, Einfamilien-Häuser. Kleine Häuser zum Allein¬
bewohnen, für die praktische Ausführung in kleineren Städten und in Vor¬
orten grösserer Städte. Lieferung 1 und 2. Stuttgart, Wittwer, 1887. Fol.
Cbromolithogr. ä 6 M.
Fanderlik, F., Elemente der Lüftung und Heizung. Für den Unterricht an
höheren Gewerbeschulen und für den praktischen Bautechniker zusammen¬
gestellt. Wien, Graeser, 1887. gr. 8. VII—175 S. mit eingedr. Fig. 4M.
Hellyer) S. Stevens, The Pl umher and Sanitary Houses. A practical treatise on
the principles of internal plumbing work, or the best means for effectually
excluding noxious gases from our houses. Fourth edition. London, Batsford,
1887. gr. 8. with 27 plates and 284 woodcuts. 10 sh. 6 d.
Hilse, Carl, Dr., Synd., Bau-Polizei-Ordnung für den Stadtkreis Berlin vom
16. Januar 1897, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und der ein¬
schlagenden Bestimmungen der übrigen deutschen Bauordnungen erläutert.
Berlin, Heymann, 1887. 8. VII —136 S. 3 M.
Jourdan, G., Recueil de reglements concernant le Service des alignements et des
logements insalubres dans la ville de Paris. Paris, Chaix, 1887. 8. 211 p. etpl.
Maggiora, A., Ricerche quantitative sui microorganismi del suolo con speciale
riguardo all’ inquinazione del medesimo. Torino, 1887. gr. 8. 20 p.
PutzeyB) E., Ingenieur, Paradoxe sur la Ventilation d’hiver. Bruxelles, Manceaux,
1887. 8. 11 p.
TrElat) E., Regime de la temperature et de l’air dans la maison. La Haye,
1886. 8. 12 p.
Viert«lj*hraschrift für GeaundheiUpflege, 1687. 35
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546
Neu erschienene Schrillen.
5. Schulhygiene.
Burgerstein, Leo, Dr., Die Gesundheitspflege in der Mittelschule. Hygiene des
Körpers nebst beiläufigen Bemerkungen. Wien, Holder, 1887. gr. 8.
140 S. 2 M.
Carpenter, A., Dr., The principles and practice of school hygiene. London,
Hughes, 1887. 8. 370 p. with illustrations. 4 sh. 6 d.
Cohn, Hermann, Dr. Prof., Tafel zur Prüfung der Sehschärfe der Schulkinder
Soldaten und Bahnbeamten. Nach Sn eilen’s Princip entworfen. Zweite
Auflage. Breslau, Priebatsch, 1887. 0*40 M.
Dukes, Clement, Health at school considered in its mental, moral, and physical
aspects. Nfew and enlarged edition. London, Cassell, 1887. 12. 338 p.
Förö, Ch., Le Surmenage scolaire. Paris, Delahaye <fe Lecrosnier, 1887. 8.
21 p.
Hin träger, Carl., Architekt, Der Bau und die innere Einrichtung von Schul¬
gebäuden für öffentliche Volks- und Bürgerschulen. Mit besonderer Berück¬
sichtigung der Verhältnisse in Oesterreich. Ein Handbuch für Schulbehör¬
den, Pädagogen, Aerzte, Architekten und Baugewerbetreibende. Wien,
Graeser, 1887. gr. 8. 87 S. mit 142 Abbildungen. 2*40 M.
Newsholme, Arthur, School hygiene: The laws of health in relation to school
life. London, Swan, 1887. 8. 150 p. 2 sh. 6 d.
Roth, W. E., Elements of school hygiene. London, Bailliere, 1886. 8. 3 sh. 6 d.
6. Hospitäler und Krankenpflege.
Abegg, Dr., Geh. San.-Rath, Die Kinderheilstätte in Zoppot. Danzig, Bertling,
1887. gr. 8. 15 S. mit einer Ansicht und 2 Plänen.
de Crisenoy, J., Les etablissements hospitalieres dans les campagnes. Paris,
Berger-Levrault, 1886. 8. 44 p.
Esmarch, F., Dr., Gen.-Arzt, Prof., Durch welche Arbeiten können sich im
Kriege die Frauen nützlich machen? Ein Brief an die Vorsitzende eines
Hülfsvereines vom rothen Kreuz. Kiel, Lipsius & Tischer, 1887. gr. 8.
14 S. 0*60 M.
Jahn, Max, Dr., Häusliche Krankenpflege. Stuttgart, Gundert, 1887. 8. 94 S.
2 M.
Meissner-Diemer, F., Die Krankenpflege im Kriege und die Hülfeleistung der
Frauen von den ältesten Zeiten bis zum Vertrage von Genf. Prag, Deutscher
Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, 1887. 8. 19 S. 0*30 M.
Orö, Hygiene des maternites. Paris, 1887. 8. 74 p. avec 2 pl. 3 Frcs.
Schmitz, A., Dr., Die Privat-Irrenanstalt vom medicinal- und sanitatspolizei-
lichen Standpunkte. Wien, Toeplitz & Deutiker, 1887. gr. 8. 139 S. 3 M.
Tathain, John, Remarks by the medical officer of health on existing hospital
Provision for infectious diseases, 1885. Salford, Jackson, 1886. 8. 10 p.
Uhlik, Alexius, Dr., Anleitung für die erste Hülfe bei Erkrankungen und Ver¬
letzungen an. Bord in Ermangelung ärztlichen Beistandes. Wien, Gerold,
1887. gr. 8. II —17 S. 0*40 M.
Unterrichtsbuch für freiwillige Krankenpfleger. Auszug aus dem Unterrichts-
buch für Lazarethgehülfen vom 17. Juli 1886. Berlin, Mittler, 1887. 12«
XIII — 207 S. mit 39 Abbildungen. 0*80 M.
Wernioh, Dr., Reg.- u. Med.-Rath, Lehrbuch zur Ausbildung von Heilgehülfen
(geprüften Heildienern). Mit Berücksichtigung der Wundpflege, Kranken¬
aufsicht und Desiufection. Zweite verbesserte Auflage. Berlin, Hirschwald,
1887. gr. 8. X — 155 S. mit 30 Holzschnitten. 2*10 M.
Whyte, Victoria, Manual of nursing for home and hospital, including mouthly
nursing and nursing of sick children. Glasgow, Morison, 1886. 16. 112 p.
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Neu erschienene Schriften.
547
7. Militär- und Schiffshygiene.
Bourit, Joseph Henry Gaston, Contribution ä l’hygiene navale; transports
militaires et paquebots du commerce, envisages surtout au point de vue
de la Ventilation. These. Bordeaux, 1886. 4. 47. p.
Celarier, Statistique medicale de l’armee beige; periode de 1880—84. Bruxelles,
Gobbaerts, 1886.
Chove, A. Ch. A., Le batiment-atelier „PAdour“ en Station ä Haiphong (Tonkin).
Recherches d’hygiene navale. These. Bordeaux, 1886. 4. 56 p.
Le GoUeur, Louis, Quelques considerations sur la pathologie des troupes ä
Tamatave (Madagascar) 1884—85. These. Paris, 1886. 4. 112 p.
Hüler, A., Der Hitzschlag auf Märschen, seine Ursachen und Verhütung. Vor¬
trag. Berlin, Mittler, 1887. 8. 0*50 M.
Militär - Sanitätswesen , Ueber — und dessen zeitgemässe Reorganisirung.
Wien, Braumüller, 1887. gr. 8. 135 S. 1*60 M.
Palud, Lazare Gabriel Marie, Un transport-höpital an point de vue hygi&nique
et therapeutique (Vinh-Long, 1884—86). These. Bordeaux, 1886. 4. 62 p.
Peooo, Dr., Ispett., Relazione medico statistica sulle condizione sanitarie delP
esercito Italiano nelP anno 1884. Roma, Voghera, 1886. 8. 209 p.
Reglement sur le Service de sante de Parmee. 2 volumes. Paris, imp. Baudoin,
1887. 8. XVIII —405 et XIII —302 p.
Report; Annual — of the Surgeon General of the Army to the Secretary of
War for the year 1885—86. Washington, Gov. Print. Off., 1886. 8. 111 p.
Riedel; Die Dienstverhältnisse der Kgl. Preussischen Militärärzte im Frieden.
Zweite Auflage. Berlin, Mittler, 1887. gr. 8. VIII — 259 S. 4*50 M.
Ringeling; Hermanus Gerardus, Bijdrage tot de kennis van het ruimwater von
schcpen. Amsterdam, Roeloffzen & Hübner, 1886. 8. 91 pl. 1 pl.
8. Infectionskrankheiten und Desinfection.
Alle CliQlerasohriften siehe am Schlüsse dieses Abschnitts unter 8 a.
Alloway; T. Johnson, The relation of microorganisms to the puerpera and the
way to manage them. Montreal, 1886. 8. 31 p.
Arloing; Cornevin et Thomas, Le Oharbon Symptomatique du boeuf (charbon
bacterien, charbon essentiel de Chabert, charbon emphysemateux du boeuf),
pathogenie et inoculations preventives. Seconde edition. Paris, Asselin &
Houzeau, 1887. 8. VI — 285 p. 7 Frcs.
Aubert, L., Etiologie et prophylaxie de la scrofule dans la premiere enfance.
Paris, Steinheil, 1886. 8. 35 p.
Bertrand, Joseph. Napoleon, Essai critique sur le traitement etiologique de la
tuberculose. These. Paris 1886. 4. 80 p.
Beumer, Otto, Dr., Privatdocent, Der derzeitige Standpunkt der Schutzimpfungen.
Wiesbaden, Bergmann, 1887. gr. 8. X — 68 S. 2 M.
Binder, A., Ueber die Lage der Leprabacillen in den Geweben. Inaugural-
Dissertation. Tübingen, Fues, 1887. gr. 8. 35 S. 0*60 M.
Bouohard, C., Leqons sur les auto-intoxications dans les maladies, professees ä la
Faculte de medecine de Paris, pendant Pannee 1885. Paris, Savy, 1887. 8. 348 p.
Caeciola, Salvatore, Alcuni studi sulla etiologia della febbre migliare; nota
preventiva. Padowa, Prosperini, 1886. 8. 19 p.
Candler, C., The prevention of Consumption. A mode of prevention founded
on a new theory of the nature of the tubercle bacillus. London, Kegan Paul,
Trench & Co., 1887. 8. 244 p. 10 sh. 6 d.
Charrin, Dr., Les recents travaux sur la rage. Paris, Asselin <fc Houzeau, 1887.
8. 15 p.
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548 Neu erschienene Schriften.
Claverie, Paul, M6ningites cerebro - spinales observees a Rochefort pendant
Phiver 1885—86. These. Bordeaux 1886. 4. 48 p.
Cornilliao, J. J. J., Hecherches chronologiques et historiqueB sur Porigine et
la propagation de la fievre jaune dans lee Antilles et sur la cöte Occidentale
d’Afrique. Paris, Bailliere, 1886. gr. 8. 476 p. 10 Frcs.
Crookshank, Edgar M., Manual of Bacteriology, being au introduction toprac-
tical bacteriology. Second edition, revised and considerably enlarged. London,
Lewis, 1887. 8. with Plates and Engravings. 21 sh.
Croo kshank , Edgar M., Photography of baoteria. Illustrated with eighty-six
photographs reproduced in autotype. London, Lewis, 1887. 8. 12 äh. 6 d.
Des Fourniels, Roger, Les Microbes. Paris, Gautier, 1887. 18. 207 p.
Deaprunide, Notice sur le charbon bacterien et la vaccination präventive. Pont-
Audemer, imp. Du gas, 1887. 8. 16 p. et tableau.
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Bosio, Ottavio, Norme per Pispezione delle carni da macello. Seguite da estratti
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Ferrand, Et., De Panalyse des vins falsifies, Conference. Lyon, imp. Plan, 1887.
8. 35 p.
Franok, E., Die Kunstbutterfrage, insbesondere Entstehung, Einführung und
wirtschaftliche Bedeutung des Margarins. Frankfurt a. M., Druck von
Sittenfeld, 1887. gr. 8. 93 S.
Gerber, Nicolaus, Dr., Die praktische Milchprüfung mit Einschluss der Cen-
trifugal - Milchprüfung. Vierte, sehr vermehrte und verbesserte Auflage.
Bern, Wyss, 1887. gr. 8. 73 S. mit 10 Abbildungen. 1*50 M.
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552 Neu erschienene Schriften.
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8. 72 S. 1 M.
Riohard, £., Dr., Rapport sur le plätrage des vins. Paris, imp. nationale, 1866.
8. 11 p.
Ruppreoht, Der Trichinensucher, oder? Was muss der Fleischbeschauer wissen,
thun und lassen, um eine zuverlässige Fleischuntersuchung zu machen.
Hettstädt, Schnee, 1887. 8. XIV —48 S. 1*80 M.
Schmidt-Mülheim, Adolf, Dr., Der Verkehr mit Fleisch und Fleischwaaren
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Wollny, Rud., Dr., Ueber die Kunstbutterfrage. Auf Grund eigener Beobach¬
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Wollny, Rudolf, Dr., Abhandlung über die Kunstbutterfrage. Nachtrag. Kiel,
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Besi, Allessio, Inumazione e creroazione dei cadaveri considerate nella religione
nella storia, nell’igiene, nella legislazione, nelPeconomia e nel sentimento.
Padova 1886. 8. 115 p.
Bonneau, Alexandre, La Cremation et ses bienfaits: son histoire chez tous les
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Maestri, Angelo, Pochi cenni intorno alla cremazione ed inumazione dei
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Berlin, Mittler & Sohn, 1887. 0*10 M.
Reuter, Martin, Districts-Thierarzt, Die Schweineseuche und deren wirksame
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Brüning, H., Oberbürgermeister, Die Branntweinsteuer-Gesetzgebung in Deutsch¬
land und Holland. Heft 6 der Wissenschaftlichen Beiträge zum Kampf gegen
den Alkoholismus, herausgegeben von P. Pieper. Bonn, Strauss, 1887.
gr. 8. 40 S. 1*20 M.
Mann, Carl H., Der Stand der schweizerischen Alkohol-Gesetzgebung. Heft 5
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ausgegeben von P. Pieper. Bonn, Strauss, 1887. gr. 8. 22 S. 0*80 M.
Wehberg, H., Dr., Wider den Missbrauch des Alkohols, zumal am Krankenbette.
Medicinische und volkswirtschaftliche Betrachtungen. Neuwied, Heuser
1887. gr. 8. 18 S. 0*50 M.
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J. Körösi, Wiener impfgegnerische Schule u. Vaccinationsstatistik. 553
Die Wiener impfgegnerische Schule und die
Vaccinationsstatistik.
Von Josef Körösi,
Director des Budapester communal - statistischen Bureaus.
(Vortrag, gehalten in der Sitzung am 28. April 1887 des ungarischen Landes¬
vereins für Hygiene.)
Man kann füglich von einer Wiener Schule der Impfgegner sprechen.
Wenn die herrschende Schule der Impffreunde den Impfgegnern im All¬
gemeinen den Vorwurf macht, dass sich ihr Lager aus einer Reihe von
Halbgebildeten, von Naturärzten und aus Laien recrutire, so trifft dieser
Vorwurf die Wiener Schule nicht, die eine Reihe von Vorkämpfern aufzu¬
weisen hat, welche sich auf dem Gebiete der medicinischen Literatur
bemerkbar gemacht haben. Diesem Umstande ist es auch zuzuschreiben,
dass angesehene Fachorgane dieser Stadt den Impfgegnern bereitwilliger
die Spalten öffneten, als dies anderenorts gemeinhin der Fall zu sein pflegt,
und ist es zweifelsohne dem medicinischen Ansehen der Anhänger dieser
impfgegnerischen Schule zuzuschreiben, wenn eine gewisse Skepsis gegen
die Schutzkraft der Vaccination nicht nur in Oesterreich, sondern auch in
Ungarn stets mehr um sich zu greifen scheint 1 ). Es lohnt also für uns
ganz besonders der Mühe, auf die statistischen Argumentationen dieser
Schule näher einzugehen.
Unter den Wortführern der Wiener impfgegnerischen Schule ist in
erster Reihe Lorinser, Director des Wiedener Krankenhauses, zu nennen,
der durch die scharfe und in verschiedenen Richtungen berechtigte Kritik,
welcher er die Methoden der Vaccinationsstatistik unterzog, viel dazu beitrug,
die Ueberzeugung der ärztlichen Kreise schwankend zu machen. Dieser
kritischen Säuberung des Bodens schliessen sich die positiven Arbeiten von
Hermann und Keller, sowie auch, soweit sich dieselben auf die Wiener
Spitalserfahrungen beziehen, jene von Reitz in St. Petersburg an. Hermann,
Primarius der Abtheilung für Hautkrankheiten im Wiedener Krankenhause,
*) Schon im Jahre 1873 bemerkte Prof. Aaspitz in dem Referate des nieder-öster¬
reichischen Landessanitätsrathes über die Impffrage, dass die Impfsachen nicht mehr so
ständen, wie vor einigen Decennien, und dass sich jedem erfahrenen Beobachter unserer
sanitären Zustände kundgebe, wie in die ärztlichen Anschauungen seit längerer Zeit ein
gewisses Schwanken gekommen sei, welches von Jahr zu Jahr deutlicher hervortrete. „Es
bildet sich — sagt Auspitz — zu Zeiten der Epidemie eine völlige Desorganisation der
gesammten öffentlichen Meinung in Betreff des früher für unantastbar gehaltenen Werthes
der Schutzimpfung heraus. tf Diese Desorganisation der öffentlichen Meinung hat aber in
Folge der seither wiederholten heftigen Ausbrüche der Blatternepidemieen nur Fortschritte
gemacht.
Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887. 35 *
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554
J. Körösi,
kämpft mit seinen eigenen Beobachtungen gegen den Werth der Impfung.
Dieselben sollen „den frivolen Behauptungen" der Impffreunde ein energisches
Dementi entgegensetzen. Reitz führt ebenfalls die Erfahrungen des
Wiedener Krankenhauses, überdies jene des Franz-Josefs-Kinderspitals, ja
schliesslich sogar auch jene Hebra’s, des hervorragenden Vertheidigera
des Impfschutzes, gegen die Impftheorie ins Treffen. Keller, Chefarzt
der österreichischen Staatseisenbahngesellschaft, gehört schliesslich zu den
Ersten, welche eine correct construirte Blatternstatistik zu Stande brachten.
Seine im Kreise der Staatsbediensteten gesammelten Beobachtungen bewiesen
aber im besten Falle, dass die Impfung unnütz sei; da aber in vielen
Fällen die Geimpften den Blattern noch häufiger erlegen sein sollen, als
die Ungeimpften, kann aus Keil er’s Beobachtungen sogar der Schluss auf
die Schädlichkeit der Impfung gezogen werden. Wir wollen uns nun mit
den Arbeiten der genannten vier Impfgegner der Reihe nach beschäftigen.
1. L o r i n s e r.
Als Führer der Wiener impfgegnerischen Schule ist wohl Lorinser,
Director des Wiedener Krankenhauses, zu betrachten. Hierzu berufen
erscheint er nicht nur durch seinen amtlichen Wirkungskreis — namentlich
im Hinblick auf den Umstand, dass die eigentliche Heimstätte der Wiener
Variolastatistik, das Pockenspital, seit Jahren seiner Direction unterstellt
ist — sondern auch dadurch, dass er bei Beurtheilung dieser Frage stets
von möglichst allgemeinen Gesichtspunkten ausging. Eigenes statistisches
Material hat Lorinser, obwohl ihm dasselbe in seinem Spitale reichlich
zur Verfügung steht, nur selten verwerthet; wohl aber übte er allgemeine
Kritik an den angewendeten Methoden, wobei die Entschiedenheit und
Schärfe seines Urtheils — namentlich so weit er der Angreifende ist —
nicht ohne Wirkung sind und stets den philosophisch geschulten Kopf er¬
kennen lassen. Seine skeptische Denkweise lässt ihn oft leere Träume
vermuthen, wo Andere reale Wirklichkeit sehen. Er kämpft gegen den
Aberglauben in der modernen Medicin, gleichviel, ob es sich um die Ein-
flössung von Mercur gegen Syphilis, von Wuthgift gegen Lyssa oder von
Kuhpocke gegen Variola handle 1 ). Was speciell die Kuhpockenimpfung
betrifft, ist Lorinser der Ueberzeugung, „dass das nächste Jahrhundert
mitleidsvoll lächelnd auf die Phantasiegebilde des Impfschutzes und die
Geissei des Impfzwanges zurückblicken werde“.
*) Man vergleiche folgende Aufsätze Lorinser’s in Wittelshöfer’s Wochenschrift:
1872: Aberglaube in der Medicin [Replik hierauf: Stiller (Budapest): „Die Negation
in der Medicin“, ebendaselbst].
1873: Bedenken gegen die Impfung.
1876: Ueber den Werth der Zahlen in der Impfstatistik. (Polemik gegen den Sanitäts¬
rath Schneller.)
1880: Der Impfschutz in seinen Beziehungen zur Impfstatistik. (Besprechung von Vogt:
„Für und wider die Kuhpockenimpfung.“)
1886: Die Beschlüsse der Impfcommission im Deutschen Reichstage.
Ferner im Jahre 1873 in der ullg. Wiener med. Zeitung: „Zur Frage des Impfzwanges.“
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 555
Seine Vorschläge.zur Verbesserung der Impfstatistik richten sich nach
zwei Seiten. Da gegenwärtig noch immer die Spitalstatistik das reichste
Arsenal der Beweismittel bietet, findet er es bedenklich, dass nicht zu
erkennen ist, wohin jene unausweichlichen Fälle gerechnet würden, in
denen der Impfzustand der Kranken nicht constatirt werden konnte; es
wird den impffeindlich gesinnten Aerzten geradezu der Vorwurf gemacht,
dass sie durch eine tendenziöse Verrechnung der zweifelhaften Fälle die
Vaccinationsstatistik fälschten. Hieraus die Forderung, die zweifelhaften
Fälle getrennt zu verrechnen, wie dies übrigens von Hermann bereits im
Jahre 1864 (W. med. Wochenschrift Nr. 48) befolgt wurde.
Von grösserer Wichtigkeit ist die zweite Verbesserung, welche die in
den statistischen Ausweisen wiederkehrende geringere Lethalität der
Geimpften daraus zu erklären sucht, dass unter den Ungeimpften sich einer¬
seits alle Schwächlinge, andererseits auch alle Kinder, namentlich aber die
Säuglinge befinden. Eine derartige Gesammtheit müsse nothwendiger Weise
allen Krankheiten, folglich auch den Blattern häufiger erliegen: nur dass
hieran nicht der Mangel der Impfung, sondern die schwächere Widerstands¬
kraft, sowie die Zartheit des Alters die Schuld trage. Der erste Umstand
droht aller Statistik den Boden auszuschlagen, denn die bisherigen Methoden
der Vaccinationsstatistik bieten keine Möglichkeit, diesem fundamentalen
Fehlschlüsse zu entgehen 1 ). Wohl aber wäre es möglich, die störende Ursache
des Alterseinflusses dadurch zu eliminiren, dass man die Mortalität für das
Kindesalter, noch besser aber für jede einzelne Altersclasse, getrennt
berechnet. Auf den störenden Einfluss der Altersbesetzung hatte eigentlich
schon Löhnert (Chemnitz) aufmerksam gemacht; Lorinser aber hat (im
Verein mit dem Statistiker Kolb und dem Hygieniker Prof. Vogt u. A.)
diese Forderung in der Impfliteratur zu voller Geltung gebracht. Dieselbe
ist eine theoretisch vollkommen berechtigte: die Berücksichtigung der
Altersbesetzung bildet eine so fundamentale Forderung in den Arbeiten
der Statistiker, dass die langjährige Ausserachtlassung derselben auf dem
Gebiete der Vaccinationsstatistik bloss dadurch erklärbar ist, dass sich mit
dieser Frage mehr die Aerzte, als die Statistiker befasst hatten. Da über¬
dies auch der Beweis dafür erbracht wurde, dass dieselben Daten, die in
ihrer Gesammtheit eine geringere Sterblichkeit der Geimpften nachweisen,
geradezu in das Gegentheil Umschlägen konnten, wenn man bloss die
Verhältnisse der höheren Altersclassen in Betracht zieht, so konnte sich
diese methodologische Forderung Lorinser’s bald allgemeines Verbreitung
erfreuen. Heute gilt es als selbstverständlich, dass eine Blattern Statistik,
die Anspruch auf Beachtung erhebt, nach Altersclassen abgestuft sein
müsse.
*) Wob] aber die von mir seit längerer Zeit befolgte Methode der „relativen
Intensitätsberechnung“. Dass sich mit Hülfe derselben auch aut diese heikle Frage ganz
präcise Antwort ertheilen lässt, soll in meinem, dem Washingtoner internationalen medici-
nischen Congress zu unterbreitenden Referate über die Impfstatistik nachgewiesen werden.
(Ueber diese Berechnungsweise vergl. meinen Vortrag an der Berliner hygienischen Aus¬
stellung, Enke, 1884, sowie die in Wittelshöfer’s med. Wochenschrift 1886 enthaltene
Polemik, die unter dem Titel „Armuth und Todesursachen“, in Seidel’* Verlag auch als
Separatabdruck erschien.)
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556
J. Körösi,
Die erste Arbeit, die dieser Forderung gerecht wurde, war die des
Medicinalrathes Müller in Berlin, die zweite die Keller’s in Wien.
Müller, ein Imp (freund, brachte seine neuen Zusammenstellungen in dem
Glauben vor die Oeffentlichkeit, hiermit bewiesen zu haben, dass die Impfung
ihren Schutz über alle Altersclassen ausdehne. Aus seinen Tabellen aber,
so wie diese in Eulenberg’s Vierteljahrsschrift mitgetheilt sind, lässt sich
über den Impfschutz eigentlich gar nichts herauslesen: es hätte hierzu
erst mehrfacher Umstellungen und Berechnungen bedurft, deren Noth-
wendigkeit aber Müller unbegreiflicher Weise übersah. Nicht so Lorinser,
der sich beeilte, diese Lücke auszufüllen, hierbei aber die Fachkreise und
gewiss auch Müller selbst mit dem Beweise überraschte, dass diese Daten
eigentlich die Nutzlosigkeit der Impfung bewiesen! Als dann Müller auf
dem Wiener medicinischen Congresse yom Jahre 1873 diesbezüglich inter-
pellirt wurde, musste er zugeben, dass seine Daten unverlässlich gewesen
seien. Dass dem wirklich so war, dass nämlich Müller nahezu die Hälfte
der in Berlin vorgefallenen Fälle übersehen hatte, das wissen wir nun
freilich auch aus Guttstadt(in der Zeitschrift des preussischen statistischen
Bureaus): es lässt sich aber nicht läugnen, dass die ganze Affaire eine
Schlappe der Impfvertheidigung involvirte. Dieselbe wurde noch empfind¬
licher, als kurze Zeit darauf Keller auf Grund einer derartigen Alters¬
statistik aus dem Kreise der Staatsbahnbediensteten mit ähnlich impffeind-
lichen Resultaten hervortrat. Auf diese Arbeit kommen wir noch ausführ¬
licher zurück.
Je bereitwilliger man aber die Berechtigung der methodologischen
Verbesserungsvorschläge Lorinser’s zugiebt, um so mehr überrascht wird
man sein, wenn man bei Durchsicht der von Lorinser herausgegebenen,
in vielen Beziehungen so lehrreichen Jahresberichte über die Verwaltung
des Wiedener Krankenhauses die Entdeckung macht, dass die Blattern¬
statistik derselben bis zum Jahre 1880 genau an denselben Mängeln
laborirt, derenthalben Lorinser alle impffreundliche Statistik für werthlos
bezeichnet 1 ). Die ganze bis zum Jahre 1880 reichende Sammlung dieser
Jahresberichte ist für impfstatistische Untersuchungen absolut unbrauchbar,
weil: 1) die zweifelhaften Fälle nicht ausgewiesen sind, 2) die Altersclassen
nicht specificirt werden, ja weil 3) in vielen Jahren nicht einmal so viel
ersichtlich ist, wie viel von Geimpften und wie viel von Ungeimpften
sterben. Ueberdies finde ich noch 4) das Schwanken in der Auswahl der
beobachteten * Gesammtheiten (indem nämlich die Mortalität abwechselnd
nach der Anzahl der Aufgenommenen, oder der Behandelten, oder des Ab¬
ganges berechnet wird) zu bemängeln. Wenn also Lorinser bereits im
Jahre 1872 den Stab über alle Blattern Statistik bricht, die nicht seinen
kritischen Einwänden entspricht, so hat er hiermit auch über seine eigene
das Urtheil gesprochen, und seine in dieser Beziehung gegen die falsche
Statistik der Impffreunde gerichteten Angriffe verwandeln sich solcher Art
x ) So sagt er z. B. im Jahrgange 1872 der Wiener medic. Wochenschrift, dass
insolange die Anhänger der Impfung kein besseres statistisches Material aufweisen
können, man es ihm nicht verargen dürfe, wenn er die ganze sogenannte Schutzkraft der
Vaccine unterdessen in die Rubrik des „Aberglauben in der Medicin“ verweise.
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 557
in für Freund und Feind gleichmässig geltende, und wie gesagt, ganz
berechtigte Verbesserungsvorschl&ge.
Erst vom Jahre 1880 ab beginnt eine Reform der Wiedener Blattern¬
statistik, die es ans ermöglicht, auf die Frage einzngehen, wie sich denn
im eigenen Wirkungskreise Lorinser’s die Wirkung der „sogenannten“
Schutzkraft der Vaccine gestaltet habe 1 ). Ich lasse nun im Nachfolgenden
vor Allem eine summarische Zusammstellung der Jahresergebnisse (ohne
Unterscheidung nach Altersclassen) folgen.
Lethalität der Geimpften und Ungeimpften im Blattern-Spitale
des Wiedener Krankenhauses. 1880 bis 1885.
Geimpfte
Ungeimpfte
Z w eifelhafte Fälle
Totale
Jahr
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
1880
683
58
253
131
25
4
961
197
1881
1009
113
553
303
26
12
1588
428
1882
951
88
572
331
55
21
1578
440
1883
84
11
71
35
3
—
158
46
1884
73
5
67
27
8
3
148
35
1885
1346
117
795
431
71
29
2212
577
Zu¬
sammen
4146
392
2311
1258
188
73
6645
1723
= 9*48
Proc.
= 54*43
Proc.
= 38*94
Proc.
= 28*94
Proc.
1 ) Die dankenswerthe Verbesserung der Blatterastatistik, die mit den Berichten des
Abtheilungsleiters Dr. Zboril im Jahre 1886 ihren Anfang nimmt, erstreckt sich auf alle
vorher bemängelten Lücken, also auch auf die inconsequente Auswahl der Gesammtheit.
Seit dem Jahre 1880 hat dieses Schwanken aufgehört: es ist nur zu bedauern, dass die
Auswahl jener Gesammtheit, an deren Beobachtung jetzt festgehalten wird, nicht in
richtigerWeise erfolgt, indem nämlich die Anzahl der Geimpften unter den Verstorbenen
der Anzahl der Geimpften unter den Aufgenommenen entgegengehalten wird, während
es richtiger scheint, den Impfzustand des „Abganges“ zura Ausgangspunkte zu wählen.
Angesichts der widersprechenden Methoden, nach welchen die Lethalitätsprocente der
einzelnen Krankheiten nicht nur in verschiedenen Spitälern, sondern, wie wir sehen, selbst
in ein und demselben Spitale berechnet werden, dürfte es sich lohnen, dieser Specialfrage
der Spitalsstatistik einmal näher zu treten. Es möge hier nur kurz berührt sein, dass
keine der obenerwähnten Berechnungsarten — auch die von mir vorgeschlagene nicht —
als ganz präcis betrachtet werden könne, dass aber jene, welche die Lethalitätsprocente
aus der Gesammtheit des Abganges berechnet (wie dies z. B. im Wiener allgemeinen
Krankenhause, desgleichen in der italienischen Sanitätsstatistik geübt wird) der Wahrheit
am nächsten kommt. Was speciell die gegenwärtige Berechnungsweise der Wiedener
Berichte betrifft, so muss bemerkt werden, dass die Summe der Aufgenommenen und die
Summe der Verstorbenen nur dann vergleichbar wären, wenn alle Aufgenoraraenen im
Laufe des Jahres austräten, zu Jahresschluss also kein Uebertrag verbliebe. Wollte der
boshafte Zufall es einmal fügen, dass am 31. December recht viel Kranke, etwa 300, in
das neue Jahr übertragen, im Laufe dieses Jahres aber wenig Kranke, etwa 100, auf¬
genommen würden, so müsste bei einer Sterblichkeit von 40 Proc. der Behandelten
(400) sich ergeben, dass die Lethalität 160 Proc. betrug, weil nämlich auf 100 Auf-
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558
J. Körösi,
Während also von tausend angeimpften Erkrankten über die Hälfte,
nämlich 544, von den zweifelhaften Fällen etwa 400 *) verstorben, erlagen
von tausend Geimpften nur 95. Nach den eigenen Berichten Lorinser’s
verstarben also in dem seiner Leitung unterstehenden Blatternspitale von
den Ungeimpften sechsmal so viel als von den Geimpften! Solche Er¬
fahrungen könnten eigentlich nicht dazu angethan sein, den Glauben an
die Schutzkraft der Impfung zu zerstören!
Es bleibt aber noch immer die Möglichkeit übrig, dass die grosse
Sterblichkeit der Ungeimpften nur darauf zurückzuführen sei, dass sich
unter diesen alle Kinder befinden, während die Geimpften aus lauter
Erwachsenen bestehen mochten. Diesem Zweifel begegnet die Sonderung
der Fälle nach Altersclassen. Lösen wir also die Gesammtheit der Kranken
in einzelne Altersgruppen und zwar in folgende auf:
a) Kinder.
1) Kinder bis mit einem Jahre.
2) „ von 1 bis 2 Jahren.
3) tj n ^ „ 5 „
b) Jugend.
4) Im Alter von 5 bis 10 Jahren.
ö) n » » 10 „ 15 „
6) v * „ 15 „ 20 „
c) Erwachsene.
7) Ira Alter von 20 bis 40 Jahren.
®) n » » 40 « 60 „
9) „ „ über 60 Jahre.
Wenn man weiss, dass in das Blatternspital kleine Kinder nur selten
aufgenommen wurden und wenn man aus den nachstehenden Daten ersieht,
dass die Kinder der ersten zwei Lebensjahre — um deren ungünstige Lebens¬
chancen es sich ja zumeist handelt — nur einen verschwindend geringen
Bruchtheil (nur 9 Proc.) der Krankenaufnahme repräsentiren, so wird mau
sich schon im Vorhinein keinen zu sanguinischen Hoffnungen über die
durch diese Verbesserung zu erwartende Modification der Resultate hin¬
geben. Mit Rücksicht auf die theoretische Berechtigung dieser Verbesserung
wollen wir dieselbe aber hier dennoch durchführen.
genommene 160 Todeställe entfielen, welches Curiosum deutlicher als alle theoretische
Auseinandersetzung die Unrichtigkeit der angewendeten Berechnungsmethode erwiese. Es
könnte auch Vorkommen, dass in einem Jahre kein einziger Blatternkranker ausgenommen
wurde, trotzdem aber mehrere Blatterntodeställe — nämlich aus dem Stande der aus dem
Vorjahre Uebertragenen — vorfielen: wie wollte man hier das Lethalitätsprocent berechnen?
Der Umstand aber, dass im Wiedener Krankenhau.se von 1880 bis 1885 der Kranken¬
vortrag am Jahresschlüsse stets ein geringer war, sowie dass wir in der obigen Zusammen¬
stellung sechs Jahre zusammenfassen — wodurch fünf Jahresüberträge aus der Rechnung
entfallen — macht es möglich, diese Berichte des Krankenhauses dennoch zu verwerthen.
*) Man ersieht hieraus zugleich, dass die I.ethalität der zweifelhaften Fälle zwischen
jene der Geimpften und Ungeimpften zu stehen kommt, was als natürliche Folge des
Umstandes zu betrachten ist, dass die zweifelhatlen Fälle sowohl Geimpfte als Ungeimptle
enthalten.
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Wiener impfgegnerische Schule und Yaccinationsstatistik. 559
Lethalität im Wiener Blatternspitale 1881 bis 1885 nach
einzelnen Altersclassen«
Geimpfte
Ungeimpfte
Zweifelhafte
Zusammen
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
Er¬
krankte
Ge¬
storbene
0 bis 1 Jahr
12
9
279
226
6
5
297
n ^ „
10
3
241
172
—
—
251
175
n 5 „
35
7
629
408
8
1
672
410
Zus. Kinder
bis 5 Jahre
57
19
1149
806
14
6
1220
831
5 bis 10 Jahre
89
11
600
262
32
11
721
284
„ 15 „
187
14
257
64
34
8
478
80
>i 20 n
1123
59
170
59
52
19
1345
137
Zus. Jugend
5 bis 20 Jahre
1409
84
1027
385
118
38
2554
507
20 bis 40 Jahre
2444
220
127
61
50
26
2621
307
„ 60 „
208
59
6
4
4
3
218
64
über 60 „
28
10
2
2
2
—
32
14
Zusammen
Erwachsene
2680
289
135
67
m
2871
385
Totale
4146
392
2311
1258
188
i
73
6645
1723
Man sieht also, wie die Impfung in Allen Altern ohne Ausnahme
die Gefahr, den Blattern zu erliegen, um ein Erhebliches herabdrückte,
denn:
im Kindesalter starben von den Geimpften ein Drittheil, von den
Ungeimpften zwei Drittheile;
im Jugend alter von den Geimpften ein Sechszehntel, von den Un¬
geimpften sechs Sechszehntel;
bei den Erwachsenen aber von den Geimpften ein Zehntel, bei den
Ungeimpften fünf Zehntel!
Insoweit man also Spitalserfahrungen als zulässig betrachtet — und
die Impfgegner berufen sich ja ebenfalls fortwährend auf solche — bedarf
es wahrlich keines überzeugenderen Beweises für die Schutzkraft der
Impfung, als des obigen, aus dem eigenen Krankenhause des Wortführers
der Wiener Impfgegner herbeigeholten. Wohl hat unseres Wissens
Lorinser selbst sich auf die statistischen Daten seines Krankenhauses fast
nie berufen, dies lieber seinem Primarius Hermann überlassend, auf dessen
provocirende Berufungen wir sogleich übergehen werden. Wir können
aber bei einer Kritik der Lorinser’schen Ansichten doch unmöglich dessen
eigene Erfahrungen ignoriren. Wir können doch nicht annehmen, dass
Lorinser von dem Leser Misstrauen gegen die Erfahrungen seiner eigenen
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5 GO
J. Körösi,
Anstalt fordern werde? So aber, wie die Dinge gegenwärtig stehen, wo
seine speculativen Folgerungen mit seinen factischen Erfahrungen in
Widerspruch kommen, inyolviren dieselben für Director Lorinser ein
contradictio in se, also eine Unmöglichkeit. Die Lösung dieses unmöglichen
Zustandes ist nur zu erwarten, wenn entweder die Unrichtigkeit der eigenen
Erfahrung oder die Unrichtigkeit der aufgestellten theoretischen Behaup¬
tungen zugegeben wird. Es ist nicht schwer zu entscheiden, nach welcher
Richtung die logisch richtigere und wissenschaftlich rühmlichere Lösung
liege*).
2. Hermann.
Arm in Arm mit Lorinser, aber heftiger und formloser in seinen
Angriffen, tritt Primarius Josef Hermann auf. Ihm ist die Impfung „ein
Phantasiegebilde in der Einbildung des Erfinders, ein Phantom in der
Erscheinung, ein medicinisches Unfehlbarkeitsdogma“. „Wer impft, der
ist unglaublich mystificirt, der prakticirt ein privilegirtes Unding“ (W. allg.
medic. Zeitung, 1870, Nr. 18). „Die Impfung ist eine Ausgeburt der
rohesten Empirie und Speculation, die Tochter des medicinischen Aber¬
glaubens und der Charlatanerie, eine Satyre auf den gesunden Menschen¬
verstand.“
Als dem Vorstände der dermatologischen Abtheilung des Wiedener
Krankenhauses steht Hermann gewiss ein beachtenswerthes Votum in der
Impffrage zu. Wenn derselbe nun durch die Ergebnisse fünfjähriger klini¬
scher Erfahrungen (1859 bis 1863) zu dem Ergebnisse gelangt, dass die
ganze Theorie des Impfschutzes eine irrige sei, hierbei aber constatirt, dass
die herrschende Schule diese wichtigen Beobachtungen consequent ignorire,
so konnte es wirklich scheinen, als ob hier ein Fall unberechtigter wissen¬
schaftlicher Intoleranz vorliege. Auch beklagt sich Hermann bitter über
das Todtschweigen, das er (z. B. seitens des Prof. Auspitz in dem Referate
des niederösterreichischen Sanitätsratbes) zu erdulden hatte. „Mein Bericht
ist eben objectiv, die Statistik wahr, klagt Hermann; das giebt allerdings
dem schwindelhaften Treiben der Impffreunde und ihren frivolen Behaup¬
tungen keine Nahrung: also muss es todtgeschwiegen werden“ (s. allg. W.
med. Zeitung, 1873, Nr. 34).
Um nun nicht in denselben Fehler zu verfallen und um mein
statistisches Gewissen zu beruhigen, habe ich mich gern der Arbeit unter¬
zogen, die Jahresberichte des Wiedener Krankenhauses zu studiren und
zwar, wie erwähnt, nicht nur jene der fünf Jahre von 1859 bis 1863, sondern
alle 28 Jahrgänge von 1859 bis 1885. Ich habe mir auch alle in diesen
Jahrgängen enthaltenen Angaben excerpirt und tabellarisch zusammen-
gestellt, will aber den Leser mit diesen Ziffern um so weniger behelligen,
als, wie bereits erwähnt, sich mit diesen Berichten bis zum Jahre 1880
ohnehin nichts beginnen lässt. Wie soll man Schlüsse über den Einfluss
*) Auf eine im Jahrgange 1886 der Wittelshöferschen Wochenschrift aufgestellte
Statistik Lorinser’s kommen wir am Schlüsse zurück.
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 5G1
der Impfung ableiten, wenn man nicht einmal weise, wie viel von den
Geimpften, wie viel von den Ungeimpften versterben? Für die fünf Jahre
Hermann’e z. B. lassen sich ans seinen eigenen Spitalsberichten nur die
folgenden, jede Auskunft verweigernde Daten zusammenbringen:
1858 bis 1863: geheilt 1498, gestorben 60, zusammen 1558.
• Geimpfte 1361, Ungeimpfte 200, zusammen 1561.
Auch die textliche Erläuterung bietet keinerlei Aufklärung über den
Einfluss der Impfung; ja man hätte Mühe, in der nachsichtigen Formulirung
derselben, Beweise jener Impfgegnerschaft zu entdecken, welche Hermann
kurz darauf so entschieden zur Schau trug. Schlimmsten Falls wird in
denselben nur bo viel behauptet, dass der Schutz der Impfung nur für
eine gewisse Zeit ausreiche — ein Standpunkt, den einzunehmen auch die
Impffrennde keine Bcheu tragen 1 ). Hermann scheint also zur Zeit, als er
die genannten klinischen Jahresberichte verfasste, noch kein so entschiedener
Impfgegner zu sein, als welchen wir ihn schon ein Jahr darauf (1864) ken¬
nen lernen sollten, da er in der Wiener medicinischen Wochenschrift jene
selbstständige Arbeit über die Blatternstatistik des Wiedener Kranken¬
hauses veröffentlichte, durch welche bewiesen werden sollte: „dass Aus¬
bruch, Verlauf und Heilung bei Geimpften und Ungeimpften vollständig
gleich sind“. Diese Arbeit ist es auch, welche dem „frivolen Treiben der
Impffreunde a einen Damm entgegenzusetzen beabsichtigt und über deren
Todtgeschwiegenwerden sich der Autor so nachdrücklich beklagt.
Da die ursprünglichen Mittheilungen der Spitalsberichte nur die Haupt¬
summen, nicht aber die Angaben über den Einfluss der Impfung enthalten,
muss Hermann seine späteren Angaben dem ihm zur Verfügung stehenden
Urmaterial entnommen haben. Bei einer Vergleichung der beiderseitigen
Angaben ergeben sich aber, sowohl für die Hauptsumme als für die Anzahl
der Geimpften, der Ungeimpften und der Verstorbenen, so auffällige Ab¬
weichungen, dass ein glaubenseifriger Impffreund schon aus dieser Ursache
jedes weitere Eingehen in die Beweisführung Hermann’s für überflüssig
erachten könnte. Es wäre gar nicht so ungerecht, die Privatarbeit Hermann’s,
da dieselbe mit den amtlichen Berichten in Widerspruch steht, einfach als
*) So heisst es im Berichte 1858 (S. 43): „Wir ersehen, dass die Vaccination in den
meisten Fällen nur einen temporären, in vielen Fällen vielleicht gar keinen Schutz ge¬
währt.“ Als Motivirung dieses berechtigten Zweifels dient aber nicht etwa die Lethalität
bei Geimpften und Ungeimpften, sondern nur der Umstand, dass unter den Erkrankten sich
viele Geimpfte befinden. Hieraus lässt sich aber höchstens die, ohnehin bereits lange auf¬
gegebene, Ansicht einer absoluten Schutzkraft der Vaccination angreifen. Die Berichte
selbst bemerken in einem späteren Jahrgange, dass in dem Maasse als der Procentsatz der
Geimpften unter der Bevölkerung zunehme, auch der Procentsatz der Geimpften unter den
Kranken wachsen müsse. — Im Jahre 1860 heisst es ferner (S. 37): „Bei der jetzt ob¬
waltenden Frage des Schutzes der Vaccination kann nach unseren Ergebnissen nur behauptet
werden, dass dieselbe allerdings nur einen relativen Sclfctz zu gewähren im Stande sei.“
Also doch Schutz! Das stimmt mit der Anklage auf Aberglauben, auf Nutzlosigkeit,
ja eventuelle Schädlichkeit der Impfung nicht gut zusammen. In diesem Satze ist die
Impfung denn doch kein „privilegirtes Unding“, keine „Satyre auf den gesunden Menschen¬
verstand“.
Viertebahrsschrift för Gesundheitspflege, 1887. 30
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562
J. Körösi,
unglaubwürdig zurückzu weisen 1 ). Wir wollen aber nicht so strenge sein
und uns trotz aller drohenden Widersprüche an die Angaben Herrnann’s
heranwagen. Dieselben sind in Nr. 48 des 1864er Jahrganges der Wittels-
höfer’ sehen Wochenschrift enthalten und folgen hier in wortgetreuer Wieder¬
holung, nur dass wir die letzte Zeile (Procentsätze) hinzugestellt haben:
Blattern im k. k. Krankenhause Wieden.
im Jahre
Geimpfte
Bei nicht bestimmter
Impfung
Ungeimpfte
M
männ¬
lich
weib¬
lich
zus.
männ-'
lieh
weib¬
lich
zus.
männ¬
lich
weib¬
lich
zus.
fl
2
M
1859
71
69
140
19 1
14
33
5
3
8
u
W
1860
30
40
70
6
20
3
—
3
1861
69
53
122
19
42
2
5
7
1862
207
151
358
sa
D
18
6
24
1863
132
112
244
B
B
4
10
14
Summa
509
l - 42ä
934
71
46
117
32 |
24
56
1859
1
H
Bus
1
1
2
—
—
—
a
£
1860
—
H
—
—
—
—
—
u
S
1861
2
i
1
1
1
—
1
$
o
1862
6
2
1
3
2 '
1
3
1863
KB
2
—
2
1
—
1
Summa
13
16
29
5
3
8
4
1
5
Also starben
31 Proc.
6*7 Proc. |
8 9 Proc.
] ) Man wolle z. B. nachfolgende Nebeneinanderstellungen (in denen Sp. B. die Angaben
des Spitalsberichtes, W. W. jene des in Wittelshöfer’s Wochenschrift erschienenen
Artikels bezeichnet) vergleichen:
1859
1860
1861
1862
1863
Zusammen
1) Anzahl der Erkrankten:
Sp. B. (ohne Uebertrag) 182
92
252
371
278
11*5
n » n ) 191
102
261
429
296
1279
W.W. 181
93
171(1)
399
263
1107
2) Geimpfte unter den Erkrankten:
Sp. B. ?
53
?
?
276
?
W.W. 140
70
122
358
244
934
3) Nichtgeimpfte unter den Erkrankten
Sp. B. ?
—
?
?
2
V
W.W. 8
3
7
24
14
56
4) Zweifelhafte Fälle unier den Erkrankten:
Sp. B. ?
41
?
?
?
?
W. W. 23
20 (!)
42
17
5
117
Man darf also mit Recht behaupten, dass die zwei Berichte Hermann’s über seine
eigene Klinik von Widersprüchen geradezu wimmeln.
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Wiener impfgegnerische Schule und Yaccinationsstatistik. 563
Wir finden also, dass nach Herrn ann’s eigenen Mittheilungen Über
die Erfahrung seiner eigenen Klinik daselbst
von je hundert Geimpften 3,
„ „ n Ungeimpften 9,
demnach von den Ungeimpften dreimal mehr gestorben sind!! Das sind
also die Sturmböcke, mit denen gegen den Impfschutz Bresche gelaufen wird;
das sind jene bimmelstürmenden Beweise von der Nutzlosigkeit der Impfung,
welche nur die Missgunst und das Vorurtheil der Zeitgenossen nicht in
ihrem strahlenden Lichte anerkennen wollte; das sind jene statistischen
Daten, von denen ihr Urheber hofft, dass dieselben „für ein Forum, in
welchem die nüchterne Wissenschaft und eine von jeder Beeinflussung freie
Discussion die Acten über die Impfung einer Revision unterziehen wird,
entscheidend in die Wagschaale fallen dürften“. Nun, die Impf¬
freunde werden sich diese Entscheidung gern gefallen lassen, die Impfgegner
aber dürften wohl thun, sich dieser ihrer eigensten Beobachtungen möglichst
selten zu bedienen. Es bleibt immerhin sehr merkwürdig, dass man die
Tiraden Hermann*s anderthalb Decennien lang gewähren liess, ohne die
Grundlosigkeit derselben zu bemerken.
3. R e i t z.
Der Director des Elisabetbkinderspitals zu St. Petersburg und Verfasser
des geschätzten Handbuches der Kinderkrankheiten Reitz, der sowohl in
seinen Schriften, wie durch sein Auftreten auf dem Wiener mediciniscben
Congresse 1873 unter den enragirtesten Impfgegnern Platz genommen, ist
ein Zögling der Wiener medicinischen Schule. Durch seine Studien sind
ihm die Wiener Verhältnisse näher gerückt und hat er auch nicht unter¬
lassen, in seinem „Versuch einer Kritik der Schutzpockenimpfung“ (St. Peters¬
burg 1873) u. A. auch die Beobachtungen des Wiedener Krankenhauses,
des Franz-Josefs-Kinderspitales, und des Wiener allgemeinen Krankenhauses
zu Gunsten seiner Ansichten anzuführen. Ich begnüge mich, im Nach¬
folgenden bloss diese Theile der Reitz*sehen Schrift zu überprüfen, da ich
eine durchgängige Analyse des ganzen von Reitz (wie auch des von Vogt)
aufgehäuften Beiweismaterials im Anhänge meines Washingtoner Berichtes
zu veröffentlichen gedenke.
Nach dem bisher über die Blatternstatistik des Wiedener Krankenhauses
Gesagten darf es uns nicht wundern, wenn Reitz, bei dem im Jahre 1873
noch unentwickelten Zustande der Wiedener Blattern Statistik, aus dieser
Quelle gar keine Beweise schöpfen kann. Auch weiss er kein anderes
Factum hieraus zu entnehmen, als dass vom Jahre 1855 bis 1859 nahezu
88 Proc. der aufgenommenen Kranken geimpft waren — ein Factum, das
über die besseren oder schlechteren Chancen der Ungeimpften gar keine
Auskunft bietet.
Die Blatternstatistik des Franz-Josef-Kinderspitals hat zum ersten Male
Fleischmann (u. z. im III. Bande der Jahrbücher für Kinderheilkunde)
veröffentlicht. Nun erklärt Fleischmann ebendaselbst, dass er an die
Prüfung des Impfschutzes ohne vorgefasste Meinung herangetreten, dass
36*
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564
J. Körösi,
ihn aber die „klaren Thatsachen tt zu der Ueberzeugung eines „über jeden
Zweifel erhabenen (!) Schutzes der Impfung tt brachten. Wir begreifen
die Emphase des Autors, wenn wir erfahren, dass nach seinen diesbezüglichen
Spitalerfahrungen (s. S. 451) von den ungeimpften Blatternkranken 82 1 /*
Proc. den Blattern erlagen, von den geimpften aber nur 17 1 /* Procent! Die
impfgegnerische Berufung auf die Erfahrungen dieses Spitals ist also als
eine verunglückte zu betrachten 1 ).
Was nun den aus der Hebräischen Klinik im allgemeinen Kranken¬
banse, also ans der Höhle des Löwen geholten, impfgegnerischen Beweis
von Reitz betrifft, so verhält es sich mit demselben folgendermaassen: Auf
S. 26 seines „Versuchs“ führt Reitz drei Krankenhäuser an, in denen die
echten Blattern von den Varioloiden oder modificirten Blattern unter¬
schieden wurden und findet hierbei, dass bei variola vera auf 821 erkrankte
Vaccinirte und Revaccinirte 256 Sterbefalle kamen, folglich 31*2 Proc., auf
81 Nichtrevaccinirte aber 23, folglich nur 26*7 Proc. „Hieraus ersehen
wir, fahrt Reitz fort, dass das Sterblichkeitsprocent der den echten
Blattern erlegenen Vaccinirten und Revaccinirten nicht gering, sondern
bedeutend war, sogar grösser als das der Nichtgeimpften ist. Soll
das auch als ein Beweis der Schutzkraft der Vaccine angesehen werden?“
Das wäre freilich eine sehr frappirende Thatsache. Sieht man aber in den
Quellen selbst nach, so kommt man zur Ueberzeugung, dass Reitz sowohl
in der meritorischen, wie in der rechnerischen Behandlung der Materie
einiges übersehen hat. Da das auffällige Factum der grösseren Sterblichkeit
bei Geimpften aus im Ganzen nur 23 Sterbefallen hergeleitet ist, von denen
zwei Krankenhäuser zusammen nur einen (!) Todesfall lieferten, das Wiener
Krankenhaus allein aber die restlichen 22, so dürfen wir es uns genügen
lassen, wenn wir bloss auf diese eine Quelle zurückgreifen.
Vor Allem hätte nun Reitz den wissenschaftlichen Standpunkt Hebra’s
in Betracht ziehen, also bedenken müssen, dass für .den Vertheidiger der
1 ) Er ist nach Obigem freilich unverständlich, wie Fleischmann trotz dieser Er¬
fahrungen den widersprechenden Satz niederschreiben konnte, dass, wer von der Krankheit
ergriffen wird, gleichviel von derselben leide, ob er nun geimpft sei oder nicht 1 Um die
Lösung dieses Widerspruches zu erfahren, habe ich vom Autor brieflich Aufklärung er¬
beten, erfuhr aber hierbei, dass derselbe schon gestorben sei. Nach Obigem ist es aber
ganz zweifellos, was die eigentliche Ansicht Fleischmann’s über den Impfschutz gewesen
und scheint es beinahe überflüssig, darauf hinzuweisen, dass er sich auch an einer
anderen Stelle in ganz unbezweifelbarer Weise für diesen Schutz ausgesprochen. In einer
Polemflc gegen Hermann (s. Wiener medicinische Wochenschrift, 1870, Nr. 31, 32) erwähnt
nämlich Fleischmann schon vorgreifend seiner erst später zu veröffentlichenden Blattern¬
statistik des Kinderspitals und bemerkt hierzu (S. 694): „dass die Kinderärzte Recht haben,
in der Vaccination einen wirklichen Schutz anzunehmen. Bei Kindern ist die Wirkung
der Vaccine eine ganz zweifellose“. — Reitz citirt aber auch noch den ferneren Ausspruch
Fleischmann’s aus S. 452: „Ich selbst hatte nie Gelegenheit, irgend welchen Einfluss
der Vaccination auf Erkrankung, Verlauf und Ausgang der Pocken zu beobachten u Eine
solche Sentenz wäre freilich überaus frappirend, wenn auch — angesichts der eigenen
widersprechenden Beobachtungen — nichts beweisend. Ich kann Sie aber, geehrte Herren,
diesbezüglich dahin beruhigen, dass diese Sentenz in der angegebenen Stelle nicht vor¬
kommt. Ich habe die Seite 452 und die Nachbarseiten ein halbes Dutzendmal in dieser
Absicht durchlesen, auch die ganze Abhandlung wiederholt durchgesehen, ohne dass es mir
gelungen wäre, diese ominöse Stelle zu finden.
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 565
Identitätslehre, in dessen Angen Schafblattern, modificirte Blattern und
wirkliche Blattern als selbstständige Krankheiten nicht existiren, sondern
alle drei Formen nur verschiedene Grade einer und derselben Krankheit
sind, eine Unterscheidung nach diesen drei Krankheiten weder möglich
noch beabsichtigt war. Hebra selbst hat es in seinem Handbuche klar
ausgesprochen, dass er die bisherige Terminologie nur desshalb beibehal¬
ten, um für eine mögliche Unterscheidung dieser Grade Anhaltspunkte zu
bieten 1 ). Auch sein Mitarbeiter und Nachfolger auf dem Lehrstuhle für
Hautkrankheiten, Kaposi, kennt „nur eine Art von Blatternkrankheit,
Yariola schlechtweg“; auch ihm dient es bloss dem Zwecke gegenseitiger
Verständigung über den Intensitätsgrad, wenn er die gewöhnliche Termi¬
nologie beibehält 3 ). Aber schon aus den Jahrbüchern des Krankenhauses
hätte Reitz entnehmen müssen, dass die schwersten, sowie dass alle
lethalen Fälle als Variola vera, dip raschest verlaufenen als Varicella und
die in der Mitte liegenden, als Variola modificata registrirt wurden. Wenn
also auch die Diagnose schon während des Verlaufes der Krankheit
gestellt werden konnte, wurde die Eintheilung in die drei Kategorien de
facto doch erst nach dem Verlaufe vorgenommen 3 ). Unter solchen Um¬
ständen ist es nicht zu verwundern, wenn die Rubrik der Variola vera,
welche demnach bloss den Sammelplatz der schwersten Fälle repräsentirt,
auch zahlreiche geimpfte Individuen enthält; es ist dies nur eine Folge des
Umstandes, dass unter den ins Wiener Krankenhaus aufgenommenen
Kranken die überwiegende Anzahl geimpft zu sein pflegt. Wenn man aber
sieht, dass selbst unter solchen Umständen von den an Variola modificata
und Varicella Erkrankten fast Alle geimpft waren, hingegen von den
schwersten Fällen nur etwa 60 Proc. 4 ), so wird man zugeben müssen, dass
*) Hebra, Hautkrankheiten in Virchow’s Handbuch der speciellen Pathologie und
Therapie. Berlin 1860, 3, S. 164, vergl. auch S. 161.
a ) Kaposi, Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten, Wien. 1882, S. 235.
8 ) S. Jahresbericht des Wiener allg. Krankenhauses, 1871, S. 287 und noch deut¬
licher Jahrg. 1874, S. 193, wonach alle Fälle, welche weniger als 21 Tage dauerten — ein
Umstand also, der erst nach Ablauf der Krankheit gekannt sein kann — als Varicella,
die 21 bis 28 Tage währenden als Variola modificata und die länger als vier Wochen
währenden als Variola vera eingetragen wurden. Von den lethalen Fällen ist anzunehmen,
dass alle als variola vera registrirt wurden, auch wenn ihr Verlauf ein kürzerer war;
dieses Vorgehen erhellt schon daraus, dass trotzdem in den Krankengeschichten wenige
Tage währende Fälle tödtliehen Ausganges beschrieben sind, die Statistik doch nur für
Variola vera Todesfälle ausweist; die Richtigkeit dieser Voraussetzung wurde mir aber
überdies durch Herrn Professor Schwimmer, dem ehemaligen Secundarius Hebra’s, der
mehrere Jahre hindurch auch die Blatternbericljte des Krankenhauses verfasste, bestätigt.
4 ) Wir lassen im Nachfolgenden die Krankenbewegung der Blatternabtheilung des
Wiener allgemeinen Krankenhauses im Jahre 1871 in einer übersichtlichen Darstellung
folgen, welche in die bestehenden Verhältnisse eine bequemere Einsicht gewährt, als die
Originalzusammenstellung der Spitalsberichte, welche an Deutlichkeit und Uebersichtlichkeit
Manches zu wünschen übrig lässt. Die Aufstellung weist einen Abgang von 732 Blattern¬
kranken aus, nämlich 640 Geheilte, 35 Transferirte und 57 Gestorbene. Die Specificirung
dieser 732 Personen nach Krankheitsform, nach Impfzustand und Ausgang der Krankheit
findet sich auf der Haupttabelle Seite 287» die der Verstorbenen auf Seite 288. Während
aber die Erkrankten nach Geimpften, Nichtgeimpften und Geblätterten unterschieden werden,
also die Zweifelhaften fehlen, ist der Impfzustand der Gestorbenen nach Geimpften, Un-
geimptten uud Zweifelhaften speciticirt, es fehlen demnach die Geblätterten. Da die Summe
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566
J. Körösi,
die Ergebnisse des allgemeinen Krankenhauses ebenfalls zu Gunsten eines
durch die Impfung bewirkten Schutzes sprechen. Zu demselben Resultate
gelangt man, wenn, was bei Anwendung des Identitätsprineipes das einzig
Richtige ist, die drei Gruppen in eine identische „Variola schlechtweg“ zu-
sammengefasst werden. In diesem Falle findet man, dass sich für die
Geimpften eine fünffach grössere Geschütztheit ergiebt, als für die Ungeimpften!
(Es starben nämlich von 627 Geimpften 28 = 4 1 /* Proc., von 105 Un¬
geimpften aber 29, bezw. 22 — vergl. Fussnote — d. i. 21 Procent!)
Die angeführten Beobachtungen des Krankenhauses enthalten nur
summarische Ergebnisse, ohne Specificirung der Alte gelassen. Eine dies¬
bezüglich präciser durchgeführte Blatternstatistik findet sich in den langen
Serien der Krankenhausberichte nur einmal, nämlich vom Jahre 1873. (Vom
Jahre 1874 ab besass das Krankenhaus keine Blatternklinik mehr.)
Im Hinblick auf die grosse Autorität Hebra’s und des in Frage stehen¬
den Krankenhauses wollen wir uns nicht versagen, die Ergebnisse dieser
präciseren Beobachtungen hier ebenfalls mitzutheilen. Aus den auf Seite 261
des betreffenden Jahresberichtes enthaltenen Angaben lässt sich die folgende,
nach Altersclassen fortschreitende Tabelle zusammenstellen:
der Geimpften und Nichtgeimpften das Totale von 732 Fällen ergiebt, so muss angenommen
werden, dass die Geblätterten unter den Geimpften und die Zweifelhaften unter den Nicht¬
geimpften aufgeführt sind. Unter dieser Voraussetzung lässt sich folgende Tabelle con-
struiren über die
Krankenbewegung der Blattern-Abtheilung des k. k. Wiener allgemeinen
Krankenhauses im Jahre 1871.
Geimpfte bezw.
Geblätterte
Ungeimpfte bezw.
Zweifelhafte
Totale
Erkrankte
Ver¬
storbene
Erkrankte
Ver¬
storbene
Erkrankte
Ver¬
storbene
Variola vera
92
28
77
29
169
57
„ modific.
217
—
16
—
233
—
Varicella
318
—
12
—
330
—
Summa
627
28
105
29
732
57
=
4*46 Proc.
=
27*62 Proc.
=
7*79 Proc.
Unter den obigen 29 Ungeimpften befinden sich sieben Zweifelhafte, von denen nur
ein Theil ungeirapft sein mochte; Reitz zieht es vor, alle sieben Fälle zu streichen, wo¬
durch sich freilich die Lethalität der Ungeimpften um ein Bedeutendes bessert. Denselben
Erfolg erzielt er, indem er die zahlreichen Geimpften der Varicella-Fälle — die alle
genasen! — ausser Rechnung lässt. Aber selbst unter so ungünstigen und unbilligen
Bedingungen stellt sich die Lethalität der Geimpften noch 2 1 / a fach günstiger, als die der
Ungeimpften. Sogar die eigenen Berechnungen von Reitz constatiren einen zweifach
grösseren Schutz, doch begeht er hierbei auch noch einen zu Ungunsten des Impfschutzes
wirkenden Rechnungsfehler: wenn von 309 Geimpften 28 sterben, so beträgt die Lethalität
nicht 11*3, sondern nur 9*1 Proc.
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 567
Geimpfte Ungeimpfte Zusammen
krank
gestorben
krank
gestorben
krank
gestorben
0 bis 15 Jahre
92
10
30
13
122
23
16 „ 30 ,
768
91
82
35
850
126
31 , 45 i)
100
20
22
11
122
31
46 n 60 „
20
5
8
5
28
10
Zusammen
980
126
142
64
1122
190
Ueberdies starb ein Mann von 64 Jahren.
Es starben also in jeder Altersclasse bedeutend mehr von den
Ungeimpften als von den Geimpften, nämlich:
bei Geimpften bei Ungeimpften
im Alter von 0 bis 15 Jahren 10'8 Proc. 43’3 Proc.
n ■ . 16 » 30 „ 12 „ 42*7 „
* » „ 31 „ 45 „ 20 „ 50 „
und auch die letzte Altersclasse, deren zu geringe Anzahl Procentberech¬
nungen unzulässig macht, weist ähnliche Resultate für die Geimpften auf.
Es ist also geradezu unmöglich, aus den Ergebnissen des Krankenhauses
andere als impffreundliche Ergebnisse zu ziehen.
4. Keller.
Wenn man den Vaccinationsstatistiken gegenüber die berechtigten
Forderungen nach Unterscheidung der Fälle zweifelhaften Impfzustandes,
namentlich aber nach Unterscheidung der Altersclassen stellt, so wird hier¬
durch eine grosse Menge des massenhaft zusammengetragenen statistischen
Materials der Beweiskraft beraubt. In Folge dieses Umstandes verdienten die
nach allen Richtungen entsprechend adjustirten Daten, die Keller, Chefarzt
der österreichischen Staatsbahn, im Jahre 1872 bis 1874 über die bei den
Bediensteten dieser grossen Unternehmung gemachten Beobachtungen ver¬
öffentlichte , besondere Aufmerksamkeit l ). Die österreichische Staatsbahn¬
gesellschaft hatte im Jahre 1872 ihre Bahn- und Werksärzte aufgefordert,
über alle vorgekommenen Blatternerkrankungen eine nach den Angaben
Keller’s verfasste statistische Tabelle an die Direction einzuschicken. Im
Laufe dreier Jahre langte die stattliche Statistik von 3885 Fällen ein, bei
denen nicht nur der Irapfzustand in einer — angeblich — höchst verläss¬
lichen Weise constatirt war, sondern auch die Geblätterten und Revacci-
nirten, namentlich aber die so viel verpönten zweifelhaften Fälle strenge
unterschieden wurden. Besonders wichtig ist ferner, dass bei der Auf¬
arbeitung die eminent wichtige Auftheilung nach Altersclassen nicht unter¬
lassen wurde.
*) Die erste Veröffentlichung (Resultate des Jahres 1873) erfolgte in der allgemeinen
Wiener medicinischeo Zeitung 1873. Die zweite (Jahr 1874) ein Jahr darauf ebendaselbst,
vermehrt durch eine Specificirung der Hauptergebnisse (ohne Altersspecification) nach den
einzelnen ärztlichen Bezirken. Von beiden Aufsätzen wurden Separatabdrücke in sehr
beschränkter Auflage (Wien, Verlag des Verfassers) veranstaltet. Die Ergebnisse des dritten
Beobachtungsjahres wurden in Wittelshöfer’s Wochenschrift (1876, Nr. 33 und 34) ver¬
öffentlicht; ebendaselbst findet sich auch die Recapitulution für alle drei Beobachtungsjahre.
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J. Körösi,
Die Resultate dieser Erhebung waren nun impffeindlicher Natur.
Die Impfgegner berufen sich um so lieber auf diese Resultate, als die¬
selben zugleich eine lehrreiche Illustration dafür bieten, wie Blatternstatisti-
ken, welche alle Fälle, ohne Unterscheidung der Altersstufen, in eine Summe
zusammenfassen, nach dem Inhalte dieser Hauptergebnisse sehr wohl zu
Gunsten der Impfung sprechen können, während bei einem Eingehen auf
die einzelnen Altersstufen sich gerade entgegengesetzte Resultate ergeben
können. Nach den Hauptsummen starben nämlich:
hingegen
ferner
n
n
von 2069 erkrankten
* 1095
* 92
» 19
» HO
Geimpften 317 = 15*32 Proc.
Ungeimpften 271 = 24*74 „
Revaccinirten 16 = 17*39 „
Geblätterten 5 =(26*31 „ )
Zweifelhaften 16 = 14*54 „
insgesammt von 3385 Erkrankten 625
also von Ungeimpften um die Hälfte mehr als von Geimpften. Löst man
aber die Erkrankten in ihre einzelnen Altersgruppen auf, so ergiebt sich,
dass die grösste Sterblichkeit das früheste Kindesalter, beziehentlich das
Säuglingsalter betrifft, dessen Angehörige natürlich zumeist ungeimpft sind.
Die grosse Sterblichkeit der Ungeimpften entpuppte sich solcher Art als
grosse Sterblichkeit der Säuglinge; sie wäre also eine Folge des Alters, nicht
des Impfzustandes. Lässt man in Folge dessen die Kinder ausser Betracht,
so ergiebt sich z. B. für die Ueberzweijährigen fast gar kein Unterschied
mehr. Es starben nämlich unter den Ueberzweijährigen von
1939 erkrankten Geimpften 255 = 13*15 Proc.
und von 695 „ Ungeimpften 93 = 13*38 „
Ja, bei weiterer Auftheilung der Ueberzweijährigen gelangt man zu
dem höchst bemerkenswerthen Ergebnisse, dass in einzelnen Altersclassen
von den Geimpften sogar mehr starben; so starben z. B. von je 100:
Geimpften Ungeimpften
im Alter von 4 bis 5 Jahren 20 Proc. 14*93 Proc.
„ „ „ 5 „ 10 „ 18*84 „ 8*90 „ u.s.f.
Diese Ergebnisse verfehlten nicht, Aufsehen zu machen und wurden
dieselben im impffeindlichen Lager auch gehörig ausgebeutet. So wie die
schwedische Blatternstatistik zum schweren Geschütze der Impfvertheidigung
gehört, das überall, wo sich ein ernster Kampf entspinnt, mit Vorliebe auf¬
gefahren wird, kann man im Lager der Angreifer, Ke 11er’s Daten als
einen der gegen das Bollwerk des „Impfdogmas“ gerichteten Hauptsturm¬
böcke betrachten. So sind dieselben z. B. auch im Deutschen Reichstage
(durch Reichensperger) zur Abwehr gegen das im Jahre 1874 den¬
noch eingeführte Impfzwangsgesetz benutzt worden. Vogt meint (1869),
es gäbe überhaupt nur drei brauchbare Statistiken über Impfschutz: jene
von F1 i n z e r (Chemnitz), Müller (Berlin) und Keller (österreichische
Staatsbahn). Lorinser schreibt an Vogt hierüber: „Ich halte Keller’s
Angaben für die richtigsten und gewissenhaftesten, welche über Impfung
überhaupt erhalten werden können, da mir Dr. Keller’s Gewissenhaftig-
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 569
keit und die stramme Organisation des Sanitätsdienstes der Staatsbahn
ganz genau bekannt 6ind.“
Die grosse Wichtigkeit, welche den Keil ergehen Daten und zwar mit
um so grösserem Rechte zuerkannt werden musste, als dieselben durch das
Vertrauen in den wohl disciplinirten Geschäftsgang der grössten Eisenbahn-
gesellschaft Oesterreich-Ungarns gehoben werden, führte mich zu dem Ent¬
schlüsse, diesen merkwürdigen Ergebnissen näher zu treten. Ich schrieb
vor Allem an Keller selbst, musste aber erfahren, dass derselbe vor
Kurzem in Klosterneuburg gestorben sei. Darauf begab ich mich nach
Wien, um mir bei der Direction die Erlaubniss zu erwirken, in das Ur-
material Einsicht zu nehmen und die Berechnungen zu überprüfen. Hier
erfuhr ich aber zu meiner unangenehmen Ueberraschung, dass Keller, als
er vor mehreren Jahren aus seinem Amte schied, diese Daten unrecht¬
mässiger Weise mit sich genommen habe. Der Nachfolger Keil er’s, Chef¬
arzt Reumann, hatte dieselben vor Jahren wohl zu Gesichte bekommen,
konnte aber über deren Inhalt nur so viel angeben, dass soweit ihm die
Begleitschreiben der Bahnärzte erinnerlich seien, manche derselben sich in
entschiedenster Weise für den günstigen Einfluss der Impfung aussprechen —
ein Umstand, der weiter unten noch seine Bestätigung Anden soll. Da
schliesslich auch die Recherchen die ich in Klosterneuburg und bei den
Erben Keil er’s in Prag unternahm, zu keinem Resultate führten, es also
scheint, dass das Ke 11er’sehe Material nicht mehr existirt, versuchte ich
schliesslich den letzten Weg, nämlich mich direct an die aus dem Jahre
1872 noch am Leben befindlichen Bahnärzte mit der Anfrage zu wenden,
ob nicht etwa Copien ihrer seinerzeitigen Blatternberichte vorfindlich wären.
Auf solchem Wege war doch die Möglichkeit geboten, wenigstens Bruch¬
stücke dieses wichtigen statistischen Materials zu retten, beziehungsweise
mit jenen Angaben zu vergleichen, die Keller für die Jahre 1872 und 1873
nach Bahnstrecken veröffentlicht hatte. Von neunzehn Strecken- beziehungs¬
weise Werksärzten, die die Güte hatten, auf mein Ersuchen einzugehen,
waren nun acht in der Lage, mir Copien ihrer Originalberichte einzusenden;
auf solche Weise wurde es mir möglich, einen insgesammt 644 Erkrankungs¬
falle umfassenden Theil der Keller’schen Arbeit zu reconstruiren und zu
revidiren.
Ich komme sogleich auf die Ergebnisse dieser Reconstruirung zurück,
muss aber vorher eine allgemeine Bemerkung über die Beschaffenheit der
Quelle und des Materials vorausschioken.
Das Directionscircular Nr. 50393 der österreichischen Staatsbahn¬
gesellschaft, durch welches die Bahnärzte zur Veranlagung der mit dem
1. Januar 1872 anzuhebenden Blatternstatistik aufgefordert wurden, datirt
nicht etwa vom Ende des Jahres 1871, sondern vom Ende 1872; es trägt
das Datum des 19. November 1872, gelangte also erst zu Jahresschluss in
die Hände der Bahnärzte. Wenn nun die Bahnärzte im December 1872
darüber Auskunft zu geben hatten, ob ein im Januar Erkrankter geimpft,
ungeimpft oder revaccinirt gewesen, so konnte eine verlässliche Antwort
hierauf nur erfolgen, wenn entweder die Krankenprotokolle die hierauf bezüg¬
lichen Aufzeichnungen enthielten, oder-aber seitens der Bahnärzte alle Er¬
krankten noch einmal aufgesucht und über ihren Impfzustand befragt wurden.
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570
J. Körösi,
Was nun die Protokolle betrifft, verdanke ich der Güte des Herrn
Dr. Borbely, Chefarzt der ungarischen Linien der Staatsbahngesellschaft,
die Copie beziehungsweise den Auszug des betreffenden Protokolls der
Pester Bahnärzte und ist hieraus ersichtlich, dass dasselbe nur die folgen¬
den Rubriken enthält:
Name
Alter
Beschäfti¬
gung
Wohnung
i
Krankheit
In Behand¬
lung getre¬
ten am
Geheilt
entlassen
am
Gestorben
am
Anmerkung
%
I
Wie man sieht, enthält das Protokoll keinerlei Vormerk über den Impf-
zustand der Erkrankten. Aus dieser Quelle konnten also die betreffenden
Angaben nicht, oder nur für den Fall geschöpft werden, als der Bahnarzt
den Impfzu8tand aus freien Stücken notirt haben sollte. Dies erfolgte
z. B. in Anina durch Dr. Kicska; doch ist dies nur als Ausnahme zu
betrachten. Die Pester Protokolle z. B. enthalten nicht den geringsten
Anhaltspunkt über den Impfzustand.
Bliebe also anzunehmen, dass der Impfzustand der im Jahre 1872
Erkrankten durch nachträgliche Befragung im Laufe des Jahres 1873
festgestellt worden sei. Wie sollte aber eine derartige nachträgliche Er¬
hebung namentlich dort möglich sein, wo es sich um das stets wechselnde
Personal der Arbeiter, Wagenschieber, Tagelöhner und dergleichen einer
Bahnunternehmung handelt? Selbst für den Fall, als bei allen Bahn¬
ärzten die — immerhin noch zweifelhafte — gute Absicht vorhanden
gewesen wäre, der Statistik zu Liebe die der langen Bahnstrecke etitlang
wohnenden Bediensteten in strenger Winterszeit aufzusuchen, wäre dieselbe
an der Unmöglichkeit der Ausführung gescheitert x ). Eine gewissenhafte
Beantwortung der Keil er 1 sehen Fragen für 1872 ist also von vornherein
ausgeschlossen. Wenn trotzdem Daten einliefen und die Rubriken der
Tabellen des Chefarztes alle ausgefüllt wurden, so mag dies theilweise wohl
in Bestätigung der altbewährten bureaukratischen Maxime geschehen sein,
] ) Auf meine an die Herren Bahnärzte gerichtete Rundfrage, ob eine solche nach¬
trägliche Erhebung bei dem grossen Wechsel der Bediensteten möglich gewesen wäre,
erhielt ich zum Theil — namentlich von Werksärzten, die es mit einer ständigeren Arbeits¬
bevölkerung zu thun haben, sowie von kleineren Strecken, oder solchen, die wenige Fälle
hatten — bejahende, zumeist aber doch verneinende Antworten. So schreibt mir z. B.
Dr. Kicska, seinerzeit Werksarzt zu Anina, am 18. December 1886: „Ich bin der Ansicht,
dass eine solche nachträgliche Erhebung bei dem steten Ortswechsel der Bahn-, Bergwerks¬
und Hüttenarbeiter und Angestellten auf unüberwindliche Schwierigkeiten stossen
müsste.“ Es möge hierbei erwähnt sein, dass Dr. Kicska im Jahre 1874 im Budapester
Orvosi Hetilap im Nachtrage zu Keil er’ s Arbeit einen entschieden impfgegnerischen
Artikel zur Vertheidigung der Keller’schen Ergebnisse veröffentlichte; seine obige Aus¬
sage, welche den Werth der Keller’schen Daten so erheblich devalvirt, fällt also beson¬
ders schwer ins Gewicht,
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 571
dass die Vorgesetzte Behörde irgend eine Statistik nur ernst zn wollen
braucht, um sie auch zu haben! Dahin läuft wohl auch die Bemerkung
eines alten Bahnarztes hinaus, der mir in dieser Angelegenheit schreibt:
„Unter uns gesagt, wusste man doch sehr gut, dass der Chefarzt ein Impf¬
gegner sei; die Ausweise waren also seinem Geschmacke nach zubereitet
und verdienen desshalb kein volles Vertrauend
Ans solcher trüben Quelle fliessen also jene Beobachtungen, die man
als die einzig verlässlichen und richtigen auf dem grossen Gebiete der
Blatternstatistik hinzustellen liebte und denen man zumuthet, alle bisherige,
unverlässliche Impfstatistik über den Haufen zu werfen. Doch nehmen
wir die Quelle, die nun heute nicht mehr geklärt werden kann, so wie sie
ist und sehen wir, was die hieraus geschöpften Beobachtungen eigentlich
besagten. Wir können uns hierbei mit dem Gedanken beruhigen, dass
einige Aerzte denn doch in der Lage waren, verlässliche Angaben einzusen¬
den. Auf Grund der mir über die Beobachtungen in Anina, Brünn,
Budapest, Dognäcska, Grussbach, Monor, Olmütz, Raudnitz,
Steierdorf und Szegedin gütigst gemachten Mittheilungen, beziehungs¬
weise auf Grund der mir zugesendeten Duplicate der an Dr. Keller seiner¬
zeit eingesendeten Originaltabellen, lässt sich für die Jahre 1872 und 1873
(1874 unterbleibt, weil Keil er’s Tabellen die Controle der einzelnen
Strecken nur für die genannten zwei Jahre ermöglichen) die hier folgende
Tabelle, die sich in ihrer Einrichtung genau an die Ke 11er’sehe anschliesst,
zusammenstellen.
Diese theilweise Reconstruction der Keil er’sehen Statistik führte nun
zu folgenden, in ihrem impfgünstigen Inhalte nicht wenig überraschenden
Resultaten, wobei wir schon von vornherein nur die Ueberzweijährigen ins
Auge fassen.
Es starben von den überzweijährigen Erkrankten
bei 442 Geimpften 39 = 8*82 Proc.; hingegen
„ 78 Ungeimpften 15 = 19*23 „ ; ferner
von 5 Revaccinirten Niemand,
„ 4 Geblätterten Niemand,
„ 36 zweifelhaften Fällen 6 (= 16*66 Proc.).
Also trotz der Un Verlässlichkeit, welche den Keller’schen Angaben
von Hause aus anhaftet, ergaben dieselben noch immer einen 2 1 / 1 fach
grösseren Schutz für die Geimpften als für die Ungeimpften! Man mag
ferner auch noch in eine weitere Auftheilung des Alters nach kleineren
AltersclasBen eingehen, überall findet man, dass die Geimpften besser daran
gewesen, dass die Impfung dieselben geschützt habe.
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572
J. Körösi,
Altersperioden
Geimpfte
Nicht¬
geimpfte
Kevac-
cinirte
Geblät¬
terte
Zweifelhafte
Zusammen
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Alter unbekannt *) . .
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Zusammen .
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95
Ueber 2 Jahre . . .
442
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15
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565
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60
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—
--
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1
Letalität = Ö'Ö2 Proc. = 19 23 l’roc.
Begreiflicher Weise muss man nun staunen und mit berechtigter Neu¬
gierde zu erfahren wünschen, wieso denn Keller dazu gekommen sei, impf¬
feindliche Resultate zu gewinnen. Seine ganze Arbeit zu reconstruiren, ist
heute leider eine Sache der Unmöglichkeit. Die hier geretteten Reste sind
aber genügend, um uns ganz deutlich erkennen zu lassen, in welcher Art
und Weise Keller gearbeitet hatte und so den Stab über diese Arbeit brechen
zu lassen. Keller hat nämlich keinen Anstand genommen, die ihm ein-
•gesendeten Tabellen zu verändern! Wie sich aus der durch Keil er’s
Stationstabelle ermöglichten Vergleichung der auf jede einzelne Strecke be¬
züglichen Angaben herausstellt, hat Keller ausnahmslos in jeder der
reconstruirbaren Bahnstrecken die Originaltabellen abgeändert, und zwar
sind diese Abänderungen consequenter Weise in der Tendenz erfolgt, die
Mortalität der Geimpften zu erhöhen, jene der Ungeimpften zu vermindern
und so die Schutzkraft der Impfung zu compromittiren.
Eine so schwere Beschuldigung muss erwiesen werden, und ich trete
hiermit auch den Wahrheitsbeweis an, indem ich Ihnen, geehrte Herren,
] ) Bedienstete, also über 2 Jahre alt.
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 573
einerseits die Daten, wie diese von Keller veröffentlieht wurden, andererseits
so wie sie ihm von den Streckenärzten eingesendet wurden, vorlege. Ich
unterbreite Ihnen zugleich die ganze Correspondenz, die ich in dieser Ange¬
legenheit führte. Sie können sich mit eigenen Augen von der Richtigkeit
oder Unrichtigkeit meiner Behauptungen überzeugen.
Was vor Allem die Strecke Pest betrifft, so theilten sich seinerzeit
drei Bahnärzte in dieselbe. Von den drei Protokollen ist eines seither ver¬
brannt; wir können solcherart nur zwei Drittheile der Statistik dieser
Strecke reconstruiren. Nach den Mittheilungen der Herren Borböly und
Boleman, betrug die Anzahl der Erkrankten 29, der Verstorbenen 2;
wie viele hierunter geimpft, wie viele nicht geimpft waren, können die
Herren nicht angeben, weil, wie erwähnt, das Protokoll — dessen Excerpt
ich Ihnen hier vorweise — hierüber gar keinen Vormerk enthält. Diese
Fälle mussten also als zweifelhaft betrachtet werden, während Keller für
Pest nur vier Zweifelhafte ausweist. Unter den obwaltenden Umständen
lässt sich übrigens auf die Pester Aufzeichnungen kein besonderes Gewicht
legen. Desto mehr aber auf die nachfolgenden.
Dr. Gail ly, Bahn- und Gemeindearzt in Grussbach, berichtet unterm
14. December v. J., dass er insgesammt vier Blatternkranke gehabt habe;
hiervon einer geimpft und genesen, hingegen drei Ungeimpfte, von denen
zwei richtig starben. Keller führt statt dessen nur einen Todesfall an,
setzt aber diesen Verstorbenen fälschlich unter die Geimpften, während der¬
selbe ungeimpft war! Dr. G a i 11 y- erinnert sich daran, dass Keller in
seiner Broschüre seine Angaben verkehrt wiedergegeben habe. „Dr. Keller
war eben Impfgegner u , fügt er gleichsam entschuldigend hinzu.
In Olraütz erkrankten laut Mittheilung des Herrn Dr. Brecher fünf
Geimpfte und alle genasen; Keller hat diese Daten unterdrückt Sie suchen
die Station Olmütz vergeblich in dessen hier vorgelegtem Separatabdruck.
In Raudnitz (Dr. Eisler vom 20. December 1886) erkrankten vier
geimpfte Personen, alle genasen: Keller führt bloss zwei an.
In Szegedin erkrankten nach brieflicher Mittheilung von Dr. Machold
vom 27. December v. J. vier geimpfte Personen und genasen alle. Diese
vier Personen waren: ein Schlosser, ein Weichensteller und zwei Tagelöhner.
Diesen, in ihrer Präcision allen Irrthum ausschliessenden Angaben gegen¬
über behauptet Keller, dass in Szegedin sechs Personen erkrankten, eine
gestorben, und dass diese eine geimpft gewesen wäre!
Dr. Pichler sendet mir am 21. Februar d. J. die hier vorgewiesene
Originaltabelle über die Blatternstatistik der 5800 Seelen zählenden Colonie
Steierdorf. Wie sie aus derselben ersehen, sind daselbst bei den Geimpften
nur einer von je 25 Kranken, bei den Ungeimpften aber einer von je dreien
gestorben. Nach Keller hätte aber die Sterblichkeit der Ungeimpften nur
Vs betragen; dieses Resultat erreichte Keller, indem er die Anzahl der
ungeimpften Kranken von 38 auf 68 corrigirte ] ) • Iu Folge dieser auffälligen
Verschiedenheit schrieb ich am 1. März nochmals an Herrn Dr. Pichler,
und — indem ich die Wichtigkeit seiner für Keller gravirenden Aussage
-T—
*) Es waren also nach dem Originalbericht von 38 Ungeimpften 13 gestorben; bei
Keller heisst es, dass diese 13 auf 68 Erkrankte entfielen.
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574
J. Körösi,
hervorhob — ersuchte ich ihn, nochmals nachznsehen, ob nicht seinerseits
ein Irrthum unterlaufen sei. Hierauf erfolgte am 4. M&rz die Antwort, dass
Keller’s Angaben die unrichtigen seien: „Die Ihnen eingesendeten Daten,
heisst es, sind wahrheitsgetreu und stimmen vollkommen mit meinen
Kranken- und Todtenmatrikeln.“ Da Dr. Pichler seine Berichte seiner¬
zeit Überdies auch an die Comitatsbehörde eingesendet hatte, ist eventuellen
Vertheidigern Keller’s die Möglichkeit geboten, auch an dieser Stelle
nachzuforschen. Sie dürften hierbei noch die fernere Entdeckung machen,
dass Keller nicht nur die Zahl der Ungeimpften, sondern auch jene der
Geimpften „corrigirte“, hier aber freilich im umgekehrten Sinne, indem er
nämlich die Anzahl der Verstorbenen vergrösserte, jene der Erkrankten
aber verringerte, hierdurch also den Sterblichkeitscoöfficienten der Geimpften
künstlich erhöhte.
In Monor (Dr. Garami vom 22. Januar) starb nur eine Person und
war diese ungeimpft: Keller hat dieselbe in eine Geimpfte umgewandelt!
Anina (Dr. Kicska). Selbst hier, wo doch ein Impfgegner die
Feder führte, unterliess Keller nicht, wenn auch nur in kleinem Maasse,
zu corrigiren; es wurde den Geimpften ein Todesfall zugerechnet, den
Ungeimpften aber abgerechnet 1 ).
In der Colonie Dognäcka (Dr. Hebenstreit vom 26. Januar)
starben von zehn Ungeimpften sieben, also Vio; Keller weist nur 4 /io nach,
indem er die Anzahl der Verstorbenen um einen vermindert, die der Er¬
krankten aber um die Hälfte erhöht. Also das gleiche Manöver wie in
Steierdorf. Auch bei den Geimpften wird in der nun schon bekannten
Weise der Sterblichkeit.scoefücient durch eine Veränderung der Kranken¬
zahl von 68 auf 61 erhöht.
] ) Im Ganzen genommen stimmen die Angaben Keller’s mit denen Kicska’s doch
tiberein, was um so mehr hervorgehoben werden muss, als sich dies den tibrigeu eingelaufenen
bahnärztlichen Berichten gegenüber nicht behaupten lässt. Nach Kicska sind gestorben:
von 157 Geimpften (incl. 8 ohne Erfolg Geimpften) 22 (l ohne Erfolg) = 14 Proc.
„ 97 Nichtgeimpften 24 = 24% „
was noch immer zu Gunsten eines namhaften Schutzes der Impfung spräche. Was die
Ausscheidung der Kinder betrifft, erklärt Dr. Kicska in seinem an mich gerichteten
Briefe, dass dies für Anina eigentlich überflüssig sei, indem daselbst ausnahmslos fast alle
Kinder und zwar schon im frühesten Alter geimpft werden. Es möge übrigens hier noch
erwähnt werden, dass der genannte Arzt, der gegenwärtig als Kreisarzt im Neutraer Comitate
fungirt, auf meine Anfrage, ob sich seine impfgegnerischen Ansichten auch im weiteren
Verlaufe seiner Praxis bestärkt hätten, hierauf eine verneinende Antwort abgab. Er
kennt die Verhältnisse seines gegenwärtigen Bezirkes ganz genau und darf daher behaupten,
dass daselbst von den unterzehnjährigen Kindern wenn nicht 4 / ß , so doch unbedingt %
geimpft sind. Wäre nun die Impfung ohne allen Einfluss, so müsste sich das obige
Zahlenverhältniss auch bei den Erkrankungen wiederholen. Nun fand er aber, dass von den
im bezeichneten Zeiträume erkrankten 46 Kindern sich nicht, wie zu erwarten stünde, 12,
soudern 34 Ungeimpfte fanden, hingegen bloss 12 Geimpfte anstatt 34. Kicska giebt in
Folge dessen zu, dass seine Ansicht über die Nutzlosigkeit der Impfung keine ganz eerechte
gewesen sei. Er hält zwar noch immer daran fest, dass die Lethalität bei Geimpften und
Ungeimpften gleich sei — was bei dem Umstande, als nach seinen eigenen Angaben weit
mehr Ungeimpfte als Geimpfte erlagen, freilich nicht verständlich ist —, doch anerkennt
er, dass sowohl er wie Keller seinerzeit übersehen hätten, dass die Gefahr, an den Blattern
zu erkranken, bei Ungeimpften doch bedeutend grösser sei. Der Muth des Widerrufes
verdient alle Anerkennung.
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Wiener impfgegnerische Schule und Vaccinationsstatistik. 575
Ueberdies sind noch Antworten von den Herren Doctoren Minnich
(Temesv&r), Lichtfuss (Szaszka) und Beck (Böhm. Brod) eingelaufen, die
zwar keine Copien ihrer seinerzeitigen Berichte einsenden konnten, aber die
Versicherung aussprechen, dass ihre Erfahrungen nur zu Gunsten des Impf¬
schutzes sprachen.
Indem ich meine Kritik der Ke 11 er’sehen Zusammenstellungen hier¬
mit beendige, fühle ich das Missliche meiner Lage, schwere Anklagen gegen
einen Mann erhoben zu haben, der sich gegen dieselben nicht mehr ver-
theidigen kann. Sein Werk aber wirkt über sein Grab hinaus und macht
fortwährend das Vertrauen in den Schutz der Impfung schwanken. Wo so
hohe Interessen auf dem Spiele stehen, konnten untergeordnete, persönliche
Rücksichten nicht ins Gewicht fallen. So viel kann ich zum mindesten mit
gutem Gewissen behaupten, dass Keller nicht — wie Kolb wohlwollend
voraussetzte — ohne Tendenz, sondern bereits als entschiedener Impfgegner
an die Sammlung der Daten gegangen; dass er die ihm eingeschickten
statistischen Ausweise nicht getreu wiedergegeben; dass es in Folge dessen
durchaus unberechtigt ist, diese seine Arbeit — wie dies z. B. seitens
Lorinser’s und Vogt’s geschah — als ein Muster von Verlässlichkeit
und Gewissenhaftigkeit hinzustellen, dass vielmehr die Impfgegner sehr
wohl daran thun werden, in ihren Beweisführungen das bisher so hoch
gehaltene Kelle rasche Material möglichst rasch der Vergessenheit anheim¬
fallen zu lassen 1 ).
Im Hinblick auf die Beunruhigung, welche die Agitation der Wiener
impfgegnerischen Schule nicht nur in Oesterreich, sondern auch in Ungarn,
ja selbst im Auslande hervorgerufen, dürfte es als keine ganz überflüssige
Mühe betrachtet werden, den statistischen Beweismitteln dieser Schule an
*) Nachdem wir nun über die totale Unverlässlichkeit und Unbrauchbarkeit der
Keller’schen, desgleichen über die Mangelhaftigkeit der Müller’schen Daten ins Reine
gekommen, sind wir in der Lage, auf die jüngste Zusammenstellung Lorinser’s zurück¬
zukommen. Im Jahrgange 1886 der Wittelshöfer’schen Wochenschrift wird nämlich auf
Grund sämmtlicher dem Verfasser bekannten bezüglichen Nachrichten über die Letalität Ge¬
impfter und Ungeimpfter, die nach Altersgruppen fortschreiten, zu beweisen gesucht, dass die
Impfung nichts nütze. Da daselbst zugegeben wird, dass in den höheren Altersclassen die
Geimpften besser geschützt seien, so beschränkt sich dieser statistische Beweis bloss auf die
Behauptung, dass für das Alter von 1 bis 10 Jahren die Wirkung dieses Schutzes nicht
merklich sei, da nämlich die Letalität betrug
bei bei
Geimpften Ungeimpften
im Alter von 1 bis 2 Jahren
» i> » 2 „ 3 „
n n » 3 „ 4 „
» n n ^ „ 5 „
» n n ^ n 10 „
39*0 Proc. 40*0 Proc,
31*0 w 34*7 0
25*6 „ 32*3 0
26*3 0 31*9 0
17*1 0 24*7 0
Geht man auf die Quellen ein, so findet man, dass die Angaben entnommen sind:
1) Keller, 2) Müller, 3) Oidtmann (Elberfeld 1860 und 1870), 4) Partau (Breslau),
5) Flinzer (Chemnitz), 6) Josefskinderspital (Wien), 7) Wiener Pockenhaus (Wiedener
Spital unter Lorinser’s Leitung), 8) einer cechischen Zeitung. Die Quellen sind also
durchaus nicht gleichmässig verlässlich. Auf Keller und Müller darf nach dem bisher
Gesagten keine Berufung mehr geschehen; die Authenticität der cechischen Zeitschrift ist
— mir wenigstens — unbekannt. Wenn man ferner weiss, dass Oidtmann einer der
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576 J. Körösi, Wiener impfgegnerische Schule u. Vaccinationsstatistik.
den Leib gerückt au sein, und eine Aufdeckung der Haltlosigkeit derselben
versucht zu haben. Wir haben gesehen, dass wir es hier im besten Falle mit
Voreingenommenheit und unwillkürlichen Uebersehungen, zum Theile aber
geradezu mit tendenziöser Zahlenfabrikation zu thun hatten. Es würde
mir zur Genugthuung gereichen, wenn Jene, deren Vertrauen in die
Impfung durch die tönenden Behauptungen der genannten Schule schwan¬
kend geworden, ihre Zweifel behoben fühlten, und wenn eben desshalb Sie,
geehrte Herren, es mir nicht verübelten, dass ich in dieser Angelegenheit
Ihre Aufmerksamkeit so lange in Anspruch genommen.
Fahrer der deutschen antivaccinatorischen Bewegung ist, wird man ihn kaum als unbe¬
fangenen Zeugen gelten lassen. Man wird durch seine Angaben, wonach in einigen Alters-
clnssen geradezu mehr Geimpfte starben, doch zu sehr an Keller erinnert, und wäre es
für die Wissenschaft erspriesslich — gleichviel ob das Resultat ein impffreundliches oder
impffeindliches wäre —, wenn Jemand diese überaus auffälligen Daten ebenfalls einer Ueber-
prüfung unterziehen wollte. Nicht in der Lage, diese Ueberprüfung vorzunehmen, steht es
mir nicht zu, die Oi dt mann’ sehen Ergebnisse a priori als unrichtig zu bezeichnen, und so
will ich dieselben gleich jenen des cechischen Blattes passiren lassen, trotzdem deren
Authenticität nicht verbürgt ist. Bringt man aber von der Lorinser’schen Aufstellung
auch nur die zwei zuerst genannten und absolut unbrauchbaren Angaben in Abzug, so
ergeben sich folgende Resultate, welche trotz ihrer Beimischung mit hinsichtlich seiner Ver¬
lässlichkeit nicht ganz unanfechtbarem Material die Behauptungen Lorinser’s noch durch¬
aus nicht bestätigen.
Es starben nämlich
im Alter von
1 bis 2 Jahren
bei Geimpften
unter 152 Erkrankten
43
bei Ungeimpften
unter 1388 Erkrankten
532
2 » 3 n
» 154
n
66
» 1683 „
650
3 * 4 „
* 176
n
32
* 867
279
4 „ 5 *
» 230
i»
39
» 724
242
5 * 10 „
„ 855
n
103
» 1713
433
Es betrug demnach die Letalität
im Alter von
bei Geimpft
en bei Ungeimpften
1 bis
2 Jahren
28
Proc.
38 Proc.
2 „
3 „
43
i»
42 „
3 *
4 „
18
n
32 „
4 „
3 »
17
n
33 „
3 T>
io „
12
n
25 „
Bedenkt man noch, dass nur ein Theil dieser Angaben Spitalsbeobachtungen entspringt,
während ein anderer Theil aus einer Vergleichung der polizeilich Gemeldeten, bekanntlich
also stets unvollständigen Erkrankungsfällen mit den stets vollständigen Todtenmeldungen
entspringt — Lorinser selbst hat sich ja entschieden gegen die Verwendbarkeit solcher
polizeilicher Meldungen ausgesprochen —, so ergiebt sich hieraus die Folgerung, dass eigent¬
lich nur die ihrer Vollständigkeit halber richtigeren Spitalsbeobachtungen (Nr. 6, 7) zum
Ausgangspunkte dienen sollten. Thut man dies, so ergeben sich noch sprechendere Beweise
für den Schutz der Impfung; es betrug nämlich in den drei von Lorinser citirten Spitalen
die .Letalität
im
Alter
von
bei Geimpften
bei Ungeimpften
1
bis
2 Jahren
6/16 = 38
Proc.
267/367 = 73 Proc.
2
77
3
i»
5/17 = 29
7 »
247/335 =74 „
3
n
4
»
2/19 = 11
77
176/271 =66 *
4
n
5
n
6/22 = 27
77
161/265 =60 n
5
77
10
»
15/111 = 14
77
313/687 =46 „
Aus diesen Daten lässt sich — trotzdem für die Geimpften nicht genug zahlreiche
Beobachtungen vorliegen — doch nichts Anderes als ein Beweis für die Schutzkraft der
Impfung herauslesen.
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Köhn, Canalisation der Stadt Charlottenburg.
577
Die Canalisation der Stadt Charlotteuburg.
Vom Königlichen Regierungsbaumeister Köhn zu Charlottenburg.
Bei dem allgemeinen Interesse, welches heute für die Bewohner von
Städten die Frage der Reinhaltung des Untergrundes und der Abführung
der Abwässer hat, wird es vielleicht trotz der durch diese Frage bereits
hervorgerufenen Fluth von literarischen Beiträgen manchem Leser doch
von Interesse sein, eine Schilderung der thatsächlichen Entwickelung
dieser Frage in einer kleinen, der Reichshauptstadt unmittelbar benach¬
barten Commune zu finden.
Es möge daher gestattet sein, eine historische Uebersicht über die
Entwickelung der Städtereinigungsfrage in Charlottenburg zu geben.
Im Anfänge der siebenziger Jahre war es in Charlottenburg, wie in
vielen kleinen Städten, Brauch, die Abwässer, welche den Hausbewohnern
lästig waren, einfach in die Strassenrinnsteine abfiiessen zu lassen. Wo
das Gefalle derselben gross genug war, floss die Jauche bald ab und ein
kräftiger Regen besorgte die Nachspülung, wo es aber an solchem Gefälle
fehlte, da blieb sie natürlich stehen und verpestete die Luft. Das mochte
schon lange so gewesen sein, aber der Uebelstand war schlimmer geworden,
als viele kleine landwirtschaftliche Betriebe eingingen und an deren Stelle
grössere Mietshäuser mit kleinen eng umbauten Höfen entstanden. Wo
Ackerwirtschaft betrieben wurde, goss man die Abwässer auf den Mist
und mit demselben wurden sie dann in kürzeren Zwischenräumen abge¬
fahren. So blieben die Rinnsteine doch rein, ln den grossen Mietshäusern
aber war die Production von Abwässern erheblich grösser geworden und
die Beförderung derselben aus dem Hause heraus erfolgte durch Röhren,
welche mitunter in die Abtrittsgrube, häufiger auf die Strasse in den Rinn¬
stein mündeten.
Die hierdurch nothwendig erzeugten Uebelstände wuchsen in einigen
Strassen bald in dem MaaBse, dass die städtische Sanitätscommission im
Juni 1872 mit aller Energie vorging und das königliche Polizei-Amt ver-
anlasste, vom Magistrat die Beseitigung der schlimmsten Calamitäten durch
Erbauung einiger unterirdischer Leitungen zu fordern. Anfangs lehnte
dieser das Verlangen ab, indem er das Polizei-Amt aufforderte, den
betreffenden Hausbewohnern das Ablassen unreiner Wässer in die Strassen-
rinnen zu verbieten. Allein dieser Standpunkt konnte natürlich nicht
geltend bleiben und der Magistrat sah sich veranlasst, mit der Berliner
Firma A. Aird wegen Aufstellung eines Projects für die Entwässerung der
bebauten Stadt durch unterirdische Leituugen in Verhandlung zu treten.
Im April 1873 wurde bereits ein solches Project vorgelegt, welches davon
Vierteljahmchrirt für Gesundheitspflege, 1887. 37
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578
Kühn,
ausging, dass alles Meteor- nnd Hauswasser mit Ausschluss menschlicher
und thierischer Fficalien durch die Leitungen nach der Spree bezw. nach
dem Landwehrcanal abgeführt werden sollte. Das Project musste ganz
ohne Berücksichtigung der weiteren Zukunft aufgestellt werden, da die
Billigkeit als die Hauptsache angesehen wurde. Es wies 15 713 laufende
Meter Thonrohrleitnngen und 56S laufende Meter Canäle 0*8/1*25 m auf
und sollte mit Binnenschächten und Revisionsbrunnen 145624 Mark kosten.
Bei der Berathung im Schoosse der städtischen Verwaltung begegnete
das Project aber vielen Bedenken, besonders der Geldpunkt wirkte ab¬
schreckend und die Zahl derer war noch gross, welche, im Banne alter
Gewohnheiten, die von der Sanitätscommission behaupteteten Gefahren für
nicht thatsächlich ansahen. Es blieben daher die Verhandlungen mit der
Firma wegen Ausführung des ganzen Projects erfolglos und man begnügte
sich, einige besonders nothwendige Leitungen zu bauen.
Inzwischen hatte in Berlin bei der viel umstrittenen Frage der Städte¬
reinigung die Schwemmcanalisation gesiegt und von den Communalbehör-
den war die Ausführung des Radial-Systems III nach den Hobrecht’scben
Plänen beschlossen. Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn die Char¬
lottenburger Stadtverwaltung auf den Gedanken kam, die Losung der
eigenen Entwässerungsfrage für den bebauten, südlich von der Spree ge¬
legenen Stadttheil im Anschluss an die Berliner Canalisation zu suchen.
Man wurde in diesem Sinne im October 1874 bei dem Berliner Magistrat
vorstellig. Hierauf wurde jedoch erst im Januar 1876, weil die Verhand¬
lungen über die Bildung einer Provinz Berlin mit Einschluss aller Vor¬
orte nicht eher zum Abschluss — nnd zwar wie bekannt, zum negativen —
gelangten und auch grössere technische Vorarbeiten nöthig waren, Bescheid
dahin ertheilt, dass der Anschluss der Charlottenburger Entwässerung süd¬
lich der Spree an die Berliner im Allgemeinen unmöglich sei und nur der
Anschluss des südlich der Kurfürsten - Strasse um den Nollendorf - Platz
herum gelegenen Stadttheils seiner Zeit in nähere Erwägung gezogen
werden könnte.
Inzwischen war man, des Wartens müde, wieder auf das alte Aird’sche
Project zurückgekommen und hatte die Verhandlungen wegen Ausführung
desselben mit der genannten Firma im Juli 1875. von Heuern begonnen.
Jedoch die Ansichten von den Aufgaben einer Entwässerung hatten sich
inzwischen doch schon so geklärt und erweitert, dass man das alte Project
als ungenügend erkannte. Im December 1875 musste A. Aird dcsshalb
ein neues Project vorlegen, welches schon 20 807 laufende Meter Thonrohr¬
leitungen und 1680 laufende Meter gemauerte eiförmige Canäle bis zu
1*5 m Höhe aufwies und mit 751 617 Mark veranschlagt war. Charlotten¬
burg hatte um diese Zeit circa 25 000 Einwohner.
Die Verhandlungen über diese Vorlage zogen sich bis zum Jahre 1877
fast resultatlos hin und man begnügte sich so lange, an die bereits aus¬
geführten Leitungen einige andere, besonders nothwendige, aber nur den
augenblicklichen örtlich begrenzten Bedürfnissen dienende Ijeitungen anzu¬
flicken.
Beim Beginn des Jahres 1877 kam die Angelegenheit, nachdem in der
Stadtverwaltung an leitender Stelle ein Personenwechsel stattgefunden
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579
Canalisation der Stadt Charlottenburg.
hatte, mehr in Fluss. Damit die vorhandenen Leitungen nicht durch will¬
kürliche Benutzung ruinirt und die Brauchbarkeit der noch zu erbauenden
nicht in Gefahr gebracht würden, ging man 1877 zunächst an die admini¬
strative Organisation der ganzen Entwässerung und arbeitete ein Regulativ
aus, nach welchem der Anschluss von Grundstücken an die unterirdischen
Entwässerungen geregelt werden sollte. Darin heisst es:
§. la. Durch das Hausableitungsrohr darf nur Regenwasser, Haus- und
Wirthschaftswasser, unter Ausschluss thierischer und menschlicher Excre¬
mente, in die Stassenentwässerungen abgeleitet werden. Die auf den
Grundstücken vorhandenen Abtritts- und sonstigen Düngergruben dürfen in
keiner Weise mit der Hausentwässerung in Verbindung stehen oder ge¬
bracht werden. Bestehende Verbindungen sind bis zum 1. Juli 1878 zu
beseitigen.
Dieses Regulativ, welches für die Benutzung der unterirdischen Ent¬
wässerung eine jährliche Entschädigung festsetzte, im IJebrigen den
Anschluss eines Hauses in das Belieben des Besitzers stellte, genehmigten
die Stadtverordneten am 29. August und 12. September 1877 und er¬
mächtigten gleichzeitig den Magistrat, die Ausführung der Entwässerung
zu beginnen, und einer ständigen technischen Aufsicht zu unterstellen.
Die königliche Polizei-Direction als die Localaufsichtsbehörde erklärte
sich mit der Ausführung des Entwässerungsprojects einverstanden und
erliess im Einverständniss mit den Gemeindebehörden am 17. October 1877
eine Verordnung, deren §§. 1, 2 und 8 wie folgt lauten:
„ln denjenigen Stadttheilen und Strassen, welche mit unter¬
irdischen Entwässerungsanlagen versehen und durch Bekannt¬
machung der Unterzeichneten als solche bekannt gemacht worden
sind, finden die nachstehenden Bestimmungen Anwendung.
§. 2. Auf die Strasse darf kein Wasser abgeleitet werden ... etc.
§. 8. Die Anlegung von neuen Abtrittsgruben auf den in dem
§. 1 bezeichneten Grundstücken ist untersagt; bei Anlegung oder
Reparatur vorhandener ist Tonnensystem in Anwendung zu
bringen.“
Dieser §. 8 wurde, obwohl geregelte Abfuhr noch gar nicht in Frage
stand, unter dem Einfluss der Polizei-Verordnung des königlichen Polizei-
Präsidiums von Berlin vom 11. bis 13. December 1875, betreffend die
Abtrittsgruben in den an die Canalisation angeschlossenen Stadttheilen,
erlassen.
Die §§. 1 und 3 der letzteren lauten nämlich:
„§. 1. Auf den Grundstücken deijenigen Strassenstrecken,
welche durch öffentliche Bekanntmachung des Polizei-Präsidiums
als solche bezeichnet worden sind und in Zukunft werden bezeichnet
werden, in denen die neue Canalisation zur Ausführung gelangt, sind
die vorhandenen Abtrittsgruben innerhalb Jahresfrist zu beseitigen.
§. 3. Abtritte mit Tonneneinrichtung, jedoch ohne Grube,
werden, sofern sie nach baupolizeilicher Vorschrift hergestellt sind,
durch das Verbot des §. 1 nicht betroffen.“
Jetzt schien die Angelegenheit in gute Wege geleitet zu sein und dio
Arbeiten der Bauausführung wurden begonnen.
37*
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Kühn,
Inzwischen war anlässlich einiger Specialfälle (Cöln und Stettin) das
Circular-Rescript der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten,
des Inneren, der Landwirtschaft und der geistlichen etc. Angelegenheiten
vom 1. September 1877 ergangen, welches sich, gestützt auf ein von der
wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen unter dem 2. Mai 1877
erstattetes Gutachten gegen die Einführung von Abtritttsstoffen, insbesondere
auch des Inhalts von Wasserclosets, in die öffentlichen Wasserläufe un¬
bedingt aussprechend, die Regierungen an wies, fortan kein Ganalisations-
Project, zufolge dessen unreine Flüssigkeiten den öffentlichen Wasserläufen
zugeführt werden sollten, zu genehmigen, ohne vorher die ministerielle
Entscheidung eingeholt zu haben. In Folge dessen forderte die königliche
Regierung in Potsdam den Magistrat im December 1877 auf, über den
Umfang und die Bedeutung der Entwässerungsanlagen zu berichten, und
eröffnete demselben schon am 31. Januar 1878, dass es zur Ausführung
der betreffenden Anlagen, insofern es sich um die Ableitung des Haus- und
Wirthschaftswassers in die Spree handele, der höheren Genehmigung bedürfe.
Damit gerieth die Angelegenheit der Entwässerung Charlottenburgs
wieder ins Stocken. Die Bauausführungen mussten eingestellt werden.
Am 8. Juli wurde sodann das ganze Project und die neu angefertigten
Pläne aller bereits vorhandenen Leitungen der Regierung mit der Bitte
vorgelegt:
„Die höhere Genehmigung zur Einleitung der Haus- und
Wirth8chaftswä88er in die Strassenentwässerungen nach Maassgabe
der Polizei-Verordnung vom 17. October 1877 zu befürworten.“
In den Erläuterungen wurde hervorgehoben, dass die Einrichtungen
zur Sammlung von menschlichen und thierischen Excrementen periodisch
controlirt und streng darüber gewacht werden solle, dass alle etwa wider¬
rechtlich vollzogenen Anschlüsse von Closets an die unterirdischen Ent¬
wässerungen baldigst beseitigt und die Uebelthäter bestraft werden würden.
Hierauf erging von maassgebender Stelle der wiederholte Bescheid,
dass zwar der Einleitung der Haus- und WirthschafbsWässer in die Spree
nach Maassgabe der mehrgenannten Polizei-Verordnung nicht grundsätzlich
entgegengetreten werden solle, dass aber als Vorbedingung die Einführung
eines geordneten Abfuhrsystems unter polizeilicher Ueberwachung
gestellt werden müsse. Ferner wurde darauf aufmerksam gemacht, dass
ausserdem noch Einrichtungen zur Klärung und Reinigung der Wirthschafts-
wässer vor ihrem Einfluss in die Spree zu treffen sein würden. Der
Magistrat wurde aufgefordert, einen entsprechenden Organisationsplan vor¬
zulegen.
Nun begann dann wiederum eine lange Reihe von Verhandlungen
zwischen dem Magistrat, unterstützt durch die zur Bearbeitung dieser
Frage eingesetzte Deputation einerseits, und der königlichen Polizei-Direction
andererseits, und es wurde im August 1881, zunächst einseitig vom Magistrat,
a) der Entwurf eines Statuts, betreffend die Reinigung der
Abtritte;
b) der Entwurf eines Vertrages der Stadtgemeinde mit einem
Abfuhrunternehmer
zu Stande gebracht.
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Canalisation der Stadt Charlottenburg. 5SI
Bei dem Entwürfe ad a) waren besonders folgende Gesichtspunkte
maa88gebend gewesen:
Das Ortsstatut betreffend die Abfuhr wird vorläufig nur auf die mit
unterirdischer Entwässerung versehenen Strassen mit etwa 17 500 Ein¬
wohnern ausgedehnt. Die Gesammteinwohnerzahl beträgt etwa 30 000.
Man will den Hausbesitzern überlassen, zwischen Tonnen und Gruben zu
wählen mit der Maassgabe, dass diese Einrichtungen den näher bezeichneten,
auf Undurchlässigkeit und luftdichten Verschluss abzielenden Vorschriften
genügen müssen. Die Abfuhr soll von der Stadt an einen Unternehmer
übertragen werden, jedoch soll denjenigen Hausbesitern die Entleerung
ihrer Abtrittsanlagen freistehen, welche es behufs Verwerthnng der Dünger¬
stoffe in eigenen landwirtschaftlichen Betrieben ausdrücklich wünschen.
Es wird gestattet, in die Abtrittsanlagen ausser den menschlichen Excre¬
menten auch reinen tierischen Dünger, mit Ausschluss des Pferdedüngers,
sowie nicht feste Schlachtabgänge, einzuführen. Die Einführung aller
sonstigen flüssigen und festen Stoffe wird, abgesehen von Spülung und
Desinficirung, untersagt.
Spülclosets sollen also zugelassen werden und es wird bestimmt,
mit Vorbehalt von Ausnahmen, welche von der Polizei nachgelassen werden
dürfen, dass die Reinigung
der Gruben ohne Spülclosets von drei zu drei Monaten,
der Gruben mit Spülclosets allmonatlich,
der Tonnen wöchentlich.erfolgen soll.
Der Entwurf zu einem Vertrage mit einem Abfuhrunternehmer hatte
das leitende Princip, dass die Stadt die alleinige Geschäftsherrin sei und zu
den Hausbesitzern in kein aus dem Vertrage herzuleitendes rechtliches
Verhältniss träte. Der Unternehmer wird Eigenthümer des Inhalts der
Abtrittsanlagen. Er hat für Beseitigung desselben nach polizeilichen
Vorschriften zu sorgen. Alle Geräthe, auch die Tonnen, muss der Unter¬
nehmer Vorhalten. Die Bezahlung erfolgt per Cubikmeter der zu besei¬
tigenden Masse.
Die königliche Polizei • Direction versagte dem Entwürfe ad a) ihre
Zustimmung, verlangte vielmehr die Aufrechterhaltung des §. 8 der Polizei-
Verordnung vom 17. October 1877, wonach bei Neu- und Umbauten nur
noch Tonnenabtritte eingerichtet werden durften.
Hiergegen sträubten sich Magistrat und Bürgerschaft mit aller Macht,
einmal, weil schon über 1000 Gruben existirten, besonders aber, weil man
dann auf Spülclosets ganz verzichten zu müssen behauptete. Am laute¬
sten waren die Klagen aller derjenigen Grundbesitzer, welche in der Nähe
der Kurfürsten -Strasse nach Berliner Muster bauen wollten und welche
erklärten, dass sie in Häusern mit Tonnenabtrittsanlagen überhaupt Miether
nicht bekommen würden. So kam es, dass der Magistrat den Entwurf für
das Ortsstatut von 1881 der Stadtverordneten-Versammlung dennoch im
März 1882 vorlegte und die letztere denselben mit unwesentlichen Aende-
rungen annahm.
Das Entwässerungsproject war inzwischen von einem anderen Techniker
ganz umgearbeitet worden. Derselbe hatte den grössten Theil des südlich
der Spree bezw. des Schifffahrtscanals gelegenen, im Westen von der Ring-
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Kühn,
bahn begrenzten Stadtgebiets berücksichtigt und in drei Systeme zerlegt,
deren Grenzen natürlich von der Weichbildsgrenze nach der Spree resp.
nach dem Canal, also etwa von Süden nach Norden, gingen. Bezüglich der
Annahme für das abzuführende Regenwassermaxiinum hatte der Verfasser
die Hälfte der Berliner Annahmon für ausreichend erachtet. Auch
sollte in jeder Strasse, mit Ausnahme der grossen Avenüen, nur je eine
Leitung gelegt werden. Die Wässer sollten direct und ohne Weiteres
der Spree bezw. dem Schifffahrtscanal zugeführt werden.
Das Project umfasste die Entwässerung yon circa 570 ha und schloss
ira Kostenanschläge mit 2 262 000 Mark ab.
Für das Ortsstatut und das Entwässerungsproject wurde nun die Ge¬
nehmigung erbeten; die Aufsichtsbehörden sprachen sich indessen dahin aus,
dass ein gemischtes System durchaus unzulässig sei, weil das Grubensystem
mit Beibehaltung von Spülclosets die Gefahr zu nahe rücke, dass trotz aller
polizeilichen Controle und trotz nach Maassgabe des vorgelegten Statuts
geregelter Abfuhr von den Gruben nach den unterirdischen Entwässerungen
Ueberlaufleitungen gemacht würden.
Ein Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal-
wesen vom 21. Juni 1882 über den obigen Entwurf des Ortsstatuts und das
vorgelegte Entwässerungsproject betont zunächst in letzterer Be¬
ziehung die im Project nicht vorgesehene Einrichtung centraler Reinigungs¬
anlagen, indem sie ausführt:
„ Die Anwendung von irgend welchen sogenannten Desinfections-
stoffen zur Klärung und Reinigung der Schmutzwässer jedes
einzelnen Hauses in den Schlammfangen desselben, welche im
Wesentlichen der Gewissenhaftigkeit und Sorgsamkeit der Haus¬
besitzer überlassen bleiben müsste und sich nur sehr schwer in
ausreichendem Maasse controliren lassen würde, erregt uns um so
grössere Bedenken, als wir schon mehrfach in anderen von uns
abgegebenen Gutachten erwiesen haben, dass diese Haus- und
Wirthschaftswässer, selbst bei zweckmässiger geregelter Abfuhr
und möglichst strenger Durchführung des Verbots der Zuleitung
von Fäcalien, erfahrungsmässig von letzteren nicht frei zu halteu
sind, vielmehr ein Theil des Kothes und sehr bedeutende Mengen
von Urin denselben beigemischt werden. Unter diesen Umständen
müssten centrale Anlagen für die Reinigung des Inhalts der
Canäle, der vor seiner Einleitung in die Spree oder den Schifffahrts¬
canal an einem oder einigen Punkten vorher zu sammeln wäre,
für erforderlich erachtet werden.“
Dann fährt die Deputation in ihrem Gutachten fort:
„Hierdurch aber würden die Schwierigkeiten, welche sich schon
jetzt dem Plane, die Excremente und die Wirthschafts- nebst
Hauswässer auf besonderen Wegen zu entfernen, entgegen gestellt
haben, noch bedeutend erhöht und namentlich die Kosten viel
grösser werden, als es der Magistrat von Charlöttenburg sich vor¬
zustellen scheint. Ebensowenig können wir die betreffs der Abfuhr
der Excremente von dem Magistrate zu Charlottenburg aufgestellten
Projecte vom sanitären Standpunkte billigen und können das von
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Canalisation der Stadt Charlottenburg.
ihm in Aussicht genommene Abfuhrsystem keineswegs als ein
solches erachten, welches Sicherheit gewahrt, dass wenigstens der
den Umständen nach grösstmögüchste Theil der Fäcalien und des
Urins wirklich abgefahren wird und die Bedingung erfüllt, unter
welcher allein eine Ableitung der Wirthschafts- und Hauswässer
• in die öffentlichen Wasserläufe genehmigt werden könnte. Unter
diesen Umständen können wir uns der Ueberzeugung nicht ver-
schliessen, dass die Einrichtung einer Schwemm-Canalisa-
tion allein im Stande wäre, die Forderungen zu erfüllen,
welche vom sanitären Standpunkte aus gestellt werden müssen.“
Auf Grund dieses Gutachtens verlangt man von dem Magistrat zu
Ch&rlottenburg die Vorlegung eines neuen Entwässerungs-Projectes, sowie
die völlige Umarbeitung des Abfuhr-Prqjectes, falls derselbe nicht vorziehen
sollte, der Verwirklichung des Schwemm-Canalisations-Projectes näher zu
treten.
Der Magistrat wie die Bürgerschaft waren aber noch von der Ueber-
zeugung durchdrungen, dass das Schwemmcanalisationssystem aus finanziellen
Gründen undurchführbar sei und dass eine Beschäftigung mit demselben
einer dilatorischen Behandlung der Frage gleichkommen würde. Da aber
eine dilatorische Behandlung der Entwässerungsfrage nach der einmüthigen
Ansicht Aller für die Entwickelung der Stadt geradezu als verderblich an¬
gesehen wurde, bat der Magistrat höheren Orts um Anweisung über die
Beschaffenheit einer centralen Klärungsanlage und arbeitete Statut und
Polizei-Verordnung auf den Tonnenzwang unter Ausschluss von Wasser¬
closets um. Die Stadtverordneten-Versammlung nahm die entsprechende
Vorlage am 7. Februar 1883 mit der ausdrücklichen Erklärung an:
„die Stadt befindet sich in einer Zwangslage und sieht aus
diesem Grunde von Einwendungen gegen die Vorlage ab“
und beschloss ausserdem:
„die Einrichtung des Liernur’schen Systems finanziell und
der Anlage nach zu prüfen, da sie das Rohrsystem, als der Zukunft
Charlottenburgs entsprechend, nicht aus dem Auge verlieren möchte“.
Statut und Polizeiverordnung gelangten abermals an die wissenschaftliche
Deputation für das Medicinalwesen, welche unter wiederholter principieller
Befürwortung der Schwemmcanalisation nur unerhebliche Ausstellungen
machte. Zu erwähnen ist nachstehender Abschnitt des Gutachtens vom
1. August 1883:
„Die Abfuhr der Tonnen soll unter Benutzung von Wechsel-
tonnen in der Regel wöchentlich einmal stattfinden.
Hierzu bemerken wir, dass im sanitären Interesse ein möglichst
häufiger Wechsel der Tonnen zu wünschen ist und es daher dringend
empfohlen werden muss, anzuordnen, dass die Abfuhr der Tonnen
zweimal wöchentlich erfolge, wenn nicht die Verhältnisse die da¬
durch allerdings bedingte, nicht unerhebliche Steigerung der
Kosten entschieden ausschliessen.“
Und ferner:
„Was das Verbot der Wasserclosets im §. 1 der Polizeiver¬
ordnung betrifft, so wäre bestimmt auszusprechen, dass, wie wir
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Kölin,
annehmen, Tonnen-Abtritte mit einer Einrichtung zur Spülung der
Trichter und Rohre, behufs Reinhaltung derselben, wobei das
Spülwasser in die Tonnen läuft, nicht als Wasserclosets anzuseheo
sind. Eine solche Einrichtung der Tonnen-Abtritte, wie sie auch
in Heidelberg mehrfach zu finden ist, ist im sanitären Interesse
sehr zu empfehlen. Dieselbe obligatorisch zu machen, wird, so
wünschenswert!! es wäre, nicht wohl möglich sein, weil sie bei viel
benutzten Abtritten von grösseren Miethswohnungen leicht mannig¬
fache Missständ© im Gefolge haben könnte und ausserdem wegen
der viel schnelleren Füllung der Tonnen die Abfuhr viel häufiger
erfolgen müsste und somit viel theurer würde.“
Die nunmehr nochmals raodificirten Satzungen führten endlich zur
Bestätigung des Statuts unter dem 3. Juni 1884.
Die Publication erfolgte am 9. August 1884.
Aus den bisherigen Schilderungen gehen zwei Thatsachen von besonderer
Wichtigkeit hervor, nämlich erstens, dass, trotz ortsstatutarischer Ab¬
haltung der Excremente von den Leitungen, für Haus- und
Regenwasser allein dennoch centrale Reinigungs-Anlagen noth-
wendig sind, und zweitens, dass sowohl die Bürgerschaft von Charlotten¬
burg für die Salubrität ihrer Wohnungen, als besonders die aufsichtführenden
Instanzen im sanitären Interesse das Wassercloset bei den Abtrittsanlagen
als das einzig richtige Mittel ansehen und nur darauf verzichten zu müssen
glauben, weil die Durchführung desselben zu kostspielig erscheint. Ueber
die Mangelhaftigkeit aller übrigen Anlagen ohne Spülcloset herrscht
eine Stimme.
Charakteristisch für die allgemeine Stimmung, diese Frage betreffend,
in deutschen Städten ist der Apell des deutschen Landwirthschaftsraths an
die Städte vom Jahre 1881, mit welchem der Abdruck des in der IX. Plenar¬
versammlung gehaltenen Vortrages des Herrn Oeconomieraths Bürsten¬
binder versandt wurde. In diesem Vortrage wird unter Betonung des
Abfuhrsystems als des einzigen, welches ausser dem Li er nur* sehen System
den landwirtschaftlichen Interessen genüge, der Hoffnung Ausdruck ge¬
geben, dass durch die immer häufigere Anwendung der geregelten Abfuhr
der Gefahr vorgebeugt werde, dass durch die Ueberhandnahme der
WasBerclosets die Städte schliesslich der Schwemmcanalisation
nicht mehr entgehen konnten.
So berechtigt der Wunsch der Landwirthe in ihrem Interesse immer
ist, so wenig werden alle grösseren Städte im Interesse ihrer Gesundheit
unß. mit Rücksicht auf die sich immer mehr steigernden Ansprüche an
Salubrität auf die Wasserclosets ganz verzichten wollen, und die Befürchtung
des Herrn Dr. Bürstenbinder ist begründet, auch diejenigen grösseren
Städte, die heute noch geregelte Abfuhr haben, werden auf die Dauer der
Schwemmcanalisation nicht entgehen.
Anlangend die centrale Reinigungsanlage, so hatte, wie schon erwähnt,
der Magistrat bei dem Mangel irgend eines Vorbildes um Anweisung über
die Beschaffenheit einer solchen Anlage gebeten.
In Folge dessen wurde dem Magistrate ein bezügliches Gutachten der
Königlichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen vom
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Canalisation der Stadt Charlottenburg.
28. November 1882 mitgetheilt, welches in erster Reibe die Anwendung
der Süvern’schen Mittel empfiehlt, wobei, wie bekannt, in der Hauptsache
Kalk, Steinkohlentheer und Chlormagnesium verwendet wird. Da aber
dieses Mittel im grösseren Maassstahe noch nirgend verwendet war, empfiehlt
das Gutachten in zweiter Linie die Verwendung von eisenhaltiger schwefel¬
saurer Tbonerde nach Analogie des Lindley’sehen Verfahrens nnd ver¬
weist in hantechnischer Beziehung auf das Project des Stadtbauraths
Lind ley, welches von demselben im Aufträge des Magistrats von Frank¬
furt a. M. zur Reinigung der Abwässer der dortigen Schwemmcanalisation
der Zeit schon aufgestellt war und von welchem die Deputation vor Ab¬
gabe des Gutachtens Einsicht genommen hatte.
„Das genannte Mittel — heisst es dann — ist eben so wenig
wie das Süvern’sche ausreichend, um Canalwässer, denen Koth
und Urin einer städtischen Bevölkerung beigemischt ist, genügend
zu reinigen, wird aber für die Reinigung von Haus- und Wirth-
schaftswässern genügen.“
„Ausserdem können wir nicht umhin, auf das neuere Dr. Petri’-
sche Verfahren aufmerksam zu machen, mit welchem im Laufe
dieses Herbstes Versuche im grösseren Umfange in einer hierzu
hergerichteten Anlage in der Nähe der Strafanstalt am Plötzensee
angestellt worden sind. Dasselbe beruht auf einer Verbindung der
Präcipitation mit Filtration.“
In Folge dieser Zuschrift nahmen Mitglieder der städtischen Körper¬
schaften eine Besichtigung der Petri’schen Anlage bei Plötzensee vor. Das¬
selbe machte aber einen so ungünstigen Eindruck, dass von weiterer Ver¬
folgung eines Versuches mit demselben von vornherein Abstand genommen
wurde.
Wie bekannt, hat Herr Dr. Petri später T)ei Marienfelde eine zweite
Versuchsstation erbaut und vom Magistrat zu Berlin die Erlaubnis erhalten,
aus dem bei der Anstalt vorübergehenden Druckrohre Schmutzwässer ent¬
nehmen zu dürfen. Diese Versuche lenkten seiner Zeit die allgemeine Auf¬
merksamkeit der interessirten Kreise auf sich und Dr. Petri wusste durch
seine verführerischen Rentabilitätsberechnungen, wobei der theoretische
Düngerwerth der gewonnenen Rückstände fast ohne Abzug in Ansatz ge¬
bracht wurde, derart Reclame zu machen, dass der Magistrat von Berlin
sich veranlasst sah, zur Beruhigung der Gemüther eine Denkschrift aus¬
arbeiten zu lassen. In dieser wurde der Nachweis geführt, dass die Ver¬
wendung des Petri’schen Verfahrens, sowie aller anderen Verfahren, welche
die Reinigung der Ahwässser mittelst Präcipitation in Klärbassins anstreben,
für Berlin ganz ungeheure, die Ausgaben für Reinigung mittelst Riesel¬
feldern weit übersteigende Kosten verursachen würde.
Der Bericht ist von der Deputation für die Verwaltung der städtischen
Canalisationswerke zu Berlin erstattet und 1886 erschienen.
Es heisst darin:
„Hiernach stellen sich die Kosten der Gesammt-Bauanlage
(unter der Voraussetzung, dass die Klärbassins auf den Riesel¬
feldern erbaut werden müssten) bei 120 000 cbm Canalwasser täg¬
lich auf 5400000 Mark und die Betriebskosten auf 3 540750 Mark
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Köhn,
pro Jahr, zu letzterer Summe die Zinsen obiger 5 400 000 Mark
hinzugerechnet, ergiebt rund 3700000 Mark. u
*Da die Rieselgüter jetzt an Verzinsung 700000 Mark, an Be«
triebszuschuss nichts, in Summa 700000 Mark erfordern, so stellt
sich heraus f dass die Rieselfeldanlage jährlich rot. 3 000 000 Mark
weniger kostet, als eine Desinfectionsanlage. Wird in Vorschlag
gebracht, die Klärbassins in Berlin selbst anznlegen, um Pump¬
station und Druckrohr zu sparen, so ist dem gegenüber darauf hin¬
zuweisen, dass zum Zwecke der Desinfection eine Pumpstation
immer erforderlich ist, wenn auch die Anzahl der Pferdestärken
eine geringere sein kann; dann, dass obige Berechnung sich da¬
durch ändert, dass der Grund- und Boden-Preis sich nicht auf
600 Mark pro Morgen, sondern auf 600 Mark pro Quadratruthe,
also nahezu 200mal theurer stellen würde, d. h. statt 12000 Mark
für Grunderwerb würden 2 400 000 Mark für eine Bassinanlage,
und für alle nöthigen Bassins 5.2 400 000 = 12 000 000 Mark
einzusetzen sein, während die Druckrohrleitungen, welche in diesem
Falle erspart werden würden, nur 5 700000 Mark Kosten erfordert
haben. Zum Schluss möchten wir nicht unterlassen, darauf hin¬
zuweisen, dass Rieselgüter eine nützliche Anlage im öffentlichen
Interesse sind, durch welche Lebensmittel producirt werden, dass
ferner, nachdem der BetriebBzuscliuss auf Null reducirt ist, an¬
genommen werden kann, es werde sich auch eine Einnahme aus
dem Betriebe entwickeln; ferner, dass umgekehrt bei einer Des¬
infectionsanlage die Verhältnisse in sanitärer und finanzieller Be¬
ziehung sich unablässig verschlechtern müssen und werden. Die
Halden der zusammengefahrenen Sedimente werden wachsen und
wachsen; sie werden Luft und Umgegend im steigenden Maasse
verschlechtern und mit den wachsenden Uebelständen und Be¬
schwerden werden neue kostspielige Abhülfsmittel vorgeschlagen,
gefordert und ausgeführt werden/
In der That, jeder Bauingenieur, der die Anlage in Marienfelde in
Augenschein nimmt, welche aus einem System offener Bassins, in denen
durch Zusatz von Chemikalien das Wasser geklärt wird, ausserdem aus
offenen Torffiltern, in denen die Schlussreinigung, besonders die Ausschei¬
dung von Ammoniak, vollzogen werden soll, besteht, wird bald die Ueber-
zeugung gewinnen, dass die Uebertragung dieser Anlage auf grosse Ver¬
hältnisse aus betriebstechnischen und finanziellen Gründen rein unmöglich
ist. Denn würde man Bassins und Filter offen lassen, so würde der Be¬
trieb bei strenger Kälte sicher undurchführbar sein, und überdeckte man
die Bassins zum Schutze vor Frost, so würde die Anlage noch ungeheurere
Summen erfordern.
Es sind im Laufe der Zeit einige andere Verfahren erfunden und zum
Theil auch zur Ausführung gebracht, wie das Müller-Nahnsen’sche in
HaHe und das Röckner-Rothe’sche in Essen, welche die bautechnische
Seite der Frage in so unvergleichlich viel geschickterer Weise lösen, dass
das Petri’sehe Verfahren in der jetzigen Gestalt bei der Städtereinigung
nicht mehr in ernstliche Concurrenz treten kann.
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Canalisation der. Stadt Charlotten bürg.
Zurückkehrend zu der Schilderung, welche Entwickelung die Frage in
Charlotteuburg nahm, ist zu sagen, wie es natürlich war, dass sich der mit
der Projectirung einer centralen Klärungsanlage betraute Techniker an das
Frankfurter Project anschloss, weil in Deutschland andere grössere Ent¬
würfe oder fertige Anlagen nicht Vorlagen und Lindley die in mehreren
englischen Städten damals schon im Gebrauch befindlichen Anlagen besich¬
tigt und entsprechend benutzt hatte.
Die Verfolgung des Gedankens, die Reinigungsanlagen als schwimmende
Gefäs8e zu construiren, welche an der Ausmündung der Canäle in der Spree
aufzustellen wären und in denen sodann der bei der Präcipitation gewonnene
Schlamm gleich an eventuelle Verwendungsstellen gefahren werden sollte,
führte zu einem negativen Resultate.
Der nach Analogie des Frankfurter Projects aufgestellte Entwurf
schloss unter Berücksichtigung einer Dampfhebemaschiue im Kosten¬
anschläge mit rot. 450000 Mark excl. Grunderwerb ab, während die jähr¬
lichen Betriebskosten bei einer täglich zu reinigenden Wassermenge von
7000 cbm, incl. Amortisation und Verzinsung des Anlagecapitals und Vor¬
haltung eines Abfuhrparkes zur Beseitigung des Schlammes, auf 150 000 M.
berechnet wurden. Dieses Ergebniss wirkte natürlich im höchsten Maasse
entmuthigend.
Bezüglich der Abfuhr, die, wie geschildert, zwar auf dem Papier orga-
nisirt und durch Veröffentlichung zum Ortsgesetz erhoben war, fehlte es
gänzlich an Erfahrungen in praktischer Beziehung. Es beschlossen daher
die Communalbehörden, den Bürgermeister Fritsche und Stadtbaurath
Brat ring nach Süd-Deutschland zu deputiren, wo in einigen grösseren
Städten das Abfuhrsystem schon seit einigen Jahren organisirt und im Be¬
triebe war.
Diese Reise wurde im Herbste 1884 ausgeführt und von beiden Herren
ausführlich Bericht erstattet.
Es fehlt hier der Raum, die Berichte in exteuso wiederzugeben, und
es mag daher ein Excerpt in gedrängter Kürze genügen.
Die Stadt Wiesbaden — 50000 Einwohner — hat ein ausgedehntes
Canalnetz von ca. 25000 lfd. Meter zur Abführung der Haus- und Wirth-
schaftswässer. Die menschlichen Excremente sollen ortsstatutarisch in
wasserdichten Gruben gesammelt werden und es existiren drei polizeilich
concessionirte Privatabfuhrgesellschaften. Die Entleerung soll jährlich
2- bis 3mal erfolgen und darf im Sommer nur Nachts vorgenommen werden.
Die Vorrichtungen sind primitiver Natur. In mehr als 2000 Häusern be¬
finden sich Wasserclosets, welche ihre Stoffe in die Gruben abführen.
Diese Gruben haben notorisch fast durchweg Oberabläufe in das Canalnetz.
In Folge dessen sind im Laufe der Zeit in dem*Recipienten, dem soge¬
nannten Salzbache, welcher sich etwa 5 km von Wiesbaden bei Biebrich
in den Rhein ergiesst, so scheussliche Zustände hervorgerufen, dass die
Regierung die Einführung eines geregelten Reinigungsverfahrens vor¬
geschrieben hat.
Ein Project zur Anlage einer Reinigungsanstalt ist bereits aufgestellt
und es soll Kalk und schwefelsaure Thouerde als Fällungsmittel verwendet
werden.
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Köhu,
Also von einem geregelten Abfuhrsystem nach Maassgabe der für
Charlottenburg erlassenen Vorschriften, und von Fernhaltung der mensch¬
lichen Excremente von den Canalleitungen ist keine Rede, man wird viel¬
mehr an die erwähnte Befürchtung des Herrn Vortragenden ans der
IX. Plenarsitzung des deutschen Landwirthschaftsraths erinüert, dass bei
der Ueberhandnahme der Wasserclosets die Stadt schliesslich der Schwemm-
canalisation nicht mehr entgehen kann.
Die Stadt Karlsruhe (50 000 Einwohner) hat ebenfalls ein ausgedehntes
Canalnetz, dessen Hauptsammler ein überwölbter Bach ist, der quer durch
die Häuserquartiere geht. Dieser Canal hat eine lichte Breite von 5*20 m,
reicht aber wegen seiner zu hohen Sohlenlage dennoch nicht aus, so dass
ein Umbau (Tieferlegung der Sohle) im Werke ist.
Auch hier zeigt sich wieder, wie schwer ein Gemeinwesen für Jahr¬
zehnte geschädigt wird, wenn die Canalisationsanlage mit zu engherziger
Auffassung der dem Canalnetze zu übertragenden Aufgabe und ohne die
gründlichsten Vorarbeiten ausgeführt wird. Für die Beseitigung der
menschlichen Excremente ist geregelte Abfuhr und das Grubensystem durch¬
geführt. Die Stadt hat mit einem Unternehmer Vertrag geschlossen, wonach
derselbe die Gruben auf pneumatischem Wege entleeren muss und als Ent¬
schädigung pro Cubikmeter 80 Pfennig erhält. Die Messung des Inhalts
erfolgt im Wagen.
Die Entleerung soll im Allgemeinen am Tage stattfinden. Während
der Entleerung wird in der Grube fortgesetzt gerührt, so dass in den
Häusern ein intensiver Gestank entsteht, der sich erst nach Verlauf von
etwa einer Stunde verzieht. Sind viel feste Stoffe in der Grube, so werden
dieselben auf Verlangen des Hausbesitzers dann aber in der Nacht abgeholt,
indem ein Mann in die Grube steigt und den Inhalt mittelst Schippe in
ein Fass füllt. Der Unternehmer soll im Allgemeinen die Abfuhr zur Zu¬
friedenheit besorgen. Als aber vor einiger Zeit die Cholera drohte, ent¬
stand eine gewaltige Aufregung in der Bevölkerung, weil den gesteigerten
Ansprüchen der Hausbesitzer auf Reinigung der Gruben bei weitem nicht
entsprochen werden konnte.
Zur Zeit der Besichtigung fand eine Reinigung der in das Canalnetz
abgeführten Wässer vor Einmündung in den Rhein noch nicht statt, es
erscheint jedoch, da in Karlsruhe auch Wasserclosets zulässig sind und eine
grosse Anzahl von solchen schon existirt, nur eine Frage der Zeit zu sein,
dass die Aufsichtsbehörden eine solche verlangen.
Aus dem §.13 des Vertrages mit dem Abfuhrunternehmer geht übri¬
gens hervor, dass an eine AenderuDg des Systems beim Vertragsabschluss
gedacht ist, obwohl die Vertragsdauer nur 10 Jahre (bis 1890) beträgt,
denn der gedachte Paragraph lautet:
„Wenn in der Vertragszeit durch Beseitigung des Gruben¬
systems die Zahl der Gruben auf weniger als 1400 Häuser be¬
schränkt werden sollte, so ist der Unternehmer in billiger Weise
schadlos zu halten etc. u
Hervorgehoben zu werden verdient noch, dass in Karlsruhe im Durch¬
schnitt etwa 21 Bewohner auf ein Grundstück kommen, während bei der
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Canalisation der Stadt Charlottenburg. 589
in Charlottenburg zu erwartenden Bebauungsart etwa 50 bis 60 zu rechnen
sein werden.
ln Freiburg i. Br. (40 000 Einwohner) ist das Grubensystem zur Be¬
seitigung der menschlichen Excremente gleichfalls vorherrschend. Die
Fäcalien werden von einem mit der Stadt im Vertrags verhältniss stehenden
Unternehmer mittelst pneumatischer EntleerungsVorrichtungen abgefahren
und in einer nahe der Stadt gelegenen Pudrettefabrik verarbeitet. Die Ab¬
fuhrgebühr beträgt pro Cubikmeter 62 Pfennig.
Nach der Angabe des Magistrats entsteht aus der Nähe der Anlage bei
der Stadt häufig arge Belästigung. Ueber den finanziellen Erfolg der
Fabrik, welche auch den Abfuhrunternehmern (Buhl und Keller) gehört
und in welcher nach einem patentirten Verfahren gearbeitet wird (vergl.
Zeitschrift deutach. Ingenieure 1883, Bericht des Professor Dr. En gl er)
ist Sicheres nicht bekannt. Das aus der Fabrik abgeleitete Wasser war sehr
gefärbt, und bedurfte jedenfalls der nochmaligen Reinigung. Eine grosse
Anzahl von Häusern, in denen Spülclosets sind, hat man an die unter¬
irdischen Canäle an geschlossen, deren Wasser 2 km unterhalb der Stadt auf
Riesel wiesen gereinigt wird.
In Augsburg (65 000 Einwohner) ebenso wie in Heidelberg (25000 Ein¬
wohner) fand man das Tonnensystem relativ gut organisirt und recht all¬
gemein , wenn auch noch lange nicht durchweg eingefübrt. Während in
Augsburg die Verarbeitung der Fäcalien in der seit 1881 bestehenden
v. Podewils’sehen Pudrettefabrik geschieht, wird in Heidelberg der
Inhalt der Tonnen nach einem etwa 2 km von Heidelberg belegenen Depot
transportirt, wo eine Umschüttung in grössere Sammelwagen geschieht,
welche von den Bauern gern und gegen Zahlung abgeholt werden.
In Augsburg beträgt die Einwohnerzahl eines Hauses in der inneren
Stadt durchschnittlich 13*9, in der äusseren Stadt 17*0 Seelen, in Heidel¬
berg im Durchschnitt 20 Seelen.
Während im Anfang des Betriebes in Heidelberg die Betriebskosten
pro Kopf der in Häusern mit Tonneneinrichtung wohnenden Bewohner sich
auf 3*20 Mark (excl. Amortisation und Verzinsung des Anlagecapitals)
stellte, ermässigten sich die Kosten im Laufe der Zeit durch Ausdehnung
und Vervollkommnung des Betriebes auf rot. 2*25 Mark pro Kopf, wogegen
die baaren Einnahmen für den Verkauf von Dünger sich etwa auf 0*77 Pfeunig
berechnen, so dass noch 1*48 Mark pro Kopf baar zuzuscbiessen sind. In
Häusern, in denen Spülclosets sind, wo also die Abholung häufiger, als
wöchentlich einmal, erfolgen muss — eine Durchschnittszahl von 20 Seelen
pro Haus vorausgesetzt — verdoppeln sich die Betriebskosten, während sich
die Einnahmen für den durch Wasserzusatz minderwerth gemachten Dünger
verringern, beziehungsweise ganz ausfallen. Die durch das Canalnetz ab¬
geführten Wässer, welche trotz des Verbots in beiden Städten dennoch viel
Urin enthalten, werden in Augsburg dem Lech, beziehungsweise der Wertach,
in Heidelberg dem Neckar zugeführt. Wenn in Augsburg sich noch Uebel-
stände im grösseren Umfange nicht herausgestellt haben, so liegt es daran,
dass der Lech mit sehr erheblicher Geschwindigkeit (2*0 m pro Secunde)
bei Mittelwasser schon 100 cbm führt. Die Spree führt bei Niedrigwasser
etwa 15 cbm, bei Mittelwasser 42*5 cbm pro Secunde. Nun werden im
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Köhn,
Ganzen darob die Wasserleitung 140 Liter pro Secunde, also 12 096 cbm
pro Tag, in die Stadt befördert. Wenn man annimmt, dass diese Wasser¬
menge auch vollkommen wieder zura Abfluss gelangt, so ist das Verhält¬
nis von den Abwässern zum Lecbwasser noch wie 140 : 100 000 oder die
Verdünnung eine rund 715fache.
In Heidelberg, wo die Abwässer dem Neckar angeführt werden, ist die
Verunreinigung des linken Ufers sehr erheblich.
Es kann überhaupt nur als eine Frage der Zeit angesehen werden,
dass die in den beiden genannten Städten in Frage kommenden respectiven
Behörden dieselben Anforderungen stellen, wie sie für Charlottenburg ge¬
stellt sind, und dann kommen zu den Kosten der Abfuhr diejenigen der
centralen Reinigungsanlagen hinzu.
In Stuttgart (117000 Einwohner) kommen etwa 20 Personen auf ein
Haus. Es ist, wie bekannt, daselbst das Gruben System'fast durchweg im
Gebrauch. Die Abfuhr wird von der Stadt selbst besorgt. Von den Bericht¬
erstattern wird zunächst her vor gehoben, dass die Stadt 17 Jahre gebraucht
hat, um für die bestehende Organisation des Abfuhrwesens festen Fuss zu
fassen, und um den Absatz der Fäcalien über die nächste Umgebung her¬
aus auszudehnen. Zur Zeit jedoch sei der Absatz gesichert und der Betrieb
der Abfuhr der Fäcalien aus der Stadt musterhaft organisirt.
Die Entleerung der Abtrittsgruben erfolgt auf pneumatischem Wege,
indem in ein fahrbares eisernes Gefäss, welches durch eine Luftpumpe
luftleer gepumpt wird, mittelst eines in die Grube hineingelegten Schlauches
der Grubeninhalt durch den atmosphärischen Ueherdruck hineingedrückt
wird. Bezüglich des Eindruckes, welchen das Entleerungsgeschäft machte,
heisst es in dem Bericht des Bürgermeisters Fritsche wörtlich:
„In allen beobachteten Fällen musste der Schlauch durch den
Haupteingang und den Hausflur nach der etwa in der Mitte des Hauses
befindlichen Abtrittsgrube gelegt werden. Während Wagen und
Gerätschaften als sauber und geruchlos bezeichnet werden können
und bei dem Transport durch die Strassen Anstoss au erregen
nicht geeignet sind, entwickelte sich in Folge des Umrührens des
Grubeninhaltes im Hause selbst ein geradezu fürchterlicher Gestank,
der bis auf die Strasse drang, dort aber neue Nahrung fand, als
der Schlauch losgeschraubt wurde und die nicht aufgesogene aller¬
dings geringe Masse in den Reinigungseimer floss. Naturgemäss
verzog sich der Geruch auch wieder; immerhin war der Aufenthalt
in der engen Strasse an jenem drückend heissen Nachmittage sehr
unangenehm, da derselbe Hergang vor dem nächsten Hause sich
wiederholte. Uebrigens sind in Charlottenburg so schlechte bau¬
liche und räumliche Verhältnisse, wie in jener Strasse, nicht zu
finden. Mit wesentlich geringerer Belästigung vollzog sich die
Entleerung in einer neueren mit eleganten Häusern bestandenen
Strasse. Hier wurde das Haus nicht betreten, vielmehr der
Schlauch innerhalb des Zwischenraumes — die Baupolizeiordnung
schreibt zwischen je zwei neu zu errichtenden Wohngebäuden einen
Abstand von mindestens 2*90 m vor — in die ebenfalls in letzterem
belegene Grube geführt. Natürlich roch es bei dem Umrühren
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591
Canalisation der Stadt Charlottenburg.
und dem Abschranben des Schlauches ebenfalls sehr übel, aber
nicht so lange nnd so peinigend; es ist auch nicht Z 14 bezweifeln,
dass sich die Hausbewohner durch Schliessen der Abtrittdeckel,
Fenster und Thüren vor jeder Belästigung schützen könneu. u
Herr Fritsche kommt durch seine Beobachtung zu dem Schluss, dass
sich mit dem Grubensystem leidliche Zustände in Städten nur erzielen
lassen, wenn die Häuser raässig gross und hoch und nicht stark bevölkert
sind, und beide Berichterstatter drücken ihre einmüthige Ansicht dabin
aus, dass das Resultat der örtlichen Expertisen in den süddeutschen Städten
für Charlottenburg ein negatives sei. Denn wenn sich auch die Nachbil¬
dung des äusseren Abfuhrapparats nach den gemachten Erfahrungen be¬
wirken liesse und allenfalls auch für Charlottenburg erträgliche Zustände
erzielbar wären, so würden die zutreffenden Einrichtungen dennoch keine
Gewähr für die Salubrität innerhalb der Wohnstätten schaffen, mithin der
hauptsächlichste Theil der Aufgabe nicht gelöst sein und das um so mehr,
weil die baulichen Verhältnisse der besuchten süddeutschen Städte von
denen Charlottenburgs grundverschieden seien, nicht zu gedenken der Lage
und des Verhältnisses der Stadt zu der vorzugsweise auf diesem Gebiete
mustergültig ausgestatteten Reichshauptstadt.
Auch der Erfolg der iin August 1884, also noch vor der Reise der
genannten Herren, in 10 weit verbreiteten norddeutschen und süddeutschen
Zeitungen bewirkten Ausschreibung des Abfuhrunternehmens wirkte ent¬
mutigend.
Es gingen nämlich am 20 . October, dem letzten Tage der Frist, die
ersten beiden Bewerbungen ein, denen demnächst noch eine dritte Anmel¬
dung folgte, womit die Zahl der Bewerbungen überhaupt erschöpft war.
Die letzteren waren überdies im Wesentlichen nur unbestimmte, auf
specielle Verhandlungen abzielende Anerbietungen. Der eine Unternehmer
beabsichtigte den Vertrieb in die Nachbarschaft direct aus Sammelgruben,
welche naturgemäss an verschiedenen Stellen hätten angebracht werden
müssen. Der zweite Unternehmer wollte ausschliesslich per Bahn auf dem
Güterbahnhof Westend verfrachten und zwar den Inhalt der pneumatisch zu
entleerenden Gruben direct durch Umfüllen, während die Tonnen in eine
mit der Eisenbahn durch ein Nebengeleise zu verbindende Sammelgrube
umgestürzt werden sollten, von der aus die Eisenbahngefässe zu füllen
wären. Der dritte Unternehmer endlich war bereit, die Fäcalien in einer
gemäss §w 16 der Gewerbe-Ordnung im geordneten Beschlussverfahren zu
genehmigenden Anlage zu verarbeiten, wobei vorausgesetzt war, dass die
zuröckbleibenden Flüssigkeiten versickern, oder in die öffentlichen Wasser-
züge geleitet werden dürften.
Man nahm die Verhandlungen mit den Anbietern anf, führte sie aber,
wie sich aus den folgenden Schilderungen ergeben wird, nicht zu Ende.
Es mag nun gestattet sein, auf den oben erwähnten Stadtverordneten-
beschluBs vom 7. Februar 1883 zurückzukommen, in dem es heisst:
„Die Versammlung beschliesst, die Einrichtung des Liernur-
Systems finanziell und der Anlage nach zu prüfen, da sie das
Rohrsystem, als der Zukunft Charlottenburgs entsprechend, nicht
aus den Augen verlieren möchte.“
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Zu diesem Beschluss war die Versammlung gekommen durch die ver¬
führerischen Rentabilitätsberechnungen, welche von dem Vertreter dieses
Systems mittelst Eingaben und in Vorträgen schon seit Anfang 1878 ge¬
macht wurden. Eine technische Prüfung und Beurtheilung war den meisten
Mitgliedern unmöglich.
Die nackten vergleichenden Zahlen sind meist das Einzige, was in
solchen Auseinandersetzungen dem Laien verständlich wird, während die
technischen Erläuterungen in der Regel dem Nichttechniker gar keine oder
nur eine lückenhafte oder gar falsche Vorstellung von dem Zusammenhänge
und dem Wertbe der Anlage und ihrer einzelnen Tbeile zu erwecken ver¬
mögen.
Der Erfinder des Liernur-Systems hat sich als Programm gestellt,
die ausserord ent lieh werthvollen menschlichen Auswurfsstoffe in möglichst
reiner und concentrirter Form zu gewiunen und sie ohne Anwendung
eines Wagenparkes mittelst unterirdischer Röhrenleitungen aus den Häusern
und aus der Stadt zu befördern, um sie dann in frischer oder verarbeiteter
Form der Landwirthschaft zur Verfügung zu stellen. Es ist natürlich, dass
das System seiner Ziele wegen bei den Landwirthen, welche sich um die
Sorgen der Stadtverwaltung und Stadtbewohner nicht zu kümmern brauchen,
viele Freunde gefunden hat.
Aus der hohen Veranschlagung der aus den Fäces zu fabricirenden
Pudrette resultirt in Liernur’s Berechnungen der Gewinn, den angeblich
ein Gemeinwesen bei Anwendung seines Systems soll erzielen können.
Liernur trennt program mm ässig die Fäcalien von den Hauswässern
und will die letzteren entweder gemeinsam mit dem Meteorwasser oder
auch von diesem getrennt abführen. Bei der Aufgabe der Beseitigung der
Meteorwässer macht er, um die Billigkeit der Anlage zu erzielen, einerseits
nur geringe Ansprüche bezüglich der abzuführenden Maximalwassermenge
und trachtet die daraus entstehende Kalamität als unbedeutend hinzustellen,
andererseits sucht er durch besondere, auf Grund hydrodynamischer Specu-
lationen gefundene Anordnungen die geringen Kaliber seiner Canalisations-
röhren zu rechtfertigen. Der praktische Werth dieser Speculationen mag
dahin gestellt bleiben, es fehlt der Platz, sie an dieser Stelle kritisch zu
beleuchten. Dass bei gemeinschaftlicher Abführung der Haus- und Meteor¬
wässer auch nach Ausschluss der menschlichen Fäcalien die
ersteren nicht ungereinigt in den FlusBlauf abgelassen werden können, giebt
Liernur selbstverständlich zu und schlägt in den Häusern und den
Strassengullies Seihvorrichtungen zur Beseitigung der groben schwimmen¬
den Bestandteile und ferner noch vor Einmündung der Canäle in den
Flusslauf zur Reinigung des Canalinhalts, Torf-, Coaks- oder Holzkohlenfilter
vor, ähnlich denen der Berliner Wasserwerke, nur dass dort als Filter-
material der billigere Sand verwendet wird.
Liernur ist auch kein principieller Gegner der Reinigung durch
Landberieselung, wenn passende Felder gefunden werden können, ebenso¬
wenig macht er principielle Einwendungen gegen Präcipitation. Also das
Liernur-System macht bei gleichen Ansprüchen an das Rohrnetz für
die Abführung und Reinigung der Meteor- und Hauswässer schon fast ganz
dieselben Vorrichtungen nöthig, wie das Schwemmsystem, denn an sich
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593
Canalisation der Stadt Charlottenburg.
lassen sich mit demselben alle gedachten Reinigungsmethoden vereinigen.
Man wählte in Berlin das Riesel-Verfahren, weil es für die vorliegenden
Verhältnisse das billigste und beste ist.
Nun kommt beim Li er nur-System aber noch die Anlage des atmo¬
sphärischen Absaugesystems für die reinen Fäcalien hinzu, welches fol-
gendermaassen eingerichtet ist. Es sollen die Fäcalien aus den Abfall¬
röhren der Closets eines Hauses täglich ein bis zwei Mal durch Bildung
eines Vacuums in dem eisernen Röhrensystem abgesaugt werden. Von
einer Centralpumpstation aus verästeln sich zunächst die Haupt- oder nach
Liernur die Magistralleitungen nach den einzelnen Bezirksreservoiren, d. h.
nach den Centren der einzelnen Stadtbezirke von etwa 10 bis 15ha, in
welche das ganze Stadtgebiet zerlegt werden muss. Von diesen Bezirks¬
reservoiren aus gehen dann kleinere Röhren in die einzelnen Strassen und
voA den Strassenleitungen in die einzelnen Häuser. Die Bezirksreservoire
sind geschlossene Cylinder, welche nicht zur Ansammlung der Fäcalien
dienen, sondern als Kraftmagazine, indem in ihnen ein grösserer luftleerer
Raum hergestellt wird. Alle in ein Bezirksreservoir mündenden Zuleitungs¬
rohre sind gewöhnlich durch Hähne verschlossen. Soll nun die Entleerung
einer Strassenleitung und der an dieselbe angeschlossenen Closets erfolgen,
dann wird der Hahn der entsprechenden Leitung geöffnet. — Das kann
entweder von oben mittelst Schlüssels, wie bei den Wasserrohrschiebern,
geschehen, oder indem ein Arbeiter in einen das Bezirksreservoir umge¬
benden gemauerten Raum hinabsteigt und den Hahn mit der Hand öffnet,
oder indem durch atmosphärische Kraftübertragung das Oeffnen von der
Pumpstation aus geschieht. Sobald der Hahn offen ist, drückt der atmo¬
sphärische Ueberdruck die Fäces in das luftleere Bezirksreservoir und durch
dasselbe hindurch in die ebenfalls luftleeren Magistralleitungen nach der
Pumpstation.
Durch Syphons, d. h. durch starke Krümmungen nach unten, welche
sich sowohl in dem Ahfallrohre als auch im Hausanschlussrohre befinden,
wird es verhindert, dass der atmosphärische Ueberdruck direct auf die
Person wirken kann, welche das Closet gerade benutzt und dieselbe anderen¬
falls bis zum Schliessen des Hahnes am Bezirksreservoir festhalten würde.
In der Syphonkrümmung des Abfallrohres soll der frisch herabfallende
Koth einen Verschluss bilden gegen die Gase, welche sich natürlich inner¬
halb der beschmutzten Wandungen der Strassenleitungen reichlich bilden
müssen. Es wird von dem Vertreter des Li er nur-Systems der Geruchver¬
schluss durch Koth, der nur einen halben Tag alt ist, für sanitär unbe¬
denklich gehalten. Da aber diese Meinung doch nur sehr wenige Anhänger
finden konnte, so musste man sich auch zur principiellen Zulassung von
Spülclosets entschliessen. Es sind aber vom Erfinder Vorrichtungen er¬
dacht, welche den Massenverbrauch bei jedesmaliger Benutzung des Closets
auf ein bestimmtes Maass einschränken, damit das Abfallrohr nicht zu bald
bis zum Sitzbrett des untersten Closets gefüllt wird und überläuft, und
damit die Aussicht auf finanziell erfolgreiche Verwerthung der Fäces nicht
gänzlich vernichtet wird. Wenn man sich nun vergegenwärtigt, dass beim
• Liernur-System zur Abführung und Reinigung der Meteor- und Haas-
wässer schon dieselben Vorrichtungen nöthig sind, welche das Schwemm-
Vierieljahritchrift für Gesundheitspflege, 1887. 3 g
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Köhn,
System bei gleichen Ansprüchen erfordert, und dass dann zur Entfernung
der menschlichen Auswurfsstoffe ein ausgedehntes Netz von kleinen Röhren
gelegt werden muss, in welchem bloss durch den atmosphärischen Ueber-
druck eine breiartige klebrige Masse bewegt werden soll, wenn man ferner
erwägt, dass Verstopfungen leicht möglich und Undichtigkeiten in den Lei¬
tungen, welche die Herstellung eines Vacuums, also die Erzeugung der
treibenden Kraft überhaupt verhindern, nicht zu vermeiden sind, so wird
man es gewiss begreiflich finden, dass sich die Stadtverordneten nach näherer
Erwägung der von vornherein bestehenden Ansicht des Magistrats von der
Werthlosigkeit des Liernur-Systems für Charlottenburg anschlossen.
Von den sogenannten Trennungssystemen hat allein das Shone-System
eine, wenn auch nur kurze, Rolle gespielt. Es mögen in dieser Beziehung
einige allgemeine Betrachtungen Platz finden.
Das Trennungssystem trennt das Regenwasser von dem Haus- und
Wirthschaftswasser, will also mindestens zwei gesonderte Röhrensysteme.
Die Vertreter des Trennungäsystems behaupten, dass dasselbe billiger
sei, weil man das Regen wasser auf dem directesten Wege dem Flusslaufe
zuführen und so ein besseres Geialle für die einzelnen Leitungsstränge er¬
zielen könne, als beim Schwemmsystem.
Es kann zugegeben werden, dass Stadtpläne denkbar sind, bei denen
die Trennung von Regen- und Hauswasser wirklich eine billigere Anlage
gestattet, als das Schwemmsystem, bei welchem doch alles Wasser einer
Pumpstation zugeführt werden muss.
Viele gut vertheilte, aufnahmefähige Wasserläufe sind dem Separat-
system günstig. Man denke sich z. B. eine langgestreckte Flussinsel oder
eine an beiden Seiten eines Flusses in geringer Breite von einigen hundert
Metern hingestreckte Stadt. In der Regel liegen solche Situationen aber
nicht vor und im höchsten Maasse ungünstig für das Separatsystem ist
speciell der Stadtplan von Charlottenburg, dessen Weichbildgrenze etwa
2000 m vom Flusslauf entfernt liegt und dessen Terrain in der Nähe
des Flu88es theilweise fast so hoch liegt, als an der Weichbildgrenze,
zum Theil aber noch erheblich höher.
Wenn man Kostenberechnungen eines Projectes von Vertretern des
Separatsystems prüft und vergleichen will mit denen des Berliner oder
Frankfurter Schwemmsystems, so muss man sich zu allererst nach den
Annahmen erkundigen, welche bezüglich der in maximo abzuführenden
Regenwassermengen gemacht sind. Hierin liegt gewöhnlich der Schlüssel
zu den auffallend niedrigen Kosten des Separatsystems. Die Ansprüche,
welche man bezüglich der Nothwendigkeit macht, Ueberschwemmungen in
den Strassen und Kellerwohnungen zu vermeiden, hängen von der Bedeutung
einer Stadt und der Empfindlichkeit der Bevölkerung gegen «piche Calami-
täten ab, haben aber mit der Wahl des Systems ganz und gar nichts
zu thun.
Dennoch findet man immer wieder in den Anpreisungen, welche von
den Vertretern des Separatsystems gemacht werden, die Kosten desselben,
unter der Voraussetzung erheblich niedrigerer Zahlen für das abzuführende
Maximum des Regenwassers, mit den wirklichen Kosten des Berliner
Schwemmsysteras direct verglichen, obwohl der Vergleich nur zulässig wire,
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•Canalisation der Stadt Charlottenburg. 595
wenn die Kosten für das Schwemmsystem unter Zugrundelegung gleicher
Zahlen für Regenwasser umgerechnet würden.
Beim Schwemmsystem wird man die Pumpstation immer in die Nähe
der Flussläufe und zwar möglichst weit nach unten legen. Daraus folgt,
dass die Leitungen des Schwemmsystems von der Weichbildsgrenze eben¬
falls in möglichst directer Richtung nach dem Flusslanfe zu legen sind, und
es ist durchaus nicht einzusehen, wesswegen bei gleichen Ansprüchen die
Leitungen des Separatsystems irgendwie erheblich billiger werden sollten,
als die des Schwemmsystems, da die secundliche Haus wassermenge, z. B.
bei der Charlottenburger Annahme, etwa nur den 28. Theil des Maximums
des Regenwassers ausmacht. Daraus folgt, dass die Gesammtkosten der
Canalisation von Charlottenburg, immer gleiche Ansprüche vorausgesetzt,
etwa um die Kosten der Hauswasserleitungen beim Separatsydtem grösser
werden mussten, als beim Schwemmsystem.
Nun wird oft gesagt, dass meistens doch schon einmal eine ganze
Anzahl alter Leitungen vorhanden sei, die man zur Abführung des Regen¬
wassers benutzen könne. Aber diese Leitungen liegen in der Regel nur in
der Nähe des Flusslaufes, sind ohne Rücksicht auf die Ausdehnung der
Stadt nach der Weichbildsgrenze zu und im Uehrigen ohne System gelegt,
so dass sie für die Entwässerung weiter vom Flusse abliegender, neu ent¬
stehender Stadttheile ganz unbenutzbar sind. Dieser Fall liegt jedenfalls
in Charlottenburg vor, so dass der gedachte eventuelle Vorth eil des Separat¬
systems ganz in Fortfall kommt.
Was den Vertretern des Trennungssystems als Hauptangriffspunkt
gegen das Schwemmsystem dient, sind die Nothauslässe. Sie sagen, durch
die Nothauslässe wird ja auch der Regen in die Flussläufe geführt, nur
mit dem Nachtheile , dass derselbe durch die Hauswässer verunreinigt ist.
Das Argument ist aber unzutreffend.
Es ist weder möglich, in einer grossen Stadt Canäle zu bauen, welche
alles Regenwasser auch beim allerstärksten Gewitterregen, wenn z. B. in
einer Stunde, wie das in den letzten Jahren wiederholt vorgekommen ist,
mehr als 40 mm Regenhöhe fällt, nach der Pumpstation ahzuführen, noch
ist es möglich, Maschinen vorzuhalten, welche diese plötzlich zusammen¬
strömenden Wassermassen schnell genug weiter befördern. Für solche
Fälle werden in den gemauerten Stammcanälen feste Ueberfallwehre ge¬
schaffen, welche einen Theil des Wassers direct dem Flusslaufe zuführen.
Es ist aber einmal zu bedenken, dass der Rücken dieser Ueberfall-
wehre hoch über der Sohle des Canals liegt, so dass erst eine sehr erheb¬
liche Verdünnung des Canalinhalts von dem Regenwasser bewirkt wird, ehe
die Ueberfälle in Function treten, und dann, dass Regenhöhen, welche die
Ueberfälle in Function treten lassen, in Jahren verhältnissmässig nur selten
Vorkommen.
Im Uebrigen werden die Verunreinigungen, welche auch Regen Wasser¬
leitung mit sich führen, von dem Flnsslauf gänzlich fern gehalten.
In Berlin war man gegen die Nothauslässe stellenweise wiederum
einigermaassen aufgebracht, als im Sommer 1885 und auch im vorigen
Jahre bei einigen besonders starken Gewitterregen in der Unterspree die
Fische in Folge der durch die Nothauslässe zugeführten Wasser starben.
38 *
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Köhn,
Diese Erscheinung wurde auf zweierlei Weise erklärt. Die Einen
sagten, dass durch den vielen Schmutz, welcher plötzlich durch die Noth-
auslässe der durch die neue Charlottenburger Wehranlage gestauten Unter¬
spree zugeführt sei, die Fische getödtet seien, indem sie zu viel davon
in die Kiemen bekamen.
Wäre diese Erklärung, welche also eine mehr mechanische Tödtung
voraussetzt, richtig, so würde man dem Schwemmsystem daraus keinen
principiellen Vorwurf machen können, denn der abschwemmbare Strassen-
schmutz würde ebenso durch die Regenwasserleitungen eines Separatsystems
in die Spree gelangt sein.
Andere sagen, die durch die Nothauslässe in die gestaute Unterspree
gelangten Wassermassen hätten im Verhältnis zur vorhandenen Fluss¬
wassermenge zu viel fäulnissfähige Substanzen enthalten und durch die
unter der Gunst der schwülen Gewitterluft beschleunigte Oxydation dem
Wasser mehr Sauerstoff entzogen, als die Fische zum Leben entbehren
konnten. Jedenfalls ist die Erscheinung des Fischsterbens im grossen
Maassstabe erst durch die neu erbaute Stauanlage am Tegeler Weg bei
Charlottenburg hervorgerufen. Sie würde sich wahrscheinlich nicht wieder¬
holen, wenn sowohl die genannte Stauanlage, als auch diejenige am Mühleu-
damm mit den Pumpstationen in Drahtverbindung gebracht werden würde,
so dass die Wärter an den Wehren von dem Infunctiontreten der Nothaus¬
lässe benachrichtigt werden könnten. Würden dann bei beiden Stau¬
anlagen Klappen und Schützen geöffnet, damit gleichzeitig sowohl aus dem
grossen Reservoir der Oberspree grössere Massen verhältnissmässig reinen
Wassers in die Unterspree gelassen würden und das verunreinigte Wasser
unterhalb möglichst schnell abfliessen könnte, so würde dem Sterben der
Fische sicherlich vorgebeugt werden.
Dass durch eine solche Manipulation die Schifffahrt beeinträchtigt
werden könnte, ist nicht wohl anzunehmen. Freilich könnte eine solche
Einrichtung erst dann erfolgreich sein, wenn die jetzige Dammmühlenstau¬
anlage dem Project der Canalisirung der Unterspree entsprechend geändert
sein wird.
Was gegen das Separatsystem im Allgemeinen auch bei der denkbar
günstigsten Stadtsituation spricht, ist und bleibt die Gefahr, dass sieb die
für die Hauswasser nur allein bestimmten engen Röhren verstopfen. Es ist
unmöglich, ganz zu verhüten, dass vorschriftswidrig grössere Gegenstände
in diese kleinen Leitungen gelangen. Die Grösse und die damit zusammen¬
hängende leichtere Controlirbarkeit der Leitungen ist ein Vorzug des
Schwemmsystems, welcher die dauernde Betriebssicherheit garantirt, die
Unterhaltung und Reinhaltung der Leitungen verbilligt und den Nachtheil
mehr als aufwiegt, dass man grössere Wassermengen pro Jahr zu reinigen
hat, als beim Separatsystem.
Den gedachten Mangel haben übrigens die hervorragenden Vertreter
des Separatsystem8 nicht übersehen und sie haben dasselbe dadurch weiter
gebildet, dass sie bestrebt waren, den kleinen Hauswasserleitungen ein
möglichst starkes Gefall zu geben, bei welchem Bestreben sie darauf kommen
mussten, das zu entwässernde Stadtgebiet von der Grösse eines Radial¬
systems (circa 700 ha) in eine Anzahl kleiner Complexe von etwa 15 bis
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Canalisation der Stadt Charlottenburg.
30 lia zu zerlegen und in die respectiven Centren die Wässer je eines
Complexes Zusammenzufuhren, um sie von da aus. mittelst Druck oder
Saugrohrleitung entweder direct nach der Reinigungsanlage zu befördern,
oder sie einer Hauptpurapstation zuzuführen.
Specielleres vom S h o n e - System mitzutheilen, erscheint hier überflüssig.
Das Gesagte wird genügen, um es gerechtfertigt erscheinen zu lassen, wenn
der Magistrat zu Charlottenburg sich auf eingehendere Verhandlungen mit
den Vertretern des Sh on e-Systems nicht eingelassen hat.
Anknüpfend an die Schilderung des Erfolges, welchen die Bearbeitung
des Projects einer centralen Reinigungsanlage hatte, muss gesagt werden,
dass auch das Entwässerungsproject im Laufe der Jahre 1883 und 1884
unter Heranziehung neuer technischer Kräfte mehrfachen Umarbeitungen
unterzogen wurde, mit Berücksichtigung der erwähnten, von der Aufsichts¬
behörde geforderten Klärungsanlage.
Auf Wunsch des Magistrats wurde die letzte im November 1884 vor¬
gelegte Arbeit nur auf den östlichen, ca. 340 ha grossen Theil des südlich
von der Spree bezw. vom Landwehr-Canal belegencn Stadttheils, d. h. auf
weniger als die Hälfte, ausgedehnt.
Der Verfasser war bezüglich der Annahme für das Maximum der
abzuführenden Wassermenge wiederum einen Schritt weiter gegangen,
hatte die Hälfte der Berliner Zahlen (vergl. oben) für unzureichend erklärt
und % derselben für nothwendig, aber auch genügend erachtet. Er glaubte
nicht mehr an die Begründungen früherer Projecte, dass Charlottenburg eine
Villenstadt bleiben würde, meinte jedoch, dass eine seinen Annahmen ent¬
sprechend geringere Bevölkerung und Befestigung der Oberfläche in
Charlottenburg im Vergleich zu Berlin nicht überschritten werden würde.
Wahrscheinlich ist, dass der Verfasser diese Begründung nur gewählt hat,
um den Kostenanschlag zu reduciren und das Project der Ausführung
näher zu bringen. Denselben Zweck verfolgte er wohl, als er dabei stehen
blieb, für jede Strasse nur eine Leitung zu machen.
Immerhin schloss der Kostenanschlag, ausschliesslich der Reinigungs¬
anlage, mit 2 890 000 Mk. ab bei 53 930 lfd. Meter Leitungen.
Wie also stand die ganze Angelegenheit der Stadtreinigung am Ende
des Jahres 1884? Das Ortsstatut für die Abfuhr mit Tonnensystem war
zwar erlassen, aber der Organisation boten sich die grössten Schwierig¬
keiten. Die Entwickelung der letzten Jahre hatte Allen klar gemacht, dass
Charlottenburgs zukünftige Bauart sich ganz dem Berliner Muster an-
schliessen würde, und es war nach den Reiseberichten des Bürgermeisters
und Stadtbauraths und durch die vielen Eingaben von Seiten der Grund¬
stücks- und Hausbesitzer die Ueberzeugung zum Durchbruch gekommen,
dass mit dem Abfuhrsystem durchaus nicht auszukommen sei. In einer
Anzahl grosser Mietshäuser war schon das Tonnensystem eingeführt und
man konnte sich daher an Ort und Stelle überzeugen, welche Belästigungen
in einem solchen Hause durch die Tonnenabtritte entstehen und von den
Besitzern erfahren, welche pecuniäre Belastung die Räumung und Desinfici¬
rung der Tonnen verursachte.
Die Bedenken gegen die Ansammlung der menschlichen Auswurfsstoffe,
gleichgültig ob in Gruben oder Tonnen, in den Wohnstätten, welche in den
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Kühn,
letzten Jahren erbaut waren und, was räumliche Ausnutzung der Baustelle
und Höhe der Gebäude anlangt, sich mit der Berliner Bauart vollständig
deckten, wurden immer lauter; die Einsicht von der Nothwendigkeit, Spül¬
closets einzurichten, immer allgemeiner und die Eingaben von Grundstücks¬
besitzern, welche sich zu jedem Opfer bereit erklärten, wenn ihnen Ent¬
wässerung ohne Abfuhr verschafft würde, immer häufiger.
Die finanzielle Belastung, welche die Bedingung der Aufsichtsbehörde,
für das Haus- und Regenwasser centrale Reinigungsanlagen zu bauen, der
Stadt auferlegte, war durch das vorgelegte Bauproject als eine sehr hohe
nachgewiesen und das Entwässerungsproject sollte schon für 340 ha
nahezu drei Millionen kosten, während das Ganze im Osten von der Ring¬
bahn und südlich der Spree gelegene Stadtgebiet etwa 820 ha Flächen¬
inhalt hat.
Dass mit dem Liernursystem für Charlottenburg nichts zu machen
sei, davon waren inzwischen Alle überzeugt.
So lagen die Dinge, als im Januar 1885 der Magistrat der Stadtver¬
ordneten -Versammlung eine Vorlage zugehen liess mit dem Anträge, zu
beschliesseti :
1. Mit einem Unternehmer ist zunächst nicht abzuschliessen, vielmehr
die durch das Ortsstatut vom 6. December 1883, betreffend die
Abfuhr, geschaffene Grundlage überhaupt zu verlassen, und — vor¬
behaltlich der Prüfung der finanziellen Möglichkeit — die Schwemm-
canalisation mit Rieselfeldern einzuführen.
2 . a) Durch einen geeigneten Fachmann ist ein Project auszuarbeiten,
welches sowohl die technische, wie die administrative Frage er¬
schöpfend klarlegt; demselben muss ein Anschlag der Anlagekosten
sowie der Verwaltungskosten beigegeben sein.
d) Die Wirksamkeit des Ortsstatuts vom 6. December 1883 ist zu¬
nächst bis zum 1. October 1887 zu suspendiren und hierzu, sowie
zur unverzüglichen Inangriffnahme der Canalisationsarbeiten ohne
centrale Klärungsanlage, die Genehmigung der Aufsichtsbehörde
nachzusuchen.
e) Der Anschluss des südöstlichen Stadtgebietes an die Berliner
Canalisation bleibt für sich und ist in jedem Falle erwünscht.
3. Von der Prüfung des Systems Liernur wird Abstand genommen.
In der Sitzung vom 28. Januar stimmte die Stadtverordneten-Ver¬
sammlung dieser Vorlage zu.
Entsprechend dem Beschluss ad 2 e. wurden die Verhandlungen mit
Berlin, wegen Anschluss des südöstlichen Stadtgebietes (des 18. Stadt¬
bezirkes) besonders gefordert und es kam im November 1885 zum Abschluss
eines Vertrages, wonach der gedachte Stadttheil an das Radialsystem VH
der Canalisation von Berlin nach Maassgabe des, in sicherer Voraassicht
des Kommenden schon lange vorher vom Stadtbaurath Dr. Hobrecht auf¬
gestellten Projectes angeschlossen werden soll, und Charlottenburg an Berlin
an Entschädigung zu zahlen hat, als einmalige Abgabe 50 Mark und als
dauernde Abgabe pro Jahr 6 Mark für das laufende Meter anschlussfahiger
Strassenfront. Auf Grund dieses Vertrages ist inzwischen schon ein grosser
Theil der qu. Leitungen zur Ausführung gelangt.
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599
Canalisation der Stadt Charlottenburg.
In fernerem Verfolg des Stadtverordneten - Beschlusses wurde sodann
das Ortsstatut betreffend die Ausführung der Schwemmcanalisation aus¬
gearbeitet, welches am 20. Juni 1885 die Bestätigung des Bezirksaus¬
schusses fand.
Die Aufstellung eines Projectes für die Schwemmcanalisation von
Charlottenburg wurde dem Verfasser dieser Skizze übertragen und in allen
wesentlichen Fragen nach dem von Hobrecht gegebenen und bewährten
Vorbilde aufgestellt Besonders wurden in Bezug auf die abzuführende
Wasserinenge ganz dieselben Gesammtzahlen, wie in Berlin, zu Grunde
gelegt. Es wurde das Project auf das ganze südlich von der Spree gelegene
und im Westen von der Ringbahn begrenzte Stadtgebiet (ausschliesslich des
18. Stadtbezirks) von 720 ha Grösse ausgedehnt, so dass also die grossen
Vorfluthleitungen, deren unterster Stammcanal projectmässig 270 m breit
und 2*30 m hoch ist, für alle Zeiten ausreichend sein werden.
Das Project weist 120 815 lfd. Meter, also etwa 16 deutsche Meilen, Lei¬
tungen auf und der Kostenanschlag schliesst excl. Druckrohr und Riesel¬
feld mit rund 7 1 j i Millionen Mark ab. Diese Summe wird natürlich erst
dann vollständig zur Ausgabe gelangen, wenn der ganze gedachte Stadt-
theil, dessen grösstes Gebiet heute noch landwirtschaftlich bearbeitet wird,
mit Strassen versehen und angebaut ist, also etwa erst nach Verlauf eines
Menscbenalters.
Wegen Erwerbung eines Rieselfeldes wurden ebenfalls die ausgedehn¬
testen Vorarbeiten gemacht und Ende Mai 1886 die landespolizeilicbe Ge¬
nehmigung des ganzen Projectes mit Rieselfeld nachgesucht. Da die Ent¬
scheidung noch ausBteht, so erscheint ein näheres Eingehen auf das Project
an dieser Stelle noch nicht am Platze, nnd es mag daher diese Schilderung
des Verlaufes der Charlottenburger Entwässerungsfrage vorläufig hier
abgebrochen werden.
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600
R. Baumeister,
Die neue Berliner Baupolizei-Ordnung.
Von Prof. R. Baumeister (Karlsruhe).
Seit ungefähr 20 Jahren laufen die Bestrebungen, für Berlin eine neue,
den modernen Anforderungen entsprechende Bauordnung zu schaffen. Die
betreffenden Verhandlungen zwischen den Staats- und Gemeinde-Behörden
mussten dadurch besonders erschwert werden, dass es an einer preussischen
Landesbauordnung fehlt, welche die unbestreitbaren Grundsätze für Special¬
bauordnungen hätte liefern können, geschweige denn an einer deutschen
Reichsbauordnung, wie sie schon längst in technischen Kreisen als wün¬
schenswert erkannt ist 1 ). In derThat ist denn auch trotz zahlloser Begut¬
achtungen ein Einverständnis zwischen Polizei-Präsidium und Magistrat
nicht erzielt, und wurde die vom Gemeindevorstande versagte Zustimmung
durch einen Beschluss des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg ersetzt,
damit der vom Polizeipräsidium fertig gestellte Entwurf rechtskräftig werden
könne. Im Allgemeinen hat bei diesem Zwiespalte die Staatsbehörde mehr
das Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege, die Gemeindeverwaltung
dasjenige der Grundbesitzer vertreten, indem hier wie überall das Bedürfniss
von Licht und Luft einerseits und das Streben nach thunlichster Ausnutzung
des Bodens andererseits sich gegenüber standen. So ist denn endlich am
15. Januar dieses Jahres das mit Spannung erwartete Werk erschienen.
Bei einem so einseitigen Zustandekommen muss man nur bedauern, dass
dieser Weg nicht schon längst eingeschlagen worden ist, dann wären
Hunderttausende vor den schlechten Bauzuständen bewahrt geblieben,
welche die Speculation vielfach in den letzten Jahren geschaffen hat und
die vermeintlichen oder wirklichen Schädigungen der Hausbesitzer weniger
hart empfunden als jetzt. Denn jetzt, nachdem eine neue Bauordnung
auferlegt worden, stellen sich alsbald wieder Wünsche und Begehren nach
Abänderungen ein: Eingaben des Magistrates, der Innungen der Bauhand¬
werker, der Vereinigung der Berliner Architekten. Ob und wie weit den¬
selben Rechnung getragen werden wird, wissen wir natürlich nicht. Kläg¬
lich aber ist das Schauspiel, dass eine der wichtigsten Anordnungen für
das Wohlsein der Bevölkerung nicht stabil werden will, und das in der
Reichshauptstadt, welche bei ihrem raschen Wachsthum vor Allem berufen
wäre, ein mustergültiges Bauwesen zu entfalten.
Wenn nun die neue Berliner Bauordnung geschildert und geprüft werden
soll, so handelt es sich in dieser Zeitschrift natürlich nicht um die Vor-
*) Normale Bauordnung, auf Veranlassung und unter Mitwirkung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine bearbeitet von K. Baumeister, 1880.
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601
Die neue Berliner Baupolizei-Ordnung.
Schriften hinsichtlich des öffentlichen Verkehrs, der Fenersicherheit, der
Festigkeit, sondern nur um die wesentlichsten Maassregeln für die Gesund¬
heit. In dieses Gebiet fallen auch die wichtigsten Aenderungen gegen
früher, und unsere erheblichsten Wünsche für die Zukunft.
1. Gebäudehöhe an der Strasse, §. 3, 37. Als Hauptgrundsatz ist
die bisher schon in Berlin befolgte bekannte Regel beibehalten: Gebäude an
der Strasse dürfen so hoch sein, wie die Strasse breit ist, d. h. dem gegen¬
überliegenden Hause soll ein Einfallswinkel des Lichtes von 45°, selbst
noch an Fenstern zunächst der Trottoirfläche, zukommen. Ebenso schliesst
sich die neue Bauordnung der vielfach üblichen Festsetzung eines überall
zulässigen Minimums und eines nirgends zu überschreitenden Maximums
der Häuserhöhe an, und zwar sind die Zahlen 12 und 22 m gewählt: erstere
bei der erheblichen Breite der Berliner Strassen unbedenklich, letztere gleich
München und Dresden ein Durchschnitt der allgemein vorkommenden Zahlen
20 bis 24 m. Damit nun aber innerhalb der 22 m nicht etwa 6 bis 7 be¬
wohnte Geschosse eingerichtet werden, mit den schlechten Folgen gegen¬
seitiger Luftverderbniss, dient die Vorschrift: In einem Gebäude dürfen nie¬
mals mehr als fünf zu dauerndem Aufenthalte von Menschen bestimmte Ge¬
schosse angelegt werden; auch darf der Fussboden des obersten Geschosses
dieser Art nie höher als 17*5 m über dem Bürgersteige liegen.
Was die Messung der Strassenbreite betrifft, so wird, wenn dieselbe
ungleich ist, oder ein Gebäude an mehreren Strassen liegt, ein einheitliches
mittleres Maass zu Grunde gelegt, falls es nicht vorgezogen wird, die ein¬
zelnen Gebäudetheile in entsprechend verschiedenen Höhen aufzuführen.
Hier fehlt nur für Eckhäuser eine Bestimmung, auf welchen Abstand das
von der breiteren Strasse abgeleitete Höhenmaass in die schmälere Strasse
hineinreichen darf, da man die beiderseitigen Höhen doch nicht gerade an
der Ecke zusammenstossen kann. Ebenso fehlt eine feste Regel für Häuser
mit Vorgärten; denn während in anderen Städten dann der Abstand
zwischen den zwei gegenüberliegenden Baufluchten die zulässige Häuser¬
höhe angiebt, spricht man hier lediglich von der Breite zwischen den
Strassenfluchtlinien. Nun giebt es aber in Berlin viele neue Strassen,
deren Verkehrsbreite 8 bis 12 m beträgt, während einschliesslich der Vor¬
gärten 15 bis 40 m herauskommen. Da dürfte ganz wohl das letztere Maass,
bezw. das Maximum 22 m, als hygienisch zulässig gelten.
Die Höhe der Gebäude soll geometrisch vermittelt werden, falls die
Strassenfläche geneigt liegt, oder falls Giebel, Thürme, Dachfenster u. dergl.
die Oberkante nicht als Horizontallinie zeigen. Dies ist ja ganz sachgemäss,
auffällig aber die weitere Vorschrift, dass die eben genannten Aufbauten
die zulässige Durchschnittshöhe nicht um mehr als ein Fünftel überschreiten,
und zusammen nicht mehr als ein Viertel der Frontlänge einnehmen dürfen.
Warum das? Wohl mag man das Unwesen verspotten, welches in der so¬
genannten deutschen Renaissance mit solchen Aufbauten, die zumeist noch
eiserne Stangen als Halt bedürfen, getrieben wird, allein es ist doch nicht
in dem Grade ein „öffentliches Aergerniss w , dass die Polizei dagegen ein-
schreiten müsste, vielmehr gerade jetzt Mode. Hygienisch kann man sich
aber vollständig mit jener Durchschnittsberechnung begnügen, wonach eine
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R. Baumeister,
fingirte mittlere Haushohe berauskommt, einerlei ob auf einem einstöckigen
Hause ein himmelhoher Thurm sitzt, oder auf einem fünfstöckigen noch
eine Reihe von steinernen Zahnstochern und Zwiebeln. Ganz dünne oder
stark durchbrochene Hervorragungen dürften überhaupt als unwesentlich
frei gegeben werden.
Ganz sachgemäss berücksichtigt die neue Bauordnung den Lichtentzug
durch stark ausladende Gesimse, indem sie sagt: Ueberschreitet die Ausladung
des Dachgesirases dasMaass von 50 cm, so wird das Uebermaass bei Ermitte¬
lung der zulässigen Höhe in Abzug gebracht. Ebenso dürfen oberhalb der
zulässigen Fronthöhe die Dächer nicht steiler als mit 45° ansteigen. Hier
wäre wohl eine Ergänzung darüber zweckmässig gewesen, wie es mit steilen
Dächern gehalten werden soll, welche unterhalb der zulässigen Fronthöhe
ansetzen, etwa so: steile Dachflächen kommen bei Bemessung der zulässigen
Gebäudehöhe mit demjenigen Theile ihrer Höhe in Rechnung, welcher
die Höhe eines Daches von 45° übertrifft.
2. Höhe und Abstand der Gebäude nach hinten, §. 2, 3, 4.
Bisher nicht bebaute Grundstücke dürfen nur bis auf 2 /s ihrer Fläche überbaut
werden: Damit ist ein entschiedener Fortschritt gegen die schlimmen Zu¬
stände auf Berliner „Grundstücken“ angebahnt. Sehr richtig ist es auch,
dass bei der betreffenden Berechnung Vorgärten ausser Acht bleiben, sowohl
bei der Gesammtfläche, als bei dem leeren Drittel; denn sie sind Theile des
Luftraumes der Strasse, und kommen den Bedürfnissen an der Hinterseite
nicht zu Gute. Man braucht nicht zu besorgen, dass dadurch die Vorgärten
abnehmen, indem sie schon im Bebauungspläne vorgeschrieben werden.
Ferner werden Vorbauten, Gallerien u. dergl. an den Stockwerken, und
selbst Gesimsvorsprünge über 30 cm mit zur bebauten Fläche gerechnet, so
dass jenes Drittel wirklich bis zum Himmel empor frei bleiben muss. Damit
nun aber nicht der vorgeschriebene Leerraum in allerlei enge Streifen und
Winkel zerlegt werde, tritt wie in anderen Städten so auch in Berlin eine
zweite Bestimmung mit absoluten Zahlen über Hofgrösse hinzu. Die Be¬
bauung muss nämlich durch Höfe von mindestens 60 qm Grundfläche, deren
geringste Abmessung 6 m beträgt, derart unterbrochen werden, dass die
zwischen den Höfen liegenden Gebäudetheile eine Tiefe von höchstens 18 m
aufweisen. Auch von Nachbargrenzen sind Gebäudewände, welche Fenster
enthalten, mindestens 6 m entfernt zu stellen. Auf Eckgrundstücken ist
für den vordersten Hof eine Ermässigung auf 40 qm bei mindestens 6 m Breite
zulässig. Wenngleich diese Maasse über die bisherigen berüchtigten sieben-
zehnfüssigen Höfe noch nicht viel hinausgeben, so werden sie doch meistens
durch die vorher genannte Hauptregel O /3 leerer Raum) überholt werden,
und ausserdem ergänzt durch die sehr heilsame Bestimmung, dass die Höhe
von hinteren Gebäuden und Seitenflügeln die Ausdehnung des Hofraumes
vor ihnen um nicht mehr als 6 m überschreiten darf. Handelt es sich da¬
her um einen Minimalhof von 6 m Breite, so darf an demselben nicht höher
als 12 m gebaut werden, das giebt einen Lichteinfall unter 63° als schlimm¬
sten Fall, an Höfen mit über 6 m Breite wird der Einfallswinkel günstiger.
Zum Vergleich mag aus anderen neuen Bauordnungen angeführt werden,
dass als Einfallswinkel für bewohnte Räume in Hinter- und Flügelbauten
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Die neue Berliner Baupolizei-Ordnung.
gefordert wird: in Dresden, Karlsruhe, Freiburg, Hamburg (Vororte) 56°,
in Frankfurt 51°, in München, Darmstadt (jedoch 1*5 m Ueberschreitung
der Hohe zugelassen), Hamburg (bei Häusern mit mehr als zwei Wohnungen)
45°. Diesen allen wird Berlin nur in seltenen Fällen gleichkommen, denn
nach obiger Berliner Regel wird erst bei 12 m Hofbreite der Winkel auf
56° sinken, auf 45° kann er niemals abnehmen.
Wenngleich hiernach die hygienischen Forderungen der Berliner Bau¬
ordnung im Allgemeinen nur bescheiden geblieben sind, so bringen sie
doch bei gewissen baulichen Bedürfnissen unnöthige Härten mit sich 1 ).
Wenn nämlich zwei Nachbaren Übereinkommen, einen zusammenhängenden
Hofraum zu belassen, zu welchem jeder beispielsweise 8 m Breite hergiebt,
und sich dessen Bestand grundbuchmässig gegenseitig garantiren, so wird
es ihnen zufolge obiger Regel nicht gestattet, die Höhe von Gebäuden neben
dem Hofe über 8 + 6 = 14 m za steigern, während es doch hygienisch
zulässig wäre, 16 + 6 = 22 m zu nehmen, Nur wenn der fragliche Raum
einem einzigen Besitzer gehören würde, so dürfte derselbe auf letztere Höhe
gehen. Die Bauordnung treibt so zum Zusammenlegen von Grundstücken
behufs thunlichster Ausnützung, während doch gerade in Berlin die Leiden
grosser SammelWohnstätten zur Genüge bekannt sind. Andererseits kann
durch hohe Brandmauern auf dem Nachbargrundstücke der Nutzen eines
Hofes gewaltig beeinträchtigt werden. Auch hier hätten die nachbarlichen
Beziehungen sorgfältiger erwogen werden sollen, im Sinne der Verpflichtung
zu gegenseitigen Rücksichten, statt jedes Grundstück für sich als ummauerte
Festung vorauszusetzen.
Ferner, warum soll es nicht gestattet werden, die Hofräume auf Erd¬
geschosshöhe zu verbauen, wenn dieses Erdgeschoss nicht Wohnräume,
sondern nur Geschäftsräume enthält, oder das Erdgeschoss in den Hof
hinein staffelförmig vorzurücken, wenn nur der Lichteinfallswinkel nicht
gestört wird? Das wäre für Geschäftslocale schätzbar, und könnte eventuell
durch die Forderung künstlicher Ventilation ausgeglichen werden. Eine
gewisse Anleitung giebt zwar die Bestimmung, dass Baulichkeiten, welche
weder die Höhe von 5 m noch die Grundfläche von 40 qm überschreiten,
bei der Berechnung der Höhe von Hofgebäuden ausser Betracht bleiben
sollen. Es ist dann nur ein Schritt weiter, die Gassen zwischen derartigen
niedrigen Baulichkeiten ebenfalls zu überdachen — gesundheitlich vielleicht
sogar besser als jene feuchten Gassen.
3. Fürsorge im Inneren, §. 37. Für Räume, die zu dauerndem
Aufenthalte von Menschen bestimmt sind, wird eine lichte Höhe von 2*5 m
gefordert, bei ungleicher Höhenlage der Decke oder des Fussbodens im
Durchschnitt zu berechnen. Es ist erfreulich, dass hierbei der häss¬
liche sociale Unterschied unterdrückt ist, welcher in vielen anderen Städten
zwischen den Bewohnern von Dach- und Zwischengeschossen einerseits, und
den Bewohnern von „guten“ Etagen andererseits gemacht wird, indem den
letzteren mehr Höhe zugebilligt wird, als den ersteren, während doch hygie¬
nisch Allen das gleiche Minimum gebührt. Sodann sind recht anerkennens-
*) Vergl. Deutsche Bauzeitung 1887, Februar.
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R. Baumeister,
werthe Vorschriften über Kellerwohnungen gegeben, ja dieselben sind eigent¬
lich unterdrückt. Es sollen nämlich künftig bewohnte Räume nirgends
tiefer als 0*5 m unter dem Erdboden liegen. Dies Maass kann auf 1 m erhöht
werden, wenn an der Frontwand ein durchgehender Lichtgraben hergestellt
wird, dessen Breite mindestens 1 m beträgt, und dessen gut zu entwässernde
Sohle 15 cm tiefer liegt als der Fussboden der anstossenden Räume. An
Höfen wird zudem gefordert, dass ihre Abmessungen nicht kleiner seien,
als die Fronten der umgebenden Gebäude, d. h. Lichteinfall von 45° zu
Gunsten von bewohnten, unter den Erdboden reichenden Räumen. Es
fehlt auch nicht an Schut z maassregeln gegen Erdfeuchtigkeit. Insbesondere
sollen die genannten Räume nicht nur mindestens 40 cm über dem höchsten
bekannten Grundwasserstande liegen, sondern auch zufolge einer neuerlich
erlassenen Erläuterung entweder mit einer 15 mm starken Asphaltschicht oder
einer 15 cm starken Betonschicht versehen werden, oder einen sonstigen be¬
währten Schutz erhalten. Dachräume dürfen zu dauerndem Aufenthalte
von Menschen nur dienen, wenn sie denselben Bedingungen wie andere
Geschosse entsprechen, und ausserdem unmittelbar über dem obersten
Stockwerke belegen sind, natürlich zählen sie dann selbst als bewohntes
Geschoss.
Alle zu dauerndem Aufenthalte von Menschen bestimmten Räume
müssen Fenster „von ausreichender Grösse“ unmittelbar gegen die Strasse
oder gegen einen Vorschriftsmässigen Hof erhalten. Leider ist nicht gesagt,
was für ausreichend erachtet wird — offenbar ein empfindlicher Mangel
bei einem so wichtigen Punkte. Man kann nur aus einem in §. 2 berührten
speciellen Falle schliessen, dass die Grösse der im Lichten gemessenen
Fensterflächen mindestens l / 7 der Grundfläche des zugehörigen Raumes er¬
reichen soll. Bei 2*5 m Lichthöhe giebt das 1 qm Fensterfläche auf 25 cbm
Raumvolumen, ein Verhältniss, mit welchem Hygieniker wohl zufrieden
sein können. Uebrigens wird dieser Gegenstand auch in den meisten
anderen Städten noch vernachlässigt, meines Wissens erledigen ihn nur
die Bauordnungen von Dortmund und Freiburg, und zwar mit 1 qm
pro 30 cbm.
Unzulänglich erscheint mir auch die Behandlung der vorübergehend
durch Menschen benutzten Räume. Für diese werden, falls sie nicht Licht
und Luft unmittelbar von Strasse oder fiof empfangen, Fenster in soge¬
nannte Lichtschachte gefordert, welche bei Bedürfnissanstalten und Bade¬
stuben mindestens 10 qm, bei Fluren und Corridoren 6 qm Grundfläche
haben sollen. Für letztere ist selbst nur ein Rohr von 250 qm Querschnitt
behufs Lüftung zugelassen. In Folge davon wird ein grosser Gebäude¬
körper nach wie vor von zahlreichen „Lichtschachten“ durchsetzt werden,
welche ihren Namen bekanntlich wie Jucus a mn lueendo tragen, und auch mit
den im §, 15 vorgesehenen Oeffnungen am unteren und oberen Ende nur
bei gewissen seltenen Witterungszuständen ihre Luft erneuern werden.
Zweckmässig wäre es insbesondere gewesen, zwischen einen solchen Schacht
von 6 oder 10 qm und einen Hof von mindestens 60 qm ein Zwischen¬
element in die Bauordnung aufzunobracn; denn sicherlich würde statt
zwei oder drei einzelner Schächte ein einziger, welcher die Querschnitte
derselben vereinigt, mehr Licht und Luft schaffen, ohne theurer zu seiD. In
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Google
C05
Die neue Berliner Baupolizei-Ordnung.
anderen Bauordnungen ist ein klarer Unterschied zwischen „nothwendigen“
und „untergeordneten“ Fenstern gemacht: für die ersteren, welche Räumen
zum ständigen Aufenthalte von Menschen zugehören, gelten die vorhin an¬
geführten Regeln über den Lichteinfall; für die letzteren aber, welche bei
Vorplätzen, Magazinen, Badezimmern, Abtritten u. s. w. Vorkommen, begnügt
man sich, sofern überhaupt direct ins Freie ventilirt werden muss, mit
einem Abstande von 4 bis 5 m bis zur gegenüberliegenden Wand. Solches
lässt sich offenbar schon eher fordern, als gleich auf einen Hof von 6 m
Breite und 60 qm Fäche überzuspringen. Uebrigens hätte uns auch der
letztere nicht zu hart gedünkt, um in grossen Miethcasernen wenigstens
bei Treppenhäusern und Abtritten directe Fenster ins Freie zu erhalten.
4. Schutz gegen Verunreinigungen. In dieser Beziehung ent¬
hält die neue Berliner Bauordnung nicht viel, und verweist hauptsächlich
auf anderweitige Festsetzungen über Canalisation, Wasser- und Gasleitungen.
Doch wird der Grundsatz ausgesprochen, dass die Tagewasser und flüssigen
Wirthschaftsabgänge von bebauten Grundstücken mittelst dichter Röhren
oder Rinnen in Canäle oder Strassenrinnen zu leiten seien. Wo noch nicht
Canalisation besteht, sind die Wirthschaftswasser zuvörderst durch einen
Schlammfang zu reinigen. Zur Beseitigung der Excremente sind entweder
Röhren zum städtischen Canalnetz oder bewegliche Behälter (Tonnen) vor¬
gesehen, also keinerlei Gruben geduldet. Alle Röhren zur Ableitung unreiner
Stoffe müssen mit einem bis über Dach führenden Dunstrohr versehen werden.
Um wirtschaftliche und gewerbliche Abfallstoffe (auch solche aus Ställen)
vorläufig aufzunehmen, sollen undurchlässige bedeckte Behälter dienen.
Auch der Auffüllung von Balkendecken und Gewölben ist die nöthige
Fürsorge zugewendet: die desfallsigen Materialien dürfen nicht durch orga¬
nische Bestandteile verunreinigt sein, Bauschutt jeder Art ist ausgeschlossen.
Leider fehlt eine gleiche Bestimmung mit Bezug auf die Anschüttungen -
zur Aufhöhung von Bauplätzen, welche ebenfalls schon lange sorglos ver¬
unreinigt werden.
Besonderen baupolizeilichen Vorschriften bleibt noch Vorbehalten das
weite Gebiet aller gewerblichen Betriebsstätten, welche starke Feuerung
bedürfen, leicht brennbare Stoffe verarbeiten oder einen starken Abgang
unreiner Substanzen haben, ferner die Behandlung von Gebäuden, welche
bestimmungsgemäss eine grosse Anzahl von Menschen vereinigen, als
Theater, Versammlungslocale, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse u. s. w.
Man darf darauf gespannt sein, wie weit die Behörde hier wirkliche Grund¬
sätze gegen Verunreinigung der Luft aufstellt, und sich nicht nur eine
Beurtheilung von Fall zu Fall vorbehält, wie es in den meisten anderen
Bauordnungen geschieht
Für alle Gebäude und Gebäudetheile, welche zu Zwecken der vor¬
stehenden Art oder zum dauernden Aufenthalt von Menschen (Wohn¬
gebäude) bestimmt sind, ist nach ihrer Vollendung eine besondere bau¬
polizeiliche Prüfung vorgesehen, und wird auf Grund derselben ein
Gebrauchsabnahmeschein ertheilt. Aus der Bestimmung, dass dieser Schein
in der Regel nicht früher als sechs Monate nach Zustellung des Rohbau¬
abnahmescheines ausgefertigt werden darf, lässt sich folgern, dass eine
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II. Baumeister,
gewisse Frist zum Austrocknen eingebalten werden soll. Das Minimum
von sechs Monaten würde etwa genügen zum Verputzen und Austrocknen
eines Hauses von massiger Grösse in guter Jahreszeit. Dass man nur ein
solches Minimum und nicht etwa für verschiedene Fälle eine Reibe von
Terminen aufgestellt hat, ist bei der grossen Mannigfaltigkeit der Umstände
und bei dem Mangel an sicheren Merkmalen über Trockenheit vollkommen
zu billigen. Die Behörde muss bei diesem Gegenstände Spielraum haben,
damit weder dem Unternehmer noch den künftigen Bewohnern Leides
geschieht.
5. Anwendbarkeit auf das Stadtinnere und auf die Um¬
gebung. In manchen Städten hält die Sitte ohne besonderen Zwang an
einem ortsüblichen Wohusystem fest, so in Nord Westdeutschland, Holland,
England an den Häusern für je eine Familie. Sodann bleibt es natürlich
reichen Leuten unbenommen, nach Belieben.zu bauen, auch mag es in vor¬
nehmen Bezirken zuweilen rein finanziell sich lohnen, Villen statt Mieth-
casernen zu errichten. Im Allgemeinen aber treiben geschäftsmässige
Häusererbauer die Wobndichtigkeit so weit, wie es ihnen unter der gelten¬
den Bauordnung möglich ist, und waren bis jetzt speciell in Berlin wenig
gehindert, einträgliche Miethcasernen von grosser Höbe mit engen Höfen
herzustellen. Nun stehen bei lebhafter baulicher Entwickelung einer Stadt
Bodenpreis und Wohnsystem in Wechselwirkung. Der höchste polizeilich
zulässige Grad der Ausnutzung des Grundeigenthums bestimmt dessen
Preis, und wo derselbe hoch steht, kann ein Geschäftsmann nicht mehr
anders, als möglichst intensiv zu bauen, ebenso ein Privatmann von
mässigem Wohlstände, welcher nach einem eigenen Hause strebt Dies
zeigt sich zunächst am Umfange der an wachsenden Stadt, und setzt sich
nach aussen stets fort; denn sobald die Erhöhung der bisher üblichen Haus¬
hohe um ein weiteres Stockwerk angezeigt erscheint, so richtet sich zuerst
der Neubau an der Peripherie danach ein, der Umhau im Inneren weniger
rasch. So siebt man im Inneren von Berlin noch manche zwei- bis drei¬
stöckige Häuser, aussen nur vier- bis sechsstöckige. Die rasch wachsende
Bevölkerung lässt sich die Casernen gefallen, um nur unterzukommen, und
nur der Casernenbau kann den hohen Bodenwerth herausschlagen. Dess-
halb nimmt auch der Bodenpreis gar nicht im natürlichen Verhältnisse mit
der Entfernung vom Stadtkerne ab.
Es liegt sonach ausser an der Sitte hauptsächlich an der Bauordnung,
ungesunde Wohnsysteme zu beschränken. Wo die Möglichkeit und damit
auch die Nöthigung zu übermässig dichtem Bauen nicht besteht, ist der
Bodenpreis niedrig (z. B. in London durch den Zwang der Sitte), und
gestattet dann auch ein weiträumiges Bauen. Es wäre jedoch fehlerhaft,
in einer neuen Bauordnung alle Theile einer Stadt gleich zu behandeln.
Denn richtet man einheitliche Vorschriften nach der bisherigen dichten
Bebauung und dem hohen Bodenwerthe ein, so pflanzen sich diese ungün¬
stigen Verhältnisse immer weiter nach aussen fort; versucht man dagegen
Alles so ideal zu behandeln wie in einer ganz neuen Stadt, so werden die
Besitzer älterer Grundstücke, welche bereits dichter bebaut gewesen sind,
oder sich zwischen dicht bebauten Plätzen befinden, im Falle von Neubanten
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Die neue Berliner Baupolizei-Ordnung. G07
ungebührlich geschädigt. Desshalb sollten die Vorschriften verschieden
sein für bestehende verbesserungsbedürftige und für werdende Zustände,
thunlichst mit localer Absonderung ihres Geltungsbereiches. Je eher auf
diesem Wege in neuen Stadttheilen billige gesunde Wohnungen entstehen
und sich beliebt machen, desto eher wird es zulässig, auch älteren Grund¬
stücken rationelle Forderungen aufzulegen, ohne deren Werth erheblich zu
drücken. Der fragliche Unterschied ist übrigens nicht bloss mit Bezug
auf die Dichtigkeit der Bebauung zu empfehlen, sondern auch für manche
Vorschriften der Feuersicherheit und des öffentlichen Verkehrs, und zwar
hier in dem Sinne, dass in Aussenbezirken das Bauen billiger ausfallen
dürfte, als im Stadtinneren.
Prüfen wir nach vorstehenden Gesichtspunkten die neue Berliner Bau-
polizeiordnnng, so macht sie in der That bei vielen wichtigen Punkten
einen Unterschied zwischen bisher nicht bebauten und bereits bebauten
Grundstücken. Zu letzteren zählen alle diejenigen Grundstücke, welche
bei Veröffentlichung der Verordnung mit Wohngebäuden von mindestens
einem Stockwerk über dem Erdgeschoss (auch unfertig) besetzt waren. Ich
habe im Bisherigen nur die Vorschriften für leere Grundstücke geschildert,
will es aber unterlassen, alle die Modificationen anzuführen, welche bei
bebauten Grundstücken im Falle eines Neubaues eintreten; denn man
findet hier eine solche Mannigfaltigkeit der Voraussetzungen und Folge¬
rungen, dass es selbst für gewandte Techniker eines eigenen Studiums bedarf,
um sich in dieser Casuistik zurecht zu finden. In Hamburg und Karlsruhe
ist das System einfacher genommen, in Dresden und München ist der Nach¬
lass zu Gunsten älterer Grundstücke ganz dem Urtheile der Behörde über¬
lassen. Vermuthlich war es in Berlin schwieriger, auf dem Wege genauer
Normen bestehende Zustände schonend zu behandeln und bessere anzu¬
bahnen, und doch sind noch manche Ausnahmen dem polizeilichen Ermessen
Vorbehalten geblieben. Im Allgemeinen kommt natürlich das System darauf
hinaus, auf alten Bauplätzen engere Höfe und höhere Hintergebäude zuzu¬
lassen als auf neuen, immerhin aber doch die bisherigen gesundheitlichen
Uebelstände etwas zu verbessern, z. B. die Kellerwohnungen zu unter¬
drücken. Selbstredend sind die Meinungen getheilt, ob hiermit die älteren
Grundstücke zu sehr begünstigt oder zu hart behandelt sind: das hängt
vorerst nur von Beruf und Gefühl ab. Erst die Erfahrung wird lehren,
ob und wie weit der Grundstückwerth wirklich sinken wird.
Man hätte ferner erwarten dürfen, dasp in der neuen Bauordnung die
Zukunft der Aussenbezirke und Vororte Berlins sorgfältig erwogen, und der
Fortsetzung der bisherigen ungesunden Zustände (im physischen und mora¬
lischen Sinne) thunlichst vorgebeugt würde. Von alledem findet sich aber
leider keine Spur. Am 25. Juni wurde die Verordnung auf Charlottenburg
und auf die zahlreichen Vororte rings um das Weichbild Berlins ausgedehnt
ohne wesentliche Aenderungen, ausser mit Bezug auf die Canalisation und
Beseitigung der Excremente. Man hat die Gelegenheit völlig verschmäht,
ausserhalb des schon angebauten Stadtkreises anch Bezirke von abweichen¬
dem Charakter vorzusehen, in der Aussenzone z. B. die Anzahl der Geschosse
zu beschränken (von 5 auf 4 und 3), den Lichteinfall an der Hinterseite
durchweg auf 45° anzusetzen, die Bauweise mit Zwischenräumen einzu-
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G08 R. Baumeister, Die neu« Berliner Baupolizei-Ordnung.
führen 1 ), Familienhäußer gegenüber Miethcasernen zu begünstigen (wie in
Hamburg geschieht), einzelne Bezirke von gewerblichen Belästigungen frei
zu halten, andererseits für Gesimse, Balkons, Veranden u. dergl. Erleich¬
terungen zu gewähren, den Fach werksbau unter angemessenen Bedingungen
zuzulassen u. s. w. Auf diese Weise wäre allmälig für Reich und Arm ein
Kranz von erfreulichen Wohnbezirken entstanden, welche jetzt in Berlin
verhältnissmässig seltener und erst in grösseren Entfernungen zu finden sind,
als in allen anderen deutschen Städten. Nun wird eben die Miethcaserne,
auf welche die ganze Bauordnung zugeschnitten ist, die übliche Wohnform
für die Mehrzahl der Bevölkerung bleiben, sie wird sich stets weiter
hinaus fortpflanzen und selbst in den Vororten festsetzen. So steigen denn
auch neuerdings wieder die Bodenpreise im Inneren wie in der Umgebung.
Auf Familienhäuser für den Mittelstand, auf praktische Arheiterwohnungen,
auf Ansiedelungen von ländlichem Charakter ist in der Nähe der Stadt
kaum noch zu hoffen.
Unser Gesammturtheil über die neue Berliner Baupolizeiordnung geht
somit dahin, dass sie das bisher vorherrschende Wohnsystem in manchen
Beziehungen verbessert, aber gewisse bauliche Bedürfnisse nicht genügend
berücksichtigt, und noch weniger andere wünschenswerte Formen des
Daseins anzubahnen sucht.
Karlsruhe, August 1887.
*) Diese sowohl für Villen, als für Mietshäuser und kleine Wohnungen schätzens-
werthe Bauweise ist unter den preussischen Städten meines Wissens nur iu Wiesbaden und
Erfurt statutenmässig geregelt. Freiwillig wurde sie auch in manchen Vororten Berlins
befolgt, und zwar mit circa 5 m Abstand. Wenn jedoch hinfort, wie oben erwähnt, 2 X 6 m
gefordert werden, so wird dies als grosser Bodenverlust erscheinen, und lieber die ge¬
schlossene Bauweise gewählt werden.
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Dr. Quittei, Ist mit Leberegeln behaftete Fleisch waare schädlich? C09
Ist der Genuss einer mit Leberegeln behafteten
Fleisch waare geeignet, die menschliche Gesundheit
zu beschädigen?
Vom Medicinal-Assessor Dr. Quittei, gerichtlichem Stadtphysicus zu Berlin.
Die sich zuerst darbietende Frage ist die, ob der genannte Wurm —
das Distomum hepaticum — als Parasit auch bei dem Menschen vorkommt.
Dies ist thatsächlich der Fall. Der Leberegel hat sich auch bei Menschen
in allerdings seltenen Fällen, und zwar— wie bei den in Betracht kommenden
Säugethieren — ebenfalls in der Leber oder unter der äusseren Haut gefunden.
Die Fälle sind bekannt aus Gegenden, in welchen der Wurm endemisch bei
den betreffenden Säugethieren verbreitet ist. Aber man hat immer nur
einen Egel oder nur einige wenige bei dem einzelnen Menschen im Gegen¬
satz zu der oft erheblichen Zahl bei dem einzelnen Säugethier beobachtet.
Das Einnisten hat krankhafte Erscheinungen bei dem Menschen nur aus¬
nahmsweise — in Form von Gallenstauung — veranlasst. Indessen würde ja
auch bei Ausbleiben einer Störung des Befindens das Einnisten eines Para¬
siten bei einem Menschen eine Beeinträchtigung des regelmässigen Ver¬
haltens objectiv, da etwas Fremdartiges ein verleibt wird, und mithin eine
Beschädigung der Gesundheit an und für sich bedeuten.
Es fragt sich bei dieser Sachlage: Können Leberegel oder vielleicht
Eier von solchen aus einer Leber, welche solche enthält, bei dem Genüsse
in den Menschen mit dem Erfolge des Einnistens übergehen?
Die Frage erledigt sich zunächst in Betreff der Egel als solcher. Die¬
selben würden schon während der Zubereitung der Leber, sei es, wenn die¬
selbe gekocht wird, durch die Hitze, sei es, wenn sie zu Wurst verwandt
wird, durch Zerquetschen, zu Grunde gehen. Ohnehin würde unter dem
Einflüsse des Magensaftes ein in den Magen noch lebend gelangter Egel
durch Zerstörung der dünnen, wenig widerstandsfähigen Haut getödtet
werden. Es erübrigt nur die Frage, ob an eine Einverleibung zu denken
ist in der Weise, dass ein Heranreifen mit eingeführter Eier sich in dem
Körper des Menschen vollzieht. Einer dahin gehenden Annahme wider¬
spricht die Naturgeschichte der Egel. Wo thatsächlich bei einem Menschen
das Einnisten erfolgt, ist vermuthlich der modus der Einverleibung der
gleiche, wie bei den in Betracht kommenden Säugethieren.
Diese letzteren nehmen nicht den ausgewachsenen Parasiten, auch nicht
Eier desselben, sondern denselben in einem jugendlichen Entwickelungs¬
zustande — in der Form der ein gekapselten Cercarie — auf. Diese letztere
haftet an Gräsern hier oder dort in den Monaten Juli bis September.
VierteUakmclirift für Gesundheitspflege, 1887. 39
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G10 Dr. Quittei,
Namentlich das Weiden bietet zu der Aufnahme den betreffenden Thieren Ge¬
legenheit. Der Magensaft der Tbiere verdaut die Kapsel der Cercarie, so
dass das in der Kapsel eingeschlossene, ungefähr einen Millimeter lange
Würmchen frei wird. Diese Würmchen wandern in die Gallengänge, sei
es von der Oberfläche der Leber aus, nachdem sie durch die Wand des
Magens oder des Darmes hindurchgegangen sind, sei es auf dem Wege von
dem Zwölffingerdarm aus in den dort mündenden Gallenleiter. In den
Gallengängen wachsen die Würmchen, sie erreichen eine Länge von 35,
eine Breite von 12 mm, werden geschlechtsreif und erzeugen Eier nach vor¬
aufgegangener gegenseitiger oder Selbstbefruchtung. Aus den Eiern werden
nicht neue Egel innerhalb desselben Wirthes gebildet, sondern die Eier
gelangen in deu Darm auf dem Wege durch den Gallenleiter, gehen ab mit
dem Koth, und sind alsdann, wenn sie sich entwickeln sollen, auf einen
Aufenthalt zur Zeit des Sommers im Wasser auf Wochen bis Monate an¬
gewiesen. Aus den Eiern gehen die Embryonen hervor, welche wieder
behufs fernerer Entwickelung eines besonderen entsprechenden Aufenthaltes
bedürfen, und zwar nunmehr eines solchen in den Leibern von Weichthieren,
Muscheln oder Schnecken. Die Kette der Entwickelung ist auch noch nicht
hiermit abgeschlossen; es erübrigen noch die Stufen, welche man als Keim¬
schlauch, bezw. schlechtweg als Cercarie bezeichnet; diese letztere ist die
Vorstufe der genannten eingekapselten Cercarie.
Dass auch Menschen die Cercarie aufnehmen, mag bei Gelegenheit deB
Genusses von Pflanzentheilen — oder um ein anderes Beispiel anzuführen —
bei einem Trunk aus einem Teich oder einem Graben geschehen. Auch mag
sich die Cercarie unter die Haut — in den Fällen, in welchen dort das
Einnisten von Egeln erfolgt — zum Beispiel beim Baden, eingebohrt haben.
Es will bei dieser Sachlage den Anschein gewinnen, als ob sich kein
Schaden für die Gesundheit aus dem Genüsse einer mit Egeln behafteten
Waare ergebe. Aber die dahin gehende Frage ist nicht mit derjenigen
nach der etwa dem Menschen drohenden Einverleibung des Parasiten er¬
schöpft. Sondern noch in Betracht kommt, ob die Zusammensetzung der
Waare gelitten haben konnte unter Rückwirkungen von Seiten der Egel auf
das von denselben befallene Thier.
Erfahrungsmassig werden bei den Thieren krankhafte Veränderungen
der Bestandtheile der Leber durch die oft reichliche Einwanderung der
Egel bedingt. Die Leber schwillt an, ihr Gehalt an Blut nimmt zu. In
unmittelbarer Folge werden durch den Druck der sich anhäufenden Egel
die betroffenen Gallengäuge erweitert; die Wände derselben verdicken sich.
Die Innenhaut wird durch die schuppenförmigen, an dem Leibe der Würmer
hervorspringenden Stacheln gereizt. Sie verfällt entzündlichen Verände¬
rungen. Demnächst bedeckt sie sich mit blutig-eiterigen oder mit kalkigen
Massen. Krankhafte Veränderungen betreffen auch das als Parenchym
bezeichnete Gewebe. Es kommt zu Austretungen von Blut. Erbsen- bis
bohnengrosse Höhlen bilden sich, erfüllt mit blutig-breiigen oder erdigen
Massen. Die Leber geräth auf diese Weise in einen Zustand, welcher Zer¬
setzungen Vorschub leistet, und zwar, wenn nicht schon bei Lebzeiten des
Thieres, so doch jedenfalls einem frühzeitigen Eintritte der Fäulniss nach
dem Schlachten. „Leberfäule u hat man die Krankheit genannt, welche bei
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Ist mit Leberegeln behaftete Fleischwaare schädlich? 611
den Haussäugethieren unter dem Einfluss der Egel entsteht. Diese Krank¬
heit verläuft sogar unter Umständen tödtlich.
Man wird in Ansehung dieser Verhältnisse die mit Egeln behaftete
Waare als eine solche entsprechenden Falls betrachten müssen, welche
auBsergewöhnlichen Zersetzungen, wenn nicht thatsächlich bereits anheim-
gefallen, so doch mehr als die fehlerfreie Waare ansgesetzt ist. In Betracht
kommt die mehrfach beliebte Verwendug anstössiger Waare zu Wurst.
Da aber unzweifelhaft der Genuss zersetzter Fleischnahrung die Gefahr einer
Beschädigung der Gesundheit bedingt, so ercheint aus diesem Gesichtspunkt
auch der Genuss einer Fleisch waare, welche Egel enthält, geeignet, die
menschliche Gesundheit zu beschädigen — vorausgesetzt allerdings, dass in
dem concreten Fall die Befunde an der Leber einigermaassen an die Ver¬
änderungen, welche oben aufgeführt sind, heranreichen.
89*
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G12
Dr. Quittei,
Ist der Genuss des Fleisches perlsüchtiger Rinder
geeignet, die menschliche Gesundheit zu zerstören?
Vom Medicinal-Assessor Dr. Quittei, gerichtlichem Stadtphysicus zu Berlin.
Diese Frage ist eine wiederholt seit einer Reihe von Jahren erörterte.
Die Erörterungen haben zu keiner Einstimmigkeit der Meinungen geführt.
Für die Beantwortung maassgebend sind Gesichtspunkte, aus welchen sich
Folgerungen nur unter Würdigung concreter individueller Umstände ergeben.
Beachtung verdient auch — bei der Verbreitung der Perlsucht — die grosse
nationalökonomische Bedeutung der Frage.
Unter den wichtigsten der verschiedenen hervorgetretenen Meinungen
ist zu erwähnen die Auffassung Gerlach’s, nach welchem das Fleisch perl¬
süchtiger Rinder von der Verwendung als Nahrung für Menschen auszu-
schliessen ist, wenn im Bereich der von der Tubercnlose betroffenen Organe
auch die Lymphdrüsen mit von der Tubercnlose ergriffen, oder wenn — ins¬
besondere in den Lungen — erkrankte Stellen käsig verändert, oder wenn
die Tuberkel weit in dem Körper des Thieres verbreitet sind, oder wenn
bereits Abzehrung an demselben hervortritt. Entgegen diesen Anschauungen
erklärte eine Versammlung des Deutschen Veterinärrathes 1875, dass die
Erfahrungen in Betreff einer Uebertragbarkeit der Rindstuberculose auf den
Menschen nicht ausreichend seien, um die Annahme der Ansteckungsgefahr
für den Menschen und desshalb ein Verbot des Verkaufes von Fleisch und
Milch der perlsüchtigen Thiere zu rechtfertigen. Auch der Geheime Medi-
cinalrath Professor Dr. Virchow hat Stellung zu der Frage genommen.
Unter Mitwirkung desselben hat die königliche Thierarzneischule zu Berlin
Versuche vermittelst Fütterung angestellt. Der Geheime Medicinalrath
Dr. Virchow hat nicht für gerechtfertigt erachtet, dass der Verkauf des
Fleisches von perlsüchtigem Vieh allgemein verboten werde; denn meist
werde das eigentliche Fleisch, die Musculatur, frei von Perlknoten gefunden.
Die genannte Thierarzneischule selbst erklärte in einem Obergutachten 1878:
Dass das Fleisch einer mit der allgemeinen Tubercnlose (Franzosenkrank¬
heit, Perlsucht) behafteten, sonst aber sehr fetten und wohlgenährten Kuh
nicht geeignet sei, Menschen als Nahrung zu dienen, sei nicht erwiesen.
Andererseits sei nicht die Behauptung mehrerer Experimentatoren wider¬
legt, dass bei der Franzosenkrankheit — namentlich wenn sich dieselbe
weit im Körper verbreitet habe — das Fleisch eine specifische Schädlichkeit
enthalte und desshalb von der Verwerthung als Nahrung für Menschen aus-
zuschliessen sei.
Die Sache hat eine wesentliche Förderung durch die Forschungen des
Geheimen Medicinalrathes Dr. Koch erfahren. Auf Grund derselben ist als
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Ist Fleisch perlsücht. Rinder geeignet, die Gesundheit zu zerstören ? 613
erwiesen nach dem derzeitigen Stande der Wissenschaft zu erachten, dass
ein als Parasit in den Körper des Betroffenen eindringender und in diesem
sich einnistender und fortpflanzender kleinster Organismus den krankhaften
Vorgang der Tuberculose bedingt. Ein und derselbe Bacillus bedingt die
Tuberculose des Menschen, wie die der Hausthiere, sowie auch namentlich
die auch „Perlsücht“ genannte Tuberculose des Rindes. Ausschliesslich
dieser Bacillus ist geeignet, Tuberculose zu erzeugen. Derselbe ist, und
zwar fortpflanzungsfähig, in den der erzeugten Krankheit eigenthümlichen
Knötchen, den Perlknoten, den Tuberkeln, enthalten. Auch Sporen werden
an dem Bacillus gefunden, d. h. solche Zellen, welche die Keime neuer
Individuen sind.
Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich zunächst — bei der zu
beantwortenden Frage — darum, ob das verkaufte, bezw. das feilgehaltene
Fleisch mit Perlknoten behaftet war. Ist dieses der Fall, so wird als
festgestellt zu erachten sein, dass das Fleisch Tuberkelbacillen und auch
eventuell Sporen von solchen enthalten hat. Die Erörterung der hieraus
sich für die vorliegende Frage ergebenden Folgerung bleibt Vorbehalten.
Man nehme andererseits den Fall, dass an dem feil gehaltenen Fleische
sich Perlknoten nicht befinden. Zwei Fälle sind alsdann denkbar. Ent¬
weder waren zwar zur Zeit des Schlachtens Knoten an dem Fleischtheile
vorhanden gewesen, solche jedoch durch Ausschneiden vor dem Feilhalten
entfernt worden, oder Knoten hatten sich von vornherein nur an nicht feil¬
gehaltenen Theilen befunden. Mag übrigens der eine oder der andere
dieser Fälle vorliegen, — an und für sich gewährleistet nicht die Abwesen¬
heit der Knoten auch die von Bacillen. Es gehört zu den der Tuberculose
eigenthümlichen Erscheinungen, dass aus den Knötchen heraus Bacillen
auch an andere Stellen des Körpers gelangen, wo alsdann Knötchen neuer¬
dings gebildet werden. Die Rücksicht hierauf drängt dahin, gegebenen
Falles als ausschlaggebend bei der Frage nach einem Gehalt des zu begut¬
achtenden Fleisches an Tuberkelbacillen voranzustellen diejenige nach dem
Umfange der Verbreitung der Knötchen, ob und bezw. inwieweit diese Ver¬
breitung über den ursprünglichen Herd der Erkrankung hinaus sich auf
noch andere Organe als nur auf das zuerst betroffene erstreckt. Dieser
fraglichen Verbreitung entspricht auch im grossen Ganzen der Einfluss der
Schädlichkeit, um welche es sich handelt, auf den allgemeinen Ernährungs¬
zustand. Diese Gesichtspunkte lassen gerathen erscheinen, auch in den
Fällen^ in welchen das Fleisch frei von Perlknoten befunden wird, mit
der Annahme eines Gehaltes desselben an Tuberkelbacillen und eventuell
Sporen von solchen zu rechnen, wenn schon bei dem Thiere Abmagerung
eingetreten oder die Bildung der Perlknoten nicht mehr auf nur ein Organ
beschränkt geblieben ist.
Man gelangt jetzt an die Frage: Welches sind die Wirkungen des
Genusses solchen Fleisches, welches thatsächlich die Bacillen enthält? Die
Erörterung hierüber wird auszugehen haben von der Voraussetzung, dass
in rohem Fleische die Bacillen bezw. die Sporen noch fähig zur Fortpflan¬
zung sind. Ob dieselben absterben unter dem Einflüsse von Zubereitungen,
wie solche meist dem Genüsse des Fleisches voraufgehen, hierüber dürften.
Erörterungen eingehender Art entbehrlich sein insofern, als nur der zur
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614 Dr. Quittei, Ist Fleisch perlsüchtiger Rinder geeignet etc.
Zeit des Verkaufes bezw. des Feilhaltens vorhanden gewesene Zustand der
Waare für die strafrechtliche Frage in Betracht kommen dürfte, meist aber
das feilgehaltene Fleisch rohes gewesen sein wird und ferner insbesondere
eine Art der Zubereitung, wie sie gerade bei anstössigem Fleisch gewissen¬
losen Händlern beliebt — die Verarbeitung zu Wurst — nicht mit irgend
einer Sicherheit ein noch vor dem Genüsse erfolgendes Absterben der Ba¬
cillen gewährleistet.
Was sonst die sich aus allem Bisherigen ergebenden Folgerungen
betrifft, so wird zu rechnen sein mit der Annahme, dass unversehrte
Tuberkelbacillen in den Magen des Menschen gelangen, wenn das verspeiste
Fleisch solche enthalten hat, dass ferner zum mindesten Sporen derselben,
ohne eine Beeinträchtigung von Seiten des Verdauungssaftes im Magen zu
erfahren, diesen passiren, alsdann aber sich auf der Schleimhaut des Dar¬
mes — unter geeigneten, wenngleich wohl nicht häufig vorkommenden Um¬
ständen — einnisten, und so eine Erkrankung des Menschen an Tuberculose
verursachen können.
Unter diesen Umständen erscheinen in Anbetracht, dass die Tuberculose
als eine die Gesundheit zerstörende Krankheit gefürchtet ist, für eine Be¬
jahung der obigen Frage unter Festhaltung der Worte: „die Gesundheit zu
zerstören“ — §.13 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 — die Voraussetzungen
gegeben. Indessen ist nicht zu vergessen, welche Rolle der individuellen
Disposition bei der Entstehung und dem Verlaufe der Tuberculose gebührt.
Eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes drängt dahin, „beschädigen“
für „zerstören“ — unter Anlehnung an den Wortlaut des §. 12 des Gesetzes —
bei Beantwortung der Frage in Rede zu setzen, so dass man zu folgendem
Ergebnisse gelangt:
1. Der Genuss des mit Perlknoten behafteten oder behaftet gewesenen
und nicht durchweg und vollständig gekochten oder gebratenen,
d. h. nicht geraume Zeit der Siedehitze ausgesetzt gewesenen Flei¬
sches perlsüchtiger Rinder ist geeignet, die menschliche Gesundheit
zu beschädigen.
2. Ob der Genuss des nicht mit Perlknoten behafteten oder behaftet
gewesenen und nicht durchweg und vollständig gekochten oder ge¬
bratenen, d. h. nicht geraume Zeit der Siedehitze ausgesetzt gewese¬
nen Fleisches perlsüchtiger Rinder geeignet sei, die menschliche
Gesundheit zu beschädigen, ist nicht ohne die Berücksichtigung con-
creter individueller Umstände festzustellen; zu bejahen ist die Frage
in den Fällen, in welchen bereits Abmagerung bei dem Thiere ein¬
getreten oder die Bildung der Perlknoten nicht mehr auf nur ein
Organ beschränkt geblieben war.
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Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte. Gl5
Kritiken und Besprechungen.
Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte. Band II,
Heft 1 und 2. 5 Tafeln. Berlin, Julius Springer, 1887.
M. Hochstetter: Ueber Mikroorganismen im künstlichen Sel¬
terswasser, nebst einigen vergleichenden Untersuchungen über ihr
Verhalten im Berliner Leitungswasser und im destillirten Wasser.
Die Untersuchung von 24 Flaschen frisch, mit destillirtem und zum
Theil mit filtrirtem destillirtem Wasser bereitetem kohlensäurehaltigem
Wasser ergab, dass diese direct aus den Fabriken am Herstellungstage ent¬
nommenen Selterswässer sehr keimreich waren. Ein nur wenige Tage
dauerndes Aufbewahren liess keinen merklichen Einfluss auf die Zahl der
Keime erkennen. Auch bei längerer Dauer des Aufbewahrens von 35 bis
206 Tagen wurden meist beträchtliche Mengen Bacterien gefunden im
Gegensätze zu den Angaben von Leone und Sohnke, welche stets unter
dem Einflüsse der CO* eine starke und schnelle Abnahme gefunden hatten.
Den Grund für dieses Verhalten findet Hochstetter darin, dass einzelne
Arten wahrscheinlich der CO* besser widerstehen. An eine nachträgliche
Vermehrung in dem Selterswasser selbst zu denken, ist aber nicht erforder¬
lich, sondern viel wahrscheinlicher, dass das destillirte Wasser vor der Ver¬
wendung zu lange gestanden hatte und dadurch eine Vermehrung der in
ihm vorhandenen Keime eingetreten war.
Die Versuche mit Zufügung von rein cultivirten Bacterien ergaben im
Allgemeinen, dass die meisten Arten in dem künstlichen Selterswasser bald
abstarben, doch schwankte die Zeit von wenigen Stunden bis über 30 Tage.
Typhusbacterien hielten sich bis zu 5 Tagen lebensfähig, Choleraspirochäten
bis zu 3 Stunden. Im Leitungswasser wurde dagegen eine Lebendauer der
Kommabacillen bis zu 392 Tagen beobachtet. Sporen von Milzbrandbacillen
blieben 154 Tage unverändert. Manche Bacterien zeigten keine Differenzen
im destillirten und Leitungswasser, bei anderen dagegen erwies sich das
Leitungswasser für die Conservirung bei weitem mehr geeignet, so dass
Verfasser der Qualität des Wassers eine besondere Bedeutung beilegt.
Gaffky: Die Cholera in Gonsenheim und Finthen im Herbste
1886.
Verfasser hat sich vor Allem der Mühe unterzogen, an Ort und Stelle,
unterstützt durch seine amtliche Stellung, den einzelnen Erkrankungs- und
Todesfällen der isolirten Choleraepidemie sorgfältig nachzugehen. Das all¬
gemeine Resultat deckt sich vollständig mit den auf privatem Wege erhobe¬
nen Mittheilungen von A. Pfeiffer und Referent. Auffallend ist bei dieser
Epidemie von Cholera asiatica, dass trotz der ärztlichen Angaben von ab¬
normen Mengen von Todesfällen an Cholera nostras s. indigena der Verdacht,
dass es sich um asiatische Cholera handle, so spät ausgesprochen wurde. Das
Sectionsergebniss lehrt von Neuem, die übliche Schablone nicht als alleinigen
Anhalt zur Diagnose zu benutzen.. Die Sicherstellung des Charakters der
Epidemie war nur iurch die bacteriologische Untersuchung gewonnen.
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Kritiken und Besprechungen.
Ueber die Zahl der Todesfälle an Cholera asiatica ist ein vollständiger
Aufchluss nicht za erhalten gewesen. Sicher sind 14 Fälle, vielleicht waren
es aber 1 oder 2 mehr, unter den im Ganzen nnr angeblich 19 Erkrankten.
Schon dieses Verhältnis beweist, dass sich dort mehr leichter Erkrankte
oder wieder Genesene befunden haben müssen, dass also die Epidemie etwas
ausgedehnter war. In vielen Fällen ist eine Uebertragung von Person zu
Person wahrscheinlich und das allein greifbare Moment Ueber die Ein¬
schleppung des Krankheitskeimes vermochte Gaffky ebensowenig wie
A. Pfeiffer und Referent etwas Positives zu ermitteln, doch glaubt er,
dass der erste Fall sich wohl eine Infection in Mainz geholt haben möchte,
wo eventuell sich einige eingeschleppte Fälle der Kenntniss entzogen haben
könnten und wohin eine Einschleppung doch eher anzunehmen sei, als nach
den ergriffenen Orten selbst. Doch ist zu bemerken, dass diesem ersten Falle
von der Mitte September, auf welchen diese Erklärung passt, höchst wahr¬
scheinlich ein oder einige Fälle schon im Anfang September vorausgegangen
sind, welche ganz im Unklaren blieben, so dass also ein positives endgültiges
Resultat hierüber nicht zu erzielen ist.
Ergebnisse des Impfgesohäftes im Deutschen Reiche für
das Jahr 1883.
Interessant ist besonders das Verhältniss der Impfungen mit Thier¬
lymphe zu denen mit Menschenlymphe. Am meisten Anwendung hat die
Thierlymphe in Hessen gefunden mit 87*58 Proc. und in Hamburg mit
76*59 Proc. Im Allgemeinen sind die Bezirke, welche vorwiegend Thier¬
lymphe verwendeten, relativ schlechter als die anderen. Doch ist es schwierig,
den directen Antheil der Thierlymphe festzustellen, da sich in der Gruppe
dieser Landestheile auch Bezirke finden, z. B. Berlin, Schwarzburg-Rudol¬
stadt, in welchen fast ausschliesslich Menschenlymphe verwendet wurde,
während in Birkenfeld, welches mit 99*41 Proc. erfolgreichen Impfungen
sehr hoch steht, fast die Hälfte, 44*87 Proc., aller Impfungen mit Thierlymphe
ausgeführt wurden. Die Verschiedenheiten der Gewinnung und Conservirung
der Thierlymphe scheinen demnach noch recht grosse zu sein. Dass Ver¬
besserungen der Methoden den Erfolg verbessern, lehrt besonders Hessen.
Besondere Mängel wurden durch den Einfluss zu grosser Hitze vielfach
beobachtet. In einem Falle ist die Uebertragung von Pocken durch den
Impfarzt angegeben. Auch die Zunahme von Scharlach mit Diphtherie
wurde an zwei Orten mit dem Impfgeachäfte in Verbindung gebracht.
Ferner sind local entzündliche und erysipelatöse Erscheinungen in mehreren
Fällen berichtet. Uebertragung von Syphilis wurde nicht beobachtet.
G. Wolffhügel: Ergebnisse der Prüfung von Wasserproben
aus Rudolstadt.
G. Wolffhügel: Ueber blei- und zinkhaltige Gebrauchs¬
gegenstände. Technische Erläuterungen zu dem Entwürfe
eines Gesetzes, betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhal¬
tigen Gegenständen.
Es ist bei dem dem Referenten zu „Gebote stehenden Raume unmög¬
lich, auf Einzelheiten dieser eingehenden, monographischen Bearbeitung des
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A. Schmidt, Verkehr mit Fleisch und Fleischwaaren. 617
Gegenstandes einzugehen. Eine Uebersicht der Abschnitte möge desshalb
als Anhalt für den weiteren Inhalt dienen:
I. Thatsächliches Vorkommen eines Blei- oder Zinkgehaltes bei den
im Gesetzentwürfe genannten Gegenständen.
II. Verhalten der mit Blei oder Zink hergestellten Gegenstände beim
Gebrauche; Ursachen der Angreifbarkeit.
III. Gesundheit8schädigungen in Folge des Gebrauches von blei- bezw.
zinkhaltigen Gegenständen.
IV. Grenze der Schädlichkeit des Bleies und Zinks.
V. Feststellung der gesundheitspolizeilichen Ansprüche.
VI. Ausführbarkeit der Bestimmungen.
1. Zulässigkeit in gewerblicher Hinsicht.
2. Gesundheitspolizeiliche Ueberwachung.
A. Würzburg: Die Säuglingssterblichkeit im Deutschen
Beiohe während der Jahre 1876 bis 1877.
Die Säuglingssterblichkeit schwankt nach der geographischen Lage
ganz beträchtlich und zeigt innerhalb grösserer Gebiete wieder erhebliche
Schwankungen nach der Oertlichkeit. Es ezistiren drei Gebiete höchster
Sterblichkeit: ein südliches (Bayern und Württemberg), ein südöstliches
(sächsische und schlesisch - böhmische Grenze) und eines in Brandenburg.
Um diese Centren liegen Zonen, in denen die Sterblichkeit mit der Ent¬
fernung von dem Centrum nach der Peripherie hin abnimmt.
Hueppe (Wiesbaden).
Dr. Adolph Schmidt (Mülheim): Der Verkehr mit Fleisch
und Fleischwaaren und das Nahrungsmittelgesetz
Vom 14. Mai 1879. Ein praktisches Handbuch für Fleischer,
Fleischbeschauer, Thierärzte, Sanitäts-, Justiz- und Polizeibeamte,
so wie für Verwaltungsbehörden. Berlin, Verlag der Zeitschrift für
Fleischbeschau und Fleischproduction. 1887. gr. 8. 178 S. 3 M.
In diesem werthvollen Buche bezweckt der Verfasser, eine Reihe von
Schwierigkeiten, die bei der praktischen Durchführung deB Reichsgesetzes,
betreffend denVerkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Verbrauchs¬
gegenständen vom 14. Mai 1879 auf dem Gebiete des Verkehrs mit Fleisch
und Fleischwaaren sich geltend gemacht haben, wirksam zu bekämpfen.
Er versucht objectiv festzustellen, welche Fleischkost im Sinne des
NahrungsmittelgeBetzes als verdorben, verfälscht, nachgemacht oder gesund¬
heitsschädlich zu betrachten ist und er will einerseits den Gewerbetreibenden
eine Antwort auf die Frage , ertheilen, was im Handelsverkehr mit Fleisch
zulässig ist, andererseits den Sachverständigen und Beamten eine Norm
bieten für die Handhabung der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen.
Dass diese Arbeit einem lebendigen Bedürfnis Rechnung trägt, wird
keiner der Interessenten verkennen, welcher entweder die Durchführung
des Nahrungsmittelgesetzes auf diesem Gebiete in Händen hat oder von
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Kritiken und Besprechungen.
der Schärfe seiner gesetzlichen Bestimmungen getroffen wird. Denn wenn
auch die Klage Pappenheim’s: „Kein Zweig der Verwaltung sei reicher
an halben Wahrheiten 4 * und Haubner’B: „Die ganze Fleischbeschau steht
übrigens auf schwachen Füssen. Sie lässt sich auch niemals wissenschaft¬
lich begründen und regeln, überall begegnet man ganz willkürlichen
Satzungen“ nicht mehr zu Recht bestehen, seitdem die Fleischbeschau
durch vielseitige Arbeiten und Bemühungen zu einem der wissenschaftlich
am besten begründeten Zweige der präventiven Medicin geworden ist, so
ist doch bisher eine allgemein anerkannte Basis noch nicht gewonnen, nach
welcher die Auslegung und Anwendung der Gesetzesparagraphen normirt
werden dürfte. Neben den Bemühungen Gerlach’s, Bollinger’s, Lydt-
kin’s und Anderer haben die Arbeiten des Verfassers, der als Schüler
Ludwig’s durch namhafte Leistungen auf dem Gebiete der Ernährungs¬
physiologie bekannt ist und der neben einer exacten biologischen Schulung
über ein bedeutendes Maass thierärztlicher Fachkenntnisse und praktischer
Erfahrungen verfügt, ganz nennenswerth an diesem Fortschritt mitgewirkt.
Durch sein „Handbuch der Fleischkunde“ (Leipzig 1884) hat er der Fleisch¬
beschau eine feste wissenschaftliche Basis gesichert und durch dieses Werk,
sowie durch seine seit dem Jahre 1885 erscheinende „Zeitschrift für Fleisch¬
beschau und Fleischproduction“ ganz wesentlich dazu beigetragen, dass
bei der Beurtheilung des Fleisches durch die praktischen Sanitätsbeamten
rationelle und mehr übereinstimmende Anschauungen zu Tage treten.
Wenn das Wirken des Autors ausserhalb des Rahmens der staatlichen
Institute für Thierarzneikunde und ohne directe Fühlung mit der Universität
den schwierigen Weg des Ausbaues dieser Disciplinen verfolgt, so muss
man ihm sein Wirken und Streben um so höher anrechnen, als ja die
Bedeutung dieses wissenschaftlichen Zweiges für die öffentliche Gesundheits¬
pflege sich täglich steigert und täglich mehr erkannt wird.
Die vorliegende Schrift, welche lediglich dem Bedürfnisse der Praxis, hier
aber demjenigen der Gewerbetreibenden ebenso wie demjenigen der Sanitäts-,
Verwaltungs- und Justizbeamten angepasst ist, zerfallt in folgende Theile:
1. Das Reichsgesetz vom 14. Mai 1879 und sein Verhältniss zu den
Gesetzen und Verordnungen in den einzelnen Bundesstaaten.
2. Die technischen Begriffe „verdorben“, „nachgemacht“, „verfälscht“
und „gesundheitsschädlich“ des Nahrungsmittelgesetzes.
3. Das Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1879 und seine Anwendung
auf Fleischkost.
Der erste Theil (S. 1 bis 7) enthält eine kurze Besprechung der
Stellung des Reichsgesetzes zu den zahllosen Gesetzen und Verordnungen,
welche in den einzelnen Bundesstaaten den Verkehr mit Fleisch regeln.
Der Forderung gegenüber, dass es wünschenswerth sei, dass das einheitliche
Reich auch über eine einheitliche Gesetzgebung auf dem Gebiete des Ver¬
kehrs mit Fleisch verfüge, vertritt Verfasser den Standpunkt, den bei der
Berathung des Nahrungsmittelgesetzes auch der deutsche Reichstag für richtig
erkannte, dass gewissen localen Verhältnissen nur durch Verordnungen mit
entsprechender localer Beschränkung wirksam entsprochen werden könnte.
Im zweiten Theile bemängelt Verfasser die Fassung der §§. 10 und 12
des Nahrungsmittelgesctzes und die darin aufgestellten Kategorien der ver-
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A. Schmidt, Verkehr mit Fleisch und Fleischwaaren. 619
botenen Fleischarten in zweierlei Hinsicht. Er will in der Nomenclatur
des §.10 den Ausdruck „verdorben“ gestrichen, dafür aber den Ausdruck
„ekelerregend“ aufgenommen wissen und wünscht ausserdem die Aufnahme
der Kategorie des minderwerthigen Fleisches an Stelle der Begriffe „gefälscht
und nachgemacht 4 , so dass man drei Arten: gesundheitsschädliches, ekel¬
erregendes und minderwerthiges Fleisch zu unterscheiden hätte (S. 8 bis 10).
Hervorgehoben zu werden verdient die Beleuchtung des Begriffs „ver¬
dorben“, welchen Verfasser doppelsinnig nennt, weil verdorben sowohl
für ekelerregend, als auch im Sinne von gesundheitsschädlich gebraucht
werden könne. Neben dem gesundheitsschädlichen und dem nur ekelerre¬
genden Fleische wünscht Verfasser einer dritten Fleischsorte, dem minder¬
werthigen Fleische, die gesetzliche Beachtung zuzuwenden.
Wenn Schmidt in seiner Kritik der Begriffe „verdorben“, „nach¬
gemacht“, „verfälscht“ sich wesentlich gegen die Fassung der §§. 10 und
11 des Nahrungsmittelgesetzes richtet, und wenn er mit absprechender
Sicherheit die von ihm gewählte Eintheilung der zu beanstandenden Fleisch¬
sorten in „gesundheitsschädliche“, „ekelerregende“ und „minderwerthige“ für
eine treffendere und in der Praxis leichter durchführbare hinstellt, so mag das
für Fleisch und Fleisch waaren zutreffen, fraglicher erscheint es, ob eine der¬
artige Aenderung auch beziehentlich des Verkehrs mit Nahrungs- und
Genussmitteln anderer Art vortheilhaft zu erachten ist und ob das Gesetz
z. B. den Ausdruck „nachgemacht“ entbehren kann. Fleisch lässt sich
bisher nicht synthetisch aus seinen chemischen Bestandtheilen auch nur
annähernd nachmachen, da selbst die Käst an 7 sehen Präparate bei Be¬
nutzung als Nahrung schnell als nachgemacht erkannt werden dürften;
Kaffeebohnen dagegen werden gar nicht selten fabrikmässig zum Zweck
des Betruges nachgemacht. Verfasser könnte zwar einwenden, dass im
letzteren Falle nicht §.10 des Nahrungsmittelgesetzes, sondern §. 367 des
Strafgesetzbuches in Anwendung zu kommen hätte, und dass somit dieser
Fall bereits im allgemeinen Strafparagraphen vorgesehen sei.
Lässt sich über diesen Punkt auch streiten, so scheint es doch plau¬
sibel, für den Verkehr mit Fleisch und Fleisch waaren den Ausdruck minder-
werthig als den umfassenderen in die Paragraphen 10 und 11 aufzunehmen,
namentlich auch im Interesse der Producenten und Consumenten. Es
ist wohl nicht zu bezweifeln, dass heute in einzelnen öffentlichen
Schlachthäusern so manches Schlachtthier völlig verworfen und dem Ab¬
decker überliefert wird, welches bei andersartiger Paragraphenfassung als
verkaufbares minderwerthiges Fleisch geduldet werden könnte, ohne Schaden
für die Gesundheit und ohne Beleidigung für Gefühl und Empfinden der
con8umirenden Menge. Berücksichtigt die Sanitätspolizei diese beiden
Punkte, dass das minderwerthige Fleisch weder gesundheitsschädlich, noch
ekelerregend sein, in letzterer Beziehung auch nicht von Schlachtthieren
herrühren darf, welche mit ekelerregenden Krankheiten behaftet waren, so
lässt sich gegen die Zulassung solchen Fleisches zum Verkaufe nichts
einwenden, natürlich unter der Bedingung, dass den Käufern die Herkunft
und die geminderte Qualität der Waare bekannt gegeben wird. Eine der¬
artige Behandlung des minderwerthigen Fleisches wird dem Producenten
werthvoll sein, weil er noch immer einen ansehnlichen Preis aus seiner
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620
Kritiken und Besprechungen.
beanstandeten Waare erzielt, dem Consumenten aber eine nicht zu unter¬
schätzende Wohlthat, namentlich jenen Schichten der Bevölkerung, welche
weniger Gewicht darauf legen, eine Waare von tadelloser Herkunft zu
erhalten, als darauf, für massigen Preis eine Fleischkost zu erstehen, welche
gedeihlich ist und frei von solchen Anomalien, dass ihre Kenntniss in den
Kreisen der betreffenden Consumenten Ekel erregen könnte.
A. Gesundheitsschädliches Fleisch. Wohl kaum ein anderer
Zweig, sagt der Verfasser, der Nahrungsmittelbranche ist bisher von dem
ganzen Ernste des Nahrungsmittelgesetzes mehr getroffen worden, als das
Fleischergewerbe, besonders weil das Fleisch sich heimtückisch und hinter
dem Rücken der Gewerbetreibenden mit Schädlichkeiten beladen kann, wie
sie gefährlicher gar nicht gedacht werden können. Selbst das gesundeste
Fleisch kann nach dem Schlachten noch Schädlichkeiten aufnehmen, die
dem Auge des Verkäufers völlig verborgen bleiben und die von der aller¬
höchsten Gefahr für die menschliche Gesundheit werden können. Damit
diese und ähnliche Umstände bei Beurtheilung schädlicher Fleischarten mit
in Rücksicht genommen werden, fordert Schmidt eine gründlichere wissen¬
schaftliche und praktische Kenntniss seitens der thierärztlichen Sachver¬
ständigen. Und wer sollte ihm nicht beistimmen Angesichts der wie Pilze
wuchernden Ptomaine, welche uns im letzten Jahrzehnt hauptsächlich durch
Brieger’s verdienstvolle Arbeiten bekannt geworden sind.
Verfasser gruppirt die gesundheitsschädlichen Fleischsorten in folgende
vier Abtheilungen:
a) Fleisch von inficirten Thieren;
b) Fleischgifte, die sich erst nach dem Schlachten bilden;
c) das Fleisch als Nährboden für AnsteckungsBtoffe von Krankheiten
des Menschen;
d) das Fleisch als Entwickelungsstätte für Insectenlarven.
a) Als inficirte Thiere bezeichnet Verfasser diejenigen, welche mit der
Schweinefinne, Rinderfinne, Trichine, mit Tuberculose, Milzbrand, Wuth-
krankheit, Rotz, mit Eiter- und Jauche Vergiftung und schliesslich mit
Maul- und Klauenseuche behaftet sind.
Bei Besprechung der Tuberculose bespricht er die negative Wirkung
des Ministerialerlasses vom 25. Juni 1885, der nach seiner Ansicht wohl
kaum mit dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft und Praxis
ganz in Einklang zu bringen sein dürfte.
Bezüglich der Maul- und Klauenseuche (Aphtenseuche) hebt er hervor,
dass sie weniger durch den Genuss des Fleisches als den der Milch auf den
Menschen übertragen werde, und dass es bei dem meist gutartigen Verlaufe
der Krankheit gerathen sei, das Abschlachten des Thieres erst nach der
Durchseuchung vorzunehmen.
Es wird im Handelsverkehr mit Schlachtthieren stets beiden grossen
Factoren Rechnung zu tragen sein, einmal den begründeten Forderungen
der Sanitätspolizei, nicht minder aber den berechtigten Forderungen der
V olkswirthschaft.
Der Inhalt der Abtheilungen b), c) und d) ist so reichhaltig, gemässigt
und doch in der Form so knapp gehalten, dass ein eingehendes Referat
jede Nummer einzeln besprechen, resp. wiederholen müsste. Ich führe
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A. Schmidt, Verkehr mit Fleisch und Fleischwaaren. 621
desshalb nur die Titel unter b) an: giftiges Hackfleisch, giftiges Fleisch
aus der Küche, giftige Würste und Conserven, und faules Fleisch.
B. Als ekelerregendes Fleisch wird besprochen: 1) Das Fleisch
von Thieren, die an schweren, nicht auf den Menschen übertragbaren In-
fectionskrankheiten mit Blutzersetzung leiden (Rauschbrand, Rothlauf,
Schweineseuche). 2) Mit thierischen oder pflanzlichen Parasiten durch¬
setztes Fleisch (Echinococcen, Leberegel, Muskeldistomen, fadenförmige
Würmer in den Lungen, dünnhalsige Finnen, Drehwürmer, Miescher’sche
Schläuche, Strahlenpilze, Duncker*sehe Strahlenpilze, Schleimpilze). 3) Das
Fleisch von verendeten Thieren oder von solchen, die zu spät abgestochen
wurden. 4) Fleisch von arzneilich behandelten, resp. vergifteten Thieren.
5) Fleisch von widerlichem Geruch und Geschmack. 6) Fleisch von unreifen
Thieren (S. 30). 7) Aufgeblasenes Fleisch. 8) Fleisch von gehetzten Thieren.
9) Durchseuchtes Fleisch. 10) Ekelhaft verfärbtes Fleisch. 11) Rothgefleck-
tes Fleisch. 12) Phosphorescirendes Fleisch. 13) Verschimmeltes Fleisch.
14) Fleischmilben. 15) Fleisch mit anderweitigen Abweichungen.
Für gesundheitsschädliches Fleisch, sowie allgemein ekelerregendes
Fleisch wird gefordert, dass es gänzlich vom Handelsverkehr ausgeschlossen
wird.
C. Den Verkauf des minderwerthigen FleischeB will Verfasser
durch die §§. 10 und 11 geregelt wissen.
Als solches bezeichnet er 1) Fleisch mit nachweisbarer substanzieller
Verschlechterung, 2) Fleisch von Schlachtthieren mit gewissen Mängeln.
Demgemäss werden zunächst die im Handelsverkehr mit Fleisch vor¬
kommenden Verfälschungen, Mehlzusatz zur Wurst, Verwendung von Eiweiss
als Bindemittel, der Gebrauch von Farbstoffen zum Färben des Fleisches,
die Verwendung der Rückstände von der Fleischextractfabrikation und
anderen minderwerthigen Fleischsorten zur Herstellung von Fleisch waaren,
die Verfälschungen des Schmalzes etc. besprochen. Das äusserst wichtige
Capitel: Verwendung von Mehl bei der Wurstfabrikation, bildet gleichsam
eine kleine Monographie mit eingehendster, sorgfältiger Bearbeitung, in
welcher der Verfasser die eingehendsten Studien und Kenntnisse der Fleisch-
waarentechnik bekundet. Sodann finden im zweiten Theile die Mängel
der Schlachtthiere ihre Erledigung, welche das Fleisch minderwerthig
machen: 1) Das Fleisch von gesunden, aber ungenügend genährten Thieren.
2) Locale Veränderungen, die keine sichtbare Krankheitserscheinungen ver¬
ursachen. 3) Fleisch von nothgeschlachteten Thieren.
Bei der ausserordentlichen Bedeutung der Nothschlachtungen für die
Sanitätspolizei kommt diesem Abschnitte des Buches eine hervorragende
Bedeutung zu. Nothschlachtungen werden nach dem Verfasser vorgenommen
1) wegen plötzlich auftretender Nothlagen, in welche die Schlachtthiere
gerathen durch Kalbefieber, Trommelsucht, Vorfall der Gebärmutter, Hinder¬
nisse bei der Geburt, Schlundverstopfung, Verletzungen und Knochenbrüche;
2) wegen chronischer Krankheiten der schlachtbaren Thiere (Abzehrung,
erschöpfende Durchfälle, Mundkrankheiten, Tuberculose, Strahlenpilzkrank¬
heit, verschluckte Fremdkörper, Lungenseuche, Drehkrankheit, Fäule,
Lun gen wurmkrankheit, Magen wurmseuche, Bandwurmseuche, Bremsen¬
schwindel, Räude).
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Kritiken und Besprechungen.
Für minderwertiges Fleisch fordert der Verfasser, dass es nur unter
gewissenhafter Bezeichnung der wahren Beschaffenheit der Waare, eventuell
auch unter amtlicher Controle zum Verkauf gelangen soll. Für die Noth-
schlachtungen verlangt er, dass sie allerwärts nur unter strengster sanitäts¬
polizeilicher Controle vorgenommen werden dürfen, dass sich die Besichtigung
des Fleisches auch auf sämmtliche Eingeweide zu erstrecken habe, und dass
wo möglich das Schlachtthier noch im Leben thierärztlich untersucht wird.
Als Beispiel einer guten Verordnung sieht Verfasser die Verordnung
des Polizeipräsidiums zu Magdeburg vom 18. October 1885 an.
Verfasser legt auf die Controle der Nothschlacbtungen um so mehr
Gewicht, als nachweislich die meisten Fleischvergiftungen nach dem Genüsse
solchen Fleisches eingetreten sind, welches von heimlich geschlachteten
Thieren herrührte.
Der letzte Theil des Buches bringt die bisherige richterliche Auslegung
des Reichsgesetzes, so weit sich dieses auf Fleischkost bezieht, in klarer
und übersichtlicher Weise, und nimmt besonders auf die verdienstvolle
Arbeit von Meyer und Finkelnburg die gebührende Rücksicht.
Ein sorgfältiges Sach-Register bildet den Schlussstein dieser im Vor¬
stehenden kurz skizzirten inhaltsreichen Arbeit, welche eine allseitig tief
empfundene Lücke in der Nahrungsmittelliteratur auszufüllen verspricht
und welche in Zukunft in der Bibliothek keines Sanitäts- und Verwaltungs¬
beamten fehlen sollte, der sich mit den einschlägigen Fragen beschäftigt.
Andererseits möchten wir in UebereinStimmung mit dem Wunsche des
Verfassers ebenfalls wünschen, dass das in klarer und gemeinverständlicher
Sprache geschriebene Buch auch in der Hand der Landwirthe, Händler und
Gewerbetreibenden den Nutzen stiften möge, welchen wir nach seinem Werthe
von seinem Studium erwarten dürfen. Dr. Mitten zweig (Berlin).
Professor Dr. J. König in Münster: Die Verunreinigung der
Gewässer, deren schädliche Folgen, nebst Mitteln zur
Reinigung der Schmutzwässer. Mit dem Ehrenpreise Seiner
Majestät des Königs Albert von Sachsen gekrönte Arbeit. Berlin,
Springer, 1887. gr. 8. XV — 624 S. 20 M.
Die Preisaufgabe lautete:
c) Nachweis der gesundheitlichen, gewerblichen, industriellen, land¬
wirtschaftlichen und sonstigen Interessen — einschliesslich der
Interessen der Fischerei —, welche in Folge der, theils durch
Benutzung der Wasserläufe, theils durch Einführung von Abfall¬
stoffen in dieselben bedingten Verunreinigungen der fliessenden
Wässer geschädigt werden.
b) Genaue Darlegung der gegen die verschiedenen Arten der Beein¬
trächtigung wirksamsten chemischen Mittel, maschinellen Einrich¬
tungen und baulichen Vorkehrungen unter Nachweis der technischen
und ökonomischen Ausführbarkeit der gemachten Vorschläge. Zur
Erläuterung sind Zeichnungen, Modelle, Präparate erwünscht.
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J. König, Verunreinigung der Gewässer.
Es giebt wohl keinen Berufeneren zur Lösung dieser gestellten schwie¬
rigen und umfassenden Aufgabe als Professor König, und es ist daraus
ein Werk entstanden, welches durch den Fleiss der Arbeit und den Werth
seines Inhalts der deutschen Wissenschaft zur Zierde gereicht.
Der Verfasser sagt in seiner Vorrede, dass er sowohl seine eigenen
Versuche, die darauf abzielten, zu erraittteln, in welcher Weise und in
welcher Menge, d. h. von welcher Grenze an verschiedene, häufig wieder¬
kehrende Abgangswässer schädlich wirken, angeben wolle, als auch die
bezüglichen Untersuchungen und Beobachtungen Anderer, welche in Gut¬
achten bei den Gerichten oder den Verwaltungen unbekannt und unver¬
wertet schlummern, aus Licht bringen wolle, um zur weiteren Mittheilung
derartiger Beobachtungen und Erfahrungen anzuregen, und um so zu
einem Sammelwerk zu gelangen, welches in ähnlicher Weise, wie das vor¬
treffliche Werk von J. v. Schröder und C. Reuss, „die Beschädigung der
Vegetation durch Rauch“ für die gasförmigen industriellen Abgänge, der¬
artige Fragen auch für die festen und flüssigen Abgänge aller Art mit
Sicherheit und Schärfe beantworten lässt.
In der Einleitung wird die Verschiedenheit in der Zusammensetzung
des reinen Flusswassers erwähnt, die Schwierigkeit der Nachweisung
von Beschädigungen in Folge der Verunreinigung durch industrielle und
städtische Abgänge dargethan, und die Gesetze über die Verunreinigung
der Flüsse, welche in England, Baden, Sachsen und in der Schweiz bestehen,
aufgeführt. Mit Recht wird der Erlass solcher Gesetze für alle Länder
und deren Anwendung seitens der Behörden vor Concessionirung neuer
industrieller Anlagen empfohlen, und die Bestimmung getadelt, dass erst
der geschädigte Adjacent durch schwierige und kostspielige sachverständige
Untersuchungen seine Schädigung nachweisen, und in langwierigen Pro¬
cessen sein Recht suchen muss, wie es zur Zeit bei uns der Fall ist*
Im ersten Theile werden die Abfallwässer mit stickstoffhaltigen orga¬
nischen Stoffen besprochen, deren schädliche Wirkungen, basirend auf
ihrem Gehalt an suspendirten organischen Stoffen oder Schlammtheilcheu
aller Art, und an übelriechenden Fäulnissproducten, sowie auf ihrem Mangel
an Sauerstoff, kämen in landwirthschaftlicher, gewerblicher und sanitärer
Beziehung in Betracht. In letzterer Hinsicht wird ausgeführt, dass die
suspendirten Schlammstoffe, deren hauptsächliche Quelle die städtischen
AbgangswäBser sind, stets mit mehr oder weniger Mikroorganismen, sowie
Reproductionsorganen von Parasiten der verschiedensten Art, behaftet sind,
und dass sie daher die directen Träger von Infectionsstoffen und somit *
directe Urheber von ansteckenden Krankheiten werden können. Es werden
zur Begründung hierbei die neuesten, einschlägigen bacteriologischen For¬
schungen angeführt. Nicht nur die Schädlichkeit der im Wasser suspen¬
dirten Fäulnissstoffe wird erwähnt, sondern auch besonders der schädliche
Einfluss der gelösten Fäulnissstoffe, der Ptomaine, sowie des Schwefelwasser¬
stoffs, Ammoniaks u. 8. w. wird betont.
Bei der Reinigung der Schmutzwässer sei in erster Linie auf die
Beseitigung der suspendirten Schlammstoffe, als der Träger für die Fäul-
nisskeime und Fäulnissvorgänge, Rücksicht zu nehmen, indess spielt die
Beseitigung der gelösten Fäulnissstoffe aus denselben eine nicht minder
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Kritiken und Besprechungen.
wichtige Rolle. Die Reinigungsverfahren werden eingetheilt in 1) Beriese¬
lung, 2) Filtration, 3) Klärung in Klärteichen mit und ohne Zusatz von
chemischen Fällungsmitteln, 4) Anwendung chemischer Fällungsmittel mit
darauf folgender Berieselung, 5) Mechanisch wirkende und sonstige Reini¬
gungsverfahren. Nach kurzer allgemeiner Besprechung dieser Reinigungs¬
verfahren kommt der Verfasser zu folgenden Schlussfolgerungen:
1) Die vollkommenste Reinigung der stickstoffhaltigen organischen
Schmutzwässer kann, d. h. wenn richtig ausgeführt, durch die Boden¬
berieselung bewirkt werden. — 2) Der Bodenberieselung steht in ihrer
Wirkung die intermittirende Filtration am nächsten; letztere erfordert aber
Filtrationsmassen von viel grosserem Umfange als die Berieselung. —
3) Durch chemische und mechanische Fällungs- resp. Reinigungsmittel ist
es im Allgemeinen nur möglich, die suspendirten Schlammstoffe zu
fällen. Die Fällung der gelösten organischen Stoffe kann nur in be¬
schränktem Maasse durch chemische Fällungsmittel unterstützt werden. —
4) Aus demselben Grunde kann im Allgemeinen, wenn eine künstliche
Reinigung erforderlich ist, nur die Reinigung von suspendirten Schlamm¬
stoffen und zwar in thunlichst frischem Zustande angestrebt werden. Die
Grenze der zu beseitigenden, gelösten organischen Stoffe muss in jedem
einzelnen Falle (bei industriellen Etablissements je nach der Fabrikation)
normirt werden. — 5) Die Mittel resp. das Verfahren, um eine thunlichst
vollkommene Reinigung zu erzielen, richten sich ganz nach der Art und
Menge der zu reinigenden Schmutzwässer, und es kann die zweckmässigste
Reinigung bald auf diese, bald auf jene Weise erreicht werden. — 6) Wie
die Art und Menge der Schmutzwässer, so kommt auch bei der Reinigung
die Menge und Stromgeschwindigkeit des die Schmutzwässer aufnehmenden
Bach- resp. Flusswassers in Betracht. — 7) Das klare Aussehen der gerei¬
nigten Schmutzwässer dieser Art, sowie die augenblickliche Abwesenheit
von Mikroorganismen ist durchweg noch kein Beweis für eine genügende
Reinigung, resp. für ihre Unschädlichkeit. — 8) Die Unschädlichmachung
der anderweitig nicht zu beseitigenden gelösten organischen Stoffe wird
am einfachsten und sichersten dadurch mit erreicht, dass die von suspen¬
dirten Scblammstoffen befreiten und sauerstoffarmen Wässer mit Luftsauer¬
stoff gesättigt werden. — 9) Ein durchgreifender Erfolg in Bezug auf
Reinhaltung der Flüsse lässt sich nur erwarten bei Ausdehnung'der bezüg¬
lichen Vorschriften und Maassregeln auf sämmtliche Städte, industrielle
Etablissements u. s. w., die an den öffentlichen Wasserläufen liegen.
Nachdem so die schädlichen Wirkungen der Abgangswässer mit stick¬
stoffhaltigen, organischen Stoffen, sowie die Verfahren ihrer Reinigung im
Allgemeinen besprochen sind, folgt nun die Behandlung der einzelnen
Arten dieser Abwässer im Speciellen.
Besonders erschöpfend werden die städtischen Abgangswässer behandelt,
ihre Zusammensetzung, die Verunreinigung der Luft, des Bodens und des
Grundwassers, welche durch sie bedingt wird, die Verunreinigung der
Flüsse und deren Selbstreinigung. Ueberall werden die neuesten Erfah¬
rungen, wie sie in den in- und ausländischen Zeitschriften und in Werken
von Ferd. Fischer, Heiden, Alexander Müller, v. Langsdorf u. A.yoi>
liegen, angeführt und verwerthet. Alsdann werden die Reinigungsverfahren
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J. König, Verunreinigung der Gewässer.
nach der oben erwähnten Eintheilung einzeln aufgeführt und unter Mit¬
benutzung zahlreicher Tabellen und Zeichnungen gewürdigt. Ueber jedes
Verfahren wird nach seiner Darstellung ein kurzes Resümee gegeben. Als
Anhang zu diesem eigentlichen Reinigungsverfahren der städtischen Abgangs-
wässer werden dann auch noch alle Verfahren, welche zur Verwerthung und
Verarbeitung speciell der Fäcalstoffe angegeben sind, aufgeführt und be¬
sprochen. — Für Berliner Verhältnisse interessirt besonders das mit Bestimmt¬
heit abgegebene Urtheil Über die Wirkung des Berieselungs-Verfahrens:
1. In erster Linie werden die suspendirten Schlammstoffe entfernt,
indem sich dieselben bei ein- oder mehrmaliger Benutzung des
Wassers mehr oder weniger vollständig mechanisch auf und in dem
Boden niederschlagen.
2. In zweiter Linie werden die gelosten organischen Stoffe zum Theil
vom Boden absorbirt, und durch den Sauerstoff der Bodenluft resp.
des Wassers oxydirt; gleichzeitig aber wird dem Wasser auch noch
wieder Luftsauerstoff zugeführt.
3. Die gelösten Mineralstoffe oder die mineralisirten Verbindungen, wie
Salpetersäure u. 8. w., erfahren eine Abnahme, insofern sie entweder
direct von den Pflanzen aufgenommen, oder zum geringen Theil vom
Boden absorbirt werden.
Dagegen lautet das Urtheil über die Wirkung der chemischen Fällungs¬
mittel, welche gegenüber dem Berliner Berieselungs verfahren neuerdings
wieder von mancher Seite so sehr angepriesen werden, beinahe vernichtend
(S. 181 u. ff.): „Durch chemische Fällungsmittel und Klärenlassen gelingt
es im Grossen und Ganzen, nur die suspendirten Schlammstoffe aus den
städtischen Abgangswässern zu entfernen, nicht aber die gelösten Stoffe;
ja, man findet nicht selten, dass die mit einem Ueberschuss von Kalk be¬
handelten und geklärten Schmutzwässer sogar mehr organische Stoffe in
Lösung enthalten, als die ursprünglichen Schmutzwässer, was nur so
erklärt werden kann, dass der überschüssige Kalk zersetzend auf die sus¬
pendirten, organischen Schlammstoffe wirkt, und davon einen Theil in eine
lösliche Form überführt.“
Nach den „städtischen Abgangswässern“ werden alsdann in besonderen
Capiteln die Abgänge aus Schlachthäusern, aus Gerbereien und Lederfärbe¬
reien, aus Bierbrauereien und Brennereien, aus Stärkefabriken, Zucker¬
fabriken und Papierfabriken, aus Flachsrotten, von der Fettindustrie, aus
Leimsiedereien, aus Wollwäschereien, Tuch-, Baumwoll- und Seidenfabriken,
endlich aus Farbenfabriken und Färbereien besprochen, immer nach ihrer
Zusammensetzung und ihren schädlichen Wirkungen, und die dazu gehörigen
Reinigungsverfahren angegeben.
Im zweiten Theile werden die Abgangswässer mit vorwiegend mine¬
ralischen Bestandtheilen behandelt. Da bei diesen weniger die sanitären
als die landwirtschaftlichen, gewerblichen und auf die Fischzucht bezüg¬
lichen Interessen in den Vordergrund treten, so werden diese Beziehungen
hier auch in besonderer Weise gewürdigt. Behandelt werden die Abgänge
aus Gasfabriken, Steinkohlengruben, Salinen, Chlorkaliumfabriken, Zink¬
blendegruben, Schwefelkiesgruben, Drahtziehereien, Kiesabbränden, aus
Soda- und Potaschefabriken, Chlorkalkfabriken, Bleichereien, Verzinkereien,
Vierteljahrsschrift fQ r Geiundheit*pflege, 1887. 40
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Kritiken und Besprechungen.
Silberbeizereien, Blutlaugensalzfabriken, Strontianitgrubeo, Steinkohlen-
wasche und Braunkohlenwäscherei. In systematischer Vollständigkeit wird
auch hier in jedem einzelnen Capitel die Zusammensetzung, Schädlichkeit
und die Reinigung der Abgänge besprochen. Wegen der unendlichen Fülle
und Mannigfaltigkeit der Einzelheiten des Stoffes muss auf das Werk selbst
verwiesen werden.
In einem Anhänge werden schliesslich noch mehrfache Nachträge und
Ergänzungen des Vorherigen gegeben, besonders in Bezug auf die Abgangs¬
wässer aus Zuckerfabriken, sowie eine Beschreibung von Apparaten und
Einrichtungen zur Reinigung von Schmutzwässern; ferner ein Nachtrag zu
den Gesetzen betreffend die Verunreinigung der Flüsse, worunter das
englische Gesetz von 1886 besonders interessirt. Dasselbe giebt ein genaues
Verzeichniss (nach ihrem Gehalt an organischen und mineralischen Stoffen)
derjenigen Flüssigkeiten, welche in Flüsse geleitet werden dürfen, und
unterscheidet Flüsse, deren Wasser für den Wasserbedarf in Städten und
Dörfern verwendet wird, und Flüsse, deren Wasser nicht zu diesem Zweck
Verwendung findet. Endlich werden einschlägige Reichsgerichtsentschei¬
dungen aus den letzten Jahren angeführt, und scchliesslich daran allgemeine
Bemerkungen über den jetzigen Rechtszustand, betreffend die Zuleitung
von Abwässern in die Flüsse, geknüpft.
Das Werk ist ausgestattet mit zahlreichen Tabellen und Zeichnungen
der maschinellen Einrichtungen und baulichen Vorkehrungen bei den
Reinigungsverfahren; ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und sehr genaues
Sachregister ist beigefügt, wodurch sein Werth als Sammelwerk für die
bezügliche hygienische Forschung noch erhöht wird. Es giebt kein anderes
Werk, welches die festen und flüssigen Abfallstoffe aller Art, ihre schädlichen
Folgen und die angewandten Reinigungsverfahren in erschöpfenderer Aus¬
führlichkeit behandelt. Dr. L. Becker (Berlin).
Bericht über die Vorarbeiten für die systematische Ent¬
wässerung und Reinigung der Stadt Riga, enthaltend
die Arbeiten von Oberlehrer Ad. Werner, Prof. M. Glasenapp,
Dr. med. E. Bochmann und Oberingenieur Ad. Agthe. Redigirt
im Aufträge des Rigaschen Bauamtes von Ad. Agthe. Riga, 1886.
gr. 8. 211 S. u. 26 Taf. in 4.
Die sanitären Missstände, welche mit dem Wachsthum der Bevölkerung
grosser Städte gleichen Schritt halten, erreichen schliesslich eine Höhe,
welche die städtischen Behörden zu der Entscheidung zwingen, entweder
die bisherigen Maassregeln zu verschärfen oder aber ein neues Verfahren
zu ihrer Beseitigung einzuschlagen. DaB Anwachsen der Abwässer, welches
namentlich im Gefolge der wohlthätigen Einrichtung städtischer Wasser¬
leitungen eintritt, die Unmasse der von der Bevölkerung producirten Fäcalien
und der festen Abfallstoffe verlangt laut und energisch neue und ausreichende
gesundheitliche Abflusswege, sobald ihre offene oder geheime Magazinirung
im Bereiche der Stadtgebiete ein drohendes Ansehen gewinnt. In techni-
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Systematische Entwässerung und Reinigung der Stadt Riga, 627
sehen und wissenschaftlichen Commissionen werden diese Wege gesucht
und ihr Werth gegen einander abgewogen, immer von Neuem tritt die
grosse Frage von Canalisation oder. Abfuhr in die Tagesordnung, um schliess¬
lich mit der Annahme eines Systems von Canalisation und Abfuhr beant¬
wortet zu werden.
Im Jahre 1875 nahm auch der Rath der Stadt Riga diese Frage auf,
und ihre Beantwortung erfolgte zehn Jahre später in dem vorliegenden und
in dem später zu besprechenden Werke.
Der Bericht stellt in fünf Abschnitten die Punkte zusammen, welche
das Material zur Beantwortung der Frage liefern, während in dem nach¬
folgenden Theile die Antwort auf die wichtigsten Fragepunkte erfolgt. Er
beginnt mit:
I. Riga’s Witterungs Verhältnisse nebst einem Anhang: Wasser¬
stand und Eisbedeekung der Düna bei Riga. Von Oberlehrer
Dr. Werner (S. 1 bis 26).
Seit dem Jahre 1795 sind in Riga zu bestimmten Tagesstunden Wit¬
terungsbeobachtungen angestellt, und wenn auch lückenhaft gesammelt, noch
vorhanden. Aus diesen Aufzeichnungen wird dasFacit gezogen über Tempera¬
tur, Luftdruck, Feuchtigkeit der Luft, Bewölkung und Niederschläge, Wind¬
richtung und Windstärke, Wasserstand und Eisbedeckung der Düna bei Riga.
1) Temperatur. Für ihre Bestimmung sind die Beobachtungen aus
den Jahren 1851 bis 1882 verwerthet und auf das Genaueste berechnet.
Ich verzeichne nur als interessante Angaben: die höchste Temperatur vom
13. August 1868 mit 34*5°C., die niedrigste mit —32*5°C. am 1. und 2. Ja¬
nuar 1876, sowie die Mittel für die Beobachtungszeiten um 7 Uhr Morgens,
1 Uhr Nachmittags, 9 Uhr Abends aus den Jahren 1870, 1873 bis 1881.
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. Dec.
7 Uhr: —57 —5*8 —3*6 2*5 8*6 15*7 17*1 14*8 10*2 4*2 0*7 —4*9
im Jahre 4*5,
lUhr: — 4*1 —2*7 —0*5 6*7 12*2 19*3 20*6 19*3 15*4 7*9 2*3 —3*9
im Jahre 7*7,
9 Uhr: —5*1 —4*5 —2*0 3*5 8*8 15*2 16*9 15*6 11*6 5*5 1*0 —4*9
im Jahre 5*1.
2) Luftdruck. Auch hier sind Beit dem Jahre 1851 die Barometer¬
stände zum Maassstabe genommen worden. Die Maxima, Minima und die
Differenzen sind S. 9 verzeichnet.
3) Feuchtigkeit der Luft, Bewölkung und Niederschläge. Die
mittleren Niederschlagshöhen betragen in Millimetern:
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. Oct. Nov. Dec.
29*11 20*66 25*82 27*37 44*30 54*60 64*57 63*32 56*91 47*36 49*59 32*70
pro Jahr 520*79.
Als bedeutendste Niederschlagsmengen in 24 Stunden sind verzeichnet:
im Juni 1882 . . . 57*7 mm im Juli 1882 . . . 40*1 mm
„ „ 1883 . . . 54*5 „ „ August 1874 . . . 37*8 „
„ August 1881 . . . 44*3 „ „ „ 1880 . . . 36*0 „
„ „ 1876 . . . 42*9 „ „ Juni 1854 . . . 33*8 „
„ * 1882 . . . 40*3 „
40*
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Kritiken und Besprechungen.
4) Windrichtung und Windstärke. Für West sind die Maxima
im Januar, März, Juli (und ein geringes im November); für Ost sind die
Minima im Januar, März, Juli; für West sind die Minima im Februar,
April, September, December; für Ost sind die Maxima im Februar, April,
October, November. Die Windstärke steigert sich im Laufe des Tages und
wird zum Abend geringer. Starke Stürme treten durchschnittlich auf im
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. Oct. Nov. Dec.
10 9 8 5846 3 4 16 68
Es folgen sieben diesbezügliche Tabellen und ein Anhang: Wasserstand
und Eisbedeckung der Düna bei Riga nebst einer Tabelle.
n. Chemisch - analytische und mikroskopische Untersuchung
des Bodens, des Grundwassers und einiger Brunnen- und
offener Gewässer der Stadt Riga, ausgeführt in den Jahren
1882 bis 1884 im Aufträge der Stadtverwaltung von Professor
M. Glasenapp (S. 29 bis 92).
Glasenapp huldigt in Beinen Vorbemerkungen der Theorie, nach
welcher unter besonders günstigen Bedingungen, zu denen eine gewisse
Ueberladung des Bodens mit fäulnissfahiger organischer Materie zu gehören
scheint, der letztere jene specifischön Formen der Spaltpilze zu produciren
vermag, die als parasitäre Krankheitserreger bekannt geworden sind, ohne
sich auf die Differenz von Nägeli, Pettenkofer und Koch näher einzu¬
lassen. Diese Theorie erkläre die Thatsache, dass man dem „siechhaften“
Boden in den Städten, wo die Verunreinigung naturgemäss am leichtesten
erfolgt, in der jüngsten Zeit seitens der Hygiene eine erhöhte Aufmerksam¬
keit zuwendet.
I. Der Boden, a) Physikalische und geognostische Beschaffenheit.
Der Boden der Stadt Riga gehört zu den jüngsten, den sogenannten quar¬
tären Bildungen, und besteht im Wesentlichen aus mehr oder weniger fein¬
körnigem, zuweilen etwas thonigen Sande meist gelber Färbung, ferner aus
Schichten von Lehm, Grand, Thon und Geröll. In den Niederungen findet
sich Moorerde mit geringer Beimischung von Vivianit. Das Vorwalten des
Sandbodens ist hygienisch von Vortheil für die Zersetzung organischer Sub¬
stanzen, während die niedrige Lage der Stadt, sowie die unmittelbare Nach¬
barschaft eines grossen Flusses und der daraus resultirende seichte Stand
des Grundwassers die Zersetzungsvorgänge im Boden ungünstig beeinflusst,
b) Aufgabe und Verfahren der Bodenuntersuchung, 1) chemische Unter¬
suchung, 2) mikroskopische Prüfung, c) Resultate der chemischen Boden¬
untersuchung in den verschiedenen Stadttheilen und auf den Kirchhöfen,
d) Resultate der mikroskopischen Prüfung, e) Einfluss der Abortanlagen
auf die Bodenbeschaffenheit, gemauerte Senkgruben und Senkgruben mit
Holzfütterung.
II. Die Canäle und deren Schlammfänger, welche in zweierlei
Hinsicht Interesse darbieten, einmal bezüglich der Beschaffenheit ihres
Inhalts und sodann in Rücksicht auf die Verunreinigung des Bodens,
a) Ueberall fanden sich faulende Sedimente und b) oft in erschreckender
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Systematische Entwässerung und Reinigung der Stadt Riga. 629
Weise, so namentlich beim alten Riesingcanal, in der Stadt Verunreinigungen
des benachbarten Bodens.
III. Das Wasser, a) Vorbemerkungen, b) das Grund-und Brunnen¬
wasser, a) Chemische Untersuchung in den verschiedenen Stadttheilen. Das
Brunnen- und Grundwasser Rigas übertrifft im Gebalt an Ammoniak und
organischer Substanz alle aufgeführten Wässer, selbst auch die von Buda¬
pest, während sein Gebalt an Chlor nur hinter dem dieser Stadt zurück¬
steht; dagegen ist der Gebalt an Salpetersäure niedrig. „Riga steht somit
hinsichtlich seiner Grundwasserbescbaffenbeit mit Budapest mindestens auf
gleicher Stufe, d. h. gehört mit diesem zu den Städten, welche den unrein¬
sten Boden und desshalb auch das unreinste Wasser besitzen. u ß ) Mikro¬
skopische Prüfung. c) Die offenen Gewässer der Stadt (Tab. IV.); das
Stadtcanal wasser ist relativ gut beschaffen, d) das Wasser der Wasser¬
leitung (Tab. V.); das Wasser wird gegenwärtig noch dem am Wieberts-
holm befindlichen Arme der Düna entnommen, der in ein Reservoir um¬
gewandelt ist. S. 72 u. 73 giebt die wichtigsten Resultate der Untersuchung
in 25 Punkten wieder.
III. Erläuterungsbericht zu den Messungen etc. Von Adolf
Agthe, Stadt-Oberingenieur. (S. 95 bis 122.) Ueber die Be¬
schaffenheit des Bodens, des Grundwassers und der
offenen Gewässer.
IV. Angaben über das gegenwärtig in Riga in Gebrauch be¬
findliche Verfahren zur Reinigung und Entwässerung der
Stadt etc. Die Beseitigung der Abwässer (S. 125 bis 149)
und die Beseitigung der festen Abfälle und Fäcalien
(S. 150 bis 153).
Die Beseitigung der Abwässer ist seit dem Jahre 1880 durch Ortsstatut
geregelt, welches verbietet, Kücbenabfälle, Kehricht, Sand, menschliche und
thierische Excremente den Ableitungsanlagen oder den natürlichen Wasser¬
läufen zuzuführen, ebenso die Zuleitung von Urin und Spülwasser aus den
Pissoirs. Andere, gewerbliche Wässer müssen gereinigt und unschädlich
gemacht werden.
Beschreibung der im Stadtgebiete vorhandenen Ableitungsanlagen:
I. Im Gebiete zwischen Düna und Stadt-Canal: die Entwässerungsgebiete
A. des Riesing-Canals, B. der direct in die Düna einmündenden Siele, C. der
Siele des Stadtcanals; II. Im Gebiete der Petersburger und Moskauer Vor¬
stadt; III. Im Gebiete der Mitauer Vorstadt, werden eingehend dargelegt,
und es «folgt sodann die Beseitigung der festen Abfälle und der Fäcalien,
welche durch die Ortsstatute geregelt ist, betreffend die Reinigung der Höfe,
der Strassen und öffentlichen Plätze, der Abtritte und Senkgruben.
Die nachfolgenden Zahlen bedeuten die Anzahl der in den letzten
Jahren zur Abfuhr gelangten Fäcalien:
Im Jahre 1883 .... 4453 Fuhren.
„ , 1884 ; . . . 6156 „
„ „ 1885 .... 5596 .
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Kritiken und Besprechungen.
V. Beschreibung der gegenwärtig zur Reinigung und Ent¬
wässerung der Städte angewendeten Systeme. Von Dr. med.
E. Bochmann und Oberingenieur A. Agthe.
I. Allgemeiner Theil (S. 157 bis 183).
II. Specieller Theil (S. 184 bis 211).
Während in den ersten vier Abschnitten die einschlägigen Verhält¬
nisse der Stadt Riga besprochen sind, folgt im fünften Theile nach einer
allgemeinen Orientirung über die verschiedenen Systeme die Darstellung
der gegenwärtig praktisch verwerteten Anstalten von neun deutschen
Städten und derjenigen von London und Amsterdam, zu deren Besichtigung
die beiden Verfasser des V. Abschnittes im Sommer 1885 abdelegirt worden
waren.
I. Allgemeiner Theil.
Die Forderungen der öffentlichen Gesundheitspflege lassen sich in Bezug
auf die Abfälle kurz als folgende bezeichnen:
1. Verhütung der Ansammlung grösserer Mengen von Abfällen und
ihres Eindringens in Boden und Wasser;
2. möglichst rasche Entfernung der Abfälle aus dem Bereiche mensch¬
licher Wohnstätten;
3. Verhütung der Verunreinigung von Boden und Wasser an anderer
Stelle durch die aus der Stadt entfernten Abfälle, daher Unschäd¬
lichmachung resp. Verwertung dieser Massen.
An diese Forderungen reihen sich dann in Betreff der meteorischen
Niederschläge und des GrundwaBsers die folgenden an:
4. Möglichst rasche Ableitung der mit dem Strassenschmutz imprägnir-
ten meteorischen Niederschläge, und
5. Fixirung des Grundwassers auf einen bestimmten Stand zur Ver¬
hütung seiner Schwankungen.
Die zur Entfernung der Abfälle bisher in Vorschlag gebrachten und
ausgeführten Systeme lassen Bich im Allgemeinen in drei grosse Gruppen
teilen:
I. Die Ab fuhr Systeme. Ansammlung der Fäcalien in 1) unbeweg¬
lichen Gruben — Grubensystem — und 2) beweglichen Behältern — Eimer¬
und Tonnensystem — mit nachheriger Abfuhr der Fäcalien.
II. Das Schwemmcanalisationssystem. Sofortige Abschwemmung
der Fäcalien mit 1) directer Einleitung des Canalwassers in die offentchen
Gewässer ohne vorhergegangene Reinigung; 2) indirecter Einleitung nach
vorheriger Reinigung: a) durch Filtration, b) durch chemische Fällungs¬
mittel, c) durch Berieselung.
III. Die Trennungssysteme: 1) Liernur’sches DifferenzirSystem,
2) Berlier’scbeß System, 3) Separates System, 4) Shone-System.
Nach Besprechung der Vorteile und Nachteile dieser Systeme und
der localen Forderung für die Anwendung der einzelnen Anlagen wenden
sich die Verfasser zur Darstellung ihrer Beobachtungen in den Städten:
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Systematische Entwässerung und Reinigung der Stadt Riga. 631
1. Leipzig (150000 Einwohner),
2. Stuttgart (106 000 Einwohner),
3. Braunschweig (75 000 Einwohner),
4. Augsburg (66 000 Einwohner),
5. Freiburg im Breisgau (36 000 Einwohner),
6. Hamburg (409 000 Einwohner),
7. London (Deutsche Bau-Zeitung 1885 und Gesundheits - Ingenieur
1883),
8. Frankfurt a. M. (Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesund¬
heitspflege 1884),
9. Essen a. d. Ruhr, wo das Röckner-Rothe’sche Verfahren ange¬
wandt wird (64 000 Einwohner),
10. Berlin (Die Canalisation von Berlin),
11. Amsterdam (366000 Einwohner), wo das Liernur’sche System
angewandt ist.
Das vorstehende Werk bietet des Neuen und Wichtigen so viel, dass
sein Studium Jedem dringend empfohlen werden kann, der diesem Theile
der Gesundheitspflege sein Interesse widmet, insonderheit aber den Inter¬
essenten, welche die Reinigung und Entwässerung ihrer Städte planen.
Im zweiten Theile folgt die Beantwortung der bei obiger Vorarbeit
aufgetauchten Fragen.
Versuch der Beantwortung einiger Fragen betreffend die
systematische Entwässerung und Reinigung der Stadt
Riga. Dem Rigaischen Bauamte überreicht von Adolf Agthe.
Agthe giebt in dieser Arbeit eine Nutzanwendung der im vorigen
Abschnitte beschriebenen Systeme der elf citirten Städte, indem er auf
sieben Fragen die entsprechenden Antworten für Riga formulirt und motivirt.
I. a) Die bisherige Art der Beseitigung der Haus- und Fabrikwässer
bedarf einer radicalen Umgestaltung.
b) Die Einrichtungen zur Entfernung der Fäcalien müssen verlassen
werden.
c) In Bezug auf die Entfernung der festen Abfälle ist eine Aenderung
des seitherigen Verfahrens zwar nicht dringend nothwendig, jedoch
erwünscht.
II. 1) Bei der Wahl der neuen Methode der Reinigung und Entwässerung
der Stadt sind die vom Deutschen Verein für öffentliche Gesund¬
heitspflege aufgestellten Thesen nach Möglichkeit zur Richtschnur
zu nehmen.
2) Bei der Wahl der neuen Methode der Reinigung und Entwässerung
der Stadt dürfen die principiellen Forderungen der Hygiene nicht
allein ausschlaggebend sein, sondern sind die letzteren vielmehr
nach Möglichkeit mit den wirthschaftlichen Anforderungen in Ein¬
klang zu bringen.
3) In wirthschaftlicher Beziehung ist an das zu wählende System, so¬
weit es sich um eine allgemeine Einführung für ganze Stadtgebiete
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632 Kritiken und Besprechungen.
handelt, die Anforderung zu stellen, dass dasselbe möglichst lange
und an verschiedenen Orten praktisch erprobt und durch einfache
Gesammtanordnung ausreichende Garantien gegen Zufälligkeiten
heim Bau und Betriebe biete.
III. 1) Auf dem Theile des Stadtgebietes, auf welchem die Wasserversorgung
durch die städtische Wasserleitung erfolgt, oder in nächster Zeit
erfolgen kann (rechtes Düna-Ufer), sind die Haus- und Fabrik¬
wässer in unterirdischen Sielen zu sammeln.
2) Anlegung der Siele mit Gravitation nach den tiefsten Punkten.
3) Anlegung von Sammelhrunnen.
4) Bei der Anlage des Canalnetzes sind die kleineren Profile aus von
innen glasirten Thonröhren zu bilden, während die grösseren Canäle
mit der Eiform zu versehen sind. Durch Wasserverschlösse ist die
Canalluft von den Häusern und Strassen ahzuschliessen, und sind
die Canäle ausreichend zu ventiliren. Die Profile sind nach Mög¬
lichkeit einzuBchränken und die Forderung der Begehbarkeit oder
Beschlupfbarkeit für die Bohrstränge aufzugeben.
5) Auf dem linken Düna-Ufer ist diese Einrichtung zur Zeit nicht
möglich.
IY. 1) Am rechten Düna-Ufer, so weit das Gebiet der städtischen Wasser¬
leitung reicht, sind die Fäcalien in die für dieses Gebiet zu erstel¬
lende Canalisation aufzunehmen.
2) Am linken Düna-Ufer ist das Grubensystem bis zur Einführung
einer systematischen Canalisation beizubehalten.
3) Die Gruben am linken Düna-Ufer müssen besteigbar eingerichtet
werden.
4) Hier sind die Fäcalien regelmässig mit Torfstreu zu desinficiren.
5) Ebenso regelmässig zu reinigen (durch städtische Arbeiter).
6) Entsprechend dem in Braunschweig geübten Verfahren wird den
Hausbesitzern auch die Anwendung von Eimern und Kübeln zur
Aufnahme der Fäcalien bei Torfstreudesinfection gestattet.
Y. Die Reinigung der Strassenfahrbahnen, sowie die Abfuhr des Inhalts
der Kehricht- und Mistkästen sollte durch die Stadtverwaltung in
eigener Regie oder durch ein unter der Controle der Stadtverwaltung
stehendes Abfuhrinstitut ausgeführt werden.
VI. Betrifft die Aufnahme der Meteorwässer.
VII. 1 y Die Leitung der Abwässer in den Dünastrom kann nicht befür¬
wortet werden.
2) Die Abwässer sind durch Bewässerung von Ländereien zu reinigen.
3) Eventuell kann während der Wintermonate das ungereinigte Ab¬
wasser ins Meer abgelassen werden.
Beide vorliegende Arbeiten sind so präcis und erschöpfend abgefasst
und so übersichtlich und klar in der Darstellung, dass ich meinen obigen
Ausspruch nur wiederholen und ihr Studium nach jeder Richtung hin
empfehlen kann. Dr. Mittenzweig (Berlin)..
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Repertorium der i. J. 1886 erschienenen Aufsätze etc.
633
Repertorium
der
im Laufe des Jahres 1886 in deutschen und ausländischen Zeitschriften
erschienenen Aufsätze über öffentliche Gesundheitspflege.
Zusammengestellt von Dr. Alexander Spiess.
Inhalt,
I. Allgemeine Organisation der
öffentlichen Gesundheitspflege.
Seite
1. Allgemeines.634
2. Gesundheitsgesetzgebung, richterliche
Erkenntnisse etc.635
3. Gesundheitsbehörden und Organisa¬
tion des Sanitätsdienstes.644
4. Vereine für öffentliche Gesundheits¬
pflege, Versammlungen, Ausstellun¬
gen etc.645
5. Hygienischer Unterricht und hygie¬
nische Institute.647
n. Medioinalstatistik.
1. Allgemeines.647
2. Hygienische Topographie und hygie¬
nische Jahresberichte.647
3. Bevölkerungsstatistik.649
4. Morbiditätsstatistik.650
Anhang: Sammelforschungen . . 650
5. Mortalitätsstatistik.650
Anhang: Leichenschau.652
m. Hygiene des Kindes.
1. Allgemeines.652
2. Kindersterblichkeit.653
3. Kinderernährung u. Milch Versorgung 653
4. Fürsorge für kleine Kinder .... 655
5. Augenentzündung der Neugeborenen 656
IV. Schulhygiene.
1. Allgemeines.656
2. Ueberbürdung der Schüler und ärzt¬
liche Beaufsichtigung der Schule . . 657
3. Krankheiten in den Schulen.... 657
4. Augen und Ohren der Schulkinder
und Schreibmethode.658
5. Schulbauten und Schuleinrichtungen 658
Anhang: Ferienkolonien .... 659
V. Infectionskrankheiten.
Seite
1. Allgemeines.659
Anhang: Anzeigepflicht bei an¬
steckenden Krankheiten . . .* . 661
2. Krankheitskeim und Schutzimpfung . 662
a. Allgemeines.662
((. Krankheitskeim .... 662
ß. Schutzimpfung .... 666
y. Ptomaine.667
b. Tuberkelbacterien.667
c. Pneumoniebacterien .... 669
d. Malariabacterien.669
e. Typhusbacterien.669
f. Cholerabacterien und Cholera¬
impfungen .670
g. Gelbfieberbacterien und Gclb-
fleberimpfungen.672
h. Leprabacterien und Lepra¬
impfungen .672
i. Syphilisbacterien.672
k. Variolabacterien.674
l. Milzbrandbacterien und Milz¬
brandimpfungen .674
m. Hundswuthbacterienu.Hunds-
wuthimpfungen.675
n. Rotzbacterien.677
o. Schweine-Rothlauf-Bacterien. 677
p. Bacterien bei anderen Infec¬
tionskrankheiten .678
3. Typhus.679
4. Malariafieber und Tropenkrankheiten 681
5. Cholera.682
6. Pest.687
7. Gelbfieber.687
8. Diphtherie.687
9. Scharlach.. 688
10. Masern und Rötheln.689
11. Puerperalfieber.690
Anhang: Hebammenwesen . . . 690
12. Tuberculose und Scrophulose ... . 691
13. Pneumonie.692
14. Erysipelas.693
15. Variola.694
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634 Repertorium der i. J. 1886 in deutschen und ausländischen
Seite
16. Syphilis.694
17. Andere epidemische und infectiöse
Krankheiten des Menschen .... 694
18. Milzbrand.695
19. Hundswuth.695
20. Actinomykosis.696
21. Andere infectiöse Thierkrankheiten 696
22. Anhang.
a. Lepra.698
b. Trichinose.698
VT. Militärhygiene.
1. Militärsanitäts wesen.699
2. Lazarethe. 700
3. Verwundeten- und Krankentransport 700
4. Anhang: Genfer Convention und Kran¬
kenpflege .700
VH. Focken und Impfung.
1. Variola.701
2. Vaccination.702
3. Gefahren der Impfung.706
VTH. Prostitution und Syphilis.
1. Prostitution.707
2. Syphilis.707
IX. Bauhygiene.
1. Allgemeines.708
2. Strassen und Untergrund.708
3. Wohnungen und Aufenthaltsräume . 710
4. Hospitäler und Lazarethe . . . . . 712
5. Badeanstalten.713
6. Luft, Ventilation und Heizung . . . 714
7. Beleuchtung.716
X. Oeffentliche sanitäre Werke.
Seite
1. Allgemeines.717
2. Wasserversorgung. 718
3. Entwässerung (Canalisation) .... 721
4. Entfernung der Excremente und des
Kehrichts.722
5. Verunreinigung der Flösse und deren
Beseitigung.723
6. Verwendung u. Unschädlichmachung
des Canalwassers und der Excremente
(Berieselung etc.).723
7. Desinfection.725
8. Quarantänen.727
XI. Nahrungsmittel und geistige
Getränke.
1. Allgemeines.728
2. Untersuchung von Nahrungsmitteln . 729
Anhang: Butter und Kunstbutter 730
3. Verfälschung von Nahrungsmitteln . 731
4. Gesundheitsschädigung durch Nah¬
rungsmittel .731
5. Fleischschau und Schlachthäuser . . 733
6. Trinkwasser.735
7. Geistige Getränke.737
Anhang: Alkoholismus.739
ytt. Gewerbe- lind Berufs¬
hygiene .739
Anhang: Anämie der Bergarbeiter
und Anchylostomum duodenale 741
vitt . Leichenverbrennung und
Leichenbestattung .... 742
XIV. Verschiedenes.743
I. Allgemeine Organisation der öffentlichen Gesundheits¬
pflege.
1. Allgemeines.
▲erste und Krankenkassen in Würt¬
temberg. D. med. Wchschr. (Berlin) XII,
S. 807.
Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesund¬
heitsamte in Berlin. (Referat.) Giorn. d.
soc. ital. d’ig. (Mailand) VIII, S. 159. —
D. med. Wchschr. (Berlin) XII, S, 706.
Drouineau, Die Hygiene auf dem Lande.
Rev. san. de Bordeaux III, S. 9.
Eggleston | E. R., Die Beziehungen der
Chemie zur öffentlichen Gesundheitspflege.
Sanitarian (New York) XVI, S. 486. —
Ohio San. Ass. (New York) III, S. 54.
Ergänzungshefte zum Centralblatt für
allgemeine Gesundheitspflege. (Referat.)
D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 274.
V. Fodor, J., Ueber die Bedingungen der
langen Lebensdauer. Ungar. Revue (Buda¬
pest) 1885, S. 575.
Frau y Die — in der Gesundheitspflege.
D. Gemeinde -Ztg. (Berlin) XXV, S. 305.
Galton, Douglas, Verhüten ist besser als
Heilen. Transact. of the San. Inst, of
Gr. Brit. (London) VII, S* 347.
Heinrich; C., Hygienische Hitzköpfe. Ge¬
sundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 380.
Hirsch) A., Handbuch der historisch-geo¬
graphischen Pathologie. (Referat.) D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 505. — Archiv f. path. Anat.
(Berlin) CIV, S. 552. — Berlin, klin.
Wchschr. XXIII, S. 379.
Hirt) L., System der Gesundheitspflege.
(Referat.) D. milit.-ärztl. Zeitschr. (Ber¬
lin) XV, S. 245.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 635
Koch, R., und C. Flügge, Zeitschrift für
Hygiene. (Referat.) D. med. Wochschr.
(Berlin) XII, S. 360, 485, 506. — D.
mil.-ärztl. Ztschr. (Berlin) XV, S. 395.
Lohmann , Das tropische Klima und sein
Einfluss auf den Europäer. D. Med.-Ztg.
(Berlin) 1886, S. 815, 826.
Martin, A. J., Die sanitären Reformen;
ihre Vortheile für die öffentliche Gesund¬
heit. (Referat.) Mouv. hyg. (Brüssel) II,
S. 307.
M’Kay, G., Die Hygiene in alter und
neuerer Zeit und ihr Fortschritt in den
letzten Jahren. San. Journ. (Glasgow)
X, S. 225.
Nichols, W. R., Die Chemie im Dienst
der öffentlichen Gesundheit. Proc. of the
Am. Ass. of Adv. of sc. (Salem) XXXIV,
S. 91. •
Olli vier, August, Studien über öffentliche
Gesundheitspflege. (Referat.) Rev. d’hyg.
(Paris) VIII, S. 528.
Paget, James, Der national - ökonomische
Werth der Gesundheit. (Referat.) Central¬
blatt f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 48.
Ploss, H., Ueber das Gesundheitswesen und
seine Regelung im Deutschen Reiche. (Re¬
ferat.) Monatsbl. f. öff. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) IX, S. 81.
Polak, J., Hygiene in Warschau. D. Med.-
Ztg. (Berlin) 1886, S. 275.
Hauchfuss, C., Ueber die Bedeutung der
Kinder-Polikliniken für die Verbreitung
hygienischer Kenntnisse im Volk. Compt.
rend. du Congr. internat. d. sc. m&d. 1884
(Kopenhagen) III, S. 3.
Repertorium der im Laufe des Jahres
1885 in deutschen und ausländischen Zeit¬
schriften erschienenen Aufsätze über öffent¬
liche Gesundheitspflege. Zusammengestellt
von Dr. Alexander Spiess. D. Vjhrschr.
f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII,
S. 635.
Riohard, Die Hygiene in München. Rev.
d’hyg. (Paris) VUI, S. 32, 398; Anfang
s. VII, S. 982.
Rochard, Der Einfluss der Hygiene auf
die Grösse und das Gedeihen der Natio¬
nen. (Referat.) Centralbl. f. allg. Gndpflg.
(Bonn) V, S. 122.
Salomon, Max, Die Entwickelung des Me-
dicinalwesens in England mit vergleichen¬
den Seitenblicken auf Deutschland und
Reform Vorschlägen. (Referat.) Schweiz,
ärztl. Corr.-Bl. (Basel) XVI, S. 638.
Sander’s, Friedrich — Handbuch der öffent¬
lichen Gesundheitspflege. (Referat.) D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 151.
Schriften, Neu erschienene — über öffent¬
liche Gesundheitspflege (34. Verzeichniss).
D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 171; (35. Verzeichniss) S. 325;
(36. Verzeichniss) S. 525.
Uffelmann, J., Dritter Jahresbericht über
die Fortschritte und Leistungen auf dem
Gebiete der Hygiene. (Referat.) Centralbl*
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 331.
Uffelmann, J., Die öffentliche Gesund¬
heitspflege im alten Rom. (R ?) Helso-
vännen, Göteborg I, S. 189.
Wolff, L., Ueber Tropenhygiene in West¬
afrika. (Referat.) D. Med. - Ztg. (Berlin)
1886, S. 957.
2. Gesundheitsgesetzgebung,
richterliche Erkenntnisse etc.
Abortswesens in Bad Nauheim, Polizei¬
reglement des grossherzogl. Kreisamtes
Friedberg vom 5. Juni 1885, betr. die
Regelung des —. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 201.
Abortswesens zu Emden, Polizeiverord¬
nung des Magistrats der Stadt Emden vom
12. October 1885, betreff, die Regelung
des —. Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 132.
Abtritten, Dünger- u. s. w. Gruben und
die Aufbewahrung von Abfallstoffen, Ver¬
ordnung königl. preuss. Regierung zu
Wiesbaden vom 18. Februar 1885, betr.
Anlegung von —. D. Vjhrschr. f. öffentl.
Gndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 166.
Animaler Lymphe, Verordnung des
kaiserl. Kriegsministeriums vom 8. Octo¬
ber 1885, betr. Verwendung — bei der
Rekrutenimpfung. Reichs - Med. - Kal. f.
1887 (Berlin), S. 34.
Animaler Lymphe, Verordnung des
kaiserl. Kriegsministeriums vom 20. Octo¬
ber 1885, betr. Versuche mit — (rein
animale mit Pissin und Retrovaccine aus
dem Impfinstitut in Bernburg) zur Fest¬
stellung ihrer Verwerthbarkeit und Zweck¬
mässigkeit f. Militärrevaccinationen. Reichs-
Med.-Kal. f. 1887 (Berlin), S. 30.
Animaler Lymphe, Erlass grossherzogl.
badischen Ministeriums des Innern vom
3. März 1886, betr. Errichtung einer
Anstalt für Gewinnung —. D. Vjhrschr.
f. öffentl. Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII,
S. 521.— Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 297.
Ansteckende Krankheiten in den
Schulen, Erlass grossherzogl. badischen
Ministeriums des Innern vom 2. August
1884, betr. Maassregeln, gegen —. D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 158.
Ansteckender Krankheiten in den
Schulen, Erlass des Staatssecretärs von
Eisass - Lothringen vom 29. August 1884,
betr. Verhalten der Schulbehörden bei dem
Auftreten —. D. Vjhrschr. f. öffentl.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S 159.
Ansteckender Krankheiten in Lehr-
und Kinderbewahranstalten, sowie in Kin¬
dergärten , fürstl. reuss - plauische Regie¬
rungsverordnung vom 17. December 1884,
betr. das Verfahren zur Verhütung der
Verbreitung —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 139.
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636 Repertorium der i. J. 1886 in
Ansteckender Krankheiten durch die
Schulen, V erordnung des herzogl. sächsischen
Staatsministeriums zu Gotha vom 28. Ja*
nuar 1885, betr. die Verhütung der Ver¬
breitung —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 156.
Ansteckenden Krankheiten , Polizei¬
verordnung. für die Stadt Gotha vom 1. Au¬
gust 1885, betr. die Beförderung von Per¬
sonen, welche mit — behaftet sind, mit¬
telst Fuhrwerken, insbesondere nach dem
städtischen Krankenhause. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 127.
Ansteokender Krankheiten durch die
Schulen, Bekanntmachung des königl. preuss.
Polizeipräsidiums zu Berlin vom 30. No¬
vember 1885, betr. die Verhütung der
Uebertragung —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 96.
Ansteckender Krankheiten , Verord¬
nung der fürstl. schaumburg-lippiscben
Landesregierung vom 17. December 1885,
betr. Maassregeln gegen die Weiterverbrei¬
tung —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 158. — Med.-Gesetz-
geb. (Berlin) 1886, S. 16. — Reichs-
Medicinal - Kalender für 1887 (Berlin),
S. 21.
Ansteckenden Krankheiten leidende
Personen an Bord von Schiffen, Verord¬
nung der Sanitätsbehörde des Hafens von
London vom 30. April 1885, betr. an
gefährlichen —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 363.
Ansteckenden Krankheiten verstorbe¬
nen Personen, Fürstl. reuss - plauische Re¬
gierungsverordnung voth 21. Mai 1886,
betr. die Beerdigung der Leichen der an
gewissen —. Veröffentlichungen d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 525.
Ansteckender Krankheiten, Verord-
ordnung der herzogl. anhaitischeu Regie¬
rung, Abtheilung des Innern, vom 24. Mai
1886, betr. die Ergänzung der landespoli¬
zeilichen Verordnung über die Verhütung
des Verbreitens — vom 15. October 1882.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 494. — Med. - Gesetzgeb. (Berlin),
1886, S. 60.
Ansteckender Krankheiten, Erlass
des königl. preuss. Ministeriums des Innern
und der Medicinalangelegenheiten vom 26.
November 1886, betr. die Erstattung von
Anzeigen über den Ausbruch — unter
den Angehörigen des Militärstandes an
die Civilbehörden. Veröffentlichungen des
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 753.
Ansteckungsstoffen bei Viehbeförde¬
rungen auf Eisenbahnen, Bekanntmachung
des deutschen Reichskanzlers vom 20. Juni
1886, betr. die Ausführung des Gesetzes
vom 25. Februar 1876 über die Beseiti¬
gung von —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 390. — Archiv f.
Verwaltungsrecht (Berlin) XII, S. 167.
deutschen und ausländischen
Anzeige der Todeställe und Erkrankungen,
Circular des fürstl. schwarzburgischen Mini¬
steriums vom 2. Januar 1885, betr. —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 137.
Anzeigepflicht rücksichtlich gewisser an¬
steckender Krankheiten, Fürstl. reuss-
plauische Regierungsverordnung vom 16. De¬
cember 1884, betr. die —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 137.
Anzeigepflicht bei Todesfällen, Circular
des königl. preuss. Ministeriums des Innern
an die königl. Oberpräsidenten und an
den königl. Regierungspräsidenten in Sig¬
maringen vom 9. November 1885, betr.
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 38. — Archiv f. Verwal-
tungsr. (Berlin), XII, S. 23.
Anzeigepflicht bei gastrischem Fieber und
Nervenfieber, Erlass des königl. preuss.
Ministers der geistlichen, Unterrichts- und
Medicinalangelegenheiten vom 10. März
1886, betr. die —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 216. — Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 49.
Aufblasens des Fleisches geschlachteter
Thiere, Fürstl. schwarzburgische Ministe-
rialVerordnung vom 6. Mai 1885, betr.
das Verbot des —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 137.
Augenentzündung der Neugeborenen,
Verfügung des herzogl. sachsen-meiningen-
schen Staatsministeriums vom 16./18. De¬
cember 1885, betr. Anzeigepflicht bei —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 235.
Beerdigungen, Verordnung königl. Re¬
gierung zu Hildesheim vom 20. October
1885, betr.—. D. Vjhrschr. f. off. Gesund¬
heitspflege (Braunschweig) XVIII, S. 316.
Begrftbniss- und Friedhofsordnung
für die Stadt Offenbach a. M. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 141.
Begrftbniss wesen der Stadt Gelnhausen,
Statut vom 17. September 1885, betr.
das —. Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 437.
Bezirksftrzte, Dienstanweisung für die —
und die Bezirksassistenzärzte in Baden vom
I. Januar 1886. Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 67.
Bierdruckapparaten, Verordnung des
Medicinalamtcs der Stadt Lübeck vom
II. September 1884, betr. die Benutzung
von Kohlensäure-. D. Vjhrschr. f. off.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 164.
Bierdruckapparate, Polizeiverordnung
des Regierungspräsidiums zu Oppeln vom
4. December 1885, betr. —. Med.-Gesetz¬
geb. (Berlin) 1886, S. 23.
Bierdruckvorrichtungen, Verordnung
der königl. preuss. Polizeidirection zu
Charlottenburg vom 22. Januar 1886, betr.
Einrichtung und Benutzung von —. Ver¬
öff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
5. 218. — Ortsgesetze (Berlin) XVH,
S. 187.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 637
Bieres, Britische Gesetzentwürfe, betr. die
Sicherung der Reinheit des —. VeröfF. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 462.
Bleifarben-und Bleizuckerfabriken,
Bekanntmachung des Reichskanzlers des
Deutschen Reiches vom 12. April 1886,
betr. die Einrichtung und den Betrieb
der —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 248. — Med.-Gesetzgeb.
(Berlin) 1886, S. 49. — Reichs-Med.-Kal.
f. 1887 (Berlin), S. 2. — Arch. f. Ver-
waltungsr. (Berlin) Xll, S. 106.
Brechdurchfall, Polizeiverordnung des
königl. preuss. Oberpräsidiums der Pro¬
vinz Schlesien vom 25. November 1886,
betr. die Anzeige von Todesfällen in Folge
von —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 718.
Butter, Sachsen-Altenburgische Verordnung
vom 22. April 1886, betr. den Verkauf
von —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 362.
Butter, Norwegisches Gesetz vom 22. Juni
1886, betr. den Handel mit künstlicher—.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 667.
Butterverkauf, Französischer Gesetzent¬
wurf, betr. die Unterdrückung des Be¬
truges beim —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 352.
Carpenter, A., Sanitäre Gesetzgebung.
San. Rec. (London) VII, S. 469, 527.
Cholera, • Grossherzogi. mecklenburg-schwe-
rinsche revidirte Verordnung vom 7. August
1886, betr. die asiatische —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,S. 506.—
Arch. f. Verwaltungsr. (Berlin) XII, S. 217.
Cholera, Grossherzogi. mecklenburg - stre-
litzsche revidirte Verordnung vom 31. Au¬
gust 1886, betr. die asiatische —. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 585.
Cholera, Fürstl. waldecksche Bekannt¬
machung vom 22. September 1886, betr.
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 612.
Cholera, Königl. sächs. Ministerialerlass
vom 27. September 1886, betr. Vorbeu¬
gungsmaassregeln gegen die —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 612.
Cholera, Erlasse des königl. preuss. Mi¬
nisteriums der Medicinalangelegenheiten
vom 24. und 25. September 1886, betr. die
asiatische —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 599. — Med.-Gesetz-
geb. (Berlin) 1886, S. 72. — D. med.
Wchschr. (Berlin) XII, S. 727.
Cholera, Verfügung des königl. bayerischen
Staatsministeriums des königl. Hauses und
des Aeusseren vom 5. October 1886, betr.
Maassregeln gegen die asiatische —. Ver-
öffentl. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 645.
Cholera, Verfügung des königl. bayerischen
Staatsministeriums des Innern vom 26.
October. 1886, betr. Maassregeln gegen
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 677.
Cholera-Epidemie, Verordnung desk.k.
Statthalters in Nieder - Oesterreich vom
16. September 1886, betr. die Maassregeln
gegen die —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 631.
Cholera - Instruction vom 5. August
1886. Wien. med. Presse XXVII, S. 1145,
1172, 1203, 1239. — Wien. med. Bl.
IX, S. 1004, 1038, 1069.
Cholerakranker bezw. Cholera verdächti¬
ger Reisenden, Erlass des königl. preuss.
Ministeriums der öffentlichen Arbeiten vom
19. November 1885, betr. die vorläufige
Unterbringung —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 69.
Desinfection der zum Transport von Vieh
und frischen Häuten benutzten Eisenbahn¬
wagen , Instruction des schweizerischen
^Bundesrathes vom 24. November 1885,
betr.—. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 336.
Desinfection der zu Viehtransporten auf
Eisenbahnen benutzten Wagen, Gerät¬
schaften .Rampen u. dergl., Verordnung
des königl. sächs. Ministeriums des Innern
und der Finanzen vom 13. September
1886, betr. die —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 782.
Desinfectionsanstalt zu Düsseldorf vom
12. Januar 1886, Instruction über die
Geschäftsbehandlung der —. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 539.
De8infection8an8talt, Bekanntmachung
des Magistrats zu Berlin vom October
1886, betr. die Eröffnung einer öffent¬
lichen —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 670.
De8infection8apparaten und elektri¬
scher Thermometer mit Läutewerk, Erlass
der Militärmedicinalabtheilung' des königl.
preuss. Kriegsministeriums vom 7. Juni
1886, betr. Beschaffung von—. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 650.
Desinfections - Verfahren, Bekannt¬
machung des königl. Polizeipräsidiums zu
Berlin vom 15. August 1883, wiederver¬
öffentlicht 24. Mai 1886, betr. Anleitung
zum —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 436.
Diphtheritis und des Kindbettfiebers, Poli¬
zeiverordnung der königl. Regierung zu
Liegnitz vom 30. Januar 1886, betr. An¬
zeigepflicht beim Auftreten der —. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 23.
Diphtheritis von Geflügel auf Menschen,
Verfügung des königl. preuss. Regie-
rungspräsidiuras zu Breslau an die Land-
räthe des Bezirks vom 28. Mai 1866,
betr. die Uebertragung der —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 459,
Drahtziehereien mit Wasserbetrieb, Er¬
lass des Reichskanzlers vom 3. Februar
1886, betr. die Beschäftigung von Arbei¬
terinnen und jugendlichen Arbeitern in —.
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638 Repertorium der i. J. 1886 in
D. Vjhrschr. f. öffentl. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIII, S. 316. — Veröffentl. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,S. 113.—
Reichs-Med.-Kal. f. 1887 (Berlin), S. 1.
Drouineau, G., Der Entwurf des Gesetzes
Siegfried, betr. die Organisation der
öffentlichen Gesundheitspflege in Frank¬
reich. Rev. san. de Bordeaux 111, S. 97.
Druekapparate für den Bierausschank
in der Stadtgemeinde Oldenburg, Statut
vom 25. September 1883, betr. die Be¬
schaffenheit und die Reinigung der —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 43.
Entleerung der Abtritts- und Dunggru-,
ben in der Stadt Worms, Polizeireglement
der grossherzogl. Bürgermeisterei Worms
vom 14. Juli 1885, betr. die —. Orts¬
gesetze (Berlin) XVII, S. 222.
Entwässerungscanäle zu Emden, Sta¬
tut des Magistrats der Stadt Emden vom
14. December 1885, betr. die Anlage
unterirdischer —. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 160.
Entwurf eines Gesetzes, betr. die Orga¬
nisation der öffentlichen Gesundheitspflege.
Rev. san. de Bordeaux III, S. 81.
Epidemieen, Schweizerisches Bundesgesetz
vom 2. Juli 1886, betr. Maassnahmen gegen
gemeingefährliche —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 460. —
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 77.
Epidemieanzeigen; Bekanntmachung des
Regierungspräsidiums zu Marienwerder
vom 7. Januar 1886, betr. —. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 32, 46.
Epidemieengesetz, Schweizerisches —.
Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 294.
Epilepsie und Veitstanz leidender Kinder
vom Besuche der Volksschule, Erlass gross¬
herzogl. sächs. Staatsministeriums vom
30. October 1885, betr. die Ausschliessung
an —. D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIII, S. 312. — Med.-Gesetzgeb.
(Berlin) 1886, S. 20.
Erkrankungen und Todesfälle an
Pocken, Verfügung der grossherzogl. meck-
lenburg. Landesregierung zu Neustrelitz
vom 31. October 1885, betr. die statisti¬
schen Erhebungen über —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 11.
Fabrikation künstlicher Mineral¬
wässer , Verordnung des grossherzogl.
hessischen Kreisamtes Mainz vom 15. Juni
1885, betr. die —. D. Vjhrsschr. f.
öffentl. Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII,
S. 317. — Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 38.
Farben , Verordnung des Berliner Polizei¬
präsidiums vom 2. October 1885, betr. die
Verwendung giftiger —. Reichs-Med.-Kal.
f. 1887 (Berlin), S. 4.
Fleisch , welches von auswärts geschlach¬
tetem Vieh herrührt, Verordnung der Po¬
lizeiverwaltung zu Neustadt O.-S. vom
19. Juli 1886 für den Stadtbezirk Neu¬
stadt O.-S.,' betr. die Einbringung, den
deutschen und ausländischen
Verkauf und Verbrauch von —. Orts-
gesetze (Berlin) XVII, S. 474.
Fleisches, Verordnung des fürstl. schwarz¬
burgischen Ministeriums vom 31. Jnli
1885, betr. das Auf blasen des — geschlach¬
teter Thiere. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 393.
Fleisches, Polizeiverordnung der königl.
preuss. Regierung zu Schleswig vom 8. Juli
1886, betr. das Auf blasen des —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 554.
Fleischbeschauer, Reglement des königl.
preuss. Oberpräsidenten der Provinz Bran¬
denburg vom 17. März 1886 für die öffent¬
lichen —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 281.
Fleischhandel , Polizeiverordnung des
Regierungspräsidiums zu Oppeln vom
28. November 1885, betr. den —. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 23.
Fleisch notheeschlachteter etc.
Thiere, Verordnung des königl. Polizei¬
präsidiums zu Magdeburg vom 18. Octo¬
ber 1885, betr. den Verkauf von —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 336.
Fleischschau , Verfügung des herzogl.
sächs. Staatsministeriums zu Meiningen
vom 3. Mai 1886, betr. die Vieh- und —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 586.
Fleischschau im Reg. - Bezirk Brom¬
berg, Polizei Verordnung vom 27. Juli 1886,
betr. —. Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 73.
Flussläufen, Verordnung des königl. sächs.
Ministeriums d. Innern vom 19. December
1885, betr. Verunreinigung von —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes(Berlin)X, S. 267.—
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 17. —
Reichs-Medicinal-Kalender f. 1887 (Berlin),
S. 10.
Freibank, Polizeiverordnung des Polizei¬
präsidiums zu Frankfurt a. M. vom 9. Novem¬
ber 1885, betr. die Zulassung minderwerthi-
gen Fleisches von geschlachtetem Vieh zur
sogenannten —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 224.
Freibankordnung auf dem städtischen
Schlachthofe zu Frankfurt a. M. vom
22. September 1885. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 223.
Geflügel-Cholera, Verordnung des königl.
preuss. Regierungspräsidiums zu Oppeln
vom 28. August 1886, betr. Schutzmaass¬
regeln gegen die —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 553.
Geistigen Getränke und ihre Erzeu-
gungs- und Verkaufsstätten, Provisorische
Instruction des Statthalters von Mähren
vom 12. November 1885, betr. die sani¬
tätspolizeiliche Untersuchung der gebrann¬
ten —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 499.
Gesundheitsamtes in den Vereinigten
Staaten, Gesetzentwurf, betr. die Errich-
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 639
tung eine» —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 211.
Giftiger Farben, Bekanntmachung des
königl. Polizeipräsidiums zu Berlin vom
2. April 1886, betr. die Verwendung —.
D. Gemeinde-Ztg. (Berlin) XXV, S. 107.
Hebammensohulen und die Prüfung
der Hebammen, Verfügung des königl.
bayerischen Staatsministeriums des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten
vom 7. Juni 1885, betr. die —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 25.
Hebammenwesen , Grossherzogi. meck-
lenburg - schwerinsche Verordnung vom
9. April 1885, betr. das —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 173.
Hebammenwesen, Bekanntmachung der
königl. preuss. Regierung zu Potsdam vom
1. October 1885, betr. das —. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 9. — Med. - Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 21.
Hygienischen Abschnitt bei der
ärztlichen Prüfung, Erlass des königl.
preuss. Ministeriums der geistlichen etc.
Angelegenheiten vom 28. April 1886, betr.
die Aufgabensammlungen für den —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 381. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 52. — Reichs-Med.-Kal. f. 1887
(Berlin), S. 5.
Jacob, A. H., Die Wirkung der Contagious
Diseases Acts . Med. Press and Circ. (Lon¬
don) XL1, S. 445.
Impfgeschäftes , Erlass königl. preuss.
Ministeriums des Innern und des Ministe¬
riums der geistlichen etc. Angelegenheiten
vom 6. April 1886, betr. Ausübung des
—. D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIII, S. 512. —Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S.296 u. 494, —
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 47. —
Archiv f. Verwaltungsr. (Berlin) XII,
S. 116.— Minist.-Bl. f. d. ges. inn. Verw.
(Berlin) XLVII, S. 51.
Impfgeschäftes und über die Statistik
der Pockenerkrankungen und die in Folge
derselben eintretenden Todesfälle, Verord¬
nung fürstl. schwarzburgischen Ministeriums
vom 17. April 1886, betr. Vorschriften
über Ausführung des —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 347.
Impfgesetzes, Verordnung' des gros^herzl.
badischen Ministeriums des Innern vom
19. Novbr. 1885., betr. die Ausführung des —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 249.
Impfgesetzes, Verordnung fürstl. schwarz-
burgisclien Ministeriums vom 29. April
1886, betr. Ausführung des Reichs- —.
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 62.
Impfgesetzes, Verordnung für Sachsen-
Altenburg vom 14. Mai 1886, betr. die
weitere Ausführung des Reichs- — vom
24. Mai 1874. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 424.
j Impfgesetze, Herzogi. anhaitische Ver¬
ordnung vom 8. Juni 1886, betr. die Ab¬
änderung beziehungsweise Ergänzung eini¬
ger Bestimmungen der Ausführungsver¬
ordnung zum Reichs- —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 587.
Impfgesetzes , Königl. sächs. Verordnung
vom 10. Mai 1886, betr. weitere Vor¬
schriften zur Ausführung des —. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 347. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 61.
Impflisten, Bekanntmachung des königl.
preuss. Polizeipräsidiums zu Berlin vom
14. Januar 1886, betr. die —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 53.
Impftechnik, Erlass d. preuss. Ministe¬
riums der geistlichen etc. Angelegenheiten
vom 19. Januar 1886, betr. die Unter¬
weisung der Studirenden der Medicin in
der —. Veröffentl. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 433.
Impftechnik, Erlass königl. preuss. Mi¬
nisters der geistlichen etc. Angelegenheiten
an die königl. Universitätscuratoren vom
30. April 1886, betr. Unterricht in der—.
D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 519. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 52.
Impftechnik, Erlass königl. preuss. Mi¬
nisteriums der geistlichen etc. Angelegen¬
heiten vom 21. Mai 1886, betr. Unter¬
weisung der Studirenden in der —. D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 520.
Impfübersichten der öffentlichen Impf¬
ärzte , Bekanntmachung des königl. Würt¬
temberg. Medicinalcollegiums vom 14. De-
cember 1885, betr. Erstattung eines Be¬
gleitberichtes zu den —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 482. —
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 24.
Impfung im Jahre 1886, Erlass königl.
Württemberg. Ministeriums vom 26. Fe¬
bruar 1886, betr. öffentliche —. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 62.
Impfungen und Wiederimpfungen,
Erlass herzogl. anhaltinischer Regierung vom
12. März 1885, betr. Anwendung anima¬
ler, aus dem Centralimpfinstitut in Bern¬
burg bezogener Lymphe zur Ausführung
der öffentlichen —. D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 162.
Impfwesen im Reg.-Bezirk Königsberg,
Erlass königl. preuss. Regierung zu Königs¬
berg vom 21. März 1885, betr. —. D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 160.
Infectionskrankheiten in Lazarethen,
Erlass des königl. preuss. Kriegsministe¬
riums vom 25. Juni 1885, betr. die Ver¬
hütung einer Uebertragung von —. Ver¬
öffentl. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 233.
Kadaver von Vieh, welches an an¬
steckenden Krankheiten gelitten hat, sowie
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640 Repertorium der i. J. 1886 in deutschen und ausländischen
die Desinfection von Ställen, Viehwagen etc.
und das Unschädlichmachen von inficirtem
Mist, Königl. niederländische Verordnung
vom 9. Juni 1885, betr. das Begraben,
Verbrennen oder die anderweitige Ver¬
nichtung der —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 495.
Kadaverbeseitigung bei Viehseuchen
im Reg.-Bezirk Minden, Polizeiverordnung
vom 19. Februar 1886, betr. —. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 60.
Kanalisation der Stadt Frankfurt a. 0.,
Ortsstatut des Magistrats und der Stadt¬
verordnetenversammlung der Stadt Frank¬
furt a. 0. vom 7. Februar 1885, betr.
die —. Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 135.
Kanalw&sser in Stromläufe, Circular der
königl. preuss. Ministerien vom 8. Sep¬
tember 1886, betr. Abfübrungsverbot un¬
reiner —. Arcli. f. Verwaltungsr. (Ber¬
lin) XII, S. 271. — Minist.-Bl. f. d. ges.
inn. Verw. (Berlin) XLVU, S. 223.
Kindbettfiebers , Polizeiverordnung der
königl. Regierung zu Liegnitz vom 30. Ja¬
nuar 1886, betr. Anzeigepflicht beim Auf¬
treten der Diphtheritis und des —. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) .1886, S. 23.
Kindbettfieber , Polizeiverordnung des
königl. Polizeipräsidiums zu Berlin vom
18. Juli 1886, betr. die Anzeigepflicht dey
Aerzte für Erkrankungen an —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 445.
Kinderschutzvereins , Statut des —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 286.
Krankenträger für den Krankentrans¬
port auf Eisenbahnen. Verordnung des
kaiserl. Kriegsministeriums vom 19. März
1886, betr. Ausbildung der —. Reichs-
Med.-Kal. f. 1887 (Berlin), S. 51.
Kreisarzt in Elsass-Lothringen, Erlass des
kaiserl. Statthalters von Elsass-Lothringen
vom 26. September 1885, betr. die Be¬
fähigung zur Anstellung als —. D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 307. — Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 140.
Kunstbutter, Amerikanische Gesetzgebung
über —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 55, 97, 141.
Kunstbutter , Britischer Gesetzentwurf
betr. den Verkehr mit —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 352.
Kunstbutter, Circular des königl. belgi¬
schen Ministeriums vom 29. Mai 1885,
betr. den Verkehr mit —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 353.
Kunstbutter, Gesetzentwurf des Deut¬
schen Bundesrathes vom 16. December
1886, betr. denVerkehr mit—. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 784.
Kunstweine , Ungarischer Gesetzentwurf
vom 9. Februar 1886, betr. das Verbot
der fabricirten oder —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 339.
Xianciani, R., Ueber die hygienischen Ge¬
setze und die sanitären Verhältnisse im
alten Rom. Boston, med. and surg. Journ.
CXV, S. 537, 565.
Latrineneinrichtungen, Verfügung des
königl. preuss. Kriegsministeriums vom
7. April 1886, betr. die — in den Laza-
rethen. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 435.
Leichenpazzes für die Leiche eines an
Typhus etc. Verstorbenen, Verfügung der
königl. Regierung zu Düsseldorf vom
12. März 1886, betr. Ausstellung eines —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 267.
Leichenzchau und die Zeit der Beerdi¬
gung, Oberpolizeiliche Vorschriften des
königl. bayerischen Staatsministeriums des
Innern vom 20. November 1885 über
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 282. — Reichs-Med.-Kal. f.
1887 (Berlin), S. 6. — Archiv f. Verwal¬
tungsr. (Berlin) Xll, S. 16.
Leichenzchau in der Stadt Gera, Orts¬
statut aus Gera vom 2. Juli 1886, betr.
die Einführung der —. Ortsgesetze (Ber¬
lin) XVII, S. 569.
Lungenzeuche, Königl. belgische Ver¬
ordnung, betr. die Schutzimpfung gegen —
vom 23. Aug. 1885 und Ausführungsinstruc¬
tion vom 7. September 1885. Veröff. d.
kaiserlich. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
5. 71.
Margarin, Bekanntmachung des Verwal-
tungscomites der königl. schwedischen Land-
wirthschaftsakademie vom 13.0ctober 1885,
betr. die Untersuchung von —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 250.
Markthallen, Verordnung des königl.
preuss. Polizeipräsidiums zu Berlin vom
6. April 1886, betr. die Benutzung der—.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 217. — Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 191.
Maul- und Klauenzeuche, Britische
Verordnung vom 28. Januar 1886, betr.
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 208.
Maul- und Klauenzeuche in Meinin¬
gen, herzogl. sächs. Verordnung vom 3. Juli
1886, betr. die Maassregeln gegen die —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlio)
X, S. 481.
Maul- und Klauenseuche, Erlass des
königl. württemb. Ministeriums des Innern
vom 30. Juli 1886, betr. Maassregeln zur
Verhütung und zur wirksameren Bekämpfung
der —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 633.
Maul- und Klauenseuche, Bekannt¬
machung des grosslierzogl. mecklenburg.
Ministeriums zu Schwerin vom 10. August
1886, betr. Maassregeln gegen die —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 566.
Milch, Polizeiliche Verordnung vom 11. Sep¬
tember 1884, betr. den Verkehr mit —
in der Stadt Gotha. Veröff. d. kais. Ge-
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 641
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 128.— Orts¬
gesetze (Berlin) XVII, S. 573.
Milch, Verfügung des königl. Württemberg.
Ministeriums* des Innern vom 24. April
1886, betr. den Verkehr mit —. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 362. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 78. — Reichs-Med.-Kal. f. 1887 (Ber¬
lin), S. 17.
Milch und Butter zu Schwerin in Meck¬
lenburg, Statut vom 28. Juli 1886 , betr.
den Handel mit —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 634.
Milchverkehre, Erlass königl. Württem¬
berg. Ministeriums des Innern vom 12. Mai
1886, betr. polizeiliche Controle des —.
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 77.
Milit&rrevaocinationen, Erlass königl.
preuss. Kriegsministeriums vom 2. October
1885, betr. die Verwendung animaler
Lymphe für die —. D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XV111, S. 309. —
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 24. — Medicin.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 15.
Milzbrand, Britische Verordnung vom
16. September 1886 betr. den —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 681.
Milz- und Rauschbrand, Verfügung
des grossherzogl. badischen Ministeriums des
Innern vom 28. April 1886, betr. Vieh-
senchenstatistik, hier —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 378.
Molkereien, Stellen für Milchkühe und
Verkaufsstellen für Milch, Verordnung des
Magistrats von London vom 3. Juli 1885,
betr. die Einrichtung von —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 84.
Mahrungsmittelgesetzes, Entwurf eines
— für Oesterreich vom 4. Juli 1886.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 499.
OefFentliche Gesundheit in Queens¬
land, Gesetz vom 21. October 1884, betr.
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, 3. 236.
OefFentliche Gesundheitspflege zu
Bruchsal, Ortsstatut betr. die —. Orts¬
gesetze (Berlin) XVII, S. 510.
Ortsbaustatut für die Haupt- und Resi¬
denzstadt Darmstadt vom 26. Mai 1886.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 331.
Parkes, L., Die Anwendung der sanitären
Gesetze in London. San. Rec. (London)
VII, S. 474, 532.
Perlsüohtigem Rindvieh, Erlass des
königl. preuss. Ministers der geistlichen etc.
Angelegenheiten vom 27. Juni 1885, betr.
die Gesundheitsschädlichkeit des Fleisches
von —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 234.
Pflege- und Kostkindern, Verordnung
des Medicinalamtes der Stadt Lübeck vom
5. Juli 1884, betr. das Halten von soge¬
nannten—. D. Vjhrschr. f. Öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) XVHI, S. 163.
Vierteljshrsscbrift für Gesundheitspflege, 1887.
Pocken, Erlass des königl. sächs. Ministe¬
riums des Innern vom 19. Januar 1886,
betr. statistische Erhebungen hinsichtlich
der —. D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) XVIII, S. 311. — Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 96. —
Reichs-Medicinal-Kalender f. 1887 (Berlin),
S. 11.
Pocken , Verfügung des königl. preuss.
Medicinalministeriums vom 28. Mai 1886,
betr. die Statistik der Todesfälle an —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 482. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 60.
Pocken, Verfügung des königl. preuss. Re¬
gierungspräsidiums zu Königsberg vom
16. Juni 1886, betr. Statistik der Todes¬
fälle an —. Veröff. d. kais. Gesundheit»
amtes (Berlin) X, S. 583.
Pockenerkrankungen and Pockentodes¬
fälle, Bekanntmachung des grossherzogl.
mecklenburg. Ministeriums zu Schwerin
vom 20. Deceraber 1885, betr. die Stati¬
stik der —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X , S. 54. — Med.-Gesetz¬
geb. (Berlin) 1886, S. 45.
Pookenerkrankungen und Pockentodes¬
fälle, Circular des grossherzogl. roecklen-
burg. Ministeriums zu Schwerin an die
Physiker vom 21. December 1885, betr.
die Erhebung einer Statistik der —. Ver-
öffentl. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
x; S. 70.
Pookenstatiztik , Verfügung des Staats-
secretärs des Ministeriums für Elsass-
Lothringen vom 4. August 1885, betr.
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 588.
Pockenstatistik, Fürstl. lippesche Ver¬
ordnung vom 15. December 1885, betr. die
Erhebung einer —. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 176.
Pockenstatistik, Grossherzogl. sächsische
Vorschriften vom 3. März 1886, betr. die —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 268.
Reichssanit&tsgesetzes, Die Revision
des österreichischen — vom 30. April 1870.
Eine kritische Studie. Wien. med. Wochen¬
schrift XXXVI, S. 1449, 1481, 1517.
Reinigung der Strassen und öffentlichen
Plätze in der Haupt- und Residenzstadt
Darmstadt, Statut der grossherzogl. Bürger¬
meisterei Darmstadt vom 14. September
1886, betr. die —. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 567.
Rinderpest, Verordnung des königl. preuss.
Regierungspräsidiums zu Oppeln vom 3. No¬
vember 1886, betr. Schatzmaassregeln
gegen die —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 662.
Rothlauf erkrankten Schweinen, Erlass
herzogl. sächs. Ministeriums* zu Meiningen
vom 3. März 1886, betf. Fleisch von
an —. Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 61.
41
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642 Repertorium der i. J. 1886 in
Sanitätsdienstes , Verfügung des fran¬
zösischen Kriegsministeriums, betr. die
Organisation und die Thätigkeit der tech¬
nischen Abtheilung des —. Veröff. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 650.
Sanitätsgesetzgebung in Italien,
Die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 39.
Soh&fräude, Erlass königl. Württemberg.
Ministeriums vom 26. Januar 1886, betr.
Maassregeln wider die —. Med.-Gesetz-
geb. (Berlin) 1886, S. 76.
Schankwirthsohaften nach Lage und
Beschaffenheit ihrer Betriebslocale zu stel¬
lenden polizeilichen Anforderungen, Erlass
der königl. preuss. Regierung zu Königs¬
berg vom 22. Febr. 1886, betr. die an
Gast- und —. Archiv f. Verwaltungsr.
(Berlin) XII, S. 105.
SchankWirtschaften , Circular des
königl. preuss. Ministeriums des Innern
vom 26. August 1886, betr. die Anforde¬
rungen, welche an Gast- und — zu stel¬
len sind. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 679. — Arch. f. Verwal¬
tungsr. (Berlin) XII, S. 228.
Schlachthausordnung der Stadt Lübeck
vom 10. September 1884. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 56.
Sohlaohthauses zu Neustadt O.-S., Orts¬
statut des Magistrats von Neustadt O.-S.
vom 12. Januar 1886, betr. die Errich¬
tung und Benutzung des öffentlichen —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S, 4Ö2.
Sohlaohthauses zu Frankfurt a. M., Orts¬
statut vom 17. Juli 1885, betr. die Be¬
nutzung des öffentlichen —. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 226.
Sohlaohthauses zu Neustadt O.-S., Ver¬
ordnung der Polizei Verwaltung zu Neu¬
stadt O.-S. vom 19. Juli 1886, betr. die
Benutzung des öffentlichen —. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 470.
Schlachthäuser, Verfügung königl. preuss.
Regierung zu Königsberg vom 9. Januar
1886, betr. Einrichtung öffentl. —. Ver-
öffentl. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 486.
Sohlaohthofanlage zu Frankfurt a. M.,
Polizeiverordnung des Polizeipräsidiums zu
Frankfurt a. M. vom 24. October 1885,
betr. die Benutzung der —. Veröff. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 223.
Schlachtviehes, Regulativ vom 21. August
1885 für die Untersuchung des in den
städtischen Schlachthof zu Frankfurt a. M.
gelangenden —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 219.
Schlachtviehes und des von auswärts in
den Stadtbezirk Neustadt O.-S. eingebrach-
ten frischen, Fleisches, Regulativ des Ma¬
gistrats von Neustadt O.-S. vom 14. Mai
1886, betr. die Untersuchung des —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 465.
deutschen und ausländischen
Schlächtereien und Ziegeleien, Er¬
lass königl. sächs. Ministeriums des Innern
vom 9. Juni 1885, betr. Grundzüge für
die medidnalpolizeiliche Beurtheilung ge¬
werblicher Anlagen von —. D. Vjhrschr.
f. öffentl. Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII,
S. 165.
Sohlafütellenweeen in der Stadt Oldesloe,
Verordnung der Polizei Verwaltung von Ol¬
desloe vom 1. December 1885, betr. das —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 120.
Sohulärste und Professoren der Hygiene,
Normativ des königl. ungarischen Unter¬
richtsministeriums bezüglich der an Mittel¬
schulen anzustellenden —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 314.
Schulen, Verordnung des herzogl. sächs.
Staatsministeriums zu Gotha vom 28. Ja¬
nuar 1885, betr. die Verhütung der Ver¬
breitung ansteckender Krankheiten durch
die —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 157.
Schulen, Bekanntmachung des kgl. preuss.
Polizeipräsidiums zu Berlin vom 30. No¬
vember 1885, betr. die Verhütung der
Uebertragung ansteckender Krankheiten
durch die —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 96.
Schulen, Verfügung der königl. Regierung
zu Düsseldorf vom 18. Juni 1886, betr.
die Mitwirkung der Medicinalbehörden bei
Prüfung der Pläne für den Bau Öffent¬
licher —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 554.
Schutzpockenimpfung, Entwurf einer
Bekanntmachung über die Ausdehnung
der ärztlichen Prüfung auf die —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 726.
Schweinefieber, Königl. englische zeit¬
weilige Verordnung vom 18. November
1885, betr. das obligatorische Schlachten
der am — erkrankten Thiere. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 9.
Schweinefleisches, Verordnung des
fürstl. schwarzburgischen Ministeriums
vom 8. October 1885, betr. die Abände¬
rung der Verordnung vom 19. December
1879 über die mikroskopische Unter¬
suchung des —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 394. — Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 14.
Schweinefleisches auf Trichinen im
städtischen Schlachthause zu Neustadt O.-S.,
Reglement des Magistrats von Neustadt
O.-S. vom 13. Mai 1886, betreffend die
Untersuchung des —. Ortsgesetze (Berlin)
XV1J, S. 476.
Schweinefleisches auf Finnen, herzogl.
anhaitische Verordnung vom 25. Juni
1886, betr. die Abänderung der Verord¬
nung vom 18. October 1880 über die
Untersuchung des —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 588.
Sohweineseuohe, Britische Verordnung
vom 25. Januar 1886 gegen die —.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über off. Gesundheitspflege. 643
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 112.
Schwemmcanalisation , Ortsstatut des
Magistrats der Stadt Charlottenburg vom
20. Juni 1885, betr. die Ausführung der
—. Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 502.
Schwemmcanalisatiozi in Charlotten*
bürg, Verordnung der königl. Polizeidirec-
tion zu Charlottenburg vom 20. Juni 1885,
betr. die —. Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 498.
Seuchen , Uebereinkunft zwischen der
Schweiz und dem Grossherzogthum Baden
vom 3. Juni 1886, betr. die sanitäre
Ueberwächung des von der Schweiz nach
Baden gerichteten Reiseverkehrs auf dem
badischen Bahnhofe zu Basel bei drohen¬
den oder ausgebrochenen —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 497.
Sonderegger , Das eidgenössische Epi¬
demieengesetz vom 2. Juli 1886. Schweiz,
ärztl. Coit.-BI. (Basel) XVI, S. 617.
Strassen und Platzen in der Stadtgemeinde
Hanau, Ortsstatut vom 24. Februar 1880,
betr. die Anlegung, Veränderung und Be¬
bauung von—. Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 82.
Strassen , Die Reinhaltung und den Ver¬
kehr auf denselben, sowie die aus sanitäts¬
polizeilichem Interesse erforderlicher Rein-
haltuug der Wohnhäuser, Ställe, Höfe und
gewerblichen Anlagen für den Polizeibezirk
Pr. Holland, Polizeiverordnung der Stadt¬
polizeiverwaltung von Pr. Holland vom
20. Mai 1884, betr. den Zustand der —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 259.
Strassenpoliseiordnung der Stadt
Frankenhausen vom 27. September 1884.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 211.
Strassenreinigung; Ortsstatut, betr. die
— von Stuttgart. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 9.
Strassenreinlichkeit zu München, Orts¬
statut des Magistrats von München vom
25. Juni 1886, betr. die —. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 349.
Thierlymphe, Entwurf einer Anweisung
zur Gewinnung, Aufbewahrung und Ver¬
sendung von —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (B'-rlin) X, S. 499.
Thierlymphe, Verordnung desgrossherzogl.
badischen Ministeriums d. 1. vom 5. Februar
1886, betr. die Einführung der —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 156. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 46.
Thierlymphe, Königl. bayerische Bekannt¬
machung vom 19. März 1886, betr. die
Schutzpockenimpfung mit —. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 285.
Trachomaugenkrankheit, Ungarischer
Gesetzentwurf über die Verhinderung der
Verbreitung der —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 177.
Triohinen, Königl. sächsisches Regulativ
vom 9. November 1885, für die Unter¬
suchung des Schweinefleisches auf —
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, 8. 411. — Reichs-Med.-Kal. f. 1887
(Berlin), S. 8.
Trichinen , Erlass des Oberpräsidiums
der Provinz Brandenburg vom 2. Februar
1886, betr. Untersuchung des Schweine¬
fleisches auf —. Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 46.
Trichinen, Polizeiverordnung vom 10 Febr.
1886, betr. Untersuchung des Schweine¬
fleisches auf — im Regierungsbezirk Wies -
baden. Med.-Gesetzg. (Berlin) 1886, S. 57.
Trichinen, Polizeiverordnung des königl.
preuss. Oberpräsidenten der Provinz Bran¬
denburg vom 17. März 1886, betr. die
Untersuchung des Schweinefleisches auf —.
Veröff. d. kais. Gesundheitamtes (Berlin)
X, S. 279. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 64.
Trichinenschauer, Erlass des Medi-
cinal - Amtes der Stadt Lübeck vom
16. September 1884, betr. Anweisung für
die beeidigten —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 83.
Trichinenschauordnung für den
Schlachthof zu Frankfurt a. M. vom
21. August 1885. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 221.
Trunkenbolde, Polizeiverordnung zu Jü¬
lich vom 8. Juni 1885, betr. die —.
Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 433.
Trink Wasser, Verfügung des königl. preuss.
Kriegsministeriums vom 24. Januar 1886,
betreffend die zur Reinigung von — zu
verwendende Eisenchloridlösung. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 346.
Tuberkelbacillen, Verordnung des kaiserl.
Kriegsministeriums vom 7. Januar 1886,
betr. Isolirung der Kranken, bei denen —
constatirt sind. Reichs-Med.-Kal. f. 1887
(Berlin), S. 42.
Untersuchung von Getränken in Urugay,
Verordnung vom 12. September 1885,
betr. die Errichtung eines Laboratoriums
für die —. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 225.
Untersuchungsmethoden, Verordnung
des kaiserlichen Kriegsministeriums vom
17. Februar 1886, betr. Uebungen der
Sanitätsofflciere in den hygienischen und
bacteriologischen —. Reichs-Med.-Kal. f.
1887 (Berlin), S. 43.
Verunreinigung der öffentlichen Wasser¬
läufe und die Benutzung der städtischen
unterirdischen Entwässerungsanlage zu
Emden, Polizeiverordnung des Magistrats
der Stadt Emden vom 14. December 1885,
betr. das Verbot der —. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 165.
Verunreinigung der Wasserl&ufe,
Erlass königl. sächsischen Ministeriums
des Innern vom 19. September 1885, betr.
—. D. Vjhrschr. f. off. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIH, S. 313.
41*
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644 Repertorium der i. J. 1886 in
Viehseuchen im Staate Illinois, Gesetz
vom 27. Juni 1885, betr. die Bekämpfung
der —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 380.
V iehseuohengesetae , Ausführungsver¬
ordnung zum Britischen — vom 16. Sep¬
tember 1886. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 694, 706, 721,
738, 753.
Volksschulen, Verfügung der königl.
preuss. Regieruug zu Düsseldorf an die
Kreisphysiker vom 30. April 1886, betr.
die ärztlichen Revisionen der —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 554.
Wasserläufe , Die in Deutschland zur
Verhütung der Verunreinigung öffentlicher
— geltenden Bestimmungen. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 647,
662, 781.
Wasserleitungen, Polizeiverordnung des
Magistrats der Stadt Kempten vom
21. December 1885, betr. die gemeind¬
lichen — und die Abgaben für deren
Benutzung. Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 26.
Wein, Malzgetränken, gekochtem Kaffee
und anderen zubereiteten nicht spirituösen
Getränken, Königl. schwedische Verordnung
vom 24. October 1885, betr. den Verkauf
von —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 567.
Weinverfftlschung, Italienischer Gesetz¬
entwurf vom 27. April 1885, betr. Maass¬
regeln zur Bekämpfung der —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 236.
Wochenbettfiebererkrankungen im
Regierungsbezirk Münster, Erlass königl.
preuss. Regierung zu Münster vom 10. Dec.
1885, betr. Anzeigepflicht der Aerzte bei
—. Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 8.
Wright, Alfred, Unsere Sanitätsgesetze
und wie sie umgangen werden. San. Rec.
(London) VIII, S. 2.
Wuth, Britische Verordnung vom
16. September 1886, betr. die —. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 664.
Ziehkinderwesen zu Dresden, Verord¬
nung des städtischen Armenamtes zu
Dresden vom 18. Januar 1884, betr. die
Aufsichtsführung über das —. Orts¬
gesetze (Berlin) XVII, S. 360.
3. Gesundheitsbehörden und
Organisation des Sanitätsdienstes.
Aerztekammern, Protocoll der Sitzung
der — vom 5. October 1886. Münchener
med. Wochenschr. XXXIII: Oberbayern,
S. 793. — Niederbayern, S. 796. — Pfalz,
S. 797. — Oberfranken, S. 797. —
Unterfranken, S. 798. — Schwaben und
Neuburg, S. 802. — Oberpfalz und Regens¬
burg, S. 807. — Mittelfranken, S. 809.
deutschen und ausländischen
Albanese, E., Pflichten der Behörden und
des Landes bei Epidemieen. Riv. clin.
(Bologna) XXV, S. 641.
Albers, Die 31. Conferenz der Medicinal-
beamten des Reg.-Bez. Düsseldorf. D.
med. Wchschr. (Berlin) XII, S. 526.
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesund¬
heitsamte. (Referat.) D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpfig. (Braunschweig) XV11I, S. 269.
Berger, W., Aus den Berathungen der
Gesundheits-Beamten Hollands. Gesundheit
(Frankfurt a. M.) XI, S. 3, 21, 228.
Bericht über die Arbeiten des Gesund-
heitsrathes des Departements Seine-Infe-
rieure während des Jahres 1884. (Referat.)
Rev. d’hyg. (Paris) V1H, S. 771.
Dienstweisung für die Bezirksärzte und
die Bexirksassistenzärzte in Baden vom
1. Januar 1886. Med.-Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 67.
Domenichetti , Richard, Bericht über
13jähr. sanitäre Erfahrung in einem Sani-
tätsdistrict. San. Rec. (London) VIII, S. 6.
Bk&riUB, Otto, Halbe oder ganze Aerzte
für das platte Land? D. Med.-Ztg. (Ber¬
lin) 1886, S. 1158.
Erlass des Kaiserlichen Statthalters von
Eisass-Lothringen vom 26. September 1885,
betr. die Befähigung zur Anstellung als
Kreisarzt in Elsass-Lothringen. D. Vjhrschr.
f. öff. Gsndpfig. (Braunschweig) XVIII,
S. 307. — Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 140.
Erlass königl. bayer. Staatsministeriums
vom 1. August 1886, betreffend die Ver¬
handlungen der Aerztekammern im Jahre
1885. Münchener med. Wchschr. XXXni,
S. 590.
Firket, C., Ueber die sanitäts-polizeilichen
Maassregeln in Italien, Eisass und dem
Deutschen Reich. Ann. de la Soc m&d.-
chir. de Lüge XXV, S. 23.
Flinn, E., Unterschied der Pflichten der
Gesundheitsbeamten in England und Irland.
Transact. of the Acad. of med. of lreland
(Dublin) IV, S. 371. — Dublin. Journ. of
med. sc. LXXX1, S. 363. — Med. Press
and Circ. (London) XLI, S. 289.
Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung
eines Gesundheitsamtes in den Vereinigten
Staaten. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, 8. 211.
Gesundheitsamt, Das kaiserliche —,
Verhandlungen des Reichstags den 14. Dec.
1885. Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 4.
Gesundheitsamtes, Rückblick auf den
Ursprung, sowie auf die Entwicklung und
Thätigkeit des Kaiserlichen — in den
ersten 10 Jahren seines Bestehens. (Refe¬
rat.) Berlin, klin. Wchschr. XXIH, S. 834.
Gesundheits-Commissionen, Berichte
an die — der Stadt Zürich, erstattet von
dem städtischen chemischen Experten über
seine Thätigkeit in den Jahren 1883, 1884
und 1885. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 558.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 645
Guttm&nn, S., Zur Reform des Medicinal-
wesens. Deutsche medicinische Wochen¬
schrift (Berlin) XII, S. 186; siehe auch
S. 206, 282.
Hart; Ernst, Die Reform der SanitätsVer¬
waltung in England. San. Rec. (London)
VU, S. 305, 353; Anfang s. S. 141,
205, 255.
Janssens, lieber die Thätigkeit des Gesund-
heitsrathes und über die öffentlichen
Gesundheitsverhältnisse der Stadt Brüssel.
(Referat.) Giorn. d. soc. ital. d’ig. (Mai¬
land) Vm, S. 717.
Krieger^ Die „neue Verordnung, betr. die
Befähigung zur Anstellung als Kreisarzt
in Eisass-Lothringen vom 26. September
1885“. D. med. Wchschr. (Berlin) XD,
S. 457.
Layet, Ueber die Nothwendigkeit, auf dem
Lande Hülfe für den Kranken und Schutz
für den Gesunden zu organisiren. (Refe¬
rat.) Centralbl. f. allg. Gesndpflg. (Bonn)
V, S. 459.
Lereboullet, L., Die neue Organisation
des Gesundheitsdienstes bei der französi¬
schen Marine. Gaz. hebd. de m£d. (Paris)
XXIII, S. 437.
Low, R. B., Die Anstellung von Gesund¬
heitsbeamten in England. San. Rec.
(London) VIH, S. 148.
Martin, A. J., Die Arbeiten des Gesund-
heitsrathes von Frankreich. Rev. d’hyg.
(Paris) VIII, S. 897.
Martin, A. J., Die Reform der Sanitäts-
Verwaltung in Frankreich. Rev. d’hyg.
(Paris) VIU, S. 545.
Medicinalbeamtenverein, Der preuss.
—. (Referat.) D. Med.-Ztg. (Berlin)
1886, S. 911.
Medioinalverwaltung, Reorganisation
der —, speciell Stellung der Kreisphysici.
Haus der Abgeordneten, den 8. März
1886. Med.-Gesetzgebung (Berlin) 1886,
S. 36.
Nachrichten über zeitweilige Maassregeln
zur Abwehr und Unterdrückung von
Seuchen. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 6, 23, 36, 53, 69,
81, 92, 111, 125, 135, 155, 170, 186,
204, 216, 232, 247, 264, 276, 295, 311,
332, 345, 361, 374, 388, 407, 419, 432,
444, 457, 469, 481, 493, 505, 523, 536,
551, 565, 582, 599, 612, 631, 645, 661,
677, 690, 702, 717, 734, 752, 780.
Oöffentliches Gesundheitswesen in
den Cantonen der Schweiz 1883. Ver¬
öffentlicht vom Departement des Innern
der schweizerischen Eidgenossenschaft. (Re¬
ferat.) Schweiz, ärztl. Corr. - Bl (Basel)
XVI, S. 571.
Ortsstatut, betr. die öffentliche Gesund¬
heitspflege zu Bruchsal. Ortsgesetze (Ber¬
lin) XVII, S. 510.
Page, Herbert, Unser Sanitätssystem und
seine Reorganisationen. San. Rec. (London)
VIII, S. 51, 101.
Reichardt, E., Der Apotheker als Sanitäts¬
beamter. Arch. f. Pharm. (Halle) XXIV,
S. 865.
Salomon, Max, Wie ist der Noth der Land¬
bevölkerung an Aerzten abzubelfen? D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 1100.
Sanit&tsconferenz in Sidney im Jahre
1884. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 1».
Schlockow, Der preussische Physicus. —
Anleitung zum Physikatsexamen , zur
Geschäftsführung der Mediciualbeamten und
zur Sachverständigen-Thätigkeit der Aerzte
überhaupt, zugleich ein Hülfsbuche für
Richter und Verwaltungsbeamte. (Referat.)
D. Vjhrschr. f. öffentl. Gsndpflg. (Braun-
schweig) XVHI, S. 629. — D. Med.-Ztg.
(Berlin) 1886, S. 710. — D. med. Wochen¬
schrift (Berlin) XII, S. 631. — Schmidt’s
Jahrb. (Leipzig) CCXI, S. 112.
Spiess, Alexander, Das städtische Sanitäta-
wesen in «Frankfurt a. M. im Jahre 1885.
Jahresbericht d. Verwaltung d. Medicinal-
wesens etc. der Stadt Frankfurt a. M.
XXIX, S. 65.
Staatsgesundheitsamtes, Einrichtung
eines — in Pennsylvanien. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 285.
Verfügung des französischen Kriegs¬
ministers, betr. die Organisation und die
Thätigkeit der technischen Abtheilung des
Sanitätsdienstes. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 650.
Waeserfuhr, Die neue Verordnung, betr.
die Befähigung zur Anstellung als Kreis¬
arzt in Eisass - Lothringen. Deutsche me-
dicin. Wochenschrift (Berlin) XH, S. 134,
154.
Zucchi, Carlo, Ueber die wissenschaftliche
und juristische Competenz des Arztes bei
der Ausübung der Sanitätspolizei. Giorn.
d. soc. ital. d’ig. (Mailaud) VIII, S. 17.
4. Vereine für öffentliche Gesund¬
heitspflege, Versammlungen, Aus¬
stellungen etc.
Ausstellung, Die hygienische — der Stadt
Paris im Jahre 1886. Rev. d’hyg. (Paris)
VIII, S. 177, 442, 532, 600.
Börner, Bericht über die allgemeine
Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete
der Hygiene und des Rettungs wesens.
III. Band. (Referat.) D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 152. —
D. rail.-ärztl. Ztschr. (Berlin) XV, S. 101.—
Vjhrschr. f. ger. Med. (Berlin) XLV,
S. 390. — D. med. Wchschr. (Berlin) XII,
S. 283. — D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886,
S. 49. — Berlin, klin. Wchschr. XXU1.
S. 851. — Ges.-Ing. (München u. Leipzig)
IX, S. 45, 807. — Wien. med. Wchschr.
XXXIII, S. 1647.
Bremond, Felix, Die städtische Hygiene¬
ausstellung zu Paris. Mouv. hyg. (Brüssel)
II, S. 201, 245, 338.
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646 Repertorium der i. J. 1886 in
du Claux, V., Die städtische Hygiene¬
ausstellung zu Paris. Ann. d’hyg. (Paris)
XV, S. 379, 533.
Deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege, Bericht über die
XII. Versammlung des — zu Feiburg i. B.
vom 15. bis 17. September 1885. D.
Vjschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 1. — (Referat.) Giorn. d. soc.
ital. d’lg. (Mailand) VIII, S. 425.
Deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege, Tagesordnung der
XIII. Versammlung des — zu Breslau vom
13. bis 16. September 1886. Deutsche
Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesund¬
heitspflege (Braunschweig) XVIII, S. 319.—
Berlin, klin. Wchschr. XXIII, S. 586. —
Münchener med. Wochenschr. XXXIII,
S. 631. — Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 340. — Aerztl.
Vereinsbl. (Leipzig) XIII, S. 331. —
Monatsbl. f. öff. Gsndpflg. (Btaunschweig)
IX, S. 79. — Schweizer ärztl. Corr. - Bl.
(Basel) XVI, S. 496.
Deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitsverhältnisse, Thesen für
die XIII. Versammlung des — zu Breslau
im Jahre 1886. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 514, 527.
Deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitpflege. Bericht über die
XIII. Versammlung des — zu Breslau
vom 13. bis 16. Sept. 1886. Centralbl.
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 373. —
D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 841, 845,
862. — D. med. Wchschr. (Berlin) XII,
S. 684. — Breslauer ärztl. Ztschr. VIII,
S. 217. — Ges.-Ing. (München u. Leipzig)
IX, S. 641, 682. — D. mil.-ärztl. Ztschr.
(Berlin) XV, S. 498. — Münchener med.
Wchschr. XXXIII, S. 676. — Journ. f.
Gasbel. - u. Wasserversorgung (München)
XXIX, S. 791. — D. Gemeinde-Ztg. (Ber¬
lin) XXV, S. 235.
Deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege, Bericht über die
zwölfjährige Thätigkeit des —. (Referat.)
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 353.
Dornblüth, Fr., Die Versammlungen
des deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege. D. Vjhrschr. f. öff.
Gesundheitspflege (Braunschweig) XVIII,
S. 246.
Drouineau , G., Die städtische Hygiene¬
ausstellung zu Paris. Rev. san. de Bor¬
deaux III, S. 73.
Du Prö, Die Hygiene vor der belgischen
Academie de midecine während des Jahres
1885. Mouv. hyg. (Brüssel) II, S. 121.
H&mpe, Bericht über die XII. Versamm¬
lung des Deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege. Monatsbl. f.öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) IX, S. 6, 17.
Hampe, Bericht über die XIII. Versamm¬
lung des Deutschen Vereins für öffentliche
deutschen und ausländischen
Gesundheitspflege. Monatsbl. f. öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) IX, S. 163, 182.
Internationalen Congresses für Hy¬
giene und Demographie, Ergebnisse des
5. —. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 161, 178.
Internationaler Congress, Sechster
— für Hygiene nnd Demographie 1887 in
Wien. D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIII, S. 522.
Kongress der Soci6t6 royale de medecine
publique de Belgique. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 102, 115,
573.
Lent, Bericht über die am 31. October
1885 in Essen stattgehabte Generalver¬
sammlung des Niederrheinischen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege. Centrabl.
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 71.
Martin, A. J., Bericht über die hygie¬
nische Ausstellung der Stadt Paris. Rev.
d’hyg. (Paris) VIII, S. 934.
Niederrheinischen Vereins für
öffentliche Gesundheitspflege,
XVIII. ordentliche Generalversammlung
des —. D. med. Wchschr. (Berlin) XII,
S. 779. — Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 624.
Richard, Die städtische Hygieneausstellung
in Paris. Rev. d’hyg. (Paris) VIII, S. 369,457.
Rosenthal, Der deutsche Gesundheitscon-
gress zu Freiburg i. B. im September
1885. Verh. u. Mitth. d. Ver. f. öff.
Gsndpflg. in Magdeburg XIV, S. 79.
Spiess, Alexander, Die Versammlungen
des deutschen Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege. D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 249.
Vallin, E., Der sechste internationale hygie¬
nische Congress. Rev. d’hyg. (Paris) V1U,
S. 89.
Verein für Gesundheitstechnik,
Tagesordnung der Generalversammlung für
das Jahr 1886 zu Hannover vom 14. bis
17. September. Münchener med. Wchschr.
XXXIII, S. 631.
Vereines für Gesundheitstechnik,
Generalversammlung des — am 15. und
16. September 1886 in Hannover. (Re¬
ferat.) Ztschr. d. Ver. D. Ing. (Berlin)
XXX, S. 904.
Vereins für öffentliche Gesund¬
heitspflege in England, Der sechste
Jahrescongress des — vom 25. bis 29. Sep¬
tember 1883 in Glasgow. Vjhrschr. f.
ger. Med. (Berlin) XLIV, S. 425.
Verhandlungen und Mittheilungen des
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege
in Magdeb g. (Referat.) Gesundheit
(Frankfurt M.) XI, S. 152.
Wasserfuhr, H., Der ärztliche hygienische
Verein von El.^as* - Lothringen, seine Ent¬
stehung und seine Entwickelung während
der ersten zehn Jahre Beines Bestehens.
(Referat.) Monatsbl. f. öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) IX, S. 190.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 647
Waaserfuhr ; Die Vertagung des inter¬
nationalen hygienischen Congresses. D.
medicinische Wochenschrift (Berlin) XII,
S. 207.
Weltausstellung, Erinnerungen an die —
in Antwerpen. Centralbl. f. allg. Gesund¬
heitspflege (Bonn) V, S. 133.
5. Hygienischer Unterricht und
hygienische Institute.
Bex, Der praktische Unterricht der Hygiene
bei der mediciniscben Facultät zu Paris.
Ann. d’hyg. (Paris) XVI, S. 573.
Erlass des königl. preuss. Ministeriuros
der geistlichen etc. Angelegenheiten vom
28. April 1886, betr. die Aufgaben¬
sammlungen für den hygienischen Ab¬
schnitt bei der ärztlichen Prüfung. VeröfT.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 381. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 52. — Reichs-Med.-Kal. f. 1887 (Ber¬
lin), S. 5.
van Ermengem , Das hygienische und
bacteriologische Laboratorium der Uni¬
versität Gent. Mouv. hyg. (Brüssel) II,
S. 262.
V. Fodor, Mittheilungen aus dem hygie¬
nischen Institut der Budapester Universität.
Referat.) Centralbl. f. allg. Gsndpflg.
Bonn) V, S. 388.
Sartmann, Unterricht in der Gesundheit* -
lehre an technischen Hochschulen. (Referat.)
Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 350.
Hygienische Institut in Berlin, Das
—. Wien. med. Wchschr. XXXVI,
S. 1119, 1147.
Martin, A. J., Bericht über die Errich¬
tung eines hygienischen Museums in Paris.
Rev. d’hyg. (Paris) VHI, S. 589.
Biohard^|as hygienische Museum in Ber¬
lin. Rev. d’hyg. (Paris) VJII, S. 1017.
Sonderegger, Eingabe der schweizerischen
Aerztecoramission an das eidgenössische
Departement des Innern, betr. Einrichtung
eines Lehrstuhls und eines Laboratoriums
für Hygiene am eidgenössischen Polytech-
nicum. Schweiz, ärzll. Corr.-Bl. (Basel)
XVI, S. 544.
Virchow, R. und A. Guttatadt, Die
Anstalten der Stadt Berlin für die öffent¬
liche Gesundheitspflege und für den natur¬
wissenschaftlichen Unterricht. (Referat.)
Berlin, klin. Wchschr. XXIII, S. 834.
II. Medlcinalstatistik.
1. Allgemeines.
Gesundheitszustand und gesundheits¬
polizeiliche Maassnahmen im Grossherzog¬
thum Baden während der Jahre 1882 und
1883. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 309.
Krooker, Ueber das Verhältnis» der geo¬
graphischen Medicin und der militärischen
Krankheitsstatistik zu einander. (Referat.)
Tagebl. d. 59. Naturforscher-Versammlung
(Berlin) S. 344.
Medicinal-Statistik des Grossherzog¬
thums Baden für das Jahr 1883. Veröff.
des kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 51.
Pfeiffer, Beiträge zur Medicinalstatistik des
Grossherzogthums Hessen im Jahre 1881.
(Referat.) D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886,
S. 320.
Sanit&tswochenberiohte der grösseren
Städte und Gemeinden in Oesterreich.
Prag. med. Wchschr. XI, S. 24, 39, 45,
58, 71, 79, 91, 99, 106, 115, 123, 133,
146, 158, 174, 183, 203, 210, 218, 226,
238, 242, 258, 267, 287, 298, 307, 314,
326, 338, 347, 358, 371, 379, 387, 399,
407, 418, 430, 439, 447, 459, 466, 479,
487, 495.
Statistisches Jahrbuch der Stadt
Wien für das Jahr 1884. (Referat.)
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 329.
2. Hygienisehe Topographie
und hygienische Jahresberichte.
Adelt, Einiges über die GesundheitsVerhält¬
nisse der Stadt Bunzlau, welche die
älteste Canalisation verbunden mit Be¬
rieselung besitzt. Vjhrschr. f. ger. Med.
(Berlin) XLV, S. 130, 338.
Amozail; X., Einige Betrachtungen über
die hygienische Beschaffenheit des Viertel»
St. Ferdinand zu Bordeaux. Rev. san.
de Bordeaux 111, S. 42; s. auch S. 47.
Bertilloil; Jacques, Der Gesundheitszustand
der hauptsächlichsten Städte Europas im
Jahre 1885. Rev. d’hyg. (Paris) VHI, S. 829.
Bla8iU8; R., Der Gesundheitszustand der
Städte des Herzogthums Braunschweig
in den Jahren 1883/84. (Referat.) Ge¬
sundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 59.
Bl&siuS; R., Der Gesundheitszustand der
Städte des Herzogthums Braunschweig
von November 1885 bis October 1886.
Monatsbl. f. öff. Gsdpflg. (Braunschweig)
IX, S. 14, 30, 46, 62, 80, 108, 110, 128,
144, 160, 174, 192.
Colin; Z., Paris, seine Topographie, seine
Hygiene, seine Krankheiten. (Referat.)
Berlin, klin. Wchschr. XXIU, S. 347. —
Giorn. d. soc. ital. d’ig. (Mailand) Vlll, S. 461.
Frölich.; H., Die Stadt Leipzig in rnedi-
cinischer und insbesondere in militär-sani¬
tärer Beziehung. Münchener med. Wochen¬
schrift XXXIII, S. 726, 745, 763, 783.
• zed by ^.ooQle
648 Repertorium der i. J. 1886 in
Gesundheitwuatand, Der öffentliche —
und die Verwaltung der Gesundheitspflege
in Leipzig während des Jahres 1884.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 491.
Gesundheitszustand in Norwegen im
Jahre 1882. VeröfT. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 550.
Gesundheitszustand, Der — von Paris.
Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 277,
292.
Gr&tzer, J., Die Gesundheitsverhältnisse
Breslaus in der Zählungsperiode 1881/85
nebst einem Beitrage zur Hygiene und
Medicinalstatistik der Stadt. (Referat.)
Ztscbr. d. kgl. preuss. stat. Bür. (Berlin)
XXVI, S. 134. — D. med. Wochenschrift
(Berlin) XII, S. 706.
Guttstadt, A., Die naturwissenschaftlichen
und medicinischen Staatsanstalten Berlins.
Festschrift für die 59. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte. Im
Aufträge Sr. Exc. des Ministers der geist¬
lichen, Unterrichts- und Medicinalange-
legenheiten, Herrn Dr. v. Gossler, bear¬
beitet. (Referat.) Berlin, klin. Wchschr.
XXIII, S. 834.
Hampe, Ueber das Gesundheitswesen in
Helmstedt von 1881 bis 1886. Monatsbl.
f. öff. Gsdpflg. (Braunschweig) IX, S. 140,
154.
Hygiene in Nancy. Rev. d’hvg. (Paris)
VIII, S. 776.
Hygienischen Verhältnisse Berlins
im Jahre 1883, Die —. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 202.
Jahresbericht, Sechzehnter — des Landes-
Medicinal-Collegiums im Königreich Sachsen
für das Jahr 1884. (Referat.) Vjhrschr.
f. ger. Med. (Berlin) XLV, S. 185. — D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 1006.
Jahresbericht, Medicinisch-statistischer —
über die Stadt Stuttgart vom Jahre 1882.
X. Jahrgang. (Referat.) Monatsbl. f. öff.
Gsdpflg. (Braunschweig) IX, S. 127.
Jahresbericht, Medicimsch-statistischer—
über die Stadt Stuttgart vom Jahre 1883.
XI. Jahrgang. (Referat.) Monat«bl. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) IX, S. 190.
Jahresbericht über die Verwaltung des
Medicinalwesens, die Krankenanstalten und
die öffentlichen Gesundheitsverhaltnisse
der Stadt Frankfurt a. M. (Referat.) D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 319.
Janovsky, V., Jg. Pelc, und H. Zahor,
Bericht über die Thätigkeit des Prager
städtischen Gesundheitsrathes im Jahre
1884. (Referat.) Schmidt’# Jahrb. (Leipzig)
CCX, S. 215.
Kämmerer, E., Gg. Schmidt und Ad.
Löffler, Jahresbericht des Wiener Stadt-
physicats über seine Amtsthätigkeit, sowie
über die Gesundheitsverhältnisse Wiens
und der städtischen Humanitätsanstalten
in den Jahren 1883 und 1884. (Referat.)
D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braun-
deutschen und ausländischen
schweig) XVUI, S. 496. — Vjhrschr. f.
ger. Med. (Berlin) XLV, S. 198. —
Berlin, klin. Wchschr. XX1H, S. 673. —
Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 137,
168.
Köhler, Generalbericht über das Sanitäts¬
und Medicinalwesen im Reg.- Bez. Stral¬
sund für das Jahr 1882. (Referat.)
Monatsbl. f. öff. Gsdpflg. (Braunschweig)
IX, S. 29.
Krieger, Joseph, Topographie der Stadt
Strassburg, nach ärztlich - hygienischen
Standpunkten bearbeitet. (Referat.) D.
Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 282. — D. Med.-Ztg. (Berlin)
1886, S. 226. — Münchner med. Wchschr.
XXXIII, S. 175. — Berlin, kl. Wchschr.
XXIII, S. 347. — Schmidt’s Jahrb. (Leip¬
zig) CCX1, S. 223.
Kuby, Auszug aus dem Berichte über die
sanitären Verhältnisse des Regierungs¬
bezirkes Schwaben und Neuburg für daa
Jahr 1884. Münchener med. Wchschr.
XXXIII, S. 77.
Kunze, C. F., Halle a. d. S. in sanitärer
Beziehung. (Referat.) D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 286.—
D. Vjhrschr. f. ger. Med. (Berlin) XLV,
S. 196. (Referat.) Giorn. d. soc. ital.
d’ig. (Mailand) VIII, S. 464. — Monatsbl.
f. öff. Gesundheitspflege (Braunschweig) IX,
S. 160.
Kusy, Emanuel, Sanitätsbericht des k. k.
Landes-Sanitätsratbes in Mähren für das
Jahr 1883. (Referat.) Gesundheit (Frank¬
furt a. M.) XI, S. 202.
Kusy, Emanuel, Sanitätsbericht des k. k.
Landes - Sanitätsratbes für Mähren für das
Jahr 1884. (Referat.) Wien. med. Wchschr.
XXXVI, S. 1682.
Langlet, Jahresbericht des Bureaus für
Hvgiene und Statistik in Rheims. (Refe¬
rat!) Ann. d’hyg. (Paris) XV, S. 285.
Lehmann, K. B., Die hygienischen Sehens¬
würdigkeiten Berlins und die Excursionen
der hygienischen Section der 59. Ver¬
sammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte. Münchener med. Wchschr. XXX1H,
S. 913, 933.
Lejeune, Albert, Hygiene der Europäer in
Tonking. Ann. d’hyg. (Paris) XV, S. 41.
Marian, Bericht über die Thätigkeit des
städtischen Gesundheitsamtes in Aussig
im Jahre 1884. (Referat.) Monatsbl. f.
öff. Gesundheitspflege (Braunschweig) IX,
S. 190.
Mayrhofer, J., Die Hydrographie der
Stadt Bamberg und Umgebung. Archiv
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Du Mesnil, Eine Strasse des Faubourg
St. Antoine im Jahre 1883. (Referat.)
Centralbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V,
S. 115.
Müller, Alexander, Ueber einige gesund¬
heitliche und landwirtschaftliche Miss-
Digitized by t^ooQle
Zeitschriften erschienenen Aufsätze über oft Gesundheitspflege. 649
stände der Bade-Insel Norderney. Vjhrschr.
f. ger. Med. (Berlin) XUV, S. 162.
Nath, R., General bericht über das öffent¬
liche Gesundheitswesen im Reg.-Bez. Königs¬
berg für die Jahre 1881/83. (Referat.)
D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
XV1I1, S. 154. — D. med. Wochenschr.
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von Panama. Bult, de l’acad. de m£d.
(Paris) XV, S. 732. — Ann. d’hyg. (Paris)
XVI, S. 52. — (Referat.) Rev. d’hyg.
(Paris) VIII, S. 434. — D. Med.-Ztg.
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von Südcalifornien. Rep. of the Board
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S. 117.
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öffentliche Gesundheitswesen des Reg.-Bez.
Cöln für das Jahr 1883. (Referat.)
Monatsbl. f. öff. Gsdpflg. (Braunschweig)
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Smart} W. R. E., Ueber Alt-London,
seine gesundheitswidrigen Verhältnisse
und seine epidemischen Krankheiten.
Transact. of the epid. soc. of London IV,
S. 8.
Soyka, L., Die Gesundheitsverhältnisse
in Prag. (Referat.) Gesundheit (Frankfurt
a. M.) XI, S. 275.
VarrentrapP} Georg, Gesundheitliche Ver¬
besserungen in Paris. (Referat.) Centralbl.
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 181.
WaleS} §. F., Bericht über die Gesund¬
heitsverhältnisse von Canton im Jahre
1885/86. China Imp. Cust. Med. Eep.
(Shanghai) 1885/86, Nr. 31, S. 15.
3. Bevölkerungsstatistik.
Bevölkerung Badens am 1. December
1885. Ztschr. d. kgl. preuss. stat. Bur.
(Berlin) XXVI, S. XXXVIII.
Bevölkerung Berlins } Die ortean¬
wesende — am 1. December 1885.
Ztschr. d. kgl. preuss. stat. Bur. (Berlin)
XXVI, S. XXXIV.
Bevölkerung im Königreich Sach¬
sen am 1. December 1885. Ztschr. d.
kgl. preuss. stat. Bur. (Berlin) XXVI,
S. XLV.
Bevölkerung der beiden Mecklen¬
burg am 1. December 1885. Ztschr. d.
kgl. preuss. stat. Bur. (Berlin) XXVI,
S. XL.
Boehni} Die Bewegung und Sterblichkeit
der Bevölkerung Magdeburgs im Jahre
1885. Verhandl. u. Mitth. d. Vereins f.
öff. G. in Magdeburg XIV, S. 93.
CheySBOU} Die Frage der Bevölkerung in
Frankreich und im Ausland. (Referat.)
Centralbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V,
S. 44.
Flinser} M., Mittheilungen des statistischen
Amtes der Stadt Chemnitz. (Referat.)
Centralbl. f. allgemeine Gesundheitspflege
(Bonn) V, S. 328.
Geburten} Ehesohliessungen und
SterbefällO} Die — bei der Civil- und
Militärbevölkerung des preussischen Staates
im Jahre 1885, nebst einem Anhänge,
enthaltend die wichtigsten, bis jetzt end¬
gültig fest gestellten Ergebnisse der Volks¬
zählung vom 1. December 1885. Ztschr.
d. kgl. preuss. stat. Bur. (Berlin) XXVI,
S. 169.
Geburten} Todesfälle} Wachsthum
der Bevölkerungen in verschiedenen
Staaten. Centralbl. f. allg. Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 384.
Geburten und Todesfälle im Gross¬
herzogthum Hessen während der Jahre
1863 bis 1884. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 232.
Geburts- und Sterbliohkeitsverhält-
ni88e der Städte Berlin, München und
Leipzig im Jahre 1885. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 148.
Geburts- und Sterblichkeitsverhält¬
nisse der Stä-ite Breslau, Dresden und
Königsberg im Jahre 1885. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 674.
Geburten und Sterblichkeit in einigen
Städten Egyptens. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 22.
Geburts- und Sterblichkeiteverhält-
nisse der Städte Hamburg, Elberfeld
und Nürnberg im Jahre 1885. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 169.
Geburts- und Sterblichkeitsverhält-
nisse in London und anderen englischen
Grossstädten im Jahre 1885. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 388.
Gide 9 C., Abnahme der Fruchtbarkeit in
Frankreich seit 100 Jahren. L’homme
(Paris) III, S. 61.
Jahresbulletin des eidgenössischen stati¬
stischen Bureaus über die Geburten und
Sterbefälle in den grösseren städtischen
Gemeinden der Schweiz vom 1. Januar
bis 31. December 1885. Schweiz, ärztl.
Corr.-Bl. (Basel) XVI, S. 212.
Layet} Ueber die Entvölkerung der länd¬
lichen Gegenden. (Referat.) Centralbl. f.
allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 458.
Merkel} G., Bewegung der Bevölkerung
der Stadt Nürnberg im Jahre 1885. Mit-
theilg. a. d. Ver. f. öff. Gsndpflg. zu Nürn¬
berg IX, S. 20.
MireUT} H., Ueber die Bewegung der Be¬
völkerung in Marseille in den 20 Jahren
1866 bis 1886. Marseille m6d. XX1I1,
S. 209, 260.
ReU88} A., Stand und Zusammensetzung
der Bevölkerung am 1. December 1885 in
Stuttgart. Med.-stat. Jahresber. v. Stutt¬
gart XIII, S. 11.
SpiesB} Alexander, Uebersicht des Standes
und der Bewegung der Bevölkerung der
Stadt Frankfurt a. M. im Jahre 1885.
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650 Repertorium der i. J. 1886 in
Jahresber. d. Verwalt, d. Med.-Wesens etc. I
der Stadt Frankfurt a. M. XXIX, S. 17.
Volkszählung in den deutsehen
Hansestaaten , Ergebnisse der —.
Ztschr. d. kgl. preuss. stat. Bur. (Berlin)
XXVI, S. XLI.
Volkszählung in Paris, Vorläufiges Er¬
gebnis» der letzten —. Ztschr. d. kgl.
preuss. stat. Bur. (Berlin) XXVI, S. LI.
Volkszählung in Württemberg, Vor¬
läufige Ergebnisse der — 1885. Ztschr,
d. kgl. preuss. stat. Bur. (Berlin) XXVI,
S. XXXIII.
Volkszählung im preussischen Staate, Die
vorläufigen Ergebnisse der — vom 1. De-
cember 18ß5. Ztschr. d. kgl. preuss. stat.
Bur. (Berlin) XXVI, S. LXV.
Würzburg, Arthur, Ueber die Bevölke¬
rungsvorgänge in deutschen Städten mit
15 000 und mehr Einwohnern im Jahre
1884. Arbeiten aus dem kais. Gesundheits¬
amte (Berlin) I, S. 414. — (Referat.) Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 419.
4. Morbiditätsstatistik.
de Brun, Die Krankheiten in Syrien. (Re¬
ferat.) D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 901.
Egger, J. G., Morbiditätsstatistik von Ober¬
franken für 1883. (Referat.) Münchner
med. Weh sehr. XXXIII, S. 123.
Eisenbahnverwaltungen, Statistische
Nachrichten über die Erkrankungsverhält¬
nisse der Beamten des Vereins Deutscher —
im Jahre 1884. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 124.
Erkrankungen im Regierungsbezirk Ma¬
rienwerder während des Jahres 1885. Ver-
öffentl. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 135.
Harsch , Die Gesundheitsverhältnisse der
Pfalz während des Jahres 1883/1884. Ver-
einsbl. d. Pfälzischen Aerzte (Frankeuthal)
1886, Nr. 3 und 4.
Krankenaufnahme , Nachweis über —
und Bestand in den Krankenhäusern aus
55 Städten der Provinzen Westfalen,
Rheinland und Hessen-Nassau pro Novem¬
ber 1885 bis September 1886. — Ceutral-
blatt f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 29,
79, 80, 154, 156, 234, 236, 289, 291,
368, 370, 442.
Krankheitsvorgänge und Sterblich¬
keit im Grossherzogthum Baden während
des Jahres 1885. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 372.
Lübben, K. H., Morbiditätsaufzeichnungen
aus den Jahren 1884 und 1885. Thür,
ärztl. Corr.-Bl. (Weimar) XV, S. 337.
Morbiditätsstatistik, Ergebnisse der —
in den Heilanstalten des Deutschen Reiches
tür daB Jahr 1887, nebst einer verglei¬
chenden Zusammenstellung der Haupt¬
ergebnisse für die Jahre 1877 bis 1881.
Arbeiten a. d. kais. Gesundheitsamte (Ber¬
lin) I, S. 222.
deutschen und ausländischen
I Sanitätsberioht des Oberschlesischen
Knappschaflsvereins pro 1884. Veröff. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 326.
Schuh, L., Ergebnisse der Morbiditätssta¬
tistik aus dem Jahre 1885. Mittheilung,
a. d. Ver. f. öff. Gsndpflg. zu Nürnberg
IX, S. 49.
Sperk, Ed., Theorie der Morbiditäts- und
Mortalitätsstatistik und ihre Anwendung
zur Untersuchung der Prostitution und
Svphilis. Vjhrschr. f. Perm. u. Syphilis
(Wien) XIII, S. 411.
Tei88ier, J., Bericht über die Krankheiten
in Lyon im Jahre 1885. Lyon m6d. LI1,
S. 469, 502.
Wöhrlin, A., Gesundheitszustand und
herrschende Krankheiten in Strassburg im
Winter 1885/86. Gaz. med. de Stras¬
bourg XV, S. 124.
Anhang: Sammelforschungen.
Edwards, W. A., Bericht der Commission
der Sammelforscbungen über acuten Rheu¬
matismus. Transact. of the med. Soc. of
Pennsylvania (Philadelphia) XVIII, S. 84.
Gull, W., Ueber Sammelforschungen bei
Krankheiten. Compt. rendus du Congr.
intern, des sc. ra£d. 1884 (Kopenhagen) 1,
S. 54.
Hart, B. F., Commissionsbericht über Sam¬
melforschung in Bezug auf Malariafieber.
St. Louis Cour. Med. XVI, S. 1.
Köbner, H., Zur statistischen, beziehungs¬
weise zur Sammelforschung über die Pa¬
thologie und Therapie der Syphilis. Vjhrschr.
f. Dermatologie u. Syphilis (Wien) XUI,
S. 831.
Quincke, H., Erster Bericht über die vom
Verein Schleswig - Holsteinscher Aerzte
unternommene Pneumoniestatistik für das
Jahr 1883/84. (Referat.) Centralbl. f. med.
Wiss. (Berlin) XXIV, S. 587. — D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 225.
5. Mortalitätsstatistik.
Bookelmann, Die Mortalität der königl.
Universitätsfrauenklinik zu Berlin während
der letzten 16 Semester. (Referat.) Cen¬
tralbl. f. Gynäk. (Leipzig) X, S. 151.
Carl86n, J., Ueber die Todesfälle in Däne¬
mark in diesem Jahrhundert. Hosp.-Tid.
(Kopenhagen) IV, S. 1009, 1033.
Daxenberger , Emil, Statistische Nach¬
weisung der Sterblichkeitsvorgänge und
Geburtsverhältnisse in 24 bayerischen Städ¬
ten für die Monate August-December 1886.
Münchner med. Wchschr. XXXIII, S. 70,
90, 110, 198, 218.
Geissler , Die Sterblichkeit in England.
Schmidt’s Jahrb. (Leipzig) CCX, S. 342.
Geissler, Sterblichkeit und Todesursachen
in Italien. Schmidt’* Jahrb. (Leipzig)
CCXI, S. 70.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 651
Gesundheit« - und Sterbliehkeits-
verhftltnisse in Darmstadt-Bessungen
im Jahre 1885. VeröfT. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 522.
Gosohkewitzch , M., Tabellen der Sterb¬
lichkeit nnd der Geburten unter der Be¬
völkerung der Stadt Cherson pro 1885
(Referat.) D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886,
S. 1122.
Gruber, Max, Zur Beurtheilung von Kö-
rösi’s „relativer Intensität der Todes¬
ursachen“. Wien. med. Wchschr. XXXVI,
S. 1061, 1087. — (Referat.) Centralbl.
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 456.
Gussm&IW, E., Bericht über die Sterb¬
lichkeit in Stuttgart nebst Parcellen im
Jahre 1884. (Referat.) Verötf. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 78.
Gussmann , E., Bericht über die Sterb¬
lichkeit in Stuttgart nebst Partei len im
Jahre 1885. Württemberg, med. Corr.-
Blatt (Stuttgart) LVI, S. 169, 177, 185,
193. — (Referat.) VeröfT. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 564.
H&rdy, G. F, Die Sterblichkeitsverhältnisse
unter den Eingeborenen in Indien. Journ.
of inst, actuaries etc. (London) XXV,
S. 217.
Henrichsen , K., Die Sterblichkeit der
Stadt Odessa pro 1883/85. (Referat.)
D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 1122.
J&n8sens , E., Demographische und medi-
cinische Statistik von Brüssel und nosolo¬
gische Zusammenstellung der Todesfälle
im Jahre 1885. Bull, de l’acad. roy. de
möd. de Belg. (Brüssel) XX, S. 153.
J&nssens, E., Demographischer Jahres¬
bericht und statistische Tabellen der Todes¬
ursachen in Brüssel. (Referat.) Giorn. d.
soc. ital. d’ig. (Mailand) VIII, S. 138, 717.
V. Kerschensteiner, Zur Geschichte der
Mortalitätsstatistik in Bayern. Münchner
med. Wchschr. XXXIII, S. 541.
Kindersterblichkeit, s. III, 2.
Körösi, Josef, Die Sterblichkeit der Stadt
Budapest in den Jahren 1876—1881 und
deren Ursachen. (Referat.) Giorn. d. soc.
ital. d’ig. (Mailand) VIII, S. 152.
Kusy, Emanuel, Die Sterblichkeit Mährens
während des Jahres 1883. (Referat.)
VeröfT. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 294.
Indvin, Die Mortalität in Danzig im Jahre
1885. VeröfT. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 153.
Nach Weisung über die Sterblichkeit in
einigen grösseren Verwaltungsgebieten des
In- und Auslandes. VeröfT. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 110.
Oldendorff, A., Die periodischen Sterb-
lichkeitsschwankungen in ihrer Bedeutung
für die Medicin. Archiv f. path. Anat.
(Berlin) CV, S. 110.
Oldendorff, Die periodischen Sterblich¬
keitsschwankungen und ihre Bedeutung
für die öffentliche Gesundheitspflege. D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1866, S. 59; s. auch
S. 75.
Paget, C. E., Der Werth der Mortalitäts¬
statistik. Practitioner (London) XXXVIII,
S. 67.
Parkes , L., Die MortalitätszifTer von Lon¬
don; ist sie vergleichbar mit den Ziffern
anderer Städte? San. Rec. (London) VIII,
S. 252.
Pfeiffer, Gesundheitszustand und Todesfälle
im Grossherzogthum Hessen vom ersten
Quartal 1886. Mittheil. d. grossherzogl.
hess. Centralstelle f. Landesstat. (Darm¬
stadt) 1886, S, 225.
Presl, Ueber das Verhältniss der Mortali¬
tät zur Dichtigkeit der Bevölkerung in
Oesterreich. Vortrag in der hygienischen
Section der Naturforscherversammlung zu
Berlin. (Referat.) Tagebl. d. 59. Natur¬
forscherversammlung (Berlin), S. 325. —
Münchner med. Wchschr. XXX11I, S. 845. —
Rev. d’hyg. (Paris) VIII, S. 1063.
Regnard, A., Ueber die Sterblichkeit in
den provinzialen Hospitälern und über die
Nothwendigkeit einer radicalen Reform in
der öffentlichen Hülfeleistung. Progres
med. (Paris) III, S. 489, 513, 572. —
(Referat.) Revue d’hvgiene (Paris) VUI,
S. 882.
Reuss, A., Gestorbene in Stuttgart im
Jahre 1885. Med.-stat. Jahresbericht von
Stuttgart XIII, S. 17.
Reuss, A., Krankheiten und Todesursachen
in Stuttgart im Jahre 1885. Med.-stat.
Jahresber. von Stuttgart XIII, S. 28.
Schmitz, Jacob, Ueber den Einfluss des
Geschlechts und des Lebensalters auf die
Schwindsuchtssterblichkeit mit besonderer
Berücksichtigung der Verhältnisse der Stadt
Bonn. Ergänzungshefte z. Centralbl. f.
allg. Gsndpflg. (Bonn) 1, S. 155. — (Re¬
ferat.) D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIII, S. 278.
Schoveller , J. Hampden, Die Sterblich-
lichkeit in englischen Städten im Jahre
1885. San. Rec. (London) VII, S. 323.
Sörensen , T., Die Sterblichkeit in den
verschiedenen socialen Classen in Kopen¬
hagen, besonders in Bezug auf die tuber-
culösen Krankheiten. Compt. rendus du
Cougr. internat. d. sc. ra6d. 1884 (Kopen¬
hagen) IV, S. 121.
Sozinskey, T. S., Die Sterblichkeit der
verschiedenen Geschlechter und Altera-
classen. Med. and Surg. Rep. (Philadel¬
phia) LV, S. 545.
Spiess, Alexander, Witterungs- und Ge¬
sundheitsverhältnisse von Frankfurt a. M.
im Jahre 1885. Frankfurter Journal
1886, Nr. 29, 43.
Spiess, Alexander, Witterungs- und Ge-
sundheitsverhältnisse von Frankfurt a. M.
vom December 1885 bis November 1886.
Frankfurter Journal 1886, Nr. 16, 86, 137,
196, 234, 303, 352, 401, 469, 531, 575,
632.
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652 Repertorium der i. J. 1886 in
Spieas, Alexander, Die Gesundheits- and
Sterblichkeit«Verhältnisse in Frankfurt». M.
im Jahre 1885. Jahresber. d. Verwalt,
d. Medicinalwesens etc. der Stadt Frank¬
furt a. M. XXIX, S. 31.
Spiess, Alexander, Tabellarische Uebereicht
der im Jahre 1885 in Frankfurt a. M.
vorgekom menen Todesfälle. Jahresber. d.
Verwalt, d. Medicinalwesens etc. der Stadt
Frankfurt a. M. XXIX, S. 51.
Sterbefälle, Die — im preussischen Staate
während des Jahres 1882 nach Todes¬
ursachen. Ztschr. d. königl. preuss. stat.
Bur. (Berlin) XXVI, S. X.
Sterblichkeit der Männer verschiedener
Berufsarten in England und Wales. Ztschr.
d. königl. preuss. stat. Bur. (Berlin) XXV],
S. LVI.
Sterblichkeit in den Herzogtümern Co¬
burg u. Gotha im Jahre 1884. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 374.
Sterblichkeit, Die — im Hamburgischen
Staate während des Jahres 1884. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 231.
Sterblichkeit , Die — im Königreich
Sachsen während des Jahres 1885, Ver-
Öffentl. d. kais. Gesundheitamtes (Berlin)
X, S. 405.
Sterblichkeit88tati8tik von 54 Städten
der Provinz Westfalen, Rheinland und
Hessen-Nassau pro November 1885 bis
September 1886. Centralbl. f. allg. Ge¬
sundheitspflege (Bonn) V, S. 30, 82, 84,
155, 157, 235, 237, 290, 292, 369, 371,
443.
Sterblichkeitsvorgänge , Statistische
Nachweisung über — in einer Anzahl
grösserer Städte des Auslandes. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 3,
21, 35, 49, 67, 77, 91, 105, 123, 133,
147, 165, 183, 201, 215, 229, 243, 261,
275, 293, 307, 325, 343, 357, 371, 385,
403, 417, 431, 441, 455, 465, 479, 489,
in. Hygiene
1. Allgemeines.
Aubert) L., Aetiologie und Prophylaxe der
Scrofulose in der ersten Kindheit. Rev.
men. d. mal. de Penf. (Paris) IV, S. 341.
Bad&loni, G., und G. Bauson, Hygiene
und physische Erziehung der zweiten Kind¬
heit (6 bis 12 Jahre). Riv. ital. di terap.
ed. ig. (Piacenza) VI, S. 73, 105.
Du Claus , Kinderspielzeug. (Referat.)
Centralbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V,
S. 50.
Dunaelt und Lüthke« Die Zahnpflege im
Kindesalter. (Referat.) Centralbl. f. allg.
Gsndpflg. (Bonn) V, S. 320.
deutschen und ausländischen
503, 517, 535, 549, 563, 577, 595, 609,
627, 641, 659, 673, 687, 701, 715, 733,
751, 777.
Sterbliohkeits vorgänge ; Statistische
Nachweisung über — in deutschen Städ¬
ten von 40 000 und mehr Einwohnern.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 2, 20, 34, 48, 66, 76, 90, 104,
122, 132, 146, 164, 182, 200, 214, 228,
242, 260, 274, 292, 306, 324, 342, 356,
370, 384, 402, 416, 430, 440, 454, 464,
478, 488, 502, 516, 534, 548, 562, 576,
594, 608, 626, 640, 658, 672, 686, 700,
714, 732, 750, 776.
TJebersicht über die Todesfälle und die
Sterblichkeit im Grossherzogthum Hessen
nebst Bemerkungeu über die Verbreitung
der epidemischen Krankheiteu im Jahre
1881. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 167.
Anhang: Leichenschau.
Ewald; C. A., Die obligatorische Leichen¬
schau. (Referat.) Centralbl. f. allg. Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 47.
Hesse; W., lieber obligatorische Leichen¬
schau. Corr.-Bl. d/ ärztl. Kreis- u. Bez.-
Vereine in Sachsen (Leipzig) II, S. 5.
LeichenschaugesetS; Obligatorisches—.
D. Gemeinde - Ztg. (Berlin) XXV, S. 158.
Leichenschau; Ueber —. Verhandlun¬
gen des Reichstages, den 14. December
1885. Med. - Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 11.
Leichenschau; Die — in Bayern. Ge¬
sundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 190.
Ortsstatut aus Gera vom 2. Juli 1886,
betr. die Einführung der Leichenschau in
der Stadt Gera. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 569.
Wasserfuhr; Hermann, Die allgemeine
Leichenschau vor dem Reichstage. D. Med.-
Ztg. (Berlin) 1886, S. 113; s. auch S. 195.
des Kindes.
EisenschitZ; J., Ueber epidemische Cholera
im Kindesalter. Wien. med. Bl. IX,
S. 1503, 1540, 1573.
Guaita; R., Zur Hygiene der Kinder.
(Referat.) Giorn. d. soc. ital. d’ig. (Mai¬
land) VIH, S. 874.
Meneghelli; Mario, Ueber die Hygiene
der kleinen Kinder. (Referat.) Giorn. d.
soc. ital. d’ig. (Mailand) VU1, S. 874.
Pini, G., Zusammenstellung neuerer Arbei¬
ten über die Hygiene der Kinder. Giorn.
d. soc. ital. d’ig. (Mailand) VUI, S. 849.
RecupitO; Ippolito, Ueber die physische,
moralische und intellectuelle Erziehung
der Kinder. (Referat.) Giorn. d. soc. ital.
d’ig. (Mailand) Vffl, S. 875.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 653
Zeller, 0., Allgemeine Zeitschrift für Heb¬
ammen, Wochen- and Kinderpflege. (Refe¬
rat.) Arch. f. Kinderheilk. (Stuttgart) VII,
S. 400.
2. Kindersterblichkeit.
Berti, G., Ueber die Sterblichkeit der mit
Muttermilch genährten Kinder im ersten
Lebensjahre in der Provinz von Bologna.
Archiv f. Kinderheilkunde (Stuttgart) Vin,
S. 40.
Colombe, Ueber die Kindersterblichkeit in
Lisieux. Normandie m6d. (Rouen) I,
S. 145.
Comby, Ueber die Sterblichkeit der Kin¬
der im frühesten Lebensalter. (Referat.)
Vjhrschr. f. Kinderheilk. (Leipzig) XXIV,
S. 313.
Coni, Emilio, Ursachen der Morbidität und
Mortalität der ersten Kindheit in Buenos-
Ayres. (Referat.) Giorn. d. soc. ital.
d’ig. (Mailand) VIII, S. 876. — Mouv.
hyg. (Brüssel) II, S. 477.
V. Pircks, A., Zur Statistik der Kindersterb¬
lichkeit in Preussen. (Referat.) Centralbl.
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 297.
v. Firoks, A. y Die Sterblichkeit der ehelichen
und der unehelichen Kinder bis zur Voll¬
endung des ersten Lebensjahres für die
Jahre 1875 bis 1882 in Rheinland, West¬
falen und Hessen - Nassau. (Referat.)
Centralbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V,
S. 294.
Geissler, Arthur, Ueber Kindersterblich¬
keit und eheliche Fruchtbarkeit im säch¬
sischen Bergmannsstande. (Referat) Cen¬
tralbl. f. roed. Wiss. (Berlin) XXIV,
S. 318.
Geissler, Arthur, Ueber die Sterblichkeit
der Neugeborenen im ersten Lebensmonat.
Ztschr. d. königl. sächs. stat Bur. (Dres¬
den) XXXI, S. 144. — (Referat.) D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 1109.
H&nkel, Die Kindersterblichkeit der Stadt
Glauchau im Jahre 1884. (Referat.) D.
Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 1121.
HeUsteniua, John, Die Kindersterblich¬
keit in den Länen Vesternorrland und
Jemtland von 1860 bis 1882. (Referat.)
Jahrb. f. Kinderheilk. (Leipzig) XXV,
S. 145.
Helm, Georg, Die Kindersterblichkeit im
sächsischen Bergmannsstande. (Referat.)
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 520.
Kempe, Pehr, Ueber die Ursachen der
grossen Kindersterblichkeit im Län Vester-
norrland in Schweden. (Referat.) Jahrb.
f. Kinderheilk. (Leipzig) XXV, S. 145.
BÖrenaen, Th., Einige Bemerkungen über
die Kindersterblichkeit in Dänemark. (Refe¬
rat.) Jahrb. f. Kinderheilk. (Leipzig) XXV,
S. 146.
Sterblichkeit der Kinder, Die —
während des ersten Lebenswahres im Gross¬
herzogthum Mecklenburg - Schwerin. Mo-
natsbl. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
IX, S. 188.
Sterblichkeit der Kinder, Die —
während der ersten Lebensjahre im Gross-
hersogthume Mecklenburg-Schwerin. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 676.
Vergleichung der Kindersterblichkeit im
Grossherzogthume Mecklenburg - Schwerin
mit der in Preussen. Ztschr. d. königl.
preuss. stat. Bur. (Berlin) XXVI, S. LX.
3. Kinderernährung und Milch-
versorgung.
Aohenne. Grundsätze der Kinderernährung.
(Referat.) Jahrb. f. Kinderheilk. (Leipzig)
XXV, S. 142.
Allen, A. H., und W. Chattaway, Ueber
die Adams’sche Methode der Bestim¬
mung des Fettes in der Milch. Analyst
(London) XI, S. 71.
Ammenbureau, Ein — in Kopenhagen.
Jahrb. f. Kinderheilk. (Leipzig) XXV,
S. 147.
Ashby, H., Ueber Kinderernährung. Med.
Chron. (Manchester) IV, S. 112.
Avancini, Settimo, Ueber Lohnammen und
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Gesundheitsamtes (Berliu) X, S. 554.
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heitspflege zu Freiburg i. Br. D. Vjhrschr.
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S. 43.
Audry, Ueber eine Epidemie von Panaritien
durch Anstecken in einer Schule. (Refe-
ferat.) Rev. san. de Bordeaux III, S. 172.
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durch die Schulen. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 96.
BystrofF, Das Kopfweh bei den Schulkin¬
dern. (Referat.) Rev. san. de Bordeaux
III, S. 172.
Erlass grossberzogl. badischen Ministeriums
des Innern vom 2. August 1884, betr.
Maassregelu gegen ansteckende Krankhei¬
ten in den Schulen. D. Vjhrschr. f. ölf.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 158.
Erlass des Staatssecretärs von Eisass-
Lothringen vom 29. August 1884, betr.
Verhalten der Schulbehörden bei dem Auf¬
treten ansteckender Krankheiten in den
Schulen. D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) XVJII, S. 159.
Erlass grossberzogl. sächsischen Staatsmini¬
steriums vom 30. October 1885, betr. die
Ausschliessung an Epilepsie und Veits¬
tanz leidender Kinder vom Besuche der
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und KinderbewahranstaIten, sowie in Kin¬
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amtes (Berlin) X, S. 139.
Verordnung des herzogl. sächsischen
Staatsministen ums zu Gotha rom 28. Januar
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Schulen. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
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(„Schulpaläste“) und ihr Einfluss auf die
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Steffan, Ph., Die Myopie am Frankfurter
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öff. Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII,
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d’ig. (Mailand) VIII, S. 561.
J&ooby, C., Ueber die Beschaffenheit der Luft
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König8tein , L., Ueber hygienische Kin¬
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Ii&yet, A., Ueber Luftverderbnisg in den
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san. d. Bordeaux 111, S. 10, 22.
Iiinooln, D. F., Die sanitären Verhältnisse
und Erfordernisse von Schulhäusern und
Schulleben. San. News (Chicago) VIII,
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Bietschel, Hermann, Lüftung und Hei¬
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d. soc. ital. d’ig. (Mailand) VIII, S. 556.
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S. 554.
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Deutsche Medicinal-Zeitung (Berlin) 1886,
S. 1149.
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kränklicher Schulkinder zu Nürnberg im
Sommer 1885. Mittheil. &. d. Ver. f. öff.
Gsndpflg. zu Nürnberg IX, S. 133.
Bericht des Comit£s für Ferienkolonien
über die im Jahre 1885 von Magdeburg
ausgeführten Ferienkolonien. Verhandl. u.
Mitth. d. Ver. f. öff. Gsndpflg. in Magde¬
burg XIV, S. 90.
Holbech, J., Ueber den Ferienaufenthalt
auf dem Lande für arme Kinder aus
grossen Städten. Compt. rend. du Cong.
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Korn , Alexander, Ueber Ferienkolonien.
Vjhrschr. f. ger. Med. (Berlin) XLIV,
S. 176.
BrCUSS, A., Ferienkolonien in Stuttgart im
Jahre 1885. Med.-stat. Jahresber. v.
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Comit6s für Ferienkolonien kränklicher
armer Schulkinder zu Braunschweig 1885.
Monatsbl. f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig)
IX, S. 1.
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die Ferienkolonien kränklicher armer Schul¬
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riums vom 25. Juni 1885, betr. die Ver¬
breitung einer Uehertragung von Infec-
tionskrankheiten in Lazarethen. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 233.
Brl&SiS des königl. preuss. Ministeriums
des Innern und der Medicinalangelegen-
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Verhütung des Verbreitens ansteckender
Krankheiten, vom 15. Oct. 1882. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 494. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin,) 1880,
S. 00.
Verordnung der fürstl. schaumbarg-
lippeschen Landesregierung vom 17. Dec.
1885, betr. Maassregeln gegen die Weiter¬
verbreitung ansteckender Krankheiten.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 158. — Med. - Gesetzgeb. (Berlin)
1880, S. 10. — Rcichs-Med.-Kal. f. 1887
(Berlin), S. 21.
Verordnung des kaiserl. Kriegsministe¬
riums vom 17. Febr. 1880, betr. Uebungen
der Sanitätsofficiere in den hygienischen
und bacteriologischen Untersuch anpsmetho-
den. Reichs-Med.-Kal. f. 1887 (Berlin),
S. 43.
Verordnung der Sanitätsbehörde des Hafens
von London vom 30. April 1885, betr.
an gefährlichen ansteckenden Krankheiten
leidende Personen an Bord von Schiffen.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 303.
Verordnung, Polizeiliche — für die Stadt
Gotha vom 1. Aug. 1885, betr. die Be¬
förderung von Personen, welche mit an¬
steckenden Krankheiteu behaftet sind, mit¬
telst Fuhrwerks, insbesondere nach dem
städtischen Krankenhause. VeröflT. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 129.
Woiffberg, Zur Lehre von den Infectiotis-
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Ziegler, Ueber die Vererbung erworbener
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Entstehung vererbbarer Krankheiten und
Missbildungen. Verb. d. Congr. f. inn.
Med. (Wiesbaden) V, S. 112. — (Referat.)
D. med. Wchschr. (Berlin) XII, S. 642.
V. Ziem8Sen , Handbuch der speciellen
Pathologie und Therapie. II. Bd. Acute
Infectionskrankheiten. (Referat.) D. med.
Wochenschr. (Berlin) XII, S. 740, 757,
776.
Zymoti8ohe Krankheiten in frei¬
stehenden Häusern. Gesundheit (Frank¬
furt a. M.) XI, S. 209.
Anhang!
Anzeigepflicht bei ansteckenden
Krankheiten.
AnzeigepfÜeht bei ansteckenden Krank¬
heiten. Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI,
S. 360.
Bekanntmachung des Reg.-Präsidiums
zu Marienwerder vom 7. Januar 1886,
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662 Repertorium der i. J. 1886 in
betr. Epideraieanzeige. Med. - Gesetzgeb.
(Berlin) 1886, S. 32, 46.
Circular des königl. preuss. Ministeriums
des Innern vom 9. Nor. 1885, betr. die
Anzeigepflicht bei Todesfällen. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 38. —
Archiv f. Verwaltungsrecht (Berlin) XII,
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109, 136, 172, 188, 248, 284, 299, 316,
836, 352, 386, 403, 424, 439, 459, 476,
494, 512, 542, 600, 615, 651, 667, 687,
708, 727, 747, 767, 787, 807, 827, 887,
907, 926.
Cholera in Argentinien. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 702,
752.
Cholera in Batavia* Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 660.
Cholera in Budapest , Die —. Wien,
med. Wchschr. XXXVI, S. 1354, 1385,
1485, 1522.
Cholera in Bulgarien« Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 731, 749.
Cholera in China. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 344, 644.
Cholera in Croatien und Ungarn.
Centrnlbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V,
S. 380, 444.
Cholera im Deutschen Reiche. Ver-
öffentl. des kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 685, 699, 731.
Cholera in Finthen und Gonsen¬
heim bei Mainz. Centralbl. f. allg. Ge¬
sundheitspflege (Bonn) V, S. 444.
Cholera in Frankreich. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 5, 22,
33, 51, 65, 78, 89, 107, 121, 145, 213,
230, 246, 276, 294.
Cholera in Gibraltar, Die —. Münch¬
ner medicinische Wochenschrift XXX1I1,
S. 27.
Cholera in Japan. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 5, 36, 276,
326, 418, 504, 520, 778.
Cholera in Indien. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 778.
Cholera in Italien. Veröff. d. kaiserl.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 5, 19,
52, 92, 121 , 131, 145, 166, 185, 227,
245, 259, 273, 291, 309, 323, 341, 355,
869, 387, 401, 415, 429, 443, 453, 463,
477, 480, 490, 501, 519, 533, 547, 561,
580, 596, 610, 630, 644, 660, 676, 688,
702, 717. — Centralbl. f. allg. Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 31, 85, 239, 380, 444.
Cholera in Korea. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 536, 644,
702.
Cholera in Oesterreich. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 22,
33, 78, 372, 404, 418, 432, 443, 453,
466, 480, 490, 504, 520, 536, 550, 561,
579, 593, 607, 625, 643, 657, 671, 685,
699, 717, 731, 749, 775.
Cholera in Serbien. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 731, 778.
Cholera in Siam. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 36, 404,
480.
Cholera auf der Insel Siamo. Ver-
Öffentl. d. kais. Gesuudheitsamtes (Berlin)
X, S. 246.
Cholera in Spanien. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 19, 78,
89, 107, 150, 505, 644.
Cholera in Wladiwostock. Veröff. d.
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des Milzbrandes unter deu Rindern im
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Peterlein, Infectiöse croupöse Pneumonie
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S. 407.
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698 Repertorium der i. J. 1886 in
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1886, betr. die Maul- und Klauenseuche.
Veröff d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 208.
Verordnung, Herzogi. sächsische — vom
3. Juli 1886, betr. die Maassregeln gegen
die Maul- und Klauenseuche in Meinin¬
gen. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 481.
Verordnung, Polizeiliche — vom 19. Fe¬
bruar 1886, betr. Cadaverbeseitigung bei
Viehseuchen im Regierungsbezirk Minden.
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 60.
Verordnung, Ausfübrungs-zum bri¬
tischen Viehseuchengesetze vom 16. Sep¬
tember 1886. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 694, 706, 721,
738, 753.
Verordnung des königl. preuss. Regie¬
rungspräsidiums zu Oppeln vom 3. No¬
vember 1886, betr. Schutzmaassregeln
gegen die Rinderpest. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 662.
Verordnung, Britische — vom 25. Jaouar
1886 gegen die Schweineseuche. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 112.
Verordnung des königl. preuss. Regie¬
rungspräsidiums zu Oppeln vom 28. August
1886, betr. Schutzmaassregeln gegen die
Geflügelcholera. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 553.
Viehseuchen in Belgien während des
Jahres 1884. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 125.
Viehseuchen, Die Verbreitung der — in
Oesterreich, d. h. den im Reichsrathe ver¬
tretenen Königreichen und Ländern, wäh¬
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Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
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S. 237.
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des englischen Kriegsministeriums an die
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de Champeaux, Aus dem Berichte über
den Feldzug in Kerguelen’s Land. Arch.
de m6d. nav. (Paris) XLV, S. 81.
Diemer, Die Selbsthülfe bei Verwundung
im Kriege. (Referat.) Centralbl. f. Chir.
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Erkraifkungs - und Sterblichkeits-
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der Zeit von 1880 bis 1884. Veröff. d.
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Evatt, G. H. J., Die sanitären Einrich¬
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Frölich, H., Gesundheitsregeln für Unter-
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1886. Rev. med. de la Suisse Rom. (Genf)
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genannte eiserne Bestand für Truppen im
Felde herstellen? (Referat.) Centralbl. f.
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Gesundheitsdienst in der französischen
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XXXVII, S. 161.
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milit.-ärztl. Ztschr. (Berlin) XV, S. 397.
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der Wärmeökonomie des Infanteristen auf
dem Marsche und zur Behandlung des
Hitzschlages. D. milit.-ärztl. Ztschr. (Ber¬
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Sanit&tsberioht, Statistischer — über
die königl. bayer. Armee für die Zeit vom
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S. 852, 1024.
Güterbook, Paul, Beiträge zur öffentlichen
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Maopherson, W. G., Vorschläge für die
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Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 520.
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Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 5.
Pocken in England. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 466.
Pocken in Genua. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 372, 536.
Pocken in Jamaika. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 689.
Pocken in Japan. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 276.
Pocken in Marseille. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 199, 480.
Pocken in Messina. Veröff. d. kais. Ga»
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 134, 202, 372
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702 Repertorium der i. J. J886 in
Pocken in Pest. VeröflF. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 596, 644, 717.
Pocken in San Salvador. Veröff. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 213.
Pocken in Wien. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 108, 327.
Pocken in Wien, Die — im Jahre
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Pocken in Württemberg. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 108,
Pockenepidemieen in Italien 1885
bis 1886. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
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Pookenepidemie in Wien, Die —
1885. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 108, 327. — (Referat.)
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kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 588.
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vom 31. October 1885, betr. die statisti¬
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Todesfälle an Pocken. Veröff. d. kais.
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Verfügung des königl. preuss. Medicinal-
ministeriums vom 28. Mai 1886, betr. die
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d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
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Pocken. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
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betr. Erstattung eines Begleitsberichts zu
den Iropfübersichten der öffentlichen Impf¬
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(Berlin) X, S. 482. — Med. - Gesetzgeb.
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kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
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— vom 19. März 1886, betr. die Schutz¬
pockenimpfung mit Thierlymphe. Veröff.
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vom 12. März 1885, betr. Anwendung
animaler, aus dem Centralimpflnstitut in
Bernburg bezogener Lymphe zur Aus¬
führung der öffentlichen Impfungen und
Wiederimpfungen. D. Vjhrschr. f. Öffentl.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 162.
Erlass königl. preussischer Regierung zu
Königsberg vom 21. März 1885, betr.
Impfwesen im Regierungsbezirk Königsberg.
D. Vjhrschr. d. öff. Gesundpflg. (Braun-
schweig) XVIII, S. 160.
Erlass königl. preuss. Kriegsministeriums
vom 2. October 1885, betr. die Verwen¬
dung animaler Lymphe für die Militär-
revaccinationen. D. Vjhrschr. f. öffentl.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 309. —
Veröff*. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 24. — Med. - Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 15.
Erl&88 des königl. preuss. Ministeriums der
geistlichen etc. Angelegenheiten vom 19.
Jan. 1886, betr. die Unterweisung der
Studirenden der Medicin in der Impftechnik
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 433.
Erlass des königl. württemb. Ministeriums
vom 26. Febr. 1886, betr. Oeffentliche
Impfung im Jahre 1886. Med.-Gesetzgeb.
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Erlass grossherzogl. badischen Ministeriums
des Innern vom 3. März 1886, betr. Er¬
richtung einer Anstalt für Gewinnung
animaler Lymphe. D. Vjhrschr. f. öffentl.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 521.—
Veröff*. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 297.
Erlass königl. preussischen Ministeriums
des Innern und des Ministeriums der geist¬
lichen etc. Angelegenheiten vom 6. April
1886, betr. Ausübung des Impfgeschäftes.
D. Vjhrschr. f. öff*. Gsndpflg. (Braunschweig)
XVIII, S. 512. — Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 296, 494. —
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der geistlichen etc. Angelegenheiten an
die königl. Universitätscuratoren vom 30.
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(Braunschweig) XVIII, S. 519. — Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 52.
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704 Repertorium der i. J. 1886 in deutschen und ausländischen
Erlass königl. preussisoben Ministeriums
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riums vom 8. Oct. 1885, betr. Verwen¬
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impfung. Reichs-Med.-Kal. f. 1887 (Berlin),
S. 34.
Verordnung des kaiserl. Kriegsministe¬
riums vom 20. Oct. 1885, betr. Versuche
mit animaler Lymphe (reine animale mit
Pissin und Retrovaccine aus dem Impf¬
institut in Bernburg) zur Feststellung
ihrer Verwerthbarkeit und Zweckmässig¬
keit für Militär-Revaccinsitionen. Reichs-
Med.-Kal. f. 1887 (Berlin), S. 30.
Verordnung des grossherzogl. badischen
Ministeriums des Innern vom 19. Nov.
1885, betr. die Ausführung des Impf¬
gesetzes. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 249.
Verordnung des grossherzogl. badischen
Ministeriums des Innern vom 5. Febr.
1886, betr. die Einführung der Thier¬
lymphe. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 156. — Med.-Gesetzgeb.
(Berlin) 1886, S, 46.
Verordnung lürstl. schwarzburgischen Mi¬
nisteriums vom 17. April 1886, betr. Vor¬
schriften über Ausführung des Impfgeschäfts
und über die Statistik der Pockenerkran¬
kungen und der in Folge derselben ein¬
tretenden Todesfälle. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 347.
Verordnung fürstl. schwarzburgischen Mi¬
nisteriums vom 29. April 1886, betr. Aus¬
führung des Reichsimpfgesetzes. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 62.
Verordnung, königl. sächsische — vom
10. Mai 1886, betr. weitere Vorschriften
zur Ausführung des Impfgesetzes. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 347. — Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
S. 61.
Verordnung für Sachsen-Altenburg vom
14. Mai 1886, betr. die weitere Ausfüh¬
rung des Reichs-Impfgesetzes vom 24. Mai
1874. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 424.
Verordnung, herzogl. anhaitische — vom
8. Juni 1886, betr. die Abänderung, be¬
ziehungsweise Ergänzung einiger Bestim¬
mungen der Ausführungsverordnung zum
Reichsimpfgesetze. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 587.
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humanisirten und zur alleinigen Verwen¬
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Derm. u. Syph. (Wien) XIII, S. 858.
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Arme impfen? D. med. Wchschr. (Berlin)
XII. S. 767.
Voigt, L., Unsere Vaccine; Vortrag. (Referat.)
Vjhrschr. f. Derm. u. Syph. (Wien) XIII,
S. 858.
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Referat.) Vjhrschr. f. Derm. u. Syph.
Wien) XIII, S. 858.
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Vaccinatiou nebst Betrachtungen über Vac¬
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Rec. (London) VII, S. 611.
Wesohe, Die animale Impfung im Herzog¬
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f. Kinderhk. (Stuttgart) VIII, S. 67.
Wesohe, Bericht über die Thätigkeit des
herzogl. anhaltischen Central - Impf - Insti¬
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geimpfter Kinder. Centralbl. f. allg. Ge-
sundheitspflg. (Bonn) V, S. 361.
Wolffberg, S., Untersuchungen zur Theorie
des Impfschutzes, sowie über die Regene¬
ration der Pockenanlage. Ergänzungshefte
zum Centralbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) 1,
S. 183. — (Referat.) D. Vjhrschr. f. öff.
Gesundheitspflege (Braunschweig) XVIII,
S. 274.
3. Gefahren der Impfung.
Cory, Zur Frage der Impfsyphilis. (Refe¬
rat.) Jahrb. f. Kinderhk. (Leipzig) XXIV,
S. 287.
Dauohez , Vaccination mit nachfolgender
Entzündung, choleraartiger Diarrhoe und
Tod. France med. (Paris) II, S. 1481.
Eiohstedt, Ueber die auf Rügen in Folge
der Pockenimpfung in diesem Sommer auf¬
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529, 541, 565. — Joura. d. conn. ra£d.
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Dupouy, Die freie Prostitution; die Curti-
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Eltzino, S. J., Die Prostitution auf dem
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(Petersburg) VII, S. 391, 409, 424.
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ärztlichen Thätigkeit bei der Berliner
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Gelabert y Caballeria, E., Ueber die
Prostitution und ihre Beziehungen zur
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ärztlichen Ueberwachung der Prostitution.
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Xlonquillo, C., Die Prostitution in Barcelona.
Gac. m6d. calal. (Barcelona) IX, S. 165,
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Ronquillo, C., Registrirung der Prosti-
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S. 679.
Schrank, Josef, Die Prostitution in Wien.
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Baseler Prostitutionsfrage. (Referat.) Schwei¬
zerisches ärztliches Corr.-Bl. (Basel) XVI,
S. 183.
Valentine, F. C., Prostitution. New York
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tralbl. f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 243.
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m£d. (Paris) XXIII, S. 842.
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lis in Russland. Wcatsch (Petersburg) VII,
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der Expedition KarPs VIII. nach Italien.
(Referat.) Ann. d’hyg. (Paris) XVI, S. 376.
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Syphilis. Med. Press and Circ. (London)
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Lemonnier, Syphilis von einem Säugling
auf eine 54jährige Frau und von dieser
auf ihren Mann übertragen. Ann. de
dem», et syph. (Paris) VII, S. 598.
de Luea , Ueber die Möglichkeit, Syphilis
vom Menschen auf Thiere zu übertragen.
(Referat.) Wien. med. Wchschr. XXXVI,
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Marcus, L. Hugo, Zur Ursache der Sy¬
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MijuliefF, Ein Fall von Syphilisinfection
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Neisser, Ueber die Ansteckungsfähigkeit
der chronischen Gonorrhoe. Wien. med.
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du Congr. Internat, d. sc. m6d. 1884
(Kopenhagen) 111, S. 108.
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philis acquiriren? Allg. Wien. med. Ztg.
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354.
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bei den Tambowschen Bauern. Wratsch
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Krankheiten in der Armee. Russ. med.
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Sellars, J., Allgemeine Bau- und Gesund¬
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Skaiweit, Ueber die Beziehungen zwischen
Bauordnung und öffentlicher Gesundheits¬
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in Magdeburg XIV, S. 61.
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über die relative Menge und die Bestim¬
mung des Ammoniaks im Boden. (Referat.)
Chetn. Centralbl. (Leipzig) XVII, S. 500,
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Bunte, H., Ueber den Geruch des Leucht¬
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Durchgang durch den Erdboden mit Be¬
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V. Fodor , J., Erstickung in Grundluft.
Pest, med.-chir. Presse (Budapest) XXII,
S. 276.
Frank , Ueber die Mikroorganismen des
Erdbodens und ihre Beziehung zu den
oxydirenden Processen im Boden. D. Med.-
Ztg. (Berlin) 1886, S. 1115, 1123; s. auch
S. 1132. — (Referat.) Tgbl. d. 59. Natur¬
forscher-Vers. (Berlin), S. 369. Chem.
Centralbl. (Leipzig) XVII, S. 837.
Gr und wasserstand und Bodentempera¬
turen in Berlin und München. Veröffent.
des kaiserl. Gesundh.-Arates (Berlin) X,
S. 36, 92, 166, 245, 344, 418, 432, 491,
660, 676, 688, 778.
Landolt; Ueber die chemischen Umsetzungen
im Boden unter dem Einflüsse kleiner Orga¬
nismen. (Referat.) Tgbl. d. 59. Natur¬
forscher-Vers. (Berlin), S. 289. Chem.
Centralbl. (Leipzig) XVII, S. 838. — D.
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Laurent; K., Ueber die Mikroben des
Bodens. (Referat.) Chem. Centralblatt
(Leipzig) XVII, S. 870.
LepsiuS; B., Ueber den Sauerstoffgehnlt
des Grundwassers. (Referat.) Ges.-Ing.
(München und Leipzig) IX, S. 98.
Nussbauni; Christian, Ueber die Forderung
zweckmässiger Strassenorientirung bei
Stadterweiterungen. Ges.-Ing. (München
und Leipzig) IX, S. 159.
Ortsstatut vom 24. Februar 1880, betr.
die Anlegung, Veränderung und Bebauung
von Strassen und Plätzen in der Stndt-
gemeinde Hanau. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 82.
Ortsstatut des Magistrats von München
vom 25. Juni 1886, über Strassenreinlich-
keit zu München. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 349.
van Overbeek de Meijer. Neuere
Untersuchungen, betr. die Rolle des Bodens
bei der Ausbreitung von Krankheiten.
Nederl. Tijdschr. v, Geneesk. (Amsterdam)
XXII, S. 3.
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Gac. med. (Mexiko) XXI, S. 45, 74.
Schlösing, Th., Bemerkungen zu der Ab¬
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Ueber die relative Menge und über die
Bestimmung des Ammoniaks im Boden.
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Soyka, J., Bacteriologische Untersuchungen
über den Einfluss des Bodens auf die
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f. med. Wiss. (Berlin) XXIV, S. 639. —
D. Med. - Ztg. '(Berlin) 1886, S. 758. —
Rev. d’hyg. (Paris) VIII, S. 884.
Soyka; J., Experimentelle» zur Theorie der
Grundwasserschwankungen. (Referat.) Cen¬
tralbl. f. allg Gsndpflg. (Bonn) V, S. 51.—
Ges.-Ing. (München und Leipzig), IX,
S. 194. — D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886,
S. 40. — Giorn. d. soc. ital. d’ig. (Mai¬
land) VIII, S. 431.
Soyka; J., Die Grundwassevschwankungen
von Berlin und München , nach ihren
klimatischen und epidemiologischen Be¬
ziehungen. Vortrag in der hygienischen
Section der Naturforscherversamralung zu
Berlin. (Referat.) Tgbl. d. 59. Natur-
forsch.-Vers. (Berlin), S. 230. — Berlin,
klin. Wchschr. XX11I, S. 734. — Münchner
med. Wchschr. XXXIII, S. 845. — Ges.-
Ing. (München und Leipzig) IX, S. 652.—
Prag. med. Wchschr. XI, S. 414. — Rev.
d’hyg. (Paris) VIII, S. 1061.
Spallan8ani; Pellegrino, Wasser und Bo¬
den der Reggio Emilia. Giorn. d. soc.
ital. d’ig. (Mailand) VIII, S. 517.
Statut; betr. die Strasscnreinigung in Stutt¬
gart. Ortsgesetze (Berlin) XVII, S. 9.
Statut der grossherzogl. Bürgermeisterei
Darmstadt vom 14. September 1886, betr.
die Reinigung der Strassen und öffent¬
lichen Plätze in der Haupt- und Residenz¬
stadt Darmstadt. Ortsgesetze (Berlin)
XVII, S. 567.
Strassenpolizeiordnung der Stadt
Frankenhausen vom 27. September 1884.
Ortsgesetxe (Berlin) XVII, S. 211.
Stübben; Becker; Lent; Ueber Städte¬
erweiterung, insbesondere in hygienischer
Beziehung. Referat auf der XII. Ver¬
sammlung des deutschen Vereins für öffent¬
liche Gesundheitspflege zu Freiburg i. B.
D. Vjhrschr. f. öffentl. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) XVIII, S. 10; s. auch S. 324. —
(Referat.) Giorn. d. soc. ital. d’jg. (Mai¬
land) VIII, S. 425.
Sudakoff; A., Ueber die Bewegung des
Leuchtgases im Boden in der Richtung
geheizter Wohnungen. Archiv für Hyg.
(München) V , S. 166. — (Referat.)
Schmidt’s Jahrb. (Leipzig) CCX1I, S, 190. —
Prag. med. Wchschr. XI, S. 475. — Rev.
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Uffelmann, J., Die Oxydation des Ammo¬
niaks im Wasser und im Boden. Arch.
f. Hyg. (München und Leipzig) IV, S. 82. —
(Referat.) Chem. Centralbl. (Leipzig) XVII,
S. 312.
Verordnung, Polizeiliche — der Stadt*
polizeivcrwaltung von Pr. Holland vom
20. Mai 1884, betr. den Zustand der
Strassen, die Reinhaltung und den Verkehr
auf denselben , sowie die aus sanitätspoli-
zeilichem Interesse erforderliche Reinhaltung
der Wohnhäuser, Ställe, Höfe und ge¬
werblichen Anlagen für den Polizeibezirk
Digitized by L^ooQle
710 Repertorium der i. J. 1886 in
Pr. Holland. Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 259.
Wollny , E., Untersuchungen über den
Einfluss der physikalischen Eigenschaften
des Bodens auf dessen Gehalt an freier
Kohlensäure. (Referat.) Chem. Centralbl.
(Leipzig) XVII, S. 730.
3. Wohnungen und Aufenthalts¬
räume.
Arbeiterhäufler , in Rouen und Dieppe.
Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 163.
Arbeiterheim , Ein neues —. Gesund¬
heit (Frankfurt a. M.) XI, S. 114.
Arbeiterwohnungen in Belgien, Enquete
über den gesundheitlichen Zustand der —.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 784.
Arbeiterwohnungen in England.
Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 340.
Armen Wohnungen , Die sanitäre Be¬
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S. 61. .
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in denen — betrieben werden sollen.
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Gast - und Schankwirthschaften,
Erlass der künigl. preuss. Regieruug zu
deutschen und ausländischen
Königsberg vom 22. Februar 1886, betr.
die an — nach Lage und Beschaffenheit ihrer
Betriebslocale zu stellenden polizeilichen
Anforderungen. Arch. f. Verwaltungen
(Berlin) XII, S. 105.
Gast - und Schankwirthschaften,
Cirkular des königl. preuss. Ministeriums
d. I. vom 26. August 1886, betr. die
Anforderungen, welche an — zu stellen
sind. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 679. — Arch. f. Ver-
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Poleck , lieber die sanitäre Bedeutung des
Hausschwammes. Jahresber. d. schles.
Ges. f. vaterl. Cultur (Breslau) LXIII,
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Hausschwamm. (Referat) Ges.-Ing. (Mün¬
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RahtS , Verunreinigung der Zwischen¬
decken der Wohnräume und ihr Einfluss
auf die Gesundheit der Bewohner. (Refe¬
rat.) D. med. Wchschr. (Berlin) XII, S. 947.
RahtS, Verunreinigung der Zwischendecken
der Wohnräume und ihr Einfluss und Be¬
kämpfung der Verunreinigungen. (Refe¬
rat.) Centralbl. f. med. Wiss. (Berlin)
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RahtS, Verunreinigung der Zwischendecken
der Wohnräume und ihr Einfluss auf die
Gesundheit der Bewohner. Mittel zur
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schweig) XVIII, S. 286. — D. Gemeinde-
Ztg. (Berlin) XXV, S. 122, 259.
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(Berliu) XV, S. 394, 455. — Berlin,
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vom Papst in Rom erbaute —. Centralbl.
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Thüring. ärztliches Corr.-Bl. (Weimar) XV,
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zur Nieden , Zelte und Nothbaracken,
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nach Art der Baurüstungen zusammen¬
gesetzt werden*. D. milit. • ärztl. Ztschr.
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Münchner med. Wchschr. XXXIII, S. 678.
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District8wa88ermessern , Erfahrungen
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Wasserversorgung von Barmen,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 425.
Wasserversorgung in Bayern, Zur —.
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 167,
321.
Wasserversorgung von Berlin, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 456.
Wasserversorgung von Bielefeld,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 851.
Wasserversorgung von Bochum, Zur
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 851.
Wasserversorgung von Breslau, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 938.
Wasserversorgung von Brünn, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 245.
Wasserversorgung von Bunzlau, Zur
—. J. f. G. u. W. (Müuchen) XXIX, S. 341.
Wasserversorgung von Chemnitz,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 341.
Wasserversorgung von Darmstadt,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 512.
Wasserversorgung von Dortmund,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 852.
Wasserversorgung von Dresden,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 154, 538.
Wasserversorgung von Düren, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 334.
Wasserversorgung von Duisburg,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 183*.
Wasserversorgung von Eisenach,
Zur J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 998.
Wasserversorgung von Emmerich,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 342, 430.
Wasserversorgung von Frankfurt
a. M., Zur —. Ges.-Ing. (München u.
Leipzig) IX, S. 98. — J. f. G. u. W.
(München) XXIX, S. 765.
Wasserversorgung von Freising,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 217.
Wasserversorgung von Fulda, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 126.
Wasserversorgung von Glatz, Zur —.
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 185,
479, 853.
Wasserversorgung von Görlitz, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 540.
Wasserversorgung von Halle, Zur —.
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 479.
Wasserversorgung von Hamburg
und Gerson* scher Filter. D. Bauztg.
(Berlin) XX, S. 600.
Wasserversorgung von Hamm, Zur
—. J. f. G. u. W. (Müuchen) XXIX,
S. 342, 480, 611.
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720 Repertorium der i. J. 188G in deutschen und ausländischen
Wasserversorgung von Hannover.
Ges. - Ing. (München und Leipzig) IX,
S. 436.
Wasserversorgung von Hildesheim,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 611.
Wasserversorgung von Karlsbad«
Zur —. Ges.-Ing. (München u. Leipzig)
IX, S. 325.
Wasserversorgung von Kiel, Zur —.
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 480,
879.
Wasserversorgung von Köln, Zur —.
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 672.
Wasserversorgung von Kösen, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 644.
Wasser Versorgung von Leipzig, Zur
—. J f. G. u. W. (München) XXIX, S. 481,
515, 706, 767.
Wasserversorgung von Liverpool.
Zur —. Ges.-Ing. (München u. Leipzig)
IX, S. 35.
Wasserversorgung von London, Zur
—. Ges.-Ing. (München und Leipzig) IX,
S. 231.
Wasserversorgung von Mastricht,
Zur —. J. f. G. u. \V. (München) XXIX,
S. 563.
Wasserversorgung von Magdeburg,
Zur —. J. f. G. u. W. (Müucheu) XXIX,
S. 430.
Wasserversorgung von Mainz, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 127.
Wasserversorgung von Meran, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 796.
Wasserversorgung von Merseburg,
Zur —. J. f. G. u W. (München) XXIX,
S. 644.
Wasserversorgung von Minden a. d.
W., Zur —. J. f. G. u. W. (München)
XXIX, S. 127, 854.
Wasserversorgung von Mühlhausen
i. Thür., Zur —. J. f. G. u. W. (Mün¬
chen) XXIX, S. 707.
Wasserversorgung von München,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 127, 458.
Wasserversorgung von Naumburg,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 481.
Wasserversorgung von Neapel, Zur
—. Ges.-Ing. (München und Leipzig) IX,
S. 625. — J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 356.
Wasserversorgung von Nürnberg,
Zut —. Ges.-Ing. (München und Leipzig)
IX, S. 303. — J. f. G. u. # W. (München)
XXIX, S. 942.
Wasserversorgung von Oschatz, Zur
—. J. r. G. u. W. (München) XXIX, S. 707.
Wasserversorgung von Paris, Zur —.
Ges. - Ing. (München und Leipzig) IX,
S. 230. — J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 615.
Wasserversorgung von Passau, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 380.
Wasserversorgung von Plauen, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 768.
Wasserversorgung von Pressburg,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 219, 943.
Wasserversorgung von Sagan, Zur
—. J/f. G. u. W. (München) XXIX, S. 615.
Wasserversorgung von Sohwien-
tochlowitz, Zur —. J. f. G. u. W.
(München) XXIX, S. 128.
Wasserversorgung von Soest, Zur —.
J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 881.
Wasserversorgung von Venedig« Zar
—. Ges.-Ing. (München und Leipzig) IX,
S. 137.
Wasserversorgung von Wandsbeck,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 540.
Wasserversorgung von Warschau,
Zur —. Ges.-Ing. (München und Leipzig)
IX, S. 589. — J. f. G. u. W. (München)
XXIX, S. 882.
Wasserversorgung von Weimar, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 615.
Wasserversorgung von Werdau, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 644.
Wasserversorgung von Wesel, Zur
—. J. f. G. u. W. (München) XXIX, S. 62,
380, 971.
Wasserversorgung von Wien. Zur—.
Ges.-Ing. (München u. Leipzig) IX, S. 99,
225, 587. — J. f. G. u. W. (München)
XXIX, S. 63, 220, 404, 432, 706, 884,
943, 972, 999.
Wasserversorgung von Würzburg,
Zur —. J. f. G. u. W. (München) XXIX,
S. 943.
Wasserversorgung von Zürich« Zur
—. Ges.-Ing. (München u. Leipzig) IX,
S. 587. — J. f. G. u. W. (München) XXIX,
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Wasserversorgung von Zürich, Die
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Nicholl’S Patent - Antiseptic - Closet - Keh¬
richtkasten und Eimer. Ges.-lng. (München
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Kreisamtes Friedberg vom 5. Juni 1885,
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Bad Nauheim. Ortsgesetze (Berlin) XVII,
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Southee, T. E., Ueber Flussverunreinigung.
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Verordnung, Polizeiliche — des Magi¬
strats der Stadt Emden vom 14. December
1885, betr. das Verbot der Verunreinigung
der öffentlichen Wasserläufe und die Be¬
nutzung der städtischen unterirdischen
Entwässerungsanlage zu Emden. Orls-
gesetze (Berlin) XVII, S. 165.
Verordnung des kgl. sächsischen Mini¬
steriums d. I. vom 19. December 1885,
betr. Verunreinigung von Flussläufen.
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lauer ärztl. Ztschr. VIII, S. 219. — Ges.-
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Versammlung zu Berlin. (Referat.) Tgebl.
d. 59. Naturforschervers. (Berlin), S. 434.—
Berlin, klin. Wchschr. XXIII, S. 735. —
D. Med.-Ztg. (Berlin) 1886, S. 887. —
Münchner med. Wchschr. XXXIII,
S. 866. — Rev. d’hyg. (Paris) VIII,
S. 1065.
Lewy de Möricourt, Schwefelräucherun-
gen. (Referat.) Vjhrschr. f. ger. Med.
(Berlin) XLIV, S. 432.
Lübbert , Die Desinfection durch Subli¬
maträucherungen. (Referat.) Centralbl. f.
Chir. (Leipzig) XIII, S. 395. — Centralbl.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 727 #
f. allgem. Gesundheitspflege. (Bonn) V,
S. 404. — Breslauer ärztl. Ztschr. VIII,
S. 22.
Martin; A. J., Die erste Öffentliche Des-
infectionsanstalt der Stadt Berlin. Rev.
d’hyg. (Paris) VU1, S. 1001; s. auch
S. 1053.
Merke , H., Die erste öffentliche Dcsinfec-
tionsanstalt der Stadt Berlin. Vjhrschr.
f. ger. Med. (Berlin) XLV, S. 137. —
(Referat.) Fortschr. d. Med. (Berlin) IV,
Big., S. 113. — Centralbl. f. allg Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 404. — Berlin, klin. Wchschr.
XXIII, S. 632. — D. Med. - Ztg. (Berlin)
1886, S. 779.
Merke; H., Bemerkungen über den für die
Stadt Düsseldorf bestimmten Desinfections-
app«rat. Vjhrschr. f. ger. Med. (Berlin)
XLIV, S. 145. — (Referat.) Centralbl. f.
med. Wiss. (Berlin) XXIV, S. 456. —
Centralbl. f. allgem. Gsndp6g. (Bonn) V,
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(Referat.) Schmidt’s Jahrb. (Leipzig) CC1X,
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vom 9. Juni 1885, betr. das Begraben,
Verbrennen oder die anderweitige Ver¬
nichtung der Cadaver von Vieh, welches
an ansteckenden Krankheiten gelitten hat,
sowie die Desinfection von Ställen, Vieh¬
wagen etc. und das Unschädlichmachen
von inficirtem Mist. Verüff. d. kais.
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Vinay, C., Ueber den praktischen Werth
der Desinfectionsapparate. Lyon. med.
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Temperaturerhöhungen. (Referat.) Cen¬
tralbl. f. med. Wiss. (Berlin) XXIV,
S. 104. — Berlin, klin. Wchsohr. XXIII,
S. 112. — Centralbl. f. allg. Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 404. — D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 321.—
Ann. d’hyg. (Paris) XV, S. 471. — Rev.
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in der hygienischen Section der Natur¬
forscherversammlung zu Berlin. (Referat.)
Tagebl. d. 59. Naturforschervers. (Berlin),
S. 433. — Berlin, klin. Wchschr. XXIII,
S. 735. — Münchner med. Wochenschr.
XXXI11, S. 866. — Rev. d’hyg. (Paris)
VIII, S. 1064.
Wollmar, Ueber bisher wenig beachtete
Gesichtspunkte bei Anwendung von Des-
infectionsmitteln. Vortrag in der hygie¬
nischen Section der Naturforscher Ver¬
sammlung zu Berlin. (Referat.) Tagebl.
d. 59. Naturforschervers. (Berlin), S. 325. —
Berlin, klin. Wchschr. XXIII, S. 735. —
Ges.-Ingenieur (München und Leipzig) IX,
S. 687. — Münchner med. Wochenschr.
XXX11I, S. 845. — Rev. d’hyg. (Paris)
VIII, S. 1063.
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Belval, Th., Die Seequarantäne. Mouv.
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haben Sanitätseordons ? Bol. de med.
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S. 89.
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the Board of Health of Pennsvlv. (Harris¬
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Quarantäne , Die — im Rothen Meere.
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XXXIII, S. 174.
Quarantäne-Anstalt, Die — bei Holte¬
nau an der Kieler Föhrde. Centraibl. d.
Bauverw. (Berlin) VI, S. 316.
Quarantänebestimmungen im Staate
Südcarolina vom Jahre 1882. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 543,
560.
Quarantänereglement, Egyptisches —
zur Verhinderung der Einschleppung von
Viehseuchen. Veröffentlichungen des kaiser¬
lichen Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 58,
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deutschen und ausländischen
Quarantänevorsohriiten für die nörd¬
liche Grenze der Vereinigten Staaten. Rep.
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Frioe, M. F., Ueber die Nothwendigkeit
der Quarantäne längs der südlichen Grenze
von Californien. Report of the Board
of Health of California (Sacramento) IX,
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die vierte Versammlung der Freien Ver¬
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8. August 1885. (Referat.) D. Vjhrschr.
f. öff. Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII,
S. 304. —Arch. f. Pharm. (Halle) XXIV,
S. 142. — Berlin, klin. Wchschr. XXIII,
S. 633. — D. med. Wchschr. (Berlin)
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und Nährgeldwerth der menschlichen Nah¬
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S. 94.
Lebensmittelpolizei in Zürich. Ge¬
sundheit (Frankfurt a. M.) XI, S. 200,
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Lehmann, K. B., Ueber die Wirkung des
L i e b i g ’ sehen Fleischextracts mit beson¬
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Giftigkeit. (Referat.) CentralbL f. allg.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 729
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Genussmitteln auf die Magenverdauung.
Referat.) Centralbl. t*. allg. Gesndpflg.
Bonn) V, S. 397.
Meyer, Fr., und G. Finkelnburg, Das
Gesetz, betr. den Verkehr mit Nahrungs¬
mitteln , Genussmitteln und Gebrauchs¬
gegenständen, vom 14. Mai 1879, sowie
die auf Grund dessen erlassenen Verord¬
nungen. Deutsche Vierteljahrsschrift für
öffentl. Gesundheitspflege (Braunschweig)
XVIII, S. 156. — (Referat.) Monatsbl. f.
öffentl. Gesundheitspflege (Braunschweig)
IX, S. 106.
Möller, Joseph, Mikroskopie der Nahrungs¬
und Genussmittel aus dem Pflanzenreiche.
Referat.) D. Vjhrschr. f. öff. Gsndpflg.
Braunschweig) XVIII, S. 305. — Arch.
f. Pharm. (Halle) XXIV, S. 46. — Berlin,
klin. Wchschr. XXIII, S. 617. — Wiener
med. Wchschr. XXXVI, S. 579. — D.
mil.-ärztl. Ztschr. (Berlin) XV, S. 151.—
Prag. med. Wchschr. XI, S. 155.
Mömer, C. T., Beiträge zur Kenntniss des
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(Referat.) Chem. Centralbl. (Leipzig)
XVII, S. 809. — D. Med. - Ztg. (Berlin)
1886, S. 1004.
Munk, J., und TTfFelxnann, Die Ernäh¬
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(Referat.) Münchner med. Wochenschrift
XXXIII, S. 955. — ZUchr. f. klin. Med.
(Berlin) XII, S. 185.
Poino&rö, L., Der Nährgehalt der Fleisch¬
pulver. Ann. d’hyg. (Paris) XV, S. 213.
Port, Ueber Fleischconservirung im Felde.
D. milit.-ärztliche Zeitschr. (Berlin) XV,
S. 228.
Regelung des Verkehrs mit Nahrungs¬
mitteln , Genussmitteln und Gebrauchs¬
gegenständen in der Schweiz. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 680,
692, 719, 736.
S<et , Ueber die Bedeutung der essbaren
Schwämme als Nahrungsmittel. Arch. f.
Hyg. (München) III, S. 443. — (Referat.)
Berliner klinische Wochenschrift XXJII,
S. 725. — Münchner med. Wochenschrift
XXXIII, S. 879.
Späth, Franz, Welche Temperaturen sind
beim Genüsse warmer Speisen und Getränke
zulässig und zuträglich und worin besteht
die Schädigung durch zu heisse Ingesta?
Arch. f. Hyg. (München und Leipzig) IV,
S. 68.
Strohmer, F., Ein Beitrag zur Kennt¬
niss der essbaren Schwämme. Archiv für
Hygiene (München) V, S. 322. — (Refe¬
rat.) Münchner med. Wchschr. XXX1I1,
S. 879.
de Vaucleroy, Neue Arten der Brotberei¬
tung. Mouv. hyg. (Brüssel) II, S. 81.
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Kreisamtes Mainz vom 15. Juni 1885,
betr. die Fabrikation künstlicher Mineral¬
wässer. D. Vjhrschr. f. öff. .Gsndpflg.
(Braunschweig) XVIII, S. 317. — Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 38.
Verordnung, Königl. schwedische — vom
24. October 1885, betr. den Verkauf von
Wein, Malzgetränken, gekochtem Kaffee
und anderen zubereiteten nicht spirituösen
Getränken. Veröff. d. kaiserl. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 567.
Verordnung des königl. preuss. Polizei¬
präsidiums zu Berlin vom 6. April 1886,
betreff, die Benutzung der Markthallen.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 217. — Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 191.
V. Voit, Die Verköstigung der Gefangenen
in dem Arbeitshause Rebdorf. Münchner
med. Wchschr. XXXIII, S. 8, 24, 43, 61.
— (Referat.) Rev. san. de Bordeaux III,
S. 79. — Centralbl. f. allgem. Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 255.
Wolff, M. P., Die Ernährung der arbeiten¬
den Classen. (Referat.) Giorn. d. soc.
ital. d’ig. (Mailand) VIII, S. 473.
2. Untersuchung von Nahrungs¬
mitteln.
Belval, Th,, Die Ueberw'achung der Nah¬
rungsmittel, Mouv. hyg. (Brüssel) II,
S. 381.
Bieruntersuohung , s. XI, 7: Geistige
Getränke.
Butteruntersuchung, s. XI, 2, Anhang:
Butter und Kunstbutter.
Elsner, F., Die Praxis des Nahrungsmittel¬
chemikers. (Referat.) D. Vjhrschr. f. öff.
Gsndpflg. (Braunschweig) XVIII, S. 157. —
Münchner med. Wchschr. XXXIil, S. 105.
— Monatsblatt f. öff. Gsndpflg. (Braun¬
schweig) IX, S. 112. — Gesundheit (Frank¬
furt a. M.) XI, 8. 25.
Emmerieh und Sendtner, Dritter und
vierter Jahresbericht der Untersuchungs¬
station des hygienischen Instituts der Uni¬
versität München. (Referat.) Centralbl. f.
allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 332.
FleisehunterBUChung, s. XI, 5: Fleisch¬
schau und Schlachthäuser.
Gseheidlen, Von der Thätigkeit des
Untersuchungsamtes der Stadt Breslau
von seiner Eröffnung bis zur Gegenwart.
Breslauer ärztliche Ztschr. VIII, S. 222,
237. — (Referat.) D. Med,-Ztg. (Berlin)
1886, S. 1109.
Hager, H., Zur Butterprüfung, (Referat.)
Chem. Centralbl. (Leipzig) XVII, S. 495.
Hartmann , Joseph, Untersuchungen über
die Ernährung des Menschen mit vegeta¬
bilischer, animalischer und gemischter
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730 Repertorium der i. J. 1886 in
Nahrung. (Referat.) Gesundheit (Frank¬
furt a. M.) XI, S. 42.
Hilger, Albert, Die Vereinbarungen betreffs
der Untersuchung und Beurtheilung von
Nahrungs- und Genussroitfeln, sowie Ge¬
brauchgegenständen. (Referat.) D. Viertel-
jahrsschr. f. öffentliche Gesundheitspflege
(Braunschweig) XVIII, S. 302. — Berlin,
klin. Wochenschr. XXIII, S. 632. — Zeit¬
schrift f. analytische Chemie (Wiesbaden)
XXV, S. 254.
Hilger , Die Unt» rsuchungsanstalten für
Nahrungs- und Genussmittel, sowie Ge¬
brauchsgegenstände , deren Organisation
und Wirkungskreis. (Referat.) Deutsche
Med. -Zeituug (Berlin) 1886, S. 841. —
Deutsche med. Wochenschr. (Berlin) XII,
S. 684. — Breslaues ärztliche Zeitschrift
VIII, S. 217. — Ges.-Ingenieur (München
und Leipzig) IX, S. 641. — Deutsche mi¬
litär-ärztliche Zeitschrift (Berlin) XV,
S. 499. — Münchner med. Wochenschr.
XXXIII, S. 677.
Hilger, Die Thätigkeit der königl. bayeri¬
schen Untersuchungsanstalt für Nahrungs-
und Genussmittel zu Erlangen im Jahre
1885. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 226.
Repiquet, Die Untersuchung des Fleisches.
Echo de la Soc. et Ass. vet. de France
(Lyon) VIII, S. 633.
Röttger, Hermann, Kritische Studien über
die chemischen Untersuchungsmethoden
der Pfefferfrucht zum Zwecke der Beur¬
theilung der Reinheit. Archiv für Hyg.
(München und Leipzig) IV, S. 183.
Sohimper , A. F. W., Anleitung zur mi¬
kroskopischen Untersuchung der Nahrungs¬
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Pharm. (Halle) XXIV, S. 814.
Schwarz , Die Resultate der Visitationen
animalischer Lebensmittel , insbesondere
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Nürnberg im Jahre 1885. Mittheilg. a.
d. Ver. f. öff. Gßndpflg. zu Nürnberg IX,
S. 103.
Stutzer, A., Analyse und Nährwerth einiger
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ten und England. (Referat.) Ann. d’hyg.
(Paris) XVI, S. 276.
Untersuohungsamtes , Thätigkeit des
chemischen — der Stadt Breslau in der
Zeit vom 1. April 1884 bis 31. März 1885.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 382.
Vereinbarungen betreffs der Unter¬
suchung und Beurtheilung von Nahrungs-
uud Genussmitteln, sowie Gebrauchsgegen¬
ständen. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 12, 30, 45, 60, 73, 86,
101, 115, 130.
Wanters, Die Ueberwachung der Nah¬
rungsmittel in Brüssel. (Referat.) Mouv.
hyg. (Brüssel) II, S. 23.
Weinuntersuohimg, s. XI, 7: Geistige
Getränke.
deutschen und ausländischen
Anhang: Butter und Kunstbutter.
Barhain, Georg, Butter und Butterine.
(Referat.) Gesundheit (Frankfurt a. M.)
XI, S. 237, 238.
Bekanntmachung desVerwaltungscomit£s
der königl. schwedischen Landwirthschafta-
akademie vom 13. October 1885, betr. die
Untersuchung von Margarin. Veröff. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 250.
Circular des königl. belgischen Ministe¬
riums vom 29. Mai 1885, betr. den Ver¬
kehr mit Kunstbutter. Veröff. d. kaiserl.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 353.
Gesetz, Norwegisches — vom 22. Juni
1886, betr. den Handel mit künstlicher
Butter. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 667.
Gesetzentwurf des Deutschen Bundes-
rathes vom 16. December 1886, betr. den
Verkehr mit Kunstbutter. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 784.
Gesetzentwurf, Britischer —, betr. den
Verkehr mit Kunstbutter. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 352.
Gesetzentwurf, Französischer —, betr.
die Unterdrückung des Betrugs beim But¬
terverkauf. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 352.
Gesetzgebung, Amerikanische — über
Kunstbutter. Veröff. des kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 55, 97, 141.
Horsley, Zur Unterscheidung von Butterin
und echter Butter. (Referat.) Gesundheit
(Frankfurt a. M.) XI, S. 108.
Kontrolle, Amtliche — der Butter in
Schweden. Bekanntmachung des Verwal-
tung?comit£s der Königlich Schwedischen
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(Leipzig) XVII, S. 632.
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Müller, A., Vorarbeiten zur Analyse von
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(Halle) XXIV, S. 728.
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butter und der zu ihrem Ersatz in Anwen¬
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1886, S. 567.
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lung, sanitäre Beurtheilung und die Mittel
zu ihrer Unterscheidung von Milchbutter.
Arbeiten aus dem kais. Gesundheitsamte
(Berlin) I, S. 481. — (Referat.) D. Med.-
Ztg. (Berlin) 1886, S. 566.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 731
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deckung anderer Fette in der Butter.
Publ. Health Minnesota (Red Wing) 11,
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Verordnung, Sachsen - altenburgische —
vom 22. April 1886, betr. den Verkauf
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amtes (Berlin) X, S. 362.
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mitteln.
Bartley, E. H., Neuere Nahrungsmittel¬
verfälschungen und ihre Beziehungen zu
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S. 57.
Belval, Th., Kann der Zusatz von Kupfer¬
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Bierverfälsohung, s. XI, 7: Geistige Ge¬
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Butterverfälsohung, s. XI, 2, Anhang:
Butter und Kunstbutter.
Caseneuve, P., Die Untersuchung der
metallischen gelben Färbestotfe der Weine.
Lyon. med. LH, S. 144.
Dämmer, Otto, lllustrirtes Lexicon der
Verfälschungen und Verunreinigungen der
Nahrungs- und Genussmittel, der Colonial-
waaren und Manufacte, der Droguen, Che¬
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uud landwirtschaftlichen Producte, Doeu-
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Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
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Erlass königl. sächsischen Ministeriums
des Innern vom 9. Juni 1885, betr. Grund¬
züge für die medicinalpolizeiliche Beur¬
teilung gewerblicher Anlagen von Schlach¬
tereien und Ziegeleien. D. Vjhrschr. f.
öff. Gesundhpflg. (Braunschweig) XVIII,
S. 165.
Erlass des königlich preuss. Ministeriums
der geistlichen etc. Angelegenheiten vom
27. Juni 1885, betr. die Gesundheits¬
schädlichkeit des Fleisches von perlsüch¬
tigem Rindvieh. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 235.
Erlass des Überpräsidiums der Provinz
Brandenburg vom 2. Februar 1886, betr.
Untersuchung des Schweinefleisches auf
Trichinen. Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
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Schlachthauses zu Neustadt O.-S. Orts¬
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die Benutzung des öffentlichen Schlacht¬
hauses zu Frankfurt *a. M. Ortsgesetze
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Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg
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kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 281.
Reglement des Magistrats von Neustadt
O.-S. vom 13. Mai 1886, betr. die Unter¬
suchung des Schweinefleisches auf Trichi¬
nen im städtischen Schlachthause zu
Neustadt O.-S. Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 476.
deutschen und ausländischen
Regulativ vom 21. August 1885, für die
Untersuchung des in den städtischen
Schlachthof zu Frankfurt a. M. gelangen¬
den Schlachtviehes. Veröff. d. kais. Ge¬
sundheitsamtes (Berlin) X, S. 219.
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9. November 1885, für die Untersuchung
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Schmidt-Mühlheim, Wie wird in den
öffentlichen Schlachthäusern mit dem
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Fleischkunde I, S. 25. — (Referat.) Fortschr.
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Verfügung kgl. preuss. Reg. zu Königs¬
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d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 486.
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ministeriums zu Meiningen vom 3. Mai
1886, betr. die Vieh- und Kleischschau.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 586.
Verordnung des fürstl. schwarzburgischen
Ministeriums vom 6. Mai 1885, betr. das
Verbot des Aufblasens des Fleisches ge¬
schlachteter Thiere. Veröff. des kaiserl.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 137.
Verordnung des fürstl. schwarzburgischeu
Ministeriums, vom 31. Juli 1885, betr.
das Auf blasen des Fleisches geschlachteter
Thiere. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 393.
Verordnung des fürstl. schwarzburgischen
Ministeriums vom 8. October 1885, betr.
die Abänderung der Verordnung vom
19. December 1879 über die mikroskopi¬
sche Untersuchung des Schweinefleisches.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 394. — Med. - Gesetzgeb. (Berlin)
1886, S. 14.
Verordnung des königl. Polizeipräsidiums
zu Magdeburg vom 18. October 1885,
betreff, den Verkauf von Fleisch noth-
geschlachteter etc. Thiere. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 336.
Verordnung y Polizeiliche — des Polizei¬
präsidiums zu Frankfurt a. M. vom 24. Octo¬
ber 1885, betr. die Benutzung der Schlacht¬
hofanlage zu Frankfurt a. M. Veröff. d.
kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 223.
Verordnung; Polizeiliche — des Polizei¬
präsidiums zu Frankfurt a. M. vom 9. No¬
vember 1885, betr. die Zulassung minder-
werthigen Fleisches vou geschlachtetem
Vieh zur sogenannten Freibank. Veröff.
d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 224.
Verordnung; Königl. englische zeitwei¬
lige— vom 18. November 1885, betr. das
obligatorische Schlachten der am Schweine¬
fieber erkrankten Thiere. Veröff. d. kais.
Gesundheitsamtes (Berlin) X, S. 9.
Verordnung; Polizeiliche — des Regie¬
rungspräsidiums zu Oppeln vom 28. No¬
vember 1885, betr. den Fleischhandel.
Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 23.
Verordnung; Polizeiliche — vom 10. Fe¬
bruar 1886, betreff. Untersuchung des
Schweinefleisches auf Trichinen im Regie¬
rungsbezirke Wiesbaden. Med.-Gesetzgeb.
(Berlin) 1886, S. 57.
Verordnung; Polizeiliche — des königl.
preuss. Oberpräsidenten der Provinz Bran¬
denburg vom 17. März 1886, betr. die
Untersuchung des Schweinefleisches auf
Trichinen. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 279. — Med.-Gesetz¬
geb. (Berlin) 1886, S. 64.
Verordnung, Herzogl. anhaitische —
vom 25. Juni 1886, betr. die Abäuderung
der Verordnung vom 18. October 1880
über die Untersuchung des Schweine¬
fleisches auf Finnen. Veröffentlichungen
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 588.
Verordnung; Polizeiliche — der königl.
preuss. Regierung zu Schleswig vom 8.
Juli 1886, betr. das Auf blasen des Flei¬
sches. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 554.
Verordnung der Polizeiverwaltung zu
Neustadt O.-S. vom 19. Juli 1886, betr.
die Benutzung des öffentlichen Schlacht¬
hauses zu Neustadt 0. - S. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 470.
Verordnung der Polizei Verwaltung zu
Neustadt O.-S. vom 19. Juli 1886, für
den Stadtbezirk Neustadt O.-S., betr. die
Einbringung, den Verkauf und Verbrauch
von Fleisch , welches von auswärts ge¬
schlachtetem Vieh herrührt. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 474.
Verordnung; Polizeiliche — vom 27.
Juli 1886, betr. Fleischschau im Reg.-Bez.
Bromberg. Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886,
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Link; Beiträge zur bacterioskopischen Was¬
seruntersuchung. Arch. f. Pharm. (Halle)
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von Natron-Aluminat, um unreines Wasser
weich und rein zu machen, um Abwässer
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Deutsche Medicinal.-Zeitung (Berlin) 1886,
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Bergeron, Zur Frage der Verschneidung
der Weine mit Alkohol. (Referat.) D.
Medicinal - Zeitung (Berlin) 1886, S. 740,
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Med.-Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 9.
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der Schweiz. Veröff. d. kais. Gesundheits¬
amtes (Berlin) X, S. 539.
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vom Genuss von Getränken, die mit ge¬
wissen Steinkohlenfarben gefärbt sind.
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der Biere im Allgemeinen und eine neue
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rakteristik durch Reinculturen erzeugter
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Brouardel, P., Discussion über die Alko-
holisation der Weine. Ann. d’hyg. (Paris)
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738 Repertorium der i. J. 1886 in
Gesetzentwurf, Italienischer — vom
27. April 1885, betr. Maassregeln zur
Bekämpfung der Weinverfälschung. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 236.
Gesetzentwurf, Ungarischer — vom
9. Febr. 1886, betr. das Verbot der fa-
bricirten oder Kunstweine. Veröffentl. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 339.
Gesetzentwürfe, Britische —, betr. die
Sicherung der Reinheit des Bieres. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 462.
Groinigg, J., Analyse des sogenannten
schwedischen Bieres. Ztschr. f. analyt.
Chemie (Wiesbaden) XXV, S. 22.
Gypsen der Weine in Frankreich. Das—.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 705. *
Herz, Joseph, Analysen guter Biere. (Re¬
ferat.) Chem. Centralbl. (Leipzig) XVII,
S. 605.
Instruction, Provisorische — des Statt¬
halters von Mähren vom 12. Nov. 1885,
betr. die sanitätspolizeiliche Untersuchung
der gebrannten geistigen Getränke und
ihrer Erzeugungs- und Verkaufsstätten.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 499, 512, 526.
Kaiser, R., Behufs Nachweis eines Süss¬
holzzusatzes im Biere. (Referat.) Ztschr.
f. analytische Chemie (Wiesbaden) XXV,
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Kunstwein in Ungarn, Die gesetzliche •
Regelung des Verkehrs mit —. Veröff.
d. kaiserl. Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 538.
List, E., Südliche Weine und Medicinal-
weine. Arch. f. Hyg. (München u. Leip¬
zig) V, S. 306.
Möller, K., Ueber die Verhütung des
schädlichen Einflusses deT Verunreinigun¬
gen des Branntweins auf die menschliche
Gesundheit. Centralbl. f. allg. Gsndpflg.
(Bonn) V, S. 55.
P&steuriBiren, Das — des Exportbiers
und die Behandlung der Korke. Chem.
Centralbl. (Leipzig) XVII, S. 634.
Pouchet, G., Fälschungen von Champagner¬
weinen. Rec. d. Trav. du Comit6 consult.
d’hygi&ne publique de France (Paris) XV,
S. 412.
Richard, Das Gypsen der Weine. Rec.
d. Trav. du Comitö cons. d*hyg. publ. de
France (Paris) XV, S. 363. — Rev. san.
de Bordeaux III, S. 129.
Riehe, Ueber die Alkoholisation der Weine.
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Riehe, Der Weinzoll und die Alkoholisa¬
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der Salicylsäure in Bier und Wein. Arch.
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S. 127. — (Referat.) Ztschr. f. analyt.
Chemie (Wiesbaden) XXV, S. 591.
Simanowsky, N. P., Ueber die Gesund¬
heit« Schädlichkeit hefetrüber Biere und
über den Ablauf der künstlichen Ver¬
dauung bei Bierzusatz. Arch. f. Hyg.
(München und Leipzig) IV, S. 1. — (Re¬
ferat.) Schmidt’s Jahrb. (Leipzig) CCX,
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XVII, S. 315. — Prag. med.Wchschr. XI,
S. 179. — Rev. san. de Bordeaux III, S. 77.
Statut vom 25. Sept. 1883, betr. die Be¬
schaffenheit und die Reinigung der Druck¬
apparate für den Bierausschank in der
Stadtgemeinde Oldenburg. Ortsgesetze
(Berlin) XVII, S. 43.
Stutzer, A. , Ueber die Beschaffenheit ge¬
wöhnlicher Trinkbranntweine. (Referat.)
D. med. Wchschr. (Berlin) XII, S. 779.
Stutzer, A., Die Beschaffenheit der im
Kleinvericehr verkauften gewöhnlichen
Trinkbranntweine. (Referat.) Centralbl. f.
allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 301.
Uffelmann , Ueber den Nachweis des
Fuselöls in Spirituosen. Arch. f. Hyg.
(München und Leipzig) IV, S. 229.
V&Uin, E., Die Frage des Weinzolls. Rev.
d’hyg. (Paris) VIII, S. 633, 985.
Verordnung des Polizeiamtes der Stadt
Lübeck vom 11. September 1884, betr.
die Benutzung von Kohlensäure-Bierdruck¬
apparaten. D. Vjhr8chr. f. öff. Gsndpflg.
(Braunschweig) XVIII, S. 164.
Verordnung vom 12. Sept. 1885, betr.
die Errichtung eines Laboratoriums für
die Untersuchung von Getränken in Uru¬
guay. Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes
(Berlin) X, S. 225.
Verordnung, Polizeiliche — des Regie¬
rungspräsidiums zu Oppeln vom 4. Dec.
1885, betr. Bierdruckapparate. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 23.
Verordnung der königl. preussischen Po-
lizeidirection zu Charlottenburg vom 22.
Jan. 1886, betr. Einrichtung und Be¬
nutzung von Bierdruckvorrichtungen. Ver¬
öffentl. d. kais. Gesundheitsamtes (Bertiti)
X, S. 218. — Ortsgesetze (Berlin) XVII,
S. 187.
Vitali, D., Die Bestimmung der freien
Weinsteinsäure im Wein. Boll. farm.
(Rom) XXV, S. 257.
Wein, Ueber —. Verhandlungen des
Reichstags, den 14. Dec. 1885. Med.-
Gesetzgeb. (Berlin) 1886, S. 11.
Wein in Ungarn, Regelung des Ver¬
kehrs mit —. Veröff. d. kais. Gesund¬
heitsamtes (Berlin) X, S. 748.
Weinf&lschung, Die Frage der — in
den gesetzgebenden Körperschaften Bayerns.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 448.
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Zeitschriften erschienenen Aufsätze über öff. Gesundheitspflege. 739
Anhang: Alkoholismus.
Baer, Ueber die Sterblichkeit der Alkoho-
listen. Vortrag in der hygienischen Sec*
tion der Naturforscherversammlnng zu Ber-
lin. (Referat.) Tgbl. d. 59. Naturforsch.-
Vers. (Berlin), S. 435. — Berlin, klin.
Wochenschr. XXIII, S. 735. — D. Med.-
Ztg. (Berlin) 1886, S. 887. — Münchner
med. Wchschr. XXXIII, S. 867. — Rev.
d’hyg. (Paris) VIII, S. 1066.
Betheiligung der Aerzte an dem
Kampfe gegen die Trunksucht. Aerztl.
Vereinsbl. (Leipzig) XIII, S. 50.
Cauderlier , Bericht der Belgischen Ge¬
sellschaft gegen den Alkoholmissbrauch.
(Referat.) Mouv. hyg. (Brüssel) II, S. 349.
de la Chevallerie, A., Ueber die Steue¬
rung der Trunksucht. D. Gemeinde - Ztg.
(Berlin) XXV, S. 5.
Commission zum Studium des Alkoholis¬
mus vom hygienischen Standpunkte, Er¬
nennung einer —. Bull, de PAcad. de
m6d. (Paris) XV, S. 417.
DesvoisillS; Alkoholmissbrauch und Säug¬
lingsernährung. (Referat.) Rev. san. de
Bordeaux 111, S. 64.
Heinrich , C., Erblichkeit der Trunk¬
sucht. Gesundheit (Frankfurt *. M.) XI,
S. 250.
Heymann | E., Auf welche Weise kann
man am besten dem Missbrauch von Al¬
kohol Vorbeugen ? Compt. rend. du Congr.
intern, d. sc. m£d. 1884 (Kopenhagen)
IV, S. 62.
Jahresbericht des Englischen Mässig-
keitsvereins für das Jahr 1886. (Referat.)
Mouv. hyg. (Brüssel) 11, S. 73; s. auch
S. 177.
Jewell , J. G., Alkohol und sein Einfluss
auf die Familie; Trinkerasyle, ihre abso¬
lute Kothwendigkeit und ihre Leitung
durch den Staat. Rep. of the Board of
Health of California (Sacramento) IX,
S. 137.
I*ayet, A., Die Mässigkeitsvereine. Rev.
san. de Bordeaux III, S. 54, 62.
Maddew, Alkoholismus bei kleinen Kin¬
dern. (Referat.) Gesundheit (Frankfurt
a. M.) XI, S. 174.
Mann , E. C., Trunkenheit als Krankheit
betrachtet. Philadelphia med. Times XVI,
S. 525.
Möller; Zur Alkoholfrage. Mouv. hyg.
(Brüssel) II, S. 365.
Möller; Der ärztliche Mässigkeits verein
und England. Mouv. hyg. (Brüssel) II,
S. 177.
Möller; Die Belgische Gesellschaft gegen
den Alkoholismus. Mouv. hyg. (Brüssel)
II, S. 24.
Pelman, Wissenschaftliche Beiträge zum
Kampf gegen den Alkoholismus. Centralbl.
f. allg. Gsndpflg. (Bonn) V, S. 105.
Reich; Eduard, Alkoholismus und Alko¬
hol. Gesundheit (Frankfurt a. M.) XI,
S. 356.
Roohard; J., Der Alkohol und seine Rolle
in der modernen Gesellschaft. Rev. des
deux monde» (Paris) LXXIV, S. 871.
Roohard; J., Bericht über den Alkoholis¬
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und dem Grossherzogthum Baden vom
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gerichteten Reiseverkehrs auf dem badi¬
schen Bahnhof zu Basel bei drohenden
oder ausgebrochenen Seuchen. Veröff. d.
kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin) X,
S. 497.
Verordnung der kgl. sächs. Ministerien
d. 1. und der Finanzen vom 13. Septem¬
ber 1886, betr. die Desinfection der zu
Viehtransporten auf Eisenbahnen benutzten
Wagen, Geräthschaften, Rampen u. dergl.
Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes (Berlin)
X, S. 782.
Wagner, W., Ueber Turnvereins-Hallen
und einige Ausführungen dieser Art am
Mittelrhein. D. Bauzeitg. (Berlin) XX,
S. 603.
Druckfehler.
Seite 98, Zeile 4 von unten, lies: 45 Mark statt 4*50 Mark. Der Satz lautet
somit: ^Hier bringe der Boden, der vor der Berieselung ein Pachterträgniss
von 0'75 Mark per Morgen ergeben habe, nunmehr 45 Mark jährlich“.
Seite 99, Zeile 2 von unten, lies: — 115 statt -f- 11*5.
Seite 99, Zeile 1 von unteu, lies: -f- 7 statt — 7.
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