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Full text of "Deutsche Volksschauspiele, in Steiermark gesammelt; mit Anmerkungen und Erläuterungen nebst einem Anhange das Leiden Christi-Spiel aus dem Gurkthale in Kärnten"

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Deutsche 


Volkssehauspiele. 


In    Steiermark    gesammelt. 
Mit  Anmerkungen  und  Erläuterungen 

nebst  einem  Anhange: 

das  Leiden  Christi-Spiel  aus  dem  Gurkthale  in  Kärnten 

herausgegeben 

von 

Dr.  Anton  Schlossar, 

Custos  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  in  Graz. 


Erster  Band. 

9 


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^7 


Halle. 

Max    Niemeyer. 

1891. 


VORREDE. 

Seit  Jahren  damit  beschäftigt,  durch  Sammlung, 
Sichtung  und  Untersuchung  erhaltene  Reste  und  htera- 
rische  Denkmale  auf  dem  Gebiete  des  deutschen  Volks- 
thums  der  österreichischen  Alpenländer  und  insbesondere 
auf  dem  Felde  volksthümlicher  Poesie  vor  dem  Unter- 
gange, welcher  dieselben  immer  mehr  bedroht,  zu  retten, 
habe  ich  dem  Lande  Steiermark  in  dieser  Richtung 
ganz  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet  und  an 
verschiedenen  Stellen  die  Erfolge  meiner  Thätigkeit  ver- 
öffendicht.  Als  eine  wichtige  Aufgabe  erschien  es,  den 
im  Lande  früher  noch  häufig,  heutzutage  aber  seltener 
vorkommenden  und  zur  Aufführung  gelangten  drama- 
tischen Erzeugnissen  der  Volkspoesie  nachzuspüren  und 
das  Gefundene  in  einer  Sammlung  zu  vereinigen.  Es 
sind  nun  etwa  zehn  Jahre  her,  dass  ich  diesen  Gedanken 
gefasst,  seitdem  ununterbrochen  verfolgt  und  mich  mit 
der  Nachforschung  in  allen  Theilen  des  Landes  be- 
schäftigt habe.  Dieselbe  hatte  ihre  bedeutenden  Schwierig- 
keiten ,  denn  es  galt,  die  alten  Theaterhandschriften, 
welche  sich  oft  in  Bauernhänden  befanden  und  daher 
nicht  leicht  zugänglich  waren ,  aufzufinden  oder  nach 
dem  Volksmunde  selbst  Einzelnes  niederzuschreiben. 
Doch  gelang  es  mir,  von  vielen  Seiten  in  höchst 
dankenswerther  Weise  unterstützt,  eine  solche  Zahl  von 
kleineren  und  grösseren  Stücken  zusammenzubringen, 
dass  ich  sogar  eine  Auswahl  treffen  und  das  weniger 
Bedeutende   ganz   ausscheiden  konnte.      Zu   Letzterem 


IV 

rechneich:  einige  Weihnachtsspiele,  da  ohnehin  zwei  hier 
einverleibt  sind ,  mehrere  trocken  und  schablonenhaft 
abgefasste ,  langathmige  Spiele,  welche  Gestalten  aus 
der  Heiligenlegende  behandeln,  und  verschiedene  kleine 
Scherzspiele,  welche  zur  Gattung  der  sogenannten  Nach- 
spiele gehören  und  von  denen  ich  nur  zwei,  eben  um 
diese  Gattung  in  zwei  Richtungen  zu  charakterisiren, 
aufgenommen  habe. 

Dagegen  schien  es  mir  wichtig,  ein  »Paradeisspiel« 
und  das  »Schäferspiel«  der  Sammlung  einzuverleiben, 
obwohl  schon  der  so  hochverdiente  Karl  Weinhold  in 
seinen  »Weihnacht-Spielen  und  Liedern  aus  Süddeutsch- 
land und  Schlesien«  (Graz,  1853)  ähnliche  Spiele  ver- 
öffentlicht hat,  und  zwar  halte  ich  es  aus  dem  Grunde 
für  wichtig,  weil  die  Fassung  der  von  mir  mitgetheilten 
Stücke  von  derjenigen  der  Spiele  in  Weinholds  Buche 
abweicht.  Dasselbe  gilt  von  dem  »Geburt  Christi  Spiel«. 
Ein  kurzes  »Genovefaspiel«  hat  C.  Engel  im  IV.  Hefte 
der  von  ihm  herausgegebenen  »Deutschen  Puppen- 
komödien« (Oldenburg,  1876),  ein  Spiel  »Der  bayrische 
Hiesel«  haben  Richard  Kralik  und  Josef  Winter  in  den 
»Deutschen  Puppenspielen«  (Wien,  1885)  zum  Abdruck 
gebracht.  An  das  kurze  Puppenspiel  »Genovefa«  zeigt 
das  hier  mitgetheilte  umfangsreiche  »Genovefaspiel« 
einige  Anklänge ;  es  dürfte  seiner  Anlage  und  Durch- 
führung nach  hohes  Interesse  beanspruchen.  Mehr 
Aehnlichkeiten  mit  der  gleichnamigen  Puppenkomödie 
weist  der  ^>bayrische  Hiesel«  auf,  doch  finden  sich  auch 
in  diesem  Spiele  aus  Steiermark  beachtenswerthe  Scenen 
und  Stellen,  die  demselben  eigenthümlich  sind.  Besondere 
Freude  machte  mir  die  Auffindung  des  »Passionsspieles«  ; 
es  dürfte  das  einzige  sein ,  welches  in  diesem  Jahr- 
hunderte noch  in  Steiermark  zur  Darstellung  gelangte. 
Da  ein  günstiger  Umstand  mir  ein  Passionsspiel  aus 
Kärnten  zuführte,  das  schon  wegen  der  bis  heute  noch 
vorkommenden  Aufführung  in  jenem  Lande  Aufmerk- 
samkeit beansprucht,  so  stand  ich  nicht  an,  auch  dessen 
Text    und    zwar    im    Anhange    beizufügen ,    und    zwar 


V 

desshalb  im  Anhange ,  weil  ja  sämmtliche  übrigen 
Stücke,  was  ihre  Fundorte  betrifft,  steirischen  Her- 
kommens sind. 

In  der  Behandlung  des  Textabdruckes  habe  ich 
mich,  so  weit  dies  nur  immer  möglich  war,  an  die  vor- 
liegenden Theaterhandschriften  beziehungsweise  an  das 
gehörte  Wort  gehalten.  Wer  solche  Handschriften  kennt, 
die  ja  meistens  nur  eine  Abschrift  der  Abschrift  sind 
und  die  zahllose  Hände  durchlaufen  haben ,  weiss ,  in 
welchem!  Zustande  sich  deren  Aeusseres ,  deren  Schrift 
und  deren  Orthographie  befinden;  Worte  und  Namen 
sind  oft  entstellt,  Manches  ist  offenbar  ausgelassen, 
mancher  Satz  erscheint  ganz  unklar ,  eine  oder  die 
andere  Stelle  ist  gar  nicht  zu  entziffern,  Verse  erscheinen 
in  den  meisten  Fällen  überhaupt  nicht  oder  gar  falsch  ab- 
gesetzt. Ich  war  bemüht,  bei  noth wendigen  Aenderungen 
oder  Einfügungen  den  Charakter  jeder  einzelnen  Stelle  zu 
wahren;  zum  Vergleiche  wurden  in  den  Anmerkungen 
die  Worte  der  Handschrift,  wenn  sie  auch  oft  unsinnig 
erscheinen,  beigefügt. 

In  der  Aenderung  der  Theaterbemerkungen  gönnte 
ich  mir  etwas  mehr  Freiheit,  doch  ohne  auch  hier  die 
Eigenthümlichkeiten  des  Originales  ganz  zu  verwischen. 
Die  Personenverzeichnisse  fehlten  meistens  in  den  Hand- 
schriften und  wurden  von  mir  beigefügt  oder  geordnet. 

Eine  besondere  Beachtung  verdient  die  Anwendung 
der  Mundart ,  welche  theils  bewusst ,  theils  unbewusst 
in  allen  Spielen  zur  Geltung  kommt ,  unbewusst  aus 
dem  Grunde ,  weil  der  unbekannte  Verfasser  oder  der 
Abschreiber  oft  hochdeutsch  zu  schreiben  vermeinte, 
dabei  aber  unwillkürlich  Worte ,  Endungen  und  andere 
dialectische  Eigenthümlichkeiten  an  Stellen  anbrachte, 
wo  dies  gar  nicht  beabsichtigt  war.  Auch  hierbei  habe 
ich  mich  möglichst  an  das  Original  gehalten.  Der  Hans- 
wurst (Casperl)  spricht  fast  ausschliesslich  in  der  Mund- 
art ,  ausserdem  sprechen  in  derselben  Bauern  oder 
untergeordnete  Persönlichkeiten.  Nach  dem  vorhin  Be- 
merkten   wird    sich    jedoch  Niemand    wundern,    wenn 


INHALT. 
* 

Seite 

Das  Paradeisspiel i 

Das  Schäferspiel 37 

Das  Krippelspiel 7^ 

Die   Geburt  Christi "7 

Das  Leiden  Christi 169 

Das  St.  Nikolausspiel 235 

Genovefa 243 

Anmerkungen  und  Erläuterungen 3^9 


•^ 


DAS   PARADEISSPIEL. 


^ 


Volksschauspiele 


PERSONEN. 

Gott  Vater. 

Gott  Sohn. 

Erzengel  Gabriel. 

Ein  Engel, 

Adam. 

Eva. 

Die  Gerechtigkeit. 

Die  Barmherzigkeit. 

Luzifer. 

Belial. 

Die  Schlange. 

Die  Teufel. 


Gott   Vater ^    Gott  Sohn  und  der  Engel  treten  auf  und  singen: 

I. 
Wir  kommen  daher  mit  grosser  Freud 
Und  wünschen  euch  allen  eine  glückselige  Zeit. 
So  loben  wir  Gott  schon  im  höchsten  Thron. 

2. 

Wir  treten  in  das  Zimmer  herein 
5         Und  loben  Gott  den  Herren  fein. 
So  loben  etc. 

3- 

Wir  haben  uns  besonnen  mit  grossem  Fleiss 
Ein  Spiel  zu  halten  vom  Paradeis. 
So  loben  etc. 

4- 
lo         In  Gottes  Namen  so  fangen  wir  an, 
Der  Alles  weiss  und  Alles  kann. 
So  loben  etc. 

yetzt  tritt  der  E?zgel  hervor  und  spricht: 

Ich  tritt  herein  ganz  Abends  spat, 

Ein'  glückseligen  Abend  geb'  euch  Gott, 
15   Ein'  glücksehgen  Abend,  eine  fröhliche  Zeit, 

Gleich  wie  uns  Gott  hat  vorbereit. 

Wenn  wir  heut  die  Erlaubniss  han 

Vor  Herrn,  Frauen  und  Jungfrauen 

Ein  geistlich  Spiel  zu  fangen  an 
j2o  Gleich  wie  man  wohl  weiss, 

Dass  Adam    und  Eva    sein  geschlagen  worden  aus 

dem  Paradeis : 


Wollen  Sie  es  hören  in  guter  Ruh, 
So  haben  Sie  Geduld  und  hören  uns  zu. 
Der  Engel  tritt  ab. 

Der  Adam  tritt  auf  und  legt  sich  nieder. 
Die  Andern  singen  das  Lied  weitet: 

Da  Gott  in  seiner  Herrlichkeit  schwebt, 
25  Erschafft  er  Alles,  was  da  lebt. 

So  loben  etc. 

6. 

Gott  hat  erschaffen  in  sechs  Tagen  bereit 
Den  Himmel,  die  Erde  und  Alles  sogleich. 
So  loben  etc. 

7- 
30  Alle  Thiere  mit  sammt  dem  Gewächs, 

Darauf  erschuf  er  das  menschliche  Geschlecht. 
So  loben  etc. 

8. 

Er  erschafft  den  Adam  mit  grossem  Fleiss 
Und  setzt  ihn  in  das  Paradeis. 
35  So  loben  etc. 

Jetzt  spricht  der  Gott  Vater. 

Im  Anfang  schuf  Gott  alle  Ding, 

Die  Erde  und  den  Himmels  Ring, 

Damach  erschafft  er  das  grosse  Firmament 

Worauf  zwei  grosse  Lichter  stehn, 
40  Eins  leucht'  den  Tag,  das  andere  wohl  bei  der  Nacht^ 

Und  dies  hat  Gott  gar  wohl  betracht. 

Darnach  erschafft  er  zu  einer  Zier 

Allerlei  wild  und  zahmes  Thier, 

Die  dem  Menschen  das  Feld  bauen  hier. 
45   Wenn  er  dies  Alles  hat  erschaffen, 

So  will  er  auch  einen  Menschen  machen. 

Adam,  nimm  an  den  lebendigen  Athem, 

Den  du  von  Gott  empfangen  hast  nach  seinen  Thaten» 


Adam,  fang  an  von  dir  selbst  zu  leben 

50  Und  tritt  auf  deine  Füss  gar  eben. 
Du  mit  Vernunft  gar  wohl  betracht, 
Dass  dich  Gott  aus  der  Erden  hat  gemacht, 
Verwundere  dich  in  der  Erden  mit  Nichten, 
Sieh  an  die  Bäume  mit  ihren  Früchten, 

55  AVie  auch  das  grosse  Firmament  mit  dem  Gestrahl : 
Sag  nur  an  wie  es  dir  gefallt, 
Von  dir  möcht  ich's  wissen  alsobald. 

Der  Adam  spricht: 

O  Herr,  es  ist  auf  das  Allerbest, 

Was  du  erschaffen  nach  deiner  göttlichen  Majestät. 
60  Ich  sag  dir  Dank,  bin  gar  wohl  zufrieden  mit  dir, 

Denn  du  hast  mich  erschaffen  nach  deinem  Bildniss 

und  Gezier. 

Ja,  ich  bin  ein  Mensch,  erschaffen  von  der  Gottes- Hand, 

Wohl  mit  einem  vernünftigen  Verstand 

Durch  die  göttliche  Gnadengunst. 
65   Die  heisse  Sonn'   sie  brennet  mich. 

Ich  bin  aber  müd  und  schläferig. 

Drum  will  ich  mich  niederlegen 

Wohl  unter  diesen  Baum  daneben, 

Damit  ich  durch  ein  lieblichs  Lauschen 
70  Das  Wachen  kann  in  einen  süssen  Schlaf  vertauschen. 

Das  Lied  tuird  weiter  gesungen: 

9- 
Gott  Hess  wohl  fallen  einen  Schlaf 
Ueber  den  Adam,   das  geschah. 
So  loben  etc. 

IG. 

Der  Adam  schlaft  in  süsser  Ruh 
75  Und  Gott  der   Vater  schaut  ihm  zu. 

So  loben  etc. 

II. 

Gott  nimmt  ein  Ripp  aus  Adams  Leib, 
Daraus  erschafft  er  ihm  ein  Weib. 
So  loben  etc. 


Jetzt  spricht  Gott    Vater: 

80  Mich  gedünkt  es  nicht  gut  zu  sein, 

Dass  der  Mensch  hier  sei  allein, 

Drum  will  ich  schauen  zu  der  Sach, 

Dass  ich  ihm  eine  Gehülfin  mach. 

Ein  Ripp  nimm  ich  aus  Adams  Leib, 
85   Daraus  bilde  ich  ihm  ein  Weib, 

Adam !  vom  Schlaf  erwach  und  bald  aufstehe, 

Sieh,  hier  hast  du  deines  Gleichen  zur  Ehe, 

Mit  dieser  sollst  du  leben 

Mit  dieser  regieren  und  Gott  allein  die  Ehre  geben. 

Der  Adam  spricht: 

90  Herr,  es  ist  auf  das  Allerbest, 

Ich  will  dein  Gebot  auch  halten   also  fest. 
Ich  sag  dir  Dank  und  bin  gar  wohl  zufrieden. 
Denn  du  hast  mir  gegeben 
Ein  Ebenbild,  dazu  auch  das  Leben. 

Das  Lied  ivird  weiter  gesungen. 
12. 

95  Da  Gottes  Wort  jetzt  hat  gemacht 

Den  Himmel,  die  Erde,  Tag  und  Nacht. 
So  loben  etc. 


Nach  seinem  Bildniss  wandelt  frei, 
Erschaffen  auch  dem  Adam  ein  Weib. 
100  So  loben  etc. 

14- 
Er  setzt  sie  wohl  ins  Paradeis, 
Erlaubt  ihnen  zu  essen  von  aller  Speis. 
So  loben  etc. 

15- 
Nur  ein  Baum  war  ausgenommen, 
T05  Der   ihnen   nicht  soll  zu  Schaden  kommen. 

So  loben  etc. 


7 

Gott    Vater  übergieht  dem  Adam  die   Welt  und  spricht: 

Adam  sieli  und  betracht,  dies  Alles  giebt  dir 

Gott,  er  übergiebt  dir  allhier 

Alle  Thier,  die  auf  der  Erden  leben, 
HO  Alle  Vögel,  die  in  den  Lüften  schweben, 

Wie  auch  die  Fisch  im  Wasserstrom, 

Dies  Alles  sollst  du  regieren  zusamm'. 

Da  hast  du  zu  leben  ohne  Sorg  und  Müh, 

Sollst  auch  keinen  Mangel  haben  nie, 
115  Und  wann  du  werdest  ausgelebt  haben, 

So  werden  dich  die  Engel  in  Himmel  tragen. 

Dies  Alles    aber    wird    geschehen ,    wenn    du  wirst 

folgen  mir 

Und  halten  was  ich  gebiete  dir. 

Im  Paradeis,  da  steht  ein  Baum, 
120  Von  der  Erkenntniss  ist  sein  Nam. 

Von  diesem  erlaube  ich  dir  zu  essen  mit  Nichten, 

Sonst  kannst  du  schon  essen  von  allen  Gattungen 

Früchten. 

So  du  dich  aber  würdest  vermessen 

Von  dieser  verbotenen  Frucht  zu  essen, 
125   So  würdest  du  des  Todes  sterben 

Und  hernach  gar  verderben. 

Adam  und  Eva,  gedenkt  nur  allezeit, 

Dass  ich  euer  Gott  und  Erschaffer  sei. 

Der  euch  das  Leben  hat  gegeben 
130  Und  auch  wiederum  kann  nehmen. 

Adam  spricht  zu  Eva: 

Eva,  Eva,  sieh  wie  schön,  herrlich  und  weiss 
Ist  es  zu  wohnen  hier  im  Paradeis. 
Alle  Vögel  in  Lüften  so  schön  singen, 
Alle  Blumen  auf  dem  Felde  gut  riechen, 
135  Und  alle  Thiere  auf  Erden  so  schön  herumspringen 

und  kriechen. 
Wie  auch  dermassen  schön 
Die  Bäume  mit  ihren  Früchten  stehn. 
Dies  ist  die  schönste  Augenweid, 
Daran  sich  mein  Herz  erfreut. 


8 

I40  Nur  ein  einziges  Gebot 

Hat  uns  gegeben  der  liebe  Gott. 

Von  allen  Früchten  wir  essen  können, 

Aber  vom  Baum  der  Erkenntniss  dürfen  wir  nicht 

essen, 

Und  so  wir  uns  aber  werden  vermessen 
145  Von  dieser  verbotenen  Frucht  zu  essen, 

So  sollen  wir  des  Todes  sterben 

Und  hernach  gar  verderben. 

Hierbei  erkennen  wir  unsern  Gott, 

Der  uns  das  Leben  hat  gegeben 
150  Und  auch  wiederum  kann  nehmen. 

Die  Eva  spricht: 

Wohlan,  weil  es  uns  hat  gegeben  der  liebe  Gott, 
So  wollen  wir  halten  sein  Gebot. 

Folgt  wieder  das  Lied: 

16. 

Der  Baum  soll  wissen  was  bös  und  gut, 
Gott  sprach,  das  nehmt  euch  wohl  zu  Muth. 
155  So  loben  etc. 

17- 

Sobald  der  Teufel  das  inne  ward, 
Da  kam  er  heimlich  geschlichen  dar. 
So  loben  etc. 

18. 

Der  Teufel  setzt  sich   auf  seinen  Thron, 
160         Den  Fall  Adams  zu  stellen  an. 
So  loben  etc. 

Adat/i  und  Eva  treten  ab. 


Ltizifer,  Belial  ttnd  die  Schlange  treten  atif. 

Luzifer  spricJit: 

Ach    wir    unglückselige  Geister,   was  haben  wir 

gethan ,    dass    wir  auf  eine  so  liederliche  Weis  in 

ein  so  grosses  Elend  sind  Verstössen  worden.    Wir 

165   waren  Fürsten  des  Himmels,  jetzt  sein  wir  Sclaven 

der  Höllen. 

Wir  haben   genossen  eine   kurze  Zeit   die  himm- 
lische Freud, 
Jetzt  haben  wir  das  ewige  Leid: 

Wir   haben    mit  unserer  Hoffart  über  Gott  wollen 
170  aufsteigen  und  sein  gestürzt  worden: 

Wir  haben  Gott  wollen  seine  Ehre  nehmen  und 

sie  uns  geben, 
Jetzt  werden  alle  Kreaturen  über  uns  schweben, 

Ja  sie  werden  uns  unsere  Schand  von  Herzen  ver- 
gunnen,  sie  werden  noch  dazu  spotten  und  lachen. 

Die  ScJila?ige  spricht: 

175  O  grosser  Jammer  und  ewige  Räch,  so  Gott  über 
uns  ausgeübt  hat.  In  alle  Ewigkeit  haben  wir 
keine  Erlösung  zu  hoffen  ;  der  mindeste  und  kleinste 
Trost  ist  uns  versagt. 

Belial. 

Was  nutzt  uns    so    viel  Kümmern    und  Klagen, 

180  wir  können  unsere  Feinen  nicht  mehr  vermindern, 

sondern    vielmehr  verbittern  und  vergrössern ,   wir 

müssen    doch    auf  ewig   als    unglückselige   Geister 

in  der  Höll  verbleiben. 

Litzifer. 

Ja  freilich  können  wir  uns  nicht  mehr  helfen, 
185  aber  unter  allen  Feinen,  die  mir  am  schwersten 
fallen ,  ist  diese ,  weil  ich  weiss ,  dass  Gott  zwei 
neue  Kreaturen  erschaffen  hat,  die  unsern  Fall 
sollten  ersetzen  und  mit  einer  so  schönen  Krön, 
welche   wir  auf  eine  so  liederliche  Weis  verscherzt 


IC 

190  haben,  sollen  sie  gekrönt  werden.  Eben  dieses 
erweckt  in  mir  allen  Zorn ,  Hass,  Neid  und  allen 
bösen  Grimm. 

Bdial. 

Eben  dieses  ist  mir  auch  meine  grösste  Pein. 

Die  Schlafige. 

Gnädigster  Herr  Eürst,  ich  weiss  ein  guten  Rath, 
195   Wir  wissen,  dass  Gott  zwei  Personen  erschaffen  hat. 

Er  hat  sie  gesetzt  in  das  Paradeis, 
Dort  hat  er  ihnen  erlaubt  von  aller  Speis. 
Nur  einen  Baum  hat  ihnen  Gott  verboten, 
Von  welchem  sie  nichts  essen  noch  anrühren  sollten, 
200        Wann  sie  sich  aber  werden  vermessen 
Von  dieser  verbotenen  Frucht  zu  essen. 
So  spricht  Gott 
Sollen  sie  sterben  den  zeitlichen  und  ewigen  Tod. 

Wann  wir    aber  diese  Menschen  werden  anreizen, 
205   dass  sie  davon  essen, 

So  sein  sie  schon  in  unserer  Gewalt  und  wir  sein 

die  Fürsten  der  Erden, 
Und  das  ganze  Menschengeschlecht  muss  zu  uns 
in  die  Höll  Verstössen  werden. 

Ltizifer. 

Ja,  Satan,  ich  heisse  gut  deinen  Rath, 
Geh  nur  hin  und  stell  das  Beste  an, 

210  Stell  dich  in  einer  Schlangenweis 

Und  verführ  mir  Adam  und  Eva  im  Paradeis. 
Dies  thu  aber  nur  allsobald, 

Eh  dass  sie  Gott  recht  befestigt  in  seiner  Gewalt, 
Gleich  wie  man  es  bei  den  Engeln  sieht, 

2  1 5   Dass  nicht  einer  mehr  kann  sündigen  nit. 

Schlange. 

Gnädigster  Herr  Fürst,  darzu  will  ich  mich  schon 

bequemen, 
Deinen  Befehl  will  ich  schon  auf  mich  nehmen. 


1 1 

Ich  will  mich  befleissen  schon, 

Dass  ich   sie  aus  dem  Paiadeis  bringen  kann. 

Luzifer, 

2 20  Du  bist  das  listigste  Thier  unter  allen  Thieren, 
So    sollst  du  mir  auch  Adam  und  Eva  verführen, 
Und  kannst  du  mir  Adam  und  Eva  verführen, 
So  sollst  du  von  mir  das  beste  Trinkgeld  kriegen. 

Alle   Ten  fei  treteji  ab. 


Adam  tind  Eva  treten  auf, 

ebenso  Gott   Vater,   Gott  Sohn  tind  der  Engel, 

welche  das  Lied  weiter  singen : 

19. 

Der  Teufel  spart  keine  Müh  noch  Fleiss, 
225  Den  Adam  zu  bringen  vom   Paradeis. 

So  loben  etc. 

20. 

Gott  hat  erschaffen  zwei  Person, 
Er  hat  s'  geziert  gar  wunderschön. 
So  loben  etc. 

Schlange  tritt  auf  und  spricht: 

230  Ich  tritt  herein  ins  Paradeis 

Und  stell  mich  in  einer  Schlangenweis, 
Gott  hat  erschaffen  zwei  Person, 
Er  hat  s'  geziert  gar  wunderschön, 
Er  hat  s'  gesetzt  wohl  in  sein  Haus, 

235  Jetzt  will  ich  schauen  ob  ich's  nit  kann  bringen  heraus. 
Richtig ,    richtig ,    mein    Everl ,    wenn    du  wüsstest 

was  ich  weiss, 
So  würdest  du  wohl  essen  von  dieser  Speis. 

Ja   hat    vielleicht  Gott   gesagt,    ihr    dürfet  nicht 
essen  von  allerlei  Früchten  im  Garten  ? 


12 

Eva. 
240       Gott  sagt  es,  wir  können  essen  von  allen  Flüchten 
im  Garten ,    nur  von  diesem  Baum ,    spricht  Gott, 
dürfen  wir  nicht  essen. 

Schlange. 
O  ihr  armen  iLeute,  dass  ihr  doch  thöricht  und 
so  unverständig  seid.  Von  der  allerbesten  Frucht 
245  nicht  essen.  Das  war  ja  ein  Zeichen,  als  wenn 
euch  Gott  nit  lieb  hätte.  Ja,  Gott  ist  voller  Liebe. 
Esset,  esset,  mein  Everl  von  dieser  Frucht,  ihr 
werdet  nicht  sterben  des  ewigen  Todes.  Esset,  esset ! 

Eva. 
Essen  die  Engel  auch  nicht  davon? 
Schlange. 
250       Ja  freilich,  Gott  Vater  selbst  nicht,  weil  sie  dieser 
Speis  nicht  bedürftig  sein.    Ja  ich  weiss,  in  welcher 
Stund  ihr  davon  essen  werdet^  so  werdet  ihr  werden 
wie  Gott,    ihr  werdet  Alles  hören,  gleichwie  Gott 
Alles  hört,  Alles  sehen,  gleichwie  Gott  Alles  sieht, 
255  Alles  wissen,  gleichwie  Gott  Alles  weiss,  Gutes  und 
Böses ,   Alles ,   Alles ;    gleichwie    uns    würden  euch 
die  Augen  aufgehen.     Esset  nur. 

Die  Eva   ivilligt  ein  und  spricht: 
Ach  wie  liebhch,   zart  und  schön 
Die  Bäum'  mit  ihren  Früchten  stehn, 
260       Das  ist  ja  die  schönste  Augen weid, 
Daran   sich  mein   Herz  erfreut. 
Nun  so  will  ich  kosten  gleich. 
Ob  diese  Frucht  zu  essen  sei. 

Schlange. 
Ist  wohl  zu  essen,   ist  schön  süss. 
Eva. 
265       Wenn  ich  die  Wahrheit  sagen  soll, 

Schmeckt  mir  die  Frucht  von  Herzen  wohl: 
Nimm  hin,  mein  Adam,  iss  auch  davon, 
So  werden  dir  die  Augen  aufgethan. 


13 

Adam. 

Ja  freilich  ess  ich  auch  davon, 
270       Wenn  ich  wie  Gott  werden  kann. 

Die  Schlange  tritt  ab. 

Gott   Vater.  ' 

Adam  hör  mich  an, 

Warum  hast  du  dies  gethan? 

Weil  du  dies  hast  gethan. 

Bist  du  auch  ein  sterblicher  Mann. 

Adam  zu  Eva: 

275  Jetzt  hab  ich  die  Stimm  von  Gott  gehöret  schon, 

Dass  ich  sei  ein  sterblicher  Mann : 

Ach  weh,  wie  ist  mir  mein  Gemüth  verwandelt, 

Ach  wie  übel  haben  wir  gehandelt. 

Ach  wir  seind  ganz  nackend  und  bloss, 
280  Ach  wie  haben  wir  uns  versündiget  gross. 

Ach  Eva,  dass  ich  gefolgt  hab  dir! 

Jetzt   seh  ich    den   erzürnten  Gott  und  das  blosse 

Schwert  vor  mir. 

Ach  Eva,  ist  denn  Alles  wahr ,  was  die  Schlange 

gesagt  hat? 

Eva. 
Ach    nein,    mein  Adam,    mich  gedünkt,    es  ist 
285  nicht   gut   lang    hier   zu    sein.     Wir   müssen    bald 
weichen ,    die  Schlange   möcht    uns  betrügen  oder 
vielleicht  gar  verführen. 

Schlange. 

Du  bist  eh  nicht  mehr  ohne  Schuld. 
Adam  und  Eva  treten  ab. 

Jetzt  folgt  wieder  das  Lied. 
21. 

Es  kommt  herein  ins  Paradeis 
290  Der  Teufel  in  einer  Schlangenweis. 

So  loben  etc. 


14 


22. 

Und    brach  eine  Frucht  wohl  von  dem  Zweig 
Und  gab's  zu  essen  des  Adam's  Weib. 
So  loben  etc. 

23. 

295  Sie  gab  dem  Adam  auch  davon, 

Da  wurden  seine  Augen  aufgethan. 
So  loben  etc. 

24. 

Und  als  sie  assen  zu  dieser  Stund, 
Da  wurde  die  o:anze  Welt  verwundt. 


300  So  loben  etc. 


ö 


Die  Schlange  tritt  auf  und  spricht: 

Ich  bin  der  Irtzteufel  genannt, 

Allen  Leuten  gar  wohl  bekannt : 

Ich  hab  Adam  und  Eva  betrogen 

Ich  hab  ihnen  erschrecklich  vorgelogen. 
305  Ich  hab  glaubt,  der  Mann  soll  sich  henken, 

Das  Weib  soll  sich  ertränken. 

Weil  sie  haben  gebrochen  Gottes  Gebot, 

Gestohlen  und  gegessen ,    was  ihnen  verboten  hat 

Gott. 

Jetzt  sein  sie  abkommen  von  seiner  Gnad, 
3 1  o  Bei  uns  in  der  Höll  haben  sie  ihr  Grab. 

Recht,  recht  nach  solchen  Thaten, 

Ich    gab    den    Apfel    nit    her    um    hunderttausend 

Dukaten. 

Hätten  Adam    und  Eva  andere  Früchte  gegessen. 

War  ihnen  tausendmal  nützer  gewesen. 
315  Aber  durch  meine  List  und  Dreherei 

Hab  ich  Alles  zuwegen  bracht  gleich. 

Jetzt  werd  ich  mich  nicht  lang  mehr  besinnen, 

Muss  solches  meinen  Kameraden  auch  hinterbringen. 

Haha,  haha. 


15 

Liizifer  und  Belial  tretefi  auf, 
Lttzifer. 

320  Hn,  ha,  was  hör  ich  so  tanzen  und  springen, 

Was  wirst  du  mir  für  gute,  neue  Zeitung  bringen. 

Schlange. 

O   gnädigster  Fürst,    dein  Befehl    hab    ich   schon 

vollzogen, 
Hab  Adam  und  Eva  betrogen 
Und  hab  ihnen  erschrecklich  vorgelogen. 
325   Das  Trinkgeld  hab'  ich  schon  empfangen 
Jetzt  können  wir  erst  viel  Seelen  erlangen. 

Luzifer, 
Ha,  ha,  du  bist  halt  a  braver  Kerl, 
Dich   will   ich    noch  machen  zu  meinem  obersten 

Rathherrn. 
Weil  du  deine  Sachen  so  gut  hast  gemacht, 
330  So    sollst   du    haben    bei    uns  all  Ehr,  Gunst  und 

Gnad. 
Ha,  ha,  ha,  ha  jetzt  haben  wir  Adam  und  Eva  be- 
trogen 
Und  haben  ihnen  erschrecklich  vorgelogen, 
So  wollen  wir's  allen  Menschen  machen, 
Verschwätzen,  verlügen  nach  Genügen. 
335  Jetzt  wollen  sie  sich  heimlich  davon  machen, 

Dass  niemand  nichts  soll  wissen  von  dem  Diebstahl 

und  der  Sachen: 
Ha,  ha,  darüber  wir  Teufel  spotten  und  lachen, 
Ich  bin  aber  schon  zu  Händen 
Mit  Ketten  und  Banden, 
340  Wir  Werdens  binden  gar  fest  darein, 

Damit  sie  uns  Teufel  auf  ewig  verbunden  sein. 
Herr  Richter,    Herr  Richter  ich  schrei  um  Räch, 

und  Donnerwetter 
Wohl  über  den  Adam,  den  Uebelthäter, 
Wie  auch  über  die  Eva  gleichermassen, 
345   Weil    sie    sich    von    der   Schlang    so  leicht    haben 

verführen  lassen. 
Ich  werd  sie  dir  stellen  vor  das  Gericht. 


i6 

Damit  du  musst  strafen  das  Unrecht. 
Jetzt  werden  wir  sie  suchen,  und  wann  wir  sie  finden, 
Mit  unsern  Ketten  werden  wir  sie  binden, 
350  Und  führen  mit  Schand  und  Spott 
Zu  dem  Richter,  dem  grossen  Gott. 
Alle   Teufel  treten  ab. 

Engel  tritt  auf  tind  spricht: 

Damit  alle  Christgläubigen  besser  verstehen,  was 
dies  für  eine  Gnade  sei,  dass  Gott  das  Menschen- 
geschlecht verschonet  und  die  Schuld  auf  sich  ge- 
355  nommen  hat,  also  wird  in  dieser  Betrachtung 
augenscheinlich  vorgestellt  werden ,  wie  die  Ge- 
rechtigkeit und  die  Bamherzigkeit  mit  einander 
\ox  Gott  gestritten  haben,  dass  kein  anderes  Mittel 
gewesen  sei  als  die  Menschwerdung  Gottes. 

Jetzt  7üird  weiter  gesungen: 

25. 
360  Es  entsteht  ein  grosser  Streit 

Wohl  vor  der  heiligen  Dreifaltigkeit. 
So  loben  wir  etc. 

Es  treten  alle   Teufel  mit  Adam  und  Eva ,   die  Gerechtigkeit  und 
Barmherzigkeit  auf. 

L  uzifer  sp  rieh  t : 
Hervor ,    hervor   mit  diesem  Bösewicht  vor  das 
Gericht.    Allmächtiger  Richter  und  Herr,  hier  stell 

365  ich  dir  den  ehrvergessenen  Adam  vor,  welcher  dir 
wider  dein  ausdrückliches  Gebot  einen  Apfel  von 
dem  verbotenen  Baum  gestohlen  und  gefressen  hat. 
Gleichwie  du  mich  und  alle  meine  INIitgesellen 
wegen   einem    einzigen    hoffärtigen    Gedanken    auf 

370  ewig  von  dem  Himmel  in  die  Höll  Verstössen 
hast,  so  ist  es  auch  billig  und  recht,  dass  du  den 
Adam  und  das  ganze  Menschengeschlecht  auf  ewig 
von  dir  zu  uns  in  die  Höll   verstossest. 

Die  Gerechtigkeit  spricht: 
Allmächtiger    (knt,    was    der    Satan   wider  den 


17 

375  sündhaften  Adam  fürbringet,  ist  die  gründliche 
Wahrheit,  darum  ist  es  auch  billig  und  recht,  dass 
du  den  Adam  und  das  ganze  Menschengeschlecht 
auf  ewig  von  dem  Himmel  in  die  Hölle  verstossest. 
üer  Mensch  hat  nicht  nur  allein  eben  so  wie  die 

380  hoffärtigen  Engel,  sondern  er  hat  noch  viel  schwerer 
gesündigt  als  sie,  welches  ich  allsogleich  beweisen 
werde.  Die  Engel  haben  gesündiget  durch  ihre 
Hoffart,  weil  sie  Gott  wollten  gleich  sein,  der 
Mensch  hat  auch  darum  gesündiget,  weil  er  Gott 

385  wollte  gleich  sein;  darum  haben  sie  die  Frucht 
abgebrochen  und  gegessen,  dass  sie  wie  die  Götter 
sein  möchten.  Nebst  dieser  unerträglichen  Hoffart 
hat  auch  der  Mensch  einen  ausdrücklichen  Dieb- 
stahl begangen,  indem  er  die  Frucht  so  muth willig 

390  abgebrochen,  gestohlen  und  gegessen  hat.  Der 
^lensch  kann  auch  nicht  vorwenden ,  dass  er  es 
nicht  gewusst  habe,  dass  dieses  eine  so  grosse 
Sünde  sein  sollte,  weil  er  es  ja  mit  seinen  eigenen 
Ohren    gehört    hat:    in    welcher   Stund    er    davon 

395  essen  wird,  so  wird  er  des  zeitlichen  und  ewigen 
Todes  sterben.  Ueber  alles  dieses  macht  die  Sund 
noch  dies  am  grössten,  weil  er  es  ja  gewusst  hatte, 
dass  er  durch  die  Sund  nicht  allein  sich  selbst, 
sondern   alle  Menschen  in  das  Verderben  bringen 

400  werde ;  dennoch  wollte  er  lieber  sich  und  die 
Seinigen  verderben  als  die  Frucht  nicht  versuchen. 
Daraus  dann  folgt,  dass  der  Mensch  nicht  einer 
Barmherzigkeit,  sondern  der  ewigen  Strafwürdig  sei. 

Die  Barmherzigkeit  spricht: 

Barmherziger  gütiger  Gott,  deine  Majestät  ist 
405  mit  den  sündigen  Engeln  so  streng  verfahren,  dass 
ich  es  ohne  grosses  Herzeleid  nicht  habe  können 
ansehen.  Willst  du  nun  mit  den  armen  Menschen 
auch  so  umgehen ,  was  würde  dies  mir  und  dir 
für  ein  grosses  Herzeleid  sein.  Ja  auf  diese  Art 
410  wäre  es  ja  besser  gewesen,  der  Mensch  wäre  gar 
nicht  erschaffen  worden,  als  dass  er  jetzt  in  ein  so 

Volksschauspiele.  2 


i8 

grosses  Elend  gerathen  sollte ;  darum  bitte  ich  dich, 
o    göttliche    Majestät ,    du    wollest    den    Menschen 
nicht    nach    seinen    Verdiensten    strafen ,    sondern 
415  seine  Sünde  gnädiglich  nachlassen. 

Die  Gerechtigkeit. 

Das  will  sich  gar  nicht  geziemen ,  dass  du ,  o 
göttliche  Majestät,  wider  dein  eigenes  Wort  sollest 
thun;  denn  du  hast  zum  Adam  gesagt:  sobald  er 
von  der  verbotenen  Frucht  essen  wird,  so  wird 
420  er  des  zeitlichen  und  ewigen  Todes  sterben  und 
weil  du  es,  o  göttliche  Majestät  geboten  hast, 
so  muss  es  auch  gehalten  werden. 

Gott   Vater. 

Wohlan,  was  Gott  einmal  gesprochen  hat,  muss 
auch  in  Erfüllung  gebracht  werden. 

Die  Barmherzigkeit. 

425  Allmächtiger  Gott,  gedenke  aber  was  du  thust: 
so  du  den  Adam  verdammest,  verdammest  du  ja 
das  ganze  menschliche  Geschlecht.  Sollten  denn 
so  viele  Tausend  und  Tausend  wegen  einem 
einzigen    Menschenpaar    verloren     werden?      Das 

430  müsste  mir  und  dir  das  grösste  Herzeleid  sein. 
Der  Mensch  ist  ja  nur  von  der  Schlange  listiger 
Weis  betrogen  worden,  sonst  würde  er  gewiss  nicht 
so  leicht  gesündiget  haben.  Zudem  wird  er  es 
auch  nicht  vermeint  haben,  dass  ein  einziger  Apfel- 

435  biss  eine  so  grosse  Sund  sein  sollte.  Derohalben 
bitte  ich  dich,  o  göttliche  Majestät,  für  den  Adam 
um  Gnad  und  Barmherzigkeit. 

Die  Gerechtigkeit. 
Wenn  du,  o  (iott,  dem  Menschen  die  Sünde 
ohne  eine  Strafe  solltest  nachlassen ,  so  würdest 
440  du  ihm  Ursach  geben,  hernach  desto  freier  zu 
sündigen,  daher  ist  es  höchst  nothwendig,  dass 
du  ihn  strafest,  sonst  würde  man  sagen  können, 
es    sei    keine  Gerechtigkeit    in  Gott,    wenn  er  nit 


19 

einen  jeden   belohnt  oder  bestraft,  wie  er  es  ver- 
445   dient  hat. 

Die  Barmherzigkeit. 

Ich   begehre   nicht ,    dass    Gott   dem  Menschen 
die  Sünde    ohne  einer  einzigen  Strafe  sollte  nach- 
lassen,   sondern  ich  begehre  und  bitte  nur  darum, 
dass    er   nicht    ewig   gestraft    wird.     Zeithch  kann 
450  ihn  Gott  strafen,  so  viel  er  nur  immer  will. 

Die   Gerechtigkeit. 
Mit  einer  zeitlichen  Straf  bin  ich  nicht  zufrieden, 
weil  diese  ganz  ungültig  ist  für  die  Sund,  die  der 
Adam    begangen    hat.     Weil  der  Mensch  den  un- 
endlichen Gott  beleidigt  hat,   so  hat  er  auch  eine 

455  unendliche  Strafe  verdient.  Gesetzt  aber,  dass 
ich  mit  einer  zeitlichen  Straf  wollte  vorlieb  nehmen, 
wie  kann  er  aber  sich  und  seine  Kinder  recht- 
fertigen ;  wie  kann  einer  geben,  was  er  selbst  nit 
hat,    wie    kann    einer,    der   ganz   todt  ist,    Andre 

460  lebendig  machen? 

Die  Barmherzigkeit. 
Ich  muss  zwar  bekennen,  dass  Adam  für  sich 
und  seine  Kinder  nicht  genug  thun  kann,  wenn  er 
schon  sein  Lebtag  Busse  that :  derowegen  bitte  ich 
dich,  o  barmherziger  Gott,  du  wollest  einen  Engel 
465  vom  Himmel  senden ,  der  für  die  Sund  Adams 
genug  thun  sollte  und  die  Menschen  aus  dem  Joch 
des  Satans  erlöst. 

Die  Gerechtigkeit. 
Wie  sollte  sich  dieses  schicken?  Wenn  dieses 
geschehen  sollte,  so  wären  die  Menschen  ja  schuldig, 
470  denselben  Engel  für  ihren  Erlöser  zu  erkennen 
und  ihm  aus  allen  Kräften  zu  dienen.  Also  wären 
die  Menschen  mehr  schuldig,  den  Engel  als  ihren 
Erlöser,  als  Gott  ihren  Erschaffer  zu  erkennen  und 
anzubeten. 

Die  Barmherzigkeit . 

475       Allmächtiger,  gütiger  Gott,   ich  habe  vermeint, 


20 

ich  wollt  den  armen  Menschen  helfen,  nun  sieh 
ich  aber,  dass  weder  ein  Engel  noch  ein  Mensch 
für  die  Sund  des  Adams  würdiglich  genug  thun 
kann,  desswegen  falle  ich  demüthig  auf  meine 
4S0  Knie  und  bitte  dich,  dass  du,  o  barmherziger  Gott, 
dich  um  den  Menschen  annehmest  und  für  seine 
Sund  genug  thuest. 

Gott   Vater. 
Wie?   sollte  Gott  für  die  Sünden  der  Menschen 
genug  thun  können:    Soll  denn  der  Herr  für  den 

485  Knecht  leiden  oder  soll  sich  der  Richter  für  den 
Dieb  hängen?  Das  war  ein'  Wundersach,  wenn 
dies  geschehen  sollte ;  wie  aber  wird  es  geschehen  ? 
Adam  hat  durch  seine  Sund  eine  schwere  Straf 
verdient.     Gott  kann    ja  nicht  leiden.     Adam  hat 

490  durch  seine  Sund  den  zeitlichen  und  ewigen  Tod 
verdient.     Gott  kann  ja  nicht  sterben. 

Die  Barmherzigkeit. 

Weilen  du,    o  Gott,    weder  leiden  noch  sterben 
kannst,   so  will  ich  dich  doch  gebeten  haben,  dass 
du  die  menschliche  Natur  annehmest  und  für  seine 
495   Sund  die  gemachte  Schuld  bezahlest. 

Die  Gerechtigkeit. 
Dieses  war  eine  Wundersach.  Adam  hat  die 
Straf  verdient.  Und  Gott  soll  dieselbe  bezahlen? 
Dieses  werde  ich  nicht  gestatten,  denn  tausendmal 
besser  ist  es ,  der  Mensch  leidet  ewig ,  als  dass 
500  dem  allerhöchsten  Gott  das  geringste  Uebel  wider- 
fahre. 

Die  Barmherzigkeit. 

Ob  es  zwar  scheint,  dass  dieses  wider  die  Ehr 
des  Allerhöchsten  sei,  so  gedeiht  es  doch  nur  zur 
Vermehrung  seiner  Ehre.  Denn  dadurch  werden 
505  alle  Engel  und  Menschen  Ursach  bekommen,  Gott 
ewig  dafür  zu  loben  und  für  ein  solches  Wunder- 
werk einen  unendlichen  Dank  zu  sagen.  Es  wird 
auch    hieraus    die    unendliche    Gerechtigkeit    desto 


21 

klärer  erscheinen,  wenn  alle  Menschen  sehen  werden, 

510  dass  Gott  so  gerecht  sei,  dass  er  lieber  die  Sund 
an  sich  selbst  abstrafen  wollte ,  als  die  Sund  un- 
gestraft dahin  gehen  zu  lassen.  Es  wird  auch  dis 
unendliche  Liebe,  Gütigkeit,  Weisheit  und  All- 
mächtigkeit   desto    klärer    erscheinen ,    wenn    Gott 

515  ein  solches  Wunderwerk  thut,  welches  über  allen 
erschaffenen  Verstand  sein  wird.  Ja,  ich  weiss 
auch ,  dass  die  Menschen ,  wenn  sie  auf  eine  so 
wunderbarliche  Weis  erlöst  werden,  Gott  Tag  und 
Nacht   dafür  danken  und  sich  mit  Leib  und  Seel 

520  ihm  verschreiben  werden.  Daher,  o  barmherziger 
Gott,  um  deine  grosse  Ehr  und  Glori  willen,  nimm 
dies  Werk  auf  dich  und  bewillige  mein  eifriges 
Begehren.  Ich  bitt  hierum ,  ich  ruf  hierum ,  ich 
bitte    alle    heiligen    Engel ,    dass    sie    mir    helfen 

525  bitten  für  den  sündigen  Menschen.  Du  aber,  o 
barmherziger,  gütiger  Gott,  verändere  doch  deine 
strenge  Gerechtigkeit  in  eine  sanftmüthige  Barm- 
herzigkeit. 

Gott    Vater. 

So  wahr  ich  leb  und  ist  ein  Gott, 
530       So  begehr  ich  nicht  des  Sünders  Tod, 
Sondern  dass  er  lebe  und  sich  bekehre 
Und  gebe  Gott  allein  die  Ehre. 

Luzifer. 
Herr  Richter,  ich  deinem  Worte  allzeit  widerstrebe. 
Weil  sie  Gottes  Gebot  haben  gebrochen'. 
535   So  soll  es  ihnen  nicht  bleiben  ungerochen  : 
Ich  hab  Adam  und  Eva  gar  fest  gekettet, 
Aus  meiner  Hand  kann  sie  Niemand  erretten. 

Gott   Vater. 
Du  hast  nicht  Macht  jemand  zu  tödten. 

lAicifer. 
Ah  weiter  wohl. 

Gott   Vater. 
540       Lass  sie  los  von  Banden  und  Ketten. 


22 

Liizifer. 
Ich  mag  nicht. 

Gott   Vater. 
Entledige  sie  zu  dieser  Frist, 
Weil  es  mein  ernstlicher  Wille  ist. 

Luziffr. 
Mein  Willen  ist's  nicht. 

Gott   Vater. 
545        So  sollst  du  haben  weder  Glück  noch  Heil, 
So  gieb  ich  dir  den  Sentenz  und  das  Urtheil. 

Jetzt  tvird  weiter  gesungen. 
26. 

Nachdem  sie  hielten  einen  Streit 
Die  Gerechtig-  und  Barmherzigkeit. 
So  loben  etc. 

27. 

550  Die  Sach  war  schon  so  weit  gekommen, 

Dass  Gott  den  Menschen  wollt  verdammen. 
So  loben  etc. 

28. 

Doch  hatte  die  Barmherzigkeit 
Die  Sach  endlich  gebracht  so  weit. 
555  So  loben  etc. 

29. 

Dass  Gott  den  Menschen  wollt  verschonen 
Und  hat  die  Schuld  auf  sich  genommen. 
So  loben  etc. 

Gott  Vater. 
Nun  denn  ,  dass  Himmel  und  Erden  erkennen 
560  muss,  dass  Gott  unendlich  barmherzig  sei,  so  will 
ich  dem  undankbaren  Adam  verzeihen ;  damit  aber 
der  göttlichen  Gerechtigkeit  auch  ein  beständiges 
Genügen  geschehe ,  so  bewillige  ich ,  dass  unter 
uns  drei  Personen  eine  die  menschliche  Natur  an- 


23 

565  nehme,    um  in  derselben  Natur   für  die  Sund  der 
Menschen  genug  zu  thun. 

Gott  Sohn. 
Mein  herzHebster  Vater  !    Zur  Vermehrung  deiner 
Ehre  bin  ich  bereit ,    die  menschliche  Natur  anzu- 
nehmen und  in  derselben  Natur  für  die  Sund  des 
570  Menschen  genug  zu  thun. 

Gott  Vater. 
Es  ist  mir  zwar  lieb,  mein  herzallerliebster  Sohn, 
aber  es  wird  dir  in  deiner  Menschheit  gar  übel 
ergehen ,  du  wirst  müssen  leiden  Hunger  und 
Durst,  Hitz  und  Kälten,  Verachtung  und  Ver- 
575  folgung,  Marter  und  Pein  und  endlich  den  schmerz- 
haftesten Tod  des  Kreuzes  wirst  du  müssen  aus- 
stehen. 

Gott  Sohn. 

Ich  bin  dessen  gar  wohl  zufrieden ,  mein  herz- 
allerliebster Vater.  Wenn  es  dein  göttlicher  Wille 
580  wäre,  so  wollte  ich  noch  viel  mehrer  leiden,  um 
deinen  Willen  zu  erfüllen  und  dass  der  göttlichen 
Gerechtigkeit  auch  ein  vollkommenes  Genügen 
geschehe. 

Jetzt  folgt  das  JtibeUicd. 

I. 

Gross  und  wunderbarlich 
585  Sind  deine  Werk',  o  Gott, 

Gerecht  und  auch  wahrhaftig. 

Willst  leiden  selbst  den  Tod  1 

O  König  der  Ewigkeit, 

Der  du  ansiehst  ein  solches  Leid : 
590  Drum  soll  man  dich  loben 

Die  ganze  Lebenszeit. 

2 , 

Das  Meer  und  auch  die  Flüss', 
Und  was  darinnen  ist, 
Dies  Alles  soll  dich  preisen 
595  Bis  in  alle  Ewigkeit. 


Das  Lob,   das  soll  erklingen 
Vor  der  heiligen  Dreieinigkeit ; 
Drum  lasst  uns  Jubel  singen 
Bis  in  alle  Ewigkeit. 

Gott  Sohn. 
600  Ob  ich  schon  die  ewige  Straf  des  Adams  auf 
mich  nehme ,  so  befreie  ich  ihn  doch  nicht  von 
der  zeitlichen  Straf,  sondern  will  ihm  und  seinen 
Kindern,  so  lang  sie  leben,  die  Straf  auf  dem  Hals 
liegen  lassen ;  ich  will  ihm  die  erbliche  Gerechtig- 
605  keit,  die  ich  ihnen  gegeben  hab,  wieder  abnehmen, 
ich  will  ihnen  die  Augen  eröffnen ,  dass  sie  sich 
schämen  müssen,  ich  will  sie  auch  aus  dem  Para- 
dies Verstössen. 

Gott   Vater. 
Gar   recht,    das    soll    geschehen.  —  Adam,  wo 
610  bist  du?    Komm  her  zu  mir! 

Ada7)i. 
Herr,     vor    deinem    Angesicht    zu    erscheinen 
schäme  ich  mich. 

Gott    Vater. 
Warum  schämest  du  dich? 

Adam . 

Weil  ich  ganz  entblösst  bin. 
Gott   Vater. 
6 1 5       Wer    hat    dir    denn    gesagt ,    dass    du    entblösst 
seiest?    Hast  du  vielleicht  von  der  Frucht  gegessen, 
wovon  dir  Gott  verboten  hat? 

Adam. 

O  Herr!  die  Eva,   die  du  mir  zur  Gehülfin  gabst, 

gab   mir  von  der  verbotenen  Frucht,  und  ich  ass 

620   davon. 

Gott   Vater. 

Wo  ist  das  Weib,  die  dieses  gethan  hat? 

Adam. 

Unter  diesem  Baum  daneben. 


25 

Gott   Vater. 
E\a,  sag  an,  warum  hast  du  dieses  gethan? 

Schlange. 
Musst  nichts  sagen. 

Eva. 
625        Die  Schlange    hat  mich    angereizt,    sie  gab  mir 
von  der  verbotenen  Frucht,  und  ich  ass  davon. 

Schlange. 
Hätt'st  nichts  sollen  sagen. 

Gott   Vater. 

O    giftige  Schlange ,    komm    her   zu    mir :     weil 

du   dies    hast    gethan ,    so    bist  du   verflucht  unter 

630  allen  Thieren,    von    nun  an  sollst   du  auf  deinem 

Bauch  herumkriechen ,    und  vom  Staube  sollst  du 

dich  ernähren  deine  ganze  Lebenszeit. 

Die  Schlange  tritt  kriechend  ab. 

Jetzt  wird  tveiter  gesungen. 

30- 
Der  Adam  will  sich  selbst  ausreden, 
Er  will  die  Schuld  auf  Eva  legen. 
635  So  loben  etc. 

31- 
Die  Adams  Straf,  sie  bleibt  nicht  aus. 
Er  muss  vom  Paradies  hinaus. 
So  loben  etc. 

Gerechtigkeit. 

Ich  bin  erzürnet  überaus, 
640  Die  Straf  des  Adams  bleibt  nicht  aus, 

Ich  zieh  heraus  sein  hohen  Geist, 

Weil  eins  die  Schuld  aufs  andre  weist. 

Gedemüthigt  muss  er  werden, 

Hinaus  mit  ihm  auf  die  unfruchtbare  Erden. 
645   Darum  sage  ich  dir,  o  Gott, 

Dass  du  ihm  auferlegst  viel  Angst  und  Noth. 


26 

In  der  Demiith  muss  er  bestehen, 

So  soll  und  muss  es  den  Menschen  gehen. 

Gott   Vater. 
Ganz  recht,  das  soll  geschehen. 
650  Engel  Gabriel,  komm  her  zu  mir. 

Engel  Gabriel 
macht  vor  dem  Gott   Vater  eine   Verbeugung  und  spricht: 

Herr,  da  bin  ich,  was  schaffst  du  mir? 
Gott   Vater: 
Das  scharfe  Schwert  gieb  ich  dir. 
Das  sollst  du  mir  tragen 
Und  Adam  und  Eva  aus  dem  Paradiese  jagen. 

E/tgel  7vendet  sich  um  imd  spricht  zu   Adam  und  Eva: 

655  Ich  hab  empfangen  ein  Gebot 

Wohl  von  dem  allerhöchsten  Gott: 

Das  scharfe  Schwert,  das  soll  ich  tragen 

Und  soll  Adam  und  Eva  aus  dem  Paradiese  jagen. 

So  geht  nur  aus  dem  Paradeis 

660  Und  baut  das  Feld  mit  grossem  Fleiss. 
Der  Adam  soll  sein'  Sund  abbüssen, 
Mit  Schwitz  und  Schweiss  sein  Brod  geniessen. 
Die  Eva  aber  auch  nicht  minder: 
Mit  Schmerzen  soll  sie  gebären  ihre  Kinder. 

665   Ihr  seid  erschaffen  von  Staub  und  Erden, 

Zu  Staub  und  Erden  sollt  ihr  wiederum  werden. 

Eva. 

O  Gott,  thu  uns  nicht  gar  vergessen. 

Engel. 

Eva  thu  keinen  Zweifel  fassen. 

So  wird  dich  Gott  auch  nicht  verlassen. 

Jetzt  wird  das  Lied  wieder  weiter  gesungen. 

32. 
670  Also  wird  Adam  und  Eva   weis' 

Geschlagen  aus  dem  Paradeis. 
So  loben  etc. 


27 

33' 
Der  Adam  weinet  also  heiss, 
Weil  er  von  keiner  Erlösung  weiss. 
675  So  loben  etc. 

Adam. 

O  ich  armer  Mann !  Was  hab  ich  gethan,  dass 
ich  wegen  einem  einzigen  Apfelbiss  in  ein  so 
grosses  Elend  gerathen  bin.  Soll  ich  denn  nimmer 
die  Hoffnung  haben  in  das  Paradies  zu  kommen? 
680  Soll  ich  denn  all'  mein  Lebtag  in  dem  Thal  der 
Zähren  verbleiben  müssen.  O  barmherziger  Gott, 
erbarme  dich  meiner  und  strafe  mich  nicht  ewig 
wegen  einer  einzigen  Sünde ! 

GoU   Vater. 
Erzengel  Gabriel,  komm  her  zu  mir! 

Engel  Gabriel. 
685  Herr  da  bin  ich.     Was  schaffst  du  mir? 

Gott   Vater. 
Geh  hin  zu  dem  Menschen  auf  Erden, 
Verkündige  ihm,  dass  er  einmal  erlöst  soll  werden. 

Der  Engel. 
Adam  du  sollst  dich  nicht  so  sehr  betrüben  auf  Erden, 
Denn  aus  deinem  Stamm  soll  ein  Mensch  geboren 

werden, 
690  Welcher  wird  sein  ein  friedsamer  Held 
Und  ein  Erlöser  dieser  Welt: 
Er    wird    allen    Rechtgläubigen    ein    wohlgefälliges 

Opfer  sein. 
Er  wird  seine  Hände  ausstrecken  und  vom  Baum 

des  Lebens  nehmen. 
Dieses  wird  sein  eine  Frucht  für  Alle,  die  auf  ihn 

hoffen. 

Adam. 
695       Ach  Gott ,    wann   darf  ich    wieder   kommen    in 
dein  Reich  ? 


28 

Engel. 

Gehet  nur  hinaus  durch  das  Garten-Gitter, 
Bis  euch  Gott  berufet  wieder. 

Eva. 
Wir  bitten,  Gott  wolle  uns  verzeihen  die  Sund. 
Eu^el. 
700  Thu  Busse,  bereue  geschwind, 

So   verzeiht  dir  Gott  deine  Sund. 

Adam   lind  Eva  treten  ab. 
Es  wird  xveitcr  gesungen.     . 

34- 
Als  Adam  im  Paradies  nicht  mehr  war 
Sandte  Gott  einen  Engel  vom  Himmel  herab. 
So  loben  etc. 


/^D 


35- 
Der  ihn  getrost  in  seinem  Leid 
Und  die  Erlösung  hat  prophezeit. 
So  loben  etc. 


36. 


Er  lebt  wohl  930  Jahr, 
Dass  seine  E 
710       So  loben  etc. 


Dass  seine  Erlösung  folget  dar. 


37- 

Alsdann   macht  er  vor  seinem  End 
Seinen  Kindern  ein  Testament. 
So  loben  etc. 


$ 


Adam   tritt  auf,   macht  sein   Testament  lotd  spricht: 

O  ihr,    meine   lieben  Kinder,    ihr  habt  gar  oft 

715   und  vielmal  gehört,  wie  dass  ich  in  dem  Paradeis, 

in    dem  Ort    der  Wollustbarkeit    gewesen  bin  und 

wegen    meinem   Ungehorsam    in    dieses  Elend   bin 


29 

Verstössen  worden.  Als  ich  einstmals  über  die 
Massen  sehr  betrübt  war ,  sendete  mir  Gott  einen 

720  Engel,  welcher  zu  mir  sagte,  wie  aus  meinem 
Stamme  ein  Mensch  soll  geboren  werden,  der  uns 
aus  diesem  Elend  erlösen  soll.  Darum  ihr,  meine 
lieben  Kinder,  bittet  Gott  unablässlich,  dass  er 
doch  einmal  seine  Verheissung  erfülle.     O  Erden, 

725  eröffne  dich!  O  ihr  Felsen,  zerspaltet  euch  und 
bringt  uns  hervor  den  langgewünschten  Messias. 

Jetzt  tritt  der  Tod  auf, 
geht  hinter  Adam  hin  und  her  und  spricht: 

Ich  als  der  Tod, 

Gesandt  von  Gott, 

Ein'   Pfeil  trag  ich  in   meiner  Hand. 
730       Dieser  Pfeil  ist  also  stark 

Er  dringt  dem  Menschen  durch  Bein  und  Mark, 

Er  bricht  ihm  auch  das  Leben  ab, 

Darnach  legt  man  ihn  in  das  Grab. 

Jung  und  Alt,  Gross  und  Klein 
735        Werden  alle  meines  gleichen  sein: 

Sogar  die  kleinen  Kindelein 

Vor  mir  nicht  sicher  sein. 

Kaiser-  und  Königskron, 

Der  Tod  thut  kein'  verschon. 
740       Auch  die   päpstliche  Heiligkeit 

Ist  von  mir  nicht  befreit. 

Bürger  und  Bauerngeschlecht 

Ist  mir  auch  eben  recht. 

Der  Reisende  auf  der  Strass 
745        Hat  von  mir  kein'  freien  Pass.   — 

Der  Adam  hat  gelebt  930  Jahr, 

Das  ist  eine  lange  Zeit, 

Sein  Lebenslauf  ist  aus^ 

Er  muss  hin  in  die  Ewigkeit: 
750        Darum   steh  ich  eben  da 

Und  brich  dem  Adam  das  Leben  ab. 

Adam  fällt  ?iieder.     Der  Tod  spricht  zueiter: 
Ich,   der  allergewisseste  Tod, 


30 

Den  man  alle  Stund  und  Augenblick  zu  hoffen  hat, 
Ich  hab  dem  Adam  das  Leben  genommen, 
755  Welches  ihm  Gott  gegeben  hat. 

Gott  kann  es  ihm  aber  wiederum  geben ; 

Er  wird  ihn  belohnen  schon, 

Was  er  auf  dieser  Welt  Gutes  oder  Böses  hat  gethan. 

Der  Tod  tritt  ab. 

Jetzt  wird  wieder  gesungen: 

38. 
Unterdessen  stirbt  Adam,  der  fromme  Mann, 
760       Und  lasst  seine  Kinder  in  Frieden  stahn. 
So  loben  etc. 

39- 
Es  kommt  schon  die  Zeit  der  Erlösung  herzu. 
Da  Gottes  Sohn  Mensch  werden  thut. 
So  loben  etc. 

Gott    Vater. 

765  Nun,  mein  allerliebster  Sohn,  jetzt  ist  die  Zeit 
da,  dass  du  dich  aufmachest  und  in  die  Welt 
hinunter  kommest.  Du  weisst  es,  wie  ich  dich 
vom  ganzen  Herzen  Hebe,  dennoch  erbarmet  mich 
das  Menschengeschlecht  so  sehr,  dass  ich  sein  Elend 

770  nicht  länger  mehr  kann  ansehen.  Und  weil  dann 
kein  andres  Mittel  ist,  ihnen  zu  helfen,  so  komme 
dann  dem  armen  verlassenen  Menschengeschlecht 
zu  Hilf,  ich  will  lieber  an  dir  das  grösste  Herzen- 
leid ansehen,  als  dass  ich  das  Menschengeschlecht 

775  sollt  verderben  lassen. 

Gott   Sohn. 

Mein  herzallerliebster  Vater,  weil  es  nun  dein 
göttlicher  Willen  ist,  dass  ich  soll  Mensch  werden, 
so  bin  ich  schon  bereit.  Sieh ,  ich ,  dein  einge- 
borener Sohn,  geh  hin  zu  leiden  und  mein  so 
780  edles  Leben  an  einem  so  schmählichen  Kreuz  zu 
lassen.     Das  thu  ich  dir  und  den  armen  Sündern 


31 

zu  lieb,  damit  ich  deinen  göttlichen  Willen  erfülle 
und  die  Altväter  aus  der  Vorhölle  erlöse. 

Gott   Vater. 

Wohlan,  weil  du  dieses  Werk  auf  dich  nimmst, 
785  so  gebührt  dir  die  höchste  Ehr,    so  setze  dich  zu 
meiner  Rechten  her. 

Jetzt  wird  gestengen: 

I. 

Erlöser  dieser  Erden, 
Muss  es  denn  gestorben  sein  ? 
Kann  dir  nicht  geholfen  werden, 
790  O  liebster  Jesus  mein? 

Adam  ist  daran  schuldig, 
Dass  du  gehest  in  den  Tod, 
Und  leidest  so  geduldig, 
O  du  gerechter  Gott ! 


795  O  Sünder,   wegen  deiner 

Trag  ich  das  Kreuz  auf  mir, 

Dieweilen  sonsten  keiner 

Als  ich  kann  helfen  dir! 

Du  wärest  ja  verloren, 
800  Die  Wolf  zerrissen  dich. 

Ich  hab  dich  auserkoren, 

Weil  du  erfreuest  mich. 

Gott  Sohn. 

Alle  himmlischen  Freuden  verlass  ich  allhier. 

Gott   Vater. 

Ja  freilich  verlässt  du  alle  himmlischen  Freuden 
805  allhier  und  deine  schöne  Zier.  Wenn  du  aber 
wieder  ankommen  werdest,  so  bringst  du  eine  viel 
schönere  mit  dir  und  wegen  derselben  Zier  werden 
sich  auch  die  Engel  im  Himmel  erfreuen,  welche 
du  dann  mit  dir  bringst,  wann  du  ankommst. 


Gott  Sohn, 

8to  Ich  nimm  das  heilige  Kreuz  zu  mir.  O  du 
heiHges  Kreuz ,  wie  bist  du  mir  so  heb ,  bei  dir 
will  ich  leben,  an  dir  will  ich  sterben,  an  dir  will 
ich  das  ewige  Heil  erwerben.  Adieu,  mein  herz- 
liebster Vater.     Adieu,   mein  lieber  heiliger  Geist. 

815  Sehet,  ich  geh  hin  in  das  Leiden,  welches  mir  von 
Ewigkeit  her  bereitet  ist.  Adieu,  ihr  lieben  Engel 
des  Himmels. 

Gott  Sohn  tritt  ab. 
Es    wird   -weiter   gesungen: 

3- 

O  Sünder,  fass  zu  Herzen: 

Dein  allerhöchster  Gott 
8 20  Als  Mensch  leid  grosse  Schmerzen 

Und  geht  für  dich  in  Tod! 

Darum  thu  dich  bequemen 

Und  lern  Geduld  von  Gott, 

Sein  Leiden  zu  erkennen 
825  Und  halten  sein  Gebot. 

Fortsetzung  vom  anderen  Gesang. 

40. 

Durch  Adams  Fall  warn  wir  verlor'n, 
Durch  Christi  Tod  sein  wir  wieder  gebor' n. 
So  loben  etc. 

41. 

Erfreut  euch,  ihr  Christen,  seid  wohl  getrost, 
830  Denn  Christus  hat  uns  ja  selbsten  erlöst. 
So  loben  etc. 

42. 

So  machen  wir  unserm  Spiel  ein  End, 
Gott  bleibe  bei  uns  bis  an   das  End. 
So  loben  etc. 


33 


835   ^Vir  wünschen  euch  Glück,  wir  wünschen eucli  Freud, 
Wir  wünschen  euch  Allen  eine  glückselige  Zeit. 
So  loben  etc. 

A//e  treteji  ab. 


Die   Teufel  treten  auf  und  machen  den  Schluss-^lkt. 
Beliai. 

Hervor,  hervor,  ihr  Teufel  alsbald, 

Wir  widersetzen  uns  der  Gottes-Gewalt. 
840  Sehet  an  was  für  ein  grosses  Gut 

Dem  Menschen  widerfahren  thut. 

Gott  sandt  in  die  Welt  sein'  eingebornen  Sohn, 

Der  sie  erlöst  aus  unserem  Bann : 

Nimmt  an  die  menschliche  Natur, 
845   Geboren  von  einer  Jungfrau  war 

In  einem  Stall  zu  Bethlehem ; 

Von  Hirten  und  Königen  wird  er  beschenkt : 

Jetzt  ist  er  Erlöser  der  ganzen  Welt, 

Hat  viel  W^under  gewirkt,  in  Armuth  gelebt, 
850  Dreiunddreissig  Jahr  auf  der  Welt  herumgeschleppt. 

Als  die  Zeit  des  Leidens  vorhanden  war, 

Da  wurd  bereitet  ein  Abendmahl. 

Er  giebt  sich  in  Brod's  und  Wein's  Gestalt 

Und  hat  seine  Apostel  zu  Zeugen  all', 
855   Gleichwie  bei  der  Mess  und  Sakrament 

Der  Priester  beim  Altar  Gott  versöhnt. 

Als  ein  Versöhnungsopfer  er  sich  giebt. 

Gleich wie's  der  Priester  beim  Altar  verriebt. 

Alsdann  ging  er  vom  selben  Haus 
860  Auf  den  Oelberg  in^  Garten  hinaus. 

Alldort  vor  Angst  er  schwitzet  Blut, 

Ein  Engel  kommt,  der  ihn  stärken  thut. 

Judas  kommet  auch  daher 

Mit  einem  grossen  Kriegesheer. 

Volksschauspiele.  3 


34 

865   Er  verrath"   und  verkauft  seinen   Gott 

Um  dreissig  Silberling,  das  ist  ein  Spott. 

Sie  aber  fangen  und  binden  ihn 

Und  führen  ihn  zum  Annas  hin. 

AUdort  gab  man  ihm  allsogleich 
870  Ins  Angesicht  einen  Backenstreich. 

Zum  Kaiphas  haben  s'  ihn    auch  hingeführt, 

Dort  ward  er  erschreckhch  examinirt. 

Sie  spieen  ihm  ins  Angesicht 

Und  schlugen  ihn  unbarmherzigUch. 
875   Zum  Herodes  haben  s'   ihn  auch  hingeschleift, 

Dort  haben  s'   ihm  angelegt  ein  Xarrenkleid. 

Er  wurd  verspott',  veracht'   allhie, 

Spottweis  bogen  s'  vor  ihm   die  Knie. 

Zum  Pilatus  haben  s'   ihn  auch  gebracht, 
880  Alldort  falsch  Ursach  dargebracht. 

Man  hat  ihn  gegeisselt  und  gekrönt, 

Püatus  sich  zum  Volke  wendt. 

Er  sprach:    Ich  find  keine  Schuld  an  ihm, 

Die  Juden  schrieen :    Kreuzige  ihn. 
885   Als  Pilatus  das  Urtheil  sprach, 

Da  waren  die  Juden  von  Herzen  froh, 

Er  musst  sein  Kreuz  selbst  tragen, 

Daran  wurde  er  geschlagen, 

Ganz  nackend  und  ganz  bloss, 
890  Hand'  und  Füss'  mit  Nägeln  gross. 

Also  hat  er  erlöst  das  Menschengeschlecht, 

Das  ist  uns  Teufeln  gar  nit  recht. 

O  wie  ist  er  mit  den  Menschen  so  gut. 
Hat  vergossen  für  sie  sein  Blut. 

895   Er  will  sie  haben  all'  in  Himmel  hinein. 

Damit  wir  Teufel  auf  ewig  sollen  beraubet  sein. 
Höret  mich  an,  ihr  Teufel  all. 
Wir  richten  dem  Menschen  ein  neuen  Fall: 
Weil  uns  der  erste  nicht  ist  gelungen, 

900  So  haben  wir  schon  andres  ersonnen. 

Wir  wollen  sparen  kein  Müh  noch  Macht, 
Den  Menschen  zu  verführen  Tag  und  Nacht. 


35 

Alkeit  wir  beflissen  sein, 

Dass  wir  sie  bringen  in  die  Höll  hinein. 
905   Mittel  giebt  es  genug  zu  Händen, 

Die  Menschen   zu  bringen  in  Sund  und  Schanden. 

Sie  sind  dazu  ja  selbst  geneigt, 

Wie  es  sich  an  dem  Adam  hat  gezeigt. 

Dass  seine  Kinder  auch  nit  besser  sein, 
910  Dies  ist  ganz  klar  und  allgemein. 

Nun  haben  wir  den  Schluss  gemacht. 

Viel  Tausend  schon  in  die  Höll  gebracht, 

Viel  Tausend  auf  der  Welt  noch  fein 

Uns  Teufeln  müssen  eigen  sein. 
915   O  was  hör'  ich  für  eine  gute  Zeitung ! 

Wir  haben  schon  fast  die   halbe  Welt 

Verführt  in  Ketzerei  und  Irrthum. 

Ha,  fast  die  ganze  christliche  Gemein. 

Ein  jeder  thut  den  Willen  mein: 
920  Eine  grosse  Anzahl  von  der  Welt 

In  meiner  Residenz  dort  mir  zufällt. 

Spiegelt  euch,  ihr  Adams-Kinder, 

Gross  und  kleine  Sünder. 

Haltet  fleissig  Gottes  Gebot, 
925   Wenn  ihr  einmal  werdet  kommen  vor  Gottes  Gericht, 

Weil  keinem  Menschen  ausbleiblich  ist, 

Dass  ihn  der  Teufel  kann  verklagen   nicht. 

Die   Teufel  treteji  alle  ab. 


3* 


DAS  SCHÄFERSPIEL 


^ 


PERSONEN. 

Der  Prophet  (als  Prolog). 

Der  gute  Hirt. 

Die  Schäferin. 

Der  Jäger  (oder  Verführer)  als  Schäfer. 

Der  Teufel. 

Der  Pilger. 

Der  Tod. 

Der   Engel. 


-1- 


Der  Prophet  tritt  allein  auf  und  spricht: 

Gelobt  sei  Jesus  Christus !  Geliebte,  in  Christo, 
dem  Herrn  versammelte  Zuhörer !  Merket  auf  und 
betrachtet,  wie  Gottes  Sohn  als  ein  guter  Hirt  sein 
verlornes  Schäflein  suchet,  worunter  zu  verstehen 
5  ist  ein  jeder  Sünder,  denn  ein  jeder  Mensch  ist  ein 
göttliches  Schäflein ,  das  Gott  sehr  lieb  hat.  So- 
bald der  Mensch  nach  der  heiligen  Tauf  eine 
Sünde  begeht,  so  geht  er  schon  verloren  von  der 
himmlischen  Weid.     Gott   ruft  ihm    oft   durch  Pre- 

lo  diger,  Beichtväter  und  andere  gute  Lehrer  zu.  Auch 
das  Gewissen  vermahnt  ihn,  er  soll  umkehren,  aber 
wegen  Verstocktheit  werden  alle  guten  Lehren  von 
Gott  und  seinen  Gesandten  gleichsam  mit  Füssen 
gestossen,  und  er  verharrt  oft  lange  Zeit  in  der  Un- 

1 5  bussfertigkeit ,  bis  ihn  endlich  der  Tod  erschreckt 
und  die  Furcht  der  Hölle  zu  Gott  bekehret,  von 
welchem  sich  der  Mensch  durch  die  Sund  hat  ab- 
gewandt. Ich  ermahne  euch  daher,  wachsam  zu  sein, 
dass    ihr    den   drei    Feinden    eurer    Seele    nicht    im 

20  Streit  unterliegt.  Diese  drei  Feinde  sind:  Erstens: 
das  eigene  Fleisch,  welches  den  Menschen  zu  sün- 
digen lockt :  Zweitens  die  verführerische  Welt,  und 
drittens  der  Teufel,  welcher  herumgeht  wie  ein 
brüllender  Löwe,  (weil  der  Mensch   obsiegen    soll), 

2  5  und  sucht ,  wen  er  verschlingen  kann.  Um  hier- 
von etwas  Mehreres  zu  vernehmen,  so  bitte  ich  um 
Geduld  und  Aufmerksamkeit.  So  fangen  wir  an 
im  Namen  des  Herrn  zu  spielen ,  wo  meine  Vor- 
rede ausführlicher  wird  zu  betrachten  sein. 
Prophet  tritt  ab. 


40 

Der  ^ute  Hirt  wid  die  Schäferin  treten  auf  und  singen 
Der  gtite  Hirt. 

30         Ach  liebstes  Schäflein  mein, 

Sag  was  soll  dieses  sein, 

Dass  du  dich  von  mir  thust  wenden, 

Zu  andern  Herden  lenken  r 

Kehr  dich  zu  meiner  Hütt', 
3S  Kehr  um,  ich  bitt,  ich  bitt. 

Die  Sc/iäferin. 

O  Hirt,  verzeih  mir's  doch, 
Zu  schwer  ist  mir  dein  Joch, 
Schau  wie  bei  andern  Schafen 
Ich  möcht  mich  ja  vergaften. 
40         Die  Freiheit  sich  einfindt, 

Und  zwar  ohn  Sund,  ohn  Sund! 

///;■/. 
O  Schäflein  irrest  weit, 
Wannst  gehst  von  meiner  Haid, 
Wannst  fremder  Lust  nachgehest, 
45  Dich  zu  der  Welt  gesellest, 

Gerathest  in  die  Sund. 
Noch  heut  ganz  blind,  ganz  blind. 

Scßiäferin. 

O  Hirt,   lass  mir  ein  Freud 
Nur  auf  ein  kurze  Zeit : 
50         Bei  deinen  stillen  Herden 

Ist  nichts  als  nur  Beschwerden, 
Drum  such  ich  Lustbarkeit 
Und  zwar  nur  heut,  nur   heut. 

Verirrter  Eigensinn, 
55  So  nimm  den  Abschied  hin. 

Die  Schäferin  tritt  ah. 

Noch  heut  wirst  du  zumalen 
In  Sund  und  Laster  fallen  : 


41 

Die  Unschuld  steht  in  Gfahr 
Ohne  Freude  immerdar. 

Der  Hirt  tritt  ab,   der  Teufel  auf. 

Der  Teufel. 

60     Ha,    ha,   jetzt    hat    sich    eine  Seel    von  Gott    ab- 

gwendt 
Und  hat  sich  auf  meine  Seiten  gelenkt : 
Das  freut  mich  sehr  über  die  Massen, 
Dass  sie  sich  hat  verführen  lassen 
Von  Gott  und  seinem  Himmelreich 

65     Und  stellt  sich  zu  uns  Teufeln  gleich. 

Jetzt  will  ich  erst  mein  Fleiss  nicht  sparen, 
Recht  übel  will  ich  mit  ihr  verfahren. 
Mit  unsittlicher  Lieb  will  ich  sie  so  sehr  vergiften, 
Und  alles,  was  ich  nur  immer  denken  kann,    will 

ich  an  ihr  stiften. 

70     Ich  will  sie  bringen  also  weit, 

Dass  sie  sich  begibt  in  alle  Welt-Eitelkeit : 
Alsdann  will  ich  ihr  Belohner  sein 
Und  will  sie  bringen  in  die  Höll  hinein, 
Allwo  sie  ihre  Sündenschuld  allein 

75     Bei  uns  Teufeln  wird  müssen  bezahlen  fein. 

Der  Teufel  tritt  ab. 
Der  Jäger  tritt  attf. 

Der  Jäger. 

Ich  bin  ein  Jäger  auf  grüner  Haid, 

Das  ist  ja  meine  grösste  Freud, 

Damit  vertreib  ich  mir  die  Zeit. 

Komm  ich  in  grünen  Wald, 
80     Da  hab  ich  meinen  Aufenthalt ; 

Da  thu  ich  mein  Hörnlein  blasen 

Zur  Freud  der  Fuchs  und  Hasen. 

Steck  ich  Feder  und  Gamsbart  auf  mein  Hut 

Und  bin  allzeit  ein  lustiges  Jägersblut : 
85     Damit  ich  mein  Herz  besser  in  Freuden  kann 

schwingen, 

So  will  ich  ein  lustiges  Schäferlied  singen. 


42 

Gesang. 
Ich  zwar  ein  Schäfer  bm, 
Hab  doch  ein  freien  Sinn, 
Und  ist  mein  Hirtenleben 
90  Mit  Freuden  umgeben. 

Wechsel  ich   mein  Hirtenstab,  Hirtenstab 

Für  keinen  Zepter  ab  : 

Ich  verlang  für  meinen  Lohn 

Mir  keine  Krön. 

05   In  der  Früh,   wenn  die  Sonn  aufgeht 
Und  der  Thau  im  Gras  da  steht, 
Treibe  ich   mit  Freuden  all 
Alle  Schäflein  von  dem  Stall 
Auf  die  grün'  Wiesen  hin.  Wiesen  hin 
100  Wo  ich  alleinig   bin, 

Denn  in  der  Einsamkeit 
Hab  ich  mein  Freud. 

Schau  ich  in  Wald  hinein, 

Ist  alles  lustig  drein, 
105   Springen  die  Hirsch  und  Reh 

Fröhlich  in  d'  Höh. 

Bald  kommt  ein  Fuchs  daher,  Fuchs  daher, 

Dort  tanzt  ein  wilder  Bär : 

Alles  was  ich  ansich 
TIC  Erfreuet  mich. 

Kommt  mir  ein  Hunger  an, 
Treib  ich  mein  Herd  hindan. 
Darnach  man  gleich   umschaut 
Wo  man  Rüben  baut. 
1 1 5  Zieh  mir  etliche  Rüben  aus,  Rüben  aus, 
Da  hab  ich  mein  Schmaus, 
Iss  ein  schwarz'  Brod  dazu 
In  süsser  Ruh. 

Oder  ich  steig  in  Garten   hinein 
120   Um  etliche  Aepfelein, 

Schüttl  ich  sogar  vom  Baum 
Dorten  Zwespen  herab. 


43 

Sie  sagen:   Nimm's  nur  hin,   nimm's  nur  hin! 
Weil  ich  der  Schäfer  bin : 
125   Sie  geben  mir's  zum  Lohn, 
Ich  trag's  davon. 

Und  wenn  ich  durstig  bin 
Treib  ich  zum  Brunnquell  hin, 
Lass  trinken  nach  Begierd, 
130  Trink  selbst  als  Hirt. 

Darnach  ich  meine  Schäflein  wasch,  Schätlein  wasch, 
Oder  ich  greif  in  die  Tasch, 
Zieh  Käs  und  Brod   herfür, 
Das  schmecket  mir. 

135   Wurd  mir  die  Zeit  zu  lang 

Sing  ich  ein  Schäfersgsang, 

Dies  vertreibt  vom  Herz 

All  bittern  Schmerz. 

Oder  ich  spiel  auf  mein  Feldschalmei,  Feldschalmei, 
1 40  Dies  macht  mich  sorgenfrei : 

Nichts  lieb  ich  also  frei 

Als  die  edle  Schäferei ! 

Mein'  Hund,  das  muntre  Thier, 

Hab  ich  allzeit  bei  mir ; 
145   Wenn  ich  wach  oder  schlaf, 

Hut'  er  mir  die  Schaf: 

Er  macht  mir  oft  manchen  Spass,   manchen  Spass, 

Wenn  ich  im  Schatten  sass. 

So  wie  ich  ihm  pfeife  für, 
150   So  tanzt  er  mir. 

Zur  Nacht,  da  treib  ich  hinein, 
Was  kann  doch  Schönres  sein, 
Zähl  ich  mit  Freuden  all 
All  Schäflein  in  dem  Stall. 
155   Darnach  leg  ich  mich  zur  Ruh,  mich  zur  Ruh 
Und  schliess  mein  Augen  zu. 
Was  kann  Vergnügters  sein 
Für  mich  allein? 


44 

Spruch. 

Ja  lustig  ist  auch  das  Jägerleben  : 
i6o  Ums  Wildbret  thut's  brav  Geld  abgeben: 

Lustig  ist's  im  grünen  Wald, 

Wo  erst  mein  Stutzen  knallt ; 

Und  wo  der  Schildhahn  balzt 

Hab  ich  mein  Aufenthalt. 
165  Jetzt  werd  ich  mich  auch  um  eine  schöne  Schäferin 

umschauen, 

Damit  ich  mich  kann  erfreuen  auf  grüner  Auen. 

Der  Jäger  tiitt  ab. 

Die  Schäferin  tritt  auf. 
Die  Schäferin . 

Ich  bin  eine  Schäferin  auf  grünem  Feld 

Und  tracht  nach  Lust  und  Freud'   dieser  Welt. 

Denn  weit  schöner  ist's  in  Freuden  leben, 
170  Als  die  Tag  in  der  Traurigkeit  verzehren. 

Man  isst  und  trinkt,  man  pfeift  und  singt, 

Man  hat  allerlei  Saitenspiel 

Und  andere  Kurzweil  viel : 

Und  ich  sollt  dies  nicht  geniessen? 
175  Das  fiel  mir  viel  zu  schwer: 

Ei,  so  will  ich  mich  recht  ergötzen, 

In  den  weltHchen  Freuden  meine  Zeit  vertreiben 

Und  meinen  Sinnen  lassen  einen  freien  Lauf. 

Gesang. 

Ich  bin  und  bleib  eine  Schäferin  allezeit, 
180  Weil  mich  auf  dieser  Welt  besser  nichts  freut. 
Ich  mir  auf  grüner  Au 
Fin  schönes  Hüttlein   bau', 
Und  weide  ganz  allein 
Die  Schäflein  mein. 


'D 


Wann  sich  der  Tag  zu  zeigen  anfangt, 
Die  strahlende  Sonn  am  Himmel  prangt, 


45 


So  öffne  ich   den  Stall, 
Treib  ich  die  Schäflein  all' 
Mit  grösster  Lust  und  Freud 
190  Auf  grüne  Haid. 


Wenn  das  Lerchlein  seine  Flügel  schwingt 
Und  seine  Stimm  in  den   Wolken  erklingt, 
So  ich  in  meine  Taschen  greif, 
Spiel  mir  auf  und  pfeif: 
195   So  gibt's  den  Widerhall 
Durch  Berg  und  Thal. 

Wenn  sich  der  Tag  schon  neiget  zum  End 
Und  die  Sonne  ihre  Strahlen   von  der  Erde  wen  dt, 
So  treibe  ich  allgemach 
200  Meine  Schäflein  nach  und  nach 
In  meine  Hütten  ein, 
Bald  gross,  bald  klein. 

Wann   die  Sonn   an  die  Berg'  anlangt. 
Und  die  Nachtigall  zu  schlagen  anfangt, 
205   So  leg  ich  mich  ins  Gras, 

Ist  ja  vom  Thau  schon  nass : 
Schliess  ich  die  Augen  zu 
In  süsser  Ruh. 

Der  Engel  tritt  auf  und  spricht: 

Schäferin  !  folge  meinem  Rath  und  bleib  bei  deinem 

210  Hirten:    alle  weltlichen  Freuden  dauern    nur    eine 

kurze  Zeit,  darnach  folgt  ewiges  Leid.     Was  thut 

dann    dein    treuer    Hirt?      Für    kleine    Schmerzen 

wird  er  dir  schenken  die  ewige  Freud. 

Die  Schäferin. 

Das  Joch  ist  mir  zu  schwer, 
215   Ich  kann  es  nicht  ertragen, 

Denn  auf  seiner  Weid  ist  wenig  Freud  zu  erfragen : 
Darum  wend  ich  mich  von  ihm 
Zu  andern  Herden  hin. 


46 

Der  Engel  tritt  ab.     Der  j^äger  klopft  an  die  Thi'tr.   tind  die 
Schäferin  singt: 

Die  Schuf eriit. 

Holla,  wer  ist  da  draus,  wer  klopfet  an? 
220  Was  willst  du   haben,  o  fremder  Mann  ? 

Hättst  dich  sollen  bei  Tag  umschauen : 

Du  weisst,  dass  die  Porten  verschlossen  ist  schon. 

Ich  bin  hier  ganz  allein 

Und  lass  niemand  herein. 
225   Fremdling,  lass  mich  mit  Fried, 

Ich  kenn  dich  nit. 

Der  Jäger  singt  ausser  der  Thür : 

O  werthe  Schäferin,  thu'  nicht  erschrecken, 
Ein  frischer  Schäfersmann  steht  vor  der  Thür, 
Weil  sich  der  helle  Tag  hat  ganz  verdunkelt ; 
230  Komm  Allerschönste,   eröffne  du  mir, 
Lass  mich  zu  dir  hinein, 
Ich  will  dir  dankbar   sein, 
Weil  ich  den  Namen 
Als  Schäfer  führ. 

Schäferin. 

235  Bist  du  ein  Schäfer  und  liebest  die  Auen, 

Was  gehst  du  so  spat  herum?    Ist  das  die  Treu? 

Sollst  du  nicht  besser  dich  um  dein  Schäflein  um- 
schauen ? 

Du  weisst^  dass  den  Wölfen  zu  trauen  nicht  sei. 

Ich  lass  dich  nicht  herein, 
240  Mögst  ein  Ausspäher  sein: 

Für  mich  ist's  besser," 

Ich  bleib  allein. 

Jäger. 

Ich  bin  nicht  kommen,  dich  auszuspionirn, 
Sondern  die  späte  Nacht  zwingt  mich  zu  dir. 
245   Lass  mich  die  heutige  Nacht  bei  dir  hier  wohnen; 
Morgen,  wanns  Tag  wird,  geh  ich  wieder  von  dir, 


47 

Sonst  niöcht  ein  wildes  Thier 
Mich  aufzehren  hier. 
]^ass  mich  nicht  Hegen   hier 
250   Vor  deiner  Thür. 

ScJuiferin . 

Ich  bin  nicht  von  Eisen,  ich  will  mich  erbarmen ; 
Komm,  komm,  o  Schäfer,  ich  öffne  die  Thür, 
Ich  hab  ja  schon  öfters  behalten  ein  Armen : 
Ich  will  dir  vergönnen  ein  Oertlein  zur  Ruh. 
255    Bei  mir  leidst  auch  kein  Noth, 
Kannst  essen  Käs    und  Brod, 
Morgen,  wanns  Tag  wird, 
Gehst  wiederum   fort. 

Der  Jäger  tritt  ein. 

Ich  leide  kein  Hunger  nicht,  ich  bin  schon  zufrieden, 
260  Denn  deine  Gegenwart  speist  mich  schon  ab. 

Mein  Herz  hat  öfter  nach  dir  gestrebet, 

Weil  ich  nur  einmal  die  Gnad  von  dir  hab'. 

Jetzt  sein  wir  ganz  allein  : 

Du  sollst  mein  Schäfrin  sein, 
265   Ich  will  dich  lieben 

Bis  in  das  Grab. 

O  schönste  Schäferin  sei  gegrüsst ! 

Was  machst  du  ganz  allein  auf  diesem  Platz? 

Schäferin. 

Schön  Dank,  mein  lieber  Schäfersmann, 
270   Dass  ich  dir  es  ja  sagen  kann; 

Ich  bin  ein'  Schäferin  auf  grünem  Feld 
Und  tracht  nach  Lust  und  Freuden  dieser  Welt. 
Ich  hab  mich  auch  besonnen  ein  Hirten  zu  erwählen, 
Der    mir    kann   allerlei    Freud    und    Lustbarkeiten 

vorstellen. 

Jäger. 

275   Was  sprichst,  mein  liebes  Herzerl? 

Bei  mir  ist  allezeit  erlaubt  Freud  und  Lust! 


48 

Man  putzt  sich  auf  gar  schön  und  zart, 
^lan  tanzt  und  singt  auf  manche  Art, 
Man  hat  alle  Freuden,  Musik  und  Saitenspiel 
280  Und  andere  Kurzweil   viel. 
Man  isst  und  trinkt, 
Man  pfeift  und  singt : 

Ja  was  das  menschliche  Herz  nur  wünschen  kann, 
Ist  bei  mir  zu  treffen  an. 

Schäferin . 

285    Der  Schluss  ist  gemacht, 
Ich  hab  es  betracht, 
Ich  geh  zu  dir  und  deiner  Herd. 

j^äo-cr  singt: 
O  werthe  Schäferin  der  Schäferei, 
Sag  wie  dein  Herz  gegen  mir  beschaffen   sei, 
290  Ob  du  aufrichtiglich 

Und  beständig  liebest  mich 
Und  bleibst  mir  treu. 

Schäferin . 

O  werther  Schäfersmann,  was  bildst  dir  ein, 
Meinst,  dass  ich  so  geschwind  untreu  soll  sein? 
295   Ich  bin  kein  solche  nicht, 

Die  gleich  das  Liebsband  bricht, 
Bild  dir's  nicht  ein. 

7äger. 
Wenn  es  denn  also  ist,  o  Schäferin "  werth, 
Bin  ich   vergnüget  schon,  komm  zu  meiner  Herd, 
300  Mein  Herz  zur  Morgen  gab 
Sammt  meinem  Hirtenstab 
Sei  dir  verehrt. 

Si/iäferin. 

Nun  sieh,  das  Blumenbeet  ist  schon  bereit, 
Wo  man  zu  ruhen  pflegt  auf  grüner  Haid ; 
305   Hier  ist  der  Brunnenquell 
Wo  dann  die  Schäflein  all 
Trinken  zugleich. 


49 

Jäger. 

Zu  dir  treib  ich  noch  heut  die  ganze  Herd, 
Was  kann  doch  Schönres  sein,    o  Schäfrin  werth, 
310  Da  schUessen  wir  unsre  Hütten  zu 
Und  schlafen  in  guter  Ruh, 
Bis  es  Tag  werd'. 

Schäferin. 

O  werther  Schäfersmann,  von  dir  lass  ich  nicht  ab  : 
Weil  du  mein  Herz  in   Lieb   vergnüget  hast, 
315    So  soll  das  Herze  dein 

Stets  in  dem   meinigen  sein 
Bis  in  das  Grab. 

Jäger. 
Komm   allerschönste  Schäferin,   komm 
Zu  mir,  zu  meiner  Herd. 

Beide  treten  ab. 

Der  Teufel  tritt  auf. 

Teufel: 
320  Ha,  ha^  ha,  ha,  jetzt  hab  ich  schon  betracht, 
Was  die  zwei  Verliebten  haben  gemacht: 
Jetzt  will  ich  sie  erst  recht  betrügen 
Und  sie  erst  recht  auf  meine  Seite  kriegen. 
Denn  jetzt  habe  ich  die  schönste  Gelegenheit, 
325   Dass    ich    sie   kann    anreizen    zu    aller    Sund    und 

Eitelkeit, 
Weil  sie  ihr  einen  andern  Schäfer  hat  erwählt 
Und  ihren  Gott  auf  die  Seiten  gestellt. 
Wegen  dieser  Untreu  will  ich  sie  bringen  in  d'Höll 

hinein, 
Dort  muss  sie  bei  uns  Teufeln  ewig  gefangen  sein. 

Der  Teufel  tritt  ab. 

Der  gute  Hirt  tritt  auf. 
Der  gute  Hirt: 
330  Viel  Schaf  lein  hat  Gott  in  der  Welt, 
Und  die^e  hab  ich  schon  alle  gezählt: 

Volksschauspiele.  4 


50 

Mich  gedunket,   eines  ist  nicht  hier, 

Ach,  liebstes  Schäflein,  komm  zu  mir. 

Ein  Schäflein  ist  von   meiner  Herd  entlüften 
335   Und  weidet  in  der  Eitelkeit: 

Ich  liebe  dieses  Schäflein  unverdrossen, 

Das  sich  unter  den  Wölfen  erfreut ; 

Die  Wölfe  wollen  es  alle  Augenblick  tödten, 

Ich  aber  suche  es  zu  erretten 
340  Und  aus  Lieb  will  ich  es  suchen  hier, 

Bis  ich  es  finden  werde. 

Und  wenn  ich  es  gefunden,    will  ich  es  führen  in 

meines  Vaters  Reich, 

Dass  es  sich  mit  mir  kann    erfreuen    in  Ewigkeit. 

Der  gute  Hirt  singt: 

Wo  soll  ich  mich  nun  wenden  hin, 
345   Ich  edles  Schäferskind, 

Weil  ich  muss  suchen  nun  forthin 

Ein  Schäflein,  bis  ich's  find, 

Das  gelaufen  ist  von  meiner  Weid, 

Die  mir  mein   Vater  hat  bereit 
350  In  alle  Ewigkeit. 

Ich  klopfe  hier  an  dieser  Port, 
Ach,  Freundin,  mach  mir  auf, 
In  dieser  Au  find  sonst  kein  Ort; 
Schon  lang  ich  herumlauf: 
355   Ich  bin  ganz  matt,  glaub  sicherlich. 
Die  Herberg  mir  abschlage  nicht. 
Ich  bitt  herzinniglich. 

Die  Schäferin  singt  hinter  der  Thür : 

Was  la4uft  herum  bei  später  Nacht? 
Die  Kinder  gehören  nach  Haus. 
360  Mein  Hiitt  ich  dir  nicht  mehr  aufmach, 
Magst  immer  klopfen  draus, 
Denn  ich  mich  ganz  allein  befind, 
Mögst  etwa  sein  ein  loses  Kind : 
Nein,  nein,  mach  dir  nit  auf. 


51 


Der  gute  Hirt. 
365   Ich  bin  ein  Kind  von  hohem  Stamm, 

O  werthe  Schäferin, 

Und  hab  niemand  kein  Leid  gethan, 

Ganz  fromm  ich  allzeit  bin. 

Ein  Schäflein  ich  verloren  hab, 
370  Das  muss  ich  suchen  Tag  und  Nacht 

Forthin,  bis  dass  ich's  find. 

Die  Schäferin. 
Glaub  nicht,  dass  sich  ein  fremdes  Schaf 
Hier  in  der  Au  befindt: 
Bevor  ich  dir  die  Hütt  aufmach 
37  5   Sag  mir,  wer  bist,  mein  Kind? 
Oder  wer  ist  der  Vater  dein, 
Dass  du  jetzt  schon  ein  Hirt  musst  sein, 
So  jung,   so  zart,  so  fein. 

Der  gute  Hirt. 

Mein  Vater  ist  von  Ewigkeit^ 
380  Und  ewig  währt  sein  Reich. 

Sein  eingeborner  Sohn  zugleich 

Ich  ewig  bin  und  bleib. 

O  Sünder,  merk  auf  und  mich  anhör, 

Dein  arme  Seel  ich  von  dir  begehr, 
385   Darum  bin  ich  hier,  schenks  mir. 

O  ihr  verlornen  Schäflein  all; 
Ach  wendet  euch  zu  mir, 
Wohl  zu  dem  himmlischen  Schafstall 
Ich  all  euch  hinzuführ. 
3QO  Ich  eröffne  die  Himmelsweid, 
Wo  ihr  in  alle  Ewigkeit 
Mich  sehen  könnt  allezeit. 

Spruch  des  guten  Hirten. 

Nun  will  ich  mein  Stimm  erheben, 
In  diesem  wilden  Wald 
395  Und  will  mein  Schäflein  rufen 
Mit  heller  Stimm  gar  bald. 


52 

Vielleicht  möcht  es  doch  kommen  zu  mir, 
Dass  ich  nicht  länger  dürft  suchen  allhier : 
O  Schäflein,   Schäflein,    wo  bist  du  hingekommen, 
400  Lass  dich  finden. 

Der  gute  Hirt  tritt  ab. 
Der  Pilger  tritt  atif  und  spricht: 
Ich  bin  ein  Pilger  aus  fremdem  Land, 
Die  Reis  ist  mir  ganz  unbekannt, 
Ich  bin  gerathen  in  ein  finstern  Wald, 
Wollt  wünschen,  ich  kam  zu  Ende  bald. 
405   So  wollt   ich    mich   erfreuen    ob    der    vollbrachten 

Reis. 

Jetzt  ruft  der  gute  Hirt  ausserhalb  der  Thür: 
O  Schäflein,  o  Schäflein,   wo  bist  du? 

Der  Pilger  spricht  mit   Verwunde7-ung : 
O  was  höre  ich  in    dieser  Wildniss  !     Mich    ge- 
denkt, ich  vernehme   die  Stimme    eines  Menschen 
in  diesem  Wald,  da  ich  doch  so  vermeint  hab,  in 
410  diesem    Wald    sei   nichts    als    etwa    Wolf,    Bären, 
Drachen  oder  andre  dergleichen  wilde  Thiere. 

Der  gute  Hirt  tritt  zueinend  auf. 
Der  Pilger  spricht  zu  ihm  : 

O  mein  liebstes  Kind,  wie  kommst  du  so  gar 
allein  in  diese  Wildniss  und  was  ist  denn  geschehen, 
dass  du  also  weinst? 

Der  Hirt. 
415        Ach  soll  ich  nicht  weinen  ,    da  ich  nicht  finden 
kann,  was  ich  so  eifrig  suche? 

Der  Pilger. 

Was  suchst  du  denn  so  eifrig? 

Der  Hirt. 
Mein  Herr  Vater    hat    hundert    Schafe.      Neun- 
undneunzig   sein    gar    wohl    versorgt ,    aber    das 
420  hundertste  und  zwar  das  allerliebste  ist  davon  ge- 


laufen  und  in  die  Wildniss  geratben :  dieses  suche 
ich  und  hab  es  schon  viele  Jahr  lang  gesucht,  und 
weil  ich  es  nicht  finden  kann,  so  bin  ich  so  sehr 
betrübt,  dass  ich  mir  schier  die  Augen  aus  dem 
425   Haupt  weine. 

Der  Pilger. 
Wer  bist  du  denn,  oder  wer  ist  denn  dein  Herr 

Vater  ? 

Der  Hirt. 
Mein    Herr    Vater    ist     ein     so     grosser     und 
mächtiger  wie  auch  so  reicher  Herr,    dass    er   bei 
seiner   Hofhaltung  zehntausendmal   hunderttausend 
430  Diener  hat  und  sein  Reich  hat  gar  kein  End. 

Der  Pilger. 

Wenn  denn  dein  Herr  Vater  ein  so  grosser 
mächtiger  und  reicher  Herr  ist,  was  ist  ihm  denn 
an  einem  unnützen  Schäflein  gelegen: 

Der  Hirt. 

Es  ist  ihm  zwar  nichts  daran  gelegen,  aber  seine 

435   Lieb    und  Gütigkeit    kann    den    Verlust    desselben 

nicht  verschmerzen.     Darum  hat  er  mich  geschickt, 

dasselbe  zu  suchen  und    mir   befohlen    nicht    eher 

zurückzukommen,  bis  ich  es  gefunden  habe. 

Der  Pilger. 
Hat  denn  dein  Herr  Vater  niemand  Anderen  ge- 
440  habt,  dass  er  dich,  armes  Kind,   in  das  Elend  hat 
jagen  müssen: 

Der  Hirt. 
Freilich    hat    mein   Herr   Vater    Diener    genug, 
aber  anzuzeigen ,    wie    lieb  ihm  das  Schäflein   sei, 
hat  er  mich,  seinen  eingeborenen  Sohn,  fortgesandt, 
445   dasselbe  zu  suchen. 

Der  Pilger. 
So  hätt  dein  Herr  Vater  dir  doch  sollen  etliche 
Diener    mitgeben ,    die    dir   aufwarten    thäten    und 
dir  das   Schäflein    suchen  helfen. 


54 

Der  Hirt. 
Ich  hab  ja  keine  Diener  haben  wollen,  denn 
450  ich  hab  gedacht,  wenn  mich  das  Schäflein  sehen 
werde ,  dass  ich  ganz  allein  als  der  einzige  Sohn 
des  Vaters  über  Berg  und  Thal  in  steter  Eil  und 
Müdigkeit  dasselbe  zu  suchen  herumlaufe,  so  wollt 
es   desto  freudiger  zu  mir  zurückkehren. 

Der  Pilger. 
455       Mein  Freund  !    Erlaube  mir,  dass  ich  dich  frage, 
wie  lang  wird  es  wohl  schon  sein,    dass    du  dein 
Schäflein  suchest? 

Der  Hirt. 
Von  der  Zeit  an,  dass  ich   hab    laufen   können, 
hat    mich     mein    Herr    Vater     schon    fortgesandt, 

460  das  Schäflein  zu  suchen  und  mir  nicht  einmal  eine 
Nahrung  mitgeben,  darum  muss  ich  mein  Stücklein 
Brod  nach  dem  Willen  Gottes  suchen.  Ja,  seitdem 
ich  aus  meines  Vaters  Haus  gegangen  bin ,  hab 
ich  oft  Hunger   und  Durst ,    Hitze    und  Kälte    ge- 

465  litten;  hab  oft  manche  Nacht  auf  der  harten 
Erden  unter  dem  freien  Himmel  schlafen  müssen. 

Der  Pilger. 
Hast  du  es  in  einer    so    langen  Zeit    noch    nie- 
mals gesehen  oder  wo  angetroffen? 

Der  Hirt. 
Mein  Freund  !    Mich  gedunket,  ich  hätte  es  öfter 

470  von  ferne  gesehen,  bin  aber  noch  niemals  nahe 
gekommen,  denn  so  bald  mich  das  wilde  Thier 
spürt,  lauft  es  davon  und  will  meiner  nicht  warten. 
Diese  Untreu  thut  mir  so  weil,  dass  es  mir  Wunden 
in  mein  Herz  schneidet.    Ja,  das  Schäflein  spottet 

475  meiner  und  hat  die  grösste  Freude  daran,  dass  es 
mich  so  quälen  kann.  Doch  ich  will  nicht  nach- 
lassen ,  meinem  Schäflein  nachzulaufen ,  bis  es  in 
sich  geht  und  von  ganzem  Herzen  sich  zu  mir 
bekehrt. 


55 

Der  Pilger. 

480  Mein  Kind !  Erlaube  mir,  dass  ich  dich  noch 
einmal  frage.  Wenn  dir  dein  Schäflein  etwa  sollt 
in  die  Hand  gerathen,  wolltest  du  es  nicht  strafen 
wegen  seiner  so  grossen  Untreuheit? 

Der  Hirt. 
Ach  nein,  wohl  nicht  strafen,  entgegen  wollt  ich 
485  ihm  laufen,  es  freudig    begrüssen  und    auf  meiner 
Schulter    zu    meinem    himmlischen   Vater    tragen. 
Die  ganze   himmlische  Hofhaltung    wollte   ich    zu- 
sammenrufen ,    sprechend :    erfreuet    euch   mit  mir, 
denn  ich  hab  das  Schäflein  gefunden,  welches  ver- 
490  loren  war. 

Der  Pilger. 
O  mein  Freund!  Wie  gross  ist  deine  Lieb  zu 
deinem  Schäflein.  Wenn  ein  Hund  seinen  Herrn 
so  lang  suchte,  als  du  dein  Schäflein  schon  suchest, 
so  müsste  der  Herr  den  Hund  lieben ,  wenn  er 
495  schon  von  Eisen  wäre.  Um  wie  viel  mehr  ist  das 
Schäflein  schuldig  dich  zu  ehren  und  zu  lieben, 
dass  du  es  schon  so  lang    und    so   eifrig    suchest. 

Der  Hirt. 
Mein  Freund!  Du  sollst  wissen,  dass  ich  das 
Schäflein  so  sehr  liebe,  wenn  ich  es  mitten  unter 
500  einer  Herde  Wölfe  finden  sollte,  so  wollte  ich  mich 
hinein  wagen,  um  das  Schäflein  von  dem  ewigen 
Tod  zu  erretten,  wenn  schon  mein  eigenes  Leben 
tausendmal  zu  Grund  gehen  sollte. 

Der  Pilger. 

O  mein  herzliebstes  Kind !  Vor  Mitleiden  kann 
505  ich  nicht  ein  Wort  mehr  mit  dir  sprechen,  es  müsste 
mir  mein  Herz  zerspringen.  Der  liebe  Gott  ver- 
leihe dir,  dass  du  dein  Schäflein  bald  finden  werdest, 
denn  ich  muss  mich  wieder  auf  die  Reis  begeben, 
mein  Reis  auf  die  Strassen  weiter  fortsetzen. 
510  Behüt  dich  Gott,  o  Schäfer  mein. 


56 

Der  Hirt. 
Ach   mein    Freund,  wenn  du    das  Schäflein   an- 
treffen solltest,  rathe  es    zu    mir.     IMein  Vater    im 
Himmel  wird  es  reichlich  vergelten  dir. 

Der  Pilger, 
O   mein   liebstes    Kind,    wie    erbarmst   du    mir, 
515   dass  du  wieder  allein  musst  in  diesen  Wald  hinein. 

Der  Pilger  tritt  ab. 

Der  Hirt  spricht: 
Nun  muss  ich  wieder  in  diesen  wilden  Wald 
Und  will  mein  Schäflein  rufen  mit    heller  Stimme 

gar  bald : 
Vielleicht  möcht    es    doch    kommen    zu    mir   oder 

mich  erhören 
Und  sich  doch  einmal  zu  mir  bekehren: 
520   O  Schäflein,  o  Schäflein,  lass  dich  finden! 

Der  Hirt  tritt  ab. 

Der  Jäger  und  die  Schäferin  treten  eiuf,   und  der   Teufel  schleicht 
heimlich  hinter  ihr  nach. 

Der  Jäger  itnd  die  Schaf enn  singen  zusammen : 
Stets  lustig  und  fröhlich  will  ich  leben, 
Bin  stets  vergnügt  auf  der  Haid  : 
Da  will  ich  zubringen  mein  ganzes  Leben 
In  grösster  Freud  und  Fröhlichkeit, 
525  Denn  auf  der  Welt  giebt's  allzeit  Freuden, 
Niemand  weiss  von  Traurigkeiten. 
In  meiner  Schäfersau 
Ich  mir  ein  Hüttlein  bau,  ja  Hüttlein  bau. 

Ich  bin  allzeit  voll  Lust  und  Freuden 

530  Auf  dieser  schönen  grünen  Haid, 

Wo  mein  Schäfer  (-in)   mit  thut  weiden, 
Dem  (der)  ich  versprochen  hab  die  Treu. 
Wenn  mein  Herz  vor  Lieb  thut  brennen. 
Niemand  wird  mir's  löschen  können. 

535   Als  ich  ihn  (sie)  sah,  da  schuss  ein  Pfeil  in  meine  Brust 
Voll  Freud  und  Lust 


57 

O  Schäfer  (-in),  du  bist  mein  Leben, 
O  Schäfer  (-in),  du  bist  mein'  Freud, 
Dir  will  ich  mich  ganz  ergeben 
540  Meine  ganze  Lebenszeit. 

Ich  will  dich  mit  Blumen  zieren, 

Wie    es    meiner    Schäferin    (meinem    Schäfer)    thut 

gebühren. 
Brock^s  nur  ab,  sie  schmecken  gut, 
Steck's  nur  auf  deinen  Hut. 

Jetzt  tritt  der  Engel  auf  und  spricht  zur  Schäferin: 
545    Schäferin,  kehr  um   von  deinem   Sündenstand, 

Dein    Erlöser    sucht    dich    mit    Schmerzen    schon 

lang: 
Brich  deine  Begierden  ab 
Bei  dem  matten  Hirtenstab. 

Die  Schäferin. 
Was  ist  das  für   eine  Stimm, 
550  Die    sich    untersteht    mich    zu    bringen    auf    einen 

andern  Sinn? 

Der  Jäger, 
Das  ist  nur  ein  leeres  Geschwätz, 
Welches    dich    will    bringen    von    unserem  lustigen 

Sinn. 
Schlag  dir's  nur  aus  dem  Sinn. 

Der  Engel  spricht  zur  Schäferin: 
Der  Hirt  wird  dich  selbst  begrüssen 
555   Und  persönlich  kommen  zu  dir: 

Thu  du  nur  dein  Herz  aufschliessen, 
Sieh,  dein  Erlöser  kommt  zu  dir. 

Die  Schäferin. 

Ich  lass  diese  Stimme  wohl    gehen   weit    von    mir 

hindan, 
Denn  er  geht  mich  wenig  an  \ 
560  Ein'   andern  hab  ich  meine  Treu  versprochen: 
"Was  frag  ich  nach  diesem  Schäfersmann? 

Der  EttQel  tritt  ab. 


5S 

Der  Jäger  spricht  zur  ScJiäfcrin  : 

Lass  dich  nicht  betrügen,    wenn  dich    ein  Irigeist 

lockt, 
Thu  diese  Stimm  nur  nicht  anhören,  bleib  nur  fest 

beständig  und  verstockt. 
Geh  nur  nicht  durch  die  Verwirrung  in  die  Busse 

doch, 
565   Den  Leib  zu  kasteien  ist  ein  unerträglich  Joch. 

Der  gute  Hirt  tritt   auf,    bleibt   in   einer  Entfernung  stehen 
und  spricht  zur  Schäferin : 

Nun  hab  ich  mein  Schäflein  von  weitem  erblickt, 
zu  dem  will  ich  mich  verfügen  und  es  begrüssen 
schön,  (singt). 

Irrendes  Schäflein,  der  Feind  dir  nachfahrt : 
570  Komme,  ach  komme,  gedenke  wie  hart 
Ich  dich  erwart,  ich   dich  erwart, 
Komme,  ach  komme,  gedenke  wie   hart. 

Willst  du  den  Wölfen  nicht  werden  zum  Raub, 
Also,  mein  Schäflein,  mach   dich    aus    dem  Staub, 
575   An  mich  nur  glaub,  an  mich  nur   glaub, 

Also  mein  Schäflein,  mach  dich  aus  dem  Staub: 

Denn  du  geniessest  wie  s  Gräslein  von  mir, 
Den  wahren  Lebensbrunn  findest  bei  mir. 
Und  geh  nicht  irr,  und  geh  nicht  irr, 
580  Den  wahren  Lebensbrunn  findest  bei  mir. 

Werthestes  Schäflein,  zum   Schafstall  ich   weiss. 
Siehe  wie  lange  Zeit  ich  dir   nachreis. 
Mit  grossem  Fleiss,  mit  grossem  Fleiss, 
Siehe  wie  lange  Zeit  ich  dir  nachreis. 

585   Ich    hab    dich    gesuchet    durch    Berg    und    durch 

Thal, 
Komme,  ach  komme  zurück  in  den  Stall 
LTnd  meide  den  Fall,  und  meide  den  Fall, 
Komme,   ach  komme  zurück  in  den  Stall. 


59 

Der  Hirt  tritt  näher  zur  Schäferin  und  spricht: 

O  Schäferin,    sei   gegrüsst,    wie   viel    und    lange 
590  Jahre  hab  ich  dich  gesucht  und  niemals  angetroffen. 
Ach  wie  viel  Unbild  hast  du  mir  angethan,  jedoch 
komm  her  zu  mir,   will  Alles   verzeihen  dir. 

Die  Schäferin: 
Du  gehst  mich  wenig  oder  gar  nichts  an, 
Was  frage  ich  nach  dir: 
595  Einem  andern  hab  ich  meine  Treu  versprochen, 
Welcher  besser  gefallet  mir. 
Niemand  kann  mich  von  ihm  scheiden, 
Denn  bei  ihm  ist  allezeit  Freud, 
Ergötzlichkeit  und  Lust. 

Der  gute  Hirt  antwortet : 

600  Du  sagst  ich  geh  dich  wenig  oder  gar  nichts    an, 
Bin   doch  dein   Seelenbräuti2;am : 
Ich  begehr  dich  zur  Gemahlin  mein. 
Versprich  mir  doch  ewig  treu  zu  sein. 

Die  Schäferin  ant7vortet  7?iit  trotziger  Stimm. 

Es  braucht  nicht  viel  Redens  Wort, 
605    Denn  ich  kenn  dich  nicht; 

Scher  dich  doch  einmal  fort, 

Denn  es  zeigt  dein  Angesicht 

Du  bist  verdrossen  und  betrübt : 

Ein  solcher  gar  nicht  gefallet  mir, 
610  In  einen  viel  Schönern  hab  ich  mich  verliebt. 

Der  Jäger  spricJit : 
Hör  nit  lang  an  diese  Wort, 
Welche  dich  wollen  verführen  von  diesem  Ort, 
Von  meiner  Schäferei, 

Allwo  du  hast  stets  Freud  und  Lustbarkeit. 
615   Darum,   meine  liebe  Schäferin,   folge  mir 
Und  stosse  diesen  Schäfersmann 
Mit  diesem  Schäferstab  hindan, 
Stoss  ihn  von  dir. 

Da  der  gute  Hirt  nicht  lueicht,    nimmt   sie    des  jägers  Stab    icnd 
stosst  ihn  von  sich. 


6o 

Der  gute  Hirt  voll  Traurigkeit  spricht: 
So   muss  ich  fort,   es  ist  kein  anderer  Rath  : 
620  Ach  für  das  Schaf  lein  muss  ich  sterben, 
Ich  finde  keine  Gnad. 

Der  gute  Hirt  tritt  ab. 

Der  Engel  tritt  auf  und  spricht  zur  Schäferin : 
O  Schäferin^  was  hast  du  gethan,   dass  du  diesen 
Schäfersmann  von  dir  Verstössen  hast  und  ist  dein 
Heiland   Jesu    Christ ,     den    du    mit    deiner    Sund 
625   wiederum  beleidiget  hast. 

Die  Schäferin. 
Schweig  still,  lass  mir  ein  Freud : 
Sollt  ich  bei  meiner  besten  Zeit 
Mein  Leben    so   unbescheiden    in    die    Traurigkeit 

begeben? 
Nein,  nein,   das  thu  ich  nicht. 

Der  Engel. 
630  O  Schäferin,   höre  meine  Stimm, 
Es  wird  dir  der  Tod  ankünd't. 

Der  Engel  tritt  ab.     Der  Tod  klopft  an  die   Thür. 

Die  Schäferin  singt: 
Ach  wer  ist  vor  der  Thür? 
Wer  meld't  sich  ungebühr, 
Wer  will  mit  Gewalt  eindringen, 
635    Was  wird  er  mit  sich  bringen? 
O  Fremdling  sag  an  behend: 
Was  ist  dein  Ziel  und  End? 

Der  Tod  singt  vor  der  Thi'ir: 

Memento  mori,   memento  mori  ich  sing, 

Dass  's  in  den  Ohren  klingt. 
640  Auf,  auf,  es  ist  schon  Zeit, 

Ein  End  hat  all  dein  Freud. 

O  Schäferin,  du  musst  sterben, 

Kein  Lebensfrist  erwerben, 

Dies  ist  die  Botschaft  mein. 
645   Heut  muss  gestorben  sein. 


6i 

Die  Schäferin. 

O  Tod,  o  Tod,  halte  ein  und  rede  nicht  so    viel, 
Sieh  an  wie  jung,  schön  und  zart  ich  bin, 
Dass  ich  vom  Sterben  gar  nichts  wissen   will. 

Während  desseji  tritt  der   Tod  auf  und  spricht: 

Was  Stehst  du  da  und  pflanzest  dich? 
650  Ich  will  dich  gar  bald  erhaschen. 

Du  bist  gar  bald   geputzt  für  mich, 

Ich  brauch  kein  solche  Maschen. 

Komm  mit  mir  ins  Grab, 

Alldort  ich  hab 
655  Verborgene  Kröten  und  Schlangen: 

Die  werden  dich, 

Glaub  sicherlich, 

Begehren  und  verlangen. 

Die  Schäferin. 

Ach  weich  von  mir,   ergrin^mter  Mann, 
660  Es  ist  kein  Zeit  zum  sterben. 

Du  triffst  viel  Alte  und  Krumpe  an. 

Die  schier  vor  Noth  verderben. 

Sieh  doch  voreh'. 

Wie  ich  dasteh 
665   In  blühend  jungen  Jahren, 

Wie  roth  mein  Mund 

Und  soll  jetzund 

Dich  strengen  Tod  erfahren? 

Der  Tod. 

O  du  rosenschöne  Gestalt, 
670  Anheut  musst  du  noch  allsobald 

Zu  Staub  und  Aschen  werden : 

Die  Stund  ist  schon    verflossen. 

Die  Uhr  ist  g'loflen  aus. 

Ausstehen  musst  du 
675   Den  harten  Todesstrauss. 

Die  Schäferin. 

O  Tod,  o  Tod,  o  harter  Mann, 
Höre  doch  mein  Bitten  an: 


62 

Sag  an,  was  soll  ich  dir  geben, 
Dass  du  mir  schenkst  das  Leben  : 

Der  Tod. 

680  Nichts,  nichts  hilft  dieses  Bitten, 

Denn  heut  bin  ich  einmal  dein  Gebieter : 

Verlassen  musst  du  all  deine  Güter ; 

All  Hochheit,  Ehr  und  Gunst, 

Bei  mir  ist  Alles  umsunst. 
685   Du  bist  zwar  eine  Frau  von  hohem  Stamm, 

Doch  wird  dich  der  Tod  nicht  verschon': 

Du  hattest  sollen  denken  deine  Lebenszeit, 

Dass  eine  jede  Stund  deine  letzte  sei. 

Hinein  ins  Grab  mit  dir, 
690  Dein  Ruhestatt  ist  nicht  mehr  hier, 

Dahero  geh  zur  Reu, 

Eh  ich  dich  übereil. 

Jetzt  spricht  die  Schäferin  in   Traurigkeit : 

Nun  sieh   ich,  es  hilft  wohl  nichts  dafür, 

Gestorben  muss  es  sein  allhier. 
695  Ach  jetzt  gehn  mir  erst  die  Augen  auf,    was    hab 

ich  gethan, 

Dass  ich  Verstössen  hab  mein  Seelenbräutigam  r 

Und  hab  mich  so  verkennt 

Und  in  die  Welt-Freuden  verblend't. 

Doch  will  ich  fassen  meinen  Muth 
700  Und  will  vertrauen  auf  meines  Hirten  Blut, 

Will  ihn  bitten,    dass    er    mir    meine  Sünden    ver- 
zeihen wolle. 

Der  l'cufel  tritt  vor  die  Schäferin  und  spricht. 

Dein  Bitten  und  Jammern,  dein  Seufzen  und  Klagen 
Wird  dir  nimmer  viel  tragen  •, 
Zu  spat  ist  dein  Reu, 
705    Du  musst  mit  mir  in  die  Höll  hinein, 
Und  dorten  ewig  gefangen  sein. 
Die  Buss  erst  in  dem   Tod 
Find  keine  Gnad  bei  Gott. 


63 

Die  Schäferin. 

Ist   es    dem    rechten  Schacher    am  Kreuz   doch 
710  auch  nicht  zu  spät  gewesen. 

De}-  Tetifel. 

Glaubst  du,  es  wird  dir  auch  so  g'rathen, 

Wie  es  dem  Dismas  ist  gangen  von  statten? 

Weil  Gott  ein  g' rechter  Richter  ist, 

So  kannst  mir  nicht  entgehen : 
715   Wegen  .deiner  Sünden,   glaub  mir  für  g'wiss, 

Kannst  du    vor  Gott  nicht  bestehen. 

Schau,  was  du  hast  für  ein  Leben  geführt  mit  Be- 

gierd, 

Was  Hoffart  hast  getrieben. 

So  viele  Jahr  in  Sünden  und  Lastern  hast  gelebt, 
720  Nach  Bösem   gestrebt. 

Steht  Alles  hier  aufgeschrieben. 

Der  gute  Hirt  tritt  auf  luid  singt: 

Nun  ist  die  Lust  vollbracht. 
Die  Geilheit  unbedacht: 
Mein  Herd'  wirst  nicht  mehr  finden, 
725   In  Sünden  thust  erWinden, 
Gebrochen  ist  der  Stab, 
Mit  dir  ins  Grab,  ins  Grab. 

Die  Schäferi7z  singt: 
O  Hirt,  du  höchstes  Gut, 
Ich  bitt  dich  durch  dein  Blut, 
730  Lass  doch  dein  bittres  Leiden 

An  mir,  wenn  ich  werd  scheiden. 
Dein  Kreuzes  Todes  Pein, 
An  mir  nicht  verloren  sein. 

Der  Teufel  spricht: 
Du  hast  schon  lang  genug 
735   Die  Weltfreuden  genossen: 
Jetzt  ist  die  Zeit  verflossen ; 
Falschheit  und  Betrügerei 
Ist  dem  Teufel  sein  Kramerei. 


64 

Wer  sich  vom  Teufel  lasst  verführen 
740  Kann  sich  seiner  nicht  erwehren: 

Du  musst  mit  mir  sammt  Gut  und  Bkit, 
Nichts  ist  mehr  übrig  als  die  höllische  Gluth. 

Der  gute  Hirt  singt  : 
Dort  Steht  die  Hölle  da, 
Die  du  erwählen  kannst 
745   In  Sund  und  Lasterleben, 

Die  Höll,  die  kannst  du  erben. 
Nach  eitler  Lust  und  Freud 
Die  Höll  wird  sein  dein'   Weid. 

Die  Schäferin. 

O  Hirt   so  süss  und  mild, 
750  Ich  um  Verzeihung  bitt, 

Ich  will  die  Sünden  meiden, 
Nimm  mich  in  deme  Haiden : 
Ich  will  dich  nimmermehr 
Beleidigen  so  schwer. 

Jetzt  spricht  der  Teufel  zum  guten  Ilirteti : 
7  55   ^Vas  willst  du  dich  noch  lang  bedenken, 

Willst  vielleicht  ihr  noch  Gnade  schenken: 

Ergreife  das  Rachschwerdt 

Und  schlage  drein  mit  Donner  und  Blitz, 

Dass  es  erschrecklich  ist, 
760  Denn  diese  Sünderin  ist  so  vermessen: 

Hat  deine  Güte  ganz  vergessen : 

Sie  ist  unwürdig  deiner  Gnad. 

Ich  bin  nur  einmal  gefallen 

Und  muss  es  doch  auf  ewig  bezahlen 
765   Ohne  Aufhören  und  Erlösung, 

Und  diese  Sünderin  ist  so  boshaft  gewesen, 

Hat  dein  Gesetz  mit  Füssen  getreten. 

Verurtheile  sie  bald 

Wegen  ihrer  Schuld  und  Missethat : 
770  Nicht  lange  mehr  verschiebe, 

Die  Räch  ausübe, 
.  Verstösse  diese  Sünderin,  die  so  boshaft  gehandelt 


65 

Und  so  gottlos  gewandelt, 
Stürze  mit  deiner  Hand  das  Höllenband 
7  75   Auf  ewig  zu  uns  in  unser  höllisches  Land. 

Jetzt  spricht  der  Jäger  zttr  Schäferin: 

Nicht  so  schwarz  ist  der  Teufel,  wie  er  hier  vor- 
gestellt ist. 

Glaube  diesem  Propheten  Adam  nichts. 

Schönste  Frau,  von  mir  nicht  weich,  halt  dich  stets 

bei  meiner  Fahn, 

Die  Buss  erst  im  Tod  nimmt  Gott  auch  nicht  an. 

Die  Schäferin  spricht  zum  Jäger: 

780  Weich  von  mir,  du  Seelenfeind, 
Ich  behalt  mein'   Schäfersmann. 

Der  Jäger. 

Wie  kannst  du  das  Band  zerbrechen, 
Mit  dem  du  gefesselt  bist ! 
Du  hast  mir  deine  Treu  versprochen, 
785   Darum  weiche  ich  jetzt  nicht. 

Die  Schäferin. 

Ach  weiche  und  gehe, 
Dass  ich  dich  nicht  sehe : 
Ja  weil  du  mich  hast  verführt, 
Ist  meine  Seele  in  Tod  betrübt. 

Der  Jäger. 

790  Ich  weich  jetzt  schon  von  dir, 
Du  giebst  den  Abschied  mir. 

Die  Schäferin. 

Ach   hätte    ich    deine    verführerischen    Gedanken 

ehedem  gewusst! 

Der  Jäger. 
Warum  bist  du  so  vorwitzig  gewesen? 
Der  Jäger  tntt  ab. 

Volksschaiispiele.  5 


66 


Die  Schäferin  verspricht  sich  dem  guten   Hirten  und 
singt  weiter: 


O  Hirt,   was  hab  ich  gethan, 
795  O  werther  Seelenschatz, 

Dass  ich  dir  nicht  eh  hab  aufgemacht: 

Bei  mir  du  findest  Platz. 

Mein  Herz  ich  dir  öffnen  thu, 

Darin  du  wollest  suchen  Ruh. 
800  Ich  bitt,  abschlag  mir's  nicht. 

Der  gute  Hirt. 

Du  bist  das  Schaf,  das  ich  gesucht 
AUhier  auf  dieser  Erd; 
Nur  fleissig  mir  nachfolgen  thu, 
Von  mir  weich  nimmermehr. 
805   Ich  will  eröffnen  die  Himmelsport 
Und  dich  mit  Freuden  führen  fort 
Von  hier  ewig  zu  mir. 

Die  Schäferin. 

O  Hirt,  dir  sei  ewig  Dank, 
O  werther  Seelenhirt, 
810  Dass  du  mich  hast  gesucht  so  lang: 
Ich  weich  nicht  mehr  von  dir. 
Ich  will  dich  loben  allezeit 
Mit  Beten,  Singen,  allbereit, 
Bis  ich  von  hier  abscheid. 

yetzt  spricht  der  Teufel  zur  Schäferin: 

815   Nichts,  nichts  hilft  dieses  Bitten, 

Niemand  kann  dich  aus  meiner  Hand  erretten. 

Der  gute  Hirt. 

Ich  kann  und  will  das  Schäflein 
Aus  deiner  Hand  erretten. 

Der   Teufel. 

Ist  nicht  wahr,  du  sagst  du  bist  ein  gerechter  Richter 

und  willst  die  Sünder  strafen, 
820  Jetzt  willst  du  ihr  noch  das  Himmelreich  verschaffen. 


67 

Ach  nein,  das  kann  nicht  sein  und  wird  auch  nicht 

geschehen : 
Schau,  so  viel  Sünden  hat  sie  begangen,  als  hier 

aufgeschrieben  stehen. 
Und  du  willst  sie  noch  nehmen 
Zu  dir  in  Gnaden  auf? 
S25  Ach  nein,  das  kann  und  wird  auch  nicht  geschehen. 

Der  gute  Hirt. 

Satan,  was  haltest  du  mir    die  Gerechtigkeit    vor? 
Denn  in  welcher  Stund  sich  der  Sünder  von  ganzem 

Herzen  zu  Gott  bekehret, 
So  wird  auch  seine  Bitt  erhöret. 
Satan,  du  hast  diesmal  nicht  Macht  das  Schäflein 

zu  rühren  an. 

Der  Teufel. 
S30  Ah,  weiter  wohl. 

Der  Hirt. 
Pack  dich  hinweg ! 

Der  Teufel. 
Ich  geh  nit. 

Der  Hirt, 

Pack  dich  hinweg,  du  Höllengespenst, 
Ich  geb  dir  das  Urtheil  und  Cadenz. 

Der  gute  Hirt  treibt  den   Teufel  ab  und  tritt  auch  selbst  ab. 
Die  Schäferin  singt  das  Reuelied. 

^35  O  Jesus,  mein  Gott! 

Mein  Hochmuth,  Räch  und  Zorn 

Hat  dich  gekrönt  mit  Dorn, 

Hat  dich  verspott't : 

Dir  hat  ein  Kreuz  aufg'legt 
840  Mein'   Ungeduld. 

O  Herr,  es  reuet  mich, 

Dass  ich  beleidigt  dich, 

Ich  sag  mein'  Schuld. 


68 

O  Jesus,  mein  Gott ! 
845  Deine  Barmherzigkeit 

Unendlich  ist  allezeit. 

Sieh  an   m.eine  Noth, 

Nicht  aber  mein  Sund  und  Missethat. 

Dass  ich  in  wahrer  Reu 
850  Bis  in  den  Tod  beständig  sei, 

Verleih  mir  Gnad. 
O  Himmel,   erbarme  dich  meiner,   sieh  nicht  an 
meine  Sünden,  sondern  mein  reumüthiges  Herz. 

Jetzt  tritt  der  Engel  auf  und  spricht  zur  Schäferin  -. 

Schäflein,  willst  du  noch  Gnad  erlangen, 

855   So  fall  deinem  Hirten  zu  Füssen: 

Wisch  ihm   sein'  Blutschweiss  ab. 

Eh  dir  der  Tod  das  Herz  abstosst, 

Und  dich  wirft  in  das  Grab. 

Der  Engel  tritt  ab  und  der  gute  Hirt  auf  mit  Krone, 
Ruthe,   Geis  sei  und  Kreuz. 

Die  Schäferin  spricht  zu  ihm: 

Nun  seh  ich,  mein  Schäfer  kommt  zu  mir, 

860  Und  ist  erschrecklich  zugericht 

Sein  göttliches  Angesicht. 

Das  haben  meine  Sünden  angethan, 

O  schönster  Bräutigam. 

Die  Schäferin  kniet  nieder. 

Sieh,  ich  falle  dir  zu  Füssen  : 
865    Mit  Blutzähren  will  ich  dich  begrüssen 
Und  abwaschen  den  Blutschweiss. 
Alle  Pracht  ich  nun   verfluche  da. 
Der  Welt  sag  ich  gänzlich  ab  und  mit  der  Magdalena 
Will  ich  bitten  um  Vergebung  aller  meiner  Sünden. 

Der  gute  Hirt  spricht: 
870  Wo  ist  die  Prob  deines  Versprechens?     Zeige  mir 

es  im  Werk. 

Die  Schäferin. 
Zur  Prob  will  ich  nehmen 
Von  deinem  Haupt  die  dörnerne  Krön 


69 


Und  will  damit  mein  Haupt  bekrönen, 
Der  Hoffarth  zu  meinem   Lohn. 
875   Ruthen  und  Geissein  sollen  mir  dienen 
Für  die  fleischliche  Begierlichkeit, 
Und  das  Kreuz,  das  will  ich  tragen 
Und  dich  lieben  in  Ewigkeit. 

Der  gute  Hirt  singt: 

So  kehr  nun  wieder  um 
880  Und  leb  hinfüro  fromm, 

Gesell  dich  zu  meinen  Schafen ; 
Will  dir  ein  Oertlein  schaffen 
Dort  in  der  Himmelsfreud 
Bei  Gott  in  Ewigkeit. 

Der  gute  Hirt  7iimmt  die  Schäferin  bei  der  Hand 
7ind  spricht: 

885   Steh  nur  auf  mein  liebes  Kind, 
Gott  verzeiht  dir  all  deine  Sund, 
Komm  nur  her  in  die  Himmelsfreud 
Bei  Gott  in  Ewigkeit. 

Beschlusslicd. 

O  Mensch,  hast  nun  vernommen 
890  Des  Schäfers  grosse  Lieb, 

Weil  er  vom  Himmel  ist  kommen 
Zu  suchen,  o  Sünder,  dich. 
Darum  betracht  die  Lieb, 
Fall  deinem  Gott  zu  Füssen, 
895  Weil  er  erlöst  hat  dich. 

O  Sünder,  thu  nacheilen 
Dem  edlen  Schäfersmann, 
Er  kann  dir  ja  ertheilen 
Was  dorten  ewig  währt. 
900  Die  Freud  und  Seligkeit 

Hast  ewiglich  zu  hoffen 
In  alle  Ewigkeit. 


70 

So  wollen  wir  beschliessen 
Allhier  zu  dieser  Frist, 
905  Weil  Heil  wird   dir  entspriessen 

Daraus,  du  lieber  Christ. 
Dein  Schäfer  lieb  allzeit, 
So  wird  er  dich  einführen 
In  die  ewige  Himmelsfreud  1 


DAS  KRIPPELSPIEL. 


I 

PERSONEN, 

I 

Maria. 

Joseph. 

Ein  Engel. 

Ein  Scherge. 

Ein  Wirth. 

Ein  Handwerksmann 

Hansel 

Simandl    >  Hirten. 

Woferl 

König  Herodes. 

Dessen  Bedienter. 

Caspar        1 

Melchior      >  die  drei  Könige. 

Balthasar    j 

Ein  Schriftgelehrter. 

Der  Tod. 

Der  Teufel. 


•^ 


Der  Engel  geht  hhiein  und  sagt  : 

Ich  tritt  herein  am  Abend  spat: 
Einen  guten  Abend  geb  euch  Gott, 
Einen  schönen  guten  Abend,  eine  freudenreiche  Zeit, 
Wie  es  Gott  der  Herr  vom  Himmel  geit. 
5     Ehrsame,  wohlweise  grossgünstige  Herren ! 
Wie  auch  tugendsame  Frauen  und  Jungfrauen  1 
Wenn  wir  Erlaubniss  haben,  in  Ehren 
Ein  geistliches  Krippelgspiel  zu  heben  an. 
Wollen  Sie  solches  hören  in  guter  Ruh, 
IG     So  tragens  Geduld  und  hören  uns  zu. 

Maria  geht  hinein  und  sagt: 

Ach,  mein  Erschaffer  und  mein  Gott, 
Hilf,  dass  ich  halte  dein  Gebot, 
Hilf,  dass  ich  Alles  kann  lassen, 
Alles,  was  Gott  thuet  hassen. 
15     Dem  höchsten  Herrn  Himmels  und  der  Erden 
Ach  kunnt  ich  doch  sein  Dienerin  werden; 
Tag  und  Nacht  will  ich  mich  latiren, 
Mit  weissen  Rosen  mich  schön  formiren, 
Die  meiner  Keuschheit  thun  gebühren. 

Der  Engel  geht  hinein  zu  Maria  und  singt: 

2  o     Maria  sei  gegrüsset ! 

Gott  sendet  mich  allher. 

Mit  Gnaden  dich  zu  begrüssen : 

Mit  dir  ist  Gott,  der  Herr. 

Du  bist  gebenedeit 
25     Und  über  alle  Weiber 

Gesegnet  und  befreit. 


74 

Maria  singt: 

Wie  soll  ich  dich  verstehen? 
Ich  erkenn  ja  keinen   iVlann, 
Darum  wie  soll  es  geschehen 
30         Ich  nicht  erkennen  kann. 

Der  Engel  singt: 

Maria,   sorg  dich  nicht, 

Denn  du  hast  Gnad'   empfangen 

Vor  Gottes  Angesicht: 

Messiam  sollst  du  empfangen 
35  In  deinem  reinen  Leib, 

Nach  dem  stets  gross  Verlangen ; 

Ach  du  gebenedeites  Weib ! 

Er  kommt  von   Davids  Stammen ; 

Nachdem  du  ihn  geboren, 
40  Soll  Jesu  heissen  sein  Namen. 

Maria  singt: 

Ich  kann  dies  nicht  fassen : 
Ich  bitte  Gott  dabei, 
Er  sollt  mir's  wissen  lassen, 
Was  doch  sein  Willen  sei. 

Der  Engel  singt: 

45  Maria  sorg  dich  nicht. 

Der  heilige  Geist  wird  wachen, 
Dass  Alles  recht  geschieht. 

Maria  singt: 

Wann's  denn  so  soll  ergehen, 
Wie  du  mir  jetzt  hast  gesagt, 
50         So  lass  ich  es  geschehen  ; 
Ich  bin  des  Herren  Magd, 
Mir  geschehe  nach   deinem  Wort. 

Der  Engel  singt: 

Weil  ich  das  von  dir  hör. 

So  schwing  ich  mich  mit   Freuden  fort. 

Der   Engel  geht  fort. 


75 

Maria  sagt: 

55     Ich  danke  dir  um  deinen  Sohn, 
Den  ich  im  Leib  empfangen  han : 
Ich  bitte  dich,  lehre  mich  in  Allen, 
Dass  ich  kann  dienen  nach  sein'   Gefallen. 

Maria  geht  hinaus. 

Joseph  geht  hinein  und  sagt: 

Nicht  genug  kann  ich  verwundern  mich : 
60     So  oft  als  ich  Mariam  ansich, 

Ich  bin  betrübt  wohl  also  sehr; 

Mich  dunkt,  als  ob  Maria  schwanger  war. 

Ach,  mein  Gott,  wie  muss  's  lauter  sein  hergangen. 

Von  mir  hat  sie  wohl  nicht  empfangen. 
65     Jetzt  hab  ich  sie  in  Willen  zu  verlassen 

Und  mich  begeben  in  ein  andre  Strassen ; 

In  das  Judenland  will  ich  mich  verfügen, 

Werd  schaun,  wo  ich  ein  Zimmerarbeit  kann  kriegen. 

Der  Engel  geht  hinein  zu  dem  Joseph  und  sagt: 

Joseph,  du  Sohn  Davids,  hör  mich  an : 
70     Gott  hat  deinen  Willen  schon  verstanden. 
Von  Maria  weich  nicht  ab. 
Denn  es  ist  Gottes  Segen  da. 

Der  Joseph  sagt: 

Ei;  wenn's  also  ist,  so  weich  ich  wohl  nicht  ab. 
Aber  wie  wird's  mir  armen  Tropf  ergehen  ? 
7  5     Wie  werd  ich  bei  meiner  Maria  bestehen  ? 
Aber  sie  ist  ganz  sanft  und  demüthig; 
Ich  werd  mich  zu  ihren  Füssen  legen, 
Sie  wird  mir  meine  Schuld  vergeben. 

Maria  geht  hinein  zum  Joseph. 

Der  Joseph    kniet  nieder   tmd  sagt: 

Mein  Maria,  verzeih  mir  doch, 
80     Weil  ich   dich  hab  betrübt  so  hoch : 

Ich  hab  dich  gehabt  in  Willen  zu  verlassen, 
Mich  zu  begeben  in  ein  andre  Strassen. 


76 

So  weil  mir  der  Engel  von  Gott  hat  erzählt, 
Dass  du  sollst  gebären  den  Heiland  der  Welt, 
85   Verzeih  mir  doch,   Maria  rein, 

Hinfüro  will  ich  dein  getreuer  Diener  sein. 

Maria  sagt: 
Joseph  steh  auf, 
Deine  Schuld  sei  dir  vergeben. 

yoseph  und  Maria  singen: 

Sei  es  Gott  gelobt  im  höchsten  Thron, 
90  Dem  Vater  und  sein'  einigen  Sohn ! 
Und  den  ich  hab  empfangen 

Hat  angenommen  Leib  und  Seele, 
Als  wie  die  Altväter  in  der  Hölle 
Sie  erwarten  mit  Verlangen. 

95  Ja,  alle  Welt,  die  Engelein  auch, 
Und  alle  Stern  des  Himmelslauf, 
Sie  werden  ihm  aufwarten. 

Die  klare  Sonn  wird  ihn  begrüssen 
Und  sich  legen  zu  den  Füssen 
100  In  dem  Himmelsgarten. 

yoseph  tind  Maria  gehen  hinaus. 

Der   Woferl  spriftgt  herein  und  singt: 

Hutscha,   scha,   scha ! 

Hei,  dort  oben  auf  der  grünen  Alm, 

Dort  steht  a  schöner  grüner  Waldstock. 

Dabei  will  i  mi  niedersetzen 
105   Und  will  flicken  mein  z'rissnen   Rock. 

I  han  wohl  an  Faden, 

Die  Nadl  steckt  auf  dem  Huet, 

Hat  mir  gliehen  unser  Nachbardirn, 

Zum  Flicken  ist  die  Nadel  guet. 
110  I  wix,  i  wax  den  Faden 

Und  mach  ein  Knopf  daran, 

Dass  unser'  Wirthin  Nana  weiss 

Dass  i  brav  flicken  kann. 

Meine  Schaflein   gehn  schon  grasen, 


77 


115       Der  Stutzl  geht  a  so  sehr. 

Heidi,  heidu,  mein  wide  wude  wuz ! 
Kimbt  mir  a  ein  Wolf  daher. 

Der  Hansel  springt  hinein  zti  dem    Woferl  itnd  sagt: 

He,  Bruder,  dass  di  der  Gugu  hol, 
G'halt  dir  deine  schlimmen  Wanzen  wohl. 
120       Darf  i  nit  a  fragen  was  du  thuest? 

Der  Woferl  sagt: 

Hei,  dass  du  na  Alls  derwissen  muesst! 

Der  Hansel  sagt: 

He  Bruder  Düppel,  zürn  di  nit, 
I  sing  a  eins   mit. 

Der   Woferl  sagt: 

Sing  eins,  meinethalbn, 
125        Wie's  zuegeht  auf  der  Alm. 

Der  Hansel  sagt: 
Sing  nur  fort,  han  den  Ton  schon  g'fasst. 

Der  Hansel  und  der  Woferl  singen: 

Morgen,  wann  wir  auf  die  Alm  reisen 
Giebt  uns  die  Brantlerin  a  Buttermaisen : 
Buttermaisen  ist  noch  nit  gnue, 
130       A  rahmete  Milch  g'höret  a  dazue. 

G'fallt  der  Brantlerin  das  Pfeifen  so  wohl. 
Tritt  sie  die  Schuh  durch  bis  auf  die  Sohl; 
Zu  Morgens  wann  die  Sonn  aufgeht, 
Simandl  auf  der  grünen  Haiden  steht. 

135        Ist  auf  der  Alm  mein  bester  G'span, 
Dass  i  kein  andern  nit  lieber  han ; 
Macht  er  seine  krumpen  Sprung, 
Trutzt  er  andren  Buebma  allhin ! 

Der  Simandl  springt  hinein  tmd  sagt: 
Hutscha,  ha,  ha ! 


78 

und  singt: 

140  Ich  weide  meine  Schaf  lein  auf  einer  grünen  Haid. 
Juche  und  abermal, 
Das  war  mein  grösste  Freud. 

Hör  ich  ein  schönes  Schäfergsang, 
Tuche  und  abermal 
145   In  einem  Waldesgang. 

Ging  ich  vor  meines  Nachbars  Thür, 

Juche  und  abermal, 

Der  Zaun  war  mir  dafür. 

Mach  mir  dabei  kein  Grand'l  Graus, 
150  Juche  und  abermal. 

Der  Uebersprung  ist  aus. 

Grüess  enk  Gott,  meine  Brüder,   zu  G'fallen  enk 

eins  sing, 
Juche  und  abermal, 
Und  mach  meine  krumpen  Sprung. 

155   Wöllts  ÖS  mit   mir  eins  hupfen, 
Juche  und  abermal, 
Und  thu  das  Hüetlein  rucken ! 

Der   Woferl  sagt  zum  Simandl: 

Grüess  di  Gott,  Simandl, 

Heunt  hast  wohl  wacker  ausg'schlafen. 

Der  Simandl  sagt: 

160  Mein  Aid,  Woferl! 

Han  die  ganze  Nacht  g'soffen. 

Der  Hansel  sagt: 

Ei  du  versoffner  Vogl  Saufaus. 

Der  Simandl  sagt: 

Unser  Wirth  du  Woferl, 
Hat  a  mächtig  guats  Bier, 
165  Und  wann  wir'n  drei  Kreuzer  geben 

So  können  wir  keck  trinken  unser'   vier. 


79 

Und  was  i  enk  noch  weiter  will  sagen, 
Wies  mit  mein  Nachbar  Jodl  sich  hat  zugetragen: 
Er  begehrt  mich  hinaus  vor  der  Thür, 
170  Sagt,  ich  hiet  ein'   fauln  Mangel  in  mir. 
Sagt  der  Simandl :    Hudi,  hudi ! 
Und  nimmt  den  Lotter  bei  der  Hand 
Und  wirft  ihn  zu  der  Thür  hindan. 

Der    Woferl  sagt: 

In  dieser  Sachen  hast  du  recht  gethan : 
175  Jetzt  halt  i  dich  für  ein'  braven  Richtersmann. 

Der  Hansel  sagt: 

So,  schau,   kannst  du  die  Leut  so  aussichmeissen  ? 
Komm  her,  ich  will  dir  ein  andre  Schuel  weisen. 

Der  Simandl  sagt: 

He  Bruder,  setzen  wir  uns  nieder  auf  d'  Erden, 
Werde  schaun  was  für  ein  Kurzweil  wird  werden : 
180  Ich  bei  der  Mitt,  ös  bei  der  Seiten, 

Könnt's  allzwei  auf  mein  Nacken  reiten. 

Der  Hansel  sagt: 

Bist  gar  ein  betrogener  Vogel. 

Der  Simandl  sagt  und  singt: 

Drei  Hirten  auf  der  Haiden 
Bei  dem  Jordan,  vivah  1 

Die  zzvei  Hirten  singen  nach. 

Der  Simandl: 

185  Ihr  Schaflein  springt's  weiden. 
Viel  Kurzweil  thuet's  treiben, 
So  lustig  heisa ! 

Er  giebt  ihnen  einen  Schlag,   sie  springen  auf. 
Der   Woferl  und  der  Hansel  sagen: 

So,  schau,  kannst  du  die  Leut  a  so  b ? 

Komm  her,  ich  will  dir  an  andre  Schul  weisen  I 


8o 

Der  Simandl  sagt: 

190  He  Bruder,  ich  stell  mich  in  die  Mitten, 
Oes  z'  beiden  Seiten: 

Ich  schlag  einander  die  Goschen  von  Weiten 
Auf  die  Seiten. 

Die  zwei  Hirten  sagen: 

Du  schlägst  ein'm  zu  die  Ohren,  dass  mans  kaum' 

kann  hören: 
195   Komm  her,  ich  will  dir's  a  wieder  abkehren. 

Der  Scherge  geht  hinein  und  sagt: 

Platz,  Platz,  ihr  Hirten! 
Kaiser  Augusti  hat  ausgehen 
Lassen  ein  scharfes  Mandat: 
Das  befiehlt  bei  Strafe  an  Leib  und  Leben, 
200  Dass  man  eilends  soll  auf  Bethlehem  gehen 
Und  soll  ein  jeder  ein  Zinspfennig  geben ; 
Dies  befiehlt  die  kaiserliche  Kraft  und  Macht, 
Dass  sich  ein  jeder  weiss  zu  präsentiren 
Und  alle  nach  Bethlehem  marschiren. 

Der  Joseph  geht  hinein  und  fragt  die  Hirten : 

205  Meine  Manner,  was  han  sie  lauter  mehr  ausblasen? 

Die  Hirten   sagen  das  dem  Joseph,    was  der  Scherge  gesagt  haty 

wörtlich  wieder. 

Der  Joseph  sagt  zu  den  Hirten-. 

Meine  Manner,  ich  han  selber  kein  Kreuzer  Geld, 
dass  ich  mein  Kind  möcht  ein'  Löffel  Milch  oder 
eine  Semmel  kaufen. 

Die  Hirten  sagen  ; 

Lass  nur  ein'  Thaler  wechseln. 

Der  Joseph  sagt: 

210       Was  ist  denn  das  für  ein  Geld? 

Die  Hirten  sagen: 

Grosses  Geld  —  die  Thaler. 


8z 


Der  Joseph  sagt: 
Han  mein  Lebtag  kein  solches  Geld  g'sehen. 

Die  Hirten  sagen: 

Und  bist  schon  so  a  graubarteter  Mann 
Und  hast  kein  solches  Geld  g'sehen? 
215  Wart,  wir  werden  dir  eins  zeigen. 

Joseph  und  die  Hirten  gehen  hinaus. 
Der  Handwerker  geht  hinein  ujid  sagt: 

Ich  bin  ein  armer  Handwerksmann, 

Dass  ich  kein  Arbeit  kriegen  kann  1 

Reis'   durch  Berg  und  tiefe  Thal, 

Durch  Schneewetter,  Regen  und  Donnersknall : 
220  Möcht  doch  schier  vor  Furcht  verzagen. 

Hilft  nichts  dafür,  ich  muss  es  wagen. 

Ich  hab  viel  Laus  in  meinem  z'rissnen  G'wand, 

Als  wie  der  Wolf  in  seinem  fand ; 

Weiss  kein  Mittel  aufzutreiben, 
225  Möcht  20,  30,  40  auf  einmal  z'rreiben, 

Kann  sie  aber  doch  nicht  vertreiben. 

Jetzt  will  ich  aber  sehen  um, 

Wo  ich  Wohl  bald  in  ein  Wirthshaus  kumm'. 

Mich  gedunket,  es  geht  der  Herr  Wirth  her. 
230  Schön  gut'n  Abend  Herr  Wirth! 

Der  Wirth  sagt: 

Schön  Dank !    Was  ist  dein  Begehr  ? 

Der  Handwerker  sagt: 
Ich  will  'n  Herrn  Wirth  bitten 
Um  Herberg  für  die  heutige  Nacht. 

Der  Wirth  sagt: 
Nur  herein,  der  brav  Geld  hat. 

Der  Handwerker  sagt: 

235  Ach,  Gott  weiss,  kein'  Pfennig  noch  Heller  I 

Der  Wirth  sagt: 
Nur  hinaus  in  das  Spital. 

Volksschauspiele.  6 


82 

Der  Handwerker  sagt: 
Wie  werd'n  mar  hausen? 

Der   IVh-th  sagt: 
Wer  kein  Geld  hat,  bleib  draussen  ! 
Lass  mich  unvexirter. 

Gieöt  ihm  einen  Stoss. 

Der  Handwerker  sagt: 
240  Dieser  Stoss  wird  euch  nicht  Rosen  tragen! 
Ich  will  mein'  weissen  Groschen  wagen 
Und  will  'n  Herrn  gehn  zu  dem  Richter  verklagen. 

Der  Wirth  sagt: 
Geht  nur  hin, 

Ich  will  euch  schon  Red  und  Antwort  geb'n; 
245   So  lang  ich  Wirth  zu  Bethlehem, 

So  wisset  ich  kein  solches  Gedräng  • 
Kein  Zimmer  mehr  bei  mir  ist  leer, 
Kein  einziges  ausgenommen  war. 

Joseph  und  Maria  gehen  hinein. 
Der   Wirth  sagt: 
Was  kommen  denn  da  für  Schleifer? 
Wissen  auch  keine  andern  Häuser! 

Joseph  und  Maria  singen: 
Ach  Bethlehem,  du  alte  Stadt ! 
Deines  Geschlechts  Herkommen : 
Von  dannen  auch  der  David  hat 
Seinen  Ursprung  genommen: 
Ach  über  mich  erbarme  dich ; 
Weil  die  Nacht  anbricht 
Verstoss  uns  nicht, 
Ein  Zimmerlein  uns  zu  sagen  ! 

Der  Wirth  sagt. 
Schert  ihr  euch  fort ! 
260       Bei  mir  ist  kein  Ort 

Joseph  und  Maria: 

Hab  schon  an  alle  Thüren  angeklopft, 
Kein  Mensch  will  uns  erhören: 


2;o 


OD 


83 


Die  Ohren  seind  ihnen  verstopft, 
Niemand  will  uns  aufsperren. 
265        Dieweil  ich  hab  kein  Liegerstatt, 

Kein  Haus,  kein  Dach,  kein  Bett  nit  hab, 
Ist  Niemand  mehr  vorhanden, 
Der  sich  um  uns  thät  erbarmen? 

Der  Wirth  sagt: 
Es  ist  kein  Ort, 
270       Ihr  kommt  zu  spat. 

Joseph  und  Maria: 
Von  Stein  wird  ja  nit  sein  eu'r  Herz, 
Ach  kommt  zu  Hilf  uns  Armen; 
Ihr  seht  die  Noth  und  grossen  Schmerz : 
Durch  Gott  lasst  euch  erbarmen 
275        Zweien  Pilichgramen 
Von  Davids  Stammen, 
Ein'  Herberg  und  ein    Danksagung 
Um  unser  Bitt  vergunnti 

Der  Wirth  sagt : 
Für  Bettelleut  hab  ich  kein  Haus, 
280       Geht  nur  zum  Viehstall  hinaus. 

yoseph  und  Maria: 

Ach,  lieber  Freund,  das  Unglück  ich 
Euch  hab  nun  vorgestellet, 
Dass  ihr  entsetzt  seid  sicherlich: 
Kein'  Hoffnung  uns  erwählet? 
285       Lasst  uns  ein  kleines  Winkelein, 
Ist's  euch  zu  schlecht, 
Ist's  uns  schon  recht 
Eine  kleine  Zeit  zu  bleiben. 

Der   Wirth  sagt: 
Bei  mir  auch  nit 
290       Darum  ihr  bitt't. 

Maria  und  yoseph: 
Die  letzte  Bitt  uns  nit  abschlagt, 
Lasst  euch  doch  erweichen : 


84 

In  einer  Höhlen  uns  vertragt, 
Die  Nacht  thut  hereinschleichen : 
295   Ein  alter  Stall 
Vor  den  Nothfall 

Vor  Regenzwang  und  Wetterstrahl 
Aus  Lieb  doch  thut  zusagen. 

Der  Wirth  sagt: 
Dort  vor  dem  Thor 
300   Secht  ihr  ein  G'sporr, 

Werd't  ihr  ein  Hüttlein  sehen : 

Könnt   unterhalb, 

Wie's  euch  gefallt, 

Vor  Wetter,  Regen,  Donner  unterstehen. 

Maria  und  Joseph: 

305   Grossen  Dank,  grossen  Dank,  mein  lieber  Herr  Wirth, 

Den  Stall  thatst  uns  erwählen : 

Der  Wille  Gottes  schon  verspürt 

Zu  bleiben  in   einer  Höhlen, 

Weil  Gottes  Sohn  auf  sein'  Wunder  Thron 
310  Euch  heute  Nacht, 

Der  Menschheit  Macht, 

Dort  will  geboren  werden. 

Der  Wirth  sagt: 

So  geht  nur  fortl 

Joseph  itfid  Maria  gehen  hinaus. 
Der  Wirth  sagt: 

So  geht  es  mir  gleich  alle  Stund, 
3 1 5   Kann  mich  kaum  fast  erwehren : 

Ein  jeder  Schlecker  und  Bettelhund 

Will  fast  bei  mir  einkehren. 

Nach  Gut  und  Geld  ich  das  Thor  aufsperr'. 

Kein  einziges  Zimmer  ist  nicht  leer, 
320  Ein  einziges  ausgenommen : 

Da  möcht  vielleicht  ein  reicher  Hecht 

Aus  Gnad  noch  unterkommen. 

Den  Armen  wird  es  nicht  ertheilt, 

Wann  er  mir  schon  zu  Füssen  fallt, 


85 


325   Kann  nicht  lang  davon  zehren. 

Der  Reiche  verspricht  ein  gut  Pauschal; 

Da  schütt't  man's  Geld  heraus, 

Da  kann  der  Wirth  wohl  lachen, 

Das  macht  den  Beutel  krachen. 
330  Sieben  von  vier  bleibt  zehn, 

Fünfzehn  von  elf  bleibt  einundzwanzig, 

Dreissig  von  elf  bleibt  Null, 

Null  von  Null  geht  auf. 

Die  seind  schon  fort  in  ihre  Gruft, 
335   Sie  werden  genug  dort  frieren; 

Ich  geh  a  bei  guter  Luft, 

Eh  ich  mich  weiter  lass  vexiren. 

Der  Wirth  geht. 

Woferl  springt  herein  und  singt: 
Zwölf  Söhn  hat  Gott  dem  Jakob  geben: 
Mir  führen  alle  ein  Hirtenleben, 
340  Der  Simandl  a,  der  Robindl  a, 
Und  das  unschuldige  Seppelein  a. 

Der   Woferl  redt-. 
Geh  i  oder  steh  i, 
So  kirnt's  mir   natürli  für. 
Als  wann  i  noch  ein  Gesetzl  singen  soll. 

Der   Woferl  si?igt: 
345   Die  Brüder  waren  in  Loden  gekleidt, 
Als  wie  die  Schaflein  auf  grüner  Haid, 
Gleich  wies  nit  sein  sollt: 
Die  Brüder  waren  keiner  dem  Seppelein  hold. 

Jetzt  redt  er  wieder: 
Geh  i  oder  steh  i 
350  So  kimt's  mir  natürli  für. 

Als  wenn  einer  klopfet  an  die  Thür; 
Frag  nix  darnach. 

Wiederum  singt  er: 
Sie  zogen  dem  Seppel  das  Röckelein  ab, 
Sie  warfen  ihn  in  den  Brunnen  hinab, 


S6 

35  5   Darinnen  in  Weh  und  Klag 
Das  unschuldig  Seppelein  lag. 

yetzt  redt  er  wieder: 
Wachen,  wachen  gefallt  mir  nit, 
Muess  a,  muess  a  G'setzl  schlafen ; 
Kirnt  der  Wolf,   so  kirnt  er  halt  hin, 
360  Nimbt  der  Wolf  das  Schaf  oder  das  Schaf  den  Wolf, 
Frag  nix  darnach. 

Legt  sich  nieder  und  schnarcht^ 

Der  Simandl  geht  hinein  zu  dem    Woferl  und  sagt : 
He,  Bruder,  auf,  auf,  nit  also  schlafen, 
Nit  also,  wachen  wie  Gott,  der  uns  hat  erschaffen. 

Der  Woferl  sagt: 
Beim  Wachen  giebt's  gar  lange  Nacht. 
365   Viel  g'schwinder  geht's   beim  Schlafen 
Als  wie  beim  Wachen. 

Der  Simandl  sagt: 
Beim  Singen  auch  wohl ! 

Der   Woferl  sagt: 
Sing  Eins  bei  der  Stell, 
Sing,  was  dir  gefällt! 

Der  Simandl  sagt: 
370  Schöne  Melodeien! 

Der  Hansel  springt  hinein  und  sagt: 
Hutscha,  ha,  ha  I 

Und  jetzt  singen  alle  drei: 

Meine  Schäflein,  gehet  schon  trinken, 
Müesst  aber  nit  ins  Wasser  sinken. 
Trinkts  nur,  trinkts  nur,  dass  Gott  euch  g'segna, 
375   Gehts  hin,  gehts  heim,  es  möcht  sunst  regna. 
Gehts  hin,  gehts  heim,  müesst  aber  nit  laufen, 
Möcht  enk  der  Teuxel  wohl  niederstrauchen. 
Geh  du  voran,  du  starker  Widder, 
Tritt  ihn'n  das  G'sträussla  a  wenig  nieder. 


87 


380  Gehts  nur  bei  Zeit,  dass  noch  könnts  grasen, 
Springts  nit  ins  Koth,  bleibts  auf  dem  Wasen. 

Der  Simandl  sagt  zu  den  zwei  Hirten: 

Meine  Brüder^  ich  weiss  noch  eins : 
Von  Adams  Fall, 
Von  der  Trübsal : 
385   Nehmts  a  die  Hüet 
Und  Herz  und  Hand 
Gegen  Himmel  wendt. 

Die  zwei  Hirten  sagen: 
Muess  wohl  gar  ein  heilig's   sein. 

Dann  singen  alle  drei  und  knieen  nieder: 

Ach  Adam,   armseliger  Vater, 
390  Deiner  eigenen  Kinder  Verrather, 
Wie  übel  hast  d'  gehauset, 
Dass  jetzt  uns  noch  grauset 
In  unsrer  Voralten  Gebot. 

Giftiger  Schlangen  konnt'st  trauen 
395  Und  nähmest  den  Apfel  ohn'  Grauen : 
Wir  Kinder  jetzt  müssen 
In  Jammer  abbüssen, 
Bis  Alles  gebüsset  war. 

Sunst  war  uns  kein  Uebel  zu  denken, 
400  Kein  Fünkelein  würde  uns  kränken, 
Kein  Uebel  wir  wissen. 
Kein  einzigen  Bissen 
Als  den  Apfel  voll  Bitterkeit. 

Nach  diesem  so  hantigen  Bissen 
405   Ist  nicht  das  Uebel  zu  wissen, 
Krieg,  Theuerung,  Hunger, 
Peststerben  und  Kummer, 
Und  überdem  bitterer  Tod. 

Der  Simändl  sagt: 
He,  Brüder,  auf,  noch  eins ! 


88 

Die  zwei  Hirten : 

410  Er  hat  beten  auch  kenn'. 

singen : 

Lustige  Hirten,  fröhhche  Knaben, 
Die  ein'  Lust  zum  Singen  haben, 
Ei  wohlauf  und  lasst  uns  singa, 
Fröhhch  springa,  guter  Dinga: 
415  David  war  ja  auch  ein  Jung, 
Freuet  sich  aus  Herzensgrund. 

Einmal  hat  der  David  pfiften. 
Hat  der  Low  sein  Vieh  angriffen; 
Ist  nit  gut  mit  dem  Löwen  scherzen, 
420  Das  bringt  Schmerzen,  Sorg  im  Herzen: 
David  nahm  den  Löwen  beim  Kopf, 
Z'rriss  ihm's  Maul,  loser  Tropf. 

Einmal  war  ein  Bär  herg'loffen : 
Gelt,  mein  Stutzl,  hab  wohl  troffen. 
425   Schau,  wie  der  David  dich  wird  lausen, 
Mit  den  Fäusten  dich  zerzausen : 
David  nimmt  den  Bär'n  beim  Ohr, 
Schmeisst  ihn  ans  hintere  Stallthor. 

Nach  grosser  Schlacht  und  Heldenthaten 
430  Wird  er  erwählt  zum  Potentaten, 
Musste  auch  den  Zepter  führen, 
Tugend  geziert  die  Welt  regieren. 
Jedermann  sich  aus  dem  David  zeigt, 
Sind  die  Hirten  brave  Leut. 

Der  Simanäl  sazt: 
435   Husch,  husch,  g'frierst  mir  recht  in  die  Nasen. 

Der  Woferl  sagt: 
Wau,  wau,  war  das  Hüeten  a  mal  aus. 

Der  Hansel  sagt: 

Mein  Bruder,  du  bringst  mi  den  Winter  wohl  hart 

mehr  drau?. 


89 


Der  Si/nandl  sagi: 


Ach,  i  gedenk  schon  über  sechzig  Jahr, 
Wann  nur  g'lebt  einer  hätt'  von  euch, 
440  Ist  noch  nie  kein  so  kalter  Winter  gewesen  wie  höer. 

Der  Hansel  sagt: 
Wann  die  Sunn  vor  Mitternacht  aufgeht, 
Ist's  wohl  a  natürla? 

Der   Woferl  sagt: 
Ist  wohl  natürla! 

Der  Engel  singt  vor  der  Thiir: 

Gloria  in  excelsis  deo ! 
445   Laufet,  ihr  Hirten,  laufet  alle  zugleich, 

Nehmet  Schalmeien  und  Pfeifen  mit  euch  : 
Laufet  nach  Bethlehem  in  den  Stall, 
Grüsset  das  Kindlein  allzumal : 
Messiam,  Mariam ! 

450  Laufet,  ihr  Hirten,  her  von  der  Herd, 
Es  ist  geboren  der  Heiland  der  Welt: 
Der  uns  erlöset  vom  ewigen  Tod 
Liegt  in  der  Krippe  in  höchster  Noth: 
Das  Kindlein  in  Windlein. 

455  Laufet,  ihr  Hirten,  seid  mehr  angenehm, 
Als  die  Burger  zu  Bethlehem: 
Ihr  habt  der  Mutter  ins  Kindelbett  bracht, 
Was  ihr  gehabt  in  euerer  Macht: 
Ihr  Hirten,  ihr  Hirten. 

Sirnandl  steht  auf  und  singt: 

460  Mein  Lieber  sag  an, 

Wo  man's  denn  finden  kann?    Ha? 

Der  Engel  sagt: 

Geht  nur  in  offnen  Stall  hinein, 
Dort  liegt  es  in  dem  Krippelein, 
Bei  Oechselein  und  Eselein : 
465   Laufet  geschwind,  ihr  Hirten. 

Der  Engel  geht  hinaus. 


90 

Der  Simandl  sagt: 

G'schwind,  g'schwind,  wir  wollen  gehn, 

Hinab  nach  Bethlehem. 

Es  ist  mir  leid,  dass  Gott  erbarm, 

Das  arme  Hascherl  ist  so  arm, 
470  Liegt  in  ein'  kalten  Stall 

Anstatt  des  Himmels  Saal. 

A  Löffel  Milch  und  an  Kas, 

Wann's  mag  solche  Speis : 

A  Schmalzkoch  war  ihm  a  vergunnt, 
475  Wann's  ihm  sein  Mutter  kochen  kunnt. 

Trunk' s  a  ein'  Most 

Zu  dieser  schweren  Kost.  — 

Es  seind  alle  davon. 

Seind  Engel  gewesen,  wunderschöne  Knaben  \ 
480  Seind  all'    auf  Bethlehem    mit    Freuden ,    fest    mit 

Gaben. 

Heil,  heil  uns,  meine  Brüder ! 

A  eins  davon  thu  ich  sagen : 

He  Brüder,  auf,  auf! 

A  Kind  ist  uns  geboren. 

Der  Woferl  sagt: 
485  Schaf  hast  verloren! 

Der  Hansel  sagt: 
Wann?    Heunt  Morgen? 

Der  Simandl  sagt: 
A  heunt ;    und    war    uns    das    Kind    nit    geboren 

word'n, 
So  wären  wir  Alle  verloren. 

Der  Hansel  sagt: 

O  Freud! 

Der  Simandl  sagt: 
490  Ihr  müesst  a  jeder  mitgehn, 

Dass  wir  dem  Kind  was  bringen  zum  Geschenk. 

Der  Woferl  sagt: 
Mit  laren  Händen  thuet's  nix. 


91 

Der  Hansel  sagt: 
I  will  mit  gehn, 
Dem  Kind  was  bringen  zum  Geschenk. 

Der  Woferl  sagt: 
495  I  will  mitgehn  a  wenig  singen. 

Der  Simandl  geht  hinein  mit  dem  Lampel  Böckel  und  singt: 

Hab  ich  ein  weisses  Schaf, 

Dasselbig  hat  geworfen  bei  Nacht, 

Derweil  ich  noch  schlaf: 

Das  wunderschöne  Lammelein, 
500  Das  wunderschöne  Thier, 

Gehört  zu  einem  Hern  metlein, 

Gab's  nicht  für  andre  hier : 

Ist  beiderseits  so  schön  schneeweiss, 

Als  wenn  man's  stets  gebadet  hätt  in  einer  Laug. 
505   Kein  böses  Aug  soll  nit  anschauen 

Das  wunderschöne  Schaf. 

Ist  aber  nit  viel  grösser 

Als  unsre  rothe  Katz, 

Die  Fusslein  seind  viel  höcher, 
510  Doch  schmäler  ist  der  Kopf: 

Ist  oben  um  viel  breiter 

Als  Nachbar  Buam  sein  Kropf. 

Mit  einem  Wort,  ich  schiesset  fort 

Als  wann  ich  hätt  ein  Kröbeskraut 
515  Wohl  in  der  Haut, 

Damit  ich  kann  nit  irren. 

Das  wunderschöne  Lamm, 

Das  will  ich  verehren 

Dem  Kind  Jesus  mit  Nam'. 
520  Hab's  heraus  klaubt  aus  Allen: 

Ich  glaub,  es  lacht  es  an. 

Das  gieb  ich  ihm  zu  Gefallen 

Und  geh  hin  auf  die  Bahn 

Nach  Bethlehem  zum  Freudenfest, 
525  Dort  wird  wohl  sein  zu  allerbest 

Bei  Mitternacht  die  Botschaft  bracht. 

Ich  werd  bald  wieder  kemma. 

Joseph  und  Maria  gehen  hinein. 


92 

Maria  sagt: 

Joseph,  schau  an  das  arme  Kindlein, 
Wie's  schlecht  gewickelt  ist  in  Windlein : 
530  Joseph,  geh  schaun,  wer  klopfet  an  der  Thür. 

yoseph  geht  schaun  und  sagt: 
Drei  Hirten  vom  Berg  aba. 

Maria  singt: 
Kommts  herein,  kommts  herein,  ihr  Hirten ! 

Die  Hirten  sagen: 
Wir  kommen,  arme  Hirten. 

Maria  singt: 

Ruckts  nur  zuhi,  ruckts  nur  zuhi  zum  Kindlein. 
Die  Hirten  sagen : 
535  Lasst  uns  zuhi,  lasst  uns  zuhi  zum  Kindlein. 

Maria  singt: 

Opferts  eure  Gaben. 

Die  Hirten  sagen: 
Was  wir  Arme  haben, 
Zu  verehren  unsern  Herrn,  grosser  Gott. 

Der  Sitnandl  sagt: 
Ich  bring  dir,  Herr,  ein  weisses  Lamm, 
540  Hab's  klaubt  von  meinen  Schafen: 

Ich  bitt  dich,  mein  Maria,    wollest  es  nehmen  an 
Dem  lieben  Gott,  der  mir's  hat  erschaffen ; 
Das  Fell  zu  einer  Decken, 
Mein  Herz  will  ich  auch  dir  schenken. 

Der  Hansel  sagt: 
545  Ich  armer  Hansel  kimm  a  daher, 

Will  dem  lieben  Kindlein  a  was  verehrn. 

I  that  ihm  gern  was  schenken, 

Dass  er  meiner  that  gedenken ; 

I  bring  dir  her  a  Säckel  Mehl 
550  Und  a  a  Häferl  Kraut  von  Kohl: 

Das  will  ich  dir  verehren  zu  ein'  Koch, 

Das  mach  dir  und  dem  lieben  Kindl  doch. 


93 


Der  Woferl  singt: 
Mein  Herz  will  ich  dir  schenken, 
Ach,  liebstes  Kindelein, 

555  In  deiner  Lieb  versenken, 
O  herziges  Jesulein  1 
Wann  ich  dich  sieh  im  Krippelein 
Bei  Ochs  und  auch  beim  Eselein, 
Wann  ich  dich  sieh  ganz  nackend  und  bloss 

560  In  deiner  Mutter  Schoss. 

Maria  sagt: 

Ihr  könnt  euch  wieder  umkehren. 

Die  Hirten  sagen: 
Wir  müssen  uns  wieder  umkehren. 

Maria  sagt: 
Gott  wird  euch  Gnad'  gewähren.^ 

Die  Hirten  sagen: 
Gott  wird  uns  Gnad'  gewähren. 
565  B'hüet  dich  Gott,  mein  Maria. 

Die  Hirten  gehen  hinaus. 

yoseph  und  Maiia  singen: 
Jetzt  hat  das  Himmelsvolk 
Das  Trauern  abgelegt, 
Die  finstre  Sündenwolk 
Nicht  mehr  in  Lüften  schwebt, 
570  Weü  du^  o  Jesulein, 

Wirst  gelegt  ins  Krippelein: 
All's  bringst  vom  Himmel  her, 
Ein  ganzes  Gnadenmeer. 

O  starker  Heldengott, 
575  Wie  bindt  die  Lieb  dich  doch, 

Verdammt  dich  gar  zum  Tod 

Das  schwere  Sündenjoch: 

Wirft  dich  ins  Krippelein, 

Zum  Ochs  und  Eselein, 
580  In  einen  armen  Stall, 

Statt  in  des  Himmels  Saal. 


94 

Sünder,  da  lauf  her, 
Schau  dieses  Wunder  an: 
Der  grosse  Himmelsherr 
585  Des  Menschen  Gestalt  nimmt  an, 

Wird  ein  kleines  Kindelein 
Umfatscht  mit  Windelein: 
Ach,  heil'  sein  Liebeswund 
Aus  deines  Herzens  Grund. 

590  Du  hast  ein  Tigerherz, 

Weil  dich  nicht  Lieb  bewegt. 

Wann  dich   die  Liebeskerz 

Nicht  in  Flammen   steckt. 

Weil  seine  Aeugelein 
595  So  voller  Zäher  sein, 

So  lenke  deinen  Sinn 

Nach  .seiner  Liebe  hin. 

Joseph  und  Maria  gehen  hinaus. 

Die  heiligen  drei  Könige  gehen  hinein  und  sagen. 
Der  Kaspar  sagt: 

Wir  haben  verbracht  eine  weite  Reis, 

Den   neugebornen  König    zu  suchen   mit   grossem 

Fleiss, 
600  Dieweilen  wir  im  Mohrenland 

Haben  gesehen  und  erkannt: 

Ein  gewaltiger  König  muss  er  sein. 

Der  Stern  leucht'  uns  mit  dem  klaren  Schein, 

Darum  bin  ich  jetzunter  besinnt, 
605   Nach  Jerusalem  zu  ziehen  geschwind, 

AUdort  zu  erfragen  frei : 

Wo  dieser  neugeborne  König  sei. 

Die  Schriftgelehrten,  die  dort  sein, 

Die  werden's  uns  auszeigen  fein: 
610  Drum  habe  ich  mich  aufgemacht 

Und  rothes  Gold  mit  mir  gebracht, 

Dasselbige  zu   schenken  und  zu  verehren, 

Ihn  anzubeten  wir  auch  begehren. 


95 

Der  M elcher  sagt: 

Aus  Arabien  komm  ich  daher 
615   Zu  diesem  neugebornen  König  her: 

Ich  diesem  Weihrauch  schenken  will ; 

Also  wollen  wir  gleich  in  der  Still 

Alldort  erfragen  bei  Reich  und  Arm 

Wer  ein  solches  uns  anzeigen  kann, 
620  Und  wir  wollen  ihm's  reichlich  bezahlen 

Nach  seines  Herzens  Gefallen. 

Der  Balthasar  sagt: 

Dieweil  der  Stern  hier  uns  bedeut't, 

Dass  ein  Könioj  in  dieser  Zeit 

Sei  geboren  im  jüdischen  Land, 
625   Kam  ich  daher  ganz  unbekannt. 

Ich  auch  mit  mir  thue  herführen 

x\us  meinen  Land  die  köstlichen  Myrrhen. 

Ich  sie  dem  König  der  Ji^iden  will  schenken, 

Damit  er  meiner  soll  auch  gedenken, 
630  Darum  Kaspar  und  Melcher  weiss: 

Lasst  uns  fragen  mit  grossem  Fleiss, 

Wollen  gen  Jerusalem  ziehen  ein, 

Dort  werden  wir  ihn  erfragen  fein. 

Der  Kaspar  sagt: 
Ja,  ihr  Herren,  das  sei  auch  mein  Rath, 
635   Dass  wir  gleich  ziehen  in  die  Stadt. 

Der  Melcher  sagt: 
Wer  weiss,  es  wird  nicht  lange  währen. 
Man  wird  uns  solches  in  der  Stadt  erklären. 

Der  Balthasar  sagt: 
Eurem  Rath  will  ich  folgen  gern ; 
Hinein  zu  ziehn  ist   auch   mein  Begehr'n, 
640  Herodes  will  uns  solches  offenbaren : 

Wohlan,  ihr  Herrn,  wir  können  nit  länger  verharren. 

Kaspar  und  Melcher  sagen: 
So  werd'n  wir  auch  fortfahr'n. 

Die  drei  Könige  gehen  hinaus. 


96 


Herodes  geht  herein  und  sagt . 


Ich,  König  Herodes,  allein 

Bin  zu  vergleichen  des  Himmels  Schein : 
645  Kein  Fürst  auf  Erd'  mag  mir  sein  zugleich,. 

Mein  Haupt  mir  durch  die  Wolken  streicht. 

Alles,  was  in  Judäas  Reich 

Ich  sieh,  und  Wasser,  Land  zugleich, 

Ist  meiner  Kraft  all's  unterthan, 
650  Wo  Niemand  bei  mir  b'stehen  kann. 

Wo  ist  der  Juden  ihre  Macht? 

Von  mir  ist  sie  zu  nichts  gemacht. 

Auch  alle  Völker  inniglich 

Vor  mir  gar  tief  sie  neigen  sich. 
655  Was  braucht's  viel'  Wort?    Ist  nicht  bekannt 

Mein'  grosse  Macht  im  ganzen  Land? 

Furcht  und  Schrecken  kommet  an, 

Wenn  sie  nur  hören  meinen  Nam'. 

Was  ist  das  ?    Wo  und  wie, 
660  Dass  man  so  trompeten  und  pfeifen  thut  hie? 

Oder  was  bedeut'  das  Trompeten  oder  Pfeifen  ^ 

Oder  will  der  Feind  die  Stadt  angreifen? 

So  muss  man  ja  wahrlich  feiern  nicht, 

Dass  man  sich  bald  gegen  diese  richt't. 

Der  Bediente  sagt: 
665  Grossmächtiger  König  und  Herre  mein! 

Herodes  sagt: 
Was  soll  das  für  ein  Wesen  sein, 
Dass  man  so  trompeten  und  pfeifen  thut  hier? 

Der  Bediente  sagt: 
Grossmächtiger  König  und  Herre  meini 
Es  ist  gleich  an  dem  heutigen  Tag 
670  An  den  Hof  kommen  ein  hoch  seltsame  Sach,. 
Wie  dass  allhier  seind  gelanget  an 
Drei  König  mit  viel  Ross  und  Mann 
Aus  fremden  Landen  mit  grosser  Zier. 

Herodes  sagt: 
Was  haben  sie  zu  schaffen  hier? 


97 


Der  Bediente  sagt: 

675  Es  soll  allhier  vorhanden  sein 
Ein  neugebornes  Kindelein, 
Welches  der  Juden  König  ist: 
Darum  seind  sie  kommen  zu  dieser  Frist, 
Dasselbig  zu  suchen  und  zu  verehr'n 

680  Als  ein'  rechten  König  und  Herrn. 

Her  ödes  sagt: 
Du  machst  mich  erschrecken  mit  deiner  Red, 
Mein  Herz  für  Zorn  schier  zergeht, 
Möcht  ja  aus  der  Haut  gar  springen ; 
Mit  ihnen  will  ich  theilen  meine  Klingen. 

Dei'  Bediente  sagt: 
685  Herr  König,  habet  guten  Muth, 

Die  Sach,  die  wird  noch  werden  gut: 

Mit  Nichten  das  Kind  sitzen  soll 

Auf  eurem  königlichen  Stuhl. 

Verrufet  sie  allein  zu  euch  herein, 
690  Die  drei  Könige  und  Herren  fein, 

Erforschet  von  ihnen  in  der  Still, 

Was  ihr  Begehr'n  sei  und  Will. 

Herodes  sagt: 
Du  hast  mir  geben  guten  Rath, 
Dem  will  ich  dir  nachfolgen  bald. 

Der  Bediente  sagt: 
695  Grossmächtiger  König  und  Herre  gross, 

Die  Herren  warten  schon  in  dem   G'schloss, 
Sie  warten  auf  Ihr'  königliche  Majestät, 
Möchten  gern  anbringen  ein'  kurze  Red. 

Herodes  sagt: 
So  lass  sie  nur  zu  mir  herein, 
700  Damit  sie  nicht  lang  draussen  sein. 

Der  Bediente  sagt: 
Grossmächtiger  König  und  Herre  mein, 
Es  soll  geschehen  und  bald  sein. 

Die  heiligen  drei  Könige  gehen  hinein. 
Volksschauspiele.  7 


98 

Herodes  sagt  zu  ihnen: 
Seid  ihr  mir  willigkomm,  ihr  lieben  Herrn, 
Die  ihr  zu  mir  kommen  seid  von  fern, 

Kaspar  sagt: 
705  König  Herodes,  wir  wünschen  dir  Glück  allhier, 
All's  nach  deines  Herzens  Begier, 
Dazu  ein  lang'  Leben,  deinem  Reich  Freud  und  Ruh : 
Eine  Bitt  von  dir  begehren  ich  thu, 
Dasselbig  wollest  uns  sagen  zu. 

Herodes  sagt: 
710  Ihr  sollt  die  lieben  Gäste  sein, 
Dievveil  ihr  zieht  von  fern  herein; 
Ich  thue,  was  ihr  begehren  thut 
Nach  eurem  Wunsch  und  Herzensmuth. 

Kaspar  sagt: 

Wir  kommen  daher  an  diesen  Ort 
715   Aus  fremdem  Land  gar  g'schwind  und  behend: 
Uns  anzeigen  that  eines  Stern"  Schein: 
Sollt  hier  unser  neugeborner  König  sein, 
Welcher  der  Juden  König  ist  genannt, 
Jesus  Christus,  der  gesandte  Weltheiland. 
720  Wo  dieser  zu  finden  ist,  wissen  wir  nicht, 
Drum  wollest  uns  geben  den  wahren  Bericht. 

Herodes  sagt: 
Wo  soll  er  denn  geboren  sein? 

Ale  Icher  sagt: 
Uns  anzeigen  that  eines  Stern'  Schein, 
Er  soll  in  Judäa  geboren  sein. 

Herodes  sagt: 
725  Solches  ist  mir  unbewusst  dann,  meine  lieben  Herrn, 

Denn  ich  weiss  kein'  andern  König  mehr; 

Ich  besitze  in  Judäa  .Alles  allein 

Und  mache  es  mir  zum  Erben  ein : 

Hat  sich  solches  zugetragen, 
730  So  muss  man  die  Gelehrten  fragen. 


99 

Balthasar  sa^t : 

Wo  werd   man  s'  aber  treffen  an? 
Herodes  sagt  zum  Bedienten: 
Ich  will  sie  selbsten  holen  lan: 
Geh  halt  in  dem  Tempel  hinum 
Und  sag,  dass  einer,  zwei  zu  mir   herein   kumm'; 
735  Ich  will  s'  allsobald  wiederum  gehen  lassen. 

Der  Bediente  sagt: 
Grossmächtiger  König  und  Herre  mein, 
Es  soll  geschehen  und  bald  sein. 

Herodes  sagt: 

Ihr  Herren,  setzt  euch  derweil  nieder, 
Bis  mein  Bedienter  kommt  herwieder. 
740  Ich  bitt  euch,  ihr  wollt  auf  mein  Begehr'n 
Mir  anzeigen,  wann  dieser  Stern 
Erschienen  ist  in  eurem  Reich, 
Dass  ihr  euch  auf  den  Weg  gemacht  allzugleich. 

Balthasar  sagt: 

Wie  es  mich  gedünkt  und  die  Wahrheit  sagt, 
745  So  ist  heunt  schon  der  dreizehnte  Tag, 

Dass  wir  im  Morgenland  gesehen  fein 

Ein'  Hechten  Stern  mit  dem  klaren  Schein. 

Daraus  haben  wir  uns  bekannt, 

Dass  im  fernen  jüdischen  Land 
750  Ein  König  soll  geboren  werden: 

Den  wollen  wir  mit  Geschenk  verehren. 

Herodes  sagt: 

Soll  er  ein  König  der  Juden  sein? 

Melcher  sagt: 
Ja :  also  gab  uns  klaren  Schein 
Dessen  Stern  im  Morgenland  weit, 
755  Der  ein'  grossen  Krieg  bedeut. 

Der  Schriftgelehrte  kommt  herein  mit  andern  Schriftgelehrten 
und  Hohenpriestern  und  sagt: 

Ihro  königliche  Majestät,  hier  sein  wir  anzuhören, 
Was  Sie  uns  anbefelchen  werden. 


lOO 

Her  ödes  sagt: 
Ihr  hohen  Priester,  der  Geschrift 
Der  Propheten  wohl  Unterricht'  : 
760  Diese  begehren  zu  wissen  da 
Hier  die  Geburt  unsres  Messia; 
Er  soll  in  diesem  Lande  mein 
Vor  wenig  Tagen  geboren  sein. 

Der  Schriftgelehrte  sagt: 
Wann  dieser  nun  wohl  ist  geboren 

765   Spricht  unser  Moses  selbst  vor  Allem : 

Dann    die  Schrift    auch  manches  Mal    thut    sagen, 
Dass  er  am  letzten  geboren  soll  werden  ohne  Fehl 
Zum  Trost  dem  ganzen  Haus  Israel. 
Er  wird  auch  bringen  Alles  zu  Recht 

770  Und  erlösen  das  ganze  Menschengeschlecht: 
Sonst  wissen  wir  von  keinem  zu  reden. 

Kaspar  sagt: 
Ja,  nach  demselben  thun  wir  fragen, 
Dieweilen  die  Schrift  von  ihm  thot  sagen, 
Wo  sich  sein  Geburt  zugetragen  hat, 
775   In  welchem  Land,  in  welcher  Stadt. 

Der  Schriftgelehrte  sagt: 

Wir  reden  die  Wort'  der  Schrift  hier  gut, 

Die  uns  die  klare  Meldung  thut: 

Des  Ortes,   wo  er  ist  geboren, 

Messias,  von  Gott  auserkoren. 
780  So  redt  der  Prophet  also  fort 

Durch  den  Geist  Gottes  diese  Wort' : 

Ach  Bethlehem,  du  bist  eine  kleine  Stadt, 

Die  gegen  Tausend  der  Juden  hat; 

Doch  wird  er  kommen  aus  dir  herfür, 
785   Der  mein  Volk  Israel  regier', 

Den  ich  vor  Anbeginn  der  Welt 

Zu  einem  Herrscher  hab  bestellt. 

Darum  weil  dieser  geboren  ist  nun. 

So  werden  sie  ihn  finden  schon 
790  Nach  Ausweisung  meiner  blossen  Wort', 

Wie  ihr  jetzunder  habt  gehört. 


lOI 

Her  ödes  sagt: 

Ohne  der  Antwort  bin  ich  kommen  zum  End, 
Dass  ihr  euch  bald  darum  hinwend't: 
Bittet  euren  Gott  spät  und  früh, 
795  Dass  ich  stets  bleib  in  Fried  und  Ruh. 

Der  Schriftgelehrte  sagt: 
Ja,  eurem  Begehr  werden  wir  nachkommen : 
Wie  wir  jetzund  haben  vernommen 
Wir  werden  wohl  auch  nach  Bethlehem    kommen. 

Kaspar  sagt: 
So  wollen  wir  thun  nach  euren  Aussagen 
800  Und  wollen  gleich  nach  Bethlehem  fragen. 

Der  Schrift  gelehrte  sagt: 

Liebste  Herren,  das  könnt  ihr  thun. 
Herodes  sagt: 

Ich  bitt  euch,  liebe  Herren  fein. 

Wann  ihr  find't  dieses  Königlein, 

Thut  mir  auch  anzeigen  gern, 
805  Wann  ihr  zurück  thut  kommen  von  fern ; 

Ich  will  ihm  in  allen  Dingen 

Unverzüglich  mein  Opfer  bringen. 

Ihn  anbeten  und  Ehr  erweisen. 

Wann  ihr  wieder  vorbei  thut  reisen, 
810  So  geht  und  zeigt  mir's  an, 

Ich  will's  nicht  unvergolten  lan : 

Ich  hätt  es  schon  jetzund  gethan, 

Dieweil  ihr  aber  eilt  so  geschwind, 

So  will  ich  solches  sparen  jetzund. 

Balthasar  sagt: 
815  Ihr'  Majestät,  lasst  uns  jetzt  fahren, 

Wir  werden  glei  wiederum  hier  einkehren. 

Herodes  sagt: 
Zieht  hin  in  eure  vorgenommne  Strassen. 

Die  heiligen  drei  Könige  sagen : 
Wohlan,  wir  ziehen  davon. 

Die  drei  Könige  gehen. 


I02 

Her  od  es  sagt: 

Wird  mir  der  neugeborne  König  kund  gethan, 
820  Ihr  meint,  ich  will  ihn  beten  an? 

Dass  er  mir  nicht  regieren  soll ! 

Mag  der  Schriftgelehrte  sagen,  was  er  woll, 

Vom  Herzog,  der  da  kommen  wird, 

Israel  und  alle  Geschlecht  zu  regieren: 
825   Es  thut  kein'  andern  mehr  gebühren, 

Als  mir,  ich  bin  der  rechte  Herr 

Der  Juden,  und  sonsten  keiner  mehr. 

Ich  will  auch  kein'  andern  lassen  aufkommen. 

Sobald  ich  den  rechten  Grund  han  vernommen 
830  Von  den  drei  Weisen  zu  der  Frist, 

Wo  dieser  Herzog  geboren  ist. 

Es  seind  nicht  zwei  Sonnen  am  Himmel  zu  sehen : 

Ach,    wie   können    zwei   König   in   einem    Reiche 

bestehen? 

Ich  will  schon  zusehen  zu  den  Dingen, 
835  Er  soll  mich  von  meinem  Reich  nicht  verdringen. 

Er  muss  mir  über  die  Klingen  springen. 

Der  Bediente  sagt: 

Grossmächtiger  König  und  Herre  mein, 
Es  soll  geschehen  und  bald  sein. 

yoseph  und  Maria  gehen  herein  mit  dem  Kind. 

Maria  sagt: 

Joseph,  schau  an  das  arme  Kindlein, 
840  Wie  so  schlecht  es  eingewickelt  ist  in  Windlein : 
Joseph,  geh,  schau,  wer  klopft  an  der  Thür. 

Der  yoseph  geht  hinaus  schatten  und  sagt: 

Sieh,  was  für  Leut,  aus  welchem  Land 
Kommen  die  daher,  ganz  unbekannt? 
Oder  betrügen  mich  die  Augen  mein, 
845   Dass   sie  vielleicht  voller  Schlaf  noch  sein? 

Auf  ihrem  Haupt  glanzende  Stern'  und  Krön', 
Mein  Gesicht  schier  ganz  vergeht  davon. 
Mein'   Maria,  bewahre  mir  dies  Kindlein  recht, 
Denn  es  kommen  gar  viele  Herrn  und  Knecht: 


103 


850       Was  ihr  Begehr'n  sei,  das  wissen  wir  nicht: 
Gott  gieb,  dass  uns  kein   Unglück  geschieht. 
Sie  gengen  je  länger,  je  mehr  herzu : 
Ach,  wann  sie  uns  bald  Hessen  in  Ruh. 

Die  heiligen  drei  Könige  gehen  herein, 

Kaspar  sagt: 
Ihr  Herrn,  nun  nehmet  wahr, 
855       Wie  vor  uns  geht  ganz  hell  und  klar 

Der  vorige  Stern,    der  leucht't  uns  schon. 

Melcher  sagt: 
Sei  es  Gott  gedankt  im  höchsten  Thron : 
Die  Stadtmauer  zu  Bethlehem 
Sieht  man  schön  und  bequem. 

Balthasar  sagt: 
860       Ach,  fröhlicher  Tag,  ganz  freudenvoll, 
Nicht  genugsam  dich  kann  loben  wohl, 
Dieweil  uns  Gott  gross  Wunder  erzeigt : 
Der  Stern  sich  auch  zu  uns  neigt. 

Kaspar  sagt: 
Ihr  Herrn,  steht  still,  da  scheint's  fürwahr, 
865        Es  wird  das  Kindlein  sein  allda. 

Melcher  sagt: 
Fürwahr,  es  wird  sein  allhier, 
Dass  ich  es  hab  geglaubet  dir. 

Balthasar  sagt: 
O  Vater,  du  bist  ein  frommer  Mann, 
Wir  bitten  dich,  zeig  uns  doch  an 
870       Das  neugeborne  Kindelein, 

Dass  wir  es  beten  an  und  opfern  fein. 

Joseph  sagt: 
Ihr  Herrn  und  König',  tretet  nur  herbei, 
Ihr  werdet  es  finden  auf  dem  Heu. 

Kaspar  sagt: 
Erbarm  es  Gott,  o  Kindelein! 
875       Wie  liegst  so  hart  im  Krippelein. 


I04 

Melcher  sagt: 
Dergestalt  zeigt  sich  sein  göttliches  Ort, 
Das  von  uns  nun  ersehen  wurd. 

Balthasar  sagt: 
Ach,  kommt  und  lasst  uns  hinzugehn, 
Mein  Herz  vor  Lieb  schier  muss  vergehn. 

Kaspar  kniet  ?zieder  und  sagt: 
880       O  kleines   Kind,  o  grosser  Gott, 

Wie  bist  du  so  gar  verlassen : 

Hast  du  kein'  andre  Herberg  mehr? 

Musst  liegen  auf  der  Strassen. 

Ist  Heu  dein  Thron  und  Stroh  dein'   Krön, 
885       O  König  aller  Ehren  ! 

Dir  gebührt  ja  eine  Kaiserkron: 

Das  sehen  wir  an  dem  Stern. 

Nimm  hin  von  mir  das  rothe  Gold, 

Mein  Herz  ich  auch  dir  schenke, 
890       Nimm 's  an  von  mir,  o  höchster  Gott 

Thu  meiner  auch  gedenken. 

Melcher  sagt: 
Ach,  unser  König,  ach,  starker  Held, 
Dann  du  regieren  wirst  die  Welt: 
Sieh  an,  was  ich  mit  mir  hab  bracht, 
895       Den  Weihrauch  gut,  das  nicht  veracht. 

In  meinem  Land  gewachsen  ein'  Spezerei  : 
In  Trübsal,  o  Jesu,  steh  uns  bei. 

Balthasar  sagt: 

Ach,  wahrer  Gott  und  Mensch  du  bist, 
Ach  liebes  Kind,  Herr  Jesu  Christ! 
900       Ich  thu  dir  auch  präsentiren 

Aus  meinem  Land  den  köstlichen  Myrrhen : 
Ich  bitt,    du  wollest  dir  solche   lassen    gefallen 
Und  mir  beistehen  in  Trübsalen. 

Maria  sagt: 
Ihr  Herrn  und  König',  ich  sag  euch  grossen  Dank 
905       Um  eure  köstlichen  Gaben  und  eure  Geschank: 


Gott  wird  eure  Bitt  gewähren, 
Was  ihr  von  ihm  thuet  begehren. 

Kaspar  sagt: 

Wohlan,  ihr  Herren,  es  ist  schon  Zeit^ 
Dass  wir  uns  machen  auf  die  Reis : 
910       Behüt  dich,  Jungfrau  keusch  und  zart, 

Behüt  dich  Gott  und  dein^  Heben  Sohn; 
Wir  wollen  wiedrum  reisen  davon. 

M elcher  sagt: 
Heiland,  du  wollest  uns  auf  der  Strassen 
In  kein   Unglück  fallen  lassen. 

Balthasar  sagt: 
915       Behüt  dich  Gott,  du  getreuer  Mann, 

Wir  machen  uns  wiedrum  auf  die  Bahn. 

Joseph  sagt: 
Gott  wird  euch,  liebe  Herren  fromm, 
Seinen  Engel  schicken  schon. 
Der  euch  begleit'  in  euer  Reich  : 
920       Gott  gieb  euch  den  Gesund  allzugleich. 
Joseph  und  Maria  gehen  hinaus. 

Kaspar  sagt: 
Wohlan,  ihr  Herren,  eine  grosse  Freud 
Wir  wollen   dem  König  Herodes    bringen    heut. 
Weil  wir  uns  haben  unter  wunden 
Und  haben  auch  das  Kindlein  gefunden. 

Melcher  sagt: 
925       Ach,  unser  Wegweiser  ist  uns  verschwunden, 
Der  Stern  !  Das  betrübt  uns  sehr. 

Balthasar  sagt: 
Ach,  wer  lauft  so  eilends  daher? 

Der  Engel  kojnint  und  sagt: 
Wo  wollt  ihr  Könige  denn  hin  ? 

Die  Könige  sagen: 
Nach  Jerusalem  haben  wir  im  Sinn. 


io6 

Der  Engel  sagt: 
930  Ihr  Herrn  und  König' !  Gott  lasst  euch  sagen, 

Ihr  sollt  nicht  nach  Herodes  fragen : 

Ihr  sollt  jetzt  auf  ein  andrer  Strass 

In  euer  Land  ziehen  fürbass, 

Auf  dass  kein  Unglück  daraus  entstund, 
935   Dieweil  Herodes  bereit  jetzund 

Dem  Kind  zu  stellen  nach  dem  Leben : 

Doch  wird  es  Gott  behüten  eben. 

Drum  macht  euch  auf,  es  ist  schon  Zeit, 

Euch  zu  begleiten  in  euer  Reich :  '.-^ 
940  Folgt  mir  nur  nach  bald   allzugleich. 

Die  drei  Könige  sagen : 

Wir  folgen  dir  nach,  geh  nur  voran, 

Führ  uns  in  ein  andres  Land  die  Bahn.    Ab. 

Herodes  geht  mit  de?n  Bedienten  hinein  tind  sagt: 

Ich  bin  schon  gewesen  zwei  Jahr  aus, 
Weiss  nicht,  wie  es  gangen  ist  zu  Haus. 
945   Möcht    gern    wissen,    wo    diese    drei    König'    sein 

hinkommen : 
Habt  ihr  von  diesen  nichts  vernommen? 

Der  Bediente  sagt: 

Grossmächtiger  König  und  Herre  mein, 
Ich  hab  sie  mit  kein'  Aug  mehr  gesehn. 

Herodes  sagt: 

Diese  drei  König'  haben  mich  betrogen 
950  Und  haben  mir  gar  spöttlich  vorgelogen; 

Sie  haben  nicht  gehalten  ihr  Versprechen  : 

Ach,  kunnt  ich  mich  an  ihnen  rächen. 

Sie  hätten  mir  sollen  anzeigen  das  Kind, 

So  hätt  ich  es  getödtet  geschwind. 
955   Hätt  ich  mich  nicht  förchten  derfen, 

Dass  's  mein  Reich  würd'  übern  Haufen  werfen. 

Ich,  zwar  ein  König,  bin  ein  armer  Mann, 

Dämpf   ich    einen    Femd ,    greift    mich    schon    ein 

andrer  an. 


I07 

Gar  ein  kleines  Kind  muss  ich  förchten   schon, 
960  Dass  mich's  nicht  verstosst  von  mein'  Königsthron! 

Ist  dann  der  König  der  Juden  geboren, 

Ist  auch  mein  Reich  verloren, 

Ist  verloren  Zepter  und  Krön, 

Wo  ich  so  viel  Müh  und  List    hab    gewendet   an. 
965  Aber  noch  will  ich  mir  einen  sichern  Frieden  schaffen. 

Gehet,  ihr  Kriegsknecht,  ergreifet  die  Waffen, 

Gehet  zu  Bethlehem  um  und  um  herum : 

Tödtet  die  Knaben,  die  schon  zweijährig 

Und  die  noch  minder  seien  nunmehrig : 
970  Lasset  diese  Kinder  alle  auftreiben; 

Wird    mir    der    neugeborene    König     gewiss     nit 

ausbleiben. 

Der  Bediente  sagt: 

Grossmächtiger  König  und  Herre  mein, 
Das   thun    wir,     sobald    als    möglich    soll   es    ge- 

schehen  sein.    Beide  ad. 

Joseph   und  Maria  gehen  herein  und  schlafen. 
Die  drei  Hirten  springen  herein  und  singen: 

Es  war  ja,  mein  Aid 
975  A  rantiger  B'scheid: 

Wollt'  singen,  wollt'  springen, 
Wollt  hupfen  vor  Freud. 

Die  Häuerl  seint  weiss, 
Sie  glänzen  wie  Eis 
980  Vom  Fallen  der  Strahlen 

Der  Sonnen  so  heiss. 

Mach  mir  a  mein   Gregerl 
Mit'n  Löffel  a  Köcherl, 
A  Handerl  voll  Mehl, 
985  Das  reib'n  ma  fein  schnell. 

Die  Wiegen  ist  leer; 
Wann  etwas  drein  war ! 
Die  Henner  sie  pflegen 
Und  legen    d'  Eier. 


io8 

990  O  Nachbar,  schau,  schau, 

Was  dort  für  Wauwau 
Von  weiten  herreiten 
Auf  unsern  Feldbau. 

Drei  mächtige  Herrn! 
995  Wo  werden's  einkehr'n? 

Dort  drunten  beim  runden, 
Beim  guldigen  Stern. 

Mein  Michel,  ja,  ja, 
Sie  steigen  schon  a ; 
1000  Wer  meinst,   sie  werd'n  sein? 

Was  machen  sie  da? 

Gross  bucklete  Küah 
Da  springens  herfür, 
Lang  Kragen,  schwer  tragen, 
1005  Wohl  alle  sie  hier. 

Gross  Truchen  hab'ns  wohl, 
Seind  aber  nit  voll  — 
Aufg'laden  sie  haben : 
Ja  seind  sie  denn  toll: 

1010  Sie  fallen  auf  die  Knie, 

Hab's  g'sehen  noch  nie: 
Drei  Herren  verehren 
Das  Kindl,  weiss  wie ! 

Das  Kindl  doch  lacht, 
IGT 5  Ganz  fröhlich  sie  macht, 

Durch  Lachen  im  Wachen : 
Gross  Opfer  ham's  bracht. 

Und  wie  sie  zu  End 
Ihr  Opfer  vollendt, 
1020  Seind  sie,  die  Husaren, 

Vom  Klippel  wegg'rennt. 
Die  Hirten  gehen  hinaus. 
Der  Engel  geht  herein  und  sagt : 

Auf,  auf,  Joseph,  schlaf  nit  ein, 
Steh  eilends  auf  und  merk  mir's  fein 


log 


Sei  munter  und  versteh  mein  Wort, 
1025     Du  sollst  dich  bald  machen  fortt 
Und  ziehen  ins  Aegypten-Land, 
Du  und  Maria,  beide  zur  Hand : 
Und  nehmet  auch  mit  das  Kindelein  zart, 
Dieweilen  Herodes  gesinnet  ward, 
1030     Dem  Kind  zu  stellen  nach  dem  Leben; 
Doch  wird  es  Gott  behüten  eben. 
Drum  macht  euch  auf  und    eilt    geschwind 
Mit  Maria  und  dem   lieben  Kind, 
Dass  es  ja  nicht  getödtet  werd, 
1035     Bis  es  Gott  der  Herr  von  euch  begehrt. 

Joseph  sagt: 

Auf,  auf,  o  du  Gemahlin  mein. 
Wir  müssen  auf  jetzt  eilends  sein. 

Joseph  und  Maria  singen: 

Wo  ich  mich  hinwend. 
Ach,  grosses  Elend 
1040  Uns  überall  hat  troffen! 

Künn'  es  nit  find'n, 
Wo  mein  hebes  Kind 
Ein'  Sicherung  zu  hoffen. 

Wo  ist  der  Weg, 
1045  Wo  Brücken  und  Steg, 

Wer  wird  uns  hineinlassen? 
An  jenem  Tag, 
Wie  ich  euch  vorsag, 
Weisen  die  rechte  Strassen? 

1050  Mit  Ungestümen 

Und  blutigen  Grimmen 

Herodes  uns  nachjaget ; 

Es  ist  zu  spat 

In  dieser  Nacht : 
1055  Sie  warten,  bis  es  taget. 

Ach  lieber  Sohn, 
Bekannt  bist  schon 


HO 

Mit  deinem  Feind  zu  streiten. 
Es  wären  zwar 
1060  Noch  dreissig  Jahr, 

Früh  genug  waren  schon  die  Zeiten. 

Ach  Vaterland, 
Ich  gieb  dir  d'  Hand, 
Weil  ich  von  dir  rauss  scheiden. 
1065  Wer  weiss,  wie  lang  schon 

Des  Königs  Thron 
Ich  jetzt  nunmehr  muss  meiden. 

Ma7'ia  sagt: 
Ach,  mein  Gott,  wie  hast  du  uns  verlassen, 
Dass  du  uns  bei  so  kalter  Winterszeit 
1070     In  ein  fremdes  Land  fliehen  heiss'st! 

yoseph  sagt: 
Wein'  nur  nit,  mein'  Maria, 
Gott   und    die   Engel    werden    uns    beschützen 

vor  allen, 
Dass  wir  nit  in  die  Hand'  Herodes  fallen. 

Maria  sagt: 
O  mein  herzallerliebstes  Kindelein, 
1075     Wir  haben  wohl  Ursach  zu  wein'n, 

Dann   bis   Herodes   haben    wir    viel   Kreuz   ge- 
habt schon. 
Jetzt  fangt  an  die  Weissagung  Simeon's : 
Dass  ich  und  du  auf  dieser  Erden 
Viel  mit  einander  leiden  werden. 

Sie  gehen  hinaus. 
Der  Scherge  geht  herein  die  Kinder  köpfen  und  sagt: 

1080     Nur  her  mit  euren  Kindern  zu  dem  Todl 

Es  ist  von  König  Herodes  ein  scharfes  Gebot: 
Wir  sollen  kein  Kind  nit  verschon'. 
Damit    Herodes    sicher   steht   auf  sein'    Königs- 
thron. 
Denn  es  hilft  kein  Bitten,  keine  Thränen, 

1085     Nur  Blut  und  Tod  thut  uns  versöhnen. 


III 

Der  Scherge  geht  hinaus. 
Ein  anderer  Kriegsknecht  geht  herein  ttnd  sagt: 

Nun  ist  vollbracht  des  König  Herodes  sein  Befehl : 
Dieweilen  er  uns  Kriegsknechte  hat    hergestellt, 
Die  Knäblein  zu  tödten  wegen  sein'  Königsthron, 
Drum  haben  wir  sie  hingericht'  schon, 
1090     Wie  es  jedermann  sieht  auf  des  Schwerts  spitzer 

Klingen, 
Und  wollenes  dem  König  Herodes  bringen. 

Zwei  Hirten  springen  herein  und  singen -. 
Jobstl,  was  thust  uns  laufend  bringen? 
Ach,  es  möcht  mir's  Herz  zerspringen. 
Schaut,  was  in  dem  Dörfel  g'schehen, 
1095     Heute  so  ganz  unversehen. 

Ei,  ei,  was  seind  das  für  Leut? 

Ich  glaub,  Herodes  ist  gar  nicht  g'scheid. 

g;     Ist  mir  dies  a  Herzeleid, 
^  Ist  mir  dies  a  Obrigkeit: 

iioo     Ei,  dass  mich  Gott  wolle  g'segnen, 
Dass  sie  mögen  so  verwegen 
Die  kleinen  winzigen  Büablein  tödten. 
Als  wenn  sie's  frei  verschuldet  hätten. 

Ist  Herodes  nit  ein  wilder  Mann? 
II 05     Schau,  wie  hat  er  ein'  Luftsprung  than ! 
Soll  er  nit  das  Lüegen  meiden, 
Fremden  Leuten  nit  aufschneiden : 
Ist  das  nit  a  schändlicher  Brauch? 
Hansel,  die  Könige  lügen  auch. 

iiio     Heisst  das  Herodes  Kind  anbeten? 

Lasst's  jetzt  suchen  und  will  es  tödten. 

Herr  Gott,  wie  wird's  bei  uns  stehen? 

Gott,  woll'n  uns  verstecken  gehen : 

Was  er  den  Bauern  thut  bescher'n, 
I II 5     Haben  auch  ihre  Kinder  gern. 

Dasti  l    Dort  oben  auf  dem  Honaf  berg, 
Sagt  man,  da  geht  Alles  überzwerg. 


112 


Sollten  sie  uns  ins  Dörfel  kemmen : 
Wollen  wir  die  kleinen  Säbel  nehmen: 
II 20     Sollt  mir  einer  in  Hof  hereinschaun, 

Wollt  ihm  g'schwind  den  Kopf  abhaun. 

Dort  tragt  man  den  Veitl  an  der  Stangen: 
Ist  erst  sein  Mutter  fürgangen: 
Das  ist  ja  doch  Gott  zuwider ! 
II 25     Hin  und  wieder  schlagen's  nieder, 
Schau  nur,  wie  das  Blut  herfliesst. 
Wer  ist  so  wild,  den's  nit  verdriesst? 

Schau  nur  das  arme  Kindlein  an : 
Hat  noch  sein  Chrysam-Pfaidl  an ! 
1130     Was  wird  nun  sein  Gott  sagen! 

Zu  den  Plagen  möcht  ich  verzagen ; 
Hätten  sie's  g'hoben  ins  Taubennest, 
Dort  wär's  zum  allerbest  sicher  g'west. 

Schau,  wie  seind  die  Dieb'   so  keck, 
1135     Dorten  schlagen's  a  Kind  am  Eck: 
Ja,  wie's  ihn,  den  Jäkel  platzen, 
Augen  auskratzen  wie  die  Katzen. 
Haben  wir  gestern  Hasen  g'fang', 
Ist  nit  so  mächtig  wild  zugang'. 

1140     Die  Ahnl  ist  beim  Ofen  g'sessen. 
Hat  ein'  bratnen  Apfel  gessen : 
Das  Weib,  das  hat  das  Brod  eing'schossen, 
Unverdrossen  ist  der  Knecht  bei'n  Rossen ; 
Die  Menscher  hant  beim  Spinnen  g'sungen: 

IT45     Ach,  da  hat  der  Landsknecht  neindrungen. 

Maxi  hat  a  Köchel  gessen, 
Das  Töchterl  hat  a  Mues  zu  essen : 
Laufen  secht's  über  die  Stiegen, 
Auf  die  Wiegen  alle  zuetliegen : 
II 50     Der  ein',  der  nimmt's  Kind  beim  Ohr, 
Wirft  hinab  es  zum  Stallthor. 

Ei,  du  mein  Herrgott,  was  für  Leut ! 

Wie  die  leidige  Mutter  schreit, 

Glei  das  Kind  der  Tod  thut  recken, 


113 

II55     ß^i  den  Backen  mit  dem  Stecken, 
Hat's  der  dicke  Mörder  g'schlagen : 
O,  Mört,  das  Weib  wird  gar  verzagen. 

Dasti !  es  giebt  an  schlimmen  Handel: 
Steffel,  laf  hinab  zu  meiner  Sandl, 
II 60     Dass  sie  mir  kein  Kind  thut  lassen 
Auf  der  Gassen  oder  Strassen ! 
Mein  Kasperl  ist  erst  zwei  Jahr  alt, 
Lauft  hinaus  schon  in  den  Wald. 

Sag,  dass  sich  kein  Kind  thut  melden, 
II 6 5     Wann    schon    die    Herrn    an     der    Thür    auch 

schellten : 
Sag,  es  sei  der  Wauwau  draussen, 
Der  wird  aussen  dich  zerzausen : 
Schau  der  Wauwau,  der  Wauwau ! 
Hüet  dich,  mein  Kasperl,  noch  nit  traul 

II 70     Hansel,  ich  will  mein  Sabal  wetzen, 

Will  mich  auf  die  Landsknecht  setzen, 
Drei  Soldaten  bin  ich  g'wachsen: 
Warn's  glei  Sachsen  oder  Dachsen, 
Wollt  mir  ja  so  gar  derschlagen, 

1175     Dass  man  s'  von  mir  weg  müesst  tragen. 

Die  zxvei  Hirten  gehen  hinaus. 

Der   Woferl  geht  herein  und  singt: 
O,  wie  geht's  im  Himmel  zu, 
Wie  im  ewigen  Leben : 
Los  nur  zua  mein  lieber  Bua, 
Was  sich  hat  begeben. 
1 1 80     Wie  ich  will  einschlafen 
Hier  bei  meinen  Schafen, 
Kommt  ein  Engel,  weckt  mich  auf: 
G'schwind  nach  Bethlehem  hin  laufl 

Wie  ich  munter  worden  bin, 
1185     That  ich's  erst  recht  vernehmen: 
Eine  wunderseltsame  Mähr ! 
Ein  Engel  that  herkemmen, 

Volksschauspiele.  8 


114 

In  Lüften  sich  hat  g'schwungen 
Von  Gloria  in  excelsis  deo  g'sungen : 
II 90     G'sungen  hat  er  überlaut, 

Was  er  bracht  nur  aus  der  Haut. 

Er  sagt :  ein  kleines  Kindelein 
War'   uns  heut  geboren  : 
Dies  sollt  der  Messias  sein  I 
II 95     War  schier  halb  erfroren; 
In  der  Kripp  thuet  liegen, 
Alle  Knie  sich  thuen  biegen 
Vor  dem  kleinen  liebreichen  Gott, 
Der  uns  hilft  aus  aller  Xoth. 

1200     Grosse  Freuden   auch  verkünd't 

Allem  Volk  auf  Erden, 

Die  eines  guten  Willens  sind: 

Jetzt  werd's  besser  werden. 

Gang^  wir  hin,   thun  wir's  grüessen, 
1205     Dem  Kindlein  fallen  wir  zu  Füessen 

Und  ihm  bringen  was  zum  Geschenk, 

Dass  er  unser  a  gedenk. 

Bruder,  liebster  Bruder  mein, 

Was  wollen  wir  mitnehmen? 
12 IG     Nimm  du  a  Halbe  Groschenwein, 

Dass  wir  nit  leer  kemmen : 

A  Lampel  und  a  Kitzel. 

Dem  Kind  an  warmen  Stritzel, 

Geschmalzne  Nudel  und  ein'   Sterz, 
12 15     Stärkt  dem  Kind  das  matte   Herz. 

Herodes  geht  herein  tind  sagt: 
Ach,  ach,  was  habe  ich  gethan. 
Weil  ich  den  Tod  vor  Augen  han ! 
O  Diener,  liebster  Diener  mein, 
Mein  Zepter  und  Krön  sollen  dir  ein  Reichthum  sein. 
Der  Tod  und  der  Teufel  kommen. 
Der   Tod  sagt: 

1220     Ich  bin  der  Tod  mit  meinem  Pfeil, 
Ich  end'  des  Lebens  Zier  in  Eil : 


Den  Bogen  schiess  ich,  den  ich  hab  in  Will'n : 
Nimm  alle,  mit  mir  lass  ich  nicht  spiel'n ! 
Du  musst  mit  mir  ins  Todtenhaus, 
1225     Deine  Wirthschaft  die  ist  hier  schon  aus. 

Der  Teufel  sagt: 
Dein  Zepter  und  Krön  liegt  auf  der  Erd, 
Dein  Leib  und  Seel  ist  nit  viel  werth. 
Nur  frisch  heran,  mein  Heber  Gesell, 
Du  musst  mit  mir  jetzt  in  die  Höll  I 
Der  Teuf el  fährt  mit  Herodes  ab. 

Des  Herodes  Diener  sagt: 
1230     Ich  will  mich  setzen  auf  meines  Herren  Thron, 
Ich  werd  sehn,  wer  mich  vertreiben  kann. 
Der  Teufel  holt  auch  des  Herodes  Diener. 


DIE  GEBURT  CHRISTI. 


1% 


>  die  drei  Könige. 


PERSONEN. 

9 

Engel,  zugleich  Prologus. 

Maria 

Joseph. 

Caspar 

Melchior 

Balthasar 

Herodes. 

Protus,  sein   Kämmerling. 

Pilicardus. 

Burcardus. 

Prudentius. 

Egistus. 

Ein  Bauer. 

Titus. 

Rufinus. 

Reichhardt,   der  Wirth. 

Erster 

Zweiter 

Stichi 

Galli 

Widak 

Erster 

Zweiter 

Dritter 

Vierter 

Fünfter 


>  Hohepriester. 


Hirten. 


Soldat. 


V 


Engel  als  Prologus. 

Gelobt  sei  Jesus  Christus,  jetzt  und  in  Ewigkeit, 
In  dieser  gnadenvollen  und  freudenreichen  Zeit ! 
Seind  Sie  immer  was  Stand  oder  was  würdig'  Leut, 
So    sind  Ihnen    unsere  Dienste   anheunt    gar   wohl 

bereit. 
5  Was  der  Prophet  Michea  prophezeit  und  bewährt, 
Von  den  EvangeHsten  noch  deutlicher    ist    erklärt, 
Wie  Gottes  Sohn  verlassen  hat  das  Himmelreich 
Und  als  ein  Kind  uns  Menschen    beschert    wurde 

zugleich. 
Im  jungfräulichen  Leib  neun  Monat  war  verschlossen : 
IG   Da  aber  diese  Zeit  zu  Ende  ist  geflossen, 
Liess  Kaiser  Augustus  ein  Gebot  gehen  aus, 
Dass  jeder  sich  schätzen  lasse ,    allwo    er  war'  zu 

Haus. 
Drum  Joseph  und  Maria  sich  machen  auf  die  Reis, 
Nach  Bethlehem  zu  gehen   mit   höchster  Sorg  und 

Fleiss, 
15  Dem  Gebpt  nach  zu  leben,  bei  harter  Winterszeit, 
So  ihnen  auch  verursacht  sehr  grosses  Herzenleid. 
Tribut  und  Zins  zu  geben  ist  eine  harte  Sach, 
Müssen  auch  sonst  ausstehen  sehr  grosses  Ungemach: 
Niemand  that  sich  erbarmen  und  wollte  sie  aufnehm', 
20  Von    offner  Gass'    zu    kommen   mussten    sie    sich 

bequem'. 
In  einem  Stall  zu  bleiben,  liegen  auf  blosser  Erden, 
Allwo  auch  Gott,  der  Heiland,  thäte  geboren  werden. 
So  wir  gleich   einem  Schatten    vorstellend  Willens 

seind, 
Und  bitten  in  Geduld  es  zu  vernehmen  heunt. 


I20 

2  5  Allein  zur  Ehre  Gottes   soll    alles  dies    geschehen  : 
So  in  geliebter  Kürze  Alles  wird  vorbei  gehen. 

Gesang. 

Als  die  neun  Monat  zu  End  gegangen, 

Trug  Maria  sehr  grosses  Verlangen, 

Ihr  Kindlein  zu  sehen, 
30  Mit  dem  sie  doch  gross  Herzenleid 

Auf  Erden  musst  ausstehen. 
Maria  tritt  ein. 

Ach,  was  vor  grosse  Freuden,  ach,  was  vorSüssigkeit. 

Empfinde  ich  im  Herzen,  indem  nunmehr  die  Zeit 

Der  neun  Monat  gehet  zu  End  :  dass  ich  mein  liebstes 

Kind  empfangen, 
35   Nun  bald  mit  Augen  sehen  werde,  ist  mein  höchstes 

Verlangen. 

Ach,  mich  glückseligste  Mutter !     So  Niemands  ist 

entsprossen, 

Dieweil  das  Kind,    mein  Gott,    so    in    mein'  Leib 

verschlossen. 

Den    viel    König'    und    Propheten     verlangt     mit 

grossen  Schmerzen 

Mit  ihren  Augen  zu  sehen,  der  ruhet  unter  meinem 

Herzen. 
40  Mein'  Seel  sehnt  sich  nach   ihm,    mein  Herz   ver- 
langt auf  Erden, 

Dass    mein    Heiland    von    mir    möcht    bald    ge- 
boren werden: 

Ich  bitt ,  o   himmlischer  Vater   mein ,    verleih    mir 

die  Gnad, 

Dass  ich  dein  eingebornen  Sohn   nach  Würdigkeit 

bedienen  mag. 

jfoseph  tritt  ein. 
Ach,  mein'  allerliebste  Mutter,  ich  bitt  euch,    thut 

nit  erschrecken, 
45  Indem  ich  schlechte  Zeitung  euch  habe  zu  entdecken  : 
Von  Kaiser  Augustus  ist  ein  (iebot  Unerhörtermassen 
Ausgegangen,  dass  sich  jedermann  sollte   schätzen 

lassen : 


12  r 

An  dem  Ort,  da  er  gebürtig,  soll  dieses  geschehen. 
Mein'  liebe  Maria,  wir  beide  sollen  nach  Bethlehem 

gehen ; 
50  Weil    wir   alldort   gebürtig   und    unser   Geschlecht 

von  dannen, 
So  weiss  ich  nicht,  Maria,  was  wir  sollen  anfangen. 

Maria. 
Lasst  euch  nur  nicht  verstören,  liebster  Joseph  mxcin, 
Nach  Bethlehem  zu   reisen ,    möcht  Gottes    Willen 

sein. 

Joseph. 
Meine  liebe  Maria,  ich  verstör  mich  nicht  meinet- 
wegen, 
55  Ich  werd  wohl  mit  göttHcher  Hilf  nacher  Bethlehem 

kommen  mögen. 
Ich  bedaure  aber  nun  euch,    wie  wollet  dann   ihr 
Reisen  einen  so  weiten  Weg  in  Wind,  Nässe,  Schnee 

und  Gefrier, 
Mit  so   gross    und   schwerem  Leib ,    wo    der  Weg 

rauh  und  hart. 
Wo  ihr  von  Natur  jung  und  zart  und  ihr   solches 

nit  gewohnt  wart? 

Maria. 
60  Mein  Josef,  sei  nur    getrost,    ich   werd    wohl    dort 

hingehen : 
Auf  Gott  vertraue  ich,  der  wird  uns  schon  beistehen, 
Welcher  auch  seine  Engel  uns  auf  der  Reis    wird 

senden, 
So  alle  Gefahr  und  Ungemach  gewisslich  von  uns 

abwenden, 
Laut  der  Prophezeihung,  so   geschrieben  auf  Erden, 
6  5   Dass  der  Heiland  solle  zu  Bethlehem  geboren  werden. 

Joseph. 
O  mein'  Maria,  so  sei   es    dann ,    vielleicht   ist    es 

der  göttliche  Willen, 
Dass  wir  das  Gebot  des  Kaisers,  nach  Bethlehem 

zu  reisen,  erfüllen. 


122 

Wir   wollen    das   Nothwendigste    zusammenraumen 

und  uns  bequemen, 
Auch  ein'  Ochsen  und  Esel  auf  die  Reis  mitnehmen. 
70  Einen  Ochsen  zwar,  dass  wir  ihn  verkaufen  mögen, 
Um  von  solchem  Geld  dem  Kaiser  alldorten  den 

Zins  zu  geben, 
Den  Esel  aber  zum  Reiten,    damit  ihr  nicht    derft 

alleweil  gehen 
Und    also    leichter   kommet   fort :     der   liebe   Gott 

wird  uns  beistehen. 

Maria . 
Wir  wollen  nun  hingehen  und   uns    zur  Reise    be- 
quemen, 
75   Von  meinem  lieben  Vater  und  der  Mutter  Urlaub 

zu  nehmen, 
Und  wollen  sodann  in  Gottes  Namen 
Morgen  früh  zeitlich  unsere  Reis  anfangen. 
Gehen  ab. 
Gesang . 
Maria  und  Joseph  mit  höchstem  Fleiss 
Sich  fertig  machen,  auf  die  Reis 
80  Nach  Bethlehem  zu  gehen. 

Ach,  was  gross  Elend,  Angst  und  Noth 
Müssen  sie  jetzt  ausstehen. 

M-aria,  Joseph  itnd  Engel  treten  ein. 

Joseph. 
O  himmlischer  Vater,  o  allmächtiger  Gott, 
Ach,  siehe  doch  an  unser  gross  Elend  und  Noth, 

.85   Was  vor  eine  harte  Reis    meine   liebe  Maria   hat! 
Gehet  selbe  bergauf,  wird  sie  kraftlos  und   matt, 
Bergab  aber  selbe  keinen  sichern  Tritt  nicht  weiss, 
Und  einen  Fall  zu  befürchten  auf  dem  harten  Eis; 
Wegen  Ncässe,    Schnee   und  Kälten,    beschwerlich 

hart  zu  gehen*: 

90  O  himmlischer  Vater,  thu  uns  beistehen  1 

Maria . 

Nicht  betrübet  euch  so  sehr,  o   lieber  Joseph  mein. 


123 

Gedenket,  dass  uns  dieses  Kreuz  würde  von  Ewig- 
keit verordnet  sein. 

Ich  bin  auch  willig  und    bereit,    dieses    und    noch 

mehrers  auszustehen, 

Wenn  nur  meinem  herzliebsten  Kind  kein  Ungemach 

möchte  geschehen. 
95   Aber  wo  wollen  wir  heunteine  Nachtherberg  nehmen, 

Da  wir  kein  Haus  noch  sehen  und   der  Tag   thut 

untergehen  ? 

Joseph. 

Mein'  Maria,  seid  nur  getrost,  wegen  fallenden  Schnee 

und  Regen 
Wir  anjezo  kein  Haus  vor  uns  nicht   mehr    sehen 

mögen, 
.    Wo    wir    doch    unweit    seind    von    einer    Bauern 

Hütten : 
loo  Dort  wollen  wir  heunt  um  eine  Herberg  bitten. 
Der  Bauer  wird  uns  wohl  erweisen   dies  Gefallen, 
Ich  bin  auch  willig,  ihm  Alles  fleissig  zu  bezahlen. 
Sehet,  Maria  seht,  hier  ist  die  Hütten  schon, 
Ich  will  auch  allsogleich  bei  dem  Thor  klopfen  an. 
T05   Holla,  holla! 

Bauer. 
Wer  ist  so  spat  anhero  kommen  zu  mir. 
Und  also  ungestüm  klopfet  an  der  Thür? 

Joseph. 
Wir  zwei  arme  reisende  Eheleut  seind 
Und  bitten  demüthig  um  Nachtherberg  heunt. 

Ball  er. 
HO  Ich  g'halt  euch  nicht,  ihr  könnt  euch  noch  weiter 

machen, 
Ihr  thät'  mir  nur  gleich  Unruh  in  mein  Haus  ver- 
ursachen : 
Ob  es  auch  gleich  ist  Nacht,  könnt  ihr  doch  weiter 

gehen 
Und  euch  auf  ein'    andern  Ort   um    eine  Herberg 

umsehen. 


124 

Joseph. 

Ich  bitt  um  Gottes  willen,  nehmt  uns  doch  heunt 

auf, 
115  Ich  will  ja  Alles  gern  fleissig  bezahlen  auch, 

Weil    wir    auf  offener  Strass  wegen  Wind,  Schnee 

und  Regen 
In  dieser  bittern  Kalt  nicht  könn'n    noch  bleiben 

mögen. 

Bauer. 

Sehet  nur  anderswo,  und  lasset  mich  ungeplagt, 
Euch   um    eine   Herberg    um ;    ich   hab    es    schon 

gesagt, 
120  Da  ich  euch  nicht   kann    aufnehm'.     Drum   packt 

euch  von  der  Thür 
Und  lasset  mich  mit  Ruh ;  macht  mir  kein  Unruh 

hier. 

Joseph, 

Ach,  meine  Hebe  Maria,  nun  sind  wir   völlig   ver- 
lassen und  arm : 

Ach,  was  fangen  wir  an?    Dass  Gott  im  Himmel 

erbarm ! 

Vor    Kalt    auf   offener  Strass  wir   werden    müssen 

sterben, 
125   Die  weil  wir  allhier  kein  Herberg  können  erwerben. 

Maria. 

Mein  Joseph,   seid    getrost    in  Gott,    auf  ihn    wir 

Hoffnung  fassen. 
Er  wird  uns  in   der    grössten  Noth    gewissHch   nit 

verlassen.    Gehet  zur  Thür. 
Ach,  ihr  liebe  Leut,    durch  die  Liebe  Gottes    ich 

euch  bitt, 
Ach,  um  Gottes  willen,  thut  uns  abschlagen  nit, 
130  Ach,  nehmet  uns  doch  heunte  auf,  in  euern   Haus 

zu  wohnen, 
Gott ,    der    himmlische    Vater   wird    euch    solches 

getreu  belohnen. 


125 

Die  zarte  Stimm  eines  Weibes,  die  thut  erbarmen 

mir, 
Dass  ich  doch  endlich  muss  eröffnen  meine  Thür: 
Saget  an,  ihr  liebe  Leut,  wohin  ist  euer  Sinn  und 

Muth, 
135   Dass  ihr  im  Winter  bei  schlechtem  Wetter    solche 

Reis  anstellen  thut? 

yosep/i. 

Wir  reisen  nacher  Bethlehem  und  zwar  derermassen, 
Uns  nach  dem  Gebot  des  Kaisers  alldorten  schätzen 

zu  lassen. 

Bauer. 
So  tretet  denn  herein,  setzt  euch  zum  Feuer  nieder, 
Dass  ihr  erwärmen  könnt  eure  erfrorne  Glieder.  Ab. 

Gesang 
140  Als  Joseph  und  Maria  nach  Bethlehem  kommen 
Und  konnten  nirgends  kein  Herberg  bekommen, 
Joseph  vor  Leid  thäte  weinen  : 
Maria  aber  die  tröstet  ihn, 
Und  mussten  in  einem  Stall  bleiben. 

yoseph  ko77ii)it  i7iit  Maria : 

145   Maria,  nun  sehen  wir  Bethlehem  vor  Augen  allbereit, 
So  Gott  zur  Geburtsstadt    seines  Sohnes    erwählet 

hat  von  Ewigkeit. 
Ihr  glückselige  Bürger,  die  ihr  allda  thut  wohnen, 
Ach,  wüsstet  ihr,  was  euch  heunt  thut  heimsuchen 

kommen! 

Maria. 
Ach,  sei  gebenedeit,  o,  Bethlehem  auserlesen, 
150  Ueber  alle  Stadt  der  ganzen  Welt!    Klein  ist  bisher 

dein  Nam  gewesen, 
Anjetzo  hat  Gott  dich  zur  Geburtsstadt  von  seinem 

Sohn  erkoren : 
Von    nun    an   wird    dein    Nam    gewiss    gross    auf 

ganzer  Erden, 


120 

Weil  Gottes  Sohn  in  dir  will  von  mir  geboren  werden. 

Wo  werden  wir  einkehren,  wo  wird  das  Zimmer  sein, 

155  Dass  ich  drin  soll  gebären  mein  liebstes  Kindelein  ? 

Joseph . 

Bei  meinen  nächsten  Befreunden,  liebste  Mutter  mein, 
Wann  es  euch  doch  beliebig,  wollen  wir  kehren  ein. 

Maria . 
Nun  sei  Gott  Dank  gesagt!  Thu  willig  mich  bequemen, 
Weil    wir   sein    kommen    in    die   Stadt,    bei     arme 

Leut  vorlieb  zu  nehmen  ; 
160  Doch  wollt  ich  nicht  gerne  sehen,  dass  mein  hoch- 

würdig's  Kind  auf  Erden 
An  ein  gar  schlechten  Ort  sollt  von  mir   geboren 

werden. 

Joseph. 
Meine  liebe  Maria,  sorget  nicht,  nun  sein  bei  dem 

Haus  schon  wir, 
Bei  meinem    nächsten  Freund    in    der  Stadt  Beth- 
lehem  hier.    Titus  kotnmt. 
Guten  Abend,  Herr  Titus,  mein  guter  Freund ! 
165   Ich  und  mein'  liebe  Hausfrau  von  Nazareth  hierher 

kommen  seind, 
Weil  ich    hier   gebürtig :    des  Kaisers    Gebot   nach 

zu  leben, 
Seind  wir  nachero  kommen,  ihm  den  Tribut  zu  geben. 
Ich  bitt ,    thut  uns  aufnehmen ,    die  wir  matt    von 

der  Reis, 
Denn  meine  liebe  Maria  kein  sichere  Stund  mehr 

weiss : 
170  Ich  will  All's  dankbar  zahlen,  gebt  ims  ein  Zimmei 

rein, 
Dass  meine  liebe  Maria  möcht  gut  versorget  sein. 

Titus. 

Mein  lieber  Freund  Joseph,  euer  Bitt  ist  ganz  wohl 

und  billig, 

Ich  wollt ,   dass  ich  könnt  dienen ,  ich  war  bereit 

und  willig. 


127 

Jetzt  sind  all  meine  Zimmer  mit  Gästen  gefüllet  an : 
175   Ich    bitt ,    nehmt    mir's    nit    übel,    dass    ich  nicht 

dienen  kann : 
Ihr  müsset  schon  bei  Andern  euch  um  ein  Herberg 

sehen, 
Weil  ich  kein  Platz  im  Haus    hab ;    sonst    hätt   es 

können  geschehen. 
Joseph. 
Meine  liebe  Maria,  dieweilen  es  da  nicht  sein  kann, 
So  müssen  wir  zu  ein'  andern    guten  Freund    hin- 
gehen schon.    Rtifimis  kojiunt. 
180  Seid  gegrüsst  Rufinus,  mein  guter   Freund  ! 

Wir  beide  von  Nazareth  nacher  Bethlehem  kommen 

seind. 
Uns    nach    dem  Befelch    des  Kaisers   zu    schätzen 

lassen  hier. 
Ihr  wollet  uns  in  euer  Haus  aufnehmen,  das  bitten 

wir, 
Auch    wollet   ihr    uns    ein    eigenes    und    bequemes 

Zimmer  eingeben, 
185   Auf  dass  mein'  liebe  Maria  ihr  Kindbett  bei  euch 

möcht  vollenden  mögen. 
Ich    bitt ,    mein   lieber    Vetter ,    thut    uns    dies    zu 

Gefallen, 
Ich  will  auch  fleissig  All's  dankbarlich  euch  bezahlen. 

Rußnus. 
Mein    Vetter ,    mir   ist   leid ,    dass   ich    euch  nicht 

aufnehmen  kann. 
Denn  erst  heut  Vormittag  sind  Zwanzig  kommen  an, 
190  So    ich    hab    aufgenommen,     weil    ich    von     euch 

nichts  gewisst : 
Seht  also,  dass  bei  mir  kein  Platz  vorhanden    ist. 

Joseph. 
Ach,  allerliebste  Maria,   ach,  was  ist  das  für  ein' 

Schand : 
Sehet,   wie  ich    von    meinen  Freunden    in  meinem 

eigenen  Vaterland 
Also  Verstössen  bin;  ach,  ich  muss  mich  schämen. 


128 

195  ^Veilen  sie  lieber  einen  Fremden  als  mich  aufnehmen. 
Sein    also    gezwungen ,    dass    wir    müssen    weiter 

gehen, 
Und   uns   bei    fremden    Leuten    um    ein'    Herberg 

umsehen.     Keichhardt  kommt. 

Guten    Abend ,     mein     lieber     Herr    Wirth     und 

Hauspatron ! 
Wirbeide  kommen  von  Nazarethnacher Bethlehem  an, 
200  Dass  wir  uns  schätzen   lassen,    des  Kaisers  Gebot 

nach  zu  leben, 
Weil  ich  hier  gebürtig,  —  und  den  Zins  zu  geben. 
So  bitt  ich  recht  freundUch :    nehmt   uns    in   eure 

Behausung  an, 
Dass  meine  liebe  Maria  bei  euch  sodann 
Ihr  Kindbett  vollende  und  das  Gesatz  erfüll', 
205  Wo  ich  ja  gern  Alles  ganz  fleissig  bezahlen  will. 

Reichhardt. 
Dich  aufzunehmen  kann  ich  mich  nicht   besinnen, 
Ich  sehe,  dass  bei  dir  nicht  viel  ist  zu  gewinnen: 
Darum  verlang  ich  dich  nicht  in  meinem  Haus, 
Und  packe  dich  nur  bald  zu  dieser  Thür    hinaus. 

Joseph. 

210  Ach,  nehmet    uns    doch    auf,     erweist    uns    dies 

Gefallen, 
Ich    bitt    um    Gottes    willen,     will    All's    fleissig 

bezahlen, 
Was  ihr  uns  geben  werdet,    lasst   euch   erweichen 

heunt, 
Erbarmet  euch  doch  unser,  mein  Heber  guter  Freund  I 

Reichhardt. 
Ein    so    eifersüchtigen    Mann   ich   gewisslich   nicht 

behalt, 
215   Darum  so  gehe  eilig  aus  meinem  Haus  nur  bald : 
Ein   loser    Mann    du    bist,     das   thue    ich   an    dir 

sehen. 
Weilst    plagst    das    zarte    Weib    so    weit    mit    dir 

zu  gehen. 


I  29 

Weil   sie  schön  zart  und  jung,  willst  du  ihr  trauen 

nicht, 
Da  sie  doch  keine  Zeit  vor  ihr  hat,  wie  man  sieht. 
220   Drum  packe    dich    nur    bald    hinweg    von    meiner 

Thür 
Und  mach  hinfüro  nicht  ein'   weitre  Unruh  mir. 

Joseph. 

Ach,  mein'  herzallerliebste  Maria,   was  wollen  wir 

anfangen. 

Wo  wollen  wir  hingehn,  damit  wir  unterkommen? 

Sollen    wir    dann    unter    dem    freien    Himmel    auf 

offner  Strassen 
225   Liegen?   Ach,   dass  Gott  erbarm,  nun  sein  wir  ganz 

verlassen. 

Ich  bedaure  nur  euch,  ich    thu    es    frei    bekennen. 

Indem  ihr's  seht  und  hört,   ich  muss  mich  herzlich 

schämen, 

Dass  ich  von  meinen  Freunden  und  Bekannten  allhier 

In  meinem  eignen  Vaterland  also  schimpflich    ab- 
gewiesen wir. 

Maria. 
230  Nicht  betrübt  euch  so  sehr,  o  lieber  Joseph  mein, 
Vielleicht  thuet  es  also  der  göttliche  Willen    sein. 
Gott    wdrd    uns    noch    wohl    gewiss    ein'    Herberg 

verschaffen : 
Sollen  wir  aber  liegen    müssen    auf  freier  Gassen, 
So  wollen  wir  gedenken,  er  hab  es  also  angestellt  \ 
235   Darum  mach's  Gott  mit  uns,  wie  es  ihm  wohlgefällt. 

Joseph. 
O,    mein'  Maria ,    so  bleibet  allhier    unter    diesem 

Obdach  stehen. 
Ich  will  alleinig  in  der  ganzen  Stadt  umgehen. 
Will  sehen,  ob  ich  nicht  bei  einem  gemeinen  Mann 
Ein'  Herberg  erfrag'  oder  ein  Ort  bekommen  kann. 

Maria . 

240  Mein  Joseph,    geht    nur    hin,    kommt    doch    bald 

wiederum  her, 

Volksschauspiele.  9 


I30 

Allein  wird  mir  die  Zeit  fallen  gar  hart  und  schwer. 
O  himmlischer  Vater,   o  allmächtiger  Gott, 
Erbarme   dich  doch  unser  in   dieser  grossen  Noth : 
Niemand  will  uns  aufnehmen,  der  liebste  Joseph  mein 
245   Thut  sich  von  Herzen  schämen  und  sehr  betrübet 

sein. 
Ach,  Gott,  thu  doch  ansehen  dein'  und  mein'  herz- 
liebsten Sohn 
Und    lass    es    geschehen ,    dass    jemand    uns    auf- 
nehmen kann; 
Zu  dir  ich  Hoffnung  fasse  in  dieser  Kalt  und  Frost: 
Ach,  thu  uns  nicht  verlassen  und  schicke  einen  Trost. 

Joseph. 

250   O  himmlischer  Vater,    was  fang'   ich  immer  an, 
Wo  soll  ich  doch  hingehen,  dass  ich  unterkommen 

kann : 
Ich  muss  mich  vor  Maria  doch  recht  von  Herzen 

schämen, 
Dass    in    meinem    Vaterland    uns    Niemand    will 

aufnehmen. 
Soll  dann   dein   eingeborner  Sohn    und   die  liebste 

Maria   mein 
255   Auf  freier  Strassen    liegen    bleiben,    wie    kann    es 

möglich  sein  r 
O  himmlischer  Vater,  o  allerliebster  Gott, 
Ach,    thu    uns    doch    beistehen    in  dieser    grossen 

Noth.       Geht  zu  Maria. 
O  allerliebste  Maria  mein  ,    nun   weiss  ich    keinen 

Rath : 
Zu  Bethlehem  in  jedem  Haus  hab  ich  um  Herberg 

angefragt, 
260   Aber  Niemand  will  uns  aufnehmen  und  ist  mir  die 

grösste  Schmach ; 
Ich  muss  mich  herzlich  schämen,  dass  ich  es  nicht 

besser  hab. 
Euch  würdigst  zu  traktiren  unter  den  Freunden  mein  : 
Gott  wird  sich   doch  erbarmen,  sonst  kann's  nicht 

änderst  sein, 


131 

Als    dass    wir    werden    müssen    liegen    auf    freier 

Strassen  ! 
265  Ich  hab  es  nicht  gehofft,  dass  ich  also  verlassen 
Sollt  sein  von  meinen  Freunden  in  Bethlehem  allhier: 
Ach,  allerliebste  Maria,  ich  bitt,  verzeihet  mir, 
Ich  muss  es  nun  gestehen,  dass  mir  dies  die  grösste 

Schmach, 
Indem  ihr  jetzt  könnt  sehen,  was  ich  vor  Freund- 
schaft hab. 

Maria. 

270  Nicht  bekümmert  euch  so  sehr,  o  lieber  Joseph  mein, 
Ob  es  uns  zwar  fallet  schwer ;  vielleicht  thut's  Gottes 

Willen   sein, 
Dass  sie  uns  nicht  aufnehmen :  wer  weiss,  ist  einer 

würdig  hier, 
Dass    mein    Kind   in    ihrem    Haus    geboren    werd 

von  mir ! 
Gott  hat  es  zweifelsohne  schon  also  angestellt, 
275   Dass  wir  an  das  Ort  kommen,  so  dazu  auserwählt: 
Wann  wir  nur  ein  Ort  hätten,  dass  wir  wären  allein, 
Und  auch  von  Wind  und  Schnee  möchten  befreiet 

sein. 

yoseph. 
Zu  Ende    der  Stadtmauer  wüsst  ich  ein'  steinerne 

Höhlen, 
Allwo  die  armen  Leut  zu  Zeiten  ihr  Vieh  hinstellen : 
280   Alldort  könnten  wir  bleiben  und  wären  ganz  allein; 
Der  Wind  thut  doch  einblasen  und  thut  unsauber  sein. 

Maria, 
O,  lieber  Joseph,  lass  es    geschehen,    wenn    schon 

schlecht  ist  das  Ort. 
So    wollen    wir    doch    hingehen    und    heunt  Nacht 

verbleiben  dort : 
Morgen  aber  wiederum  in  allen  Gassen   der  Stadt 

umgehen, 
285  Ein'    bessere  Herberg    zu    bekommen    uns    wollen 

dann  umsehen. 
9  * 


132 


'^oseph. 


j 

So  gehen  wir  zu  dieser  verächtlichen  Höhlen  dann, 
Dieweilen    es    anheunte    nicht    änderst    sein    kann. 

Gehen  hin. 

Maria. 
O,  lieber  Joseph,  vielleicht  ist  es  der  göttliche  Willen; 
Dass  mein  Kind  in  dieser  verwerflichen  Höhlen 
290  Verlangt    geboren    zu    werden;    darum  wollen  wir 

bei  Zeiten, 
So    gut    wir    immer    können,    solche    säubern    und 

zubereiten. 

Joseph. 

Ach,   mein'   Maria,  soll  denn    der  Sohn    des  Aller- 
höchsten auf  Erden 
Hier  in  diesem  stinkenden  Stall  geboren   werden? 
Ach,  was  ist  dies  mir  vor  ein'   so  grosse  Schand, 
295   Ach,  wie  schlecht  empfanget  die  Welt  ihren  Heiland  1 
Es  ist  auch  nichts  allda,  ihn  würdiglich  zu  traktieren, 
Wie  es  einem  solchen  Herrn  thäte  gebühren : 
Jedoch  aber  so  geschehe  der  göttliche  W^illen  sein, 
Welches  mich  wohl  vergnügt ,    und  ist  der  Willen 

mein. 

Joseph  hebt  an  auszukehren. 

Maria. 

300  O  Bethlehem,  o  schnöde  Welt,  ach,  was  Schand, 
Ach,  wie  schlecht  empfangest  du   deinen  Heiland: 
Wo  du  ihm  sollst  geben  den   allerhöchsten  Saal, 
Verstossest  du  ihn  in  diesen  stinkenden  Stall. 
Sollten  dies  unsre  Voreltern  Josse  und  David  sehen, 

305   Ach,  wie  würde  ihnen  dieses  zu   Herzen  gehen  1 
Ach,  hört,  allerliebster  Joseph  mein : 
Anheunt  thut  die  allerglückseligste  Nacht  sein. 
In  welcher  Gott  sein  Wunder  wird  erzeigen, 
Dieweilen  sich  die  neun   Monat  zu  Ende  neigen, 

310  Dass    ich    mein'    Heiland    in    meinem    Leib    ver- 
schlossen tragen  : 


133 

Heunt  werden  wir  denselben  noch  anzusehen  haben, 
Nach    dem    so   viel  König',    Patriarchen  und  Pro- 
pheten schon 
Haben  verlanget  und  geseufzet,  solchen  zu  schauen  an. 

Joseph, 

Ach  Maria,  diese  herrliche  Zeitung  freuet  mich, 
3  T  5  Vor  welche  meinem  lieben  Gott  nicht  genug  kann 

danken  ich, 
Welcher  mich  zu  so  grosser  Freud  und  Gnad 
Vor  allen  Andern  auserwählet  hat: 
Soll    ich    vielleicht   um    etliche    gottselige    Weiber 

gehen, 
Dass  euch  selbe  i-n  eurer  Geburt  möchten  beistehen  ? 

Maria. 
320  Ks  ist  nicht  vonnöthen,  Joseph,  lass  es  geschehen, 
Gott  wird  die  Engel  senden,  dass  selbe  mir  beistehen: 
Dass  wir  das  göttlich  Kindlein  würdig  empfangen 

mögen, 
Wollen  wir  uns  bereiten  und  in  das  Gebet  begeben. 

Joseph . 
O  allerliebste  Gespons,  so  will  ich  mich  sodann 
325   In   das  Gebet   begeben,    den    Heiland    würdig    zu 

sehen  an. 
Gehet  vor  den  Stall  u?zd  kniet  nieder. 
Maria  kniet  auch  nieder: 
O  himmlischer  Vater,   o  allmächtiger  Gott, 
Ach,  siehe  doch  an  die  Nichtigkeit  dieses  Ort', 
In  welchem  dein  eingeborner  Sohn  von  mir 
Deiner  unwürdigen  Dienerin  sollte  geboren  werden 

hier! 
330  Ach,  sei  gegrüsst  von  mir,  o  heilige  Höhlen, 

küsset  den  Boden  viit  ausgespantzten  Arincji. 

Welche  Gott  zur  Geburtsstätt  thät  auserwählen  : 

So  mir  glückseligsten  Mutter  meines  Herrn 

Verleihe  die  Gnad,  dich  würdigst  zu  verehr' n. 

Schlägt  beide  Hände  kretizweis  über  die  Brust; 
eijie  kleine  Weile  Stille. 


134 

Sei  mir  willkommen,  mein  allerliebster  Gott, 
335   Sei  mir  willkommen,  mein  höchster  Herr, 

Sei  mir  willkommen,  mein  allersüssester  Sohn! 

Hebt  das  Kindlein  auf,   kilsst  es. 
Sei  von  mir  herzlich  geküsst,  o  holdseligstes  Kindlein  : 
O  Joseph,  kommt   herein,    der  Welt  Heiland    thut 

geboren   sein. 

Joseph . 
Ach,  sollt  denn  der  Welt  Heiland  schon    geboren 

sein? 
340  Sei  zu  tausendmal  gegrüsst,  o  holdseligstes  Kindelein  \ 

Maria. 

O  liebster  Joseph,  bereitet  doch  ein  Bettlein,  thut 

ihm  ein  Ort  verschaffen. 
Darin  mein  liebstes  Kindlein  ruh'  und  möge  schlafen. 

Joseph , 

Ö,  mein'  Maria ,    obwohlen    dem    göttlichen   Kind 

auf  Erden 
Gebühret,  in  eine  goldene  Wiegen  gelegt  zu  werden  : 
345  Weilen  aber  Gott  selbst  thut  auserwählen 

Und    hat    wollen   geboren    werden   in    dieser   ver- 
ächtlichen Höhlen, 
In  welcher  nichts  als  Armuth  thät  zu  finden  sein, 
So  wollen  wir  es  legen  auf  das  Heu  ins  Krippelein. 

Küsst  das  Kind, 
Maria. 

So  nimm  doch  vorlieb,  herzliebstes  Kindelein, 
350  Dieweilen  sonst  kein  Ort,  mit  diesem  harten  Bettelein, 
•  In  welches  ich  dich  nun  thu  hinlegen: 
Du    aber    vor    Wind    und    Kälte     kaum     werdest 

schlafen  mögen. 

Joseph. 
Damit    aber    das    göttliche    Kind    ehender    möcht 

schlafen  können, 
So  bitte  ich,  erlaube  mir,   vor  Freud  dich  in  Schlaf 

zu  singen!     sini^t-. 


^35 

355        Schlaf,  o  allerholdseligstes  Kind, 

Schlafe  im  kalten,  brausenden  Wind : 
Ochs  und  der  Esel,  die  heizen  dir  ein 
Mit  ihrem  Athem,  o  lieb's  Kindelein : 
Ach  schlafe,  ach  schlafe ! 

360       Schlafe,  o  Kindlein,  im  harten  Heu: 

Gedenk,  dass  dein'  Demuth  und  Willen  so  sei, 
Aus  Liebe  zu    uns  Menschen    den    himmlischen 

Saal 
Verlassen  hast  wollen  und  liegen  im  Stall : 
Ach  schlafe,  ach  schlafe ! 

365        Schlafe,  o  liebreiches  Kindelein, 

Mein  Herz,  das  begehrt  dein'  Wiegen  zu  sein; 
Leg  dich  darein  und  gieb  dich  zur  Ruh, 
Die  Engel  vom  Himmel  auch  singen  dir  zu  : 
Ach  schlafe,  ach  schlafe ! 

Gesang. 

370  Maria  gebar  ein  Kindelein, 

Es  jubiliren  die  Engelein, 
Gar  fröhlich  thäten  sie  singen: 
Den  Hirten  thäten' s  auf  das  Feld 
Ein'  neue  Botschaft  bringen. 


'ö' 


Engel  als  Prologus. 

375  Kommt  her  und  seht,  derft  euch  nicht  schämen. 
Wie  Christus  ist  geboren  !  Thut  es  zu  Herzen  nehmen  : 
Kein  Zimmer  er  nicht  hat,  muss  liegen  in  dem  Stall, 
Aus  lauter  Lieb  zu  uns  verlassen  den  Himmelsaal  1 
Der  doch  der  Reichste  war,  liegt  jetzt  in  Armuth 

gross, 
380  In  einer  Krippen   dort,  leidet  Wind,  Schnee    und 

Frost; 
Der  doch  der  höchste  Herr  Himmels  war  und  der 

Erden, 
Wollt  aus  Lieb  zu  uns  ein  kleines  Kindlein  werden ! 
Jetzt  ist  Gott  als   ein  Kind    dort    in    der  Krippen 

zu  finden. 


395 


136 

Der  als  ein  Richter  kommen  wird  zu  strafen  unsre 

Sünden. 

38s   Verehret  euren  Gott  jetzt  in  dem  Krippelein, 
Allwo  die  Engel  auch  sich  jetzund  finden  ein : 
So  dreien  armen  Hirten  heute  bei  der  Nacht 
Die  fröhHche  Zeitung  haben  überbracht, 
Wie  Gott  als  Mensch  zu  Bethlehem  geboren  war, 

390  So  auch  alsbald  glaubten  der  neuen  Mähr: 
Etliche  Hirtengaben  mit  sich  genommen, 
Das  Kindlein  anzubeten  seind  ankommen. 
Fallen  zur  Erden,  thuen  es  verehr'n 
Als  ihren  wahren  Gott  und  Herrn : 
Drum  wollen  wir  uns  auch  machen  bereit 
Zu  dieser  gnadenvollen  und  freudenreichen  -Zeit, 
Zu  verehren  das  Jesu  Kindelein, 
So  liegt  im  Stall  im  Krippelein. 

Die  Hirten  treten  ei?i. 
Stichi  singt: 

Nichts  kann  annehmlicher  sein, 
400       Als  die  Schäflein  weiden. 

Wo  man  aller  Sorgen   frei, 

Lebt  in   steten  Freuden : 

Ob  die  Nacht  auch  kommen  an, 

Ist  mir  doch  die  Zeit  nicht  lang, 
405        Denn  ich  sehe  meinen  G'span,    meinen  G'span, 

Dort  zu  mir  hertreiben  schon. 

Will  mir  dann  ein  Schlaf  zugehen, 
Thu  ich  ein'   Weil  blasen : 
Schau  wie  d'  Schäflein  grasen  schön, 
4T0        Auf  dem  grünen  Wasen ; 

Drum  mich  nichts  betrübet, 

Leb  auch  wohl  vergnüget, 

Bei  meinem  lieben  Käs  und  Brod,  Käs  und  Brod, 

So  ich  darbei  z'  essen   hab. 

Galli. 

415   O  mein  Stichi,  wir  haben  jetzt  so  schlechte  Zeiten, 
Du  bist  gleich  wohl  lustig  und  singst  mit  Freuden? 


^37 

Stiehl, 

O  mein  Galli,  es  ist  gleich  ein  Geld, 
Ob  man   sich  lustig  oder  traurig  stellt : 
Allein  ist  mir  die  Zeit  g'west  lang, 
420  Drum  han  ich   daweil  ein  G'sangel  ang' fangt. 

Widak. 

Ei,  Buben,  ist  euch  die  Zeitung  noch    unbekannt, 
Dass,   wie  man  jetzt  sagt,  im  ganzen  Land, 
Kaiser  Augustus  hat   Unerhörtermassen 
Ein  scharfes  Gebot  ausgehen  lassen  : 
425   Ein  jeder  sollt  sich  schätzen  lassen  bei  Straf  seines 

Habs  und  Guts ! 
Wer  wollt  darbei  sein  gutes  Muths  ? 
Jeder  Kopf  sollt  im  Ort  ein'   Gulden  geben : 
Wie  werden  dann  mir's  daschwingen  mögen? 

Galli, 

O  mein   Widak,  das  ist  wohl  eine  harte  Zeit  : 
430  Wo  werden  dann  wir  arme  Schäfersleut 
Auf  einmal  so  viel  Geld  können  geben? 
Ich  hab  so  fast  nichts  in  mein'  Vermögen 
Und  bin  um  und  um  voller  Schulden, 
Wann    ich    noch    vor    mich   und    mein    Weib    soll 

geb'n    einen  Gulden! 

Stiehl, 

435   O  mein  Galli,    du  derfest  weiter  noch  nit  klagen, 
Lass  nur  mich  recht  von  der  Armuth  sagen : 
Ich  weiss  weiter  nit,  was  ich  muss  thain, 
Weil  ich  mein  Weib  hab  mit  fünf  Kindern  daheim  1 
Wo  soll  ich  so  viel  Geld  aufbringa? 

440  Das  kann  ich  weiter  nit  daschwinga. 

Widak. 

Ei  Buben,  mein  Vater  hat  oft  erzählt, 
Wie  Gott  hätt  versprochen  uns  auserwählt, 
Dass  der  Messias  in  die  Welt  soll  kommen, 
Zu   Trost  und  Erlösung  aller  Frommen : 


138 

445    Alsdann   würden  wir  allhier  auf  Erden 
Von  aller  Trübsal  enthoben  werden. 

Stichi. 

Ich  hab  oft  g'hört  reden  dergleichen  Wort' : 
Mein  Widak,   weisst  du  aber  die  Zeit  und  das  Ort, 
Wann  oder  wo  das  soll  geschehen, 
450  Dass  den  Armen  dieser  Trost  soll  erstehen? 

Widak. 
Von  einer  Zeit  ist  niemals  worden  gemeld't, 
Aber  das  Ort  sei  wohl  dazu  erwählt: 
Bethlehem,  die  Stadt  Davids,  ist  erkoren ; 
Von  einer  Jungfrau  sollt  er  werden  geboren. 

Galli. 

455   Widak,  ein  närrischer  Läpp  bist  drum  wohl: 
Sag,  wie  denn  ein  Jungfrau  gebären  soll? 
Du  weisst  ja  selbst  und  das  ist  gewiss, 
Dass  ein'  Mutter  nimmer  kein'  Jungfrau  ist. 

Stichi . 

Ei  Widak,  ich  muss  auch  deiner  Einfalt  lachen, 
460  Bist  ein  alter  Mann  und  glaubst  solche  Sachen, 
Dass  eine  Jungfrau  gebären  sollt ! 

Widak. 

Ei  lacht  mich  aus,  wie  ihr  nur  wollt : 
Wann  Gott  will,  so  muss  es  doch  geschehen ; 
Dann  wir  gewiss  die  Sachen  keiner  verstehen, 
465  Es  wird  doch  geschehen  mit  der  Zeit: 
Weil's  die  Propheten  haben  prophezeit. 

Galli. 
Widak,  du  hast  recht,   wenn  nur    bald    auf  Erden 
Der  Messias  möchte  geboren  werden : 
Das  wurd  uns  grossen  Nutzen  bringen ; 
470  P2i,  wie  wollten  wir  frohlocken  und  springen! 

Widak. 

Ei  Buben,  wie  plagt  mich  heunt  der  Schlaf  so  sehr, 
Ich  will  mich  legen  auf  den  grünen  Wasen  daher : 


139 

Lasst  mich  ein  wenig  napfezen  und  schlafen, 
Ihr  seid  noch  jung,  thuet  hüeten  bei'n  Schafen. 

Galli. 

475   Ich  selber  bin   a  \oller  Schlaf: 

Stichi,   thu  du   a  Weil  hüten  die  Schaf. 
Legen  sich  schlafen. 
Gesang. 
Die  Hirten   plaget  der  Schlaf  so  sehr, 
Die  zwei,  die  legten  sich  auf  die  Erd : 
Der  eine  Hirt  unter  den  Schafen, 
480  Bis  dass  ein'  Stimm   vom   Himmel  kam  : 

Da  thäten  sie  alsbald  erwachen. 

Engel  singt. 
Gloria  in  excelsis  deo ! 

Stichi  wacht  auf  und  singt: 

Mein,  was  ist  das  für  a  Sing, 
So  mich  thut  aufwecka? 

485  Han  ja  g'hört  a  schöne  Stimm  : 

Das  Ding  möcht  am  schrecka  ! 
Gsprocha  hat's  recht  schön  und  klar, 
Als  wann's  a  klein's  Büaberl  war: 
Wann  i  wisset,  was  that  sein,  was  that  sein, 

490  That's   mich  weiter  a  wohl  gTreun. 

Mein,  was  muss  dann  dieses  sein, 
Dass  so  hell  thut  werden : 
Sich'   von  Weitem  dort  ein'   Schein 
Vom   Himmel  gar  auf  Erden  1 
495  Das  Ding  blitzt   und  ist  so  rar. 

Als  wann's  lauter  Feuer  war: 
Das   wirft  mir  a  Furcht  a  an,  Furcht  a  an, 
Dass  ich  recht  thu  zittern  schon. 
IVeckt  die  Hirten  ; 
Widak,  Galli,   thut  doch  aufstehen  ! 
500  Ich  weiss  nit,  wie  es  heunt  thut  zugehen: 

Wie  ÖS  könnt  schlafen,  das  möcht  ich  wissen. 
Buben  auf,  auf,  das  Lamberl  hat  der  Wolf  dabissen  1 
Die  beiden  slehen  auf. 


140 

Ei  Bub'n,  wie  mögt's  ös  schlafen  so  fest? 
Ich  bin  daweil  voller  Schrecka  gewest: 
505    Ich  han  g'hört  a  schön'  und  liebhche  Stimm, 
Das  hat  mir  den  Schlaf  aus  den  Augen  trib'n. 
Dort  gegen  Bethlehem  hat's  a  so  a  Lichten  geben  : 
Mich  wundert,   wie  ös  habt  so  fest  schlafen  mögen. 

IVidak. 
Es  hat  mi  a  in  Schlaf  was  g'schreckt, 
510  Gleich  eh'  du  uns  hast  aufgeweckt: 
Mir  ist  gwest,  als  hört'   ich  singa, 
That  mir  recht  stark  in  Ohr'n  a  klinga. 

Galli. 
Ich  weiss  weiter  nicht,  wie  mir  ist  geschehen, 
Hat  mir  träumt,  ich  han  a  grosse  Lichten  g'sehen. 

Stichi. 
515  Bueb'n,  mir  ist  mein  Gemüth  so  ring, 
Ich  möcht  schier  gern  a  Liedl  sing'. 

si?2gt : 

Es  wird  kaum  sein  Mitternacht, 
Thuet's  doch  schon  Tag  werden : 
Sehet,  wie  diese  finstere  Nacht 
520  Weichet  von  der  Erden. 

Was  muss  's  doch    bedeuten? 

Aendern  sich  die  Zeiten? 

W^as  meint  ihr,  was  muss  das  sein,  muss  das  sein : 

Seht  es  kommt  ein  neuer  Schein. 

Fallen  nieder. 

Engel. 

525  Ihr  Hirten,  nicht  fürchtet  euch  diese  Zeit! 
Hört,  ich  verkündige  euch  grosse  Freud, 
So  allem  Volk  widerfahren  auf  Erden, 
Weilen  euer  Heiland  that  geboren  werden, 
Heunt  Nacht  zu  Betlehem  in  Davids  Stadt, 

530  Wie  die  Propheten  euch  vorgesagt. 

Der  wahre  Messias  als  ein  kleines  Kindelein  ! 
Und  dieses  soll  euch 'zum  Zeichen  sein: 


141 

Ihr  werdet  das   Kind  finden  im   Krippelein 
Liegen  im  Stall  zwischen  Ochs   und  Eselein. 
Wenn  der  Engel  fott  ist,  stehen  alle  auf. 
Galli. 
535   Das  sei  Gott  im  Himmel  Dank  gesagt, 
Weil  er  uns  den  Messias  gemeldet  hat! 

Stiehl . 
Nun,  so  wollen  wir  gleich   nach  Bethlehem  gehen, 
Dass  wir  das  Wunder  alldorten  sehen. 

IVidak. 

Weil's  liegt  im  Stall  im  Krippelein, 
540  Wie  der  Engel  gesagt,  so  wird's  ganz  arm  sein: 
So  wollen  wir  dem  Kind  was   schenken   und    uns 

bequemen, 
Etliche  Hirtengaben  mit  uns   zu  nehmen. 

Stichi. 

Nun,   ein  Kreuzersemmel    und    ein  Flaschel  Milch 

will  ich  verehren, 
Damit  ihn  sein'  Mutter  auch  kann  leichter  ernähren. 

IVidak. 

545  Ein  schönes  Lamm  hab  ich  bei  meiner  Herd, 
Welches  das  Kindelein  gar  wohl  ist  werth : 
Das  will  ich  gern  aufs  Kindl  wagen. 
Will's  über  d'   Schultern  hängen  und  mittragen. 

Galli. 

Ich  will  ihm   verehren  ein  Ranzen  voll  Woll', 
550  Dass  man  dem  Kindl  ein  Bettl  machen  soll, 
Und  ein  Zögerl  voll  Eier  der  Mutter  zur  Speis, 
Und  wollen's  uns  machen  nun  auf  die  Reis. 

Widak. 

Ihr  Bueb'n  seht  alldorten  ein  Strohhaus : 
Seht  wie  ein  heller  Glanz  geht  heraus  1 
555   Darzue  hört  nur  die  liebliche  Stimm, 
Da  wird  das  Kindlein  sein  darin. 


142 

Sticht. 

Biieb'n,  ich  will  allein  schauen  gehen, 
Bleibt  ihr  davveil  allda  stehen. 

Macht  einen  Sprung  zurück  totd  singt: 

Buebma,  thuts  bass  nacha  gehn, 
560   S'   Kind  is  g'wiss  da  diinna: 

Lost,  wia's  musizieren  schön. 

Und  die  Engel  singa. 

Legts  ab  Huet  und  Stecka, 

S'   Kind  möcht  sich  sonst  schrecka  ! 
565   Seid  fein  züchtig,  gebts  gut  Acht,  gebts  gut  Acht, 

Dass  keiner  kein  Unruh  macht. 

VVenn's  hinein  geht's,  thuet  es  fein 
Recht  von  Herzen  grüssen : 
Thuet  dem  kleinen  Kindelein 
570  G'schwind  fallen  zu  Füssen. 
Schenket  ihm  die  Gaben, 
So  wir  bei  uns  haben : 

Bittet,  dass  es  nehm'  vorlieb,  nehm'  vorlieb, 
Und  uns  gnädig  sei  dafür. 

Galli. 
575   Wir  wollen  anklopfen  bei  der  Thür, 

Vielleicht  wird  wohl  wer  kommen  herfür: 
Hallo,  hallo,  ist  Niemand  dann, 
Der  uns  die  Wahrheit  zeige  an  ? 

Joseph. 
Mein  liebe  Hirten,  was  wollet  ihr  allhier, 
580   Dass  ihr  anklopfet  bei  der  Thür? 

Galli. 
Vater,  thuet  nicht  ein   kleines  Kindelein, 
Allda  erst  neu  geboren  sein? 
Wir  wollen  es  gern  beten  an. 
Weil  uns  ein  Engel  gesagt  davon. 

Joseph. 
585  Ihr  liebe  Hirten,  es  ist  wohl  allda  das  kleine  Kind: 
Weil  es  euch  ist  vom  Hirten  verkündt, 


143 

So  geht  nur  in  den  Stall  hinein, 
Anzubeten  das   kleine  Kindelein : 
Maria,  es  kommen  drei  arme  Hirten  schon, 
590  Sie  wollen  das  Kindlein  beten  an. 

Gesang. 
Die  Hirten  fielen  auf  die  Erd, 
Sie  beteten  an  das  Kindlem  werth, 
Vor  Freuden  thäten  sie  weinen  : 
Sie  opferten  ihre  Gaben  auf, 
595  Obwohl  sie  waren  kleine. 

GaUi. 
Sei  tausendmal  gegrüsst,   herzallerliebstes  Kind ! 
Ach,  wie  in  grosser  Kälte  dich  in  der  Krippen  find : 
Wie  elend  und  verlassen  liegst  hier  im  kalten  Stall, 
Aus  Lieb  herabgestiegen  vom  hohen  Himmelssaall 
600   Demüthig  wir  dich  anbeten  und  sagen   schuldigen 

Dank, 
Dass    du    uns    nicht    verschmähet,    deine   Ankunft 

zeigt  hast  an. 
Zum  Opfer  ich  dir  gebe  ein   g'ringe  Hirtengab, 
Ein  wenig  Eier  und  Wolle,  weil  ich  nichts  Bessres 

hab. 
Dazu  mein  Herz  und  Seele  ich    dir    hiermit   auch 

schenk : 
605  Mein  letztes  End  befehle,  sei  meiner  eingedenk. 
O  gnadenreiche  Mutter,  trag'  Sorg  vor's  kleine  Kind, 
Bei  ihm  auch  vor  uns  bitte,   dass  er   verzeiht    die 

Sund. 

M^idak. 

Ach,  sei  von  mir  gegrüsset,  Herr  Himmels  und  der 

Erden, 
Dich  als    ein  Kind    hier   finde    mit  Kalt    und  Ar- 

muthbeschwerden : 
610  Demüthig  dich  anbete  und  sage  herzlich  Dank, 
Dass  du  zu  allerersten  uns  deine  Geburt  zeigst  an, 
Durch  den  Engel  verkündet  die  gnadenreiche  Post, 
Uns  verächtlich  armen  Hirten  verheben  diesen  Trost. 


144 

Zum   Opfer  ich  dir  gebe  ein  kleines  Lämmelein, 
615   Mein  Herz  auch  darzu  lege,  herzliebstes  Kindelein: 
Ich  leg's  zu  deinen  Füssen,  Besseres  hab    ich    nit, 
Wollst  es  doch   nicht    verschmähen ,    das    bitt    ich 

inniglich. 

O  hebreichste  Jungfrau,  gebenedeit  und  auserkoren, 

Von  andern  Weibern  allen,  den  Heiland  hast  geboren. 

620  Ich  dir  mich  anempfehle,    dein    allerliebstes  Kind, 

Bei  ihm  uns  auch  erhalte  Verzeihung  unsrer  Sund  I 

Sticht, 

Sei  auch  von  mir    gegrüsset    herzHebstes  Kindlein 

zart! 
Gewickelt  in  schlechte  Windlein  liegst  in  dem  Heu 

so  hart, 
Im  kalten  Stall  allhier,  im  scharfen  Wind  und  Frost, 
625  Uns    schlecht    und    armen  Hirten    verleihe    diesen 

Trost; 
Deine  Geburt  hast  verkünden  lassen  vom  Engel  dein: 
Ich    bitt ,    herzliebstes    Kindlein ,    du   wollest   uns 

gnädig  sein! 
Ein'  Semmel  ich  dir  gebe  wie  auch  ein  Fläschlein 

Milch, 
Bitt,  wollest  vorlieb  nehmen !   Mich  in  dein  Schutz 

befelch  : 
630  Herzallerliebste   Jungfrau    und  Mutter  Gottes   rein, 
Bitt    dein    herzliebstes  Kindlein  ,    dass's    uns    woll' 

gnädig  sein. 
Maria. 
Ihr,  mein  liebe  Hirten,  ich  sag  euch  gleichfalls  Dank, 
Dass  ihr  zu  uns  seid  kommen  wie    auch    für    das 

Geschank. 
Gott  wird  euch  dies  belohnen,  glaubt  es,  ihr  Hirten 

mein, 
635   Dann  dies  mein  liebstes  Kindlein  thut  Gottes  Sohn 

selbst  sein. 
yoseph. 
O  ihr  meine  liebe  Hirten,  ich  sag  euch  gleichfalls 

Dank, 


145 

Dass  ihr  zu  uns  seid  kommen   wie    auch    für   das 

Geschank. 
Gott  hat  euch  dies    verkündet   durch   seine  Engel 

gleich, 
Davor  wird  er  euch  segnen,  geben  das  Himmelreich. 

Galli, 

640  Auch  ihr,  o  lieber  Vater,  nur  euren  Fleiss  nit  spart, 
Gebt  Acht  aufs  kleine  Kindlein  und  auf  die  Mutter 

zart ; 
In  eurer  schlechten  Herberg  geb  euch  Gott  Gnad 

und  Stärk ; 
Vor   unsre    schlechten    Gaben    den   Willen    nehmt 

vor's  Werk. 
Gehen  vom  Stall  zurück. 

Stichi. 

Ihr  Bueb'n,  wie  ist  mir  mein  Herz  so  ring, 
645  Ich  möcht  vor  Freuden  a  Liedl  sing\     Singen, 

Stichi. 

Wie  mag  doch  das  liebe  Kind 
Im  kalten  Stall  schlafen. 

Galli. 
Mein  Herz  war  mit  Lieb  entzünd't, 
Wie  es  uns  thät  anlachen. 

Widak. 
650     Sein  Köpflein  thät's  neigen, 
Sich  uns  liebreich  zeigen. 

Alle. 
Lass  uns,  liebreichs  Kindlein,  dein,  Kindlein,  dein 
Ewig,  ewig,  ewig  sein. 

Stichi. 

Mein  Herz  ist  dir  völlig  geschenkt^, 
655     Leg's  zu  dir  ins   Kripplein. 

Galli. 
Mich  völlig  in  dich  versenk, 
O  herzliebstes  Kindlein. 

Volksschauspiele.  lO 


146 

Widak. 
Ach,  könnt  ich  mit  meinen  Schafen 
Allezeit  bei  ihm  doch  schlafen. 

Alle. 
660     Lass  uns,  liebreichs  Kindlein,  dein,  Kindlein,  dein, 
Ewig,  ewig,  ewig  sein. 

Stichi. 

Leib  und  Seel,  All's  was  ich  hab, 
Sei  dir  übergeben. 

Galli. 

Dich  wir  lieben  bis  ins  Grab, 
665     In  dem  Tod  und  Leben. 

Widak. 
Lass  uns  nichts    verüben. 
So  dich  möcht  betrüben. 

Alle. 

Lass  uns,  liebreichs  Kindlein,  dein,  Kindlein,  dein. 
Ewig,  ewig,  ewig  sein. 

Galli. 

670  Ei  Bueb'n,  so  ich  recht  thue  denken  nach. 

So  ist  ja  das  ein'   Wundersach, 

Dass  er  hat  wollen  geboren  werden  in  dem  Stall, 

Und  hat  doch  königliche  Paläst'  überall. 

Leid't  lieber  Mangel,  Frost  und  Kalt, 
675   Der  doch  der  wahre  Messias  und  Heiland  der  Welt. 

Widak. 

Vielleicht    hat   er  dies  alles    wegen    uns  Menschen 

gethan, 
Dadurch  seine  grosse  Lieb  uns  zu  zeigen  an, 
Und  uns  darbei  ein  Exempel  zu  geben, 
Dass    wir    auch    alle    Hoffart    und    Pracht    sollen 

ablegen, 
680   Um  den  Schlangenbiss  zu  heilen  auf  diese  Weis, 
So  wir  bekommen  haben  im  Paradeis. 


147 

Stichi. 

Ei,  wenn  wir  aber  dies  andre  Leuten  werden  sagen, 
Was  heunt  geschehen  und  sich  mit  uns  zugetragen, 
Kein  Mensch  wird  uns  glauben  in  diesen  Sachen, 
685  Unsre  Nachbarn  werden  uns  auslachen. 

Galli. 

Ei,  diese  Wundergeschicht  kann  ich  nicht  verhehlen, 
Sondern  will  gleich  morgen  meine  Reis  anstellen 
Nacher  Jerusalem  in  die  Stadt 
Und  will  anzeigen,  was  sich  zugetragen  hat. 

Widak. 

690  Ei,  was  wolln  wir's  lassen  auf  morgen  anstehen. 
Wir  wollen  viel  lieber  heunt  noch  gehen. 

Gehen  ab. 
Engel. 
Nun  haben  wir  gesehen  und  vernommen, 
Wie  die  Hirten  zu  Bethlehem  seind  ankommen: 
Wollen  vernehmen  vom  hellglänzenden  Stern, 

695   So  die  König'  berufen  hat  von  fern: 

Sich  mit  Gaben  versehen,  in  Stall  eingingen. 
Das  Jesukindlein  mit  Freuden  empfingen, 
Opferten  ihre  Schätz'  alldorten  auf, 
Rothes  Gold,  Myrrhen  und  Weihrauch. 

700  Nach  solchem  sie  vom  Engel  vernommen. 

In  der  Zurückreis  nicht  zu  Herodes    zu  kommen : 
Sollten  sich  begeben  auf  andere  Strassen, 
Weil  Herodes  das  Kindlein  wollt  tödten  lassen, 
Dann  Herodes  fürchtet  sich  nicht  wenig, 

705   Weil  er  ein  fremd  und  ein  gekaufter  König, 

Wann    ein    andrer  Judenkönig    wurd'    geboren    auf 

Erden, 
Dass  er  von  seinem  Reich  möcht  Verstössen  werden : 
Wie  auch  ferner  Joseph  auf  Engels  Geheiss 
Von  Nazareth  ins  Egypten  gereist. 

710  Darauf  auch  Herodes  Unerhörtermassen 
Alle  Knäblein  in  Judäa  hat  tödten  lassen. 
Welches  vorzustellen  sein  wir  bereit : 
Bitten  uns  noch  zu  schenken  eine  kleine  Zeit. 

10* 


148 

Die  drei  Könige  mit  den  Sterndeutern. 
König  Melcher. 
Mein  Quadrant,  Kompass  und  all'  Instrument 

715   Ist  vonnöthen  zu  nehmen  vor  die  Hand; 
Des  Himmels  Glob'  ich  auch  nicht  vergess, 
Weil  scheinet  ein  Stern,  so  schön  nie  gewest: 
Wie  Venus  mit  der  Sonn  sich  conjungirt ; 
Darneben  etwas  Andres  ist  formirt 

720  Von  grossem   Glanz  überaus  schön: 
Von  wem  mag  dies  Gestirn  entstehn? 
Es  ist  gelegen  von  uns  nicht  so  weit, 
In  Wahrheit  dieses  was  Hohes  vorbedeut. 
Recht  zur  Mitten  stehet  eine  Jungfrau, 

725   Ein  Kindlein  sie  traget,  wie  ich's  beschau; 

Das  Gestirn  auch  an  kein'  Ort  still  thut  stehen, 
Sondern  nur  immerfort  nun  thut  gehen. 
Pilicardus,  könnt  ihr  ein  solches  nicht   zeigen    an, 
Was  Ursach    ein    so    seltsamer  Stern  ist  aufgang'  ? 

Pilicardus. 

730  Ihr'  Majestät,   so  viel  ich  erkenn  und  davon  kann 

sagen, 
So  ist  der  Stern,  von  dem  der  Prophet  thät  vortragen  : 
Aus  Jakob  werden  Stern'  ausgehen  schnell. 
Und  eine  Ruth  entspriesset  aus  Israel, 
Die  wird  schlagen  die  Fürsten  der  Moabiten, 

735  Auch  die  Kinder  Seth  und  ganz  Idumeen ; 
Israel  wird  sodann  mächtig  werden  gesehen : 
So  aus  dem  Geschlecht  Jakobs  wird  entstehen, 
Der  wird  sodann  herrschen,  und  die  sich  empören, 
Wie  auch  alle  seine  Feind'  zerstören : 

740  So  ich  erkenn  aus  diesem  Sternenschein, 

Dass  der  nämliche  jüdische  König  müsste  geboren 

sein. 

Melcher, 
Ich  glaube  auch,  was  der  Prophet  gezeigt  an, 
Dass  seie  in  jüdischen  Landen  jetzt  erfüllet  schon. 
Soll  dieser  Judenkönig  sich   so    mächtig    befinden, 
745   Ist's  billig,  dass  wir  uns  zeitlich  mit  ihm  verbinden, 


149 

In  steter  Freundschaft  mit  ihm  zu  leben : 
Will  mich  sodann  gleich  auf  die  Reis  begeben, 
Ihn  anzubeten  als  König  und  Herrn. 
Aber  mit  was  für  Gaben  sollen  wir  ihn  verehr'n? 
750  Weilen  er  sollt  sein  ein  König  Himmels    und   der 

Erden, 
Ihme  rothes  Gold  sollt  geopfert  werden : 
Eine  ansehnliche  Summa  will  ich  mitnehmen, 
Mich  also  gleich  zur  Reis  bequemen. 

K'ö7iig  Balthasar. 

Ach,  was  vor  ein  neuer  Stern,  so  uns  ganz  unbekannt, 

755   Ist  aufgegangen  im  Morgenland; 

Und  zu  uns  im  schnellen  Lauf  ist  kommen  her, 
Als  wann  selber  eigentlich  gesendet  war. 
Solches  Gestirn  und  Wunder  zu  ersehen 
Thät  ich   auf  die  Strassen   hervorgehen, 

760  So   von  ungewöhnlichem  Glanz  und  Schein: 
Darin  eine  Jungfrau,   tragend  ein  Kindelein, 
Welches  mich  voll  Wunder  ganz  begierig  thut  an- 
leiten, 
Zu  wissen,  was  dieser  Stern  möcht  bedeuten. 
Burcardus,   könnt  ihr  mir  solches  nicht  zeigen  an, 

765   Was  wohl  in  dem  Gestirn  zu  erkennen  sein  kann? 

Burcardus. 
Ihr'  Majestät,  mit  Wahrheit  zu  gestehen, 
So  viel  ich  in  dem  Gestirn  thue  ersehen, 
Dass  die  Prophezeiung  nun  erfüllet  sei, 
Von  welcher  der   Prophet  bekennet  frei, 

770  Dass  zu  selber  Zeit  wurd'  aufgehen  ein  Wunderstern, 
Wann  eine  Jungfrau  wurd'  zur  Welt  gebär'n 
Den  wahren  Messias  in  jüdischen  Landen: 
Das  wird  durch   diesen  Stern  verstanden, 
Dass  dieses  Kind  geboren  ist  nun  gewiss, 

775   Welches  ein  Herr  Himmels  und  der  Erden  ist. 

Balthasar. 

O  Wunder,  von  welchem  ihr  mir  thut  sagen, 
Hat  sich  in  jüdischen  Landen  zugetragen : 


So  ist  es  die  höchste  Billigkeit, 

Dahin  zu  reisen  uns  zu  machen  bereit, 
780  Diesen  neugeborenen  König  und  Herrn 

Dort  anzubeten  und  zu  verehr'n, 

Weilen  er  ein  Gott  und  König  Himmels  und  der  Erden. 

Ich  erhoff,  er  sollt  mir  hold  dadurch  werden, 

Will  ihm  verehren  die  bittern  Myrrhen, 
785   Wie  es  bei  Königen  sich  will  gebühren; 

Will  also  mit  höchster  Sorg  und  Fleiss 

Mich  morgen  begeben  auf  die  Reis. 

Burcardus,  euch  befiehl  ich  das  Regierungs-Regiment, 

Bis  diese  Reis  wird  gebracht  werden  zu  End. 

König  Kaspar: 

790  Ach,  was  vor  ein  grosses   Wunder   ist  zu  ersehen, 
Ach,  was  vor  ein  hell  glänzender  Stern  thut  aufgehen, 
So  in  den  jüdischen  Landen  ist  gesehen 
Und  zu  uns  gelaufen,   hier  still  thut  stehen ! 
Von  ungewöhnlichem   Glanz   hell  ist  das  Gestirn, 

795   So  g'wiss  ein  gross  Geheimniss  mit  sich  thut  führ'n. 
In  Mitte  des  Sterns  sehe  ich  ein  Kindlein  an. 
So  auf  dem  Haupt  tragt  eine  goldne  Krön, 
Auch  ein  goldenes  Kreuz  sein  Scepter  war. 
So  glänzet  als  wie  die  Sonnen  klar. 

800  Hier  still  steht's,  als  wollt's  uns  selber  rufen. 

Drum  ich  die  Gestirnverständigen  thät  ersuchen : 
Also  dann  Prudentius  uns  anzeiget  frei, 
Was  wohl  unter  diesem  Stern  verborgen  sei. 

Prudentius . 
Ihr'   Majestät,  es  bringt  uns  sehr   grosse  Freuden, 

805  Indem  nun  gewisslich  vorhanden  jene  Zeiten, 
Wie  bei  dem  Propheten  ist  zu  sehen, 
Welches  Ihro  Majestät  selbst  wohl  verstehen, 
Dass  von  einer  Jungfrau  sollt  geboren  werden 
Der  wahre  Messias,  König  Himmels  und  der  Erden : 

810  So  gewiss  in  jüdischen  Landen  nun  ist  geschehen, 
Weilen  dieser  lang  versprochene  Stern  thät  aufgehen. 
Alle  es  nun  auch  selbst  bekennen  frei, 
Dass  dieses  der  wundervolle  Stern  sei. 


151 

Kaspar. 

O   Wunder  gross,  o  höchste  FröhHchkeit, 

815   Weil  einmal  ankommen  diese  Zeit, 

Und  der  versprochene  König  ist  geboren, 
So  die  Propheten  verkündigt  lang  zuvorn ; 
Solches  Gestirn  uns  nun  weiter  anzeigt, 
Diesen  neugeborenen  Messias  zu  honoriren  anheut : 

820  Solches  uns  kundbar  machet  diese  Geschieht, 
^     So  die  Juden  fast  halten  vor  ein  Gedicht. 

Drum  mich  reisefertig  will  machen  morgen  zu  Tag, 
Suchen,   ob  ich  solches  Kind  erfragen  mag. 
Aber  was  vor  Gaben  sollen  wir  ihm  offeriren, 

825   Damit  dass  wir  genug  ihn   möchten  veneriren? 
Weilen  selber  ein  König  Himmels  und  der  Erden, 
Ihme  Weihrauch  soll  geboten  werden. 
Mit  solchem  Opfer  wollen  wir  uns  versehen : 
Verhoffe,  damit  bei   dem  Kind  zu  bestehen. 

Egistiis  kommt: 

830  Ihr'  Majestät,  es  kommet  fremdes  Volk  herein: 
Sie  scheinen   von  königlichem  Stamm  zu  sein, 
Verlangen  von  Ihro  Majestät  Audienz, 
So  ihnen  ertheilt  wurd'  die  Lizenz. 

Kaspar. 

Lasset  selbe  kommen  gleich  und  behend 
835  Zu  uns  anhero  in  das  Losament. 

Egistus. 
Unsre  Majestät  dero  Gegenwart  begehren, 
Ihre  Intentionen  zu  erklären. 

Kaspar. 
Euer  Lieb',  seid  gegrüsst,  weil  selbe  uns  beehren, 
Zu  uns  zu  kommen;  was  wird  sein  das  Begehren? 

Melcher. 
840  Eurer  Lieb  solle  hiermit  gedanket  sein, 

Unser  Sinn  steht  in  das  jüdische  Land  hinein. 

Nachzufolgen  diesem  Gestirn, 

So  uns  an  das  begehrte  Ort  wird  führ'n. 


152 

Kaspar. 

Eben  dieses  Gestirn,  o  wundervolle  Sachen, 
845  Leitet  an  uns  auf  die  Reis  zu  machen, 

Den  neugebornen  König  zu  suchen  und  zu  verehren, 
So  uns  angedeutet  durch  diesen  Stern. 

Balthasar. 

Sie  seien  gegrüsst  unbekannter  Weis, 
Weil  mich  anhero  geführt  hat  die  Reis, 
850  Welche  ich  nacher  Jerusalem  mache  hinein, 
Zu  folgen  diesem  hell  glanzenden  Sternschein. 

AI  elcher . 
Dieses  ist  auch  die  Ursach  eben. 
Warum  wir  uns  auf  die  Reis  begeben. 
Da  das  jüdische  Volk  thät  im  Land  Moab    liegen 

855  Und  König  Ballak  wollt  wider  sie  obsiegen. 
Beruft  selber  den  Propheten,  that  ihn  ersuchen, 
Er  sollte  das  jüdische  Volk  verfluchen ; 
Und  da  er  solches  Volk  sollte  vermaledeien, 
Thäte  selber  es  davor  benedeien. 

860  Gesprochen :  es  wird  ein  Stern  ausgehen  aus  Jacob 

schnell 
Und  eine  Ruth  entspriessen  aus  Israel, 
Israel  wird  sodann  mächtig  werden 
Und  seine  Feind'  zerstören  auf  Erden : 
Zeigt  uns  also  dieser  hell  glänzende  Sternschein, 

865   Dass  solcher  Herrscher  nun  thuet  geboren  sein. 

Balthasar. 

Eben  dieses  hat  uns  auf  den  Weg  gebracht, 
So  vor  ein  gewisses  Zeichen  wird  geacht, 
Dass  dieser  Stern  andeutet  den  Heiland, 
So  in  die  Welt  ist  kommen  ganz  unbekannt: 
870  Den  wir  zu  suchen  heftig  begehren, 

Solle  uns  keine  Mühe  noch  Weg  verwehren. 

Kaspar. 
Nun  wohlan  dann ,    so  wollen  wir  diese  Reis  mit 

Freuden 


^53 

Fangen  an  I    Mit   grosser  Verwunderung  thuet  an- 
sehen: 
Der  Stern  thut  uns  schon  vorgehen, 
875   Wo  wir  beglückt  können  hinreisen, 
Weil  selber  uns  den  Weg  thut  weisen. 

Melcher. 

Ach,   was  grosse  Wunderthat 
Uns  Gott  auf  dieser  Reis  schon  erzeiget  hat 
Durch  diesen  hellglänzenden  Sternenschein  : 
880  Mit  Gottes  Gnad    wir    schon  ein'  weiten  Weg  ge- 
reiset sein. 
Weilen  wir  kommen  ins  jüdische  Land  allgemach 
Dem  Kindlein  wir  wollen  fleissig  forschen  nach. 

Balthasar'. 

Aber  wie,  will  uns  der  Stern  nun  ganz  verlassen? 
Unbekannt  seind  uns  alle  Weg  und  Strassen. 

Kaspar. 

885  Mein  Rath  war,  wir  sollten  von  der  Reis  abstehen, 
Und  nacher  Jerusalem  in  die  Stadt  hingehen, 
Uns  zu  erkundigen  wegen   des  Kindlein, 
Wo  es  möcht  anzutreffen  sein. 

Gesang. 

König  Herodes  höret  die  Mär, 
890  Erschrecket  über  dieselbe  sehr. 

Brächt  ihm  sehr  grosse  Schmerzen : 
Bedächt  wie  das  Kindlein  zu  töten  war, 
In  seinem  falschen  Herzen. 

Herodes  ko7nmt: 

Glückselig  über  glückselig  kann  ich  mich  schätzen, 
895   Weil    ich    mein    Reich    vor    Feinden   thät   in    den 

Ruh'stand   setzen, 
Dann  Alle,    die   ich    glaub    mir    nach    dem  Reich 

zu  streben. 
Die   Alle    seind    von    mir   worden   gebracht    um's 

Leben. 


154 

Mein    eigener  Schwiegervater,    der   ist  nun  umge- 
bracht, 
Auch  zweiundsiebzig  Herren,  die  Vornehmsten  der 

Stadt ; 
900  Unter    dem  Schein    der  Freundschaft  hab   meines 

Schwiegervaters  Sohn 
Ins  Bad  lassen  einladen,  ihn  dort  ertränket  dann. 
Hab  also  all'  meine  Feind'  hinrichten  lassen, 
Weiss  auch  Niemand  jetzt,   der  mich  sollt  hassen. 
Jetzt  will  ich  mein  Reich  erst  recht  fangen  an, 
905   Dann  ich  bin  ja  ein  glückseliger  Mann. 

Profus  kommt: 

Ihr'   Majestät,  es  kommt  fremdes  Volk  herein, 
Sie   scheinen    auch    von    sehr   hohen  Stammen  zu 

sein. 

Herodes. 

Erforsche  allsobald,  wo  sie  herkommen, 
Welche  selbe  seind  und  was  sie  ihnen  haben  vor- 
genommen. 

Protus  geht  ab. 

Herodes. 

910  Wer  sollen  denn  von  hohen  Stammen, 

Wie  der  Bediente  meldet,  anher  kommen? 
Mit  Erstaunung  bin  ich  beflissen 
Die  Ursach  dessen  bald  zu  wissen. 

Protus  kommt: 

Ihro  Majestät,  sie  melden,  von  königlichen  Stammen 

seien  sie  geboren. 
915  Zwei    kommen    von    Saba,    der    Dritte    aus    dem 

Land  der  Mohren, 
Begehren  zu  begrüssen  Ihro  königliche  Majestät, 
So  ihre  Bitt  stattfinden  möcht. 

Herodes. 
Lasse  sie  kommen  insgesammt  behend 
Zu  uns  anhero  in   das  Losament. 


155 

Protus  mit  den  Königen; 
920  Unser    königliche  Majestät    dero    Gegenwart    thut 

begehren, 
Dero  Intentionen  ihme  zu  erklären. 

Ihr  ödes.  ■ 

Willkomm',  ihr  hochweise  Herrn  i  Wie  ist  das  be- 
wandt, 
Dass  selbe  zu  uns  kommen  von  so  fremden  Land? 

M elcher. 

Ihro  Majestät,  die  Ursach  unserer  weiten  Reis 
925   Thuet  geschehen,  weil  wir  mit  höchstem  Fleiss 
Den  neugebornen  Judenkönig  zu  wissen  begehren, 
Zu  deren  End  wir  kommen,  ihme  zu  verehren. 

Her  ödes . 
Wie,  ihr  hochweise  König'   und  Herrn, 
Einen    neuen   Judenkönig    seid  ihr   gekommen    zu 

verehr'n  ? 

Balthasar. 

930  Ihro  Majestät,  zu  Saba  in  unseren  Landen 
Ein  ungewöhnlich   Gestirn  ist   entstanden, 
Darinnen  ein'  Jungfrau  thät  ein  Kindlein  tragen  1 
Merkt  wohl,  was  ich  thue  zu  euch  sagen : 
Daraus  wir  erstlich  haben   vernommen, 

935   Dass  der  wahre  Messias  seie  angekommen, 
So  denen  Juden  im  Gesatz  versprochen  war, 
Deme  auch  zu  dienen  schuldig  das  jüdische  Heer : 
Zu  solchem  End  ist  angestellt  unser  Reis, 
Und  suchen  wir  ihn  mit  höchsten  Fleiss. 

Herodes. 
940  Hat  sich  dieses  zugetragen  hier  zu  Land, 

Und    euch  Fremden    besser  und  mehr  als  uns  be- 
kannt, 
Wo  ihr  vielleicht  wohl  könnet  irren? 
Saget  an  von  dem  Gestirn, 
Wann  selbes  aufgegangen   und  erschien, 
945   Denn  dies  sein  grosse  Wunderding. 


156 

Kaspar. 
Ihr'  Majestät,  wir  können  mit  Wahrheit  sagen, 
Dann  es  erst  geschehen  vor  etlichen  Tagen, 
Dass  der  Stern  ist  aufgangen   im  jüdischen  Land 
Und  zu  uns  gelaufen,  als  wäre  er  gesandt: 
950  Als  wir  uns  aber  begeben  auf  die  Reis, 

Ist  selber  mit  ausgegangen,  hat  uns  den  Weg  ge- 
weist, 
Bis    wir    sein    kommen    gegen    Jerusalem    zu    der 

Stadt : 
Sich  selber  unsren  Augen  entzogen  hat. 

Herodes  zu  Protus  und  dann  zu  den  Hohepriestern : 
Protus,  rufet  herein  die  Hohenpriester  und  Schrift- 
gelehrten, 
955  Will  mich  erkundigen,    wo  dieser  Judenkönig  soll 

geboren  werden.   — 
Ihr  sollet  allsogleich  auf  mein  Begehren 
Mit  Kurzem  sagen  und  aus  der  Schrift  erklären, 
Auf  was  vor  einem   Ort  auf  Erden 
Der  neue  jüdische  König  soll  geboren  werden  1 

Erster  Hohepriester. 
960   Ihro  Majestät,   mit  Wahrheit  es  zu  sagen. 

Wie    wir    aus    den    Schriften    der   Propheten    ver- 
nommen haben, 
Dass  der  Prophet  Michea  Etwas  andeut, 
Da  er's  mit  kurzen  Worten  beschreibt: 
Du  Land  Juda,   darinnen  Bethlehem  klein, 
965   Du   thuest   nicht    die    geringste  unter  den  Städten 

Juda  sein, 
Weilen  der  Herzog  allda  ausgehen  will  von  dir, 
So  sein  Volk  in  Gerechtigkeit  regieren   wird. 

Zweiter  Plohepriester, 
In  dem  Geschichtbuch  der  Königen  also  steht. 
Wie  bei  dem  Psalmisten  der  Vers  geht : 
970  Sein  Sohn  wird  besitzen  die  Thüren  seiner  Feind', 
Auch  alle,  die  ihm  zuwider  seind; 
Viel   Volk  wird  ihm  nachfolgen  auf  Erden, 
Viel  in  seinem  Namen  gesegnet  werden. 


157 

Sein   Namen  wird  sein  Emaniiel, 
975   Wie  es  klärlich   bezeuget  Ezechiel ; 

Rein'   Butter,  rein'   Honig  wird  er  essen, 
Das  Gute  erwählen,  das  Böse  vergessen. 

Herodes, 

Ihr  hochweise  Herrn  ,  nun  haben  Sie  verstanden 

wohl, 

Dass  der  neue  Judenkönig  zu  Bethlehem  geboren 

werden  soll, 
980  So  ein  Städtlein,  drei  Stunden  von  hier  gelegen. 

Wo  sich  alldahin   verfügen  mögen  : 

Jedoch  wollen  sich  selbe  bequemen 

Heunt  Nacht  bei  mir  vorlieb  zu  nehmen. 

Morgen   Sie  sich  zeitlich  aufmachen  künnten 
985   Alldorten   dieses  Kind  zu  finden, 

Nachdem  Sie  so  grosses  Verlangen  haben, 

Es  anzubeten  und  zu  begaben. 

In  der  Zurückreis  lassen  Sie  mir  es  auch  wissen. 

Damit  ich  auch  kann  sein  beflissen 
990  Es  anzubeten  und  zu  verehren : 

Das  ist  meine  Bitt,  ihr  hochweise  Herren. 

M elcher. 
Wir   danken    Ihro  Majestät    für   so   grosse  Ehren 

und  Gnad, 
Dass  selbe  uns  solche  Information  gegeben  hat 
Und  wollen  uns  gleich  begeben  auf  die  Reis. 

Balthasar. 

995   Sehet,  wie  der  Stern  uns  wiederum  auf  ein  Neu's 
Beginnet  zu  leuchten  und  aufzugehen : 
Gott  wird  uns  auf  der  Reis  beistehen.    K'ö7iige  ab. 

Herodes . 
Diese  Zeitung  erschrecket  mich  gewiss  nicht  wenig, 
Dieweilen  ich  ein  fremd'  und  kein  rechter  König; 
1000   Sollt  ein  anderer  König  sein  geboren. 
So  ist  es  gewisslich  mit  mir  verloren. 
Wie  aber  kann   und  mag  das  möglich  sein, 
Dass  ein'  Jungfrau  sollt  gebären  ein  Kindelein? 


158 

Erster  Hohepriester. 

Das  Weib  die  Schlang  wird  treten  nieder, 
1005   All's,  was  verloren,  bringen  wieder. 

Herodes. 

Sollt    ein    neuer   Judenkönig    sein    geboren     auf 

Erden, 

Wo    ich  vielleicht  von  meinem  Reich  würde  Ver- 
stössen werden  ? 

Solle  selber  wohl  auf  dem  Thron  Davids  regieren, 

Auch    allda    gleich    andern,    Kron    und    Scepter 

führen? 
loio  Dadurch   könnte    ich    werden    in    das  Verderben 

bracht ! 

Darum  will  ich  bei  Zeiten  sein  auf  andere  Wege 

bedacht. 

Zweiter  Hohepriester. 

Ihr'  Majestät,  dies  wird  nicht  geschehen, 
Dass  Ihr  Reich  dadurch  zu  Grund  sollt  gehen : 
Es  ist  oft  ein  neuer  König  entstanden 
10 15   Der  doch  keine  Gewalt  gehabt  in  Händen. 

Herodes . 
Ich  befürchte  aber,  er  möcht  auf  Erden 
Mir  mit  der  Zeit  zu  mächtig  werden ; 
Darum  solle  man  nichts  versäumen. 
Einen  solchen  bei  Zeit  aus  dem  Weg  zu  räumen, 

1020  Wo  anjetzo  die  schönste  Gelegenheit, 
Weil  zu  ihm  kommen  Könige  allbereit. 
Gleich  wie  ich  heunt  auch  hab  vernommen, 
Dass    ein    Engel    zu'n    Hirten    auf    das    Feld    sei 

kommen, 
So  ihnen  verkündet  und  Zeitung  gebracht, 

1025  Wie  Gott  als  Mensch  geboren  war  bei  der  Nacht, 
Welches  ist  noch  ganz  Wenigen  bekannt 
Anjetzo  in  dem  jüdischen   Land. 
Solle    es    offenbar   werden,     könnt    es    wohl    ge- 
schehen, 
Dass  möcht  ein  grosser  Streit  entstehen : 


159 

1030  Darum  will  ich  kein'  Zeit  verpassen, 

Dieses  Kind  mit  Lust  umbringen  lassen. 

M elcher  mit  de7i  Königen  und  Egistus : 

Nun  sind  wir  auch  ankommen  in  Bethlehem,  der 

Stadt, 
Wie    wir    zu  Jerusalem  vernommen  und  Herodes 

uns  gewiesen   hat: 
Anjetzo  thut  es  höchst  nöthig  sein 
1035   Fleissig  nachzufragen  nach  dem  kleinen  Kindelein. 

Kaspar. 

In    dem    schönsten  Palast    wird    es  wohl  sein  zu 

finden : 
Wann  wir  es  nur  bald  wissen  künnten  1 
Egistus,  an   allen  Orten   forsche  nach, 
Und  uns  bald  wiederum  die  Nachricht  sag.  — 
1040  Aber  wie  glückhch  kann   sich  schätzen  das  Volk 

in  diesem  Land, 
Weilen     ihnen    Gott    einen    König    vom  Himmel 

gesandt  1 
Auch    wir  sind    glückselig    von    wegen    des   hell- 
glänzenden Stern, 
Der    uns    den    Weg    gewiesen    und    berufen    hat 

von  fern, 
Indem  wir  ein'  so  weite  Reis  vollbracht  in  wenig 

Tagen ; 
1045  Bin    begierig,    um    zu   wissen,    was  wird  Egistus 

sagen. 

Egishis  kommt  wieder: 

Ihr'  Majestät,  gleich  wie  ich  den  Befehl  gehabt, 
Habe    ich    nach    dem    neugeborenen   König    der 

Juden  gefragt, 
In    den    schönsten    Palästen ,     bei    Gemeinen ,    ja 

überall, 
Wie  auch  sogar  im  königlichen  Saal : 
1050  Ich  aber  gar  nichts  erforschen   kunnt. 

Sondern    bei    allem    Volk   grosse   Verwunderung 

entstund. 


1 6o 

Kaspar. 
Ach  Gott ,   zeig  uns  dein  göttliches  Kind ,  willig' 

in  das  Begehren, 
In  Lieb  wir  gegen  ihn  entzündt ,  es  würdigst  zu 

verehren. 

Balthasar. 

Sehet,     der    Stern    thut    neben    der    Stadt    hin 

marschieren, 
1055  Als  wollt  uns  selber  noch  weiter  führen, 

Welcher    uns    an  das  rechte  Ort  wird  führen  ge- 
wiss, 
Der  schon  lang  unser  Wegweiser  gewesen  ist. 

Melchcr. 
Der  Stern  thut  still  stehen,  was  soll  wohl  dies  sein, 
Als  wollt  er  uns  zeigen  das  kleine  Kindelein ; 
1060  Sehet,    wie    er    hinwirft   die  Strahlen   und  seinen 

Schein ! 
Ach,    sollte   denn    in    dieser    Hütten    das    kleine 

Kindlein  sein? 

Kaspar. 
Sehet    aus    der   Hütten    kommen    einen    freund- 
lichen Mann, 
Der  wird  es  gewisslich  wissen,  ich  will  ihn  sprechen 

an.     Joseph  kommt. 
Grüss    euch    Gott,    lieber    Vater!     Zeigt   an    die 

Wahrheit  mir, 
T065  Ob    nicht   ein   kleines   Kindlein    geboren    worden 

hier. 
Welcher  der  wahre  Messias  und  Judenkönig  war, 
Denn  dieser  helle  Stern  hat  uns  geführet  her. 

Joseph. 

Dank  Ihnen  Gott,  ihr  hochweise  Herrn, 

Weilen  selbe  anhero  geführt  worden  durch  diesen 

Stern : 
1070  Es  ist  wohl  allhier  dieses  begehrte  Kindlein. 

Aber    was    ist    das    Begehren?    Was    thut    dero 

Willen  sein? 


6i 


Balthasar. 
Lieber  Vater,  wann  wir  Erlaubniss  hätten, 
Wir  sind  anhero  kommen,  solches  anzubeten. 

Joseph. 

Meiner  lieben  Maria  will  ich  es  ansagen  gehen, 
1075  Sodann  kann  solches  schon  geschehen. 

Mekher. 
Nun  wollen  wir  uns  würdigst  darzu  bereiten, 
Das  Kindlein  anzubeten  mit  grossen  Freuden. 

Joseph. 
O    meine    Maria,    es    seind   vor    dem    Stall    drei 

hoch  weise  Herrn, 
Welche  das  Kindlein  anzubeten  begehr'n. 

Alaria. 

1080  Mein    lieber   Joseph,    lasset    selbe    nur   kommen 

herein, 
Anzubeten  das  kleine  Kindelein. 

Joseph. 
Ihr  hochweise  König'  und  Herrn, 
Dieweilen  das  Kind  anzubeten  ist  Ihr  Begehren : 
So  es  Ihnen  beliebig  zu  gehen  herein, 
10S5  Es  liegt  im  Stall  im  Krippelein. 

Mdcher. 
So  wollen  wir  gehen  in  Gottes  Nam', 
Das  neugebome  Kindlein  zu  beten  an. 

Kaspar. 
Grüss  euch  Gott,  o  würdigste  Mutter  mein ! 
Ist  hier  zu  finden  das  geliebte  Kindelein  ? 

Maria. 
1090  Allhier  ist  das  begehrte  Kindelein, 
Gewickelt  in  schlechte  Windelein. 

Melcher. 
Sei    tausendmal    gegrüsset ,    du    König    Himmels 

und  der  Erd, 

Vollcsschauspiele.  II 


l62 

Ach,  wie  liegst  von  grosser  Kalt  und  Armuth  du 

beschwert! 

Weil  du  uns  hast  berufen  durch  deinen  Sternen- 
schein: 
1095  Ich    bitt,    herzliebstes    Kindlein,    du    wollest    uns 

gnädig  sein. 

Zum  Opfer  ich  dir  gebe  hiermit  nun  rothes  Gold, 

Mein    Herz    ich    darzu    lege ,    erhalt's   in    deiner 

Huld, 

Mein  Land  und  Leut  befehle :  AU's  was  ich  hab 

und  bin, 

Herr  Himmels  und   der  Erden,  in  deinen   Schutz 

aufnimm. 

Balthasar. 

1100  Sei  auch  von  mir  gegrüsset,  herzliebstes  Kindlein 

klein, 
Hast    uns   aufgehen  lassen    dein'  lichten  Sternen- 
schein, 
So  uns  zu  dir  geführet  in  diesen  Stall  herein ; 
Alle  Ehre  dir  gebühret,  ach,  thu  uns  gnädig  sein : 
Ich  opfere  bittere  Myrrhen,  betracht'  dein'  Sterb- 
lichkeit, 
1105  Hiemit    dir    auch    befehle    zu    Haus    mein    Land 

und  Leut. 

Kaspar. 

Ach ,    sei    gegrüsst ,    o    grosser   Gott ,    o    kleines 

Kindelein : 
Was    leidest    du    vor  Kalt   und  Frost    in    diesem 

Krippelein  I 
Vom  Himmel  bist  gestiegen,  allein  uns  Menschen 

z'lieb, 
Dein'  Gottheit  ich  erkenne,  ^Veihrauch  zum  Opfer 

ich  gieb, 
IMG  Darzu    ich    auch    thue    legen    mein  Herz ,    mein 

Leib  und  Seel : 
Was  ich  zu  Haus  verlassen,  Alls  deinem  Schutz 

befehl. 


163 

Maria . 
Ihr  drei  hochvveise  Herren,  ich  sag  demüthig  Dank, 
Vor    die    so    grossen  Gaben   und  reichhchen  Ge- 

schank ! 
Glaubt's,    ihr    hochweise  Herren,    mein  Kind  ist 

gewisslich  Gottes  Sohn. 
1115   Damit  er  die  Welt  erlöse,   hat  er  die  Menschheit 

angenomm', 
Drum  muss  er  in  der  Jugend  schon  leiden  Angst 

und  Noth, 
Wann    er    wird    sein    erwachsen,    sterben    einen 

bittern  Tod. 

M elcher. 
Sollt    das    klein  und    göttlich'   Kind    auf  Erd'  so 

viel  ausstehen. 
Nur    wegen    der   Menschen    Sund,    thut   mir    zu 

Herzen  gehen. 

Balthasar . 

II 20  Urlaub  wollen  wir  nehmen  von  dem  Kindelein 
Wie  auch  von  Maria,  der  Mutter  sein. 

Melcher. 

Es  behüt  euch  der  allmächtige  Gott 
Vor  Angst,  Kummer  und  aller  Noth: 
Ich  bitt,  herzliebstes  Kind,  wollst  mir  gnädig  sein, 
II 25   Damit   ich    Gnade   find;    bitt    vor    mich,    Jung- 
frau rein. 

Balthasar. 

Behüt  dich  Gott,  herzliebstes  Kind, 
Ich  bitt,  verzeih  mir  meine.  Siind: 
Auch  bitte  für  uns,  o  Jungfrau  rein 
Bei  dein'  herzliebsten  Jesulein. 

Kaspar. 

II 30  Behüt  dich  Gott,  herzliebstes  Jesulein, 

Behüt  euch  Gott,  o  liebste  Jungfrau  rein : 
Weil's  muss  geschieden  sein,  ich  euch  noch  anbefehl, 
Diese  unsere  Reis,  wie  auch  Herz,  Leib  und  Seel. 

II  * 


164 

Auch  bitte  ich,  o  liebster  Joseph   mein, 
1135  Lass   dir    das   kleine  Kind    und  seine  Mutter  be- 
fohlen sein. 

Joseph. 
Ich  sag  euch  Dank,  hochweise  Herrn: 
Weilen  euch  Gott  so  wunderlich  hieher  geführt  durch 

seinen  Stern, 
Wird  er  euch  gewisslich  niemals  verlassen, 
Auch  glücklich  nach  Haus  führen  eure  Weg'  und 

Strassen. 

Kaspar. 

1140  Ach,  ich  weiss  nicht,  was  dies  sein  sollt, 
Länger  ich  noch  gern  hier  bleiben  wollt: 
Mein  Herz  hat  völlig  genommen  ein 
Das  allerholdseligste  Kindelein. 

M elcher. 

Ich  erkenn,  das  Kind  ist  der  grosse  Gott, 

1145   Der   Himmel    und    Erden    erschaffen,    leidet    so 

grosse  Noth, 
Liegt  in  dem  Stall  im  Krippelein : 
Ach,  was  thut  das  vor  ein'  Demuth  sein ! 
Wie  freundlich  es  uns  lachet  an ! 
Ich  seiner  nimmer  vergessen  kann. 

Balthasar. 
1150  Nun    wollen    wir    auch    Herodes    diesen    Gefallen 

erweisen, 
Weilen    wir  wiederum  nach  Jerusalem  gesinnt  zu 

reisen. 
Wo  das  Kindlein  zu  finden,  ihm  zeigen  an. 
Damit  er  auch  kommen  und  es  anbeten  kann : 
Dort  wollen  wir  bleiben  heunt  über  Nacht, 
II 55   Dieweil    die    Zeit    der    Finsterniss    herbei    kommt 

allgemach.         Alle  ab. 

Engel  erscheint  den  schlafenden  Königen  und  spricht: 
Vernehmet,  ihr  hochweise  Herrn, 
Gott  hat  euch  hergeführt  durch  seinen  Stern, 


'65 

Welcher  euch  aber  nunmehr  verlassen : 
Darum  suchet  ein'  andern  Weg  und  Strassen 

II 60  Und  kehret  nicht  bei  Herodes  ein, 

Denn  er  eines  falschen  Sinnes  thut  sein, 
Weil  er  ist  Willens,  thut  dahin  streben, 
Dass  er  dem  Kindlein  möcht  nehmen  das  Leben  : 
Drum  suchet  ein'n  andern   Weg  aus, 

1165   Damit  ihr  kommt  glücklich  nach  Haus.     Af?. 

Melcher. 
Ihr    Herrn,    eine    seltsame    Stimm    hab    ich    im 

Schlaf  vernommen, 
Mir  war,  als  sehe  ich  einen  Engel  Gottes  kommen, 
So  gesprochen :  Ziehet  nicht  zu  Herodes  hin, 
Denn  er  hat  einen  falschen  Sinn, 
1170  Er  thut  nur  trachten  und  dahin  streben, 
Wie  er  dem  Kindlein  nehm'  das  Leben: 
Drum  wollen  wir  ziehen  einen  andern  Weg  aus 
Und  vermeiden  des  falschen  Herodes  Haus. 

Kaspar, 

Dieses  alles  hab  auch  ich   vernommen: 
1175   Herode,  zu  dir  wir  gewiss  nicht  kommen, 
Bei  dir  einzukehren  sei  von  uns  weit, 
Dieweil  dein  Herz  steckt  voll  Bosheit.    Alle  ah. 

Etigel  mit  yoseph  und  Maria,  spricht: 
Joseph,  von  Gott  ich  dir   verkünd', 
Wie  du  mit  Maria  und  dem  Kind 

II 80  Dich  sollst  aufmachen  alsbald  zuhand 
Und  ziehen  in  das  Egypterland : 
Auch  allda  verbleiben,  bis  ich  dir's   werd  sagen, 
Denn  es  wird  geschehen   dieser  Tagen, 
Dass  Herodes  sucht  das  Kind  zu  tödten, 

1185   Drum  sollst  es  mit  der  Flucht  erretten.    Ab. 

Joseph. 
O  Maria,  mir  hat  ein  Engel  von  Gott  verkünd' t, 
Wir  sollen  ins  Egypterland  reisen  geschwind, 
Herodes  will  unser  Kindlein  tödten  lassen, 
So  wolln  wir  uns  begeben  auf  die  Strassen.   Beide  ab. 


i66 

Her  ödes  mit  Soldaten  und  Protus,  sagt: 

1 1 90  Bei  Jovis  dem  Gott  1  Bin  ich  worden   betrogen ! 

Wie  haben  mir  die  drei  Weisen  vorgelogen, 

Weilen  sie  nicht  mehr  zu  mir  seind  kommen, 

Da    ich    doch   von  diesem  Kind  auch  ein  Neues 

vernommen, 

Wie  Simon  der  Prophet  und  Anna  in  ihren  alten 

Tagen 
II 95   Von    diesem   neugebornen  Kindlein   thäten    weis- 
sagen , 

Dass     es    seie    der    wahre    Messias    und    Juden- 
könig, 

Welches    mich  in  meinem  Gemüth  nicht  kränket 

wenig : 

Will  Alles  anwenden  und  sein   beflissen. 

Das  Kindlein  werde  mir  sterben  müssen, 
I2  00  Damit  ich  es  nun  kann  gewiss  bezwingen: 

Alle    Knäblein     in    Judäa    will    ich    lassen    um- 
bringen. 

Ihr  Soldaten,  euch  befehl  ich  nun, 

Dass  ihr  im  ganzen  Lande  herum 

Sollt  gehen  tödten  die  Knäblein  all', 
1205  Die  da  seind  unter  der  andern  Jahreszahl! 

Lasst  euch  bestechen  mit  keinen  Gaben, 

Sonst  kostet's  euer  Leben,  ich  thu  euch's  vorher 

sagen. 

Keines  ausgenommen,  tödtet  alle  gleich, 

Sie  seien  hernach   arm  oder  reich. 

Erster  Soldat. 

12 10  Ihr'  Majestät,    ich  bitt  um  Gnad  wegen  meinem 

Kindelein, 
Dass  es  von  solchem  Mandat  möchte  befreiet  sein. 

IT  er  ödes. 

Wie,  willst  du  meinem  Befehl  widerstreben  ? 
Das  soll  dich  kosten  dein  Leib  und  Leben. 
Es  ist  ja  besser,  dass  alle  Kinder  sterben, 
12 15   Als  dass  wir  auch   sammt  ihnen   verderben. 


167 

/tvciter  Soldat. 

Ach  weh  des  scharfen  Befehls,  so  ist  gegeben, 
Ihr'  Majestät  Macht  hat  unseres  Leben : 
Soll  ich  selbst  tödten  mein  Kindlein  klein, 
Ich  bitt,  Ihr'  Majestät  wollen  barmherzig  sein, 

Ihr  ödes. 

1220  Dieser  Mensch   sollt'  des  Todes  schuldig  sein, 
Alsbald  ins  Gefängniss  ihn  werfet  ein!    Gehen  fort. 
Sollt  ihr  mich  vielleicht  wollen  corrigiren? 
Das  will  sich  einem  Könige  nicht  gebühren. 
Kämmerling,  habe  Acht,    ob    keine  Zeitung  ein- 

gelotfen, 

1225   Wie  es  meine  Soldaten  haben  im  Streit  getroffen, 
Ob  sie  umgebracht  alle  Knäbelein, 
So  in  meinen  Landen  geboren  sein. 

Prot  US. 

Ihr'   Majestät,  so  viel  ich  hab  vernommen. 
Sein   selbe  auf  dem  Marsch  anhero  zu  kommen. 

Dritter  Soldat  mit  zwei  anderen,   komtnt : 

1230  Ihr'   Majestät,  wie  uns  war  der  Befehl  gegeben, 
Waren  wir  beflissen  solchem  nach  zu  leben. 
Wo  ich  allein  mit   meiner  Hand 
Viertausend  dem  Tode  zugesandt. 

Vierter  Soldat. 
Ihr'   Majestät,  ich  auch  bei  dieser  Schlacht 
1235  Bei  fünftausend  Kinder  hab  umgebracht. 

Fünfter  Soldat. 
Sechstausend  ich  auch  in  ganzer  Summ' 
Mit  meinem  Schwert  gebracht  hab  um: 
Ihr'  Majestät  leben  nun  wohlgemuth, 
Weil  vergossen  der  Kinder  Blut. 

Her  ödes. 
1240  Dieses  ist  mir  ein'  freudenreiche  Post: 

Ob  es  schon  Vielen  hat  das  Leben  'kost, 
Kann  ich  doch  regieren  ohne  alle  Gefahr, 
So  wegen  des  Kindes  entstanden  warl 


i68 

Alle  Sorgen  habt  ihr  von  mir  genommen, 
1245   Darvor  ihr  gute  Belohnung  sollt  bekommen.    Al>. 

Engel. 
Christliche  Zuhörer,  weile^j  es  zu  Ende  kommen, 
Und  ihr  aus  unserer  Tragödi  vernommen. 
Wie  Gottes  Sohn  vom  Himmelreich 
Dem  Menschen  auf  Erden  ist  worden  gleich, 

1250  Der  Herr  mit  dem  Knecht  sich  zu  conjungiren, 
Den  Teufel  dardurch  zu  animiren, 
Mit  Gewalt  zu  zerbrechen  die  höllische  Pfort, 
An  sich  genommen  die  Menschheit  nach  ewigem 

Wort, 
In  Verfolgung  und  Kreuz  angefangen  sein  Leben, 

1255  Uns  allen  dardurch  ein  Exempel  zu  geben, 

Dass  wir  auch  in  Verfolgung,  Kreuz  und  Schmerzen 
Dies  nehmen  sollten  wohl  zu  Herzen, 
Wie  Gott  im  Heu  und  Armuth  gross 
Lieget  in  höchster  Kalt  und  Frost, 

1260  In  lauter  Trübseligkeit  zugebracht  sein  Leben, 
Bis  selber  für  uns  seinen  Geist  aufgeben : 
Drum  wollen  wir  uns  auch  darzu  bereiten, 
Beständig  wider  die  Sund  zu  streiten, 
Damit  wir  auch  endlich  alle  zumal 

1265   Möchten  eingehen  in  den  himmlischen  Saal. 


DAS  LEIDEN  CHRISTI. 


^ 


PERSONEN. 


Prologus. 

Jesus  Christus. 

Maria. 

Johannes. 

Petrus. 

Bartholomäus. 

Philippus. 

Jacobus  major. 

Jacobus  minor. 

Andreas. 

Thomas. 

Simon. 

Thaddäus. 

Judas  Ischarioth. 

Magdalena. 

Martha. 

Herodes. 

Zwei  Diener  desselben. 

Pontius  Pilatus. 

Zwei  Diener  desselben. 


Dessen  Magd. 

Kaiphas. 

Annas. 

Die  vier  Schriftgelehrten. 

Die  vier  Juden. 

Veronika. 

Simon  von  Cyrene. 

Barabas. 

Dismas,  der  rechte  Schacher. 

Der  linke  Schacher. 

Longinus. 

Malchus. 

Der  Hausvater  des  Abendmahls. 

Zwei  Saaldiener. 

Zwei  Engel. 

I-ucifer. 

Zwei  Teufel. 

Der  Geizteufel. 

Der  Tod. 


Wegen   Nichtbezeichnung    des  Auf-   und   Abtretens   der  Personen   wolle 
die  Bemerkung  am  Ende  des  Bandes  verglichen  werden. 


Prologus. 

O  Geneigte,  so  zugegen, 
Die  voll  Mitleid  ihr  begabt, 
Jesu  Marter  zu  erwägen, 
Euch  hierher  versammelt  habt : 
5  Den  Gruss,  so  wir  heute  allen 

Geben,  von  uns  nehmet  an, 
Für  den  Dank  wird  uns  gefallen 
Die  Geduld  von  euch  zum  Lohn, 
Um  die  auch  zugleich  wir  bitten, 

TG  Damit  ihr  mit  Herzensleid 

Sehen  könnt,  wie  Jesus  g'litten, 
Dessen  ihr  auch  Ursach  seid. 
Alles  doch,  was  wir  vorstellen, 
Nur  ein'n  Schatten  gleichen  thut 

15  Gegen  dem,  was  er  für  Quälen, 

Als  das  allerhöchste  Gut, 
Gelitten  in  sein'  Tod  und  Leben, 
Davon  wird  euch  Nachricht  geben. 

Darauf  folgt  das  Lied: 
Wer  kann   sagen  der  gross'   Schmerzen 

20         In  der  Seele  Maria  zart, 

Wie  viel  Streich'  und  Stoss  im  Herzen 

Der  Mutter  gegeben  ward. 

Da  ihr  Jesus  Urlaub  geben 

Als  ihr  einziger  Trost  und  Leben, 

25  Dann  sie  ihrem  Jesum  schon 

Sähe  in  die  Marter  gehn. 

In  dem  Garten  sinkt  er  nieder, 
In  das  rothe  Purpurbad: 


172 

Ist  ihm  auch  der  Kelch  zuwider, 
30  Sünder,  er  dazu  dich  lad't ; 

Eh'  er  Hess'  die  Welt  versinken, 
Wollt  er  lieber  den  Kelch  trinken 
Und  in  bittrer  oNIarter  sein, 
Giebt  sich  für  dich  willig  drein. 

35  Henker,  gleich  den  Tigerthieren, 

Jesum  schlagen,  geissein  hart, 
Unerhört  die  Streiche  führen 
Auf  den  heiligen  Leib  so  zart ; 
Führe  dies  nur  wohl  zu  Herzen, 

40         Und  erwäg's  mit  Beileidsschmerzen, 
Jesus  vom  Fasse  bis  zum  Haupt 
Ist  zerrissen,  g'wiss  mir  glaubt. 

Spotf  und  Schmach  thut  man  nicht  sparen 

An  dem  weisen  Salomon, 
45  Zupft  und  rauft  ihn  bei  den  Haaren, 

Setzt  ihm  auf  die  Dornenkron ; 

Soll  der  König   aller  Erden 

So  schmählich  gehalten  werden? 

Ist  denn  kein  Erbarmen  mehr, 
50         Ach  allerliebster  Gott  und  Herr? 

Wie  sich  Gott  thut  niederbücken, 
Nimm's  in  Acht,  o  Sünder  gross! 
Hat  das  Kreuz  selbst  auf  dem  Rucken, 
Leid't  darunter  Streich  und  Stross ; 
55  Ach  wie  sind  die  schwachen  Glieder 

Ob  der  Last  gesunken  nieder! 
Sünder,  das  hat  dir  gebührt, 
Dass  man  dich  zum  Galgen  führt. 

An  das  Kreuz  mit  Hand   und  Füssen 
60         Jesus  stark  wird  angemacht, 

Aller  Menschen  Sund  zu  büssen, 
Sünder,  dies  nur  wohl  betracht', 
Dann  ob  deiner  Sünden  Kräften 
Juden  Jesum  ans  Kreuz   heften 


173 


65  Und  am  selben  stirbt  der  Gott, 

Dass  er  euch  erlöst  vom  Tod. 

Sünder,   thii  dein'  Sund  recht  büssen, 
Steig  hinab  ins  Zährenthal, 
Lass  die  Zähren  häufig  fliessen, 
70         Dass  es  giebt  ein'n  Widerhall: 

Klopf  und  schlag  nun  an  dein  Herze, 
Sieh  nun  zu  mit  grossen  Schmerzen, 
Was  dein  Jesus  gelitten  hat 
An  der  bittern  Marterstatt. 

75         Jedem  er  sich  dargegeben 

In  Bezahlung  eurer  Schuld, 

Ja  sogar  er  auch  sein  Leben 

Um  Erweckung,  Gnad  und  Huld 

Williglich  für  dich  gelassen : 
80         Also  meid  der  Sünden  Strassen, 

Auf  dass  Leiden,  Kreuz  und  Pein 

An  euch  nicht  verloren  sei'n. 

Der  höllische  Rath  der  Teufel. 

Lucifer. 
Auf,  auf,  ihr  höllischen  Geister  all', 
Versammelt  euch  auf  dem  höllischen  Saal: 

85   Ich  muss  euch  eine  Gewalt  ertheilen. 
Wir  müssen  einer  Seel  nacheilen ! 
Judas  Ischarioth  ist's,  der  saub're  Mann, 
Der  uns  viel  Glück  und  Heil  wird  stellen  an : 
Dieser  muss  uns  seinen  Herrn  verrathen ; 

90  Ach,  dieser  war  für  uns  ein  guter  Braten ! 

Erster  Teufel. 

Wir,  Höllenfürst,  kommen  an  allzugleich ! 
Was  hast  du  uns  für  eine  Lehr  vorzuschreiben? 
Bei  dieser  soll  es  haben  sein  Verbleiben. 
Wir  werden  versuchen  auf  alle  Weis, 
95    Dass  wir  Judas  Ischarioth   mit  Fleiss 
Und  Falschheit  können  fechten  an, 
Dass  er  verrathe  seinen  Herrn  sodann. 


174 

Zweiter  Teufel. 
Desgleichen  ich  entschlossen  bin. 
Will  fahren  mit  aller  Gewalt  in  ihn, 
loo  Will  sein  Herz  beängstigen  über  die  Massen, 
Dass  er  sich  zur  That  soll  gebrauchen  lassen. 

Lud f er. 
Ja,  ja,  ihr  zeigt  ein'n  guten  Muth  dazu : 
Ach  wenn   uns  nur  das  Stücklein  g'rieth, 
Das   höllische  Reich   wird    euch  grossen  Dank  er- 
statten, 

105  Wenn  wir  einbringen  diesen  Braten. 
Aber  Eins  muss  ich  euch  angeben, 
Es  war  noch  ein  Jünger  daneben, 
Den  wir  gar  leicht  obsiegen  könnten, 
Wenn  wir  all  unsre  Macht  anwenden, 

110  Petrus  heisst  sein  Nam', 

Dem  Nazarener  ein  vertrauter  Mann. 

Erster  Teufel. 
O  Höllenfürst,  da  mag  ich  recht  dran, 
Will  Fleiss  anwenden,  wie   ich  kann, 
Sein  Herz  beängstigen  über  die  Massen, 
115   Dann  soll  er  sich  schon  bezwingen  lassen. 

7.7üeiter  Teufel. 
Dieses  ist  ja  mein'  geringste  Sorg : 
Ich  stehe  davor  und  bin  ein  Borg, 
Dass  ich  ihn  zum  Fall  will  bringen. 
Drum  lass  uns  fröhlich  herum  jetzt  springen. 

Lncifcr. 

120  Nicht  also,  ihr  Versammelten  mein, 

Die  Sach  ist  gross,  wir  müssen  behutsam  sein : 
Gebt  Acht,  dass  ihr  den  Judas  nehmt  einl 
Durch  den  Geiz  müsst  ihr  ihn  verblenden, 
Dass  er  sein   Herz  zum  Geld  möcht  wenden : 

1 2  5   Daher  ist  mein  Befehl  und  Rath  — 
Wehe  dem,  der  da  kommt  zu  spat  — 
Laufet  zu  unterst  in  die  Höllen, 
Lasst  euch  den  Geizteufel  zugesellen. 


1/5 

Erster  Tetifel. 

Troll  dich  fort  zu  dieser  Stund 

130  Hinab  in  den  tiefen  Höllengrund! 
Des  Lucifers  Befehl  rieht  aus, 
Der  Geizteufel  soll  aus  dem  höllischen  Haus, 
Und  soll  sich  zu  uns  herauf  machen, 
Um  zu  sehen  wie  wir  thun  der  Sachen, 

135  Damit  wir  nicht  zum  Spott  der  Erden 

Möchten  noch  einmal  Christi  Jünger  werden. 

Geizteufel. 

O  Höllenfürst,  da  stell  ich  mich  in  Frommen, 
Deinem  Befehl  gleich  nachzukommen. 

Lud f er. 

Nun,   ihr  Teufel,  greift  die  Versuchung  nur  recht 

lustig  an: 
140  Der  ihn  verführet,  bekommet  den   Lohn. 

Geizteufel. 

Dergleichen  ich  entsinnet  bin; 
Will  fahren  mit  aller  Gewalt  in  ihn, 
Will  ihn  auch  durch  das  verblenden, 
Dass  er  sein  Herz  bald  zu  uns  wird  wenden. 
145   Ich   ivill  ihn  auch  in  allen  Dingen 
So  gar  in  die  Verzweiflung  bringen. 

Lud f er. 
Ganz  wohl,  ihr  Teufel,  des  Menschen  Sinn  ist  so 

vermessen, 
Dass  sie  gar  oft  die  höllische  Pein  vergessen, 
Doch  wenn  sie  kommen  in  das  Todtenbett, 
150  Fängt    ihnen    der    Gewissenswurm    zu    nagen    an 

recht : 
Da  wollen  sie  die  Busse  erst  greifen  an. 
Aber  dorten  ist  es  schon  viel  zu  spät  gethan, 
Der    Himmel    verschlossen ,    die    Hölle    hat    ihren 

Lohn; 
Drum,  ihr  Teufel,  verführt,  betrügt  und  packt  euch 

hintan! 


176 

Die  Hoffarth  mit  Magdalena. 
Alagdalena, 

155  Ich  bin  schön,  jung  und  stark  und  reich, 
Meiner  Schönheit  ist  keine  gleich, 
Ihr  seht,  wie  die  Kleider  mir  schön  anstehen, 
Trutz  einer,  die  neben  mir  thut  gehen. 

Hoffarthsteufel. 

Ei,  ei  du  hoffärthiges  Nest, 

160  Du  gefällst  mir  auf  das  Allerbest: 

Mit  deiner  Hoffarth  daher  thust  prangen, 
Du  thust  mir  nach  allem  meinem  Verlangen. 
Da  hast  du  den  Spiegel,  beschau  dich  recht, 
Dabei  bin  ich  dir  ein  getreuer  Knecht: 

165   Die  Hoffarth  thut  dir  gar  wohl  gerathen. 

Du  musst  mich  haben  zu  einem  Kameraden, 
Ich  will  dir  die  HöU  wohl  tapfer  hitzen, 
Und  zu  dir  schön  hinzu  sitzen, 

Engel. 

Verlornes  Kind,  steh  wieder  ab  davon, 
J70  Hab  Reu,  reiss  ab  die  Band'  der  Sünden: 
Ich  schwöre  dir  bei  Gottes  Thron, 
Gnad  kannst  du  dort  bei  ihm  noch  finden : 
Steh  ab,  steh  ab,  sag  ich,  fürwahr. 
Deine  arme  Seele  stehet  in  Gefahr. 

Alagdalena, 
175   Ich  frag  nicht  nach  Himmel,    ich  frag  nicht  nach 

Höll, 
Der  Engel  thut  weinen,  der  Teufel  ist  mein  G'sell. 

Älartha. 

Schwester,  was  soll  das  bedeuten, 
Dass  der  Aufzug  also  frech  ? 
Sind  denn  jeczt  die  geilen  Zeiten, 
180  Dass  also  du  in  Hoffarth  gehst? 

Magdalena. 

Schwester  mein,  was  bild'st  dir  ein, 
Dass  du  mich  darum  thust  fragen? 


177 

Weil  es  mir  gefällt  auf  dieser  Welt, 
Da  ich.  noch  hab  ein  junges  Leben, 
185   Weil  diese  Freud  nur  kurze  Zeit 
Mir  hier  auf  Erden  ist  gegeben. 

Martha. 

Schwester  Maria  Magdalena  mein. 

In  dieser  Kleiderpracht  kann's  gar  nicht  sein, 

Dass  du  Gott  gefallest. 

Magdalena. 

190  Wohlan  denn,  liebe  Schwester  mein, 

Ich  will  folgen   den  Worten  dein, 

und  will  führen  ein  gutes  Leben 

Und  will  mich  in  die  Buss'  begeben. 

Die  Freuden  will  ich  meiden ; 
195   Geisseistreich'   will  ich  leiden. 

Will  mich  mit  dir  verbinden, 

Dass  ich  kann  Verzeihung  finden. 

Martha. 

Ach ,    Schwester ,    getrost ,    wenn    du  dich  zu  Jesu 

wirst  kehren, 
Er  wird  dich  schon  erhören. 

Magdalena. 
200  So  will  ich  verachten  diese  Freud 

Und  alle  übrige  Eitelkeit, 

Und  weltliche  Freuden  will  ich  meiden ; 

Ich  werf  von  mir  all  Geschmuck  und  Zier, 

Dies  will  ich  alles  verachten, 
205   Nur  nach  Gott  will  ich  trachten. 

Bringet  mir  das  Glas  von  der  Wand, 

Dass  ich  mich  daran  rächen  kann. 

Erster  Teufel  und  Geizteufel  im  Hintergrunde, 
Erster  Teufel. 
Ach,  Bruder,  einen  grossen  Stoss 
Haben  wir  zu  erwarten  von  unserm  Höllenfürst, 
210  Eben  weil  wir  die  Kreatur  verlieren 
Und  nicht  in  die  Hölle  können  führen. 

Volksschauspiele.  12 


I 


Doch  erfreue  dich,  mein  Bruder,  eben, 
Ich  weiss  noch  einen  anderen  Gesellen, 
Judas  Ischarioth  ist  sein  Nam, 
215   Den  wollen  wir  bald  in  den  Klauen  hab'n. 
Und  er  wird  dann  in  der  Hölle  dort  fein 
Unser  Freund  und  guter  Geselle  sein.  —  — 

Magdalena. 

Zieh  hin,  o  Welt,  da  hast  dein'  Lohn, 
Jesus  ist  mein  Bräutigam. 

Beurlaubung  Jesu  von  Maria, 
yestis. 
220  Ach,  allerliebste  Mutter  mein, 

Lieb'  über  alles  Lieben, 

Wie  kann  es  doch  nur  möglich  sein, 

Dass  ich  dich  soll  betrüben ! 

Jedoch  weil  du  meine  Mutter  bist, 
225   So  will  es  sich  gebühren, 

Dass  ich  bei  dir  zuforderist 

Solle  valediciren. 

Maria. 

Was  meinst,  mein  allerliebstes  Kind, 
Wie  soll  ich  dies  verstehen  ? 

230  Sag  mir,  wo  willst  doch  aus  so  g' schwind, 
Bitt',  lass  mich  mit  dir  gehen. 
Ohn'  dich  zu  leben  ist  mein  Tod, 
Kein'  Ort  weiss  nicht  zu  finden, 
Da  ich  ein  Trost  in   meiner  Not 

235   Kunnt  haben  und  empfinden. 

Jesus. 

Ach,  thu's  von  mir,  o  Mutter  mein, 
Bitt'   dich  aus  treuem  Herzen, 
Mit  mir  zu  gehn  kann  es  nicht  sein. 
Mach  dir  nicht  weiter  Schmerzen. 
?\o  Mit  meinem  Tod  das  Leben  ich 
Den  Menschen  muss  erwerben, 
Nun  will  ich  ganz  geduldiglich 
Mich  richten   zu  dem  Sterben. 


179 


Maria. 

Seind  das  nicht  Wort',  mein  liebes  Kind, 
245  Soll  ein'n  das  Herz  nicht  brechen, 

Will  Gott  dann  aller  Menschen  Sund 

In  dir  alleinig  rächen? 

Wer  soll  sich  nicht,  mein  liebes  Kind, 

lieber  das  Leid  bestürzen, 
250         Weil  dir  die  längst  verdammte  Sund 

Dein  Leben  will  abkürzen. 

Jesus. 

Mein  Tod  und  was  ich  leiden  soll, 
Macht  mir  nicht  solche  Schmerzen, 
Als  wenn  ich  jetzt  bedenke  wohl, 
255  Wie  lieblich  unsre  Herzen 

Einander  lieben  allezeit 
Ganz  stark  zusamm'   gebunden, 
Und  war  die  Welt  auch  noch  so  weit. 
Dergleichen  wird  nicht  gefunden. 

Maria. 

260         Weil  du,  mein  Kind,  gedenkst  daran 
An  unser  beides  Lieben, 
Bitt'  dich  deswegen  herzlich  schön. 
Dein  Urlaub  thu  aufschieben; 
Gewähr  mir  nur  em'  treue  Bitt, 

.265  Weil  es  ist  nun  zum  Sterben, 

Ach,  liebster  Schatz,  versag  mir's  nit, 
Lass  mir  die  Gnad  erwerben. 

yestis. 

Sag  an,  meine  mütterliche  Treu, 
Was  willst  von  mir  begehren, 

270         Weiss,  dass   ein  Kind  ja  schuldig  sei. 
Der  Mutter  Bitt  zu  gewähren. 
Sterben  muss  ich,  das  sag  ich  dir, 
Und  merke  auch  beineben : 
Begehre,   was  du  willst  von  mir, 

275         Allein  nur  nicht  das  Leben. 

12* 


i8o 


Maria. 

Weil  es  dann  nicht  kann  anders  sein 
Und  muss  doch  sein  gestorben, 
Und  wird  mit  deinem  Kreuz  und  Pein 
Das  menschhch'  Heil  erworben, 
280       Meine  erste  Bitte,  liebstes  Kind, 
Weinend  sprich  ich  mit  Worten : 
Lass  dich  das  jüd'-  und  heidnisch  G'sind 
Nicht  also  schmerzlich  morden. 

yesus. 

Mein  Schatz  und  mütterliche  Zucht, 

285        Antwort  darauf  zu  geben: 

Weil  Adam  durch  des  Baumes  Frucht 
Verloren  hat  sein  Leben, 
So  muss  ich  auch  mit  meinem  Tod 
Am  Holz  das  Leben  erwerben, 

290       Und  alle  Trübsal,  Angst  und  Noth 
Gern  leiden  bis  ins  Sterben. 

Maria . 

Mein  liebstes  Kind,  sei's  Gott  geklagt, 
Was  muss  ich  dann  anfangen : 
Die  erste  Bitt  ist  nun  versagt, 
2Q5        Kein'  Gnad  kann  ich  erlangen. 

So  mach  ich  jetzt  die  andre  Bitt, 
Fall  dir  zu  deinen  Füssen: 
Stirb  einen  solchen  Tod  doch  nit, 
Lass  mich  der  Lieb  geniessen. 

300       Mein  Schatz,  mein  Kind,  o  Mutter  mein, 
Thu  doch  mein  Trauern  stillen ; 
Diesmal  kann  dieses  auch  nicht  sein, 
Ergieb  dich  in  Gottes  Willen, 
Denn  Gott,  der  himmlische  Vater  mein, 

305        Hat  alles  vorgesehen, 

Was  an  mir  für  ein  Tod  und  Pein 
Begangen  wird  und  g'schehen. 


I 


i8i 


Maria. 

Mein  Jesus,  liebstes  Kind  und  Sohn, 

Ach,  Schmerzen  über  Schmerzen, 
310       Versagst  mir  diese  Bitt  auch  schon, 

Soll's  mir  nicht  gehn  zu  Herzen? 

Ach,  wie  so  herzlich  bitt  ich  dich, 

Bin  dir  zu  Füssen  gefallen, 

Nur  eine  Bitt  gewähre  mir 
315       Unter  den  dreien  allen. 

Jesus, 

Was  soll  das  sein,  o  Mutter  mein  ? 
Kunnt  ich  dein  Trauern  stillen ! 
Bisher  alles,  was  hast  begehrt, 
Steht  nicht  in  meinem  Willen; 
320       Wenn  ich  dich  also  weinend  find, 
Muss  dir  dein'  Bitt  abschlagen, 
Betrübst  mich  so  als  dich  mein  Kind: 
Bitt'  dich,  stell  ein  dein  Klagen. 

Maria. 

Ach,  was  sein  das  für  hohe  Wort', 
325       Wie  bitter  thun  sie  erschrecken: 

So  komm  ich  nicht  von  diesem  Ort, 

Will  meine  Hand  ausstrecken ; 
,  Zu  dir  thu  ich  die  dritte  Bitt, 

Lass  mich  nun  die  erwerben, 
330       Ach,  liebstes  Kind,  versag  mir's  nit: 

Begehr'   mit  dir  zu  sterben. 

yestis. 

Ach,  Mutter,  das  kann  gar  nicht  sein, 
Umsonst  ist  dein  Verlangen, 
Dieweilen  nur  an  mir  allein 
335        Das  menschlich'  Heil  thut  hangen: 

Denn  Gott,  der  himmlisch'  Vater  mein, 
Thut  meinen  Tod  begehren, 
Dieweil  ich  muss  derjenig'  sein, 
Kann  ich  dein'  Bitt  nicht  gewähren. 


IÖ2 


Maria. 

340        Ach,   ach,  hab  ich  ein'   solchen   Trost, 
Mein  Kind,  um  dich  verschuldet, 
Hast  nicht  g'nug  glitten  Hitz  und  Frost, 
Dies  alles  gern  geduldet? 
Hast  mir  niemal  kein'   Bitt  versagt, 

345        Jetzt  kann  ich  nichts  erlangen, 

So  sei's  denn  schmerzlich  Gott  geklagt, 
Was  soll  ich  nun  anfangen? 

yesiis. 

Mein'  Mutter,  ich  muss  doch  einmal 
Von  dir,   die  Zeit  ist  kommen  ; 

350       Segne  dich  Gott  zu  tausendmal, 
Nun  heisst's  Urlaub  genommen : 
Bedank'   mich  gegen  dir  gar  schön 
Wegen  deiner  Treue  und  Liebe, 
Ewig  sollst  haben  deinen  Lohn, 

355       Dich  nicht  so  sehr  betrübe. 

Maria. 

Zu  deinen  Füssen  ich  mich  leg. 
Mein  Schatz,  mein  Kind,  mein  Leben, 
Lass  mich  nur  gehn  einen  kleinen  Weg 
Mit,  dir  das  Gleit  zu  geben ; 
360       Ach,  wenn  ich  denk  an  jenen  Ort, 
Wo  wir  oft  sein  gewesen. 
Ach,  wie  viel  lieblich  süsse  Wort' 
Hast  oft  g'sagt  und  gelesen. 

yestis. 

Nun,  mütterliches  Herz  und  Schatz, 
365       Steh  auf,  wein'  nicht,  muss  eilen, 

Nun  seind  wir  auf  dem   Musterplatz, 
Wir  müssen  uns  zertheilen  : 
Auch  G'leits,  ihr  lieben  Freunde  mein, 
Dank  euch  aus  treuem   Herzen, 
370       Bitt',  lasst  euch  doch  befohlen  sein 
Mein'  Mutter  voll  der  Schmerzen. 


i83 


Mai'ia. 

Ach  weh,  nun  muss  ich  schon  zurück, 
Ich  kann  nichts  mehr  erwerben : 
Mein  Herz  bricht  mir  zu  tausend  Stück, 
37  5  Für  Leiden  muss  ich  jetzt  sterben; 
Nun  küss  ich  dich  zum  leztenmal, 
Bring  dich  nicht  mehr  zu  wegen, 
So  bitt  ich  dich  zu  tausendmal 
Um  deinen  heih'gen  Segen. 

Jesus . 
380  Geseg'n  dich  Gott,  o  Mutter  mein, 

Sammt  allen  deinen  Freunden, 

Nun  will  ich  mich,  es  muss  doch  sein, 

Ergeben  meinen  Feinden. 

Alles,   was  worden  prophezeit, 
385   Muss  heut  also  geschehen, 

In  Kürz'  werd't  ihr  mit  grösster  Freud 

Mich  alle  wiedersehen. 

Das  letzte  Abendmahl. 
Jesus. 
O  allerliebste  Jünger  mein, 
Nun  ist  die  Zeit  ankommen, 

390  Dass  ich  nit  lang  werd  bei  euch  sein: 
Schmerzvoll  hab  Urlaub  g'nommen 
Von  meiner  liebsten  Mutter  schon, 
Wie  ihr  selbst  wohl  gesehen. 
Ein'   grosse  Qual  ist  es  mir  dann, 

395   Dass  ich  von  euch  muss  gehen: 

Doch  ist  auch   mein  Verlangen  sehr. 
Eh',  dass  ich  geh  in  Leiden,  — 
Da  ich  als  euer  Meister  und  Herr 
Bald  von  euch  werde  scheiden  — 

400  Zu  g'niessen  mit  euch  das  Osterlamm, 
Ihr,  meine  guten  Freunde, 
Allwo  wir  kommen  in  einen  Saal 
Nach  kurzer  Zeit  noch  heute. 
Gehet  nur  hin,  derwegen  dann, 

405   Macht  euch  schleunigst  auf  die  Füsse, 


i84 

Dass  bereitet  wird  das  Osterlamm, 
Damit  wir  das  geniessen. 

Petrus. 

Wo  willst  du  denn,  lieber  Meister  mein, 
Dass  dieses  soll  bereitet  sein? 

yesiis. 

410  Wenn  ihr  in  die  Stadt  werdet  gehen. 
Werdet  ihr  einen  Menschen  sehen, 
Der  einen  Krug  mit  Wasser  tragt, 
Dieser  wird  gehen  in  ein  Haus  hinein ; 
Ihr  allerliebste  Jünger  mein, 

415   Alldort  zu  dem  Hausvater  sagt, 

Wenn  er  euch  wird  um  euern  Wunsch  befragen : 
Mein  Meister  lässt  dir,  guter  Freund,  sagen, 
Dass    wir    heute    das    Osterlamm    bei    dir   werden 

essen ; 
Allwo  ich  mit  den  Jüngern  mein 

420  Das  letzte  Mal  beisammen  werde  sein: 
Gehet  hin  und  thut  nicht  vergessen. 

Petrus, 

Dein'  Befehl,  o  liebster  Meister  mein, 
Werden   wir  bald  verrichten, 
Und  auch  dem  Hausvater  dort  fein 
425   Das  alles  von  dir  berichten. 

Wird  der  Saal  gemacht. 
JoJiannes . 

Mein  lieber  Freund,  ist  der  Hausvater  zu  Haus  ? 

/)/'e//er. 

Ja  freilich,  da  geht  er  eben  heraus. 

j^o/iannes. 

Mein  Herr  und  Meister  lässt  dir  sagen, 
Das  wir  allhier  sollen  kommen  zusamm' 
430   Und  will  mit  uns  bei  dir  essen  das  Osterlamm. 

//otisvater. 

Es  ist  mir  lieb,  dass  ich  ihn  werd  können  traktiren 


i85 

Sammt  euch  noch  mit,  wie  sich's  thut  gebühren : 
Diener,  bereitet  den  Tisch  sammt  anderen  Sachen, 
Und  sagt  in  der  Küchel,   dass  sie  ein  Abendmahl 

machen. 

Diener, 

435   Dieses  wird  bald  geschehen  sein, 

Wir  werden  euch  bereiten  Brot  und  Wein. 

Die  Diener  bereiten  den   Tisch. 
Judas  Ischarioth. 

Das  ist  einmal  ein  Gedanken,  dass  mein  Meister 
uns  eine  Mahlzeit  thut  geben ,  sonst  müssen  wir 
gemeiniglich  mit  der  kalten  Küchel  vorlieb  nehmen. 

440  Allein  er  geht  halt  grad  hin ,  wo  er  nichts  zahlen 
darf.  Das  ist  eine  gute  Wirthschaft,  da  ist  es  am 
billigsten  und  lasst  ihm's  noch  viel  besser  schmecken, 
als  wenn  er  zahlen  müsst.  Da  mitunter  ist  er  in 
das  Haus  Lazari,  der  eben  sein  guter  Freund  war, 

445  eingeladen  worden.  Da  hat  sich  die  Maria  ver- 
liebt ,  die  ist  g'sprungen ,  die  ist  g'loffen,  die  hat 
sich  bemüht,  damit  sie  nur  dem  Meister  eine  gute 
Suppen  hat  machen  können.  Die  Lenerl  aber, 
die    mit  derselben  Alabasterbüchsen ,    die  hat  sich 

450  stets  bei  des  Meisters  Füssen  aufgehalten  und  hat 
der  Maridl  gleichwohl  allein  die  Knödel  lassen 
einschlagen ,  die  mein'  Meister  wohl  werden  ge- 
schmeckt haben.  Aber  ich  armer  Teufel  hab 
da    Sparmunges    gehalten    und    von    dem    Beutel 

455  zehren  müssen,  allwo  ohnedem  nit  viel  drin  ist. 
Aber  wart  nur,  mein  Beutel,  du  wirst  bald  voll 
werden.  Was  gilt's,  mein  Meister  wird  die  Salben 
zahlen  müssen,  die  ihm  die  Lenerl  über  den  Kopf 
hat  abgössen ;  denn  jetzund  muss  man  von  lauter 

460  Tück  und  Falschheiten  umgeben  sein,  sonst  gewinnt 
man  nichts.  Ich  muss  wohl  gehen,  mein'  Meister 
suchen ,  damit  ich  zu  der  Mahlzeit  komm ,  sonst 
möcht  ich  zu  spat  kommen.  —  —  — 


i86 

yesus. 
Der  Friede  sei  in  diesem  Haus. 

Hausvater. 

465   Seid  willkommen,  liebster  Meister  mein, 
Mich  g' freut's,  dass  ihr  bei  mir  wollt  sein, 
Das  Abendmahl  zu  geniessen  : 
Nach  altem   Brauch  das  Osterlamm 
Hab  ich  richten  lassen  und  noch  was  z'samm', 

470  Lasst  euch  es  nicht  verdriessen. 

yesus. 
Liebster  Freund,  mit  Wenigem  bin  ich  vergnügt, 
Ich  will,  dass  ihr  euch  keinen  Schaden  zufügt. 
Gebet  nur  her  nach  eurem  Willen, 
Damit  meine  Jünger  den  Hunger  stillen. 

Hausvater. 

475   Diener,  gehts  und  lasst  bald  richten  an, 
Damit  mein  Herr  und  Meister  essen  kann, 
Ihr  aber  unterdessen  thut  euch  hier  setzen. 

yesus  und  die  yHnger  setzen  sich, 
yesus. 
Es  geschehe,  wenn's  uns  erlaubt  soll  sein : 
Ich  bitte  euch,  nehmet  Brot  und  Wein, 
480  Damit     ich     mich     kann     ergötzen     mit    meinen 

Jüngern  hier, 
Die  hiermit  bald  werden  gehen  von  mir; 
Drum  setzt  euch  nur  hin,  ihr  Jünger  mein, 
Zuletzt  wir  heute  beisammen  sein. 

Erster  Diener. 

Nunmehro  hier  die  Speisen  sein, 
485  Ich  wünsche,  dass  sie  wohl  gedeihn. 

Hausvater. 
Lasst's  euch  gut  schmecken,  liebe  Freund', 
Von  Herzen  mich's  erfreutt  heunt. 

Z^ueiter  Diener. 

Was  soll  ich  bringen  für  einen  Wein, 
Einen  wällischen  oder  ein  Steirer? 


i87 

490  Der  Tiroler  wurd  zwar  besser  sein, 
Doch  ist  er  etwas  theurer. 

Hausvater. 
Bringt  nur  her  ein'  Steirerwein, 
Er  wird  zum  Speisen  der  beste  sein. 

JoJiaiines. 

Bartholmä,  es  ist  an  dir, 
495   Zu  transchiren  das  Lämmlein  hier. 

BartJwlomäus . 
Dies  zu  transchiren  kann  ich  nicht  fassen, 
Ich  will's  lieber  dem  Meister  überlassen. 

Jesus. 

Herzlich  hat  es  verlanget  mich, 

Dass  mit  euch  das  Osterlamm   esse  ich, 
500  Eh'  ich  werd  gehn  ins  Leiden : 

Es  soll  aber  auch  von  mir  gesagt  sein, 

Dass    ich    dies   nicht    mehr  esse  mit  euch  Jüngern 

mein, 

Bis  dass  ich  von  euch  werd  scheiden. 

Nun  nehmet  auch  den  Kelch  von  mir, 
505  Den  ich  gesegnet  hab  allhier. 

Den  thuts  unter  euch  austheilen. 

yohannes. 

Diesen  Kelch  von  dir,  Meister,  nehme  ich  an, 
Denn  der  meine  Seele  wohl  heilen  kann. 

Jesus. 

Ich  aber  sage  euch,  dass  ich  auf  dieser  Erde 
510  Von  diesem  Gewächs  nicht  mehr  trinken  werde, 
Bis  ich  in  das  Reich  Gottes  komme. 

Philipp  US. 

Von  diesem  Gewächs  will  ich  auch  trinken, 
Dass    ich    alldort   kann    sitzen   zur   Rechten    oder 

Linken, 
Wie  alle  andern  Frommen. 


i88 

yacobus  major. 

515   Ich  will  auch  der  Letzt'  nicht  sein, 

Zu  trinken  den  Kelch  des  Meisters  mein , 
Von  ihm  will  ich  nit  scheiden. 

Andreas. 

Ich  Hess  mir  ganz  und  gar  nicht  sagen, 
Dass  ich  mich  nicht  soll  ans  Kreuz  lassen  schlagen 
520  Und  diesen  Tod  hier  leiden. 

Thomas. 

Ich  wünsch  mir  auch  früh  und  spat, 
Dass  ich  möcht  haben  diese  Gnad, 
Ins  Leiden  bald  zu  gehen, 
Mit  diesem  liebsten  Meister  mein, 
525   Mit  der  Lanzen  durchstochen  zu  sein. 
Wie  man's  zur  Zeit  wird  sehen. 

Bartholomäus . 
Meine  Haut  will  ich  auch  wagen 
Und  diese  über  die  Achsel  tragen; 
Zu  Lieb  thu  ich's  meinem  Herrn. 

Jacobtis  major. 

530  Mein  Leben  ist  mir  eben  feil, 

Soll  ich  auch  ausstehn  ein   scharfes  Beil, 
Das  ewige  Reich  zu  vermehr'n. 

Simon. 
Ich  wollte  auch  nichts  darnach  fragen, 
Wenn  man  mich  auch  voneinander  thät  sagen, 
535   Dass  ich  den  Himmel  grüsse. 

Thaddäus . 
Mit  dir  zu  leiden,  bin  ich  bereit, 
Damit  ich  komm  in  die  ewige  Freud, 
Auch  gern  mich  tödten  Hesse. 

Petrus. 
Von  mir  wird  man's  bald  auch  sehen 
540  Mit  meinem  Meister  in  Tod  zu  gehen. 


189 

yudas  Ischarioth, 
Das  ist  kein'  Red  einer  wirklichen  Sach, 
Du  wirst  nur  folgen  hinten  nach. 

Jesus. 

Seht,  wer  mich  meinen  Feinden  will  übergeben, 
Ist  über  Tisch  mit  mir  daneben : 
545   Aber  wehe  dem  Menschen  hier  auf  Erden, 

Durch  welchen  des  Menschen  Sohn  wird  verrathen 

werden. 

Johannes. 
Ich  bin  es  nit,  gesteh  es  frei, 
Wollt's  schier  errathen,  wer  dies  sei. 

Petrus. 

Ich  bin  es  auch  nit,  sag  es  rund:      zu  Judas: 
550  Vielleicht  bist  du  derjenige  Hund? 

Jacoöus  7ninor, 

Ich  kunnt  es  über's  Herz  nicht  bringen, 
Dass     ich     sollt     CJrsach     sein     diesen     schweren 

Dingen. 

Andreas. 
Lieber  will  ich  den  Tod  des  Kreuzes  leiden. 
Eh'     ich    mich    durch    dies    Laster    von    ihm    thät 

scheiden. 

Thomas. 

555   Lieber  ich  auch  sterben  wollt. 

Als  dass  ich  meinen  Meister  verrathen  sollt. 

Philipp. 

Von  mir  soll  auch  keine  böse  Meinung  sein, 
Dass  ich  verrathen  sollt  den  lieben  Meister   mein. 

Bartholomäus. 

Ich  möchte  doch  wissen,  wer  ihm  denn  traut, 
560  Den  Juden  zu  übergeben  die  unschuldige  Haut. 

Jacob  US  minor. 

Dieser  verlang  ich  nicht  zu  sein, 

Will  lieber  leiden  alP  Marter  und  Pein. 


Simon . 
Ich  thu  auch  die  Wahrheit  sagen 
Und  will  an  mir  dies  Laster  nit  tragen. 

Thaddäiis. 

565   Der  himmlische  Vater  behüte  mich, 
Dass  dieses  Laster  begehe  ich. 

Jesus  das  Brod  eintunkend. 
Derjenige  ist  es  und  wird  es  sein, 
Der  mit  mir  jetzt  das  Brot  getunkt  hat  ein. 

Petrus. 

Aber  wer  möchte  auf  dieser  Erden 
570  Unter  uns  als  der  Grösste  gehalten  werden? 

jiidas , 

Ich  glaub,  es  ist  keiner  auf  dieser  Welt, 
Als  der  da  hat  einen  Beutel  Geld. 

Matthäus. 

Dieses  ich  auch  gar  nit  sein  kann, 
Die  Zahlbank  hab  ich  verloren  schon. 

Judas. 

57  5   Es    möchte    doch    Petrus    sein,    weil    er    hat    Hab 

und  Gut 
Und  ein  zerrissenes  Netz  noch  besitzen  thut. 

Petrus. 
Ich  bin  es  nicht,  es  mag  doch  Johannes  sein, 
Weil  er  viel  gilt  bei  dem  lieben  Meister  mein. 

Jacohus  minor. 

Diesem  thu  ich  auch  nit  weichen, 
580  Ich  möchte  auch  sein  einer  dergleichen. 

Jesus . 
Die  als  Könige  herrschen  auf  dieser  Erden 
Und    Gewalt    haben ,     gnädige  Herrn    genannt    zu 

werden  : 
Ihr  aber,  liebste  Jünger  mein, 
Sollt  nit  also  beschaffen  sein. 


191 


Jacobtis  major. 
585   Meinethalben  kann  er  sein,   wer  er  will, 
Zu  dieser  Hochheit  ich  nit  ziel. 

Thomas. 
Ich  will  auch  zu  dieser  That  nit  trachten, 
Lieber  alles  Zeitliche  verachten. 

Simo7t. 

Keiner  weiss,  ich  bin  vergewisst, 
590  Wer  der  Grösste  unter  uns  Jüngern  ist. 

jesus. 
Wer  der  Grösste  zu  sein  begehrt, 
Ein  Diener  des  anderen  Dieners  werd ; 
Ich  aber  bin  hier  in  der  Mitten, 
Will  mich  des  Dienens  nicht  entschütten. 

Jesus  steht  auf  und  wäscht  den  y ungern  die  Füsse,   erstlich 
defu  yzidos  Ischarioth. 

Jesus. 

595   Dieser  Lieb  und  dieses  Dienens  Sachen 
Will  ich,  Brüder,  den  Anfang  machen. 

Bartholomäus. 

Was  thut  doch  anfangen  heut  mehr 
Unser  geliebter  Meister  und  Herr? 

Philippus. 

Eine  grosse  Lieb  thut  er  erzeigen, 
600  Dass  er  sich   gar  zur  Erd  thut  neigen. 

Johannes . 

Liebster  Meister,  weil  du's  begehrst^ 
Zu  waschen  die  Füsse  mein 
Und  mir  die  grosse  Lieb  bescheerst : 
Es  soll  geschehen  der  Wille  dein. 

Jacobus  major. 

605   Grosse  Lieb,  ist  dies  fürwahr. 

Es  geht  mir  auch  zu  Herzen  gar, 
Dass  ich  schier  möchte  weinen. 


192 

Simon. 

Grosse  Lieb  erzeugest  mir, 
Mein  allerliebster  Herr  allhier, 
610  An  Tugend  weichst  du  keinem. 

Thaddäus. 
Ich  thu  mich  recht  von  Herzen  scham'n, 
Dass  mein'   Füss  wäscht  das  Gotteslamm. 

Jacobus   major. 

Liebster  Meister,  die  grosse  Tugend  dein 
Verlangt   auch  in  mir  rein  gewaschen  zu  sein. 

Andreas . 
615   Ich  bin  nicht  würdig,  dass  du  mir 

Die  Füss  thust  waschen  vor  allen  hier. 

Matthäus. 
Deine  grosse  Lieb  kann  ich  nicht  fassen, 
Dass  ich  mich  von  dir,  Herr,  soll  waschen  lassen. 

Petrus, 

Liebster  Meister,  willst  du  dann  mir 
620  Die  Füsse  waschen  auch  allhier? 

Jesus, 
Was  ich  thu,  dürft  es  jetzt  nicht  wissen, 
Dies  aber  hernach  zu  erfahren,  seid  beflissen. 

Petrtis, 

Hinfüro  sollst  du  sein  befreit, 

Mir  die  Füsse  zu  waschen  in  Ewigkeit. 

Jestis. 
625   Petre,  wenn  du  nit  die  Füss  lässt  waschen  dir, 
Sollst  du  keinen  Theil  haben  an  mir. 

Petrus. 

Herr,  nicht  allein  die  Füsse  mein, 

Hand  und  Haupt  sollen  auch  gewaschen  sein. 

Jesus. 
Petre,  gewaschen  ist  ganz  rein, 
630  Fs  dürfen  nur  die  Füsse  gewaschen  sein. 


'93 

Und  ihr,  liebste  Jünger,  seid  zwar  rein, 
Aber  einer  soll  ausgeschlossen  sein. 

Jesus  legt  seinen  Mantel  luieder  an  und  setzt  sich  zu    Tisch, 

Wisset  ihr  nunmehro  schon, 
Was  ich  euch  allen  hab  gethan? 
635   Ihr  heisset  mich  euren  Meister  und  Herrn, 
Ich  bin  es  auch  nach  eurem  Begehr'n, 
Und  gleich  wie  ich  hab  ein  Beispiel  geben^ 
Sollt  ihr  einander  auch  machen  eben. 

Judas  steht  auf  und  geht  davoji. 

Judas,  du  verlornes  Kind, 
640  Was  du  thust,  das  thu  geschwind. 

Jacobus  major. 

Er  gehet  hin  gewiss  zu  bezahlen, 
Weil  er  den  Säckel  hat  von  uns  allen. 

Jesus. 

Weil  ihr  verharret  seid  mit  mir 
In  Anfechtung  auf  dieser  Welt  allhier, 
645  Wie  mir  mein  Vater  verordnet  hat  das  Reich, 
Also  soll  es  auch  verwandt  sein  mit  euch, 
Dass    ihr    überdies    in    meinem    Reich    essen    und 

trinken  sollet 
Und    zurichten    den     zwölf  Stämmen    Israel,     wie 

ihr  wollet. 
O  himmhscher  Vater,  wir  danken  dir  für  all  deine 

Gaben, 
650  Die  wir  heute  allhier  genossen  haben. 

Liebe  Jünger  mein,  wir  wollen  nun  aufstehen 
Und    den    Weg ,    so    wir    vor    uns    haben ,    weiter 

gehen. 
Wir   alle    danken    dir,    Hausvater,    für  deine  Lieb 

und  Treu: 
Ich  wünsch  und  bitt,  dass  dir  der  himmlische  Vater 

sehr  gewogen  sei. 

Volksschauspiele.  13 


194 

Hausvater. 
655  Mich    g'lreut's,    dass  ihr  bei  mir  habt  vorHeb  ge- 
nommen, 
Ich    habe    vor  diesmal  nichts  Besseres  bekommen. 

~^'  Jesus. 

Ihr  alle  werdet  heute  an  mir  Aergerniss  leiden, 
Denn  wenn  der  Hirt  geschlagen  wird,    die  Schäf- 

lein    von  ihm   scheiden. 

Fetr7ts. 

Mein  Meister  und  Herr,   du  wirst  es  aber  an  mir 

sehen, 
660  Dass    ich  bereit    bin,    mit  dir  in  I^Iarter  und  Tod 

zu  gehen. 

Jesus. 
Ich  aber  sage  dir,  Petrus,  es  wird  heute  kaum  zweimal 

gekräht  haben  der  Hahn, 
Wirst  du  mich  dreimal  verleugnet  haben  schon. 
Denn  ich  sage  euch  das :  es  muss  an  mir  erfüllet 

werden, 
Was    geschrieben,    es    wird    bald    haben   ein    End 

auf  dieser  Erden. 

Gehen    alle   hinein.     Der  Hausvater  und  Z7uei  Diener  tragen  den 
Tisch  und  die  Sessel  hinweg, 

Jttdas'    Verrath. 

Judas . 

665   Hol's  der  Teufel,  bei  meiner  Treu, 

Heut  will  ich  noch  eins  wagen : 

Wann  mich  angeht  die  Schelmerei, 

Gar  nichts  thu  ich  darnach  fragen. 

Es  hat  sich  unser  Meister  trefflich  wohl 
670  Beim  Tisch  dort  sehen  lassen. 

Mit  Speisen  ward  der  Magen  jetzt  voll, 

Kann  z'frieden   endlich  schön  rasten, 

Doch  wenn  er  hätt  ein  Glasel  Wein, 

Viel  länger  kunnt  er  fasten. 
675   ^\'ie  soll  ich  denn  angreifen  dies? 

Kein  Geld  ist  in  mein'  Beutel, 


^95 

Auf  dass  ich  heut  im  Wirthshaus  g'wiss 
Kunnt  trinken  noch  ein  Seidel. 
Wann  sonst  nichts  hilft,   so  muss  ich  halt 
680  Den  Meister  mein  verkaufen: 

Alsdann  ich  in  dem  Wirthshaus  bald 
Zu  G'nügn  werd  können  saufen. 

Judas  geht  vor  der  HoJwipricster  Rath. 

Judas . 

Seid  gegrüsst,  ihr  jüdische  Herrn, 

Höret  an  mein  eifriges  Begehr'n : 
685  Jesum  von  Nazareth  geschwind  und  behend 

Will  ich  euch  geben  in  eure  Hand, 

Aber  was  wollt  ihr  mir  dafür  geben? 

Das  beschwöre  ich  bei  meinem  Leben. 

Saget  nur,  wie  ihr  gesinnet  seid, 
•6go  So  will  ich  ihn  euch  geben  in  kurzer  Zeit; 

Der  Geiz  lässt  mir  weder  Rast  noch  Ruh, 

Bis  ich  nicht  Geld  bekommen  thu. 

Kaiphas . 

Sei  uns  ganz  willkommen,  mein  guter  Freund, 

Dein  Begehren  wird  zu  erfahren  sein : 
•695   Sag  nur  an,   was  willst  du  haben? 

Dreissig  Silberlinge  will  ich  geben  dir. 

Bist  du  zufrieden,  nimm  hin  das  Geld, 

Aber,    Judas,    gieb   acht,    dass  dir's   in  der  Hand 

nicht  fehlt. 

Eins,  zwei,   drei, 
700  Judas',  ich  sag  dir's  ohne  Scheu, 

Vier,  fünf,  sechs,  sieben, 

So  du  uns  würdest  betrügen, 

Acht,   neun,  zehen, 

Oder  mit  vielen  Worten  vorlügen ! 
705  Elf,  zwölf, 

Gelt^  Judas,   dir  das  gar  wohl  gefällt? 

Dreizehn,   vierzehn,  fünfzehn, 

Bist  mir  allezeit  ein  treuer  Knecht  gewesen  : 

Sechzehn,  siebzehn,  achtzehn,  neunzehn,  zwanzig, 
7 1  o  Judas,  mach  dich  mit  dem  Geld  recht  lustig ; 

13* 


196 

Einundzwanzig,  zweiundzwanzig,  zwanzig  drei, 

Es  ist  gehandelt  und  bleibt  dabei, 

Vierundzw^anzig,  fünfundzwanzig,  sechsundzwanzig, 

zwanzig  sieb'n, 

Anderen  Juden  zum  Trutz  hinnimm  : 
7  1 5  Achtundzwanzig,  neunundzwanzig,  dreissig, 

Judas,  sei  du  nur  fein  recht  fleissig! 

Aber  so  du  uns  würdest  betrügen 

Oder  mit  Worten  uns  thätest  verlügen, 

Wir  würden  dich  wohl  wissen  z'  finden 
720  Und    lassen    die    Haut    dir    über    den    Kopf   ab- 
schinden. 

Geizteufel. 

Hör,  Judas,  mein  guter  Freund, 

Die  Sache  wird  dir  gelingen  heunt : 

Folge  nur  fleissig  meinem  Rath, 

Der  Handel  wird  dir  gehen  von  statt ; 
725  Bei  allen  Juden  so  grosse  Gnad 

Erlangest  du  durch  diese  That, 

Auch  solche  dreissig  Silberling; 

Die  Münze  ist  gut,  hör,  wie  es  klingt. 

Sei  nur  beherzt  und  furcht  dich  nicht  hier, 
730  Einen  getreuen  Gehilfen  hast  du  an  mir. 

Judas. 
Ach,  ihr  Herrn,  noch  will  ich  eben 
Einen  guten  Rath  euch  geben, 
Wie  ihr  Jesum  möget  fangen, 
Nach  dem  ihr  traget  so  grosses  Verlangen. 

735  Er  wird  vielleicht  im  Garten  Gethsemane  sein,. 
Der  da  lieget  am  Oelberg   fein. 
Drum  gehet  hin  und  suchet  ihn  bald, 
Ich  werde  bei  euch  sein  in  dieser  Gestalt. 
Und  wenn  ihr  ihn  dort  werdet  finden, 

740  So   thut  ihr  ihn  nicht  geschwind  binden, 
Dann  ich  werde  euch  die  Losung  geben : 
Drum  merket  also  auf  und  nicht  vergesst ; 
Denn  er  hat  einen  Jünger,  der  ihm  gleich  ist. 
Im  Gesicht  ganz  ähnlich  zu  jeder  Frist : 


IQ7 

745     Darauf  wohl  merket  also  eben, 

Dem  ich  einen  Kuss  ins  Gesicht  werde  geben, 
Den  greifet  und  mit  Stricken  verwahret  wohl, 
Damit  er  euch  nimmer  entlaufen  soll.  — 
Drum  folget  mir  nach  mit  grosser  Macht. 

Kaiphas . 

750     Nun,  Judas,  dein  Rath  gefällt  mir  schon  recht, 

Da  stelle  dich  zu  meinem  Kriegsknecht, 

Sie  werden  ihn  bewahren  wohl, 

Dass  er  uns  nimmer  entlaufen  soll. 

Geh  nur  hin,  den  Handel  vollführ, 
755     Ein  gutes  Trinkgeld  geb  ich  noch  dir. 

Auf  devi   Oelberg. 
Jesus. 
Meine  lieben  Jünger,  setzet  euch  allhier  und  helfet 
mir  eine  halbe  Stunde  beten.     Wachet  und  betet, 
auf  dass  ihr  nicht  in  Versuchung  fallet. 

Petrus. 
Meister,  was  fehlt  dir?    Warum  erzeigst  du  dich 


760     so  traurig 


\o> 


Jesus. 


Meine  lieben  Jünger,  eines  betrübt  mich  sehr.  In 
dieser  Nacht  werdet  ihr  euch  alle  ärgern  an  mir. 

Pi-trus. 

Meister,  sollten  sich  alle  ärgern  an  dir,  so  will  ich 
doch  nicht  ärgern  mich. 

Jesus. 

765  Simon  Petrus,  ich  sage  dir,  ehe  der  Hahn  wird 

zweimal  krähen,  wirst  du  mich  dreimal  verleugnen. 

Petj'us. 

Meister,  das  kann  ich  nicht  glauben,  und  wenn 
ich  mit  dir  sterben  müsst,  so  will  ich  dich  doch 
nicht  verrathen. 


/  /3 


19S 

Jc'SUS. 

770  Ich  will   gehen  in  meinen  Aengsten  zu  meinem 

himmlischen  Vater  und    will    hernach    wieder    zu 
euch  kommen. 

So  geh  denn  hin,  mein  lieber  Meister,  und  komm 
dann  bald  wieder  zu  uns. 

jdsus  betet  auf  dem   Oelberg, 

yesus. 

Ach,  Vater  mein,  hör  an  meine  Stimm, 

Soll  dann  den  Kelch  ich  trinken? 

Doch  nicht  mein,  sondern  dein  Wille  geschah; 

Ich  will  in  alle  Aengsten  sinken, 

Was  grosse  Xoth,  Angst,  Schweiss  und  Furcht,, 
7 So     Auch  viele  bittre  Schmerzen 

Mich  trüben  thut  ohn'  alles  Maass, 

Es  lautet  alles  zum  Herzen. 

Bin  viel  zu  matt,  bin  viel  zu  schwach, 

Dies  alles  auszustehen, 
785     Vor  Todesangst  und  blutigem  Schweiss 

Kann  nimmer  nicht  bestehen. 

Zu  hart  fällt  mir  die  Bürde  all, 

Die  Kräfte  mich  verlassen, 

Der  Sünden  Wuth  und  Bosheit  Qual 
790     Thut  mich  zu  viel  erfassen. 

Dies  länger  nicht  ausstehen  kann, 

Ich  muss  zu  Boden   sinken : 

In  Todesangst,  in  Todesschweiss 

Ward  müssen  bald  ertrinken. 

Engel. 

795  O    mein    Gott    und    mein    Herr,    o    du    Freud 

Himmels  und  der  Erden,  was  ist  das?  Christus 
Jesus,  mein  Erschaffer  I  Das  Elend  erschreckt 
mich  so  sehr!  Wer  hat  dich,  du  Tröster  der 
Betrübten,  also  betrübet?     Wer  hat  dich,  du  Lieb- 

8c o     haber  des  Lebens,  also  zugerichtet? 


199 

Jesus  zu  den  Jüngern. 
Ach,  meine  lieben  Jünger,  schlafet  ihr  noch? 
Könnet  ihr  nicht  einmal  eine  halbe  Stunde  beten? 
Ach ,  wachet  und  betet,  auf  dass  ihr  nicht  in 
Versuchung  fallet  1  O  Kelch,  o  Trank,  machst 
805  mich  so  krank!  Ein  scharfes  Schwert  durch 
Bein  und  Mark  mit  Schmerzen  mir  eindringet. 

Engel. 

Wolle  Gott,  dass  ich  leiden  kunnt  vor  dich  und 
an  deiner  Statt  den  bittern  Kelch  kunnt  trinken 
aus.      Weilen    es    aber    der   Wille    deines    himm- 

810  hschen  Vaters  ist,  dass  du  ihn  sollst  selber  trinken, 
so  betrübe  dich  doch  nicht  so  sehr,  sondern 
nimm  ihn  mit  Freuden  hin.  Dein  Leiden  wird 
zwar  bitter  fallen  dir,  aber  bedenke  auch,  was 
für  Ehr  und  Belohnung  du    haben  wirst;    begieb 

815  dich  standhaftiglich  in  Tod  und  Leiden  für  der 
Menschen   Heil. 

Jesus. 

O,  meine  lieben  Jünger,  schlafet  ihr  schon  mehr  ? 
Ach,  wachet  und  betet,  auf  dass  ihr  nicht  in  Ver- 
suchung fallet,  denn  der  Geist  ist  zwar  willig,  aber 
820     das  Fleisch  ist  schwach. 

Ach,  Vater  ja,  war  nur  bald  da 

Die  jüdische  Rott  mit  Eisen: 

Mein  schwaches  Herz  ist  voller  Schmerz 

Bis  in  den   Tod  entbleichet. 
825  Ach,  schwere  Hand  der  göttlichen  Straf, 

Das  Schwert  ist  scharf  gewetzet, 

Hat  g' macht,  dass  ich  die  Erde  hab 

Mit  meinem  Blut  benetzet. 

Die  Marter,  so  ich  leiden  muss, 
830         In  meine  Seel  thut  sausen : 

Ist  nicht  genug,  noch  mehr  empfind 

Ich  der  Sünden  Scheu  und  Grausen. 

Ach,  Vater,  wenn  es  möglich  ist. 

Den  Kelch  von  mir  abwende, 


200 

835     Wenn  es  anders  nicht  geschehen  kann, 
Eine  Nachricht  mir  übersende. 

Efigel. 
Ach,  Jesus,  auf  ein  Kleines  verschnauf, 
Lass  doch  den  Muth  nicht  sinken, 
Nimm  doch  den  Kelch  des  Leidens  auf: 

840     Es  ist  dir  bewusst  der  göttliche  Schluss  — 
O,  Jesus  mein,  es  muss  ja  sein, 
Jesus,  den  hast  du  zu  trinken.  — 
Der  Vater  hat  vor  dich  keine  Gnad  gefunden, 
Mit  Schand  und  Spott  musst  leiden  den  Tod, 

845     Am  Kreuz  genagelt   hangen. 

Jesiis. 
Soll  es  denn  sein,  so  sei  es  gelitten. 
Weil  der  Himmel  es  haben  will : 
So  sei  denn  weiter  auch  gestritten, 
Gottes  Wille  ist  auch  mein  Ziel. 

Geht  zu?n  dritten  Male  zu  den  yUngern. 
850         Meine   lieben  Jünger,  schlafet  ihr  schon  mehr? 
Sehet,  der  mich  verrathen  wird,  ist  nahe. 

Die  Ge/angennehmung . 
Jesus  zu  den  Juden. 
Wen  suchet   ihr:  Dreimalige  Frage. 

Die  vier  Juden. 

Jesum  von  Nazareth! 

Jesus. 
Ich  bin's. 

Die  liier  Juden  niederstürzend : 
855     Auf,  der  Zauberer  hat  uns  geworfen  1   Geschieht  dreimal. 

Jesus. 
Wenn  ihr  mich  suchet,  so  lasset  hingehen  meine 
Jünger. 

Afalclius. 
Judas,  wo  bist  du?  komm  nach  deinem  Versprechen. 


201 

jfudas . 

Sei  gegrüsst,  o  Meister  mein, 
860     Ich  komm  erst  aus  der  Stadt  herein, 

Bei  dir  zu  wohnen  an  diesem  Ort ; 

Meister,  wen  suchet  denn  diese  Kriegsrott? 

Ich  weiss  nicht  bei  so  spater  Zeit, 

Was  dieses  alles  wohl  bedeut', 
865      Doch  dünkt  mich  schier,    ich   merk    die  Sachen, 

Als  wenn    sie   dich    wollten    zu    einem  Gesalbten 

machen. 

Und  wenn  sie  dich  vielleicht  werden  recht  erkennen, 

So  dürften  sie  dich  gar  zum  König  krönen, 

Dieweil  du  ohnehin  in  allem  Land 
870     Ein  König  der  Juden  wirst  genannt. 

yesus. 
O,  Freund,  warum  kommst  du  so  spat 
Zu  mir  bei  so  ganz  dunkler  Nacht  r 
Was  hab  ich  dir  gethan,  o  Freund, 
Dass  du  mich  übergiebst  den  Händen  der  Feind'  ? 
875     Freundlich  sind  zwar  deine   Gebärden, 

Dein  Herz,  das  will  doch  schalkhaft  werden; 
Steh  ab  und  trage  Reu  dafür. 
So  will  ich's  doch  verzeihen  dir. 

yudas. 

Meister,  in  die  Buss'  gehe  ich  nicht  ein, 
880     Dieweil  ich  ein  Geld  hab  genommen  ein, 

Bei  dem  kann  ich  doch  lustig  sein. 

Meister,  ich  muss  heut  noch  über  den  Bach, 

Komm  nur  bald  mit  den  Jüngern  nach. 

Heut  hab  ich  ein'  Freuden-  und  ein'  Leidentag : 
885     Juden,  greift  ihn  an,  seid  nicht  verzagt! 

Christus  wird  gefangen  genommen. 
Hauptjiide. 

He,  he,  haben  wir  dich  bekommen 
Und  recht  künstlich  hier  gefangen  genommen? 
Bist  ein  Verführer  des  Volks ;  bis  hierher 
Galt  deine  Zauberkunst,  hilft  nicht  mehr. 


202 

890     Was  hast  du  uns  im  Garten  dorten 
Mit  zwei  Worten  zu  Boden  geworfen? 
Aber  gelt,  jetzt  hat's  dich  recht  getroffen ! 
So  geht's  dir,  du  aberwitziger  Lügendichter, 
Bist  du   Gott,    hilf;    an  dir  will    ich   jetzt    rächen 

mich. 

Ziveiter  Jude. 

895     Ein  grosser  Spott  uns  geschehen   ist: 
Durch  diese  Kunst  und  Teufelslist 
Hat  er  uns  zu  Boden  geworfen  all. 
Soll  denn  ein  Mensch  stärker  sein  allein. 
Als  wir  Juden,  die  wir  doch  so  viele  sein? 

900     Pfui  Schand  und  Spott,  nur  Eines  wagt, 
Greift  ihn  keck  an,  seid  nicht  verzagt. 

Dritter  Jude. 
Bindet  und  greift  ihn  denn,  wohlan, 
Nur  keck  und  tapfer  alle  an: 
Mit  Stricken  ihn  bewahret  wohl, 
905     Damit  er  uns  nimmer  entlaufen  soll. 
Es  war  für  uns  eine  grosse  Schand, 
Wenn  er  nun  käme  aus  unsrer  Hand. 

Vierter  Jude. 

Ei,  ei,  jetzt  haben  wir  das  Glück  gewonnen, 
Dass  wir  dich  haben  recht  bekommen : 

910     Jetzt  wollen  wir  dich  recht  bewahren 

Und  auch  an  dir  die  Stricke  nicht  sparen. 
Wir  wollen  dich  auch  führen  fort  in  die  Stadt 
Und  dich  stellen  vor  unsern  hohen  Rath, 
Sie  werden  dich  examiniren 

915     Und  sodann  das  Urtheil  vollführen. 

Petnis. 
Ach,  ihr  Brüder,  dieser  Handel  gefallt  mir  nit  1 
Ich  wag  mein  Leben,  haltet  ihr  auch  mit : 
Ich  wehre  mich  um  den  Meister :  du  böser  Mann, 
Was  greifst  cUi  meinen  Meister  an? 
920     Was  hat  er  dir  gethan,  lass  ihn  aus, 
Oder  icli  mache  dir  den  Garaus  1 


203 

yesHS. 
Simon  Petrus,  steck  ein  dein  Schwert, 
Mich   zu  wehren  habe  ich  nicht  begehrt ; 
Wer  das  Schwert  nimmt  ohne  Befehl  des  Herrn, 
925     Der  soll  auch  durch  das  Schwert  gerichtet  werd'n. 

Malchus. 

Ach  weh,  ach  weh,  war  ich  nie  geboren, 

Jetzt  hab  ich  mein  rechtes  Ohr  verloren ! 

So  viele  Schmerzen  ich  nun  leide; 

Verflucht  ist  das  Schwert  samt  der  Scheide. 
930      Komm  ich  nun  in  ein  fremdes  Land, 

So  hab  ich  nichts  als  Spott  und  Schand: 

Sie  sagen  mir's  ganz  unverhohlen, 

Ich  war  ein  Dieb  und  hätte  gestohlen. 

Ei,  der  alte  Glatzkopf 
935      Hat  mich  gemacht  zu  ein'  armen  Tropf. 

yestis. 

Malchus  sehe, 

Dein  Ohr  ist  geheilt  wie  vor  und  ehe. 

Malchus. 

Ja,  ja,  mein  Ohr  thut  mir  nimmer  weh, 

Du  bist  noch  ein  Zauberer  wie  vor  und  eh'. 

Jesus  wird  vor  den  Rath  gestellt. 

Longinus. 

940     Nun  endlich  haben  wir  den  Bösewicht,    den    wir 

so  lang  gesucht. 
Und  über  ihn  geseufzet  und  geflucht. 

Kaiphas. 

Jetzund  erkenne  ich,  du  Bösewicht,  wer  du  bist, 
der  du  das  Volk  verführest  und  mit  deiner  selbst- 
eigenen Kunst  und  List  auf  deine  Seite  bringest. 
945  Bist  du  einmal  da,  du-  aufrührerischer  Bösewicht, 
haben  wir  dich  einmal  hier,  du  Verführer  des 
Volkes !  Wir  haben  schon  Geduld  gehabt  eine 
lange  Zeit,  haben  auch  verhofft,  du  werdest  von 


204 

deinem  Frevel  abstehen.  Weil  du  aber  täglich 
950  neuen  Aufruhr  machst,  so  haben  wir  dich  auf- 
gesucht und  auch  gefänglich  eingeführt ,  damit 
durch  dich  kein  grösseres  Uebel  wird.  Dessent- 
wegen gieb  den  ehrwürdigen  Herren  Red  und 
Antwort. 

Afjfias. 

955     Er  hat  das  Volk  aufgerührt   mit    seinen  falschen 

Lehren, 
Er  ist  auch  willens,  das  ganze  Judenthum  zu  ver- 
nichten und  zu  zerstören. 

Die  Schriftgelehrten, 
Lasst  uns  mit  diesem  Rothen  aus, 
Dass  der  Friede  bleibet  in  unserm  Haus. 

Kaiphas. 

Besser  ist  es,  bedenkt  es  wohl, 
960     Dass  dieser  Bösewicht  sterbe, 

Als  dass  er  noch  länger  leben  soll 
Und  das  ganze  Volk  verderbe. 

Annas. 

Das  Gesetz  will,  dass  er  solle  sterben, 
Thut  ihn  nicht  vom  Tod  erretten : 
965     Drum  machet  mit  ihm  nur  bald, 
Was  und  wie  es  euch  gefallt. 

Die  Schi-iftgelehrten. 
Zum  Kreuz  mit  ihm  steht  unser  Sinn, 
Sprecht  das  Urtheil  nur  fort  über  ihn. 

Er  st  ei  ■  Seh  ri/tgeleh  rtei : 
Weilen  er  das  Volk  verführt, 
970     So  soll  er  des  Todes  sterben: 

Und  von  uns  ist  er  des  Todes  vergewisst. 

Am/as. 
Er  ist  ein  Zaubersmann! 
Mit  diesem  ich  es  beweisen  kann: 


1 


205 

Er    hat   gesagt,    er    wollt    den    grossen   Tempel 

zerhauen 
975     Und  in  drei  Tagen  wieder  aufbauen: 
Das  ist  ja  eines  Zauberers  Kunst, 
Wie  jedermann  kann  sagen. 

Die  Schriftgelehrten, 
Ja,  ja,  dies  ist  ein  Zaubersmann ; 
\Vir  dies  alles  gehört  haben  an. 

Kaiphas. 

g8o     Nun,  Bösewicht,  hörest  du  nicht  dein  Laster  an? 
Gieb  Antwort  auf  diese  Klagen  dann. 

Die  Schriftgelehrten. 
Darum,  dass  er  Unrecht  hat  gethan, 
Weiss  er  nichts  darauf  zu  sagen  an. 

Annas. 

Es  mag  sein  gleich :  wie  es  eben  ist, 
985     So  soll  er  des  Todes  sterben! 

Weil  er  das  Volk  verfuhrt  mit  List, 
Soll  er  von  uns  keine  Gnad  erwerben. 

Zweiter  Schriftgelehrter . 
Was  wären  dann  die  Gesetze  der  Alten? 
Wir  thäten  ja  sündigen  vor  Gott, 
990     Wenn  wir  sie  nicht  auch  thäten  halten. 

Dritter  Schriftgelehrter. 
Weil  er  unser  Gesetz  vernichtet  hat, 
So  soll  er  auch  des  Todes  sterben. 

Vierter  Schriftgelehrter . 
Nach  den  Gesetzen  soll  er  sterben, 
Diese  müssen  auch  gehalten  werden. 

Kaiphas. 
995     Nun  denn,  Bösewicht,  ich  beschwöre    dich   beim 

lebendigen  Gott, 
Dass    du    uns    ansagst,    ob  du   der  Sohn    Gottes 

bist,  ohne  Spott. 


2o6 

yesus. 
Ja,  ich  bin's,  du  hast  es  gesagt 
Und  alle,  die  mich  hier  verklagt. 
Ich  werde  kommen  zu  der  Zeit 
looo  In  grosser  Pracht  und  Herrlichkeit, 

Ich  werde  euch  auch  richten  dann  zumal, 
Da  ihr  beisammen  seid  in  grosser  Zahl. 

MalcJnis  giebt  yesutn  einen  Backenstreich. 
Antwortest  du  den  hohen  Priestern  also? 

Jesus  fällt  7iiedei-. 
Habe  ich  übel  geredet,  so  gieb  Zeugniss  gegen  mich 
1005   Habe  ich  recht  geredet,  warum  schlägst  du  mich 

Z'coeiter  Jude. 
Du  sagst,  du  bist  Gottes  Sohn? 
Ei,  du  alter  Ziehbronn ! 
Du  sagst,  Gott  sei  dein  Vater, 
Ei,  du  alter  Kästenbrater ! 

A'aipkas. 

10 10  Was  ist  das?     Er  lästert  Gott! 
Was  bedürfen  wir  mehr  Zeugen? 
Der  Bösewicht  mit  seiner  Lästerung  Spott  1 
Sein  Mund,  der  kann  nicht  schweigen. 

Die  Schriftgelehrten . 
Ja,  sein  eigener  Mund  verrath'  ihn, 
1015   Sein  Mund,  der  kann  nicht  schweigen. 

Kaiphas. 

Ihr  habt  es  gehört,  vernommen  wohl, 
Wie  er  sich  hier  verhalten ; 
Was  dünkt  euch,  was  geschehen  soll, 
^^'as  thut  ihr  von  ihm   halten? 

Die  Schriftgelehrten. 

1020  Er  Süll  und  muss  gekreuzigt  werden 

Und  kann  von  uns  kein'   Gnad  erwerben. 


207 

Kaiphas. 
Weil  alle  Meinungen  stimmen  überein, 
Dass  er  des  Tod's  soll  schuldig  sein, 
So  führt  ihn  nur  geschwind  zu  Pilato.  hinein : 
1025  Er  soll  ihn   examiniren 

Und  über  ihn  das  Urtheil  führen, 
Und  Schärfe  der  Gerechtigkeit 
Soll  über  ihn  ergehen  in  der  Zeit. 

Die  Schnftgele/irte?i. 
Ja,  ja,  führt  ihn  nur  zu  Pilato  hin, 
1030  Er  soll  ihn  zum  Tode  verdammen 

Und  zu  keiner  Freiheit  lassen  kommen. 

Judas  in  der  Rene, 
yudas . 

Ach,  ihr  Herren,  nehmet  hin  das  Geld, 

Denn  ich  habe  gar  weit  gefehlt, 

Dass  ich  hab  verkauft  den  Meister  mein ! 
1035   Was  kann  denn  doch  Abscheulicher's  sein? 

Die  Sund    ist  gross  und  auch  so  schwer, 

Gott  kann  mir's  nicht  verzeihen  mehr. 

Das  Geld  hat  mich  ins  Unglück  gebracht, 

Jetzt  bin  ich  überall  veracht. 
1040  Das  Ding  thut  mich  gar  so  sehr  kränken. 

Ich  will  gehn  und  mich  nun  selbst  erhenken. 

Kaiphas. 

Was  gehet  uns  denn  dies  an,  dass 

Du  dich  in  dein'  Leben  versündigt  hast? 

Teufel. 

Ha,  ha,  Judas,  deine  Reden  gefallen   mir  recht, 
1045  Dazu  bin  ich  ein  getreuer  Knecht. 
Geh  nur  hin  nach  deinem   Sinn, 
Den    Strick  ich    dir   nachbring,    will    dich    auch 

führ'n  hin 
Zu  einem  schönen  grünen  Baum, 
Daran  hängen  gar  viele  edle  Traub'n. 


2o8 

Kaiphas. 
1050  Was  machen  wir  mit  diesem  Geld? 

Es  geziemt  sich    nicht,    dass    es    in    den  Gottes- 
kasten fällt, 
Weil  es  ein  Blutgeld  ist. 

Annas. 

Dies  Geld  wir  nehmen  und  kaufen  wacker 
Damit  eines  Hafners    Acker. 

Die  Schriftgelehrten . 

1055  Ja,    ja,    und  dieser    Acker    soll    genannt  werden 

Blutacker. 

Verleiigmmg  Christi. 
Magd. 
O  Mann,  wie  kommst  du  doch  da  herein? 
Mich  dünkt,  du  musst  auch  des  Menschen  Jünger 

sein. 

Petrus. 
O  Freundin,  ich  bin  des  Menschen  Jünger  nicht, 
Ich  weiss  auch  nicht,  wie  er  genannt, 
1060  Obwohl  wir  vielleicht  seind  aus  einem  Land. 

Magd. 
Ja,  ich  sage  es  dir  gewiss, 
Dass  du  auch  des  Menschen  Jünger  bist. 
Und  solltest  du  es  auch  nicht  sein. 
Warum  thust  du  also  furchtsam  sein? 

Der  vierte  Jude. 
TC65  Ja  wahrlich,  dieser  ist  auch  einer. 

Petrus. 
Gewiss,  ihr  Herren,  ich  bin  keiner, 
Denn  ich  sage  euch  bei  meinem  Gewissen, 
Dass  ich  des  Menschen  Jünger  nicht  bin. 

Der  dritte  Jude. 
Du  giebst  uns  Argwohn,  verschweigst  mit  List, 
1070  Dass  du    dem    gefangenen  Menschen    ein  Jünger 

bist. 


209 

Der  vierte  Jude. 
Ja,  ja,  wahrlich,  das  ist  auch  einer, 
Denn  seine  eigene  Sprach  verrathet  ihn, 

Petrus, 

Ach  nein,  ihr  Herren,  ich  bin  keiner, 
Ihr  habt  mich  für  den  unrechten  Mann : 
1075   Schauet  mich  doch  nur  einmal  an. 

Weil  es  ist  kalt,  so  wärm'  ich  mich  halt. 

Malchus. 

Wärmen  bringt  uns  kein'  Mangel  nicht, 
Wenn  du  nur  nicht  des  Menschen  Jünger  bist; 
Bist  du  auch  einer,  so  schau  nur  zu, 
1080  Dass  man  dich  nicht  gefangen  nehmen  thu. 

Magd. 

Ach,  mein  lieber  Mann,  folge  mir. 
Einen  treuen  Rath  gebe  ich  dir, 
Ich  bitte  dich,  folge  mir,  thu  hinweggehen. 
Es  möchte  dir  ein  Leid  geschehen, 
1085  Es  möchten  dich  wohl  gar  die  Herren  sehen. 

Petrus. 

Meine  liebe  Magd,  dein'  getreuen  Rath 
Will  ich  folgen  gern,  eh'  es  zu  spat, 
Eh'  dass  mir  möchte  ein  Leid  geschehen. 
Ich  will  von  hier  hinweg  jetzt  gehen, 
1090  Ein  jeder  Mann  schaut  mich  hier  an, 
Als  war  ich  nicht  ein  redlicher  Mann, 

Maria  kommt  zu  Petrus. 
Maria. 

Ach,  lieber  Petrus,  sag  mir  an, 

Wie  steht  es  mit  meinem  lieben  Sohn. 

Petrus. 
Ach,  meine  liebe  Frau,  mit    dir   ich    nicht    mehr 
reden  kann  ein  Wort, 
1095  Weil  ich  aus  Furcht  deinen  lieben  Sohn    dreimal 

verleugnet  dort. 

Volksschauspiele.  \a 


2IO 

Maria. 

Ach,   mein  liebster  Sohn,  wie  wird  dir's   ergehen 

dann, 
Weil  dich  deine  lieben  Jünger  verlassen  schon  ! 

Petrus. 
Ach,  mein  Meister  und  mein  Gott ,  was  hab  ich 

gethan  r 
Der  Hahn  hat  gekräht,  jetzt  denk  ich  daran, 
1 1  oo   Jetzt  ist  vollbracht^  was  du  mir  hast  gesagt, 

Dass  ich  dich  noch  dreimal  werd  verleugnen  heut. 
Ach  Gott,  ich  bitte  hier,  verzeihe   meine  Sünden 

mir, 
Denn  es  ist  nur  aus  Furcht  geschehen, 
Dass  ich  mich  soll  gefangen  geben. 
1105   Ich  bekenne  zwar,  dass  ich  gefallen  bin, 

Und  halte  mich  nicht  für  würdig  fürderhin, 

Dass  ich  dich  solle  wieder  schauen  an, 

Bis   ich   nicht    finde    wegen    meiner  Sünde  Gnad 

und  Pardon. 

jfesus  vor  Pilatus. 
Pilatics. 

Was  habt  ihr  für  eine  Klag  wider  diesen  Menschen  ? 

Erster  Schriftgelehrter. 

1 1 T  o  Er    hat    das    Volk    verführt    mit    seinen    falschen 

Lehren. 

Zweiter  Schriftgelehrter. 

Er    hat    auch    dem  Kaiser    den    Zins    zu    geben 

verboten. 

Dritter  Schriftgelehrter. 
Er  hat  sich  auch  zu  einem  König  machen  wollen. 

Pilatus. 

Hörst  du  nicht,  wie  viel  Zeugniss  diese  wider  dich 

führen? 
Was  liast  du  gethan,  dass  sie  dich  alle  mit  ihren 


2  I  1 

1 1 1 5  Priestern  und  Bischöfen  mir  überantwortet  haben  ? 
Du  musst  ja  grausamlich  verschuldet  haben ! 
Denn  nimmer  ist  es  ja  worden  erhört, 
Dass    soviel    Hundert ,    selbst    die    vornehmsten 

Herrn  sich  beschwert 
Und  dich  als  einen  Uebelthäter    haben    verklagt. 

!i2o  Die  erste  Klag  will  ich  vorbei  gehn  lan, 
Denn  sie  gehet  mich  weiter  nichts  an, 
Die  zweite  Klag  achte  ich  auch  nicht, 
Dieweil  sie  falsch  ist  und  erdicht' : 
Die  dritte  Klag  aber  hat  ein  grosses  Bedenken, 

1125  Worüber  ich  billig  nachforschen  muss  ein  wenig, 
Drum  frag  ich  dich:  Bist  du  der  Juden  König? 

yesies. 
Mein  Reich  ist  nicht  von  dieser  Welt, 
Denn  wäre  mein  Reich  von  dieser  Welt, 
So  würde  ich  ja    meine  Diener    haben ,    die    vor 
mich  streiten, 
IJ30  Dass    ich    den  Juden    nicht    war    in    die    Hände 

kommen  beizeiten. 

Pilatus. 
So  bist  du  dennoch  ein  König. 

yesus. 
Ja,  du  sagst  es,  ich  bin  ein  König. 

Pilattis. 
Ich  finde  keine  Schuld  an  diesem  Menschen. 

Kaiphas. 

Wie,  sollst  du  keine  Schuld  an  ihm   finden? 
1135  Er  ist  ja  ein  gottloser  Mensch,  wie  er  auf  Erden 

nicht  zu  finden, 
Er  ist  ein  Vollsaufer,  ein  Verführer,  ein  Gleissner, 
Ja,  ein  Teufelsdiener  und  Hexenmeister. 

Piiatus. 
Antwortest   du    denn    nicht?     Hörst    du    denn 
nicht,  wie  viele  schwere  Zeugnisse  sie  gegen  dich 
1140  aufbringen? 

14* 


212 

Zweiter  Schriftgelehrter. 
Ja,  er  hat  das  Volk  versucht  aufzuregen  gegen 
den  Kaiser,  nicht  allein  im  jüdischen,  sondern  auch 
im  galiläischen  Land. 

Pilatus. 

Wenn  der  Verklagte  ein  Galiläer  ist,  so  gehört 
1145   er  unter   das  Gebiet   des  Herodes,    darum    mögt 
ihr  mit  ihm  zu  demselben  gehen  und  eure  Sache 
allda  ausmachen. 

Malchiis. 
Nun  gehe  fort,  du  schalkhafter  Bösewicht,  wir 
wollen  dir  bald  den  Garaus  gemacht  haben.  Du 
II 50  hast  den  Pilatus  mit  deiner  Kunst  bezaubert,  dass 
er  dich  für  fromm  hielt,  aber  Herodes,  der  ver- 
ständige Herr,  kennt  dich  viel  besser  als  er,  und 
was  für  Schalkhaftigkeiten  in  dir  stecken. 

yesus  vor  Herodes. 
Longinus. 
Von  dem  Landpfleger  Pilato ,  auf  Ihrer  ^Majestät 

Befehl, 
II 55   Sollen  wir  uns  richten  also  schnell, 
Und  stellen  vor  den  Uebelthäter: 
Der  will  auch  führen  Krön  und  Scepter! 
Er  hat  auch  verführt    das  Volk    von  Galiläa    bis 

an  das  End, 
Darum  sind  wir  hierher  gesend't. 

Herodes. 

1 160  Bist  du  derjenige,  von  dem  man  so  viel  hört  sagen, 
Dass  dir  die  drei  Könige  Opfer  gebracht  haben, 
Und  deswegen  mein  Vater  die  Kinder  habe  tödten 

lassen  ? 
Bist  du,  der  den  blindgeborenen  Sohn  hat  sehend 

gemacht 
Und  durch  den  Lazarus  von  den  Todten  erwacht? 
1165   Gieb  Antwort,  denn  du  weisst  ja  wohl  nun, 
Dass  ich  Gewalt  hab,  dir  den  Tod  anzuthun. 


213 

siehe,  ich  verspreche  dir,  dass  wenn  du  mit  mir 

reden 
Oder  ein  Mirakel    thun    willst,   von    den  Feinden 

dich  zu  erlösen, 
Und   dich  auf  freien  Fuss  zu  stellen; 
1170  Wo  nicht,  so  werde  ich  meinen  Leuten  befehlen, 
Dass  sie  dir,  halsstarriger  Kopf,   das  Maul    wohl 

zerschlagen, 
Auf  dass  du  lernst  einem  König  gebührend  Respect 

ento^eo^enzutrao^en. 

Diener  des  Herodes. 
Höre,  du  Nazarener,  du  hoffärtiger  Kopf, 
Giebst  du  unserm  König  keine  Antwort,  du  armer 

Tropf? 
II 75   Ermesse,  dass  soviel  grosse  Herren 

Unsern  König  ehren  und  bei  ihm  einkehren ! 
Und  du  willst  ihn  nicht  ehren,  da    du   in    seiner 

Gewalt  bist: 
Das  betrachte  zu  jeder  Frist ; 
Sonst  wird  er  mit  dir  verfahren 
1180  Als  mit  einem  gewöhnlichen  Narren. 

Erster  Schriftgelehrter. 

Ihro  Majestät,  er  stellt  sich  als  wenn  er  stumm 
wäre :  er  kann  wohl  scherzen ,  wenn  er  bei  ein- 
fältigen Leuten  ist;  es  stecket  auch  grosser  Be- 
trug und  Falschheit  hinter  ihm.  Und  wenn  er 
II 85  sollte  loskommen,  so  wijrde  er  viel  mehr  Aufruhr 
machen  als  zuvor. 

Zweiter  Schriftgelehrter. 

Ja,  Ihro  Majestät,  glauben   nur   kecklich,    dass 

er    Ihrer    Majestät    ärgster   Feind    ist ,    denn    wir 

haben    mit    unsern    Ohren    gehört,    dass    er    Sie 

1 1 90  öffentlich  vor  allem  Volk  verschändet   und  einen 

Fuchs  gescholten  hat. 

Zweiter  Diener  des  Herodes. 
Höre,    du  Bösewicht    und    halsstarriger    Tropf, 
willst  du    nicht    reden?     Achtest    du    denn  Ihro 


214 

königliche  Majestät   nicht   so    gut,  dass    du  Ant- 
1195   wort  giebst? 

Her  ödes. 

Weil  mit  dem  Verführer  nichts  anzurichten  ist^ 

so    leget    ihm    an    ein    weisses    Narrenkleid    und 

zeiget   ihn   dem  Volke  und  führet  ihn  wieder  zu 

Pilato,  welcher  ihm  sodann  nach  seinen  Verdiensten 

1200  das  Urtheil  fällen  wird. 

yesus  wieder  vor  Pilatus. 
Pilatus'  Magd. 

Meine    Frau    schickt    mich    her    und   lässt    euch 

sagen, 
Dass  ihr  mit  diesem  Manne  nichts  sollt  zu  schafifen 

haben, 
Denn  sie  hat  viel  gehtten  in  Traum  und  Phantasei, 
Dass  dieser  Mann  unschuldig  sei. 

Pilatus, 

1205  Diesen  Menschen  habt  ihr  zu  mir  gebracht 
Und  ihn  sehr  hoch  verklaget : 
Er  soll  haben  das  Volk  abwendig  gemacht. 
Da  ich  ihn  vor  euch  aber  befraget, 
Find  ich  keine  Schuld  des  Todes  an  ihm, 

12 IG  Dass  ich  ihn  soll  richten  lassen. 
Sehet  aber  auch  Herodes  eben : 
Da  ich  diesen  zu  ihm  that  senden, 
Er  Hess  seines  Gewissens  Pflichten 
Auf  eurer  Meinung  bewenden. 

121 5   Nichts  hat  er  ihme  angethan, 
Er  Hess  ihn  wiederum  gehen. 
So  müsst  ihr  ja  erkennen  daran, 
Dass  er  unschuldig  ist  zu  sehen. 
Und  ohne  grosse  Sünde  kann  man  ihn  nicht 

1220  Richten  lassen  von  diesem  Gericht. 

Damit  ich  jedoch  euren  Wunsch  erfüll, 
So  will  ich  ihn  scharfcrmassen,  — 
Zwar  ist  es  ein  ungerechtes  Ziel  — 
Züchtigen  und  frei  von  mir  lassen. 


215 

Kaiphas. 

1225  Wäre  er  nicht  ein  Uebelthäter^  so  hätten  wir  ihn 
dir  nicht  überantwortet,  weil  er  hat  das  Volk 
verführt  mit  seiner  Zauberkunst. 

Pilatus. 

Was  hat  denn  dieser  Mensch  verbrochen ,  saget 
mir ;    ich    finde   keine  Schuld    an  ihm ,    dass   ich 
1230  ihn  soll  richten  lassen. 

Annas. 

Er  hat  das  Volk  aufrührerisch  gemacht  mit  seinen 

falschen  Lehren, 

Er   hat    im    Willen ,    von    Galiläa    an    das    ganze 

Judenthum  zu  zerstören. 

Pilatus. 

Ihr  habt  die    Gewohnheit  eingeführt  hier    zum 

Osterfest,  dass  ich  aus  diesen  zweien  einen  ledig 

1235  gebe.    Welchen  wollt  ihr,  Jesum  oder  Barrabam? 

Alle  Schriftgelehrten. 

Gieb  uns  ledig  den  Barrabam, 
Christus  aber  zum  Tod  verdamm' ! 

Pilatus. 

Was  will  ich  denn  aber  mit  Jesus  machen, 
Der  unschuldig  ist  in  allen  Sachen, 
1240  Und  auch  euer  König  ist?    Nur  nicht  seinen  Tod 
Verlanget,  sonst  alles,  was  ihr  wollt. 

Annas. 

Barrabas  soll  die  Freud  geniessen, 
Christus  aber  die  schweren  Laster  büssen. 

Barrabas. 

Wie    schlechter     der    Mensch,     wie    besser    das 

Glück, 
1245  Es  hat  sich  mit  mir  gar  wohl  geschickt. 


2l6 

Pilatus. 

Nun  denn ,  so  hör  an ,  wie  hoch  sie  dich  ver- 
klagen. 

Gieb    ihnen    Red    und    Antwort,    thu    Wahrheit 

sagen. 

Die  Schi'iftgelehrten. 
Warum  dass  er  Unrecht  hat  gethan 
Weiss  er  nichts  darauf  zu  sagen  an. 

Kaiphas. 

1250  Wer  sich  zum  Sohn  Gottes  selbsten  macht, 
Der  hat  sich  schon  ums  Leben  gebracht 
Und- hat  gesprochen  sich  ums  Leben: 
Er  sich  dann  auch  darein  muss  geben. 

Pilatus. 
Ich  kann  es  nun  einmal  nicht  zugeben, 
1255   Zu  töten  ein  so  unschuldiges  Leben. 

Ich  möcht  nur  wissen ,  wie  ihr  dieses  Menschen 

Tod  verlanget, 
Da  es  doch  an  euren  Gewissen  hanget ! 
Das   bekenne    ich ,    das    diesem    Armen    Unrecht 

geschieht. 

Annas. 

Richter,    wir   haben   ein  Gesatz,    danach    soll  er 

sterben 
1260  Und  von  Keinem  Gnade  erwerben. 

Pilatus. 

Aber  was  hat  dieser  Mensch  verbrochen? 
Sagt  mir  die  Ursach  seiner  Schuld  1 

Kaiphas. 
Des  Kaisers  Zins  hat  er  abgesprochen, 
Darum  verdient  er  nicht  seine  Huld. 

Pilatus. 

1265   Nun  denn,  so  führet  ihn  hin. 
Nach  aller  Schärfe  geisselt  ihn. 
Ich  will  ihn  genugsam  züchtigen  lassen, 
Und  hernach  frei  von  mir  entlassen. 


217 

Alle  Schriftgelehrten. 
Kreuziget  ihn,  kreuziget  ihn  1 
1270  Nur  fort,  nur  fort  mit  ihm! 

Jesus  wird  gegeisselt. 
Malchus. 

Nun  endlich  bequeme  dich  zu  den  Stricken, 
Und  zum  Geissein :  lass  uns  an  deinem  Leib  er- 
quicken. 
Zieht  ihm  nur  bald  die  Kleider  aus, 
Damit   wir  den  Grimm  an  ihm  recht  lassen  aus. 

Zweiter  Jude. 
1275   Gieb  du  derweil  die  Geissein  her: 

Auch  die  Strick    thu  nicht  vergessen. 

Dritter  Jude. 

Wir  müssen  haben  der  Geissein  mehr, 
Die  Streich'  will  ich  ihm  trefflich  messen. 

Erster  Jude. 
Schlag  nur  brav  zu,  es  soll  sein  Leib 
1280  Kein  Tropfen  Blut  mehr  halten. 

Dritter  Jude, 
Ganz  grimmig  werd  ich  schlagen  drein, 
AIP  Kräften  daran  wagen : 
Was  gilt's,  ich  werd  das  grösste  Lob 
Von  Christo  davontragen. 

Malchus. 

1285  Ja,  ja,  all'  deine  Stärk  zusammentreib' I 
Der  stärker  wird  dremschlagen, 
Der  wird  ein  grösser  Lob  und  Ehr 
Davon  von  Christus  tragen. 

Zweiter  Jude. 

Was  gilt's,  ich  werde  schlagen  drein 
1290  Und  ihn  also  zerhauen, 

Nicht  eher  aufhören,  bis  nicht  die  Bein' 
Durchs  Fleisch  thun  herausschauen. 


2l8 

Christus  fällt  unter  den  Schlägen. 

Vierter  Jude. 

Er  ist  von  Branntwein  so  sternvoU, 
Kann  nicht  mehr  stehn  auf  den  Füssen : 
1295  Rinnt  herunter  auch  das  Blut  so  toll, 
Heftig  von  ihm  es  thut  fliessen. 
Aber  gelt,  Nazarener,  dies  g'fallt  dir  wohl? 
Ist  besser;  als  wenn  dich  der  Bader  schröpfen  soll. 

Malchiis. 

Wenn  endlich  ein'  Sachen  ist  schier  vollend't, 
1300  Pflegt  man's  also  zu  nehmen, 

Dass.man  am  recht  vollbrachten  End 

Auch  das  ganze  Werk  thut  krönen. 

Darum  soll's  sein  ein  dörnerne  Krön, 

Die  soll  ihm  werden   angethan : 
1305  Ei,  das  wurd'  zu  der  Geisslung  helfen  zieren  I 

Hernach  thut  man  hinweg  ihn  führen. 

Zweiter  ytidc. 

Weil  er  sein  will  ein  König  der  Erden, 
So  muss  er  auch  dafür  gehalten  werden. 
Ein  Purpurkleid  und  dörnerne  Krön 
13 IG  Soll  ihm  werden  angethan. 

Dritter  Jude. 

Ich  thät  es  auch  für  Recht  erkennen, 
Dass  man  ihn  soll  zu  einem  König  krönen : 
Drum  ist  schon  geflochten  diese  Krön, 
Dass  man  s'  dem  Könige  aufsetzen  kann. 

Malchus. 

1315   So  lasst  uns  nunmehr  setzen   dann 

Auf  sein  Haupt  diese  dörnerne  Krön, 
Wie  es  ihm  gar  wohl  steht  an : 
Fest  und  stark  drückts  ihm  hinein, 
Dass  es  eindringt  durch  Mark  und  Bein, 

1320  Auf  dass  sie  von  ihm  nicht  weichet 
Und  er  einem  König  gleichet. 


219 

Zzueiier  Jude, 
Du  fauler  Narr,  drück  s'  besser  an, 
Drück  s',  bis  er  s'  nicht  mehr  leiden  kann : 
Schlag  nur  mit  dem  Kolben  drauf,  dass  s'  eingehet, 
1325  Und  kein'  Spitz'  mehr  herausstehet: 
Es  ist  kein  Dorn  daran  umsunst. 
Damit  wir  uns  machen  viel  Ehr  und  Gunst  1 

Dritter  Jude. 

Mit  Purpur  soll  er  gekleidet  sein, 
Gekleidet  und  gezieret, 
1330  Damit  er  mit  diesem  stolzen  Schein 
Dem  Pilato  werd  vorgeführet. 

Zweiter  Jude, 

Ein  König  muss  ein  Scepter  führen, 
Mit  diesem  soll  er  auch  stolziren : 
Ein  Rohr,  es  wurd'   sich  schicken   wohl, 
1335  ^^^  dieser  König  haben  soll. 

Verspottung  Christi. 

Malchus. 
Nun,  hohe  Würde  hast  du  von  uns  empfangen, 
Auf    was    du    hast    gewartet    mit   grossem    Ver- 
langen : 
Nun  wohlan,  wir  dich  dem  Pilato  zeigen. 
Um    zu    sehn ,    ob    er   vor   dir   sein    Haupt    wird 

neigen. 

Nach  der  Krönung  die   Vorstelhmg  vor  Pilato. 

Pilatus. 

1340  Ecce  homo!     Sehet  einen  Menschen, 

Wie  er  gebildet,  wie  er  so  übel  zugericht'  I 
Er  ist  am  ganzen  Leib  geschunden. 
Er  ist  ja  voller  Blut  und  Wunden.  —  — 
Ist  eine  Gefahr,  dass  er  wird  kommen 

1345  Zu  einem   Scepter  und  zu  Kronen? 

Des  ist  euch  wohl  alle  Furcht  benommen, 
Wenn  ihr  ansehet  diesen  Mann; 


220 

Ich  bitt  euch,  erbarmt  euch  seiner  dann, 
Lasst  ihn  hingehen  in  seiner  Ruh. 

Alle  Schriftgelehrien. 
1350  Zum  Kreuz  mit  ihm  steht  unser  Sinn! 
Sprecht  nur  das  Urtheil  bald  über  ihn: 
Fort  I    Er  hätt  das  schon  längst  verdient, 
Weil  er  sich  selbst  zum  Judenkönig  gemacht. 

Pilatus. 

So  nehmt  ihn  hin  und  kreuzigt  ihn, 
1355  Thut  mit  ihm,  was  euch  beliebet; 

Unrecht  geschieht  gar  hartes  ihm. 

Das  ist's,  was  mich  betrübet: 

Doch  bleib  ich  unschuldig  an  seinem  Blut. 

Ihr  wollet  freilich  seinen  Tod, 
1360  Doch  wenn  ihr  diesen  begehret. 

Mich  mein  Gewissen    lehret, 

Dass  ich  bei  dem  Rechte  stehen  muss. 

Ihr  wisst  nicht,  was  ihr  profitiret, 

Wenn  ihr  solche  Anschlag:  führet. 

Annas. 

1365   Richter,  wenn  du  diesen  lassest  los. 

So  verklagen  wir  dich  beim  Kaiser  gross: 
Wir  wollen  dich  beim  Kaiser  verklagen, 
Dass  er  dich  von  deinem  Dienst  thut  jagen. 

Kaiphas. 

Wenn  du  des  Kaisers  Ungnade  willst  besitzen, 
1370  So  wird  alles  Unglück  auf  dich  blitzen.  —  — 

Die  Schriftgelehrien. 
Ja ,    ja ,    wir    wollen    ihn    beim  Kaiser    verklagen 

schon, 
Dass  man  ihn  wird  jagen  von  seinem  Thron. 

Pilatus. 
Ach,  des  Kaisers  Ungnade  auf  mich  laden, 
Das  wäre  für  mich  ein  harter  Streich : 
1375   Das  könnte  mir  wohl  bei  ihm  sehr  schaden, 
Der  mich  vielleicht  kunnt  stürzen  vom  Reich. 


221 

Ach,  die  Wasservvellen  pflegen 

Das  Schifflein  zu  stossen  hin  und  her, 

Also  auch  die  Zweifelswellen 
1380  Mein  Gemüthe  verdunkeln  sehr. 

Jedoch  ich  zweifle  daran  nicht, 

Des  Kaisers  Gnade  kann  ihn  wohl  beschützen, 

Jenen,  dem  er  günstig  ist 

Und  ihnen  recht  die  Flügel  stutzen. 

1385   Seht  doch  euren  König  hier! 

Die  Schriftgehhrten. 
Nicht  diesen  König  wollen  wir; 
Er  soll  des  Todes  sterben, 
Und  von  uns  keine  Gnad  erwerben. 

Pilatus. 

Soll  ich  denn  euren  König  tödten, 
1390  Der  sogar  unschuldig  ist? 

Kaiphas. 
Wir  haben  keinen  König  vonnöten, 
Dieweil  der  Kaiser  ist  unser  Herr, 
Darum  geben  wir  ihm  die  Ehr. 

Annas. 
Wer  sich  zum  Sohn  Gottes  selbst  erhebt, 
1395   Und  gleich  dem  Kaiser  widerstrebt, 
Ist  hier  desselben   Feind. 

Pilatus. 
Nun   dann  seht,    meine  Hand'  ich  jetzt  waschen 

werde, 
Euch  damit  auflegen  das  Gefährde : 
Ich  bleibe  unschuldig  an  seinern  Blut. 

Die  Schriftgelehrten. 
1400  Sein  Blut  komme  über  uns  und  unsere  Kinder  gut. 

Pilatus. 
Nun  denn,  so  reichet  also  mir 
Feder,  Tinte  und  auch  Papier, 
Dass  ich  das  Urtheil  gleich  verfasse 
Und  es  dem  Volke  vorlesen  lasse. 


222 

Erster  Diener  des  Pilatus. 
1405   O  gerechter  Himmel,  der  du  Alles  weisst, 
Geschaffen  hat  dies  ein  böser  Geist ; 
Du  sollst  dieses  Laster  richten  frei : 
Ich  bekenne,   dass  dieser  ISIann  unschuldig  sei. 

Pilatus. 

Nunmehro  merkt  auf  das  Urtheil  hier, 
1410  Das  wider  diesen  Menschen  gesprochen  wird. 

Erster  Diejjer  des  Pilatus. 
Ein  jeder  stelle  sich  ohne  Tumult 
Und  höre  an  nun  Jesu  Schuld ! 

Zweiter  Diener  des  Pilatus  verliest  das   Urtheil: 
Ich ,    Pontius  Pilatus ,    Blutrichter  in  Jerusalem 
unter  dem  grossmächtigen  Kaiser  Tiberio ,  mach 

14 15  demnach  kund:  Jesus  von  Nazareth  von  den 
Hohenpriestern  und  dem  ganzen  jüdischen  Volke  ist 
vorgestellt  und  verklaget  worden,  dass  er  ohne 
Ansehen ,  von  schlechten  Eltern  geboren ,  sich 
zum  König  der  Juden  aufgeworfen,  ja  sogar  zum 

1420  Sohn  Gottes  hat  machen  wollen,  wie  er  auch  das 
Volk  aufrührerisch  gemacht,  dem  Kaiser  Zins  zu 
geben  verboten  und  mehr  dergleichen  Laster  ge- 
übet hat  \  als  haben  wir  von  Regenten  und 
Amts  wegen  diesen  Dingen  fleissig  nachgeforscht 

1425  und  die  Begebenheiten  dessen  also  zu  sein  für 
Recht  befunden :  deswegen  richten  und  verordnen 
wir,  dass  jetzt  gemeldter  Jesus  von  Nazareth 
wegen  seiner  schweren  Missethaten  ohne  einige 
weitere    Gnad     und     Barmherzigkeit     an     einen 

1 430  KreuzgalgAi  genaglet  und  zwischen  zweien  Mördern 
aufgehenket  werden  soll.  Zur  Urkund  und  Un- 
widerruflichkeit dessen  brechen  wir  den  Gerichts- 
stab und  erkennen  ihme  für  einen  Mann  des 
Todes. 

Pilatus. 

1435   ^o  nehmet  ihn  und  kreuziget  ihn, 
Dem  Urtheil  thut  nachkommen. 


223 

yttdas  in    V^erzweiflung, 
Judas. 

Ach  wehe,  was  habe  ich  gethan, 

Dass  ich  meinen  Meister  verkaufet  han? 

Ach,  diese  Sund  ist  so  gross  und  schwer, 
1440  Gott  kann  mir's  verzeihen  nimmermehr. 

Ach  du  verfluchtes  schändUches  Geld, 

Du  hast  dies  Laster  angestellt ! 

Ach,  verflucht  ist  der  Tag,  an  dem  ich  geboren. 

Und  verflucht  ist  die  Brust,  die  ich  gesogen  ! 
1445  Ach,  verflucht  ist  auch  die  Welt 

Und  Alles,  was  ich  hab  angestellt ! 

Ach,  wenn  ich  an  dieses  Laster  thu  denken, 

So  muss  ich  gehn  und  mich  selber  henken. 

Teufel, 

Judas,  willst  du  dich  henken? 
1450  Den  Strick  will  ich  dir  schenken! 

Ich  hab  an  zwei  oder  drei : 

Judas,  schau  nur,  welcher  der  stärkere  sei. 

Ein'  hab  ich,  gar  ein'   schön'  neuen ; 

Judas,  lass  dir  das  Henken  nicht  gereuen : 
1455   Du  bist  noch  gar  ein  junger  Mann, 

Das  Henken  stehet  dir  gar  gut  an. 

Der   Tod. 
Erkennt  ihr  mich,  wer  ich  hier  sei, 
Ich  will  mich  gleich  ankünden, 
Und  ohne  Furcht  bekennen  frei, 
1460  Nichts  kann  mich  überwinden. 

Fürs  höchste  Haupt  der  ganzen  Welt 
Will  ich  gehalten  werden, 
Denn  Alles,  was  nur  ist  beseelt, 
Mach  ich  zu  Staub  und  Erden. 

1465  Kein  Geld,  noch  Gut,  noch  Reichthum  Schatz, 
Kein  Goldstück  ich  nicht  achte, 
Lass  allen  Feinden  keinen  Platz, 
Was  lebt,  dem  ich  nachtrachte. 


224 

Es  giebt  kein'  Intercession, 
1470  Es  find't  kein'  Platz  das  Heucheln, 
Es  hat  auch  keiner  ein'  Pardon 
Zu  hoffen  mit  dem  Schmeicheln. 

Solange  auch  nur  einer  lebt, 
Muss  mir  den  Platz  doch   räumen, 
1475  Was  alles  kriecht,  schwimmt  oder  schwebt, 
Verschwindet  gleich  den  Träumen. 

Einhundert  fünf  und  siebzig  Jahr 
Hat  Jakob  hinterlebet, 
Isak  um  zehen  älter  war : 
1480  Wo  sie  jetzt  sei'n,  erwäget. 

Dreihundert  Jahr  gelebet  hat 
Nestor,   an  Reichthum  mächtig, 
Methusalem  lebt'  in  der  That 
Neunhundert  ein  und  sechzig. 

1485  Um  hundertfünf e  sich  erstreckt 
Haben  des  Noah  Zeiten : 
Mit  Erden  hat  man  all's  bedeckt, 
Ihr  euch  thut  bald  bereiten. 

Ja,  ja,  wie  heilig  oder  gottlos 
1490  Auch  einer  ist  gewesen, 

Empfing  er  den  letzten  Herzensstoss, 
Wird  von  mir  aufgelesen : 

Sogar  der  wahre  Gottes  Sohn 
Sich  mir  thut  unterwerfen, 
1495  Sonst  hätt'  ihr  euren  Sündenlohn 
Ewig  erfahren  dürfen. 

Christus,  der  nun  vermenschte  Gott, 
Verschliesst  die  Höllen-Porten, 
Durch  ihn  anheunt  der  ew'ge  Tod 
1500  Ist  überwunden  worden. 

Mir  aber  wird  noch  Zeit  vergunnt. 
Euch  Menschen  zu  bestreiten, 
Mit  höchstem  Fleiss  zu  jeder  Stund 
Zum   Tod  euch  sollt  bereiten. 


225 

1505   Nichts  liegt  mir  dran,  ob  ihr  bei  Gott 
In  Gnaden  oder  nicht  stehet; 
Ich  bin  stets  Ungewisser  Tod, 
Nun  dess  euch  selbst  vorsehet. 

Nun  wird  der  Kreuzgang  vollzogen. 
Jude. 
Simon,  Simon,  lass  dir  sagen, 
15 10  Du  sollst  helfen  Christum  das  Kreuz  tragen. 

Simon  von  Cyrene, 
Ach,  das  kunnt  nimmermehr  geschehen, 
Dass     ich    mit    einem    zum    Tode    Verurtheilten 

sollt  gehen. 

Jude. 
Willst  du  nicht,  so  musst  du  wohl, 
Sonst  schlag  ich  dir  den  Buckel  voll. 

Veronika   trochtet  Christum  das  Angesicht  ab. 

Veronika . 

1515  O   liebster  Meister ,    wie    herzHches  Mitleid    habe 

ich  mit  dir. 
Wie  gern  wollt  ich  dir  helfen,    wenn  ich  es  nur 

dürfte  hier: 
Weil  ich  denn  nichts  andres  erzeigen  kann, 
So  nimm  von  mir  dieses  Schweisstuch  an, 
Und  trockne  dein  blutiges  Angesicht  daran. 

Begegnung  mit  Maria. 
Maria. 

1520  O  mein  Sohn  Jesus,  o  Jesus,  mein  Kind, 

O  welch  grosses  Herzensleid  ich  find ! 

Ach ,    ach ,    deine  Marter  und  grosse  Pein 

Zerspringen  will  das  Herze  mein. 

O  mein  herzguldenes  liebes  Kind, 
1525   Wie  bist  du  in  dies  Leid  gerathen  geschwind  1 

O  mein  herzliebster  Sohn, 

Wie  geht  man  mit  dir  um? 

O  weh,  dein  heihges  Haupt ! 

O  weh,  der  spitzen  Dornen ! 

Volksschauspiele.  I5 


220 

1530  O  weh,  dein  heiliger  Rücken! 

O  weh,  deines  schweren  Kreuzes ! 

Wie  ist  es  doch  möglich,  dass  du  diese  schwere 

Last, 
Mein  liebes  Kind,  ertragen  doch  kannst? 
O  Jesus ,    um    Eins    bitt   ich    von  Grund    meines 

Herzens  hier, 
1535   Lass  alle  Sünder  sein  befohlen  dir. 

yestis. 
Herzliebste  Mutter,  das  versprech  ich  dir. 
Alle  Sünder  seind  befohlen  mir. 
Meines  himmlischen  Vaters  Zorn  zu  wenden 
Lasst  mir  meinen  Lauf  vollenden : 
1540  Auf  dass  der  Sünder  find  Gnad  und  Heil, 
Ist  mir  mein  eigenes  Leben  feil. 

Es  beginnt  die  Kreuzigung. 

Longinus. 

Macht  euch  bereit,  ihr  Kriegerknecht', 
Vollzieht  das  Urtheil  nach  dem  Recht 
An  Jesum,  dem  verschrie'nen  Mann, 
1545   Dass  vor  ihm  ausspeit  jedermann. 

Malchus. 
Nun  endlich  greift  behend  ihn  an. 
Löst  auf  die  Band'  und  Ketten : 
Jetzt  gehst  du  hin  in  deines  Teufels  Bahn, 
Er  wird  dich  nicht  erretten. 

Zxoeiter  Jude. 
1550  Die  Krone  reisst  ihm  vom  Kopf  herab, 
Dem  falschen  Judenkönig ! 
Ans  Kreuz  du  musst,  du  stolzer  Mann, 
Sonst  war  dein'   Pein  zu  wenig. 

Dritter  Jude. 
Den  Rock,   den  ziehet  ihm  nur  aus, 
1555   Mit  Toben  und  mit  Wüthen, 

Doch  schöpfet  deshalb  keinen  Graus, 

Wenn  schon  der  Hund  zu  Tod  möcht  bluten. 


227 


Viertel'  Jude. 

Ei,  du  König   aller  Juden, 
Wie  so  prächtig,  wie  so  schön ! 
1560  Pfui,  am  ganzen  Leib  geschunden, 
Blutig  wir  dich  stehen  sehn. 
Aber  recht  war  für  dich  das  Trutzen  : 
So  muss  man  der  Hoffarth  die  Flügel  stutzen. 
Wie  dir  dein  blutiger  Purpur  steht ! 

Longinus . 

1565  Ans  Kreuz  dich  eilends  niederleg, 
Allda  erwarte  die  Hammerschläg. 

yestis. 

Sei  mir  willkommen,  o  Kreuzesstamm, 
Von  Herzen  ich  dich  grüsse, 
Bist  mir  zwar  heute  ein  Altar, 

1570  An  dem  ich  werd  sterben  müssen: 
Mein  Leib  zwar  zittert  nur  vor  dir, 
Aus  Furcht  der  bitt'ren  Schmerzen, 
Doch  bist  du  der  wahre  Lebensstab  hier 
Für  aller  Adams  Kinder  Herzen : 

1575   Der  Himmel  ist  gewesen  gesperrt, 

Durch  dich  seine  Thür  geöffnet  werd. 

Longinus . 

Mach  deinen  Worten  bald  ein  End : 

Ein  solches  langes  Plärament 

Kann  dich  vom  Tod  nicht  erretten ! 
1580  Für  dich  ist  weder  Hilf  noch  Gnad, 

Dein'  eigne  Sund  und  Missethat, 

Die  sind's,  die  dich  nun  tödten. 

Vollzieht  das  Urtheil,  nicht  verschont, 

Der  Bös'  gethan,  wird  so  belohnt. 
3585   Mit  drei  Nägeln  an  das  Kreuz  ihn  schlagt; 

Seht,  wie  der  Baum   den  Bösewicht  tragt: 

Der  betrogen  hat  ganz  Land  und  Stadt, 

Er  muss  büssen  seine  Missethat. 

15* 


228 

Malchiis. 
Jetzt,  Christus,  streck  her  deine  Hand ! 
1590  Der  so  viel  Uebel  angefangen 

Und  so  lang  war  in  des  Teufels  Band 
Am  Kreuz  muss  geheftet  hangen. 

Zweiter  Jude. 

Ei ,     Christus ,    wie    geht's ,    wie    steht's ,    magst 

lachen  ? 
Den  Nagel  will  ich  dir  noch  besser  machen. 

Dritter  Jude. 

1^95   Ei,  Bruder,  jetzt  ist  das  Spiel  an  mir, 
Lass  mir  meine  Stärk  erweisen ; 
Auf  einen  Streich  wett  ich  mit  dir 
Schlag  ich  ihm  durch  die  Hand  das  Eisen. 

Vierter  Jude. 

Bruder,  schlag  zu,  den  Nagel  treib  hinein, 
1600  Dass  er  dringet  durch  Mark  und  Bein. 

Malchus. 

Nach  dem  Urtheil  auch  an  beiden  Füssen 
Auf  gleiche  Weis  wir's  vollziehen  müssen. 

Ziueiter  Jude. 
Ei,  der  Nagel  ist  dick  und  lang, 
Er  wird  den  Schelm  wohl  halten  an ! 
1605   Nun,    Christe,    wie   geht's,    wie    steht's,    magst 

halten? 
Deine  Füsse,  die  will  ich  dir  zerspalten. 

Longinus, 
Schwingt  das  Kreuz  nunmehr  auf  die  Höhe, 
Dass  es  die  ganze  Menge  sehe  1 
Jesus  ist's,  der  falsche  Prophet, 
1610  Der  sich  das  Reich  anmassen  thät: 

Er  hat  betrogen  ganz  Land  und  Stadt, 
Muss  büssen  jetzt  seine  Missethat. 
Die  Schacher  an  beiden  Seiten, 
Die  sollen  ihn  begleiten. 


229 

Alle  Jtiden  schreien. 
1615  Ei,  lachet,   wer  nur  lachen  kann, 
Den  Judenkönig  schaut  alle  an. 

Jesus. 
Vater,  vergieb  ihnen,  denn  sie  wissen  nicht,  was 
sie  thun. 

Der  linke  Schacher. 

Ach,  vermaledeite  Pein  und  Schmerzen 
1620  Empfinde  ich  in  allen  Seiten; 

Ich  habe  niemals  eine  Ruh : 

Wer  ist  Ursache  als  du? 

Wir  sind  gepeinigt  ohne  Massen  ! 

Dich  kunnte  man  nicht  leben  lassen, 
1625  Weil  deine  Bosheit  ist  so  gross; 

Ach,  das  giebt  meinem  Herzen  einen  Stoss. 

Bist  w^irklich  du  der  wahre  Gott, 

So  hilf  dir  und  uns  aus  aller  Noth. 

Schacher  Disinas. 
Ach,   Bruder,  ist  denn  keine  Furcht  in  dir, 
1630  Gott  möchte  dich  verwerfen? 

Sieh,   dieser  hat  nicht  ein  Uebel  gethan  hier: 
Wir  sind  schuldig,  den  Tod  zu  erwerben. 
O  Herr,  wenn  du  kommst  in  dein  Reich, 
So    gedenk    an    mich    und    mir    meine    Sünden 

verzeih ! 

Jesus. 
1635   Heut  sollst  du  bei  mir  sein  im  Paradeis. 

Maria. 

Ach    lasst    mich    doch  bei  meinem  lieben  Sohne 

weilen 
Und    ihm    helfen    seine    Schmerzen    tragen    und 

theilen ; 
Denn  wo  will  ich  sonsten  sein 
Als  bei  meinem  Hebsten  Sohn  Jesu  mein? 
1640  Mein  Herzliebster,  ich  seh,  dass  ich  deine  Schmerzen 

grösser  mach. 
Doch  kann  ich  von  dir  nicht  weichen,  ach! 


230 

yes7is. 

Weib,    sieh  deinen  Sohn!     Johannes,    sieh  deine 

Mutter  1 

yohannes. 

Ach,  liebste  Mutter,  ich  schätze  mir's  fürs  grösste 

Glück  und  Heil 

Und  Ehr' ,    die    mir    durch    den   liebsten  Meister 

ward  zu  theil, 
1645   Indem  er  mich  zu  deinem  Kinde  zählet 

Und    zum    Bewahrer     seiner    lieben    Mutter     er- 
wählet. 

Alaria. 

Ach,  mein  liebster  Sohn,  willst  du  denn  von  mir 

abscheiden. 

Und  dein  Jünger  Johannes  soll  bei  mir  ver- 
bleiben ? 

yohannes. 

Ach,  ach,  du  Mutter  meines  Herrn, 
1650  Ich  bitte  dich,  thu  mir's  doch  gewähr'n: 
Wir  wollen  von  dem  Kreuz  weggehen, 
Dass  wir  die  bittern   Marter  nicht  ansehen. 

yestis. 

Mich  dürstet  so  hart  ohne  Unterlass  1 

Longinns. 
Bringet  eilends  noch  ein  Wasser  her, 
1655   Den  armen  Tropfen  zu  laben. 

Malchus. 

Ja,  ja,  wohl  Wasser,  Essig  her, 
Ein'  Gall  darein  thut  schaben : 
Der  Böse  ist  kein  Wasser  werth. 
Nur  schade,  dass  ihn  trägt  die  Erd. 

Zweiter  yude. 
1660  Das  Fläschel  ist  schon  zugericht, 
Der  Schwamm  darein  thut  stecken. 


231 

Dritter  Jude. 
Ei,  jetzt  will  ich  es  sehen,  wie 
Der  Trank  ihm  doch  wird  schmecken. 

Vierter  Jude. 

Trink !  Was  machst  denn  für  ein  Gesicht  ? 

1665   Ich  mein',    der  Trank  will  dir  schmecken  nicht! 

Jesus, 

Mein  Gott,  mein  Gott,  warum  hast  du  mich  ver- 
lassen 1 

Das  Elend ,    dass    ich    leide ,    ist   gross    über    die 

Massen. 

Malchus. 
Ei,  lustig,  Burschen,  ein'  Juchschrei  wagt, 
Heut  haben  wir  noch  eins  zum  Besten : 
1670  Lasst  sehen,  welcher  den  Rock  davontragt, 
Ich  will  nicht  sein  unter  den  Letzten. 

Zweiter  Jude. 
Zerschneid  den  Rock  wohl  denn  gerad, 
Damit  nur  jeder  etwas   hat. 

Dritter  Jude. 
Nein,  nein,  zerschneiden  müsst  ihr  nicht, 
1675  Ein  Fleckel,  was  wollt  ihr  thun  damit? 

Vierter  Jude. 
Brüder,  nur  keinen  Streit  anfangt. 
Dem  Schalk  ist  nicht  zu  trauen: 
Solang  er  an  dem  Kreuzgalgenhangt, 
Genau  auf  ihn  thut  schauen. 
1680  Das  Würfelspiel  ein  Mittel  ist. 
Das  wird  es  uns  wohl  zeigen. 
Wessen  eigen  der  Rock  dann  ist : 
Dem  Christo  zeig  ich  die  Feigen. 

Malchus. 

Nun  den  Pasch  herfür, 
1685   Würfel'  ich,  hernach  ist  es  an  dir. 

Ei,  zwei  und  drei  ist  fünf  und  vier  ist  neun. 


232 

Hätte  noch  dreimal  mehr  sein  sollen  ! 
Der  Teufel  mag  den  Nazarener  holen. 

Zweiter  yude. 
Ei,  zwei  und  fünf  ist  sieben  und  vier  ist  elf, 
1690  Ich  glaub,  ich  habe  zum  Rock  kein  Recht. 

Dritter  Jude. 
Ei,  jetzt  ist  an  mir  das  Spiel, 
Vielleicht  ich  den  Rock  gewinnen   will. 
Ei,  fünf  und  sechs  ist  elf  und  fünf  ist  sechzehn: 
Ist  ein  Mittelspiel, 
1695   Den  Rock  ich  schon  gewinnen   will. 

Vierter  Jiide. 
Du  Zauberer,  du  falscher  Gott, 
Sieben  Augen,  ist  das  ein  Spott ! 
Den  Rock  ich  gleich  zerreisen  wollt. 

Dritter  Jtide. 
Bruder,  den  Rock  lass  mir  unverrückt, 
1700  Ich  hab  ihn  gewonnen,  ich  schieb  ihn  ein 
Und  sollt  er  vom  ärgsten  Bösewicht  sein. 

yesHS. 
Nun  ist  alles  vollbracht! 

Longinns. 

Ach  Gott,  was  bedeutet, 
Dass  die  Sonne  erbleichet, 
1705   Der  Mond  kein'  klaren  Schein  mehr  hat? 
Die  Erde  unter  den  Füssen  will  weichen, 
Die  Felsen  krachen  und  entzw-ei  springen, 
Und  was  noch  Schrecken  sind  mehr  dergleichen : 
Der   Fürhang    im    Tempel    auch    thut    sich    zer- 

reissen. 

Jlerter  yHde. 

17  IG  Ach,  Brüder,  laufet  alle  davon  1 

Lauft  nur,  wer  tapfer  laufen  kann. 

Afalchus. 
Ei,  Burschen,  laufet  doch  nicht  davon : 
Seht,  dass  der  Zauberer  noch  etwas  zaubern  kann. 


233 

yesus. 
Meinen  Geist  befehl  ich,  Vater,  in  deine   Hand, 
1 7  1 5   Wenn  ich  jetzt  werde  sterben  : 

Du  wollest  den  Sündern  gnädig   sein 
Und  sie  nicht  lassen  verderben ! 

Älalchus. 

Mit    einem    solchen    Geschrei     hab    ich    noch 
niemals  einen  Menschen  gesehen   sterben. 

Zweiter  Jude. 
1720  Ich  kann  mir  die  Sach  nicht  bilden  ein. 

Ich  glaub,  es  muss  der  wahre  Messias  sein. 

Loiiginus, 

Weil  dann  morgen  ist  das  Osterfest, 
Ist  es  bis  jetzund  ein  Brauch  gewest, 
Die  Leiber  von  dem  Kreuz  zu  nehmen. 

1725   So  lasst  uns  sehen,  ob  er  tot. 

Fürwahr,  dies  ist  der  wahre  Gott, 
Von  dem  ich  noch  gestraft  werd,  wehe! 
Sehet  ein  Tröpflein  von  seinem  Blut 
Mein  linkes  Auge  berühren  thut, 

1730  Mit  dem  ich  nunmehr  wieder  sehe. 
Ach,  hätt  ich  dich  vorher  gekannt, 
Dass  du  der  wahre  Gott  wirst  genannt, 
Ich  hätte  mich  gelegt  zu  deinen  Füssen : 
O  hilf  mir  nun  meine  Sünden  büssen. 

Alle  Judeji  schreien, 
1735   ^^'^  weh,  was  haben  wir  gethan  ? 
Dies  ist  ein  unschuldiger  Mann  1 
Sein  Kreuz  und  Tod  bringt  uns  gross'  Unruh, 
Da  sehen  die  Hohenpriester  zu! 


DAS  ST.  NIKOLAUSSPIEL. 


PERSONEN. 

Der  Bischof  St,  Nikolaus. 

Ein  geistlicher  Herr. 

Ein   Engel. 

Ein  Jäger. 

Luzifcr. 

Mehrere  Teufel. 

Der  Tod. 

Ein  armer   Waldbauer. 


•^ 


Der  Jäger: 
Ich  wünsch  guten  Abend,  meine  Herren  und  Frauen  ! 
Ich  tritt  herein  in  dieses  Haus : 
Ich  bin  der  Jägersmann  vom  heihgen  Nikolaus. 
Ich  bitt  den  Herrn  und  auch  die  Frau, 
5      Ob  der  heihge  Herr  Nikolaus  nicht  herein  kommen 

kann : 
Und  thut  ihr  es  erlauben,  so  sprechet  ja ! 
Dann  werd  ich's  meinen  Kameraden  unterbringen, 
Dann  werd'n  sie  hupfen  und  springen, 
Und  dabei  Juhe  singen  : 
lo     Nun  kommet  ihr  herein, 

Schöner  Engel  und  Kindelein ! 

Der  Engel: 
Ich  tritt  herein  in  dieses  Haus : 
Ich  komm  mit  dem  heiligen  Mann  Nikolaus. 
Ihr  Hausväter  und  Hausmütter 
15     Bringet  eure  Kinder  hervor, 

Damit  sie  dem  heiligen  Mann  Nikolaus  was  beten  vor. 

Der  geistliche  Herr: 
Gelobt  sei  Jesus  Christus ! 
Mich  hat  mein  Oberhirt  gesandt, 
Die  Kleinen  zu  belehren  und  die  Grossen    zu    er- 
mahnen : 
20  So  gehn  wir's  an  in  Gottes  Namen! 

Bischof  Nikolaus: 

Gelobt  sei  Jesus  Christus ! 

Ich  tritt  herein  in  dieses  Haus. 

Ich  bin  der  heiHge  Mann,  Bischof  Nikolaus! 


238 

Jetzt  ist  die  Zeit  kommen  an, 
25     Wo  man  die  Kleinen  und  Kinder  heimsuchen  kann. 

Im  Anfang  erschuf  Gott  alle  Ding', 

Die  Erden  und  den  Himmelsring, 

Zugleich  das  grosse  Firmament, 

Wo  zwei  grosse  Lichter  stehn. 
30     Das  erste  war  der  Tag,  das  andre  war  die  Nacht, 

Das  hat  man  alles  gar  wohl  betracht. 

Die  Fischlein  sollten  im  Wasser  schwimmen, 

Die  Vöglein  sollten  in  den  Lüften  singen. 

Es  sagen's  Fisch   und  Wasserstrom, 
35     Dass  Gott  die  Menschen  erschaffen  kann. 

Wie  Gott  die  Menschheit  erschaffen  will, 

Da  erschafft  er's  nach  seinem  Ebenbild. 

Nun,  ihr  Hausväter  und  Hausmütter, 

Bringet  eure  Kinder  hervor, 
40     Auf  dass  sie  mir  was  beten  vor. 

Ich  will  die  Guten  belohnen  und  die  Bösen  bestrafen. 

Hier  ist  derjenige,  den  Gott  gesandt  hat, 

Der   wird    die  Kleinen    belehren    und    die  Grossen 

erinnern. 

Fragt  gemeinsam  7?iit  dem   Geistlichen  die  Kinder 
und  beteilt  sie. 

Luzifer 
fnit  JCetten  behängen^   hinter  ihm  andere  Teufel 
mit  ihren  Attributen. 

Ha,  ha  I 
Ihr  habt  mich  berufen,  und  jetzt   bin  ich  da. 
45     Ihr  habt  mich  noch  nie  gesehn. 

Weil  ich  so  tief  in  der  Höll  bin  gvven, 
Und  weil  mich  Gott  hat  herauf  genommen 
Zu  strafen  die  Bösen  und  nicht  die  Frommen  : 
Und  dieweil  muss  ich  jetzt  vollziehen  meine  Pflicht, 
50     Weil  ihr  euch  diese  Zeit  habt  gebessert  nicht. 

Und  dieweil  ihr  immer  in  Sünden  und  Laster  her 

und  her 
Und    immer    schlechter    werdet.      Hausväter    und 

Hausmütter, 
Ueber  euch  habe  ich  wohl  viel  und  grosse  Klagen, 


239 

Die  mir  der  heilige  Mann  Nikolaus  hat  vorgetragen : 
55     Da  ihr  über  eure  Kinder  eine  so    schlechte  Zucht 

thut  haben, 
Indem  ihr  ihnen  nicht  lernet  beten 
Und  sie  nicht  in  die  Kirche  schickt,  die  Messe  und 

die    Predigt   anzuhören. 
So  müsset  ihr  in  der  Hölle  leiden  ewig  immer  und 

ohne   End, 
Weil  euch  dann  Gott  in  Ewigkeit  nicht  mehr  daran 

gedenkt. 
60     Es  haben  es  schon  viele  erfahren, 

Aber  ihr  wollt  es  noch  nicht  glauben. 
Der  heilige  Nikolaus  ist  ein   heiliger  Mann, 
Der  euch  etwas  schenkt  und  lehrt, 
Und  ihr  euch  doch  nicht  zur  Buss'   bekehrt. 
65      Hausväter  und  Hausmütter, 

Eure  Kinder  fragt  ihr  auch  nimmermehr: 

Wo  seid  ihr  gewesen, 

In  der  Kirch  und  in  der  Predigt,   oder  was  sie  von 

der  Predigt  wissen  : 
Dafür  lasst  ihr  sie  auf  der  Gassen  herumlaufen  ! 
70     Aber  zum  Essen  laufen  sie  wie  die  Rinder. 
Ist  das  eine  Zucht  für  eure  Kinder? 
Ach  Welt  und  Blut,  o  Eitelkeit! 
Wie  wird  es  noch  einmal  zugehen  bei  der  so  langen 

Ewigkeit ! 
Wollet  ihr  nun  den  heiligen  Mann  Nikolaus   noch 

vexiren, 
75      So  werdet  ihr  bei  Gott  die  Gnad  verlieren. 

Ich,  ein  armer  Teufel,  habe  begangen  eine  einzige 

Sund, 
Die  mich  so  tief  in  die  Hölle  bringt. 
Und    ihr    begehet    so    viele    tausend    und    tausend 

Sünden, 
Und  ihr  wollet  noch  den  Weg  zum  Himmel  finden  ? 
80     O  wie  blind  sein  doch  die  Leut: 
Verscherzen  ihre  kostbare  Zeit; 
Mit  eurer  Freud  und  Wollustleben 
Gehet  ihr  jetzt  in  die  Hölle  zu. 


240 

Gott  für  euch  am  Kreuz  ist  gestorben 
85   Und  hat  für  euch  das  Himmelreich  erworben: 

Er  hat  vergossen  sein'  letzten  Tropfen  Blut, 

Den  ihr  noch  mit  Füssen  treten  thut. 

Die  Tänzer  und  die  Springer  mit  ihrem  Uebermuth^ 

Die  jagt's   herum  brav  auf  der  Glut ! 
90  Da  mach  ich  euch  eine  heisse  Feueiflammen, 

Dass  's  über  eurem  Kopf  geht  zusammen. 

Und  die  überflüssig  haben  getrunken  und  gegessen, 

Die  thut  man  binden  an  Händen  und  Füssen 

Und  thut  sie  braten  an  den  Spiessen. 
95    Die  Raufer  und  die  Flucher,  die  Schelter  sogar, 

Die  schleppt  man  herum  bei  die  Haar. 

Weil  Raufen,  Fluchen  und  Schelten  ist  eure  grösste 

Freud, 

So  werdet  ihr  dafür  gepeinigt  in  Ewigkeit. 

Die  Ehrabschneider  hängt  man  bei  den  Füssen  auf 
100  Und  schneidet  ihnen  die  Zung  heraus: 

Da  heizt  man  darunter  brav  zu 

Und  in  Ewigkeit  habt  ihr  keine  Ruh ; 

Und  die  verstockten  Sünder, 

Die  treibt  man  gar  stark  herwieder, 
105   Dass  euch  der  Kopf  springt  hernieder. 

Mit  einer  glühenden  Peitschen  zerschlagt  man  euch 

das  Haupt, 

Weil  ihr  an  keine  guten  Lehren  habt  geglaubt, 

In  Feuer,  Gestank  und  anderen  Gefahren. 

Und  wenn  einmal  kommt  die  Zeit, 
1 1  o  Wenn  die  Seele  vom  Leib   abscheid't, 

Da    werd    ich    meinen   Fleiss    wohl    gewiss    nicht 

sparen, 

Bis  ich  euch   habe  in  meinen  Klauen. 

Hausväter  und  Hausmütter, 

Haltet  euer  Gebot  wohl  fest   zusammen, 
1 1  5   Sonst  sollt  ihr  alle  in  die  Hölienflammen, 

Wo  alle  Verdammten  thun  klagen  -. 

Bist  du  es,  du  Vater,  du  verdammter  Höllenbrand? 

Wegen  deiner  bin  ich  in  die  Höll  verdammt ! 

Und  du,  o  Mutter,  hast  mir  auch    alles    zugesagt, 


241 

I20  Wenn  ich  bin  in  Sünden  und  Lastern  herumgetappt. 
Auch  ihr,  meine  Heben  Kinder, 
Wendet  euren  Lebenslauf  geschwinde, 
So  könnt  ihr  noch  werden  glückseUge  Kinder; 
Und  wollt  ihr  euren  Lebenslauf  nicht  wenden, 

125   So  kommt  ihr  in  des  Teufels  Händen. 

Ach,  was  Schrecken,  ach,  was  wird  es  sein, 
Wenn  ich  euch  werd  reissen  in  die  HöU  hinein ! 
Da  bin  ich  Tag  und  Nacht  dabei, 
Wo  allzeit  das  Unglück  vorhanden  sei: 

130  Da  blase  ich  hint'  und  vorn  recht  zu. 
Da  habt  ihr  von  mir  keine  Ruh. 
Ich  will  euch  die  Höll  wohl  tapfer  hitzen, 
Dass  ihr  bei  mir  müsset  ewig  schwitzen. 
Und  ich  will  euch  einführen  in   mein  Reich, 

135   Dass  ihr  müsset  sieden  und  braten  mit  mir  zugleich. 
Und  ich  will  euch  einführen  in  mein  Feuer, 
Da  wird  euch  das  Lachen  wohl  theuer ! 
Ich  tritt  herein  wie  eine  feurige  Schwein 
Und  will  euch  führen  in  die  Höll  hinein, 

140  Und  ich  tritt  herein  wie  ein  feuriger  Hund 
Und  will  euch  führen  in  den  Höllengrund. 
Jetzt  wül  ich  meine  Predigt    schliessen    und    muss 

es  lassen, 
Weil  mir  Gott  und  der  heilige  Mann  Nikolaus  nicht 

länger  Zeit  thut  lassen  : 
Und  wenn  ich  euch  wollt  alle  Wahrheit  sagen, 

145  So  würde  es  noch  kein  End  nicht  haben. 


Es  erscheint  ein  armer  W  a  1  d  b  a  u  e  r  und  winselt ,  dass  ihn 
ordentlich  hungre.  Hierzu  giebt  es  in  dieser  Volksdichtung  keinen 
Text ,  sondern  erscheint  es  dem  jeweiligen  Darsteller  über- 
lassen, für  das  bittere  Gefühl  des  Hungers  den  möglichst  passen- 
den Ausdruck  zu  finden.  Während  das  Waldmännchen  über  die 
schlechten  Zeiten  im  allgemeinen  und  besonderen  klagt ,  tritt 
eine  als 

Tod 

angezogene  Gestalt  in  eng  anliegendem  weissen  Gewände,  auf  dem 
einige  schwarze  Querstriche  das  Knochengerüste  veranschaulichen, 
mit  der  Sense  etc.  ausgerüstet,   herein: 

Yolksschauspiele.  "  1  o 


242 

Ich  bin  der  Tod, 
Mein  Pfeil  ist  Gift: 
Ich  geh  hinaus 
In  die  weite  Welt 
150  Und  such  mir  aus, 
Was  mir  gefällt. 
Hoch  und  nieder, 
Gross  und  klein, 
Alles  muss  gestorben   sein ! 

Mit  diesen  Worten  mäht  er  den  vor  sich  stehenden  Wald- 
mann nieder,  worauf  sogleich  die  Teufel  den  Leichnam  desselben 
bei  den  Beinen  hinausschleppen  wollen,  aber  schliesslich  von  dem 
Engel  nach  vorausgegangenem  mehr  oder  minder  ernsthaftem 
Gefechte  daran  verhindert  werden,  womit  das  Spiel  seinen  Ab- 
schluss  findet. 


m 


GENOVEFA. 


i6 


PERSONEN, 

Pfalzgraf  Siegfried. 

Genovefa,  seine  Gemahlin. 

Schmerzenreich,  ihr  Kind. 

Golo,  Haushofmeister. 

Hanswurst. 

Der  Koch. 

Die  Amme. 

Ein  Mädchen. 

Erster     1    „    ,. 

>  Bedienter. 
Zweiter  j 

Eme  Hexe. 
Ein  Jäger. 
Ein  Fischer. 
Em  Engel. 
Ein  Geist. 
Mehrere  Diener. 


'^ 


I.  Auftritt. 

Graf  Siegfried  allein  in  einem  Zimmer  des  Schlosses. 

Graf. 

Nun,  Graf  Siegfried,  so  hat  dein  fröhliches  Gemüth 
sich  ganz  unverhofft  in  eine  Traurigkeit  verwandelt, 
weilen  dir  die  vergnügte  Gegenwart  deiner  Ge- 
mahlin saramt  der  Beherrschung  deiner  Güter 
5  nur  eine  so  kurze  Zeit  zu  geniessen  vergünstigt 
worden.  Sintemal  der  Himmel  dieses  Schicksal 
angeordnet,  dass  ich  mich  selbsten  desjenigen  be- 
rauben müssen,  was  mein  Herz  am  heftigsten  ge- 
liebet: jedoch  will  ich  mich  dahin  bequemen  und 

IG  bereitwillig  in  das  Feld  ziehen,  auch  mein  Aeusserstes 
beizutragen ,  um  das  katholische  Christenthum  zu 
beschützen,  auf  dass  mit  Hilfe  des  Allerhöchsten 
der  eindringende  Feind  geschlagen  wird  und  ich 
mit  Glück    zu    meinem   Eigenthum    kann    wieder- 

15  kehren  \  und  so  hart  ich  Genovefa  meinen  Abschied 
entdeckt,  so  hart  und  schwer  wird  ihr  solches 
fallen :  doch  anders  kann  es  nicht  geschehen,  da 
Noth  und  Gewalt  auch  Eisen  bricht.  Nun 
werde  ich  gehen ,    um    den  letzten  Abschied    von 

20     ihr  zu  nehmen.  — 

Der  mittlere  Vorhang  wird  aufgezogen,  der  Graf  tritt  zu 

Genovefa,  die  bei  einem   Tischchen  sitzt  und  in 

einem  Buche  liest. 


246 


2.  Auftritt. 


Graf. 

Ach,  edle  Gemahlin ,  herzliebste  Genovefa ,  Ihr 

wisset,  dass    nunmehr   Abderamus,    der    IVIohren- 

könig,    sich    nicht    allein    des    ganzen   Hispaniens 

bemächtiget,  sondern  auch  das  ganze  Frankreich  zu 

25  verheren  im  Willen  ist.  Vernehme  aber  aus  sicheren 
Nachrichten,  dass  Marzellus,  König  in  Frankreich, 
mit  1 2  000  Reitern  und  60  000  Fussvolk,  auch  alle 
adeligen  Herrn  und  Landständ  sich  zum  Feldzug 
rüsten;  also  befinde  ich  mich  verpflichtet,  diesem 

30  sammt  meinen  Leuten  möglichsten  Beistand  zu 
leisten. 

Gräfin. 

Ach,  Graf  Siegfried,  herzliebster  Gemahl,  so  hör 
ich  nun,  dass  Ihr  Euch  von  mir  wollet  scheiden,, 
und  mich  alleine,  ganz  betrübt  und  trostlos  ver- 
35  lassen,  welches  mir  mein  Herz  ganz  durch- 
schneidet. Ach,  was  soll  ich  anfangen !  O,  o,  ich 
arme  trauervolle  Genovefa,  wenn  ich  von  meinem 
herzliebsten  Siegfried  muss  abgesondert  leben. 

Golo  tritt  ein. 

3.  Auftritt. 

Graf. 

Liebste  Gemahlin,  nicht  betrübet  Euch  so  sehr 
40  wegen  meiner  Abreise,  weilen  es  Gott  also  an- 
geordnet, sondern  tröstet  und  betraget  Euch  mit 
ihm  und  seinem  allerhöchsten  Willen.  Setze  dem- 
nach über  alle  unsere  Habschaften  meinen  ge- 
treuen Diener,  den  Golo,  und  übergebe  alles  bis 
45  zu  meiner  Ankunft  unter  seine  Obsorg;  zu  Golo, 
den  er  hei  der  Hand  fasst:  Lasst  Euch  Stets  höchstens  an- 
gelegen sein,  dass  meine  liebste  Genovefa  mit  aller 
Nothwcndigkeit  wohl  versehen  und  derselben  von 
keinem    Menschen    Leid    oder   Schmach   angethan 


247 

5o  werde,  welches  Euch  zu  meiner  Zurückkunft  mit 
Strafe  oder  Geschenk  wird  vergolten  werden. 

Golo. 
Alles,  was  mir  Eure  hochgräfliche  Gnaden  hier 
anbefehlen  und  in  mein  Vorstehen  übergeben 
werden,  das  vermag  ich  schuldigen  Gehorsams 
55  emsig  und  getreu  auszurichten,  besonders  die  hinter- 
lassene  Gemahlin  niemals  aus  meiner  Obsorge  zu 
lassen ;  jedoch  befürchte  ich ,  dass  ich  hierin  ein 
untaugsamer  Knecht  sei,  um  dieses  Werk  nicht 
genug  befördern  zu  können. 

Graf. 

60  Lieber  und  getreuer  Hofmeister,  demnach  uns 
Eure  bishero  geleistete  Dienste  zu  einem  nach- 
denklichen Eifer  antreiben ,  Euch  noch  grösserer 
Aufnahme  bei  unserem  Hof  beizusetzen ,  massen 
ich  keinen  taugUchern  noch  treuem  Diener  in  meinem 

65  Schloss  habe  als  eben  Euch,  den  ich  zu  einem 
solchen  Werk  wohl  zu  schätzen  weiss,  auf  dass  in 
meiner  Abwesenheit  meine  Habschaft  durch  Euch 
regiert  werde. 

Golo. 

Weilen   denn  Ihro  hochgräflichen    Gnaden     ich 

70     also    verlassen    wollen,    so    bin  ich  bereit,    diesen 

Befehl  auf  das  Genaueste  zu  befördern ;  weilen  es 

aber  zur  Abreise  ist,  so  wünsche  ich  von  Gott  das 

allerbeste  Glück,  dass  Sie  in  mögHchster  Kürze  und 

mit    sich    bringenden    grünen  Lorbeerkränzen    ge- 

75     ziert,   sich  wieder  zu    Hause  einfinden  möchten. 

Geht  ab. 

Gräfin. 
Allerliebster  Gemahl,  mich  bekümmert  nicht  so 
fast  Eure  Abreise,  als  dass  ich  unter  des  Hof- 
meisters Golo  Gewalt  mich  befinde,  da  ich  doch 
niemals  in  meinem  Gehorsam  eine  Hinlässig- 
80  keit  erzeigt ;  glaubte  auch ,  dass  ich  bei  Euch  in 
einem  grösseren  Vertrauen  stünde  als  ein  fremder 


248 

Bedienter,  welcher  selbst  nicht  weiss,  wie  er  seine 
Person  erhöhen  und  emporschwingen  solle,  dazu 
ihm    wahrlich  Eure  Abwesenheit    grossen  Vortheil 

85   beibringen  dürfte. 

Graf, 
Allerliebste  Gemahlin,  meine  Rede  zielet  nicht  da- 
hin, als  ob  Golo  mehr  Gewalt  im  Schloss  als  Euch 
Selbsten  gelassen  werde,  sondern  nur  was  die  Ein- 
künfte und  Ausgaben  betreffen  ;  Euch  aber  befehle 

go  ich  in  den  Schutz  der  allerseligsten  Mutter  Gottes 
Maria,  welche  Euch  vor  aller  Sund  und  was  Euch 
von  Gott  absondern  könnte,  möchte  befreien  und 
ich  Euch  zu  meiner  Ankunft  mit  fröhlichen  Herzen 
empfangen  werde.     So  lasset  uns  denn  gehen  und 

95   Alles  bis  morgen  zur  Abreise  bereiten. 

Beide  treten  ab,  der  juittlere  Vorhang  wird  zugezogen. 

4.  Auftritt. 

Hanswurst. 

Aber  jetzt    weiss    ich    erst,    wo    der  Hund    im 

Pfeffer  liegt.    Mein  Herr  der  Stulfried,  oder  wie  er 

heisst,  will  mit  Saiten  in  Krieg  ziehen    und    nicht 

mit   Krug  handeln,    aber    wann  i  a  so  a    saubers 

100  Weiberl  hätt,  i  blieb  nur  z'haus  bei  ihr  und  Hess 
die  Saiten  allein  brav  fechten  im  Feld  und  schauet 
ihnen  durch  a  kleines  Fensterl  von  Weiten  zu ; 
und  weil  mein  Herr  fort  ist  und  sein  Weib  die 
Veferl  hat   hinterlassen ,    so    thut    sie    sich    schier 

105  z'todt  abi  zana  vor  lauter  Leid  um  den  Grafen. 
Ob's  uns  nicht  gar  drauf  geht?  I  wir  müssen 
einigehen  zu  ihr  und  ihr  eine  Unterhaltung  machen, 
damit  sie  lustiger  wird. 

5.  Auftritt. 
Golo  tritt  ein. 

Was  machst  du  hier,  du  leichtfertiger  Kerl?    Hast 
iio  du  sonst  keine  Verrichtungen,  als  dem  Müssiggang 
aufzuwarten  ? 


249 

Hanswm  st. 
Ha !  ha !  nicht  so  gach,  Herr  Hosenmeister,  nit 
so  gach,  i  han   erst  mein'   Gedanken  Audienz    ge- 
geben ;    weil  der  Graf  abgereist  ist ,    so  weiss    ich 
115   nit,  bin  ich  der  Graf  oder  wer;  er  hat  weiter   nix 
g'sagt,  ich  werd    es   wohl    müssen  sein   oder   wer. 

Golo. 
Was    hast  du    nach  diesem    zu    fragen ,    dieweil 
mir    von    dem    Grafen    die    ganze    höfliche    Be- 
herrschung übergeben  ist :  ja  sogar  die  Pfalzgräfin 
120  ist  mir  zu  versorgen  anvertraut  worden. 

Hanswurst. 
Ha !  ha !  da  hat  unser  Herr  amal  die  rechte 
Katz  zum  Schmerhüten  g'stellt!  Der  Hosenmeister 
ist  ohnehin  a  Kerl,  der  die  Weibsbilder  gern  sieht ; 
was  gilt's,  der  wird  selbst  wollen  Graf  sein  mit  der 
125  Zeit.  Aber  Ihr,  Herr  Hosenmeister,  weil  ös  jetzt 
nun  Graf  seids,  so  gibt's  ja  a  neues  Trinkgeld  a 
ab,  nit  wahr? 

Golo. 
Ja,  wann  du  mir  ein  getreuer  Diener  wärest  und 
alles  in  Geheim  haltest ,    was  ich    dir    anvertraue, 
130  solltest  du  von  mir  eine  gute  Belohnung  bekommen. 

Hanswurst. 

O,  recht  aufrichtig  wir  i  enk  sein;  setzt  Euch  nur, 

könnts  enk  verlassen,  auf  mich,  seids  um  und  um 

verlassen  gnua ;  schweigen  will  ich  auch,  als  wenn 

mir    der  Schullehr  Turgl    die  Petschaft    aufs  Maul 

135   aufi  druckt. 

Golo. 

Wisse,  Hanswurst,    dass  ich  mich  in    die  Pfalz- 
gräfin verlieben  will. 

Hanswurst. 

Das  hab  ich  mir  wohl  einbildt,  der  Hosenmeister 
hat  kein  üblen  Gusto. 


250 

Golo, 
140  Nun,  so  gehe  hin  zu  der  Pfalzgräfin  Genovefa 
und  gieb  Obacht,  was  sie  thut,  oder  wie  sie  sich 
befinde;  rede  für  mich  das  Beste  und  behalte  es 
in  Geheim ,  komme  hernach  geschwind  und  er- 
zähle mir  Alles. 

Hanswurst. 
145        Kriege   doch    aft    a    gut's  Trinkgeld,    wann    ich 
enk  ein'  solchen  Kuppler  abgieb? 

Golo. 
Ja,  wenn  du  deine  Sache  gut    und    getreu    aus- 
richten wirst. 

Ha?is7uiirst. 
Aber  ha,   wie  wär's,    wenn  mir's   vorher  geben 
150  thäts?    Hernach  möcht's  bald  nit  recht  Zeit  haben. 

Golo. 
Geh  nur    einmal ,    dann    wirst  du   es  schon  be- 
kommen. 

Hafisiuiirst. 
Ja  bekommen  I    Mir  wär's  aber  lieber,  wenn  ich's 
schon    hätt.      Nicht    wahr,     wenn    ich    g'schwind 
155  gehe,  so  komm  ich  g'schwind  hin? 

Golo. 
So  gehe,  gehe  doch  einmal ! 

Hanswurst. 

Aber    Ihr ,    noch    eins ,    aufs    Trinkgeld    thut's 
gleichwohl  nit  vergessen.  Geht  ab. 

Golo  allein. 
Nicht  umsonst  habe  ich    den  Hanswurst    dahin 
160  geschickt,  um  zu  sehen,  wie  es  mit  der  Genovefa 
steht,  dieweilen  von  ihrer  Schönheit  meine  Augen 
gefesselt,  mein  Gemüth  erhitzt  und  das  Herz    vor 
Lieb  im  Leib  gegen  ihr  brennt,    dass  es  mir    un- 
möglich scheint,  ohne  ihre  Gegenliebe  mich  länger 
165   zu    erhalten.     Damit    ich    alle    ihre    Habschaften 


25' 

leichter  geniesse  und  meine  in  mir  haftende  Liebes- 
flamme in  etwas  erkühlen  möge ,  werde  ich  ihr 
mit  allerfreundlichsten  Sitten  gewogen  sein,  jedoch 
so  behutsam,  dass  niemand  es  entdecke,  damit  es 
170  mir  nicht  zum   Nachtheil  gereichen  soll. 

6.  Auftritt. 

Hanswurst  koininf. 

Das  bin  ich ,  Herr  Hosenmeister ,  so  lang  und 
so  dick,  als  wie  ich  von  enk  weggangen  bin.  Was 
ich  enk  will  Neues  erzählen !  Hiatz  bin  ich  das 
ganze  Schloss  auspassirt,  bin  endlich  gar  in  Sau- 
175  stall  einikemma  und  da  han  i  g'secha  unser  roth- 
g'fleckerte  Farlsau,  kennts  ös  doch  wohl,  die  hat 
allererst  neun  Spanferkeln  fürbracht,  und  da  ist 
eins  dabei,   sieht  den  andern  allen  gleich. 

Golo. 
Von  diesem  begehr  ich  nichts  zu    wissen ;  sage 
180  mir,  wie's  mit  der  Genovefa  steht. 

Hanswurst. 

Mit  der  Schmalzgräfin  ?  Sie  steht  nit,  sie  sitzt  im 
Ganabeth. 

Golo. 
Was  waren  denn  ihre  Verrichtupgen  ? 

Hanswurst. 

Sonst    weiter  nichts  als  zanen  und  flennen ;    ich 
185   glaub,    es    wird   ihr   halt    um  ihren  Schmalzgrafen 
leid  sein. 

Golo. 
Ihre  Traurigkeit  wird  bald  durch  mich  in  freud- 
und  friedensvolle  Vergnüglichkeit  verkehrt  werden. 

Hanszvurst. 
Das  wird  ihr  a  Freud   sein ,    als    wenn    ich    ihr 
190  beim    Essen   aufs   Teller   spieb.     He,    wie    steht's 
mit  dem  Trinkgeld? 


252 

Golo. 
Schweige  und  gehe,  denn  ich  sehe  die  Genovefa 
anherkommen ,    ich    möchte    bei    ihr    in  Verdacht 
kommen. 

Hanswurst. 

195        Das  geht  mi  nix  an,    ich    möcht   allemal    mein 

Trinkgeld  haben.  Beide  gehen  ab. 

7.  Auftritt. 

Gräfin  tritt  auf. 
Wenn  jemals  eine  betrübte  Frau  auf  Erden   ge- 
wesen ist,  so  kann   ich    billig    mit    derselben    ver- 
glichen werden,  inmassen  ich  mich  dessen  beraubt 

200  befinde,  was  mir  auf  Erden  das  Liebste  sein  kann. 
Ach,  wenn  doch  die  Kriegsnachricht  von  meinem 
Grafen  Siegfried  einlaufen  thät ,  hiedurch  ich  auch 
Gelegenheit  fände ,  ihm  hinwieder  zu  berichten, 
wie  es  um  mich  steht.     Gott  wolle  gnädig  sein  und 

205  verleihn ,  dass  mein  allerliebster  Gemahl  gesund 
und  in  Freuden  zurückkehre. 

8.  Auftritt. 

Hanswurst  tritt  auf. 
Guten  Morgen,  Frau  Schmalzgräfin,  möcht  enk 
heut  gern  was  dazählen. 

Gräfin. 
Ja,  wenn  es  nichts  Ungebührliches  ist  und  keinem 
210  Menschen  zum  Schaden  gereicht,    so   erzähle    mir 
etwas  Seltsames,  ich  will  es  anhören. 

Hanswurst, 
Schauts  ÖS,  die  Heirathsgedanken  sind  mir  auf- 
einmal  in  Kopf  aufig'stiegn,  i  wiar  jetzt  eins  thun 
und  wiar  frisch  heirathen ;    mein,  was  sagts    denn 
215   ÖS  dazu? 

Gräfin, 
Mit  diesem    wirst    du    mich  wenig    unterhalten, 
weilen  mir    wohl    bewusst ,    dass    du    zuvor     ver- 


253 

heirath'  bist   und    mit   deinem  Weib  in  Zufrieden- 
heit lebst. 

Hanswurst. 
220  Ich  bin  nicht  zufrieden  mit  ihr;  sie  kocht  nichts 
als  lauter  Pulstersuppen  den  ganzen  Tag  und  macht 
alleweil  a  finsters  G' sieht  dabei:  das  kann  ich 
nimmer  länger  leiden ;  sei  es  wie's  will,  ich  heirath 
halt  a  mal  anders. 

Gräfin} 

225  Deine  Einfalt  macht  mich  vorwitzig,  dich  zu 
fragen,  ob  du  dich  getraust,  eine  andere  zu  be- 
kommen. 

Hanswurst . 
O ,    genug ,    Frau  Schmalzgräfin ,    gleich    genug, 
auf  jeden    Finger    zehn ,    auf    die    Daumen    gar 
230  zwanzig  will  ich  bekommen. 

Gräfin, 

Mein  Hanswurst,  du  hast  halt  immer  ein  aufbrausen- 
des Gemüth  \  wollte  Gott,  mein  Herz  war  mit  keinen 
solchen  Traurigkeiten  umgeben ,  so  würde  ich 
längere  Zeit  mit  dir  verkehren,  aber  es  erfordern 
235  meine  Umstände,  dass  ich  mich  allein  auf  mein 
Zimmer  verfüge  und  für  meinen  Grafen  Siegfried 
bete.  Ab. 

Hanstuurst. 
He !  bet's    für    mich    a    ein  Vaterunser ,  i  trink 
aft'n  a  Seid'l  Wein  auf  enker  Gesundheit. 

Geht  ab. 

9.  Auftritt. 

Koch  tritt  auf . 

240  Es  ist  noch  keine  lange  Zeit,  dass  der  Graf 
abwesend  ist,  so  hat  sich  gleichwohl  im  Schloss 
alles    verkehrt    und    ist    gleichsam    in  Unordnung 


254 

kommen,  in  massen  sich  der  Hofmeister  Golo  selbst 
nicht    mehr   kennt    und  Tag    und  Nacht    trachtet, 

245  seine  Person  zu  erhöhen;  ich  selbst  kann  mich 
nicht  schicken  in  ihn ,  er  halt  auch  keine  stäte 
Essenszeit :  wenn  schon  alles  bereitsteht,  so  ist  er 
doch  zum  Essen  nicht  anzutreffen.  Wenn  ich  nicht 
die    Gräfin    wegen    ihrer    schweren    Bekümmernis 

250  verschone,  ich  begehrte  ohne  Verweilen  meinen 
Abschied. 

10.  Auftritt. 

Erster  Bedienter  tritt  auf. 
Was  macht  denn  der  Koch  allhier?    Heut  ist  ja 
nicht  Charfreitag,  dass  Koch  und  Küchel  Feiertag 
hält;  um  solche  Zeit  sucht  man  den  Koch  in  der 
255  Küchel,  und  nicht  auf  der  Gassen  stehen. 

Koch. 

Was  seid  Ihr  um  mich  bekümmert?  Es  soll  Euch 
ja  selbst  nicht  wohl  sein,  wenn  eine  solche  Un- 
ordnung ist,  und  mit  der  Zeit  die  Wirthschaft  den 
Krebsgang  nimmt ,  bevor  der  Graf  noch  zurück- 
260  kommt,  der  vielleicht  noch  eine  längere  Zeit  aus- 
bleiben wird. 

1 1 .  Auftritt. 

Zweiter  Bcdiettter  tritt  auf. 
So    viel  ich  weiss ,    ist  ein  Bot'  mit  Briefen  an- 
kommen, und  glaube  fürwahr,  dass  von  des  Grafen 
Ankunft  Etwas   berichtet   worden   sei,    weiss  aber 
265   eigentlich  nicht,  wann  solches  geschehen  soll. 

12.  Auftritt. 

Hanszvtirst  kommt. 
Hei  lustig,  ihr  Brüder!  Heut  muss  a  gut's  Zeichen 
im  Kalender  stehn :   es  ist  ein  grosser  Brief  kema 
vom  Grafen  ,  da    hat  mir  die  Gräfin  vor  Freuden 


255 

an  Patzen  g' schenkt,  i  was  aber  net,  wo  i  ihn 
270  sollt  hinthun.  Schuldig  bin  i  überall.  Aber  weist, 
Bruder  Koch,  du  kochst  a  Schüssel  voll  Leber- 
knödl,  und  ich  zahl  a  Mass  Bier  dazu,  da  werd'n 
mir  halt  recht  lustig  leben  mit  einander:  und  nur 
g'schwind,  damit  wir  unser  Aufwartung  wieder 
275   machen  können.  Gehen  alle  ab. 

13.  Auftritt. 

Gräfin  tritt  auf. 
Nun  leb  ich  in  grösster  Hoffnung,  dass  mein 
herzliebster  Gemahl,  Graf  Siegfried,  bald  kommen 
werde,  denn  dieses  Schreiben  berichtet  mir ,  dass 
sich  die  Christen  in  der  Schlacht  so  männlich  ge- 
280  halten  und  auf  einmal  75000  Türken  erschlagen 
und  die  übrigen  in  die  Flucht  gejagt  haben.  Ach, 
Graf  Siegfried!  Gott  stehe  Euch  bei,  dass  Ihr  in 
kurzer  Zeit  Eure  betrübte  Genovefa  mit  Eurer 
Gegenwart  erfreuen  möget.  Golo  kofumt. 

14.  Auftritt. 

Golo. 
285  Dass  ein  unverhofftes  Schreiben  von  Dero  Ehe- 
gemahl Graf  Siegfried  eingetroffen ,  bin  ich  für 
gewiss  berichtet  und  verhoffe  auch  zu  vernehmen, 
ob  etwa  für  meinerseits  hierin  etwas  gemeldet 
worden. 

Gräfin. 
290       Für   diesmal    hab    ich    nichts  vernommen,    ver- 
hoffe aber  eine  baldige  Antwort,  und  wenn  in  der- 
selben   etwas    vorkommt,    soll  es  Euch  nicht  ver- 
halten werden. 

Golo, 
Es  ist  wohl  jammerschad ,   dass  ein  so  schönes 
295   Frauenzimmer,    so   lang    ihres    Geliebten    beraubt, 
in  steter  Einsamkeit  die  Zeit  verzehren  muss. 


256 

Gräfin. 

Meinetwegen ,  lieber  Golo ,  seid  unbekümmert, 
sollet  auch  jenes ,  was  ich  in  meines  Herren  Ab- 
wesenheit leide,  von  mir  nicht  erfahren  \  lasst  Euch's 
300  auch  nicht  schwerfallen,  da  ich  weder  Euch  noch 
jemandem  andern  meine  Geheimnisse  offenbare 
und  solches  nur  mir  allein  und  meinem  Ehegatten 
zu  wissen  gebührt. 

Golo. 

Was  mag  es  aber  nützen,  in  steter  Melancholie 
305   /u     leben,     da     doch    ein     anderer     unterdessen 
gleich  so  wohl  als  der  Graf,  Ihnen  die  Zeit  auch 
verkürzen  kann? 

Gräfin. 

Golo,  was  sollt  dieses  bedeuten?  Vermeint  Ihr 
wohl ,  mich  zu  ungebührender  Liebe  zu  bereden, 
310  oder  vielmehr  mich  zu  probiren?  Lasst  Euch  vom 
Teufel  nicht  so  verleiten ,  gedenket  vielmehr,  was 
Euch  der  Graf  anbefohlen,  und  jagt  solche  Gedanken 
mit  Gewalt  aus  dem  Hirn. 

Golo, 

Meine  schon  vor  geraumer  Zeit  verborgene 
3 1 5  Liebesflamme  gegen  Sie ,  liebenswürdige  Schön- 
heit, lässt  sich  auf  die  Länge  nicht  mehr  erhalten, 
da  mich  auf  ganzer  Erde  nichts  so  sehr  vergnügen 
kann,  als  Dero  Gunst  zu  geniessen,  in  der  süssen 
Hoffnung,  dass  Sie  ja  selbst  in  mein  Begehren 
320  willigen  werden. 

Gräfin. 

Schämt  Ihr  Euch  nicht,  ein  solches  von  mir  zu  be- 
gehren und  das  Ehebett  meines  Herrn  so  schändlich 
zu  beflecken  ?  Ist  denn  dieses  die  Treue,  so  Ihr  ihm  er- 
weiset ?  Ich  sage  Euch,  untersteht  Euch  nicht  mehr  von 
325  solchem  etwas  merken  zu  lassen,  sonst  Euch  diese 
Thorheit  tjewiss  noch  reuen  wird.  Geht  ab. 


257 

Golo. 
Weiss  nicht,  wie  mir  g'schieht,  dass  die  Grätin 
gar    keine    Freundlichkeit    erzeigen    will ;    da    ich 
mit  Lieb    und    süssen  Worten  das  verhoffte,    was 

330  mir  mein  Herz  am  meisten  vergnügen  könnte, 
muss  ich  plötzlich  vernehmen ,  als  wenn  ich  in 
trübem  Wasser  gefischt.  Aber  was  bekümmere  ich 
mich,  mir  ist  alle  Gewalt  vom  Grafen  überkommen, 
warum  sollt  ich  nicht  zu  gebieten  haben  mit  dieser, 

335  wenn  Liebe  mein  Gemüth  so  sehr  beängstigt?  Eines 
fällt  mir  noch  bei :  was  ich  mit  Liebesneigung 
nicht  erlangen  kann ,  muss  mir  doch  mit  Gewalt 
zu  Theil  werden. 

Hanswurst  tritt  auf. 

15.  Auftritt. 

Hanswurst. 

He ,    wie  geht's ,    Herr  Hosenmeister  Golo  ?    Ös 
340  schaut's  heut  ganz  rabiat  aus,  ich  glaub,  ös  seid's 
nit   bei   guten  Humor,    oder  es  thun  enk  die  ver- 
schlagenen Wind  a  so  plagen. 

Golo, 
Mein  getreuer  Diener  Hanswurst,  ich  habe 
dir  ohnedem  anvertraut,  dass  mein  Gemüth  mit 
345  Liebesneigungen  gegen  Genovefa  ganz  erfüllet  seie, 
was  ich  ihr  ganz  klar  hab  zu  erkennen  geben^ 
aber  nicht  die  mindeste  Freundlichkeit  von  ihr 
erwerben  können. 

Hanswurst. 

Das  hab  ich  mir  wohl  einbild't,  dass  der  Hosen- 

350  meister  wird    wollen  Hahn  im  Korb  sein,  und  in 

fremdem    Mist    wird    wollen    umakrallen.      Mein, 

schert's  enk    net  mit  den  Weibern ,    ös  kriegt's  ja 

noch  Menscher  g'nug. 

Golo. 

Du    solltest    aber    wissen,    dass    die   brennende 

Volksschauspiele.  I7 


258 

355   Flamme    für  sie  so  gross  ist,    das s  sie  ohne  ihrer 
Gegenliebe  nicht  kann  gedämpft  werden. 

Hanswurst. 
Wenn's    enk   dann  gar  a  so  brennt,    so  müsst's 
enk    halt  in  kalt's  Wasser    eini  setzen ;    was  gilt's, 
es  wird  bald  auslöschen. 

Golo. 
360       Verfluchte  Canaille,  vexire  mich  nicht,  auf  dass 
du    keine  Ungnad  von  mir  zu  erwarten   hast:    zu 
Theil  muss  mir  werden,  was  ich  verlang',  geschehe 
es  mit  gutem  Willen  oder  Zwang !         Geht  ab. 

Hanswurst. 

Tausend  Schlackrawald ,   jetzt    hätt's   bald    Hitz 

365   geben.     I   han    mein  Lebtag  g'hört,    das  sein  die 

rechten  Katzen,  die  voran  lecken  und  hinterdrein 

kratzen,    und   mein  Herr  muss  schon  von  Geburt 

ein  solcher  Narr  sein  gewesen;  kein  Wunder,  dass 

ihn  die  Gräfin  a  net  mag ,   dieweil  er  gar  so  auf- 

370  sässig  ist,  wenn  man  was  von  der  Wahrheit  sagt. 

Jetzt  muss  i  gehn  schauen,  wo  er  ist  hin  gangen 

und    wir   ihm's   sagen,    dass    ich    für   ihn  will  ein 

Wort  reden  bei  der  Gräfin,  dass  sie  ihn  nit  mag  ; 

will    ich  sagen ,    dass  s'  ihn  wider  mag :    der  Kerl 

375   wird   lachen  und  wird  mir  a  Trinkgeld  verheissen 

zum   Lohn.  Geht  ab. 

16.  Auftritt. 

Gräfin  tritt  auf. 

Weilen  sich  nunmehro  der  kühle  Abend  erreicht, 
so  will  ich  in  den  Garten  spazieren  gehen  und 
dort  in  dem  Ansehen  der  riechenden  Gewächse 
380  die  innerlichen  Traurigkeiten  meines  Herzens 
mildern,  da  ich  es  für  rathsamer  befinde,  mir  die 
Zeit  alleinig  in  etwas  zu  verkürzen,  als  bei  Gesell- 
schaften gesehen  zu  werden.  Golo  tntt  auf. 


259 
17-  Auftritt. 

Golo. 
Ihro   Gnaden    erlauben    mir   in  Unterthänigkeit, 
385  die  Hände    zu  küssen;   seien    Sie  gegen  mir  mild 
und   gütig,   so  lebe   ich,   seien  Sie    aber  unbarm- 
herzig, so  sterbe  ich. 

Gräfin. 
Golo,   ich  merke  gar  wohl,    was  Ihr  in  Eurem 
Schilde    führet ,    denn  Eure  Geberden  mir  solches 
390  klar  vor  Augen  stellen,  dass  Ihr  nur  die  unreinen 
Gelüste  zu  geniessen  trachtet. 

Golo. 

Sollen  aber  auch  erkennen,  dass  mein  Herz  ganz 

zerschmilzt  gegen  Sie,    ein  so  edles  Geschöpf,  als 

die  Natur  an  Genovefa  vorstellet ;    Ihre  Schönheit 

395  verdunkelt  den  Glanz  der  Sonne  und  Ihre  Tugend 

verdient  die  Verehrung  der  ganzen  Welt. 

Gräfin. 

Lasset     ab     von     Euren     liebesschmeichelnden 

Worten,  mit  welchen  Ihr  die  Treue  zwischen  mir 

und    meinem  Ehegemahl    zu    zertreten  suchet,    so 

400  ich    doch  Gott   und  ihm  unverbrüchlich  zu  halten 

mich  entschlossen  habe. 

Golo. 
Soll  es  wohl  möglich  sein,  dass  Sie  in  Abwesen- 
heit Ihres  Herrn  sich  aller  Lustbarkeit  der  Welt 
gänzlich  entschlagen  sollen ,  da  uns  doch  die  Ge- 
405  legenheit  die  schönste  Zeit  zu  Händen  schiebet, 
dass  wir  nach  unserm  Belieben  die  Süssigkeit  der 
Liebe  öfters  geniessen  könnten,  derowegen  ?  Aller- 
liebste, vergönnet  Eurem  Diener  küsst  sie  nur,  die 
geringste  Empfindlichkeit  zu  verkosten. 

.    Gräfin^ 
410       Leichtfertiger  Golo,    was    habt  Ihr  mich  zu  be- 
tasten !    Wisst  Ihr  denn  nicht,  wie  schwer  Ihr  mich 
beleidiget,  da  Ihr  mich  um  Euch  in  die  Dienstbar- 
keit   der    Teufel    übergeben    würdet.      O    ehrloses 

17* 


26o 

Gemüth !     Hat  Euch   der  Graf  dieses  anbefohlen?" 

415   Wollt  Ihr  die  ewige  Glorie  gegen  eine  so  schnöde 

Wollust  so  leichtfertig  verscherzen?    Gedenket,  was 

Euch  der  Graf  Gutes    erwiesen ,  dass  er  Euch  als 

einen    minderjährigen    Schreiberjungen    zu    einem 

vollkommenen  Verwalter  aller  unserer  Habschaften 

420  gesetzt:  betrachtet  die  grosse  Liebe,   die  Euch  der 

Graf  jederzeit   erwiesen ,    und    fraget  Euch    selbst^ 

warum  Ihr    so   unedel  gegen  mich  handeln  wollt. 

Wendet  Eure  Augen  vielmehr  auf  geisthche  Bücher 

als    auf  Frauengestalten  und  versuchet  nicht  mehr 

425   mit  solchen  Geberden  mich  zu  beleidigen.  Geht  ab^ 

Golo  allein. 

Ach,  Unglücks  volle  Stunde,  das  Unglück  spielet 

mit    mir    den  Meister ;    da   ich  an  Genovefa  mein. 

verliebtes  Herz  zu  laben  glaubte,  bin  ich  mit  harten. 

Worten   von    ihr  abgewiesen  worden.     Aber  mein 

430  Vorhaben    muss    doch    gelingen ,    weil    ich    schon. 

einen  Fund  erdacht :  Drakonus ,  der  Koch ,    muss 

mir    über    die    Klinge,    dieweil    er    zu    der  Gräfiri 

eine  absonderliche  Neigung  trägt :  ich  will  es  noch 

einmal    wagen ,    und    mich    dem  nicht  setzen  aus : 

435  wird  Stahel    auf  Stein   geschlagen,    erzwingt   man 

Funken  daraus. 

Hanswurst  tritt  auf. 

18.  Auftritt. 

Hanswurst. 

Nun  he,  was  habt's  denn?  Seid's  schon  mehr 
narrischer,  dass  alleweil  wöllt's  Funkel  auf  Stein 
schlagen  oder  Stein  auf  Funkel?  Ich  glaub,  ös  wöllt's 
440  zum  Tabakrauchen  anheben:  schaut's,  die  Menscher 
mögen  kein'  schmecken,  davon  werden  sie  gleich 
übel,  dass  gar  so  hitzig  seid's. 

Golo. 
Hanswurst ,    schweige    mit    deinem    lärmenden 
Plauschwerk,    berufe    mir    Drakonus,    den    Koch,. 
445  herbei. 


201 

Hanswurst. 
So,  den  Koch?  Zu  was  braucht's  ihn  denn: 
Was  gilt's  ,  ÖS  wöUt's  enk  a  Häferl  Sterz  machen 
lassen,  und  das  recht  anfetten,  dass  enk  's  Schmalz 
übern  Löffel  abi  rinnt.  Gelt's  ja?  I  wir  ihm  gleich 
450  aussa  heissen ;  aber  dös  nimm  i  mir  aus,  dass 
mich  a  mitessen  lasst's.  Geht  ab. 

19.  Auftritt. 

Koch  tritt  auf. 

Was    befiehlt    der    Herr    Hofmeister,    dass    Sie 
meiner  verlangen? 

Golo. 
Ihr  sollet  zu  der  gnädigen  Frau  hinauf  kommen, 
455   sie  hat  etwas  zu  sprechen  mit  Euch.     Geht  ab. 

Verwandlung.     Zimmer  der  Gräßn. 

20.  Auftritt. 

Koch  vor  der  Gräßn. 

Was    befehlen  Ihro  Gnaden,    dass  Sie    mich    in 
Ihr  Zimmer  hereinbegehret  haben? 

Gräßn. 

Solches  ist  mir  ganz  unbekannt,  dass  ich  um  Euch 
verlanget  habe ;    saget    mir ,    wer   hat  Euch    denn 
460  hereinberufen? 

Koch. 
Der  Herr  Hofmeister   hat  mir  solches  befohlen. 

Gräßn. 

Es   ist   nicht    dem    also :    derowegen   könnt   Ihr 

wieder  zu  Eurer  Verrichtung  zurückkehren.      Koch 

geht  ab.     Ach ,    Graf  Siegfried,  Beherrscher  meines 

465   Herzens,    wie    lang   wirst    du  wohl  deine  Ankunft 


202 

verschieben  und  mein  Gemüth  in  steter  Betrüb- 
niss  noch  eingeschränkt  lassen,  da  ich  doch  ohne 
Unterlass  die  tiefesten  Seufzer  zu  dir  abschicke  ? 
Und  obwohl  du  mit  deiner  Gegenwart  weit  von 
470  mir  entfernt  bist,  so  können  doch  meine  Gedanken 
nicht  abgesondert  werden ,  weilen  mir  keine  Er- 
götzlichkeit der  Erden  ohne  dich  Vergnügen  be- 
reitet. Golo  tritt  ein. 

21.  Auftritt. 

Golo. 

Es  neigt  sich  vor  Ihro  hochgräfliche  Gnaden 
475  der  ergebenste  Diener,  dieweilen  Ihro  begabte 
Schönheit  mich  dahin  beweget,  Ihnen  mehrmalen 
die  immer  brennende  Liebesflamme  meines  Herzens 
in  die  Erkenntniss  zu  stellen ,  dass  dieselbe  ohne 
Ihrer  Gegenliebe  nie  könne  gedämpfet  werden. 

Gräfin, 

480  O,  Ihr  Gottloser !  Vor  Gott  und  allen  Kreaturen, 
allerehrvergessenster  Mensch,  fürchtet  Ihr  Euch 
denn  nicht  vor  Gottes  Strafe?  Getrauet  Ihr  Euch 
wohl,  einem  christlichen  Menschen  so  etwas  vorzu- 
wenden ?     Pfui  der  Schande  ! 

Golo, 

485  Sollten  denn  meine  Liebesneigungen  bei  ihr  gänz- 
lich keinen  Platz  finden,  sollt'  ihr  Herz  wohl 
felsenhart  sein  gegen  mich?  Nein,  das  will  ich 
nicht  mehr  verhoffen  1  Liebste  Genovefa ,  be- 
denken Sie  sich,  ich  sage,  bedenken  Sie  sich,  ehe 

490  das  Bedenken  zu  spät  sein  wird. 

Gräfin. 

O,  Ihr  boshafter  Golo,  wollet  Ihr  Euch  wohl 
unterfangen,  mir  ein  Ziel  und  Gebot  vorzuschreiben, 
mich  zu  P>urem  bösen  Willen  zu  bequemen,  welches 
doch  ein  (iräuel  vor  den  Augen  Gottes  ist?     Un- 


2  03 

495  nienschlicher  Golo !  Ihr  habt  mehr  ein  Gemüth 
eines  unvernünftigen  Viehes  als  eines  Menschen : 
weichet  demnach  von  mir  und  quälet  mich  nicht 
länger,  sonst  schwöre  ich  Euch ,  dass  ich  meinem 
Herrn  davon  berichten  werde. 

Golo. 

500  Sollen  meine  Liebesneigungen  bei  Euch  gänzlich 
verachtet  und  zu  meiner  Beschämung  unbefriedigt 
in  die  Asche  gelegt  werden,  welches  meine  Liebes- 
freude in  den  bittersten  Hass  verwandelt,  also 
dass  Euch    meine  Rache  gewisslich  auf  dem  Fuss 

505   folgen  wird? 

Geht  ab,  auch  die  Gräfin  tritt  ab.    Der  mittlere  Vorhang 
wird  vorgezogen.     Golo  kommt  sodann  mit  zwei 
Bedienten, 

2  2.  Auftritt. 

Golo. 

Ihr   lieben    Bedienten ,    ich   sage ,    dass   ich    bei 

unserer    Gräfin    und    dem    Koch   eine   verdächtige 

Gemeinschaft    eine    Zeit    her    verspüret    habe    und 

durch   genaue    Beobachtungen    bemerket ,   wie    ihr 

5 1  o  tägliches  Conversiren  in  einem  gewöhnlichen  Liebes- 
geschwätz bestehet :  wenn  wir  diesem  Uebel  nicht 
eher  zuvorkommen  und  zu  verhüten  trachten,  als 
bis  der  Graf  nach  Hause  kommt,  so  wird  billig 
zu    besorgen    sein  ,    dass   es  zu  einem  üblen  Ende 

515   gereichen  möge. 

Erster  Bedienter. 
Es  is  wahr,  Herr  Hofmeister,  ich  muss  es  Euch 
bekennen,  wo  die  Gräfin  im  Mindesten  dem  Koch 
was  ansieht  oder  ankennet,  dass  ihm  was  fehlt, 
so  erweiset  sie  ihm  solches  mit  grösster  Bereit- 
520  Willigkeit;  wo  sie  ihn  sieht,  bleibt  sie  bei  ihni 
stehen  und  redet  auf  das  allerfreundlichste  mit 
ihm ,  so  sie  mit  uns  Bedienten  niemals  zu  thun 
pflegt. 


264 

Golo. 
Ja,    ich    habe    sie    sogar   allein  in  dem  Zimmer 

525  bei  einander  angetroffen  und  bin  dessen  für  ge- 
wiss berichtet,  dass  sie  entweder  mit  einander  ge- 
sündigt, oder  zum  wenigsten  dieses  im  Willen  ge- 
habt haben ;  denn  unsre  Gräfin  ist  für  den  Koch 
ganz  eingenommen,  so  dass  sie  ihn  nicht  kann  von 

530  sich  lassen,  wenn  es  auch  ihr  Leben  kosten  sollte: 
also  ist  es  nothwendig,  dieses  hinterstellig  zu 
machen,  wenn  wir  bei  der  Zurückkunft  des  Grafen 
bestehen  wollen.  Derowegen  meine  ich,  es  wäre 
rathsamer,  wenn  wir  den  Koch  in  ein  Gefängniss 

535  werfen  und  die  Gräfin  so  eng  einschliessen ,  dass 
ihr  der  Zugang  zum  Koch  versperrt  sei.  Was 
denket  ihr  euch  hierüber?  Was  ist  wohl  euer 
Rath? 

Zweiter  Bedienter. 

Da  Ihnen  der  Graf  die  Sorgfalt  über  die  Gräfin 
540  hat  aufgetragen,    können  Sie  nach  Belieben  thun, 
wie  es  Ihnen  am  rathsamsten  scheint. 

Golo. 

Gehet  und  holet  mir  den  Kochl 

Der  zweite  Bediente  geht  ab  und  bringt  den  Koch. 

23.  Auftritt. 

Koch. 

Was  befehlen  Herr  Hofmeister,  dass  ich  so  eilends 
erscheinen  muss? 

Golo. 

545  O ,  Ihr  verfluchter  Drakonus ,  was  habt  Ihr  für 
eine  Gemeinschaft  mit  unserer  Gräfin?  Habt  Ihr 
sie  nicht  bezaubert  und  in  ihre  Speisen  Liebes- 
pulver hineingethan,  sie  mit  Gewalt  zu  Eurer  Lieb 
gezogen?     Derowegen    seid    Ihr  es    wohl   würdig, 

550  dass  man  Euch  in  Eisen  schmieden  lässt  und  in 
den  tiefsten  l'hurm   werfe. 


265 


Koch. 


Herr  Hofmeister  Golo,  was  gedenken  Sie  denn, 
dass  Sie  mich  mit  was  solchem  wollen  bezüchtigen, 
von   welchem    ich  nichts  weiss  und  mir  nicht  ein- 
555   mal    in    den  Sinn   gekommen,    dergleichen  zu  be- 
gehen ? 

Golo. 

Ich  glaube  nichts ;  wenn  nichts  wäre,  so  würdet 
ihr  keine  solche  Freundschaftlichkeit  mit  einander 
gepflegt  haben. 

Koch. 
560  Ach,  liebster  und  grosser  Gott,  dir  ist  meine  Un- 
schuld am  besten  bekannt !  Drum  schwöre  ich  hoch 
und  theuer  und  sage:  so  wahr  Gott  Gott  ist  und 
im  hohen  Himmel  wohnt,  dass  ich  diese  Sünde 
nicht  begangen  habe. 

Golo. 
565        Es    hilft   keine    Entschuldigung:    leget   ihm    die 
Eisen  an  und  führet  ihn  in  Kerker. 

Koch . 

Ach  Gottl     Bin  ich  denn  so  gar  verlassen,  dass 

ich  so  elend  muss  in  das  Gefängniss  gehen? 

Der    zweite  Bediente   und  der  Koch  treten  ab.  —  Der 

jnittlere  Vorhang  wird  aufgezogen ;   Golo  mit  dejn  ersten 

Bedienten  kommt  zur  Gräfin  in  ihr  Zimmer. 

24.  Auftritt. 

Golo. 
Nun,    Ihro    hochgräfliche    Gnaden,    weilen   ich 
570  schon    lang    genug    zugesehen ,    was    Sie    für    ver- 
dächtige Gemeinschaft  mit  dem  Koch  gepflegt  und 
nun  dieses  nimmer  länger  ansehen  kann,  sollte  ich 
bei  dem  Herrn  Grafen  noch  länger  bestehen  können  : 
darum,    weil  Sie  Ihr  Ehebett  bemakelt  haben ,    so 
575  sollen  Sie  in  das  Gefängniss  geworfen  werden  und 
nicht   ehender   herauskommen  bis  auf  weitere  An- 


266 

Ordnung    des    Herrn    Grafen ,    was    er    berichten 
wird. 

Gräfin. 

Ach  Gott!     Was    wollet  Ihr    denn    mit  mir  an- 
580  fangen,    Ihr  grausamer  Tyrann,  dass  Ihr  mich  in 
solchem  Stand,  wie  ich  mich  jetzt  befinde,  in  das 
Gefängniss  lasset  setzen  r 

Golo. 
Gehet    und    führet    sie    nur    fort:    wegen    ihrer 
Schandthat    hat    sie    keine    bessere  Wohnung    ver- 
585   dient. 

Gräfin. 
Gerechter  und  grosser  Gottl  Siehe  an  die 
Schmach ,  so  ich  von  meinem  und  zwar  undank- 
baren Diener  erfahren  muss.  Bin  ich  denn  wohl 
zu  solchem  Kreuz  erschaffen  worden?  Ach  Gottl 
590  Ach  Gott!  Erhalte  mich  doch  beständig  in  der 
Geduld  und  ertheile  mir  einen  Trost  in  meinen 
vielfältigen  Beschwernissen.       Alle  drei  gehen  ab. 


25.   Auftritt. 

Hanswurst  tritt  ein. 
He,   dass  di  potz  auf  und  ab!     Was  muss  das 
Ding    werden?    Bei   meiner    Seel,   muss    der  Hof- 

595  meister  ein  Sporn  haben!  Was  do  den  Gischpel 
einfallt,  dass  er  die  Leut  all  nach  einander  lässt 
einstecken ,  ich  weiss  nit,  in  a  Büxel  oder  in  a 
G'schpaderl.  Das  ist  a  verzweifelter  Kerl,  heut  ist 
er    mehr    links   als  wie  rechts ,    verdriesst  ihn  der 

600  Bettel  a  so,  dass  er  anstatt  a  Busserl  eine  Ohr- 
feigen verdient.  Wann  i  mein'  Herrn  allezeit  ein- 
sperren müsst,  so  oft  er  mir  a  Maulschellen  gibt, 
so  kam  er  fast  alle  Tage  einmal  in  die  Kelchen. 
Ja   mein  Eid  ,    i  wir  jetztunder  eins  thun  und  wir 

605  schauen,    dass    ich    ein'    .\dlaten    bekomm:     den 


267 

schick  i  zu  meinem  Grafen,  um  mein  bezahlten  Lohn 
und  wir  hinter  der  Thür  Urlaub  nehmen ,  wenn's 
sein  kann,  ehe  dass  i  ins  Büxel  oder  ins  G'schpaderl 
oder  gar  ins  Schächterl  eini  muss.  Geht  ab. 

Verzuondlufig. 

Die   Gräßn  im  Kerker  singt  ein  Lied  oder  eine  Arie. 
Golo  tritt  im    Vorderraiime  ein. 


26.  Auftritt. 

Golo. 

610  Alles,  was  ich  mit  der  Gräfin  hab  angefangen, 
hat  fehlgeschlagen ,  obwohl  ich's  mit  Lieb  und 
Hass  angefochten  und  sie  in  dem  schweren  Gefängniss 
durch  Hunger  und  Durst  abmatten  lassen ,  dass 
es  ihr  unmöglich  fallen  muss,  mir  ihre  Huldschaft 

615  länger  zu  verweigern.  Dieweil  alle  Wider- 
sprechungen meine  Liebesflamme  noch  nicht  ge- 
löscht ,  so  werde  ich  mich  zu  ihr  in  den  Kerker 
begeben,  um  zu  sehen,  ob  sie  in  ihrer  Hartnäckig- 
keit noch  nicht  ist  erniedrigt  worden.     Tritt  vor  dm 

620  Kerker.  Nun,  Genovefa,  wie  geht's  in  dem  Ge- 
fängniss? Ich  komme  das  letzte  Mal,  Sie  zu  er- 
mahnen ,  ob  Sie  mit  Ihrer  Liebe  meinen  Willen 
erfüllen  wollen,  so  sollen  Sie  alsbald  aus  Ihrem 
Gefängniss  entlassen  sein:  wo  aber  nicht,  will  ich 

625  Sie  so  scharf  verklagen  beim  Grafen,  dass  Sie  ge- 
wisslich  um  ihr  Leben  kommen  werden.  Allein 
Sie  werden  ja  nicht  Selbsten  Ihre  beglückten 
Freudentage  Ihres  I^ebens  verkürzen,  so  Sie  durch 
Bewihigung    meines  Begehrens    beständig    erhalten 

630  können  und  sich  selbsten  dadurch  in  die  erwünschte 
Freiheit  setzen. 

Gräfin. 

Ei  du  geiler  Bösewicht ,  ist  es  denn  nicht  ge- 
nug, dass  du  mich  unschuldiger  Weise  in  das  Ge- 
fängniss   gesetzt,     sondern    willst    mich    noch    um 


268 

635  meine  Ehre  und  Seligkeit  bringen  und  der  himm- 
lischen Freuden  dadurch  auf  ewig  berauben !  Sei 
aber  versichert,  dass  du  dich  stets  betrogen  findest 
und  alle  Mühe  vergebens  anwendest,  denn  ich  bin 
bereit,  lieber  tausendmal  zu  sterben,    als  das  Ge- 

640  ringste  gegen  meine  Ehre  und  Reinigkeit  zu  be- 
gehen. 

Golo. 
Fahre  hin  ,  verfluchte  Metze  ,  fahre  hin  !  Das 
Donnerwetter  schlage  dein  Felsenherz  und  deine 
Eigensinnigkeit  zu  Stücken !  Meine  Rache  sollst 
645  du  nach  aller  Strenge  erfahren.  Oder  vermeinst  du 
dich  zu  rühmen ,  dass  du  mich  überwunden  ? 
Aber  rühme  dich  nur  nach  deinem  Tod,  da  du 
mich  deiner  Liebe  unwürdig  erachtest. 

Der   Vorhang  vor  dem  Kerker  fällt. 

27.  Auftritt. 

Hanswurst  kojnmt, 

Hanswurst. 
Ha,  ha,  was  ist  denn  da  für  a  G' schrei?    Wem 
650  habt's    denn    woH'n   in    die  Sterblichkeit  schicken? 
Nur  einmal  gleich  mich  nit,  ich  hätte  jetzt  gar  nit 
Zeit  dazu. 

Golo. 

Packe    dich    von    mir   und    frage  nicht  jederzeit 
nach  dem,  was  dir  zu  wissen  nicht  gebührt. 

Geht  ab. 

Hati  twurst» 

655  Und  wenn  er  mir's  gleich  nit  sagt,  so  kenn 
ich  ihm's  doch  klar  an,  was  ihm  in  sein'  Schädel 
ist ,  dieweil  er  sich  stellt ,  als  wenn  er  die  Mund- 
faul' in  Füssen  hätt :  nachher  schaut  er  aus ,  als 
wenn    er    das    dreitägige    Fieber    hätt,     macht    a 

660  krummes    Maul    als    wenn's    mit  Enzian    austäfelt 


269 

war ,  und  geht  gleichwohl  so  trutzig  daher ,  als 
wenn  der  Lümmel  des  Goliat  Brustfleck  an  hätt: 
die  Liebesflausen  haben  ihm  sein  Hirn  a  so  ver- 
wirrt, und  der  Esel  ist  nit  amal  so  g'scheid,  dass 
665    er  heirathen  thät. 

Geht  ab.     De7'    Vorhang  des  Kerkers  ivird  aufgezogen. 


28.  Auftritt. 

Amme  kommt  zur  Gräfin. 

Ihro  Gnaden ,  weilen  mich  Ihr  Elend  also  sehr 
bedauert ,  derowegen  bitte  ich ,  Sie  wollen  doch 
nicht  so  felsenhart  sein  und  den  Hofmeister  wenig- 
stens mit  freundlichen  Worten  wieder  besänftigen, 
670  denn  Sie  sehen,  was  Sic  in  dem  Kerker  leiden 
müssen  •  auf  dass  Sie  doch  aus  Ihrer  Gefangen- 
schaft erlöset  werden,  so  können  Sie  ihm  ja  seinen 
Willen  in  etwas  erfüllen. 

Gräfin, 

Euer  Zureden  hilft  alles  nichts,  denn  ich  bin 
675  bereit,  Heber  im  Kerker  des  Hungers  zu  sterben 
oder  gar  zu  verfaulen ,  als  meinen  Gott  zu  er- 
zürnen oder  mein  Gewissen  zu  beflecken.  Berichtet 
dem  Golo ,  dass  ich  einen  Sohn  geboren  und 
bittet ,  er  solle  auch  erlauben  ,  mir  etliche  Tücher 
680  zu  bringen,  damit  ich  das  Kind  einwickeln  kann 
und  solches  zur  heiligen  Taufe  getragen  wird. 

Amme. 

Ich  werde  dieses  dem  Hofmeister  allsobald 
unterbringen,  ja  will  selbsten  vorsprechen,  dass  er 
Ihnen  eine  bessere  Labung  zukommen  lasse. 

Der   Vorhang  des  Kerkers  fällt.     Golo  tritt  auf. 


270 

29-  Auftritt. 

Golo. 
685        Saget  mir,  habt  Ihr  ausgerichtet  bei  der  Gräfin, 
oder  wessen  Resolution  ist  sie  wohl? 

Amme, 
Die  Gräfin  lässt  Euch  andeuten,  dass  sie  keines- 
wegs   Eurem    Begehren    im    mindesten    zu  Willen 
werde ,    wie    auch ,    dass    sie    einen  Sohn  geboren, 

690  und  sollet  erlauben,  dass  ich  ihr  etliche  Tücher 
bringen  dürfte  und  hernach  das  Kind  sollt  taufen 
lassen;  auf  dass  sie  in  ihrem  Elend  nicht  gar  ver- 
schmachtet, vermeine  ich  sie  auch  mit  einer 
besseren  Speis    zu    erquicken,    damit    sie    sich    er- 

695  holt  und  das  schwache  Kind  gleichwohl  möchte 
ernähren. 

C5  Golo. 
Ist   denn    das  Kind   der  Metze  schon  geboren  ? 
So  sag  ich  Euch,  dass  Ihr  Euch  nicht  untersteht, 
ihr     mehr    als    nothwendig    zu    geben ,     nemlich 

700  Brot  zu  reichen,  noch  viel  weniger  das  Kind  zu  einer 
Taufe  zulassen :  es  ist  nicht  werth,  dass  man  ihm 
solche  Ehren  zeigt.  Amme  tritt  ab.  Nun  möcht 
ich  wohl  wissen ,  wo  die  Bedienten  den  ganzen 
Tag    herumlaufen :     wenn     man    sie    am    besten 

705  brauchen  thät,  kann  man  im  ganzen  Schloss  keinen 
finden  oder  antreffen.  Hanswurst  kommt, 

30.   Auftritt. 

Hansiuurst. 
Da   bin    ich ,    Herr   Hosenschwarzer  Kollo :    ich 
hab  den  ganzen  Tag  Hosen  gedoppelt  und  Schuh 
geflickt,  und  bin  gerade  jetzt  erst  fertig  worden. 

Golo. 
710       Geh  und  hole  mir  zwei  Bediente,  und  du  bleib 
ein  wenig  draussen,  denn  ich  hab  etwas  Geheimes 


271 

mit    ihnen    zu    reden:    und    gieb   aber  wohl  Acht, 
was  unterdessen  vorbei  geht,  und  wenn  man  nach 
mir  fragen  sollt,  so  sag,   ich  sei  auf  einen  Meier- 
7  I  5   hof  geritten. 

Hansxvurst. 

Und  wenn  das  vorbei  ist,  kann  i  nicht  mein 
Trinkgeld  amal  haben? 

Golo. 
Eilends  thu,  was  ich  hab  anbefohlen  1 

Hanswurst. 

Potz  grün  und  gelb !    Jetzt  muss  i  wohl  g'schwind 
720   gehen,  weil  der  Kerl  so  voller  Gift  und  Galle  ist. 

Geht  ab. 

Golo  allein. 

Dieweilen  alle  erdenklichen  Mittel  fruchtlos,  so 
will  ich  sie  genugsam  verklagen  bei  dem  Grafen, 
mit  diesem  Brief,  den  ich  verfertigt  bei  mir  habe, 
damit   selbe  weder  ich  noch  ein  anderer  geniesse, 

725  sondern  dass  die  Gräfin  sammt  dem  Kinde  aus 
dem  Wege  geräumt  werde.  Die  Bediente?!  ko7nmen. 
Nicht  ohne  Ursach  habe  ich  euch  rufen  lassen, 
denn  da  ich  bedenke,  was  mir  der  Graf  anbe- 
fohlen,   so   wird    es   nothwendig   sein,    dass  einer 

730  von  euch  zu  dem  Grafen  abreiset  mit  diesem 
Brief ,  welcher  ihm  anzeiget ,  wasgestalt  die 
Gräfin  mit  dem  Koch  sich  in  so  schändlicher  Weise 
vergessen,  und  nicht  zum  geringen  Schandfleck 
Dero  hochadehgen  Familie    das  Ehebett  beflecket, 

735  und  seit  dem  ich  in  das  Gefängniss  sie  verwahret 
habe,  so  viel  ich  höre,  ein  Kind  zur  Welt  gebracht 
hätte.  Damit  aber  im  ganzen  Schloss  sowohl 
wegen  des  Gefängnisses  als  auch  des  Kindes  kein 
Tumult  entsteht,  haltet  hierüber  reinen  Mund  und 

740  lasset  keinen  Menschen  zu  ihr  kommen;  ihr  aber 
macht  euch  mit  diesem  Brief  reisefertig  und  bringet 
Ncichricht,  was  mit  den  Leuten  weiter  zu  thun  sei. 


272 

Erster  Bedienter. 

Dieser  Befehl  soll  von  mir  auf  das  Eilfertigste  voll- 
zogen werden.     Geht  ab. 

Zweiter  Bedienter. 

745  Herr  Hofmeister,  das  ist  eine  schlechte  Zeitung 
und  wird  dem  Grafen  grosse  Betrübniss  bereiten. 
Meines  Wissens  kann  ich  dieses  für  keine  Wahr- 
heit gelten  lassen,  denn  so  lang  ich  die  Gräfin 
kenne,  so  hab  ich  niemals  ein  ausgelassenes  Wort, 

750  noch  weniger  ein  anderes  Zeichen  gehört,  ja  auch 
nicht  das  Mindeste  an  dem  Koch  verspürt,  und 
so  ihr  etwan  solches  durch  Verrätherei  oder 
Missgunst  geschieht,  so  ist's  billig,  mit  ihr  Mitleid 
zu  haben. 

Golo. 

755  O  schämt  Euch  und  bedenket  Eure  Einfalt :  wie 
kann  ein  Mensch  dem  andern  ins  Herz  sehen? 
Stille  Wasser  reissen  tiefe  Thäler  aus ;  man  rufet 
oft  einen  heilig  aus,  und  er  hat  doch  in  der  Hölle 
seinen  bereiteten  Ort :  es  ist  auch  nicht  gut ,    viel 

760  hiervon  zu  reden:  derowegen  lasset  uns  gehen, 
und  die  Sache  nach  Möglichkeit  zu  verhüllen 
suchen.  Beide  ab.  Die  Amme  kommt,  trägt  einen  ge- 
meinen Krug  Wasser  und  ein  Stücklein  Brot  darauf. 

31.  Auftritt. 

Amme. 

Nun,  diesen  Krug  Wasser  und  das  braune  Stück- 
lein Brot  werde  ich  der  Gräfin  zu  einem  Mittags- 
765  mahl  bringen,  wie  sie  ordinär  zu  keiner  Zeit  abge- 
speist ist  worden ;  doch  es  wundert  mich  gar  nicht, 
dass  sie  von  dem  Golo  so  hart  gehalten  wird, 
weilen  sie  sich  gegen  ihn  so  hartnäckig  und  ganz 
widerspenstig  gezeiget   hat. 

Der  Vorhang  des  Kerkers  luird  aufgezogen.    Die  Amme 
tritt  vor  den  Kerker. 


i 


273 


32.  Auftritt. 


Anwie. 

770  Gnädigste  Frau,  hier  habt  Ihr  abermals  das  ge- 
wöhnHche  Mittagmahl ,  und  sollet  wissen ,  dass 
Euch  von  dem  Hofmeister  alle  Gnad  und  Gunst 
abgeschlagen,  also  dass  er  Euch  von  keiner  Noth- 
wendigkeit  etwas  Mehreres  ,    ja   noch  viel  weniger 

775  eine  Taufe  zulasset,  so  Euch  nur  allein  wegen 
Eurer  Hartnäckigkeit  widerfahret.  Geht  ab. 

Gräfin  allein. 
Obwohl    nichts    als  Wasser    und  Brot    mir   ver- 
abreicht wird,  so  sage  ich  dir,  o  Gott,    für   diese 
Gabe  Dank,  aber  dass  meinem   Kinde  die  heilige 

780  Taufe  abgeschlagen  wurde,  dieses  bewegt  mich 
zu  meinem  herzlichen  Leidwesen.  Darum  will  ich  es 
Selbsten  taufen,  zwar  in  Vergiessung  der  bittersten 
Thränen,  und  soll's  von  mir  Schmerzenreich  ge- 
nannt werden.      Nimmt    das   Kind  auf  ihre  Arme   und 

785  spricht  -weiter.  Ach ,  du  mein  liebster  Schatz,  billig 
nenne  ich  dich  Schmerzenreich,  weil  ich  dich  mit 
Schmerzen  in  meinem  Leib  getragen  und  mit 
Schmerzen  geboren  habe ;  aber  noch  mit  weit 
grösseren  Schmerzen  werde  ich    dich    sicher    ver- 

790  schmachten  und  jämmerlich  sterben  sehen  müssen, 
denn  aus  Mangel  an  Nahrung  werde  ich  dich  nicht 
erhalten  können,  weil  ich  kaum  so  viel  habe,  dass 
ich  mich  selbst  erhalten  mag.  O,  du  armer 
Schmerzenreich  I  Ach,  du  armes  unglückliches  Kind  1 
Der  K^rkervorhang  wird  zugezogen. 

33.  Auftritt. 

Hanswurst  tritt  auf. 

795  Potz  Schlagerawalt ,  i  han  mei  Lebtag  kein 
solchen  Herrn  g'habt,  wie  jetzt  der  meine  ist; 
unsre  Frau  ist  dem  Kerl  a  so  ins  Herz  gewachsen, 
als  wie  der  Speck  in  die  Knödeln.  Weil  ihm 
aber    die  Gräfin    das    hintere  Thürl  nit    hat   offen 

800  g'lassen,    so  schaut  er  so  rabiat  drein,    dass   einer 

Volksschauspiele.  lo 


274 

von  weitem  möcht  davonlaufen.  Muss  schon  ihm 
eine  zukuppeln,  weil  er  gar  so  gern  a  Mensch 
hätt.  I  wisset  a  saubere  Wittfrau,  recht  a  imper- 
tinentische  Gredl ;  i  werd  schauen ,  ob  er's  nicht 
805    a   mag.  Tritt  ab. 

34.  Auftritt. 

Golo  tritt  auf. 

Ich  erwarte  schon  allbereit  die  Ankunft  des  Dieners, 
welchen  ich  zu  dem  Grafen  abgesendet  habe,  und 
verlange  begierig  zu  wissen ,  wie  mir  mein  An- 
schlag von  Händen  gegangen,  auch  wie  ich  mich 
810  in  dieser  heiklichen  Sache  zu  verhalten  habe;  eben 
sehe  ich  ihn  ankommen  :  ich  werde  solches  bald 
von  ihm  vernehmen. 

Erster  Bedienter  tritt  auf, 

35.  Auftritt. 

Erster  Bedienter. 
Lieber  Herr  Hofmeister,    einen  guten   Tag    und 
alles  Gute  lasst  Euch  der  Graf  ankünden,  und  ob 
815  ihm  zwar  diese  Zeitung  sehr  unlieb  zu  vernehmen 
war,  so  hat  ihm  doch  gefallen,    dass  Ihr   in    allen 
Sachen  so  ein  wachsames  Auge  habt,  und  so  vor- 
sichtig mit  der  Gräfin  und  dem  Koch  umgegangen 
seid;    wiewohl   ihm    zwar    herzlich    Leid    ist,    dass 
820  seine  geliebte  Genovefa  in  ein    solches  Laster   ge- 
fallen ist,  so  lasst  er  Euch  doch  gebieten,  dass  Ihr 
gegen  sie    mit    aller  Grausamkeit    verfahren    sollt. 

Golo. 
Wohlan ,    dieser    Befehl    soll    auf    das  Schärfste 
vollzogen    werden.      Was    vermeint   Ihr    von    des 
825   Grafen  Ankunft,  wie  bald  wird  er  sich    zu  Hause 
einfinden  ? 

Erster  Bedienter. 

Von  der  Ankunft  des  Grafen  habe  ich  nichts  in 

Erfahrung  bringen  können ,    und    befindet    er    sich 

jetzt  im  Lager  vor  der  Stadt  Adrigno,    allwo   die 

830  übrigen  Türken  und  Sarazener  eingeschlossen  sind. 


275 

Golo. 
Weil  Ihr  Eure  Botschaft  so  wohl  ausgerichtet, 
so  habt  Ihr  eine  stattliche  Verehrung  zu  hoffen ;  je- 
doch wird  es  für  mich  das  Beste  sein,  ich  setze 
mich  zu  Pferd  und  reite  meinem  Herrn  selbst 
835  entgegen,  damit  ich  ihm  von  der  Sache  Aus- 
führlicheres beibringen  kann,  ansonst  mir  der 
schlechteste  Theil  zufallen  möchte.       Beide  ab. 

Verwandlung.     Freie  Gegend. 

36.  Auftritt. 

Hanswurst  tritt  auf. 

Jetzt   möcht   ich  gern  wissen ,    wo  etwan  mein' 

Herr  der   Kollerl    nur    umastürzen    thut:    i    muss 

840  an  weiten  Weg  wegen  seiner  daher  patschen,  und 

jetzt  weiss  ich  erst  noch  nicht,  wo  er    anzutreffen 

sein  wird.     I  sag's,  wenn  er  sich  weiter  nit  gleich 

finden  lasst,  so  wiar  i  ihm  an  Branntwein  zu  trinken 

geben,    aber  ein'  solchen,    wia  er  mir    schon    oft 

845  zubracht  hat. 

Golo  tritt  auf, 

37.  Auftritt. 

Golo. 
Hanswurst,    du   kommst    mir   eben    zu    rechter 
Zeit,  da  ich  deiner  vonnöthen  habe. 

Hanswurst. 
Seid's  da  amal?    Ös  macht's  an  doch  klein  ver- 
wegen mit  lauter  Suchen,  weil's  enk  gar    so    lang 
850  net  antreffen  lasst. 

Golo. 
Hanswurst,  gehe  mir  in  das  nächste  Haus,  all- 
dort   wohnt  eine  Weibsperson,   in   einer   gewissen 
Kunst  erfahren  \  berufe  sie  zu  mir  heraus. 

Hanswurst. 

Was  kann  sie  für  a  Kunst?    G'wiss  die  Schwarz- 
855  kunst,  i  bild  mir's  schon  ein;  i  bin  kein  Narr,  da 


2)6 

geh  i  nit  hin  j  es  ist  nit  gut  anheben  mit  solchen 
Leuten. 

Golo. 
Geh  nur  hinein ,    es    wird   dir  nichts   geschehn ; 
berufe  sie  mir,  da  ich  etwas  Geheimes  mit  ihr  zu 
860  sprechen  habe. 

Hanswurst. 
Und  wann  ich  enk's  herausheisse,  schaut's,  dass's 
net  a  Hexwerk  anhebt  und  macht  aus  uns  zwei 
Mannsbilder  an  Weibskerl  daraus :  da  will  ich 
nichts  wissen  davon.  Er  schaut  hinaus.  He !  Ganz 
865  wohledle,  hochgestrenge,  ungnädige  Frau  Schwarz- 
künstlerin, kommt  ein  wenig  heraus  1 

Hexe  von  innen. 
Wer  ist  denn  draussen? 

Hanswurst . 

Der  nicht  drinn  istl 

Hexe. 
Wer  ist's,  der  meiner  begehrte? 

Hanswurst. 

870       I   han    mein    Lebtag   kein'    solche    alte   Raudel 
g'hört    von   einem  Weib.  Hexe  tritt  ein. 

38.   Auftritt. 

Hexe. 
Ist    der  Herr    meiner  Kunst    bedürftig,    so    be- 
fehlen's,  in  was  für  Stücken  es  bestehen  soll. 

Hanswurst. 

He,    Herr    Hosenmeister,    jetzt    macht's    enker 

875   Sach  nur    kurz    weg,    lasst's    nur    glei    a    Dutzend 

Leberwurst   und    etliche  Sauschinken    und   a    paar 

räsonnable  Plunzen  daherzaubem,  und  nur  g'schwind 

wieder,  i  kann   die  Statt  nimmer  länger  ansehn  I 

Golo. 
Ihr  sollt  wissen,  dass  ich  mich  in  grösstem  be- 
880  vorstehenden  Unglück  befinde,  welches  ich  selbsten 


277 

durch  meinen  falschen  Bericht  bei  meinem  Grafen 
angesponnen :  verhoffe  durch  Eure  Kunststücke 
daraus  errettet  zu  werden.  Daher  will  ich  auf  die 
Nacht  mit    meinem  Grafen    anhero    kommen    und 

885  alsdann  sollt  Ihr  ihm  eine  Geschichte  vormachen, 
als  ob  seine  Gräfin  sich  mit  dem  Koch  in  schändlicher 
Weise  versündiget,  wie  ich  ihm  geschrieben  habe, 
dafür  ich  es  mit  einem  Stück  Geld  belohnen  werde. 

Hexe. 
Weil  Sie  Ihr   Vertrauen    zu    mir    einsetzen ,    so 

890  will  ich  durch  meine  Kunst  alles  so  auswirken, 
was  Sie  von  mir  verlangen ;  kommen  Sie  nur  mit 
Ihrem  Grafen  und  glauben  Sie  sicher,  dass  meine 
Künste  alles  vermögen. 

Golo. 
Ganz  gut,  hier  habt  Ihr  das  Stück  Geld,  damit 
895   Ihr  versprechet,  bestens  ans  Werk  zu  gehen;    ich 
werde  mich  zu  meinem  Grafen  verfügen.    Komme, 
Hanswurst,  und  folge  mir  nach !  Hexe  ab. 

Hanswurst . 
O,  das  ist  mir  unmöglich,  dass  ich  mit  enk  sollt 
gehen,  ös  möcht's  mich  glei  wieder  zu  einem  solchen 
900  Zauberin  Muster  hinbringen,  wie  das  ist.     Schaut's, 
i    bin   keine    solchen  G' sichter    g' wohnt,  i  möcht 
leicht  verschrien  werden,  i  wiar  mi  aus  dem  Staub 
machen   und    heim    marschiren    und    den    Leuten 
fleissig  anschaffen ,    was  für  Arbeit    sie    verrichten 
905  müssen,  bis  dass  amal  nachi  kommt's.      Geht  ab. 

Der  Graf  tritt  auf. 

39.  Auftritt. 

Golo  zu  dem  Grafen. 
Unterthänigster  Diener,  Ihro  hochgräfliche 
Gnaden  1  Sie  vergeben  mir,  dass  ich  mich  unter- 
fangen ,  anhero  zu  kommen  und  Ihnen  das  ge- 
bührende KompHment  abzustatten,  weilen  mich 
910  dasjenige  dahin  verleitet,  welches  ich  Ihnen  durch 
den  gesandten  Hofdiener  schon  ofiferirt  habe. 


278 

Graf, 
Mein  getreuer  Hofmeister,  entdecket  mit  Mehrerem 
den  üblen  Zustand,  so  in  meinem  Schloss  zwischen 
meiner   Gemahlin    und    dem    Koch    sollte    vorge- 
915   gangen  sein. 

Golo. 

Obwohl  ich  selbst  vor  Leidwesen   dieses   kaum 

erzählen  kann,   so  muss  ich's  dennoch   bekennen, 

dass    meine    beste    Obsorge    durch    die    List    der 

beiden  Boshaftigen  ist  hintergangen  worden ;  sollten 

920  aber  Ihro  Gnaden  mir  und  allen  Hofbedienten 
keinen  Glauben  der  Wahrheit  beimessen,  so  ist  in 
diesem  Ort  eine  sehr  fromme  Matrone ,  welche  in 
den  geheimen  Offenbarungen  verborgener  Dinge 
hoch  berichtet  ist;  diese  wollen  Ihro  Gnaden  voU- 

925  ständig  fragen,  so  werden  Sie  einen  völhgen  Bericht 
des  Verlaufs  empfangen. 

Graf. 
Wenn    dem    also    ist,    wollen   wir   dieselbe   auf- 
suchen,  denn  ich  verlange  in    dieser  Sache   gänz- 
lich vergewissert  zu  werden.  Die  Hexe  kommt. 

40.   Auftritt. 

Graf. 

930  Fromme  Frau,  weilen  ich  vernommen,  dass 
Ihr  in  den  Offenbarungen  und  geheimen  Wissen- 
schaften wohl  erfahren,  von  Gott  mit  solcher 
Gnad  begabt  worden ,  derowegen  zeiget  mir  an, 
was  sich  zwischen  meiner  Gattin    und    dem  Koch 

935  sollte  zugetragen  haben. 

Hexe. 
Durchlauchtigster  Graf,  weil  mir  durch  meine 
Kunst  die  Schwermuth  Ihres  Herzens  bekannt, 
obwohl  ich  keine  Heilige  bin  ,  so  will  ich  Ihnen 
durch  meine  Kunst  offenbaren ,  was  Ihnen  am 
940  Herzen  so  schwer  liegt,  wenn  Sie  mir  solches  er- 
lauben werden.  • 


279 

Graf. 
Liebe  Frau,    wenn  Ihr   durch  Kunststücke    ver- 
möget,    solches  zu  beweisen,  so  soll  es  Euch    er- 
laubt sein  und  wird  mich  sonderbar  erfreuen. 

Hexe  nimmt  einen  Spiegel  und  eine  Ofengabel  und 
macht  einen  Kreis. 
945       Krispas,  Kraspas,  Spali,  Korali,  Kobali.   Zweimal. 
Nun,    Graf  Siegfried,    in    diesem   Spiegel    werden 
Sie   Ihre  Frau    mit    dem    Koch    freundlich    reden 
sehen. 

Graf. 

Ja,  es  ist  die  Wahrheit,  jedoch  freundlich  reden 
950  ist  nichts  Sündhaftes  und  Ungebührliches. 
Hexe  spricht  den  vorigen  Spruch. 
Anjetzo  werden  Sie    sehen ,    wie  Genovefa   den 
Koch  freundlich    umarmt  und    aus    feuriger  Liebe 
einen  Kuss  giebt. 

Graf. 
Ja,  ich  sehe  es  und  zwar  zu  meinem  Verdruss. 
Hexe,  denselben  Spruch  sprechend. 
955        Zum  dritten  und  letzten  Mal  werden  Sie    sehen 
die  Gräfin  und  den  Koch  allein  in    dem  Zimmer^ 
allwo  sie  sich  schändlicher  Weise  versündiget  haben. 
Dieses  ist  alles  die  Wahrheit,    so  sich    zugetragen 
in  Ihrer  Abwesenheit.    Sie  haben  Ursache,  gerechte 
960  Rache  auszuüben:  leben  Sie  demnach  wohl,  Graf 
Siegfried.  Geht  ab. 

Graf. 
Ja,  ja !  Diese  kunstreiche  Frau  hat  mir  Alles 
klar  vor  Augen  gestellt.  O,  lasterhafte  Genovefa! 
Ist  wohl  dieses  die  Treue,  so  du  mir  gewidmet, 
965  weil  du  gegen  mir  dem  Schein  nach  ganz  keusch 
und  eingezogen  dich  gezeiget  hast  ?  Ich  will  alle 
erfindlichen  Tormenten  wider  dich  ergehen  lassen, 
deine  Lasterthat  zu  bestrafen.  Golo !  Versäumet 
keine     Zeit     und     beschleuniget     Eure    Rückreise 


280 

97 o  wiederum  dahin,  um  sie  sammt  dem  Kinde  aus 
den  Weg  räumen  zu  lassen ,  durch  einen  sehr 
schmählichen  Tod,  damit,  wenn  ich  nach  Hause 
komme,  ich  sie  nicht  mit  meinen  Augen  anzu- 
sehen bemüssigt  bin. 

Golo. 
975  Ganz  gehorsamster  Diener,    Ihro  hochgräfliche 

Gnaden :  Alles  soll  nach  so  hohem  Befehl  auf  das 
Schleunigste  vollzogen  werden.  Beide  treten  ab. 

Verwandlung .     Raum  vor  dem  Kerker. 

41.  Auftritt. 

Hanswurst  tritt  auf. 

Blitzblau  weiss  und  graue  Näth!  Wunder  über 
Wunder!     Unsern  Koch  den  Drakonus,  hat  unser 

980  Hofmeister  in'n  alten  Keller  lassen  abisperren,  wo 
kein  Wein  nit  drin  is :  da  hat  sich  der  verzweifelte 
Kerl  so  voll  ang'soffen,  dass  er  hat  ein'  Bauch 
kriegt,  schier  so  gross  als  wie  unser  G'schloss,  und 
aft  hat  sich  der  arme  Hascher  gar  z'todt  g'soffen. 

985  Wer  wird  uns  jetzt  was  kochen  ?  O ,  du  armer 
Wursthansel,  wie  wird's  auf  d'  Läng  noch  aus- 
schauen ?     Geht  ab.     Golo  und  ein   Bedienter  treten  auf» 

42.  Auftritt. 

Golo. 
Mein  getreuer  Diener ,    Ihr  sollet  wissen ,  dass 
von  dem   Grafen  der  Befehl   ergangen,   die  Gräfin 

990  sammt  dem  Kind  ums  Leben  zu  bringen.  Darum 
gehet  hin ,  nehmet  sie  aus  dem  Gefängniss,  und 
damit  im  ganzen  Schloss  niemand  was  erfahre, 
nehmet  noch  einen  Diener  zu  Euch  ,  und  führet 
sie  mit  ihrem  Kind  in  einen  finstern  Wald  :   alldort 

995  sollt  ihr  sie  beide  ermorden ,  und  zum  Zeichen 
bringt  mir  der  Gräfin  ihre  Zunge  zurück  ,  damit 
ich  ihres  Todes  versichert  bin. 


28l 


Bedienter. 

Dieses  zu  verrichten,  Herr  Hofmeister,  sollt  Ihr 

an  mir  einen    würdigen  Diener  finden:     wenn  es 

looo  mir  aber  zur  Ankunft   des  Grafen  übel  vergolten 

wird ,    werdet  Ihr  mich  zu  entschuldigen    wissen, 

da  ich  Euren  Befehl  zu  vollziehen  bemüssigt  wurde. 

Beide  gehen  ab. 

Der   Vorha?ig  des  Kerkers  wird  aufgezogen .     Ein  Mädchen 
stellt  sich  weinend  vor  den  Kerker. 

43.  Auftritt. 

Gräfin. 
Mein  Kind,  warum  weinst  du  denn  also  sehr? 

Mädchen. 
Gnädige  P'rau,  Euer  allzu  grosses  Elend  treibt 
1005   mir    die  Zähren  aus    den  Augen,   weil  der   Hof- 
meister Befehl  erhalten  von  dem  Grafen,  dass  er 
Euch  kann  hinrichten  lassen. 

Gräfin. 
Und    was    soll    denn    hernach   meinem  armen 
Kind  geschehen  ? 

Mädchen. 

10 IG       Es  wird  ihm  auch  nichts  besser  als  wie  Euch. 

Gräfin. 
Ach,  mein  Gott  und  Herr!    Wie  hab  ich  doch 
ein  so   grosses  Uebel  um  dich  verschuldet,    dass 
ich  und   mein  Kind  sollen  grausamer  Weise  hin- 
gerichtet  werden !     Hab  ich  denn  dieses  erlebet, 

1015  dass  ich  als  wie  eine,  welche  die  Ehe  gebrochen, 
sollte  sterben ,  die  ich  meinem  Herrn  die  ver- 
sprochene Treue  zu  halten,  soviel  Ungemach  bis- 
her hab  leiden  müssen?  O  mein  Gott,  komm  mir 
in  dieser  Noth  zu  Hilfe  und  erlöse  mich  von  dem 

1020  grimmigen  Tod!  Mein  Kind,  gehe  in  mein 
Zimmer,  bring  mir  Feder,  Tinte  und  Papier :  da 
hast  du  den  Schlüssel,  und  offenbare  niemand  was 
davon  ! 


282 

Mädchen. 
Ja,  gnädige  Frau,  dieses  werde  ich  mit  willigstem 
1025    Gehorsam  schleunigst  vollziehen,   was  Ihr  mir  an- 
befehlet.    Geht   ab    und   kommt  gleich  zurück.      Allhier 
habe  ich  schon,  was  Ihro  Gnaden  verlangt  haben. 
Gräfin. 
Nun  warte  ein  wenig,  bis  ich  etliche  Zeilen  ge- 
schrieben   habe.     Schreibt.     Diesen    Brief  trage  in 
1030  mein  Zimmer    und   lege   ihn  in  das  Schreibbuch, 
und  für  deine  Mühewaltung  nimm  dir  von  meinen 
Kleinodien,  so  viel  dir  beliebig  ist. 

Mädchen . 
Gnädige    Frau ,    ich    werde  dieses  gern    willig 
vollziehen.  Wollte  wünschen,  ich  könnte  Euch  mehr 
1035  Dienste  leisten.     Geht  ab. 

44.  Auftritt. 

Die  beiden  Bedienten  kommen  zur  Gräfin  in  den  Kerker. 

Zxveiter  Bedienter. 

Ihro  Gnaden,  gehet  mit  uns ,    denn  wir  haben 

Befehl  erhalten ,    Euch  auf  einen   andern  Ort   zu 

führen.    Die  Bedienten    treten    mit     der    Gräfin    auf  der 

linken  Seite  ab.     Der  Vorhang  des  Kerkers  wird  zugezogen. 

45.  Auftritt. 

Verwandlung.    Die  Gräfin  mit  den  Bedienten  im.  Walde. 

Gräfin, 

Ach,  gute  Freunde  und  Diener  meines  Herrn, 
1040  ihr  habt  mich  zwar  aus  dem  harten  Gefängniss 
endlich  befreit ;  da  ich  mich  nunmehr  aber  in  einem 
finstern  Wald  befinde,  unwissend,  was  daraus  ent- 
stehet, so  sagt  mir  doch  zur  Gnad ,  was  ihr  mit 
mir  weiter  anfangen  wollt :  lasset  mir  auch  zuletzt 
T045  mein  Schloss  noch  einmal  anschauen,  aus  welchem 
ihr  mich  geführet,  und  vollziehet  den  Befehl,  der 
euch  gegeben  ist,  da  ich  wahrlich  nichts  Gutes 
von  euch  zu  erwarten  habe. 


283 

Erster  Bedienter. 
Gnädige  Frau,  wir  haben  Befehl  erhalten  von 
1050  dem  Hofmeister  Golo,  und  zwar  den  schärfsten, 
Euch  ohne  alle  Gnad  sammt  dem  Kind  das  Leben 
zu  nehmen.  Darum  bereitet  Euch  zum  Sterben, 
damit  wir  Euch  und  Eurem  Kind  das  Leben 
nehmen  können. 

.    Gräfin  legt  das  Kind  vor  sich  und  kniet  nieder. 

1055  Ach,  liebe  Diener,  ich  habe  weder  euch  noch 
jemand  anderm  ein  Leid  angethan:  was  soll  euch 
denn  zu  solcher  That  bewegen?  Hier  liegt  mein 
unschuldiges  Waislein ,  so  den  Tod  noch  nicht 
verschuldet !  Ach,  du  armes  Kind,  herzallerliebster 

1060  Schatz,  ach,  könnt  ich  dich  so  lang  auf  meinen 
Armen  tragen,  als  ich  dich  unter  meinem  Herzen 
getragen  habe.  Die  Diener  stellen  sich,  als  wollten  sie 
das  Kind  tödtcn ,  die  Gräfin  steht  auf  und  fällt  ihnen  in 
die  Arme.  O,  liebe  Leute,  verschonet  doch  das  arme 
unschuldige  Kindesblut,  und  wenn  ihr  eurem  Befehl 

1065  nachleben  wollt,  so  nehmet  mir  doch  eher  das  Le- 
ben, damit  ich  nicht  ansehen  darf  meines  Kindes 
Tod  und  also  gezwungen  werde,  zweimal  zu  sterben. 

Erster  Bedienter. 
Weil  denn  die  kindliche  Liebe  so  gross  in  Euch 
und  das  mitleidige  Ansehen  seines  Todes  die 
1070  Schmerzen  noch  verdoppelt,  also  dass  Euch  er- 
träglicher fällt,  bevor  selbst  zu  sterben,  derowegen 
strecket  alsbald  den  Hals  zum  Streich.  Die  Gräfin 
kniet  nieder,  der  erste  Diener  zieht  das  Schwert  und  will 
zuschlagen. 

Gräfin. 

Ich  bin  zwar  bereit  zum  Sterben,  aber  glaubt 
mir ,  dass  ihr  euch  durch  meinen  Tod  gröblich 
1075  versündiget,  da  ich  von  dem  Hofmeister  falsch 
verklagt  und  unschuldig  bin  dahin  gebracht  worden, 
weil  ich  seinen  bösen  Willen  nicht  hab  wollen 
vollbringen. 


284 

Zweiter  Bedienter. 
Bruder,  halte  ein  und  bedenke  dich  besser,  dass 
1080  wir  niemals  von    der  Gräfin  was  Unrechtes    ver- 
nommen noch  gesehen  haben,  auch  wohl  mit  der 
Zeit    deren  Unschuld    an   Tag    kommen    möchte, 
welches  uns  von    dem    Grafen    reichlich    belohnt 
würde.  Warum  sollen  wir  unsere  Schwerter  mit  dem 
1085  unschuldigen  Blut  der  Gräfin  färben? 

Erster  Bedienter. 
Ich  hätte  zwar  gleiches  Erbarmen,  weil  aber  der 
Hofmeister  ihres  Todes  vergewissert  sein  will,  wie 
bringen   wir  denn  zum  Zeugniss  die  Zunge   nach 
Hause? 

Zweiter  Bedienter. 

1090  Dessen  sei  unbekümmert,  denn  der  Hofmeister 
kennt  es  nicht,  wenn  es  auch  eine  Hundszunge 
ist.  —  Hochwohlgeborene  Gräfin,  das  Leben  sei 
Euch  geschenkt,  lasset  Euch  aber  stets  angelegen 
sein ,    dass  Ihr  Euch    niemals  sehen    lasst    ausser 

1095  dieser  Wildniss,  damit  wir  nicht  verrathen  und 
unsere  Barmherzigkeit  mit  Rache  belohnt  werde. 
Was  Eure  Nahrung  betrifft,  mögt  Ihr  selbst  suchen, 
so  gut  Ihr  könnt.  Verzeihet  uns  unsere  Euch  an- 
gethane  Schmach,  wir  empfehlen  Euch  in  den  Schutz 

II 00  Gottes  und  verhoffen  Euch  in  jener  Welt  wieder- 
zusehen. 

Gräfin. 
Der   allmächtige    Gott    wolle  eure  Barmherzig- 
keit, so  ihr  an  mir  und  meinem  Kinde  erzeiget, 
allergnädigst  belohnen.    Behüt  euch  Gott  und  ver- 

1105  zeiht  auch  mir,  wenn  ich  euch  beleidigt  habe. 
Die  zwei  Diener  entfernen  sich.  Nun  bin  ich  VOn  aller 
Menschenhilfe  und  Gemeinschaft  abgesondert  und 
muss  mit  bitterer  Hungersnoth  mein  in  der  Jugend 
angefangenes  Einsiedeleileben  mit  grossem  Herze- 

II I  o.  leid  fortsetzen.  Ach,  womit  werde  ich  in  dieser 
Wildniss  meine  matten  Glieder  erquicken?  Kein 
Wasser  weiss  ich  nicht  zu  finden ;  die  Nacht  bricht 


285 

allgemach  heran,  die  wilden  Thiere  suchen  ihren 
Raub,  die  lieben  Vögelein  haben  ihrem  Gesang  ein 

II 15  Ende  gemacht.  Sieh  denn,  o  himmlischer  Vater,  vom 
hohen  Himmel  herab  und  errette  mich  elende  Frau 
sammt  meinem  Kinde  vor  den  wilden  Thieren, 
damit  ich  morgen  mich  besser  umsehen  und  etwa 
eine  Steinhöhle  oder  einen    hohlen   Baum    finden 

II 20  möchte,  darein  ich  mich  verbergen  und  vor  dem 
Regenwetter  geschützt  sein  kann.  Geht  ab. 

46.  Auftritt. 

Golo  tritt  auf. 
Nun  hab  ich  mich  an  der  Gräfin  gerächt !     Ob- 
wohl ich  sie  mit  Hintansetzung  meiner  zum  Tod 
geliefert,  so  befindet  sich  doch  mein  Gemüth  viel 

1125  ruhiger  als  zuvor,  dieweil  ich  ihre  Gestalt  vor 
Augen  habe ,  welches  mich  zu  ihrem  eigenen 
Unglück  angereizt.  Ich  mache  mir  kein  Bedenken 
meiner  Schuld  darüber,  die  auf  mich  fallen  soll, 
denn  ich  werde  mich  bei  der  Ankunft  des  Grafen 

1130  schon  zu  verhalten  wissen,  dass  die  Unschuld 
Genovefa's  nicht  an  den  Tag  kommt.    Geht  ab. 

47.  Auftritt. 

Hanswurst  kommt. 
Weiss  der  Teuxel,  wie's  in  unserm  Schloss  auf 
d'Läng  noch  wird  werden!    Das  geht  mir  amal  nit 
ein ,   dass  i  Tag  und  Nacht  kein  Fried    nit  han : 

II 35  bald  muss  ich  dorthin,  bald  daher:  bevor,  weil 
der  Graf  heimkommen  will,  sollt  ein  jeder  Kietzen 
auf  sein  Ort  kemma.  Es  heisst  ja  alleweil,  ich 
krieget  a  gut's  Trinkgeld,  aber  noch  hab  ich  nichts 
g' sehen;  kann  sein,  dass  ich  an  grösseren  Jahrlohn 

1140  krieg,  weil  der  Hosenmeister  das  Trinkgeldgeben 
auf  den  Bestand  hat  ausgelassen.  So  will  i  halt 
gehen,  damit  die  Haderei  amal  an  End  hat.  Der 
Kuhdirn  wiar  i's  eh  sagen,  dass's  den  Stall  sauber 
ausmisten  thut,  weil  ohnedem  alles  muss  g'schliffen 

II45    sein.  Geht  ab. 


286 


Der  mittlere   Vorhang  wird  aufgezogen.     Eine  Felsenhöhle 
wird  vorgestellt,  und  die  Gräfin  tritt  auf. 

48.  Auftritt. 

Gräfin. 

Ach,  ich  unglückliche  Mutter^  wo  soll  ich  mich 
hinwenden  r  Das  Klagen  und  Weinen  meines  Kindes 
giebt  meinem  betrübten  Herzen  viele  tausend 
Stiche ,  die  Kräfte  entschvvinden  mir,  und  nichts 

1150  steht  in  meiner  Gewalt,  mit  welchem  ich  dir,  mein 
Kind,  zu  Hilfe  kommen  könnte,  um  dir  die  nöthige 
Nahrung  zu  reichen:  darum  will  ich  dich  aus 
meinen  Armen  entlassen,  weil  es  mir  unmöglich 
ist,     dieses    unerträgliche  Leidwesen    länger    an- 

1155  zusehen.  Sie  legt  das  Kind  unter  einen  Baum,  geht  da- 
hin tmd  spricht  weiter.  Mein  Gott  und  Erlöser,  können 
denn  deine  Augen,  die  sonst  so  mitleidig  sind, 
ansehen ,  dass  das  unschuldige  Blut  aus  Mangel 
an  Nahrung  verschmachten  muss?     Siehe,  wie  es 

II 60  mit  seinem  milden  Weinen  so  inbrünstig  zu  dir 
um  Hilfe  rufet !  Ach,  erbarme  dich  doch  für  dieses 
verlassene  Waislein ,  ich  habe  ja  keinen  Trost 
mehr  auf  Erden  als  dieses  mein  einziges  Söhnlein. 
So  du  mir  dann  dasselbe  nimmst,  so  muss  ich  ja 

II 65  gar  vertrauern  in  dieser  Wildniss :  darum,  um 
meines  Trostes  willen ,  rette  dasselbige ,  so  will 
ich's  erziehen  zu  deinen  göttlichen  Diensten. 
Es  erscheint  eine  Hirschkuh,  die  das  Kind  säugt.  Grosse 
und  wunderbarliche  göttliche  Gütigkeit,     der   du 

II 70  mein  unwürdiges  Gebet  allergnädigst  erhört!  Da 
ich  folgsam  erkennen  muss ,  dass  du  mir  dieses 
zahme  Wild  zur  Ernährung  meines  Kindes  ge- 
sandt, darum  sei  dir,  o  Gott,  für  diese  himmlische 
Wohlthat  unendlicher  Dank  gesagt ;  ich  bitte  dich 

II 75  auch  zugleich  um  Fortsetzung  dieser  Gnade,  so 
du  zu  meinem  Trost  verordnet  hast. 

Der  mittlere  Vorhang  wird  zugezogen. 


287 

Im  Schloss,     Der  Graf  kommt  aus  dem  Krieg  nach  Hause. 

49.  Auftritt. 

Graf. 

Demnach  ich  nun  meine  Kriegsdienste  mit  viel 
Mühe  und  Gefahr  zu  Ende  gebracht  und  nunmehr 
mich  zu  Haus  in  Etwas  ergötzen  könnte,  hat  doch 

II 80  mein  Gemüth  nicht  das  geringste  Vergnügen,  kann 
auch  nicht  mehr  finden,  was  ich  bei  meiner  Ab- 
reise hinterlassen,  nämlich  das  Liebste  auf  Erden, 
was  mir  immer  auch  als  ein  Schatten  vor  Augen 
liegt.     O,  hebste  Genovefa,    wo  seid  Ihr   hinge- 

II 85  kommen,  ach,  wie  weit  habt  Ihr  Euch  versehn 
und  in  meiner  Abwesenheit  vergangen  ?  Ach,  wer 
kann  glauben,  was  ich  leide  1  Gleichwohl  ist  mir 
herzlich  leid,  meine  liebste  Genovefa !  Ich  wollte 
wünschen ,    dass    ich    sie    noch    einmal    lebendig 

II 90  sehen  könnte:  alle  mir  angethane  Schmach  soll 
von  mir  in  Vergessenheit  gestellt  werden  und 
ihretwegen  nimmermehr  daran    gedacht    werden. 

Golo  tritt  auf. 

50.  Auftritt. 

Graf, 

Golo  1       Kommet     herbei ,     und    hört    meinen 
schweren  Traum ,    den  ich    heute  Nacht  erlitten, 
II 95   demnach  ich  im  Schlafe  sah,  wie  ein  Drache  meine 
liebe  Gemahlin  hinwegriss,  und  niemand  war  da, 
der  ihr  in  dieser  Noth  Hilfe  leistete. 
Golo. 
Der  Drache  bedeutet  den  Koch,  welcher  Dra- 
konus  geheissen  und  seiner  Treu  vergessend  die 
1200  Gräfin  ihrem  rechtmässigen  Herrn  entzogen,  und 
im  übrigen  sollen  Ihro  Gnaden  einem  leeren  Traum 
nichts  zumessen,  denn  sie  hat  wohl  mehr  verdient, 
als  sie   empfangen. 

Graf, 

Ob   sich  zwar    meine  äusserlichen  Sinne  durch 
1205  diese  Worte  befriedigen  lassen,  so  kann  doch  mein 


288 

ängstiges  Gewissen  keine  Ruhe    finden,    weil    es 
von  Betrübniss  gänzlich  eingenommen  ist. 
Golo. 
Wenn  Eure  hochgräfliche  Gnaden  sich  mit  einer 
Jagd     oder     anderer     Zeitverkürzung     erlustigen 

12 IG  wollen,  so  bin  ich  bereit,  als  Dero  treuester  Diener 
zu  solchem  alle  gehörigen  Anstalten  zu  machen : 
mittlerweile  werde  ich  mich  auf  dero  gehörige 
Herrschaften  verfügen  und  alldort  der  Nothdurft 
nach    eine    Zeit    lang    wegen    vorfallenden    Ver- 

1 2 1 5  richtungen  verbleiben ;  beliebt  es  mich  aber  von 
dort  anhero  zu  citiren,  so  will  ich  keine  Zeit  ver- 
säumen ,  solchem  Wunsche  gehorsamst  nachzu- 
kommen. 

Graf. 

Wenn  etwas  Nöthiges  auf  meinen  Gütern  vor- 
12  20  gefallen,  so  reiset  hin  und  verrichtet  solches  nach 
Eurem  besten  Wissen ;  bringet  anhero  alles,  was  im 
Schloss  Euer  Amt  mit  sich  bringt  in  gute  Ordnung 
und  reiset  hernach  andere  Geschäfte  zu  verrichten 
nach  Eurem  Belieben.     Beide  ab. 

51.   Auftritt. 

Jäger  tritt  auf. 

1225  Seit  die  Gräfin  aus  dem  Schloss,  und  der  Graf 
nach  Hause  gekommen ,  ist  weder  Freud  noch 
Lust  zu  finden  bei  allen  Bedienten :  ja,  der  Graf 
selbst,  ob  man  schon  mit  Jagen  und  Hetzen  und 
allerhand    Kurzweil    die    Zeit    hindurchzubringen 

1230  suchet,  ist  doch  immer  voller  Traurigkeit,  und 
mehr  wie  zuvor :  und  will  das  alles  nichts  nützen, 
des  Grafen  Bekümmerniss  aus  dem  Herzen  zu 
reissen. 

Fischer  tritt  bei  den  letzten    Worten  auf. 

52,  Auftritt. 

Fischer. 

Dass  es  dir  schwer  fallet,  ist  wohl  zu  glauben, 
1235  ^^^^  <^^s  ist  auch  wahr,  obschon  das  Wild  flüchtig 


289 

und  nicht  wie  die  Hirschen  gleich  eingeschränkt 
ist ,  sind  dir  doch  jederzeit  zur  Jagd  einige  Ge- 
hilfen gegeben ,  ich  aber  muss  den  ganzen  Tag 
allein  bei  dem  Wasser  die  Sonnenhitze  erdulden, 
1240  und  sehr  oft,  und  manchen  Tag  mit  grossem  Ver- 
druss  umsonst  arbeiten.  Aber  sag  mir  doch, 
warum  der  Graf  anjetzo  ganz  verkehrt  zu  sein 
scheint ,  und  der  Hofmeister  Golo  so  unverhofft 
verreiset  ist? 

Jäger. 

1 245  Nachdem  der  Graf  vom  Krieg  zurückgekommen, 
scheinet  er  freilich  ganz  verändert  zu  sein;  die 
Ursach  lässt  sich  leichtlich  finden,  und  ist  nur  zu 
besorgen,  wenn  des  Hofmeisters  Falschheit  an  den 
Tag    kommt,    dass    auch    auf  uns  Bedienten  ein 

1250  Argwohn  lasten  wird,  und  glaube  für  gewiss,  mein 
Bruder,  dass  sich  der  falsche  Golo  derowegen 
auf  eine  Zeit  vom  Schloss  hinweg  gemacht  hat, 
damit  entweder  der  Graf  von  ihm  keinen  Arg- 
wohn schöpfen,  oder  aber  wenn  solches  offenbar 

1255  würde,  er  der  verdienten  Strafe  desto  leichter 
entrinnen  kann.  Doch  weil  von  diesem  zu  reden 
nicht  erlaubt  ist,  wollen  wir  uns  beiseits  begeben, 
damit  wir  nicht  verrathen  werden.      Beide  ab, 

53.   Auftritt. 

Der  mittlere   Vorhang  wird  aufgezogen. 

Gräfin  Genovefa  mit  Schmerzenreich  im,   Walde. 

Gräfin. 

1260  Ach,  wir  armen,  elenden  Frauen!  Wer  soll 
wohl  glauben  können,  dass  mein  Stammhaus  von 
Brabant  war  und  ich  aus  vornehmem  Geschlecht 
entsprossen  bin!  Ach,  Graf  Siegfried,  Ihr  habt 
mich  mehr  zu  meinem  Elend  als  zu  meinem  Ver- 

1265  gnügen  in  das  Triersche  Land  gebracht;  Euch 
aber  seie  alles  verziehen,  weil  Ihr  von  falschen 
Anklagen  selbst  hinter  das  Licht  geführt  worden. 

Volksschauspiele.  ig 


290 

O,  schmerzensvoUe  Genovefa  1  Keine  menschliche 
Speise  habe  ich  zu  gemessen ,  mein  armes  Kind 
1270  kann  ich  nicht  bekleiden!  Nicht  umsonst,  mein 
Kind,  habe  ich  dich  in  der  Taufe  Schmerzenreich 
genannt,  da  du  von  Jugend  auf  genug  Schmerzen 
hast   leiden   müssen !  Ein  Engel  erscheint. 

54.  Auftritt. 

Engel. 

Genovefa!  Genovefa!    Fürchte  dich  nicht,   ich 
1275  will  für  dich  und  dein  Kind  Sorge  tragen. 

Gräfin  kniet  nieder. 

Barmherziger  Gott !  Gedenkst  du  noch  an  mich 
arme  Sünderin !  O ,  Genovefa,  bekümmere  dich 
nicht  in  deiner  Verlassenheit,  Gott  hat  dir  ja  die 
Hirschkuh  zur  Ernährung  deines  Kindes  gesandt, 
1280  welche  täglich  dein  Kind  säuget,  die  Kräuter  und 
Wurzeln  zu  deiner  Nahrung  herbeibringt,  und  noch 
zum  Ueberfluss  will  er  dich  sammt  deinem  Kind 
ernähren !  Wie  lang,  o  Herr,  wird  es  dir  gefallen, 
mich  in  dieser  Wildniss  zu  erhalten? 

Der  Engel  kommt  mit  einem  Kreuze. 

1285  Ermuntere,  o  Genovefa,  deine  Gedanken,  und 
erfrische  dein  Gemüth.  Gott  hat  mich  gesandt, 
dir  dieses  Kreuz  einzuhändigen  und  hiermit  deinen 
traurigen  Zustand  zu  mildern,  und  weil  dich  ge- 
dünkt,   dass    dein  Elend    gar    zu  schwer  sei,    so 

1290  wisse,  dass  dein  Erlöser  nichts  verschuldet  und 
dennoch  viel  mehr  hat  leiden  müssen.    Verschwindet. 

Gräfin. 
O,  wahrer  Trost  meiner  Seele  I  Allgütigster 
Gott,  was  soll  ich  mich  beklagen?  Fürwahr,  ich 
handelte  unweislich.  Zwei  Jahre  wohne  ich  in 
1295  dieser  Wüste,  da  du  mich  allezeit  gnädigst  be- 
wahrt: ja  sogar  die  wüden  Thiere  haben  sich 
gegen    mich    dienstbar    erzeigt.      Ach ,    verzeihe, 


291 

o  Herr,    in  deinem  heiligen  Willen,    und  erhalte 
mich  in  dieser  Wüste,  so  lang  es  dir  beliebt ,  ver- 
1300  leih  mir  auch  Geduld  in  meiner  Trübsal  und  ein 
standhaftes  Herz. 

Der  mittlere   Vorhang  wird  zugezogen. 

55.  Auftritt. 

Der  Graf  schläft  im  Zimmer  auf  seinem  Bett.    Es  schlägt  zwölf,  ein 
Geist  tritt  auf,  geht  zu  dem  Grafett,  und  ufnfasst  ih?i  mit  beiden 

Armen. 

Graf. 
Himmel,  wie  geschieht  mir !  —  —  —  Ich  er- 
starre,   was    ersehe   ich?     Kommt    mir   zu  Hilfe, 
stehet  mir  bei,  rettet  mich  ! 

56.  Auftritt. 

Erster  Bedienter  tritt  auf.    Der  Geist  verschwindet. 
1305       Um  des  Himmels  willen,  wo  fehlt's!    Was  be- 
fehlen Ihro  Gnaden? 

Zweiter  Bedienter  kommt. 
Hier  bin  ich,  Ihro  Gnaden  zu  hohen  Befehlen. 

57.  Auftritt. 

Hanswurst  kommt. 
Da  bin  ich,  Herr  Schmalzgraf,  was  fehlt  enk, 
dass  a  so  schreit's,  wie  a  Zähnbrecher?    Hat  enk 
13 10  eppa  die  Trud  druckt? 

Graf. 
Ach,  getreue  Diener —  ein  Geist! 

Zweiter  Bedienter. 
Ein  Geist?    fürchten  Sie  sich   nicht,    wir  sind 
alle  zugegen. 

Hanswurst. 
Was,    ein  Geist?     Wo   ist    der  Kerl,    ich  will 
1315  ihn  gleich  z'sam  trischacken. 

19* 


292 

Graf. 

Höret,  liebe  Diener,  ich  lag  hier  im  besten 
Schlummer,  nichts  Widriges  befürchtend :  halb  er- 
wachend hörte  ich  den  Hammer  1 2  Uhr  schlagen, 
dann  verspürte  ich  eine  fürchterliche  Ahnung, 
1320  worüber  ich  erwachte.  Ich  sah  neben  meinem 
Bett  einen  Geist  stehen,  welcher  sich  mir  nahete 
und  mich  mit  seinen  kalten  Armen  umklammerte : 
da  ich  mir  vor  Angst  nicht  zu  rathen  wusste, 
hab  ich  zu  euch  um  Hilfe  geschrien. 

Zweiter  Bedienter. 
1325        Fürchten    sich    Ihro   Gnaden   nicht  mehr,    wir 
verspüren  nichts  von  einem  Geist. 

Graf. 
Er   ist   bei   eurer  Ankunft   augenblicklich   ver- 
schwunden. 

Hanswurst . 
Der  Kerl  hat's  g'schmeckt,  dass  ihm  net  wird 
1330  gut  gehen,  wenn  ich  über  ihm  kommen  war. 

Graf. 

Weil  ich  mich  vom  Schrecken  wiederum  etwas 

erholt  habe,  so  könnet  ihr  euch  wieder  zur  Ruhe 

begeben,    soll    mir   aber   nochmalen    dergleichen 

begegnen,  so  kommt  eilends,  wenn  ich  euch  rufe. 

Erster  Bedienter. 
1335        Wie  Ihro  Gnaden  befehlen,   ich  werde  immer 
wachsam  sein. 

Zweiter  Bedienter. 
Ich  werde  mein  Auge  nicht  schliessen,  um  auf 
den  leisesten  Ruf  bereit  allda  zu  stehen. 

Hanswurst. 
Und  ich  gehe  gar  nimmer  schlafen ,    ich  bleib 
1340  bei    enk    da,    Herr    Schmalzgraf,    und   wiar   den 
Kerl    wegblasen,    wenn  er  noch  einmal  kommen 
sollt  1 


2  93 

Beide  Bedienten, 

Wir   wünschen  Ihro  Gnaden   die  angenehmste 
Ruhe.     Beide  treten  ab.    Der  Hanswurst  bleibt  allein  auf 
der  Wache,  geht  eine  Zeitlang  auf  und  ab  und  spricht  nichts 
als:   Wer  da?    Wer  da? 

Graf, 

1345       Ach,  ist  der  Geist  schon  wieder  kommen? 

Hanswurst. 

Noch  daweil  nit;  ich  hab  mich  nur  exerciert, 
wie  ich  machen  werd ,  wenn  er  noch  einmal 
kommen  sollt. 

Graf. 

O,  wie  bin  ich  durch  dein  Geschrei  erschrocken. 

Hanswurst. 

1350  Schlafen's  nur  sicher  fort,  es  ist  genug,  wenn 
ich  bei  enk  Schildwach  halt :  kein  Geist ,  kein 
Gespenst,  keine  Trud  soll  zu  mir  ins  Zimmer 
herein  kommen,  wenn  ich  Schildwach  steh  1  Geht 
eine  Zeit  auf  und  ab.    Ich   kann  jawohl   ein   wenig 

1355  sitzen,  und  a  klein's  Schlaferl  machen ;  heunt  bin 
ich  schon  sicher,  heunt  kommt  nix  mehr.    Schnarcht. 

Der  Geist  erscheint,    weckt   den  Grafen,    der  aufsteht   und 
ihm  nachfolgt ;  der  Geist  zeigt  ausserhalb  der  Thür  mit  einem 
Finger  auf  einen  Punkt  und  verschwindet. 

Graf  ruft. 

Bediente ,   wo  seid  ihr  ?    kommt  mir  zu  Hilfe  1 
Eilet  I     Eilet !  Die  zwei  Bedienten  kommen. 

58.  Auftritt. 

Erster  Bedienter. 

O,    Wunder,    wie    sind   Ihro    Gnaden   hierher 
1360  gekommen?! 

Zweiter  Bedienter, 
Ihro  Gnaden  sind  sicher  durch  den  Geist  hie- 
her  geführt  worden. 


294 

Graf. 

Nicht  anders ;  der  Geist  kam,  drohte  mit  seinem 
Finger ,    und    winkte   mir    nachzufolgen ;    ich    er- 
1365   schreckte  sehr,   doch  fasste  ich  Muth,  stand  auf 
und    folgte  ihm  an  den  gegenwärtigen  Ort  nach, 
dann    zeigte  er  mit  seinem  Finger  auf  die  Erde, 
und  verschwand  vor  meinen  Augen. 
Erster  Bedienter. 
Schauderhafte  Begebenheiten!     Was    soll  wohl 
1370  dieses  zu  bedeuten  haben? 

Zweiter  Bedienter, 
Unfehlbar  muss  es  des  Drakonus  Geist  sein,  der 
Geist   des    gewesenen  Kochs ,    welcher  von  Golo 
unschuldiger   Weise    hingerichtet    und    dem    Ver- 
nehmen nach  in  diesen  Keller  begraben  worden  ist. 

Graf. 

1375       Boshafter  Golo,    unschuldiger  Drakon !     Führ 
mich  aus  diesem  Orte  wieder  in  mein  Zimmer. 

Beide  Bediente. 

Ihro  Gnaden  haben  zu  befehlen. 

Treten  wieder  ein. 

Hanswurst. 
Wer    da!     Wer   da!     Ist's  der  Geist  oder  das 
Gespenst,    oder   die  Trud?     Hinaus   mit  solchen 
1380  Lumpenzeug!    Mein  Herr  will  schlafen,  a  Schild- 
wach derf  ma  nit  lang  vexiren,  i  wetz  den  Säbel. 

Erster  Bedienter. 
Nur  g' scheid   vor  dem  Grafen. 

Hanswtirst. 
So  seid's  ös  der  Herr  Schmalzgraf?    Schlechte 
Raison  für  enk,  dass  so  heimlich  vor  der  Scliild- 
1385  wach  vorbei  schleicht's  und  meldt's  gar  nichts  an, 
dass  ich  hätt  schreien  können:  wer  dal 

Graf. 
Auf   dich    dürfte  man  sich  verlassen ;   du  hast 
deine  Sache  gut  gemacht. 


295 

Hanswurst, 


Da  fehlt  nix. 


Graf. 

1390  Nun  begebet  euch  alle  zur  Ruhe,  ich  hoffe, 
der  Geist  wird  nicht  mehr  kommen,  weil  er  mir 
selber  sein  Verlangen  angezeigt.  Morgen  des 
Tags  werde  ich  an  dem  angewiesenen  Orte  auf- 
graben lassen,  sollen  sich  Drakonus'  Gebeine  allda 

1395  vorfinden,  solche  erheben  und  nach  christlichem  Ge- 
brauch zur  Erde  bestatten  lassen,  den  mörderischen 
Golo  aber  zur  gebührenden  Strafe  heranziehen  l 

Bediente  und  Hanswurst  ab. 

Graf  allein. 
Ach,  wie  unrecht  habe  ich  gehandelt,  dass  ich 
so    leichtlich    geglaubt    und    meine    unschuldige 

1400  Genovefa  zum  Tode  verurtheilet  und  von  derselben 
keine  Verantwortung  oder  Entschuldigung  hab 
anhören  wollen  !  O,  ich  Unglückseliger !  Wo  soll 
ich  mich  hinwenden,  dass  ich  Verzeihung  erlange  I 
O,  herzliebste  Genovefa,  wo  seid  Ihr?    O,  aller- 

1405  liebste  Gemahlin,  was  leide  ich  Euretwegen?  Da 
ich  zu  dunkler  Nachtzeit  mich  zur  Ruhe  begeben 
solle,  werde  ich  stark  von  Geistern  geplagt,  noch 
mehr  aber  schmerzt  mich  dieses  Brieflein,  o  liebste 
Genovefa,    so  Ihr   mir    zur  Vertheidigung   Eurer 

1410  Unschuld  in  Eurem  Zimmer  hinterlassen  habet  I 
Liest  den  Brief.  »Gnädigster  Herr,  herzhebster 
Gemahl!  Demnach  ich  verständigt  worden,  dass 
ich  auf  Euren  Befehl  morgen  sterben  sollte,  hab 
ich  mit  diesen  Zeilen  einen  freundlichen  Abschied 

141 5  von  Euch  nehmen  wollen;  ich  will  zwar  gern 
sterben,  weil  Ihr  es  befehlt,  ob's  mir  gleich  sehr 
bitter  fallet,  dass  Ihr  mich  unschuldiger  Weise  zum 
Tod  verdammt!  Die  ganze  Ursache,  dass  ich 
sterben  muss,  ist  diese,  weil  ich  meine  Euch  an- 

1420  gelobte  Treue  nicht  hab  brechen  wollen,  noch 
des  geilen  Hofmeisters  Willen,  der  mich  zu 
wiederholten    Malen    gleichsam    zur    Unehre    ge- 


296 

nöthiget,  habe  wollen  willfahren.  Ich  messe  meinem 
Herrn  keine  andere  Schuld  bei,  als  dass  er  meinem 

1425  Ankläger  zu  leichtlich  geglaubt,  und  mir  zur 
Verantwortung  keine  Gelegenheit  vergönnt  war. 
So  bezeuge  ich  vor  meinem  Gott,  vor  dessen 
strengem  Gericht  ich  morgen  erscheinen  werde, 
dass    ich    all    mein    Lebtag    ausser  Euch   keinen 

1430  Mann  erkannt  habe,  noch  auch  jemals  in  der- 
gleichen eingewilligt.  Gleichwohl  gehe  ich  un- 
schuldig zum  Tod,  weil  es  der  Himmel  also  ver- 
langet ,  bleibe  aber  der  sichersten  Hoffnung ,  es 
werde  noch  einmal  ein  Tag  aufgehen,  an  welchem 

1435  meine  Unschuld  aufgedeckt  und  meines  Anklägers 
Falschheit  wird  offenbar  werden.  Noch  habe 
ich  zu  hinterbringen,  dass  ich  einen  Sohn  in 
dem  elenden  Gefängniss  zur  Welt  gebracht  habe, 
welcher  in  Kürze  bald  wieder  wird  sterben  müssen. 

T440  Lebet  wohl,  Graf  Siegfried,  ich  verzeihe  Euch 
von  Herzen  und  will  Gott  auch  nach  meinem 
Tode  bitten ,  dass  mein  unschuldiges  Blut  keine 
Rache  über  Euch  noch  über  meinen  Ankläger 
schreie.    Dieses  schreibe  ich  mit  zitternden  Händen 

1445  u^^  schliessenden  Augen,  weil  mir  der  nahe- 
stehende Tod  das  Herz  mit  Schrecken  erfüllt ! 
Verbleibe  Eure ,  bis  in  den  Tod  getreue ,  und 
um  dieser  Treue  Willen  zum  Tode  verdammte 
Genovefa  I    Meinem  herzallerliebsten  Grafen  Sieg- 

1450  fried  zu  hohen  Händen.«  —  O  Jammer!  O  Elend! 
Wo  soll  ich  Rath  finden,  o  Genovefa !  Bittet  für 
mich  bei  Gott,  und  verzeihet  auch  mir  Eure  Euch 
zugefügte  Misshandlung !  O  verfluchter  Golo ,  o 
verrätherischer  Bösewicht,   wie  hast  du  mich   be- 

1455  trogen !  Was  für  ein  Tod  ist  für  dich  zu  erdenken, 
ja  tausendmal  sterben  ist  für  dich  zu  wenig ! 
Meine  Schwermuth  will  ich  verhüllen  und  dich 
mit  List  anhero  berufen,  dann  dich  aber  in 
denselben  Thurm    einsperren  lassen,  wo  vormals 

1460  meine  liebe  Genovefa  gewesen!  Schreibt. 


2  97 


59-  Auftritt. 


Jäger  tritt  auf. 
Weil    dem    Vernehmen    nach    ein    Tractament 
angestellt    wird ,    so  habe  ich  nothwendig  zu  sein 
erdacht,    eine  Jagd    anzustellen,    damit    auch  die 
Küche  keinen  Mangel   erleidet. 

Graf. 

1465  Ganz  recht  habt  Ihr  geredet,  und  ich  bin  selbst 
dahin  gesinnet.  Damit  auch  die  ankommenden 
Gäste  wohl  traktirt  werden,  so  werde  ich  selbst  auf 
die  Jagd  reiten  und  um  etwas  Gutes  zu  bekommen 
mich  befleissen ,    Ihr  aber  geht  hin  und  holt  mir 

1470  zwei  Bediente  und  macht  indessen  alle  möglichen 
Anstalten  zur  Jagd.  Jäger  geht  ab,  Bediente  kommen. 
Um  die  ankommenden  Gäste  bestens  zu  be- 
wirthen,  bin  ich  Willens,  auf  die  Jagd  zu  reiten, 
ihr   aber   sollt  zurückbleiben.     Diesen  Brief  über- 

1475  schicket  dem  Hofmeister  Golo ,  welcher  hierher 
citirt  wird ,  und  wenn  er  kommt ,  so  lasst  ihn 
alsbald  in  eben  diesen  Thurm  ohne  Wortgefecht 
in  Ketten  schliessen,  allwo  die  Gräfin  unschuldig 
verschlossen    gewesen ,     darin     ihr    ihn    bis    auf 

1480  weitere  Verordnung  wohl  verwahren  und  mit 
Wasser  und  Brot  abspeisen  sollt. 

Erster  Bedienter, 
Soll  sich  der  Hofmeister  auf  erhaltenes  Schreiben 
hier    einfinden ,    so   werden    wir  Alles    nach  dero 
hohem  Befehl  bestens  verrichten. 

Graf  und  die  Bedienten  ab. 

60.  Auftritt. 

Dir  mittlere  Vorhang  wird  aufgezogen ;  die  Gräfin  mit  dem  Kinde 
im   Wald  wird  vorgestellt. 

*;■■  Gräfin. 

1485       Mein  lieber  Schmerzenreich,    du    weisst ,    dass 

::  vvir  niemand  haben,  der  uns  in  Durst  und  Hunger 


298 

erquicke,  und  uns  alle  unsere  Nothdurft  selbst  zu- 
bereiten und  suchen  müssen  :  derowegen  wollen  wir 
uns  mit  Wurzeln  und  Kräutern  versehen,  damit  wir 
1490  im  Winter,  wenn  die  Erde  mit  Schnee  bedeckt 
ist,  unsere  Nahrung  zu  Händen  haben  und  in 
Vorrath  bringen. 

Schmerzenreich . 
Liebe  Mutter,  sind  denn  noch  mehr  Menschen 
auf  der  Welt?     Warum   gehen  wir  nicht  auch  zu 
1495   ihnen,  und  leiden  allhier  so  grosse  Noth  ? 

Gräfin. 
Mein  liebes  Kind,  die  Welt  ist  weit  und  breit 
und  sind  viele  tausend  Millionen  Menschen  darinnen, 
auch  schöne  und  grosse  Städte ,  viele  Schlösser, 
Märkte  und  Dörfer  und  alle  Häuser  mit  Menschen 
1500  angefüllet.  Du  fragst,  warum  wir  nicht  bei  den 
anderen  Menschen  wohnen,  darauf  ich  dir  ant- 
worte, dass  es  Gott  dem  himmlischen  Vater  also 
beliebig  ist,  und  er  uns  in  dieser  Wildniss  zu 
leben  verordnet  hat. 

Schmerzenreich. 
1505        Meine  liebe  Mutter,  Ihr  lehrtet  mich  beten  das 
Vaterunser ;  wer    ist  denn  unser  Vater ,    oder  wo 
hat  er  seine  Wohnung:    Können  wir  nicht  zu  ihm 
kommen? 

Gräfin. 
Ach,    mein    Sohn,    der   Vater   aller   Menschen 

15 IG  hat  seine  Wohnung  in  dem  Himmel,  den  wir 
mit  leiblichen  Augen  nicht  sehen  können ,  also 
allein  nach  dem  Tode  \  derselbe  verschafft  allen 
Menschen  ihre  Nothdurft  und  erhält  uns  auf 
Erden,  gleichwie  er  Alles  erschaffen  hat,  was  du 

1 5 1 5  siehst  und  nun  selbst  bist ;  dein  natürlicher  Vater 
aber ,  von  welchem  du  geboren  und  entsprossen 
bist,  war  ein  vornehmer  Herr  und  Graf  in  dieser 
Landschaft,  welcher  mich ,  nachdem  ich  als  eine 
Ehebrecherin    fälschlich    angeklagt    worden ,    aus 


299 

1520  dem  Schloss  Verstössen,  und  in  diese  Wildniss, 
so  lang  wir  leben,  ins  Elend  vertrieben;  wir 
werden  ihn  auch  nicht  mehr  sehen,  bis  er  und 
wir  von  dieser  Welt  geschieden,  und  er  vor  dem 
himmlischen  Vater    seinen  Fehler    erkennen    und 

1525  meine  Unschuld  an  den  Tag  kommen  wird. 

61.  Auftritt. 

Hanswurst  tritt  auf. 
He    Bummerl,    Wascherl,    Stutzerl,    Mopperl, 
Brand],  wiss,  wiss,  dach,  dach  I    Mir  müssen  mit- 
einander ins  Jagen  spazieren.     Wiss,  wiss !   dach, 
dach  !  wann  von  Wildbrat  an  warmen  Bissen  wollt's 
1530  haben ! 

62.  Auftritt. 

Der  Graf  und  Bediente  treten  auf, 

Graf. 
Ihr   Bediente,    theilet    euch    auseinander   und 
jaget  fleissig  nach,    du   aber,   Hanswurst,    bleibe 
bei    mir.  Die  Bedienten  theilen  sich. 

Hanswurst. 

Ja,    mir  sein   die  besten  Jäger,    i  will  Wildsau 
1535   jagen,   hui,    hui,    he!      Die  Gräfin  flieht   in  die  Höhle. 
Die  Hirschkuh  wird  vorgezogen. 

Graf, 

Das  Wild,  so  ich  ersehen,  ist  vor  meinen  Augen 
verschwunden:    aber  siehe,  dort  in  der  Spelunke 
kommt  mir  etwas  Bewegliches  vor ;  gehe  und  be- 
sieh es,  ob  es  Thiere  oder  sonst  ein  unverhofftes 
1540  Abenteuer  sein. 

Hanswurst. 

Hallo !  Wer  da !  Oder  wer  bist  du  ?  Sag  mir's, 
sonst  schiess  ich  zu ! 


300 

Gräfin. 

Ich  bin  eine  arme,  vertriebene,  alte  Frau. 

Hanswurst. 
Eine  alte  Wildsau  ist's,   Herr  Schmalzgraf;  ich 
1545  weiss    schon,    eine    alte  Wildsau  ist's!     Muss  ich 
schiessen  ?    Ich  schiess ! 

Graf. 
Du    Einfalt,    ein    Wildschwein    wird    mit    dir 
reden    können.     Gehe  hin  und  frage  recht,    wer 
sie  ist. 

Hanswurst. 
1550       Mei  Herr  glaubt's  nit,   dass  ös  a  alte  Wildsau 
seid's ;   ös  sollt's  mir's  recht  sagen,  sonst  lass  ich 
krachen ! 

Gräfin. 
Ich    bin    eine    arme    Eremitin    und    wohne    in 
meiner  Eremitei. 

Hanswurst. 

1555  He,  Herr  Schmalzgraf,  jetzt  hab  i's  Rechte  er- 
fragt :  es  ist  der  Kredit  und  Hegt  bei  sein  Wei ; 
i  han  halt  ja  net  g'wisst,  wo  der  Kredit  hin- 
kommen is ,  dass  mir  der  Wirth  nichts  mehr 
borgen  wollen ;  da  hätt  i  den  Kredit  a  mein  Leb- 

1560  tag  nit  g'sucht. 

Graf. 
Du   hast    noch  nicht  recht  verstanden.      Gehe 
hin  und  frage  nochmals,  wer  es  denn  ist. 

Hanswurst. 
Muss    noch    einmal    fragen ,    mein    Herr    sagt, 
er    kunnt's    nit   glauben.     Also   jetzt    habt's  Zeit, 
1565  dass  mir's  sagt's,    wann's  net  wollt's  daschossen 
werden. 

Gräfin. 
Ach,  Hanswurst,  lasse  mich  zufrieden. 


SOI. 

Graf. 
Was  soll  dies  bedeuten?  Du  musst  von  lieder- 
lichen Leuten  herkommen  und  etwan  vor  diesem 
1570  ein  Zigeuner  gewesen  sein,  dass  dich  diese  wilde 
Frau  kennt  und  deinen  Namen  wusste.  Gehe 
noch  einmal  hinein  und  frage  sie  recht,  wer  sie 
denn  recht  sei? 

Hanswurst. 
Weil's  ÖS  meant's,  dass  ich  a  solcher  bin,  geht's 
1575   selber  hin  und  fragt's  es,  wenn's  a  so  a  Kurage 
habt's. 

Graf, 
Bist  du  von  Gott  und  ein  wahrhafter  Mensch, 
so  komme  heraus  und  sage,  was  dich  zu  solchem 
Leben  gezwungen  hat. 

Gräfin. 
1580  Weil  ich  mit  keinen  Kleidern  versehen  bin, 
mit  welchen  ich  vor  einem  Grafen  erscheinen 
dürfte,  so  werfet  mir  zur  Gnad  Euren  Mantel 
herein,  damit  ich  vor  Euch  gebührend  erscheinen 
kann.  Es  geschieht.     Die  Gräfin  tritt  hervor. 

Graf. 
1585       Wer  Ihr  seid,  möcht  ich  wohl  wissen,  und  noch 
mehr,    wie    Euch    mein    Name   bekannt   ist   und 
warum    Ihr    ein    so    unmenschliches    Leben    er- 
wählet habt? 

Gräfin. 

Ach,  mein  Herr,  ich  bin  eine  arme  Frau,  eine 
1590  Herzogin  aus  Brabant  gebürtig;  ein  unvermeid- 
licher Nothzwang  hat  mich  in  diese  Wüste  ge- 
trieben, ich  hab  mit  einem  vornehmen  Herrn  in 
Ehestand  gelebt,  welcher  mir  viel  Gutes  erwiesen : 
der  Argwohn  aber,  welchen  er  zu  leicht  wider 
1595  ntieine  Treue  gesetzt,  hat  ihn  bewogen,  dass  er 
in  meinen  und  in  meines  Kindes  Tod  einge- 
willigt hat,    welcher  jedoch  von  guten  Freunden 


302 

unterbrochen,     und     mir     das    Leben     erhalten 
worden. 

Graf. 
1600       Saget    mir    doch,    wie    heisst  Ihr    mit  Namen, 
und  wie  ist  der  Name  Eures  Eheherrn. 

Gräfin. 

Mein  Herr  heisst  Siegfried,  ich  Armselige  aber 
nenne  mich  Genovefa. 

Graf. 

O  mir  Unwürdigen,  den  die  Sonne  bescheinet, 
1605  und  Nichtswürdigen,  den  die  Erde  verschlingen 
soll!  O  Genovefa!  Ach,  liebet  Ihr  mich  noch, 
so  verzeihet  mir,  kniet  nieder  der  ich  zu  Euren 
Füssen  falle  und  nicht  eher  aufstehen  will,  bis 
ich  von  Euch  Verzeihung  meiner  Misshandlung 
16 10  erlangt  habe! 

Gräfin  hebt  ihn  auf. 

Stehet  auf,  Graf  Siegfried,  und  bittet  vielmehr 
Gott  um  Verzeihung  unserer  Sünden,  und  ver- 
zeihet auch  denen ,  so  mich  und  Euch  diessfalls 
beleidiget  haben. 

Graf, 
161 5  Geliebte  Genovefa!  Ihr  saget  von  Verzeihung, 
nie  werde  ich  Verzeihung  erlangen,  noch  auch 
demjenigen  verzeihen  können ,  der  zu  diesem 
Unheil  die  Ursache  ist.  Sagt  mir  doch ,  wo  ist 
unser  Sohn? 

Gräfin. 

1620  Er  brockt  Wurzeln  und  Kräuter,  welches 
unsere  Nahrung  ist  in  diesem  siebenjährigen 
Elend.    Hier  kommt  er  und  bringt's,  wie  Ihr  sehtl 

Schmerzenreich  springt  herbei. 

Mutter  1  Mutter  1  Was  ist  das  für  ein  Mann,  der| 
bei  Euch  steht?     Ich  fürchte  mich  vor  ihm! 


303 

Gräfin. 
1625       Komm  her,    mein  Kind,    komm  her:  du  hast 
mich    oft   gefragt    um    deinen  Vater,    komm  und 
küsse  deinem  Vater  die  Hände. 

Graf. 

Ach,  Genovefa,  ist  es  unser  Kind?  Soll  das  der 
Sohn    eines    so  sündhaften  Vaters  sein?     Ihr  Be- 

1630  dienten,  kommet  herbei  und  machet  euch  theil- 
haftig  dessen ,  was  mich  auf  Erden  am  höchsten 
erfreut ;  erstaunet  über  die  Allmacht  Gottes  und 
erkennet  wiederum  eure  Frau ,  welche  durch 
Schickung  Gottes  sieben  Jahre  in  dieser  Wildniss 

1635  ihr  schmerzvolles  Leben  zugebracht! 

Alle  Bedienten  kommen  und  sprechen  zugleich. 

Ach,  lebet  denn  diejenige  noch,  welche  schon 
für  tot  beweinet  wurde,  ob  deren  Gegenwart 
wir  uns  alle  von  ganzem  Herzen  erfreuen? 

Gi'af. 

O,  mein  Sohn ,  sage  auch  deinen  Namen  und 
1640  was  du  mit  deiner  armen  Mutter  gelitten  hast. 

Schmerzenreich, 

Herzliebster  Vater,  mein  Name  ist  Schmerzen- 
reich. Unsere  Nahrung  sind  Wurzeln  und  Kräuter, 
unsere  Gesellschaft  die  wilden  Thiere,  und  unsere 
Ergötzlichkeiten  die  Vögelein  gewesen.  Ich  hab 
1645  auch  keinen  Menschen  gesehen  als  Euch  und 
Euren  Diener. 

Graf. 

Ihr  Diener  kehret  nach  Hause,  bringet  Wägen 
und  Sänften  entgegen,  darinnen,  was  ich  ge- 
funden, nach  Haus  begleiten;  am  Ende  dieser 
1650  Wildniss  werdet  ihr  mich  finden.  Veranstaltet 
im  Schloss  Alles,  was  zu  solchem  Einzug  ge- 
bühren mag. 


I 


3^4 

Hanswurst. 
So    wolln     ma    halt   gehn ,    Herr    Schmalzgraf. 
Muss  ich  den  alten  Karren  auch  mitnehmen,  dass 
1655   ma  die  Wildsau  mögen  heimführen? 
Hanswurst  und  aie  Diener  treten  ab. 

Gräfin. 

Geliebter    Graf  Siegfried,    erlaubet   mir,    das 

Kreuz ,   so    mir    der  Engel    des  Herrn    gebracht, 

mit  mir  zu  nehmen.     Nun  behüt'  dich  Gott,  meine 

Höhle,    die    du  mich  sieben  Jahre  getreulich  be- 

1660  herberget  I  Anstatt  meiner  behalte  hiefür  die 
wilden  Thiere ,  so  mich  täglich  besuchet  haben. 
So  traurig  ich  hineingegangen  bin,  so  traurig  ver- 
lasse ich  sie  wieder,  weil  ich  voraussehe,  dass 
mein  Leben   im    Schloss     nicht    so    lang    dauern 

1665  wird,  als  ich  hier  ge wohnet,  auch  meine  Natur, 
die  sich  der  Kräuter  gewöhnt  hat ,  keine  andere 
Speise  mehr  vertragen  wird  können. 

Graf. 
Dieses  werden  wir  erfahren,  herzliebste  Geno- 
vefa,    und   lasst    uns  nun  gehen  und  ins  Schloss 
1670  den  Einzug  halten.  Alk  gehen  ab. 

63.   Auftritt. 

Fischer  tritt  auf. 

Es  ist  ein  altes  Sprichwort :  wo  sich  ein 
Wunder  begiebt,  dem  folgt  gern  das  andere  nach. 
Mein  Lebtag  hab  ich  keinen  so  grossen  Fisch  ge- 
sehen als  wie  den,  den  ich  gestern  in  der  Mosel 

1675  gefangen  hab,  noch  mehr  aber  ist  zu  bewundem, 
dass  in  seinem  Eingeweide  ein  goldener  Ring 
verborgen  lag ,  und  möcht  mich  wohl  bedenken 
machen ,  als  ob  etwan  solcher  der  Gräfin  in 
ihrem    siebenjährigen   Herumwalgen    unversehens 

1680  ins  Wasser  gefallen,  oder  auch  mit  Absicht  von 
derselben  hineingeworfen  worden. 


305 


64.  Auftritt. 


Hanswurst  kommt. 
He,  lirum,  larum!  Heut  giebt's  an  guten  Schmaus 
ab;    mei  Lebtag   han    i  kein  so  lustigen  Tag  ge- 
sehen.    Der  Graf   hat    die    Gräfin    g'funden    und 

1685  hat's  mitsammt  ihrem  Buben  ins  G'schloss  her- 
bracht. Helf  Gott  dem  stolzen  Hofmeister,  der 
Kerl  wird  schmutzen ,  wenn  er  die  Gräfin  amol 
sieht.  Er  kann  leicht  sein  Kopf  verlieren,  der 
Graf  ist    so    voller  Freuden ,    dass  er  sein  Veferl 

1690  wieder  g'funden  hat;  die  Augen  haben  ihm  g' wassert, 
als  wie  der  rinnaugeten  Urschel  im  Spital.  Jetzt 
thun  wir  acht  Tag  lang  nichts  anders,  als  essen 
und  trinken :  Beten  fahren  thun  wir  in  der 
heiligen  Zeit.     Geh  Bruder,  i  wer  dir  zeigen,  was 

1695   die  Gräfin  für  a  Aussehen  davonbracht.    Beide  ab. 

65.  Auftritt. 

Graf,    Gräfin  und  Schmerzenreich  im  Schlosse. 

Graf . 
Herzliebste  Genovefa,  weil  wir  durch  die  un- 
ergründliche Vorsichtigkeit  Gottes  wiederum  zu- 
sammengeführt worden,  so  lasset  uns  Gott  loben 
und  preisen  und  den  ehrvergessenen  Golo  zur 
1700  Verantwortung  rufen,  damit  er  verdienten  Lohn 
empfange,  welches  Urtheil  Ihr  nun  selbst  fällen 
sollt. 

Gräfin, 

Liebster  Gemahl,  es  hat  zwar  der  Bösewicht 
wegen  der  mir  zugefügten  Misshandlung  ge- 
1705  messene  Bestrafung  verdient,  da  mir  aber  durch 
Gottes  Beistand  sammt  meinem  Kind  das  Leben 
erhalten  blieb ,  verlang  ich  nicht  den  Tod  des 
Hofmeisters ,  wohl  aber  mag  ich  leiden,  dass  er 
empfindlich  abgestraft  wxrde. 

Die  Diener   bringen  den  Hofmeister  in  Ketten. 
Volksschauspiele.  20 


3o6 

66.  Auftritt. 

Graf. 

1 7  I  o  Hier  siehst  du ,  Erzbösewicht ,  was  du  dich 
unterstanden,  und  bedenke  hingegen,  was  du  ver- 
schuldet hast.  Getraust  du  dich  in  das  Antlitz 
der  Gräfin  zu  schauen,  welche  du  so  gewissenlos 
versucht    hast?     Wenn    dieses  Verbrechen    einem 

1 7 1 5  andern  erfahren  wäre,  und  er  dich  zur  Bestrafung 
dessen  befragt  hätte ,  würdest  du  ihn  nicht  zum 
grausamsten  Tod  verdammt  haben?  Nun  soll  dir 
ein  Gleiches  widerfahren. 

Golo. 
Ach,  mir  Elendem!  Wo  habe  ich  hingedacht, 
1720  wie  weit  hat  mich  der  Teufel  gereizt  und  durch 
die  Frauenschönheit  betrogen !  O ,  verblendeter 
Golo ,  wie  wird  es  dir  ergehen  !  Ich  muss  be- 
kennen, dass  alle  heimhchen  Instrumente  nicht 
genug  seien,  meinen  Fehler  zu  bestrafen. 

Graf. 

1725  Wisse,  verzweifelter  Bösewicht ,  dass  zwar  die 
Gräfin  für  dich  gebeten  hat ,  derowegen  sollst 
du  von  allen  andern  Tormenten  befreit  und  nur 
allein  mit  vier  Pferden  zerrissen  werden.  Dero- 
wegen führet  ihn  hin  und  alle  diejenigen,  so  ihm 

1730  zu  diesen  Laster  dienstbar  waren,  jene  aber, 
welche  der  Gräfin  eine  Barmherzigkeit  erwiesen, 
will  ich  reichlich  belohnen  und  zu  höheren 
Aemtern  erheben.  Die  Diener  mit  Golo  ab.  Der  Graf, 
die   Gräfin  und  ihr  Sohn  bleiben  zurück. 

Gräfin. 

Mein  lieber  Schmerzenreich,  du  hast  mich  oft 
1735  gefragt,  ob  in  der  Welt  mehrere  Menschen  sind, 
und  wo  sie  wohnen :  jetzt ,  da  du  auch  unter 
Menschen  gekommen  bist ,  sage  mir,  wie  gefällt 
dir  dieses  Weltleben  r  Möchtest  du  auch  ein  so 
hoher  Herr  sein,  wie  dein  Herr  Vater  es  ist? 


307 

Schmerzenreich, 
1740  Liebste  Frau  Mutter!  Was  mich  betrifft,  ver- 
lange ich  kein  solcher  Herr  zu  sein  und  wäre 
vergnügter  in  der  Wüste  unter  der  Gesellschaft 
der  wilden  Thiere,  als  uiiter  den  Komplimenten 
im  Schloss. 

Gräfin. 

1745       Herzliebster  Gemahl,    die  Zeit   kommt   herbei, 

da  ich  hingehe,  wo  ich  gekommen  bin,  als  nem- 

lich  der  Leib  in  die  Erde,  die  Seele  in  die  ewige 

Glorie.    Allhier  im  Schloss  ist  mein  Leben  nicht, 

die  Natur   will  keine  Speis  erdulden,    die  Todes- 

1750  stund  hat  mir  die  Mutter  Gottes  angesagt.    Darum 

Graf  Siegfried  übernehmet  von  mir  meinen  Trau- 

^U  ring,    welchen   ich    zu  Eingang  in  die  Mosel  ge- 

^B         werfen,    und    der  durch  Euren  Fischer  in  einem 

^V         grossen    Fisch    gefunden    worden   an    dem    Tag, 

™I755   da    wir  ins  Schloss  angekommen  sind.     Ich  will 

auch    inständig    gebeten    haben,    diesen    unsern 

Sohn    Schmerzenreich   in   aller   Gottesfurcht   und 

Liebe   zu   erziehen    und  als  Euren  rechtmässigen 

Sohn    nicht    zu    Verstössen.      Adje ,     mein    Herr 

1760  Siegfried!  Geht  ab. 

Graf. 
O  holdselige  Genovefa,  Eure  Worte  sind  trauer- 
reich ,    so    dass    sie    mein    Herz    mit   Leid    und 
Schreck    erfüllen.     Hab   ich    denn   Eure    Gegen- 
wart nicht  länger  als  zwei  Jahre  genossen?    Hätt 

1765  ich  Euch  m  der  Wildniss  gelassen,  uns  alldort 
eine  Wohnung  erbaut !  Nun  will  ich  nicht  mehr 
mein  Schloss  bewohnen,  sondern  mich  in  jene 
Höhle  verfügen,  allwo  meine  Gemahlin  ein  so 
strenges  Leben  geführt  hat,  und  zweitens  werde 

1770  ich  dir,  mein  Sohn,  die  ganze  Grafschaft  überlassen. 

Schmerzenreich, 
Liebster  Herr  Vater,  meint  Ihr,  dass  es  recht 
sei,  dass  Ihr  den  Himmel  für  Euch  erwählet  und 
mir    vor    meinem    Tod    eine    kleine    Erde    über- 

20* 


3o8 

lasset?    Dieses  sei  fern  von  mir,  denn  ich  verlang 
1775   so  wohl  als  Ihr  denselben  zu  bekommen. 

Graf. 

Liebster  Sohn  I    Wenn  du  nur  das  rauhe  Buss- 
leben wirst  tragen  und  ausstehen  können  ! 

Schmerzenreich. 
Ja,  viel  besser  als  Ihr,  mein  Herr  Vater,  denn 
ich  hab  schon  sieben  Jahr  die  Probierzeit  aus- 
1780  gestanden:  derowegen  will  ich  auch  mein  übriges 
Leben  zubringen,  wo  ich  von  meiner  Frau  Mutter 
bin  auferzogen  worden ;  überlasse  also  meinem 
Herrn  Vetter  die  ganze  Grafschaft,  selbe  frei  zu 
beherrschen  und  den  Armen  davon  Gutes  zu  thun. 

Graf, 

1785        Weil  du  dich,  mein  lieber  Sohn,  also  auch  ent 
schlössen  hast,  so  will  ich  mit  Anhaltung  des  Erz- 
bischofs Hidolfus  zu  Trier  an   den  Ort  der  Höhle 
eine  Kirche  nebst  zwei  Klausen  erbauen,  so  schön 
und  kostbar  es  meine  Liebe  gegen  meine  geliebte 

1790  Genovefa  verdient:  darin  will  ich  mit  meinem  Sohn 
Schmerzenreich  Gott  als  Eremit  dienen  und  ver- 
bleiben bis  an  mein   Ende.  Treten  aK 

67.   Auftritt. 

Hanswurst  tritt  auf. 

Juhel     Jetzt   bin   ich   voller  Freud,    weil  mein 
Herr,  der  Stuhlfried,  Einsiedler  will  werden,  und  der 

1795  Hosenmeister  hat  a  schon  den  Todestanz  g'sungen, 
dass  ihm  der  Athem  is  z'kurz  worden  und  hat 
gar  sein  Geist  ausg'spieb'n  dabei.  I  han  zwar 
a  Weil  Herrn  g'nung  g'habt,  aber  jetzt  auf  d'letzt 
hab   i    gar   kan  :    hiatzt  wir  i  wohl  Graf  werden, 

1800  und  wir's  Haus  mitsammt  dem  Schloss  kriegen. 
He,  lustig,  i  freu  mich  schon  drauf,  und  vor 
lauter  Freud  wir  i  ans  singen. 

Er  singt  ein  Lied,   loie  sich' s  hier  schickt. 


1^ 


ANMERKUNGEN 
UND  ERLAEUTERUNGEN. 


^ 


Das  ParadeisspieL 

Seite  I. 

Noch  vor  wenigen  Jahrzehnten  wurde  das  »Paradeisg' spiel«, 
wie  es  im  Volksmunde  heisst,  in  vielen  Gegenden  der  deutschen 
Steiermark,  und  zwar  von  Vertretern  der  bäuerlichen  Bevölkerung, 
selbst  zur  Darstellung  gebracht.  Verschiedenen,  theils  gedruckten 
und  schriftlichen ,  theils  mündlichen  Berichten  ist  zu  entnehmen, 
dass  noch  in  diesem  Jahrhundert  Aufführungen  des  Paradeisspieles 
in  Hitzendorf  bei  Graz,  in  Vordernberg,  in  Eisenerz,  in  der  Um- 
gegend von  Leoben  ,  in  Trieben  im  Paltenthale ,  in  den  Thälern 
des  oberen  Murbodens  und  in  verschiedenen  Orten  des  Mürzthales 
thatsächlich,  zweifellos  auch  noch  in  vielen  anderen  Gebieten  der 
deutschen  Steiermark,  stattfanden.  Der  Name:  »Paradeisspiel« 
deutet  den  biblischen  Schauplatz  der  Handlung,  das  Paradies, 
an,  welches  ja  wie  in  Steiermark,  so  noch  in  anderen  Gegenden, 
insbesondere  Süddeutschlands,  im  Volksmunde  das  »Paradeis« 
heisst.  Unter  demselben  Namen  begegnen  wir  Volksspielen, 
welche  auch  denselben  Stoff,  die  Vertreibung  Adams  und  Eva's 
aus  dem  Paradiese ,  behandeln ,  in  den  deutschen  Gebieten  bei 
Pressburg  in  Ungarn ,  in  Oberösterreich ,  in  Salzburg  und  in 
einigen  an  Steiermark  grenzenden  Ländern,  als  »Adam  und  Eva- 
Spiel«  überhaupt  weist  es  die  Volksbühne  österreichisch-deutscher 
und  süddeutscher  Länder  öfter  auf.  Karl  Weinhold  ist  es ,  dem 
das  Verdienst  gebührt,  in  seinen  »Weihnacht-Spielen  und  Liedern« 
(Graetz.  1853)  zuerst  ein  steiermärkisches  Paradeisspiel  in  Ver- 
bindung mit  dem  Schäferspiele  S.  302 — 371  des  erwähnten  reich- 
haltigen Werkes  veröffentlicht  zu  haben.  Ein  anderes,  bedeutend 
kürzeres  steirisches  Paradeisspiel  findet  sich  in  Roseggers  Zeit- 
schrift » Heim  garten «  ,  Jahrg.  I.  1877,  S.  860 — 864  abgedruckt. 
Dasselbe  stammt  aus  dem  Gebiete  des  oberen  Murbodens,  es  hat 
mit  dem  Texte,  den  Weinhold  aus  der  Gegend  von  Vordernberg 
erhalten,  wenig  mehr,  als  den  Gegenstand  selbst,  gemein,  aller- 
dings dürfte  der,  wie  bei  allen  diesen  Spielen  unbekannte  Ver- 
fasser nach  der  Anlage  des  Murbodener  Spieles  das  Vordernberger, 
beziehungsweise  ein  dem  letzteren  ähnliches  Paradeisspiel  gekannt 
haben.  Eine  eingehende  Untersuchung  hierüber  und  über  das 
Verhältniss  der  übrigen  Paradeisspiele  unter  einander  kann  hier 
nicht    am  Platze  sein  ,    da  eine  solche  mehr  Raum  beanspruchen 


312 

würde,  als  der  ganze  Text  des  Spieles,  und  die  vorliegende  Samm- 
lung hauptsächlich  den  Zweck  hat ,  die  Texte  selbst  zu  bieten ; 
ich  hoffe  jedoch  Gelegenheit  zu  haben  ,  nochmals  darauf  zurück- 
zukommen. Insbesondere  seit  dem  Erscheinen  von  Aug.  Hart- 
mann's  umfassender  Sammlung:  »Volksschauspiele«  (Leipzig.  1880) 
ist  mancher  Stoff  zum  Vergleichen  geboten,  wenn  auch  bei  Hart- 
mann die  Bezeichnung:  »Paradeisspiel«  nicht  vorkommt.  Besonders 
beachtenswerth  sind  die  von  K,  J.  Schröer  in  seinen  »Deutschen 
Weihnachtsspielen  aus  Ungarn t'  (Wien.  1862)  mitgetheilten  Pa- 
radeisspiele von  Oberufer  und  aus  Salzburg  (Gastein),  wenn  man 
sie  mit  der  von  mir  gebotenen  steierischen  Fassung  zusammen- 
hält. Man  vergleiche  in  dem  erwähnten  Werke  Schröer's 
S.  123  bis  150,  S.  175  bis  186  und  S.  200,  in  Weinhold's  oben 
citirtem  Buche  aber  die  vorausgehenden  Bemerkungen  und  Unter- 
suchungen S.  294  ff.,  sowie  den  Text  des  Vordernberger  Paradeis- 
spieles S.  302  ff. ,  dessen  zweiter  Theil  S.  334  ff.  unter  dem 
Namen  des  »Schäferspieles«  in  Steiermark  und  Kärnten  vorkommt. 
Auch  das  von  W.  Pailler  in  seinen  »Weihnachtsliedern  und  Krippen- 
spielen« (Innsbruck.  1884)  II.  Bd.  S.  23  ff.  publicirte  Paradeisspiel 
aus  dem  Traunkreise  Oberösterreichs  ist  besonders  zu  beachten. 

Das  >^ Paradeisspiel«  in  der  Fassung,  wie  ich  sie  an  dieser 
Stelle  biete ,  entstammt  einem  Quarthefte  aus  Mitterndorf  im 
Mürzthale ,  das  wahrscheinlich,  wie  alle  derartige  Handschriften, 
für  die  wirkliche  Aufführung  als  Textbuch  diente.  Die  Schrift 
ist  ausnahmsweise  deutlich  und  von  dem  Schreiber  in  einer  Art 
Fractur  abgefasst ,  was  aber  nicht  hindert ,  dass  manches  Sinn- 
störende sich  eingeschlichen  hat,  das  unbedingt  verbessert  werden 
musste.  Jedenfalls  hat  der  Schreiber  von  einer  älteren  Vorlage 
abgeschrieben ,  in  welcher  die  Fehler  ebenfalls  schon  vorhanden 
waren.  Die  Aufzeichnung  der  hier  abgedruckten  Fassung  dürfte 
etwa  in  den  zwanziger  oder  dreissiger  Jahren  unseres  Jahrhunderts 
entstanden  sein.  Der  Schreiber  hat  als  Titel  die  Worte  vor- 
gesetzt: 'Rabular  über  das  sogenannte  Paradeiss-Spiel«  (Rapular). 
Auf  den  Text  des  »Paradeisspieles«  folgt  in  demselben  Hefte 
und  von  derselben  Hand  »Das  Schäferspiel« ,  welches  ebenfalls 
nach  dieser  Aufzeichnung  hier  abgedruckt  erscheint.  Schröer 
hat  bei  den  von  ihm  publicirten  Paradeisspielen  aus  Ungarn  auf 
die  zahlreichen  Stellen  hingewiesen  ,  welche  aus  dem  Spiele  des 
Hans  Sachs:  »Tragedia  von  der  schepfung  fall  und  ausstreibung 
Adae  aus  deni  paradeiss«  (wiederabgedruckt  in  der  Ausgabe  des 
Hans  Sachs:  Biblioth.  d.  liier.  Ver.  in  Stuttgart.  CIL  Hans  Sachs 
1.  Bd.  S.  19  ff.)  sich  darin  finden.  Auch  in  dem  Mitterndorfer 
Texte  finden  sich  verschiedene  solche  Stellen,  welche  darauf  hin- 
weisen ,  dass  der  unbekannte  Verfasser  Hans  Sachsens  Spiel  be- 
nützt hat.  Insbesondere  unterscheidet  sich  in  dieser  Beziehung 
die  Mitterndorfer  Fassung  des  Spieles  von  dem  Vordernberger 
Texte  bei  Wcinhold ,  da  z.  1^.  die  Rede  des  Gott  Vater  im 
letzteren  Poesie  und  Prosa  gemischt  aufweist ,  während  in  vor- 
liegender Fassung  (S.  4  Z.   36  ff.)  durchgehends  Verse  stehen,   die 


ll 


313 

mit  den  Hans  Sachs'schen  fast  ganz  übereinstimmen.  Auch  die 
weiteren  Verse  in  meinem  M.  Texte  S.  6  Z.  80  ff.,  S.  7  Z.  107  ff., 
u.  a.  m.  haben  offenbar  die  Verse  Hans  Sachsens  zur  Vorlage. 
Besondere  Aufmerksamkeit  verdient  die  hier  gebotene  Fassung 
auch  wegen  des  43  Strophen  umfassenden  Liedes  mit  dem  stets 
wiederkehrenden  Refrain:  »So  loben  wir  Gott  schon  im  höchsten 
Thron «r ,  welches  Lied  j^ich  durch  das  ganze  Spiel  zieht.  Durch 
den  Refrain  gekennzeichnete  Anklänge  an  dieses  Lied  finden  sich 
auch  anderwärts  in  ähnlichen  Spielen,  wie  ein  Vergleich  mit  dem 
Oberuferer  und  Gasteiner  Spiele  (Schröer  a.  a.  O.  S.  125  ff.,  und 
S.  142),  mit  den  Bruchstücken  des  Ofener,  mit  dem  Laufener 
und  Reichenhaller  Spiele  (Hartmann  a.  a.  O.  S.  14  und  41  ,  so- 
wie S.  51  ,  Anmerk.  5)  nachweist.  Man  beachte  auch  die  erste 
Zeile  des  »Obergrunder  Weihnachtsspieles«  (A.  Peter,  Volks- 
thümliches,  aus  Oester. -Schlesien.  Troppau.  1865.  I.  S.  361),  so- 
wie die  erste  Zeile  der  Rede  Balthasars  in  demselben  Spiele  a.  a. 
O.  S.  403.  Hartmann  war  so  glücklich,  sogar  die  Melodie  dieses 
alten  Liedes,  das  »gewissermassen  den  Chor  des  Dramas«  bildet, 
dem  musikverständigem  Leser  bieten  zu  können.  Man  vergleiche 
auch  die  anklingenden  Stellen  in  dem  hier  abgedruckten  «Krippel- 
spiel«:  S.  76  Z.  89  und  S.  103  Z.  857.  Auch  Hartmann 
weist  auf  die  Beziehungen  vieler  Stellen  zu  Hans  Sachs  hin,  und 
seine  Ausführungen  a.  a.  O.  S.  49 — 51  erhalten  durch  den  Mittern- 
dorfer  Text  noch  besondere  Beachtung. 

Es  liegt  mir  übrigens  durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn 
Pfarrers  Anton  Meixner  in  Kirchberg  a.  d.  R.  der  vollständige  Text 
noch  eines  Paradeisspieles  vor ,  das  nach  der  Angabe  des  ge- 
nannten Herrn  (vom  J.  1872)  in  Hitzendorf  (bei  Graz)  und  Um- 
gebung damals  noch  jährlich  im  Fasching  zur  Aufführung  durch 
Bauersleute  kam.  Dieser  Hitzendorfer  Text  hat  die  meiste 
Aehnlichkeit  mit  dem  Mitterndorfer ;  desshalb  und  um  den  Raum 
nicht  allzusehr  zu  beanspruchen,  nehme  ich  von  der  vollständigen 
Vergleichung  beider  Texte  Abstand.  Der  Haupunterschied  zwischen 
dem  Hitz.  Texte  und  dem  Mitt.  T.  besteht  in  einigen  Kürzungen 
des  ersteren  ,  in  dessen  versificirten  Behandlung  der  Teufelsscene 
(S.  9  ff.'  der  hier  vorliegenden  Fassung),  wobei  jedoch  Prosa 
untermischt  ist,  und  in  der  Einrichtung  des  Hitzendorfer  Spieles, 
wonach  die  Teufel  in  der  Schlussscene  bei  der  Erzählung  vom 
Leiden  Christi  (S.  ^2  vorliegender  Fassung)  abwechselnd  je  einen 
Vers  zu  sprechen  haben,  eine  Zeile  wird  von  Belial  und  die  fol- 
gende von  Luzifer  gesprochen.  Der  humoristische  Ausdruck  der 
Freude  aller  Teufel,  dass  >^eine  Anzahl  der  Welt  in  ihre  Residenz 
einkehren«  werde,  schliesst  das  Hitzendorfer  Spiel,  welches  in 
drei  Akte  getheilt  ist  und  etwas  ausführlicher  über  die  Action 
der  Darsteller  in  den  bezüglichen  Theaterbemerkungen  handelt, 
wie  z.  B.  »Der  Tod  mit  dem  Pfeil  geht  ihm  nach«  —  »Nun 
sticht  er  den  Adam,  und  der  Adam  fällt  nieder«  u.  dgl.  Der 
von  mir  hier  herausgegebene  Mitt.  Text  hat  keine  Eintheilung 
in   Akte   und   Scenen.     Die    Ausdrucksweise   des   Originales   über 


314 

das  Auftreten    und    Abtreten   der  Personen    wurde    möglichst  bei- 
behalten. 

Der  erwähnte  Herr  Pfarrer  Meixner  bemerkt  bezüglich  des 
Paradeisspieles  und  der  in  dieser  Sammlung  darauffolgenden  zwei 
weiteren  Spiele  (Schäferspiel  und  Krippelspiel)  Folgendes:  ^^Das 
Paradeisg' spiel,  das  Krippelg' spiel  (Geburt  Christi)  und  das 
Schäferg' spiel  bilden  eine  ihrem  Inhalte  nach  zusammengehörige 
Trilogie,  indem  das  erste  den  Sündenfall  mit  der  Verheissung  des 
Erlösers ,  das  zweite  dessen  Geburt  und  Ankunft  auf  Erden  und 
das  dritte  dessen  rastlose  Liebe  um  die  verlorenen  Schäflein  dar- 
stellt. <f  In  Hitzendorf  wurden  nach  derselben  Quelle  diese  drei 
Spiele  abwechselnd  bis  1878  fast  alljährlich  zur  Aufführung  ge- 
bracht. Meiner  Erfahrung  nach  stehen  das  Paradeisspiel  und 
das  Schäferspiel  in  engem  Zusammenhang,  der  ja  auch  äusserlich 
bei  Weinhold  in  den  Vordernberger  Spielen  zu  Tage  tritt.  Weitere 
Bemerkungen  über  das  Schäferspiel  folgen  weiter  unten  in  den 
Anmerkungen  zu  denselben. 

Vermuthungen  über  das  genauere  Alter  des  steirischen  Paradeis- 
spieles wage  ich  nicht  festzustellen :  die  Tragödie  von  der 
Schöpfung  des  Hans  Sachs  rührt  aus  dem  Jahre  1548  her  —  da 
Stellen  daraus  im  Paradeisspiele  benutzt  erscheinen,  dürfte  dieses 
vielleicht  zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts  entstanden  sein;  zu  der 
Annahme ,  dass  im  Gegentheile  Hans  Sachs  seine  Verse  einem 
älteren  Texte  des  Volksspieles  entnommen  habe  ,  kann  ich  mich 
nicht  entschliessen. 

Noch  bemerke  ich  für  denjenigen,  der  sich  für  die  höchst 
einfache  Art  der  Darstellung  eines  Paradeisspieles  interessirt,  dass 
in  dem  grossen  Werke  :  »Die  österreichisch-ungarische  Monarchie 
in  Wort  und  Bild« ,  und  zwar  in  dem  Bande  Steiermark  (der 
1890  vollendet  wurde),  für  welchen  ich  eine  kurze  Abhandlung 
über  das  deutsche  Volkslied  und  Volksschauspiel  in  Steiermark 
abzufassen  hatte,  dem  bezüglichen  Aufsatze  von  mir  S.  187  eine 
Abbildung  eingefügt  erscheint,  die  nach  einem  Aquarell  gezeichnet 
wurde ,  das  unmittelbar  nach  der  wirklichen  Darstellung  eines 
Paradeisspieles  in  Obersteiermark  verfertigt  worden  ist.  Leser 
des  vorliegenden  Textes  werden  die  agirenden  Personen  auf  der 
einfachen  Holzbühne  mit  ihrer  primitiven  Decoration  leicht  heraus- 
finden und  auch  die  Scene ,  welche  dargestellt  ist,  erkennen. 
(Vorlieg.  Bandes  S.   16  Z.  363  ff.) 

S.    4    Z.    22    u.    23    Die   Ansprache    des    als  Prolog   auftretenden 
Engels    an    das  Publikum  mit  »Sie«   ist  jedenfalls  der  Höflich- 
keit des  neueren  Bearbeiters  zuzuschreiben. 
S.  6  Z.  81  In  der  Handschr.,    »dass  der  Mensch  nicht  sei  allein«, 

offenbar  ein  Schreibversehen. 
S.  7  Z.   108  »allhier«  nicht  in  der  Hs. 
S.  7  Z.   123  u.   125   »werdest«  statt   »würdest«  in  der  Hs. 
S.  8  Z.   161    In    der  Hs.    steht    noch    die  Bemerkung   nach  dieser 
Verszeile:     »Auf  einem  Theater  werden  Alle  abtreten,   oder  es 


315 

wird    das    mittlere    Rollet    zugezogen.«      Es    scheint   also    auch 
für  einfache  Darstellung  im  Zimmer  vorgesehen  zu  sein. 
S.  9  Z.    174   >vergunnen«    dial.  für   »vergönnenf^. 
S.    10  Z.   208  Satan  und  die  Schlange  sind  demnach  identisch. 
S.    II    Z.    223    In    der    Hs.    nach    der    Bemerkung:    »Alle  Teufel 
treten  ab«  noch  die  Angabe :     »Auf  einem  Theater  treten  jetzt 
Gott  Vater  und  Gott  Sohn  sammt  dem  Engel  auf,  und  es  wird 
das  mittlere  Rollet  aufgezogen.« 
S.   13  Z.  270  Hs. :   »wie  die  Götter«  statt  »wie  Gott«. 
S,   13  Z.  288   »Du  bist  eh«   dial.  etwa   »ohnehin«. 
S.   14  Z.  301    »Irtzteufel«   dial.   »Erzteufel«. 
.S.    14  Z.   315  Hs. :    »List  und  Traherei«. 

S.  16  Z.  351  Nach  der  Bemerkung  »Alle  Teufel  treten  ab«f  in 
der  Hs.  noch  die  Angabe:  »Jetzt  könnte  das  Theater  zuge- 
zogen werden«. 
S.  17  Z.  404  In  der  Hs. :  »Ihro  Majestät  sind«;  in  dieser  ganzen 
und  in  der  folgenden  Rede  wurde  die  Ansprache  mit  »Sie«, 
welche  die  Hs.  aufweist,  geändert,  da  sie  später  nicht  mehr 
vorkömmt  und  daher  offenbar  nur  einem  Versehen  zuzu- 
schreiben ist. 
S.   18  Z.  428  u.  429    »wegen  einem«  dialect.  Dativ  statt  »wegen 

eines«. 
S.  19  Z.  447  »ohne  einer«  dial.  statt  »ohne  eine«. 
S.  19  Z.  463  »that«  dial.  für  »thate«. 
S.  20"Z.  476   »sieh  ich«    dial  für  »sehe  ich«. 
S.  21   Z.  522  Hs. :  bewillige  dich  in  dein  eifriges  Begehren, 
S.  21  Z,  539  Dieser  in  der  Mundart  vorkommende  Ausdruck  be- 
deutet etwa:    »O   doch«. 
S.  22  Z.  546  »gieb ich«  dial.  »gebeich«.  »DenSentenz«  dial. Mascul. 
S.   22  Z.  553  Hs. :    »Doch  hat  es  die  W*. 
S.  23   Z.  574  »Kälten«   dial.  f.  »Kälte«. 

S.  24  Z.  604  Sollte  vielleicht  »erbliche  Glückseligkeit«  heissen? 
S.  24  Z.  614  Hs. :   »entblösst  sei«. 
S.  25  Z.  627  Hs. :  »hast«. 
S.  26  Z.  652   »gieb«  dial.  für  »gebe«. 
S.  26  Z.  658  Hs. :  hat  »schlagen«  statt  »jagen«. 
S.  26  Z.  662   »Schwitz«    dial.  ebenfalls  »Schweiss«. 
S.  28  Z.  697  Hs:   »in  den  Garten  Gatter«. 
S.    28    Z.    713    Nach    dieser    Zeile    in    der   Hs.    die    Bemerkung: 

»Auf  einem   Theater  könnte  jetzt  zugezogen  werden«. 
S.  28  Z.  717   »Wegen  meinem«  dial.  statt  des  Genitivs  »meines«. 
S.  29  Z.  738   »sein«   dial.  für   »sind«. 
S.  29  Z.   751    »brich'«  dial.  für  »breche«. 
S.  32  Z.  813  Hs. :    »Adie«   statt  »Adieu«. 
S.  33  Z.  860  »In'   Garten«   d.  h.  in  den  Garten,   diaU 
S.  34  Z.  899  Hs.  :    »nicht  hat  gelungen«. 
S«  35   ^'  921   Hs. :   »Wird  in  meine  Residenz  einkehren«. 


3i6 

Das  Schäferspiel. 

Seite  37. 

Im  Allgemeinen  ist  dieses  Spiel  in  Steiermark  und  wohl 
auch  in  Kärnten  unter  dem  Namen  das  »Schäferspiel«  oder 
i>Schäferg' spiel«  bekannt  und  erfreut  sich  beinahe  derselben  Be- 
liebtheit ,  wie  das  Paradeisspiel.  Es  findet  sich  in  verschiedenen 
Fassungen ,  die  bald  länger ,  bald  kürzer  sind ,  fast  immer  aber 
verschiedene  volksthümliche  Lieder  eingefügt  enthalten ,  welche 
ursprünglich  nicht  für  dieses  Spiel  eigens  verfasst  wurden.  Weinhold 
a.  a.  O.  S.  334 — 371  bringt  einen  Text  des  Schäferspieles  als 
zweiten  Theil  seines  Vordernberger  Paradeisspieles  unter  dem 
(von  ihm  beigefügten)  Titel :  Das  Spiel  vom  guten  Hirten.  Der 
allgemeine  Inhalt  desselben  ,  den  Weinhold  a.  a.  O.  S.  299  und 
S.  300  kurz  entwirft,  ist  beiläufig  derselbe,  wie  derjenige  des 
hier  abgedruckten  Schäferspieles,  die  Fassung  aber  weicht  in 
vielen  Beziehungen  von  derjenigen  unseres  Spiel-Textes  ab. 
Der  vorliegende  Text  entstammt,  wie  schon  oben  erwähnt,  dem- 
selben Quarthefte  aus  Mitterndorf  im  Mürzthale,  welches  auch 
das  hier  voranstehende  Paradeisspiel  enthält ,  und  zwar  folgt  un- 
mittelbar auf  das  Paradeisspiel  unter  diesem  Titel  das  Schäfer- 
spiel ,  also  ebenfalls  als  zweiter  Theil  desselben.  Es  pflegte 
übrigens ,  wenfgstens  anderwärts  auch  unabhängig  vom  Paradeis- 
spiele aufgeführt  zu  werden.  Bemerkenswerth  ist ,  dass  Scenen, 
in  denen  der  gute  Hirt  und  die  Schäferin  auftreten ,  theils  als 
Vorspiel,  theils  als  Nachspiel  sich  auch  bei  verschiedenen  Passions- 
spielen Kärntens  und  Steiermarks  finden.  Man  vergleiche  hier- 
über Weinhold's  Angaben  über  das  Liesinger  Passionsspiel  a.  a. 
ö.  S.  372.  Ja  das  in  diesem  Bande  von  mir  gebotene  »Leiden 
Christi«  aus  Trieben  hat  sogar  in  der  Handschrift ,  welcher  leider 
die  ersten  Blätter  fehlen,  die  Scene  zwischen  dem  Pilger  und  dem 
guten  Hirten  (auf  S.  52 — 56  des  vorliegenden  Textes)  beinahe 
vollständig  als  Eröffnung  des  eigentlichen  Passionsspieles.  Diese 
Umstände  zeugen  von  grosser  Beliebtheit  dtr  allegorischen  Schäfer- 
scenen,  in  denen  Christus  als  der  gute  Hirt  das  verlorene  Schäf- 
lein  —  den  verirrten,  sündigen  Menschen  —  suchend  dargestellt 
wird. 

Was  das  Alter  des  Schäferspieles  anbelangt ,  so  dürfte  dies 
Spiel  jedenfalls  jüngeren  Ursprunges  sein ,  als  das  eigentliche 
Paradeisspiel  und  mag  unter  dem  Einflüsse  des  Geschmackes  an 
der  Schäferpoesie  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ent- 
standen sein.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass,  wie  dies  auch  bei 
den  noch  folgenden  Spielen,  welche  Gesänge  enthalten,  der  Fall 
sein  dürfte,  dem  «Schäferspiele«  bekannte  Volkslieder  an  passender 
Stelle  eingefügt  wurden  ,  deren  Entstehung  in  eine  spätere  Zeit 
fällt.  Ein  solches  Lied  wäre  beispielsweise  in  dem  Mitt.  Texte 
das  S.  42  ff.  vorkommende.  Dasselbe  wurde  nur  mit  verschiedenen 
kleinen  Abweichungen  als  Volkslied  aus  der  Gegend  von  Köflach 


317 

mitgetheilt,  und  ich  habe  es  als  solches  in  »Veckenstedt's  Zeit- 
schrift für  Volkskunde«  II.  Bd.  S.  270  f.  veröffentlicht.  Ein  Ver- 
gleich der  beiden  Fassungen  dieses  Liedes  wird  meine  obige  Be- 
merkung bestätigen. 

Auch  von  dem  »Schäferspiele«  liegt  mir  durch  die  Freund- 
lichkeit des  Herrn  Pfarrers  A.  Meixner  eine  Fassung  aus  Hitzen- 
dorf vor,  wo  es  noch  zuweilen  im  Fasching  »sowohl  für  sich  als 
auch  als  drittes  Stück  der  Trilogie :  Paradeis-  ,  Krippe!-  und 
Schäferspiel«  zur  Aufführung  gelangte,  wie  die  1872  beigefügte 
Bemerkung  besagt.  Diese  Fassung  hat  mit  der  von  mir  aus 
Mitterndorf  gebotenen  viel  mehr  Aehnlichkeit  als  mit  dem  Texte 
bei  Weinhold  a.  a.  O.,  ja  es  kommen  in  dem  Hitzendorfer  Spiele 
sogar  fast  dieselben  Reden  vor ,  wie  in  dem  hier  mitgetheilten, 
wobei  natürlich  nicht  von  wörtlicher  Uebereinstimmung  gesprochen 
werden  kann.  Es  genüge  daher  auch  diesbezüglich  nur  auf 
einige  besondere  Unterschiede,  die  jedoch  auch  nicht  wesentlich 
sind  ,  hinzuweissen.  Die  Eröffnung  des  Hitz.  Spieles  macht  als 
Prolog  ein  Engel,  welcher  mit  dem  so  vielfach  üblichen,  auch 
die  Paradeisspiele  in  ähnlicher  Weise  eröffnenden  Versen:  (Vgl. 
hier  S.   I  Z.    13  ff.) 

Ich  tritt  herein  am  Abend  spat. 
Ein'  glückseligen  Abend  geV  euch  Gott!  etc. 
das  Publikum  anspricht ;  dann  folgt  die  Scene  zwischen  dem 
guten  Hirten  und  der  Schäferin  (S.  40  der  vorliegenden  Fassung) 
und  hierauf  erst  die  kürzer  gefasste  Ansprache  des  Propheten, 
mit  welcher  der  vorliegende  Text  beginnt.  Der  Engel  (hier  S.  45) 
hält  seine  Rede  im  Hitz.  Text  ebenfalls  versificirt,  die  Auftritte 
folgen  an  manchen  Stellen  in  etwas  veränderter  Reihenfolge  auf- 
einander und  vor  dem  Beschlussliede,  das,  wie  die  Hitz.  Fassung 
erwähnt,  »von  Allen  gesungen  wird«,  spricht  die  Schäferin  in 
Prosa  eine  Ermahnung:  »Buss'  und  Besserung  nicht  bis  in  den 
Tod«  zu  verschieben,  damit  die  Reue  nicht  zu  spät  komme.  Das 
Beschlusslied  selbst  hat  im  Hitz.  Texte  nur  zwei  Strophen,  welche 
mit  den  zwei  letzten  hier  (S.  69  u.  70)  mitgetheilten  beiläufig 
übereinstimmen. 

S.  40  Z.  33   In  der  Hs.:   »lenden«   statt  »lenken«. 
S.  41   Z.  61   Hs. :    »gelent«  statt   »gelenkt«. 
S.  41   Z.   75  Nach    der  Bemerkung:    »Der  Teufel    tritt   ab«   steht 

in  der  Hs. :    »Der  Jäger  (oder  Verführer)  tritt  auf«. 
S.  41   Z.  83  »Gamsbart«   dial.  für  »Gemsbart«,  die  bekannte  Hut- 
zierde des  Alpenjägers. 
S.  41   Z.   84  Hs. :    »lustiger  Jägersjung«   statt  »1.  Jägersblut«* 
S.  42  Z.  87  Ueber  dieses  Lied  vergl.  die  obige  Bemerkung. 
S.  42  Z.   114  »Rüben«  dial.   für   »Rüben«. 
S.  42  Z.  117   »Ich  iss«  dial.  für  »ich  esse«. 
S.  45   Z.   203    »An  die  Berg«   dial.   für  »an  den  Bergen«. 
S.  47  Z.  260  Hs.  :   hat   »sondern«   statt   »denn«. 
S.  48  Z.   289   »gegen  mir«   dial.   für  »gegen  mich«. 
S.  48  Z.  295  Die   doppelte   Verneinung   dial.  Eigenthümlichkeit. 


3i8 

S.  49  Z.   326   »weil  sie  ihr«   dial.   für  »weil  sie  sich«. 

S.   50  Z.  334  »entloffen«   dial.  für  »entlaufen«. 

S.   50  Z.  358  »lauft«  dial.    »läuft«. 

S.   57  Z.   543     »brock's    ab«     dial.     für     »brich,     pflücke     ab«; 

»schmecken  gut«   dial.   »riechen  gut,  duften«. 
S.  61   Z.  649  »pflanzest  dich«  dial.  etwa:  »wirfst  dich  in  die  Brust«. 
S.   61   Z.   661    »Krumpe«   dial.  für  »Krumme«. 
S.  61  Z.  673  »g'loffen  aus«  dial.  für  »gelaufen,  abgelaufen«. 
S.   63  Z.   766  »g'rathen«   dial.   »gelingen«. 
S.  66  Z.   796   »eh«   dial.   »eher,  früher«. 
S.   67  Z.  826   »haltest«   dial.  für  »hältst«. 
S.  67  Z.  834   »Cadenz«   hier  etwa  so  viel  wie  Schlussurtheil.     Im 

Hitzendorfer  Spiele   heisst   es:     »Ich    geb'    dir  das  Urtheil  und 

Sentenz«. 


Das  Krippelspiel. 


Seite  71. 

Das  Krippelspiel ,  volksthümlich  »Krippelg'spiel«  genannt, 
gehört  zu  jener  Gattung  von  Weihnachtsspielen,  welche  in  vielen 
Gegenden  Deutschlands ,  insbesondere  aber  in  den  katholischen 
Alpenländern :  Tirol ,  Salzburg ,  Oesterreich  ob  und  unter  der 
Enns,  Salzburg,  Kärnten,  sowie  in  den  baierischen  Gebieten  be- 
sonders gepflegt  wurde  und  gelangt  wohl  bis  heute  noch  hier  und 
da  zur  Aufführung.  Auch  aus  dem  deutschen  Gebiete  Ungarns  wurde 
durch  Schröer  ein  »Christi-Geburt-Spiel«,  welches  in  Oberufer  zur 
Darstellung  gelangte ,  bekannt  gemacht.  Eine  Zahl  derartiger 
Weihnachtsspiele  findet  sich  theils  vollständig ,  theils  in  Bruch- 
stücken unter  Hartmann's  »Volksschauspielen«  und  in  Pailler's 
Sammlung:  »Weihnachtslieder  und  Krippenspiele  aus  Oberösler- 
reich  und  Tirol«,  II.  Bd.  (Innsbruck.  1884).  Ein  kurzes  »Weih- 
nachts-G'spül«  veröffentlichte  M.  V.  Süss  in  seinen  »Salzburger 
Volksliedern«  (Salzburg.  1865.)  S.  261  ff.  Aus  Kärnten  liegt 
eine  Skizze  Rudolf  Waizer's  über  ein  »Dreikönigsspiel«  ,  das  zu 
Wolfsberg  aufgeführt  wurde ,  in  dessen  »Cultur-  und  Lebens- 
bildern aus  Kärnten«  (Klagenfurt  1882.  S.  87  ff.)  vor,  nachdem 
schon  Franz  Sartori  in  seiner  'Neuesten  Reise  durch  Oesterreich 
etc.«  (Wien.  1811.),  Bd.  II.  S.  330  allerdings  mit  wenig  Ver- 
ständniss  der  »Christkindelspiele«   im   Lande  gedacht  hat. 

Ueber  die  Aufführung  eines  »Hirten-  und  Königs-Spiels«  aus 
dem  Möllihale  berichtet  Fr.  Franzisci  in  seinen  Kärntner  »Cultur- 
Studien«  (Wien  1879),  ^"^  Matthias  Lexer  bringt  im  Anhange 
zu  seinem  »Kärntischen  Wörterbuch«  den  vollständigen  Text 
dieses  Mölllhaler  Spieles,  ein  Dreikönigsspiel  aus  Flattach  und 
einige  Auftritte  aus  einem  Wolfsberger  Weihnachtsspiele  zum 
Abdrucke.    Endlich  liegt  aus  Steiermark  ebenfalls  ein  vollständiges 


319 

"Weihnachtsspiel  und  zwar  aus  der  Vordernberger  Gegend  vor, 
das  Weinhold  in  dem  hier  oft  citirten  Werke:  Weihnachtsspiele 
und  Lieder«  veröffentlichte.  Einer  ähnlichen  Gattung  von  Volks- 
spielen beizuzählen  ist  die  von  Weinhold  in  dem  gleichen  Werke  auf- 
genommene »Komedie  von  der  freudenreichen  geburt  Jesu  Christin 
von  Benedict  Edelpöck  aus  d.  J  1568,  doch  zeigt  sich  darin 
feinere  Ausarbeitung  und  ein  besonderer  Schliff;  schon  der  Um- 
fang von  Edelpöck's  Werke,  das  2760  Verszeilen  zählt,  zeigt,  dass 
dieses  mehr  künstlerisch  durchgearbeitete  Spiel  mit  den  einfachen 
Volkskomödien,  deren  an  dieser  Stelle  zwei  zum  Abdruck  gelangen, 
nicht  viel  gemein  hat.  Desto  wichtiger  erscheinen  zum  Ver- 
gleiche mit  den  hier  mitgetheilten  die  Spiele  bei  Schröer,  bei 
Lexer  und  Weinhold' s  Vordernberger  Text,  sowie  einzelne  Stücke 
aus  Hartmann's  reicher  Sammlung.  So  hat  das  Heiligenbluter 
Spiel  bei  Lexer  S.  274  Scenen  und  sogar  einzelne  Stellen,  welche 
mit  diesem  Texte  ganz  übereinstimmen,  mit  dem  Vordernberger 
Spiele  bei  Weinhold  finden  sich  ebenfalls  Aehnlichkeiten,  und  die 
Scenen  zwischen  Joseph  und  den  W^irthen ,  welche  er  um  Auf- 
nahme bittet  und  die  ihn  abweisen ,  zeigen  nicht  nur  bei  Wein- 
hold ,  sondern  auch  in  dem  Halleiner  Spiele  und  im  Spiele  aus 
dem  bairischen  Wald  bei  Hartmann  (a.  a.  O.  S.  78  u.  474), 
wenigstens  dem  Sinne  nach,  eine  gewisse  Verwandtschaft.  —  Eine 
eigenthümliche  Zusammenstellung  enthält  das  schlesische  «Ober- 
grunder  Weihnachtsspiel«  (A.  Peter,  Volksthümliches  aus  Üester- 
reichisch-Schlesien.  I.  S.  361  ff.),  indem  dasselbe  im  ersten 
Theile  eigentlich  den  Inhalt  des  »Paradeisspieles«  aufweist;  dies 
gilt  nicht  nur  für  den  Gang  der  Handlung,  sondern  auch  für  die 
darin  personificirt  auftretenden  Gestallen  der  Gerechtigkeit  und 
Barmherzigkeit  und  deren  Reden,  die  auffallender  Weise  wörtlich 
gleichlautende  Stellen  mit  unserem  Paradeisspiel  (S.  16  ff.  unseres 
Textes)  enthalten.  Unmittelbar  daran  schliesst  sich  im  schlesischen 
Spiele  die  Handlung  des  eigentlichen  Christi-Geburt-Spieles  an, 
dessen  Text  allerdings  mit  dem  steirischen  »Krippelspiele«  keine 
Gemeinsamkeit  zeigt. 

Zur  Orientirung  über  die  Literatur  der  Weihnachtsdramen 
verweise  ich  auf  die  Anführungen  bei  Weinhold  a.  a.  O.  S.  173  ff. 
u.  S.  185  ff.,  sowie  insbesondere  auf  die  bibliographischen 
Angaben  über  volksthümliche  Weihnachtsspiele  bei  Hartmann,  im 
Vorworte  zu  dessen  erwähntem  Werke  S.  IV — VIII. 

Das  hier  abgedruckte  »Krippelspiel«  hat  mir  Herr  Pfarrer 
A.  Meixner ,  dessen  schon  öfter  gedacht  wurde,  überlassen.  Es 
rührt  wie  die  übrigen  zwei  Spiele  von  dem  genannten  Herrn, 
deren  ich  früher  in  diesen  Anmerkungen  erwähnte ,  aus  Hitzen- 
dorf her,  und  zwar  erhielt  ich  eine  Abschrift  des  Originaltext- 
buches ,  welche  den  Titel  führt :  »Eine  geistliche  Komödie  von 
der  Geburt  Jesu  Christi  oder  das  sogenannte  Krippel-G' spiel <?. 
Am  Schlüsse  findet  sich  der  Name  des  Schreibers  (jenes  Original- 
textbuches) in  folgender  Weise  angeführt:  »Vinzenz  Schober 
vulgo    Nothspotel    in    Alt-Reiteregg ,     Pfarre,    Hitzendorf,    den 


32  o 

24.  Januar  1S64-.  Herr  Pfarrer  Meixner  erwähnt  in  seinen  Begleit- 
worten zu  diesem  Texte,  dass  dieses  »Krippelg' spiel«  am  meisten 
vergessen  war,  und  es  vieler  ^Nlühe  bedurfte,  dasselbe  aufzutreiben; 
auch  bemerkt  er  mit  Recht,  dass  sich  gerade  darin  viel  echte, 
volkslhümliche  Poesie  finde ,  wovon  der  Leser  sich  selbst  die 
Ueberzeugung  verschaffen  wird.  Einschiebungen  späterer  Zeit 
und  schlechte  Abschriften  haben  leider  dem  Texte  sehr  geschadet, 
und  um  denselben  lesbar  zu  gestalten,  musste  manche  Abänderung 
getroffen  werden ,  wie  dies  ja  bei  allen  derartigen  Texten  mehr 
oder  weniger  geschehen  muss ,  denn  correcte  Aufzeichnungen 
existiren  überhaupt  nicht. 

Dem  Leser  wird  es  auffallen,  dass  die  Hirtenscenen  in  unserem 
»Krippelspiel«  besonders  ausgedehnt  erscheinen,  und  wer  die  ver- 
schiedenen Weihnachtslieder  aus  den  Eingangs  erwähnten  Alpen- 
gebieten kennt,  kann  die  Bemerkung  machen,  dass  solche  selbst 
unabhängig  von  derartigen  Spielen  für  sich  vorkommende  Lieder 
dieser  Gattung  dem  »Krippelspiele«  häufig  eingefügt  erscheinen. 
Solche  Lieder  sind  im  vorliegenden  Texte  jene  auf  S.  77,  78, 
87,  88,  107,  113.  Dieselben  wurden  von  dem  unbekannten  Ver- 
fasser des  Spieles  wohl  eingefügt ,  da  sie  sehr  bekannt  und  be- 
liebt waren  und  dem  Spiele  die  grössere  Beachtung  des  bäuer- 
lichen Publikums  verschafften.  Was  die  Ausdehnung  der  Hirten- 
scenen betrifft ,  so  ist  auch  diese  zweifellos  vom  Verfasser  der 
bäuerlichen  Zuhörer  und  Zuschauer  wegen  angewendet  worden, 
welche  ja  den  Darstellungen ,  die  des  Volkes  eigenes  Leben 
schildern,  das  meiste  Verständniss  und  Interesse  entgegenbringen. 
Die  Abfassungszeit  des  vorliegenden  Textes  dürfte,  wenigstens 
was  die  Grundzüge  desselben  anbelangt,  in  das  17,  Jahrhundert, 
vielleicht  sogar  in  den  Anfang  desselben  fallen.  In  den 
»Mittheilungen  des  histor.  Vereines  für  Steiermark«  XXIX.  Bd. 
findet  sich  ein  Aufsatz  Prof.  H.  I.  Biedermann's:  »Achtzig  Jahre 
aus  dem  Gemeindeleben  des  Marktes  Kindberg«,  worin  (S.  228) 
ein  Heiligendreikönigs-Spiel  erwähnt  wird ,  und  zwar  nach  den 
Rathsprotokollen  Kindbergs  vom  i.  Januar  1682,  anlässlich  des 
Falles,  dass  ein  Bäckerjunge  aus  Kapfenberg ,  der  von  hier  am 
Vorabend  mit  mehreren  Genossen  nach  Kindberg  gekommen  war, 
um  dieses  Spiel  aufzuführen ,  und  welcher  dabei  den  Herodes 
darzustellen  hatte,  wegen  eines  Streithandels  vor  dem  Markt- 
gerichte erschien.  Es  liegt  nahe,  anzunehmen,  dass  dieses  oder 
das  hier  folgende  Spiel,  worin  die  Figur  des  Herodes  vorkommt, 
das  angedeu,tete  obersteierische  Heiligendreikönigs-Spiel  von  1681 
ist,  welches  jedenfalls  damals  schon  lange  im  Gebrauche  war. 
Die  Bezeichnung :  Dreikönigsspiel  für  diese  Weihnachtsspiele  findet 
sich  heute  noch,  wie  oben  erwähnt,  in  Kärnten  und  auch  anderwärts. 
S.    73    Z.    4    »geitor    die  bekannte  alte  auch  dialectische  Form  für 

»giebt«. 
S.   73  Z.    17    »latiren«  ,    der  Ausdruck  ist  kein  mundartlicher,   er 
dürfte    wohl    aus    dem    lateinischen    latere    entstanden    sein  und 
hier   bezeichnen :    sich  verborgen  halten ,    in  Zurückgezogenheit 


321 

leben.     Die  Anwendung  solcher  Ausdrücke  lässt  wohl  auf  einen 

geistlichen  Verfasser  des  Spieles  schliessen. 
S.  74  Z.  48  lautet  in  der  Hs. :    »Wanns  damals  so  soll  geschehen«. 
S.  75  Z.  61    in  der  Hs. :    »Ich  bin  betrübt  bis  also  sehr«. 
S.  75  Z.   63    »lauter«   dialect.  etwa:    »nur,   doch«. 
S.   76  Z.   88  in  der  Hs. :    »Deine  Schuld  seind  dir«. 
S.   76  Z.  95   »auch«   fehlt  in  der  Hs. 
S.   76  Z.   loi   Die  nunmehr  folgenden  Hirtenscenen  sind  ganz  im 

Geiste    des    obersteirischen    Hirten-  und  Bauernlebens  abgefasst 

und  auch  grossentheils  mundartlich  gehalten.    Woferl  ist  dialect. 

Diminutiv  für  Wolfgang. 
S.   76  Z.   106   »I  han«  dial.  »ich  habe«. 
S.   76  Z.    HO  »I  wix,   i  wax«,  =  »ich  wichse,    ich  wachse«  d.  h. 

den  Faden  durch  Wachs  ziehen,  damit  er  kräftiger  wird. 
S.   76  Z.   114  Hs.  hat  »gehnt«  statt  »gehn«. 
S.   77  Z.   115   »vStutzl«  Name  des  Hundes. 

S.  77  Z.    116  Ausruf  des  Vergnügens,  an  den  Hund  gerichtet. 
S.   77  Z.    117    »kimbt«   dial.   für   »kommt«. 
S.   77  Z.  119  Der  Sinn  der  Zeile  ist  etwa:  behalte  deine  schlimmen 

Wanzen  d.  h.  Dummheiten  (wie  man  auch  wohl  »deine  Grillen« 

sagt)  für  dich. 
S.   77  Z.    121    »derwissen«   dial.  für  »genau  wissen«. 
S,   77  Z.   122   »Düppel«  dial.  »grober  Mensch,  Rüpel«. 
S.   77  Z.    124  Hs.  hat   »deinethalbn«. 
S.  77  Z.   128   »Brantlerin«  ist  die  Sennerin,  letzterer  Ausdruck  ist 

in    Steiermark  mundartlich  nicht  gebräuchlich.     »Buttermaisen« 

dial.    »ein  laibförmig  geformtes  Stück  Butter«. 
S.  77  Z.    130  »rahmete  Milch«  dial.  Milch,  von  welcher  der  Rahm 

nicht  abgeschöpft  worden  ist. 
S.  77  Z.  134  »Simandl«    dial.   Diminutiv    für    »Simon  Andreas«, 

welche  Namen  in  einen  zusammengezogen  sind. 
S.   77  Z.   135    »G'span«   dial.   »Freund,  Geselle«. 
S.   77  Z.   137   »krumpen  Sprung«  dial.  krumme,  d.  h.  tolle,  lustige 

Sprünge, 
S.   77  Z.   138    der  Sinn   der  Zeile    etwa  :     allen    andern  Burschen 

zum  Trotz. 
S.    78    Z.    143    »schönes    Schäferg'sang« ,    der    Dialect    hat    »das 

G'sang«  neutr. 
S.   78  Z.   149  »kein  Grandl  Graus«  dial.  etwa:  das  macht  mir  nicht 

das  geringste  Grauen,   »Grandl«   ist  das  Diminutiv  von  »Gran«. 
S.   78  Z.    155  »ÖS«  dial.  »ihr«,    »hupfen«  dial.  »hüpfen,  springen«. 
S.   78  Z.   159  »heunt«  dial.   »heute«. 
S.   78  Z.  160  »Mein  Aid«    dialect.   Betheuerungsform ,    etwa:    bei 

meinem  Eide! 
S.  79  Z.   170  »ich  hiet  ein'  fauln  Mangel«  dial.   »ich  hätte  einen 

faulen  Mangel«  d.  h.  einen  Rausch. 
S.   79  Z.   172   »Lotter«  dial.  »Spitzbube,   Kerl«. 
S.  79  Z.   176  »aussischmeissen«  dial.   »hinauswerfen«. 
Volksschauspiele.  21 


322 

S.  79  Z.   i88   »b'sch — «,  derber  dial.  Ausdruck  für  »betrügen«?. 

S.  80  Z.  192   »die  Goschen«  dial.  »der  Mund«. 

S.  80  Z.  205  »Männer«  dial.  »Männerf^.  —  »Was  han  sie  lauter« 
etc.  dial.  etwa :  was  haben  sie  denn  da  ausgeblasen  ? 

S.  81   Z.   216  Hs.:   »Handwerchsmann«. 

S.  81   Z.  225   »z'rreiben<r,   zerreiben. 

S.  81  Z.  226  Diese  Zeile  lautet  in  der  Hs.:  >Ist  doch  kein  Unter- 
schied zum  Vertreibend^. 

wS.  82  Z.  237  »Wie  werd'n  mar  hausen?«  dial.  etwa:  wie  werden 
wir  wohnen,  unterkommen? 

S.  83  Z.   275   »Pilichgramen«  dial.   »Pilgramen,   Pilgern«. 

S.  83  Z.   278   »vergunnt«   dial.   »vergönnt«. 

S.  83  Z.  281 — 284  in  der  Hs.  ganz  verstümmelt,  lautet  daselbst: 
»Ach  lieber  Freund!  das  Glück  ich  euch  hab  letzlich  vorge- 
stellet,  dass  ihr  euch  entsetzet;  hier  kein  Hoffnung  uns  erwehlet?» 

S.  84  Z.  300  »G'sporr«  dial.  »ein  abgesperrter,  geschlossener 
Raum«,   eigentlich  G' sperr. 

S.  84  Z.  318  in  der  Hs. :  »N.  G.  u.  G.  kann  ich  das  Thor  auf- 
sperren«. 

S.  85  Z.  326  Hs.  lautet:  »Das  G'sind  verspricht  einen  guten 
Pauschalla« ,  offenbar  soll  sich  Pauschalla,  das  Pauschal  d.  h. 
hier  die  Entlohnung  auf  den  Reichen  beziehen. 

S.  85  Z.  330 — 333  Diese  Zeilen  mit  der  scherzhaften  Subtraction 
des  Wirthes  bilden  offenbar  eine  Verhöhnung  der  Armuth 
Joseph's  und  Marias.  In  der  Z.  332  hat  die  Hs. :  »Eilferdreissig 
bleibt  Null«. 

S.  85  Z.  336  »a  bei  guter  Luft«  dial.  »auch  bei  guter  Luft« 
d.  h.  so  lange  die  Luft  rein  ist. 

S.  85  Z.  338  Das  hier  beginnende  Lied  erwähnt  auch  Wein- 
hold: Weihnachtssp.  S.  183,  der  es  in  einem  baierischen  Weih- 
nachtsspiele fand ;  leider  sind  nur  wenige  Zeilen  daraus  bei 
Weinhold  angeführt. 

S.  85  Z.  339  »Mir«   dial.   »wir«. 

S.  85   Z.  340  »Simandl  a«  dial.    »S.  auch«. 

S.  85  Z.  343  »kimt's  mir  natürli  für«  dial.  »kommt's  mir  natürlich 
vor«. 

S.  85   Z.   344  »Gesetzl«   dial.  etwa  eine  Strophe. 

S.  86  Z.  374  »g'segna«   dial.    »segne f. 

S.  86  Z.  375    "sunst  regna«   dial.    »sonst  regnen«. 

S.  86  Z.  377  »Möcht  enk  der  Teuxel  wohl  niederstrauchen«  dial. 
etwa :   Der  Teuxel  d.  h.  Teufel  möcht  euch  sonst  niederwerfen. 

S.  86  Z.  379   »G'sträussla«  dial.   »das  Gesträuch,   Gebüsch«. 

S.  87  Z.   381    »Ins  Koth<r  dial.  neutr.  —   »Wasen«   dial.   »Rasen«. 

S.   87  Z.  385    »Nehmts  a<   dial.   »nehmt  ab«. 

S.  87  Z.  394  u.  395  lauten  in  der  Ms. :  »Giftiger  Schlangen  hast 
trauet  und    nähmest  den  Apfel  gclaucl«. 

S.  87  Z.  404  »hantig«   dial.   »bitler«. 

S.  88  Z.  410  »Er  hat  beten  auch  kenn'«  dial.  etwa  er  hat  beten, 
n.Hmlicli  ein   frommes  Lied  singen,  auch  können. 


323 

S.  88  Z.  411  Dieses  Lied  findet  sich  in  zahlreichen  ähnlichen 
Hirten-,  Dreikönigs-  und  Weihnachtsspielen,  insbesondere 
enthält  das  Halleiner  Hirtenspiel  bei  Hartmann  (Volksschau- 
spiele S.  102  f.)  dasselbe  Lied,  natürlich  mit  verschiedenen 
Abweichungen ,  doch  mit  7  Strophen  ;  Hartmann  war  sogar  in 
der  Lage,  die  Melodie  beizufügen.  Auf  das  Alter  des  Liedes, 
damit  aber  wohl  auch  des  hier  vorliegenden  Spieles  deutet  die 
Angabe  Hartmann's  a.  a.  O.  S.  99,  wonach  das  Lied  :  »Lustige 
Hirten«  sich  in  einer  Musikhandschrift  der  königl.  Hof-  und 
Staatsbibliothek  in  München  befindet ,  welche  der  Benedictiner 
Johann  Werlin  verfasst  hat.  Diese  Musikhandschrift:  >>Typi  et 
exempla  rhythmorum«  ist  datirt  von  1646 — 1647  und  enthält 
insbesondere  auch  die  Melodie  zu  diesem  Liede.  —  Man  findet 
in  kürzerer  Fassung  das  Lied  auch  im  Wolfsberger  Weihnachts- 
spiele bei  Lexer,  Kämt.  Wörterb.  S.  295,  woselbst  es  ebenfalls 
von  den  Hirten  zusammen  gesungen  wird.  Ebenso  tritt  es  uns 
in  dem  Oberuferer  und  in  dem  Pressburger  Weihnachtsspiele 
bei  Schröer ,  Weihnachtssp.  aus  üng.  S,  85  f.  u.  S.  196,  ent- 
gegen. Man  vergleiche  die  Anmerkung  bei  Hartmann  a.  a.  O. 
S.    103. 

S.  88   Z.  413  u.  414  »singa,   springa«  dial.   »singen,   springen«. 

S.  88  Z.  424  »Gelt,  mein  Stutzl«,  hier  ist  Stutzl,  der  Stutzen,  das 
Gewehr,  welches  der  David  apostrophirt. 

S.  88  Z.  435    »g' frierst  mir«   dial.  »es  friert  mich«. 

S.  88  Z.  436   »das  Hüelen«  dial.  »das  Viehhüten«. 

S.  88  Z.  437  »du  bringst  mi  den  Winter  wohl  hart  mehr  dräust 
dial.  etwa  :  du  bringst  mich  den  Winter  nicht  so  leicht  mehr 
heraus. 

S.  89  Z.  440  »höer<j   dial.   »heuer«. 

S.  89  Z.  443  Die  Hs.  hat  diese  Zeile  in  der  sinnlosen  Fassung: 
»Ist  wohl   a  Fassirala«. 

S.  89  Z.  445  »Laufet,  ihr  Hirten,  laufet  alle  zugleich«.  Dieses 
weit  verbreitete  Lied  dürfte  dem  Texte  des  Spieles  erst  später 
eingefügt  sein.  Hartmann,  Volkssch.  S.  474  ff.  bringt  ein 
Weihnachtsspiel  aus  dem  baierischen  Walde  zum  Abdruck ,  in 
welchem  sich  dieses  Lied  ebenfalls  findet ,  auch  die  Melodie 
ist  a.  a.  O.  S.  489  beigefügt.  In  meinen  »deutschen  Volks- 
liedern aus  Steiermark«  (Innsbr.  1881)  habe  ich  dieses  Lied 
nach  einer  Aufzeichnung  aus  Admont  ebenfalls  einverleibt.  Die 
Anmerkung  daselbst  S.  411  Nr.  106  führt  einige  Sammlungen 
aus  deutschen  Gebieten  an,  wo  das  Lied  ausserdem  vorkommt. 
Pailler  in  seinen  »Weihnachtsliedern  und  Krippenspielen  aus 
Oberösterr.  u.  Tirol«  II.  Bd.  S.  11  fif.  bietet  einen  Text  dieses 
Liedes  aus  dem  Traunkreise,  der  sogar  9  Strophen  hat ;  ebenso 
sind  3  Strophen  in  dem  oberösterreichischen  St.  Oswalder 
Weihnachtsspiel  derselben  Sammlung  S.  248  f.  enthalten.  W^ein- 
hold  an  dem  öfter  erwähnten  Orte  S.  108  führt  einige  Zeilen 
desselben  Liedes  aus  einem  schlesischen  Kristkindelspiele  an ; 
allerdings    sind    die    ersten    zwei    Verszeilen    daselbst    aus    dem 

21* 


324 

Texte  der  Hoffmann-Richter' sehen  Sammlung  der  schles.  Volks- 
lieder ergänzt. 

S.  90  Z.  469  »Hascherl«  dial.  Ausdruck  für  ein  bemitleidenswerthes 
Wesen. 

S.  90  Z.  474  »Schmalzkoch«,  eine  beliebte  Mehlspeise  im  Steiermark. 
Oberlande. 

S.  90  Z.  476  »Trunks  a«  dial.   »tränke  es  auch«. 

S.  90  Z.  480  »fest  mit  Gaben«  dial.  etwa:  stattlich  ausgerüstet 
mit  Gaben. 

S.  90  Z.  492    »Mit  laren«   dial.   »leeren«. 

S.  91    Z.  501    »Hemmetlein«   dial.   »Hemdchen«. 

S.  91   Z.   503  Hs. :   »Ist  beiderseits  als  wie  ein  Kreuz«. 

S.  91  Z.  513 — 516  Der  Sinn  dieser  Zeile  ist  etwa:  Ich  eile  fort, 
als  hätte  ich  ein  Kröbeskraut  bei  mir  ,  damit  ich  ja  nicht  irre 
gehe.  In  der  Hs.  ist  diese  Stelle  beinahe  unverständlich.  Das 
Kröbeskraut  (?)  dürfte  wchl  eine  jener  Pflanzen  sein,  welche 
als  wirksames  Mittel  gegen  das  Irregehn  gilt.  Vielleicht  liegt 
aber  bezüglich  des  Namens  des  Krautes  ein  Fehler  des  Ab- 
schreibers vor. 

S.  91   Z.  527   »kemma«  dial.   «kommen«. 

S.  92  Z.  531    >aba«  dial.  »herab«. 

S.  92  Z.  534  »Ruckts  zuhi«  dial.  >rückt  heran«,   d.  h.  tretet  heran. 

S.  92  Z.  535    »Zuhi«    dial.   »heran«   wie  das  Obige. 

S.  92  Z.  550  »A  a  Häferl  Kraut  von  Kohl«  dial.  »auch  ein  Töpf- 
chen Kraut  von  Kohl«   d.  h.   gekochtes  Gemüse. 

S.  94  Z.   595  »Zäher«  dial.  auch  alte  Form  für  »Zähren,  Thränen«. 

S.  96  Z.  664  Hs.   »gegen  ihn«  statt   »gegen  diese«. 

S.  97  Z.  683  Hs.   »Möcht  ja  aus  der  Haut  zerspringen«. 

S.  97  Z.  696    »in  dem  G'schloss«    dial.   »in  d.  Schloss«. 

S.  97  Z.  702   »und  bald  sein«   fehlt  in  der  Hs. 

S.  99  Z.   733   »hinum«   dial.  etwa   »hinüber«. 

S.  99  Z.  737   »und  bald  sein«   fehlt  in  der  Hs. 

S.   100  Z.  758   »Geschrift«    dial.   »Schrift«. 

S.  100  Z.   765  Hs.   »seiner  vor  Allen«   statt  »selbst  vor  Allem». 

S.   100  Z.   774  Hs.   »Wo  sich  sein  Geburt  hergangen«. 

S.  100  Z.  776  Hs.  »die  klare  Wort,  die  hier  guet«  statt  »die 
Wort  der  Schrift  h.  g.« 

S.   100  Z.   783   Hs.   Die  gegen   »dreissigtausend«. 

S.   lOl    S.   792   »zum  End«   fehlt  in  der  Hs. 

S.   loi    Z.  816   »glei«   dial.   »gleich«. 

S.    102  Z.  838   »und  bald  sein«   fehlt  in  der   Hs. 

S.   102  Z.  839  Hs.   »schau  das  arme  Kindlein  an>. 

S.   102  Z.  846   »glanzende«   dial.  für  «glänzende«. 

S.   103  Z.  852    »gengen«   dial.   »gehen«. 

S.   103   Z.  865    »allda«   fehlt   in  der  Hs. 

S.  104  Z.  876  »göttliches  Ort«  dial.  das  Ort  d.  h.  der  Ursprung, 
die  Abkunft. 

S.   104  Z.  877  Hs.   »Das  von  uns  nie  ersechen  wurd«. 

S.   104  Z.   893   »Dann   du«   etwa:   der  du  einst. 


325 

S.  104  Z.  905  »Geschankff  dial.  auch  veralt.  Form  für  »Geschenk«. 
S.   105  Z,  920  »Gott  gieb  euch  den  Gesund«  ;  »gieb«  dial.  »gebe«-, 

»der  Gesund«  dial.   »die  Gesundheit«. 
S.    105   Z.  923  Hs.  hat    »unterstunden«  statt  »unterwunden«. 
S.    105  Z.  928  In  der  Hs.  nur  die  Worte:     »Wo  wollt  ihr  hin?« 
S.   106  Z.   942   »die  Bahn«    fehlt  in  der  Hs. 
S.  106  Z.  955  »förchten«  bekanntlich  veralteter  Ausdruck ;   »derfen« 

dial.   für   »dürfen«. 
S.   107  Z.  959  »schon«  fehlt  in  der  Hs. 

S.   107  Z.  974  »Mein  Aid«  Vgl.  Anm.  oben  zu  S.  78  Z.   160. 
S.   107  Z.  975  »ranlig«  dial.  »gut,  lobenswerth,  fröhlich«  ;   rantiger 

B'scheid,  fröhlicher  Bescheid,   fröhliche  Kunde. 
S.  107  Z.  978  »Häuerl,«  dial.  »kleine  Haue,  Hacke«  der  Hirten. 
S.   107  Z.  979   »glänzen«   dial.   »glänzen«. 
S.   107  Z.  982  »Gregerl«   Diminutiv  v.  Gregor. 
S.   107  Z.  983   »Mach  mir  a«  u.  s.  w.,   d.  h.  »mach  mir  an«,   mach 

mir  mit  dem  Löffel  ein  Köcherl  (gekochten   Brei)  an. 
S.    107  Z.   984  »A  Handeriff  voll  dial.    »ein  Händchen  voll«. 
S.  107  Z.   985   »Das  reib'n  ma«   dial.    »das  reiben  wir«. 
S.    107  Z.  988   »Die   Henner«   dial.   »die  Hühner«. 
S.   108  Z.  991   »Wauwau«   ein  Schreckgespenst ,    mit  dem  insbes. 

die  Kinder  geschreckt  werden. 
S.    108  Z.   999   »sie  steigen  schon  a«   dial.   »steigen  schon  ab«. 
S.    108  Z.   1002  »Grossbucklete  Küah«  dial.  »grossbucklige  Kühe«, 

die  Hirten  meinen  die  ihnen  unbekannten  Kameele. 
S.    108  Z.    1006  »Truchen«  dial.  »Truhen«,  mit  denen  die  Kameele 

beladen  sind. 
S.   108  Z.   1020    »Husaren«.      Die  Hirten    nennen    die   berittenen 

Könige  mit  Gefolge   in  naiver  Auffassung  Husaren. 
S.    109  Z.    1036  Hs.    »Auf,  auf.   meine  Gemalin  mein«. 
S.    HO  Z.    1065   In  der  Hs.   fehlt  »schon«. 
S.    HO  Z.    1078  u.    1079  lauten  in  der  Hs.  :    »Dass  ich  und  du  auf 

dieser  Welt  viel  werden  müssen  leiden«. 
S.  III  Z.  II 00  »g  segnen«  dial.  »segnen«. 
S.   III   Z.    II 16  »Dasti«  dial.  eine  Art  Interjection:   »Dass  dich«> 

wie    man    etwa  auch  im  Hochdeutschen  als  Ausdruck  der  Ver- 
wunderung sagt:   Dass  dich  doch  .    .    . 
S.   III   Z.   II 16   »Honafberg«  dial.  »Hanfberg«,    die  Bezeichnung 

eines  Berges,   der  sich  wohl  in  jener  Gegend  befindet,  wo  dieses 

Lied  entstanden  ist. 
S,    112    Z.    1129    »Chrysam-Pfaidl«    dial.    »das    Taufhemdehen«, 

Chrysam  ist  das  bei  der  Taufe  verwendete  h.   Oel. 
S.     112    Z.    1136    »Jäkel«    Diminutiv    v.   Jakob;     »platzen«    dial. 

»schlagen,  hauen«. 
S.   112  Z.    1138  »g'fang«  dial.   »gefangen«. 
S.    112  Z.    1139  »so  mächtig  wild  zugang'«  dial.  etwa:   so  heftig, 

grausam  zugegangen. 
S.   112  Z.    1140  »Ahnl«  dial.   »die  Ahne,   Grossmutter«. 
S.    112    Z.     1144    »Menscher«     dial.     »die   Mädchen,     weibliche 

Dienstboten. 


326 

S.   113  Z.    II 57   »Mört«   dial.   »Martin«. 

S.  113  Z.  1159  »Steffel«  dial.  »Stephan«,  »Sandl«  dial.  »Susanna*» 

S.  113  Z.  1165  Diese  Zeile  lautet  in  der  Hs. :  »Wann  schon  die 
Herrn  den  Daiger  pellten«,  dies  ist  mir  unverständlich,  vielleicht 
eines  der  vielen  Schreibversehen  schon  in  älterer  Vorlage.  Nach 
Herrn  Meixner's  Erklärung  müsste  diese  Stelle  den  Sinn 
haben,  dass  »die  Herrn  mit  dem  Klopfer  an  die  Hausthür 
pochen.« 

S.  113  Z.  II 73  »Sachsen  oder  Dachsen«.  Die  »Dachsen«  sind 
wohl  der  Allitteration  und  des  Reimes  wegen  beigefügt,  ohne 
dass  man  etwa  Soldaten  damit  bezeichnen  wollte. 

S.  113  Z.  II 74  Der  Sinn  der  Zeile  ist  etwa:  ich  möchte  mir  sie 
gar  erschlagen  (derschlagen). 

S.    113  Z.    1178   »Los  nur  zua«  dial.   »Hör'   nur  zu«. 

S.    114  Z.    1210  »A  Halbe«   dial.    »eine  halbe«  seil.  Maass. 

S.  114  Z.  1212  »A  Lampel«  dial.  »ein  Lämmchen«;  »a  Kitzel«- 
ist  eine  junge  Ziege. 

S.  114  Z,  12 13  »Stritzel«.  Ein  Gebäck,  welches  länglich  geformt 
wird. 

S.  114  Z.  1214  »Nudel«  und  »Sterz«  Mehlspeisen,  Sterz  ist  die 
bekannte  steirische  Nationalspeise ,  eine  Art  Mehlbrei ,  der  in 
dicke  Brocken  zertheilt  und  mit  Butter  geschmalzen  wird. 

S.   144  Z.    1221   Hs.   »Ich  mach  des  Lebens  Zier«. 


Die  Geburt  Christi. 

Seite  117. 

Auch  in  dem  vorliegenden  Spiele  zeigt  sich  die  Verwandt- 
schaft einzelner  Scenen  mit  ähnlichen  Scenen  in  dem  Vordern- 
berger  Weihnachtsspiele  bei  Weinhold  a.  a.  O.  S.  134  ff.  und 
insbesondere  mit  dem  Oberuferer  Christi -Geburt -Spiele,  welches 
Schröer  in  den  öfter  citirten  Weihnachtsspielen  aus  Ungarn  S.  61  ff. 
zum  Abdruck  gebracht  hat.  Besonders  bemerkenswerth  erscheint, 
dass  wie  im  vorliegenden  Texte  die  Namen  derWirthe:  Rufinus 
und  Titus,  welche  den  eine  Herberge  suchenden  Joseph  abweisen, 
sich  auch  in  dem  ungarischen  Spiele  vorfinden,  und  dass  selbst  die 
Namen  der  drei  Hirten:  Stichi ,  Galli ,  Widak  mit  jenen  bei 
Schröer  übereinstimmen.  Ja  noch  mehr:  der  Gang  der  Hand- 
lung ist  in  beiden  Spielen  überaus  ähnlich ,  manche  Stellen 
stimmen  sogar  in  ganzen  Verszeilen  überein,  jedenfalls  aber  viel- 
fach in  den  Endreimen.  Wenn  man  das  Auftreten  der  drei 
Könige  hier  S.  148  ff.  und  die  Reden  derselben  mit  der  Parallel- 
scene  bei  Schröer  S.  93  ff.  vergleicht,  so  erscheinen  diese  Aehn- 
lichkeitcn  am  häufigsten.  Die  letzte  Scene  des  Herodes  mit  den 
Soldaten ,    welche    ihm    von    dem    Kin;lerniorde    berichten ,    hier 


327 

S.^iöö  ff.,  schliesst  sich  ebenfalls  in  vielen  Beziehungen  an  die 
Scene  bei  Schröer  S.  Ii6  ff.  an,  hat  übrigens  auch  bei  Weinhold 
im  Vordernberger  Spiele  a.  a.  O.  S.  i68  ff.  ihre  Parallele,  Es 
ergiebt  sich  daraus  die  Thatsache  ,  dass  der  Verfasser  des  Ober- 
uferer  Spieles  das  hier  abgedruckte  gekannt  hat ,  möglicherweise 
sind  ihm  nur  Bruchstücke  desselben  bekannt  geworden;  das  Um« 
gekehrte,  nämlich,  dass  der  Oberuferer  Text  der  ältere  ist,  ist  mir 
aus  dem  Grunde  schwerer  anzunehmen,  weil  derartige  Spiele  schon 
im  17.  Jahrhundert  in  Steiermark  gewissermassen  eingebürgert 
erscheinen  und  die  verschiedenen  steiermärkischen  Texte  alle  unter- 
einander Aehnlichkeiten  aufweisen.  Auch  der  die  einzelnen 
Scenen  unterbrechende  Gesang  findet  sich  bei  dem  hier  abge- 
druckten Spiele  ebenso ,  wie  bei  dem  Oberuferer ,  wenn  auch  in 
ganz  anderer  Fassung;  leider  hat  unser  Text  in  dieser  Beziehung 
manche  Lücke  aufzuweisen ,  wie  dies  weiter  unten  und  in  den 
Anmerkungen   dargelegt  wird. 

Die  Handschrift,  welcher  ich  dieses  Geburt- Christi -Spiel 
entnehme ,  wurde  mir  etwa  im  Jahre  1882  durch  Herrn  F.  A. 
Kienast  (damals  in  Admont)  freundlichst  vermittelt,  welcher  sie 
von  einem  ehemaligen  Bergknappen  aus  Eisenerz ,  der  noch  bei 
solchen  Aufführungen  mitzuspielen  pflegte ,  ja  wahrscheinlich 
deren  Leiter  war,  geliehen  erhielt.  Diese  Handschrift  wies 
alte,  im  Gegensatze  zu  anderen  ähnlichen  Manuscripten,  nicht  un- 
leserliche Schriftzüge  auf,  die  spätestens  der  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts angehörten.  Das  Folioheft ,  welches  das  Papierformat 
beibehalten,  hatte  als  Umschlag  einen  Lederdeckel,  auf  dem  die 
Jahreszahl  1719  ersichtlich  war.  Recht  interessant  sind  einige 
Eintragungen  auf  der  ersten  Seite,  welche  vom  Jahre  1802,  1808 
und  1835  herrühren  und  die  Aufführung  des  Barbaraspieles  be- 
treffen, nebst  der  Bezeichnung  der  Einnahme.  Eine  Eintragung 
besagt:  .»Im  Jahre  1862  ist  die  Geburt  Christi  gespielt  worden«, 
also  das  vorliegende  Spiel;  ob  dies  die  letzte  Aufführung  war, 
konnte  ich  nicht  in  Erfahrung  bringen. 

Wie  bei  den  vorhergehenden  und  fast  allen  folgenden  der 
hier  veröffentlichten  Spiele  fehlte  in  der  Handschrift  das  Personen- 
verzeichniss ,  welches  somit  ebenfalls  von  mir  verfasst  werden 
musste.  Dies  bemerke  ich  aus  dem  Grunde  besonders,  weil  der 
Name  des  Königs  Melchior  im  Texte  als  Melcher  vorkommt; 
wegen  der  volksthümlichen  Anlage  des  Ganzen  wollte  ich 
diesen  Namen  in  den  Ueberschriften  der  bezüglichen  Reden  nicht 
ändern.  Im  Texte  selbst  wurde  die  Fassung  der  Handschrift 
möglichst  beibehalten  ,  offenbare  Fehler  und  Schreibverstösse,  die 
hier  auch  vorkommen,  wurden  jedoch  verbessert.  Eine  Eintheilung 
in  Acte  und  Scenen  findet  sich  in  der  Handschrift  nicht ;  an 
vielen  Stellen,  besonders  der  zweiten  Hälfte  des  Spieles  etwa,  ist 
aber  auch  das  Auf-  und  Abtreten  der  Personen  häufig  nicht  be- 
merkt, und  ich  war  genöthigt ,  auch  in  dieser  Beziehung  durch 
Einfügung  der  bezüglichen  Angaben  dem  Ganzen  Uebersichllich- 
keit  zu  verleihen.     Die  gleichartigen  Gesangsstrophen,   deren  erste 


328 

sich  auf  S.   122  Z.  78  findet,   bilden  jedenfalls  zugleich  eine  Art 
von  Abschnitten   und    leiten    neue  Scenen   ein ;    sie    befinden   sich 
weiter,  wie  ersichtlich  ist,  auf  den  Seiten  125,  135,  139,  143,  153; 
aber   auch    an   andern  Stellen    sind  Gesangstrophen  in  der  Hand- 
schrift angedeutet,  doch  höchstens  ist  deren  Anfangszeile  bemerkt. 
Diese    Stellen ,    welche    eine    Gesangstrophe   ausfüllen    sollte ,    die 
leider    fehlt,    befinden    sich  unmittelbar  nach  den  Verszeilen  753, 
789,    876,    1031  ,    I157,     1177  und   1189.      Einiges  Nähere  über 
jede    einzelne   dieser  Stellen    bemerke   ich    in    den  Anmerkungen. 
Diese    Gesänge    wurden    wahrscheinlich   von   allen    Mitspielenden 
zusammen  gesungen  ,  wie  dies  bei  ähnlichen  Spielen  meist  üblich 
ist.     Das  Fallen    des  Vorhanges    dürfte   wohl    dabei  nicht   erfolgt 
sein,  sondern  der  Gesang  bei  offener  Scene  stattgefunden  haben. 
S.   119  Z.  4  »gar  wohl«  nicht  in  der  Hs. 
S.   121   Z.  52   »verstören«  dial.  »betrüben«. 
S.  121    Z.  57  »Gefrier«  dial,   »Frost«. 
S.   122   Z.   72   »derft«   dial.    »dürft«. 

S.   123  Z.  98   »sehen  mögen«,  mögen  ist  hier  im  dialectischen  Aus- 
druck für   können  gebraucht. 
S.   123  Z.   HO  >Jch  g'halt«   dial.   »ich  behalte«. 
S.   127  Z.   190  »gewisst«  dial.  »gewusst,  Kenntniss  gehabt«. 
S.   128  Z.  209  In  der  Hs:    »nur  bald  zur  Thür  hinaus«. 
S.   129  Z.  219   »Kein  Zeit  vor  ihr  hat«  dial.  »keine  Zeit  vor  sich 

hat«,   nämlich  keine  lange  Zeit. 
S.   129  Z.  229   »abgewiesen  wir«  dial.   »abgewiesen  werde«. 

In  der  Hs. :   »dass  doch  Jemand  aufnehme  uns«. 
»Das  Ort«   dial.  »der  Ort«. 
In  der  Hs. :   »thut  ihm  Ort  verschaffen«, 
»ehender«  dial.   »eher,  rascher«, 
»derft«   dial.  »dürft«, 
»heute«   fehlt  in  der  Hs. 
»haben«   fehlt  in   der  Hs. 
599  Wie    oben  erwähnt,   stimmen  die  Namen  der  drei 
Hirten  :  Stichi,  Galli  und  Widak  mit  den  Namen  der  Hirten  des 
Oberuferer  Christi-Geburt-Spieles   in  Schröers  Weihnachtsspielen 
aus  Ungarn  überein.     Ueber  diese  Namen  vergl.   daselbst  S.   76 
Anm.  280  und  292.    Stichi  dürfte  vielleicht  Eustach  sein,  Galli  ist 
Gallus;  Widak  bei  Schröer  Wüdok,  Witok  geschrieben,   ist  ein 
Name,  der  mir  bisher  nicht  vorgekommen. 
S.  136  Z.  405  Vgl.  Anm.  zu   S.   77  Z.   135. 
S.   136  Z.  410  »Wasen«   dial.   »Rasen«. 
S.   137  Z.  417   »es  ist  gleich  ein  Geld«  dial.  etwa:  es  ist  gleich-, 

gültig,   es  ist  von  gleicher  Geltung. 
S.   137  Z.  419   »g'west«   dial.   »gewesen«. 

S.   137  Z.  420  »han  i  daweil  .  .  .  ang'fangt«  dial.   »habe  ich  der- 
weil d.  h.  inzwischen  .    .  .  angefangen«. 
S.   X37  Z.  428   »daschwingen«  dial.   »erschwingen«. 
S.   137   Z.  438   »hab«   fehlt  in  der  Hs. 
S.    139  Z.  473   »napfezen«   dial.   »einnicken,  schlummern«. 


S. 

130  z. 

247 

S. 

131  z. 

275 

s. 

134  z. 

341 

S. 

134  z. 

353 

S. 

135  z- 

375 

s. 

136  z. 

387 

s. 

136  z. 

388 

S. 

136  z. 

399 

329 

S.  139  Z.  486  »am«   dial.   » einen f<'. 

S.   139  Z.   495    »rar«   dial.   »merkwürdig,  sonderbar«. 

S.  139  Z.  497  »Das  wirft  mir  a  Furcht  a  an«  dial.  etwa:  das 
macht  mir  auch  Furcht. 

S.   139  Z.   501    »ÖS«  dial.  »ihr«. 

S.  140  Z.  507  »a  so  a  Liechten«  dial.  »auch  eine  solche  Helle«, 
ein  so  helles  Licht. 

S.   140  Z.  515   »ring«  dial.   »leicht,   wohl«. 

S.   141   Z.  551    »Zögerl«  dial.  ein  kleiner  Sack,  Tasche. 

S.   142  Z.  561    »Lost«   dial.   »hört«. 

S.    142  Z.  577  In  der  Hs. :    »Halla,  halla«. 

S.    146  Z.  659   »Doch«   ist  nicht  in   der  Hs. 

S.   148  Z.  733  »Ruth  entspriessen«  in  der  Hs. 

S.  149  Z.  753  Nach  dieser  Verszeile  soll  der  Handschrift  nach 
ein  »Gesang«  folgen,  wahrscheinlich  eine  Strophe  wie  auf  Seite 
125,  135  etc.,  von  dieser  ist  aber  nur  eine  Zeile:  »Der 
Stern,  der  leuchtet  so  wunderschön«  angeführt.  Diese  Gesänge 
leiten  jedenfalls  einen  neuen  Auftritt  ein  und  bilden  die  Er- 
öffnung desselben.  Die  Strophen  mögen  den  Mitspielenden  so 
bekannt  gewesen  sein,  dass  der  Aufzeichner  und  Abschreiber  die- 
selben leider  nur  andeuten  zu  dürfen   glaubte. 

S.  150  Z.  789  Nach  dieser  Verszeile  ebenso  wie  in  den  Anmerk. 
zu  S.  149.  Z.  753  :  Gesang  :  »Es  gedacht  ein  jeder  in  seinem 
Sinn.« 

S.  150  Z.  811  Nach  dieser  Verszeile  folgen  zwei  mir  nicht  recht 
leserliche  und  unklare  Zeilen  in  der  Hs.,  welche  etwa  lauten 
können : 

Wegen  welchen  auf  den  Berg  Victorial  auch  zwar 
Gewachet  worden  über  tausend  Jahr. 

S.  153  Z.  876  Nach  dieser  Zeile  wie  in  der  Anmerkung  zu 
S.  149  Z.  753:  Gesang:  »Sie  suchten  den  viel  Auserkornen, 
den  Judenkönig«. 

S.   153  Z.  890  Diese  Zeile  fehlt  in   der  Hs. 

S.   154  Z.   909   »was  sie  ihnen«    dial.    »was  sie  sich«. 

S.  156  V.  954  und  955  ist  die  Ansprache  des  Herodes  an  Protus, 
Z.   956  ff.  an  die  von   diesem  rasch  geholten  Hohepriester. 

S.  159  Z.  1031  Nach  dieser  Zeile  wie  in  der  Anm.  zu  S.  149 
Z.  753:   Gesang;    »Sie  zogen  dem  Stern  nach   13  Tage«. 

S.  162  Z.  1093  lautet  in  der  Hs. :  »Ach  wie  liegst  in  grosser  Kalt 
voller  Armuth  Beschwerd«. 

S.  164  Z.  II 55  Nach  dieser  Zeile  wie  in  der  Anm.  zu  S.  149 
Z.  753-   Gesang:    »Die  König,   die  waren  betrübet  sehr«. 

S.  165  Z.  1177  Ebenso  nach  dieser  Zeile  :  Gesang:  »Dem  Joseph 
wird  von  Gott  verkündt  ,  er  soll  ins  Aegypten  eilen«  ;  es  sind 
also  hier  zwei  Verszeilen  der  Strophe  in  der  Hs.  enthalten. 

S.  166  Z.  II 90  Vor  dem  Auftreten  des  Herodes  wie  in  der  Anm. 
zu  S.  149  Z.  753:  Gesang:  »Herodes  war  schon  auf  der 
Bahn«. 


Das  Leiden  Christi. 

Seite  169. 

Das  vorliegende  Passionsspiel  gehört  jener  Gattung  volks- 
thümlicher  geistlichen  Spiele  an ,  welche  Wilken  (Geschichte  der 
geistlichen  Spiele  in  Deutschland.  Göltingen  1872.)  in  Gap.  IL 
§  I — 6  insbes.  §§  5  und  6  seines  Werkes  eingehend  bespricht. 
Mit  den  grossen  Passionsspielen  in  Baiern  und  Tirol  (Oberammer- 
gau, Brixlegg  etc.)  hat  unser  Spiel  wenig  mehr  als  den  Inhalt  ge- 
mein; auch  mit  ähnlichen  Spielen,  welche  Hartmann,  Volksschausp. 
S.  III  ff.,  S.  373  ff.  und  528  ff.  anführt  und  in  Auszügen  bietet, 
weist  es  keine  Aehnlichkeit  auf,  bemerkenswerth  ist  jedoch  das  » Vor- 
gespilU  des  Oberaudorfer  Passionsspieles  daselbst  S.  373,  worauf 
ich  weiter  unten  zurückkomme.  K.  Weinhold  berichtete  seiner- 
zeit (in  K.  Goedeke's  deutscher  Wochenschrift.  1854.  5.  Heft) 
über  die  Bauernspiele  in  Innerösterreich  und  gedenkt  in  seinem 
Aufsatze  eines  Passionsspieles  zu  Liesing  im  Lesachthaie  Kärn- 
tens; ebenso  schildert  R.  Waizer  in  seinem  jüngst  erschienenen 
Werkchen:  »Culturbilder  und  Skizzen  aus  Kärnten.  Neue  Folge« 
(Klagenfurt.  1890.)  S.  54  ff",  die  Aufführung  des  »Leiden-Christi- 
G'spiels«  zu  Höfling  in  Kärnten,  welche  zuletzt  im  Jahre  1889 
stattfand,  und  bietet  einige  Texlproben.  Diese  Proben  weisen  auf 
einige  Aehnlichkeiten  der  Spiele  des  an  die  Steiermark  grenzen- 
den Kärnten  mit  dem  hier  abgedruckten  steirischen  Texte  selbst 
hin.  So  erinnert  an  die  Beurlaubungs-  (d.  h.  Verabschiedungs-) 
Scene  Christi  von  Maria  (S.  178  ff.  im  vorliegenden  steirischen 
Spiele)  eine  Scene  des  Höflinger  Spiels  (Waizer  S.  59  f.)  ;  eben- 
so zeigt  die  Art  der  Aufzählung  der  30  Silberlinge  an  Judas  (hier- 
S.  194  f.)  in  den  Reimen  Aehnlichkeit  mit  der  Aufzählungsweise 
in  den  von  Waizer  (S.  59)  mitgetheilten  Verszeilen  sowie  auch 
mit  den  von  Weinhold  angeführten  Stellen  des  Liesinger  Passions- 
spieles. Vielleicht  hatten  alle  die  Spiele  ältere  Vorlagen,  welche 
selbst  auch  miteinander  im  Zusammenhang  standen ,  denn  schon 
in  dem  Tiroler  «Passion«  Pfarrkirchens  vom  Jahre  i486  (Wacker- 
nell,  die  ältesten  Passionsspiele  in  Tirol.  Wien.  1887.  S.  39  f.) 
finden  wir,  dass  Annas  dem  Judas  das  Geld  mit  ähnlichen  Spruch- 
reimen aufzählt.  Es  Hessen  sich  noch  manche  derartige  Aehn- 
lichkeitspunkte  zwischen  dem  steirischen  Texte  und  den  Spielen 
der  übrigen  österreichisch-baierischen  Alpenländer  finden,  die  aller- 
dings nicht  so  sehr  in  die  Augen  fallen.  Ja,  selbst  Passionsspiele 
aus  viel  weiter  gelegenen  Gebieten  zeigen  Verwandtschaft  mit 
unserm  Texte  in  der  einen  oder  andern  Hinsicht.  Beispielsweise 
führe  ich  nur  das  schlesische  Zuckmantier  Spiel  (hgg.  v.  A.  Peter 
im  Troppauer  Gymnasial  Progr.  f.  1868  und  1869)  an,  in 
welchem  die  drei  Bitten  Marias  an  Jesu  (1869  S.  4)  mit  den- 
selben r>itten  in  der  schon  erwähnten  Abschiedsscene  (hier  S.  180 
und  181)  wenigstens  dem  Inhalte  nach  ganz  auffallende  Ueber- 
einstimmung  zeigen.     Nebenbei  bemerkt,  erinnert  der  erste    Theil 


33^ 

dieses      Zuckmantier     Spieles      seinem     Inhalte      nach      an      das 
unsere    Sammlung     eröffnende    Paradiesspiel.       Es    bestand     also 
schon    vor   Jahrhunderten    ein    gewisser   Zusammenhang   zwischen 
verschiedenen  Passionsspielen  des  baierisch-österreichischen  Sprach- 
gebietes, ja  sogar  zwischen  diesen  einerseits  und  derartigen  geist- 
lichen Spielen  nördlicher  gelegenen  deutschen  Gebiete  andererseits, 
und  man  wird  wohl  kaum  fehlgehen,   wenn  man  voraussetzt,   dass 
es  Leiter  solcher  Spiele  selbst  waren,  welche,  weit  herumgekommen, 
manche  besonders  wirksam  erscheinenden  Auftritte  dem  von  ihnen 
sonst    zur   Darstellung    gebrachten    Spiele    einverleibten   oder   aus 
der  ihnen  zur  Kenntniss  gelangten  älteren  Vorlage  herübernahmen. 
Ueberhaupt     unterliegt     es    keinem     Zweifel ,     dass    verschiedene 
passende    Scenen     von    anderwärts    der    älteren    Fassung    unseres 
Passionsspieles    einverleibt  wurden,    und  dürfte  auch  nachstehende 
Thatsache    darauf  hinweisen.     Es  kam    mir    anlässlich  der  Samm- 
lung steiermärkischer  geistlicher  Volksliedertexte  ein  altes  fliegen- 
des Blatt  in  So  zur  Hand,  welches  den  Titel  führt:   ^^Drey  schöne 
geistliche    Lieder.       Das     erste:     wie     die    allerheiligste    Jungfrau 
Maria    von    ihrem    geliebten  Sohne    sich    beurlaubet«    etc.    (Steyr. 
Gedr.    bei   Joseph  Greis.     O.  J.)     Dieses   erste  Lied    enthält    die 
vollständige    »Beurlaubungsscene«r    S.    178    ff.     des    vorliegenden 
Textes,   und  ich  hatte  Gelegenheit ,    nach  diesem  Drucke  manche 
Fehler  der  Handschrift  zu  verbessern.     Der  Druck  des  fliegenden 
Blattes  dürfte  aus  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhundertes  herrühren. 
Was  die  Herkunft  des   hier  abgedruckten  Textes  des  Leiden- 
Christi-Spieles  betrifft,   so  wurde  die  Handschrift,    jedenfalls  eine 
solche,    welche   zum  Theatergebrauch    diente,   von    mir    im   Jahre 
1881   erworben.     Nach  verschiedenen  Andeutungen  hatte  ich  schon 
früher  die  Vermuthung  und  schliesslich  die  Ueberzeugung  gefasst, 
dass  es  doch  noch  möglich  sei,  den  Originaltext  des  alten  Passions- 
spieles,   das  in  Steiermark  zur  Darstellung  gelangte,    zu  erhalten. 
Durch    die    werkthätige   Unterstützung    des   hier    öfter   erwähnten 
Herrn  Pfarrers  A.  Meixner,    welcher    die  Handschrift    des    Spieles 
zu  Gaishorn  im  Paltenthale  ausfindig  machte,   gelang  es  mir,   die- 
selbe   zu    erlangen.      Sie    besteht    in    einem    Hefte    gewöhnlichen 
Papierformates    in   Folio ,    beigelegt    ist    ein    kleineres    Quartheft, 
welches    die  Abendmahlsscene  enthält,    und  es  erscheint    in    dem 
ersteren   Manuscripte    durch    das  Wort  »Abendmahl«    darauf   hin- 
gewiesen,  wo  dieser  Theil  des  Spieles  einzuschalten  ist.     In  dem 
Foliohefte  fehlt  das  erste  Blatt ,  was  jedoch  aus  einem  gleich  an- 
zuführenden   Grunde    ohne    besonderen    Belang    ist.       Die    Auf- 
zeichnung   dürfte    aus    dem    ersten    Viertel    unseres    Jahrhunderts 
stammen.     Sie  befindet  sich,  was  Schrift  und   Orthographie  anbe- 
langt,   in   einem    recht    schlechten  Zustande    und    rührt   wohl  von 
einer    bäuerlichen     Hand    her ;     zweifellos    ist    auch    diese    Auf- 
zeichnung  eine  Abschrift.     Die  Verse    erscheinen    nirgends    abge- 
setzt,   manche  Worte  sind  fast  gar  nicht  leserlich,    ein  Personen- 
verzeichniss    fehlt.     Bemerkenswerth   ist,    dass  in  der  Handschrift 
das  Auf-    und  Abtreten    der  Personen  nicht  verzeichnet  erscheint. 


332 

Es  ist  jedoch  durch  die  Ueberschriften  der  aufeinanderfolgenden 
Scenen  z.  B.  der  höllische  Rath  der  Teufel  S.  173,  die  Hofifarth 
mit  Magdalena  S.  176  etc.,  jede  derartige  Scene  gewissermassen 
als  ein  abgeschlossenes  dramatisches  Bild  charakterisirt  und  dadurch 
die  Angabe  des  Auf-  und  Abtretens  der  einzelnen  Personen  über- 
flüssig gemacht.  Desshalb  und  um  nicht  etwa  an  unrichtiger 
Stelle  das  Eintreten  und  Abgehen  einer  Person  willkürlich  anzu- 
geben, wurde  von  dieser  Angabe  Umgang  genommen.  Für  Leser, 
denen  dies  auffallen  sollte ,  habe  ich  die  Bemerkung  unter  dem 
von  mir  zusammengestellten  Personenverzeichnisse  beigefügt.  Es 
dürfte  der  Fall  sein,  konnte  jedoch  nicht  festgestellt  werden,  dass 
nach  jedem  dieser  21  dramatischen  Bilder  der  Vorhang  fiel  und 
wie  bei  anderen  Passionsspielen  Baierns  und  Tirols  eine  Lieder- 
strophe  abgesungen  wurde. 

Zu  betonen  sind,  was  den  Inhalt  anbelangt,  noch  folgende 
Umstände.  Die  Handschrift,  deren  Anfang  fehlt,  beginnt  mit 
einem  Vorspiele  und  ,  soweit  der  erhaltene  Text  desselben  zeigt, 
hat  man  es  darin  mit  nichts  Anderem  zu  thun,  als  mit  jener 
Scene  des  von  mir  in  der  vorliegenden  Sammlung  zum  Abdruck 
gebrachten  »Schäferspieles«  (S.  39  ff.),  welche  das  Gespräch  des 
Pilgers  und  des  Hirten  über  die  Rettung  des  verlorenen  Schäf- 
leins  enthält  (S.  52 — 56),  wenn  auch  in  etwas  anderer  Fassung 
und  mit  dem  Unterschiede,  dass  statt  des  Hirten  ein  >-Jüngling« 
als  Sprecher  genannt  ist.  Bemerkenswerth  erscheint  dabei,  dass 
ähnliche  Gespräche  zwischen  dem  Pilger  und  dem  Hirten  über 
die  Rettung  des  Schäfleins  d.  h.  also  der  von  Gott  abgefallenen 
Seele  auch  in  anderen ,  insbesondere  Kärntner  Passionsspielen 
letztere  einleiten ,  wie  mir  der  kurze  Auszug  eines  Glanthaler 
Spieles  darlegt,  den  der  Herr  Pfarrer  Franz  Franziszi  im  Gail- 
thal  die  Güte  hatte,  mir  zur  Verfügung  zu  stellen.  Es  er- 
innert an  diese  Scene  jedoch  auch  das  »Vorgespill«  des  Oberau- 
dorfer  Passionsspieles  bei  Hartmann  (Volksschauspiele  S.  373  f.), 
in  welchem  der  »gute  Hirt«  allerdings  allein  auftritt  und  das 
Schäfiein  bittet,  ihn  nicht  zu  verlassen.  Im  Liesinger  Spiele 
schliesst  sich  nach  Weinhold's  Mittheilung  (Goedeke,  deutsche 
Wochenschrift,  1854,  Heft  5)  ein  kurzes  Spiel  vom  guten  Hirten, 
dem  «Leiden  Christi«  an.  Das  unvollständige  Vorspiel  wurde  aus 
dem  erwähnten  Grunde  natürlich  nicht  zum  Abdruck  gebracht. 

Ein  anderer  Umstand  betrifft  den  »Prologus«  (S.  171  dieses 
Textes) ,  welcher  den  Praecursor  der  alten  Spiele  ersetzt.  Es 
findet  sich  nämlich  in  der  Handschrift  vor  der  Eröffnungsscene 
S.  173  ein  zweiter  ähnlicher  Prolog  unter  der  Ueberschrift  »Erster 
Eintritt«  ;  einer  dieser  beiden  Prologe  dürfte  jedoch  bei  der  Dar- 
stellung ausgelassen  worden  sein,  da  beide  ziemlich  denselben  In- 
lialt  aufweisen.  Ich  unterliess  es  desshalb,  beide  Prologe  zum 
Abdruck  zu  bringen,  insbesondere  aber  auch  aus  dem  Grunde, 
weil  der  Text  des  zweiten  Prologes  so  sehr  durcheinander  ge- 
worfen ,  unleserlich  und  unverständlich  erscheint ,  dass  der  Leser 
nur  Bruchstücke    des  Inhaltes    erhalten    könnte    und   der  Abdruck 


33^ 

eines  halb  sinnlosen  Textes  ganz  und  gar  unnütz  erschien.  Die 
letzten  8  Zeilen  dieses  Prologes ,  welche  leserlicher  erscheinen, 
führe  ich  hier  an ,  da  sie  deutlicher  sind  und  der  Betheiligung 
des  Zuschauerkreises  am  Kreuzgang  Erwähnung  thun.  Sie  lauten 
in  abgeth  eilten  Verszeilen  : 

Aber  noch  ein  Bitt  hab  ich  zu   bringen    an, 
Weil  wir  zum  erstenmal  heut   fangen  an, 
'-     So  etwa  ein  Fehler  sollt  geschehen, 

Ihr  wollt  ihn  uns  nicht  übel    nehmen  und    mit  Jesu  in 

Kreuzgang  gehen, 
Damit  Gott  unsere  Bitt  möcht  erhören 
Und  unsere  Sünden  vergeben : 
Geduldet  nur    eine  kleine  Zeit, 
Weil   ich  von  dannen  abscheid. 

Da  es  selbstverständlich  wichtig  erschien ,  über  die  Art  der 
Aufführung  und  über  die  Zeit  derselben  nähere  Auskunft  zu  er- 
halten ,  so  wandte  ich  mich  öfter  an  den  Herrn  Oberlehrer 
J.  Slana  in  Gaishorn  und  erhielt  von  demselben  in  der  That  eine 
Reihe  dankenswerther  Mittheilungen ,  denen  ich  die  nachfolgen- 
den Angaben  entnehme.  In  Gaishorn  selbst  Avurde  zwar  einmal 
das  Leiden-Christi-Spiel  aufgeführt,  jedoch  nur  von  einer  durch- 
ziehenden Spielertruppe  und  im  geschlossenen  Räume.  In 
grösserem  Massstab  aber  fand  die  Darstellung  in  dem  nahen 
Trieben  im  Paltenthale  statt,  woher  der  Text  auch  jedenfalls 
stammt.  Es  hatten  sich  bei  derselben  auch  Bewohner  von  den 
nahen  Gemeinden  St.  Lorenzen  und  Au  betheiligt.  Der  Tag 
dieser  Darstellung  w^ar  der  Gründonnerstag,  und  bemerkt  mein 
Gewährsmann,  dass  vor  etwa  60  Jahren  dieselbe  in  Trieben  zu- 
letzt vor  sich  gegangen  sein  dürfte.  Er  erwähnt  jedoch  auch, 
dass  in  dem  ebenfalls  nahen  Kammern  im  Liesingthale  noch  vor 
etwa  40  Jahren  das  Leiden  Christi  gespielt  wurde.  In  Trieben 
wurde  hierfür  im  Freien  eine  grossartige  offene  Bühne  errichtet. 
Die  Zuschauer  haben  sich  bei  dem  Passionszuge  (Kreuzgang)  mit 
betheiligt,  denselben  begleitet  und  hierbei  den  »schmerzhaften 
Rosenkranz«  laut  gebetet.  Das  Spiel  hatte  also  einen  ganz  reli- 
giösen Charakter.  In  ähnlicher  Weise  wird  übrigens  auch  die 
Betheiligung  der  Zuschauer  an  einigen  solchen  Spielen  in  Kärnten 
erwähnt.  Die  Kostüme  und  Decorationen  waren  in  Trieben  den 
biblischen  Ueberlieferungen  entsprechend,  die  Mitspielenden  trugen 
weite  Gewänder ,  Soldaten  waren  mit  Schwert  und  Lanze  be- 
waffnet,  sogar  Pferde  wurden  bei  einzelnen  Aufzügen  benutzt. 
Diese  Angaben  stützen  sich  auf  die  Aussage  von  Augenzeugen, 
welche  Herr  Slana  noch  gesprochen  und  die  auch  noch  bestimmte 
Personen,   welche  die  Hauptdarsteller  bildeten,   zu  nennen  wussten. 

Von  sonstigen  Orten  der  Steiermark ,  in  denen  nach  be- 
glaubigten Mittheilungen  ebenfalls  Passions-  oder  Leiden-Christi- 
Spiele  aufgeführt  wurden ,  erwähne  ich  noch  folgende.  In 
Maria -Zell    sollen    dergleichen  Spiele    noch  um   1820  nach  Herrn 


334 

Pfarrers  Meixner  Mittheilung  vorgekommen  sein;  im  Markte 
Zeiring  wurden  am  Sonntag  Oculi  gegen  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts noch  gleichfalls  derartige  Spiele  nach  Angabe  des 
Herrn  Dechants  Simbürger  in  Schöder  und  zwar  nach  dem  Auf- 
hören einer  heftigen  Pestseuche  um  171 7  (?),  also  in  Folge  eines 
ähnlichen  Anlasses  wie  das  Spiel  in  Oberammergau  aufgeführt. 
In  Fürstenfeld,  also  schon  hart  an  der  ungarischen  Grenze  im 
Osten  des  Landes ,  enthält  das  Stadtarchiv  Rechnungen  über 
Passionsspiele  aus  den  Jahren  1764 — 1769,  welche  am  Fastenmit- 
woch ,  am  Charfreitag,  am  Ostermontag  und  Dienstag  zur  Dar- 
stellung gelangten.  Ueber  Letztere  berichtet  Hans  Lange  in 
einem  Aufsatze:  »Passionsspiele  in  Fürstenfeld«  in  den  Mittheil, 
des  histor.  Vereins  für  Steiermark,  XXXV.  Hft.  S.  131  ff. ,  ohne 
jedoch  Genaueres  über  die  Darstellung  selbst  anführen  zu  können. 
Insbesondere  erwähnt  dieser  Aufsatz,  dass  (auch  ?)  die  Legende 
der  heiligen  Genovefa  (vgl.  den  hier  vorliegenden  Text)  aufge- 
führt wurde.  Ob  es  sich  bei  diesen  Darstellungen  um  den  hier 
gebotenen  Leiden- Christi -Spieltext  gehandelt,  kann  leider  nicht 
bestimmt  werden. 

Jedenfalls  fällt,  was  das  Alter  unseres  Spieles  anbelangt,  ab- 
gesehen von  den  zweifellos  erfolgten  späteren  Einschiebungen, 
die  Abfassung  des  älteren  Grundtextes  in  das  16.  Jahrhundert, 
wie  die  ganze  Anlage  ,  sowie  Vers  und  Reim  zu  vermuthen  ge- 
statten. 

S.   171    Z.    I      Der    mit    dieser  Zeile    beginnende  Prolog  ist  leider 
in  der  Handschrift,    sowohl  was  die  Satzfügung,   als  auch  was 
die   Orthographie    und     die    Schrift     anbelangt,     in    einem    so 
üblen  Zustande ,    dass    er    in  verschiedenen  Theilen  zurecht  ge- 
legt werden  musste,   um  überhaupt  verständlich  zu  sein. 
S.  174  Z.    117   «ein  Borg«,   ein  Bürge  wie  im  Mhd.  borge. 
S.   175  Z.    129  und   130   »zu  dieser  Stund  hinab«   fehlt  in  der  Hs. 
S.   175   Z.    137   »in  Frommen«   fehlt  in  der  Hs. 
S.    176  Z.    169   »davon«   fehlt  in  der  Hs. 
S.    177  Z.   190  lautet  in  der  Hs. :   »Ja  Schwester  mein«. 
S.   178  Z.   216    und  217  lautet  in  der  Hs..-    »Und  er  in  der  Höll 

dort  wird  sein,   da  wird  er  unser  Freund  und  G'sell  sein«. 
S.   178  Z.   220  »Beurlaubung«   alter  auch  dial.  Ausdruck  für  Verab- 
schiedung,  Abschied. 
S.    182  Z.    352   «gegen  dir«  dial.    »bei  dir«. 
S.   183  Z.  405   lautet  in  der  Hs:   »Und  thut  euch  schleunigst  auf 

den   Füssen«. 
S.    185  Z.  432   »wie  sich's  thut  gebühren«   fehlt  in  der  Hs. 
S.    185   Z.  436    Nach    dieser   Zeile    in    der    Ils.    die   Anmerkung: 

Der  X'orhang  wird  zugemacht. 
S.    185  Z.  439   »Küchel«   dial.  »Küche«. 
S.    185  Z.  451    »Maridl«   dial.  Diminutiv  von  Maria. 
S,    185  Z.   454   »Sparmunges«.     Der  Ausdruck  bedeutet  hier  Noth 
leiden,    ist  mir  aber  ])isher  nicht  vorgekommen,  auch  Schnieller 
und    Lexer    kennen    ihn    nicht.      Da    die    Hs.    undeutlich    ist, 


335 

könnte  es  möglicherweise  Schmarunkes  heissen ,  Schmarunkel 
aber  bedeutet  im  oberöslerreichischen  Dialecte  ,  der  ja  so  viele 
Aehnlichkeit  mit  dem  unsrigen  aufweist ,-  Noth  leiden.  Vgl. 
z.  B.  L.  Hörmann's  Gedichtsammlung:  »Im  Lodenrock«  (Wien. 
1890)  S.   16   »Schmarunkel  kannst  singa<^f. 

S.  185  Z.  463  folgen  in  der  Handschrift  noch  einige  unleserliche 
Worte. 

S.   186  Z.  466  »Mich  g'freut's«   dial.   »mich  freut  es«. 

S.   187  Z.  490  »wurd«   dial.   »würde^f. 

S.    188  Z.   534   »thät  sagen«  dial.  »sägen«. 

S.  189  Z.  549  »sag  es  rund«  dial.  etwa  :  sag  es  nur  gleich  heraus, 
sag  es  offen. 

S.   189  Z.   559   »wer  ihm  denn  traut«  dial.   »wer  sich  getraut«. 

S.   190  Z.   569   »Wer«   fehlt  in  der  Hs. 

S.   190  Z.  570  »als«   fehlt  in  der  Hs. 

S.  191  Z.  592  Nach  dieser  Zeile  folgt  in  der  Hs.  eine  fast  un- 
leserliche und  nicht  verständliche  Stelle ;  man  könnte  dieselbe 
etwa  lesen:  »Dan  wer  zu  Tisch  sitzt  als  der  Herrn  bedient  zu 
sein  thut  begehren«  ;  es  sind  offenbar  zwei  Verszeilen,  die,  um 
einen  Sinn  zu  haben,   hätten  ganz  verändert  werden  müssen. 

S.   191   Z.  594  »entschütten«   dial.   »entlasten«  wie  im  Mhd. 

S.  191  Z.  595  lautet  in  der  Hs. :  »Dieser  Lieb  und  angefangenen 
Sachen«. 

S.   192  Z.  611  in  der  Hs. :    »von  Herzen  schäm«. 

8.  194  Z.  664  In  der  Hs.  steht  noch  die  Bemerkung:  »tragen 
den  Tisch  und  die  Sessel  hinweg«  noch  weiters:  »die  schwarzen 
Zechen  werden  berichtet«  (?) 

S.    194  Z.   665   Hs.  hat  unleserlich  etwa:  Holss  zu  der  Pedl. 

S.    194  Z.   671   In  der  Hs. :    »Mit  Speisen  war's  Stroh  jetzt  voll«. 

S.  197  Z.  748  Nach  diesem  Verse  folgen  in  der  Hs.  nachstehen- 
de fast  unverständliche  Zeilen,  die  ich  etwa  lese:  »so  wird  die 
euch   und  nicht  mein  sein,  das  sag  ich  euch  zuvor  hinein«. 

S.   202  Z.   903  In  der  Hs. :   »und  tapfer  an,   seid  nicht  verzagt«. 

S.   203  Z.  936   »Sehe«   dial.    Imperativ  für   »sieh!« 

S.   204  Z.   957  Diese  Stelle  bezieht  sich  vielleicht  auf  Judas. 

S.   205   Z.   977   Lautet  in  der  Hs. :   »Das  jedermann  kann  sagen«. 

S.  206  Z.  1009  »Kästenbrater«  dial.  »Kastanienbrater«.  Solche 
rösten  in  Steiermark,  Kärnten  etc.  ihre  Kastanien  auf  einem  kleinen 
Ofen  und  bieten  sie  auf  der  Strasse  noch  warm  feil.  Hier  ist 
der  Ausdruck  als  Schimpfwort  gebraucht. 

S.  206  Z.   1012  »Spott«  fehlt  in  der  Hs. 

S.   208  Z.    1053   »wacker«   fehlt  in  der  Hs. 

S.   208  Z.    1069   »verschweigst«   fehlt  in  der  Hs. 

S.  209  Z.  1091  Das  dreimalige  Krähen  des  Hahnes  ist  in  der 
Hs.  nirgends  angedeutet,  es  hat  natürlich  an  passender  Stelle 
während  dieser  Scene  stattgefunden. 

S,  210  Z.  1114  ii^  der  Hs. :  »dass  dich  das  ganze  jüdische  Volk 
mit  ihren«. 


336 

S.   211    Z.    II 30  «beizeiten«   fehlt  in  der  Hs. 

S.  213  Z.    II 72   »Respect  zu  geben«  in  der  Hs. 

S.   215  Z.   1244  »Wie«   dial.  für  i>je«. 

S.  217  Z.  1274  in  der  Hs.  folgen  noch  die  Worte:  »und  mit 
Geissien  ihn  erlegen«. 

S.  218  Z.  1293  und  1294  war  in  der  Hs.  ,  offenbar  als  zu  un- 
passend für  die  Aufführung,  mit  Rothstift  durchkreuzt. 

S.  219  Z.  1343  Nach  dieser  Zeile  folgt  eine  unverständliche 
sinnlose  Stelle ;  ich  lese  etwa :  »er  ist  ja  ein  Mann  als  ein  anderer 
Schmerzen  und  kann  auch  darum  nicht  schädlich  sein«. 

S.  220  Z.  1370  Nach  dieser  Zeile  folgen  noch  in  der  Hs.  die 
Worte.-   »und  verhüllen  deine  Würden«. 

S.  221  Z.  1384  Hier  folgen  in  der  Hs.  wieder  etwa  3  unleser- 
liche sinnlose  Verszeilen. 

S.   221   Z.    1386  »König«  fehlt  in  der  Hs. 

S.  222  Z.  1406  lautet  in  der  Hs.;  i>verschaffe  dieses  dem  bösen 
Geist«. 

S.  223  Z.    1441    »schändliches«   fehlt  in  der  Hs. 

S.  223  Z.  1457  Man  vergleiche  zu  diesem  Liede  das  ähnliche  in 
meinen  »Deutschen  Volksliedern  aus  Steiermark«  (Innsbr.  1881) 
S.  16,  betitelt  »Der  Jüngling  und  der  Tod«,  welches  einem 
fliegenden  Blatte  entstammt. 

S.   226  Z.    1557   »bluten«   dial.    »bluten«. 

S.  227  Z.  1578  »Plärament«  alter,  auch  dial.  Ausdruck  für  Weh- 
klagen, Jammern. 

S.   288  Z.   1591    In  der  Hs.:   *und  solang  deine  Teufels  Band«. 

S.  229  Z.    1636  In  der  Hs.   »stehen  da«,  statt  »weilen«. 

S.   229  Z.   1637   »und  theilen«  fehlt  in  der  Hs. 

S.   230  Z.    1645   »zählet«   fehlt  in  der  Hs. 

S.  231  Z.  1683  »zeig  ich  die  Feigen«,  derber  Ausdruck  der  Ver- 
achtung,  in  ganz  Oesterreich  gebräuchlich. 

S.   232  Z.    1688  »mag«  nicht  in  der  Hs. 

S.   233  Z.    1727    »werd  wehe!«   fehlt  in  der  Hs. 


Das  St.  Nikolausspiel. 

Seite  235. 

Eine  jener  Heiligengestalten,  die  insbesondere  in  allen  katho- 
lischen Ländern  überaus  volksthümlich  geworden  ,  ist  der  heilige 
Nikolaus ,  welcher  der  Legende  nach  in  den  ersten  Jahrzehnten 
des  vierten  Jahrhunderts  Bischof  von  Myra  war.  Der  wohlwollende 
Heilige  erfreut  sich  seit  vielen  Jahrhunderten  der  besonderen  Ver- 
ehrung, insbesondere  der  Kinderwelt.  Das  Fest  des  heiligen 
Nikolaus  feiert  die  katholische  Kirche  am  6.  December ,  seine 
Lebensgeschichte  und  das  reiche  legendarische  Material  über  ihn, 
bietet   Surius    (De    probatis    sanctorum    vitis)    im    Decemberbande 


337 

(Colon.  Agr.  1618)  182 — 188,  in  kürzerer  Fassung  findet  man 
Auskunft  bei  Stadler  (Heiligenlexikon)  Bd.  IV.  S,  547 — 550.  Die 
Beziehung  der  Gestalt  dieses  Heiligen  zu  einem  altdeutschen 
Wassergotte ,  hat  schon  Jacob  Grimm  angedeutet,  jüngster  Zeit 
aber  J.  v.  Zingerle  in  einem  ausführlichen  Aufsatze ,  welcher  in 
Veckenstedts  »Zeitschrift  für  Volkskunde«  (Leipzig.  1890)  II.  Bd. 
S.  329  ff.  veröffentlicht  wurde ,  untersucht.  In  Berücksichtigung 
des  an  dieser  Stelle  abgedruckten  volksthümlichen  Spieles  handelt 
es  sich  hier  allerdings  nur  um  die  Heiligengestalt  ;des  Bischofs 
Nikolaus.  Diese  ist  in  ganz  Steiermark  ebenso  angesehen  und 
verehrt  wie  in  den  übrigen  deutschen  AlpenLändern,  und  am  Vor- 
abend des  6.  December  erwarten  auf  dem  Lande  wie  in  der 
Stadt  sehnsüchtig  die  Kinder  den  »heiligen  Mann«,  der  erscheint 
und  den  frommen  Kleinen  seine  Gaben  bringt,  die  bösen  Kinder 
aber  zur  Frömmigkeit  und  Artigkeit  ermahnt.  Sein  steter  Be- 
gleiter ist  der  »Krampus«  auch  »Bartel«  genannt,  eine  Teufels- 
figur, welche  möglichst  schreckhaft  herausgeputzt  ist,  mit  Ketten 
rasselt  und  den  unfolgsamen  Kindern  eine  Ruthe  zuwirft.  Dass 
dieser  »Bartel«,  die  Personification  des  Teufels,  in  andern  Theilen 
Deutschlands  unter  dem  Namen :  »Knecht  Ruprecht« ,  »Klaub- 
aufj,  »Rauher  Glas«  etc.  vorkommt,  ist  allbekannt.  Es  wäre  hier 
auf  das  umfangreiche  Werk  hinzuweissen,  welches  Eugen  Schnell 
unter  dem  Titel:  »Sankt  Nikolaus,  der  heilige  Bischof  und  Kinder- 
freund ,  sein  Fest  und  seine  Gaben«  (Brunn.  1883 — 1886)  in 
sechs  Heften  herausgegeben  hat ,  das  fast  alle  Volksansichten, 
die  sich  auf  St.  Nikolaus  beziehen,  Sprüche,  Texte  verschiedener 
Spiele,  die  ihn  betreffen  u.  dgl.,  Vieles  zum  erstenmal  gedruckt, 
enthält,  und  welches  sowohl  Material  aus  seltenen  älteren  Quellen 
als  auch  mühsam  zusammengetragene  neuere  Daten  in  erschöpfen- 
der Vollständigkeit  bietet.  In  diesem  Werke  gedenkt  (Heft  2, 
S.  43  —  47)  der  Verfasser  auch  Steiermarks  und  des  »St.  Niko- 
laus-Spieles« zu  Liezen  im  Ennsthale  des  Landes. 

Anlässlich  meiner  Durchforschung  der  Steiermark  vor  etwa 
zehn  Jahren  nach  Spuren  und  erhaltenen  Stücken  volksthümlicher 
Ueberlieferung ,  gelang  es  mir,  in  Liezen  selbst,  den  Text  dieses 
Spieles  zu  erlangen ,  aus  dem  ich  einzelne  bezeichnende  Proben 
in  meinem  Werkchen:  »Kultur-  und  Sittenbilder  aus  Steiermark« 
(Graz.   1885)  niittheilte. 

Es  handelt  sich  hier  nicht  um  ein  eigentliches  Volksschau- 
spiel mit  geschlossener  Handlung ,  wie  bei  den  übrigen  Schau- 
spielen dieses  Buches,  ebensowenig  aber  um  das  einfache  Ein- 
treten des  heiligen  Bischofs  und  das  volksthümliche  Befragen  der 
Kinder ,  vielmehr  um  eine  Art  dramatischer  Darstellung ,  deren 
auftretende  Personen  einen  vorgeschriebenen  Text  haben ,  bis  auf 
die  Gestalt  des  Waldbauers  und  auf  die  Kinder,  welche  der  Dar- 
stellung beiwohnen  und  gewissermassen  unbewusst  mitspielen. 

Das  ganze  Spiel  wurde  in  Liezen  früher  oft  zur  Aufführung 
gebracht  und  zwar  ohne  besonderen  scenischen  Apparat  im 
Volksschauspiele.  22 


33^ 

Zimmer.  Das  Costüm  des  Nikolaus  und  der  übrigen  Personen 
hat  man  sich  als  das  übliche,  in  einfacher  Weise  gehalten ,  zu 
denken.  Man  beachte  bei  dem  jedenfalls  in  seinen  Grundbe- 
standtheilen  dem  i6.  Jahrhunderte  angehörigen  Texte  auch  hier 
die  Uebereinstimmung  der  Verse  26  ff.  (S.  238)  mit  den  ent- 
sprechenden Versen  der  »Tragedia  von  Schöpfung  etc.«  des  Hans 
vSachs  (A.  V.  Keller' s  Ausg.  Bd.  I.  S.  20  ff.).  Der  Text  dieses 
Liezener  Spieles  war  Anfangs  nicht  leicht  zu  erhalten;  schon  seit 
Jahren  erschien  die  Aufführung  des  Spieles  behördlich  untersagt, 
da  sich  unter  den  Burschen,  welche  die  Hauptdarsteller  bildeten, 
einmal  ein  Raufhandel  entspann,  der,  wenn  ich  nicht  irre,  sogar 
mit  einem  Todschlag  endete.  Mein  leider  dahingeschiedener 
Freund  Christoph  Köllner,  Notar  in  Liezen,  trieb  aber  noch  einen 
der  früheren  Darsteller  auf,  welcher  sämmtliche  Rollen  auswendig 
wusste  und  gerne  bereit  war,  dieselben  herzusagen,  wodurch  der 
Wortlaut  fixirt  wurde.  Auch  berichtete  dieser  Gewährsmann  über 
die  einfache  Art  und  Weise  der  Darstellung. 
S.  237  Z.  2  »Ich  tritt«  dial.  »ich  trete«. 
S.  237  Z.  7  »unterbringen«  dial.  »mittheilen,  melden«. 
S.  237  Z.  20  »gehn  wir's  an«  dial.  »beginnen  wir,  fangen  wir  an«. 
S.  238  Z.  46  »gwen<f  dial.  »gewesen«. 
S.  239  Z.   56   »ihnen«  dial.  Verwechslung  des  Casus,  für  »sie.«  — 

»lernet«  dial.   »lehret«. 
S.  240  Z.  96  »bei  die  Haar«  dial.  »bei  den  Haaren«. 
S.  241  Z.  138    »eine    feurige    Schwein«.      Im   Dial.   ist   Schwein 

fem.  gen. 


Genovefa. 

Seite  243. 


Das  Genovefaspiel  gehört  neben  den  Weihnachts-Krippel- 
oder  Dreikönigsspielen  schon  seit  langer  Zeit  zu  den  beliebtesten 
der  volksthümlichen  dramatischen  Aufführungen  in  Steiermark  so- 
wohl ,  als  in  den  angrenzenden  Ländern  und  im  ganzen  Gebiete 
des  bairisch  -  österreichischen  Alpenlandes.  Bis  in  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  lässt  sich  das  Vorkommen  dieses  Spieles 
an  verschiedenen  Orten  im  Lande  zurückverfolgen ,  wobei  aller- 
dings fraglich  erscheint,  ob  es  sich  dabei  wirklich  um  den  hier 
abgedruckten  Text  handelt.  Immerhin  kann  dies  aber  ange- 
nommen werden  ,  zumal  die  Beliebtheit  der  Figur  des  »Hans- 
wurst« gerade  im  18.  Jahrhundert  diesem  Spiele  grosse  Aufmerk- 
samkeit gesichert  haben  dürfte.  Die  Dramatisierung  der  Geno- 
vefa-Legende  hat  sich  auch  auf  der  Puppenbühne  eingebürgert 
und    finden    sich    solche  Puppenspiele   abgedruckt    in    den  »Deut- 


il 


339 

sehen  Puppenkomödien«,  herausgegeben  v.  C.  Engel  IV.  (Olden- 
burg. 1876),  sowie  in  den  »Deutschen  Puppenspielen«,  herausg. 
von  Richard  Kralik  und  Joseph  Winter.  (Wien.  1885.)  In 
beiden  Puppenkomödien  bildet  die  Legende  von  der  Pfalzgräfin 
Genovefa  in  der  wohl  allbekannten  Fassung  den  Inhalt  des 
Stückes,  und  das  Gleiche  ist  bei  unserem  vorliegenden  Volksspiele 
der  Fall.  Die  erwähnte  Legende  ist  eines  der  am  meisten  ge- 
lesenen Volksbücher  geworden  und  in  zahllosen  Drucken  in  allen 
deutschen  Ländern  verbreitet.  Simrock  in  seiner  Ausgabe  der 
»deutschen  Volksbücher«  (Frankfurt  a.  M.  1845)  bringt  die  »His- 
torie von  der  unschuldig  bedrängten  heiligen  Pfalzgräfin  Geno- 
vefa« gleich  im  ersten  Bande  der  Sammlung.  Dass  dieses  Volks- 
buch »Genovefa«  seiner  Grundidee  nach  das  Werk  eines  Mönches 
des  Klosters  Laach  ist,  hat  Bernhard  Seuffert  (»Die  Legende  von 
der  Pfalzgräfin  Genovefa«.  Würzburg.  1877)  nachzuweisen  ver- 
sucht; eine  eigentliche  Bearbeitung  des  Stoffes,  nach  welcher  das 
deutsche  Volksbuch  erweisbar  entstanden  ist,  hat  der  Franzose 
Ceriziers  vorgenommen  in  seinem  1638  erschienenen  Werke  »L'inno- 
cence  reconnue« ,  von  welchem  schon  1640  durch  Michael  Stau- 
dacher  eine  Uebersetzung  oder  eigentlich  Bearbeitung  erschien. 
(Vgl.  Seuffert  a.  a.  O.  S.  60  ff.)  Eine  zweite  Bearbeitung  der 
Genovefalegende  nach  Ceriziers  erschien  1685  in  dem  Buche: 
»Die  Unschuld  in  Drey  unterschidlichen  Ständen  etc.«  von  einem 
ungenannten  »Priester  der  Societät  Jesu«.  Schon  dieses  Werk 
sicherte  der  Genovefaerzählung  grosse  Verbreitung,  insbesondere 
dürfte  sie  aber  ins  Volk  gedrungen  sein  durch  die  gekürzte  Auf- 
nahme in  Martin  Cochems  W^erk;  »Auserlesenes  History -Buch« 
(Dillingen.  1687).  In  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  beginnen 
die  immer  zahlreicher  erscheinenden  Ausgaben  des  Genovefa-Volks- 
buches  »gedruckt  in  diesem  Jahr«  und  auch  die  Dramatisirungen 
für  die  Puppen  -  und  Volksbühne :  auch  die  vorliegende  drama- 
tische Fassung  ist  wohl  in  jene  Zeit  oder  wenig  später  zu  setzen. 
J.  Zachers  gehaltvoller  Artikel  »Genovefa«  in  Ersch  und  Gruber's 
Encyklopädie.  Sect.  I.  Bd.  58  S.  219  ff.  bietet  für  die  Geschichte 
der  Legende  reichen  Stoff  und  werthvolle  bibliographische  Angaben  ; 
eine  Dramatisirung  des  Stoffes  im  volksthümlichen  Sinne  war  dem 
Verfasser  jedoch  noch  nicht  bekannt.  Dagegen  erwähnt  Seuffert  a. 
a.  O.  S.  78  ff.  verschiedener  dramatischer  Bearbeitungen  in  unserem 
Sinne,  auch  der  Puppenspiele  S.  79  ff.;  Engel  (Puppenkomödien 
IV.)  zählt  in  der  Einleitung  S.  6  die  Kunstdramen  und  Opern, 
welche  diesen  Stoff  behandeln,  auf.  Sehr  zu  beachten  ist  Prof. 
R.  M.  Werner's  Besprechung  der  Kralik- Winter' sehen  Puppen- 
spiele in  der  Zeitschrift  für  deutsch.  Alterthum.  N.  F.  XIX.  Bd. 
S.  55  ff.,  woselbst  die  Genovefa-Texte  eingehende  Besprechung  und 
Vergleichung  finden.  Als  Volksschauspiel  wurde  die  Genovefa 
in  den  bairisch -österreichischen  Gebieten  nach  Hartmann  (Volks- 
schauspiele) häufig  aufgeführt,  allerdings  dürfte  der  dramatische 
Text    aller    dieser  Bühnen    mit    unsrigem    wenig    gemein    haben. 

22* 


340 

Auch  P'elix  Dahn  (»Bavaria«.  München  1860.  I.  Bd.  5.  Abschnitt. 
Volkssitte)  erwähnt  der  Genovefa  als  eines  beliebten  Repertoire- 
Stückes  der  oberbaierischen  Volksbühne.  Weinhold  berichtet  über 
eine  Aufführung  in  Kärnten  um  1830,  Lexer  sogar  von  einer  im 
Jahre  1876.  Was  Steiermark  betrifft,  so  liegt  H.  Lange's  aus  den 
Rechnungen  des  Stadtarchivs  schöpfender  Bericht  —  dessen  hier 
schon  in  den  Einleitungsworten  zum  »Leiden  Christi-Spiel«  ge- 
dacht wurde  —  aus  Fürstenfeld  vor,  wo  demnach  schon  im 
Jahre  1767  die  Genovefa  aufgeführt  wurde;  nach  Herrn  Pfarrer 
Meixner's  Mitlheilung  wurde  vor  einigen  Jahrzehnten  in  Trofaiach 
»die  Genovefa  gespielt«,  und  ich  glaube  ebenfalls  nach  unserer 
Fassung ;  auch  in  anderen  Orten  Obersteiermarks  kommt  das  Stück 
ab  und  zu  bis  in  die  letzten  Jahrzehnte  unseres  Jahrhunderts  auf 
Dorfbühnen  vor. 

Was  das  Auftreten  des  »Hanswurstes«  betrifft,  jener  Possen- 
figur, welche  in  Folge  ihrer  Beliebtheit  (wie  auch  mehrere  der 
nachfolgenden  Stücke  zeigen)  so  gerne  vom  Verfasser  derartiger 
Spiele  demselben  eingefügt  wurde,  so  ist  in  Berücksichtigung 
seiner  Redeweise  zu  beachten ,  dass  er  hier  stets  den  steierischen 
Dialekt  spricht  und  somit  eine  echt  volksthümliche  Figur  dar- 
stellt. Uebrigens  wage  ich  deshalb  nicht  zu  behaupten ,  dass 
unser  Text  wirklich  in  Steiermark  entstanden  ist ,  wohl  aber 
wurden  jedenfalls  die  freilich  oft  allzuderben  Spässe  dieses  Lustig- 
machers in  die  landesübliche  Mundart  umgeformt. 

Die  Handschrift ,  welche  den  Text  unseres  Spieles  enthält, 
habe  ich  1881  aus  Mitterdorf  im  Mürzthale  erhalten;  sie  bildet 
ein  abgegriffenes  Quartheft ,  dessen  Orthographie  eine  grässliche 
genannt  werden  muss;  das  Heft  enthält  folgende  Aufschrift  auf 
dem  Titelblatte:  »Vorstellung  oder  Komötig  von  den  Leiden 
und  Leben  der  Heilige  Pfalz  Gräfin  und  Einsitlerin  und  aus 
Brabant  gebürtige  Herzogin  S.  Genovefa.  Erneuert  und  Ver- 
bessert im  Jahre  1821«.  Am  Ende  des  Heftes  steht  die  Be- 
merkung: »Verfertiget  den  14.  Jänner  1828  von  Jacob  Schlag- 
bauer Tinstboth  beim  .  .  .  nerlbauern  zu  Keuchendorf  ge- 
schrieben wurden.  Alles  zur  Ehre  Gottes  und  der  Heilligen  Ge- 
novefa. MDCCCXXVHL«  Man  kann  aus  dieser  Probe  die  Or- 
thographie des  Ganzen  ermessen.  Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass 
die  »Erneuerungen«  und  »Verbesserungen«  keine  sehr  bedeutenden 
sind.  Die  Einlheilung  des  Originaltextes  der  Handschrift  in  10 
»Auftritte«  ist  eine  ungleichmässige  und  nicht  recht  passende. 
Ich  habe  eine  Eintheilung  in  wirkliche  Auftritte  der  Uebersicht- 
lichkeit  wegen  getroffen  und  manche  kurze  Theaterbemerkung 
beigefügt.  Die  10  in  der  Handsclirift  angeführten  »Auftritte« 
vertheilen  sich  in  der  von  mir  getrolTenen  Eintheilung  zwischen 
die  Auftritte  i,  4,  13,  16,  22,  26,  36,  44,  49,  u.  65.  Nach 
jedem  dieser  10  »Auftritte«  dürfte  der  Vorhang  —  die  Handschrift 
hat  stets  >das  Rollett«  ,  also  ein  gerollter  Vorhang  —  gefallen 
sein.     Bemerkt  ist  dies  übrigens  nicht  immer. 


341 

S.  248  Z.  97  »Stulfried«.  Der  Hanswurst  sucht  die  Heiterkeit  der 
Zuhörer  auch  durch  Wortverdrehungen,  die  er  insbesondere  gern 
bei  Eigennamen  und  den  Bauern  weniger  geläufigen  Ausdrücken 
anwendet ,  hervorzurufen  ;  so  nennt  er  den  Siegfried  Stulfried, 
den  Hofmeister  Hosenmeister ,  die  Soldaten  Saiten  ,  die  Pfalz- 
gräfin Schmalzgräfin  u.   dgl. 

S,   298  Z.   104  »Veferl«  dialect.  Diminutiv  von   Genovefa. 

S.   298  Z.    105    »z'todt  abi  zana«  dial.   »zu  todt  weinen«. 

S.   249  Z.   112   »gach«   dial.   »jäh,  heftig«. 

S.  249  Z.  122  »Katz  zum  Schmerhüter«,  sprichwörtliche  Wendung 
etwa  wie:  den  Bock  zum  Gärtner  machen.  Schmer  ist  das  aus- 
gelassene Rinds-  oder  Schweinefett,   Schmalz. 

S.   249  Z.   125   »ÖS«   dial.  »ihr«. 

S.  249  Z.    131    »enk«  dial.    »euch«. 

S.  249  Z.  134  »Schullehr  Turgl«.  Letzteres  offenbar  Eigenname 
des  Schullehrers. 

S.  250  Z.    145   »aft«  dial.   »hernach«, 

S.   251   Z.   173   »Hiatz«   dial.   »jetzt«. 

S.  251  Z.  175  »einikemma«  dial.  »hineingekommen.«  »g'secha« 
dial.   »gesehen«. 

S.  251  Z.  176  »g'fleckerle  P'arlsau«  dial.  gefleckte,  scheckige  Sau, 
welche  junge  Ferkel  dial.  Farln  hat. 

S.   251   Z.    182   »Ganabeth«   dial.    »Kanapee«. 

vS.    251   Z.    184  »zanen«   dial.    »weinen«. 

S.   252  Z.   208    »dazählen«  dial.    »erzählen«. 

S.  252  Z.  213   »i  wiar«'  dial.   »ich  werde«. 

239  »aft'n«  dial.  wie  »aft«,   »hernach,   darauf«. 
267   »kema«  dial.   »kommen,   gekommen«. 
342   »a  so«   dial.  etwa  »derart,  so  sehr«. 

S.  257  Z.  351  »umakrallen«  dial.  »herumgraben«.  —  »Mein«  dial. 
Interjection,  wie  Mein  Gott! 

S.  257  Z.  353   »Menscher«   dial.   »Mädchen,  Frauenzimmer«. 

S.  258  Z.  364  »Tausend  Schlackrawald«  dial.  Interjection  etwa  wie 
»Tausend  Sapperment«. 

S.   260  Z.  437  u.  438   »mehr  narrischer«   dial.   »mehr  närrisch«. 

S.   260  Z.  440  »anheben«   dial.    »anfangen,   beginnen«. 

S.  261  Z.  447  »a  Häferl  Sterz«,  ein  Töpfchen  Sterz.  Sterz  ist  die 
in  Steiermark  landesübliche  Mehlspeise,  eine  Art  dickgekochter 
Brei,  der  in  Brocken  zertheilt  und  mit  Fett  möglichst  stark  ab- 
geschmalzen  wird;  je  mehr  Fett,  Schmalz  dabei  ist,  desto  be- 
liebter ist  bei  dem  an  fette  Speisen  gewöhnten  Steirer  der 
Sterz. 

S.  261  Z.  449  »abi  rinnt«  dial.  »herabrinnt«.  —  »Gells  ja?«  dial. 
etwa  »gelt?«   —   »I  wir«   dial.   »ich  werde«. 

S.  261  Z.  450  »aussa  heissen«  dial.  »herausrufen«.  —  »dös«  dial. 
»das«. 

S.  266  Z.  595  »Gischpel«  dial.  Ausdruck  für  einen  unbesonnenen 
Menschen,  wird  gewöhnlich  scherzhaft  gebraucht. 


s. 

253  ^ 

s. 

254  z, 

s. 

257  z 

342 

S.  266  Z.  598  »G'schpaderl«    dial.   »Schächtelchen ,    eine   kleine 

Schachtel«. 
S.  266  Z.   603   » Reichen«  dial.   «Gefängniss«. 
S.   268  Z.  660  »mit  Enzian  austäfelta  dial.  »ausgetäfelt«,  Enzian, 

die  Wurzel  der  bekannten  Gentiane,  welche  sehr  bitter  ist  und 

aus  welcher  der  gleichnamige  Geist  gebrannt  wird. 
S.   274  Z.  804  »impertinentische«  ist  hier  scherzhaft  etwa   in  der 

Bedeutung  von  imposant  gebraucht. 
S.   275  Z.  839   »umastürzen«,  dial.    »umherrennen «f. 
S.   275  Z.   848   »Ös    machts    an    doch  klein  verwegen«   dial.   »ihr 

macht  einen  verzagt«. 
S,   275  Z.   855   »i  bild  mir's  schon  ein«  dial.  etwa:   ich  denke  mir 

es  schon. 
S.   276  Z.   870  *Raudel«   dial.   »eine  hassliche  Weibsperson«. 
S.   276  Z.  877  »Plunzen«  dial,   aber  auch  allgemein  gebräuchlicher 

Ausdruck  »für  Blutwurst«. 
S.  277  Z.  905   »bis  dass  amal  nachi  kommts«  dial.  »bis  ihr  einmal 

nachkommt«. 
S.  280  Z,  980   »abisperren«  dial.    «hinabsperren«. 
S.  280  Z.  984  »Hascher«  dial.  eine  »bedauerungswürdige  Person«. 
S.  282  Z.   1037   »auf  einen  andern  Ort«,  der  Dialect  setzt  für  an 

häufig  auf. 
S.   285  Z.   1136  »ein  jeder  Kietzen«  dial.   »eine  jede  Kleinigkeit«. 

Kietzen    heissen    eigentlich    in    der    Mundart   gedörrte    Birnen, 

welche  einzeln  natürlich  nur  ganz  unbedeutenden  Werth  haben, 

daher  die  eigentlich  sprichwörtliche  Redensart. 
S.   285  Z.    1141    »auf  den  Bestand«   dial.  etwa:  in  Pacht  vergeben 

hat,   d.   h.  nicht  selbst  pflegt. 
S.    291   Z.    1309  u.   1310  »Hat  enk  eppa  die  Trud  druckt?*   dial. 

»hat  euch  etwa  die  Trud  gedrückt?«     Die  Trud  ist  das  bekannte 

Gespenst,  welches  dem  Volksglauben  nach  im  Schlaf  das  Trud- 

d.   h.  Alpdrücken  veranlasst. 
S.   291   Z.   1315   »z'sam  trischaken«  scherzhafter  dial.  Ausdruck  für 

»zusammenhauen« . 
S.   292  Z.    1329   »g'schmeckt«   dial.    »gerochen«  d.  h.  gemerkt. 
S.   293  Z.    1346  *daweil«   dial.  »derweile,   vorläufig«. 
S.  294  Z.   1381    »derf    ma«     dial.     »darf    man«.       »Säbel«    dial. 

»Säbel«. 
S.   296  Z.    1432  In  der  Hs.  »verantwortet«  statt  »verlanget«. 
S.    299   Z.    1526   Der   Hanswurst    ruft    hier   die    Hunde    mit    ver- 
schiedenen  üblichen  Namen  an. 
S.   299  Z.    1527   »Mir«  dial.    »wir«. 
S.   299  Z.    1529   »Wildbrat«  dial.   »Wildpret«. 
S.  300  Z.    1556   »Wei«  dial.   »Weib«. 
S.  300  Z.   1557   »g'wisst«  dial.    »gewusst«. 
S.   300  Z.    1566  »daschossen«  dial.    »erschossen«. 
S.   301   Z.    1574  »ÖS  meant's«   dial.  »ihr  meint«. 
S.  302  Z.  1605  In  derHs.  »Wohlwürdigen«  statt  »Nichtswürdigen«. 


343 

S.  302  Z.    1620  »brockt«   dial.    »pflückt«. 

vS.   304  Z.   1679   »Herumwalgen«  dial.   für   »Umherirren«. 

S.  305  Z.   1687    »schmutzen«    dial.   »schmunzeln«  ,    natürlich  hier 

ironisch  gemeint. 
S,   305  Z.   1687   »amol«  dial.    »einmal«. 
S.  305  Z.   1691    »rinnaugeten«    dial.    »eine,    die  rinnende  Augen 

hat,    triefäugig«. 
S.   308  Z.    1799   »a  Weil«   dial.   »eine  Weile,   eine  Zeit  lang«. 
S.  308  Z.  i8o2J»wir  i  ans  singen«  dial.  »werde  ich  Eins  singen«. 


^ 


Pierer'sche  Hofbuchdruckerei.     Stephan  Geibel  &  Co.  in  Altenburg. 


Deutsche 


Volkssehauspiele 


In    Steiermark    gesammelt. 
Mit  Anmerkungen  und  Erläuterungen 

nebst  einem  Anhange : 

das  Leiden  Christi-Spiel  aus  dem  Gurkthale  in  Kärnten 

herausgegeben 
von 

Dr.  Anton  Schlossar, 

Custos  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  in  Graz. 


Zweiter  Band. 


Halle. 

Max    Niemeyer. 

1891. 


INHALT. 

Seite 

Judith  und  Holoferres i 

Hirlanda 39 

St.  Barbara 107 

Susanna 159 

Der  bairische   Hiesel 199 

Der  gefoppte  Geizhals 239 

Ein  Nachspiel 253 

Anhang.    Das  Leiden  Christi.     Passionsspiel  aus  dem  Gurk- 
thale  in  Kärnten.     Mit  einem  Zwischenspiele  und  einem 

Nachspiele 269 

Die  Schäferei.     Ein  Zwischenspiel 371 

Die  Auferstehung.     Ein  Nachspiel 375 

Anmerkungen  und  Erläuterungen 379 


V 


JUDITH  UND  HOLOFERNES. 


1% 


Volksschauspiele.     II. 


PERSONEN. 

König  Nabucodonosor. 

Holofernes,   Oberster. 

Hartmann,  ein  Unterhauptmann. 

Felix,   ein  königlicher  Rath  u.  Kundschafter. 

Valericus,  ebenfalls  einer. 

Macarius,   ebenfalls  einer. 

Fürst  Achior. 

Ozias,   Fürst  der  Israeliten. 

Joachim,   Priester  der  Israeliten. 

Judith,   eine  Wittfrau. 

Abra,   deren  Magd. 

Samuel,   ein   Israelitischer  Rathsherr. 

Pumo,   ebenfalls  einer. 

Hanswurst. 

Ein  Bauer. 

Soldaten  oder  Trabanten. 


ntfp 


I.  Auftritt. 

König  Nabucodonosor  sitzt  auf  dem  königlichen  Thron,  neben  ihm : 

Hartmann ,    der   Hauptmann ,    Felix   und    Valericus ,    welche  auf 

Sesseln  mit  Teppichen  sitzen.     Anwesend  noch  zwei  Trabanten. 

König. 

Höret,  ihr  liebe  Getreue  I  Weilen  Wir  nunmehr 
mit  Unserer  Gewalt  das  Reich  der  2^Iedier  völlig 
eingenommen  und  überwunden ,  so  schätzet  man 
Uns  als  den  einzigen  unüberwindlichen  König  und 
5  Gott  der  Erden.  Wir  holten  aber  auch  neben- 
bei ,  ihr  werdet  alle  Unsere  Befehle  zu  vollziehen 
künftig  willig  und  bereit  sein  und  ebendorthin,  allwo 
Wir  hin  zu  commandiren  verlangen ,  dann  Unseres 
Willens  sein.    Du  Valericus  sollest  ziehen  gen  Cicilia, 

IG  du  aber,  Felix,  nacher  Damascus  in  Galilea  und 
Jerusalem ,  und  eben  alsobald  sollet  ihr  dahin  ab- 
reisen, um  diesen  Ort  und  Völkern  anzubieten,  dass 
sie  sich  ohne  Verzug  Unserer  Botmässigkeit  ergeben 
sollen,  ansonst  aber,  so  sie  sich  freiwillig  nicht  er- 

1 5  geben ,  solle  in  aller  Kürze  Alles  im  Reich  mit 
Feuer  und  Schwert  verheert  werden. 

Alle. 
Dero  Befehl,  Ihro  königliche  Majestät,  seien  wir  alle 
bereitet,  genauesten  Vollzug  zu  leisten. 

Valericus. 

Ja,  ja,  Dero  Befehle  werden  ich  und  Felix  auch  al- 

20   sogleich    vollziehen    und  in  jene  Länder  und  Stadt' 

als    königliche    Kundschafter    abreisen ,     um    ihnen 

einen  Schrecken  einzujagen,  dass  sie  sich  alsogleich 


unter  Dero  Botmässigkeit  ergeben,   damit  dann  alle 
erfahren,  dass  König  Nabucodonosor  sammt  seinem 
2  5   getreuen  und  weit  berühmten  Hauptmann  Holofernum 
unüberwindlich  herrsche  und  regiere. 

König. 

So  gehet  denn,  ihr  Getreue,  und  thut  deme  also, 
verfertiget  alle  diese  Sachen  in  guter  Eile,  auf  dass 
sie  sich  entweder  Uns  ergeben  oder  durch  Schwert- 
30  streich  und  Feuer  zu  Grunde  gehen. 

Etliche  oder  Alle. 

Ja,    Alles    soll    nach  Dero  Befehlen    in    schneller 
Eile  vollbracht  werden.  Gehen  Alle  ab. 


2.  Auftritt. 

Hanswurst  kommt  als  ein  Bote  mit  einer  Brieftasche. 

Potz    Figarament    eini,    das  verflucht'  Brieftrag'n 
mag    i    auf   d'Läng  nimmer  ausstehen.     Jetzt  soll  i 

35  g' schwind  reisen  und  weiss  selba  nimma  wohin. 
Aba  verrath's  ma  g'schwind  an  Boten  oder  Wegweisa, 
i  wollt'  ihm  jeden  Tag  10  Kreuzer  gem ,  wann  i's 
hätt ,  i  wollt'  a  in  Zehrung  freihalten,  wann  er  nix 
möcht,  i  gab  ihm  d'Montur,  wann  er  keini  braucht, 

40  ja  i  gab  ihm  glei  gar  nix.  Wann  i  nur  an  rechten 
Boten  und  Wegweiser  z'fragen  wisset !  Aba  potz 
Figara,  dort  kimmt  der  Valer  und  der  Stieglitz,  dö 
weint  wohl  a  ausreissen  und  so  müssen  mir  Weg- 
weiser   abgem    —    wo    aber   nit,    so   schmir  i  ihna 

45  Lend*  und  Pugl,  dann  i  bin  so  voll  Kuraschi,  dass, 
wann    mich   einer  nur  von  Weiten  bissig  anschaut, 

so i  schon  vor  Schröcka  in  d'Hosen. 

Valericiis  und  Felix  kommen  als  abgesandte  Botschafter. 

Valericus. 
Was  machst  du  allhier,  du  Kanalli? 


Hanswurst. 

A  was  weiss  ich  von  Kanari?    I  weiss  kein'  und 
50  brauch  kein'.     I  möcht  na  gern  an  Boten  und  Weg- 
weiser ham. 

VaUricus, 

Was,  einen  Boten  willst  du  haben  ?    Bist  du  denn 
nit  auch  selbst  vom  König  geschickt  worden? 

Hanswurst, 

Ja,    g'schickt    w^ar  i  wohl,    wann  i  na  wisset  ob 
55   ich  so  g'schickt  war. 

Felix. 

Wo    sollst   du    denn   hingehen  ?     Vielleicht  gegen 
Jerusalem  ? 

Hanswurst, 
Ja ,  ÖS  hamt  wohl  g'sagt  von  der  Rossschwemm 
oder  Ratzen ,    i    weiss  selba  nimma ,   i  han^s  da  in 
60  der  Brieftaschen. 

Felix. 
Was,  Jerusalem  hast  du  in  der  Brieftaschen? 

Hansxüiirst. 

Na,    was    fragst    denn  no   lang,    du    Haberesel? 
Wanns  des  nit  glaub'n  willst,  will  i  da's  zeigen. 

Zeigt  ihm  einen  Brief, 

Felix. 

Einfalt ,    ist    denn    das  die  Stadt  Jerusalem  ?     Es 

65   ist   ja    nur    des    Königs    Handschrift,    Insiegel    und 

Wappen  an  die  Inwohner  der  Stadt  Jerusalem,  ihnen 

anzukünden ,    dass  sie  sich  unserem  grossen  König 

ergeben  sollen. 

Hausivurst. 

Ha,  ha,  Stieglitz,  wie  oder  was  hast  g'esagt  vom 

70  König    seiner    Wappen    oder  Wampen    und  Inslög? 

Das  Ding    war   zum   vakaufen ,    so  krieget    einer    a 

Trinkgeld  !     Aba    dös    da  hat  a  g'sagt  g'hört  oben 

drauf  auf  d'Stadt  aussi;    und  jetzt  hört's  mi:    weil 


dös  der  König  so  gross  annimmt,  so  hat  er  ja  selba 
7  5   gehn  kinna,  er  hätt  leichta  hin  g'langa  kina  als  i. 

Valericus. 
Unbesonnene  Bestie,  komm  mit  uns,  wir  wollen 
dir  schon  weisen,   wo  du  hingehen  sollst. 

Hanswurst. 

Was,  ihr  wollt's  mi  beissen?    Na,  i  geh  voraus. 

Felix. 
Wann  du  mitgehen  kannst,  weisst  ja  nit  wohin, 
80  du  Esel!    Wir  gehen  vor  und  du  kannst  uns  nach- 
folgen. 

Hanswurst. 

Na  ja,  meinethalm,  so  seid's  ös  d'Eseln  und  i 
soll  nachtreim  :  so  schart's  enk  halt  fort  amal,  ös 
Figaraments  Bernhäuta.  —  Hia  —  da  geht's  eini. 

Hanswurst  ab. 
Valericus. 

85  Ach,  mein  Felix,  mich  dauert  hart  Cicilia,  dass 
sie  solle  zu  Grunde  gehen.  O  Cicilia,  ergib  dich 
gutwillig  dem  König  Nabucodonosor ,  ich  fürchte^ 
du  werdest  sonst  zu  emem  Scheiterhaufen  zusammen- 
gebrannt werden. 

Felix. 

90  Ja,  mein  Valericus,  mich  bedauert  auch  eben- 
massig  sehr  Damascus,  allwo  ich  anizo  bald  werde 
ankommen  und  ihnen  kundmachen ,  dass  sie  sich 
unserm  König  gutwillig  sollen  ergeben.  Sofern 
aber    solches    nicht  gutwillig  ge.schieht,    so  glaube 

95  ich,  wird  Alles  mit  Gewalt  und  Macht  durch  das 
Feuer  und  Schwert  zu  Grunde  gehen. 

Valericus. 
Es  sei  dem ,    wie  ihm  wolle ,    wir    müssen  oder 
wollen  unserer  Verheissung  und  Schuldigkeit  treulich 
nachkommen.     Ja ,    wir    wollen    gehen    und  ihnen 
100  unser  Vorhaben  aisgleich  ankünden.      Beiile  ab. 


3-  Auftritt. 

König,    Hartmann,    Älacarms    und    zwei    Trabanten 
kommen, 

ICöniz. 
Wisset,  Wir  schwören  nunmehr  bei  Krön  und 
Zepter,  dass,  wofern  sich  jene  Völker  und  Städte 
nicht  unter  Unsere  Botmässigkeit  ergeben,  so  solle 
alsogleich  darauf  alle  Rache  über  sie  kommen, 
105  ja  Niemand  soll  verschonet,  auch  sogar  das  Kind 
im  Mutterleibe  soll  umgebracht  werden.  Ihr  aber 
nach  empfangener  Resolution  sollt  euch  helden- 
müthig  zum  Schwert  und  Streit  rüsten. 

Äfacarius . 

Majestätischer    Gebieter ,    was    mich    anbelangt, 
HO  werde  ich  allezeit  nach  pflichtmässiger  Schuldigkeit 
nach  aller  meiner  Möglichkeit  Leib,  Gut  und  Blut 
zur  Gegenwehr  unserem  Feinde  darstrecken. 

König. 

Euer  Gehorsam  und  Gutwilligkeit  gefallet  Uns 
dermassen  ganz  wohl,  und  W^ir  werden  auch  jeden 

115  heldenmüthigen  Fleiss  treulich  belohnen.  Aber 
anitzo  saget  Uns :  seind  unsere  Legaten,  die  Wir 
nacher  Cicilia ,  Damascus  und  Jerusalem  abge- 
schickt haben,  nicht  angekommen,  oder  ist  euch 
durch   eine  sonderliche  Botschaft  nichts  zu  wissen 

120  gemacht  worden? 

Hartmann. 

Königlicher  Gebieter,  was  mich  anbelanget    seit 

dem,  dass  sie  abwesend  sind,  habe  ich  im  Mindesten 

nichts  von  ihnen  gehört.     Halte  auch  selbst  dafür, 

sie  seindt  entweder  gefangen  oder  gar  ums  Leben 

125   gebracht  worden. 

König. 

O,  kunnte  Ich  von  dieser  Sache  nur  bald  einen 
Grund  haben.  Ja ,  soferne  Wir  erfahren ,  dass 
Unseren  Legaten  eine  Unbilligkeit  zugefügt  ist,  so 


8 

wollen    Wir  augenblicklich    mit   fliegender   Armee 

130  den  Auszug  gegen  sie  machen  und  nichts  Andres 

als    sengen  und    brennen    und    Alles    zu    Boden 
schlagen. 

Macarius. 

Ich    glaube    meines    Erachtens   über   ihr  langes 
Aussein,  dass  sie  vielleicht  durch  das  Schwert  schon 
135   hingerichtet  worden  sind,  alldiweil  Ihr  Zorn,  Ihro 
königliche  Majestät,  ihnen  wird  weh  thun. 

König, 
Wie?  Was  redest  du?  Stimmst  du  vielleicht 
auch  auf  ihre  Laute?  Alsobald  nehmt  ihn  gefangen, 
ihr  Trabanten  und  fesselt  ihn  mit  Ketten  und 
140  Banden.  Du,  Bestie,  sollest  uns  einen  Vortrag 
unseres  Zornes  einreden !  Wir  schwören,  dass  du 
ehender,  eh  dass  unsere  Feinde  überfallen  werden, 
mit  dem  Schwert  sollst  hingerichtet  werden. 

Macarhis. 

Ach ,  Gnade,  Ihro  Majestät,   Gnade !     O  lassen 
145   Sie  doch  Ihren  Zorn  gegen  mich  sinken,  dann  ich 
solches  nicht  mit  Untreue  geredet  habe ! 

König. 

Mit  Nichten :  keine  einzige  Gnad  ist  vorhanden, 
sondern  die  Schärfe  unseres  Schwertes  soll  an  dir 
probirt  werden.     Fort,  fort  mit  ihm ! 

Trabanten  führen  ihn  ab. 

4.  Auftritt. 

Hanswurst ,    Felix    und    Valericus    als   Legaten    tind 
Kundschafter  treten  auf, 

Ilansiaurst. 

150  Au  weh,  dasti  potz  Figarament,  Herr  König!  Dös 
heisst  g'raist  und  umag' schlampt  mit  der  langen 
Nasen,  hungrigem  Bauch  und  trucknem  Maul  und 
i  wollt'  über  das  All's  no  nit  klag'n,  dö  Kriminal 
Bärnhäuta  hätten  uns  um  ein  gut's  Haar  alle  drei 

155   und  noch  zwei  an  ein'  Spiess  g' steckt  und  zu  ein' 


Pradl  praten ;  will  aber  da  Herr  König  mehrers  wissen, 
so  fragt's  na  gleich  HöUfiix,  Valern  und  Stieglitz 
selber  a,  denn  so  sind  a  da  ohne  Herz  und  Leber 
und  fressen  lieber  a  vor  Hunger  d'Sautreber. 

ICönig. 
i6o        Sage  Uns  nur  bald  an,  Valericus,   wie  und  was- 
^estalten  sich  Cicilia  resolvirt  und  beschlossen  hat. 

Valericus. 
Königlicher  Gebieter,  mit  kurzen  Worten  die 
Wahrheit  in  die  Ohren  zu  legen.  Nachdem  Ihro 
Majestät  Befehl  ihnen  angekündigt  worden ,  ist 
165  mir  zur  Antwort  gegeben,  es  solle  König  Nabu- 
codonosor  nur  seine  Waffen  ergreifen  und  bald 
ankommen,  wir  sind  mit  Gegenwehr  gegen  ihn 
schon  bereit. 

König. 
Nun,    diese    ihre  aufgeblasene  Rede  haben  Wir 
170  genügend  vernommen.     Was  bringst  Uns  aber  du, 
Felix,   für  eine' Botschaft  aus  Galilea? 

Felix. 
Majestätischer  Gebieter,   ich  meinestheils  bringe 
auch  nicht  minder  Kundschaft  als  Valericus,  denn 
nachdem    ich    in    Galilea    angelanget,    befand    ich 

175  schon  Alles  mit  gewaffneter  Hand  —  und  sie  haben 
mir  auch  schon  den  Tod  angedroht  und  aus  hitziger 
Hoffart  kein  einziges  Wort  zur  Antwort  ertheilt; 
woraus  ich  hernach  selbst  leichtHch  habe  schliessen 
können^    weil    ich    so   viele  Waffen  sah,    dass  das 

180  Getöse  zum  Streit  begehrt. 

König. 

Ist  wohl  geredet,  das  Getöse  begehrt  auch  zum 
Streit;  aber  Hanswurst,  was  bringst  du  von 
Jerusalem  ? 

Hansiviirst. 
Hei ,    ja ,    Herr  König ,    bracht    han  i  a  nix  als 
185   an    hungrig'n    Bauch    und    an    etli    hundert   Flöh, 
Laus'  und  Wanzen ,    die  der  Herr  König  so  sieht 


lO 

an  meiner  alten  Joppen  tanzen ;  sonst  aba  weiss  i 
weiter  nix  zu  sag'n  als  dö  selbig'n  Leut  wollten 
mi  und  a  Herrn  König  maustot  schlag'n.     Und  so 

190  sand  so  voll  Zorn  auf  ihn  und  uns  alle,  dass  recht 
a  Gruseln  ist,  —  aft  han  i  ihna  g'sagt,  so  sollten 
daweil ,  bis  da  Herr  König  über  so  kimmt,  in  an 
Sau  -  Pfifferling  beiss'n  —  und  sollten  ihna  Maul 
nit  gar  z'feindla  z'reiss'n  — -  oft  hampts  ma  g'sagt 

195  und  i  sollt  enk's  sag'n  —  und  du  und  der  Oxnferna 
soll  na  bald  kömma  und  so  wollten  ihm  schon 
Kappen  waschen  und  Pelz  lausen.  Amen.  Jezt 
mag  i  vor  Hunger  nimmer  da  bleim.  Ab. 

König. 

Dies  ist  aber  wohl  genug  geredet.  Und  weil 
200  denn  fast  an  allen  jenen  Orten  sie  sich  in  voller 
Macht  zum  Streit  rüsten,  so  soll  auch  Unser  Zorn 
in  sie  reissen,  Unser  Schwert  in  sie  stürzen,  Unsere 
Macht  ihre  Macht  zu  Grunde  richten ,  ja  Alles 
soll  bei  ihnen  mit  Feuer  und  Schwert  verheert 
205  werden. 

Alle  oder  Etliche. 
Ja,  ja,  Eure  Macht  und  Stärke,   grossmächtiger 
König ,    soll    alle   unsere  Feinde  vernichten ,    Alle, 
die  sich  uns  nicht  ergeben  wollen,  sollen  umgebracht 
und  vertilgt  werden. 

König  steht  auf. 
210       Folget  Uns  nach.     Wir  wollen  in  schneller  Eile 
die  Sache  veranstalten  und  alsbald  mit  Gewalt  und 
vollmächtiger  Armee  alle  solche  Bestien  zu  Grunde 
richten.  Geht  eilig  ab.     Der    Vorhang  fällt. 

5.  Auftritt. 

König  auf  dem  Thron,  Holofernes,  Hartmann,  Felix, 
Valerie  US  und  Soldaten. 

König. 

Höre ,    getreuer  Hauptmann  Holofernes ,  dir  ist 

215   vielleicht  unbekannt,  was  Wir  seit  der  Zeit  her  be- 


II 

schlössen  haben :  wisse  denn ,  dass  Wir  in  alle 
Königreiche  und  Länder,  so  gegen  Niedergang 
der  Sonne  liegen,  Legaten  haben  ausgesendet,  dass 
sie  sich  unter  Unsere  Botmässigkeit  ergeben  sollen; 

220  haben  aber  dadurch  nichts  ausgerichtet  und  eben 
darum  geben  Wir  dir  alsogleich  ernsten  Befehl,  dass 
du  Alles  durch  Unsere  Macht  bezwingst,  auf  dass 
kein  anderer  mächtiger  König  auf  Erden  lebet  als 
allein  Wir.     Zerstöre  und  vertilge  auch  alle  Götter, 

225  auf  dass  Wir  allein  für  den  einzigen  wahren  Gott 
der  Erde  vor  Allen  erkannt  werden.  Rathe  hier- 
über und  sage  Uns,  ob  es  dir  nicht  auch  also  gut 
zu  sein  gedünkt. 

Holofernes. 
Majestätischer  Gebieter ,    Dero  eigenes  Herz   ist 

230  Ihr  Rath :  schaffen  Sie  nur  nach  Ihrem  Belieben. 
Ich  als  ein  unw^ürdiger  Vasall  werde  alle  Zeit  Dero 
Befehlen  genauesten  Vollzug  leisten.  Ja,  so  lang 
Blut  und  Leben  in  den  Adern  thut  wallen  — 
stehn  meine  Kräfte  Euch,  o  König,  zu  Gefallen. 

König. 

235  Vergnügte  Wohlgefälligkeit  Unserem  Herzen.  So 
ziehet  denn  alsobald  hin ,  ihr  getreue  Helden ,  in 
jene  obbenannte  Länder  und  Königreiche,  sonder- 
lich aber  wider  die ,  welche  Unsere  Legaten  ver- 
achtet und  beschimpft  haben.  Merket  aber,  euer 
240   Auge  und  Herz  solle  Niemand  verschonen. 

Holofernes. 
Königlicher  Gebieter ,    was    wir  an  allen  unsern 
Kräften  vermögen,    solle  nichts  nach  Dero  Befehl 
unterlassen   werden. 

König. 

Wohlan  denn  !  So  ergreifet  denn  alsobald  helden- 
245  müthig  euren  Harnisch  und  blutbegierige  Waffen! 
Senget  und  brennet  und  verschonet  auch  das  Kind 
im  Mutterleibe  nicht,  ja,  gebet  einer  jeden  solchen 
Bestie  den  Rest  und  Lohn,  wie  sie  um  Uns  ver- 
dient haben ! 


12 

Holofernes. 

250  J^>  j^>  grossmächtiger  König,  alle  meine  Kriegs- 
leute werde  ich  eifrigst  und  heldenmüthig  aufbieten, 
keine  Mühe  sparen  und  allen  Fleiss  anwenden, 
Niemand  verschonen ,  Alles  umkehren  und  durch 
meine  gewaltsamen  Kräfte  vielen  den  Kragen  um- 

255  drehen,  weiteres  mithin  unterdessen  aber  ich  mich 
Ihro  königlichen  Majestät  unterthänigst  ergebe  und 
empfehle. 

Etliche  Soldaten. 
Ja ,    nach    allen    unseren  Kräften  soll  Dero  Ge- 
fallen in  aller  Schärfe  vollzogen  werden. 
Holofernes,  Hartmann,   Felix  und  Valericus  ab. 

König. 

260  Geht,  geht,  ihr  Getreue.  Mich  getrösten  muss 
doch  Unsre  Gewalt,  alle  solche  Länder  und  Städte 
mit  allen  Völkern  in  Grund  zu  vernichten. 

6.   Auftritt. 

Vei-tvandlung:  Landschaft  oder  Stadt. 
Saimiel  und  Punio,  die  zruei  Rathsherren  treten  auf. 

Samuel. 
Ach ,    liebster  Gott ,   was  grosse  Tyrannei  fängt 
nicht  nunmehr  der  assyrische  König  Nabucodonosor 
265   an,    indem    er    völlig  uns  zu  vertilgen  gewillt  istl 
Sein    Hauptmann    Holofernes    sengt    und    brennt 
schon    viele    unserer   Wälder    und  Gärten :    daher, 
so    wir    uns  seiner  Gewalt  nicht  bald  freiwillig  er- 
geben,   so    wird     er    uns    alle    vertilgen    und    zu 
270  Grund  richten. 

Pumo. 
Ach,  ja,  weh  dieser  harten  Drangsal.    Lasst  uns 
eilends    gehen    und    ihn   fussfällig    bitten,    dass  er 
uns  in   Cinaden  annehme ,   wie  uns  unser  Oberster 
befohlen  :  vielleiclit  erbarmet  er  sich  über  uns. 


13 

7.  Auftritt. 

Der  Zwischenvorhang  wird  aufgezogen.     Holofernes  im  Zelt 

jfiit  Fdlix,    Valericus,   Hartmann  und  Hanswurst. 

Pumo  und  Sa?nuel  fallen  auf  die  Knie. 

Pumo. 

275  Mächtiger  Hauptmann  Holofernes,  wir  kommen 
auf  Befehl  unseres  Obersten ,  Euch  fussfällig  zu 
bitten,  Ihr  wollet  uns  verschonen  und  P'uern  Zorn 
sinken  lassen,  denn  es  ist  besser,  wir  ergeben  uns, 
als  dass  wir  sterben ;    unsre  Stadt  und  Alles ,  was 

280  wir  haben,  solle  unter  Euer  Gewalt  und  Gebot 
sein,  auch  ansonst  alle  Lieb  und  Treu  wird  Euch 
von  unserem  Fürsten  erwiesen  werden. 

Holofernes. 

Geht ,    geht    und  ziehet  nur  wiederum  hin ,    wo 
ihr    her    seid.     Eure  Reden    sollen  mich  nicht  be- 
285  wegen,  sondern  ihr  werdet  in  Kürze  unsern  Zorn 
mit  Feuer  und  Schwert  erfahren. 

Samuel. 
Ach,  mächtiger  Hauptmann,  lasset  sinken  Euern 
Zorn  und  verschont  uns. 

Ha)tswurst. 

Hei,  Herr  Oxenferna,  i  bitt  a,  seid's  g'scheidt 

290  und  verschont's  gleichwohl  d'Weibsbilda,    dö  send 

enk  ja  sunst  a  jederzeit  von  Herzen  lieb  g'west,  und 

erbarmt  enk ;  und  hei,  ös  zwei  last's  enk  frei  g'sagt 

sein,  ein  andresmal  schickt's  dafür  a  schön' s  Dirndl 

oder  Weibsbild  aussa,  dö  find  eher  Gnad  bei  meinem 

295   Herrn,  dem  Oxenferna,  als  ös. 

Holofernes, 
.  Mit  Nichten,  Niemand  aus  ihnen  solle  Gnad  er- 
halten ,    alldiweilen    sie  zuvor  unsere  Legaten  ver- 
folgt und  beschimpft.     Gehet  derohalben  nur  hin, 
ihr  habt  Zeit  und  rüstet  euch  zum  Streite. 
Gehen  Alle  ab,  Samuel  und  Puvio  atif  der  andern  Seite. 


8.  Auftritt. 

Verwandlung:  Landschaft. 
Joachim^    Ozias  und  Samuel  kommen, 
Ozias. 
300       Ach,  liebster  Gott  im  Himmel,  wie  eine  so  harte 
Drangsal    hast  du  uns  nunmehr  zugeschickt ,    die- 
weil  der  König  Nabucodonosor  uns  völlig  zu  ver- 
tilgen sucht  und  uns  mit  einer  unzähligen   Kriegs- 
macht   durch    seinen    Hauptmann    Holofernes    be- 
305    zwingen  und  zu  seinem  heidnischen  Glauben  bringen 
will !    Rathet  nun  um  Gottes  willen,  was  in  dieser 
Drangsal  zu  thun  sei. 

yoackim. 
Ich  rathe,  wir  wollen  behend  in  all  unser  Gebiet 
ausschreiben,  dass  alle  unsre  Völker  die  Sitz'   und 

3 1  o  Grenzen  der  Berge  sammt  den  Städten  besetzen 
und  befestigen,  uns  auch  mit  Vorrath  von  Getreide 
und  anderen  nothwendigen  Sachen  wohl  versehen, 
auch  befehlen.  Alles  möge  sich  zum  Streite  rüsten, 
damit    nicht    unser    heiliger    Tempel    sammt    der 

315  Stadt  verheert  wird  —  wie  er  es  schon  an  mehreren 
Orten  gethan  hat.  —  Lasset  uns  auch,  liebste  Brüder, 
unsere  Sünden  bereuen,  davon  abstehen,  Gott  an- 
rufen und  bitten,  er  wolle  sich  unserer  erbarmen 
und  uns,  seine  gläubigen  Kinder  nicht  in  die  Hände 

320  unserer  Feinde  geben. 

Samuel. 
Ja,  eben  dies  hoffe  auch  ich,  wird  zum  Besten 
sein.  Daher,  o  mein  ehrwürdiger  Priester,  bete 
uns  vor,  damit  wir  dir  nachrufen.  Vielleicht  erlangen 
wir  von  Gottes  Gnade  Hilfe  und  Barmherzigkeit. 
325  Unserer  Sündenschuld  aber  wollen  wir  uns  befleissigen, 
mit  Beten,  Fasten  und  Busswerk  zu  entladen. 

yoachim. 

Nun    so    bereitet    euer  Herz   und  rufet  einhellig 
mit     mir    zu    Gott.      Fällt    mit  ihnen   auf  die  Knie  und 

betet  vor:    »Herr  Gott  Himmels  und  der  Erden,  wir 


15 

330  rufen  herzlich  an  deine  Allmacht  und  Barmherzig- 
keit und  bitten  ernstlich  um  Verzeihung  unserer 
Sünden  und  Missethaten :  wende  zu  uns ,  liebster 
Gott,  deine  Barmherzigkeit  und  siehe  nicht  mehr 
an    die    vielen  Sünden ,    mit   welchen  wir  dich  be- 

335  leidigt,  sondern  gedenke  vielmehr  der  Frömmigkeit 
unserer  Väter  Abraham,  Isaak  und  Jakob,  und  um 
ihretwillen  erbarme  dich  unser  und  gib  uns  nicht 
in  die  Hand  deiner  und  unserer  Feinde.  Bewahre 
auch    deine    heiligen    Städte    und    Tempel,    damit 

340  nicht  der  Feind  spottweis  spreche :  Wo  ist  ihr 
Gott,  den  sie  zuvor  geehrt  haben?  Liebster  Gott, 
erzeige  an  uns  deine  Barmherzigkeit,  so  wollen  wir 
dich  auch  loben  nach  Möglichkeit  unserer  Schwach- 
heit.    Amen.«     Sie  stehen  auf.    Seid  getrost,  liebste 

345  Brüder,  und  hoffet:  sicherlich,  Gott  wird  uns  helfen 
und  beistehen,  wenn  wir  nur  auch  immer  im  Guten 
verharren.  Gedenkt  an  Moises,  den  treuen  Diener 
des  Herrn,  der  den  Abimelech,  der  sich  auf  seine 
Macht  verliess,   nicht  durch  das  Schwert,   sondern 

350  durch  das  heilige  Gebet  hat  überwunden  ;  also  wird 
es  auch  allen  Feinden  Israels  ergehen,  so  wir  eifrig 
im   Fasten  und  Beten  werden  verharren. 

Ozias. 

Ja,  ja,  beständig  wollen  wir  uns  befleissigen,  im 
Guten  zu  verharren ,  vielleicht  ertheilet  uns  Gott 
355  seine  Gnad,  unsern  Feind  sieghaft  zu  überwinden. 
Anitzo  aber,  ehrwürdiger  Priester,  wollen  wir  in 
den  heiligen  Tempel  des  Herrn  gehen  und  Gott 
dem  Herrn  ein  Brandopfer  bringen,  damit  er 
uns  höre.  Alk  ab, 

9.   Auftritt. 

Verwandlung,     Holofernes   im  Zelt  mit  Achior  und 
Hartmann,  dabei  der  Hanswurst. 

Holofejytes. 

360       Saget   mir    anitzo,    ihr    Getreue,    was   ist    denn 

dieses    für   ein  Volk,    so    das  Gebirg  vor  uns  be- 


i6 

setzet,   auch  was  diese  für  Stadt'  haben,  und  warum 
diese  allein  uns  nicht  entgegenkommen? 

Ackior, 

Mächtiger  Hauptmann  Holofernes,  wenn  du  dich 

365   würdigest,    mich    anzuhören,    so    will  ich  dir  von 

diesem  Volke    die  reine  Wahrheit  anzeigen ,   ja  es 

solle    in  Anzeigung    dessen    kein    einziges  falsches 

Wort  aus  meinem  Munde  gehen. 

Holofernes. 

Rede    nunmehr   nur   weiter,    denn    ich    bin   be- 
370  gierig,  dich  aufmerksam  anzuhören. 

Hanswurst. 
Hei,  Herr  Aichhorn,  so  red'ts  na,  aba  kemmt's 
mit    da  Wahrheit  nit  gar  zu  glatt ,    dann  die  Zeit 
gilt  d' Wahrheit  zum  Mehrichten   mit  an  Fuchsbalg 
überzog'n. 

Achior. 

375  Halte  dein  Maul.  Wisse,  getreuer  Hauptmann, 
dieses  Volk  ist  vom  Geschlecht  der  Chaldäer,  und 
haben  vor  Zeiten  im  Land  Mesopotamien  gewohnt ; 
als  aber  im  selben  Land  eine  schwere  Theuerung 
und  grosser  Hunger  einfiel,  zogen  sie  ins  Egypten, 

380  allwo  sie  sich  in  400  Jahren  dergestalt  vermehrt 
haben ,  dass  man  sie  nicht  mehr  hätte  zählen 
können :  auch  als  sie  der  König  in  Egypten  mit 
einigen  Sachen  beschwert ,  riefen  und  schrieen  sie 
sammtlich    zu    ihrem  Herrn    und  Gott,    und  eben 

385  dieser  ihr  Gott  schlug  ganz  Egypten  mit  vielerlei 
Plagen.  Und  als  sie  aus  Egypten  auszogen ,  da 
eröffnete  ihnen  ihr  Gott  das  rothe  Meer,  dass  sie 
mit  trockenem  Fusse  dadurch  gingen :  die  Egyptier 
aber  als  ihre  Feinde,  welche  ihnen  nachjagten,  sie 

390  in  die  alte  Dienstbarkeit  zu  bringen,  entrückte  ihr 
Gott  alle  sammtlich  im  selbigen  Meerwasser,  dass 
nicht  ein  einziger  mehr  darvon  käme.  Darnach 
seind  sie  kommen  in  eine  Wüste,  wo  sonst  niemals 


t 


17 

ein  Mensch  hat  wohnen  können,  ihr  Gott  aber  hat 

395  ihnen  die  bittern  Wässer  süss  gemacht  und  sie  auf 
viele  Jahre  wunderbarhch  gefristet ;  darnach  seind  sie 
auch  kommen  in  diese  Landschaft ,  und  kein 
Monarch  oder  Potentat  hat  diesem  Volke  Leid's 
thun    können,    als    allein  zur  Zeit,    wenn  sie  von 

400  ihrem  Gott  und  dessen  Dienst  abgewichen  und 
ihme  mit  Sünden  haben  beleidigt,  ansonsten  aber 
hat  ihr  Gott  jederzeit  heldenmüthig  und  sieghaft 
für  sie  gestritten.  —  Daher  rathe  ich,  helden- 
müthiger  Hauptmann,    dass  man  nachforsche,  ob 

405  dieses  Volk  seinen  Gott  beleidigt  habe  oder  nicht; 
haben  sie  ihn  beleidigt,  so  lasset  uns  nur  bald 
über  sie  hinaufziehen,  ihr  Gott  wird  sie  uns  allen 
gleich  in  unsere  Hände  geben,  haben  sie  ihn  aber 
nicht  erzürnt,  so  können  wir  ihnen  mit  all  unserer 

4 1  o  Macht  nicht  schaden ,  denn  ihr  Gott  wird  sie  be- 
schirmen, und  wir  werden  dem  ganzen  Land  zum 
Spott  werden. 

Hartmann  zornig. 

Wie?     Was?     Wer  ist  dieser,  der  so  keck  und 

frei  sagen  darf,  die  wehrlosen,  unerfahrenen  Israeliten 

4 1 5   wollen  unseren  grossen  König  Nabucodonosor  und 

seinem  so  mächtigen  Kriegsheer  widerstehen  ?  Dieses 

ist  eine  strafmässige  Kühnheit. 

Holofemes. 

Wahrhaftig ,  eine  vermessene  Keckheit.  Wisse 
du^  Achior,  weilen  du  uns  so  vermessentlich  geweis- 
420  saget,  dass  die  unerfahrenen  Israeliten  von  ihrem 
Gott  sollen  beschirmet  werden,  so  sollest  auch  du 
mit  dieser  ganzen  Schaar  Israels  zu  Grunde  gehen. 
Ergreift  ihn  alsobald  und  führt  ihn  hinauf  nach  er 
Bethuliam ,  alldorten  bindet  ihn  an  einen  Baum 
425  und  verlasset  ihn  allein.  Er  wird  in  Kürze  er- 
fahren, dass  König  Nabucodonosor  ein  Gott  der 
Erde  sei  und  ohne  ihn  kein  Andrer. 

Sie  gehen  ab.     Es  wird  Musik  gemacht. 
Volksschauspiele.     II.  2 


i8 


lo.  Auftritt. 


Verwandlung.      Wald.      Achior  loird  an    einen   Batun   gebunden 

Hier  kann  eine  Vorstellung  mit  Singen  gemacht  zoerden.    Es  kann 

auch   der    IIans7vurst   mit  Achior   eine  Rede  führen.     Pumo    una 

Samuel  kommen  ganz  zrorne  heraus. 

Pumo. 
O  Bruder,    siehe,    dort   ist    ein  Mann  an  einen 
Baum  angebunden. 

Samuel. 
430  O  Wunder  über  Wunder,  ich  glaube,  es  ist 
Achior ,  der  vor  etHchen  Jahren  bei  uns  gewohnt 
hat;  wir  wollen  näher  hinzugehen  und  ihn  be- 
fragen, wer  und  warum  man  ihn  an  diesen  Baum 
gebunden.  Gehen  hinzu. 

Pu»io. 

435  O  mein  Freund  Achior,  wie  geht  es  dir?  Wer 
hat  dich  anhero  gebracht  und  aus  w^as  Ursach  an 
diesen  Baum  angebunden? 

Achior. 

Liebste  Brüder,  erlöset  mich,  ich  werde  es  euch 
dann    auf   dem  Weg    ausführlich  erklären  und  an- 
440    deuten.  Sie  lösen  ihn  ab. 

Samuel. 

Komm ,    komm   mit  uns ,    mein  Freund  Achior, 
zu  unseren  Fürsten,   dem  Ozias. 

Achior. 
Gar  gern  werde  ich  euch  nachfolgen,    auch  im 
Hingehen  euch  alle  Sachen  erklären. 

I  I.   Auftritt. 

Verwandlung:  Landschaft  odtr  Stadt. 

Ozias    und  Joachim    kommen,    Samuel  und   Pumo 
rasch  darauf  mit  Achior. 

Samuel. 

445       Liebe  Herren,    höret,  Brüder,    was  die  Assyrier 

mit  Achior  haben  angefangen.    Als  er  ihnen  einige 


19 

Wahrheit  von  uns  hat  angekündigt,  haben  sie  ihn 
alsobald  an  einen  Baum  gebunden,  nach  ihrer 
Meinung  ihn  sammt  uns  zu  vertilgen:  als  wir  ihn 
450  aber  ersahen,  sein  wir  kommen,  ihn  zu  entledigen 
und  anhero  zu  weisen. 

Ozias. 

Sage  uns  nun,  Achior,  durch  was  Red  und  Wahr- 
heit bist  du  denn  bei  ihnen  so  verhasst  worden? 

Achior, 

Edler  Fürst  und  Herr,  ich  habe  ihnen  nämlich 
455  gesagt,  dass  der  Gott  Israels  euch  fast  jederzeit 
beschützet  hat  und  euch  noch  beschützen  wird. 
Darauf  haben  sie  mich  alsobald  aus  Zorn  gegen  euch 
an  einen  Baum  lassen  anbinden,  damit,  wenn  sie 
euch  überwinden,  ich  sammt  euch  durch  das  Schwert 
460  solle  umgebracht  werden. 

Ozias . 

O    liebster    Gott    im    Himmel,    siehe    an    ihren 

Hochmuth  und  unser  Gebet  und  Demuth.     Habe 

Acht    auf    das  Angesicht    deiner  Bedrängten    und 

gieb  zu  hoffen,  dass  du  diejenigen  nicht  verlassest, 

465   die  auf  dich  hoffen  und  trauen. 

Joachim . 

Mein  Achior ,  der  Gott  Israels ,  dessen  Macht 
du  gepriesen  hast,  wird  dir  solches  treulich  ver- 
gelten: lasse  dir  auch  gefallen,  künftig  bei  uns  zu 
wohnen. 

Achior. 
470       Von  Herzen  gern,  hoffe  auch,  Gott  im  Himmel 
wird  euch  und  mich  beschützen. 

Ozias.  ' 
Kommt,  kommt  eilends  in  mein  Haus,  es  möchte 
der  Feind  einen  Angriff  machen;  wir  wollen  Gott 
noch  um  Gnade  und  Hilfe  anrufen.  Ad. 


20 

12.  Auftritt. 

Verwandlung .     Zelt.     Felix,  Holofernes  mit  den  Seinen. 
Holofernes. 
475        Nunmehro  liegen  wir    mit   unserer  Kriegsmacht 
bei  Bethulia.     Weh  euch,  ihr  unbesonnenen  Israe- 
Hten,  die  ihr  euch  geweigert,  euch  uns  zu  ergeben. 
Geh  alsobald  hin,  du,  FeHx,  mit  etlichen   hundert 
Mann.     Verleite  und  schneide  ihnen  die  Brunnen- 
480  flüsse   ab,  die  in  die  Stadt  führen ,    damit  sie   ge- 
zwungen werden,    mit  Noth  sich  uns  zu    ergeben. 

Felix. 
Dero  Befehl  soll  nach  Möglichkeit  vollzogen 
werden.  Wir  wollen  ihnen  auch  nebenbei  die 
Zufuhr  des  Getreides  und  Proviants  abschneiden, 
485  damit  sie  auch  mit  Hunger  geplagt  werden. 
Hernach  müssen  sie  wohl  tanzen  nach  unserer 
Pfeife.  Der  Zwischenvorhang  wird  herabgelassen. 

13.  Auftritt. 

Stadt,  Landschaft,    yoachim,    Ozias,   Puvio  mit  Samuel 
ko7?imen  in  den   Vordergrund. 

Joachim . 

Ach,  liebster  Gott,    die  Feinde    liegen   nunmehr 

unzähhg   vor  der  Stadt,    dass  Niemand    aus    noch 

490  ein  kann.     Unter  dem  Volk  in  der  Stadt  ist  auch 

schon  eine  grosse    Klag,    denn  es  hat    fast  nichts 

zu  essen  und  noch  weniger  zu  trinken. 

Ozias. 

Ach,  mein  Herz  möchte  mir  auch  vor  Leid  zer- 
springen, wenn  ich  gedenke    an    das   wehmüthige 
495  Weinen  und  Klagen  des  Volkes. 

Pumo. 

Ach,  grosser  Gott,  wegen  unserer  Sünden  und 
Missethaten  müssen  wir  solche  Drangsal  leiden. 
O  Gott,  unser  Vater,  erbarme  dich  über  uns  und 
erlöse  uns  von  dieser  so  harten  Drangsal. 


21 

14-  Auftritt. 

Simon,   eifi  gemeiner  Bauer,  kofin/it. 
Simon. 

500  Wisset,  ihr  obersten  Herren,  die  ganze  Gemeine 
schicket  mich  hierher  und  lasset  euch  ansagen,  weilen 
uns  in  der  Stadt  alles  Wasser  genommen,  auch 
keine  Lebensmittel  mehr  vorhanden  sein  und  noch 
dazu  keine  Hilf  zu    hoffen    oder  zu    erwarten    ist, 

505  so  ist  es  besser,  dass  wir  uns  ergeben  und  bei 
Leben  bleiben,  als  dass  wir  umkommen  und  vor 
aller  Welt  zu  Schanden  werden.  Ja,  wir  nehmen 
Himmel  und  Erden .  zu  Zeugen  vor  unserm  Gott, 
der  uns  anitzo  strafet  um    unserer  Sünden   willen, 

5  r  o  dass  wir  euch  gebeten  haben,  die  Stadt  gar  bald 
dem  Holofernes  aufzugeben ,  denn  es  ist  besser, 
wir  sterben  durch  das  Schwert,  als  langsam  vor 
Durst  und  Hunger.  So  ihr  aber  ein  solches  nicht 
thun  wollt,    so  schreien   wir    zu  Gott    dem  Herrn, 

515   der  sei  Richter  zwischen  uns  und  euch. 

Ozias. 

Seid  getrost  und  saget  dem  Volk :  Habet  nur 
noch  eine  kleine  Geduld  und  lasset  uns  noch 
fünf  Tage  auf  die  Hilfe  Gottes  harren  und  warten, 
ob  er  uns  nicht  Hilfe  und  Gnade  erweise  und 
520  seinen  Samen  herrlich  mache.  Wird  uns  aber  in 
fünf  Tagen  nicht  geholfen,  so  wollen  wir  thun,  wie 
Ihr  gebeten  und  begehrt  habt. 

S  im  071. 

Ach ,    ich    werde    zwar    diesen  Vorschlag    dem 
Volke  anbieten,  doch  werden  in  dieser  Zeit  Viele 
525   vor  Durst  und  Hunger  sterben.     Ab. 

15.  Auftritt. 

yudith  tritt  auf. 

O,  ihr  ältesten  Fürsten  und  Herren  dieser  Stadt, 
was  habt  ihr  anitzo  in  eurem  Rath  beschlossen? 
Warum  wollt  ihr  Gott  versuchen,  dass  ihr  ihm  und 


22 


euch    fünf  Tage  Zeit  und  Ziel  gesetzt  habt.     Das 

530  dienet  keineswegs,  Gnade  vor  Gott  zu  erwerben, 
sondern  reizt  ihn  vielmehr  zum  Zorn,  uns  zu  strafen. 
Er  weiss  ja  selbst  die  beste  Zeit ,  wann  er  helfen 
soll  und  will.  Das  Beste  ist,  unsere  Sünden  herzhch 
bereuen  und  um  Busse  bitten  und  ihme  auch  mit 

535  Thränen  anrufen  und  bitten.  Denn  Gott  zürnt 
nicht  wie  dumme  Menschen ,  die  sich  nicht  mehr 
versöhnen  lassen.  Darum  lasset  uns  nicht  unge- 
duldig werden  in  Leid  und  Drangsal,  denn  es  ist 
unsere   wohlverschuldete  Sündenstrafe.     Gott   aber 

540  ist  doch  gut  und  auch  geduldig  mit  uns,  welcher 
uns  nur  probirt,  wie  wir  uns  in  Drangsal  gegen 
ihn  halten,  gleich  wie  er  ehmal  oft  mit  unsern 
Vätern  gethan  hat,  die  er  oftmals  zwar  hart  ge- 
züchtigt, doch  aber  niemals,  wenn  sie  sich  zu  ihm 

545  bekehrt,  gar  vertilgt.  Lasset  uns  dahero  mit  Reue, 
Demuth  und  Besserung  unseres  Lebens  seiner  Huld 
und  Gnad  erwarten ,  ihn  auch  eifrig  bitten ,  er 
wolle  unsre  und  seine  Feinde,  die  ihm  nicht  dienen, 
zernichten    und    vertilgen    und  uns  seine  mächtige 

550  Hilf  und  Gnadenhand  darreichen.  Weiter  aber 
wisset  auch,  ihr  Aeltesten,  weilen  ihr  geistliche  und 
weltliche  Vorsteher  des  Volkes  seid,  an  denen  das 
Leben  des  ganzen  Volkes  hanget ,  richtet  eure 
und  ihre  Gemüther  in  guter  Meinung  zu  Gott, 
lehret  und  tröstet  sie  mit  der  so  oftmaligen  Hilfe 
unseres  Vaters ,  geht  ihnen  auch  vor  mit  gutem 
Beispiel  und  Exempel,  damit  Gott  versöhnet  und 
zur  Barmherzigkeit    bewegt  werde ,    uns  zu  halten 


DDD 


und  nicht  zu  vertilgen. 


Ozias. 


560  O  weise  Frau  Judith,  Alles,  was  du  geredet  hast, 
das  ist  wahr,  und  in  allen  deinen  Worten  ist  nichts 
zu  strafen.  So  bitt'  denn  auch  du  Gott  den  Herrn 
für  uns ,  dass  er  sich  über  uns  erbarme,  denn  du 
bist  ein  gottesfürchtiges  Weib. 


2-3 

Judith. 

565  Weilen  ihr  denn  erkennt,  dass  meine  Reden 
aus  Gott  sind,  so  ermesset  auch  meinen  Rathschlag 
und  Fürnehmen,  ob  es  auch  von  Gott  sei,  und 
bittet  Gott  eifrig,  dass  er  mein  Führnehmen  be- 
stätige und  Glück  und  Gnad  hinzugebe.     Ihr  sollet 

570  heute  diese  Nacht  und  auch  ediche  andere  Nächte 
in  guter  Wacht  beim  Stadtthor  stehen ,  ich  aber 
werde  mit  meiner  Magd  Abra  hinausgehen ,  Gott 
den  Herrn  eifrig  bitten,  dass  er  sein  Volk  innerhalb 
fünf  Tage,    wie  ihr  geredet  habt,    möchte  trösten 

575  und  erlösen.  Weiters  will  ich  nicht  haben,  dass 
ihr  meinem  Vorhaben  fürwitzig  nachforschet,  sondern 
ihr  sollt  in  der  Zeit  unterdessen  Gott  eifrig  bitten, 
dass  er  mein  Vorhaben  bewerkstellige,  bis  ich  euch 
wieder  anzeige,  \vas  zu  thun  sei. 

Ozias. 

580  Geh,  geh,  wertheste  Frau  Judith.  Gott  der  Herr 
sei  mit  dir,  dein  geheimes  Vorhaben  ins  Werk 
zu  setzen,  zur  Rache  und  Vertilgung  unserer 
Feinde. 

Ozias  mit  den  Seinen  ab.     Magd  Abra  tritt  ein. 


16.  Auftritt. 

yudith. 

Höre,  getreue  Magd  Abra,  gehe  alsogleich  hin 
585  und  bereite  einen  Krug  mit  ()1 ,  auch  eine  ge- 
füllte Haut  voll  Wein  nebst  einem  Sack,  darein  thu 
Feigen,  Mehl  und  Brot,  dass  ich  und  du  vier  oder 
fünf  Tage  zu  zehren  haben.  Bereite  mir  auch 
zugleich  meine  schönen  Feierkleider,  ich  werde 
590  gleich  nach  dir  hingehen. 

Magd. 
Alsogleich    werde    ich  gehen,  um  Alles,  was  Sie 
befehlen,   zu  bereiten.  Ab. 


Z4 

yudith  kniet  nieder. 

Ach  Herr,  Gott  meines  Vaters  Simeon,   hilf  mir 
armer  betrübten  Wittfrau,  denn  alle  Hilfe,  die  vor 

595  Zeiten  und  auch  noch  je  geschehen,  die  hast  du 
gethan ,  und  was  du  willst ,  das  muss  geschehen. 
Siehe  an  das  hoffärtige  Volk  der  Assyrier  und 
ihren  prahlerischen  Hauptmann  Holofernum,  welcher 
nicht  allein  uns,  sondern  auch  dir  zum  Spott  deinen 

600  heiligen  Tempel  sammt  uns,  deinem  Volk,  sucht 
zu  vertilgen.  Zernichte  sie,  wie  du  zernichtet  hast 
das  Heer  der  Egyptier,  da  sie  deinem  Volke  ge- 
wappnet nachjagten.  Ich  rufe  flehentlich  zu  dir 
und    hoffe    und    baue    auf   deine   Barmherzigkeit : 

605  strafe  ihren  Hochmuth  durch  ihre  eigenen  Waffen. 
Verschaffe  auch,  dass  ihr  Hauptmann  durch  mich 
gefangen  werde,  wenn  er  mich  ansieht.  Gieb  mir 
auch  Herz  und  Muth,  dass  ich  mich  vor  ihm  und 
seiner  Macht  nicht  entsetze  oder  scheue,    ihn  mit 

610  deiner  Gnade  also  stürzen  möge,  dass  es  deinem 
heiligen  Namen  eine  ewige  Gedächtniss  und  Ehre 
sei,  so  du  ihm  durch  mich  als  ein  schwaches  Weibs- 
bild zu  Grunde  richtest.  Ja,  du  Herr,  einiger  Gott 
im  Himmel,  kannst  jederzeit  Sieg  und  Kraft  geben, 

615  dass  die  Schwachen  die  Starken  leichtlich  über- 
winden. Du  hast  auch  nicht  Lust  oder  Freud  an 
der  Stärke  eines  Pferdes ,  auch  kein'  Gefallen 
an  den  grössten  Gebeinen  eines  Menschen ,  so 
er  dir  nicht  dienet ,    sondern  denen ,  die  dich  mit 

620  demüthigem  Herzen  anrufen,  bist  du  jederzeit 
beigestanden.  Erhöre  denn,  o  Gott  Himmels  und 
der  Erde,  mein  Gebet  und  Flehen,  gieb  auch 
rechte  Worte  in  meinen  Mund  und  regiere 
du    meine  Zunge ,    stärke    und    bestärke    auch    zu- 

625  gleich  meinen  Anschlag,  damit  diese  deine  Feinde 
und  auch  alle  anderen  Völker  erkennen ,  dass 
du  allein  herrschender  Gott  seist  im  Himmel  und 
auf  Erden,  und  ohne  dich  kein  Anderer.     Amen. 

Geht  ab. 


25 

i;.  Auftritt. 

Verwandlung.      Vor  dem  Stadtthor. 

ytidith  kommt  schön  gekleidet  mit  ihrer  Magd,   auf 
der  anderen  Seite  Ozias  mit  den  Sei72en. 

Judith. 

Lebt    nunmehr    unterdess    nur    getrost  und  ver- 

630  harrt  zu  Gott  im   Gebet  für  mich  und  euch. 

Ozias . 

Ja,  wertheste  Frau  Judith,  Gott  im  Himmel  gebe 
dir  Gnad  und  bestätige  deinen  ganzen  Anschlag 
mit  seiner  Kraft,  damit  sich  Jerusalem  und  ganz 
Israel  an  dir  erfreue,  weil  dein  Namen  unter  die 
635  Zahl  der  Heiligen  ist  gerechnet,  auf  dass  Gott  in 
dir  gelobt  und  gepriesen  werde. 

Alk. 
Amen,  Amen,  es  geschehe.  Alle  ab. 

18.  Auftritt. 

^Verwandlung.     Judith  kommt  schön  gekleidet  ins   Lager. 
Soldat  als  Schildwacht . 

Von  wannen  bist  du,  und  wo  willst  du  hin? 

Judith. 

Ich  bin. ein  hebräisches  Weib  und  bin  aus  dieser 
640  Ursach  von  den  Meinigen  abgegangen  und  geflohen, 
weil  ich  weiss,  dass  sie  euch  zum  Raub  gar  bald 
übergeben    werden ,    weil    sie    euch    verachtet  und 
sich  nicht  gutwillig  ergeben  wollen.     Ich  aber  bin 
anitzo  in  Willen,  dieses  nebst  noch  ihren  Heimlich- 
€45   keiten  eurem  Fürsten  und  Hauptmann  Holofernes 
selbst  zu  unterbringen,  wie  er  sie  solle  angreifen, 
dabei  euch  kein  Mann  verletzet  werde. 
Soldat. 
Nun,  dieses  mag  dir  viel  helfen.     Du  hast  dein 
Leben  gewiss  errettet,  weil  du  also  gehandelt  hast. 
650  Komm  daher  zu  unserem  Hauptmann,  dem  Holo- 
fernes ,    du   wirst  ihm  gewiss  von  Herzen  Wohlge- 
fallen und  auch  von  ihm  Gnad  erlangen.     Beide  ab. 


26 

19-   Auftritt. 

Der  Zwischejivorhang  luird  aiif gezogen.     Zelt. 

Holofernes    mit  Felix   und  den   Seinigen   im    Zelt. 

Holofernes, 
Wunderlich  und  seltsam  kommt  mir  vor ,  dass 
die  Israeliten  keine  Abgesandten  zu  mir  schicken. 
655  Länger  mehr  ihnen  zuzuwarten,  ist  mir  nimmer  ge- 
fällig ;  in  Kürze  werde  ich  ke'ine  Geduld  mehr  haben ; 
alsdann  erlege  ich  und  richte  ich  zu  Grunde  Alles, 
was  mir  unter  die  Augen  kommt. 

Felix. 
Grossmächtiger  Fürst,  weil  Ihr  grosses  Verlangen 
66c  habt,  etwas  von  den  Israeliten  zu  erfahren,  so 
mache  ich  Euch  zu  wissen,  wie  da  ein  wohlge- 
ziertes Frauenzimmer  bei  uns  in  dem  Lager  an- 
gekommen, welche  von  Euch  gnädige  Audienz 
begehrt. 

Holofernes. 

665        Bringet  sie    alsobald    zu  mir,   damit  ich  erfahre, 
was  Neues  sie  mir  in  die  Ohren  leget. 

20.   Auftritt. 

Han.mjiirst  mit  Judith  koiiunt. 
Hans7vtirst. 

Hei,  Herr  Oxenferna,  schaut's,   was  ich  da  für  a 
schön's  Hebräerdirndl  daherbring. 

Jtidith  fällt  auf  die  Knie. 

Holofernes. 

Sei  getrost  und  fürchte  dich  nicht,  ja  hebet  sie 
670  alsobald  auf,  denn  ich  habe  niemalen  keinem 
Menschen  Leid  oder  Böses  gethan,  der  sich  unserem 
König  und  mir  gutwillig  ergeben  hat ,  und  hätte 
mich  dein  Volk  nicht  verachtet,  so  hätte  ich  auch 
niemals  keinen  Spiess  gegen  dieses  aufgehoben. 
675  Anitzo  aber  sage  mir,  warum  bist  du  von  ihnen 
abgewichen  und  zu  uns  anhero  kommen. 


27 
Judith. 

Mächtiger  Fürst  Holofernes ,  vernimm  nun  die 
Worte  deiner  Dienerin  und  höre  sie  an ,  denn  so 
du  nach  den  Worten  deiner  Magd  thun  wirst,  so 

680  wird  Gott  vom  Himmel  auch  hierzu  Glück  und 
Segen  geben.  Es  lebet  König  Nabucodonosor,  ein 
herrschender  Monarch  des  Erdbodens:  es  lebet 
aber  auch  seine  Macht  in  dir,  zu  bestrafen  alle 
Ungehorsamen ,    denn    du   kannst  ihm  nicht  allein 

685  unterthan  machen  viele  Völker  und  Menschen, 
sondern  auch  alle  Thiere  auf  dem  Land ,  ja  alle 
Völker  sagen  von  deiner  Heldenmüthigkeit  und 
Weisheit.  Wir  wissen  auch,  was  Achior  geredet 
und  was  du  befohlen  hast ,   ihm  anzuthun ;    es  ist 

690  auch  in  Genüge  kundbar,  dass  unser  Gott  derge- 
stalt mit  häufigen  Sünden  beleidigt  ist ,  dass  er 
durch  seinen  Boten  hat  anzeigen  lassen ,  er  wolle 
sie  gar  bald  um  ihrer  Missethaten  willen  ihren 
Feinden    übergeben;    und    also    ist    auf  ein  Neues 

695  Furcht  und  Schrecken  über  sie  gekommen,  und  ich 
bin  kommen,  dir  solches  anzuzeigen. 

Holofernes. 
Deine   angenehmen  Wort'    und    schöne  Zierlich- 
keiten erfreuen  mein  Herz,  dass  es  gegen  dich  in 
grösster  Liebe    überschwemmt  ist.     Hast  du  noch 
700  mehr    zu    reden,    so    rede:    es    ist    dir  völlige  Er- 
laubniss  gegeben, 

yudith. 

Nun ,  weil  mir  denn  noch  mehr  erlaubt  ist,  so 
sage  ich  dir  auch,  dass  durch  dein  weises  Regiment 
sie    der  Hunger    und  Durst    also   überfallen ,    dass 

705  die  Hälfte  der  Israeliten  schon  unter  die  Todten 
wird  gerechnet,  ja  sie  tödten  ihr  Vieh  und  trinken 
sein  Blut.  Sie  haben  sich  auch  mit  verbotenem 
heiligen  Geschirr,  das  sie  aus  dem  Tempel  ge- 
nommen, gegen  Gott  versündigt,  und  darum  müssen 

710  sie  ihnen  zur  Strafe,  euch  zum  Raub  werden.  Dies 
habe  nun  ich,    deine  Dienerin,  ermessen  und  bin 


28 

von  ihnen  geflohen,  und  der  Herr,  mein  Gott,  hat 
mich  zu  dir  gesendet,  dir  solches  anzuzeigen.  Ich 
aber,  obwohl  ich  zu  dir  kommen,  bin  dennoch  von 

715  meinem  Gott  nit  abgewichen,  sondern  will  meinem 
Gott  auch  bei  dir  dienen;  ich,  deine  Dienerin  und 
Magd,  werde  immerzu  hinausgehen  und  meinen 
Gott  bitten,  dass  er  mir  offenbare,  wann  er  den 
Israeliten   ihren    Lohn    und    verdiente  Strafe    über 

720  ihre  Sünden  geben  wird;  sodann  werde  ich  es  dir 
offenbaren ,  dich  mithin  durch  Jerusalem  führen, 
dass  du  alles  Volk  Israel  habest  wie  eine  Herde, 
die  keinen  Hirt  hat,  ja  nicht  ein  Hund  wird  dich 
dürfen   anbellen.     Dieses    alles    ist   mir    von  Gott 

725  geoffenbart ,  dieweil  er  •  über  sie  erzürnt  ist ;  er 
hat  mich  gesandt,  dir  dieses  anzuzeigen. 

Holofernes . 

O  unerträgliche  Liebe !  Mein  Herz  brennt  in  vollem 
Feuer.  Dein  Gott  hat  wohlgethan,  dass  er  dich 
zu  uns  gesendet,  auf  dass  euer  Volk  uns  übergeben 

730  werde,  und  weil  dann  deine  Verheissung  gut  ist 
und  dein  Gott  solches  will  ins  Werk  setzen ,  so 
soll  er  auch  mein  Gott  werden ,  und  du  wirst  in 
dem  Hause  und  Reiche  Nabucodonosors  gross 
sein ,     ja     dein     Name     wird     Ruhm     und     Lob 

735  haben  und  auf  dem  ganzen  Erdboden  gepriesen 
werden. 

Felix. 
O     unaussprechliche     Klugheit    und    Schönheit, 
des  Weibes  Gleichen   ist  nicht  auf  Erden.     Deine 
Schönheit  und  Verstand,  o  hebräische  Frau,  ist  zu 

740  loben  und  zu  rühmen.  Wo  du  hinkommst,  wirst 
du  von  Jedermann  gepriesen  werden. 

Holofernes. 
Felix,   gehe  alsobald  hin  in  die  Zeltkuchel  und 
verschaffe    ein    köstliches    Nachtmahl,    damit    wir 
ergötzt    und    auch    diese    edelste    hebräische   Frau 
745  beehrt  werde. 


29 

Felix. 
Alsogleich  solle  der  Befehl  vollzogen  werden. 

Geht  ab.     Der  Zun schenvor hang  ivird  herabgelassen. 

21.  Auftritt. 

jfudith  ttnd  ihre  Magd  gehen  hervor. 
Judith. 
Gott  sei  Dank,  mein  Vorhaben  hat  schon  einen 
glückseligen  Anfang  genommen.     Holofernes,  trau 
nicht  zu  viel  der  Weiber  Gunst,  dann  bist  du  sehr 

750  betrogen:  ihre  List,  die  richtet  dich  zu  Grund,  denn 
sie  sind  schmeichelhaft  und  verlogen.  Liebwer- 
theste  Magd  Abra,  anitzo  bitte  ich  mir  von  dir 
sonderlich  aus ,  genaue  Obacht  zu  haben  auf  all 
mein  Thun  und  Lassen,  ja  sogar  auf  das  Augen- 

755  winken  und  Deuten,  denn  ich  habe  ein  Vorhaben. 
Es  gilt  Leib  und  Leben :  misslinget  die  Sach ,  so 
sein  wir  beide  des  Todes  eigen ,  gelinget  es  uns, 
so  ist  Victori  und  Sieg  erhalten ,  und  Gott  wird 
auch    seinen    Namen    zur    Ehr   uns    der   Nachwelt 

760  im  herrlichen  Gedächtniss  hinterlassen. 

Magd. 

Hochgeehrte    Frau,     es    kostet    nicht    nur    ein 

Leben,  sondern  das  meinige  würde  mit  dem  Eurigen 

auch  hinweggenommen  werden.    Es  ist  also  meine 

Pflicht   und  Schuldigkeit,    Euch   in  Allem  willigen 

765   Gehorsam  zu  leisten. 

2  2.   Auftritt. 

Hanstvurst  kommt. 
Hei,    hört's,    Frau  Judl,    mei    Herr,    der    Herr 
Oxenferna  lasst  enk  sagen  und  ihr  sollt  g'schwind 
zu  ihm  auf's  Nachtmahl  kemma. 

yudith. 

Alsogleich    werden    wir    erscheinen.       Ich    will 
770  meinem    Herrn   nichts    versagen ,    Alles ,    was  ihm 


30 

lieb  und  wohlgefällig  ist,  will  ich  thun  mein  Leben 

lang.      Gehen    ab.     Der  Zwischenvorhang   zuird  aufgezogen. 

Es  ist  eine  Tafel  mit  Speisen  und  Getränke?i  bereitet.    Holo- 

fernes  mit  einigen  Begleitern  und  zivei  Soldaten.  Judith  kommt. 

Holofernes. 

Hochgeehrte  Frau  Judith ,   lass   dir  gefallen,  bei 
mir  zu  wohnea,   mit  mir  das  Nachtmahl  zu  halten 
775   und  dich  recht  fröhlich   zu  machen. 

Judith. 

Ja ,  Herr ,  Alles ,  was  meinem  Herrn  lieb  und 
wohlgefällig  ist,  will  ich  thun  \  ich  bin  mein  Leben 
lang  nie  so  hoch  geehrt  worden.  Setzt  sich. 

Holofernes. 

Iss    und  trinke  nun ,    liebwertheste  Judith ,    was 
780  dir    beliebig    ist    von    meiner  Tafel  und  sei  guten 
Muthes. 

Judith. 

Liebwerthester  Herr,  ich  will  nicht  essen  oder 
trinken  von  dem  Eurigen,  denn  ich  möchte  meinen 
Gott  erzürnen ;  ich  habe  selbst  auf  etliche  Tage 
785  Speise  und  Trank  mitgenommen,  und  mit  demselben 
werde  ich  mich  nebst  meinem  Herrn  ergötzen  und 
erlustigen. 

Holofernes . 
Wann  aber  nun  jenes  aufgezehret,  was  ihr  mit- 
genommen?    Woher    sollen    wir  hernach    was  ver- 
790  schaffen? 

Judith. 

Liebwerthester  Herr,  so  gewiss  als  mein  Herr 
lebet ,  werde  ich  als  meines  Herrn  Magd  dieses 
nicht  alles  brauchen :  so  wird  mein  Gott  durch  mich 
schon  seine  wunderbare  Allmacht  erweisen. 

Holofernes. 
795       So    lebe    denn    wohl     und    thu ,     was    dir    be- 
liebii^  ist. 


31 

Judith. 

Ich  bedanke  mich  hundertfältig  für  alle  erzeugte 

Gnad,  jedoch  eines  bitte  ich  mir  bei  meinem  Herrn 

noch  aus. 

Holofer7ies. 

800       Was  soll  es  sein?    Keineswegs  gebeten,  sondern 
nur  befohlen! 

Holofemes. 

Alsogleich.     Zu  einein  Soldaten.    Gehe  hin  und  ver- 
anstalte diese  Sachen :  dass  nämlich  diese  hebräische 
Frau  nebst  ihrer  Magd  etliche  Tage  ohne  Hinderniss 
805   in  dem  Lager  hin  und  her  passiren  werde. 

Soldat. 

Alsogleich  solle  der  Befehl  vollzogen  werden.  Ab. 
Sie  trinken  Gesundheit  ^  es  wird  auch  Musik  gemacht.  Es 
kann  auch ,  so  ma7i  will ,  der  Hanswurst  Spässe  machen. 

Holofer?zes , 
Nunmehro   habe  ich  in  Wahrheit  was  Ehrliches 
gegessen    und    getrunken.      Anitzo    aber   bitte    ich 
mir   aus    von    meiner   werthesten  Judith ,    mir  das 
810  Geleit  zur  Ruhestatt  zu  geben.  Steht  auf. 

Jtidith. 
Liebwerthester  Herr,  ich,  deine  Magd,  schätze 
es  mir  für  die  grösste  Gnad;  dahero  nur  befohlen, 
was  beliebt,  und  nicht  gebeten. 
Sie  gehen,  Holofer?tes  ist  beratischt,  sie  führt  Um. 

23.  Auftritt. 

Vei-wandlu7ig ,     Bett  im  Zelte  so  hergerichtet,  dass  man  den 
Hauptmann    Holofemes   im  Bette   liegend  ztir  Hälfte   sehen 
kan7i,   Judith  ko7/i7nt,   77iit  ihr  die  Magd. 

Judith. 

Gott  sei  abermal  Dank,  ich  habe  den  vollge- 
815  zechten  Hauptmann  Holofemes  zur  Ruhestatt  be- 
gleitet, und  Gott  hat  es  gegeben,  sobald  er  sich 
in  das  Bett  niedergelegt,  ist  er  augenblickHch  ent- 
schlafen,  damit  ich,  o  Gott,  deine  »Magd  an  der 
Ehre   nicht  beleidigt  werde.     Liebste  Magd  Abra, 


32 

820  du  bleibst  anitzo  hier  stehen,  ich  aber  gehe  wieder 
hinein,  meinen  Gott  zu  bitten,  das  vorgenommene 

Werk  auszurichten,  yudith  geht  hinzu  und  macht  den 
Vorhang  auf ,  da  zeigt  sich  Holoferites  im  Bett.  Sie  löset 
sein  dabeihänge?tdes  Schzuei  t  ab,  geht  zvieder  hervor  und  betet. 

Nun  aber ,  mein  Gott  Israels ,  stärke  mich ,  deine 
schwache  Magd,  und    habe  Acht   in   dieser  Stund 

825  auf  die  Stärke  meiner  Hände.  Erzeuge  deine  All- 
macht und  Barmherzigkeit ,  damit  du  Israel  unä 
Jerusalem ,  deine  heilige  Stadt  wieder  aufrichtest, 
wie  du  verheissen  hast.  Gieb  deine  Gnad,  dass 
ich,    deine  Magd,  durch   dich  dasjenige  ins  Werk 

830  vollbringe,    was   ich  aus  Hoffnung  und  Vertrauen 

zu  dir  mir  habe  vorgenommen. 

Es   wird  eine   Vorstellung  gemacht,    als  schlüge  die  yudith 
mit  detn  Schioert  dem  Holofernes  im  Bett  das  Haupt  ab. 

Gesang. 
Ach,  sehet  dann,  ihr  Menschen  fein, 
Gott  zeiget  hier  alsdann, 
Dass  er  noch  stets  will  holder  sein, 
835  So  man  ihn  rufet  an. 

Judith  hat's  mit  Gott  frei  gewagt, 
Mit  Heldenmuth   das  Haupt  abschlagt. 
Damit  der  Feind  zu  dieser  Stund 
Gerichtet  wurd  zu  Grund. 
Judith  geht  mit  dem  blutigen  Haupte  hervor. 

Jttdith. 

840  O  mein  Gott,  dir,  dem  Alles  möglich  ist,  sei 
unendlich  Dank  gesagt,  dass  du  mich,  deine  Magd, 
heldenmüthig  gestärkt,  dem  hoffärtigen  Hauptmann 
Holofernes  das  Haupt  abzuschlagen.  Vielgeliebte 
Magd  Abra,  reiche  und  eröffne  alsobald  den  Sack, 

845  das  Haupt  hineinzuwerfen  und  lasse  uns  eilends 
durch  das  Lager  hinausgehen  zu  den  Unsrigen. 
Tröste  dich,  o  Israel,  denn  Gott  hat  durch  mich 
dem  Feinde  die  Macht  genommen.  Sie  macht  zu. 
Was    mit,  Gott    gutmeinend    wird    angefangen ,    ist 

850  niemals  zu  Grunde  gegangen.       Uehcn  rasch  ab. 


33 
24-  'Auftritt. 

Ver7unizdlHng.      Vor  dem  StndttJtore.     Ozias  ko?nmt  mit  den  Seinen. 

Ozias . 
Ach,   vor  Schwermüthigkeit  will  mir  mein  Herz 
zerreissen ,    indem    ich  noch  sehr  befürchte  König 
Nabncodonosors  Tyrannei  und  seines  Hauptmanns 
Holofernes  Grausamkeit. 

Samuel, 
^^55  ^^t  liebster  Gott  im  Himmel,  erbarme  dich  unser 
und  komme  zu  Hilf  deiner  Magd,  unserer  Frauen 
Judith.  Vier  Tag  sind  schon  vorbei,  doch  aber 
zeigt  sich  keine  Hilf  noch  Erlösung.  Judith  klopft  an. 
O  Gott,  steh  uns  bei,  wer  klopfet  an  der  Stadtport? 

yiidith  ausserhalb. 
86o        Victori,  Victori,  der  Feind  ist  geschwächt.    Thut 
alsobald  auf  die  Stadtport,  denn  Gott  ist  mit  uns, 
der  Gnad  und  Kraft  an  Israel  erzeigt  hat. 

Ozias . 

Gelobt  sei  der  Gott  Israels,  das  ist  die  Stimme 
der   Judith.     Eilends    sperret   das  Thor    auf.     Wir 
865  wollen  ihr  mit  Ehrerbietung  entgegengehen. 

Judith  kommt. 

25.  i\uftritt. 

Judith. 

Dankt  Gott  dem  Herrn ,  unserm  Gott,  der  nie- 
malen verlassen  die  Seinigen,  die  auf  ihn  hoffen 
und  vertrauen.  Er  hat  Barmherzigkeit  erzeigt 
durch  mich,   seine  Magd,  wie  er  dem  Hause  und 

870  Geschlecht  Israel  verheissen  hat.  Wisset,  heute, 
diese  Nacht  ist  der  Feind  durch  mich  überwunden 
und  seine  Macht  geschwächt  worden.  Judith  zeigt 
das  Haupt.  Sehet,  sehet,  dieses  ist  das  Haupt  des 
hoffärtigen  Fürsten  Holofernes;    ihn   hat  Gott  der 

875  Herr  durch  mich  und  meine  Hand  umgebracht. 
Danket  ihm  dahero  Alle,  weil  er  uns  Gnad  und 
Sieg  gegeben. 

Volksschauspiele.     II.  3 


34 

Alle, 
Gelobt  sei  Gott  der  Herr,   der  durch  dich  unsere 
Feinde  geschwächt  und  zu  Schanden  gemacht  hat. 

Ozias, 

880  Gesegnet  bist  du  von  Gott  dem  Herrn  und  allen 
Weibern  auf  Erden ;  gelobt  sei  auch  Gott  der 
Herr  in  dir,  der  Himmel  und  Erde  gemacht  hat : 
der  hat  dir  auch  Glück  gegeben,  den  Hauptmann 
Holofernes,  unsern  Feind,   zu  überwinden. 

Achior  kommt. 

26.   Auftritt. 

Judith. 

885  Höre,  Achior,  derjenige  Gott  Israels,  den  du  bei 
unsern  Feinden  gepriesen  hast ,  hat  die  heutige 
Nacht  durch  meine  Hand  ihr  höchstes  Haupt  um- 
gebracht. Siehe ,  siehe ,  hier  ist  der  Kopf  des 
hochmüthigen  Hauptmanns  Holofernes,   der  unsern 

890  Gott  gelästert  und  auch  dir  den  Tod  hat  ange- 
tragen. 

Achior  fällt  nieder. 

Gebenedeit  bist  du  von  deinem  Gott,  wertheste 
Frau  Judith  in  allen  Kindern  Jacobs,  ja  der  Gott 
Israel    wird    an    dir    gepriesen    werden    bei    allen 
895    gläubigen  Völkern  auf  Ei;den. 

Judith. 

Höret    mich    nunmehr    weiter ,    liebste    Brüder : 

sobald  nun  der  Tag  anbricht,    hänget  das  Haupt 

über    die  Stadtmauer  hinauf     Ergreifet  auch  also- 

bald,  so  die  Sonne  aufgeht,  eure  Gewehr  und  Waffen 

900  und  fallet  mit  ungestümen  Heldenmuth  auf  unsern 
Feind,  alsdann  wird  ihre  Scharwache  fliehen  und 
werden  sie  ihren  Hauptmann  vom  Schlaf  wollen 
aufwecken.  So  wird  sie  eine  Furcht  und  Schrecken 
ankommen,   und  wenn  ihr  sehet,  dass  sie  dann  ver- 

905  zagt  und  erschrocken  seien ,  jagt  ihnen  nach ,  sie 
zu  vertilgen,  denn  der  Herr  will  und  wird  sie  durch 
eure  Waffen   zernichten  und  umbringen. 


35 
2  7-  Auftritt. 

Verwandlung.     Zelt  des  Holofernes. 

Die    Kriegsleute    des    HoloferJtes:     Hartmann ,     Felix    und 
Valericus,    Hanszvurst,  zwei  Soldaten. 

Hartmann. 

Wisset,    es  ist  nunmehr  Zeit,   dass  man  unsern 
Hauptmann  vom  Schlaf  erwecke,  denn  die  Israeliten 
9 IC   sind  als  Mäuse  aus  ihren  Löchern  geschloffen  und 
begehren  uns  zum  Streit. 

Felix, 

Wer  wird  sich  getrauen,  ihn  aufzuwecken,  denn 
es  ist  bei  Lebensstrafe  verboten,  ihm  im  Schlafe 
nicht  Unruh  zu  machen. 

Valericus . 

915  Was  dienet  er  dann  dem  König,  oder  was  wäre 
er  ihm  dann  nutz,  wann  er  sollte  schlafen,  wenn 
die  Zeit,  mit  unseren  Feinden  zu  streiten,  vorhanden 
ist?  Also  Hanswurst,  geh  du  hin  und  wecke 
Holofernes  vom   Schlaf. 

Hanswurst. 

920  Glei,  glei,  weil  ös  mehr  kein  Kuraschi  habt. 
Geht  hinzu  und  klopft.  Sö ,  Herr  Oxferna,  auf  sollt 
a  stehn,  denn  d'Mäus  san  aus  ihren  Löchern  ge- 
schloffen. Klopft  nochmals.  Hei ,  Herr  Oxferna, 
seid    kan  Narr,    das   is    kein  Schlaf.     Auf  sollt  a 

925  stehn.  Der  Kerl  hat  an  Schlaf  als  wie  a  todtes 
Ross.  Hei,  Judl ,  weck  du  den  Oxferna  auf, 
wann  d'  drin  bist.  Na  schau ,  i  muss  schon  gar 
eini  gehn.  Geht  hinein.  Hei ,  Herr  Oxferna, 
g'schwindt  sollt  a    aufstehn !    —   Ja  hazi ,    was  ist 

930  denn  das?  Geht  heraus.  Hei^  weist  was  Neues? 
Der  Herr  Oxferna  liegt  drin,  er  hat  kein  Haupt, 
kein  Kopf  und  kein  Schädel,  dös  hat  g'wiss  than 
die  Sakraments  hebräische  Gredl. 

3* 


36 

Hartmann. 
Was    redest    du?     Unser  Hauptmann    ist  seines 
035  Lebens  beraubt? 

Hansii'iirst. 

Geh  selbst  hinein,  wanns  d'  es  nit  glauben  willst. 

Hartnia?zn   macht  auf  und  schaut  hinein. 

O  unerhörte  Bosheit.    Wehe,  wehe,  ein  einziges 
hebräisches  Weib  hat  das  ganze  Reich  und  Kriegs- 
heer Nabucodonosors  zu  Schanden  gemacht.    Holo- 
940  fernes    liegt    todt   zur  Erde  und  ist  ihm  der  Kopf 
abgehauen. 

Felix. 

O  unerhörte  Grausamkeit.    Aber  darum  hat  der 
Teufel  dieses    falsche,  verfluchte  Weibsbild  anhero 
gebracht  ,    ein   solches  erschreckHches  Blutbad  an- 
945   zurichten. 

V^alericus. 

Ach,  was  ist  nunmehr  anzufangen?    Unser  bester 

Kamerad  ist  todt.     Wir  müssen  alle    zu  Schanden 

werden  :    lasset   uns  gar  bald  von  hier  abweichen, 

ehe    dass    uns    unsere    Feinde    überfallen    und    zu 

950    Nichte   machen.      Wird  getrommelt  tind  Lä)t)i  gemacht. 

Hartmann. 

Fliehet,  fliehet,  die  Feinde  überfallen  uns. 

Ozias  ,  Piimo  und  Samuel  laufe?i  ein  mit  blossem  Schioert; 
Rufe:  ^hierher,  hierher,  hauet  und  schlaget  todt! i.  Sie  laufen 
ihnen  nach  und  hierauf  ab.  Darauf  ivird  eine  Vorstellung 
vom  Streit  gemacht.  Ozias  überwindet  den  Hartmann,  Puma 
den  Felix  und  Samuel  den    ValeHcus. 

Gesang. 
Auf,  auf,  ihr  tapfern  Helden,  dann 
Und  greifet  nach  dem  Schwert, 
Streit't  mannlich  für  das   Vaterland, 
955  So  lang  das  Leben  währt; 

Der  Feind  schon  unterlieget, 
Und  Gott  hat  ihn  besieget : 
Dem  sei  Lob,   Dank  zu  jeder  Zeit  — 
In   alle  Ewigkeit.  Vorhang  wird  abgelassen. 


37 
28.  Auftritt. 

Ozias  mit  den  Seine?t,  Joachim  mit  Judith» 

Ozias. 

960       Gelobt  sei  Gott  zu  dieser  Stund,  denn  der  Feind 
ist  überwunden. 

Joachi?n . 

Gelobt  sei  der  Gott  Israel  und  die  hochwertheste 
Frau  Judith.  Du  bist  die  Ehre  der  Stadt  Jerusalem, 
du  bist  die  Freude  des  ganzen  gläubigen  Volkes 
965  Israel,  du  hast  heldenmüthig  gehandelt,  deine 
Hand  ist  gestärkt  Worden  von  dem  allmächtigen 
einigen  Gott,  weil  du  Treu  und  Keuschheit  ge- 
liebt hast.  Gesegnet  und  gebenedeit  seist  du  in 
Ewigkeit. 

A//e. 

970       Amen,  Amen!     Ja  gebenedeit  sei  Gott  und  die 
hochwerthe  Frau  Judith. 

Judith . 

Weilen  uns  denn  Gott  mächtigen  Sieg  ertheilet, 
so  lasset  uns  ihm  zu  Jerusalem  Dankopfer  bringen. 
Wir  wollen  auch  zum  ewigen  Angedenken  dieses 
97  5  Siegs  das  Schwert  des  Hauptmanns  Holofernes, 
mit  welchem  ich  ihm  das  Haupt  abgeschlagen,  im 
Tempel  aufhängen  und  Gott  anitzo  mit  einem 
Lobgesang  ehren  und  preisen. 

Gesang. 

O  Gott,  wir  benedeien  dich 
980  Und  deinen  heiligen  Namen 

Und  rufen  alle  samentlich 

Mit  Herz  und  Mund  zusammen : 

Gelobet  seie  jederzeit 

Deine  Allmacht  und  Barmherzigkeit, 
985  Die  itzt  sodann  in  dieser  Stund 

Den  Feind  gericht't  zu  Grund. 


38 

Weiter,   o  Gott,  wir  auch  bitten  than, 
Für  unsre  Landesmutter  fein, 
Wann  sie  die  Feind'   thun  greifen  an 
990  Thu  unser  Helfer  sein. 

Wir  kommen  auch  zu  beten : 
O  thu  uns  all'   erretten, 
Damit  dein   Nam   auf  dieser  Erd 
Allzeit  geheiligt  werd. 

Vorhang  fällt. 


HIRLANDA. 


^ 


PERSONEN. 


Fürst  Artus. 

Hirlanda,  seine  Gemahlin. 

Bertrand,   deren  Sohn. 

Gerhard,    des   Fürsten  Bruder. 

Olive,   Minister. 

Ritter  Riese. 

Die  Gräfin,   Olives  Base. 

Coelestinus,   der  Abt  von  St.  Malo. 

Ein  Jude,   Arzt. 

Radegunde,   Hebamme. 

Die  Amme. 

Ein  Richter. 

Eduard,   ein  Bote. 

Ein  armer  Student. 

Ein  Engel. 

Zwei  Matrosen. 

Zwei  Henker. 

Die  Leute  des  Abtes. 


1.  Auftritt. 

Gerhard  im  Schlosse. 
Verdriesslich  und  unzufrieden  muss  ich  fast 
jeden  Tag  anfangen,  denn  alle  meine  Anschläge 
sind  mir  zu  Wasser  geworden ;  ich  hoffte  mir  den 
ruhigen  Besitz  des  Reiches,  aber  nun  ist  Alles  ver- 
5  loren,  die  Hoffnung  ist  verschwunden.  Aber  Re- 
giersucht schwebt  in  meinem  Herzen :  alle  Unter- 
thanen  sind  mir  zu  Feinden  geworden ;  die  Ver- 
mählung meines  Bruders  trachte  ich  zu  verhindern, 
aber  nicht  geht  es  nach  meinem  Vorhaben :  jedoch 

IG  nur  nicht  verzaget  sein,  mein  Gerhard!  vielleicht 
lässt  sich  was  ersinnen.  Ihre  Ehre  trachte  ich  zu 
vernichten :  es  muss  Beiden  das  Leben  kosten,  eher 
werde  ich  mein  Haupt  nicht  unter  die  Erde  legen. 
Seine   Abreise   ist    mir    bekannt,     alsdann    will    ich 

15  meinem  rachgierigen  Herzen  eine  Labung  ver- 
schaffen, —  Halte  ein,  es  kommt  der  Fürst. 

2.  Auftritt. 

Fürst  Artus  tritt  auf. 
Gerhard. 
Ganz     gehorsamster     Diener,     Herr    Fürst     und 
Bruder. 

Fürst. 

Gleichfalls,  Bruder  und  Unterthan  meines  Herzens. 

20  Die    so    schnelle  Abreise   nach  Frankreich,    der   so 

schwere  Krieg,  der  bevorsteht,  die  traurige  Abreise 


42 

meiner  Gemahlin  macht  mir  mein  Gemüth  so 
schwer,  dass  ich  manche  Nacht  ganz  schlaflos  zu- 
gebracht habe  und  dies  auch  nicht  zu  lindern  weiss. 

Gerhard. 

2  5  Gnädigster  Fürst  und  Bruder,  nicht  allein  Euch, 
sondern  auch  mir  verursacht  es  manchen  Schmerz, 
wenn  ich  bedenke  die  mühsame  Reise ,  die  vielen 
Beschwerden,  die  Ihr  zu  erdulden  habet,  den  trau- 
rigen Zustand  der  Sachen,  und  was  noch  mehr,  den 

30  betrübten  Abschied  Eurer  Gemahlin,  dann  die  Liebe, 
die  sie  zu  Euch  hegt,  ist  unermesslich :  darum  will 
ich  jene  Stunde  nicht  bei  Hofe  sein ,  wenn  Ihr 
werdet  Abschied  nehmen. 

Fürst. 
Noch    diesen  Morgen    muss  es  geschehen ,    denn 

35  es  leidet  nicht  den  mindesten  Aufschub:  darum 
sollt  Ihr  anstatt  meiner  die  Stelle  vertreten ,  denn 
an  Euch  steht  mein  Vertrauen;  richtet  nicht  scharf, 
verstopfet  nicht  die  Ohren ,  höret  das  Bitten  der 
Armen     an     und     seid     ein     milder    Regent    über 

40  meine  Untergebenen.  —  Habt  genaue  Aufsicht  auf 
meine  Hirlanda ,  denn  die  Zeit  ihrer  Entbindung 
nahet  heran,  und  machet  es  mir  gleich  zu  wissen, 
wenn  es  sich  zu  Ende  gestellt  hat:  und  jetzt  gehet 
hin  ,  bereitet  Alles,   was  mir  zu  meiner  Reise  noth- 

45   wendig  ist. 

Gerhard. 
Ich    danke  Euch    für    so    hohe  Gnaden ,    die  ich 
von  Euch    erlange ,    indem    ich    mich  für  unwürdig 
schätze,  und  werde  Alles  nach  Eurem   Befehl  genau 
vollziehen.  Gerhard  geht  ab. 

3.  Auftritt. 

Hirlanda  tritt  ganz  tratirig  auf. 
Hirlanda . 
50        Ach,    vielgeliebter  Gemahl,    wie    geschwind    ver- 
schwindet die  Freude  und  bringt  das  höchste  Leid ! 


43 

Ach  Gott,  wie  geschwind  muss  ich  deiner  Gegen- 
wart beraubt  sein.  Ach,  könnte  ich  mit  dir  ziehen, 
wie  gerne  wollte  ich  Kreuz  und  Leiden  mit  helfen 
55  tragen:  ach  Gott,  wie  gern  wollte  ich  mich  be- 
mühen, und  mit  dir  in  das  Feld  ziehen,  wenn  es 
sein  könnte.  Ach,  wie  habe  ich  mir  einen  Trost  zu 
ertheilen ;  der  liebe  Gott  wird's  geben,  dass  du  nur 
bald  wiederum  zurückkommst. 

Fürst. 

6q  Nur  nicht  so  bekümmert,  liebste  Gemahlin  und 
Fürstin ,  der  Hebe  Gott  wird  dich  in  Schutz  er- 
halten; im  Uebrigen  habe  ich  Alles  meinem  Bruder, 
dem  Hofminister,  anbefohlen,  der  dir  anstatt  meiner 
in  deinen  Nöthen  wird  Hilfe  leisten.     Lasse  es  nur 

65  Gott  über,  im  Uebrigen  haben  wir  nichts  zu  be- 
fürchten ;  ich  werde  ja  von  Herzen  erfreut  sein, 
wenn  ich  werde  zu  wissen  bekommen,  was  uns  au- 
jetzo  noch  verborgen  ist. 

Hirlanda. 

Ach,  ich  wollt',  ich  könnte  es  ändern,  und  deine 

70  so    weite    Reise    noch     aufschieben,     denn     dieses 

fürchte  ich  als  wie  selbst  den  Tod.        Sie  woidet  sich 

ab  tr/id  rueint  kläglich.       Ach,    liebster  Gemahl,   musst 

du  denn  fort?  —  Ja  fort  —  ja  fort!  — 

Fürst. 

Ach,  liebste  Gemahlin,  ich  kann  ja  nicht  anders  — 
75  ich  bitte  dich,  weine  doch  nicht. 

Hirlanda. 

Weil  es  sein  muss,   nun  so  soll  es  geschehen. 

Weint, 

Fürst . 
Lebe  wohl,   —   so  will  ich  gehen. 

Hirlanda . 
Liebster  Gemahl,  ach,  lebe  wohl. 


44 

Fürst. 

Lebe  wohl,  liebste  Gemahlin,  lebe  wohl 

80   ich   gehe.  Geht  ab. 

Hirlanda. 

Ach  weh,  ach  weh !    Ach  Gott  im  Himmel,  dir  sei 

es  geklagt,    ach,    was  für  eine  traurige   Stunde  ist 

diese !  Ach  Gott,  wie  kurz  ist  die  Zeit,  die  du  mir  zu 

geniessen  giebst  in  Freuden.    Ach,  liebster  Gemahl, 

85  ohne  deiner  kann  ich  nicht  leben;  Gott  gebe  es, 
dass  er  nur  bald  zurückkommt!  Ach  mein  Gott, 
ich  erwarte  nichts  Gutes ;  in  meinem  Herzen 
empfinde  ich  die  empfindlichsten  Schmerzen ,  ich 
befürchte    ein     grosses     Uebel.      Ach ,     du     armes 

90  Kind,  könnte  ich  dich  bald  umarmen,  so  wäre 
ich  erquicket,  aber  jetzt  ruhest  du  noch  unter 
meinem  Herzen ;  aber  bald ,  liebes  Kind ,  werde 
ich  dich  mit  meinen  Augen  sehen.  Unter  Gerhards 
Gewalt  fürchte  ich  zu  leben,  er  ist  ein  Feind  der 

95  Armen,  und  ein  Feind  der  Unterthanen,  und  ich 
suche  unter  ihnen  meme  Freude.  Geht  ab. 

4.   Auftritt. 

Gerhard  tritt  auf. 
Anjetzo  kann  es  sein,  dass  sich  was  thun  lässt, 
was    ich    mir    wünsche.      Der   Fürst    ist  fort :    wer 
weiss,  kommt  er  wieder  zurück?     Dann  blüht  auf 

100  meiner  Seite  das  Glück,  ich  wollte  es  mir  wünschen. 
Mit  der  Fürstin  verfahre  ich,  wie  es  mir  gefällt, 
und  wie  es  sich  thun  lässt.  Der  Fürst  ist  bald 
überredet,  wie  mich  bedünkt,  und  ich  werde  ge- 
wiss   im    mindesten    nicht    fehlen    und    ihm    brav 

105  vorlügen;  ich  werde  ihm  mit  einer  Sache  kommen, 
und  ich  weiss  es  gewiss,  er  hat  kein  Wohlge- 
fallen daran ;  ich  werde  es  schon  machen ,  und 
werde  gewiss  nicht  nachlassen,  bis  ich  selbst  Be- 
sitzer   des  Reiches    bin.     Aber  es  kostet  Besinnen 

110  und  Rathen,   um  die  Sache  mit  Behutsamkeit  an- 


45 

zugreifen.  —  Horch,    wer    kommt?     Ich    soll  ihn 
kennen  I 

5.   Auftritt. 

Der  Jude  tritt  ajif. 
Jude. 
Euer  Gnaden    werden    verzeihen ,    dass    ich  mir 
die  Freiheit  habe  genommen,    Euch  zu  besuchen: 
I T  5   die  alte  Freundschaft  hat  mich  bewogen,  weil  ich 
gerade  den  Weg  von  London  komme. 

Gerhard. 
Habt  Dank,  Bruder  und  Herr  Doktor,  für  die 
Ehre,  die  Ihr  mir  durch  Eure  Gegenwart  erwiesen 
habt ,  und  bitte  mir  die  Ehre  aus,  zu  fragen,  was 
120  giebt  es  Neues,  und  wie  befindet  sich  der  König 
Richardus  in  England?  Wie  steht's  mit  seiner  Ge- 
sundheit ? 

Jiide. 
Gar    schlecht      gar    schlecht :    sein  Zustand   ver- 
schlimmert   sich    fast    täglich ;    mit    allen    meinen 
T25   Künsten    kann    ich  nichts  ausrichten,     obwohl  ich 
schon  allen  mögHchen  Fleiss  angewendet.    O  Gott  1 
könnte  ich  das  Wahre  erfinden ! 

Gerhard. 

Ist  denn  nun,  wie  Ihr  saget,  für  ihn  keine  Hilfe 
zu  erfinden  zu  seiner  Gesundheit? 

Jude. 
T30       Es    wäre  Hilfe,    aber    sie  zu  erlangen  eine  Un- 
mögHchkeit ;  eine  Sache  von   sehr  hohem  Werthe, 
nicht  von  wegen  Geldes,   das  ermangelt  nicht,  aber 
in  der  That  ein   unmögliches  Ding. 

Gerhard. 
Das    muss    was  Grosses    sein ,    weil  Ihr    es    für 
135   eine  Unmöglichkeit   haltet,    weil  doch  sonst  Alles 
um  Geld    zu    bekommen    ist.     Saget  es  mir ,    viel- 
leicht kann  ich  mit  Rath  dienen? 


46 

-    Jtide. 
Könnte  wohl  sein ,    ich  halt's  dafür ,    und  wenn 
ich  Euch  die  Wahrheit  sagen  darf,    so  könnte  es 
140  vielleicht  in  Eurer  Macht  sein. 

Gerhard. 

Sollte  es   in  meiner  Macht  sein,  so  saget  es  mir 

bald,   denn  um   die  Gesundheit  eines  Königs  muss 

man  keine  Stunde   verschieben,   und  ich  würde  es 

für  eine  Beleidigung  halten,   wenn  Ihr  mir  solches 

145   nicht  entdecktet. 

Jude. 
Ein  grosses  Unternehmen,   aber  weil  Ihr  es  ver- 
langt,  so  will  ich  es  Euch  nicht  verhalten :  in  dem 
Blut  eines  neugebornen  Kindes,  auch  vom  adeligen 
CTeschlechte    entsprossen ,    wird   der  König    seinen 
150  Aussatz  heilen,  und  dieses  wäre  das   Ganze. 

Gerhard. 
Eine    schwere    Sache ,    eine   Sache ,    die    zu    be- 
denken   ist:    jedoch    sage  ich,    und  halte  es  nicht 
für  unmöglich,  wenn  nur  —  nur  —   Geld  — 

Jude. 
Geld  ist ,  wollt  Ihr  sagen :  das  soll  nicht  fehlen, 
155   wenn  nur  die  Sache  gewiss  wäre. 

Gerhard. 
Was  wollet  Ihr  geben  ,    wenn  ich  Euch  solches 
überhefere  ? 

Jude. 
Wenn  es  in  Allem  geheim  geschehen  kann,  und 
Ihr  Euch  getraut,  und  Gewissheit  ist,  so  gebe  ich 
160  Euch  1200  Reichsthaler  und  einen  köstlichen  Ring, 
auch  wird  es  Euch  grosse  Ehre  sein ,  wenn  Ihr 
auf  die  Wohlthat  eines  Königs  ein  so  grosses 
Werk  unternehmet. 

Gerhard. 
Nun    wohlan ,    ich   will  es  wagen ,    das  Spiel  sei 


47 

165  gewagt,  jedoch  nicht  geschwind,  vielleicht  erst 
mit  dem  halben  Monat,  denn  die  Zeit  der  Ent- 
bindung muss  abgewartet  werden. 

Jude. 

Edler    Prinz    und    Herr,    die    Sache    muss    also 

klug    angegriffen    werden ,     denn    das    baare    Geld 

170   sollt    Ihr    alsobald    haben,    auch    müsstet   Ihr    mir 

genaueste  Gewisshgit    bestimmen ,    wann    mir    das 

Kind    überliefert    wird ,    und  den  Adel  der  Mutter 

mir    nicht    verhalten ,    damit    ich    mich    zu  richten 

weiss.    Sobald  dieses  ist,  sollt  Ihr  das  baare  Geld 

T75  haben. 

Gerhard. 

Ich  bitte  mir  eine  kleine  Geduld  aus,  ich  muss 
die  Hebamme  rufen,  alsdann  werdet  Ihr  die  ge- 
naue   Wahrheit   erfahren.       Läutet  mit  einem  Glöcklei?i. 

6.  Auftritt. 

Die  Hebamme  Radegunde  kommt. 

Radegunde. 
Euere  unterthänigste  Dienerin ,    gnädigster  Hof- 
180  meister;  was  steht  zu  Diensten? 

Gerhard. 
Euch     wird    bekannt    sein,     wie    bald    die    Ent- 
bindung unserer  Fürstin  nahet,   mit  Gewissheit. 

Radegunde . 
Edler  Herr,  Euch  zu  dienen,  bin  ich  allzeit  be- 
reit, nach  Eurem  Willen  zu  thun.  Unsere  gnädig- 
185  ste  Fürstin  geht  in  das  neunte  Monat  schwanger, 
und  wird  bis  in  ein  oder  zwei  Wochen  mit  Gottes 
Hilfe  Kindes  Mutter  werden;  dieses  kann  ich 
Euch  mit  Gewissheit  sagen.  Geht  ab. 

Gerhard. 
Nun  habet  gehört  mit  eigenen  Ohren. 


48 

Jude. 

T90  Wie  ich  vernommen,  muss,  soll  das  Euere 
Schwägerin  sein ;  aber  gehet  nur  die  Sache  behut- 
sam an  ,  denn  es  ist  eine  schwere  Sache.  Aber 
haltet  Euer  Wort,  bis  in  14  Tagen  erwarte  ich  meine 
Klarheit.     Hier  habt  Ihr  das   Geld  und  den  Ring, 

195    aber  gebt  Acht,  dass  Ihr  nicht  ertappt  werdet. 

Gerhard, 
Ueber  dieses  lasst  nur  mich  bekümmert  sein. 

Jude. 

Ich  empfehle  mich  in  ferneren  Gunst  und  Ge- 
wogenheit und  erwarte  Euch  in  14  Tagen  bei 
San  et  Malo.  Geht  ab. 

Gerhard. 

200  Nun  also,  der  Handel  ist  geschlossen,  nun  heisst 
es  Wort  halten.  Ich  habe  das  Geld  in  Händen 
und  damit  werde  ich  probiren.  Ich  weiss  schon, 
wie  ich's  machen  will ;  mit  Radegunde  werde  ich 
sprechen,  und  diese  wird  mir  schon  an  die  Hand 

205  gehen;  ein  Weibsbild  ist  leicht  überwunden,  ich 
werde   sie    rufen.    Geht  zur   Thür  und  spricht  hinaus. 

7.  Auftritt. 

Hebamme  tritt  auf. 

Gerhard. 
Wisset  Ihr,  warum  Ihr  gerufen  seid  ? 

Rade^inde. 
Ganz  und  gar  nicht,  gnädigster  Herr  Hofmeister, 
ich  befürchte,  ich  habe  Euch  beleidigt. 

Gerhard. 
210        Ihr    habt    nichts     zu    befürchten,    sondern    nur 
meine  Gunst    zu    erwerben ,    wenn  Ihr    mir  wollet 
gehorsam    sein ,    denn    ich    habe    eine    Sache    mit 
Euch  auszurichten  von  sehr  hohem  Werthe. 


49 

Radegunde. 

Alles,    was  Ihr    mir   befehlet,    bin  ich  bereit  zu 

215   vollziehen,  wenn  es  nichts  Unbilliges  ist;  Ihr  sagt 

aber  von  Sachen  von  hohem  Werthe ,   und  dieses 

wird  vielleicht  nicht  in  meinen  Kräften  sein,  denn 

ich   bin   eine  Weibsperson    von    geringem    Stande, 

und  mit  Standespersonen,  wie  Ihr  seid,  zu  handeln, 

220  wird   mir  vielleicht  schwer  fallen. 

Gerhard. 

Es  scheint  in  der  That  schwer,  ist  aber  dennoch 

wohl  zu  thun  möglich,  dafür  werde  ich  Euch  gut 

bezahlen  \  auch  Alles ,   was  von  mir  begehrt  wird, 

könnt  Ihr  erhalten :  saget  nur,  ob  Ihr  nach  meinem 

225   Willen  thut,  es  soll  Euch  nicht  gereuen. 

Radegunde. 
Ich  sage  Euch  Dank  für  so  viele  Gnaden,    die 
Ihro  Gnaden  mir  zu  erweisen  gegeben  haben ;  nach 
billigen    Sachen    werd'    ich    zu    dienen    allzeit   be- 
reit sein. 

Gerhard. 
230       Nur  kurz  gefasst,  es  bringt  Euch  Reichthum,  und 
ich  halte  mein  Wort.     Nun  versprechet  mir  mein 
Begehren ,  ehe  ich  Zorn  fasse,    denn  mir  seid  Ihr 
zu  dienen  schuldig. 

Radegunde . 
Herrendienste  sind  schwere  Dienste ;  ich  werde 
235   Euch    gehorsamen,  entdecket  mir  Euer  Begehren, 
es  wird  doch  den  Kopf  nicht  gelten. 

Gerhard. 
Ihr  wisset,  dass  in  meinem  Herzen  Hass  und 
Rache  über  den  Fürsten  und  seine  Gemahlin  steckt : 
um  ihre  Ehe  zu  vernichten  drohte  ich,  und  da 
240  jetzt  die  schönste  Gelegenheit  ist,  dass  ich  das 
Reich  könnte  an  mich  ziehen ;  derowegen  befehle 
ich  Euch ,  dass  Ihr  mir  das  Kind  ,  sobald  es  ge- 
boren ist,  in  meine  Hände  überliefert. 

Volksschauspiele.     II.  4 


50 


RaJeziifide. 


Wollet  Ihr  es  ermorden,  das  arme  Kind  ?    Ach, 
245   du  armes  Waislein ! 

Gerhard. 

Ich    werde  es  nicht  ermorden,   es  kommt  nach 
Engelland. 

Radegiinde. 

Habt  Ihr  es  gewiss  verkauft  dem  gottlosen  Juden, 
mit  dem  ich  Euch  reden  sah: 

Gerhard. 

250  Ist's  wie  es  will,  thut  Ihr,  wie  ich  gesagt  habe; 
hier  habt  Ihr  100  Thaler  und  bemühet  Euch,  die 
Sache  geschickt  anzugreifen,  und  der  Fürstin  wacker 
vorzufaseln ,  als  wenn  sie  kein  natürliches  Kind 
geboren  hätte. 

Radegunde, 
255        Ist's  gewiss  ein  schweres  Stück,  aber  dies  muss 
auch  die  Amme  so  gut  als  ich  wissen,  denn  unter 
uns  liegt  das  Meiste. 

Gerhard. 

Man  wird  die  Sache  schon  treffen ,  unterdessen 
haltet  es  geheim,  so  Euch  Euer  Leben  lieb  ist,  und 
260  haltet  nur  Wort. 

Radcgnnde. 

Ihr  dürft  Euch  verlassen,  es  bleibt  dabei. 

Geht  ab. 
Gerhard. 
Anjetzo  habe  ich  Wasser  auf  meine  Mühle.    Gut 
getroffen,  das  Geld  macht  Alles  recht :  Radegunde 
ist  überwunden,  und  die  Amme  muss ;  dem  Fürsten 
265   weiss  ich  schon  zu  pfeifen,  Hirlanda  muss  mir  in 
die    Hände    fallen ,    an    ihr    will    ich  meine  Rache 
kühlen,   drum    will  ich    Alles    aus   meinem    Herzen 
ziehen;    den   Bogen    weiss    ich  schon    zu  spannen, 
dass  er  gut  schiesst.  Geht  ab. 


51 

8.  Auftritt. 

Ilh-landa  tritt  auf. 
Hirlanda. 

270  O  Himmel!  wie  lang  vverd  ich  noch  trauern 
müssen !  Ach,  liebster  Gemahl,  wie  lange  wartest 
du  noch,  und  wann  kommst  du,  mich  zu  trösten? 
O  Gott!  verleihe  mir  Geduld  in  meinen  Leiden, 
lasse   keinen  Widerwillen    in    meinem  Herzen    ein- 

275  schleichen,  dir  allein  klage  ich  meine  Noth :  ich 
befehle  mich  dir  mit  Leib  und  Seele  und  opfere 
dasjenige  auf,  was  ich  noch  nie  gesehen  habe. 
Hilf  streiten,  o  mein  Gott,  meinem  Gemahl  und 
allen  kaiserlichen  Streitern,  und  erbarme  dich  aller 

280  Armen  und  sei  ein  wahrer  Tröster  aller  Betrübten. 

9.  Auftritt. 

Ein  armer  Student  tritt  bittend  auf. 
Der  Arme. 
Ich    bitte    unterthänigst    um  Verzeihung    meiner 
Kühnheit  und  bitte  um  ein  christliches  Almosen. 

Hirlanda . 

Ach ,    liebstes  Kind ,    mit  bereitwilligem  Herzen 
werdet  Ihr  es  erlangen ;   hier  habt  Ihr,  und  wenn 
285  Ihr  das  verzehret  habt,  so  kommt  wieder. 

Der  Arme. 

Tausend  und  tausend  mal  sei  Euch  gedankt  für 

so  grosse  Güte,    die  ich,    gnädigste  Fürstin,  von 

Euch    erlanget   hab ;    der   liebe  Gott  erhalte  Euch 

in  bester  Zufriedenheit  und  führe  Euch  nach  Eurem 

290  Tod  in  das  ewige  Himmelreich. 

10.  Auftritt. 

Gerhard  steht   zuerst   hifiter   der  Thür ,    hört  ihnen  zu  und 
tritt  sodann  vor. 

Gerhard. 

Was  giebt  es  hier  für  Buhlschaften  und  Kuppeleien? 
Schändlich!    Habe  ich  Euch  einmal  ertappt?    Was 

4* 


52 

machest  du  allda  im  fürstlichen  Hause  und  in  den 

Zimmern :      Du    ehrvergessene    Metze ,    was    kann 

295   mich    hindern,    dass    ich    dir    den    Dolch    in    den 

Leib  stecke  ?    Er  ersticht  den  Armen  tind  ruft  die  Schergen^ 

Der  Arme. 
Ach    weh  !  Er  stirbt.     Die  Schergen  treten  ein. 

Gerhard. 

Nun,  ihr  Diener  und  Soldaten,   eilends  kommet 

herbei ,    und    sehet    die    Ehrvergessenheit    unserer 

300  Fürstin  an  und  diesen  losen  Bösewicht,  der  jetzt  in 

seinem  geilen  Blute  röchelt:  werfet  ihn  hinaus,  er 

ist  nicht  mehr  werth.    Sie  gehen  mit  dem   Todten  ab. 

Hirlanda. 

O  gottlose  Zunge ,  was  redest  du  ?  Was  muss 
ich  hören  und  sehen?  Was  hat  dieser  Arme  ver- 
305  schuldet,  dass  Ihr  ihn  so  jämmerlich  ermordet,  der 
nichts  Cnrechtes  begangen,  nur  um  ein  christliches 
Almosen  mich  bat !  O  Gott  im  Himmel ,  sieh 
dieses  Unrecht  an  und  erbarme  dich  seiner  armen 
Seele. 

Gerhard. 

3 1  o  Nur  Still  geschwiegen  und  kein  Wort  zu  Euerer 
Vertheidigung,  ich  habe  Euch  bei  der  That  erwischt, 
es  sind  Zeugen  vorhanden  ,  Eure  Treulosigkeit  ist 
an  den  Tag  gekommen,  dem  Fürsten  wird  es  zur 
Ehre  gereichen,  wenn  man  Eure  Schandthaten  an 

3  1 5   den  Tag  giebt,  welches  ich  ihm  alsogleich  berichte ; 

ich  weiss  gewiss,  dass  er  mich  gut  dafür  belohnen 

wird.  Geht  ab. 

Hirlanda . 

O  barmherziger  und  gütiger  Gott,  ach,  sieh  doch 

mit    barmlierzigen   Augen    an   die  Ungerechtigkeit, 

320  so  man  mir  bezeiget;  du  weisst  ja,  dass  ich  dich 
mit  diesen  Dingen ,  so  man  mich  beschuldiget, 
niemals  beleidigt  habe.  O  ehrvergessene  Zunge, 
wie  wird  es  dich  einmal  gereuen  1  Ach  Gott,  ver- 
zeih ihm  solche  Unthat,  strafe  ihn  nicht  in  deinem 


53 

325  Zorn,  sondern  gieb  ihm  solches  zu  erkennen,  damit 
er  seine  Fehler  kann  büssen  und  sie  nicht  in  jener 
Welt  vorbehalten  sind ;  um  dieses  bitte  ich  dich, 
o  Gott  und  Herr,  um  deines  Namens  willen. 

Geht  ab. 

11.  Auftritt. 

Gerhard  tritt  auf. 
Nun  bin  ich  froh  über  die  Maassen ,  denn  der 
330  erste  Grundstein  ist  gelegt,  ich  habe  schon  passabel 
was  ausgerichtet :  einen  schönen  Beweis  kann  ich 
dem  Fürsten  in  die  Hand  geben ;  ich  weiss  gewiss, 
ich  kann  was  ausrichten :  der  Fürst  ist  jäh  in  seinen 
Urtheilen,  das  weiss  ich,  ich  kenne  seinen  Humor. 

12.  Auftritt. 

Radegunde  tritt  auf. 
Radegunde. 
335       Ist  dieses  wohl  wirkliche  Wahrheit,  was  in  diesen 
Tagen  mit  unserer  Fürstin  sich  zugetragen  hat? 

Gerhard. 
Es  ist  nicht  wahr,  denn  dieses  hab  ich   gethan, 
damit    ich    sie  vertilgen  kann ,    und  dieses  ist  mir 
trefflich    gelungen ,    dass    mir    der  Bettelstudent   in 

340  die  Hände  hei.  Auch  ein  schönes  Stück,  weil 
mir  die  Gerichtsknechte  müssen  Zeugen  sein.  Um 
es  desto  glaubwürdiger  zu  machen,  müsset  auch  Ihr 
mir  starkmüthig  in  die  Hände  gehen  und  mit  der 
Fürstin  verfahren,  wie  ich  Euch  befehle ;  seid  nur 

345  saumselig  in  den  Pflichten,  die  Euch  in  ihrer 
Niederkunft  betreffen  könnten,  damit  sie  etwa  gar 
ums  Leben  kommt,  welches  für  Euch  viel  schöner 
ausfiel.  Brauchet  nur  Fleiss,  dass  die  Sache  bald 
zu  Ende  geht. 

Radegunde. 
350       So  viel  ich  kenn',  so  wird  es  noch  diese  Nacht 
zu  Ende    gehen ,    denn    sie   befindet    sich    in  sehr 


54 

üblem  Stande ,  und  die  Stunde  der  Geburt  nahet 
herzu :  darum  werd  ich  die  Sache  schon  klug  an- 
greifen ,  damit  kein  Argwohn  verspürt  wird ;  dazu 
355  wird  auch  die  Amme  ihr  Möglichstes  thun ,  denn 
sie    hat    mir    versprochen  ,    selbst    mit  dem  Kinde 

abzureisen. 

Gerhard. 

Seid    nur    herzhaft    und    unverzagt ,    ich    werde 

Euch  nicht  unbelohnt  lassen ;  dazu  habe  ich  auch 

360  das  Schiff  schon  bestellt,  welches  mit  dem  Raube 

geschwind  absegeln  wird ;  denn  der  Jude  erwartet 

es  bei  St.  Malo  am  Ufer  des  Meeres.    Beide  ab. 

13.  Auftritt. 

Der  Abt  von  St,  Malo  tritt  atif. 
Abt. 
Die    Zeit    meiner   Jahre    verschwindet    wie    der 
Rauch  im  Winde;  eine  geraume  Zeit  bin  ich  dieser 
365   Burg  vorgestanden,    aber  nun  muss  ich  ausrufen: 
»Nun,    o  Herr,    lasse    deinen    unwürdigen  Diener 
in    Frieden    verenden ,     meine    Tage    werden    zu 
Ende  gehen«. 

Ein  Engel  erscheint. 

14.  Auftritt. 

Engel. 
Coelestinus  !    wo  bist  du  ? 
Abt. 
370       Hier  bin  ich! 

Engel, 
Merk  auf  und  höre  mich !  Verrichte  das 
ernstliche  Gebot,  so  dir  dein  Herr  und  Gott  durch 
mich  verkünden  lässt.  Nun  höre :  Nimm  deine 
tapfern  Krieger  und  setze  dich  zu  Schiff  und  erobere 
375  das  fürsdiche  Kind,  welches  dir  entgegen  kommt, 
und  erwarte  Alle ,  so  auch  das  Kind ;  bewahre 
aber  die  Amme  und  das  Kind ;  das  sollst  du  er- 
ziehen in  aller  Tugend  ,  und  die  Amme  sollst  du 


55 

eingekerkert  behalten ,  bis  ich  dir  weitere  Nach- 
380  rieht  bringe,  was  zu  thun  ist;  denn  das  Kind 
wird  heute  Nacht  geboren  und  ist  einem  gott- 
losen Juden  verkauft  worden,  von  einem  ehrver- 
gessenen Prinzen:  dazu  befolge  den  göttlichen  Be- 
fehl. GkJU  ab. 

Abt. 
385        Dem    götthchen  Befehl  bin  ich  Tag  und  Nacht 
bereit    und    danke    dir,   o    grosser  Gott,    dass    du 
mich    gewürdiget    hast,    mir,    deinem  unwürdigen 
Diener,  deinen  götthchen  Befehl  zu  ertheilen. 

G:ht  ab. 

15.  Auftritt. 

Gerhard  und  gleich  nach  ihm  Radegunde  treten  auf. 
Gerhard. 
Nun  bin  ich  begierig,  wie  das  Ding  gehen  wird, 
390  wie  bald  Radegunde  wird  Nachricht  bringen;    ich 
glaub,    sie    kommt     schon.      Was    bringt    Ihr    mir 
Neues,  wie  steht's  mit  unseren  Geschäften? 

Radegunde. 
Ganz    in    der  Ordnung   ist  Alles ,   und  ist  Alles  • 
nach    Eurem    Vorwunsch    gegangen.      Die    Amme 
395  ist    mit    dem  Kinde  schon  abgereist,    und  ich  er- 
warte sie   alle  Augenblicke. 
Gerhard, 
Glück  über  Glück!     So  ist  das  Kind  schon  fort? 
Warum  seid  Ihr  nicht  zu  mir  gekommen? 

Radegunde. 

Bereits    eine   halbe  Viertelstunde   klopfe    ich   an 

400  Eure  Thür,    und  kein  Zeichen  ward  mir  gegeben, 

und    es   litte    nicht    den   geringsten  Verzug,    denn 

der  Thorwächter  war  am  hohen  Gange,    und  ich 

befürchtete ,    er   möcht    mich  hören :    und  so  ging 

die    Amme    mit     schnellen    Schritten    nach    dem 

405   Schiffe,  wie  Ihr's  bestellt  habt,  und  ich  erwarte  sie 

mit  Sehnsucht. 


56 

Gerhard. 

Ich  danke  Euch  für  die  treuen  Dienste,  die  Ihr 
gethan  habt :  hier  habt  Ihr  noch  ein  gutes  Trink- 
geld.  —  Und  wie  verhielt  sich  die  Fürstin? 

Giebt  ihr  Geld. 
Radegunde. 

410  Sie  fiel  in  währender  Geburt  in  schwere  Ohn- 
macht, und  dieses  war  das  Geschickteste  mit  dem 
Kinde  zu  verfahren.  Wie  sie  wieder  zu  sich 
kam,  fragte  sie  gleich  nach  ihrem  Kinde,  und  ich 
sagte    ihr :    es    sei    keine  natürliche  Leibfrucht  ge- 

415  wesen,  sondern  nur  ein  todter  Fleischklumpen,  welcher 
vielmehr  einem  Hunde  als  einem  ]Menschen  gleiche, 
den  ich,  um  dem  Schrecken  vorzukommen,  gleich 
in  das  Wasser  geworfen  habe.  Da  fiel  sie  wieder 
in    eine   tiefe    Ohnmacht.      Von    da    kam    ich    zu 

420  Euch,  sichreres  kann  ich  Euch  nicht  anzeigen, 
bis  die  Amme  zurückkommt,  auf  welche  ich  be- 
gierig warte. 

Gerha)-d. 

Gut  getroffen !  Ein  guter  Theil  meiner  Gedanken 
ist  befriedigt,  nun  heisst  es  wieder  gewagt.     Xun 

425  will  ich  es  mit  der  Fürstin  wagen,  damit  auch 
sie  kann  in  die  Erde  beissen ;  ich  will  sie  bei 
ihrem  Gemahl  verklagen ,  und  sie  für  eine  öftent- 
liche  Ehebrecherin  erklären ;  dazu  habe  ich  zwei 
schöne    Punkte :     der    Bettelstudent    und    die    ver- 

430  meinte  jNIissgeburt  geben  mir  gewiss  die  Stränge 
in  die  Hand ,  sie  zu  erwürgen :  ich  bin  fast  ver- 
sichert, er  übergiebt  mir's  in  meine  Hände;  als- 
dann weiss  ich  schon,  was  zu  thun  ist,  und  werde 
den  Boten    alsogleich   abschicken    mit  dem  Briefe. 

Ruft  den  Boten  Eduard, 

16.  Auftritt. 

Eduard  tntt  auf. 
Gerhard. 
435       Richte  dich  in  Ordnung,    du  musst  schnell  mit 
einem  Brief,  den  ich  dir  gleich  geben  werde,  ins 
Feld  zu  dem  Fürsten. 


57 

Edtiard. 
Ich  werde  schnell  beisammen  sein.      Beide  ab. 

17.  Auftritt. 

Eduard  tritt  auf. 
Eduard. 
Nun    bin    ich  fertig;    wenn    man  nicht  viel  hat, 
440  ist  man  gleich  beisammen.    Ich  bin  zwar  gut  ver- 
sorgt   für   die  Reise ;    ja    bei    der  Zeit   muss    man 
gut    versorgt   sein,    wenn    man    eine   solche  Reise 
unternehmen    will.     Was    es  sein  muss ,    weiss  ich 
selbst  nicht :  ein  Gegenstand  von  wichtigen  Sachen, 
445   das  scheint  mir.    Aber  was  bekümmert  mich  das? 
Ha!  ich   höre  schon  den  Hofmeister  kommen,  er 
ist  auch  schnell  bei  der  Hand.    Gerhard  tritt  auf. 

18.  Auftritt. 

Gerhard. 
Hier  hast  du  den  Brief  und  reise  schnell! 

Edtmrd. 
So  schnell,  als  ich  es  vermag.  Ab.     ^ 

Gerhard. 
450  Nun,  der  Bote  ist  fort:  ich  bin  sehr  neugierig, 
ob  die  Sache  so  geht ,  wie  ich's  wünsche ;  der 
Brief  ist  zwar  gut  mit  Betrug  angefüllt ,  er  muss 
meinen  Bruder  rasend  machen ,  dass  er  Hirlanda 
mir  übergiebt  und  zum  Tode  verdammt,  und 
455  ich  werde  mein  Haupt  nicht  zur  Ruhe  legen, 
bis  ich  Besitzer  dieses  Reiches  bin.  Ab. 

19.  Auftritt. 

Verwandlung.      Ufer  bei  St.   Mala. 
Der  yude  tritt  auf^  mit  zwei  AIatrose?t. 
Jude. 
Nun  sind  wir  an  dem  Ufer  von  Sc.  Malo,   wohin 
mich    der    Hofmeister  Gerhard    bestellt   hat;   habt 


5« 

ihr  Alles  in  Ordnung  gerichtet ,   dass  wir  im  Flug 
460  absegeln  können? 

Erster  Matrose. 
O  ja,   es  ist  Alles  gut  gerichtet,    wir  können  in 
Schnelligkeit  absegeln ;  aber  sagt  mir ,    wer  bringt 
uns  denn  das  Kind,  das  wir  überliefern  sollen? 

Jttde. 
Eine    Weibsperson    soll    es    uns    überliefern,     so 
465  hab  ich's  mit  dem  Hofmeister  ausgehandelt. 

Zr-jeiter  Matrose. 
Aber    das    ist    ein    gefahrvolles    Unternehmen : 
wenn    wir    ertappt    werden ,    dann    setzt  es  gewiss 
blutige  Schädel  ab. 

Erster  Matrose. 
O ,    da  fürchte  ich  nichts ;  wo  Geld  ist ,    da  ist 
470  auch  Tapferkeit. 

Jude. 
Da    ist   kein  Mangel,    wenn    wir  nur  die  Sache 
ins  Werk  stellen. 

Zzveiter  Matrose, 

Wo  Geld  ist,  da  bin  ich  auch  ein  guter  Heldl 

Erster  Matrose. 
Ha!  Dort  seh  ich  schon  einen  Menschen  laufen! 

Ziueiter  Matrose. 
475       j3->  ]^^  sie  scheint  ganz  athemlos  zu  sein. 

Jude. 
Ja,    sie  ist  die  Erwartete  mit  dem  Kinde;  dem 
Herrn  sei's  gedankt,  sie  kommt  schon. 

20.   Auftritt. 

Die  Amme  kommt  mit  dem  Kinde. 
Amme. 
Seid  Ihr  es,  die  Ihr  auf  Befehl  des  Hofmeisters 
Gerhard  auf  mich  wartet? 


59 

Jude. 
480       Ja,  ja,  ich  bin  von  Allem  unterrichtet,  ich  weiss 
von  der  ganzen  Sache. 

Amme. 
Nun,  hier  habt  Ihr  das  Kind,  ich  übergeb  Euch's : 
sehet     zu ,      dass    Ihr     so     glücklich     fortkommt 
als  ich. 

Jude. 
485        Seid  ohne  Sorgen,  ich  weiss  schon  fortzukommen; 
hier    habt    Ihr   auch    ein    kleines  Trinkgeld.    Jetzt 
geschwind  fort  damit! 

Amme. 
Ich    dank,    ich    dank,    ich    wünsche  viel  Glück 
damit. 

Sie  wollen  abgehe?i.^  'werde?i   aber  zurückgetrieben. 

21.  Auftritt. 

Der  Abt  mit  seinen  Leuten  tritt  schnell  auf. 
Abt. 
490       Halt !  du  verrätherischer  Jude,  mit  deinem  Raub  1 
Lass  ab  von  deinem  falschen  Vorhaben ,  oder  du 
musst    deine  schwarze  Seele  auf  diesem  Ufer  aus- 
hauchen. 

Jude, 
Was,  was !  Sind  wir  in  Räubershänden,  die  uns 
495  hier  aufhalten?!    Wir  haben  keinen  Raub ;  ich  bin 
ein    Doctor ,     welcher    nach    Engelland    reist ,    um 
die  Gesundheit  des  Königs  herzustellen. 

Abt. 
Bist  du,  wer  du  willst,  das  kümmert  uns  nichts. 
Wo     hast    du    das    ungetaufte    Kind    vom    Wege? 
500  Uns    sandte  Gott    zu  seiner  Rettung!    Nur  schnell 
her  damit,    oder  ich  durchbohre  deinen  Körper! 

Jiide. 
Was    geht  Euch    dieses  an?    Ich  habe  es  recht- 


6o 

massig  erkauft:  es  ist  mein  Eigenthum,  diese  sind 
Zeugen. 

Alk. 
505       J^>  j^>  ^s  ist  wahr! 

Abt. 
Schweigt,  ihr  falsche  Zeugen ! 

Erster  Matrose. 
Und    wenn    ihr   uns    nicht  von   der  Stelle  lasst, 
so  morden  wir  euch  alle ! 

Abt. 
Ha !    Ihr  Räuber ,    ihr   erkühnet  euch ,    uns  mit 
510  Mord    zu    drohen  I     Wir   sind    auf   Gottes  Geheiss 
hier:    ich    sage   noch  einmal,    gebt  her  das  Kind, 
oder  \i\x  stossen  euch  alle  nieder ! 

Ztveiter  Matrose. 
Das  muss  erst  aufkommen,  wer  fällt. 

Abt. 
Zum  letztenmale,  gebt  her  das  Kind ! 

Jude. 
515       Nein,    nein!     Und     soll    es    gleich    das    Leben 

kosten.  Er  giebt  das  Kind  der  Amme. 

Sie  f echten. 

Amme. 
Um  Gotteswillen ,    Herr  Doctor ,    wir    sind  ver- 
loren ! 

Jude. 

Haltet  euch  !    Haltet  euch  ! 

Erster   Matrose. 

520       Wir  sind  überfallen! 

Z^veiter  Matrose. 
Wir  sind  übermannt! 

Abt. 
Haltet  euch  tapfer ! 


6i 

Jiide. 

Ich  ergreife  die  Flucht. 

Der  Jude  mit  den  Seinigen  flieht. 

Abt. 
Ergreift    diese    mit    dem    Kind ,     dass    sie    uns 

525  nicht  entrinnt.  Gott  dem  Herrn  sei  unendUch 
Dank  gesagt,  dass  er  uns  in  dem  Streit  beschützet 
hat.  Nimmt  das  Kind.  Du  grosser  Gott  hast  mich 
gewürdigt,  diesem  ungetauften  Kinde  in  meinem 
Kloster  die  heihge  Taufe  zu  ertheilen,   und  wenn  es 

530  dir  gefällig  ist  so  nehm  ich's  an  Kindesstatt  an 
und  geb  ihm  den  Namen  Bertrand,  zur  Amme  und 
du  musst  gezüchtiget  werden ,  und  so  lange  im 
Kerker  schmachten,  bis  du  deine  Sünden  abge- 
büsset  hast.     Jetzt  fort  ins  Kloster!  Alk  ab. 

2  2.   Auftritt. 

Verwandlnjig.     Zi?nmer. 

H tri  and a  tritt  an  f. 
Hirlanda. 

535  Ach,  du  strenger  und  gerechter  Gott,  was  hab 
ich  doch  verschuldet,  dass  ich  soviel  muss  leiden ! 
Ich  bitte  dich,  gieb  mir  armen  Sünderin  meinen 
Fehler  zu  erkennen ;  meinen  Gemahl  hast  du  mir 
entzogen,  und  nicht  weiss  ich,  wie  ihm  geschieht.  Die 

540  Freude,  die  ich  hatte  in  Erwartung  meines  Kindes, 
ist  nun  verloren,  und  ich  bin  untröstlich,  wenn  ich 
daran  denke,  indem  man  mir  sagte,  es  gleiche 
einem  verächtlichen  Hunde ,  welches  ich  hab 
müssen    hören,    aber    nicht    glauben    kann.      Dem 

545  Hofmeister  bin  ich  ein  Dorn  in  seinen  Augen! 
Ach,  ich  arme  verlassene  Frau,  ach,  war  ich  die 
geringste  unter  meinen  Mägden ,  die  vergnügt  ihr 
Abendbrot  geniessen !  Ach,  Gott  im  Himmel,  er- 
barme   dich   meiner,    denn    sonst    weiss  ich  keine 

550  Hilfe,  denn  ich  befürchte  mir  lauter  Uebel !  Ach, 
ich  armer  Wurm,    wie  werde  ich  getreten.     Mein 


62 

Gott ,  verleihe  mir  Geduld  in  meinen  Leiden  ;  dir 
zu  lieb  will  ich  Alles  leiden,  weil  du  auch  für  mich 
gelitten  hast.  Geht  ab. 

23.  Auftritt. 

Gerhard  kommt. 

555  Ich  erwarte  den  Boten  stündlich ,  er  kommt  aber 
noch  nicht  so  geschwind ,  wie  ich  glaubte ;  nun 
glaub  ich,   er  wird  es   sein !  Eduard  kommt. 

24.  Auftritt. 

Edtiard. 

Ganz    gehorsamster    Diener ,    Herr    Hofmeister, 

hier  ist  die  fürstliche  Handschrift. 

Ueberreicht  das  Schreiben. 
Gerhard  liest  den  Brief.     Der  Bote  wartet. 

Gerhard. 
560       Und  was  sprach  der  Fürst?     Ist  er  wohlauf? 

Bote. 
Gnädiger  Herr ,  ganz  und  gar  nicht.  Er  liegt 
an  einer  schweren  Wunde  darnieder,  und  es  steht 
gefährlich  mit  seinem  Leben ;  wie  ich  hörte ,  hat 
er  an  dem  Brief,  den  ich  ihn  reichte,  kein  Wohl- 
565  gefallen  gehabt,  weil  er  vor  Unmuth  dahin  sank, 
und  sie  genug  zu  thun  hatten ,  ihn  wieder  zu  er- 
quicken :  und  dann  erhielt  ich  erst  nach  langer 
Zeit  meine  Abfertigung,  und  mit  schnellen  Schritten 
eilte  ich  fort.  Geht  ab. 

Gerhard, 

570  Nun,  einmal  hab  ich  den  Vogel  in  meinem  Garn, 
das  Todesurtheil  hab  ich  in  Händen;  das  hat  viel 
gekostet ,  und  noch  will  der  Fürst  es  nicht  gut 
heissen,  denn  er  ist  in  der  Liebe  zu  ihr  fest  ver- 
bunden, und  das  Band  ist  fast  nicht  zu  reissen :  den- 

575  noch  lass  ich  nicht  nach,  bis  er  mir's  vollkommen 
bewilliget,  es  kostet  halt  noch  viel  —  Verleumden. 
Aber  jetzt  kann's  am  leichtesten  geschehen  ,    weil 


63 

er  selbst  voll  Unwillen  und  Kleinmuth  wegen  seiner 
Wunde  ist:  und  wer  weiss,  wird  er  gesund  und 
580  kommt  zurechte.  Es  wird  das  Beste  sein,  wenn 
ich  mich  geschwind  zum  Papier  setze  und  neue 
Verleumdungen  erdichte  und  eilends  abschicke. 

GeJit  ab. 

25.  Auftritt. 

Verwandlujtg.     Ein  anderes  Zimmer. 
Olive  tritt  auf . 
Olive. 
Möcht  einem  das  Herz  im  Leibe  blutend  werden, 
weil  man  täglich  die  erschrecklichsten  Ungerechtig- 
585  keiten  und  Verleumdungen  unserer  Fürstin  anhören 
muss,  wo  ich  doch  mein  Lebtag  nichts  Unrechtes 
über  sie  gehört.    Ach,  du  arme  Frau,  wie  erbarmst 
du  mich:  was  gilt's,  du  musst  in  deinem  Blute  ver- 
schmachten!    Der  Fürst  ist  zwar  gut,   aber  jäh  in 
590  seinen  Urtheilen,  der  Hofmeister  weiss  den  Säbel 
zu  wetzen,  und  die  Falschheit  macht  die  Schneide. 
Ich  höre  wen  kommen:  will  sehn,   wer  es  ist. 

26.  Auftritt. 

Eduard  tritt  a7/f. 
Eduard. 
Ich  bitte,   mir  zu  sagen,   wo  ist  der  Hofmeister? 
Ich  habe  ihm  diesen  Brief  zu  übergeben. 

Olive. 
595       Er  ist  eben  nicht  hier;  weiss  nicht,  wo  er  sich 
befindet :  gieb  her,  ich  werd  ihm's  schon  übergeben. 
Eduard  giebt  ihm  den  Brief  utid  geht  ab. 
Olive. 
Nun,    hier    hab    ich  gewiss  das  Todesurtheil   in 
Händen.     Ach,  Gott  im  Himmel,    sei  ihr  gnädig ! 
Alle  Hilfe  ist  verloren!     Ach,  du  gottloser  Prinz, 
600  deine  Falschheit    wirst   du  einmal  bereuen;  sie  ist 
unschuldig,  so  wahr  ich  lebe.  Geht  ab. 


64 

2  7-  /auftritt. 

Gerhard  mit  zwei  Henkersknechten  treten  auf. 
Gerhard. 
Weil    ich    nun    vollkommenes    Recht    und    das 
Todesurtheil    von    unserem  Fürsten  über  Hirlanda 
bekommen  hab,   so  gehet  und  saget  ihr,  ihr  letztes 
605   Stündlein    hat    geschlagen:    sie   bereite    sich    zum 
Tode,    dess  Niemand    anderer  Ursache  ist  als  sie 
selbst,    denn   ihre  Schandthaten    sind    an  Tag  ge- 
kommen und  werden  sie  auch  verderben.    Darum 
befehle    ich    euch,    dass   ihr  sie  noch  diese  Nacht 
610  heimlich  und  ohne  Aufruhr  in  dem  nächsten  Walde 
ermordet  und  vergrabet,  so  dass  Niemand  gewahr 
wird,  wo  sie  hingekommen  sei,  und  zum   sicheren 
Wahrzeichen  Augen  und  Zunge  mir  anhero  bringt. 

Gehen  Alle  ab. 

28.  Auftritt. 

Verwandlung.      Im    Walde. 

Die   zwei   Henkersknechte   bringen    Hirlanda    zur   Richtstatt 
mit  Stricken  gebunden. 

Erster  Henker. 

Haltet  ein  !  Hier  ist  der  bequemste  Ort  zu  unsern 

6  T  5   Geschäften ,    auch    ebenfalls    eine  Grube ,    um  den 

Leib  zu  vergraben. 

Zweiter  Henker. 

Da  ist's  mir  nicht  Recht,  ich  hab  noch  zu  wenig 

Courage. 

Erster  Henker. 

Halte    ein ,   es    muss  sein ,    oder  ich    ward   dich 
620  Mores  lehren.     Entblösset  Euch  und  bereitet  Euch 
zum  Sterben,   wir  haben  nicht  Zeit,  länger  hier  zu 
bleiben.  Hirlanda  kniet  nieder. 

Hirlanda. 
Ach ,    ihr  lieben  Leute ,    erweiset  an  mir  Barm- 
herzigkeit und  schenket  mir  das  Leben;    ich  bitte 
625   euch  von  Grund  meiner  Seele,  ach,  schenket  mir 
das  Leben. 


65 

Erster  Henker. 

Euer  Bitten   ist  umsonst  und  wird  nicht  erhört, 

Ihr  habt  Alles  selbst  verschuldet.    Hättet  Ihr  Euch 

besser  aufgeführt,  wäre  Euch  dieses  nicht  zu  Theil  ge- 

630  worden.  Ich  sage  Euch  noch  einmal,  entblösset  Euch ! 

Z7veiter  Henker. 
Bruder,  nicht  zu  grob  mit  ihr,  denn  zur  letzten 
Zeit  fliesst  der  Schweiss  einem  Jeden  sauer  genug. 

Erster  Henker. 
Wegen  Barmherzigkeit  erweisen    sind    wir    nicht 
anhero  gekommen,  macht  Euch  fertig,  oder  ich  — 

Greift  nach  ihre^n  Halse. 

Hirlanda. 
635  Ach,  barmherziger  Gott  im  Himmel,  erhöre  doch 
das  Bitten  einer  Unschuldigen  und  erweiche  die 
Herzen  dieser  Menschen!  Ich  bitte  euch  um  der 
Liebe,  so  Christus  am  Kreuz  gehabt  hat,  erbarmet 
euch  meiner,  ach  verschont  doch  mein  unschuldiges 
640  Blut,  Gott  im  Himmel  wird  euch's  belohnen. 

Ztveiter  Henker» 

Wäre  besser  gewesen,  ich  hätt  —    ich    hätt  die 

Holzhacke  lernen  brauchen  und  nicht  das  Schwert, 

ich    wollt'  es    lieber  dem  Hofmeister  in  den  Kopf 

stecken,  als  unserer  Fürstin :  von  ihr  hab  ich  mein 

645  Lebtag  nichts  Uebles  gehört. 

Erster  Henker. 
Still  mit  solchen  Reden,  was  plauschest  du  daher? 
Handelt  er  unrecht,  schau  er  selbst  zu  :  er  soll  seine 
Hände    selbst  waschen,    uns  ist  es  unsere  Pflicht, 
und  wir  werden  sie  auch  erfüllen. 

Hirlanda . 

650  O  ewiger  und  gütiger  Gott,  ist  für  mich  nun 
keine  Hilfe  auf  Erden,  mich  vom  Tode  zu  erretten? 
O  ich  bitte  dich,  sei  mir  dort  in  jener  Welt  gnädig, 
in  welche  ich  gar  bald  werde  hinscheiden ;  ich 
weiss   mich    zwar   in    diesen    Dingen,    deren    man 

655  mich  beschuldigt,^  nicht  verbrecherisch,  dennoch  ver- 

Volksschauspiele.     II.  5 


66 

zeihe  ich  allen  meinen  Feinden  und  werde  für  sie 
bitten !  —  Ach,  liebster  Gemahl,  was  hab  ich  dir 
gethan,  dass  du  so  streng  mit  mir  verfahrst !  Ach, 
Gott,  dir  sei  es  geklagt,  du  bist  Zeuge  meiner 
660  Unschuld  !  Ach,  ich  arme,  mit  dem  Tod  ringende 
Hirlanda,  weil  ich  mich  nun  nicht  mehr  beurlauben 
kann  von  dir^  o  edler  Fürst,  so  beurlaube  ich 
mich  im  Geiste  und  wünsche  dir  die  letzte  gute 
Nacht  und  denke  an  meine  arme  Seele ! 

Zweiter  Henker, 

665  Mein  Herz  möchte  mir  vor  Mitleid  zerspringen! 
Hab  doch  oft  manchem  herzhaft  den  Kopf  von 
den  Schultern  gelöst,  aber  heut  steht  es  nicht  in 
meinen  Kräften,  Kamerad,  lassen  wir  s'  laufen, 
Gott  könnt'  uns  strafen,  sie  hat  uns  gewiss  schon 

670  genug  schön  gebeten. 

Erster  Henker. 

Das    kann    nicht    geschehen ,     in    keinem    Fall. 

Pflicht  ist  Pflicht,    dafür    haben    wir  uns  nicht  zu 

sorgen,  und  wenn  du  nicht  willst,  so  bist  du  nicht 

mehr   werth^    als    dass    ich   dir  den  Kopf  entzwei 

675  schlage. 

Zweiter  Henker. 

Ist  mir  im  gleichen  Werth ,    will  sagen ,  mir  ist 

lieber    ein    blutiger    Kopf,    als    meine    Hand    mit 

unschuldigem  Blut  zu  benetzen  !     O  du  tyrannischer 

Hofmeister,    mit    dir    will    ich    nicht  Rechenschaft 

680  geben. 

Erster  Henker. 

Das  weiss  ich  nicht,  wie  du  mir  vorkommst :  wir 
müssen's  thun ,  es  ist  ja  unsere  Pflicht,  zudem 
müssen  wir  ja  Zunge  und  Augen  dem  Prinzen  in 
die  Hände  stellen. 

Zweiter  Henker. 
685       Dem  ist  gar  leicht  abgeholfen,  wir  kaufen's  bei 
einem  Metzger,  er  wird  es  wohl  haben  von  einem 
Ochsen  oder  dergleichen  Thiere. 


67 

Erster  I/enker. 
Dummkopf,    Ochsenaugen  und  Menschenaugen, 
das  steht  zusammen  als  wie  Hund  und  Katze  beim 
690  Ackern;  wollt  mir's  noch  gefallen  lassen  von  einem 
Lamm  oder  Ziege. 

Zweiter  Henker. 
Hast  auch  recht,  Bruder,  wir  bekommen's  auch, 
ich  werde  es  kaufen. 

Hirlanda. 

Ach,  erbarmt  euch  meiner,  ich  bitte  euch  noch 
695  einmal,  erbarmt  euch  über  einen  armen  Wurm,  der 
sich  vor  euch  wälzet!  Ihr  habt  ja  nichts  zu  be- 
fürchten. Ich  will  gehn  über  Berg  und  Thal,  will 
mein  Lebtag  diesen  Boden  nicht  mehr  betreten, 
ich  bitte  euch ,  schenkt  mir  das  Leben ;  der  gute 
700  Gott  im  Himmel  wird  euch  solche  Barmherzigkeit 
nicht  unvergolten  lassen. 

Erster  Henker. 

Mich  verlässt  der  Verstand  und  Sinn,  das  Herz 

im  Leib  wird  mir  zitternd.    Wenn  Ihr  uns  schwöret. 

Euch  nimmer  sehen  zu  lassen,  dass  wir  nicht  auf- 

705  kommen  und  sicher  sind,  so  sei  Euch  das  Leben 

geschenkt. 

Hirlanda . 

Von  mir  werdet  ihr  sicher  sein ,  mein  Lebtag 
nicht  mein  Land  zu  betreten ;  unerkannt  will  ich 
mein  Leben  beschliessen,  so  wahr  Gott  lebt. 

Erster  Henker, 
710       So  sei  es  in  Gottes  Namen,  stehet  auf  und  geht. 

Hirlanda. 

Tausend  und  unendlich  mal  sei  euch  gedankt 
für  die  so  grosse  Gnad,  die  ihr  mir  erwiesen  habt; 
zum  Zeichen  meines  aufrichtigen  Dankes  habt  ihr 
meinen  Halsschmuck  und  diese  zwei  Goldstücke, 
715  davon  könnt  ihr  eine  Zeitlang  reichlich  leben;  mehr 
kann  ich  nicht  geben,  dieses  sind  noch  die  letzten 
Dinge  von  meinem  fürstlichen  Reichthum  und  Ehren. 

5* 


68 

Zweiter  Henker. 
Euch  sei  gedankt  für  die  grosse  Gabe,  die  Ihr 
uns  gebet ,  aber  die  Goldstücke  behaltet  selbst, 
720  damit  Ihr  nicht  dürft  vor  Hunger  verschmachten, 
Beide  k/iieen  ?iieder  und  wir  bitten  Euch  tausendmal 
um  Verzeihung  unsers  groben  Betragens  gegen 
Euch  und  wünschen  Euch  das  letzte  Lebewohl. 

Erster  Henker. 

Der  liebe  Gott  erhalte  Euch  in  seinem  mächtigen 
725   Schutz;  nun  lebet  wohl.  Gehen  ab. 

HirlanJa. 

Nun    bin  ich  hier  wie  ein  armes  Täublein 'dem 

Tode  entronnen :  barmherziger  Gott,  mit  weinenden 

Augen    bedanke  ich  mich ,    mit  dem  Munde  kann 

ich  dir  nicht  danken  genug ,    weil  ich  nicht  mehr 

730  reden  kann;  mein  Geist  ist  mir  verwirrt,  und  mein 
Trauern  nimmt  kein  Ende.  Ich  bitte  dich,  sei  noch 
ferner  mein  barmherziger  Vater,  wie  du  es  bisher 
o:ewesen  bist.  Nun  will  ich  meinen  Wesj  wieder 
fortsetzen,    dahier   daif  ich  nicht  bleiben.     Ade,  o 

735  liebes  Vaterland,  ade,  o  liebster  Gemahl,  ade,  o 
fürstliche  Ehren.  Geht  ab. 

29.  Auftritt. 

Gerhard  tritt  auf. 
Gerhard. 
Nun  wird  gewiss  Hirlanda  todt  sein.  Ach,  Freude 
in    meinem    Herzen ,    eine    erwünschte   Sache     so 
weit  gebracht  zu  haben !    Nun  ist  noch  ein  Stein, 
740  der    mir    am  Wege    liegt,    diesen    werd    ich    auch 
trachten,  weg  zu  wälzen;  ist  mir  das  Erste  gelungen, 
vielleicht  gerathet's  das  zweitemal  auch. 

Die  beiden  Henkersknechte  kommen. 

Gerhard. 

Ist  geschehen,  wie  ich  euch  befohlen  hab? 

Erster  Jlenker. 
Was  uns  befohlen  war^  ist  Alles  vollzogen  worden. 


69 

Zweiter  Henker. 
745       Hier  ist  die  Zunge  und  beide  Augen. 

Gerhard. 
Verwerfet    sie,    ich    will    sie    nicht    mehr   sehen. 
Die  beiden  Henker  gehen  ab.    Nun   bin   ich    ihres    Todes 
versichert.  Geht  ab. 

30.  Auftritt. 

Verwandlung,     Im  Schloss. 
Gräfin  tritt  atif» 

Einsam  und  von  jeder  hohen  Gesellschaft  entfernt 
750  lebeich  recht  vergnügt  allhier  an  meinem  Hofe,  ich 
bin  in  Allem  gesegnet  und  reich  begabt,  dass  ich 
Gott  danken  muss  ^  nur  der  Verlust  des  Grafen, 
meines  theuren  Gemahls,  der  in  Spanien  sein  Leben 
ritterlich  beschlossen  hat,  und  den  ich  schon  fünf- 
755  undzwanzig  Jahre  betrau're,  treibt  mir  manche  Zähre 
aus  meinen  Augen;  dies  ist  das  Einzige,  was  mir 
in  diesem  Leben  beschwerlich  fällt:  will  auch  gerne 
sterben,  wenn's  dem  Herrn  gefällig  ist,  denn  meine 
Wanderschaft  geht  zu  Ende. 

31.  Auftritt. 

Hirlanda,  als  Dienst?nagd  gekleidet,   tritt  herein. 
Hirlanda . 

760  Eine  arme  Magd  bittet  Eure  hochgräfliche  Gnaden 
um  einen  Dienst,  wenn  ich  Euch  sollte  an- 
ständig sein. 

Gräfin. 

Gar  gerne ,  liebes  Kind ,  aber  einen  schlechten 
Dienst  musst  du  bei  mir  antreten,  du  musst  beim 
765  Vieh  dienen,  ein  anderer  Platz  ist  für  dieses  Mal 
nicht  leer ;  wenn  es  dir  beliebig ,  kannst  du  bei 
mir  verbleiben.  Sage  an,  wo  bist  du  her,  und  wer 
sind  deine  Eltern? 


70 

Hirlanda. 

Arme  Leute,  wie  Ihr  an  mir  sehet,  jedoch  ehrlich ; 

770  der  Hunger    hat    mich    bei  ihnen  vertrieben,    und 

ich    suche    mein    Brot   in    fremden    Landen.      Die 

Normandie    ist    mein  Vaterland.     Wenn    ich  Euch 

gefällig  bin,  werde  ich  hier  verbleiben. 

Gräfifi. 

Ganz  gut,  mein  Kind,  bleib  du  bei  mir,  es  soll 
775  dir  gar  nichts  fehlen.  Meine  Dienstboten  dürfen 
gewiss  keinen  Hunger  leiden,  Arbeit  ist  auch  genüge 
dafür  thu  ich  sie  auch  belohnen.  Du  wirst  vielleicht 
Hunger  haben :  komm ,  wir  wollen  sehen ,  ob 
nichts  vorhanden   ist.  Beide  gehen  ab. 

32.   Auftritt. 

Fürst  Artus  kotiimt  nach  Hause  tind  tritt  auf  voll  Traurig- 
keit,  mit  ihm  Olive. 

Fürst. 

780  O  kummervolle  Tage,  o  verdriessliches  Leben  I 
Ach,  hätte  mir  der  Streich,  den  ich  in  der  Schlacht 
bekommen  habe ,  mein  Haupt  zerspalten ,  so  war 
ich  vielem  Kummer  entronnen,  und  wäre  mir  der 
Gottesacker  nützlicher  als  ein  fürstlicher  Palast,  den 

7  85  ich  mit  Unmuth  Zeit  meines  Lebens  bewohnen  muss  t 

Olive. 

Nicht  so  gar  bekümmert  Euch,  gnädigster  Fürst, 
es  hilft  kein  Betrüben  mehr ,  kann  nicht  geändert 
werden ;  man  verkürzt  sich  das  Leben  und  ist 
Alles  umsonst.    Ihr  hättet  das  Urtheil  nicht  sollen 

790  so  schnell  ergehen  lassen,  denn  Gerhard  trachtete, 
Euch  zu  hintergehen ,  wie  der  Beweis  vorhanden 
ist;  gewiss,  Hirlanda  ist  unschuldig  um  ihr  Leben 
gekommen ,  das  will  ich  mit  meinem  Blute  be- 
stätigen. 

Fürst. 

795  Ach,  das  unschuldige  Blut  wird  für  mich  um 
Rache  schreien  I  Welche  Busse  muss  ich  ergreifen, 
dass    mir    meine  P'ehler   verziehen  werden  1     Ach, 


71 

Hirlanda,  liebste  Gemahlin,  nur  du,  nur  du  ver- 
zeihe mir :  ach,  was  hab  ich  gethan !  Gerhard,  du 
800  bist  fort,  du  hast  den  Braten  schon  gerochen! 
Könnt'  ich  dich  ergreifen,  ich  wollte  dich  schon 
züchtigen ,  du  Mörder  einer  Mutter  sammt  dem 
Kinde. 

Olive. 
Gnädigster  Fürst,  lasset  ab  von  Eurem  Trauern 
805   und  Klagen,    lasset  Euch  befriedigen,    und  lasset 
sie  in  Frieden  ruhen.     Gnädigster  Fürst,  ich  bitte 
Euch  um  gnädigste  Erlaubniss,  mich  auf  eine  Zeit 
lang   von    hier  zu  entfernen ,    weil    ich  meine  ver- 
lobte Wallfahrt  nach  St.  Michael  mit  etlichen  Ge- 
810  fährten  machen  will ;  um  dieses  wollt'  ich  bitten. 

Fürst. 

Ach  ja,  liebster  Freund,  ach  ja,  Ihr  könnt  ver- 
langen, was  Ihr  wollt,  es  wird  Euch  gewährt,  aber 
bittet  und  vergesset  nicht  auf  die  Seele  meiner 
Gemahlin. 

Olive. 
815        Ich    habe    mich    unterthänigst   zu   bedanken  für 
die  gnädige  Bewilligung  meines  Begehrens. 

Geht  ab. 

33.  Auftritt. 

Gräfin  tritt  in  ihre??t  Schlosse  auf  und  liest  in  einem  Buche. 
Olive  klopft  an   die   Thür  und  tritt  ein. 

Olive, 
Ein  unterthänigster  Diener  nimmt  sich  die  Frei- 
heit, seine  wertheste  Base  zu  besuchen,  und  freut 
sich  innigst,  selbe  noch  in  gesunden  Tagen  anzu- 
820  treffen. 

Gräfin . 

Innigste  Freude,    so   ich   an  Eurer  Ankunft  ge- 

niesse,  werthester  Herr  Vetter,  da  ich  doch  glaubte, 

dass  wir  uns  in  dieser  Welt  nicht  mehr  sehen,  weil 

wir  beide  alt  und  dem  Grabe  sehr  nahe  sind :   o, 

825  so  sei  Euch  gedankt  für  solche  Ehre. 


7*2 

Olive. 

Ja,  ja,  bald  werden  wir  das  Irdische  mit  dem 
Ewigen  vertauschen  müssen,  denn  ich  sehe,  dass 
meine  Kräfte  bald  in  Schwachheiten  verwandelt 
werden ;  überhaupt  bin  ich  meines  Lebens  schon 
830  satt,  indem  bei  unserem  Hofe  nichts  als  die 
grausamsten  Urtheile  und  Verläumdungen  zu  hören 
sind. 

Gräfin. 

Ich  glaubte,  Euer  Fürst  sei  ein  guter  Herr  und 
besässe  ein  menschenfreundHches  Wesen? 

Olive. 

835  Er  ist  es  auch,  aber  die  tyrannische  That,  die 
Prinz  Gerhard,  wie  Euch  wird  bekannt  sein,  ver- 
übte, giebt  mir  noch  manchen  Herzensstoss.  Ach, 
die  erschreckliche  Verläumdung,  die  über  Hirlanda 
ergangen    ist,    kann    ich    mein    Lebtag   nicht   ver- 

840  gessen. 

Gräfin. 

Wer  war  diese  Hirlanda:  Ist  mir  ganz  un- 
bekannt. 

Olive. 
L^nsere    gnädigste   Fürstin ,    die    unschuldig    ihr 
junges  Leben    hat    müssen    lassen ,    die    ich  schon 

845  das  siebente  Jahr  beweine,  und  die  nur  durch 
Rachgier  und  Regierungssucht  des  Prinzen,  seines 
Bruders,  fälschlich  hingerichtet  worden  ist,  indem 
er  sie  als  eine  Ehebrecherin  durch  allerhand  er- 
dachte Falschheiten  bei  dem  Fürsten  erschrecklich 

850  verläumdete,  so  dass  dieser  die  erschreckliche  Sen- 
tenz über  sie  ergehen  liess. 

Gräfin. 

O,  die  erschreckliche  Unthat,  die  ich  von  Euch 
erfahre  —  und  unschuldiger  Weise  ?  1  )as  ist  erschreck- 
lich und  unerhört ! Kam  also  ihre  Unschuld 

855   nicht  an  den  Tag? 


73 

Olive. 
O   ja.     Es   wurde  aber  nicht  geglaubt,    und  zu 
ihrer  Vertheidigung    durfte   man  kein   Wort  hören 
lassen. 

Gräfin . 

Mir    erstarren    meine    Glieder ,    und    ich    kann's 
860  nicht  fassen,  was  ich  hören  muss.     Ach,  du  arme 
Frau ,    Gott    gebe    dir  die    ewige  Ruh.     War  also 
der  Fürst  nicht  zu  Hause : 

O/ive . 

Er  war  im  Kriege  und  wurde  grausam  verwundet, 
so    dass    sich  seine  Rückreise  auf  anderthalb  Jahr 
865   verschoben  hat. 

Gräfin. 

Was    geschah   mit    dem  Prinzen,    der  den  Tod 
zehnfach  verdient  hat: 

0/we. 
Gnädige  Base,    gar   nichts,    er    wusste    sich   zu 
vertheidigen ,    als    wenn    es    die    gewisse  Wahrheit 
870  wäre,  und  wurde  ihm  Alles  geglaubt.     Seit  dieser 
Zeit  ist  er  nimmer  am  fürstlichen  Hofe,  und  weiss 
Niemand,  wo  er  hingekommen  sei ;  ich  glaube,  er 
ist    nach    China    gereist    und    hat    dort  Dienst    be- 
kommen ,    und    ich   habe  neulich  gehört ,    er  habe 
875  an  den  Fürsten  einen  Brief  abgeschickt. 

Grä/in. 

Er  weiss  sich  gewiss  wieder  einzuschmeicheln. 

O/ive. 
An  diesem  zweifle  ich  selbst  nicht,  denn  er  ist 
gefixt  genug. 

34.   Auftritt. 

Hirlanda  tritt  auf, 
Hirla7zda . 
Euer    hochgräfliche    Gnaden    möchten    auf   eine 
880  kleine  Weile  in  den  Speisesaal  kommen. 


74 

Gräfin. 

Ja,  mein  Kind,  augenblicklich,  bleibe  unterdessen 
diese  Zeit  alleine,  ich  werde  bald  wieder  hier  sein. 

Geht  ab. 
Olive  sieht  Hirlanda  an  tind  spricht: 

Was  ist  dieses  für  eine  Magd?  Sie  kommt  mir 
vor ,  als  sollte  ich  sie  kennen ,  aber  woher ,  kann 

885  ich  nicht  errathen.  Ihre  Sprache  und  Gestalt  macht 
mich  bedenken  —  Hirlanda  geht  ab  —  und  wollte  sagen, 
das  wahre  Conterfei  der  Ermordeten.  —  Aber, 
ach  Gott!  ich  getraue  mir's  nicht  zu  sagen: 
Hirlanda    kann's    nicht    sein ,    sie    ist    todt.     Aber 

890  ich  soll  sie  kennen. 

35.  Auftritt. 

Gräfin  kommt  wieder, 
Gräfin. 

Lange  Zeit  musstet  Ihr  Euch  die  Zeit  allein 
vertreiben. 

Olive. 
Hat    gar    nichts    zu    bedeuten ,    ich    fühle    die 
schwersten  Gedanken    und    bin    eben    mit    meinen 
895   Augen  im  Streit. 

Gräfin . 
Was    bekümmert    Euch ,     werther    Vetter ,    und 
warum  seid  Ihr  betrachtend? 

Olive. 
Was  ist  diese  für  eine  Magd,  die  Euch  abholte  ? 

Gräfin. 

Eine  Viehmagd    und   dienet  schon  das  siebente 
900  Jahr  mit  Treuheit  und  Fleiss  bei  mir,  so  dass  ich 
vollkommen  zufrieden  bin. 

Olive. 
Ich  bitte  mir  ein  Kleines  aus ,    wenn  Ihr  es  er- 
laubet, dass  sie  zu  mir  hieher  in  das  Zimmer  dürfte 


75 

kommen ;   jedoch    müsset    auch    Ihr   zugegen  sein, 
905  denn  meine  Gedanken  stehen  im  Zweifel:  ich  sollte 
sie  kennen? 

Gräfin, 
Gar  gerne,  wenn  es  Euch  beliebig  ist,  ich  werde 
sie  holen.  Geht  ab. 

Olive. 
Das  will  ich  sehen  ,    meine  Gedanken  sind  ver- 
910  wickelt. 

36.   Auftritt. 

Gräfin   tind  Hirlanda  treten  auf. 

Olive. 
Ihr  dürft  Euch  nicht  entsetzen,  indem  ich  eine 
kleine    Frage    an    Euch    richte ;    zeiget    mir    Euren 
Charakter    und    Geburtsort    an ,    ich    sollte    Euch 
kennen. 

Hirlanda. 
915  Das  kann  schon  geschehen;  ich  bin  von  armen 
Bauersleuten  aus  der  Normandie  geboren ,  und 
der  Mangel  an  Nahrung  hat  mich  in  die  Ferne 
getrieben ,  und  bin  das  siebente  Jahr  dahier  an 
diesem  Hofe. 

Olive. 
920       Mein  Gemüth    erklärt   es  anders,    und  darf  ich 
meinen  Augen  trauen,  so  seid  Ihr  Hirlanda,  meine 
gnädigste  Frau  und  Fürstin. 

Hirlafida . 

Ach  Gott,  Ihr  werdet  Euch  gewisslich  irren. 

Olive. 
Ich  irre  mich  gewiss  nicht ,    Ihr  seid  es  !     Gott 
925   im  Himmel  sei's  gedankt! 

Hirlanda. 
Mein  Gott ,    sogar   in    einsamen  Orten    bin    ich 
nicht  sicher,  und  man  trachtet,  mich  zu  vertilgen! 


76 

Olive. 

Kein  Leid  habt  Ihr  zu  befürchten,  und  ich  sage 
Gott  Dank ,    dass  Ihr   noch  am  Leben  seid :    und 
930  wer  war  doch  Euer  Lebensretter? 

Gräfin . 

Mein  Verstand    wird   mir   zu    wenig,    um   diese 
\        Sachen    zu    fassen.     Soll  das  Hirlanda  sein?     Das 
kann  ich  mir  nicht  einbilden,   da  man  sie  für  todt 
beweinte.     Ich    bitte    um  Verzeihung  der  von  mir 
935  angethanen  Unbilden,  gnädigste  Fürstin.    Ihr  seid 
strafbar,    dass  Ihr  Euren   so  hohen  Adel  mir  ver- 
borgen   habt    und    einen    so    verächtlichen    Dienst 
habt   angetreten,    indem   ich  Euch    standesgemäss 
hätte  bewirthen  können.     Wie  hat  das  sein  können? 
940  O     unerhörte    Geschichte ,     ich     verliere    meinen 
Verstand ! 

Olive. 
Gnädigste  Frau,    ich    bitte,    mir    zu   entdecken, 
wer  waren  Eure  Lebensretter?   Ach,  die  Freude,  die 
ich  noch  erlebt  habe  1 

Hirlanda. 

945  Nächst  Gott  waren  es  die  zwei  Henkersknechte, 
die  mich  zur  Richtstatt  führten,  welche  ich  durch 
mein  flehentliches  Bitten  und  heisse  Zähren  dazu 
bewogen  hab ,  mit  dem  Versprechen ,  mich  nicht 
mehr  in  meinem  Lande  sehen  zu  lassen ,   welches 

950  ich  auch  zu  halten  bereit  bin. 

Olive. 
Welche  Freude    wird   das  für  den  Fürsten  sein, 
wenn  er  hören  wird,  dass  seine  Hirlanda  lebt !    Ich 
werde  meine  Reise  beschleunigen,  so  viel  ich  kann. 

Hirlanda. 
Ich   bitte  Euch  durch  Alles,  was  ich  bitten  kann, 
955   micli    nicht    zu    entdecken;   ich    will    gerne  diesen 
meinen   Dienst   lebenslänglich    verrichten:    ist   mir 


77 

besser  als  fürstliche  Ehren;  auch  könnte  ein  heim- 
licher Hass    noch    verborgen  sein  und  könnte  das 
zweite  Uebel  ärger  werden  als  das  erste,    obwohl 
960   ich,  so  wahr  Gott  lebt,  gänzlich  unschuldig   war. 

Olive. 
Ihr    habt    Euch    nicht    zu    sorgen ;     vergönnet 
Eurem  Gemahl  noch  diese  Ereude,  der  sein  jähes 
Urtheil  gewiss  genug  gebüsst  hat. 

Gräfin. 

Ach,  die  grosse  Freude,  die  er  haben  wird,  eine 
965   geliebte  Todte  wieder  beim  Leben  zu  sehen. 

Olive. 
Ich  werde  mich  schnell  von  hier  absondern, 
denn  ich  habe  keine  Ruhe  und  kann  diese  Freude 
nicht  länger  allein  geniessen;  ich  muss  es  jenen 
offenbaren,  denen  es  zugehört:  unterdessen  empfehle 
970  ich  euch  beide  in  den  Schutz  Gottes.  Gnädigste 
Fürstin,  lebet  wohl,  wertheste  Base,  lebet  wohl. 

Geht  ab.    • 
Gräfin. 

Für    mein    hohes   Alter    eine    unerhörte  Freude, 

die  ich  mir  nicht  einbilden  konnte,  und  habe  mich 

noch  zu  freuen  auf  euere  fröhliche  Zusammenkunft ; 

975   nur  das  betrübet  mich,  dass  Ihr  Eueren  so  hohen 

Adel  mir  nicht  entdecket  habt. 

Hirlajzda. 
Recht  vergnügt  habe  ich  bei  Euch  mein  Abend- 
brot   genossen ;    weit    glücklicher    war    ich   als    im 
fürstlichen  Palaste ,    den    ich    mir    zu  betreten  gar 

980  nicht  wünsche :  ich  freue  mich  herzlich ,  meinen 
lieben  Gemahl  zu  sehen ,  aber  jedoch  fürchte  ich 
ihn,  wenn  er  noch  etwa  einen  Hass  auf  mich  hätte, 
weil  er  so  schändlich  ist  betrogen  worden  von  dem 
Hofmeister ,    dem    ich   zwar   Alles    verzeihe ,    vom 

985  Grund  meines  Herzens!  Gehen  beide  ab. 


78 


37.  Auftritt. 


Im  Schlosse  des  Fürsten.     Fürst  tritt  ein. 

Ja ,  meines  Lebens  bin  ich  satt ,  weil  es  mit 
vielen  Widerwärtigkeiten  verbunden  ist,  denn 
ich  finde  keine  Freude :  wollte  wünschen ,  ich 
wäre  der  Aermste  unter  meinen  Unterthanen,  ich 

990  lebte  vergnügter,  als  im  fürstlichen  Palaste.  Ach, 
Hirlanda,  du  bist  todt,  und  ich  selbst  bin  der 
Mörder,  Ach  Gott ,  verzeihe  mir  diese  ünthat, 
und  auch  du ,  o  liebste  Gemahlin ,  auch  du  ver- 
zeihe mir,   obwohl  ich  nicht  werth  bin ,  dass  mir 

995  verziehen  wird:  und  auch  du,  Olive,  wie  lange  ver- 
weilst du  noch  zu  kommen ,  der  du  der  Einzige 
bist,  der  mir  Trost  ertheilt.  Ach,  traurige  Stunden, 
wie  lange  werdet  ihr  noch  dauern?  Den  Tod 
wollte  ich  mir  wünschen,  wenn  es  dem  Herrn 
1000  gefällig  wäre,  mein  Gewissen  macht  mir  die 
bittersten  Vorwürfe  und  zerknirschet  meinen  Geist. 


38.  Auftritt. 

Olive  klopft  an  und  tritt  herein. 
Fürst, 

Ach  Freude ,  was  sehe  ich ! 

Olive. 

Ich     wünsche     mit     aller    Ehrfurcht     meinem 
gnädigsten  Fürsten  Glück  und  Heil:  mit  Freuden 
1005   komme  ich  nach  Hause  und  freue  mich,    diesen 
Tag  erlebt  zu  haben. 

Fürst. 

Meinen  herzlichsten  Dank,  weither  Freund,  ich 
erkläre  mich  für  glücklich,  Euch  wieder  am  Hofe 
zu    haben.     Saget    an ,    was    giebt    es    Neues    in 
10 70  Brittannienr     Was  hört  man  Gutes? 


79 


Olive. 


Gar  nichts  Seltsames,    es  ist  Alles  in  gleicher 

Ordnung ,    nur  Theuerung  schleicht  sich  ein  von 

wegen    der    erschrecklichen    Dürre ,    die  es    ver- 
gangenen Sommer  gehabt  hat. 

Fürst. 
IOT5  Missvergnügt  habe  ich  meine  Tage  seit  Eurer 
Abreise  zugebracht,  indem  ich  jede  Stunde  mit 
einem  Tag  vergleichen  musste ,  denn  die  Ver- 
wirrungen schwächen  meinGedächtniss  und  machen 
meine  Seele  bang. 

Olive. 

I020  Ich  muss  es  mir,  gnädigster  Fürst,  für  eine 
grosse  Ehre  schätzen,  dass  Ihr  an  einem  unwürdigen 
Diener  ein  Wohlgefallen  zeiget,  da  ich  doch  Euch 
in  Eurem  Kleinmuth  nicht  die  geringste  Hilfe 
leisten  kann  :  aber  stärket  Euch  und  schlaget  Euch's 

1025  aus  dem  Sinn. 

Fi^rst, 
Wie  kann  ich  mir  Dinge  aus  dem  Kopfe  schlagen, 
da  ich  selbst  Ursache  bin?  Ach,  ich  Unmensch, 
was  hab  ich  gethan :  ich  bin  der  Mörder  meiner 
liebsten  Gemahlin.  Ach ,  wo  ist  hingekommen 
1030  das  arme  Kind,  welches  vielleicht  auch  durch 
Falschheit  ist  hingerichtet  worden  !  Ach,  Gerhard, 
was  trieb  dich  zu  solchen  tyrannischen  Thaten? 
Ich  bin  nicht  zu  trösten:  das  unschuldige  Blut, 
es  schreit  für  mich  um  Rache. 

Olive. 

1035  ^^s  hilft  das  überflüssige  Bekümmern?  Es  bringt 
nur  Verbitterungen  des  Geistes  und  verkürzet  das 
Leben.  Darum  will  ich  demüthigst  gebeten  haben, 
von  solchen  Beschwerungen  abzustehen ,  und  sie 
aus  dem  Sinne  zu  schlagen.     Was  hilft  es  ?    Ge- 

1040  schehen  ist  geschehen  und  hilft  für  nichts.  Aber 
was  wollet  Ihr  geben,  wenn  Hirlanda  lebte? 


8o 

Fihst. 
Ach,  Gott  im  Himmel,  was  soll  ich  sagen? 
Mein  Leben  wollt'  ich  um  das  ihrige  vertauschen, 
wenn  sie  mir  verzeihet  und  leben  würde !  Aber 
1045  das  sind  schwache  Worte  und  machen  mich  bange: 
ich  will  sie  nicht  mehr  hören.  Ach  weh ,  vor 
Unmuth  möcht  ich  vergehen. 

OH-je. 

Gnädigster  Fürst  und  Herr,  mein  Geblüt  erstarrt, 

und    kann    ich's    nicht    länger  verhalten,    und  zu 

1050  Eurer    grössten  Freude  muss  ich  ausrufen:    Gott 

im  Himmel    sei    es    gedankt,    Hirlanda   lebt  und 

lebt  in  Freuden ! 

Fürst. 
Werthester  Freund ,   ich  bitte  Euch ,    lasset  ab 
von    solchen    Worten    und    betrübet    mich    nicht 
1055   ferner. 

Olive. 
Ich  betrübe  Euch  nicht,  gnädigster  Fürst,  und 
sage  noch  einmal,  Hirlanda  lebt,  und  wünsche  Euch 
tausendmal  Glück  zu  Euerer  zweiten  Vermählung. 

Fürsi. 

Mein  Mund  verstummet  mir:  soll  das  möglich 
1060  sein?    Wie  soll  sich  das  haben  zugetragen?    Mir 
erstarren  meine  Glieder,  ich  weiss  nicht,  träumet 
mir,   oder  bin  ich  recht  bei  Sinnen ! 

Olive. 
Mit    Gewissheit    kann    ich    sagen ,    sie    ist    in 
Brittannien  an  einer  gräflichen  Burg  und  bereitet 
1065  Alles    in  bester  Ordnung,    und  ich  bitte  mir  die 
Ehre  aus,  ich  will  sie  holen. 

Fürst. 
Wenn  Ihr  mich  täuschet,  so  —  O ,  saget  mir 
(loch  die  Wahrheit,  wie  hat  sich  das  zugetragen, 
wer  hat  ihr  das  Leben  geschenkt? 


8i 

Olive. 

1070  Gott  hat  die  Herzen  der  zwei  Henker  erweicht, 
da  sie  durch  ihre  heissen  Zähren  und  ihr  flehent- 
liches Bitten  das  erwarb  mit  dem  Versprechen,  sich 
nicht  mehr  hier  zu  Lande  sehen  zu  lassen ,  und 
mir  gab  Gott  das  Glück,  um  sie  zu  finden.     Ich 

1075  habe  selbst  mit  ihr  gesprochen,  wobei  sie  mich 
inständig  bat ,  sie  nicht  zu  entdecken ,  weil  sie 
befürchtet,  Ihr  könntet  noch  einen  alten  Hass  im 
Herzen  tragen ,  obwohl  sie  hoch  betheuerte  und 
Gott    zum    Zeugen    ihrer    Unschuld    anrief    und 

1080  ich  selbst  mit  meinem  Blute  ihre  Unschuld,  be- 
stätigen würde. 

Fürst, 

Mein  Gott ,  was  hab  ich  um  dich  verdient, 
dass  du  mir  solche  Gnad  ertheilstl  Mein  Herz 
möchte  mir  vor  Freude  zerspringen !  Ach,  Hirlanda, 

1085  verzeihe  mir,  ich  bitte  dich,  ehe  ich  dich  sehe. 
Aber  dennoch  kann  ich's  nicht  glauben,  dass  du 
leben  sollest.  Ach,  welche  Freude!  Ach,  ich  ge- 
traue mich  nicht  ihr  unter  die  Augen  zu  kommen. 
Olive ,    in  meinen  Kräften  steht  es  nicht,  darum 

1090  machet  Anstalt  und  befehlet  die  Wägen  und 
nehmet  die  prächtigsten  Kleidungen  und  verkündet 
es  Allen ,  die  an  der  Freude  ihrer  Auffindung 
wollen  Antheil  nehmen.  Derowegen  befehle  ich 
Euch,    dass    Ihr    gute    Anstalt    treifet   und  Euere 

1095  Reise  nach  Britannien  schnell  antretet  und  mich 
meiner  Bekümmerniss  erleichtert. 

Olive. 
Durchlauchtigster  Fürst   und  Herr,    ich    werde 
mein  Möglichstes  thun,  um  Euer  banges  Herz  zu 
erquicken.  Geht  ab. 

Fürst. 

1100  Nun  kann  es  sein,  dass  der  Himmel  gnädige 
Sonnenblicke  auf  mich  blinken  lässt,  denn  das 
trübe  Gewölke  meiner  Seele  hat  mir  alle  Freude 

Volksschauspiele.     IT.  6 


82 

verdunkelt.     Ach  Gott,  wie  hast  du  jene  Träume 
an  mir  so  genau  erfüHt,  die  du  mich  in  Frankreich 
1105  träumen  Hessest.     Ach,    die  Freude,    die  du  mir 
geniessen  zu  lassen  willens  bist !  Geht  ab. 

39.  Auftritt. 

Gräfin  »lit  Ilirlafida  treten  im  Schlosse  der  Gräfin  auf. 

Gräfin, 
Nun  bin  ich  begierig,  wie  bald  Olive  zurück 
wird  kommen.  O,  was  für  eine  unerhörte  Freude 
wird  das  für  den  Fürsen  Artus  gewesen  sein, 
1 1  I  o  wenn  er  ihm  die  fröhUche  Auffindung  angezeigt 
haben  wird :  was  für  ein  köstliches  Präsent  wird 
er  ihm  gegeben  haben.  Ich  kann  fast  den  Tag 
nicht  erwarten,  wann  er  wird  anhero  kommen. 

Hirlanda. 

Die  Freude   ist  ungemein  gross ,    die  ich  habe 

II 15  in    Erwartung   meines  Gemahls,    jedoch    schwebt 

Furcht  in  meinem  Herzen,  dass  ich  ihm  fast  nicht 

getraue  unter  die  Augen  zu  kommen,  obwohl  ich 

mich  freue,  ihn  zu  sehen. 

Gräfin. 

Ihr  habt  nicht  Ursache,  Euch  zu  fürchten,  denn 
II 20  die  Ungerechtigkeit   wird  genug  an  den  Tag  ge- 
kommen sein. 

40.  Auftritt. 

Olive  kommt. 
Olive. 
Seid    mir    willkommen,    edle  Base   und  durch- 
lauchtigste Fürstin !     Anjetzo    ist    der  glückselige 
Tag  angekommen,  an  welchem  Euer  Leiden  wird 
II 25  in  Freude    verwandelt    werden.     Der  Fürst   lässt 
Euch    tausendmal    um    Verzeihung    bitten    durch 
mich,    denn    eher    will    er  Euch,  nicht    unter  die 
Augen    treten ,    bis    Ihr   ihm  werdet  vollkommen 
verziehen  haben. 


83 

I/irlanda. 

1130  Vom  Grunde  meines  Herzens  ist  ihm  verziehen 
und  allen  meinen  Feinden,  ich  freue  mich  herzlich, 
ihm  in  die  Arme  zu  fallen,  weil  uns  Gott  die 
Freude  erleben  lässt,  um  uns  wieder  zu  finden, 
welches  ich  doch  für  vergebens  hielt. 

Olive. 

1135  Ich  schätze  mich  als  den  glücklichsten  auf 
Erden,  dass  ich  solche  Dinge  erlebt  habe,  die  ich 
mir  niemals  hätte  wünschen  können ;  auch  bitte 
ich  zugleich,  dass  wir  uns  zeitlich  auf  die  Reise 
begeben,  denn  alle  Anstalten  sind  getroffen,  und  der 

1 1 40  Fürst  wird  uns  bald  entgegen  kommen  mit  einem 
dringenden  Eifer:  derowegen  werden  wir  uns  auf- 
machen, und  auch  Euere  gräfliche  Gnaden  werden 
uns  das  Geleite  geben  und  unsere  Freude  vermehren. 

Gräßn. 

Gehen    wir   schnell,    und   richten    wir   uns    in 
1145   Bereitschaft.  Gehen  ab. 

41.  Auftritt. 

Ifn  Schlosse  des  Fürsien.     Fürst  tritt  ein. 
Fürst. 

Ach,  der  vergnügten  Stunden,  die  ich  erwarte, 
denn  alle  Augenblicke  werden  sie  kommen ;  Freude 
und  Furcht  liegen  in  meinem  Herzen  beisammen : 
ich  getraue  mich's  nicht  sehen  zu  lassen,  aber  den- 
1 1 50  noch  will  ich's  wagen.  O,  Geliebte  meines  Herzens, 
wie  lang  verweilst  du  noch  mit  dem  Kommen  ?  — 
Ich  höre  einen  Tumult  von  Menschen;  wenn  es 
Gott  will,  werden  sie  es  sein ! 

42.  Auftritt. 

Olive,    Hilanda   und  die    Gräfin   treten   auf.      Der   Fürst 
fällt  Hirlanda  zu  Füssen  und  ist  anfangs  sprachlos, 

Fürst. 

Seid  mir  tausendmal  willkommen  —  und  aber- 
1 1 5  5  mal    tausendmal   seid  gegrüsst  und  willkommen ! 


84 

Ich  getraue  meine  Augen  nicht  zu  öffnen  vor 
Schamhaftigkeit,  dennoch  bitte  ich  um  Verzeihung^ 
obwohl  ich  es  nicht  werth  bin.  Ach,  verzeihet 
mir  meine  Unthat,  edle  Fürstin !  In  was  für  ein 
II 60  Elend  hab  ich  Euch  gestürzt!  Ach,  ich  gottloser 
Gemahl,  ich  bin  nicht  werth,  dass  mich  die 
Erde  trägt. 

Hirlanda, 

Edler  Gemahl ,  lasset  ab  vom  Bitten ,  denn 
ich  habe  Alles  vergessen  und  verzeihe  Euch 
1165  Alles  und  Allen,  die  mir  Uebles  gethan  haben 
vom  Grund  meines  Herzens  und  bitte  Euch 
um  Eure  Gegenliebe ,  und  bitte  Euch  auch  um 
Verzeihung,  wenn  ich  Euch  sollte  beleidiget 
haben,  obwohl  ich  unschuldig  so  grausam  be- 
ll 70  handelt  worden  bin. 

Fürst, 

Ach,  der  unerhörten  Freude,  die  ich  zu  ge- 
messen nicht  werth  bin,  und  auch  Euch,  durch- 
lauchtigste Gräfin ,  Euch  sei  unendlichmal  ge- 
dankt für  die  Güte,  die  Ihr  an  Hirlanda  erwiesen 
II 75  habet:  und  denket  nicht  mehr  an  die  tyrannische 
That ,  die  ich  zwar  unwissend  und  übereilt  be- 
gangen habe,  wo  nur  Gerhard,  wie  ich  vernehmen 
muss,  Schuld  daran  war. 

Gräfin. 

Gnädigster  Fürst  und  Herr ,  Ihr  habt  nicht 
1 1 80  Ursache ,  mir  zu  danken,  denn  ich  habe  ihr  die 
Dienste  nicht  erwiesen ,  die  ich  zu  erweisen 
schuldig,  wenn  ich  sie  erkannt  hätte,  welches 
mich  bis  zum  heutigen  Tage  noch  kränkt,  dass 
ihre  Würde  mir  nicht  bekannt  wurde.  Ich  bitte 
II 85  daher  um  Verzeihung  meiner  Unwissenheit  und 
wünsche  euch  tausend  Glück  zu  eurer  Zusammen- 
kunft ;  der  liebe  Gott  hat  an  euch  Prüfung  ge- 
halten und  die  Tugend  erhoben. 


85 

Fürst. 

Ach,  könnte  ich  meinen  Bruder  erhaschen,  ich 
1 1 90  wollte   ihn  nach  meinem  Wohlgefallen  züchtigen, 
den  Stifter  so  vielen  Unheils. 

Hirlanda. 
Ach ,  mein  theurer  Gemahl ,  denket  nicht  an 
Rache ,  lasset  Rache  den  ausüben ,  der  in  die 
Herzen  der  Menschen  sieht.  Das  wäre  keine 
1195  Dankbarkeit  für  solche  Gnaden,  die  Gott  uns 
erzeigte ;  wer  weiss ,  ist  er  gänzlich  Schuld 
daran ,  und  wenn  er  es  wäre ,  so  sei  ihm  doch 
verziehen. 

Fürst. 
Ihr  habt  Recht,  gehebte  Gemahlin,  aber  den- 
12  00  noch  kann  ich  es  nicht  erdulden,  wenn  ich  werde 
Gelegenheit    finden,     nicht    wegen    meiner,    um 
Euretwegen. 

Hirlanda. 

Ich  bitte  noch  einmal,  verzeihet  ihm,  und  soll 
er  heute  kommen ,   so  soll  er  an  unserer  Freude 
1205  theilnehmen. 

Gräfin. 

Gnädigste  Fürstin ,  FAire  Tugenden  sind  zu 
loben ,  und  Euer  gutes  Herz  wird  Eure  Seele 
krönen. 

Fürst. 

Nun  sehen  wir  unsere  Heimath  wieder,  welche 
1 2 1  o  wir    mit    unermesslichen    Freuden    betreten ,    die 
Jahre  lang  mit  Thränen  benetzt  wurde.    Alle  ab. 

43.  Auftritt. 

Gerhard  kommt  an. 

Gerhard. 
Nun  bin  ich  übel  daran,    weiss    nicht,  wie  es 
mir  ergehen  wird.     Die  Fürstin  ist  gefunden,  das 
weiss    ich,    ob    ich    aber  werde  eine  Audienz  er- 


86 

12 15  halten,  das  weiss  ich  nicht.  Ich  will  es  wagen; 
wer  weiss,  ist  es  gefehlt?  Ich  will  mich  ent- 
schuldigen ,  so  viel  ich  kann.  Nun  wohlan,  ich 
will's  probiren.  Geht  ab. 

44.  Auftritt. 

Olive  tritt  auf. 
Olive. 
Ach  Gott,  bei  mir  sind  die  herrlichen  Stunden 
1220  gewiss    zu    Ende    gegangen,    denn    Gerhard    ist 
wieder  in  Gnaden  aufgenommen  worden.    Ich  will 
in    seiner  Gegenwart    nicht    sein ,    ich    traue   ihm 
nicht  im   geringsten,  er  macht  gewiss  das  zweite 
Uebel  auch  fertig.     Ich   bedauere   dich ,    o   edler 
T225  Fürst,  und  dich,  edel  denkende  Frau.    Gott  wolle 
an    eurer  Seite   sein;    ich  will  mich  von  hier  ab- 
sondern, ich  will  nichts  wissen,  ich  hab  das  erste 
Mal  genug  gesehen,  das  zweite  Mal  wünsche  ich 
es    mir    nicht    mehr,    ich    kann    es    nicht    mehr 
1230  ertragen.  Geht  ab. 

45.  Auftritt. 

Riese  tritt  auf. 
Kiese. 
Ach  Freude ,  mein  Freund  Gerhard  ist  wieder 
bei  Hofe  da :  ich  zweifelte,  ihn  jemals  wiederzu- 
sehen.     Er    war    sehr    geschickt   in    seinen    Vor- 
spiegelungen :    das    gefällt    mir ,    und    um    seine 

1235  Wünsche  zu  erreichen,  wollte  ich  selbst  mein 
Möglichstes  thun;  ich  wollte  den  kennen,  der  mich 
mit  Worten  schlägt.  Ich  wollte  wünschen,  der 
Fürst  wäre  ums  Leben  gekommen  und  jenem  der 
Kopf    zerspalten,     der    Hirlanda    wieder    anhero 

1240  brachte,  dann  wollte  ich  Gerhard  die  treuesten 
Dienste  leisten.  Will  sehen,  ob  er  nicht  bald  hieher 
kommt,  ich  warte  seiner  schon  lange  Zeit;  es  wird 
ihn  gewiss  ein  Geschäft  verhindern.  Aber  ich  sehe 
ihn    schon  kommen.  Gerhard  tritt  auf. 


46.  Auftritt. 

Gerhard. 

1245        ^^^^  "^^^  willkommen,  edler  Ritter. 

Riese. 
Gleichfalls      willkommen,      edler     Prinz      und 
mächtiger  Ritter.    Trübselig  habe  ich  meine  Tage 
seit  Eurer  Abreise  zugebracht  und  bedauere,  dass 
Euer  Vorhaben  nicht  gelungen. 
Gerhard. 

1250  Eben  das,  edler  Ritter,  liegt  mir  am  Herzen, 
und  dennoch  halte  ich  es  für  gut,  dass  ich  wieder 
bei  Hofe  bin-,  vielleicht  gelingt  es  mir  noch  ein- 
mal, und  ich  hoffe  darauf,  jedoch  ohne  die  mindeste 
Spur,    denn   ich    habe    mich    so  artig  verfochten, 

1255  dass  ich  bei  beiden  vollkommen  in  Gnaden  stehe, 
und  sollte  es  dazu  kommen  und  mir  Mittel  bei 
der  Hand  sein ,  so  will  ich  es  ein  zweites  Mal 
wagen.  Ich  habe  nimmer  Ruhe  in  meinem  Herzen, 
bis    ich    erlange,    was    ich   wünsche;    dazu  gebet 

1260  mir  gegen  gute  Belohnung  einen  thätigen  Rath. 

Riese. 

Was  Ihr   begehret,    wird    geschehen,    und   ich 

schwöre  Euch,   Ihr  werdet  siegen,  und  sobald  es 

sein  kann,  werde  ich  Euch  möglichsten  Beistand 

leisten.     Ich  empfehle  mich  in  fernere  Gunst,  wir 

1265   werden  uns  nächstens  wiedersehen.      Geht  ab. 

Gerhard. 

Ich  verspüre  Linderung;  mit  diesem  Manne 
hoffe  ich  was  auszurichten,  wenn  es  Gelegenheit 
giebt,  die  ich  zwar  erst  erwarten  muss.     Geht  ab. 

47.  Auftritt. 

Fürst  mit  Hirlanda  treten  auf. 
Fürst. 
Kann  meinem  Gott  lebenslänglich  nicht  genug 
1270  danken,  dass  er  mir  Unwürdigen  so  viele  Gnaden 
erwiesen    hat,    indem    ich    mir    das    für    verloren 


halten  musste ,  was  ich  so  innigst  liebte.  Ach, 
ich  darf  daran  nicht  gedenken ,  und  dennoch 
kann  ich's  nicht  vergessen.  O,  erschreckliche  That! 

Hirlanda. 

1275  Es  ist  Alles  vorbei,  und  dieses  waren  nur 
Prüfungen  unserer  Tugenden;  denket  nimmer 
daran  und  bekümmert  Euch  nicht  mehr. 

Fürst. 

Das  Einzige,  was  mir  am  schwersten  am  Herzen 
liegt,  ist,   dass  wir  bisher  ohne  Erben  sind.     Ach, 
1280  welches  Abenteuer  hat  uns  diesem  entzogen. 

Hirlanda. 

Dieses,  edler  Fürst,  steht  in  Gottes  weisestem 
Rathschluss ;  ist  es  sein  Wille,  so  kann  es  auch 
gar  bald  erfüllet  sein  oder  werden ,  indem  Ihr 
sehet,  dass  meine  Zeit  herannahet,  dass  Ihr  das- 
1285  jenige  auf  Eurem  Arme  sehen  werdet,  was  anjezo 
noch  unter  meinem  Herzen  liegt.    Gehen  Beide  ab, 

48.   Auftritt. 

Kiese  und  Gerhard  kommen. 

Gerhard. 
Edler  Ritter ,  Euer  Besuch  macht  mir  vieles 
Vergnügen  und  wünsche  Euch  täglich  zu  sehen : 
in  Euch  steht  mein  Vertrauen ,  ich  finde  keine 
1290  wahre  Freude,  bis  ich  mein  Ziel  werde  erreicht 
haben ,  und  doch  könnten  sich  auf's  Neue  die 
Wellen  des  stürmenden  Meeres  meines  Herzens 
legen. 

Kiese. 

Auf  wie  und  was  für  eine  Weise  kann  das  sein? 

Gerhard. 
1295        Wenn     man    neue    Beschuldigungen    über    die 
Fürstin  erdichtet. 


89 

Riese. 
Ich  werde  den  Meister  spielen.  —  Saget  an,  auf 
welche  Weise. 

Gerhard. 
Die  Abreise  Olive's    und    die    Schwangerschaft 
1300  Hirlandas  könnten  die  mächtigsten  Beweise  hervor- 
bringen. 

Riise. 

Ich   weiss ,    wie  Ihr  sagen  wollt ;    es  wird  sich 
ziemlich  schicken :  ich  werde  eifrigst  beflissen  sein, 
nur  dass  die  Sache  mir  genau  berichtet  wird. 
Gerhard. 

1305  Ich  verlasse  mich  auf  Euer  Wort,  und  den  Ver- 
lauf der  Sache,  den  werdet  Ihr  sodann  erfahren,  — 
und  weil  uns  der  Tag  zu  Ende  geht,  werden 
wir  uns  auf  eine  kleine  Labung  begeben  und 
sodann    ruhen.     Kommt  nur    die   nächsten  Tage 

13 IG  wieder  auf  einen  Besuch.  Gehen  Beide  ab. 

49.  Auftritt. 

Fürst  tritt  auf. 
Fürst. 
Das  menschliche  Leben  ist  wie  ein  Rohr,   das 
vom    Winde    hin    und    her    getrieben    wird ,    hat 
theils  Freuden ,    theils  Traurigkeiten :    dieser   Art 
bin  ich  Meister  geworden.     Schwere  Kriege,  das 
13 15   siebenjährige  Elend   meiner  Gemahlin   und   ohne 
männlichen   Erben    zu   sein ,    es    beschwert    mein 
Gemüth  und  verursacht  Unwillen  in  mir. 

Sieht  nach  der  Thür. 

50.  Auftritt. 

Gerhard  tritt  ein. 
Gerhard. 
Mit    aller  Ehrfurcht  und  herzrührenden  Glück- 
wünschen  komme   ich ,   edler  Fürst    und  Bruder, 
1320  Euch   zu  gratuliren  zu  Eurer  neugeborenen  Prin- 
zessin, welches  Glück  ich  Euch  herzlich  vergönne. 


90 

Fürst. 
Ihr  habt  nicht  Ursache,  mir  Glück  zu  wünschen, 
indem  ich  keinen  männUchen  Erben  überkommen 
und  an  einem  Mädchen  nicht  die  wahre  Freude 
1325  erlanget  habe. 

Gerhard. 

Das  schmeichelhafte  Betragen  Hirlandens  gegen 
Euch  hat  mich  schon  öfters  in  Argwohn  gebracht, 
und  wenn  ich  sagen  darf,  so  seid  Ihr  nicht  des 
Kindes  Vater.   Dadurch  werde  ich  vor  Euch  den  be- 

1330  richteten  Glauben  rechtfertigen:  durchsuchet  heim- 
lich ihre  Schriften,  und  ich  hoffe  nicht  vergebens, 
Ihr  werdet  buhlerische  Schriften  finden,  denn  ich 
habe  sie  neulich  mit  OHve  an  einem  unrechten  Ort 
beisammen    gesehen.     Ihr   dürfet  meinen  Worten 

1335  nicht  glauben,  es  wird  Euch  aber  ein  ehrlicher 
Ritter  mehreren  Bericht  erth eilen ;  wenn  Ihr  es 
erlaubet,  werde  ich  es  ihm  andeuten,  denn  aus 
brüderhcher  Liebe  kann  ich  es  nicht  verhalten ; 
im  übrigen  wisset  Ihr  selbst  zu  thun  nach  Eurem 

1340  Gefallen. 

Fürst. 

Mein  Verstand  erblindet,  ich  kann's  nicht  fassen, 
weiss  auch  nicht,  was  hierin  zu  thun  ist.  Bringt 
mir  diesen  Ritter. 

Gerhard. 

Alsobald  wird  es  geschehen.  Geht  ab. 

Fürst. 

1345  Vor  Unmuth  wünsche  ich  mir  den  Tod!  O, 
erschreckliche  Tage,  die  ich  zu  erleben  habe! 
Sollte  Hirlanda  mich  so  schändhch  betrogen  haben? 
Kann's  fast  nicht  glauben,  aber  dass  Olive  so 
geschwind  abgereist,  macht  mich  bedenken;  will 

1350  sehen,   was  der  Ritter  spricht.  Riese  tritt  auf. 

51.  Auftritt. 

Kiese. 
Ich  gelobe  Euch  Glück  und   Heil. 


91 

Fürst. 

Wäre    zu  wünschen.     Was  bringet  Ihr  mir  für 
Zeitung  ? 

Riese. 

Durchlauchtigster  Fürst  und  Herr,  ich  bedaure 

1355   Euch  sehr,  aber  mein  Gewissen  lässt  mir  nimmer 

Ruhe,  bis  ich  Euch  die  Wahrheit  angezeigt,  und 

sage    unverhalten ,    dass    Ihr    nicht    des    Kindes 

Vater    seid ,    sondern  Olive ,    denn    ich  habe  das 

schändliche    Verbrechen    mit    eigenen  Augen    ge- 

1360  sehen,  und  da  er  davon  einige  Spur  hatte,  dess- 

wegen  hat  er  sich  seines  Dienstes  entsagt.    Dieses 

ist,  was  ich  Euch  mit  Wahrheit  sagen  kann  ;  dero- 

wegen   rathe  ich  Euch ,    die  Sache  ohne  Aufruhr 

im  Geheimen  zu  bestrafen,  und  sollten  sich  einige 

1365   Vertheidiger  einfinden,  so  bin  ich  beim  Wort  zu 

nehmen.      Nun    habe    ich    entdecket,    was    mich 

schon  lange  betrübte. 

Fürst. 

Ich  danke  Euch,  edler  Ritter,  für  die  mir  an- 
vertraute   Wahrheit ,    und    machet    Anstalt ,    dass 
1370  meine  Soldaten  und  Diener  ihr  die  Brut  OHvens 
aus   den  Händen    reissen ,    und  sie  anderswo  zur 
Erziehung  hingegeben  wird. 

Riese. 

Was  Ihr  befehlet  werde  ich  genau  vollziehen. 

Geht  ab. 
Fürst. 
Rache    und    Verachtung    meiner    selbst!      Alle 
1375  erdenklichen   Uebel    stossen   an    mich,    ach,    ich 
kenne  mich    selbst   nicht   mehrl     Soll    das    wohl 
wahr    sein?      Ich    kann    es    doch  nicht    glauben, 
ich     muss     mich     selbst     überzeugen ;     ich    will 
mich    in    das  Zimmer  der  Fürstin  begeben,    will 
1380  sehen,  ob  ich  nichts  Unrechtes  finde  oder  sehe. 

Geht  ab. 


92 

52.  Auftritt. 

Gerhard  tritt  auf. 

Gerhard. 
Ich  hätte  geglaubt,  es  soll  der  Fürst  hier  sein. 
Das    will   ich   sehen ,    wie  das  Ding  gehen  wird, 
will    sehen ,    wie    es    mir    gelingt.    —    —    Wen 
höre  ich  ? 

53.  Auftritt. 

Fürst. 

13^5        ^^^^^  niemand  hier,  der  nach  mir  fragte? 

Gerhard. 

Durchlauchtigster  Fürst,  niemand. 

54.  Auftritt. 

Riese  tritt  auf. 

Riese. 
Ein  unterthänigster  Diener. 

Fürst. 

Wie  ging  die  Sache  r     Is-t  geschehen ,    wie  ich 
befohlen  hab? 

Riese, 

1390       Genau  und  pünktlich.     Ach,  des  Jammers  der 
Fürstin ! 

Fürst. 
Nach  diesem  habt  Ihr  nichts  zu  fragen.     Holet 
mir  den  Richter. 

Riese. 
Augenblicklich, 

Gerhard. 
1395        Seid  Ihr  nun  überzeugt?     Was  ich  vernehmen 
muss  !     Ach,  die  Abscheulichkeit  einer  Frau  1 


93 
55-  Auftritt. 

Richter  tritt  auf. 

Richter. 
Durchlauchtigster  Fürst,  ein  ergebenster  Diener 
wünscht    Ihro    gnädige    Huldigung    und    gelobe 
Euch  Glück  und  Heil. 

Fürst. 
1400       Mit  grossem  Dank,  aber  mit  erbittertem  Herzen. 
Ach,  mein  Gott  — 

Richter. 
Ich  verspüre  eine  grosse  Schwermuth  an  Eurem 
Herzen,  ich  bitte  um  deren  Entdeckung. 

Fürst. 
Ist    Euch    gar    nichts    bekannt,    was    sich    bei 
1405  Hofe  zutrug? 

Richter. 

Ich  hörte  Verschiedenes,  welches  ich  nicht  kenne. 

F'ürst. 

Ich  bitte  um  rechtmässige  Untersuchung,  dero- 
wegen  habe  ich  Euch  berufen  lassen ;  denkt,  was 
recht  ist,  ich  werde  es  Euch  erklären :  das  schänd- 
14 10  liehe  Betragen  meiner  Gemahlin,  die  durch  ihre 
Schandthaten  das  fürstliche  Haus  im  Brand  der 
Geilheit  ansteckte,  kann  ich  nicht  mehr  erdulden, 
darum  sprechet  das  Urtheil. 

Richter. 
Urtheil    sprechen    ist    eine    schwere   Sache.  — 
1415   Ist    es  vollkommen    bewiesen  und  sind  namhafte 
Zeugen  vorhanden?    Ueber  solche  Dinge  ohne  voll- 
ständige Gewissheit    zu  urtheilen ,    steht  nicht  zu 
meinem  Amte. 

Fürst. 

Zeugen  genug:  an  diesen  ist  nicht  zu  zweifeln ; 
1420  auch  habe  ich  Olives  Briefe  bei  ihr  gefunden,  hier 


94 

sind  sie,  durchschauet  sie.  Ein  mächtiger  Ritter 
giebt  ein  augenscheinliches  Zeugniss  ab,  was  wollet 
Ihr  Näheres  wissen? 

Richter. 
Ich  will  den  Ritter  selbst  sprechen,  lasset  ihn 
1425   anhero  kommen. 

Fürst. 

Das  wird  geschehen,  ich  will  ihn  selbst  holen. 

Ab. 

56.  Auftritt. 

Riese  tritt  auf. 
Richter. 

Getrauet  Ihr  Euch,  edler  Ritter,  vor  Gott  und 
mir  zu  bekennen,  wess  man  Hirlanda  bezichtigt, 
so    schwöret    vor    Gott    und    dem    Fürsten    imd 
1430  redet,  was  sich  gebührt. 

Riese. 
Ich   betheuere    die  Wahrheit   und  schwöre  vor 
Gott,    dass    Hirlanda    mit    Oliven    den  Ehebruch 
begangen,  welches  ich  mit  eigenen  Augen  gesehen : 
so  viel  kann  ich  bekennen. 

Richter. 

1435       Ach,    Gott!    gieb    mir   Verstand    und   Gnade; 
bringet  Hirlanda  zum  Verhör.  Riese  ab. 

57.  Auftritt. 

Hirlanda  tritt  auf, 
Richter. 
Gebet    Ihr    Euch    in    diesen    Dingen    schuldig, 
deren    man    Euch    bezichtigt?      Ihr   steht   in    ge- 
fährlichem  Stande ,    Leben  und  Tod    hab  ich  in 
1 440  Händen,  darum  verantwortet  Euch  ! 

Hirlanda. 

Kein  Wort   zu  meiner  Vertheidigung ;    ich  will 
sterben,  ich  folge  dem  Beispiele  meines  Erlösers, 


95 

der  meine  Unschuld  kennt;  Ihr  seid  Menschen, 
vergiftet  von  falschen  Zungen.  Ich  gehe  willig 
1445  in  den  Tod,  der  Tod  verschafft  mir  Ruhe,  denn 
in  diesem  Leben  finde  ich  keine  wieder ;  ich  will 
gerne  sterben  und  empfehle  meine  arme  Seele  in 
die  Hände  dessen,  der  vor  mir  am  Kreuze  ge- 
storben ist. 

Richter. 

1450       Führet  sie   hinweg  —  eine  schwere  Verurthei- 

lung  —  solche  Verantwortung  habe  ich  nie  gehört : 

machet  selbst   den  Richter    und  thut,    was  Euch 

beliebt,  ich  will  kein  Wort  von  ihr  mehr  hören! 

Fürst. 

Den  Schandfleck  will  ich  vertilgen.     Ach,  wie 

1455   schändlich  bin  ich  betrogen!    Ich  werde  die  Rache 

verüben ! 

Richter. 

Gnädigster  Herr,  auf  was  für  eine  Weise? 

Fürst. 

Zum  Feuertode  soll  sie  verdammt  sein ;  anders 
kann  dieses  nicht  ausgetilgt  werden! 

Richter. 

1460       So    thut,     was    Euch    behebt,    bestätiget    das 
Urtheil,  ich  rede  kein  Wort  mehr.   Gehen  Beide  ab. 

58.  Auftritt. 

Gerhard  und  Riese  treten  auf. 

Riese. 

Ergebenster  Diener,  Herr  Hofmeister,  wie  geht 
das  Geschäft? 

Gerhard. 

Habt    Ihr    noch    nicht    gehört,    was    mit    der 
1465   Fürstin  geschieht? 

Riese. 
Ich  habe  wohl  gehört,    aber  keine  Gewissheit. 
Ist  sie  schon  verurtheilt  ?    Das  möchte  ich  hören. 


96 

Gerhard. 

Vor  Freude  kann  ich  fast  nicht  reden :  das 
Stäblein    ist   schon   über   sie  gebrochen,    morgen 

1470  in  aller  Früh  wird  sie  hingerichtet  durch  den 
Feuertod.  Diesesmal  geht's  treffUch  gut.  Ach, 
Freude  in  meinem  Herzen!  Hier  habt  Ihr  ein 
gutes  Trinkgeld,  weil  Ihr  mir  so  treu  an  die 
Hand  gegangen  seid,  und  sollte  doch  etwa  morgen 

1475  ^^^  Verwegener  Euch  entgegentreten,  so  stellet 
Euch  nur  daher ,  weil  Ihr  zur  Probe  ihrer  Ver- 
theidigung  bestellet  werdet. 

Riese, 
Ich  schwöre  Euch,  ich  werde  siegen,  und  sollte 
es  der  Geschickteste  von  der  Welt  sein,  so  werde 
1480  ich  seiner  spotten  und  lachen! 

Gerhard. 
Ich    wünsche    es    uns    Beiden ,    lebet    indessen 
wohl.  Beide  ab, 

59.  Auftritt. 

Abt  tritt  in  seinem  Zifnmer  auf. 
Abt. 
Nun,  o  grosser  Gott,  dir  sei  es  gedankt,  dass 
du  mich  wieder  einen  Tag  hast  erleben  lassen ;  die 

1485  Sonne  ist  schon  untergegangen,  und  die  Sterne 
leuchten  schon  am  hohen  Firmament !  Ich  muss 
mich  in  die  Ruh  begeben.  Aber  bevor  ich  mich 
in  die  Ruh  begebe,  muss  ich  mit  meinem  Ge- 
wissen zur  Rechenschaft  gehen,  wie  oft  ich  Gott 

1490  beleidiget  habe.  O,  du  Herr  Himmels  und  der 
Erde !  Du  weisst,  dass  wir  alle  sündige  Menschen 
sind ,  und  dass  wir  ohne  deine  Gnade  nichts 
vermögen ;  darum  verzeihe  mir  armen ,  sündigen 
Menschen  meine  begangenen  Sünden ,    damit  ich 

1495  ruhig  schlafen  möge.  Verzeihe  mir,  wie  du  dem 
büssenden  und  reuevollen  Schacher  am  Kreuze 
verziehen  hast,  und  ihm  heute  noch  das  Paradies 


97 

versprochen    hast :     nimm    mich    nach    dem    be- 
schlossenen   Lebenslauf    zu    dir   in    den    Himmel 
1500  auf;  jetzt    in  Gottes  Namen   zur  Ruhe    —  Jesus 
und  Maria,  ich  schlafe,  —  ich  ruhe. 

Schläft  ein.     Der  Engel  erscheint. 

60.  Auftritt. 

Engel. 
Cölestinus,     wache    auf   und    hör^    den  Befehl 
Gottes  1      Morgen    sollst    du    den   jungen    Ritter, 
den  du  deiner  Schwester  zur  Erziehung  gegeben 

1505  hast,  mit  guter  Rüstung  versehen,  mit  einem 
Schwert  in  der  Hand,  an  Herzog  Artus  Hof 
senden,  dort  wird  er  seine  unschuldig  angeklagte 
Mutter  vom  Tode  retten :  er  wird  mit  einem  all- 
gemein gefürchteten  Bösewicht  kämpfen,  und  der 

15 10  Herr,  dein  Gott,  wird  ihm  um  der  Unschuld 
willen  den  Sieg  verleihen.  Geh'  und  vollziehe  den 
Befehl  Gottes !  Abt  steht  auf. 

Al't. 
Augenblicklich  werde  ich  den  Befehl  des  Herrn 
vollziehen.      O    grosser    Gott    Himmels    und    der 

15 15  Erde,  der  du  Alles  in  weisester  Vorsicht  leitest 
und  die  Hand  des  Verderbens  vernichtest !  Ich 
danke  dir,  mein  Gott,  dass  du  mich  würdigest, 
ein  so  grosses  Werk  zu  unternehmen  und  eine 
unschuldige  Frau  retten  zu  helfen :  ja  schnell  will 

15  20  ich  gehen  um  Anstalt  zu  treffen,  und  morgen, 
sobald  der  Tag  graut ,  wollen  wir  von  dannen 
ziehen ;  Gott,  leite  meine  Schritte  !  Geht  ab. 

61.  Auftritt. 

Verwandlung. 

Hirlanda  wird  zur  Richtstätte  geführt.     Der  Fürst ,    Ger- 
hard, der  Richter  begleiten  den  Zug. 

Richter. 

Da    nun    vor    aller    Augen    diese    schändliche 
Ehebrecherin  auf  dem  Todtengerüste  ihre  Schand- 

Volksschauspiele,     IL  7 


98 

1525  thaten  büssen  muss ,  so  wird  aus  Gnaden  des 
durchlauchtigsten  Fürsten  bewilligt,  dass  wer  sich 
getraut  oder  sie  für  unschuldig  hält,  mit  diesem 
einen  Kampf  wage,  und  wenn  derselbe  unterliege, 
so    soll    sie  für  unschuldig  erklärt  sein ,    wenn  er 

1530  aber  siege,  so  soll  sie  ihre  wohlverdiente  Strafe 
empfangen.  —  Zum  erstenmal:  Wo  ist  der,  der 
bezeugt,  dass  Hirlanda  unschuldig  und  keine  Ehe- 
brecherin ist? 

Riese. 
Der  trete  zu  mir  in  die  Schranken,  ich  werde 
7535  ihm  bezeugen,  dass  sie  schuldig  ist. 

Der  Richter  ruft  zu/n  ersten,    zweiten,   dritten  und  letzten- 
mal, der  Riese  ebenso  obige   Worte. 

Hirlanda,   auf  devi  Holzstosse. 

Da  ich  nun  von  aller  Welt  verlassen  bin  und 
sich  niemand  meiner  annimmt,  so  erbarme  dich 
meiner,  o  gekreuzigter  Jesu,  der  du  auch  den 
Tod  empfangen,  und  dir  zu  Liebe  bin  ich  bereit, 

1540  den  bittern  Tod  zu  erleiden;  nimm  auf  meine 
Seele  in  deine  Hände.  Ich  verzeihe  Allen ,  die 
sich  meines  Todes  freuen,  weil  du  auch  am 
Kreuze  verziehen  hast.  Lebe  wohl,  edler  Gemahl, 
und   vergiss    nicht  «deine    dich    treu  liebende  Ge- 

1545  mahlin  Hirlanda!  Lebe  wohl,  o  edle  Freund- 
schaft ,  denke  mit  deinem  Gebet  an  mich ,  ich 
sterbe  vor  euren  Augen  einen  schmerzlichen 
Tod ,  aber  nicht  als  eine  Ehebrecherin ,  sondern 
als  eine  Sünderin.     Dies  sind  meine  letzten  Worte 

1550  und  ich  sage,  o  Jesu,  in  deine  Hände  empfehle 
ich    meine  Seele.      Der  Ifohstoss  ivird  angezündet. 

62.  Auftritt. 

Der  Abt,  der  junge  Bertrand  und  die  Amme  treten  auf. 

Riese. 
Was  wollt  Ihr,  Abt? 


99 

Abi, 
Die  Ungerechtigkeit  zu  strafen  und  die  Unschuld 
zu  krönen,  derowegen  bin  ich  gekommen. 

Kiese, 
i^^^       Willst  du  mit  mir  einen  Kampf  versuchen,  so 
probire  es,  desswegen  stehe  ich  hierl 

Abf. 
Ich  werde  nicht  kämpfen,  ich  trage  den  Schild 
Christi,  aber  dieser  Knabe  wird  dir  obsiegen  und 
dich  zu  Grunde  richten. 

Riese, 
1560       Was  sprichst   du,    wahnsinniger  Mensch!     Mit 
Schülern  werde  ich  nicht  wagen  zu  kämpfen,  ich 
könnte  unterliegen,  das  wäre  eine  Schande. 

Bertrand. 
Nichtswürdiger  Bösewicht,  was  spottest  du 
meiner?  Du  hast  keine  Ausnahme  gemacht,  sondern 
1565  gesprochen,  wer  sich  getraut,  und  ich  bin  bereit, 
dich  zu  überwinden  und  die  Unschuld  ari  den 
Tag  zu  geben ;  besinne  dich  nicht  länger  und  er- 
greife deine  Waffe  und  richte  dich  zum  Streit. 

Riese, 

Elender  Erdenwurm,  spare  deinen  Stolz  für  später- 

1570  hin    und    werde   nicht    ein    Opfer   deines    Hoch- 

muths.     Der  Mund   ist    stark   genug,    aber  deine 

Hände    sind    zu    schwach ,    mit   einem  Manne  zu 

streiten. 

Bertrand. 
Was  meine  schwachen  Hände  nicht  vermögen, 
1575   wird  eine  unsichtbare  Hand  thun,    ich    sage  dir, 
bereite  dich  zum  Kampf. 

Riese, 
Schweige,    du  jagst    mir    vielleicht  gar  Furcht 
efn.    Bist  du  vielleicht  ein  Zauberer  und  könntest 
mich  verhexen? 


lOO 

BertranJ. 

1580        Ich    bin    kein  Zauberer,    ich    glaube    an   einen 
wahren  Gott. 

Riese. 

Verlasse    dich  auf  deinen  Gott,    er  soll  dir  an 
der    Seite    stehen,    ich    aber    werde    siegen    mit 


eigenen  Kräften. 


Bertrand. 


1585  Abscheulicher  Gotteslästerer,  wie  lange  wirst 
du  noch  verziehen?  Einem  Manne,  wie  du  bist, 
geziemt  es  nicht,  mit  Kindern  so  lang  im  Dis- 
putiren sich  aufzuhalten ;  mache  dich  fertig  oder 
ich  tödte  dich  auf  der  Stelle. 

Riese. 

1590       Weil  du  dein  junges  Blut  nicht  verschonest,  so 

wird    deine  Seele  an  der  Spitze  dieses  Schwertes 

tanzen    müssen.     Nun    wohlan!    Sie  kämpfen,  Riese 

ruft  getroffen:     Verflucht!      Riese   unterliegt,    und  Alk 

,rufen:     Heil    dem    Sieger!       Heil     der    Fürstini 

der  junge  Ritter   setzt    ihtn    den   Fuss    auf  die  Brust  und 

1595  spricht:  Nun  sage  an,  du  gottloser  Mensch,  was 
du  über  Hirlanda  Uebles  weisst:  sage  an,  ehe 
ich  deine  verfluchte. Seele  werde  in  den  Abgrund 
stossen ! 

Riese. 

Ich  bitte  um  Gnade,  ich  bin  verloren !  Auch 
1600  muss  ich  frei  und  aufrichtig  bekennen,  dass  Hir- 
landa gänzHch  unschuldig  ist  und  nur  aus  An- 
stiftung und  Rachgier  des  Gerhard  schon  zweimal 
zum  Tode  verurtheilt  worden  ist.  Ach  wehe,  ach 
wehe,    ich   sterbe.       Stirbt.  Der  Todteiuird  weggetragen. 

Fürst. 

1605  Du  ewiger  Gott,  ach  sieh  mich  mit  Gnaden 
an,  was  habe  ich  gethan  !  Ergreifet  den  gottlosen 
Gerhard!  Wo  ist  er?  Er  ist  entronnen,  eilet  und 
holet  ihn   ein. 


lOI 

Abt. 
Gross  und  herrlich  sind  deine  Werke,  o  König 

1610  der  Ewigkeit!  Ach,  sehet  an  die  unendhche  Güte 
Gottes ,  die  im  Menschen  dessen  Tugend  preist ! 
Edle  Fürstin ,  hier  habt  Ihr  Euren  Sohn ,  den 
Ihr  mit  Schmerzen  geboren  habt,  der  mir  durch 
Schickung   zur  Erziehung   ist   anvertraut   worden, 

16  15  als  er  von  dem  gottlosen  Gerhard  verkauft  wurde, 
an  einen  ruchlosen  Juden,  und  ich  den  göttlichen 
Befehl  erhielt.  Ach,  so  danket  Gott,  dem  All- 
mächtigen ! 

Abt  und  Bertrand  helfetz   der  Fürstin    herab,    dieser   um- 
armt sie. 

Bertrand. 
Gnädige  Frau,  sehet  mich  bisher  unglücklichen 
1620  Sohn,     der    seiner  besten    Mutter  zu   Liebe   das 
Leben    geopfert,    aber   auch    durch    dieses  Opfer 
ihr  und  sich  selbst  durch  die  Hilfe  des  Himmels 
neues  Leben  gegeben  hat.      Wer   ist    nun  glück- 
licher als  ich,   der  ich  meiner  besten  Mutter  das 
1625  Leben  gerettet  habe? 

Hirlanda. 
O ,    du    kostbares    Kleinod ,    du  Retter    meines 
Lebens ,    dich  hab  ich  unter  meinem  Herzen  ge- 
tragen   und   bist   mir   geraubt   worden:    nun  hab 
ich  dich  wieder !     Dies  sind  die  seUgsten  Wonnen 
1630  meines  Lebens. 

Abt. 
Nun  kommt ,  ich  stelle  euch  beide  vor  den 
Fürsten  ;  aber  um  eines  bitte  ich  Euch,  Hirlanda, 
verzeihet  Eurem  Gemahl  und  Fürsten ,  denn  er 
ist  nicht  Schuld  an  Eurer  Misshandlung,  sondern 
1635  Euer  Schwager,  der  boshafte  Gerhard:  dieser  ist 
Schuld  daran. 

Hirlanda. 

Meinem  Gemahl  ist  von  Herzen  verziehen,  auch 
dem  Gerhard,  wenn  ihm  nur  Gott  verzeihet;  ich 


102 

bin  für  mein  Leid  schon  belohnt,  weil  ich  meinen 
1640  Sohn  wieder  habe. 

Bertrand. 
Ach,    Mutter,    liebste    Mutter,    ich   habe    dich 
wieder ! 

63.   Auftritt. 

Gerhard  wird  herbeigebracht» 

Fürst. 
Schändlicher  Auswurf    aller  erschaffenen  Krea- 
turen, was  anders  treibt  dich  zu  solch  tyrannischen 

1645  Thaten,  als  Ehrgeiz?  Ist  das  die  brüderliche 
Liebe,  ist  das  die  Ehrfurcht  gegen  deinen  Fürsten? 
Gottloser  Mörder,  wenn  uns  nicht  Gott  schützte  I 
Welchen  Tod  muss  ich  ersinnen,  um  dich  genug 
zu    bestrafen?      Allein    der    Tod    ist    zu    gering, 

1650  meine  Rache  wird  erschrecklich  sein,  du  Abscheu 
aller  Laster !  Unmensch,  was  für  ein  Elend  hast 
du  uns  gebracht?  Ach  Gott,  ich  bin  ganz  ausser 
Sinnen ,  ich  weiss  nicht ,  was  ich  thun  oder 
lassen  soll ;  die  nagenden  Vorwürfe  des  Gewissens 

1655  lassen  mich  nicht  zu  Verstände  kommen!  Sagt 
an,  lieber  Abt,  wie  ist  der  junge  Prinz  in  Euere 
Hände  kommen? 

Abt. 
Als    ich    vor  sechzehn  Jahren  am  Abend  mein 
Gebet    verrichtet,    trat    ein    Engel    zu    mir    und 

1 660  sprach,  ich  sollte  eilends  meine  Leute  versammeln 
und  bewaffnen,  und  sollt'  an  das  Ufer  von  Sanct 
Malo  ziehen,  dort  werde  ich  eine  flüchtige  Weibs- 
person finden ,  mit  einem  ungetauften  Kinde, 
welches     einem     gottlosen    Juden     sei     verkauft 

1 665   worden :  das  sollte  ich  retten.    Und  so  geschah  es. 
Und  als  ich  vor  einigen  Tagen  wieder  mein  Ge 
bet    am  Abend    verrichtet    und    zur  Ruhe    gehen 
wollte,    trat    ein    Bote    des    Herrn    zu    mir    und 
sagte:    morgen    sollst    du    den   jungen  Ritter   mit 


1Q3 

1670  einer    guten  Rüstung    versehen    und  an  des  Her- 
zogs Hof  ziehen,  dort  wird  er  seine  unschuldige 
I  Mutter  retten,  und  der  Herr  wird  ihm  den   Sieg 

"  verleihen.     Das  Uebrige  habt  Ihr  selbst  gesehen. 

Fürst. 

Wird  mir  Gott  die  schreckliche  Ungerechtigkeit 
1675   verzeihen? 

Abt. 
Ja ,  und  nicht  er  wird  sie  verzeihen ,  sondern 
er  hat  sie  schon  verziehen.  Habt  Ihr  nicht  ge- 
hört, wie  aufrichtig  und  grossmüthig  Euch  Hir- 
landa  verziehen  hat?  Und  wenn  ein  Mensch  so 
1680  grossmüthig  ist  und  so  barmherzig  verzeihen 
kann,  wie  sollte  Gott,  der  barmherzigste  Vater, 
nicht  verzeihen? 

Fürst. 
Nun ,    liebste  Gemahlin ,    sind    wir   wieder  bei- 
sammen und  werden  es  bleiben  bis  uns  der  Tod 
1685   scheidet. 

Hirlanda.  ' 

Ja,  das  steht  in  Gottes  Hand,  wie  lange  er  uns 
diese  fröhlichen  Tage  geniessen  lässt. 

Bertrand. 
Gott  gebe  euch  Gesundheit  und  langes  Leben. 

Abt. 
Gott  segne  euch   alle  und  lasse  die  mildreiche 
1690  Hand  nie  von  euch  weichen. 

Richter. 
Jetzt    soll     auch    Gerhard    seinen    bestimmten 
Lohn  empfangen.     Sie  werden  ihn  gleich  bringen. 

Fürst. 

Ja,    das  soll  er.       Was  für   eine  Strafe    soll  er 
empfangen  ? 

Richter, 

1695        Ict^     kann     mir    keine    ersinnen,    jede    Strafe 
scheint  mir  zu  gelind  für  den  Bösewicht! 


I04 

Hirlanda. 

Ach,    liebster  Gemahl ,    lass  ihn  los ,  setze  ihn 
auf  freien  Fuss,  lass  ihm  die  Strafe  nach. 

Richter, 
Um    der  Gerechtigkeit  willen  darf  dieses  nicht 
1700  sein,  er  muss  sterben. 

Fürst. 

Ja,     sterben    muss    er,    und    die    peinHchsten 

Martern  ausstehen :  ihm  sollen  Hände  und  Füsse 

abgehauen    werden    und   verstümmelt  soll  er  mit 

wenig  Wasser  und  Brot  schmachten,  bis  er  seine 

1705  schwarze  Seele  ausgehaucht  hat! 

Richter, 
Ein  christliches  Urtheil,    Fürst,  dass  ihm  noch 
Zeit    zu    seiner  Busse  gelassen    wird.     Aber   was 
soll  mit  dieser  Weibsperson  geschehen? 

Fürst. 
Dieses  Urtheil   überlasse    ich  meiner  Gemahlin 
17  IG  und  meinem  Sohn. 

Hirlanda, 

Sie  soll  ganz  frei  sein. 

Bertrand, 
Ja,  ja,  frei  sein! 

Amme, 
Ich  danke  Euch  vom  Grunde  meines  Herzens! 

Abt, 
Ja ,    sie    hat    genug    gebüsst ,    sechzehn    Jahre 
17 15  schmachtete  sie  im  Kerker,  und  hat  ihre  Schuld 
bezahlt. 

Richter. 
Jetzt  bringet  her  den  Bösewicht! 

Fürst. 

Meine  Hände    werden  dich  ergreifen  und  dich 

züchtigen,    beide    Hände    und  Füsse    werden   dir 

1720  abgehauen,     mit    wenig    Brot   sollst    du    gespeist 


I05 

werden,  Zeit  deines  Lebens  sollst  du  gebrand- 
markt sein.  Schleppet  ihn  fort,  damit  er  seinen 
verdienten  Lohn  empfängt;  dieweil  du  dies  ge- 
than,  sollst  du  Verstössen  sein. 

Gerhard. 

1725  Ich  danke  Euch  für  das  mir  ertheilte  Urtheil, 
ich  will  es  gerne  leiden  ,  weil  ich  es  hundertfach 
verdient  habe;  nur  verzeihet  mir,  ich  bitte,  ver- 
zeihet mir,  gnädige  Fürstin,  ich  will  gerne 
sterben,  wenn  mir  nur  verziehen  wird.    Ach,  ich 

1730  Elender,  was  hab  ich  gethan?  Ach  wäre  ich  nie 
geboren  ?  Ach,  wo  sind  die  Freuden,  die  ich  ge- 
nossen hab  ?  Wie  weit  hat  mich  der  Hochmuth 
gebracht!  Was  hat  mir  Hirlanda  gethan?  Nichts 
als    Gutes ,   und  ich    behandelte    sie    tyrannisch  1 

1735  Ach,  ich  muss  verzweifeln,  wenn  mich  nicht  Gott 
schützet!  Die  eisernen  Ketten  sind  jetzt  mein 
Zierath,  mein  Zimmer  ist  der  finstere  Kerker. 
Ach ,  was  will  ich  sagen ,  ich  habe  es  verdient, 
ich  bin  selbst  Schuld  daran.    Ich  bitte  noch  ein- 

1740  mal,  verzeihet  mir,  ruhig  will  ich  sterben,  wenn 
ich  nur  Verzeihung  erlange. 

Hirlanda. 

Euch  sei  von  mir  vollkommen  verziehen:  ich 
wollte,  ich  könnte  Eure  Pein  lindern;  Gott  ver- 
leihe Euch  Geduld  und  Starkmuth !  Geht  ab. 

64.   Auftritt. 

Erster  Henker. 
1745       Jetzt  werden  wir  unsere  Rache  kühlen,  und  mit 
Freuden    will   ich    dir    die  Hände  und  Füsse  ab- 
hauen I 

Zweiter  Henker. 

Ja ,  das  ist  auch  meine  Freude ,  du  hast  es 
schon  längst  verdient :  nun  fort  mit  dir  1     Alle  ab. 


ST.    BARBARA. 


Ä- 


PERSONEN. 

Prologus. 

Dioscorus,  Fürst, 

Barbara,  dessen  Tochter. 

Juliana,   Hofmeisterin. 

Ephebus,   Minister. 

Valentinus,  Priester. 

Martianus,  Landpfleger. 

Potinus,     1 

Vicander,    ^  Hofcavaliere. 

Philon,       J 

Ein  Baumeister. 

Zwei  Maurer. 

Hanswurst. 

Ein  Engel. 

Zwei  Soldaten. 

Zwei  Gerichtsdiener. 

Eine  Kammerzofe. 

Der  Scharfrichter. 


•^ 


Erster  Aufzug. 


1.  Auftritt. 

Prologus. 

Ich  tritt  herein ,  in  vollen  Ehren ,  und  grüss 
euch  alle,  wie  ihr  jetzt  versammelt  uns  zusehen 
werdet.  Wir  wollen  euch  eine  kleine  Vorstellung 
zeigen  von  der  Schutzpatronin  und  Martyrin  Barbara. 
5  Sie  war  eine  Jungfrau  in  der  schönsten  Blüthe  ihres 
Alters ;  nun  wollte  ihr  Herr  Vater  sie  schon  einem 
vornehmen  heidnischen  Prinzen  zur  Ehre  hingeben, 
allein  die  Jungfrau  erwiderte,  sie  habe  schon  ihr 
Herz  Gott  dem  Herrn,  der  Himmel  und  Erde  er- 
lo  schaffen  hat,  als  Braut  verlobt  und  versprochen. 
Da  wurde  er  ergrimmt  und  Hess  sie  in  den  Thurm 
sperren,  und  dann  auf  offener  Gassen  Heerden  treiben, 
und  sie  musste  sogar  durchs  Schwert  sterben.  Wir 
bitten  um  eine  gute  Aufmerksamkeit.  Ab, 

Es    werden    die    Götzenbilder   von   Jupiter^     Jtrno    und 
Minerva  aufgestellt, 

2.  Auftritt. 

Barbara  allein^  singt, 

15  Ich  weiss,  dass  ich  falle,  mir  helfen  nicht  kann, 
Ich  weiss,  dass  ich  irre,  und  stoss  immer  an : 
Ihr  so   viele  Götter,  ist  keiner  im  Stand, 
Der  mir  könnte  helfen,  und  binden  die  Hand? 


110 

Sie  haben  zwar  Hände,  und  wie  Menschen  das  Gesicht, 
20  Doch  nützt  es  so  wenig,  als  hätten  sie  es  nicht. 
Ich  soll  diese  Götzen  als  Götter  verehren, 
Die  doch  weder  sehen,  noch  reden,  noch  hören. 
Ich  kann  es  nicht  glauben,  es  geht  mir  nicht  ein, 
Dass  die  zuvor  Menschen,   jetzt  Götter  sollen  sein. 
25  Ein  Gott  hat  kein' Anfang  und  hat  auch  kein  End, 
Hingegen  die  Götzen  sind  werth  unsrer  Feind'. 
Drum  thu'  ich  nicht  glauben  und  bilde  mir  ein, 
Es  muss  etwas  Anderes  und  Besseres  sein, 
Den  ich  als  mein'n  Gott  soll  anbeten  und  ehren  : 
30  Aber  lehret  mir  kennen  meinen  Schöpfer  und  Herrn. 

Geht  ab. 


3.  Auftritt. 

Dioscorus  und  die  Hofmeisterin  yzcliana  treten  im 
Gespräche  miteinander  auf. 

Dioscorus, 

Nun  hab  ich  mich  wohl  etwas  Gutes  zu  getrösten, 
meine  Frau ,  wenn  ich  Euch  frage ,  wie  viel  meine 
liebste  Tochter  Barbara  unter  Eurer  Obsorge  an 
Tugenden  zugenommen  hat? 

Juliana. 

3  5  Ja,  und  zwar  nur  gar  zu  viel  Gutes  \  ihre  einzige 
Unterhaltung  ist,  dass  sie  nach  dem  Gebrauch  der 
Nikomedischen  adeligen  Frauenzimmer  sich  mehr 
als  mit  gemeiner  Begierde  auf  die  Wohlredenheit 
begibt. 

Dioscorus. 

40  Genug  zu  meinem  Trost:  fahret  nur  immer  fort, 
diesen  so  lieben  Antheil  meiner  Seele  recht  voll- 
kommlich  zu  machen. 

Juliana, 

Meinerseits  sollte  ich  nichts  erwidern ;  aber  eines 
ist    zu   besorgen ,    dass  nicht  mit  der  Zeit  ihr  allzu 


II 1 

45  durchdringender  und  scharfsinniger  Geist  sie  — 
nun   still  jetzt.  Skht  Barbara. 

Dioscorus. 

Saget  nur,  was  besorget  Ihr? 

Juliana. 
Still,    Still!     Ich  hab  es  nicht  gewusst,    dass  sie 
uns  so  nahe  an  der  Seite  stand. 

4.   Auftritt. 

Barbara  tritt  auf. 
Dioscorus, 

50  Nun,  liebste  Tochter  Barbara,  ich  vernehme  zu 
meinem  besonderen  Vergnügen,  dass  du  eine  so 
grosse  Liebe  zu  den  Büchern  tragest,  aus  welchen 
dir  neben  der  Wohlredenheit  auch  eine  mehrere 
Erkenntniss  unserer  Götterschöpfer  werde. 

Barbara. 
55       Ich  werde  mich  mögHchst  befleissen,  die  Wünsche 
^     meines    Vaters    zu    erfüllen.      Sie    erlauben   mir    zu 
fragen,  was  bedeuten  diese  stummen  Bildnisse  der 
Menschen? 

Dioscorus. 
Schweig     still !      Es     sind     keine    Bildnisse    der 
60  Menschen,  sondern  der  Götter,  welche  unter  diesen 
Gestalten  wollen  angebetet  werden.     Sieh ,    hier  ist 
Jupiter ,    der    Stammvater  unserer    Götter    und   Be- 
herrscher   der  Menschen.     Und  hier  ist  die  Göttin 
Juno,  die  Königin  aller  Göttinnen  und  des  grossen 
65  Jupiters  Ehefrau,  und  dort  ist  das  Bildniss  der  Minerva, 
der  Göttin  der  Weisheit. 

Barbara. 
Sind  diese  Götter,  die  wir  anbeten,  auch  einstens 
Menschen  gewesen? 

Dioscorus. 

Ja  freilich,  denn  Jupiter  war  ein  König  in  Greta. 


I  12 

Barbara. 

70  Wenn  unsere  Götter  sind  Menschen  gewesen,  so 
sind  sie  auch  als  Menschen  geboren  worden,  folglich 
sind  sie  auch  als  Menschen  gestorben  •,  wenn 
sie  aber  wahrhaft  Götter  wären ,  so  wüssten  sie 
nichts    um    die    Geburt ,    noch   um    den    Tod    aller 

7  5  Menschen :  die  wahre  Gottheit,  wie  mich  gedünket, 
weder  einen  Anfang  noch  Ende  hat. 

Dioscorns. 

Nicht    SO ,    meine    Tochter ,    nicht    so  \    von    den 
Göttern    müssen    wir   in  aller  Ehrfurcht  gedenkend 
reden ,    sonst   würdest    du  wegen  freventhcher  Ver- 
80  messenheit  ihre  Rache  zu  befürchten  haben. 

Barbara  geht  ab. 
Jiiliana . 

Nun ,  wie  gefällt  Euch  dieser  Einwurf?  Dieses 
wäre,  so  ich  besorge,  dass  nicht  etwan  mit  der  Zeit 
ihr  scharfsinniger  Geist  in  das  immer  mehr  und 
mehr  anwachsende  Christenthum  verfiele. 

jDioscorits. 
85       Es   ist  Zeit,    dass  man  der  Gefahr  zuvorkomme, 
und  den  Feuerfunken  auslösche,  bevor  er  selber  in 
Volle  ausbreche.  Beide  ab. 

5.   Auftritt. 

Barbara  tritt  auf. 
Barbara. 

Ach,  welche  Aengsten  beunruhigen  meine  Seele: 
ich    solle    diejenigen    als    Götter    anbeten,    welche 

90  mein  Herz  wegen  ihrer  gottlosen  und  unanständigen 
Thaten  über  Alles  hasset,  ja  ich  sehe  gar  nichts 
Anbetungswürdiges  an  ihnen.  Ich  weiss,  dass  ich 
irre  gehe ,  und  suche ,  um  den  rechten  Weg  zu 
finden.     Nun  wende  ich  meine  Augen  hin,  wo  ich 

95  immer  will ,  so  überzeugt  mich  die  ganze  Natur, 
dass  es  anders  ist ,  als  wie  man  mich  belehrt  hat. 
Nun  so  betrachte  ich  auch  die  zwei  grossen  Himmels- 


113 

lichter  des  Tages :  die  Sonne  und  zur  Nachtzeit 
den    silberfarbigen   Mond    mit    so    vielen    tausend 

loo  Sternen,  wie  sie  mit  ihrer  bestimmten  Reihe  glänzen 
und  spielen ,  und  ihren  Lauf  von  einer  Zeit  zur 
anderen  so  pünktlich  vollenden :  dieses  sind  ja 
Eigenschaften,  die  allen  Menschen  Vernunft  geben 
können.    Ach,  ich  elendes  Geschöpf!     O  Himmel, 

105  wer  reichet  mir  die  Hand  und  führt  mich  aus 
diesem  Irrthum,  wer  erleuchtet  mir  den  Verstand, 
damit  ich  den  Urheber  aller  Dinge  recht  erkennen 


möge? 


6.   Auftritt. 


Engel  tritt  auf. 
Der  Friede    sei    mit    dir ,    Barbara ,    unser    Herr 

iio  Jesus  Christus,  der  eingeborne  Sohn  des  all- 
mächtigen Gottes ,  welcher  das  menschliche  Ge- 
schlecht zu  erlösen  sich  vom  Himmel  hat  herab- 
gelassen, und  das  Fleisch  aus  Maria  der  Jungfrau 
angenommen    hat,    welcher  Mensch   geworden  ist, 

115  damit  er  den  verlornen  Menschen  durch  seine 
Leiden ,  die  er  am  Kreuzgalgen  freiwilHg  ausge- 
standen und  durch  seinen  Tod  zum  Himmelreich 
brächte :  dieser  hat  die  Sonne  und  den  Mondeslauf 
angeordnet,  auf  eine  wunderbare  Weise  den  Sternen 

120  Namen  gegeben  und  dieselben  abgezählt.  Wohlan 
denn,  Barbara,  glaube  fest,  was  ich  dir  von  Christo 
erzählet  habe :  sei  starkmüthig,  weil  du  für  seinen 
Namen  viel  wirst  leiden  müssen.  Geht  ab. 

Barbara. 

Mein  Gott    und  mein  Herr!     Verfahre  mit  mir 
125   nach    deinem    Wohlgefallen,    gieb    mir   nur  soviel 
Gnad,  dich  vollkommen  zu  erkennen. 

7.   Auftritt. 

yidiana  tritt  auf. 

Nun,    wie  hast  du  seit  meiner  Abwesenheit  die 
Zeit  zugebracht,   meine  Barbara? 

Volksschauspiele.     11.  8 


114 

Barbara. 

Mit  tausenderlei  Abenteuern  verwirrter  Gedanken  ! 

Juliana. 
130       Was  willst  du  mit  diesem  sagen,  meine  Schöne? 

Barbara . 
Es  scheint  mir  unmöglich,  zu  glauben,  dass  in 
den  Klumpen  Holz  und  Stein  eine  wahre  Gott- 
heit sich  befinde  \  meine  Vernunft  sagt  mir ,  es 
giebt  nur  einen  einzigen,  ewigen,  wahren  Gott,  der 
1 3  5  Alles  erschaffen  hat,  den  ich  über  Alles  liebe  und 
dem  ich  mich  auch  ganz  ergeben  solle ,  von  dem 
ich  auch  Alles  habe ;  und  diese  Begierde  ist  so 
gross ,  dass  ich  ohne  denselben  nimmer  vergnügt 
leben  werde. 

Juliana. 

140  Sei  getrost,  meine  Barbara,  dieser  Stein  kann 
leicht  von  deinem  Herzen  geräumt  werden.  Es 
ist  das  Gerücht  jetzt  angekommen ,  dass  sich  zu 
Alexandria  in  Egypten  ein  gewaltiger  Mann ,  mit 
Namen    Origines    aufhalte ,    welcher   an  Tugenden 

145  anderen  Menschen  weit  überlegen  und  mit  gewissem 
Beweis  den  wahren  Gott  kenne ,  der  die  Falsch- 
heit der  Abgötter  klar  und  deutlich  den  Menschen 
vor  die  Augen  leget. 

Barbara. 

Wäre    es    denn    möglich ,     mit    demselben    zu 
150  sprechen? 

Juliana. 

Die  allzuferne  Entlegenheit  dieses  Ortes  ge- 
stattet es  dermalen  nicht,  doch  könnte  dein  sehn- 
liches Verlangen  durch  Briefe  befriedigt  werden. 

Barbara. 
Der  Himmel  belohne  deinen  Rath ,  jetzt  werde 
155   ich  gleich  an  Origines  einen  Brief  schreiben,  setzt  sich  — 


115 

verlasse   mich   auf  eine  kleine  Zeit ,    nach  Verlauf 
einer  Stunde  kommst  du  wieder. 

Jtiliana. 

Ich  verstehe  es  schon ,  ich  werde  indessen  das 
Uebrige  veranstalten.  Will  abgeJwi. 

Barbara  ruft. 

i6o  Juliana,  darf  ich  dir  so  das  wichtige  Geschäft 
anvertrauen?  Bin  ich  deiner  Verschwiegenheit 
versichert  ? 

yuUana, 

Zweifelst  du  denn,  Liebste?  Ich  bin  zwar  keine 
Christin,  dennoch  bin  ich  dem  Christenthum  auch 
165  nicht  abhold.  Vielleicht  hat  es  eben  deine  Frau 
Mutter  mir  zu  danken,  dass  sie  unwissend  des 
Herrn  Vaters ,  eine  heimliche  Christin  war :  und 
warum  wolltest  ^w  an  meiner  Treue  zweifeln  ?  Singt. 
So  lang  die  holde  Sonne  wird  mich  und  dich 

bescheinen, 
170  Sollst   du  nie  Ursach  haben,    meine  Untreue 

zu  beweinen. 

Barbara, 
Ich  schreibe. 

Juliana. 

Ich  verbleibe. 


Ganz  frei. 


Barbara. 


Juliana. 


Dir  getreu.  Geht  ab. 

Barbara  schreibt  und  sagt  sodann: 

175  Herr,  erhalte  deinen  Diener  am  Leben,  dass 
ihn  der  Tod  nicht  bevor  übereile,  damit  ich 
auf  diesen  Brief  gleich  die  erwünschte  Antwort 
erhalte.  Versiegelt  den  Brief, 

8* 


ii6 


185 


8.  Auftritt. 


jftdiana  tritt  auf. 
Barbara. 

Nun  gut,  gerade  zu  rechter  Zeit.    Hier  hast  du  den 
180  Brief,  schicke  ihn  doch  durch  eine  vertraute  Person 
uncfesäumt  an  den  bestimmten  Ort  1  Beide  ab. 


'ö^ 


9.  Auftritt. 

Hanszuiirst  singt. 
Hiazt  woas  i  nit,  was  i  werden  soll, 
Wurd  i  a  Herr  oder  gar  a  Narr, 
Oder  bliebet  i  oaner  eh  —  — 

Dö  Herrn,  dö  harn   zwar  a  guate  Sach, 
Sie  müessen  studiren  Tag  und  Nacht, 
Dös  kunnt  i  mein  wahrla  a  nit  thoan. 
Mein  Köpfl  dös  war  ma  als  zu  kloan. 

190  A  Bauer  kunnt  i  a  no  wern, 

Da  brauchet  i  nit  viel  G'wand, 

Do  that  i  mein  Schaf  und  Lämber  schern, 

Draus  machet  i  mir  a  G'wand, 

Verkaufet  allen  Mist  aufs  Best, 
195        Gebet  All's  ums  baare  Geld: 

Da  kunnt  i  a  reicha  Baua  wern, 

War  lusti  in  der  Welt. 

Aber  oans  is,  was  da  Hund  nit  mag, 
Dös  gang  ma  wohl  a  nit  ein, 
200       Dös  Stiften  und  dös  Steuerzahln, 
Dös  sollt  halt  a  nit  sein. 

Da  hoast's  beim  Richter:  gieb  her,  was  d'  hast^ 
Das  Andre  g'hört  Alles  dein  : 
So  mag  i  zan  Teuxel  koa  Bauer  nit  wem, 
205       Wann's  besser  nit  thuat  sein.  J\u/t: 

Herr  Dioscorus  1   —   Herr  Dioscorus ! 


117 

Dioscorus  von  aussen. 
Nun,  was  giebt's  denn? 

Hmiszvuist. 
So    geht   der    Herr    her   da,    ich    hab    mit    den 
Herrn  etwas  zu  reden. 

lO.  Auftritt. 

Dioscorus  tritt  auf. 

2IO       Muss  ich  dir,  oder  sollst  du  mir  nachgehen? 

Hansivurst. 

Wann  ich  schrei,  so  musst  du  mir  nachgehen. 

Dioscorus. 

Sag  nur  bald,    was  dein  Verlangen  ist. 

Hanswurst. 

I  darf  s  ja  nit  sagen,  habn's  mir's  leicht  verboten : 
i  soll  ehenter  nichts  sagen  ,  bis  dass  du  in  einem 
215   guten  Zeichen  bist.   —  Nun,  wie  ist's  denn?    Lasst 
handeln  mit  dir? 

Dioscorus . 

Mache  nur  kurz  dein  Anbringen,  sonst  würdest 
du  mich  in   Harnisch  treiben ! 

IIans7vurst. 

Und  sag  du  mir's  nur  bald,   sonst  machst  mich 
220  glei  harb  a;  bist  heut  in  an  guten  Zeichen? 

Dioscorus. 

Lege    nur    zuvor    die    aufgetragene  Kommission 
ab,  alsdann  wirst  es  schon  vernehmen. 

Hansxvurst. 
So    sag  du  mir's  in  Anfang ,    wie's  du  heut  be- 
schaffen bist,   dann  wirst  du  meine  Kommission  a 
225   glei    hören :    denn   weil   ich    dich  hab  gefragt ,    so 
musst  du  mir  antworten. 

Dioscorus. 
Diesem  Narren  muss  man  schon  etwas  zu  gute 
halten.     So    wisse,    dass    du  heute  Alles  erlangen 


IIÖ 

kannst,  was  nicht  wider  die  Ehre  und  den  Respect 
230   meines  hochadeligen  Hauses  wird  sein. 

Hanstuiwst. 
A    so    ist's    schon    recht ,    hiazt   los   nur :    mich 
hot    a  Mann    beten,    ich    soll   ihm    a   guat's  Wort 
reden    bei    dir,    dass    du    ihm   deine  Tochter  ver- 
heirathen  möchst. 

Dioscorus. 

235        Das    wird    was  Sauberes   sein,    weil  er  dich  zu 
einem  Bidlmann  hat  genommen. 

Hanswurst. 
So,  warum  denn  nit? 


II.   Auftritt. 

Ephebus  tritt  auf. 
Ephebiis  sagt  dem  Hanswurst  etwas  insgeheim  ins  Ohr. 

Hanswurst. 
Sag's  laut  und  schreie  brav ,  zu  Dioscorus  da  los 
zua :    kannst    sehen ,    was    andere    Leut    von    mir 
240  halten. 

Epheb7is. 

Ein  Kavalier    verlangt    mit  Hanswurst   ein  paar 
Worte  zu  sprechen. 

Hanswurt  zu  Dioscorus. 
Hast   du's    g'hört?      Hiazt    tritt    nur    ab  daweil, 
Herr  Patron,  ich  will  bald  fertig  werden  mit  dem 
245   Kerl. 

Dioscorus . 
Siehe,  dass  ich  dir  nichts  abschlage :  ich  gehe, 
thu ,    was    du    willst ;    ich    bin    nur   begierig ,    von 
deiner    bevorstehenden  Verrichtung  bald  etwas  zu 
hören.  Gf^f  ^<^. 


I 


119 

Hanswurst. 
250       Wir  werden  schon  amal  reden,  wann  der  Herr 
Dioscorus  a  Bratl  und  viel  Wein  zahlt  \  zum  Ephebus, 
nun  jetzt  soll  er  nur  geschwind  herein  kommen. 

Ephebus  ab, 

12.  Auftritt. 

Philon  tritt  auf  und  macht  sein   Kompliment. 
Philon. 

Mein  Kompliment  als  gehorsamster  Diener, 
Euer    Excellenz.     Ich    ersuche  Euch ,    durch    Euer 

255  vielvermögendes  Vorwort  bei  der  ausbündig  schönen 
Tochter  des  Dioscorus,  so  viel  zu  respectiren  und 
mich  als  einen  demüthigen  und  getreuesten  Ver- 
ehrer ihrer  unsterblichen  Schönheit  an-  und  auf- 
nehmen   zu    wollen ,    dann    gegen    Ihnen  tragende 

260  Hochachtung  verstattet  mir  nicht,  noch  mehreres 
zu  sagen. 

HansTuurst. 

Ist  auch  nicht  von  Nöthen,  ich  weiss  schon,  was 
d'sagen  willst ,  aber  los :  umsonst  kann  ich  dir 
weiter  keinen  Narren  abgeben.    Was  spendirst  denn  ? 

Philon . 

265       Hansvvurst,  du  weisst,  dass  ich  — 

Hanswurst . 

Nix  da !  Du  hast  mich  in  Anfang  einen  Herrn 
Excellenzen  g'heissen,  kannst  es  schon  noch  thun, 
denn  in  meinem  Titel  bin  ich  heiklich,  besonders 
wenn  ich  allein  bin. 

Philon. 

270  Mein  Herr  Hanswurst,  Ihr  wisset,  dass,  wenn 
ich  einmal  anfange,  ich  kein  Ende  mache  mit  be- 
schenken. 

Hanswurst. 

Aber  keinen  Anfang  kannst  auch  nicht  machen. 


I20 

13-  Auftritt. 

Ephebus  tritt  auf. 
Ein    vornehmer    Kavalier    aus  Alexandria    bittet 
275   sich    die    Ehre    aus,    mit    dem    Herrn    Hanswurst 
reden  zu  können ! 


14.   Auftritt. 

Potinus  tritt  auf. 

Mein  Kompliment ,  Herr  Hanswurst ,  ich  werde 
mich  nicht  betrügen ,  wenn  ich  dem  allgemeinen 
Wahn  nachgehe,  der  da  saget,  dass  der  Herr  den 
280  Schlüssel  zum  Zimmer  der  schönen  Tochter  des 
Dioscorus  habe ;  wird  ihn  der  Herr  verschaffen,  so 
soll  es  dem  Herrn  der  angewendeten  Mühe  nicht 
gereuen. 

Hanswurst. 

Ja,    es  ist  gut.     Wie  ist  es  aber,    wenn  ich  ge- 
285   straft  werde?  —  Habt's  Geld?! 

Potimis. 
Da  muss  der  Herr  gar  nicht  zweifeln  daran. 

ffansivurst. 

Nun,  die  Worte  sind  reich  genug. 

Pili  Ion. 

Auch    bei    mir   ist    kein  Mangel    an  Gold    oder 
Silber.    Auch  ohne  diesem  ist  das  beste  Heirathsgut 
290  die  Schönheit   —    ein    gesunder   Leib  —  und  die 
geraden  (Uieder. 

/fa/iS7C'urst. 

Hast  ja  grade  Glieder,  weil's  d'fast  keine  Wadeln 
hast;  nun  es  bleibt  dabei,  ös  habt's  enk  auf  mich 
gewiss  drauf  zu  verlassen,  aber  spendiren  müsst's 
295  im  Anfang,  das  sag  ich  enk:  ich  wier  enk  schon 
anrecommandiren.  Nur  g'schwind,  g'schwind;  der 
mehrer  giebt,   der  soll  auch  mehrer  gelten. 


j 


I  21 

Potinus, 

Ich  werde  dem  Herrn  ein  Paar  schöne  seidene 
Strumpf  mit  silberen  Zwickeln  verehren. 

Hauswiirst. 
300       Nun,  das  ging  schon  an. 

Philon . 

Ist  wohl  nicht  der  Mühe  werth ;  wann  der  Herr 

dieselben    etliche   mal  getragen  haben ,    dann  sind 

sie  durchlöchert  und  schäbig.     Ich  präsentire  Euch 

etwas  Besseres :  einen  rothen  Pelz,  von  dem  Aus- 

305   schlag  dessen  Unterfutter. 

Hansivurst. 
Ja,  das  ist  recht,  du  hast  gewonnen ! 

Potinus. 

Und    was    wird's  mit  diesem  Pelz  sein?     Trägt 
ihn    der    Herr    kaum    einen  Winter    und    geniesset 
daran  diese  Freud;    im  Sommer  werden  ihn  aber 
310  die  Schaben  verzehren. 

Haiiswtirst. 
Ist  wohl  wahr,   wisst's  ös  was?     Gebt's  ös  mir 
lieber  das  Geld  ,   das  wird  net  lukat ,  und  fressen 
können' s  die  Schaben  auch  nicht. 

Philon. 

Was  ist  es  aber  mit  dem  Geld?    Wie  bald  sind 
315    100  Dukaten  verthan;   hernach  haben's  wiederum 
nichts. 

Hanswurst. 
Nichts  da,  lieber  verthue  ich's,  als  wenn  es  ös 
verthut's ;  es  bleibt  dabei,  Geld  will  ich  haben  1 

15.   Auftritt. 

Ephebus  tritt  auf. 
Ephcbus. 

Vicander    lasset    sich    anfragen ,     ob    der    Herr 
320  seiner   nicht   vergessen   haben,    und   was    Sie   für 


122 

eine  Recommandation  für  ihn  erhalten  haben?  Der- 
gleichen wartet  auch  Davus  mit  Begierde  auf  eine 
vergnügte  Antwort. 

Hansivurst, 
Hiazt  bricht's  aber  nimmer  ab ,   die  Kerl  hab'n 

325  an  als  wie  die  Prem ;  i  möcht  ma  grad  den 
Schädel  zerreissen ,  so  an  Jammer  haben :  und 
ihrer  vier !  —  Da  g'hört  was  dazua.  Ich  lass  ihnen 
sagen,  dass  noch  nichts  geschehen  ist,  und  es  wären 
schon   wieder    andere    da;    wenn  aber  einer  zehn, 

330  der  andere  zwanzig  Dukaten  will  spendiren ,  so 
will  ich  ihnen  schon  ein  gutes  Wort  für  sie  reden. 
Ephebtis  ab.  Wart's,  ich  will  die  Kerle  davon  treiben. 

Potimis. 

Lasst  mich  der  Herr  recommandirt  sein,  ich  gieb 
den  Herrn  zwei  Dutzend  Dukaten. 

Hans'uurst. 

335        Gut,  es  bleibt  dabei,  der  Herr  soll's  haben. 

Pili  Ion. 

Ich  gieb  dir  zwanzig  Dutzend  Dukaten. 

Hans7mirst. 

Thut's  mich  schon  wieder  reizen:    Was  giebst? 

Philon. 

Verzeihe,  die  Begierde  hat  mich  zuviel  übereilt ; 
zwei  Dutzend  Dukaten    gieb  ich  dir  zum  Präsent. 

Hamiütirst. 

340  So  ist's  schon  recht,  du  sollst's  auch  haben.  Nun, 
wo  habt's  denn  das  Geld  ?     Her  damit ! 

Potinus. 
Ich  hab  jetzt  nicht  so  viel  bei  mir. 

Philon. 
Auch  ich  nicht,  ich  werd  es  aber  gleich  schicken. 


123 

Hansiunrst. 
Ist  wahr,   du  hast  nichts  als   grade  Glieder.  — 
345   Weisst  was?    Das  Geld  muss  noch  heute  hier  sein, 
sonst  derft's  enk  nicht  auf  mich  verlassen. 

Potinus. 

Recommandire  mich  der  Herr  allein.      Geht  ab. 

J/ans7uurst. 

Ja,  ja,  das  kann  schon  sein. 

Philon. 
Mich  auch  allein,   so  gieb  ich  mehr.    Geht  ab. 
Hansxuurst. 
350        Kann    schon    sein,    bringt's  das   Geld    nur   her. 
Ha ,  ha ,  das  sind  Kerle ,  als  wie  a  Stück  Segen ; 
bin    völlig    matt    von    lauter    Sprechen    und    Ver- 
sprechen.    Hiazt  wiar  ich  a  gehn  a  wenig  a  Lab- 
nuss  nehmen.  Juhe,  die  Kerle  wiar  ich  anschmieren  ! 

Hüpft  ab. 

Zw^eiter  Aufzug. 

I.   Auftritt. 

Dioscorus  und  yiiliana  treten  auf. 
Dioscorus. 

35  5  Nun,  Juliana,  ich  habe  mich  entschlossen,  einen 
herrlichen  Thurm  zu  erbauen ,  auf  dem  meine 
Tochter  Barbara  einen  bequemen  Verwahrungsort 
habe,  damit  sie  als  eine  aussergewöhnliche  Schön- 
heit   den    menschlichen  Augen    nicht  so  öffentlich 

360  ausgesetzt  ist  und  etwan  von  einem  nicht  Standes 
ebenbürtigen  Liebhaber  kann  entfremdet  werden. 

Juliana. 

Sie   handeln   jedenfalls    sehr  sorgfältig,    so  lang 
die    jungfräuliche    Schönheit    der    Perle    zu    ver- 
gleichen ist    und   am  sichersten  steht,   so  lang  sie 
365  in  der  Muschel  verborgen  bleibt. 


124 

Diosconis. 

Desswegen    hat    es    mich    zu    diesem    ßeschluss 

bewogen,  weil  ich  besorge,  Barbara  möchte  etwan 

durch  das  von  Tag  zu  Tag  anwachsende  Christen- 

thum  und  ihr  beginnendes  Vornehmen  zu  diesem 

370  Christengott  entzogen  werden. 

yuliana. 

Eine  rechte  väterliche  Liebe.  Ich  will  gehen, 
den  väterlichen  Befehl  ihr  zu  unterbringen  und 
selben  zu  vollziehen. 

Dioscorus. 

Aber ,  damit  sie  nicht  betrübt  werde !  Gehet, 
375  ich  will  gleich  nachfolgen.  Juliana  ab.  Wohlge- 
artete Kinder  sind  ja  freilich  eine  Gabe  der  Götter, 
man  will  an  ihnen  nichts  Uebles,  sondern  alles 
Gute  erwarten.  —  Ja,  ja,  Barbara  braucht  eine 
sorgfältige  Beobachtung. 


2.   Auftritt. 

Barbara  tritt  a2if. 

Dioscorus. 

380  Siehe,  meine  Tochter,  ich  werde  dir  zu  deiner 
grösseren  Bequemlichkeit  einen  sehr  schönen, 
herrlichen  Thurm  zur  Wohnung  erbauen  lassen ; 
übrigens  lass  es  dir  angelegen  sein ,  täglich  mein 
Haus   zu   besuchen,    und  die  Schutzgötter  zu  ver- 

385  ehren  mit  schuldigster  Andacht,  und  öfters  von 
dem  wohlriechenden  Weihrauch  auch  zu  opfern, 
auf  dass  sie  meinem  Haus  Heil  und  Wohlfahrt 
bringen   möchten. 

Barbara. 

Ich  sage  Ihnen  für  so  hohe  Gnaden  unendlichen 
390  Dank    und    befehle    micli    zu    ferneren    väterlichen 

Gnaden.  Dioscorus  ab. 


125 


3-  Auftritt. 


Jiiliaiia  tritt  auf. 
Barbara. 

Juliana,  ist  denn  unser  Briefträger  von  Alexan- 
dria noch  nicht  zurückgekommen?  Ach  wie  lang 
verweilet  er  doch. 

Juliana. 

395  Sein  Lauf  ist  weit  langsamer  als  Eure  Begierde, 
Prinzessin :  habet  Geduld,  die  Zeit  wird  in  Kürze 
eurem  Verlangen  grosses  Vergnügen  bringen. 

Barbara, 

Nun  gut,  so  vergönnet  mir,  Juliana,  auf  eine  Zeit 
die  Einsamkeit  zu  gemessen. 

Julia  na. 

400       Ihr  habet  zu  befehlen  und  ich  zu  gehorchen.    Ab, 

Barbara  allein. 
Ich    erkenne    es    gar   wohl ,    dass  die  Absichten 
meines  Vaters    auf  was  anderes  hinzielen ;    er  be- 
sorget  sich    nicht  umsonst  und  irret  sich  nicht  in 
seinem    Wahn ;    der  Christengott    wolle    seine  Ab- 

405  sichten  zu  nichte  machen  und  mich  in  meinem 
Vorhaben  segnen  und  stärken.  Schaut  die  Götzen- 
bilder mit  erziirntejt  Augen  an  uftd  deutet  auf  sie.  Ver- 
flucht seid  ihr  Götzenbilder,  und  verflucht  sind 
auch  diese,  die  euch  verehren  und  anbeten !     Für 

410  diesmal  muss  ich  euch  aus  kindlicher  Ehrfurcht 
gegen  meinen  Vater  noch  verschonen,  sonst  wollt 
ich  euch  in  tausend  Stücke  zerschlagen ;  indessen 
werdet  ihr  mir  schon  die  Rache  auf  eine  andere 
Zeit  borgen  müssen.  Geht  ab. 

4.  Auftritt. 

Hanswurst  und  Vicander  treten  auf. 
Hanswu7'st. 
415       Aber,  Herr  Vicander,  ich  möcht  enk  gern  was 
Heimliches    anvertrauen ,    denn  mein  König  Dies- 


120 

corus  ist  gesinnt,  dem  nächsten  jungen  Herrn  seine 
Prinzessinstochter     zu    verheirathen.      O,     so     be- 
obachten Sie  doch  diesen  Schutz   und  machen  Sie 
420  sich  diese  gute  Gelegenheit  zum  Nutzen. 

Vicander, 
Das    wäre    wohl    werth,    wenn   ich    das    Glück 
sollte   haben,    die  Braut    davon  zu  führen.     Saget 
die  Wahrheit,    kann   ich   mir    wohl  eine  Hoffnung 
machen  ? 

Hanswurst. 
425        Vor    allen    andern,    denn    der  Herr    hat   ja    die 
erforderliche  Grösse. 

Vicander. 
Ei,  was  sagt  Ihr   wohl? 

Hanswurst. 

Bis  in  einer  Stunde  muss  sich  der  Herr  wiederum 
allhier  einfinden. 

Vicander. 

430       Ich  werde  auch  gewiss  kommen. 

Hanswiirst. 

Ist  schon  recht,  —  und  hiazt,  macht's  enk  nur 
g'schwind  aus  dem  Staub,  denn  es  kommt  der 
Dioscorus ,  —  wenn  er  uns  a  so  erwischet  bei- 
sammen,   —    aus    Wär's  um  mich.         Vicander  ab. 

5.   Auftritt. 

Dioscorus  tritt  auf. 
Dioscorus. 

435        ^^'^s  hat  jetzt  hier  jener  Kavalier  so  geheimniss- 
voll mit  dir  abzuhandeln  gehabt? 

Ffans7vurst. 
Nu  ja,  wie  ich  mir's  denkt  hab ;  wenn  er's  hätt' 
haben    wollen ,    dass  du  es  auch  wissen  sollst ,    so 
hätt'  er's  mir  nicht  in  der  Still  gesagt. 


127 


Dioscorus. 


440  Ich  will  und  muss  es  wissen.  Sag  es  nur  bald, 
sonst  komm  ich  dir  in  die  Haar ! 

Hanswursl. 
Oho,  ich  lass  mir's  halt  abschneiden,  bist  heut 
schon  mehr  damisch ;  wannst  harb  bist,  dann  sag 
ich  dir  kein'  Streich. 

Dioscorus. 

445  Noch  zwar  nicht,  aber  wenn  du  nicht  pariren 
willst,  so  wirst  du  mich  zu  einem  gewaltigen  Zorn 
anreizen. 

Hatiswurst. 

Nu ,  nu !  was  kann  denn  ich  dafür ,  wenn  mir 
die  Narren  nachlaufen?    Lasst's  die  Prinzessin  ein- 

450  mal  heirathen.  Herr  Hanswurst,  rede  mir  der 
Herr  ein  gutes  Wort ,  Herr  Hanswurst ,  hat  der 
Herr  auf  mich  keine  Post  abzugeben ,  hat  der 
Herr  meiner  doch  nicht  vergessen?  Das  dauert  den 
ganzen  Tag  so  fort.     Aber  schaut's  her,  das  kann 

45  5  ich  enk  sagen  mit  reinem  Gewissen ,  dass  sie 
von  enk  nie  ein  Wörtel  sagen,  sondern  nur  immer 
von  enkerer  Tochter;  mit  ihr  wären  sie  so  viel 
gern  bekannt. 

Dioscorus. 

Was?     Du    willst   in   dieser    Liebesaffaire   einen 
460  Unterhändler    abgeben!     So  will  ich  dich  prügeln 
lassen,  dass  du  an  mich  denken  wirst. 

Hanswurst, 

Es  halt's  nicht  vornöthen,  das  Prügeln^  ich  kann 
schon  so  auf  enk  denken. 

Dioscorus. 

Ein  rechtschaffner  Bursch,  der  die  Tochter  ver- 
465   langt,    darf  sich    nicht   scheuen,    bei    dem    Vater 
darum  anzuhalten!  Geht  ab. 


128 

Hans7üurst. 

Hm,   hm,  vielleicht  haben' s  mich  für  ihren  Vater 
angeschaut. 

Vicander  von  aussen,  klopft. 
Herr  Hanswurst,  ist  der  Herr  allein  r 
Hans7uurst. 
470       Ja,  ich  bin  ganz  mutterseelen  allein! 

6.  Auftritt. 

Vicander  tritt  auf. 

Vicander. 
Hat  der  Herr  die   10  Dukaten  bekommen? 

Hanswurst. 
O,  halt  ja! 

Vicander. 
Was  hat  mich  nun  zu  trösten  r 

Philon  klopft  von  aussen. 
Hanstourst. 

Eine  kleine  Geduld.     Wer  klopft? 

Philon  von  aussen. 

475        Ist  der  Herr  allein? 

Hanstvurst. 
Ja  freilich! 

7.  Auftritt. 

Philon  tritt  auf. 
Philon. 

Hat  der  Herr  die  20  Dukaten  bekommen? 

Hanswurst. 
Ja,  ja !    richtig,  richtig  ! 


129 

Philon. 
Wie    steht    es    mit    meinen    Sachen?     Hat    mir 
480  der  Herr  etwas   zu  sagen?  Potinus  klopft. 

Hanswurst. 

Eine  kleine  Geduld.     Wer  kloptt? 

Potinus  von  aussen. 

Ist  der  Herr  allein  ? 

Hanswurst. 
Ja  freilich. 

8.  Auftritt. 

Potinus  tritt  auf, 
Potinus. 

Hat   der    Herr   die    zwei   Dutzend  Dukaten   be- 
485  kommen? 

Hanswurst. 

Ja,    ja.      Ich    bin    redlich    von    allen    bezahlt 
worden. 

Potinus. 

Haben    Sie     mein    Kompliment    der    Prinzessin 
unterbracht  ? 

Hansvjurst. 
490       Ja,  halt  ja. 

Potinus. 

Um  was  für  Zeit? 

Hanswt(yst. 
Auf  die  Nacht,  als  sie  ist  schlafen  gegangen. 

Potinus. 

Und  was  hat  sie  denn  gesagt? 

Hanswtirst. 
Dass  sie  will  schlafen  gehen. 

Potinus, 

495       Sonst  nichts?    Haben  Sie  nicht  erlangt,  was  ich 
wünsche  ? 

Volksschauspiele.    II.  9 


I30 

Hanszmirst. 

O  ja  freilich,  und  g'freut  hat  sie  sich,  dass  so 
brave  Herrn  seid's;  sie  wird  gleich  kemma,  den 
Augenschein    einnehmen,    welcher  ihr  zum  besten 

500  wird  gefallen:  besonders  hat  sie  g'sagt,  ist  sie 
neugierig,  um  denselben  schönen  Herrn  zu  sehen. 
—  Jetzt  bleibt's  daweil  da  stehen,  wenn  aber  der 
Dioscorus  sollt  kemma,  so  lauft's,  was  laufen 
könnt's ,   denn  er  hat  sich  verschworen ,    wenn  er 

505  einen  erwischt,  so  will  er  ihn  zu  Tod  prügeln 
lassen.  —  Ich  will  ihr's  jetzt  sagen  gehen ,  dass 
schon  da  seid's.  Ab. 

Philon. 

Diese     Stunde     wird     endlich     den    Ausspruch 
machen ,    welcher    von    uns    die    Braut   darf  nach 
510  Hause  führen. 

Vikander. 

Ich  wollt'  es  niemand  lieber  vergönnen,  als  mir 
selbst. 

Potinus. 

Und  ich  würd  es  niemandem  neidig  sein,  als 
euch  beiden. 

Vikander. 

5  I  5       Einer  von  uns  wird's  doch  sein,  mithin  hab  ich 
grosse  Hochachtung. 

Potimis. 

So  vergönnt  mir  doch  auch  einen  Platz  zu 
nehmen. 

Philon. 

Der  Herr  wird  aber  nicht  wissen,  aus  welchem 
520  Grunde  wir  hier  sind. 

Potintis. 

Und  Sie  werden  es  vielleicht  nicht  errathen, 
warum  ich  hieher  kommen. 


131 

Vika7ider, 

Will  der  Herr  nicht  die  Musterung  passiren? 

Potinus. 

Dieses  und  nichts  anderes. 

Vikander. 
525        Ich  sorge,  der  Herr  irret  sich;  ich  will  die  Wahr- 
heit sagen,  es  ist  ein  grosser  Preis  ausgesetzt,  für 
denjenigen,  der  am  besten  tanzen  kann. 

Phil 071. 

Ich  will  indessen  nichts  melden,  das  Werk  wird 
den  Meister  loben. 

Vikander, 

530  Aber  schlecht  genug:  mir  hat  ein  gewisses 
Mädel  erzählet,  dass  sie  bei  einem  Tanz  den 
Herren  ziemlich  schwer  hat  ziehen  müssen. 

9.  Auftritt. 

Hanswurst  kommt  als  Frauenzimmer  verkleidet. 
Welcher  von  euch  verlanget,  der  Besitzer  meines 

Herzens    zu   sein  ?         Macht  bei  jedem  ein  Ko7tiplime7it. 
Philon. 

535        O,  schönste  Prinzessin! 

Poti7zus. 

Ich,  mein  Engelskind! 

Vikander. 

O,  vollkommenste  Gebieterin  meiner  Seele! 

Potinus. 

Vergönnt  uns ,    Prinzessin,   die  Schönheit  Eures 
Angesichtes  zu  bewundern. 

Hanszuiirst, 
540       Eine    kleine    Geduld,    der   Prinz    mit    dem    ge- 
sunden Leib  und  graden  Gliedern  reichet  mir  seine 
Hand. 

9* 


132 

Fh'lo7i. 
O,  ich  UeberglÜckseliger!  SchatU  ihn  recht  an  und 
reisst  ihm  das  Tuch  vom  Munde  zueg ,  zieht  sodann  den 
Degen  heraus.  Was  ist  das !  —  Hanswiirst !  — 
545  Willst  du  uns  für  Narren  halten?  Gleich  giebst  du 
mir  mein  Geld  zurück,  oder  ich  ermorde  dich. 
Hanswurst  zieht  auch  seinen  Säbel  und  vertheidigt  sich. 

Potiniis. 

Ich  stoss  dir  die  Klinge  durch  den  Leib  I 
Vikander  zieht  atich  den  Degen. 

Auch   mein  Geld   her,    sonst   muss   deine  Seele 
auf  diesem  Spitz  tanzen. 

lO.  Auftritt. 

Dioscorus   kotmnt  eilig;  die  drei  Kavaliere  laufen  ab. 
Hanswurst . 

550       Gelt's,    ÖS   könnt's  fliehen  mit  enkern  Messern: 
geht's   her  da,  wenns  Kuraschi  habt's ! 

Dioscorus. 

Was  ist  das  für  ein  Geschrei,  du  Bestie  1 

Hans7uurst. 

Ja,  —  ja,    —   ich  will's  gleich  sagen:    es  sind 
drei  dagewesen,  die  hätten  gern  enkere  —  enkere 
555  Tochter  gehabt,  und  so  hab  ich  s'   ein  wenig  ab- 
gerichtet, wie  sie  es  machen  sollen. 

Dioscorus. 
Wer  hat  dir  solches  befohlen? 
Hansiüurst. 

Ja,  diese  drei,  die  jetzt  davongelaufen  sind. 

Dioscorus. 
Unterstehe  dich  noch  einmal ,    etwas   solches  zu 
560  probiren,  dann  werd  ich  dich  — 

Hansxvurst. 
Ja  Schlag,    die    hätt    ich   ehender   schon    haben 
können,  wenn  ich  hätt  wollen  ! 


^3S 

Dioscoi'us. 

Jetzt  geh  und  entkleide  dich,  dann  kommst  du 
zu  mirl 

Hanswurst. 
565       Ja,  ja,  ich  geh  schon!     Bin  froh,  dass  ich  mit 
heiler  Haut  durchkommen  bin.  Beide  ab. 

11.  Auftritt. 

Juliana  laid  Barbara  treten  auf. 
Juliana. 

Nun    wird    Euer  Verlangen    und    Begierde    zum 

Vergnügen     erfüllet     werden ,     der    Bote     ist    von 

Alexandria  mit  Briefen   zurückgekommen    und  mit 

570  ihm    ein    weiser  Mann  Gottes ,    welcher  mit  Euch 

zu  sprechen  wünscht. 

Barbara. 

Lasset  ihn  gleich  zu  mir  hereinkommen ! 

jfuliana  geht  ab, 

12.  Auftritt. 

Bote  tind  Valenti?ius  treten  ein. 
Bote. 
Nun  bin  ich  hier  mit  dem  fremden  Mann  von  Ori- 
gines ;  er  ist  ein  Diener  des  wahren  Christengottes 
575  und  lasset  Euch  durch  mich  begrüssen :  hier  habt 
Ihr  einen  Brief  von  seiner  eigenen  Hand  geschrieben, 
zur  Empfangnahme.  Geht  ab. 

Barbara  erbricht  den  Brief  und  liest  ihn. 

Ja,  ja,  ich  glaube  Alles.  O,  was  für  einen 
süssen  Trost  fühlet  mein  Herz ,  o  wie  liebreich 
580  ist  der  Christengott!  Ach,  hätt  ich  dich  schon 
längst  erkannt !  —  Siehe ,  mein  Gott ,  kniet  nieder, 
hier  liegt  vor  deiner  Majestät  dein  Geschöpf, 
welches  du  so  theuer  erlöst  hast;  an  dich  glaube 
ich  — ,  dich  liebe  ich,  von  dir  hoffe  ich  Verzeihung 


134 

585  meiner  Sünden  und  bitte  um  das  ewige  Leben  : 
in  dein  Gesetz  gebe  ich  mich  ewig  gefangen,  denn 
ich  verfluche  jetzt  allen  Götzendienst  und  bin  be- 
reit, Alles  auszustehen,  ja  den  Tod  selbst  zu  er- 
leiden !     steht  atif.      Euch,  o  theurer  Mann  Gottes, 

590  übergebe  ich  mich  gänzlich,  vollziehet  an  mir, 
was  Gott  will  und  ihm  gefällig  ist,  machet  mich 
nur  bald  fähig,  dass  ich  mit  dem  heiligen  Glauben 
bald  kann  einig  werden. 

Valentinus, 
Nun ,    wenn    es    Euer    Ernst  ist ,    so    lasset   uns 
595   Gott    bitten,    dass   er    das  Gnadenlicht,    so   er   in 
unseren  Herzen  angezündet  hat,  sammt  dem  heili- 
gen  Eifer    erhelle,    um    unser   Vornehmen    zu    er- 
füllen.   —    Doch    muss    ich    Euch    zuvor    unter- 
weisen ,    was    einem  Christen   nothwendig   ist ,    zu 
600  wissen  und  zu  glauben. 

Barbara. 
Thuet ,    was   nur    Pflicht   erfordert ,    ich    bin   zu 
Allem  bereit. 

13.   Auftritt. 

Dioscorus  und  Ephebus  treten  auf. 
Dioscorus  zu    Valentinus . 

Was  wollt  Ihr,  mein  Freund,  und  was  hat  Euch 
hieher  bewogen? 

Barbara. 

605  Es  ist  ein  in  der  Arzneikunst  sehr  berühmter 
und  vortrefflicher  Mann  von  Alexandria,  welcher 
viel  erfahrener  ist  als  andere  Aerzte,  darum  nicht 
allein  den  Leib ,  sondern  auch  die  Seele  weiss  zu 
heilen. 

Dioscorus. 

610  Nun  so  lasset  Euch  die  Wohlfahrt  meiner 
Tochter    angelegen    sein    und    besuchet  sie  so  oft. 


135 

als     Euch     beliebt.       Valentinns  tind  Barbara  ab.       Ich 

möchte  gern  meine  Tochter  den  menschHchen 
Augen  zu  entziehen  trachten,  um  ihr  erwachendes 
6 1 5  Verlangen  zu  verhindern ,  da  ich  zweifle ,  ob  sie 
noch  den  Göttern  ihr  Opfer  verrichtet,  denn  wie 
mir  scheinet,  so  steckt  der  Christengott  in  ihrem 
Herzen. 

Ephcbiis. 

O,  welches  Herz  könnte  wohl  so  unempfindlich 
620  sein,    das    sich    nicht    nach    einer    so    unglaubHch 
schönen  Leibesgestalt,    der   da    so  grosser  Ueber- 
fluss  zeithcher  Güter  gesellet  ist,  sehnen  sollte. 

Dioscorus. 

Nächster  Tage    werde   ich   sie  befragen ,    ob  sie 
Lust  hat,    sich  in  eheHche  Verbindung  einzulassen 
625   oder   nicht.  Beide  ab. 

14.  Auftritt. 

Barbara  und  Valentinus  treten  auf. 
Barbara . 

Ich  danke  Euch,  freundlicher  Mann ,  für  Euere 
so  grossen  Dienstbezeugungen,  Gott  wolle  im 
Namen  meiner  Zahler  sein. 

Valentinus. 
Er  wird  es  auch  sein,  wie  ich  hoffe.     Wisset  Ihr 
630  aber    auch  ,    was  für  ein  Nutzen  Euch  bei  diesem 
heihgen  Glauben  ist  zugewachsen? 

Barbara. 

Ich  will  es  hören. 

Valentinus. 

Neben   dem,    dass  Ihr    durch    diesen   von  allen 

Sünden  gereinigt  werdet,  seid  Ihr  schon  unter  die 

635  Zahl  der  Kinder  Gottes  gezählet  und  habt  mithin 

den  Anspruch  an  den  Himmel,  Euch  zu  erfreuen ; 

überdies  hat  sich  Gott  durch  seine  heiligmachende 


136 

Gnade  und  durch  den  Glauben  mit  Euch  vermählt ; 
nun    werdet  Ihr   eine   auserwählte    Seele    Himmels 
640  und  der  Erde. 

Barbara . 

Er   soll   auch    meiner  Seele    ein  Bräutigam    ver- 
bleiben, hier  und  dorten. 

Valentinus, 

Gott   ist   aber  gar  eifersüchtig,    er  verlangt  das 
Herz  allein  zu  besitzen  und  will  neben  sich  keinem 
645   anderen  Liebhaber  einen  Platz  darin  verstatten. 

Barbara. 

Ihm  ganz  allein  soll  mein   Herz  gewidmet  sein. 

V^alentinus. 
Habt  Ihr  ihm  das  Herz  geschenkt,  so  versprecht 
ihm  auch  Euren  Leib. 

Barbara. 

Ihr  wollt  sagen,  mein  Leben? 
Valentinus. 
650       Nein,  sondern  ihm  zu  Lieb  gelobet,  ihm  eine  ewige 
Jungfrauenschaft  zu  erhalten;  dieses  ist  der  grösste 
Brautschatz    und   das    angenehmste  Opfer,    so  Ihr 
geben  könnet. 

Barbara. 

Von    ganzem   Herzen    gern ,    räth    dieses    mein 

655   Valentinus  anstatt  Gottes ;  von  diesem  Vorsatz  soll 

mich  weder  die  Hölle,  noch  aller  Tyrannen  Macht 

abwenden;    wisset    Ihr   noch    was   Mehreres,    soll 

es  auch  vielleicht  das  Leben  kosten? 

Valentinus. 

Gott  dem  Höchsten  danke  ich  über  Alles,  was 
660  er  an  Euch  gewirket  hat:  er  wolle  Euren  Willen 
segnen  und  in  allem  Guten  bis  ans  Ende  verharren 
lassen ,  denn  im  Uebrigen  machet  Euch  gefasst, 
Ihr  werdet  viele  Drangsalen  um  Christi  Willen 
leiden  müssen.  Adje,  lebet  wohl,  ich  muss 
665   meine  Reise  wieder  weiter  machen.      Valentinus  ab. 


^37 

Barbara, 
Adje,  lebet  wohl,  guter  Freund.  —  Jetzt  ist  er 
fort,  nun  bin  ich  mit  der  Gnade  Gottes  erfüllt, 
und  mit  dem  Glauben  gestärkt ;  jetzt  getrau  ich 
mich  auch  der  Hölle  sammt  allen  ihrem  Ge- 
670  schwader  einen  Trutz  zu  bieten:  ich  bin  darauf 
gefasst ! 

15.   Auftritt. 

Dioscorns  tritt  auf. 

Dioscorus, 
Nun,  meine  liebste  Tochter,  deine  Willfähigkeit, 
so    ich   jederzeit   an    dir    verspüre,  meine    Befehle 
zu  vollziehen,  giebt  mir  den  Trost,  dass  du  dich 
675   meinem    Verlangen     und    Absehen    nicht     wider- 
setzen wirst. 

Barbara. 
Und  'in  was  solle  dieses  geschehen? 

Dioscorus. 
In    dem :    wenn    du    durch    eheliche  Verbindung 
mit    dem    fürstlichen    Prinzen  Aniketo    mein  Alter 

680  trösten  und  mein  zum  Falle  geneigtes,  hochadeliges 
Haus  unterstützen  wollest.  —  Was  sagst  du  nun 
dazu?  Barbara  wendet  sich  ab,  schlägt  die  Häfide  zu- 

sammen.    Ha !     Ich    weiss    schon ,    was    dein    Still- 
schweigen   bedeutet ,    Schamröthe  verbietet  dir  es, 

685  mit  deinem  Vater  zu  sprechen!  Doch  wisse  es, 
dass  ich  dich  wirklich  dem  Prinzen  Aniketo  zur 
Ehe  zu  geben  versprochen  habe ,  und  mich  dann 
gänzlich  vorsehe;  du  wirst  mir  diesmal  Gehorsam 
leisten;  zu  was  verschliessest  du  dich  also? 

Barbara. 

690  Weder  Sie,  mein  Herr  Vater,  werden  es  für 
einen  Ungehorsam  noch  Aniketo  es  übel  nehmen, 
wenn  ich  für  diesmal  keinen  Gehorsam  leisten 
kann,     denn    ich    bin    schon    vermählt.      Gott    ist 


138 

mein  Bräutigam,    ich    werde  mich  nicht  mehr  mit 
695   einem  Anderen  vermählen  lassen. 

Dioscorus. 

Wo  denkst  du  hin,  du  Unbesonnene !  Bedenke 
doch  mit  rechtem  Ernst,  das  Gute  und  das  Böse, 
so  du  aus  diesem  zu  erwarten  hast. 

Barbara. 

Ich  liebe  meinen  Gott  und  hasse  deine  Götter! 
700  Für  diesen  bin  ich  bereit,  meinen  I.eib  und  Leben 
einzusetzen. 

Dioscorus. 

O,  ich  unglückseHger  Vater!    Was,  Barbara,  du 
verachtest    unsere  Götter    und   betest  einen  kreuz- 
gehängten Menschen  an  ?    Was,  meine  Tochter  soll 
705  eine  Christin  sein? 

Barbara. 

Ja,  ja,  von  ganzem  Herzen!  Geht  ab. 

Dioscorus, 

Was  für  eine  Höllenbrut  hat  dich  dazu  be- 
zaubert? 

16.   Auftritt. 

Alinister  tritt  bei  den  letzten    Worten  auf. 
Minister. 
Euere  Durchlaucht,  halten  Sie's  doch  dieses  Mal» 
7  I  o  ihrer  Jugend  zu  guten ;    es  war  nur  eine  Wirkung 
eines  unzeitigen  Eifers,  die  Hochschätzung,  so  ich 
sehe  von  den  Christen  Gottheiten,  hat  noch  nicht 
so  tiefe  Wurzel  gefasst,  als  dass  es  vielleicht  nicht 
mehr  zu  helfen  wäre;  diesen  ersten  Fehler  wollen 
7 1 5   Sie     ihr    nachlassen     und    künftighin    alles     Gute 
hoffen. 

Dioscorus. 

Nun  so  sei  es,  für  diesmal  werde  ich  noch  den 
gelinden  Weg  gehen.     Ich  weiss  mich  wohl  zu  be- 


139 

sinnen  ,  dass  Barbara  eine  Begierde  zu  dem  ver- 
720  sprochenen  Thurm  hat  verspüren  lassen.  Rufet  den 
Baumeister.  Minister  geht  ab.  Ich  wünsche  ihr 
doch  in  Allem  zu  willfahren .  Wenn  ich  nur  wüsste, 
durch  was  sie  zu  erheitern  wäre! 

17.   Auftritt. 

Der  Baumeister  tritt  auf. 
Baumeister. 
Mein  Kompliment :  was  befehlen  Euere  fürstliche 
725   Gnaden? 

Dioscorus. 
Ich  befehle  Euch ,  dass  Ihr  für  meine  Tochter 
Barbara  einen  sehr  schönen  Thurm  zu  einer 
Wohnung  aufbaut;  befleisset  Euch,  denselben  nach 
Möglichkeit  mit  schöner  Malerei  und  Figuren  auf 
730  das  Künstlichste  auszuführen.  —  Und  in  ihrem 
Wohnzimmer  verlange  ich  aber  nicht  mehr  als 
zwei  Fenster,  eines  gegen  Mittag  und  das  andere 
gegen  Mitternacht. 

Baumeister. 

Es     soll    Alles    mit    möglichstem    Fleiss     nach 
735  Eurem  Befehl  ausgeführt  werden. 


Dritter  Aufzug. 

I.  Auftritt. 

Barbara  und  ytiUana  treten  auf. 
Barbara. 

Was  giebt's  Gutes,  meine  Juliana? 

yuliana. 

Bei    aller  so  grossen  Hochachtung  ereignet  sich 
bald   etwas  Seltsames. 


140 

Barbara . 

Weisst  du  es,  dass  ich  eine  Braut  bin,  und  dass 
740  ich    meinem  Herrn  Vater    wider    sein  Wissen  und 
Willen    einem    sehr    schönen ,    vornehmen  Prinzen 
anvertraut  bin? 

JuViana. 

Sparet   Eure  Worte ,    meine  Prinzessin ,    mir    ist 
Alles     bewusst,    der    ganze   Hof  ist   wegen    Eurer 
745   Kaltsinnigkeit  sehr  bestürzt  und  verwirrt. 

Barbara. 
Und  ich  allein  bin  ruhig  und  getrost.  O,  was 
für  eine  Liebe  zu  meinem  Gott  ich  habe,  welcher 
bisher  in  der  Stille  mein  treues  Herz  ernährt  hat! 
O  könnt'  ich  es  wünschen,  dass  auch  dir  ein 
750  kleiner  Funke  der  göttlichen  Liebe  aufs  Herz 
fallen  möchte,  meine  Juliana  ! 

yiiUana. 

Die  Verliebten  scherzen  halt  gern;  ich  wünsche 
vielmehr,  dass  Eure  Liebesbrunst  sich  auf  den 
schönen  Prinzen  Aniketo  ausbreite. 

Barbara. 

755  Seitdem  die  Schönheit  meines  Schöpfers  mein 
Herz  eingenommen  hat,  ekelt  mir  vor  der  Schön- 
heit der  Geschöpfe. 

Juliana. 

Ihr  liebet  und  verachtet  beides,  was  Ihr  noch 
niemals  gesehen  habt :  und  dass  nur  Euer  Christen- 

760  gott  schön  ist,  wie  Ihr  sagt,  das  weiss  ich  nicht, 
ich  hab  ihn  noch  nie  gesehen ;  aber  von  dem 
Prinzen  kann  ich  es  wohl  sagen ,  dass  er  schön 
sei  und  die  Holdseligkeit  werth  sei ,  weil  die 
schönsten    und    durchlauchtigsten    Damen    von  der 

765  ganzen  Welt  ihn  vor  Schönheit  lieben  können, 
und  wer  weiss ,  was  Ihr ,  meine  Prinzessin,  thätet, 
wenn  Ihr  ilm  nur  einmal  sehen  würdet. 


141 

Barbara. 
Gott  hat  mir  einmal  das  Herz  für  lebende  Ge- 
stalten abgenommen,  so  dass  ich  ausser  ihm  nichts 
770  mehr  lieben  kann. 

Juliäna. 
O  Herz ,   härter    als    Stahel    und  Felsen !     Ani- 
keto,  ein  so  mächtiger  Herr,  und  soll  Eurer  Liebe 
sogar  nicht  werth  sein. 

Barbara. 
Meine  Freundin,  du  bemühst  dich  umsonst,  ich 
775  kann  und  will  Jenen  nicht  lieben,  der  ein  Götzen- 
diener,    und    mithin    kein    Freund     des    wahren 
Christengottes  ist. 

jfuliana. 
Wie  wäre  es  aber,  wenn  ich  von  Eurem  Herrn 
Vater  Befehl  brächte,  wegen  des  Prinzen  Aniketo 
780  bei  Euch  das  Wort  zu  reden;  bedenket  Euch  und 
stellet  Euch  den  Werth  vor  die  Augen  eines  so 
theuren  Prinzen  und  die  Straf  Eures  hocher- 
zürnten Vaters  ! 

Barbara  hitzig. 
Juhana !  —  Ihr  vollziehet  den  Befehl ,  und  ich 
785  beobachte  meine  Pflicht.  —  Dem  Vater  ist  der 
Entschluss  meines  Herzens  schon  lange  bewusst, 
und  bei  diesem  wird  es  auch  verbleiben.  —  — 
Wird  ohnmächtig.  Ach ,  was  für  eine  Schwachheit 
überfällt  meinen  Geist.  Lehnt  sich  auf  den  Sessel 
zurück  und  schläft, 

Juliana  singt. 

790  Ruhe,  schlafe  sanft,  mein  Kind: 

Süsser  Traum  dir  wohl  vorstellt, 
Was  ich  wünsch',  dass  dir  erwählt; 
Ruhe,  schlafe  sanft,  mein  Kind. 
Juliana  bläst  das  Licht  aus  und  geht  ab. 


142 

2.  Auftritt. 

Ein  Engel  erscheint. 

Envel, 

Barbara !    Weil  du  dich  nicht  scheuest ,    deinen 
795   Gott   ernsthaft  zu  bekennen,    so  sollst  du   wissen, 
dass  er  dich  zu  seiner  Braut  hat  auserwählt :  dar- 
um   sendet    mich   Gott    mit  diesem   Zweig ;    steckt 

ihr  den   Zweig   in  die  Hand    dies     SoU     dir     ZU     einem 

Beispiel  dienen,  welcher  für  dich  gelitten  hat. 

Geht  ab. 
Barbara. 

800  Wer  hat  mir  mein  Vergnügen  genommen?  Wo 
ist  mein  Geliebter  hin  geflohen  ?  —  Ich  weiss 
nicht,  schlafe  oder  wache  ich!  Nun,  es  sei  wie 
es  will ,  ich  bin  einmal  bereit ,  alles  Leid  zu  er- 
dulden.  —  Ich  bin  eine  Dienerin  des  Herrn,  mir 

805   geschehe  nach  seinem  Wort! 


3.  Auftritt. 

yuliana  tritt  atif. 
Juliana. 

Ich    wünsche    wohl    geruht    zu    haben ,     meine 
Prinzessin. 

Barbara. 
Wenn  mein  Traum  sollte  wahr  werden,  so  wirst 
du  von  mir  in  Kürze  etwas  Seltsames  hören. 

Juliana. 

IG       O,  dass  mein  Wunsch  wahr  würde  I 

Barbara. 

Juliana,    gehen    wir,    um    den    Thurm    zu   be- 
suchen. Beide  ab. 


M3 

Veriuandlufig. 
Darstellung  des  Thurmes. 

4.  Auftritt. 

Baumeistery   zwei  Matirer,  Barbara  und  yuliana  treten  auf. 
Barbara. 

Vergönnet  uns,  Eure  Arbeit  zu  besichtigen. 

Baumeister. 
O  ja.     Macht  sein  Kompliment.    Wenn   ich   die  Ehre 
815   habe  —  — 

Barbara. 
Nun,    es    ist  Alles    gar    schön    geschmückt  und 
artig  hergebaut. 

Baumeister. 
Euer  Durchlaucht,  belieben  Sie  nur,  also  zu 
sprechen :  wissen  Sie  noch  einen  Fehler,  der  ver- 
820  bessert  werden  kann,  so  belieben  Sie  mir  denselben 
zu  entdecken;  ich  werde  es  mir  nicht  für  eine 
geringe  Ehre  schätzen,  unter  einer  so  vortrefflichen 
Meisterin  gelernt  zu  haben. 

Barbara. 
Von    einem  Fehler    weiss    ich   nichts ,    aber  zur 
825   grösseren  Bequemlichkeit    wollet  Ihr  nur  zwischen 
diesen  zwei  Fenstern  noch  eines  einsetzen. 

Baumeister, 
Sie    verzeihen ,    dieses  getraue  ich  mir  nicht  zu 
thun ,    denn    es   wäre  gegen  den  Befehl  des  fürst- 
lichen Herrn  Vaters. 

Barbara. 
830       Gehorchet    nur    mir ,    Ihr    habt    nichts    zu    be- 
fürchten ;  ich  nehm  die  Schuld  auf  mich,  und  ich 
werde     schon    Rechenschaft    geben.    Macht  auf  die 
Seite  gewendet   drei   Kreuze  in  die   Wand. 

Baumeister. 
Fürstin,  was  soll  dieses  Zeichen  sagen? 


144 

Barbara. 

Dieses    ist    das    Zeichen    unseres    Heils ,    durch 
835   ^yelches  wir  erlöset  worden  sind. 

Baiuneister. 
Ist    das    wohl    möglich ,    dass    Ihr    den    harten 
Marmor  wie  das  weiche  Wachs  traktirt? 

Barbara, 

Jenen,    die    an    das    Christenthum    glauben,    ist 

Alles    möglich.    Nun    hört    mich,    dass  Ihr    dieses 

840  vor  Ankunft  meines  Herrn  Vaters  zu  Stande  bringet. 

Barbara  und  yuliana  ab. 
Erster  Geselle. 
Meister,    ein'    solch    wunderbare  Hand   hab  ich 
noch  nie  gesehen. 

Zweiter  Geselle. 
Ja ,    Kamerad  ,    dieweil    ich  Gesell  bin ,    ist  mir 
solches  noch  niemals  begegnet. 

Baumeister. 
845       Ja ,    meine   lieben    Leute ,    ich    glaube   es    euch, 
denn    es    macht    mich    selbst    zu    meiner    grössten 
Verwunderung    staunen.      Nun    machet,    dass    das 
mittlere  Fenster  bald  zu  Stande  kommt. 

Beide  Gesellen. 
Meister,  wir  werden's  gleich  in  Ordnung  stellen. 

Alle  ab. 

5.   Auftritt. 

Venuandhmg. 

Die  Götzenbilder  zverden  aufgestellt. 

Barbara  lehnt  beobachtend  an  einem  Sessel. 

Es  lässt  sich  unter  Donner  und  Blitz  eine  Stimme  hören. 

Stimme. 

850       Ich  bin  dein  Herr  und  Gott,  du  sollst  dir  kein 

geschnitztes  Bild  machen,  dass  du  es  anbetest. 


145 

Barbara  stehet  auf  luid  7uirft  die   Götzenbilder  wn. 
Verflucht  seid  ihr  Götzenbilder  und  verflucht  sind 
Alle,  die  euch  verehren  und  solche  machen  müssen  1 
O,  ihr  armen  Götter,  ihr  habt  Augen  und  sehet  diese 

855  Unbilden  nicht,  ihr  habt  Ohren,  und  höret  meine 
Lästerung  nicht,  ihr  habt  Hände,  und  könnt  diesen 
Verräther  nicht  bestrafen,  ihr  seid  Götter,  und 
lasset  euch  von  einem  schwachen  Weibsbild  be- 
schimpfen.    O,  armselige  Götter!  —  Aber  Barbara, 

860  was  hast  du  gethanl  Glaubst  du  vielleicht,  dass  dir 
dein  Herr  Vater  diesen  vermessenen  Fehler  gleich 
wie  den  ersten  nachsehen  wird?  Nichts  Minderes 
als  dieses ,  ich  wünsche  es  auch  nicht.  O ,  hilf 
mir ,  Gott,  liebster  Heiland,  und  erlöse  mich  \  um 

865  deines  Namens  Ehre  hoffe  ich,  ich  werde  nicht  zu 
Schanden  werden  in  Ewigkeit.  Geht  ab, 

6.  Auftritt. 

Vertu  and  hing. 

Der   Thurm  mit  drei  Fenstern. 

Dioscorus,  Baumeister  und  die  zwei  Maurer. 

Dioscorus. 
Warum    habt    Ihr    wider    meinen    Befehl    drei 
Fenster    gemacht  und  diese  drei  Kreuze  hier  ein- 
gehauet? 

Baumeister. 
870  Euere  Durchlaucht,  Sie  wollen  uns  dieses  nicht 
für  ungnädig  nehmen,  wir  haben  hier  eben  nur  der 
Jungfrau  Tochter  Gehorsam  geleistet,  welche  uns 
befohlen  hat ,  neben  diesen  zwei  Fenstern  das 
dritte  hinzusetzen,  die  Kreuzlein  aber  hat  sie  selbst 
875  zu  unserer  grössten  Verwunderung  mitten  in  den 
Marmor  eingedrückt. 

Dioscorus. 

Was  I      Barbara    hat    dieses    gethan  ?     Sie    soll 
bald  erscheinen !    Baumeister  ab.     So  sind  denn  alle 

Volksschauspiele.     II.  lO 


146 

meine  Anschläge  zu  Wasser  geworden ;   allen  An- 
880  zeichen    nach    hat    meine    Tochter    dem    Christen- 
thum  beigepflichtet! 

7.   Auftritt. 

Barbara  und  der  Baumeister  treten  auf. 

Dioscorus, 
Sage  mir,  warum  hast  du  wider  meinen  Befehl 
verordnet ,    dass    die    Maurer    das    dritte    Fenster 
verfertigen  mussten? 

Barbara. 
885       Ja,  ich  hab  es  also  verordnet,  denn  es  hat  sich 
also  geziemet,  und  ist  auch  ganz  recht  geschehen. 

Dioscorus. 
Wie?    Und  aus  was  für  Ursache  soll  dieses  ge- 
schehen sein? 

Barbara, 

Es  ist  ja  die  dritte  von  der  andern  Zahl  unter- 
890  schieden. 

Dioscorus. 
Was  willst  du  durch  so  seltsame  Worte  verstehen  ? 

Barbara . 

Merke  auf,  mein  Herr  Vater,  und  du  wirst  die 
Sache  bald  verstehen :  ich  habe  zu  Ehren  des  drei- 
einigen   Gottes ,    dem    Vater ,    Sohn    und    heiligen 

895  Geist  drei  Fenster  machen  lassen;  weil  aber  die 
zweite  Person  aus  diesen  dreien  für  uns  ist  Mensch 
geworden  und  am  Kreuzstamme  uns  erlöset  hat, 
so  hab  ich  auch  diesen,  meinen  Erlöser,  zum 
Bräutigam  meiner    Seele    auserwählt,    und   diesem 

900  habe  ich  meine  jungfräuliche  und  unzerbrochene 
Treue  angelobet. 

Dioscorus. 
Bist  du  denn  eine  Christin? 


147 

Barbara. 
Ich  danke  dem  wahren  Gott,  dass  er  mich 
zum  wahren  Glauben  gebracht  hat  und  mir  die 
905  Falschheit  der  heidnischen  Götter  zu  erkennen 
gegeben  hat ;  darum  hab  ich  eure  Götzenbilder 
zerschlagen,  auf  dass  sie  es  sehen  sollen,  was  für 
armselige  Götter  sie  haben,  welche  sich  nicht  ein- 
mal gegen  einer  Magd  wehren  können.       Geht  ab. 

Dioscorus. 

910        O,  ihr  grossen  Götter !    Ihr  höret  diese  Lästerung, 

und  warum  strafet  ihr  sie  nicht?  Geht  ab. 


8.  Auftritt. 

Juliana  tritt  auf. 
Ach,    in    was    für    elende    Verwirrung    hat   die 
grosse  Zuneigung  unsrer  Prinzessin  für  die  Christen- 
heit   den    ganzen  Hof  gestürzet ;    Dioscorus    raset 
915   vor  Zorn  und  ist  mit  Fluch  umgeben. 

9.  Auftritt. 

Dioscorus  tritt  auf. 

Dioscorus  wüthend. 

Wisset  Ihr    nicht,    wo   meine  Tochter    sich  ver- 
borgen hat? 

yuliana. 
Den  Ort  weiss  ich  nicht  zu  benennen,  aber  so 
viel  weiss  ich,    dass  sie  dem  erzürnten  Angesicht 
920  ihres    Vaters    zu    entgehen    vom    Hof   hinweg   ge- 
flohen ist. 

Dioscorus. 

Bei  den  Göttern  schwöre  ich  es,  dass  ich  mein 
Haupt  nicht  eher  werde  zur  Ruhe  legen  ,    bis  ich 
meine  Tochter  werde  gefunden  haben.    O,  treuloses, 
925  ehrvergessenes  Kind  I  Geht  schnell  ab, 

10* 


148 

yuliana. 

Unschuldige  Barbara ,    wie    erbarmst  du  mir  so 

sehr ;  wo  wirst  du  einen  Schutz  finden ,  wenn  du 

in    die    rasenden  Vatersarme  verfällst  ?     Kein  Bär 

ist  so  ergrimmt,  kein  Löwe  also  brüllt,  wenn  ihm 

930  eine  fremde  Hand  seine  junge  Brut  wegstiehlt. 

10.  Auftritt. 

Barbara  tritt  auf. 

Auf   dich,    o  Herr,    hab   ich    gehofft,    und    ich 
werde  nicht  zu  Schanden   werden. 

Dioscorus  und  zwei  Soldaten  von  aussen. 
Dioscortis. 

Sagt,    welcher    Felsen    entdecket    mir   den   Ort, 
wo  die  Feindin  unserer  Götter  ihren  Schutz  sucht? 

Erster  Soldat. 

935        Unweit  dieses  Hügels  habe  ich  ein  kleines  Ge- 
räusch verspürt,  —  nur  still ! 

Zzueiter  Soldat. 
Sehet,  dort  ist  Eure  Tochter. 

1 1 .  Auftritt. 

Dioscorus  mit  den  Soldaten  stürmt  herein, 
Dioscorus  fasst  sie  bei  den  Ilaareji. 
Hab  ich  dich  einmal  gefunden,  du  Höllenbrut  I 
Weil    das  Gute   bei    dir   nicht  geholfen ,    so  sollen 
940  Kerker  und  Fesseln,  Hunger  und  Durst  dich  lehren, 
die  Götter  zu  verehren ;  also,  ihr  Soldaten,  nehmet 
sie  und  bindet  sie. 

Barbara  wird  gebunden  und  abgeführt.     Alle  ab. 

12.  Auftritt. 

yuliana  und  Ephebus  treten  auf, 
Juliana. 

So  viel  vermag  die  Tobsucht,  wenn  einmal  das 
Herz    entzündet    ist,    dass    wohl    auch    ein   Vater 


149 

945  .einen  Kindesmord  begehen  kann.  Dioscorus  wäre 
es  bald  schon  so  gegangen ;  es  hätt  ihm  bald 
nicht  Zeit  gelassen,  um  etwas  Anderes  für  diesmal 
zu  beschliessen :  ist  doch  noch  die  unschuldige 
Tochter  das  einzige  Zweiglein  und  schönste  Zierde 

950  des  hochfürstlichen  Hauses.  Nun  ist  sie  im  Ge- 
fängniss ,  in  verächtlichen  Ketten ,  als  wenn  sie 
der  verächtlichste  Bösewicht  der  ganzen  Welt  wäre. 

Ephebus. 

Lasset  Euch    nur  sagen ,    Ihr  wisset  noch  nicht 

Alles  von  dem  bedauernswürdigen  Zustand  unserer 

955   Prinzessin:  Dioscorus  wird  sie  nun  dem  Martianus, 

dem  Landpfleger  übergeben,  dass  er  mit  ihr  nach 

aller  Schärfe  solle  verfahren.     Wenn  Barbara  unter 

den    Klauen    dieser    zwei    Wütheriche    das    Leben 

davonbringt,  so  will  ich  es  für  ein  grosses  Wunder 

960  halten. 

yuliana. 
Wäre  es  denn  nicht  mögHch,  zu  ihrer  Erlösung 
ein  Mittel  zu  finden? 

Ephebus. 
Ja ,    denken    und    wünschen  können  wir  dieses, 
aber  ins  Werk  zu  setzen  ,  ist  eine  Unmöglichkeit. 

965     Wird  mit   den    Kette?:  gerasselt.      Hört   ihr  die    Fesseln 

klingen  ?     Jetzt  wird  sie  vor  das  Gericht  geführt. 

ynliana. 

Lasset  sie  uns  wenigstens  mit  einem  mitleidigen 
Herzen  begleiten.  Alk  ab. 

13.  Auftritt. 

Verzvandhing. 

Darstellung  des    Thurtnes  tind  des   Gerichtes. 

Dioscorus  ,   Barbara ,    Martianus  der  Landpfleger  und  zwei 
Soldaten  treten  auf, 

Dioscorus. 

Hier,  Martianus,  stelle  ich  Euch  vor  den  Schand- 
970  fleck    und   Untergang    meines    fürstlichen  Hauses. 


An  dieser  meiner  Tochter  sehet  Ihr  das  leibhafte 
Bildniss  der  Vermessenheit  selbst,  diese  ist  jene 
tollsüchtige  Verrätherin  unserer  Götter ;  meiner 
Tochter  ihre  Vermessenheit  ist  die  Ursache,  dass 

975  auch  der  Name  des  Vaters  bei  der  späteren  Nach- 
welt in  Verachtung  leben  muss.  Ich  übergebe  sie 
Euch  ganz  und  gar,  handelt  mit  ihr  nach  Eurem 
Wohlgefallen,  und  ich  beschwöre  Euch  durch  die 
unsterblichen  Götter,   sie  nicht  im  Geringsten  zu 

980  verschonen,  sondern  auf  das  Schärfste  zu  verfahren, 
und  wenn  keine  Besserung  zu  hoffen  sei,  durch  die 
peinlichsten  Schmerzen  hinzurichten.  Ab. 

Martianus. 

Sollte  es  wohl  möglich  sein,  dass  eines  Vaters 
so    ausbündige    Schönheit    und    herzbezaubernde 

985  Liebesgestalt  eine  so  lasterhafte  Seele  in  Ver- 
borgenheit trage?  —  Ein  so  vollkommenes  und 
mit  seltenen  Naturgaben  geziertes  Bildniss ,  eine 
solche  Person  sollte  vielmehr  mit  Verwunderung 
als  mit  Strafe  angesehen  werden :  und  stellet  Euch 

990  vor  Augen  Euren  so  hohen  Adel  und  die  über- 
grossen Reichthümer ,  die  nach  dem  Tod  Eures 
Herrn  Vaters  sonst  Niemandem  als  Euch  zu  Theil 
werden  können;  bedenkt  doch  endlich  die  Be- 
trübniss  Eures  väterlichen  Herzens,   wenn  Ihr  in 

995  Eurer  Hartnäckigkeit  so  verharren  wollet!  Mithin 
rathe  ich  Euch,  sichert  Eure  unschuldigen  und 
zarten  Jahre ,  dass  Ihr  Euch  nicht  selbst  auf  die 
Schlachtbank  führet.  Helfet  Euch  selbst  aus  der 
Gefahr,  welches  ganz  leicht  geschehen  kann,  wenn 
1 000  Ihr  hurtig  und  geschwind  den  unsterblichen  Göttern 
ein   Opfer  entrichtet. 

Barbara . 

Ich    will    Niemandem    ein    Opfer    bringen    als 
meinem  Gott ,    der  Himmel   und  Erde  erschaffen 
hat;  von  deinen  Göttern  aber  hat  David  gesagt: 
1005  alle  Götter  der  Heiden  sind  Teufel! 


Mnrtianus. 

Genug  gesungen,  ich  kenne  den  Vogel  schon. 
Nehmet  sie  hin,  reisst  ihr  die  Kleider  vom  Leibe, 
schlaget  sie  mit  Ochsenziemern  so  lang,  bis  ihr 
das  Blut  vom  Leibe  fliesst ;  um  den  Schmerz  aber 
loio  empfindlicher  zu  machen,  so  reisset  ihr  das  Fleisch 
mit  scharf  schneidigen  Scheren  und  eisernen 
Haken,  reibet  sodann  die  Wunden  mit  frischem 
Salz  und  werfet  sie  in  das  finsterste  Gefängnissl 

Geht  ab. 

Erster  Soldat. 

Diesen  Befehl  werden  wir  schon  vollziehen. 

Sie  entkleiden  sie. 

Zweiter  Soldat. 
1015        Du  Einfalt,  dieses  Unglück  hast  du  dir  selbst 
zuzuschreiben.  Führen  sie  zum   Thur?7i. 

Erster  Soldat. 

Hier  ist  dein  Wohnsitz,  armselige  Prinzessin :  nur 
hinein. 

Z^veiter  Soldat. 

Es  ist  dir  frei  gestanden,  das  Gute  oder  Böse 
1020  zu  erreichen;  jetzt  ist's  nach  ihrem  Verlangen. 
Beide  Soldaten  gehen  vovi   Thurme  weg  tmd  ab. 

Barbara   itn    Thicrm. 

Mein  Herr  und  Gott,  siehe  mich  an  und  er- 
barme dich  meiner,  lasse  dir  es  gefallen,  o  mein 
Gott,  was  ich  hier  um  deines  Namens  willen  leide  ; 
gieb  mir  die  Kraft,  dass  ich  Alles  überwinden  mag  I 

14.  Auftritt. 

Engel  erscheint, 
1025  Sei  getrost,  Barbara,  dein  Bräutigam,  Jesus 
Christus,  hat  dein  Leiden  gesehen  und  hat  mich 
gesendet ,  deine  Wunden  zu  heilen  ;  er  lässt  dir 
sagen,  das  Ende  deiner  Qualen  sei  nahe  gekommen; 
bereite  dich  zu  deinem  bevorstehenden  Streit ;  wer 
1030  bis  ans  Ende  verharrt,  der  wird  gekrönet  werden. 

Geht  ab. 


1^2 


Es  züird  vor  der   Thür  s:esuns:en. 


Und  als  St.  Barbara  gefangen  iln  Thurm, 
Die  Engel  sind  gekommen,  die  sie  speisen  thun, 
Gott  selber  ist  gekommen  und  hat  sie  getrost : 
Wohlan,  St.   Barbara,  du  wirst  bald  erlöst. 

15.  i\uftntt. 

Martianns  und  zwei  Soldaten  trete?i  auf. 
Martianiis. 

1035       Seid  ihr  meinem  Befehle  nachgekommen? 

Erster  Soldat. 

Und  zwar  genau,  so  dass  sie  mehr  einem  ge- 
schundenen Vieh  als  einem  Menschen  gleich  sah. 

Martiamis. 

Führet  sie  alsobald  hierher  vor  das  Gericht! 

Zweiter  Soldat. 
Dieser  Befehl  soll  alsobald  vollzogen  w^erden. 
Beide  Soldaten  gehen  in  den   Thurvi  hinein. 

Martianus  allein, 
1040       Will  sehen,    ob  dieses  elende  Geschöpf  durch 
den  torquirten  Körper  sich  nicht  zu  ihrem  besten 
Wohl  eines  anderen  Sinnes  entschlossen  hat. 

16    Auftritt. 

Die  Soldaten  fuhren  Barbara  heraus. 
Erster  Soldat. 

Hier  stell  dich  her!  Doch  ich  staune  bei  so 
grosser  Veränderung:  wie  ich  sie  gestern  im  Kerker 
1045  verschlossen  hab,  da  war  sie  voller  Blut  und  Wunden, 
jetzt  aber  ist  nicht  einmal  das  mindeste  IMerkmal 
einer  Wunde  zu  sehen ;  sie  muss  sich  durch  eine 
Zauberkraft  davon  befreit  haben. 


153 

Zweiter  Soldat. 
Das  Gericht    könnte   sonst  glauben ,    es  wären 
1050  die  Befehle  nicht  vollzogen  worden;  ich  hab  meinen 
Fleiss    nicht  gespart    und    hab    ihr   ziemlich  tiefe 
Wunden  versetzt. 

Martianus. 
Barbara !  Tritt  näher ,  du  siehst  und  musst 
selbst  bekennen,  dass  dich  unsere  Götter  lieben, 
1055  weil  sie  dir  deine  Wunden  auf  so  wunderbare 
AVeise  geheilt  haben:  deswegen  sollst  du  ihnen 
doch  dankbar  sein,  und  sie  als  wahre  und  un- 
sterbliche Götter  verehren  und  anbeten. 

Barbara. 

Du    gottloser   Richter,    wie    sollen    mir    deine 

1060  Götter   etwas    helfen,    die    sich  doch  selbst  nicht 

helfen  können  ?    Jesus  Christus,  der  lebendige  Sohn 

Gottes,  hat  mich  gesund  gemacht,  darum  will  ich 

ihn  allein  verehren  und  als  meinen  Gott  anbeten  1 

Martiajitis. 

Du  Ehrvergessene !     Fürchtest  du  denn  nicht, 

1065   dass  der  grosse  Gott  Jupiter,  im  gerechten  Zorn 

ergrimmet,    seinen  Donnerkeil  ergreift^  dich  und 

deine  gotteslästerliche  Zunge  mit  gerechter  Rache 

in  den  tiefen  Abgrund  der  Hölle  hinunter  schleudert? 

Barbara. 
Ich   fürchte    deine  Götter    nicht,    weil   sie  mir 
1070  weder  schaden  noch  nützen  können,  aber  meinen 
Gott    fürchte  ich,   weil  er  einmal  kommen  wird, 
mich  und  dich  und  alle  Menschen  zu  richten ;  vor 
diesem  meinem  Gott  und  Herrn,  auf  den  ich  glaube, 
hoffe,  und  den  ich  von  ganzem  Herzen  liebe,  für 
1075   diesen  bin  ich  bereit,  mein  Blut  und  Leben  dar- 
zugeben. 

Martianus. 

Nun  denn,  du  Ehrlose,  ich  will  dich  unsere 
Götter  fürchten  lehren!  —  Schleppet  sie  hinaus, 
vollziehet  an  ihr  dieses  Urtheil !  Erstens  zerreisset 


154 

io8o  ihr  beide  Seiten  mit  eisernen  Haken:  zweitens 
zerknirscht  ihr  das  Haupt  mit  Hämmern ,  und 
sollte  auch  schon  durch  Mund  und  Nase  das  Blut 
und  Mark  herausfliessen:  drittens,  damit  das  häufig 
hervorquellende  Blut  nicht  etwa  vor  der  Zeit  ihr 

1085  das  Leben  nimmt,  so  muss  solches  mit  glühendem 
Eisen  gestillet  werden :  viertens  schneidet  ihr  beide 
Brüste  heraus  und  führet  sie  alsdann  zu  ihrer 
grössten  Beschimpfung  bei  den  Haaren  unter  be- 
ständigem   Geissein     und    Schlagen    durch    alle 

1090  Gassen  der  Stadt  herum! 

Zweiter  Soldat. 

Wir  werden  in  Allem  Gehorsam  leisten, 
Barbara  geht  mit  Beiaen  ab,  Martiamis  ebenfalls  ab. 

17.  Auftritt. 

Ephebus  tind  Juliana  treten  auf. 

Ephebtis. 

Hab  ich  nicht  gesagt,  dass  ein  Wunder  wird  sein, 
wenn    unsere  Prinzessin  das  Leben  davonbringt? 

Juliana. 

Was    sagen    Sie?      So    hat    die   Unschuld    das 
1095  Kürzere  gezogen,   hat  meine  Prinzessin  einen  so 
verächtlichen  Tod  nehmen  müssen ! 

Ephebtis. 
Nein,  noch  ist  sie  nicht  hingerichtet,  aber  nach 
überstandener  Marter  wird  es  über  den  Kopf  los- 
gehen ;  ja ,  meine  Frau  kann  es  nicht  genug  be- 

1 1 00  schreiben,  was  für  ein  entsetzlicher  Spektakel  war, 
ein  so  adeliges  Kind,  mitten  durch  das  so  häufig 
zulaufende  Volk ,  bereits  schon  halb  todt ,  noch 
bei  den  Haaren  herumschleppen  zu  sehen ,  und 
wir  haben  uns  der  mitleidigen  Zähren  nicht  ent- 

1T05  halten  können. 


155 

Jtiliana. 

Genug!  Das  Herz  zerspringt  mir  vor  Schmerzen. 

Winkt  dem  Ephebus   mit  dem  Finger   auf  dem  Munde 
zu  schweigen,     Dioscorus  kommt. 

i8.  Auftritt. 

Dioscorus. 
Was   habt   ihr    für  wichtige  Geschäfte  mit  ein- 
ander abzuhandehi? 

Ephebus. 

Juliana  verlangte  den  Zustand  unserer  Prinzessin 
iiio  zu  wissen,    von  dem  ich  auch  ihr  erzählte,    was 
ich  mit  eigenen  Augen  gesehen. 

Dioscorus. 
Und  was  war  dieses? 

Juliaiia  bittend. 
O ,    dass    es  Euch    doch  zum  Mitleid  bewegen 
mögel 

Ephebus. 
II 15       Wie  man  sie  halb  geschunden  durch  die  ganze 
Stadt  herumschleppte. 

Dioscortis. 

Was    sagst    du?     So    ist  sie  noch  nicht  hinge- 
richtet worden? 

yuliana. 
O,  Tyrann,  noch  unbarmherziger  als  Tiger  und 
II 20  Löwen ! 

Ephebus. 
Vergönnet  mir  noch  beizusprechen,  was  darauf 
erfolgt:  da  in  einer  so  volkreichen  Stadt  sonst 
Niemand  war,  der  sich  über  ein  so  adeliges  Kind 
erbarmet,  so  hat  sich  der  Himmel  angenommen, 
II 25  wie  sie  es  auf  der  Erde  dahinschleiften,  und  wie 
ich  nachgehend  gehört  habe,  so  sei  über  sie  das 
Endurtheil  schon  gesprochen,  welches  ich  nicht 
erwarten  wollte. 


•56 

Dioscortis. 

Das  hätte  sie  schon  längst  verdient. 

ytiliana. 

iijo       Ach,  SO  redet  ein  Vaterherz  ?! 

Dioscorus. 

Die    den    Göttern    angethane    Schmach    kann 
anders  nicht  vergolten   werden  als  durch  ihr  Blutl 

nehme 
Geht  ab. 


Ich  muss  selbst  Alles  in  Augenschein  nehmen 


yuliana. 
Hat  die  Welt  wohl  einmal  einen  zweiten  solchen 
1135   Unmenschen  gesehen?    Aber  in  künftigen  Jahren 
werden  sie  sein  Andenken  verfluchen  1    Beide  ab. 

19.   Auftritt. 

Der    Gerichtplatz. 
Dioscorus,   Barbara,   zwei  Soldaten  und  Scharfrichter. 

Barbara  kniet  nieder. 
O ,  Herr  Jesus ,  ich  bitte  dich  demüthig  vor 
meinem  letzten  End,  du  wollest  diejenigen,  welche 
deines  Namens  und  meiner  Marter  eingedenk  sind, 
1140  in  ihrer  letzten  Sterbestunde  erhören  und  sie  nicht 
ohne  wahre  Reue  und  Leid  und  ohne  dein  heiliges 
Sakrament  von  dieser  Welt  scheiden  lassen. 

Scharfrichter. 
Jetzt  ist  keine  Zeit  mehr  für  dich,  deine  Thor- 
heit  zu  beweinen ,  ich   muss  sehen,  ob  dich  dein 
II 45   Christengott    aus    meinen  Händen    erretten  wird: 
mache  dich  bald  fertig ! 

Barbara. 

O,  Gottl    Steh  mir  bei  an  meinem  letzten  Endl 

Scharfrichter. 
Mit  Freuden  will  ich  dir  den  Streich  geben  I 
Zieht  sein  Schwert  in  die  Höhe. 


157 

Dioscorus. 

Halt    ein !     Von    mir  hat  sie  das  Leben ,    und 

II 50  durch  mich  soll  sie  auch  sterben,    '/-ieht  sein  Schwert. 

Weil    du    den   grossen  Göttern  nicht  hast  wollen 

opfern,  so  musst  du  als  ein  Schlachtopfer  sterben! 

Haut   mit   seinem  Schzvert  auf  die  ScJdachtbank.      O,   ihr 

erzürnten    Götter!     Lasset   euch   durch   das  Blut 
1155   dieser  meiner  Tochter  doch  wiederum  besänftigen 
und  strafet  nicht  mehr  ihrer  Vermessenheit  wegen 
den  unschuldigen  Vater! 

Es  blitzt  und  donnei't;  Dioscorus  fällt  zu  Boden, 
Erster  Soldat. 
O,  wie  gross  sind  die  Verdienste,  wie  mächtig 
die  Fürbitte  der  heiligen  Jungfrau  Barbara !  Glück- 
1160  selig  sind  Jene,  die  ihrem  Schutz  vertrauen. 
Barbara  in  der  Glorie. 
Chor. 
Deinem  Schutz  wir  uns  ergeben 
So  lang,  als  wir  werden  leben. 
Als  eine  Mutter  dich  zu  ehren. 
Dich  zu  lieben,  stets  begehren. 

TT 65         Grosse  Fürstin,  unser  Flehen 

Lass  im  Streit  nicht  untergehen. 
Beschütz  uns  vor  dem  jähen  Tod, 
Und  versöhne  uns  mit  Gott- 

Lass  uns  in  der  Stund  nicht  sterben, 
II 70         Hilf  uns,  den  Himmel  zu  erwerben. 
Steh  uns  bei  in  letzter  Noth, 
Speise  uns  mit  deinem  Himmelsbrot. 


M 


SUSANNA. 


PERSONEN. 

Ehrenhold  als  Prolog. 

Joachim. 

Susanna. 

Esron,   der  Richter. 

Achab,  der  zweite  Richter. 

Der  Richter  der  Gerichtssitzung. 

Enoch,  Beisitzer  derselben. 

Simon,   zweiter  Beisitzer. 

Daniel. 

Sarah,  die  ^lagd. 

Abel 


I 


_.         .   Knechte  Susanna' s 
rass 

Sergus,  erster  Knecht  des  Richters. 

Der  zweite  Knecht  des  Richters. 

Das  Kind  Susanna' s. 


•^ 


Gesang  vor  der  Comödie. 

Gelobt  sei  Jesus  Christus  in  alle  Ewigkeit ! 
Ihr  Edlen  und  Vielgeliebte,  die  hier  versammelt  sein, 
Wir  wollen  Euch  vorstellen  Susanna  keusch  und  rein : 
Sie  war  ganz  tugendreich. 
5   Gelobt  sei  Jesus  Christus  in  alle  Ewigkeit ! 

Aber  sie  wurd  bezwungen  und  zur  Unzucht  begehrt, 
Von  zweien  alten  Richtern,  wie  Ihr  wohl  hören  werd't : 
Vernehmet  uns  mit  Freud. 
Gelobt  sei  Jesus  Christus  in  alle  Ewigkeit ! 

IG  Wollet  nur  vorlieb  nehmen  mit  unsrer  Wenigkeit; 
So  bitten  wir  unterthänig  um  Aufmerksamkeit: 
Alles  zu  Gottes  Ehr  und  Preis. 
Gelobt  sei  Jesus  Christus  in  alle  Ewigkeit! 

I.  Auftritt. 

Zirmner. 

Ehrenhold . 
Ihr  wohledle  und  feste  Herrn, 

15  Wohlehrsame  Frauen  wollt  mich  anhörn, 

Und  alle  Jugend  gross  und  klein. 
Auch,  die  allhier  versammelt  sein : 
Ich  wünsche  Euch  allen  Glück  und  heut 
Von  Gott  bevor  die  Seligkeit. 

20         Ihr  werd't  in  Kürze  nehmen  wahr. 
Wie  Euch  wird  dargestellet  klar 
Ein  Historie  von  der  heihgen  Schrift, 
Die  andere  Kurzweil  übertrifft, 

Volksschauspiele.     II.  II 


102 

Welche  Historie  wird  genannt 
25        Von  einer  keuschen  P'rau  wohl  bekannt; 

In  der  heiHgen  Schrift  wird  sie  gelobet  viel : 

Den  Inhalt  ich  Euch  sagen  will. 

Susanna  war  ihr  rechter  Nam, 

Joachim  ihr  Ehpflegs  Mann, 
30       Wegen  ihrer  Tugend  und  Keuschheit 

W^ar  solche  bekannt  weit  und  breit. 

Dieselbe  von  zwei  alten  Greisen, 

Welche  ihre  Gewalt  wollten  beweisen, 

Gebrochner  Ehe  wegen  bezieht, 
35       Gesteinigt  war  worden,  wenn  Gott  nicht 

Sie  durch  den  Daniel  hätt  errett^ 

Den  er  sein'  Jugend  Mund  aufthut ; 

Gott  hat  ihn  zu  einem    Richter  gesetzt, 

Welcher  die  zwei  Alten   zuletzt 
40        Selbst  schuldig  find't   und  richten  thut. 

Susanna,  das  unschuldig  Blut 

Freiledig  ward  und   kam  davon. 

Nun   seht,  da  geht  heraus  ihr  Mann : 

Wer  nun  die  Sach  erfahren  will, 
45       Den  bitt  ich,  dass  er  sei  fromm  und  still. 

Geht  auf  die  Seite. 

2.  Auftritt. 

Joachim . 

Lob,  Ehr  und  Preis  sei  unserm  Gott, 

Der  sein  Volk  verlässt  in  keiner  Noth; 

Nun  seind  sie  gewesen  aber  also  schlecht, 

Dass  er  daneben  nicht  gedächt 
50       An  seinen  Bund  mit  Abraham, 

Dem  er  versprochen,  dass  sein  Sohn 

Sollt'   unzählig  völlig  werd'n, 

Als  wie  am  Himmel  sind  die  Stern, 

Und  Gottes  sollten  die  sein  genannt. 
55        Zu  ihnen  hat  er  ja  selbst  bekannt, 

Dass  er  ihr  treuer  Gott  wollt  sein 

Und  sie  im  Guten  aus  und  em 


163 


Auf  allen  Wegen  leiten, 

Wie  solches  geschehn  zu  allen  Zeiten. 
60       Mächtig  an  uns  er  zeigen  thut, 

Dass  wir  durch  seines  Zornes  Ruth' 

Allhier  zu  Babel  gefangen  sein, 

Um  unsere  Sund,  weil  wir  gar  klein 

Sein  Wort  und  Gesetz  vor  Augen  hätten, 
'65        Doch  Alles  ihm  zuwider  thäten, 

In  Kanaan,  dem  gelobten  Land. 

Da  uns  nichts  mehr  war  Sund  noch  Schand, 

Er  uns  den  König  zu  Babel  gab. 

Der  uns  mit  Gewalt  führet  hinab 
70       Und  also,  mit  Gefängniss  beschwert; 

Doch  mit  der  Zeit  er  wieder  kehrt 

Zu  uns  sein  gnädiges  Angesicht ; 

Er  hört  die  Seinen  in  guter  Pflicht, 

Sonderlich,  die  ihn  lieben  thun ; 
75        Des  habt  Ihr  davon  ein   Exempel  nun 

An  mir,  der  ich  hier  stehe. 

Der  ich  zwar  auch  gefangen  mich  sehe 

Sammt  andern  Guten  geführet  fort 

Und  in  der  Feinde  Gewalt  geben  dort. 
80       Gross  Zwang  und  Elend  habe  gelitten, 

Jedoch,  weil  ich  mein^  Gott  thu  bitten 

Mit  ganzem  Herzen  und  Vertrauen, 

Dass  er  mein  Elend  wollt'  anschauen. 

Hat  er  den  Zorn  in  Güte  und  Gnad  gewendt, 
55        Mir  geben  Gut  und  Ehr  am  End, 

Dass  ich  nun  fast  der  Grösste  bin 

Unter  dem  Volk,  ein  grosser  Gewinn. 

Mein  Geld  und  Gut  sich  mehrt, 

Ich  werde  mannigfach  geehrt: 
90       Bei  mir  man  Rath  und  Weisheit  sucht. 

Die  Aeltesten  mit  ihrer  Zucht 

Sie  suchen  mich  tägHch,  kommen  herbei, 

Als  ob  ich  ihnen  gegeben  sei 

Von  Gott  zu  einer  Obrigkeit; 
95        Noch  über  dieses  alles  weit 

Giebt  mir  Gott  sehr  köstliche  Gab', 

II  * 


164 

Die  fast  die  allerköstlichste  Hab', 
Nemlich  ein  keusch  und  gutes  Weib^. 
Die  ich  Heb  als  mein'   eignen  Leib, 

100       Mir  zu  der  Ehe  vermählet  ist, 

Susanna  genannt,  ohn  arger  List, 
Mit  Tugend  auf  das  Beste  geziert, 
Auf  Gottes  Furcht  gründUch  geführt, 
Derohalben  ich  mich  selig  acht' 

105       Und  Tag  und  Nacht  von  Herzen  tracht^ 
Meinem  Gott  dankbar  zu  sein, 
Daneben  auch  der  Gemahlin  mein,   — 
So  viel  ich  hier  der  Gnaden  find'. 
Ja,  dorten  die  zwei  Alten  sind, 

110       Die  dieses  Jahr  zu  Richtern  erwählt, 

Und  für  die  Tapfersten  werden  gezählt^ 
Wie  mir  gemeldet  worden  ist. 
Um  Rath  und  Hilfe  zu  jeder  Frist 
Mich  suchend,  kommen  sie  her  zu  mir, 

115       Darum  ich  auch  jetzt  warte  hier. 

Doch  ich  sehe,  dass  sie  herbei  gehen, 
Dieweil  will  ich  auf  die  Seite  stehen. 

Joachim  geht  ab. 

3.  Auftritt. 

Achab  und  Esroii  treteti  ein, 
Achab. 
Sind  das  nicht  seltsame  Mähr, 
Die  man  mir  geschrieben  her? 

Esron. 
120       Lieber,  was  Neues?     Sag  es  her: 

Ich  hab  es  zuvor  nicht  vernommen, 
Dann  ich  ganz  spät  dazu  bin  kommen. 
Was  haben  die  Weiber  geschrieben? 

Achab. 
Mir  hat  ein  guter  Freund  geschrieben 
125        Jetzt  von  Jerusalem   herab. 

Wie  sich  ein  Zanken  hat  ergeben 


i65 

Von  sieben  Weibern  um  einen  Mann, 
Deren  ihn  eine  jede  hat  wollen  han, 
Und  sich  um  ihn  gezankt  so  sehr, 

130      Dass,  wann  nit  Fried  geboten  war, 
Eine  die  andre  hätt  erschlagen : 
Doch  wurden  die  sich  endlich  vertragen 
Da  bei  dem  Rath  ein  Urtheil  gefällt, 
Dass  jeder  der  Mann  wird  zugezählt, 

135      Dass  insgemein  alle  sieben  fortan 
Haben  soll'n  den  einzigen  Mann. 

Esron. 

Wahrlich,  das  dünket  mich  nicht  fein ! 

O,  wie  ein  armer  Mann  muss  das  sein, 

Der  so  viel  Marter  hat  und  Leid, 
140     Dann   mir  ein  einziges  Weib  die  Zeit 

Durch  ihr  Sirfln  und  Zanken  macht  bang, 

Dass  mir  mein  grosses  Haus  zu  eng, 

Dass  ich  mich  gar  oft  von  ihr  wende; 

Wann  zu  gross  wird  der  Zank  und  Strauss 
145      Troir  ich  mich  geschwind  vom  Haus  hinaus: 

Was  werden  erst  ihrer  sieben  thun? 

Achab. 
Was  Ihr  so  offen  redet  nun  I 
Doch  sagt  Ihr  ja  Euren  Nachbarn  auch, 
Dass  daheim  Euch  oftmals  beisst  der  Rauch 

150     So   sehr,  dass  oft  die  Augen  rinnen, 

Obschon  kein  Feuer  im  Haus  thut  brinnen, 
Dass  es  mir  ein  gross  Wunder  ist. 
Und  ist  doch  männiglich  bewisst, 
Wie  sie  zu  Nachts  oft  Mahlzeit  hätt 

155     Und  viel  Gast  dazu  laden  thät. 

Und  auch  dem  Manne  nichts  sagt  davon, 
Dass  sie  mit  Gabeln  richten  an. 

Esron. 
Achab,  ich  sag  gleich  Alles  heraus, 
Als  ob  Ihr  allein  Herr  wärt  im  Haus, 
160     So  doch  vor  Kurzem  der  Simon 

Bei  Euch  die  Herberg  wollt  nehmen  in  Bestand; 


i66 

Wollt  ich  das  nun  zur  Prob  beiholen ! 
War  Euch  darum  ein  Aug'  geschwollen? 
Es  geschieht  Euch  auch  oft  solchermassen, 
165   Das  Ihr  sprecht,  Ihr  habt  Euch  gestossen  ; 
Wann  mir  mein  Weib  setzt  Hörner  auf, 
Ich  bald  vom  Haus  hinaus  wollt  laufen, 
Kann  oft  zur  Zeit  gar  kaum  davon. 

Achab. 

Ja,  gut  für  den,  der's  treffen  kann: 
170  Die  Meine,  die  ist  gar  behend, 

Niemand  kauft  sie  voraus,  wer  sie  kennt. 

Gesetzt,  wenn  ich  sie  schlagen  will, 

So  kann  sie  der  Fechtstuck  so  viel, 

Und  fechtet  so  sehr  gegen  mir, 
175   Das  ich  auf  keine  Weis  komm  zu  ihr, 

Dass  ich  mich  billig  sollte  schämen, 

Dass  mich  mein  Weib  so  sehr  thut  zähmen  ; 

Wenn  ich  nicht  hätt  so  viel  Gesellen, 

Die  mit  mir  sind  in  gleichen  Fällen, 
180  Die  Herren   sind  in  ihrem  Haus, 

Wann  die  Weiber  gegangen  aus, 

Der  Ursach  fällt  mir  nicht  schmerzlich  das. 

Esron. 

Eben  das  ist's,  mit  welchem  Mass 
Auch  ich  mich  getröstet  und  geduldig  bin; 
185   Doch  vergeht  die  Zeit,  lass  uns  gehen  zu  Joachim. 

Achab. 

Siehe,  er  steht  schon  dorten. 

Esrofi. 
Vielleicht  hat  er  uns  schon  zugehört. 
Joachim  tntt  auf. 

4.  Auftritt. 

Achab. 

Joachim,  wir  wünschen  Euch  viel  Heil. 


167 


Joachim. 
Desgleichen  werde  Euch  zu  Theil ! 
190  Liebe  Herrn,  was  gebietet  Ihr? 

Esron, 
Nichts  Sonderhches,  als  dass  Achab  mir 
Jetzt  hat  bericht't  von  einem  Schreiben : 
War  ein  Mann  dort  von  sieben  Weihen ; 
Eine  neue  Geschieht  thut  man  zeigen  an, 

195  Wie  sieben  sich  um  einen  Mann 
Zu  Jerusalem  haben  gezankt 
Und  endlich  auch  haben  erlangt, 
Dass  er  ihr  aller  Mann  muss  sein. 
Darauf  ich  nun  die  Meinung  mein 

200  Nach  meinen  Gedanken  habe  erzählt, 
Das  solches  mir  gar  nicht  gefällt: 
Dass  ein  Mann  sieben  Weiber  hab, 
Des  nehm  ich  von  mir  selbsten  ab, 
Weil  ich  mit  einer  kaum  komm  aus : 

205  Dass  mich  der  Rauch  treibt  aus  dem  Haus, 
In  der  Stuben  es  donnert  und  blitzt, 
Dass  mir  vor  Angst  der  Buckel  schwitzt: 
Wie  würd  es  mir  erst  mit  sieben  gehen! 

yoachim. 

Ihr  Herren,  so  wollet  mich  auch  verstehen; 

210   Meine  Meinung  ich  Euch  sagen  will, 

Denn  solche  neue  Mähren  leiden  kein  Gespiel, 
Sondern  sie  sollen  uns  vielmehr  erschrecken, 
Und  unsre  Liebe  zu  Gott  erwecken, 
Da  uns  Gott  solches  drohen  thut 

215   Durch  den  Propheten  Jesaias  gut, 

Dass  er,  erwägt  er  unser  sündiges  Leben, 
Uns  Krieg,  Hunger  und  Pestilenz  will  geben, 
Dass  hiedurch  die  Mannheit  seltener  wird ; 
Viel  Weibern  kaum  ein  Mann  gebührt, 

220  Welches  denn  heut  auch  bestätigt  ist. 
Wir  nun  wollen  zu  dieser  Frist, 
Dieser  Mahnung  erwäget  sein. 
Und  wahrhaft  schon  ist  unsre  Mannheit  klein. 


i68 


Wie  wir  sehen  an  dieser  Geschieht. 
225        Darum  bitt  ich,  untersteht  Euch  nicht, 

Das  Gespött  mit  Gottes  Straf  nicht  treibt, 
Denn  dieses  nicht  ungerochen  bleibt. 

Achab. 
Joachim,  Ihr  seid  so  voll  Klugheit, 
Das  merk  ich  wohl,  doch  ist  es  Zeit, 
230       Eine  Sach  ist  fürkommen  uns  beeden, 
Derohalben  wir  mit  Euch  zu  reden 
Kommen,   wenn  sie  Euch  gelegen  ist. 

Joachim. 
Ja  wohl,  ich  komme,  zu  jeder  Frist 
Bin  ich  Euch  zu  Diensten,   wo  ich   kann ', 
235        Doch  nun  muss  ich  rasch  gehen  davon. 

Geht  ab. 

Achab. 
Esron,  mir  gefallet  des  Joachim  Weib : 
Hat  sie  nicht  einen  sehr  schönen  Leib? 

Esron. 

Wahrlich,   sie  gefallet  mir  herzlich  wohl ; 
Wann  ich  die  Wahrheit  reden  soll, 
240       Mir  hat  kein  Weib 'besser  gefallen, 
Sie  übertrifft  die  andern  in  Allen. 
Zu  ihr  neiget  sich  täglich  mein"  Begier, 
Wie  zu  Theil  sie  möcht  werden  mir: 
Ich  nehm  es  an^  gang's  wie  es  wollt. 

Achab. 
245        Nun  Ihr  mich  auch  vernehmen  sollt: 

Mein  Herz,   mein  Sinn  und  mein  Gesicht, 
Ist  auf  die  Susanna  dargericht; 
Wenn  ich  nur  wisst  ein  solches  Heil, 
Durch  welches  sie  mir  wurd    zu  Theil. 

Esron. 

250       Wollen  wir  unser  beeder  Heil 
Versuchen  und  ihr  stellen  nach, 
So  weiss  ich  schon  ein  gutea  Gemacht, 


169 

Da  wir  sie  leicht  bekommen  mögen.  — 
Ich  hab  drin  jetzt  vom  Herrn  gehört, 
255     Dass  sie  im  Garten  baden  werd; 

Wie  dunket  Euch  nun,  wenn  wir  thäten 
Hineingehn,  uns  verstecken  thäten, 
Dann  wir  daselbst  gut  warten  hätten? 

Achab. 

Wahrlich,  mir  gefallet  dieser  Rath, 
260     Wann  wir  hätten  füglich  Statt, 

Dahin  wir  uns  verstecken  könnten. 

Da  uns  die  Magd  nicht  that  finden ; 

Denn  ihre  Gewohnheit  ist  allzeit  ja 

Vorher  zu  senden  ihre  Magd, 
265     Die  alle  Orte  wohl  besieht. 

Esron, 
Ei,  Lieber,  sorgen  derft  Ihr  Euch  nicht; 
Dort  hinten  ist  ein'  dürre  Hecken, 
Darinnen  wollen  wir  uns  verstecken. 
Seid  nur  keck,  uns  wird  solches  gelingen. 

Achab. 
270     Lost,  ich  hör  die  Schlüssel  klingen, 

Sie  kommen  schon  bald,  lasst  uns  laufen. 

Esron. 
Lauft  nit  so  sehr,  ich  muss  verschnaufen. 

5.  Auftritt. 

Garten.     Sarah ,    die  Magd  geht   in    de?i  Garten ,    um  zu 
beschauen^   ob  Niemand  im  Garten  sei,  damit  sich  Susanna 
könnt  waschen  und  baden. 

Sarah. 

Mein'  Frau  hat  mich  hinaus  gesend't, 

Ich  sollt  beschauen  aller  End 

275     Im  Garten  fleissig  hin  und  her. 

Ob  nicht  Jemand  herrinnen  war, 

Dann  wie  sie  hat  im  Vorhaben, 

Wollt  sie  sich  im  Garten  baden 


Nach  ihrer  Gewohnheit  um  die  Zeit; 
280  Der  Garten  ist  gleich  eben  weit: 

So  kommen  gemeinigUch  herbei, 

Die  bei  dem  Volk  die  Aeltesten  sein, 

Und  pflegen  mit  unserm  Herren  Rath, 

Womit  jeder  zu  schaffen  hat ; 
285   Nachdem  dieselbigen  auch  pflegen, 

Den  Beschluss  reiflich  zu  überlegen, 

In  dem  Garten  spazieren  zu  gehen; 

Demnach  ihr  genugsam  könnt  verstehen, 

Was  mein  Suchen  thut  bedeuten : 
290  Eine  ehrsame  Frau,  thut  es  bedeuten, 

Ihr'  Ehr  und  Zucht  bewahren  soll. 

Die  Welt  ist  aller  Untreu  voll, 

Ob  man  gleich  überall  aufsieht, 

Jedoch  allzeit  viel  mehr  geschieht ; 
295   Darum   meines   Gedünkens  soll  sein: 

Eine  Frau  soll  beflissen  sein, 

Dass  sie  nicht  nur  keusch,  rein  und  züchtig  sei, 

Sondern  sich  hüte  auch  dabei, 

Dass  sie  Niemand  kein  Ursach  gebe 
300  Zu  Argwohn  und  dermassen  lebe, 

Dass  ihre  Freund'  sie  loben  müssen, 

Dann  wird  sie  alle  Sorgen  missen. 

Drum  man  gar  nit  genug  thut  trauen ; 

Derohalben  bin  ich  gesandt  zu  schauen, 
305   Ob  Niemand  hier  spazieren  gehe, 

Dass  meiner  Frau  allso  gewähret  wäre, 

Ohne  Sorgen  sich  herein  zu  begeben, 

Denn  auf  ihr'  Ehr  steht  all  ihr  Leben, 

Und  sollt  ein  feines  Exempel  sein : 
310  Doch  es  ist  Zeit,  ich  muss  hinein.    Sarah  geht  ab. 

6.   Auftritt. 

Susanna,  gefolgt  von  Sara/i,  geht  in  den   Garten. 
Susanna. 

Hast  du  dich  fleissig  fürgeschaut? 


lyi 


Sarah. 

Ja,  Frau,  geht  hin,  mir  fröhhch  traut, 
Dann  ich  Niemand  gesehen  hab. 

Susanna, 

Geh  her,  nimm  mir  die  Kleider  ab, 

315   Ich  will  mich  waschen  in  meinem  Bad; 
Ich  dank  meinem  Gott  vor  solche  Gnad, 
Der  mir  alle  Ding  so  reichlich  giebt, 
Nach  Lust  und  Lieb,  wie's  mir  beliebt. 
Gross  Ehr  und  Gut,   ein'  frommen  Mann, 

320  Dem  bin  ich  bilHg  unterthan. 
Und  ihm  allein  zu  Gefallen  zier' 
Mein'  Leib  in  reiner  Zuchtbegier, 
Wie  uns  Gott  solches  gebieten  thut, 
Dass  wir  mit  ganzem  Sinn  und  Muth 

325  Unserem  Manne  gehorsam  sein, 

Welches  ist  auch  die    Ursach   mein. 
Darum  ich  herkomm  zu  waschen  mich^ 
Andern  Geschmuck,  den  hasse  ich, 
Wo  man  nit  Gott  zu  gefallen  sucht,  — 

330  Dann  dies  allein  ist  die  wahre  Zucht, 
So  man  mit  wahrer  Tugend  ist  geziert, 
Auf  Ehrbarkeit  und  Keuschheit  geführt, 
Da  ist  es  wohl  Gold  und  Edelstein. 
Da  aber  viel  der  Weiber  sein, 

335   Die  sich  nit  solchermassen  zieren, 

Sondern  mit  Kleidungsschmuck  ohn'   Gebühren^ 
An  Tugend  bloss  zu  aller  Stund, 
Das  hat  nicht  nur  ein'  bösen  Grund, 
Auch  noch  denselben  schaden  thut. 

340  Dahin  mir  all  mein  Sinn  und   Muth 
Von  Kindheit  auf  gestanden  ist, 
Und  bitt'  Gott  noch  zu  aller  Frist, 
Er  wolle  mich  in  solchem  erhalten 
Und  allezeit  in  Gnaden  walten. 

345   Geh  hin,  Sarah,  bring  mir  das  Badtuch, 
Weiter  du  auch  in  dem  Behälter  such. 
Da  wirst  finden  ein  kleines  Glas 
Mit  Rosenwasser,  bring  mir  das.    Sarah  geht  ab. 


172 

Wir  Weiber,  weil  wir  unterthan 
350     Sein  sollen  ein'  jede  ihrem  Mann, 

So  ziemt  sich  nit  lang  von  ihm   zu  sein, 

Der  Ursach,   weil  dem  Mann  allein 

Allzeit  gar  mancherlei  zufällt: 

Drum  uns  Gott  ihm  hat  zugesellt, 
355     Dass  wir  ihm  tröstlich  sollen  sein; 

Bös  ist,  dass  der  Mensch  ist  allein. 

7.   Auftritt. 

Die    zwei  Alien    schleichen   zur  rechten   Seite   des    Gartens 
hinter  dem  Pyramidenbawn  ein  tind  gehen  hervor. 

Esro7i. 

Nun  rath',  wie  wollen  wir's  greifen  an, 
Dass  sie  nicht  schreit,  noch  lauft  davon? 

Achab. 

Ich  sorge  geichwohl,  sie  wird  nicht  bald 
360     Gehorchen  in  unserer  grossen  Gewalt, 

Doch  wollen  wir  thun  ersthch  gemach, 

Und  sie  mit  Worten  aller  Sach 

Aufs  freundlichste  und  glimpflichst  anreden, 

Dass  sie  gestatten  wollt  uns  beeden, 
365     Unsere  Lust  mit  ihr  zu  büssen. 

Wo  nicht,  dass  wir  mit  Ernst  dann   müssen 

An  sie,  um  ihr  Gewalt  anzulegen. 

Susanna  schreit. 
Ach  weh,  was  thut  sich  dort  bewegen? 
Esron  gehet  zur  linken  Seite  des  Gartens  und  spricht: 
Susanna,  halt,  schrei  nicht  so  sehr, 
370     Erschrecke  auch  nicht  ob  unserm  Begehr. 

Susanna. 

O,  Gott!    o,  Gottl     Komm  mir  zu  Hülf. 

Esron . 
Susanna,  hör,  nit  also  ruf. 
Denn  wir  auf  Treu  kommen  herein. 
Bewegt  durch  Liebe  der  Schöne  dein ; 
375     Wir  bitten,  wollst  uns  geben  statt. 


173 

Siisa}iria. 

Mein  Herr  und  Gott,  behüt  mich  vor  solcher  That. 
Weicht  weg,  solches  find't  Ihr  nicht  bei  mir. 

Achab. 
Susanna,  ich  will  rathen  dir, 
Willst  dich  in  unsern  Willen  geben, 
380  Dann  solches  auch,  bei  unserm  Leben, 
Aufs  heimlichste  soll  verschwiegen  sein. 

Susanna. 
Ich  thu's  nicht  wegen  der  Keuschheit  mein, 
Und  weil  Gottes  Huld  mir  lieb  ist. 

Esron . 
Gedenk,  dass  du  allein  hier  bist 
385   Sammt  uns,  Niemand  das  sehen  mag: 
Drum  furcht  dich  nicht,  mit  uns  es  wag. 

Stisanna. 
Hebt  Euch,  Ihr  Thoren,  weit  hintan, 
Obgleich  kein  Mensch  uns  sehen  kann, 
Meint's  Ihr  drum,  dass  uns  Gott  nit  seh'? 
390  O  Gott,  solches  nimmermehr  gescheh' ! 
Ein'  Mann  hast  du  gegeben  mir  — 
Nie  lass  mich  ferne  kommen   von  dir  — 
Dem  halt  ich  mich  treu  in   meinem  Leben. 

Esron. 

Schau,  dieses  Geld  will  ich  dir  geben, 
395  Wenn  du  nach  meinem  Willen  bist. 

Susanna. 
Pfui  dir,  du  Schalk,  mit  solcher  List 
Sollt'  ich  mein'  Ehr  verkaufen  dir? 
O,  meine  Magd,  komm  bald  zu  mir. 
O  Gott,  errett  mich  aus  solcher  Noth. 

Ac/iab. 
400  Hör  an,  Susanna,  ohne  Spott, 

Es  kann  und  wird  nicht  anders  sein, 
Drum  gieb  dich  bald  in  den  Willen  drein, 


174 

Dass  wir  unsern  Willen  mögen  haben ; 

Wo  solches  du  uns  wirst  versagen, 
405  So  sollst  du  wissen  unsern  Bescheid, 

Dass  wir  entschlossen  sein  alle  beid, 

Dich  öffentlich  zu  klagen  an, 

Wie  wir  bei  dir  ein  jungen  Mann 

Haben  getroffen  an  im  Stillen, 
410  Dem  du  gestattet  seinen  Willen, 

Gebrochen  hast  allso  deine  Treu : 

Darum  besinn  dich,  dass  es  dich  nicht  reu', 

Weil  du  uns  alle  beide  verschmäht. 

Du  weisst,  dass  jetzt  das  gestrenge  Recht 
415   In  unsern  Händen  und  Worten  steht, 

Was  jeder  von  uns  als  Zeugniss  red't; 

Drum  deiner  selber  nit  vergiss, 

Es  ist  ja  doch  viel  besser  dir. 

So  du  dich  fügst  nach  unsrer  Begier 
420  Und  nochmals  allzeit  bleibst  bei  Ehren, 

Als  dass  du  dich  gegen  uns  thust  wehren, 

Und  wir  heftig  verklagen  dich 

Des  Ehbruchs  und  du  jämmerlich 

Vor  männiglich  werdest  zu  Spott, 
425  Und  allso  werdest  verdammt  zum  Tod. 

Susanna. 

Liebe  Freunde,  bedenkt  zugleich, 

Was  doch  soll  sein  geholfen  Euch, 

So  ich  nach  Eurem  Willen  thät, 

Und  Ihr  ein'  kleine  Freude  hätt'. 
430  Die  weil  Ihr  doch  verstosst  vor  Gott 

Euch  selbst  und  mich  in  ewige  Noth, 

Dazu  auch  hier  zu  Schanden  werd't. 

Ich  bitt  Euch,  nicht  nach  Verdammniss  begehrt, 

Ich  bitt,  erbarmt  Euch  doch  mein. 
Esron . 
435   Wohlan,  es  mag  nit  anders  sein. 

Entweder  folgen  oder  leiden  Noth  : 

Bewahr  dein'  Ehr  oder  werd  zum  Spott, 

Und  besinn  dich  bald,  jetzt  hast  die  Wahl 


450 


175 

Stisanna. 
Ach  Gott,  Angst  drängt  mich  überall, 

440     Mein  Herz  ist  mir  schwer  ohne  Massen, 
Weil  ich  also  bin  hier  verlassen: 
Im  Gefängniss  ist  mein'  Seel  ohn'  Ehren ; 
Dass  ich  mich  nicht  dess  kann  entwehren, 
Muss  entweder  die  Keuschheit  mein 

445     Verlieren  oder  richtbar  sein 

Des  Ehbruchs  oder  gesteinigt  werden ; 
Behalt  ich  nie  mein'  Ehr  auf  Erden, 
Mit  dem,  dass  ich  mit  Euch  thu  Sünden, 
Werd  ich  Gottes  Zorn  entzünden 
Wider  mich  und  verlieren  seine  Huld : 
Bleib  ich  dann  in  meiner  Unschuld, 
So  ist  gleichwohl  zu  besorgen  mir. 
Es  möcht  gelingen  nach  Euer  Begier, 
Euer  falsches  Beklagen  wird  bringen  Noth. 

455     Mein  Achab,  es  soll  den  schmählichen  Tod 
Zu  leiden  mir  viel  besser  sein. 
Als  dass  ich  Gott  den  Herren  mein 
In  solchem  Mass  erzürnen  will. 

Esron . 

So  bedarf  es  nun  der  Wort  nicht  viel, 
460     Willst  du  nicht,  so  musst  du  mit  Gewalt: 
Gehe  Achab,  die  Hand  ihr  halt. 

Susanna  schreit. 

Mordio !     Mordio ! 

8.  Auftritt. 

Die   zwei  Knechte   mit  ICjti'ctteln   laufe?!    von  beiden  Seiten 
in  den   Garten,  Abel  thut,  als  wollte  er  schlagen, 

Abel. 

Wer  schreit  also?     Was  macht  Ihr  da? 

Ihr  wollt  der  Frauen  doch  nicht 

465     Gewalt  anthun,  Ihr  Bösewicht'  ? 

Esron. 
Nicht  schlag,  zuvor  dem  Bescheid  halt  still. 


176 

Pass. 

So  sag  bald  an,  wie  es  hergang. 
Achaö. 

Wir  haben  einen  jungen  Mann 

Bei  ihr  ergriffen  hier  allein, 
470  Dem  sie  thut  nach  dem  Willen  sein. 

Da  wir  ihn  aber  wollten  fangen, 

Ist  er  uns  mit  Gewalt  entgangen, 

Da  er  viel  stärker  war  als  wir ; 

Darnach  wir  hergegangen  zu  ihr, 
475   Um   sie  zu  ergreifen  und  zu  strafen. 

Susanna. 

Nicht  glaubt  ihnen,  sie  thun  mir  Gewalt. 

Pass. 

Ein  seltsames  Ding,  wahrlich,  ich  halt, 
Ihr  selbst  seid  die  Thäter  dieser  Dingen 
Und  habt  die  Frau  mit  Gewalt  woll'n  zwingen ; 
480  Schaut  zu,  was  Ihr  da  handeln  thut ! 

Esron . 

Auf  uns  komm  dieser  Frauen  Blut, 

Wo  wir  sie  nicht  mit  Recht  beklagen ! 

Dennoch  wir  Euch  mit  Ernst  es  sagen, 

Dass  Ihr  sie  nehmt  in  Eure  Hut 
485  Und  fleissig  sie  behalten  thut, 

Bis  man  ihr  den  Gerichtstag  setzt : 

Gerichtet  werde  sie  um  solche  That, 

Wie  sie  es  wohl  verschuldet  hat ; 

Dem  Rath  wollen  wir  es  sagen  an, 
490  Der  weiss  der  Sache  wohl  zu  thun. 

Esron,   Ac/iad,  Abel  tmd  Pass  i:;ehen  ab,     Sarah  kommt. 

9.  Auftritt. 

Sarah. 
O  Frau,  was  ist  Euch  widerfahren. 

Susanna. 
Ich  hiess  Euch  die  Thür  wohl  bewahren, 
Dass  Niemand  fremder  kommt  herein. 


177 


Sarah. 

Wahrlich,  Frau,  wir  sperrten  sie  ein 
495   Und  stiessen  auch  den  Riegel  für; 
Nun  ist  verdorben  jetzt  die  Thür: 
Nit  wissen  wir,  wer  das  hat  gethan. 

Susanne. 

Mein  Gott  hat  mich  gegriffen  an 
Und  also  in  gross  Unglück  geführt: 
500  Ach,  hätt  er  meinen  Glauben  nicht  gespürt? 
Nun  kommt  und  führet  mich  hinein. 
Dann  mir  vor  Angst  jetzt  meine  Bein 
Ganz  schwach  und  kraftlos  schon  sein  thun: 
Ach  Gott,  wie  elend  bin  ich  nun. 

Gehen  alle  ab.     Die  Knechte  treten  wieder  ein. 

10.  Auftritt. 

Abel. 
505   Lieber,  wer  hätt  besorgt  je,  ei,  ei, 
Dass  unsere  Frau  dermassen  sei, 
Ihr'  ehliche  Pflicht  so  brechen  sollt, 
Die  allezeit  über  alles  Gold 
Der  Zucht  und  Keuschheit  hold  gewesen. 

Pass. 

510  Ei  Lieber,  es  ist  ja  noch  nit  erwiesen, 

Ob  sie  wohl  solches  hat  gethan; 

Sie  hat  einen  gar  frommen  Mann, 

Der  sie  wohl  hält  und  liebet  sehr. 

Denn  sie  wohl  von  Jugend  her 
515  Zur  Zucht  und  Keuschheit  war  geneigt. 

Welches  mir  grossen  Argwohn  geit, 

Dass  man  ihr  billig  unrecht  thut. 

Abel. 
Wahrlich,  dass  wäre  ja  nicht  gut. 
Wann  zwei  solche  tapfere  Mann' 
520  Also  ein  Lärmen  fingen  an 

Und  hätten  keinen  wahren  Grund. 

Volksschauspiele.    II.  12 


178 

Pass. 

Ei,  dir  nicht  das  beikommen  kunnt, 

Dass  kein'  Alten  hilft  ihr  Thorheit. 

Ich  hab  ja  gehört  wohl  oft  der  Zeit 
525       Von  diesen  zwei  alten  Greisen, 

Dass  sie  viel  Thorheit  thun  beweisen, 

Sehr  übel  mit  ihren  Weibern  leben, 

Raufen,  schlagen  und  dergleichen, 

Welches  mir  sein  gewisse  Zeichen 
530        Wohl,    dass  ich's  gar  nit  glauben  will. 

Abel. 
Davon  lass  uns  nur  schweigen  still. 
Ach,  was  sollen  wir   darzu  thun? 
Wie  dunket  dich,   dass  wir's  angehen  nun 
Und  unserem  Herren  zeigen  an, 
535        Dass  er  beeden  thät,  was  wohlgethan 
In  dieser  Sach  bei  guter  Zeit? 

Pass. 
Ja,  wahrlich,  ihm  das  Meist'   dran  leit.    Gehen  ab. 

II.   Auftritt. 

£sron  und  Achab  treten  ein. 
Esron. 

Ach,  wie  schwer  jetzt  es  fallet  mir. 

O,  mein  Achab,  was  rathet  Ihr, 
540       Weil  uns  die  Knecht  jetzt  zeihen  sehr. 

Wie  solches  Ihr  ja  habt  gehört? 

Darum  ich  mich  auch  billig  furcht, 

Wann  etwa  solches  kundbar  wird; 

Nun,  lieber  Herr,  Ihr,   rathet  mir  gut, 
545       Was  man   in  solcher  Sachen  thut. 

Achab. 
Mein  Rath  ist,  dass  man  sei   bedacht, 
Wann  ein  Gerichtstag  werd   gemacht. 
Auf  welchem  wir  all  unsere   Sachen 
Wohl  auf  das  Beste  werden  machen : 


179 

550  Dann  wie  im  Gesetz  geschrieben  steht, 
Dass  zweier  Zeugnuss  allzeit  recht, 
Vor  dem  Gericht  wir  allzeit  bestehn, 
Welches  hier  sich  schicket  schön, 
Wann  wir  beede  aus  ein'   Mund  reden, 

555   Und  das  Gericht  selbst   muss  Zeugnuss  geben, 
Dass  unsere  Sache  sei  kontent 
Und  nehmen  wird  ein  gutes  End. 

Esron , 
Wahrlich,  Achab,  Ihr  redet  wohl, 
Bei  dem  es  schon  verbleiben  soll ; 
560  Mich  dunket  es  auch  selber  fein. 

Doch  es  ist  Zeit,  wir  wollen  gehn  hinein. 

Gehen  ab. 

12.  Auftritt. 

Die    Gerichtshalle.      Der   Richter  gehet    mit  den   zwei   Bei- 
sitzern und  zwei  Dienern  ein,  sie  setzen  sich. 

Richter. 
Gott,  unser  Herr  zu  grosser  Gnad 

Uns  G'richt  und  Schwert  gegeben  hat, 
Auch  ein  Gesetz  geschrieben  für, 
565   Dass  wir  nach  jeden  Falles  Gebühr 

Die  Gerechtigkeit  handhaben  thäten 

Und  also  aller  Menschen  hätten 

Zu  dieser  Zeit  gut  Ehr  ausgemacht: 

Und  wo  es  etwa  wurde  Sach, 
570  Dass  Jemand  wider  Recht  was  thät, 

Dass  dieser  bald  sein'   Strafung  hätt. 

Und  andern  ein  Exempel  war, 

Nichts  zu  thun  wider  Recht  und  Ehr: 

Dann  dieses  heisst  die  Obrigkeit 
575  Und  Ordnung  Gottes  dieser  Zeit, 

Der  das  Recht  sucht,  das  Unrecht  straft.  — 

Nun  geh,  schrei  aus,  wo  Jemand  sei, 

Der  Recht  begehrt,  dass  er  herbei 

Zu  rechter  Zeit  verfüget  sei. 

12* 


I»0 

Sergus    neigt    sich    gegen    den   Richter,    geht   hintan    und  spricht 

zum    Volk : 

580        Nun  schweiget  und  vernehmet  mich, 

Der  Richter  hat  gesetzet  sich, 

Desgleichen  die  Beisitzer  sein ; 

Wer  nun  hier  ist,  gross  oder  klein, 

Der  Jemand  hat  zu  klagen  an, 
585        Der  soll  solches  bei  Zeiten  thun. 

13.' Auftritt. 

Die  zwei  Alten  kommen  mit  der  Susanna,   welche  im  schwarzen 
Trauerkleide  ist. 

Esron . 

Willkommen,  Ihr  hochweise  Herrn. 

Richter, 
Habt  Dank,  was  ist  denn  Euer  Begehrn: 

Achab. 

Herr  Richter,  wenn's  Euch  gelegen  war,. 
Wollt  uns  vergönnen  die  erste  Ehr. 
590       Ein  Weib  haben  wir  bringen  lassen. 

Heut  fürs  Gericht,  nun  welcher  Massen 
Und  warum  solches  geschehen  sei, 
Soll  werden  kund,  schafft  sie  herbei. 

Richter. 
Wo  ist  die  Frau  r    Schafft  sie  herzu. 

14.  Auftritt. 

Sergus  führt  Susanna  herbei 

Sergus. 
595        Herr  Richter,   nach  Eurem  Befehl 
Haben  wir  die  Frau  hergestellt. 
Wie  Ihr  sie  seht  hier  voll  Unmuth. 

Richter. 
Hört,  wess  man  Euch  verklagen  thut. 


i8i 


Esron, 

Herr  Richter,  dies  Weib  klagen  wir  an, 

600        Dass  sie  wider  ihre  Ehr  gethan, 
Ihr  Ehe  gebrochen  wider  Gott, 
Ihr  selbst  und  unserm  Gott  zum  Spott, 
Sich  an  ein'  jungen  Bub'n  gehängt ; 
Das  tragen  wir  Eurer  Weisheit  für, 

605        Dass  sie  gestraft  werd  nach  rechter  Gebühr, 
Denn  wo  man  ihr  das  schenken  würd, 
Würden  die  Laster  eingeführt 
Und  andere  auch  dermassen  thun; 
Dabei  wollt  Ihr  gedenken  nun, 

€10        Dass  unserm  Gott  zuwider  sei 

Der  Ehbruch  und  die  Unkeuschheit, 
Dass  er  oft  straft  ein  ganzes  Land, 
Darum,  dass  die  Obrigkeit  Sund  und  Schand 
Geschehen  lasst  und  wehret  nicht. 

615        Darum  wir  das  bei  Eurer  Pflicht 

Aufs  TreuHchst  wollen  hier  ermahnen, 
Ihr  wollt  das  Weib  keineswegs  verschonen, 
Sondern  sie  strafen  um  solche  That, 
Wie  sie  es  wohl  verschuldet  hat. 

Richter. 
€20        Ich  hab  vernommen  Eure  Klag, 

Daran  ich  gross  Beschwernuss  trag, 

Jedoch  ich  sie  anhören  soll ; 

Susanna  hört  und  merket  wohl, 

Wess  Euch  diese  zwei  Herren  verklagen : 
^25        Hierauf  wollt  Ihr  Eure  Antwort  sagen, 

Ob  Ihr  wohl  stehet  in  solcher  Zieht. 

Susanna. 
Ach,  Herr  Richter,  ich  bitt  um  Eure  Pflicht, 
Recht  zu  urtheilen  Ihr  nit  vergesst, 
Dann  ob  sich  schon  ansehen  lässt, 
630       Dass  solche  Tapfere  nit  lügen: 

Jedoch  lasst  Euch  von  solchen  nicht  betrügen 
Und  höret  auch  mich  armes  Weib, 
Dann  ich  vor  Gott  unschuldig  bleib. 


l82 

Der  unsre  Herzen  alle  kennt : 

635        Ich  bitt,  nit  glaubet  solches  behend; 
Sie  zeihen  mich  gebrochner  Eh, 
Welches  mit  nichten  ich  besteh, 
Es  wird  auch   Niemand  finden  sich, 
Sondern  ihr'   Klag  ist  wider  mich 

640       Aus  Bosheit  und  mörderischem  Hass, 
Darum,  weil  ich  zu  redlich  was 
Und  ihres  Fürnehmens  thät  mich  wehren. 
Da  sie  stellten  nach  meiner  Ehren 
Und  wollten  mit  Gewalt  zwingen  mich : 

645        Da  sagten  sie  ganz  freventlich, 

Wo  ich  nicht  nach  ihrem  Willen  thät, 
Ein  Jeder  sich  entschlossen  hätt 
Mich  öffentHch  zu  klagen  an, 
Wie  ich  mit  einem  jungen  Mann 

650       Mein  Eh  und  Treu  gebrochen  hab: 
Aus  welchem  Ihr  könnt  nehmen  ab, 
Dass  mir  Gewalt  und  Unrecht  geschieht, 
Wie  ich  auch  solches  vor  Gottes  Gericht 
Mit  Gott  selbst  bezeugen  mag. 

Richter, 
655       Ihr  Herren,  hört  auf  Eure  Klag, 
Was  dieses  Weib  antworten  thut ; 
Wahrlich,  es  wäre  ja  nicht   gut, 
Wann  dem  also  war,  wie  sie  sagt. 

Esron. 
Herr  Richter,  was  wir  hier  geklagt, 

660       Dem  ist  also,  daran  zweifelt  nicht. 
Wann  wir  thäten  fälschlich  beklagen 
Und  nicht  die  gründliche  Wahrheit  sagen^ 
Der  Redlichkeit,  wie  wird's  der  gehen? 
Nun  sollt  Ihr  Euch  zu  uns  verstehen. 

665       Dass  dem  also  und  nicht  anders  sei, 
Das  könnet  Ihr  erkennen  leicht, 
Da  sie  das  Falsche  auf  uns  vergeicht. 
Damit  ihr'  Sach  verlängert  werden  — 
Dann  wer  ist  wohl  so  plump  auf  Erden, 


i83 


670        Der  nicht  sieht,  dass  sie  unrecht  hat, 

Dann  wir  beede  gehn  auf  dem  letzten  Grat, 
Unsere  Seelen  wir  auf  den  Armen  tragen  : 
Was  wollen  wir  nach  Unkeuschheit  fragen? 
Glaubt  uns,  wenn  einer  wird  so  alt, 

675        Die  Gall  in  ein'm  wird  wahrlich  kalt. 
Nun  sollt'   uns  Joachim  auch  bedauern, 
Ob  wir  wollen  auf  Buhlschaft  lauern, 
Die  wir  da  sind  von  guten  Stätten 
Und  ihn  zwar  gern  verschonen  thäten, 

680       Geschweige,  dass  wir  dies  im  Willen  hätten. 
Doch  weil  wir  mit  gutem  Zeugnuss  bestehen, 
Darauf  das  Recht  soll  billig  gehen. 

Richter. 

Nun,  liebe  Freunde,  macht  Euch  gewiss. 
Wohlan  Susanna,  Ihr  nit  vergesst 
685       Euch  selbst  und  sagt  die  Wahrheit  an, 
Wann  Ihr  denn  solches  habt  gethan: 
Bekennt  es  frei,  auf  dass  nit  mehr 
Durch  falsches  Zeugnuss  gesündigt  werd. 

Susanna  seufzet  und  spricht: 

Erst  sich  mein  Herz  im  Leib  verschmuckt, 
690       Dieweil  Ihr  Arges  von  mir  gedenkt 

Und  vermeinet  mich  schuldig  zu  sein ; 
Jedoch  kann  Euch  das  Leben  mein, 
Meiner  Unschuld  grosses  Zeugnuss  geben, 
Denn  nimmermehr  bei  meinem  Leben 
695        Desgleichen  hat  man  an  mir  gespürt: 
Mein  Gott  mich  allzeit  hat  geführt, 
In  wahrer  Keuschheit  und  Vertrauen, 
Welches  Ihr  jetzund  auch  wollt  anschauen. 
So  werd  ich  wahrlich  doch  unschuldig  sein 
700       Und  mir  bleibet  die  Ehre  mein; 

Ja,  schaut  auch  an  ihrer  beeder  Leben, 
Das  wird  Euch  gutes  Zeugnuss  geben, 
Dass  ihr'  Klag  falsch  und  liegend  ist, 
Dass  sie  bisher  zu  mancher  Frist 


i84 

705        Ihr'  Unzucht  nit  allein  mit  Worten 
Haben  bezeugt  an  manchen  Orten, 
Sondern  auch  dabei  mit  Werken, 
Daraus  Ihr  könnet  wohl  vermerken, 
Welcher  Theil  zugleich   der  böse  ist; 

710       Jedoch  weil's  mir  zu  jeder  Frist 

An  Menschenzeugnuss  mangeln  thut, 
So  bitte  ich  durch  das  höchste  Gut, 
Ihr  wollt  Gott  mein'   Zeugen  lassen    sein, 
Dem  ist  ja  kund  das  Herze  mein, 

715       Dem  offen  steht  mein  Gemüth  und  Sinn, 
Vor  dem  ich  ganz  unschuldig  bin. 
Redlich  ich  auch  noch  eins  ermahn  : 
Ihr  wollt,  sie  heissen  Zeugen   an, 
Wo  und  bei  wem  sie  sahen  mich, 

720       Wer  der  Junge  war  und  wo  er  sich 
Von  ihnen  gerissen,  wie  sie  sagen, 
Und  wollet  auch  daneben  fragen, 
Wie  sie  zu  Solchem  kommen  sein, 
Dann  im  Garten  ich  war  gesperret  ein. 


Es) 


on. 


725       Herr  Richter,   wozu   vieler  Worte  bedarf s, 
Was  wir  beede  hier  haben  gesagt, 
Das  soll  und  muss  die  Wahrheit  sein  : 
Darum  leg  'ich  die  Hände  mein 
Dem   Weib  aufs   Haupt  und  thu  sagen, 

730       Dass  wir  sie  redlich  thun  beklagen. 
Und  wo  sie  das  nit  also  find't, 
Ihr  Blut  auf  mich  und  meine  Kind 
Ewig  zur  Räch  gereichen  soll : 
Darum  Herr  Richter  thut  so  wohl, 

735       Lasst  nur  dem  Rechte  seinen  Lauf 

Achab. 

Herr  Richter,  schiebt  die  Sach  nit  auf, 
Die  Zeit  verzieht  mit  Worten  viel, 
Mein'  Hand  ich  auf  sie  legen  will, 
Jetzt  diesem  Weibe  hiemit  sagen, 
740        Dass  wir  mit  Recht  sie  thun  beklagen. 


i85 


Ihr  Blut  auf  mir  und  meinen  Kinden 
Soll  ewig  seine  Rache  finden, 
Wann  ihr  von  uns  Unrecht  geschieht : 
Darum  gedenkt  an  Eure  Pflicht 
745       Und  straft  sie  nach  ihrer  Missethat, 
Wie  solches  Gott  selber  geboten  hat. 
Wohlan,  Esron,  lasset  uns  gähn, 
Wir  haben  doch  das  Unsre  gethan. 

Esron. 
Jawohl,  der  Richter  wird  wohl  wissen, 
750       Wie  sich  solche  Handel  beschliessen. 

Richter. 
Knecht,  schaffet  sie  ein  wenig  hintan. 

Knecht. 

Nun  tretet  rasch  ein  wenig  hintan, 

Dass  man  sich  unterreden  kann.  Geschieht. 

Richter. 
Nun,  hebe  Herren,  rathet  zu, 
755        Dass  man  dem  Weib  nicht  Unrecht  thu. 

Enoch. 
Dass  sie  nun  genugsam  ist  überwiesen : 
Und  ihr  sollt  billig  glauben  diesen, 
Die  also  tapfere  Zeugen  sein, 
Wo  Ihr  nur  deutlich  greifet  ein 
760       Und  den  Ehbruch  mit  Ernst  bestraft. 

Richter. 

Ja,  Eurer  Rath  wird  geben  Kraft. 

Siinon. 

Mich  gedunket  es  also  recht, 
Weil  Ihr  nunmehr  deutlich  hört  und  secht, 
Dass  sie  genugsam  ist  überwiesen, 
765       Und  Ihr  sollt  billig  glauben  diesen, 
Die  allso  tapfre  Zeugen  sein, 
Da  Ihr  nun  deutlich  greifet  ein 
Und  den  Ehbruch  mit  Ernst  bestraft. 


i86 

Richter. 
Ja,  Euer  Rath  wird  geben  Kraft, 
770  Knecht',  ihr  sie  wieder  herzu  schafft! 

Susanna  kann  vor  Mattizkeit  kaum  stehen. 

Knecht. 
Nun  thut  wieder  herzu  gehen. 

Richter. 

Susanna,  habet  Ihr  vernommen, 

Dass  Euer  Bosheit  an  Tag  ist  kommen, 

Dann  ich  den  zwei  Alten  glauben  soll, 

775   Wie  Ihr  solches  selber  wisset  wohl? 
Wie  im  Gesetz  geschrieben  steht, 
Dass  zweier  oder  dreier  Recht 
Zum  Zeugnuss  soll  gewiss  bestahn ! 
Weil  Ihr  denn  solches  habt  gethan 

780  Und  dies  g'nugsam  überwiesen  ist, 
So  spreche  ich  zu  dieser  Frist 
Das  Urtheil  und  folge  den  Rechten : 
Dass  Ihr,  gebunden   von  den  Knechten 
Ausgeführt  werdet  zum  Rabenstein, 

785  Auch  daselbst  das  Leben  büsset  ein. 

Das  Euch  mit  geworfnen  Steinen  genommen  werd, 
Dass  Ihr  da  begraben  auch  in  der  Erd 
Allen  Weibern  ein'  Warnung  seid, 
Dass  endlich  Treue  werde  geleist. 

790  Also  ist  das  Urtheil  gesprochen, 
Und  der  Stab  ist  darob  gebrochen : 
Geht  her,  ihr  Knecht',  und  greift  sie  an. 

Die  zwei  Knechte  binden  Susanna. 

Sergus. 
Herr  Richter,  ja,  wir  Alles  thun, 
Wie  Ihr  uns  das  gebieten  thut. 
795    Susanna  nimm  nun   wahr  zu  Gut, 
Dass  wir  also  thun  binden  dich, 
Dein  Urtheil  allso  vollstrecket  sich. 

Susanna  lueint. 

Ach  Gott,  wie  gar  verlasst  du  mich, 
Dass  ich  heut  soll  unschuldiglich 


187 


8oo       Zum  Tod  verdammet  worden  sein! 
O  Gott,  ist  das  der  Willen  dein? 
So  lass  dich  meiner  Unschuld  erbarmen, 
O  Herr,  komm  doch  zu  Hilf  mir  Arrnen, 
Errette  mich  aus  dieser  Schanden ; 

805        Schau  an,  wie  ich  hier  steh  in  Banden. 
Theil  mit  mir  dein'  Barmherzigkeit, 
Dann  hier  zu  helfen  ist  die  Zeit. 
Jedoch,  wenn  es  dir  gefallen  wohl, 
Dass  ich  unschuldig  sterben  soll, 

810       So  gieb  ich  mich  zu  eigen  dir; 

Herr,  dein  Willen  geschehe  an  mir! 
Allein  gieb  mir  Geduld  und  Stärk, 
Damit  ich  dein  göttliches  Werk 
Durch  rechte  Erkenntniss  willig  leid', 

815        Dann  dir  zu  gefallen  ist  mein  Freud: 
Ach,  dieser  Weg  ist  eben  weit ! 

Knecht. 
Susanna,  dir  nit  Unrecht  geschieht, 
Nach  deiner  That  wirst  du  gericht, 
Darum  gieb  dich  nur  willig  drein, 
820       Denn  es  mag  nun  nicht  anders  sein; 

Schau,  tracht,  dass  du  magst  selig  sterben 
Und  bei  Gott  Gnad  und  Huld  erwerben. 
Nun  geh  von  Statten,  denn  es  ist  Zeit 
Und  dieser  Weg  ist  eben  weit. 

Susanna. 

825       Nun,  weil  es  dann  nicht  anders  ist, 
So  thut  mit  mir  zu  dieser  Frist, 
Wie  es  der  Richter  geboten  hat ; 
Doch  bitt  ich,  beweist  mir  noch  die  Gnad, 
Zu  dem  Volke  zu  reden  ein  Wort. 

Knecht. 
830       Du  magst  es,  aber  kurz,  dann  fort. 

Su  sanna . 

Ihr  ehrbare  Männer  und  fromme  Frauen, 
Ich  bitt,  Ihr  wollt  mit  Fleiss  anschauen 


i88 

Den  Unfall,  dies  mein  schmähliches  Band, 

Durch  welches  mich  Gott  setzt  in   Schand, 
835  Euch  zu  einem  Spiegel  stellet  dar, 

Bei  welchem  Ihr  sollt  nehmen  wahr. 

Was  Menschen  Ehr  und  Adel  sei. 

Wo  nit  auch  Gottesfurcht  dabei. 

Göttlichen  Schutz  und  Schirm  nur  sucht : 
840  So  ich  bisher  in  aller  Zucht, 

In  Gottesfurcht  und  Keuschheit  gelebt, 

Ganz  aller  Unehr  widerstrebt: 

Doch  mir  hat  solches  geholfen  nicht, 

Sondern  ich  werd  jetzt  falschUch  gericht, 
845   Durch  falsche  und  verlogene  Zungen, 

Denen  heut  Unrecht  ist  gelungen. 

Aus  Gottes  Verhängnuss  verderben  sie  mich. 

Darbei  betrachtet  fleissighch, 

Wollt  Gott  vor  allen  Dingen  lieben, 
850  In  seinen  Worten  Euch  fleissig  üben, 

Der  Euch  vor  Leid  beschützen  thut. 

Es  wird  eine  Arie  gesungen. 

15.  Auftritt. 

Sarah  tritt  ein. 
Sarah. 

Ach,  meine  Frau  Mutter,  was  soll  denn  das  sein, 

Dass  Ihr  so  erbärmlich  gefangen  ein 

Und  ausgeführt  werdet  zum  Tod? 
855    Das  wohl  erbarme  der  liebe  Gott. 

Sollt  dann  kein  Richter  auf  Erden  sein. 

Dem  doch  dabei  kunnt  fallen  ein 

Der  Alten  falsche  und  böse  List 

Und  dass  mein'  Frau  Mutter  unschuldig  ist? 
860  Jedoch,  wenn  es  Gott  gefallet  wohl, 

bass  Ihr  unschuldig  sterben  sollt, 

So   seid  bereit  seinen  göttlichen  Willen 

In  Allem  treulich  zu  erfüllen : 

Denn  wer  allda  unschuldig  stirbt 
865   Bei  Gott  die  ewige  Freud  erwirbt; 


i89 


Vor  Leid  ich  nicht  mehr  reden  mag. 
Adje,  Frau  Mutter,  eine  gute  Nacht, 

Stisanna. 

Ach,  meine  Sarah  und  Magd  zugleich, 
Nit  gar  so  sehr  betrübet  Euch, 
870   Und  thut  nicht  so  sehr  um  mich  wein'  : 
Nun  geht  in  Gottes  Nam'  wieder  heim. 

Sariih  ab. 

16.  Auftritt. 

Das  Kind  kommt. 

Kind, 
Ach,  Frau  Mutter,   was  sind  das  für  Leut, 
Die  Euch  daher  geführet  heut? 
Wollen  sie  Euch  stossen  oder  schlagen? 
875   Dies  will  ich  gleich  dem  Herrn  Vater  sagen. 
Packet  Euch  hintan,  Ihr  bösen  Leut, 
Wollt  Ihr  dann  meiner  Frau  Mutter  heut 
Anthun  ein  gar  grosses  Leid? 
Ach,  Frau  Mutter,  weiss  nit,  was  das  bedeut't. 

Susanna. 
880  Ach,  mein  Kind,  ich  will  dir  zeigen  an, 
Warum  sie  mich  daher  geführet  han : 
Ich  muss  verlassen  heut  die  Welt 
Und  sterben,  wenn  es  Gott  gefällt. 

Kind, 

Ach,  Frau  Mutter,  thut  nit  sterben  heut. 

Susanna. 

885  Mein  Kind,  ich  gieb  mich  willig  drein. 

Ki77d. 

Ach,  Frau  Mutter,   thut  nit  sterben  heut. 
Susanjta. 

Mein  Kind,  geh  zum  Vater  hinein. 


190 

Ktnd. 
Ach,  mein  Frau  Mutter,  wenn  Ihr  sterben  wollt 
Und  bin  Euch  allzeit  gewesen  hold, 
890  So  bin  ich  auch  ganz  bereit, 

Mit  Euch  zu  sterben  mich  erfreut. 

Susanna. 

Mein  Kind,  mit  mir  kannst  du  nit  sterben, 
Umsonst  ist  dieses  dein  Begehren : 
Geh  nur  geschwind  zum  Vater  hinein, 

895   Der  liebe  Gott  wird  dir  gnädig  sein. 
Behüt  dich  Gott,  mein  liebes  Kind, 
Mein  Herz  zu  Gott  vor  Liebe  brinnt. 
Zu  sterben  bin  ich  schon  bereit. 
Zum  Reden  haben   wir  nicht  mehr  Zeit. 

900  Ich  befehle  dich  dem  lieben  Gott, 
Der  dir  beistehe  in  der  Noth. 
Er  woir  dein'  Seel  und  Leib  regieren 
Und  uns  nach  dem  Leben  zusammen  führen. 

Kind. 
Nun  dann,  o  hebe  Frau  Mutter  mein, 
905  Jetzt  gieb  ich  schon  den  Willen  drein. 
Damit  ich  Euch  doch  gehorsam  sei, 
Bis  uns  Gott  von  einander  scheid't; 
Urlaub  nimm  ich,  o  Frau  Mutter,  heut, 
Dieweil  es  kann  nit  anders  sein. 

17.  Auftritt. 

Richter. 
910  Schafft  hintan  das  Kind  nun  mit  Gewalt! 

Knecht. 
O  Kind,  geh  du  von  dannen  bald. 

Sergiis. 
Wohlan,  Susanna,  wir  wollen  gehen. 
Nimm  Urlaub,  denn  es  ist  grosse  Zeit. 

Siisanna. 
Wann  mein  Gott  will,  bin  ich  gern  bereit. 
915   Er  gesegne  Euch,  Ihr  Frauen  und  Mann! 


Hab  ich  Jemand  was  Leid's  gethan, 
Vergebt  es  mir,  wie  ich  auch  Euch. 
Nun  ich  zu  meiner  Marter  scheid, 
Unschuldig  ich  gerne  sterben  soll, 
920  Weil  solches  mein'   Gott  gefallet  wohl. 

Während  des  Ahführens  kommt  Daniel. 

18.  Auftritt. 

Daniel  ruft. 
Ich  habe  keine  Schuld  an  diesem  Blut! 

Richter. 
Wer  ist,  der  also  schreien  thut? 
Was  meinst  du,  dass  du  solches  sagst, 
Damit  du  unser  Gericht  beklagst? 

Daniel. 

925  Ihr  thörichte  Israeliter! 

Was  ist's  doch  für  ein  Unglück  bitter, 
Dass  Ihr  so  fälschlich  richten  thut 
Und  verdammt  das  unschuldige  Blut! 
Habt  Ihr  denn  die  Gerechtigkeit  vergessen? 

930  Könnt  Ihr  Wahrheit  nicht  mehr  ermessen? 
Bald  kehret  wiederum  zu  Gericht, 
Denn  dieses  Weib  ist  fälschlich  bezicht't. 

Richter. 
Ihr  Knecht',  bringt  bald  herbei  die  zwei  Alten, 
Die  wider  das  Weib  zeugen  wollten. 

Daniel, 
935   Scheidet  sie  aber  voneinander  und  gebt  Acht, 

Damit   jeder    besonders    werde    vor    das    Gericht 

gebracht. 
Nun  wollen  wir  ein  wenig  hintan  gehn, 
Bis  man  bringet  die  alten  Zween. 

Daniel  tritt   sam7Ht   dem   Richter,    den    zrvei  Gerichtsdienern 
und  Susanna  vor.     Dajtiel  setzt  sich. 


192 

Daniel. 

Weil  ich  dann  heut  gesetzet  bin 
940  Für  einen  Richter  dieser  Sach 
Und  mir  befohlen  ist  die  Räch, 
So  geht  und  bringt  mir  einen  her, 
Auf  dass  die  Wahrheit  kundbar  werd. 

Richter. 

Ja,  bringt  auch  herbei  das  arme  Weib, 
945  Jedoch,  dass  sie  gebunden  bleibt. 
Bis  dass  erkennet  werd  nach  Recht, 
Dass  sie  unbiUig  sei  geschmäht. 

19.   Auftritt. 

Die  Diener  bringen  erstetis  von  der  linken  Seite  den  Esron. 

Esron. 

Liebe  Herrn,  was  bedeutet  das, 

Dass  wir  jetzt  mit  solchem  Mass 
950  Gefänglich  werden  daher  gestellt? 

Wollt  Ihr  denn  lassen  ein  Kind  regieren? 

Seht  auf,  der  Fürwitz  wird  Euch  verführen. 

Der  Kindheit  ist  gar  nicht  zu  trauen : 

Wollt  Ihr  heut  noch  einmal   der  Frauen 
955  Ein  neues  Gericht  hier  halten  dann? 

Daniel. 
Schweig  nur  still,  alter  Mann, 
Dein'  Bosheit  an  Tag  kommen  soll: 
Fälschlich  verdammt  hast  du  die  Arme! 
lieber  dieses  Weib  hast  du  kein  Erbarmen. 

960  Nun  weil  du  sie  dort  hast  gesehen 

Im  Ehbruch,  wie  du  sie  thust  schmähen, 
Damit  solches  könne  bestehen : 
Sag  an,    wo  hast  du  sie  gesehen, 
Unter  was  für  einem  Baum  waren  sie? 

965  Was?     Bedenk  dich  nit  lang,  sag  es  hier, 
Nit  lang  bedenk,  gieb  Antwort  mir. 


193 


Esron. 
Im  Garten  nit  weit  von  der  Thür 
Unter  einer  Linden  waren  sie. 

Susanna. 
Ihr  Herren,  Ihr  thut  fälschlich  klagen, 
970     Dann  keine  Linden  ist  im  Garten. 

Daniel. 

Schau  zu,  dein  Mund  zu  dieser  Frist 
Wider  dich  selbst  Zeugniss  ist, 
üass  du  das  Weib  falschlich  bezieht, 
Und  sie  unrecht  beklaget  dein  Bericht. 
975     Nun  greifet  ihn  und  fasst  ihn  an. 

Führt  ihn  in  den  Thurm,  bewahrt  ihn  wohl, 
Dann  er  sein'  Lohn  bekommen  soll ! 
Nun  bringet  mir  den  Andern  her. 

Knecht.^ 
Lieber  Herr,  er  ist  nit  fer. 

Geht  und  kommt  mit  Achab  zurück,, 

20.  Auftritt. 

Daniel. 

980     Nun  tritt  herzu  und  mach's  nit  lang. 
Du  alter  Mann  aus  Kanaan, 
Der  du  nit  bist  Israels    Sohn  I 
Der  Frauen  Schönheit  hat  dich  betrogen 
Und  dir  dein  Herz  in  gross  Uebel  gezogen. 

985     Du  als  ein  gewöhnlicher  Unterthan 
Hast  mögen  ein'  so  frommen  Mann 
Sein  frommes  Weib  also  schmähen ! 
Nun  sag  an,  wo  hast  du  sie  gesehen, 
Dass  sie  gethan  wider  ihre  Ehr? 

990     Bald  zeig's  an  und  nenn  den  Baum  her. 
Hör  du,  thu  uns  den  Baum  anzeigen. 
Wie?     Warum  thust  du  also  schweigen? 

Achab. 

Uns  hat  gleich  wohl  das  Unglück  besessen, 
Dass  wir  des  Baumes  haben  vergessen. 

Volksschauspiele.     II.  13 


194 

Daniel. 
995   Nun  sag  es  an,  sag  an  bei  Zeit. 

Achab. 
Der  Baum  mir  auf  der  Zunge  leit.  — 
Ja,  ja,  ein'  Haselstauden  war's. 

Daniel. 
Nun  hört,  wie  eben  reimt  sich  das  ? 
Der  thut  ein'  Haselstauden  nennen, 
looo   Der  Andere  thut  eine  Linden  bekennen! 
Dabei  man  ja  wohl  sehen  kann, 
Dass  Ihr  dem  Weib  unrecht  gethan  : 
Drum  Ihr  empfangen  sollt  den  Lohn  behend. 
Führt  ihn  in  den  Thurm,  bind't  ihm  die  Hand 
1005   In  einen  Stock,  dass  er  sei  versorgt; 
Ihm  soll  nicht  mehr  werden  geborgt. 

Man  führt  ihn  ab. 
Daniel. 

'    Also,  Ihr  lieben  Herren  all, 
Weil  Ihr  sehet  in  diesem  Fall, 
Der  zwei  Alten  böse  List, 

loio   Und  dass  das  Weib  unschuldig  ist. 
So  sprechet  nun  für  heut  das  Recht, 
Dass  sie  fortan  ganz  ungeschmächt 
Von  wegen  solcher  Zieht  soll  sein. 
Dann  sie  ist  ehrbar,  fromm  und  rein : 

1015  So  löset  Ihr  bald  auf  die  Hand. 

Die  Herren  gehen  ab. 
Sergus. 
Ja,  Herr,  das  geschehe  behend, 
Wir  wollen  viel  Heber  noch  thun  das, 
Als  was  uns  zuvor  geboten  was : 
Die  Weiber  uns  erbarmen  sehr, 

1020  Denn  allzeit  mir  viel  lieber  war 

Sechs  Männer,  denen  ein  Weib  zu  eignen. 
Susanna,  warum   thut  Ihr  weinen? 
Seid  fröhlich  nun  und  danket  Gott, 
Der  Euch  erlöst  aus  solcher  Noth. 


'95 


Susanna. 

1025  Ja,  wahrlich,  mein  Gott,  ich  danke  dir. 
Der  du  heute  so  gnädig  an  mir 
Hast  erwiesen  dein'  Barmherzigkeit 
Und  mich  erlöst  von  diesem  Leid, 
Und  aus  den  Händen  dieser  Feind', 

1030   Die  nun  durch   dich  geschlagen  seind. 
Also,  o  Herr,  soll's  Jedem  gehn. 
Die  mit  falscher  Beklagung  bestehn 
Wider  gottesfürchtig  ehrbare  Frauen, 
Welche,  o  Herr,  auf  dich  vertrauen : 

1035   Nun  will  ich  wieder  gehen  nach  Haus.      Ab. 

21.    Auftritt. 

Joachim  tritt  auf. 
Joachim, ' 

Lob,  Ehr  und  Preis  sei  unserm  Gott, 
Der  Euch  erlöst  aus  dieser  Noth, 
Und  Euch  von  schmählichem  Tod  befreit. 
So  sei  gelobt,  gebenedeit 

1040  Der  höchste  Gott  in  seinem  Thron, 
Der  gegen  uns  seine  Gnadenhand 
So  gnädiglich  hat  zugewandt, 
Und  auch  den  Daniel  hat  gesandt: 
Der  falsche  Urtheil  wieder  recht 

1045  Und  die  Wahrheit  kundbar  auf  Erden  macht 
Und  zu  Schanden  bringt  der  Lügen  Reden, 
Und  jene,  die  wider  die  Wahrheit  schwören. 
So  lobet  Gott  zu  aller  Stund 
Und  danket  ihm  von  Herzensgrund, 

1050  Dass  er  uns  arme  bedrängte  Leut 
Verlasset  nicht  zu  dieser  Zeit, 
Wann  wahrlich  die  Noth  am  grössten  ist. 
Lobet  den  Herrn,  Ihr  Engel  all 
Mit  grösster  Freud  und  Jubelschall; 

1055   Nun  wollen  wir  wieder  fröhhch  gehn  heim 
Und  Gott  darum  stets  dankbar  sein.  Ab. 

13* 


196 

2  2.  Auftritt. 

Ehrenhold  tritt  ein. 
Ehrenhold. 
Mann  und  Frauen,  habt  Ihr  vernommen 
Treulich,  wie  dies  Alles  gekommen, 
Wie  es  Susannen  gegangen  ist 

1060     Mit  den  zwei  Alten,   die  mit  List 

Sie  zwingen  wollten  und  auch  tödten, 
Wenn  Gott  sie  nicht  aus  solchen  Nöthen 
Gnädiglich  errettet  hättr 
Dabei  Ihr  nun  gar  wohl  versteht, 

1065     Was  Mühe  es  kost'  bei  frommen  Weihen,. 
Die  da  wollen  bei  Ehren  bleiben, 
Nämlich  die  da  gottesfürchtig  sein, 
Gott  lieben,  ihr  Herz  sich  halten  rein: 
Die  Ursach  ist  nur  die  allein, 

1070     Weil  gar  so  wenig  fromme  sein. 

Darum  bitt  ich  Euch  in  höchsten  Pflichten, 
Ihr  wollet  Euch  also  einrichten, 
Dass  Ihr  in  Zucht  und  in  Keuschheit 
Eure  Ehr  bewahret  jederzeit 

1075     Als  Euren  allergrössten  Schatz 

Und  gebt  keinem  Buhler  Statt  noch  Platz: 
Habt  lieb  und  ehrt  jede  ihren  Mann, 
Da  habt  Ihr  Lob  und  Ehr  davon. 
Ihr  Männer  aber  wisset  zwar, 

1080     Was  Ihr  versprochen  bei  dem  Altar, 
Dass  Ihr  Euren  Weibern  in  aller  Noth 
Wollt  stehen  bei  bis  in  den  Tod: 
Darum  ermahne  ich  Euch  anheut, 
Hut'  Euch  vor  solcher  Gefährlichkeit, 

T085     Denn  seht,  der  Teufel  feiert  nit, 

Besonders  da  er  ein'  Untreu  spürt, 
Wie  es  da  ging  den  alten  Gecken, 
Die  wollten  an  der  Jugend  lecken, 
Probirten's  darum  mit  falscher  List 

1090     Welches  aber  kundbar  worden  ist: 

Darum  nehmt  die  Geschieht  wohl  in  Acht ; 
Adje,  lebt  wohl  und  gute  Nacht ! 


197 

Gesang  nach  der  Comödie. 
Also  habt  Ihr  vernommen,    wie  es  ergangen  sei 

heut, 
Wie  Gott  ertheilet  allen  seine  Barmherzigkeit, 
1095   Die  ihn  nur  Heben  und  ihm  dienen  allein, 
Von  Sünden  leben  rein. 

Wie    wunderlich    hat   Gott   erhalten  Susanna    bei 

ihrem  Leben, 
Welche  schon  auf  dem  Richtplatz  dem  Tod  war 

übergeben, 
Den  Daniel  gesendet  hat, 
iico   Der  diese  zu  Schanden  gemacht. 

So  spiegelt  Euch  nun  alle,  die  hier  versammelt  sein 
Und    lebet   wie  Susanna   schön   engelkeusch  und 

rein, 
So  wird  Euch  Gott  geben  nach  dieser  Zeit 
Die  ewige  Seligkeit. 


DER  BAIRISllin  1  URSEL 


^ 


PERSONEN 


Der  bairische  Hiesel,  Mathias  Klostermeier. 

Der  Sattler. 

Der  Studerl. 

Der  Tiroler 

Kaspar  (Kasperl),  Hanssteiginsack  genannt. 

Der  Landvogt  von  Doverding. 

Der  Amtmann. 

Der  Bannrichter. 

Ein  Wirth. 

Ein  Bauer. 

Eine  Kellnerin. 

Ein  Lieutenant. 

Ein  Forstmeister. 

Erster  Oberjäger. 

Zweiter  Oberjäger. 

Ein  altes  Weib. 

Soldaten. 


■^ 


I.  Auftritt. 

Wald. 
Der  Hiesel  tritt  sammt  dem  Studei'l^  Sattler  und  Tiroler  auf. 

Hiesel. 
Recht  tapfer  und  lustig  ist  es  in  dem  grünen  Wald 

allein, 
AUwo  sich  das  allerschönste  Wildbrat   allzeit  stellet 

ein : 
So    hat   sich  das  Jägerchor   so   weit  dahingebracht, 
Allwo    das    schönste  Wildbrat   hat    seine  Wohnung 

aufgemacht, 
5   Allwo  die  Sonn  aufgeht  mit  ihrem  heissen  Schein. 
Alle  Berg    und  Hügel  schön  in  der  Sonne  glänzen 
Und  die  Gamsla  so  schön  umatanzen ! 
Spann  ich  mein  Büchslein  bald, 
Schiess  ich's  zusammen,  dass's  niederfallt. 
IG  Der  Beschluss    ist  schon  gemacht,    es  bleibt  schon 

dabei, 
Was  Pulver  nit  vermag,  schlagt  nieder  das  Blei ! 

Studerl. 

Hiesel,    mich   speist   schon   die  Lust,    wenn   ich 

gedenk  an  den  grünen  Wald,  allwo  sich  das  schönste 

Wildbrat  allzeit  lustig  stellet  ein :  da  schiess  ich  mir 

1 5   das   allerschönste    aus    davon ,    damit    ich    und  du, 

Hiesel,  allzeit  gut  leben  haben. 

Sattler. 

Hiesel ,    du   wirst    mich   nicht   verlassen   in   dem 
Wald  und  auf  der  Strassen!    Hiesel,  du  bist  mein' 


202 

grösste  Freud ,    bei    dir   bleibe    ich    alle   Zeit ;    früh 

20  und    spat    will   ich  mit  dir  gehen,    ich  will  dir  auf 

dem  Wechsel  stehen,  da  schiess  ich  z'samm  gleich, 

was  ich  siech,  Hirsch  und  Gams,  Fuchs  und  Thier. 

Tiroler. 
Ja,    Bruder  Hiesel,    ich    wollt    auch    dein    bester 
Knecht  sein,  ich  geh  oft  auf  die  Alma  und  schau, 

25  wo  das  Wildbrat  steht.  Ja,  wenn  ich  a  Hirsche! 
sieh  von  Weitem,  so  ist's  Herzerl  schon  voller 
Freuden:  da  han  i  mi  noch  niemals  lang  besonnen, 
han  i  mein  Büchsl  zur  Wang  genommen,  da  schiess 
i    schon    wacker    drauf,    nimm   i  das  Hirscherl  bei 

30  seinem  Lauf,  nimm's  über  meinen  Buckel  und  geh 
davon,  ist  kein  Jäger  im  Stand,  der  mir's  nehma  kann. 

Hiesel. 
Meine  Kameraden,  bleibt's  mir  treu,  jetzt  nimm 
i  mir  gar  kein  Scheu;    die  Sonn  geht  hmunter,  es 
wird  schon  spat,  es  ist  Zeit,  dass  wir  uns  begeben 
35   auf  die  Jagd. 

Der  Tiroler  und  der  Studerl  treten  ab. 

Hiesel  und  der  Sattler  bleiben  jniteinander  sprechend  in  dem 
IValde  zurück. 

Hiesel. 
Der  Donner  und  das  Wetter  soll  doch  dem  Land- 
vogt   von    Doverding    Hals    und    Kragen    entzwei 
schlagen.     Ich  hab  ihm  zwar  in  mein'  Leben  nichts 
Leid's  gethan,  als  einst  einmal  auf  dem  Kirchweih- 

40  platz,  da  schlug  ich  ihm  seine  verdammten  Zähne  in 
Rachen  hinunter.  Darauf  schreibt  mir  der  Chur- 
fürst  aus  Baiern  einen  Brief,  ich  soll  mich  stellen 
als  Oberlandjägermeister  und  er  will  jährlich  Florini 
zahlen    bei   zehntausend  Gulden.     Was    glaubst  du, 

45   Bruder  Sattler,  was  ich  mit  dem  Zettel  gemacht  hab  ? 

Sattler. 
Ja,  Bruder,  du  wirst  den  Zettel  gewiss  in  grossen 
Ehren  gehabt  haben. 


203 

Hiesel. 

Verzagtes     Hasenherz !     Ich    hab     diesen    Zettel 

hergenommen,  zusammenkäut  und  in  mein'  Stutzen 

50  hinein    geladen  und  in  die  Luft  hinein  geschossen, 

damit    der  Churfürst    aus  Baiern    sehen  kann ,    wie 

lieb  und  werth  man  seine  Schrift  hat. 

Sattler. 
Ja,  Bruder  Hiesel,    war  es  dann  nicht  besser,  du 
hättest    die  freie  Jagdbarkeit  und  jährlich  Salarium 
55    10  000  Gulden,    als    wie    so,    dass    du    in    grösster 
Verhassung  und  Verfolgung  leben  musstr 

Hiesel. 
Verdammter  Kerl !  Bin  ich  denn  nicht  so  Ober- 
landjägermeister in  Ober-  und  Unterbaiern,  Salzburg 
und  Tirol  ?  Wo  ich  immer  hinkomme,  da  kann  mir 
60  kein  Teufel  nichts  in  Weg  legen.  Warum  denn? 
Der  Himmel  ist  mein  Beschützer,  der  Wald  ist 
jederzeit  mein  Bett. 

Sattler. 
Aber,  Bruder  Hiesel,  wie  das  gemeine  Sprichwort 
ist:  warte  nur,    auf  die  Letzt  fangt  man  die  Maus 
65   sammt  dem  Nest. 

Hiesel. 
Verzagtes  Hasenherz !  Ich  glaub ,  du  lässt  dich 
gar  von  einem  alten  Weib  verjagen.  Sieh  dich  um, 
etwelche  Bauers-  oder  Handwerksburschen  könnten 
unsere  Truppen  anfüllen,  von  10  bis  12  Köpfe, 
70  so  mag  eine  ganze  Division  der  besten  Soldaten 
an  uns  anrucken,  die  werden  uns  nicht  ein'n  Teufel 
abkratzen. 

Sattler. 

Ja,  Bruder  Hiesel,  jetzt  werd  ich  gehen  auf  die 
Landstrassen  und  werde  sehen ,  ob  ich  kann  be- 
75  kommen  etwelche  Bauers-  oder  Handwerksburschen; 
hernach  werde  ich  mich  umsehen  um  einen  Bauern, 
der  uns  die  24  Hirschdecken  aus  Buchlau  zum 
Weissgerber  liefert.     Und  hernach   werd    ich  gehen 


204 

in  den  Wald  und  werd  mich  umschauen ,    wo  ich 
5o  bekommen    kann    ein'  Hirsch    oder  ein'  Rehbock. 
Lebe  wohl,  Hiesel,  ich  verlass  dich.         Tritt  ab, 

Hiesel  allein. 

Und  zwar  als  ich  einsmals  Hausknecht  war,  da 
hatte  ich  einen  kleinen  Diebstahl  begangen ,  den 
sie  mir  nicht  einmal  haben  beweisen  können. 
85  Darauf  lassen  sie  mich  ins  Zuchthaus  geben  auf 
Buchlau  hinein ;  als  ich  im  Zuchthaus  eine  Weil 
war,  nahmen's  mich  wiederum  heraus  und  stossen 
mich  unter  die  Militärs.  Bei  dem  Mihtär  da  hat's 
mir  ganz  und  gar  nicht  g'fallen ,  hat  einer  nur 
90  ein'  Fehlschritt  gemacht,  so  ist  der  Korporal  hinten 
gewesen  mit  dem  Haselstecken,  haut  einem  zwischen 
die  Schulter  hinein,  dass  man  hat  glaubt,  es  kommt 
vom  Himmel  gefallen.  Da  hab  ich  meinen  Ab- 
schied auf  die  Letzt  genommen  und  hab  mich  in 
95  diesen  Wald  hinein  gemacht.  Dahier  in  diesem 
Wald  lebe  ich  recht  vergnügt.  Ich  hab  mich  vor 
Niemand  zu  sorgen  und  vor  kein'  Teufel  zu 
fürchten ,  denn  der  Himmel  ist  mein  Beschützer, 
und  der  Wald  ist  jederzeit  mein  Bett.     Aber  doch 

100  lassen's  mich  nicht  mit  Frieden,  denn  der  Land- 
vogt von  Doverding  strebt  mir  immer  nach  dem 
Leben.  Zwar  einstmals,  da  geh  ich  auf  ein  Gams- 
gebirg ;  als  ich  auf  diesem  Berg  droben  war,  glaubte 
ich ,    ich    bin    ganz    allein :    endlich    daschoss    ich 

105  ein'  Gams;  als  ich  diesen  Gams  geschossen  hab, 
da  hör  ich  einen  Schuss  hinter  meiner,  die  Kugel 
ging  vor  meinem  Kopf  in  die  Wand  hinein ;  ich 
sieh  mich  ein  wenig  um ,  da  sieh  Ich  einen  so 
verdammten  Jäger  auf  der  Steinwand  sitzen ,    der 

1 1  o  nach  mir  schoss ,  ich  aber  war  nicht  faul ,  nimm 
meinen  Stutzen  und  schoss  den  Kerl  von  der  Stein- 
wand hinunter,  dass  er  die  Füss  drei  Ellen  hoch 
gegen  den  Himmel  aufgereckt  hat :  da  hat  mir 
aber  das  Herz  gelacht.    Sogar  das  Wildbratschiessen 

I  I  5   wollen's  mir  nit  erlauben ,  was  doch  der  gerechte 


205 

Himmel  für  einen  jeden  Menschen  erschaffen  hat 
und  nicht  für  einen.  Weil  sie  mir  das  nicht  er- 
lauben wollen  ,  so  will  ich  was  anders  anfangen : 
ich  werd  sengen  ,   brennen ,  stehlen  ,  rauben ,  und 

I20  selbst  das  Kind  in  der  Wiegen  soll  keine  Schonung 
haben i  kommt  aber  einer  zu  mir,  der  ein  Freund 
ist,  so  soll  er  von  mir  als  ein  Freund  auf-  und 
angenommen  werden ,  ist  er  aber  ein  Feind ,  die 
erste  Kugel  wird  durch  seinen  Leib  gehen,  keinen 

125  Teufel  schone  ich  jetzt  nicht  mehr.  Ich  muss 
schaun,  wo  meine  Kameraden  seind.  Ab. 

2.  Auftritt. 

Der  Sattler  kommt   und  le^t  sich   nieder ,    der  Studerl   und 
der  Tiroler  kommen  hierauf  und  legen  sich  auch  dazu. 

Tiroler, 

Sakra,   mein  Aid,    wo  sein  denn  meine  Kame- 
raden, dö  Schwänz?   Jetzt  geh  i  grad  vom  Wirths- 
haus  her ,  hab  a  Halbe  Branntwein  trunken ,  hätt 
130  bald  an  Dunst  bekommen.     Da  seins,  dö  Schwänz  l 

Der  Hiesel  kommt   und  macht  einen  Schuss ,   bevor  er  nock 
sichtbar  wird, 

Studerl. 

Auf,  auf,  ihr  Brüder,  ich  hab  an  Schuss  gehört. 

Ist    das    vielleicht    ein    schlauer   Jäger?     Und    du, 

Tiroler,  du  machst  dich  aufl 

Tiroler. 
Sakra,  wird  wohl  a  amal  aufkemma,  mein  Aid  l 

3.  Auftritt. 

Hiesel  tritt  auf. 
135  Fürchtet  Euch  nicht,  das  hab  ich  gethan;  aber 
wie  getraut  Ihr  Euch  so  nahe  beim  Weg  zu  schlafen  ? 
Wenn  Euch  so  jemand  schlafend  angetroffen  hätte, 
wer  war,  der  Euch  rettet,  da  ich  nicht  bei 
Euch   war?    Ich    werde   mich    von  Euch   sondern, 


2o6 

140  und    werde     nicht    mehr    Euer    Bruder    und    An- 
führer sein. 

Studerl, 

Ja ,  Bruder  Hiesel ,    wir  waren  ganz  erhitzt  von 
der   Jagd    und    haben    uns ,    um    auszuruhen ,    ein 
wenig    hier    niedergelegt.     Verzeih    uns    für    dies- 
145   mal,    und  du  sollst  uns  nicht  mehr  schlafend  an- 
treffen. 

Tiroler. 

Ja,  Hiesel,    weisst    wohl,    wir   waren  ein  wenig 
besoffen. 

Sattler. 
Glaub's  nicht  dem  Tiroler,  er  lügt. 

Tiroler. 
150       Was    willst  du  denn  laugnen?    Wir  sind  ja  alle 
b' soffen  gewesen. 

Hiesel. 
Nun   dann,    wohlan,    weil    Ihr    ein  jeder  seinen 
Fehler  frei  bekennt,   wenn  Ihr  mir  schwört,    dass 
ich  Euch    nicht   mehr    so    wie   jetzt    schlafend  an- 
155   treffe,    so    will   ich    wieder  Euer  Bruder    und  An- 
führer sein. 

Tiroler. 

Nun ,  so  lasst  uns  ein  lustiges  Jagerlied  singen. 

Hiesel. 
Nun    dann    wohlan ,    so    lasst    uns  auf  die  Jagd 
begeben,  damit  der  Arme  auch  was  bekommt. 

Tiroler. 

r6o       Ja,    Hiesel,     so    wollen    ma    halt  jagen    gehen, 

dass  a  liebe  Lust  ist.  Alle  singend  ab. 

4.  Auftritt. 

Der  Kasperl  tritt  allein  auf  und  hat  eine  Mausfalle,  ein 
Vogelhaus  und  Maisen,  die  richtet  er  auf  dem  Theater  auf  , 
ist  dabei  sehr  lustig  und  macht  verschiedene  Schwank'  und 
Streiche,      i'eber  eine   Weile   kommt  der  Hiesel,   und  es  sagt 

Kaspar. 

Ich  werd  schon  die  rechten  Vögel  fangen. 


207 

Hicsel, 
Was  fängst  du  denn  für  Vögel? 

Kaspar. 
Ich  sag's  nit,  i  fang  den  bairischen  Hiesel,  aber 
165  i  sag's  nit. 

Hiesel. 
Du    fängst   den   bairischen  Hiesel?     Kennst    du 
ihn  auch? 

Kaspar, 
I  kenn  ihn  nit. 

Hiesel, 
Weisst  du  auch,  wo  der  bairische  Hiesel  ist? 

Kaspar. 
170       I  weiss  nit. 

Hiesel. 
Dort  unter  der  grossen  Eiche  schlaft  er ;  geh  hin 
und  gieb  ihm  eine  Kugel  zum  Kopf. 

Kaspar. 

Was ,    du  Maxima  Bärnhäuter ,    meinst ,    i   werd 
ihm's  schlafender  geben  ?    I  thu  ihm's,  wann  er  auf 
175  ist,  dass  er  sieht,  wer's  ihm  than  hat. 

Hiesel. 
Was    giebst    du    mir   denn ,    wann    ich    dir    den 
bairischen  Hiesel  fanga  hilf? 

Kaspar. 

Du   geh ,    hilf  mir  ihn  fanga ;   jetzt  schau ,    von 

der    Herrschaft   aus  kriegen    wir    30  Thaler,    und 

180  wannst   mir^n    fanga   hilfst,    so    thäten    wir's  Geld 

redlich  theilen ;   i  b'halt  zwanzig  Thaler,    und   dir 

gieb  i  zehn. 

Hiesel. 

Sieh,  jetzt  kommt  der  bairische  Hiesel  :   schlag 
an,  schlag  an. 


2o8 

Kaspar. 
185       Was,  du  Maxima?    Meinst  du  denn,  mein  Naserl 
wird  dir  a  Fliegen  abgeben? 

Hiesel, 
Sieh,  er  kommt  schon ;  schlag  an,  schlag  an ! 

Kaspar. 
Schau ,    du  Bärnhäuter ,  du  willst  mich  foppen  ! 
Glaubst,  i   hab  kein  Kuraschi  mehr?    Du  Maxima 
190  Kerll 

Hiesel. 
Hast    du  Kuraschi   über  den  bairischen  Hiesel? 
Sieh ,  er  steht  vor  deinen  Augen.     Jetzt  werd  ich 
dir  dein"  verdienten  Lohn  geben.     Stosst  ihn  nieder. 

5.  Auftritt. 

Es  kommt  der   Wirth. 
Wirth. 

Hiesel,    ich   bitt,    lass  ihn  leben,    du  siehst  ja, 
195  dass  er  ein  einfältiger  Narr  ist:  lass  ihn  leben. 

Hiesel. 
Nun    denn,    so    steh   auf,    dein    Leben   sei   dir 
geschenkt. 

Kaspar. 

Ja,  jetzt  soll  ich  aufstehen,  du  hast  mir  a  Rippen 
eintreten. 

Hiesel. 
2  00       Halt,  ich  werd  dir  gleich  aufhelfen. 

Kaspar. 

Hiesel,  ich  bin  schon  auf. 

Hiesel. 
Aber  sag  mir,  Freund,  was  hat  dich  bewogen, 
dass    du    mich    um    ein    so    schlechtes    Geld    ver- 
kaufen willst? 


209 

Kaspar. 
205       Ja,    schau,    mein  lieber  Hiesel ,    i   hab    daheim 
9  Weiber   und    ein   Kind :    so    geht   es    mir    recht 
schlecht,  dass  mir  die  Maus  in  der  Tischlad  sein 
dahungert. 

Hiesel. 
Willst  du  bei  mir  Dienst  haben  ? 
Kaspar. 

210       Krieg  i  was  zu  pappen? 

Hiesel. 
Alles  im  Ueberfluss. 

Kaspar. 
Mir  geht's  so  schlecht,  dass  i  vor  Hunger  nicht 
kann  hofiren.     Herr  Apropo,  was  muss  ich  denn 
thun? 

Hiesel. 

215       Auf  der  Schildwacht  Stehen.    Aber,  Kerl,  ich  trau 
dir  nit. 

Kaspar. 
Aber  ja,  warum  denn  nit? 

Hiesel. 
Dir  schaut  der  Spitzbub  aus  den  Augen  heraus. 

Kaspar. 

Gift  schlaprament !     Wer  hat  mir  ihn  dann  ein- 
220  g' steckt  1 

Hiesel, 
Aber,  Kerl,  ich  trau  dir  nit,    du  bist  wahrhaft 
ein  Spion, 

Kaspar. 
Was?    Ein  Spielmann  bin  i  nit. 

Hiesel. 
Sag  mir,  wie  heisst  du  denn  mit  dein'  Namen? 
Kaspar, 
225       I  heiss  Kaspar. 

Volksschauspiele.    II.  14 


2IO 

Hiesel. 
Bei  mir   musst  du  heissen :  Hanssteiginsack. 

Kaspar. 
Gift    schlaprament !     Jetzt  heiss  i:    Hanssteigin- 
sack, auf  die  Letzt  wird's  heissen:   Hans  steig  an 
Galgen. 

Hiesel. 

230       Aber    bevor    ich    dich    aufnimm,    musst  du  mir 
einen  Eidschwur  ablegen. 

Kaspar. 
Was  muss  i  ? 

Hiesel. 
Schwören  musst  du  mir.     Halte  zwei  Finger  in 

d'Höch'n. 

Kaspar. 

235        Da  habt's  alle  zehn  Finger. 

Hiesel. 
Sagt  einmal  so  viel:   ich  schwör. 

Kaspar. 
I  schmier. 

Hiesel. 

Was  schmierst  du  denn? 
Kaspar. 

Mein  Maul  mit  lauter  Speck. 

Hiesel. 
240       Ich  schwör  bei  dem   Himmel. 

Kaspar. 

I  schwör  bei  dem   Lümmel. 

Hiesel. 
Ich  schwör  bei  den  Göttern. 

Kaspar. 

I  lieg  a  gern  in  guten  Bettern. 

Hiesel. 
Ich  schwör  bei  der  Göttin  Diana. 


211 

Kaspar. 
245        I  lieg  gern  bei  der  Bäcker-Marianna. 

Hiesel. 
Es  sei  Galgen,  Rad  oder  Schwert. 

Kaspar. 

Nein   Herr,    da    bleib   i   nit ,    da    geh    i   gleich 
davon. 

Hiesel. 

Kerl ,    jetzt  hast  du  geschworen ,  jetzt  musst  du 
250  auch  bleiben. 

Kaspar. 

Ja,  wann's  sein  muss,  so  leicht  gern. 

Hiesel. 
Sieh,   hier  hast   du.  Giebt  ihn  eine  Flinte, 

Kaspar. 
Was  ist  das? 

Hiesel. 

Das  ist  eine  Buchs. 

Kaspar. 
255        Ist  a  Schnupftabak  auch  drin? 

Hiesel. 
Flegel!    Dies  gehört  ja  nur  zum  Feuern. 

Kaspar, 
Ja,     wenn's    zum    Feuern    gehört,     brauch    ich 
es  nit. 

Hiesel. 

Sieh ,    Freund :    hier   ist  ein  kleines  Zapfel ,   bei 
260  diesem  Zapflein  ziehst  du  an. 

Kaspar. 
So  draht's  enk  um. 

Hiesel. 
Was  willst  du  machen? 
Kaspar. 
Beim  Zapfel  anziehen. 

14* 


212 

Hiesel. 
Flegel,    hier    ist    ja    doch    das    Zapfel    an    dem 
265   Gewehr. 

Kaspar. 

Und    was    geschieht ,    wenn   i    beim    Zapfel    an- 
zieh? 

Hiesel, 

Da  geht  das  Feuer  und  die  Kugel  vorn  hinaus. 

Kaspar. 
So  halt'   i  die  Hand  vor. 
Hiesel. 
270       Es    zerschlagt  dir  die  Hand  in  tausend  Fetzen. 

Kaspar. 
Aft  zieh  i  halt  nit  beim  Zapflein  an. 

Hiesel, 
Jetzt  bleibst  du  hier  auf  der  Schildwacht :  kommt 
einer  zu  dir ,    der  grün  oder  blau  montirt  ist ,    so 
rufe  herzhaft  meinen  Namen. 

Kaspar  zum  Publicum  sich  wendend. 
275       Jetzt  hat  er  gesagt,  wenn  einer  kommt,  der  grün 
oder  blau  montirt  ist,  so  soll  ich  ihn  rufen.    Hiesel  I 

Hiesel ! 

Hiesel. 
Was  ist  hier? 

Kaspar. 
Das  ist  einer.  Zeigt  auf  die  Erde. 

Hiesel. 

280       Wo?    Ich  seh  ja  Niemand. 

Kaspar. 
Jetzt  sieh  ich  auch  Niemand. 

Hiesel. 
Wer  ist  denn  hier  gewesen? 

Kaspar. 

Ein  Heuschreck. 

Hiesel. 
Ist  denn  das  ein   Mensch? 


213 

Kaspar. 
285       Ja,  er  ist  ja  grün  montirt  gewesen. 

Hiesel. 
Jetzt  bleibst  du  hier  auf  der  Schildwacht ;  kommt 
wer,  so  rufe  herzhaft :  Leben  oder  Tod  I    Giebt  er 
dir    keine    Antwort,    so    schiess    den    Kerl   übern 
Haufen. 

Kaspar, 

290       Bier  oder  Brot? 

Hiesel 
Leben  oder  Tod,  sage  ich. 

Kaspar. 

Nun  ja,  wenn  einer  kommt,  der  kein  Bier  oder 
Brot  hat,   so  schiess  ich  den  Kerl  übern  Haufen. 

Hiesel  tritt  auf  die  Seite. 
Kaspar. 
Wer  da?    Bier  oder  Brot?    Ist  Niemand  da? 

Kaspar  tritt  auf  die  Seite. 

6.  Auftritt. 

Der  Landvogt  tritt  auf. 
Landvogt. 

295  Das  is  doch  der  Teufel,  dass  ich  heut  Nachts 
so  unglückUch  geworden  bin.  Heute  Nachts  bin 
ich  von  meinem  ganzen  Vermögen  beraubt  worden : 
ich  glaub,  dass  dies  der  bairische  Hiesel  mit  seiner 
ganzen  Räuberbande  wird  gethan  haben. 

Kaspar  geht  hervor. 
300       Wer  da? 

Landvogt, 

Wer  ist  der  Kerl? 

Kaspar. 

Ich  steh  da  auf  der  Schildwacht. 

Landvogt, 

Bei  wem  bist  du  auf  der  Wacht? 


214 

Kaspar, 
Beim  bairischen  Hiesel. 

Landvogt  ruft: 
305        O  meine  Trabanten  und  Soldaten,    kommt  mir 
zu  Hilfe !    Ich  steh  unter  Mördershänden. 

Kaspar. 
Wart    du ,    ich    werd    dir   schon  Trabanten  und 
Soldaten    geben,    wart,    ich    zieh  beim  Zapfel  an. 
Schiesst.    Au  weh,  au  weh  1    Jetzt  hab  ich  ihn  auch 
310  erschossen. 

7.   Auftritt. 
Hiesel  tritt  auf. 
Hiesel. 
Ich  hab  ein'  Schuss  gehört. 

Kaspar. 
I  hab'n  a  g'hört. 

Hiesel. 
Wer  hat  geschossen? 

Kaspar. 

Beim  Zapfel  hab  i  anzogen,  und  lustig  ist's  los- 
315  ganga. 

Hiesel. 

Auf  was  hast  du  denn  geschossen? 

Kaspar. 
Auf  einen  Tatzbären. 

Hiesel. 
Ich    bin    schon  lange  in  diesem  Wald  und  hab 
noch  keinen  Tatzbären  gesehen.     Wo  ist  er  denn? 

Kaspar. 

320       Da  liegt  er. 

Hiesel. 

Recht  so,  wie  gewunschen  !  Das  ist  der  Landvogt, 
der  hat  uns  schon  lang  nach  dem  Leben  gestrebt. 
Recht  hast  gethan. 


215 

Kaspar. 
Hab  i  recht  than? 

Hiesel, 
325       Recht  hast  than. 

Kaspar. 

Wann  i  recht  than  hab,  so  zieh  ich  öfter  beim 
Zapfel  an. 

Hiesel. 

Jetzt  räumen  wir  ihn  auf  die  Seiten. 

Kaspar. 

Zu  was  habt's  mich  aufgenommen? 

Hiesel. 

330       Zu  meiner  Bedienung. 

Kaspar. 

Nun ,  wenn's  sein  muss ,  gleich  so  leicht  gern ; 
aber,  Herr  Patroni,  mit  dem  Kerl  werde  ich  einen 
Spass  anstellen. 

Hiesel. 

Einfältiger  Flegel,  was  wirst  du  denn  mit  einem 
335  todten  Mann  machen? 

Kaspar. 
Das  Exerzieren  will  ich  ihn  lernen. 

Hiesel. 

Einfältiger  Narr,  wie  wirst  du  dem  todten 
Mann  das  Exerzieren  lernen? 

Kaspar. 

Ja,    mein   lieber  Hiesel,    das    will   ich    ihm  gar 

340  leicht  lernen.     Habt  Acht,  man  wird  mit  der  halben 

Division  halb  rechts  machen !    Habt  Acht,  man  wird 

mit  der  ganzen  Division  abmarschieren!    Marsch l 

Jetzt  schaut's,  der  Kerl  grabt  sich  selber  ein. 

Beide  treten  ah. 


2l6 


8.  Auftritt. 


Bauer  tritt  atcf  und  spricht: 

Das  weiss  doch  der  Plunder  und  der  Hagel,  wie's 
345  heut  zugeht  1  Es  gehn  die  Amtsleut  und  Diener 
kreuz  und  quer  streifen.  Ich  mein  leider,  es  geht 
übern  bairischen  Hiesel,  und  wenn  ich  ihn  nur  an- 
treffen thät,  so  wollt  ich  ihm's  zu  wissen  machen. 
Er  ist  a  herzguter  Narr,  hat  mir  a  oft  an  Bissen 
350  Hirschenfleisch  geben,  wenn  es  die  Jägerhund  nit 
mehr  gefressen  haben. 

9.   Auftritt. 

Sattler  tritt  auf  und  spricht: 

Guten  Abend,  alter  Vater  Riepelbauer. 

Bauer. 

Ebensoviel,    mein  lieber  Sattler;   ist  recht,  dass 

du  da  bist :    schau ,    heut  gehen  die  Amtsleut  und 

355   Diener  kreuz  und  quer  streifen,  ös  müsst's  enk  grad  a 

wenig  in  Acht  nehmen,  dass's  enk  net  erwischen. 

Sattler. 
Vor    andern    Unglück   habt  Ihr  Euch    nicht    zu 
sorgen  ?     Um  eins  will  ich  gebeten  haben. 

Bauer. 
Lümmel,   mich  darfst  nicht  bitten,  ich  hab  selber 

360  nichts.    ■ 

Sattler. 

Ich  meine  nur  von  gutem  Wort  und  barem 
Geld,  ob  Ihr  uns  nicht  die  24  Hirschendecken  auf 
Buchlau  zum  Weissgärber  liefern  möchtet. 

Batier. 
War  wohl  a  Leichts,  mein  lieber  Sattler?  Schau, 
365  wenn  man  kommt  auf's  Mauthaus  zu  der  Schrankn, 
da  kommen  die  Hund  her,  da  schnopfezen's  dabei. 
Da  heisst's :  mein ,  mein ,  was  muss  doch  der 
Bauersmann  haben  ?  Da  kunnt  einer  gestraft  werden, 
dass  ein'm  die  Augen  möchten  übergehen. 


217 


Sattler, 


370  Wenn  Ihr  Euch  fürchtet,  dass  Ihr  in  eine  Straf 
sollt  fallen ,  so  werd  ich  mich  um  einen  andern 
Bauersmann  umschauen. 

Bauer. 

Lümmel,  wer  sagt  denn  von  fürchten?  Ich  sag  nur, 

gestraft  könnt  einer  werden.    Aber  schau,  ich  muss 

375   halt  eins  thun,    ich    muss  Knoppern  auflegen  und 

in  die  Mitt'  die  Hirschdecken  :  wird  wohl  nit  immer 

der  Teufel  die  Hund  da  haben. 

Sattler. 
So  kann  ich  mich  darauf  verlassen? 

Bauer. 

Magst    di  schon  verlassen ,    mein  lieber  Sattler ; 

380  a    gut's  Ross    han    i    freili    wohl,    wenn's    nit  viel 

ziehen    darf.     I  muss  halt  eins  thun  und  muss  in 

der  Früh    umi    gehn    zum  Nachbarn ;    er  hat  freili 

wohl    zwoa    gute    Knecht' ,    die    mir    mein    Ross 

helfen    aufheben ;    wenn's    amal    auf  ist ,    umfallen 

385  thut's  schon  selber.    Jetzt  werd  ich  gehn,  mein  Ross 

schmieren  und  mein  Wagen  ang' schirren,  mein  Weib 

trucken  legen  und  meine  Kinder  aufheben. 

Geht  ab. 

10.   Auftritt. 

Hiesel  tritt  auf,  später  der  Studerl. 
Sattler. 
Bruder  Hiesel ,    a    ganz    neue  Zeitung :    es  ist  a 
Streifen  angestellt,  die  uns  gewaltig  nachsetzt. 

Hiesel. 
390       Lass  sie  kommen.     Lebendig  fangen  sie  uns  nit, 
todter  können  sie  uns  nichts  machen. 

Sattler. 

Aber  weisst  du  was,  Bruder  Hiesel?   Kein  Pulver 
und  Blei  hab  i  nit  mehr. 


2l8 

HieseL 
Warum    hast    du    mir's    nit    g'sagt ,    wie    ich    in 
395   Buchlau  war?    Aber  es  thut  nichts,   wir  wehren  uns 
so     lang    mit    der    Faust,     so    lang    wir    Athem 
holen  können. 

Sa  t  der. 

Der  Amtmann  Schmied  vom  Dorf  hat  die  Bauern 
einsperren  lassen  und  nicht  nur  einsperren,  sondern 
400  auch  jeden  um  30  Thaler  bestraft. 

Hiesel. 
Und  das  hat  der  Amtmann  vom  Dorf  gethan? 
Ruf  mir  den  Studerl,  er  soll  hingehen  zum  Amt- 
mann und  soll  ihm's  sagen,  er  soll  gleich  die  Bauern 
auslassen  und  das  Geld  zurückgeben.  Der  Studerl 
405  kommt.  Studerl,  hast  Kuragi,  so  geh  hin  zum 
Amtmann. 

Studerl. 

Gift  schlaprament !  Kuragi  hab  i  wie  a  Schneider, 

Sattler. 

Ja,  Bruder  Hiesel,  der  kleine  Junge  hat  a  solches 
Maul  und  der  Amtmann  lasst  ihn  gewiss  einsperren. 

Geht  ab, 

1 1.  Auftritt. 

Der  Amtmann  tritt  auf. 
Amtmann. 
410  Das  ist  ein  guter  Gedanken,  dass  ich  die  Bauern 
hab  einsperren  und  bestrafen  lassen :  ich  hoff,  dass 
ich  für  dieses  Stück  bei  mein'  gnädigen  Herrn 
Landesfürsten  entweder  einen  besseren  Dienst  oder 
gar  eine  höhere  Stell  bekommen  werd. 

Studerl  zum  Amtmann. 

415        Du,    Alter,    du  sollst  die  Bauern  auslassen  und 

ihnen    das  Geld  zurückgeben,    sonst  kommt  mein 

Herr  selber. 

Amtmann, 

Ich  werd  die  Bauern  nicht  auslassen. 


219 

Studerl  zum  Hiesel, 
Ja,  Bruder  Hiesel,  der  Amtmann  sagt,  er  wird 
420  die  Bauern  nicht  auslassen;  du  musst  mit  dem  alten 
Schurken  schon  selber  sprechen.  Ab. 

Hiesel  zum  Amtmann. 

Guten  Abend,  Herr  Amtmann. 

AmtJtiann. 
Ebensoviel,  Mathias  Klostermeier. 

Hiesel. 
Wollen  Sie    die  Bauern    in  Güte    auslassen    und 
425  ihre  Strafgelder  zurückgeben? 

Afntmann. 
Ich    werde   keinen    Bauern    auslassen    und    die 
Strafgelder  nicht  zurückgeben. 

Hiesel. 

Nicht  wollen  Sie  es  zurückgeben? 

Amtmann. 
Nein. 

12.    Auftritt. 

Der  Sattler  kommt,   dann  Kaspar. 
Hiesel. 
430       Sattler,  schiess  den  Kerl  übern  Haufen. 

Es  geschieht. 
Kaspar  tntt  auf. 
Wer  hat  beim  Zapfel   angezogen  ? 

Hiesel. 
Geh ,     Hanssteiginsack ,     vergrab    den    Kerl    in 
die  Erde. 

Kaspar, 
Ja,    gleich    werd   ich    ihn    eingraben:    aber  der 
435   Kerl  ist  fett,  ich  möcht  ihn  bald  nit  erheben. 

Hiesel, 
Plündre  ihn  aus:  was  er  hat,  ist  dein. 


220 

Kaspar. 

Is   a    wahr?     Der  Kerl  kann  brav  Geld  haben. 
Was  ist  das?    Das  masr  i   nit. 

Hicsel. 

Ja,  Flegel,  das  ist  ja  a  Sackuhr,  die  gehört  dein. 

Kaspar, 

440  Das  mag  i  nit,  da  sein  ja  Lebensgeister  einge- 
schlossen. Studerl ,  da  hast  das ,  i  mag's  nit.  I 
werd  nochschauen  : —  schaut's,  da  scheppert's.  Herr 
Patroni,  da  ist  a  was,  das  ist  grad  recht  für  meine 
Weiber    zu    einer   Windel.      Hiatzt   hat    er   nichts 

443  mehr,  jetzt  schmeiss  ich  ihn  ins  Loch  eini,  wo  er 
hin  gehört.  —  Ja ,  Hiesel ,  jetzt  ist  er  schon  ein- 
graben. 

Hiesel. 

Jetzt  gehst  du  hinein !    Ins  Bett  schau  eini,  unter 
dem    Kopfkissen    ist    a   Schatulln    mit    Geld,    die 
450    bringst   du   her.     Kaspar  geht  hinein  und  kommt  gleich. 

Kaspar. 

Ja,  schauts  her,  ich  hab  alles  aussig'schmissen, 
die  Tuchent  aufg'schnitten ,  die  FederwoU'  aus- 
beutelt und  hab  nichts  gefunden ;  dann  schau  i 
unters  Bett,  da  sieh  ich's  stehn:  i  greif  eini,  ist 
455  kein  Kreuzer  Geld  dring'wesen;  schauts  her,  wie 
meine  Hand  stinken. 

Hiesel. 

Ist  das  a  dummer  Kerl,  jetzt  greift  er  ins  Nacht- 
geschirr !    Stell  di  auf  die  Seiten,  i  wer  selber  gehen. 

Geht  ab,  kommt  aber  gleich  zurück.     Sieh,    da   hab  Ich's. 
Kaspar. 

460       Die  hab  i  eh  g'sehn. 

Hiesel. 

Wo     sein    denn     meine    Leut,     dass     Niemand 
kommt? 


221 

13-   Auftritt. 

Studerl  tritt  auf. 
Studerl. 
Hiesel,  ich  bin  schon  da. 

Hiesel. 
Nun,  heunt,  meine  Leut,  erlaube  ich  Euch  Alles : 
465  Ihr  könnt  tanzen  und  springen,  fressen  und  saufen. 
Hanssteiginsack,  weisst  du  was,  jetzt  gehst  du  hin 
zum  Wirth    auf  Osterzell ,    rieht    aus    statt    meiner 
ein  schön's  Kompliment  und  nimm  auch  den  Reh- 
schlegel   mit,    den    sollen   sie  uns  zurichten.     Auf 
470  die    Nacht    komm    ich    mit   meinen    Leuten.      Sie 
sollen  auch  Musikanten  bestellen.  Alle  ab. 

14.  Auftritt. 

Verwandlung.     Platz  bei  dem    Wirthshaus. 
Kaspar  ko??ifnt. 

Holla,  Pudel  1    Wirthshaus !    Ist  niemand  zu  Haus  ? 

Die  Kellnerin  tritt  auf. 
Kaspar. 

Ganz  gehorsame   Dienerin. 

Kellnerin. 

Ganz  gehorsamer  Diener. 

Kaspar. 
475  Du,  Maxima  Schmauserl!  I  soll  a  Nachtmahl 
anfriemen  für  den  bairischen  Hiesel,  er  kommt 
mit  seinen  Leuten ;  da  han  i  an  halben  Rehschlägel : 
er  soll  an  halben  Theil  eingemacht,  an  halben  Theil 
heiss  abg'sotten  und  an  halben  Theil  braten  werden. 

Kellnerin. 

480       Ja,  Flegel,  es  ist  ja  nur  a  halber  Theil. 

Kaspar. 

Ja,    i  hab  ja  g'sagt  an  halben  Theil.     Aber  du 


222 

schwarzbraun  s  Schmauserl,  du  musst  mir  halt  an 
Kuchelschmutz  abgeben. 

Kellnerin. 

Ja,  ja,  du  Schmauserl,  i  werd  dir  schon  ein'  ab- 
485    geben.  Die  Kellnerin  schenkt  ein. 

15.  Auftritt. 

Der  Hiesel  tritt  mit  den  Seinen  auf. 

Hiesel. 
Guten  Abend,  Jungfrau  Kellnerin. 

Kellnerin. 

Ebensoviel !   Es  freut  mich,  dass  ich  die  Ehr  hab, 
Sie  zu  sehn. 

Hiesel, 
Nur    wacker   eingeschenkt ,   Jungfrau  Kellnerin  ; 
490  heut  wollen  wir  uns  recht  lustig  machen,  weil  die 
Jagd  so    gut    ausgefallen    ist:    heunt,    meine  Leut, 
wollen  wir  den  Jägern  ihre  Gesundheit  trinken. 

Gesang. 

Bin  ich  der   bairische  Hiesel, 

Von  Augsburg  geborn, 
495  Ich  stecke  mein'  Gamsbart 

Wohl  auf  mein'   grün'   Hut: 

Kein  Jager  ist  im  Stand, 

Und  kein  Jager  hat  a   Schneid, 

Der  mir   mein'  Gamsbart 
500  Vom  Hut  herunter  reisst. 

Im  Augsburger  Wald, 
Da  haben  wir  unser  Gei, 
Da  schiessen  wir  alle  Wochen 
A  Hirschlein,  a  zwei : 
505  Die  Haut  thun  wir  verkaufen. 

Das  Fleisch  essen  wir  selm, 
Das  Geld  thun  wir  versaufen, 
So  haben  wir  schon  zu  leb'n. 


223 

i6.  Auftritt. 

Der  Forstmeiter  tritt  auf  mit  zwei  Jägern. 
Forstmeister. 
Ha,  gute  Unterhaltung,   meine  Herren !    Das  ist 
510  was  Seltsames,    dass    ich  Euch  hier  antreffe.     Ich 
glaube,  das  wird  die  letzte  Unterhaltung  für  Euch 
sein.     Ihr    seid    schon   in  unsern  Händen,    davon 
wird  Euch  Niemand  mehr  helfen. 

Hiesel. 
Nur  nicht  so  eilfertig ,  Herr  Forstmeister ,  wir 
5 1 5  müssen  zuvor  unsern  Wein  austrinken  und  mit 
dem  Wirth  Richtigkeit  machen ,  denn  der  Hiesel 
will  keinem  Wirth  was  schuldig  bleiben.  Ihre 
Gesundheit,  Herr  Forstmeister!  Wir  sehen  schon, 
dass  wir  gefangen  sein. 

Forstmeister . 

520       Es   geht  nicht  mehr  mit  uns  zu  spassen,  macht 
Euch  nur  fertig,   dass   wir  auf  den  Weg  kommen. 

Sattler. 
Da  war  uns  wohl  a  Schand  ,  dass  wir  uns  von 
drei  Jäger  fangen  Hessen.     Zeige  doch  dem  Herrn 
Forstmeister,  was  der  Hiesel  kann. 

Hiesel. 
525       Ja,  Sattler,  unsere  Macht  ist  zu  klein  gegen  die 
der  Jäger,  wir  sind  schon  in  ihren  Händen.    Dort 
leint    mein    Stutzen    bei    der  Thür,    denn    als  Ge- 
fangener werde  ich  das  Gewehr  nicht  mehr  tragen. 

Der  Forstmeister  will  den  Stutzen  nehmen,  kann  ihn  aber  nicht 
von  der  Stelle  bewegen. 

Forstmeister, 

Was,  Teufel,    ich  kann  ja   diesen  Stutzen  nicht 
530  von  der  Stell  bringen. 

Hiesel. 
Ja,    ich    werd    wohl   mein'  Stutzen    nicht   selber 
tragen,  Sie  kunnten  ja  unglücklich  sein,  aber  eine 


224 

Kunst  will  ich  Ihnen  noch  zeigen.     Sattler,    gieb 

dem  Forstmeister  dein'  Stutzen.     Also,  Herr  Forst- 

535   meister,  schiessen's  her  auf  mich,  ich  will  die  Kugel 

im  vollen  Lauf  fangen. 

Der  Forst??ieister   schiesst ,    der  Hiesel  giebt   ihn    die   Kugel 

zurück. 

Forstmeister. 

Wir  sind  richtig  vom  Hiesel  betrogen !  Ich  sehe 
schon,  dass  unsere  Macht  zu  klein  ist. 

Hiesel  und  seine  Leute  singen. 

Steck  ich  mein  Gamsbart 
540  Wohl  auf  mein'  grün'  Hut ! 

Schiessen,  das  ist  mein'  Freud 
Mehr  als  die  Weiberleut: 
Wann's  Büchslein  recht  thut  knallen, 
Aft  thut's  mir  gefallen. 

545  Das  Büchsel  kracht  laut, 

Man  höret' s  gar  weit: 
Die  Jäger  habn's  a  schon   g'hört. 
Das  war  ihr'  Freud. 

Die  Jäger  antworten. 

Ich  weiss  schon,  wer's  gewesen  ist, 
550  Weil  du  uns  begegnet  bist: 

Jetzt  giebst  uns  gleich  dein  Buchs, 
Aft  sagen  wir  nichts. 

Hiesel. 
Mein  Büchsen  gieb  i  enk  nit, 
Schuldig  bin  i  enk's  nit, 
555  Eh'  dass  ich  mein  Buchs  thu  geben. 

Eh'   wag  ich  mein  Leben. 

Aber,  Herr  Forstmeister,  Ihre  Gesundheit!    Es  ist 

schon  Zeit ,    dass    wir    uns    auf  die  Jagd  begeben. 

Ich    weiss  recht  ein'  guten  Hirschen,  welchen  ich 

560  hoffe  heut  noch  zu  bekommen.    Ich  wünsch  Ihnen 


225 

unterdessen  eine  gute  Unterhaltung,  die  Euch  viel- 
leicht ein  altes  Weib  machen  wird.     Der  Iliesel  trinkt 
seinen  Wein  aus,    stürzt  das    Glas  um,    hängt   dadurch    die 
yäger  an  und  geht  davon.     Der  Kaspar  bleibt. 

Forstmeister. 

Das  ist  der  Teufel  mit  diesen  Leuten  1    Auf  die 
Letzt  wird  unser  Landesfürst  nicht  mehr  eine  Katz 
565  in  seinem  Wald  bekommen,    und  wer  weiss,    wie 
lang    wir    sitzen    bleiben    müssen ,    da  er  uns  zum 
grössten  Spott  noch  hier  angehängt  hat. 
Hie  sei  tritt  auf  und  singt. 
Hiesel, 
Die  Jager  stehen  da  wie's  Kind  bei  dem  D  .  .   . 
Der  Wildschütz  hat's  ang'frört,  mögen,  mein  Eid, 

nit  weg. 
570  Einer,  a  kleiner  ist  voller  Leid, 

Als  die  zwoa  Jager  in  d'  Hosen  haben   g's — 

Is  weiter  a  nit  schön, 

Für   ihnera   zween.  Hiesel  ?nit  den  Seinen  ab. 

Kaspar. 
O  ÖS  Maxima  Kerl !  Geht's  nit  weiter,  ich  glaub, 
575  dös  Kerln  habt's  das  Podagra  bekomma,  dass  nit 
weiter  geht's ;  die  Jager  und  alte  Weiber  sein  netta 
gleich,  können  einander  gut  helfen;  wart's  a  bissei, 
ich  will  enk  eine  schicken,  die  enk  loslass't,  dass' 
heim  gehen  könnt's.  Kaspar  ab. 

17.  Auftritt. 

Ein  altes   Weib  tritt  auf. 
Altes   Weib. 
580       Draussen   im    Wald   seind   mir   drei   Herrn    be- 
gegnet, die  haben  mich  gebeten,  ich  soll  hergehen 
und    das  Glas   wieder  umkehren,    dass  die  Herrn 
hier  wieder  los  werden. 

Forstmeister. 

Pfui  Teufel  der  Schand,  dass  uns  zuletzt  ein  altes 
585  Weib  muss  loslassen.  Alk  ab. 

Volksschauspiele.    II.  15 


2  20 

i8.  Auftritt. 

Der  Lieutenant  tritt  auf,  dann  die  Kellnerin. 

Lieutenant. 
"^  So  geht  es  uns  armen  Offizieren  1    Gestern  Abends 
bin    ich    in    ein    so    verdammtes  Kaffehaus  hinein- 
gerathen,  da  habe  ich  Alles  verspielt,  mein  ganzes 
Geld  und  meine  goldene  Repetieruhr ;    jetzt  weiss 
590  ich  mir  nicht  zu  helfen,  aber  f'ins  weiss  ich  noch: 
es     sein     auf    des    Mathias    Klostermeier    Haupt 
100    Thaler    angeschlagen,     der    ihn    todt    oder 
lebendig    bekommen    kann ;   ich  hab  auch  gehört, 
dass  in  diesem  Wald  ein  neuer  Wirth  aufkommen 
595   sei,    da    werd    ich    hingehen    und    werd    mit   der 
Kellnerin  a  paar  Wort  sprechen,   vielleicht  giebt  s' 
mir  Auskunft,    wo    der    bairische  Hiesel   sich  auf- 
haltet. 

Kellnenn. 
Ganz  gehorsamer  Diener,  Herr  Lieutenant. 
Lieutenant. 
600       Beste  Mademoiselle,  können  Sie  mir  nicht  sagen, 
wann  der  bairische  Hiesel  ankommt. 

Kellnerin. 
Vor  etlichen  Jahren  hat  er  sich  hier  aufgehalten, 
jetzt  aber  schon  lang  nicht  mehr. 

Lieutenant. 
Wenn  Sie  mir's  sagen ,    wo  er  ist  und  wann  er 
605  ankömmt,  so  will  ich  Ihnen  ein  Dutzend  Dukaten 
und    den    schönsten    Mann    von    den   Grenadieren 
zum  Heirathen  geben. 

Kellnerin. 
Wegen  des  Gelds  thue  ich's  ganz  und  gar  nit, 
aber  wenn  Sie  mir  eineif  jungen  wohlgevvachsenen 
610  Mann  geben,  so  will  ich  es  Ihnen  sagen.  Heute 
Nachts  wird  er  bei  uns  speisen  sammt  seinen 
Leuten,  da  werde  ich  Ihnen  ein  Mädel  hinschicken, 
die  Ihnen  die  gewisse  Nachricht  bringt. 


227 


Lieutenant . 
Ganz  gut,  Jungfrau  Kellnerin. 

Kellnerin. 
6 1 5       Aber  Sie ,    Herr  Lieutenant ,  auf  meinen  Mann 
nit  vergessen. 

Lieutenant . 
Nein,  ich  vergiss  nicht. 

Kellnerin. 
Aber  Sie ,    Herr  Lieutenant ,   ich  bitte  Sie ,  sich 
zu  erinnern,  auf  meinen  Mann  nicht  zu  vergessen. 

Geht  ab. 
Lieutenant. 
620       Nein,   ich  vergiss  nicht.    Zum  Teufel,  so  geht's  1 
Was  man  in  einem  Jahre  nicht  erfahren  kann,  das 
erfahrt    man    von    einem    Frauenzimmer   in    einer 
Viertel  Stund.  Geht  ab. 

19.  Auftritt. 

Der  Hiesel  kommt  mit  seinen  Leuten  ins   Wirthshaus. 
Hiesel. 
Nun ,    heut    machts    enk    recht    lustig ,    heut   ist 
625   Alles  erlaubt.    Lasst  uns  ein  lustiges  Liedel  singen. 
Aber,  Brüder,  heut  kommt's  mir  in  diesem  Haus 
so    verdächtig    vor ,    als  wenn  wir  ganz  verrathen 
wären.       Geh ,     Hanssteiginsack ,    schau ,     ob    du 
Niemand  siehst  kommen. 

Kaspar. 
630       Ja,    aber   saufts    mir  meinen  Wein  nit  gar  aus. 
(Geht  hinaus  schauen ,    kommt  gleich   zurück   und  spricht: 
Ja,  lauter  Regimenter,  lauter  Regimenter. 

Hiesel. 

Dummer  Kerl!    Was  für  Regimenter?    Vielleicht 
gar  Militär? 

Kaspar. 

Lauter  Regimenter. 

15  * 


228 

20.  Auftritt. 

Der  Lieutenant  tritt  mit  den  Soldaten  hinein. 

Lieutenant. 

635        Gebt  Euch  gutwillig  drein,  seht,  dass  die  Macht 
vorhanden  sei. 

Hiesel. 
Ja ,  Herr  Lieutenant ,  wir  geben  uns  gutwiUig 
drein,  aber  der  Kellnerin  will  ich's  nicht  verzeihen^ 
sie  hat  uns  einmal  verrathen.  Ei,  du  verhasstes 
640  Osterzell,  wie  hast  du  uns  betrogen!  Das  hab 
ich  niemals  gedacht,  den  Wald  zu  verlassen.  Ich 
war  niemals  eines  Menschen  Feind,  nur  immer 
Freund :  jetzt  lauft  Alles  herzu,  um  nur  den  Hiesel 
geschlossen  zu  sehen. 

Lieutenant, 
645        Hinein  mit  Euch  in  Arrest! 

Kaspar. 

Hiesel ,  jetzt  werden  wir  abgeröst !  Eh  hat's 
g'heissen :  Hanssteiginsack,  jetzt  wird's  heissen : 
Hans  steig  am  Galgen  aufi.  Alle  ab. 

21.  Auftritt. 

Verwandlung,     Die  Stätte  des  Gerichts, 
Der  Bannrichter  tritt  auf. 

Bannrichter, 

Ein  Bannrichter  ist  ein   schwerer  und  gewissen- 

650  hafter    Stand.     Wenn    ich    die   Feder    aufs  Papier 

setze,  so  bitte  ich  Gott,  dass  er's  den  Malefikanten 

nicht    zur   Sünde    rechne.      Ich    höre    täglich    die 

•         Ketten    in    meinen    Ohren    rasseln.     Von   Weitem 

sehe     ich     schon     wieder     den    Lieutenant     sehr 

655   schnell  hereilen.     Was  wird  er  denn  wieder  Neues 

bringen  ? 


229 

2  2.  Auftritt. 

Lieutenant  tritt  auf, 

Lieutenant. 
Ganz  gehorsamer  Diener,  strenger  Herr  und 
Bannrichter!  Der  Himmel  hat  mir  das  Glück  ge- 
geben, dass  ich  den  bairischen  Hiesel  sammt  sein^ 
660  Leuten  hab  fangen  können.  Fragen  Sie  nicht' 
lange  nach  dem  Verbrechen:  machen  Sie  das 
billigste  Urtheil. 

Bannrichter. 

Herr  Lieutenant,  sein  Sie  von  der  Güte,  lassen 

Sie    mir    den   Mathias    Klostermeier   herein.      Der 

665   Hiesel  wird  vorgeführt.    Wisset  Ihr,  warum  Ihr  da  seid? 

23.  Auftritt. 

Hiesel. 
Ja ,    Herr  Bannrichter ,    ich    weiss    es.     Ich  bitt 
um  baldige  Endigung  meines  Lebens  und  um  ein 
billiges  Urtheil. 

Bannrichter. 
Mathias  Klostermeier.     Wie  alt  seid  Ihr? 

Hiesel. 
670       Achtundzwanzig  Jahre. 

Bannrichter. 
Wo  seid  Ihr  gebürtig? 

Hiesel. 
Von  Kissing  in  Oberbaiern. 

Bannrichter. 

Wie  viel  habt  Ihr  Mordthaten  begangen? 

Hiesel. 
Achtundzwanzig. 

Bannrichter. 

675       Wer  hat  den  Landvogt  von  Doverding  erschossen? 


230 

Hiesel. 
Es    fällt   mir   ein ,    dass  dies  der  dumme  Hans- 
steiginsack  gethan  habe. 

Bannrichter . 

Wie  viel  führet  Ihr  Kameraden  bei  Euch? 

Hiesel. 
Ich    führe   nur    zwei    bei  mir,    den  Studerl  und 
680  den    dummen  Kerl ,    Hanssteiginsack ,    der   Sattler 
ist  aus  dem  Arrest  entstraucht. 

Bannrichter. 

Getraut  Ihr  Euch,  darauf  zu  leben  und  zu  sterben? 

Hiesel. 
Ja,  jeder  Zeit,  gnädiger  Herr  und  Bannrichter. 

Bannrichter. 
Führet    den    Mathias    Klostermeier    hinein    und 
685   bringt    mir    den   jungen   Burschen  Studerl    heraus. 

24.   Auftritt. 

Der  Studerl  kommt. 
Bannrichter. 

Weisst  du,  warum  du  da  bist? 
Studerl. 
Wenn  ich  auf  einem  andern  Ort  wäre,  so  wäre 
ich  nit  hier. 

Bannrichter . 

Bist  du  verheirath'  oder  ledig? 
Studerl. 
690       Ja,    wenn    ich    nit    gefangen    war,    so   war   ich 
wohl  ledig. 

Bannrichter. 
Ich  sieh,  dass  ich  von  diesen  Menschen  Nichts 
herausbringe;  führt's  ihn  hinein  und  bringt's  mir 
den  Hanssteiginsack  heraus ,  von  dem  werd  ich 
695  erst  die  Wahrheit  erfahren.  Der  Kaspar  kommt  und 
setzt  sich  auf  den  Tisch.  Was  bist  du  für  a  dummer 
Kerl :  gehört  sich's  denn  ,  dass  man  sich  auf  den 
Tisch  setzt? 


231 

2  5-  Auftritt. 

Kaspar. 

Ja,  wer  seids  denn  dös? 

Bannrichter. 
700       Ich  bin  ein  Bannrichter. 

Kaspar. 

Was  ist  denn  das  für  a  Thier?    Frisst  man's  mit'n 
Löffel  oder  steckt  man's  auf  den  Hut? 

Bannrichter. 

Ein  Bannrichter  ist  derjenige,    der  dem  Malefi- 
kanten  das  Urtheil  spricht. 
Kaspar. 
705        Was?     Der  den  Leuten  die  Sachen  wegnimmt? 
Das  sein  bei  uns  die  Strassenräuber. 

Bannrichter. 
Sag  mir,  wer  ist  dein  Grossvater  gewesen? 

Kaspar. 
Mein  Rossvater  ist  ein  Braun  gewesen. 

Bannrichter. 
Ich  meine  nur,  wer  dein  Vater  war. 
Kaspar. 
710       Mein  Vater  war  a  Kammerdiener. 

Bannrichter. 
Bei  was  für  einer  Herrschaft? 

Kaspar. 
Nicht  nur  bei  der  Herrschaft,  sondern  auch  bei 
die  Bauern. 

Bannrichter. 
Dummer    Kerl ,    ein    Bauer    braucht    ja    einen 
715  Kammerdiener  nicht. 

Kaspar. 
Ja,    Herr,    mein  Vater   hat  das  Kammerdiener- 
handwerk aus  der  Kunst  verstanden ;  da  hat  er  so 


232 

a  kleines  Hackerl  gehabt,  da  is  er  auf  die  Strassen 
gegangen  und  da  hat  er  den  Leuten  aufpasst,  und 
720  hat  er  ein'  kriegt,  so  hat  er  ihm  mit  dem  Hackel 
eins  zum  Kopf  geben,  dass  er  kein  Wort  mehr 
gesagt  hat. 

Bannrichter. 
Auf   diese    Weise    ist    dein    Vater    ein  Strassen- 
räuber  gewesen: 

Kaspar. 

725       Nein,  Herr,  das  ist  dalogen ;  ein'  Leutschrecker 
habens  ihm  geheissen. 

Bannrichter. 
Und  wer  war  denn  deine  Mutter? 

Kaspar. 
Meine  Mutter  ist  a  Postknecht  gewesen. 

BannHchter. 

Ein  Weibsbild  kann  ja  nicht  fahren. 

Kaspar. 

730       Mein  Mutter  hat's  Fahren  aus  der  Kunst  können; 

da  hat  s'  die  Ofengabel  zwischen  die  Füss  gnumma 

und  is  beim  Rauchfang  aussi,  und  wenn  s'  kumma 

ist,  so  hat  s'  immer  Fleisch  oder  Schmalz  mitbracht. 

Bannrichter. 

Auf  diese  Art  ist  deine  Mutter  eine  Hex  gewesen  ? 

Kaspar. 
735        Nein,  die  Erzzauberin  haben  sie  s'  geheissen. 

Bannrichter. 

Was  hat  deine  Mutter  für  einen  Tod  genommen? 

Kaspar. 

Sie   hat  ihr  keinen  genummen,    sie  haben  ihr'n 
selber  bracht. 

Bannrichter. 
Ich    meine    nur ,    auf   was    für    eine    Art    deine 
740  Mutter  gestorben  ist. 


233 

Kaspar. 

Ja,  Herr,  meine  Mutter  ist  recht  schauerlich 
gestorben.  Die  Bürger  von  der  Stadt  haben's 
meiner  Mutter  recht  gut  gemeint,  sie  haben  ihr 
ein  Klafter  Scheiter  geschenkt,  da  haben  s'  bei 
745  der  Mitt  a  grosse  Säul  aufg'stellt  und  die  Scheiter 
z'sammglegt :  da  haben's  meine  Mutter  anbunden 
und  die  Scheiter  anzünden,  da  hat  meine  Mutter 
ang'fangt  zu  schwitzen,  dass  kein  Beindl  ist  über- 
blieben. 

Bannrichter. 

750  Auf  diese  Art  ist  deine  Mutter  als  eine  Hex 
verbrannt  worden? 

Kaspar, 

Nein,  Herr,  das  ist  dalogen,  sie  ist  in  der  hitzigen 
Krankheit  gestorben. 

Bannrichter, 

Hast  eine  Schwester  auch  gehabt? 

Kaspar. 

755       Han  a  eine  g'habt. 

Pannrichter. 

Wie  hat  s'  geheissen? 

Kaspar. 
Grundl  hat   s'  geheissen. 
Bannrichter. 

Dummer  Kerl,    Flegel!     Grundl   ist  ja  nur  ein 
Fischname. 

Kaspar. 

760  Ja,  Herr,  sie  hat  das  Fischen  aus  der  Kunst 
verstanden  1  Sie  ist  auf  die  Kirchtag'  gangen  und 
hat  den  Leuten  die  Sackuhr  aus  dem  Sack  aussa- 
g'fischt  und  nimmer  eini  gesteckt. 

Bannrichter. 

Auf  diese  Weise  ist  deine  Schwester  eine  Beutel- 
765  abschneiderin  gewesen? 


234 

Kaspar. 

Nein  Herr,  die  Säckelräumerin  haben  sie  s'  ge- 
heissen. 

Bannrichter. 
Hast  du  auch  einen  Bruder  ? 

Kaspar. 
Han  a  ein'  g'habt. 

Bannrichter. 
770       Wie  hat  er  geheissen? 

Kaspar. 

So  wie  mein  Vater. 

.Bannrichter. 
Wie  heisst  denn  dein  Vater? 

Kaspar. 
Mein  Vater  heisst  akurat  so  wie  ich. 

Bannyichter. 

Wie  heisst  Ihr  denn  alle  «drei? 

Kaspar. 
775        Ich    und    mein   Vater   und   mein  Bruder   haben 
alle  drei  einen  Namen. 

Bannrichter. 
Wer  hat  den  Landvogt  von  Doverding  erschossen? 

Kaspar. 
I   nit. 

Bannrichter. 

Und  der  Mathias  Klostermeier  sagt's. 

Kaspar. 

780       Das  ist  dalogen. 

Bannrichter. 

Und  er  sagt's. 


235 

Kaspar, 

Beim   Zapfel    hab    i   anzogen    und   is   lusti   los- 
ganga. 

Bannrichter» 

Führt  ihn  in  den  Arrest. 

Kaspar, 

785       Au  weh,  au  weh  l    Jetzt  werd  i  abgeröstl 

Bannrichter, 

Bringet    mir   wieder   den   Mathias   Klostermeier 
heraus. 

26.  Auftritt. 

Der  Hiesel  wird  vorgeführt. 
Bannrichter. 
Also,  Mathias  Klostermeier,  das  Urtheil  ist  schon 
gemacht  von  dem    gnädigen    Landesfürsten ,    dass 
790  Ihr   sollt   in   eine  Kuhhaut   eingenäht  werden  und 
hinaus    geschleppt    zum    Hochgericht.     Allda  be- 
kommt   Ihr   von   einem    eigenen  Kameraden    drei 
Stoss    von    oben    herab    auf   die   Brust.      Bereitet 
Euch  zum  Tod. 

Hiesel. 

795  Ich  sage  Euch  schuldigen  Dank,  strenger  Herr 
und  Banniichter,  für  das  gnädige  Urtheil.  Ach 
Welt,  nun  gute  Nacht !  Das  sein  die  letzten  Zeilen, 
die  euch  der  Hiesel  noch  zum  Abschied  wird 
ertheilen.      Das    Schwert    ist    schon   gewetzt,    die 

800  Bühn  und  das  Rad  bereitet.  Ach,  hätte  ich  der 
Welt  und  der  Wahrheit  gefolgt,  die  mancher 
gute  Mensch  aus  seinem  Mund  hat  hören  lassen, 
so  wurd  kein  solcher  Lohn  zu  meiner  Marter 
passen.  Alle  gehen  ab. 

27.  Auftritt. 

Hiesel  wird  liegend  vorgestellt.    Lieutenant  und  Kaspar  bei  ihm. 
Lieutenant. 
805       Jetzt,    Hanssteiginsack ,    weisst   du   was?     Jetzt 
giebst  du  deinem  Herrn  drei  Stoss  von  oben  herab. 


236 

Kaspar, 

I  will's  Enk  geben. 

Lieutenant. 

Ich    hab's    nicht' verschuld.     Also  marsch,    drei 
Stoss !  ■ 

Kaspar. 

810       Hiesel,  wann's  dir  weh  thut,  sag's  nur. 

Er  thtit  das  Befohlene. 

Lieutenant, 

Jetzt  bekommst  du  drei  Stoss  auf  den  Hintern, 
hernach  wird  man  dich  aus  dem  Lande  verweisen. 

Kaspar, 
Aft  geh'  i  in  die  Graben  eini. 

Lieutenant, 

Find    man    dich   dort    auch   noch ,    so    wird  dir 
815   Galgen  und  Rad  auf  den  Buckel  brennt. 

Kaspar. 

Ich  möcht  a  Scheitel  nit  vertragen,  viel  weniger 
Galgen  und  Rad. 

Der  Lieutenant  giebt  dem  Kaspar  einen  Stoss. 

Kaspar, 

Was  ist  das? 

Lieutenant. 
Das  ist  der  erste  Stoss.  Wieder  ein  Stoss, 

Kaspar. 
820       Was  ist  das? 

Lieutenant, 
Das   ist   der   zweite   Stoss.    Giebt  den  dritten  Stoss. 

Kaspar. 
Gift  schlapprament,  das  thut  mir  —  Was  ist  das? 


237 

Lieutenant. 

Das  ist  der  dritte  Stoss. 

Der  Kaspar  giebt  dem   Lieutenant  eine  Ohrfeige. 
Lieutenant . 

Was  ist  das? 

Kaspar, 

825       Das  ist  eine  Ohrfeig'n. 

Lieutenant, 
Kerl,  ich  bin  ja  ein  Offizier  1 

Kaspar, 

A    Offizier   hat   doppelte    Kuraschi,    dem    muss 
man  auch  doppelte  Schlag  geben. 

Haut  ihn  auf  den  Buckel,   Beide  ab. 


DER  GEFOPPTE  GEIZHALS. 


^ 


PERSONEN. 

Ein  geiziger  Alter. 
Leobinus,  dessen  Sohn. 
Hanswurst,  sein  Diener. 

e  anie   i    ^^^.  g^^jjäferinnen. 
Oliva       j 
Ein  türkischer  Räuber. 


-SfP 


I.  Auftritt. 

Leobinus  und  Hanswurst, 

Leobinus. 

Komm    her,    Hanswurst,    ich    hab    dir    was    zu 

vertrauen    und    bin    deiner    Hülfe    sehr    bedürftig; 

wann    du    mir    also    in    meinem    Anliegen    Hülfe 

leistest,    auch    in    Allem    verschwiegen  und  geheim 

5     dich  haltest,  so  versprich  ich  dir  kräftig,  dass  ich 

dich    hinfüro    nicht    mehr    als    meinen    Bedienten, 

sondern  als  meinen  leiblichen  Bruder  ansehen  werde. 

Hanswurst . 

Das  könnts  leicht  versprechen,  denn  das  wissen 

die    Leut    eh ,     dass    mir    a    gleichs   Paar    Narren 

IG  z'samm    sein:    also    sein    ma   glei    samma   Brüder, 

mir    is    schon    recht,    so    kann   i   di    duezen.      Ich 

wir   hernach  mein  Fleiss  nit  sparen ,    wann  ich  dir 

was  helfa  kann ,    und    weg'ns  Schuehputzen  weiss  i 

a  schon  wia  ma  thain :  ein  Tag  putzt  du  mir  meine, 

1 5  den  andern  Tag  ich  dir  deine,  da  wern  ma  abwechseln. 

Leobinus. 

Nein ,  nicht  also,  ich  mein'  es  anders :    sage  mir 

nur  anjetzo  aufrichtig,  ob  du  mir  zu  Etwas  helfen 

willst   oder    nicht,    welches   auch  dein  Nutzen  und 

Vergnügen    sein    kann:     wegen    der    Bruderschaft 

20  werden  wir  ein  anderes  Mal  reden. 

Hanswurst. 
Ja,  ja,  ich  versprich  dieses  aufrichtig,  wann's  nur 
was  eintragt :    aber  sag  ma  na  bald ,    was  mir  vor 
ein  Nutzen  und  Vergnügen  sein  wird. 

Volksschauspiele.     II.  lO 


242 

Leobinus. 
Ich  werde  es  dir  gleich  melden  und  vertrauen ; 
25  aber  Eines  bitte  ich  mir  aus,  du  musst  mir  doch 
gleichwohl  mein'  Respekt  geben,  als  deinem  Herrn, 
ob  mir  schon  im  Herzen  Brüder  sein :  dann  erachte 
selbst ,  was  wurden  die  Leute  denken ,  wann  du 
mich  auch  per  du  nennest. 

Hanswurst. 

30  Ha,  ha,  ich  versteh  schon:  mit  dem  Maul  bin 
ich  nix  Brueder,  wann's  aufs  Duezen  und  aufs  guet 
fressen  und  saufen  ankam ,  ich  bin  nur  Herzens- 
brueder,  wann's  in  der  Noth  seids;  aber  es  thuet 
nix ,    wann    ich    nur    selm  Brueder   mit  bin ,    wann 

35  einmal  enker  reicher  Vater  stirbt. 

Leobinus. 
Ja,  Hanswurst,  du  hast  dich  drauf  zu  verlassen : 
wann    du  mir  anjetzo  helfen  kannst,    so  sollest  du 
ein   guten    Theil    von    meines    reichen   Vaters  Ver- 
mögen überkommen. 

Hanswurst. 
40       Nu,  wann's  selb  ist,  so  wag  i  mein  Leben,  mein 
Hab    und  Guet ;    das    wissts   ja ,    dass    mir  nix  un- 
möglich ist,  wann  ich  was  anstellen  will:  so  sagts 
ÖS  nur,  mit  was  ich  enk  helfen  kann. 

Leobinus. 

Das  ist  mir  Alles  bewusst.    Nun  höre  mich  nur : 

45  du    weisst,    dass  vor  etHchen  Tagen  ein  türkisches 

Schiff  hier  ankommen,  auf  welchem  die  zwei  schönen 

Schäfersmädl,  die  mir  schon  öfters  besucht  haben, 

gefangen  sitzen. 

Hansivurst. 
Ja,    das    weiss  ich,    weil's  alle  Tag  24  mal  hin- 
50  gehts. 

Leobinus. 
Du  weisst  aber  nicht,  dass  sie  mich  so  inständig 
gebeten ,  sie  von  ihrer  Gefangenschaft  loszukaufen, 


243 

und  mit  was  Vergnügen  wollte  ich  meines  geizigen 
Vaters  schimmlige  alte  Thaler  und  Dukaten  darauf 
55  anwenden!  Wäre  es  nicht  ein  recht  christliches 
und  dem  Himmel  wohlgefälliges  Werk,  diesen  zwei 
armen,  holdseligen  Gschlaven  die  Freiheit  zu  ver- 
schaffen?    Erwäge  es  selbst,  Hanswurst. 

Hanszvurst . 
'     Ja,  freila  war's  a  himmlisches  Werk,  wanns  enk  a 
60  paar  eigne  Menscha  kafet's :  aber,  he,  i  versteh's  schon, 
i  soll  enkern  Vata  halt  's  Geld  stehlen  dazu  1    Gelts  ? 

Leobinus. 

Du  muesst  dir  keine  so  üble  Gedanken  machen 

von  mir,  dann  wisse,  ich  bin  gesinnt,  sobald  ich's 

erhalte,  eine  davon,  nämlich  die  Melonia,  zu  meiner 

65   Gemalin    zu   nehmen.     Die   zweite   behalte   ich   zu 

unserer  Bedienung.    Erdenk  also  nur  eine  List,  wie 

mir    von    meinem    Vater    Geld    bekommen.      Der 

nächste  Preis  oder  Auslosgeld  ist  500  Dukaten,  und 

der    Termin   ist   kurz.     Heunt   bis    10  Uhr  Nachts 

70  sein    sie    noch    in    ihrem    Gasthof,    nachdem    aber 

werden    sie    wiederum  auf  die  Galere  geführt ,    auf 

-  welcher   sie  um  Mitternachtszeit  absegeln :    alsdann 

sehen  wir  sie  in  unserem  Leben  nimmer. 

Hanswurst. 

500  Dukaten  kostens,  das  ist  weita  kein  Bagatell : 
7  5  der  Teufel,  das  ist  a  theure  Waar,  da  kauffet  i  mir 
schon  lieber  a  hundert  Startin  Wein,  da  hätt  ana 
länger  zu  lecken,  als  an  die  zwei  Menscherln.  Aber 
was  frag  i  darnach,  ös  dörfts  enk  schon  verlassen, 
weil  ich  enk's  amal  versprochen  han.  Hiatzt  wir 
80  ich  halt  gehn  schaun,  dass  ich  Geld  krieg. 

Beide  ab. 

2.  Auftritt. 

Der  Alte,  dann  Hanswurst. 
Alter. 
Ja ,    ja ,    es    ist    eine    ausgemachte    Sach ,    wann 
einer    einmal    alt   ist,    da   kommen   einem   erst  die 

16* 


244 

guten  Gedanken:  aber  da  ist  es  schon  zu  spät. 
Ach,  was  hätte  ich  mir  in  meiner  Jugend  ersparen 
85  können!  Wie  Vieles  habe  ich  muthwilHg  ver- 
schwendet I  Könnte  mein  Vermögen  nicht  in  einem 
weit  besseren  Stande  sein,  wenn  ich  wirthschaftHch 
gelebt  hätte?     Ach,  du  trauriges  Zurückdenken  1 

Hanswurst  kommt. 

He,  Hausknecht,  Kuchelmensch,  B'schliesserin I 
90  Wo  seids  denn  Alle?    Zum  Teufel,  wissts  ma  nit 
dem  alten  Geizhalsmeister  anzurathen?   Ich  soll  ihm 
in'  Augenblick  haben. 

Alter. 
Was  fehlt  dir,  Hanswurst,  dass  du  so  grausam 
schreiest?     Ist   etwan    ein  Unglück  vorbeigangen? 
95  Sage  mir^s  eilends. 

Hanswurst. 
A    was    wir  i  enk  da  sagen,   mein  alten  Herrn 
Vater  muess  ich  haben,  sonst  is  aus.     Hin  ist  er, 
hin  ist  er,  auf  ewig  ist  er  hin  1 

Alter. 
Um    des  Himmels  willen,    was  ist  denn,  Hans- 
100  wurst,  sage  an?    Hier  siehst  du  mich  ja  zugegen: 
so  erhole  dich  doch. 

Hanswurst, 
A,  Herr,  i  hätt  enk  vor  lauter  Verwirrung  bald 
nit  dakennt.     Hiazt  lost  nur  glei ,    was  z'losen  ist 
und  denkts ,  was  mir  vor  a  Unglück  ghabt  ham : 

105  das  ist  ein  Unglück  weit  grössa  als  a  Fueder 
Heu ;  schauts  nur  glei ,  ich  und  enker  Sohn ,  der 
Herr  Latanibus,  sein  spazieren  ausganga  aufn  Meer- 
Hafen  aussa,  und  da  haben  mir  a  türkisches  Schiff 
g'sehn,  dös  ham  mir  a  Weil  betracht,  weil's  so  viel 

110  schön  is  gewesen;  aft  is  glei  a  türkischer  Glatz- 
kopf aussakemma  und  hat  uns  auf  an  Käuer 
eingeladen,  das  ham  mir  ihm  aus  Höflichkeit  nit 
abschlagen  wollen  und  sein  halt  aufs  Schiff  ganga 
und  ham  Käuer  trunka ;  daweil  sein  dö  türkischen 


245 

115  Spitzbueben  davong'fahren  und  haben  uns  als 
Gschlaven  wollen  mitnehma;  sobald  ich  aber  das 
Ding  hab  wahrg'nomma ,  so  hab  ich  g'schwindt 
zum  Bitten  g'schaut  und  hab  g'sagt,  dass  mein 
Herr  an    reichen  Vater  hat,  der  sein'  Sohn  gewiss 

I20  nit  wird  sitzen  lassen. 

Alter. 
Aber  warum  denn  so  einfältig?    Was  habt  Ihr  im 
Schiff  zu  machen  ?    Ach,  ach,  das  wird  gut  heraus- 
kommen, mir  stehen  schon  alle  Haare  geg'n  Berg. 
Wo  ist  denn  mein  Sohn  Leobinus  anjetzo? 

Hanswurst. 
125       Ja,  Herr,  wo  wird  a  sein?    Er  ist  halt  noch  in 
der  Galern  beim  Türken.    Mi  aber  habens  zuruck- 
g'schickt,  ich  soll  enk  sagen,  ob's  ihm  wöUts  aus- 
lösen oder  nicht. 

Alter. 
O  türkischer  Galgendieb ,   du  raubest  mir  mein 
130  Leben.    Eilends  laufe,  Hanswurst,  hole  die  Wacht, 
dass   sie  das  türkische  Raubschiff"  einholen  und  mir 
mein'  Sohn  wieder  erlösen. 

Hanswurst. 
Ach,  wie  einfältig  denkt  Ihr,  Herr.  Eine  ganze 
Armee  Soldaten  sein  nicht  im  Stand ,  das  einzige 
135  Türkenschiff"  zu  erobern,  dann  es  ist  grösser  und 
stärker  als  das  ganze  Land  Steyer.  Da  ist  kein 
anderes  Mittel,  als  mit  Geld  kann  man  ihn  wieder 
erlösen,  und  das  in  möglichster  Kürze;  in  zwei 
Stunden  sein  sie  sonst  weg. 

Alter. 

140  Wo  aber  hernehmen,  du  Ochs?  Warum  seid 
Ihr  so  dumm  und  seid  hineingangen  1  O  du 
mörderischer  Türk,  o  du  leichtfertiger  Sohn  !  Ist  das 
erlaubt,  mich  um  das  Meinige  zu  bringen?  Es  müsst 
kein  Recht  mehr  auf  der  Welt  sein ,  wann  dieses 

145  geht.    Aber  sage  mir,  Hanswurst,  soll  denn  gar  kein 


246 

andres  Mittel  mehr  zu  erdenken  sein,  meinen  Sohn 
zu  entledigen? 

Hanswurst. 

Nein,  in  diesem  Stück  ist  nicht  leicht  zu  helfen, 

und  kann  auch  keine  Obrigkeit,  kein  König,  kein 

150  Kaiser  helfen,  als  das  einzige  Geld^  und  das  leidet 

gar  kein  Aufschub  mehr.    Ich  sag  enk  zum  letzten 

Mal,  wollts  ausrucken  oder  nicht? 

Alter. 
Ach,  gerechter  Himmel,  du  weisst,  wie  hart  es 
mir  ankommt,  nur  zu  fragen,  wie  viel  es  dann 
155  kosten  möchte,  aber  doch  muess  ich  mich  über- 
winden ,  weil  es  nicht  anders  sein  kann.  Sage 
mir,  Hanswurst,  wie  viel  Groschen  er  dann  Trink- 
geld verlangt,  wann  er  mir  meinen  Sohn  wieder 
zurückschickt. 

Hanszvurst. 
160       Ei   ja,    Groschen,    da    war  gar  kein  Reden  da- 
von.    500  Dukaten  müssen  sein,    und  wann  einer 
abgeht,  so  lasst  er'n  nit  aus. 

Alter. 

Au  weh,  Hanswurst;  halte  mich,  labe  mich  und 

erquicke    mich.     Diese  500  Dukaten  werden  mich 

165   mein  Leben   kosten,    sie   werden  mir  den  Schlag- 

fluss    zuziehen ,    und    das    wird    mir  das  Herz  ab- 

stossen.  Fällt  zun. 

Hanswurst. 

Nu,  das  ist  brav.  Hiazt,  wann  der  Alte  ma- 
rixelt,  so  krieg'n  ma's  Geld  alls  mitanander,  wann's 

170  nur  sein  Ernst  war!  Muess  schon  gehn  visitiren. 
Schaut  den  Alten  an.  Es  ist,  mein  Aid,  kein  G'spass 
net,  der  Alte  ist  völlig  in  da  Tattna.  Aber  was 
frag  ich  darnach?  Desto  leichter  will  ich's  Geld 
kriegen.    Stirbt  a,  so  kriegt's  ohnedem  mein  Herr 

175  und  kimmt  a  wieda  davon,  so  soll  a  ma's  nit 
amal    wahrnehmen ,    dass    ich    ihm    500    Dukaten 


247 

g'holt  han.  Hiazt  wir  i  ihm  gehn  in  sein  Zimmer 
bringa  und  wir'n  schön  gemachla  ausziehen  und 
ins  Bett  legen  ;  aft  wir  i  wohl  in  Schlüssel  finden, 
i8o  wann  ich  amal  d'Hosen  in  Händen  han,  zu  seiner 
Geldtruhen.  Nur  schön  stat  hiazt.  Nimmt  den  Alten, 
zieht  ihn  hinein.         Ha,  ha,   ha,   ha,   ha,  ha ! 

Beide  ab. 

3.  Auftritt. 

Oliva   und  Melonia   sitzen  geschlossen  u?td  von  einem   Tiirke?i  he- 

zoacht. 

Oliva , 
O,    meine    allerliebste    Schwester,    wie    hart    er- 
warte  ich   die  erwünschte  Zeit,    da  unser  Erretter 
185   uns    zu    kommen    versprochen    hat.      Ich    zweifle 
sehr,  ob  er  mehr  kommt. 

Melonia. 
Ei,    habe    doch  keine  so  schlimmen  Gedanken. 
Ich    kann    dich    gewiss    versichern ,    dass    er   sein 
Wort  treulich  halten  werde,  du  bist  immer  ungeduldig 
190  und  kannst  nichts  erwarten. 

Oliva. 
Ja,  es  ist  die  Wahrheit :  aber  wäre  es  denn  ein 
Wunder,  in  unserm  Unglück  verdriesslich  zu 
werden,  da  wir  unschuldig  so  Vieles  leiden 
müssen?  Und  wer  weiss,  was  noch  vor  Elend 
195  uns  bevorstehet,  wann  wir  anjetzo  nicht  auskauft 
und  erlöset  werden :  kommen  mir  einmal  unter  die 
türkischen  Völker  hinein,  so  können  mir  an  Seel 
und  Leib  unglücklich  sein. 

Melonia. 
Meine  Schwester,  denke  immer  an  dieses :  Wir 
200  sein  soviel  schon  als  in  der  Freiheit,  denn  ich  kenne 
mein'  Geliebten  sein  treues  Herz  und  weiss  gewiss, 
dass  er  uns  nicht  verlasset.  Sei  nicht  so  melan- 
cholisch ,  sing  viel  lieber  ein  Schäferlied  von  un- 
serm vorigen  Vergnügen. 


248 

4-  Auftritt. 

Oliva  und  Melo7iia    singen  ein  Lied ,    darauf  tritt  Leobinus 

auf. 

Leobinus. 

205  Aeh,  wie  angenehm,  meine  Schönen,  waren  Eure 
Stimmen  zu  vernehmen.  Ihr  beklaget  zwar  bilh'g 
Eure  harte  Gefangenschaft,  aber  ich  erfreue  mich 
vielmehr ,  Euer  Erretter  zu  sein  ,  weil  ich  verge- 
wissert bin,  dass  Ihr  mehr  meine  Person  als  meine 

210  Gutthat  liebet.  Seiet  getrost,  Eure  eisernen  harten 
Fesseln  sollen  in  Kürze  in  Liebesfesseln  verwan- 
delt werden ,  mein  getreuer  Bedienter  wird  das 
Lösegeld  wohl  bringen. 

Melonia. 

Danke  Ihnen  der  Himmel,  mein  englischer  Leo- 
215  binus,  vor  Ihr  gutes  treues  Herz,  das  Sie  mir  ge- 
schenket und  welches  verursacht  hat,  dass  Sie 
uns  arme  Gschlavinnen  aus  denen  wüthenden  tür- 
kischen Händen  gerissen.  Ich  verspreche  Ihnen, 
Sie  zu  lieben  und  zu  ehren  meine  ganze  Lebens- 
220  zeit,  wie  die  aller  verliebteste  Braut  ihren  Bräutigam 
immer  lieben  kann.  Meine  Schwester  kann  Ihnen 
ebenfalls  tausend  Dank  erstatten. 

Oliva. 

Ich  sage  Ihnen  gleichen  Dank,  mein  gross- 
müthiger  Erretter  und  allerliebster  zukünftiger 
225  Herr  Schwager.  Ich  versprich  ein  Gleiches,  Sie 
in  Ihrem  Dienst  so  zu  ehren  und  zu  dienen,  dass 
alle  Ihre  Befehle  nach  Ihrem  Augenwunsch  voll- 
zogen werden  ;  der  Himmel  zahle  das  Mehrere. 

Leobinus. 

Unterlasset    dieses,    es   ist  genug,    Ihr  schönen 
230  Seelen;  Euer  gutes  und  dankbares  Gemüth  ersetzet 
mir  diese  Kleinigkeit  genugsam. 


249 

5-  Auftritt. 

Hanswurst  und  Türke  treten  auf. 
Hanswurst. 
Ha,    ha,    ich    mein',    ös   habts    enk    schon  ver- 
sprochen g'habt  mitanander.     He ,    Herr,   warts  a 
bissei,  ÖS  müsst  ma  a  ane  zuekomma  lassen. 

Leobinus. 
235       Bist    du  hier,    Hanswurst?     Das  ist  gut.     Gieb 
dem  Türken    das  Geld.     Erhandelst    du    was,    so 
gehört   es    dein.     Ich  habe  indessen  mit  ihnen  zu 
sprechen. 

Hanswurst. 
Schon  recht,  das  wir  ich  probiren.    Allo  Meister 
240  Ratzbart,   los  auf:  wann  du  handeln  lasst,  kriegst 
Geld.    Wie  theuer  sind  die  Kalmerln  da? 

Türke. 

Kurasco  scheppertolly  na  ticoth. 

Hans7vurst. 
Was?     Sternvoll  ist  da  Dickkopf? 

Türke. 
Nergo  Nollorumb  500  Tugatt. 

Hanswurst. 
245       Ja;    ja,   500  auf'n  Hintern.     Zählt  Geld  auf.     No 
schau,  Bruder,  lass  g'scheha,   da  hast  Geld. 

Türke. 

Scherbo,  scherbo  dukh  bologarschi. 

Nimmt  das  Geld  Jind  geht  ab. 

Hanswurst. 

Scherfy,  scherfy  —  und  hol  di  der  — ,  du  ver- 
zweifelter Grindschipl,  du  glatzschädlater  du, 
250  weils  d'  nur  amal  fort  bist.  Das  hat  g'rathen.  Den 
Kerl  hab  i  ang'schmiert,  er  muess  's  deutsche  Geld 
nit  recht  kenna,  ich  hab  ihm  anstatt  Dukaten 
lauter  Kupferpfennig  geben.  Hiazt  sein  die  Du- 
katl  mir  blieben. 


250 

Leobinus. 
255        Bist    du    schon    richtig,     Hanswurst,    mit    dem 
Handel?     Weil  der  Türk  schon  fort  ist,  so  gehen 
wir  auch. 

Hansivurst. 

Ja  Herr,    d'Menscha  sein  schon  unsa;    aber  no 

ans ,    eine    müssts    mir  lassen ,  dann  schauts ,    das 

260  war    g'feilt.     Meints,    weils  so  hübsch   klein    sein, 

wöllts    ÖS   alle  zwei  g'halten  ?    Aber  das  geht  nit ; 

schauts,  so  ham  mi  a  viel  Müh  kost. 

Leobinus. 
Es  ist  wahr,  du  hast  in  diesem  Stuck  dich  sehr 
wohl  gehalten ;  wann  die  schöne  Oliva  mit  dir  zu- 
265   frieden  ist,  so  wünsche  ich  Euch  viel  Tausend  Glück 
zu  Eurer  Verlobung. 

Oliva. 
Ich  bin  mit  ihm  vollständig  zufrieden,  er  scheinet 
mir  ein  lustiger  Mensch  zu  sein,  und  einen  solchen 
hätt  ich  mir  schon  längst  gewunschen. 

Hanswurst. 

270  Schon  recht,  Schatzerl,  mir  is  af  a  Haar  a  so; 
sie  scheint  mir  a  hübsches  Menscherl  zu  sein,  und 
a  sölteri  hätt  ich  mir  längst  gern  zueg'legt.  Aber 
stat,  es  kommt  der  Alte  herein,  ich  hab  ihn  schon 
rochen    g'hört,    wir   müssen    uns    a   weng  auf  die 

275   Seiten  machen  und  zuhörn,  was  er  sagt. 

Leobinus. 
Ja ,    gehen    wir   etwas  abseits :    du  aber ,    Hans- 
wurst, hör  ihm  zu  und  wann  du  Gelegenheit  hast, 
so    rede    mit   ihm  wegen  unserer  Hochzeit  Veran- 
staltung  so   gut  du   kannst.      Geht  mit  den  Mädchen  ab, 

6.  Auftritt. 

Alter  tritt  auf. 
Alter. 
280       Dem    Himmel    sei    Dank,    dass    ich    mich    von 
meiner  Ohnmacht  wiederum  erholt  habe!    Aber  was 


251 

nutzt  es  mich  ?  Wie  lang  wird  es  dauern  ?  Sobald 
ich  von  meinem  Sohn  wiederum  Nachricht  er- 
halte. Ein  Weiteres :  ist  er  verloren,  oder  ich 
285  muss  500  Dukaten  geben,  und  dieses  ist  mir  ein 
gleicher  Donnerschlag  in  mein  Herz.  Wann  ich 
nur  diesesmal  noch  eine  gute  Nachricht  von  ihm 
erhielte ! 

Hanswurst. 
A ,  das  is  brav ,  dass  ich  enk  wieder  g'sunder 
290  antriff.  Wissts  was  Neues?  Enker  Sohn  is  wieda 
zuruckkemma;  wissts  aber,  wer'n  ausg'löst  hat? 
Schauts,  sein'  Liebste  is  so  guet  g'wesen  und  hat 
500  Dukaten  hergeben  vor  ihm;  aber  halt  's  Hei- 
rathen  hat  er  ihr  versprechen  müssen. 

Alter. 
295  Was  sagst  du,  Hanswurst?  Ach,  du  giebst  mir 
das  Leben  wieder  1  Das  is  ein  ehrlichs  Madl, 
diese  möcht  ich  bald  sehen  und  als  meine 
Schwiegertochter  begrüssen.  Gehe ,  lass  sie  zu 
mir  kommen. 

Hanswurst. 

300  Ja,  Herr,  sie  sein  just  enk  hamsuechen  ganga: 
wanns  ös  seha  wöllts,  müessts  g'schwind  ham  gehn, 
sonst  möchts  so  verdriessen. 

Alter. 
Das  ist  auch  wahr,  werde  keine  Zeit  versäumen. 
Komme  nach,  Hanswurst.  Ab. 

Hanswurst . 

305  Geh  nur,  Alter,  bist  g'nung  b 

Ich  werd  schon  nachkommen. 
Du  sollst  deine  Dukaten  büssen, 
Die  ich  dir  hab  genommen. 

Nun  sieh  ein  jeder  und  betracht, 
310  Wie's  Geizigen  thuet  gehen: 

Indessen  wünsch  ein'  gute  Nacht 
Bis  aufs  Wiedersehen. 


EIN   NACHSPIEL 


*e 


PERSONEN. 

Hansmichel . 
Hansel,  sein  Sohn. 
Kletzenprobst. 
Gretl,  seine  Tochter. 
Dreinl. 


^ 


I.  Auftritt. 

Der  alte  Hansniichel  tritt  mit  seinem  Sohne  Hansel  auf. 

Hansmichel  singt. 
Hansel,  bist  mein  lieber  Bua, 
Hör  mir  grad  a  wenig  zua : 
Schau,  ich  bin  ein  alter  Mann, 
Der  schier  nimmer  steigen  kann ; 
5  Mein  Kopf  ist  weiss, 

D'  Füss  kalt  wie  Eis, 
Ja  alle  Zeit, 
Mich  nichts  mehr  g'freut. 

Wann  ich  nur  iss  drei  Pfund  Sterz, 
10  Liegt's  mir  schon  wie  Stein  im  Herz: 

Zwei  Mass  Bier  han  i  schon  gnu, 

Gehn  mir  glei  die  Augen  zu ; 

Drum   war  mein  Rath, 

Dass  du  dich  grad 
15  Schauest  um  a  Weib 

Für  deinen  Leib. 

Hansel,  ich  will  dir  übergeben, 
I  wir  so  lang  a  nimmer  leben, 
Du  wirst  zufrieden  sein, 
20  Und  es  gehört  dann  Alles  dein: 

Hauswiesen,  Alpen, 
Die  Kuh  und  Kalbn, 
A.  kleine  Schwein, 
Ist  Alles  dein. 


256 

Hansel  singt: 

25  Vatter,  nein,  ich  heirath  nit, 

Lass  mich  noch  das  Jahr  mit  Fried  I 
Schau,  ich  bin  ein  junger  Bua, 
Im  Ehstand  ist  gar  kein  Ruh, 
Giebt's  allerlei, 

30  A  Kinderg'schrei, 

A  G'hetz  dabei, 
Dös  furcht  i  frei. 

Hansmichel. 

Hansl,  Bua  mein,  sei  kein  Narr, 

Schau,  da  ist  in  unsrer  Pfarr 
35  Gar  a  schöne  reiche  Dirn, 

Hat  an  Witz  und  Sinn  im  Hirn, 

Ist  dir  groad 

Wie  Blut  so  roth, 

Hat  weisse  Hand 
40  Und  breite  Zahnt. 

Hansel. 

Ist's  a  grosse  oder  a  kleine, 
Vatter,  was  meinst  für  eine? 
Ob  sie  wohl  will  ein'  Mann, 
Muss  ich  wissen  a  voran; 
45  Mag  sie  mich, 

Das  frag  ich, 
Oder  ich  sie, 
Das  steht  dahin. 

Hansmichel. 
Schau  des  Kletzenprobst  sein  Gredl 

50  Hat  nicht  gar  ein'  dicken  Schädl, 

Gelbe  Haar  und  braune  Augen: 
Bua,  das  Mensch,  das  that  dir  taugen. 
Hat  a  Mäulerl  hübsch  und  fein, 
Gehen  kaum  sechs  Knödel  hinein ; 

55  Du  wirst  es  hör'n, 

Sie  heirath  gern. 


257 

Hansel, 
Vatter,  wann's  ist  so  gräula  schön, 
Ei,  so  will  ich  halt  woll  ma  gehn: 
Aber  gieb  mir  a  an  Rath, 
60  Dass  ich  nicht  aufheb  ein  Spott, 

Wie  ich  sollt  fragen, 
Was  sollt  ich  sagen: 
Schau,  schaff  an. 
Ich  spring  davon. 

Hansmichel. 
65  Bua,  du  Narr,  schau  d'  musst  bleiben  stehn. 

Dreimal  dann  dich  bücken  thuen: 

Aft  gieb  ihr  die  rechte  Hand, 

Druck  ihr  d'  Finger  a  bissei  z'samm 

Und  sprich  zu  ihr: 
70  Du  schöne  Zier, 

Sag  mir  g'schwind  an, 

Willst  mich  zum  Mann? 

Hansel. 

Vater,  thu  a  mit  mir  gehn, 

Du  thust  die  Sach'n  recht  verstehn, 
75  Thue  mir  an  Bittelmann  abgeben, 

Thue  mit  ihrem  Vattern  reden : 

Es  geht  schon  an, 

's  Mensch  g'fallt  mir  schon 

Recht  um  und  um  : 
80  Geh,   geh  nur  drum.  Beide  ab. 

2.  Auftritt. 

Dreinl  tritt  auf. 

Dreiftl  alleijt. 

Das  möcht  ich  wissen ,  wo  der  Kerl ,  mein 
Hansel  ist:  sonst  hat  er  mich  alle  Nacht  heim- 
g'sucht,  und  heunt  ist  er  nit  kemma;  i  han  ihm 
nichts    than ,    dass   er    etwan   harb    war :    ich    muss 

Volksschauspiele.     II.  17 


258 

85  nachfragen,  ich  kunnt  heut  nicht  schlafa;  wann  i 
wisset,  dass  ihm  was  fehlet,  er  ist  so  viel  a  lieber 
Mensch,  bei  ihm  hab  ich  Hoffnung  auch  noch,  dass 
ich  amal  kann  Bäurin  wern :  sein  Vatter  wird  so 
lang    nimmer   leben;    versprochen   hat  er  mir's  eh 

90  schon  ,  dass  er  mich  heirathen  will.  Mir  ist  nit 
gut,  ich  muss  wissen,  wo  er  ist.  Geht  ab, 

3.  Auftritt. 

Kletzenprobst  tritt  auf. 

Kletzenprobst  singt, 
O  Elend,  o  Noth,  barmherziger  Gott, 
Verdriesst  mich  schon  's  Leben  und  wollt  ich  war 

todt; 
Was  müssen  die  Bauern  jetzunder  erfahren! 
95  Man  hudelt  s',  man  pudelt  s',  man  halt  s'  für  schlecht' 

Narren. 

A     lauters    G'misch    G'masch    muss    überall    ins 

Drasch : 
Man    lässt    ja    den  Bauern   kein   Fleck   mehr   im 

G'sass ; 
Der   Pfleger,    der   Amtmann,    der   Schreiber    uns 

tobt, 
Schergen  Wastl  sein  Hansel  uns  alleweil  klopft. 

100  Was  muss  ich  anheben,  es  ist  nimmer  z'leben, 
A  Steuer  um  die  andere  muss  ich  erlegen: 
G'schieht  das  nicht,  so  kommt  der  Scherg  täglich 

ins  Haus, 
Ihm    sollt   ich    a    zahlen ,    und    macht    mich  brav 

aus. 

Und  that  ma  das  nit,  so  hat  ma  kein  Fried, 
105  Aft  heisst  glei  beim  Schergen:  so  geh  selber  mitl 
Beim  Pfleger,  da  heisst's  aft:  in  Kotter  mit  dir, 
Bis's  Weib  mit  an  Geld  kommt  und  bitten  thut  für ! 


259 
4-  Auftritt. 

Gredl  tritt  auf. 
Gredl. 
Vatter,  ich  muss  dir  was   sagen. 

Kletzenprobst, 
Na,  was  denn? 

Gredl, 

HO       Bitt   dich   gar    schön,    lieber  Vatter,    lass    mich 
heirathen. 

Kletzenprobst, 

Was,   heirathen  ? 

Gredl. 
Ja,  Vatter,  bitt  dich  gar  schön. 

Kletzenprobst. 
Und  wem  willst  denn  heirathen?    Schau,  du  bist 
115  ja  noch  z^  jung  dazu. 

Gredl. 

Vatter,  des  alten  Hansmichel  sein  Hansel  ist  gar 
a  hübscher  Bue. 

Kletzenp  robst. 
Schau ,    er  ist  schon  ein  gewachsener  Kerl ;   du 
bist   halt    noch   gar  jung   und  kannst  schon  noch 
120  warten  mit  dem  Heirathen. 

Gredl. 
Vatter,   bin   doch  schon  17  Jahr  alt,   jetzt  hei- 
rathen d'  Menscher  schon  mit  12    oder  14  Jahren 
gar  gern. 

Kletzenprobst. 

Das  seind  noch  Kinder  und  wissen  nicht,    was 
125  Heirathen    ist:  und  wer  weiss,    verlangt  dich  der 
Hansel  z'  heirathen. 

Gredl, 
Ei  ja,  Vatter,  er  ist  bei  mir  g'west  und  hat  mich 
gefragt,  ob  ich  ihn  heirathen  wollt  \  sein  Vatter  hat 
gesagt,  er  war  schon  alt,  er  wollt  ihm  übergeben. 

17* 


26o 

Kletzenprobst. 

130  Das  Hess  sich  redlich  hören.  Es  ist  weiter  a 
heikliche  G'fahr  um  die  Weibsbilder,  es  ist  immer 
amal  glei  g'schehen,  dass  eine  stolpert.  Weisst  du 
was,  Gredl?  Schau,  wann  er  dich  heirathen  will, 
so    muss  er  eh  zu  mir  kemma,    muss  mich  bitten 

135  und  fragen  drum:  ich  bin  Vatter;  glei  auf  dein 
Wort  kann's  nit  sein. 

Gredl. 
Er  wird  wohl  kemma,  da  Hansel,  er  hat  g'sagt 
er    wurd    mit  sein  Vattern  zu  dir  kemma;  er  hat 
mich  glei  amal  g'fragt,  ob  ich  ihn  möcht,  nacher 
140  wollt  er  mit  dir  Alles  ausmachen  und  abreden. 

Kletzenprobst. 

Er  weiss  halt,  dass  ich  noch  a  wenig  a  Geld 
han;  ja,  mein  Gredl,  wann  ich  nicht  eh  a  wenig 
was  erspart  hätt,  jetzt  kunnt's  a  nimmer  sein :  seind 
halt  gar  schlechte  Zeiten  jetzt,  und  du  willst  dana 
145  jetzt  heirathen;  schau,  du  hast  ja  bei  mir  gut  sein, 
es  fehlt  dir  ja  nichts. 

Gredl. 
Ei  ja,  Vatter,  es  fehlt  mir  wohl  was. 

Kletzenprobst. 

Ja,  was  denn  ?    Schau,  du  hast  bei  mir  zu  essen, 
hast  anz'legen.    Ich  weiss  nit,  was  dir  fehlen  soll  ? 

Gredl. 
150       Vatter,  wann  ich  an  Mann  han,  weiss  ich,  wem 
ich  zug'hör;  ist  doch  das  Löffeln  a  nit  erlaubt. 

Kletzenp  robst. 
Das  möcht  ich  wissen,  warum  denn  d'  Menscher 
gar  so  gern  heirathen  1     Du  bist  a  so. 

Gredl. 
Schau,'  Vatter,  du  derfst  dich  weiter  nit  wundern 
155   warum;  weil  die  Eva  aus'n  Adam  seiner  Seiten  ist 
kema,    so   ham    halt    alle  Weibsbilder   die  Manns- 
bilder a  noch  gern. 


201 

Kletzenprobst. 
Du    weisst    dir    halt  z'  helfa:    i  wir  sehen,    was 
z*  thun  ist^  wann  da  Hansel  und  sein  Vatter  kemma 
i6o  sollten. 

Gredl. 

Sei   du  na  auf  mein'  Weg,    mein  lieber  Vatter: 
schau,  da  Hansel  ist  a  hübscher  Bue. 

5,   Auftritt. 

Hansmichel  und  Hansel  kommen. 
Hansmichel. 

Ich    muss    mein   Nachbarn   heimsuchen   kemma 
und  hätt  a  zwei,  a  drei  Wort  anz'bringen. 

Kletzenprobst. 
165       Na  g' freut  mich,  mein  Nachbar.    Was  soll's  denn 
sein? 

Hansmichel. 

Ich   bin   schon  alt  und  matt,    thut  ma  schon  a 

Ruh   von  Nöthen:    so    will  ich  halt  mein'  Hansel 

übergeben ;  da  brauchet  halt  mein  Hansel  a  Weib, 

170  da   war    uns    halt  's  Nachbarn   sein   Gredl    recht, 

wann  ma's  dahalten  konnten. 

Kletzenprobst. 
Sie    dahalt    sich    schon    selber,     wann    sie    nur 
z'  essen  hat. 

Hansmichel. 

A  z'  essen  werd's  wohl  was  haben :  ich  mein'  wohl, 
175  han    i   a    lang    g'haust,    han    noch    kein    Hunger 
glitten, 

Kletzenprobst. 

Ja,  es  ist  schon  recht,  aber  mein  Gredl  is  halt 
noch  gar  jung.     G'fallt  sie  dir  denn,  Hansel? 

Hansel. 
Ei  ja,  sie  g'fallt  ma  ja,  mir  ist  sie  alt  a  g'nua ; 
180  d'  Menscha  heirathen  wohl  lieber,  weil's  jung  sein, 
als  wann's  amal  alt  wern. 


202 

Kletzenprobst. 
Das  ist  a  wahr,  aber  es  lecken  die  alten  Gaisen 
a  gern  a  Salz;  wann's  aber  nur  die  Haiiswirthschaft 
versteht. 

Hansmichel, 
185        Das  zweifl'  ich  nicht,  hat  sie  doch  dein  Sacherl 
a  gut  g'richt. 

Kletzenprobst. 
Es  war  schon  Alles  recht,  aber  ös  werds  eppa 
a  Geld  a  braucha,  das  ist  halt  nit  bei  mir. 

Hansel. 
Ja,    wie  mehr,   wie  besser:    ich  zahlet  ihr  gern 
190  alle  Sonntag  und  Freitag  an  Wein. 

Gredl. 
Hansel,  in  Meth  trink  ich  gern. 

Hansmichel, 
Sonst  wern  ma  so  viel  nicht  brauchen,  was  halt 
bei   der    Herrschaft   und    zu  der  Heirath    aufgeht. 
Mein   Bue   ist   sonst   a   fleissiga  Mensch,    es    lasst 
195  sich  was  dahausen  a  no. 

Kletzenprobst, 
Jetzt  lasst   sich   halt  gar  wenig  dahausen.     Na, 
na,  weil's  denn  a  so  a  Freud  z'sammhabt,  so  will 
ich    sehn,    dass   ich    eppa    a  100  Gulden  z'samm- 
bring,  dass  ich's  ihnen  geben  kann. 

Hansmichel, 
200       Ist  schon   gut,  ist  schon  gut. 

Hansel, 

Vatter,  wie  mehr,  wie  besser :  meinet  aber  1 000 
Gulden. 

Kletzenprobst, 
Darzue   will   ich    ihnen   noch    geben   eine    Kuh, 
eine  Gais  und  ein'  Bock,  ein  Schaf,  ein  Fadel  und 
205  a  zwei  Hühner. 


2^3 

Hansel, 
Gais  und  Bock  derft's  jetzt  nimmer  halten  oder 
austreiben. 

Kletzenprobst. 

Es  wird  wohl  wieder  besser  werden.    Ein  Stückel 

haberne    Leinwat,    a   wenig    an  Haar,   ein'  Seiten 

2IO  Speck   und  ein  Leib  Schmer  zum  Schuhschmieren 

werd  ich  ihnen  auch  noch  geben  ;  auf  das  lass  ich 

mich  ein  und  meinet,  ös  sollts  zufrieden  sein. 

HansmicheL 
Mit  dem  sein  mir  schon  zufrieden;  wann's  dein 
und  da  Gredl  ihr  Willen  ist,  sein  mir  schon  gleich, 
215  bis  Alles  richtig  ist  bei  dem  Pfleger. 

Gredl. 
Ich  bin  schon  mit  mein  Hansel  zufrieden. 

Hansel. 
Und  ich  mit  meiner  Gredl. 

Kletzenprobst. 

Aber  eins  muss  a  noch  sein :  zum  Pfleger  musst 
hingehen  und  ihm  Alles  sagen,  damit  die  Anstalt 
220  zu  der  Heirath  und  zu  der  Uebergab  kann  gemacht 
werden. 

Hansel. 

So  geh  ma  gleich,  geh  ma  g'schwind,  so  bekimm 
ich  mein  Gredl  bald. 

Gredl. 
Und  ich  meinen  Hansel. 
Hansmichel. 
225       Ich  geh  schon.     So  weiss  ma  wie  oder  wann. 

Alle  ab. 

6.  Auftritt. 

Dreinl  kommt  allein,  sie  weint. 
Dreinl. 
Ei   ja,    das    hätt  ich  mein  Lebtag  nicht  glaubt, 
dass  mein  Hansel  kunnt  so  falsch  sein :  er  hat  all- 


264 

weil  g'sagt ,  er  will  mich  heirathen,  und  jetzt  will 
er    des    Kietzen  probst    Gredl    heirathen ,    a    so    a 

230  junges  Flitscherl:  henken  ihr  noch  die  Windeln 
hinten.  Na,  es  muss  nit  sein,  ich  lass  ihr'n  a  nit. 
Weint  wieder.  Aber  was  will  ich  anfangen?  Ich  bin 
ein  armer  Narr,  Niemt  han  i  auf  meiner  Seiten! 
wie  stell  ich's  an?     A  so  wird  man  betrogen  von 

235  Mannsbildern:  zum  Löffeln  und  Karessiren  ist  ma 
ihnen  recht,  wann's  zum  Heirathen  kommt,  zeigen  s' 
an  d'  Feigen  und  lassen  an  sitzen.  Au  weh ,  au 
weh?  Weint  -wieder.  Ich  glaub  na  schier  nit ,  dass 
mein  Hansel    so  falsch    könnt    sein ,    dass  er  sollt 

240  ein'  andre  heirathen;  es  hat's  zwar  a  Weib  g'sagt, 
a  wer  weiss ,  ist's  wahr.  Jetzt  wer  i  nachfragen 
oder  ich  schau,  dass  ich  selber  zu  ihm  komm ;  ist's 
wahr,  so  lass  ich  ihr'n  nit:  eh  ich  das  thu,  kreil 
ich  ihr  die  Augen  aus ,   reiss  ihr  d'  Haar  aus  den 

245  Kopf.  Mein'  Hansel  muss  ich  haben,  ich  muss 
wissen,  wie's  ist.  Geht  ab. 

7.  Auftritt. 

Hansel  und  Gredl  kommen. 

Hansel  singt: 

O  liebe  mein  Gredl,   weil  es  kommt  drauf  an, 
Dass    du    wirst    mein    Weiberl     und     ich     dein 

Mann, 
So  müss  ma  ja  gleichwohl  eh  reden  davon : 
250       Was  soll  ich  einkauffa,  wie  stell'n  ma's  All's  an? 

Gredl. 

Du  giebst  mir  a  G'wandl,  neu'  Strumpf  und  neu* 

Schuh, 
A  Kittel  einbandelt,  a  Miader  dazu: 
Du  wirst  ja  wohl  a  neu's  G'wandl  anlegen, 
A    schön's    weisses    Pfaidl    wir    ich    dir    schon 

geben. 


265 

Hansel. 
255        Aft  geh  ma  hin  um   den  Pfarrer  sein'  Segen, 

Und  lassen  uns  beide  von  ihm  z'samma  geben: 
Die    Hochzeit     wird     müssen     beim    Amtmann 

wohl  sein, 
Da  krieg'n  ma  gut  z'  essen   und    z'  trinken   an 

Wein. 

Gredl, 

O  lieber  mein  Hansel,  eins  muss  ich  dir  sagen, 
260       Den  Dudelsackstephel,  den  müss  ma  a  haben. 
Den  Broder  Veitl  a  mit  der  Schalmei: 
Aft  woll  ma  sein  lustig  und  tanzen  dabei. 

Hansel. 

Wie  meinst  denn  han ,    Gredl  ?     Wem  willst  du 

denn  haben? 
Wen  woll   ma   denn  Alle   auf  d'  Hochzeit   ein- 
laden ? 
265       Des  Kerschbauer  Hiesl,  Krenriapl  dazue, 
Das  ist  ja  a  ninda,  a  gar  hübscher  Bue. 

Gredl. 

Den  Kronawet  Jodl  a  mit  seiner  Ursch, 
Des  Zwifelmayr  Franzi  ist  a  a  hübscher  Bursch, 
Die  Stehrbauer  Liesel  und  d'  Hasenmayr  Gred, 
270       Des  Katzenbauern  Veverl  i  a  gern  hätt. 


8.  Auftritt. 

Hanstnichel  tritt  auf. 

Hansmichel. 

Weisst  du  was,  Hansel?    Schau,  da  han  ich  das 

Ventari,   du  kannst  es  selber  lesen,  so  hört's  dein 

Gredl  und  ihr  Vater,  der  Kletzenprobst  selber,  was 

ich  dir   übergeben   will,   und   wie's  Alles  geschazt 

275  ist  wor'n  nach  deiner  Mutter. 


266 

Hansel. 
So  lass  schaiin ,   Vater ,    ich  han's  weiter  selber 
noch    nie    g'lesen.      Liest  das  Inventar.     A    für  mich 
ist's  schon  recht,  wie  meinst  du  han,  Gredl? 

Gredl, 
A  wir  wollen  schon  hausen  mit  dem  Sachel. 
Kletzenprobst. 
280       Ich  meinet  ja  wohl  a,  ös  sollts  hausen  können 
mit  den  G'raffel. 

Hansmichel. 

So  wöll  ma  glei  zum  Amtmann  hingehn  und  ihm 

sagen,  dass  mein  Hansel  und  dein  Gredl  mit  dem 

Ventari    zufrieden   sein :    so  kunnt    über  acht  Tag 

285  die  Hochzeit  und  also  glei  die  Uebergab  g'scheha. 

Kletzenprobst  und  Hansmichel  gehen   ab. 
Hansel. 

Ja,  ja,  so  macht  ös  nur  gut,  ich  und  die  Gredl 
müssen  a  erst  gar  ausreden ;  aber  wie  meinst 
denn  han,  Gredl? 

9.  Auftritt. 

Dreinl  tritt  auf. 
Dreinl. 
Na,  jetzt  muss  ich  wohl  glauben,  was  die  Leut 
290  gesagt  haben. 

Hansel. 
Na,  was  han  s'  denn  gesagt,  was  meinst  denn? 

Dreinl. 
Ha ,    frag  .   .  .  Du  willst  den  Sauhammcl ,    den 
Mistfink ,    das  Flitscherl ,    die  Kletzenprobst  Gredl 
heirathen. 

Hansel. 
295       Es    kann    wohl   sein,    ich    weiss    nicht.     Abseits. 
Jetzt  bin  ich  recht  ankemma. 

Dreinl. 
Hast   du  mir  nit  schon  längst  versprochen ,   du 
wollst  mich  heirathen? 


267 

Hansel. 
Es  kann  leicht  wohl  sein,  ich  weiss  weiter  nichts 
300  drum. 

Dreinl. 

Was  ?  .  .  .  Willst  du  es  laugnen  ?  Hast  du  mir's 
nit  oft  versprochen?  Meinst  du,  ich  wir  mich  von 
dir  foppen  lassen?  Bild  dir's  nur  nit  ein.  Na, 
es  muss  nit  sein.  Geht  zti  der  Gredl.  Und  du  Sau- 
305  luder,  du  Trampelthier,  du  Lochbär,  bild  dir's  nit 
ein,  dass  du  mein'  Hansel  bekemma  wirst. 

Gredl. 
Was?    Du    willst    mir    mein'  Hansel    nit  lassen? 
Du  Mistbutten,  du  Trampelthier,  du  alte  Waldun- 
form, du  Sauleder,  du  sollst  dich  unterstehn;  geh, 
310  sag  ich  .   .   .  oder  ich  schlag  dich  himmelblau. 

Springen  gegeneinander. 
Hansel. 
Na,  na,  seids  gut  miteinander,  seids  gut!    Was 
werd's  da  gehn  Händel  anfangen? 

Dreiftl. 
Du,    du,   jetzt  sag  mir's  glei  g'schwind,  ob  du 
mich  heirathen  willst  oder  nit. 

Hansel. 
315       Ich  weiss  halt  a  nit.     Han,  hast  du  Geld  a? 

Drei?il. 

Das  weisst  eh,  dass  ich  kein  Geld  han. 

Hansel. 
So  mag  ich  dich  a  nit:  jetzt  geht  Alles  auf  das 
Geld;  die  kein  Geld  hat,   kriegt  a  kein  Mann. 

Dreinl. 

Was,  du  willst  mich  nicht  heirathen? 

Sie  fährt  dem  Hansel  ins  Haar. 


ANHANG. 

* 

DAS  LEIDEN  CHRISTI. 

Passionsspiel  aus  dem  Gurkthale  in  Kärnten. 

Mit  einem  Zwischenspiele  und  einem  Nachspiele. 


m 


PERSONEN. 


Christus. 

Judenhauptmann. 

Maria,  seine  Mu 
Johannes. 

tter. 

>  Rittmeister. 
Zweiter  J 

Petrus. 
Judas. 

f'"     Uhürhüter. 
Zweiter  J 

Jacobus  major. 

Hausmagd. 

Jacobus  minor. 

Ein  Engel. 

Philippus. 
Andreas. 

Jünger  Christi. 

Longinus. 
Simandl. 

Thomas. 

Nachtwächter. 

Bartholomäus. 

Malchus. 

Simon. 

Erster 

Thaddäus. 

Zweiter 

>  Jude. 

Paulus. 

Dritter 

Martha. 

Vierter 

Magdalena. 

Der  Freimann. 

Veronika. 

Der  Hausvater. 

Herodes,  König 

in  Judäa. 

Joseph  von  Arimathia 

Pontius  Pilatus, 

Landpfleger. 

Nikodemus. 

Kaiphas.   1    ,_  , 
}  Hot 
Annas.       J 

le  Priester. 

Der  Tod. 

I,ucifer. 

Mendax. 

Drei  Teufel. 

Falsut. 

Barrabas. 

Fraudolo. 
Nabulü. 

*  Ph 

arisäer. 

,  .  ,         }  Schacher. 
Linker    j 

Dolax. 

Robam. 

«^ 


Erster  Aufzug. 

I.  Auftritt. 

IVald. 
Der  Engel  als  Prologus. 
Engel  singt. 
Mensch  betracht  und  fass  zu  Herzen, 
Wie  sündhaft  lebst  du  auf  der  Welt : 
Thue  mit  Gott  nicht  länger  scherzen, 
Sonst  ist  es  mit  dir  gefehlt. 
5  Du  willst  nur  in  Wollust  leben, 

Denkst  nicht  an  die  Ewigkeit: 
Thue  dich  bald  zur  Buss  begeben. 
Sonst  wird  dir  zu  kurz  die  Zeit. 

Secht  da,  Christus,  der  Sohn  Gottes 

IG  Leidet  für  euch  grosse  Pein, 

Wird  der  Gegenstand  des  Spottes: 
Könnt  ein'   grössere  Liebe  sein? 
Schon  am  Oelberg  fühlt  er  Qualen 
Ueber  das,  was  ihm  nun  droht; 

15  Er  will  eure  Schuld  bezahlen, 

Euch  erlösen  von  dem  Tod. 

Nicht  allein  mit  Ruthenstreichen 
Wird  sein  zarter  Leib  verletzt, 
Auch  mit  einer  Krön  desgleichen, 
20  Die  mit  Dörnern  ganz  besetzt: 

Muss  er  auch  das  Kreuz  noch  tragen. 

Sogar  leiden  auch  den  Tod, 

Damit  er  von  Höllenqualen 

Euch  erlöse  von  der  Noth.  Ge/u  ob. 


272 

2.  Auftritt. 

Der  Tod  allein. 
Tod  singt: 

25  Alles  muss  zu  Grabe, 

Das  ist  meine  Gabe 

Mit  der  Sense  hier. 

Reich'  und  arme  Leute 

Werden  meine  Beute, 
30  Kommen  einst  zu  mir. 

Weiland  gross  und  edel 
Nickte  mancher  Schädel 
Keinem  Grusse  Dank. 
Manches  Beingerippe 
35  Ohne  Wang  und  Lippe 

Hatte  Geld  und  Rang. 

Mancher  Kopf  mit  Haaren 
War  vor  wenig  Jahren 
Schön,  wie  Engel  sind: 
40  Tausend  junge  Fäntchen 

Leckten  ihm  das  Händchen, 
Gafften  sich  halb  blind. 

Selbst  dem  Welterlöser 
Geht  es  auch  nicht  besser, 

45  Er  muss  auch  ins  Grab. 

Wegen  euren  Sünden 
Muss  ich  ihn  auch  finden, 
Muss  mit  mir  hinab. 

Tod  redet: 
Die  Sünde,  die  der  Mensch  begangen, 

50  Hat  mich  in  diese  Welt  gebracht. 

Weil  er  nach  ihr  thät  stets  verlangen 
Und  das  Gebot  nur  hat  veracht't: 
Drum  hab  ich  die  Gewalt  erhalten 
Zur  Straf  der  Sünde  jedermann, 

55  Sowohl  die  Jungen  als  die  Alten 

Zu  tödten,  ich  gieb  kein  Pardon. 


273 


Mein'   Macht  erstreckt  sich  nicht  all  eine 
Auf  diese  gross'  und  weite  Erd, 
Auch  in  das   tiefe  Meer,  auf  Steine, 

60         Womit  die  höchsten  Berg  beschwert. 
Es  sei  der  Mensch  auch  in  Castellen 
Und  festen  Mauern  aufbewahrt, 
Mein  Pfeil  wird  ihn  gewiss  nicht  fehlen, 
Sei  gleich  die  Festung  noch  so  hart. 

65         Darum,  o  Mensch,  sei  stets  gefasset. 
Weil  dir  die  Stund  ist  nicht  bekannt: 
Wenn  dich  mein'  magre  Hand  umfasset, 
So  würg  ich  dich,  du  eitler  Tand.     Geht  ab. 

3.  Auftritt. 

Christus  mit  seinefi  Jüngern, 

Christus, 
Ihr  wisset,  liebste  Jünger  mein, 

70         Dass  die  Ostern  nahe  sein. 

Auch  dass  des  Menschen  Sohn  auf  Erden 
Dem  Tod  soll  übergeben  werden, 
Durch  Ruthen,  Geisseistreich  und  Dorn, 
Damit  das  Schaf  nicht  geh  verlor'n ! 

75  Ich  hab  es  Euch  längst  offenbart. 

Was  sich  jetzt  zeigt  in  Gegenwart: 
Die  Feinde  suchen  mich  mit  List 
In  ihre  Gewalt  zu  bringen : 
Sie  eifern  sich  zu  jeder  Frist, 

80         Ihr'  Absicht  zu  erringen. 

Jedoch  die  Stund  ist  noch  nicht  da 
Zu  meinen  grossen  Leiden: 
Lasst  uns  gehn  nach  Bethanea 
Zum  G'nuss  der  letzten  Freuden, 

85  Wo  ich  noch  hoff,  der  Mutter  mein 

Und  auch  den  Freunden  eben 
Vor  meinem  Tod  das  Lebewohl 
Und  auch  Urlaub  zu  geben. 

Geht  mit  den  Jüngern  ab. 
Volksschauspiele.     II.  18 


274 

4-  Auftritt. 

Saal. 
Kaiphas  sitzt  mit  den  Schriftgelehrten  im  Rat  he. 

Kaiphas. 
Euch  sind  bekannt,  Ihr  lieben  Herren, 
90       Christi  That  und  falsche  Lehren  1 
Viel  Volk  hat  er  an  sich  gezogen, 
Mit  falscher  Lehre  Viel'  bewogen : 
Und  lasst  man  ihm  ferner  seinen  Muth, 
Die  Juden  er  verführen  thut: 
95       Und  fallen  uns  die  Römer  ein, 
Vom  Lande  wir  vertrieben   sein. 
Drum  saget  mir,  hochweiser  Rath, 
Wie  man  das  Uebel  an  der  Statt 
Ausrotte,  dass  der  höchste  Zorn 

100       Unsers  Gottes  nicht  entbrannt. 

Und  dass  für  uns  nichts  geh  verloren, 
Auch  Gott  nicht  strafe  unser  Land. 
Darum  wir  uns  der  Sach  bedenken. 
Da  es  noch  Zeit  ist  zu  der  Stund, 

105       Wie  man  es  kann  zum  Guten  lenken: 
Sagt,  was  man  hat  zu  thun  jetzund? 

Robam, 
Man  muss  mit  Listen  unterkommen, 
Dass  er  in  unsre  G'walt  wird  g'nommen ! 
Der  Vogel  muss  gefangen  werden, 
iio       Sodann  kann  man  sein  Nest  verderben. 

Dolax. 
Es  ist  gewiss,  ich  halt's  für  wohl, 
Kein'  Freiheit  er  mehr  haben  soll. 

Fraudolo. 
Liegt  er  geschlossen  in  der  Keuchen, 
Das  Volk  wird  bald  von  ihm  abweichen. 

Nabiih. 

115       Nur  nicht  gleich  an  dem  Ostertagl 
Das  Volk  aufrührisch  werden  mag. 


275 


Mendax. 
Im  Tempel  ist  er  uns  oft  entgangen, 
Wie  werden  wir  ihn  jetzt  dann  fangen? 

Falsut. 
Gar  oft  durch  Zauberlist 
I20  That  er  vor  uns  verschwinden: 

Da  er  ein  Zaubrer  ist, 
Wie  werden  wir  ihn  finden? 

Kaiphas. 
Des  Höchsten  Macht  wird  es 
Für  uns  wohl  bringen  hin, 
125  Dass  uns  erfreue  dann 

Der  gut  gefasste  Sinn. 

Mittelvorhang  fällt.     Alle  ab, 

5.  Auftritt. 

Gasse. 

Lud f er  mit  den   Teufeln. 

Lucifer  singt: 

Ihr  Höllenhund', 
Kommt  aus  dem  Schlund  1 
Nur  eilet,  nicht  weilet : 
130  Merkt  auf,  ihr  Höllenhund', 

Was  ich  befehl  jetzund. 

So  wisset  dann, 
Spannt  Kräfte  an ! 
Nur  schauet  und  lauert 
'35  Und  gebet  kein'  Pardon! 

Ich  schwör' s  beim  Höllenthron. 

Des  Geizes  Macht 
Nur  wohl  betracht't: 
Nur  schmeichlet  und  heuchlet 
140  Bei  Tag  und  auch  bei  Nacht, 

Bis  ihr  gewinnt  die  Schlacht. 


276 

Nur  Fallstrick  legt 
Auf  alle  Eck! 
Euch  übet,  bemühet, 
145  Dass  Ihr  ein  Seel  bewegt 

Und  sie  zur  Hölle  kriegt ! 

Lucifer  bleibt,  die  übrigeti   Teufel  ab. 

6.  Auftritt. 

Judas  und  Lucifer, 

Judas. 
Was  sind  das  für  Hochmuthspossen, 
Was  für  leere  Prahlerei? 
Hab  hiervon  doch  nichts  genossen: 

150  Was  nützt  die  Verschwenderei? 

Klug  und  sparsam  soll  ich  hausen, 
Geld  soll  in  der  Cassa  sein 
Ich  muss  mit  ihm   anders  hausen, 
Meisters  Thun  geht  mir  nicht  ein  : 

155  Mahlzeit  halten  macht  viel  Kosten, 

Und  dem  Beutel  kleckt  es  nicht, 
Besser  wär's,  das  Geld  könnt  rasten, 
Als  dass  man  keins  drinnen  sieht. 
Es  wird  wohl  nicht  lang  mehr  klecken, 

160  Hab's  ein  wenig  überzählt: 

Wo  werd  ich  mein'  Mund  hinstecken. 
Wenn  der  Beutel  nichts  mehr  hält? 
In  Simonis  Haus  mein  Meister 
Oft  mit  Weibern  recht  brav  schmaust, 

165  Er  macht's  immer  mehr  nur  dreister, 

So  dass  es  davor  mir  graust. 

Lucifer  von  hinten. 
Ein  Brunn,  der  ziemlich  tief, 
Lasst  sich  auch  wohl  ausleeren. 
Ein  Goldberg  auch  auslief, 
170  Könnt  auch  nicht  ewig  währen  : 

Greift  man  das  Hausen  an 
Mit  kostbarlichen  Sachen, 


277 


Es  nicht  bestehen  kann, 

Muss  einst  in  Trümmer  krachen. 

Judas. 
175       Was  hat  nicht  Magdalenas  Salb' 

Gekost't,  da  man's  erstanden? 

Wenn  sie  nur  hätt  verbraucht  die  halb', 

War  noch  etwas  vorhanden : 

Verschmiert  die  ganze  Büchsen  voll 
180       Auf  Meisters  Haupt  und  Füssen; 

Das  Ding  mich  schwierig  macht  und  toll, 

Kann  billig  mich  verdriessen. 

Lucifer, 

Dies  soll  dir  rauchen  in  dem  Kopf, 

Sollst  nirgends  sicher  gehen : 
185       Du  bist  schon  ein  verlassner  Tropf, 

Wer  wird  ohne  Geld  bestehen? 

Dein  Meister  sich  feindselig  macht. 

Verwirft  sich  bei  den  Leuten, 

Sein    Predigt  ihn'n  den  Kopf  verschmacht. 
190       Will  alten  Brauch  ausreuten. 

Judas. 

Wir  Jünger  ganz  verhasset  sein. 
Niemand  will  uns  mehr  trauen. 
Man  ist  uns  allen  spinnenfeind, 
Thun  uns  nur  schief  anschauen. 

Ltuifer. 
195       Hast  nur  ein  Leben,  das  dir  Heb, 
Sollst  dich  in  G'fahr  nit  geben  : 
Dich  bald  aus  Meisters  G'schäften  schieb. 
Und  rett  dir  selbst  das  Leben.  Geht  ab. 

7.   Auftritt. 

Judas  allein. 
Jttdas. 
Jetzt  fallt  mir  ein  Gedanken  ein, 
200       Den  ich  gleich  will  beginnen: 


278 

Ich  geh,  verkauf  den  Meister  mein, 

Gleich  laufe  ich  von  hinnen. 

Der  Handel  tragt  mir  grossen  VVerth, 

Indem  die  Juden  ihn  feinden : 
205     Mir  ist  ein  guter  Preis  beschert, 

Verlassen  ist  er  von  Freunden. 

Ich  weiss,  dass  sie  beisammen  sein 

und  trachten,  ihn  zu  fangen: 

Allons,  wohlan,  der  Preis  ist  mein, 
210     Sie  warten  mit  Verlangen. 

8.   Auftritt. 

yudas,  Kaiphas,  Annas  und  die  ganze  Priesterschaft. 

Judas. 

Ihr  hohen  Priester  und  Rabinen!        Für  sich. 

Gut,  sie  spitzen  die  Ohren  schon : 

Das  Zeichen,  das  sie  mir  geben, 

Verspricht  mir  einen  guten  Lohn. 
215     Zwar  verliert  mein  Meister  's  Leben, 

Doch  was  schert  mich  sein  Blut, 

Denn  der  Wink,  den  sie  mir  geben, 

Zeigt  mir  alles  Glück  und  Gut.     Zu  ihnen  gewendet. 

Gebet  mir  ein  schwer  Stück  Gold, 
220     Ihr  suchet  Christus  einzufangen! 

Kürzlich  Ihr  ihn  haben  sollt. 

Kaiphas. 

Sei  uns  willkommen,  mein  lieber  Mann ! 

Von  Gott  du  heunt  recht  kommest  an : 

Meinst  du  es  ernstlich  und  treu, 
225     Dreissig  Silberling  dir  versprochen  sei.  Zählt  das  Geld. 

I,   2,  3,  damit  der  Handel  richtig  sei, 

4»   5>   6,  7,  8,  Juda  die  Sach  wohl  betracht. 

9,   IG,    II,   12,  dass  wir  ausrotten  solche  Wolf. 

13,   14,   15  die  halbe  Zahl, 
230     Juda  betracht  es  noch  einmal. 

16,    17,    18,   19,  20,  30,  Juda,  nimm  das  Geld, 

sei  lleissii^. 


279 


jftidas^  das  Geld  einstreichend. 

Ich  schwöre  Euch  bei  meiner  See], 
Ein  Mann  ich  mich  verpfände, 
Dass  kürzlich  dieser  böse  G'sell 
235       Soll  kommen  in  Eure  Hände.      Geht  eilig  ab. 

Kaiphas, 

Der  Grund  zum  Werk  schon  lieget  fest, 
Es  wird  uns  gelingen  auf  das  Best. 

Mittelvorhang  fällt. 

9.  Auftritt. 

Gasse. 

yudas  kommt  rasch  allein. 

yudas. 

Ich  hab  den  Handel  gesponnen  an, 

Dies  red  ich  im  Vertrauen : 
240       Mein'  Meister  ich  verkauft  hab  schon, 

Mass  mir  um  ein  Mittel  schauen. 

Um  30  Silberling  hab  ich 

Im  Rath  den  Kauf  getroffen, 

Des  Meisters  Leben  sei  immer  hin, 
245       Jetzt  heisst  es  zugeloffen.  Läuft  ab. 

10.  Auftritt. 

Christus,  Maria ^  Magdalena  und  Martha. 

Christus. 
Liebste  Mutter,   komm  mit  mir. 
Die  Stunde  ist  zugegen. 
Da  ich  muss  scheiden  nun  von  dir, 
Muss  mich  von  dir  entwegen. 
250       Es  kommt  mich  hart  und  bitter  an, 
Dich,  Mutter,  zu  verlassen, 
Sieh,  dir  befiehlt's  dein  eigner   Sohn, 
Muss  gehn  die  Todes-Strassen : 


28o 


Mai-ia. 

Ach,   du  mein  allerliebstes  Kind, 
255       Du  Freude  meines  Herzen, 

Ach,  leider  ich  nunmehr  empfind 

Die  mütterlichen  Schmerzen. 

Ich  bitte  dich,  kindliches  Herz, 

Thue  dich  dem  Tod  entziehen, 
260        Dadurch  kannst  lindern  mir  den  Schmerz 

Thue  doch  das  Leiden  fliehen ! 

Christus 

Was  Gott  einmal  geordnet  hat, 
Das  muss  geordnet  bleiben, 
Ich  zahl  der  Menschen  Missethat, 
265        Die  Lieb  thut  mich  so  treiben. 

Alaria. 
So  spar  doch  dein  unschuldigs  Blut, 
Kannst  wohl  noch  Mittel  finden. 
Der  Welt  kannst  sonst  noch  werden  gut, 
Thue  dich  dem  Tod  entwinden. 

Christus. 

270       Gleichwie  der  Mensch  verloren  hat 
Beim  Apfelbaum  das  Leben, 
Der  G'nuss  war  ihm  ja  tödtlich  schad, 
Sein  Heil  hat  er  vergeben : 
So  thuet  auch  mich  in  gleicher  G'stalt 

275        Die  Liebe  hart  bezwingen. 

Die  Sund  den  Menschen  g'fangen  halt, 
Ich  musst  ihm  's  Leben  bringen. 

Maria. 

O  Jesu,  liebster  Sohne  mein, 
Thut  meine  Bitt  nichts  crklecken? 

280       Sollen  meine  Worte  umsonst  alle  sein? 
Ich  thu  die  Arm  ausstrecken : 
Erhör  mein'   dritt  und  letzte  Bitt, 
Lass  mich  nur  dies  erwerben, 
Nur  diese  mir  abschlage  nit, 

285        Lass  mich   mit  dir  auch  sterben. 


28l 


Christus. 
Ich  bitt,  o  Mutter,  schaff  dir  Ruh, 
Kann  dir's  diesmal  nicht  gewähren, 
Der  Tod,  der  steht  dem  Sohne  zu, 
Thu  mich  nicht  so  beschweren. 

Maria 
290       Gott  sei's  geklagt,  weil's  doch  sein  muss, 
Ich  kann  nicht  sein  entgegen, 
Gieb  mir  doch  aus  deinem  Gnadenfluss 
Den  himmlisch  letzten  Segen.    Sie  kniet  nieder. 

Christtis. 

Der  Vater  in  dem  Himmelreich, 
295        Der  wolle  dich  gesegnen. 

Der  heilige  Geist  lass  dir  zugleich 

Kein  Unheil  auch  begegnen: 

Nun  ist  es  Zeit,  dass  ich  mich  gieb 

In  meines  Feindes  Händen, 
300       Um  Alles,  was  da  malt  die  Schrift 

Zu  leiden,  Strick  und  Banden. 

Maria. 
So  geh,  mein  Sohn,  erlös  die  Welt, 
Und  thue  nach  Gottes  Willen : 
Weil  es  ansonst  war  schlecht  bestellt, 
305        Thue  dies  mit  Blute  stillen. 

Der  Vater  wolle  dir  beistehn, 

Den  du  zum  G'leit  mir  geben, 

Und  mit  dir  zu  dem  Tod  hingehn  : 

Bring  uns  das  ewige  Leben.   Christus  geht  ah. 

Martha. 
310       Behüt  dich  Gott,  o  liebster  Herr! 
Wir  danken  dir  für  deine  Lehr, 
Auch  um  all  die  erzeugte  Gab, 
Die  ich  von  dir  empfangen  hab. 

Magdalena. 
Wir  werden  ihn  bald  wieder  sehn, 
315       Wenn  er  vom  Grab  wird  auferstehn, 


282 

Denn  die  Band'  des  Todes  wird  er  zerreissen, 
Wie  er  uns  tröstlich  hat  verheissen. 

Alaria, 

Es  ist  schon  untergegangen 

Die  Sonne,  meiner  Augen  Freud, 
320     Die  Nacht,  die  hat  naein  Herz  umfangen, 

Ach,  bitter  schwere  Traurigkeit ! 

Voll  Gnaden  sind  die  Ort', 

Wo  wir  beisamm'  gesessen. 

Viel  tausend  süsse  Wort' 
325     Von  ihnen  hab  gelesen: 

Mein  Herz  wird  eh  nicht  rasten, 

Bis  mir  von  ihm  ein  Post 

Ankommt  und  mich  von  Lasten 

Befreit  und  bringet  Trost. 

Magdalena. 

330     O,  Nacht  der  Traurigkeit, 

O,  bittres,  schweres  Leid! 

Wo  finden  wir  nun  Freud 

In  dieser  Trauerweid  r 

In  diesem  Zährenthal 
335     Ist  nichts  als  lauter  Weinen, 

Wo  uns  die  Sonn  niemal 

Kann  fröhlich  heiter  scheinen. 

Doch  wer  die  edle  Frucht 

Der  Rosen  will  abbrechen, 
340     Der  schreite  ohne  Furcht, 

Lass  sich  von  Dörnern  stechen. 

Maria  dich  erhalt. 

Ermuntere  deine  Seele: 

Gott  giebt  uns  seine  G'vvalt, 
345     Dass  uns  kein  Unheil  quäle. 

Martha. 
Gott  hat  mit  seiner  Gnad 
Uns  aufrecht  oft  erhalten, 
Er  wird  auch  fernerhin 
Uns  schützen  dergestalten.  Alk  ab. 


283 
II.  Auftritt. 

Saal. 

Kaiphas,  Annas,  erster  und  zweiter  Thürhüter,  die  Priesterschaft, 

Judas. 

Kaiphas. 
350       Wahr  ist  der  gemeine  Spruch  und  Sag, 
Wenn  man  den  Fuchs  nennt, 
Es  sei  gleich  Nacht,  es  sei  gleich  Tag, 
So  kommt  er  hergerennt. 

Annas. 
Sei  uns  Willkomm',  mein  lieber  Freund  1 
355        Du  hast  dich  lang  verweilt. 

Judas. 

Ich  hab,  weil  Ihr  beisammen  seid, 

Mit  Hand  und  Füss  geeilt : 

Verzeihet  mir,   dass  ich  so  sehr 

Vor  Mattigkeit  muss  schnaufen, 
360       Weil  ich  von  meinem  Posten  her 

So  eilends  bin  gelaufen. 

Verweilet  nicht,  jetzt  ist  es  Zeit, 

Beruft  zusamm'   Soldaten, 

Versehet  Euch  mit  G'wehr  und  Leut, 
365        Der  Fang  wurd  uns  schon  g'rathen. 

Robam . 
Wo  hält  sich  denn  dein  Meister  auf, 
Ist  er  mit  Leut  versehen? 

Judas. 

Mit  seinen  Jüngern  ist  er  wohlauf, 
Es  kann  gar  leicht  geschehen : 
370       Wir  speisen  mit  ihm  das  Abendmahl, 
Es  hat  ihm  nichts  geträumet. 
Versammelt  eine  starke  Zahl ! 
Nur  hurtig,  nichts  versäumet. 

Kaiphas  zum  ersten   Thürhüter. 
Ihr  geht  gleich  hin  zu  meiner  Wacht 
375       Sagt,  ich  hab  es  geschaffen, 


284 

Dass  Alles  sich  sogleich  aufmacht 

Mit  Keulen,    Spiess  und  Waffen.     Erster  Portier  ab. 

Annas  zum  zweiten  Portier. 
Ingleichen  ohn  Verzug  hinlauft 
Zu  meinen  Offizieren, 
380       Dass  sie  sich  sammt  dem  Unterhauf 

Sogleich    ZUSamm'  rottieren.   Zweiter  Portier  geht  ab. 

Kaiphas. 

Das  Volk  der  ganzen  Stadt 
Soll  man  zum  G'wehr  aufbieten, 
Den  Aufruhr,  der  sich  eingewurzelt  hat, 
385       Mit  Ernst  zu  verhüten. 

Jtidas. 

Die  Fürsorg  ist  eine  gute  Sach, 
Das  Uebel  abzuwenden, 
Das  Elend  kommt  dann  hinten  nach 
Wenn  die  G'fahr  ist  bei  Händen. 

JMendax. 

390       Es  fordert  auf  die  grösste  Noth, 
Pilatum  zu  berichten, 
Dass  er  alsdann  eine  grosse  Rott 
Der  G'waffneten  soll  richten. 

Kaiphas. 

Sein  Hauptmann,  der  soll  commandir'n, 
395       Judas  wird  ihn  schon  weidlich  führen. 

Judas. 

Mein  Treu  will  ich  gewiss  nicht  spar'n, 

Ihr  sollt  mich  wahrlich  preisen. 

Doch  muss  man  etwas  noch  verharr'n, 

Er  könnt  sich  uns  entreissen. 
400       Ich  aber  bitt,  mich  nicht  verlasst, 

Lasst  mir  nichts  Uebles  g'schehn. 

Wann  mich  vielleicht  ein  Jünger  fasst, 

Thut  mir  sogleich  beistehn. 

ich  hab's  zwar  schon  und  wohl  im  Kopf, 
405       Es  wird  mir  nicht  viel  gelten. 


285 

Ein  arger  Fuchs,  mein  rother  Kopf, 
Er  ist  kein  Narr  zu  schelten. 
Ihr  Herrn,  ich  gehe  jetzt  davon, 
Werd  bald  mich  wieder  melden, 
410       Sonst  möcht  der  Meister  noch  zu  Lohn 
Mich's  lassen  hart  entgelten. 

Falsut. 
Du  bist  doch  ein  rechtschaffner  Mann, 
Wirst  dein  Parola  halten. 

Fraudolo, 

Wohl  dem,  der's  recht  anschicken  kann, 
415       Wir  lassen  ihn  Alles  walten. 

Nabulo, 
Du  selbst  aufs  Best  dein'  Meister  kennst, 
Wie  sein'  Natur  beschaffen. 

Dolax. 

Wohin  du  deine  Augen  wendst, 
Dahin  woll'n  wir  auch  haschen. 

Judas. 
420       Vor  einer  Sach  mir  grauset  schier. 

Wann  er  sein'  Kunst  will  brauchen: 

Ihr  Herren,  Ihr  könnt  nichts  dafür, 

Mir  thut's  in  die  Nasen  rauchen: 

Vor  wenigen  Tagen  hat  er  noch 
425       Ein'  Todten  auferweckt. 

Kaiphas. 

Dies  haben  wir  erfahren  auch. 
Sind  wenig  drob  erschreckt. 

Dolax. 
Man  bind  ihm  geschwind  die  Hand  zusamm', 
Dass  er  nichts  kann  ergreifen. 

Fraudolo, 
430       Begierd  steht  schon  in  voller  Flamm, 
Wir  wollen  ihn  lehren  pfeifen. 


286 

Annas. 
Wohlan,  viel  Glück  zu  deinem  Werk! 
Du  hast  es  wohl  von  Nöthen : 
Gott  gieb  dazu  dir  Glück  und  Stärk, 
435        Wann  du  zu  ihm  wirst  treten. 

Nabulo. 

Und  wann  du  dieses  recht  verricht'st, 
Einen  Lohn  wir  dir  noch  geben. 

Mendax. 
Schau,  Judas,  wie  du  dich  verpflicht'st. 
Du  musst  dich  hinbegeben. 

yudas. 
440       Weil  ich  Courage  im  Beutel  hab, 

Will  ich  mich  tapfer  stellen ; 

Wenn  ich  mein'  Mund  mit  Weine  lab, 

Thut's  Herz  vor  Freuden  schwellen. 

Wann  nur  das  Volk  bald  kam  herbei, 
445        Ich  kann  nicht  mehr  lang  warten, 

Mein  Meister  ist  mir  g'wiss  und  frei 

Am  Oelberg  in  dem  Garten. 

Robatn. 
Wann  er  in  unsern  Händen  ist. 
Wird  er  nichts  können  machen. 

Falstit. 
450       Habt  doch  nicht  Sorg  auf  Zauberlist, 

Es  sind  nur  Fabelsachen.    Der  Miitdvorhang  fällt. 

I  2.   Auftritt. 

yudas,  yudcnJiaiiptniann,   erster  und  zivciicr  Thitrhütcr,  z'vci 
Rittmeister  und  die  Judenrotte. 

Erster   Thürhüter. 
Allons,  Ihr  Herrn,  richtet  Euch  zu  Pferd, 
Mit  Ketten,  Strick  und  Stangen : 
Des  Kaiphas  Rath  hat  P^uch  begehrt, 
455       Den  Hexenmann  zu  fangen. 


287 


Des  ludas  Kuss  soll  sein  das  Loos, 
Seht,  welchen  er  wird  küssen ! 
Ach,  mein'  Begierd  zur  Räch  ist  gross, 
Seid  eifrig  und  beflissen. 

Hauptmaiin. 
460       Pilatus  sich  dem  hohen  Rath 

Empfehlen  höflich  lasset. 

Die  Trupp,  die  man  begehret  hat. 

Euch  hier  zu  Diensten  lasset. 

Doch  geht  Ihr  nun  zu  Pferd  geschwind, 
465       Thut  Euch  hernach  rechts  schwenken : 

Verriebt'   das  Amt,  die  Pflicht  beginnt, 

Man  wird  es  Euch  gedenken. 

yudenrotte. 
Ein  rechtes  Zeichen  gieb  uns  behend, 
Dass  er  von  uns  gleich  wird  erkennt. 

yudas. 
470       Ein  Kuss  am  Mund  soll  sein  das  Loos, 

Drauf  geht  nur  fein  und  tapfer  los.     Alk  ab. 

13.  Auftritt. 

Christus  mit  seinen  Jimgern. 
Christus. 
Ihr  liebsten  Jünger  allgesammt, 
Die  Zeit  thut  sich  annahen : 
Ihr  wisst,  die  Zeit  der  Ostern  kommt, 

475       Lasst  uns  zur  Herberg  gehen, 

Um  zu  geniessen  das  Osterlamm 
Nach  altem  Brauch  mitsammen, 
Damit  die  Schrift  erfüllt  wird  dann : 
Seht,  dass  wir  bald  hinkommen. 

480       Du,  Petrus,  und  Johannes  dann, 
Geht  vorhin  in  die  Stadt, 
Bereitet  dort  das  Osterlamm, 
Sorgt,  dass  man  Wasser  hat. 

Christus  mit  den  Jüngern  ab. 


288 

14-  Auftritt. 

Petrus,  Johannes  und  der  Hausvater. 
Petrus. 
Weisst  du  was,  mein  liebster  Freund? 
485       Es  will  bei  dir  einkehren 

Der  Herr  mit  seinen  Jüngern  heunt, 
Das  Osterlamm  zu  ehren. 
Ich  glaub,  du  wirst  es  abschlagen  nicht, 
Was  wir  von  dir  begehren. 

Hausvater. 
490       Gross'  Freud  hab  ich  ob  dem  Bericht, 

Dass  er  mich  so  will  ehren : 

All's  stehet  ihm  zu  Dienstespflicht, 

AU's  will  ich  ihm  gewähren : 

Was  nur  vermag  mein  ganzes  Haus, 
495        Soll  ihm  zu  Diensten  sein, 

Weil  er  bei  mir  gewählet  aus, 

Die  schlechte  Einkehr  mein. 

So  kommt  mit  mir,  vielleicht  ist  er 

Schon  bei  mir  in  dem  Saal, 
500       Damit  er  nicht  lang  warten  darf 

Auf  seiner  Jünger  Zahl. 

Gehen  ab.     Der  Mittelvorharig  wird  aufgezogen. 

15.  Auftritt. 

Christus  sitzt  mit  seinen  y imgern  bei  Tische,   dazu  kommt 
der  Hausvater  mit  Petrus  u?id  Johannes. 

Christus. 

So  seid  gegrüsst,  o  Freunde  fromm, 

Der  Segen  in  dein  Hause  komm, 

Mit  meinen  Jüngern  ich  verlang 

505       Zu  geniessen  hier  das  Osterlamm. 

Hausvater. 
Ich  grüss  dich,  liebster  Meister  mein. 
Dir  soll  all's  zu  Diensten  sein. 
Es  freuet  sich  dein  armer  Knecht, 
Weil  du  sein  Haus  nicht  hast  verschmächt. 


289 

Christus. 

510       Es  sei  gesegnet  diese  Speis, 

Die  wir  anjetzt  geniessen : 

Es  freuet  mich  auf  alle  Weis 

Mit  Euch  das  Lamm  zu  essen. 

T heilt  die  Speise  aus. 

Nun  höret,  liebste  Jünger  mein, 
515       Lasst  Euch  nur  nichts  betrüben, 

Ich  sag's  Euch  allen  insgemein   — 

Giebt  den  Kelch  dem  Petrus. 

Hinfür  werd  ich  nichts  mehr  geniessen. 

So  nehmet  hin,  theilt  unter  Euch 

Trinkt  alle  mit  einander: 
520       Der  Vater  in  dem  Himmelreich, 

Der  segne  Euch  besonder. 

Steht  auf  tind  sagt  zum  Hausvater: 

Liebster  Vater,  ich  dich  bitt. 

Du  wellst  mir  Wasser  bringen. 

Ein  Tuch,  du  wirst' s  abschlagen  nit, 
525       Mein'  Lieb  wirst  du  gewinnen. 

Der  Hausvater   bringt   ein    Wasserbecken    und  ein   Ttich, 
laelches    Christus     nmbindet ,    der    dann    bei    Judas    die 
Fusswaschung  beginnt. 

Judas. 

Meister,  du  bist  mein  Trost  im  Herzen, 

Ja  ganz  meine  Zufriedenheit, 

Ich  küsse  dich  von  ganzem  Herzen 

Und  liebe  dich  in  Ewigkeit : 
530       Judaea  sucht  dich  zwar  zu  tödten 

Und  zu  räumen  aus  dem  Land, 

Mit  meinem  Tod  will  ich  dich  retten 

Und  reissen  aus  des  Feindes  Hand. 

Ich  bin  dir  viel  und  höchst  verpflichtet, 
535        Und  grossen  Dank,  den  sag  ich  dir, 

Dass  du  dich  hast  hieher  gerichtet 

Und  kommen  bist  zuerst  zu  mir. 

Volksschauspiele.    II.  19 


290 


Petrus. 


Liebster  Meister  und  auch  Herr, 
Dies  soll  geschehen  nimmermehr. 


Christus. 

540       Soll  ich  nicht  waschen  die  Füsse  dein. 
So  sollst  du  nicht  mein  Jünger  sein. 

Petrus. 

O  Herr,  nicht  nur  die  Füss  allein, 

Wohl  auch  das  Haupt  und  die  Hände  mein. 

Johannes. 

O  grosser  Gott  am  Himmelsthron, 
545       Ich  liebe  dich  nur  stets  fortan. 

yacobus  major. 

Die  Gütigkeit  ich  nicht  begehr, 
O  Jesu  mein,  o  Gott  und  Herr! 

Philipp. 

Ich  bin  nicht  würdig,  o  mein  Herr, 
Dass  du  erzeugest  mir  die  Ehr. 

Andreas. 

550       Die  Demuth,  Herr,  kann  ich  nicht  fassen, 
Dass  du  mir  meine  Füss  thust  waschen. 

Thomas. 

Lass  ab,  o  grosser  Herr  und  Gott, 
Ich  bin  ja  nichts  als  Staub  und  Koth. 

Bartholomäus. 
Eh  du  dies  sollst  an  mir  vollziehen, 
555       Eh  lass  ich  mir  die  Haut  abziehen. 

yacobus  minor. 

Die  Demuth  hat  mich  so  erschreckt, 
Dass  du,  o  Herr,  dein'  Lieb  erweckt. 


291 


Simon. 


O  Freundlichkeit,  o  Herr  und  Gott, 
Was  bringst  du  mir  für  eine  Nothl 

Thadäus. 

560       Ich  kann  es  an  dir  nicht  gewähren, 
Dass  du  mich  also  solltest  ehren. 

Paulus. 

O  treuer  Gott,  o  Freundlichkeit! 
O  grosse  Lieb,  o  Süssigkeitl 

Chtishis. 

Wisset,  liebste  Jünger,  dann 
565       Die  Lieb  thut  mich  so  heissen, 

Das  Werk,  das  ich  Euch  jetzt  gethan. 

Erfreuet  mich  dermassen : 

Ihr  nennt  mich  Meister  und  auch  Herr 

Und  seid  auch  recht  daran, 
570       Und  dies  ich  auch  von  Euch  begehr, 

Thut  auch,  was  ich  gethan. 

Legt  das  Tuch  weg,  setzt  sich  zton   Tisch. 

Es  ist  vollbracht  der  Wille  dein, 

O  Vater  in  dem  Himmelreich : 

So  segne  auch  das  Brot  allein, 
575        Darum  ich  bitte  auch  zugleich. 

Theilt  das  Brot  den  y imgern. 

So  nehmet  nun  hin  das  Brot, 

Es  ist  fürwahr  mein  Leib  : 

Ich  gehe  hin  zum  Tod, 

Vorhanden  ist  die  Zeit.      Er  segnet  den  Kelch. 
580       Nun  trinket  aus  diesem  Kelch, 

Es  ist  fürwahr  mein  Blut, 

Dies  wird  vergossen  für  Viele 

Und  kommt  Euch  allen  zu  gut. 

Mein  Vater  will  es  so, 
585       Dass  Ihr  davon  geniesset, 

Vom  Opfer  des  neuen  Bundes, 

Das  alte  nur  vermisset. 

19* 


292 

Ich  sag  es  wahrlich  Euch, 
Einer  wird  mich  verrathen, 
590       Er  sitzet  unter  Euch, 

Ich  kenn  ihn  an  den  Thaten. 

Petrus. 

O  Meister,  sag  es  uns. 
Wer  dieses  Laster  führt. 

yudas  für  sich. 

Nun,   so  hat  er  es  gemerkt 
595       Und  mich  ganz  ausgespürt, 

Dass  man  auf  mich  gezielt: 

Jetzt  ist  mein'  Arbeit  hin ; 

Wie  wird  mein  Wunsch  erfüllt? 

Was  bleibt  mir  zum  Gewinn?  Laut. 

600       Doch  Meister,  wen  geht  dieses  an? 

Bin  ich  vielleicht  wohl  dieser  Mann? 

Christus. 

Seht,  wie  er  noch  fragen  kann ! 
O  Judas,  du  sprichst  recht  davon. 
Ich  weiss  ja  schon  um  dein'   Ang'stalt, 
605        Doch  was  du  thun  willst,  thue  bald! 

Judas  läuft  ab,    Christus  steht  auf. 

Ihr  wisset,  liebste  Jünger  mein, 
Dass  nun  die  Ostern  kommen  herein, 
Drum  soll  des  Menschen  Sohn  auf  Erden 
Dem  Tod  jetzt  übergeben  werden, 

610       Durch  Ruthen,  Geisseistreich  und  Dorn, 
Damit  das  Schaf  nicht  geh  verlor'n. 
Ich  hab's  schon  lang  Euch  offenbart, 
Was  sich  jetzt  zeigt  in  Gegenwart. 
Die  Freunde  schon  mit  Lüsten  sinnen, 

615        Um  mich  in  ihre  Gewalt  zu  g'winnen. 

Ich  werde  jetzt  zwar  von  Euch  scheiden, 
Doch  bis  an's  End  der  Welt  bei  Euch  bleib'n. 
Zuletzt  geb  ich  Euch  meinen  Segen, 
Er  bleib  bei  Euch  auf  allen  Wegen. 

620        Nun  lasst  mich  auf  den  Oelberg  gehen, 

Ich  kann  dem  Leiden  nicht  entgehen.    Alle  ab. 


293 

Z^weiter  Aufzug. 

I.  Auftritt. 

Oelberg.      Wald. 

Christus,    Petrus,  yohannes  u?id  Jacohus  viajor. 
Christus. 

Ihr  Jünger  und  Apostel  mein, 

Wir  gehn  oft  diese  Strassen: 

Es  wird  wohl  heut  das  letzt'mal  sein, 
625        Ihr  werdet  mich  verlassen  : 

Ihr  werdet  heut  aus  Furcht  diese  Nacht 

Von  mir  abflüchtig  werden. 

Was  geschrieben  steht,  dies  wohl  betracht't, 

Der  Hirt  wird  g' schlagen  werden, 
630       Wie  auch  die  Schäflein  all  zerstreut; 

Du  Petrus  wirst  mich  verlaugnen : 

Eh  dann  der  Hahn  dreimal  noch  schreit. 

Wirst  du  um  Flucht  umschauen. 

Petrus. 

O  Herr,  du  redest  Wunderding', 
635       Sollen  wir  flüchtig  gehen? 

Ich  hab  bei  mir  ein'  scharfe  Kling, 

Will  treulich  dir  beistehen. 

Ich  will  die  Feind',  so  stark  sie  sein. 

Noch  auseinander  treiben : 
640       Herr,  sei  verg'wisst,  was  bei  dir  ist, 

Der  dir  getreu  wird  bleiben. 

Christus. 
Ich  hab  es  dir  zuvor  schon  g'sagt, 
Eh  noch  der  Hahn  wird  krähen 
Zum  drittenmal  wird  sich  bei  dir 
645       Dein  G'müth  noch  ganz  umdrehen. 

Petrus. 
Meister,  du  sollst  es  von  mir  erfahren, 
Und  soll's  mein  Leben  kosten : 
Nein,  meine  Müh  werd  ich  nicht  sparen, 
Mein   Schwert  soll  nicht  verrosten. 


294 


Christus. 


650       Petrus,  Jakob  und  du,  Johann, 
Setzt  Euch  und  thut  da  warten, 
Ich  gehe  jetzt  den  Berg  hinan, 
Zu  beten  in  dem  Garten. 
Verharret  da  und  wacht  mit  mir, 

655       Damit  mich  nichts  mehr  störet; 

Habt  Acht,  wenn  sich  was  reget  hier, 
Sobald  Ihr  etwas  spüret. 
Nunmehr  die  Zeit  vorhanden  ist, 
Will  mich  zum  Schluss  des  Leben, 

660       Da  mir  der  Tod  lässt  keine  Frist, 
Am  Oelberg  hinbegeben. 

Gellt  auf  Jen  Oelberg,   kniet  nieder 
O  Vater,  ich  bitt  für  die  Sund, 
Lass  diese  mich  abbüssen, 
Darob  ich  zwar  ein  Graus  empfind, 

665        Der  Schweiss  fängt  an  zu  fliessen. 
Ihr  lieben  Jünger,  die  allhier 
Thut  fleissig  beten  und  wachen, 
Der  Feind  schon  klopfet  an  der  Thür,- 
Des  Menschen  Sohn  zu  schlachten. 

670       O  Gott,  wie  steht  das  Menscheng' schlecht 
Leider  auf  schwachen  Füssen : 
Ach,  dass  ich  es  erlösen  möcht. 
Mein  Blut  für  sie  vergiessen. 
Aber  die  Last  ist  viel  zu  schwer, 

675        Kann  sie  nicht  leicht  ertragen: 

Doch  Gott,  dein  Will  gescheh  an  mir, 
Ich  will  mich  nicht  entschlagen. 
Lass  meinen  Schweiss  nicht  sein  umsonst, 
Thu  dich  der  Welt  erbarmen: 

680       O  Vater,  gieb  mir  Gnad  und  Gunst, 
Will   dankbar  dich  umarmen. 
Reich  mir  ein'n  Trost,  o  Engel  werth. 
Den  Kelch  will  ich  austrinken, 
Thun  alles,  was  mein  Gott  begehrt, 

685       Vor  Schwachheit  muss  umsinken. 


295 
2.  Auftritt. 

Der  Engel  und  die  Vorigen. 
Engel  singt: 
Sieh,  o  Jesu,  deine  Plagen, 
Welche  du  zu  leiden  hast, 
Thu  hierinnen  nicht  verzagen 
Ob  der  Menschen  Sündenlast. 
690       Es  ist  schon  im  Himmel  b'schlossen 
Dein'  so  gross'  und  schwere  Pein  : 
Bis  nicht  hast  dein  Blut  vergossen, 
Nicht  die  Welt  erlöst  kann  sein.      Weicht  zurück. 

Christus  geht  zu  den  Jimgern, 

Simon  Peter,  schlafest  hier, 
695       Gedenk,  was  du  versprochen: 

Du  sagst,  du  wollest  beistehn  mir, 

Hast  schon  die  Treu  gebrochen. 

Du  sagst,  du  wollest  beistehn  mir. 

Und  kannst  ein'  Stund  nicht  beten: 
700       Wacht  auf  und  betet  doch  allhier, 

Denn  es  ist  gross  vonnöthen.      Geht  wieder  beten. 

O  Herr,  in  meiner  Angst  und  Pein 

Thu's  Todeskreuz  mir  zeigen. 

Dann  will  ich  nun,  weil's  doch  muss   sein, 
705       Mein  Haupt  zum  Tod  hinneigen. 

Doch,  Herr,  es  g'scheh  dein  Will  an  mir. 

Will  dir  nicht  widerstreben  : 

Bereit  bin  ich,  zu  folgen  dir. 

Dem  Tod  mich  hin  zu  geben. 

Engel  singt: 

710       Darum,  o  Jesu,  dich  ergebe 

Dem  Befehl  des  Vaters  dein, 

Dass  der  Mensch  hinfüro  lebe 

Und  erlöst  vom  Tod  soll  sein. 

Lass  nur  wollen  dein'  Begierde, 
715       Die  du  hast  für's  Menschen  Seel^ 

Trage  nur  jetzo  diese  Bürde, 

Und  das  Leiden  dir  erwähl.  Geht  ab. 


296 

Christus, 

Vater,  ich  bitt  zum  drittenmal, 

Lass  mich  nicht  gar  erkranken, 
720       Es  ist  schon  gar  zu  gross  die  Qual, 

Die  Sund  hat  mich  in  Schranken. 

O  Herr,  ich  sehe  schon  im  Geist 

Des  Feindes  Macht  ankommen: 

Bisher  hat  mich  der  Engel  g'speist, 
725       Jetzt  heisst  es  Urlaub  g'nomraen.  Geht  zu  den  Jünqem. 

Erwachet,   liebe  Jünger  mein, 

Die  Stund  ist  nun  vorhanden, 

Des  Menschen  Sohn,  jetzt  muss  es  sein, 

Kommt  in  des  Feindes  Banden. 

3.   Auftritt. 

yudas ,    Hauptmann ,    erster   und  zweiter  Thürhüter ,    zwei 
Rittmeister  sammt  der  'yude?irotte  und  die   Vorige?!. 

yudas. 

730       Bequeme  Zeit,  hier  ist  der  Ort, 

Wo  Ihr  mein'  Meister  fanget: 

Seid  nur  fein  still,  er  steht  schon  dort, 

Rieht'  Euch  mit  Strick  und  Stangen. 

Greift  eh  nicht  an,  bis  ich  das  Loos 
735       Euch  gieb :  den  ich  werd  küssen, 

Den  fangt,  den  ich  werd  haben  lieb : 

Seid  eifrig  und  beflissen. 

Ihr  seid  fein  g'schwind,  bind's  ihn  nur  flugs 

Mit  Ketten,  Strick  und  Banden, 
740       Ya  ist  ein  abgedrahter  Fuchs, 

Bekannt  in  allen  Landen. 

Hauptmann. 
Seid  keck  und  bleibt  stets  hinter  mir, 
Er  kann  uns  nicht  entrinnen, 
Seid  frischen  Muths,  geht  mit  Begier, 
745       Mein  Herz  vor  Lust  thut  brinnen. 

Christus, 

Ihr,   meine  Leut,  wen  sucht  Ihr  hier? 


297 

Alle. 
Jesum  von  N^-zareth. 

Christus. 
Ich   bin    es.  Sie  fallen  Glieder. 

Hauptmajin. 
Auf,  auf,  Ihr  Brüder  allgesammt, 
750       Er  hat  uns  g'schlag'n  mit  seiner  Hand. 

Christus. 
Sagt  ohne  Scheu,  wen  suchet  Ihr, 
Zu  nachts  daher  gegangen? 

Alle. 
Jesum  von  Nazareth, 
Den  wollen  wir  fangen. 

Christus. 
755       Ich  hab  es  Euch  zuvor  schon  g'sagt, 

Dass  ich  es  bin,  wornach  Ihr  fragt.     Sie  fallen  nieder. 

Hauptvian?i. 

Auf,  auf,  Ihr  Brüder,  nur  behend, 
Dass  uns  der  Zaubrer  nicht  entrennt. 

Christus. 
Hab's  zuvor  gesagt,  dass  ich  es  bin : 
760        Was  thut  Ihr  noch  lang  fragen? 

Ich  bin  es  ja,  nehmt  mich  nur  hin, 
Ich  gehe  ohne  Zagen. 

ytidas. 
Meister,  zu  dir  steht  all  mein  Begehr'n, 
Ich  grüsse  dich  als  meinen  Herrn.    Er  kUsst  ihn. 

Christus. 
765       Bist  wohl  von  Herzen  ein  guter  Freund, 
Untreue  wird  um  Rache  schreien. 

Hatiptmann. 
Hui,  drauf,  Ihr  Bursch  !    Strick  um  den  Hals, 
Thut  Hand  am  Rücken  binden : 
Legt  ihm  ein'  Ketten  an  den  Hals, 
770       Dass  er  nicht  kann  verschwinden. 


298 

Malchus. 
Die  Ketten  sind  für  solche  Leut, 
Dich  Zauberer  zu  fangen : 
Dich  wegzuführen  ist  hoch  Zeit  — 
Bist  uns  ins  Garn  gegangen. 

Erster  Jude. 
775       Wie  schmeckt  dir  das,  du  schlimmer  G'sell? 
Gebrauch  jetzt  auch  dein  Maul. 

Zweiter  Jude. 
Jetzt  bist  du  an  der  Zaubrer  Stell: 
Wie  stellst  du  dich  so  faul? 

Dritter  Jude. 
Du  bist  ein  lügenhafter  Mann, 
780       Ein  Zauberer  desgleichen. 

Vierter  Jtide, 
Rebell,  der  's  Volk  verführen  kann, 
Thut  ihn  mit  Ruthen  streichen. 

Petrus. 

Holla  1    Ich  kann  nicht  lang  zuschaun, 

Es  ist  nicht  zu  erdulden: 
785       Mit  meinem  Schwert  will  ich  drein  haun ! 

Wir  sein  da  ohn'  Verschulden. 

Packt  Euch  von  meinem  Meister  weg  ! 

Was  dürft  Ihr  uns  antasten? 

Hau  dir  ein  Stück  vom  Leibe  weg, 
790       Ihr  Buben  und  Phantasten! 

Haut  dem  Malchus  das  Ohr  ab. 

Malchus. 

Ach  weh,  mein  Ohr  ist  abgebaut, 

Das  Blut  fangt  an  zu  rinnen. 

Wart,  wart!    Der  Graubart  todt   mich  haut! 

Helft,  sonst  möcht  er  entrinnen. 

Christus. 

795        Peter,  ich  will,  steck  ein  dein  Schwert, 
Unschuld  sollst  du  nicht  rächen : 
Nicht  recht  ist,  dass  man  Räch  begehrt, 


299 

Des  Vaters  Will  muss  g'schehen. 
Meinst  Du,  mein  Vater  könnte  nicht 
800       Millionen  Engel  mir  schicken? 

Doch  wie  wird  dann  erfüllt  die  Schrift 
In  vorgesagten  Stücken? 

Hauptmann. 
Ei,  ei,  du  ganz  unschuldigs  Blut, 
Der  Lügenheit  Spectakel! 
805       Die  Falschheit  steckt  dir  unterm  Hut, 
Du  Laster  voller  Makel. 
Du  kommst  von  einem  g'ringen  G'schlecht  \ 
Wer  ist  dein  Vater  gewesen? 

Erster  Jude. 
Wohl  ein  nichtsnutzer  Zimmerknecht, 
810       Wie  man  die  Schrift  thut  lesen. 

Zweiter  Jude. 
Du  sollst  den  Spott  uns  nicht  anthun, 
Dass  du  auf  uns  sollst  hauen. 

Dritter  Jude. 
Schlagt  zu  auf  diesen  Hexenmann  I 
Lasst  uns  den  Schaden  schauen. 

Vierter  Jude. 

815       Du  mache  ihm  den  Schaden  gut, 
Thu  dich  nicht  lang   verweilen, 
Sonst  wir  begehren  Blut  für  Blut : 
Thu  ihm  das  Ohr  anheilen. 

Malchus. 
Geh  her,  du  schlechter,  dummer  Tropf, 
820       Du  kannst  gut  schwatz'n  und  gut  lügen: 
Heil  wiederum  mein  Ohr  zum  Kopf, 
Denn  hexen  kannst  zu  G'nügen. 

Christus. 
Es  g'schehe  dir,  wie  du  begehrst :  Heilt  ihm  das  Ohr  an. 
Dein  Ohr  ohn  Schmerz   soll  stehen  I 
825       Dadurch  der  Sohn  den  Vater  ehrt: 
Nun  ist  das  Werk  geschehen. 


300 

Erster  Jude, 
Seht,  jetzt  man  leicht  abnehmen  kann, 
Wie  er  das  Hexen  treibt. 

Zweiter  Jude, 
Schlag  zu  auf  diesen  Künstenmann, 
830       Damit  er  liegen  bleibt. 

Dritter  Jude. 
Du  bist  nicht  werth,  dass  du  hier  stehst, 
Du  falscher  Rebellirer. 

Vierter  yude. 
Nur  tretet  ihn,  die  Rippen  stösst, 
Er  ist  ein  Volksverführer.    Christus  fällt  nieder. 

Christus. 
835       Ihr  Juden,  ganz  stockblindes  G'schlecht, 

Was  Zorn  ist  Euch  ankommen  ? 

Mit  Stoss  und  Streich,  bedenkt  es  recht, 

Thut  meine  Lieb  belohnen. 

Aus  Lieb  ich  zu  Euch  kommen  bin, 
840       Als  Gott  für  Euch  Mensch  bin  worden : 

Ihr  schleppt  mich  auf  der  Erd  dahin, 

Ehrt  mich  mit  rauhen  Worten. 

Was  ich  für  Euch  aus  Lieb  gethan, 

O  thut  es  doch  erkennen, 
845        Ich  aber  trag  kein  Dank  davon, 

Thut  mich  nur  grob  verhöhnen  1 

Hauptmann. 
Hört,  wie  er  seine  Lieb  vorstreicht, 
Thut  sich  sehr  freundlich  zeigen, 
Er  macht's  ja  einem  Fuchsen  gleich 

850       Bei  einer  Hühnersteigen. 

Man  glaubt  nicht  deiner  Lügen  Wort, 
Womit  du  viel  verführet : 
Hui,  fort  mit  ihm  zur  Stadtespfort, 
Schlagt  zu  und  brav  zuschnüret. 

855        Man  stelle  ihn  vor  Annas'   Palast 
Und  trete  ihn   mit   b'üsscn  : 


30I 

Eh   lass  man  ihm  kein  Ruh,  ncich  Rast, 
Bis  er  genug  wird  büssen. 

Erster  Rittmeister. 

Halt  an,  Euch  in  die  Glieder  richt'tl 
860       Was  man  befiehlt,  pariret! 

G'wehr  hoch !  Thu  jeder  seine  Pflicht, 

Damit  Ihr  Euch  nicht  irret. 

Wenn  jemand  hier  will  dringen  durch, 

Schliesst  Euch,  lasst  Niemand  gehen, 
865       Und  wenn  sich  Jemand  widersetzt. 

So  bleibet  nur  fest  stehen ; 

So  lang  bis  ich  Euch  Ordre  gieb, 

Was  weiter  ist  zu  machen : 

Merkt  auf,  wenn  Euch  der  Dienst  ist  liebl 
870       Das  sind  nicht  ringe  Sachen. 

Zweiter  Rittmeister, 
Merkt  auf,  Ihr  beide  Flügel,  gleich. 
Wie  man  wird  commandiren : 
Die  Ordre  halt't  auf  einen  Streich, 
Und  so  müsst  Ihr  marschieren : 
875        Der  rechte  Flügel  geht  voran. 
Dann  kommt  der  Hexenmeister, 
Der  linke  Flügel  hintenan ; 
So  geht  der  Zug  nun  weiter.   Alle  mit  Christus  ab. 

4.  Auftritt. 

Gasse. 
Martha^  Magdalena,  die  zwei  Rittmeister. 
Magdalena. 
Ach,  wenn  ich  den  erwarten  kunnt, 
880       Den  mein'  Seel  thut  verlangen. 
Ich  wollte  küssen  seinen  Mund, 
Vom  Herzen  gern  umfangen. 
Ach,  jetzt  kommt  schon  die  Judenschar, 
Jesum  gebunden  führet, 
885       Sein  Leben  stehet  in  Gefahr, 
Nicht  so,  wie's  ihm  gebühret. 


302 

Martha. 
Ich  will  auch  gehen  ihm  entgegen: 
Ach,  dass  ich  ihm  könnt  Hilfe  pflegen! 

Erster  Rittfneister. 

Marsch,  marsch  1  Madame,  räumt  ab  den  Platz, 
890       Sollt  Euch  auf  d'  Seiten  machen, 

Es  ist  ang'stellt  eine  arge  Sach, 

Der  Zauberer  ist  gefangen. 

Man  wird  ihn  Annas  stellen  vor, 

Er  wartet  mit  Verlangen, 
895       Bis  man  ihn  her  zu  diesem  Thor 

Gebracht  mit  Spiess  und  Stangen. 

Er  wird  Euch  sein  sehr  wohl  bekannt, 

Heisst  Christus   mit   sein'  Namen, 

Insg'mein  der  Nazarener  g'nannt, 
900        Von  falschen  Königsstammen. 

Zweiter  Rittmeister. 
Ich  glaub,  dass  Ihr  ihn  gar  gut  kennt, 
Weil  Ihr  Euch  traurig  stellet, 
Ihr  seid  suspect,  ich  sag's  behend, 
Mit  ihm  stark  angesellet: 
905        So  Ihr  mit  ihm  seid  inficirt, 

Thut  von  dem  Platz  abweichen, 

Sonst  werdet  Ihr  verarrestirt, 

Man  haltet  Euch  desgleichen.  Alle  ab. 

5.   Auftritt. 

Maria,  darauf  der  PVächtcr. 
Maria  singt: 

Ach  weh,  o  Schmerz  und  Pein, 
910       Wer  giebt  mir  Trost  allein? 

Wo  soll  ich  fliehen  hin, 

Dass  ich  vergnüget  bin? 

O  Himmel,  helfe  mir, 

O  Erd,  ich  klag  es  dir : 
9 1 5        Sagt  mir,  wo  treft'  ich  an 

Mein'  Bräutigam  ? 


3^3 


Wächter  singt. 


Lost  auf,  Ihr  Kinder  Israel, 

Wie  geht  die  Uhr  heunt  gar  so  schnell  1 

Wie  geht  es  närrisch  in  der  Welt? 

920       Bald  wird  man  hoch,  bald  niederg'stellt, 
Man  sieht's  am  Nazarener. 
Vor  wenig  Tagen  ritt  er  ein, 
Heut  wirft  man  auf  ihn  Koth  und  Stein, 
Ich  rufe  als  Nachtwächter  ein: 

925         Hat  schon  Zwölfe  g'schlag'n.  Er  ersieht  A/ariam. 

Halt,  wer  da! 

Maria. 
Ihr  Wächter,  saget  mir, 
Der  Ihr  nun  stehet  hier, 
Ist  Euch  dann  vor  Gesicht 
930       Mein  Liebster  kommen  nicht? 
Er  ist  ganz  weiss  und  roth, 
Sein'  Lefze  wie  Granat, 
Und  Jesus  heisst  sein  Nam, 
Mein  Bräutigam. 

Wächter. 
935        Ach  weh,  o  zarte  Braut! 

Wie   habt  Ihr  Euch  getraut, 

Dass  Ihr  so  ohne  Graus 

Lauft  alle  Gassen  aus 

Bei  eitler  finstrer  Nacht: 
940       Wo  habt  Ihr  hingedacht? 

Fürcht't  Ihr  kein  Angst  noch  Leid 

Bei  finstrer  Zeit? 

Maria. 
Ach  nein,   o  Wächter  mein, 
Mein  Herz  ist  voller  Pein : 
945        Vielleicht  wisst  Ihr  dann  wohl, 
Wo  ich  hingehen  soll, 
Dass  ich  den  Liebsten  find? 
Mein  Herz  von  Liebe  brinnt. 


304 

O  Jesu,  tröste  mich, 
950       Wo  find  ich  dich? 

Wächter. 
Lasst  nach,  geUebte  Braut, 
Ruft  nicht  so  überlaut: 
Wer  weiss,  ob  ich  Euch  nicht 
Kann  geben  ein'  Bericht: 
955       Man  hat  heut  diese  Nacht 
Ein  G'fangnen  hergebracht, 
Gestossen  hin  und  her, 
Geschlagen  noch  viel  mehr: 
Ich  hört  ihn  nennen  stets 
960       Jesus  von  Nazareth. 
Er  war  zu  sehen  an 
So  ein  liebreicher  Mann, 
Voll  Speichel  hin  und  her. 
Geschwollen  noch  viel  mehr; 
965        Sein  Haar  und  Bart  so  gut 
War  voller  Blut. 

Maria, 
Ach  weh,  o  Wächter  mein, 
Dies  wird  mein  Jesu  sein. 
O  schönstes  Angesicht, 
970       O  süsses  Himmelslicht! 
Wer  greift  dich  also  an? 
Du  hast  nichts  Leids  gethan ! 
O  weh,  ich  sterbe  heut 
Vor  lauter  Leid.  — 

Wächter . 
975       Macht  Euch  hinweg,  o  zarte  Frau, 

Thut  folgen  meinen  Worten, 

Denn  ich  der  Wuth  des  Volks  nicht  trau. 

Es  raset  aller  Orten. 

Und  wenn  man  Euch  hier  finden  soll, 
980       Wer  weiss,  was  Euch  geschähe? 

Das  Volk  ist  wahrlich  rasend  toll, 

Gut  ist's,  dass  man  weggehe.     Erführt  sie  ab. 


305 


6.  Auftritt. 

Saal, 
yudas  und  Annas. 
Judas. 
Hochvvürdig  gnädiger  Herr, 
Ihr  wollet  mir  vergeben, 
985        Dass  ich  so  lauf  daher, 
Ich  denk  Ehr  einzulegen : 
Kürzlich  hab  ich  den  Fang 
Mit  b'sonderm  Glück  vollzogen, 
Mein  Meister  ist  uns  schon 
990       Glücklich  ins  Garn  geflogen. 

Annas. 

Wer  glorreich  prangen  will 
Mit  Palm'  und  Siegeszeichen, 
Der  muss  nie  stehen  still. 
Sich  unverzagt  erzeigen. 
995       So  ist  dein  Arbeit  dir 

Wohl  nach  dem  Wunsch  gelungen: 

Vivat,  wie  wohl  ist  mir. 

Wir  sind  nun  durchgedrungen! 

7.  Auftritt. 

Zweiter  Thürhüter,  die   Vorigen. 
Zweiter   Thürhüter. 
Annas,  hochwürdiger  Herr, 

1000     Das  Volk  will  da  mit  Haufen 
Eindringen  in  Palast, 
Schockweis  zusammenlaufen. 
Man   bringt  jetzt  wohl  verwahrt 
Den  Zaubrer  ohne  Gleichen 

1005     Mit  Strick  gebunden  hart, 

Dass  er  nicht  kann  entweichen. 

Annas. 
Man  lasse  sie  zu  mir, 
Ohn  weiters  Zeitverlieren, 

Volksschauspiele.     IL  20 


3o6 

Ich  will  anhören  hier 
I  o  I  o     Was  sie  mir  offeriren .  Thürhütcr  geht  ab, 

zu  Jtidas  Und  du   durch  deine  Treu 
Die  ganze  Welt  beglückest, 
Weil  du  uns  den  Rebell 
In  unsre  G'walt  herschickest. 

ytidas. 
10 15     Ich  will  salviren  mich, 

Dann  wieder  bald  anmelden, 
Sonst  könnt  sein  Anhang  mich 
Es  lassen  hart  entgelten. 

Annas. 
Wir  sind  dir  obligirt, 
1020     Man  wird  dich  nicht  vergessen. 
Dich  lohnen,  wie's  gebührt: 
Verbirg  dich  unterdessen.  Beide  ab. 

8.  Auftritt. 

Annas^  Hauptmann^  erster  und  zweiter  Thiirhiiter]  zxvei 
Rittftieister.    Malchus,  Juden  mit  Christus, 

Hauptmann. 

Dass  wir  bei  eitler  Nacht 

Euch  noch  incommodiren,  * 

1025     Ist  Ursach  dieser  Mann, 

Den  wir  zu  Euch  herführen, 

Jesum  von  Nazareth : 

Den  haben  wir  bei  Händen, 

Der  hier  gefesselt  steht 
1030     Sehr  fest  mit  Strick  und  Banden. 

Annas. 
Ihr  habt  sehr  gut  gedacht 
Den  Zug  gleich  zu  beginnen, 
Halt't  ihn  nur  gut  verwacht, 
Dass  er  nicht  kann  entrinnen. 
1035     ^^^st  du's,  der  ohne  Schuld, 
Sich  weiss  zu  defentiren? 


307 


So  sprich,  man  giebt  dir  Schuld, 

Du   willst  das  Volk  verführen. 

So  ein'  Vermessenheit 
1040     Der  Himmel  selbst  muss  strafen, 

Und  denk  ich,  die  G'rechtigkeit 

Wird  g'wiss  auch  hier  nicht  schlafen. 

Sag  an,  wer  hat  dir  denn 

Das  Lehram.t  übergeben, 
1045     Dass  du  dich  öffentlich 

Als  Lehrer  thust  erheben 

Und  lehren  ohne  Scheu 

Wohl  auch  sogar  im  Tempel, 

Mit  Worten  vielerlei 
1050     Der  Lügen  und  Exempel? 

Durch  dieses  hast  dir  selbst 

Den  Weg  zum  Tod  gebahnt  1 

So  eine  Frechheit  wird 

Mit  Todesstraf  belohnt. 
1055     Du  hast  dir  durch  die  Sund 

Ja  selbst  die  Straf  geboren: 

Nun  gehet  dein  Credit 

Bei  allem  Volk  verloren. 

Christus. 

Dass  in  der  Synagog 
1060     Ich  öffentlich  gelehret 

Und  nur  durch  Gottes  Wort 

Gar  vieles  Volk  bekehret, 

Bekenn  ich  ungescheut. 

Was  darfst  du  mich  noch   fragen? 
1065     Frag  alle,  die  da  sein, 

Sie  werden  dir  es  sagen : 

Was  ich  gelehret  hab, 

Sind  Wort'  vom  ewigen  Leben, 

Die  mir  mein  Vater  noch 
1070     In  seinem  Schoss  gegeben. 

Makhus. 
Hört  noch  von  einer  Sach, 
Womit  er  sich  thut  prahlen, 

20  ■ 


3o8 

Dass  er  den  Tempel  wollt 

Nach  seinem  Wohlgefallen 
1075     Sogleich  bis  an  den  Grund 

Ohn'  b'sonderem  Befleissen, 

Als  ob  er  gar  nicht  stund, 

Mit  seiner  Kraft  abreissen 

Und  diesen  wiederum 
1080     In  Frist  von  dreien  Tagen 

Aufbauen,  wie  er  stund  I 

Ich  dreh   dir  um  den  Kragen. 

Giebt  ihm  einen  Backenstreich. 

Christus, 
Hab  ich  unrecht  meiner  That, 
Verzeih  es  mir  an  dieser  Statt, 
1085     Thu  ich  aber  nichts  Unrechtes  sagen, 
Warum  thust  du  mich  also  schlagen? 

Erster  Jude. 

Weil  du  deine  Hexerei 
Kannst  öffentlich  verkünden, 
Drum  thust  du  mit  Unwahrheit 
1090     Das  Volk  leicht  überwinden. 
Pfui,  schäme  dich,  dass  du 
Dich  so  sehr  hoch  thust  prahlen: 
Ich  will  dir  auch  zur  Ehr 
Eins  pfeifen  zu  Gefallen.  Er  pfeift. 

Annas. 

1095     Du  Niederträchtiger, 

Sag  an,  wo  ist  dein  Reich? 
Du  siehst  auf  keine  Weis 
Dem  Judenkönig  gleich. 

Alle  Juden. 
Durch  Zauberei  kann  er 
II 00     Niemals  kein'  Krön  erwerben. 
Ein  Zauberer  soll  nur 
Durch  unsre  Hände  sterben. 


309 

Hauptmann. 
Du,  König,  lernen  musst 
Uns  unterthänig  sein, 
1105     Drum  sparet  nur  an  ihm 
Kein'  Marter  oder  Pein. 

Annas. 
Drum,  Ihr  Soldaten  treu, 
Führt  ihn  nur  wohlbedacht 
Gleich  zu  dem  Kaiphas  frei, 
II 10     Stellt  ihm  auch  starke  Wacht. 

Zweiter  Rittmeister. 
Nur  marsch,  schwenkt  Euch  voran ! 
Wohl  zu  Kaiphas  Palast 
Führt  diesen  Hexenmann, 
Alldort  dann  Posto  fasst.  Alk  ab. 

9.  Auftritt. 

Zimmer, 
Maria,  Martha^  Magdalena,  dazu  kommt  Johannes. 
Maria. 

II 15     Ach,  liebste  Martha  und  Magdalen', 

Wie  wird's  doch  meinem  Sohne  geh'n? 
Ich  kann  kein'  Ruh  geniessen, 
Ich  Mutter  muss  es  wissen. 

Alartha. 

Bekümmere  dich  doch  nicht  so  viel, 
II 20     Es  ist  des  Höchsten  Willen: 
Empfehle  dich  in  seinen  Will' 
Er  wird  dein  Leiden  stillen.         Es  rvird  geklopft. 

Magdale?ia . 
Wer  pocht  doch  so  stark  an  der  Thür? 
Will  sehen,  wer  ist  draussen : 
II 25     Ist  g'wiss  ein  Jünger  Christi  hier; 
Mich  fangt  es  an  zu  grausen. 

Macht  auf,  Johannes  koinmt. 


3IO 

yohannes. 
Guten  Abend  von  Gott,  Ihr  Frauen  fein, 
Ich  dacht,  ich  würd  Euch  finden. 

Maria. 

Bekenn  die  Wahrheit  doch  nur  rein, 
II 30     Die  Augen  nichts  Gut's  ankünden. 

Ach,  Johann,  mit  welchen  Schmerzen 
Wart  ich  deiner  Gegenwart; 
Sag  es  diesem  armen  Herzen, 
Geht  es  meinem  Sohne  hart? 

Johannes. 

1135     Ach,  Maria,  ich  muss  gestehn, 

Es  thut  sehr  schlecht  mit  ihm  hergehn, 
Denn  Judas  hat  ihn  verrathen, 
Er  ist  in  der  Juden  Gewalt  gerathen, 
Wird  hart  gebunden  und  tribulirt, 

II 40     Zum  hohen  Priester  hingeführt: 
Pilato  wird  er  übergeben, 
Der  ihm  nehmen  soll  das  Leben. 

Maria. 
Ach  weh,  du  scharfes  Herzensschwert, 
Bis  zu  dem  Tod  hast  mich  versehrt! 
1145      Ach,  Kind,  ach,  Sohn,  ach,  meine  Freud! 
O,  Juda,  welch  Undankbarkeit! 
Ach,  helfet  mir  in  Ohnmacht  hier,  — 
Das  Schwert  hat  durchgedrungen. 

Fällt  in  Ohnmacht. 

Martha. 
Ich  bitt,  Maria,  sei  getrost, 
1150     Die  Weisheit  Gottes  ist  so  fest. 

Sie  helfen  der  Maria. 

Magdalena. 
Verschone  doch  die  G'sundheit  dein, 
Sei  doch  getrost  und  nicht  so  wein'. 

Maria. 
Weil  doch  mein  Kind  soll  sterben, 
Der  Seel  das  Leben  zu  erwerben, 


311 

II55     So  ist  der  Lieb  kein  Weg  zu  streng, 

Drum  lasset  uns  der  Stadt  zugehn.         Alle  ab, 

lO.  Auftritt. 

Saal. 
Kaiphas  und  die  Pharisäer  sitzen  itn  Rath,  es  kotnmen :  der 
zweite  Thürhüter ^  hernach  der  Judenhaupttnann  und  dann 
Christus  und  die  Juden . 

Zweiter  Thürhüter  konwit  heraus. 
Hochwürdiger  und  gnädiger  Herr, 
Der  Hauptmann  ist  zu  Händen, 
Er  bringt  den  Volks  Verführer  her, 
II 60     Geschlagen  in  Ketten  und  Banden, 
Begehrt  Licenz,  dass  er  ihn  auch 
Gleich  könnte  übergeben. 
Damit  Ihr  ihm  auch  alsogleich 
Vorstellt  sein  böses  Leben. 

Kaiphas. 
II 65     Herein,  Herr  Kapitän  I  Der  Hauptmann  tritt  auf. 
Wo  ist  der  Volksverführer? 

Hauptmann. 

Gleich  draussen  in  dem  Hof, 
Ich  bring  den  Rebellirer. 

Kaiphas. 
Man  bring  ihn  geschlossen  her, 
II 70     Verwacht  mit  Spiess  und  Stricken: 
Die  Gall  in  mir  bewegt  sich  sehr. 
Wenn  ich  ihn  werd  erblicken. 

Hauptmann  mit  Christus  und  den  Juden, 

Hauptmann. 

Hier  ist  nun  der  Prophet 
Nach  Euerem  Verlangen : 
1175     Hier  mache  Reverenz, 

Die  Priester  zu  empfangen. 
Sie  haben  Macht  und  G'walt, 
Dich  nach  Verdienst  zu  strafen. 


312 

Sie  können  nun  auch  bald 
1180     Mic  dir  befehlen  und  schaffen. 

Kaiphas. 

Bist  du  der  Wundersmann? 
Komm  her,  lass  dich  beschauen 
Was  unterstehst  dich  dann, 
So  viel  auf  dich  zu  bauen? 

1185     Verfluchter  Landrebell, 

Zerstörer  unsres  G'schlechts, 
Komm,  defendire  dich, 
Dein'  Unschuld  uns  vorstell, 
Willst  du  dem  G' rieht  entgehn. 

1190     Musst  Sund  und  Laster  hassen  1 
Wenn  du  so  künstlich  bist, 
Warum  bist  so  verlassen? 
Aus  deinem  Hexenwerk 
Bist  uns  ins  Garn  geflogen, 

II 95     Gott  hat  schon  über  dich 
Die  Strafhand  aufgezogen. 
Wie,  willst  du  reden  nicht? 
Will  es  dir  nun  beweisen, 
Was  dein  Verbrechen  istl 

1200     Schlagt  ihn  in  scharfe  Eisen, 
Ihr  Mendax  und  Falsut, 
Wahrheit  thut  ihm   entdecken. 
Was  Laster  er  verübt: 
Erzählt  es  ihm  mit  Schrecken  1 

Mendax. 

1205     Erlaubet  es  mir  nur. 

Zu  reden  ohn'  Beschwerden, 
Das,  was  ich  sprich,  ist  wahr. 
So  wahr  ich  leb  auf  Erden : 
Er  muss  gestehen  mir 

12 IG     Dass  er  oftmal  thut  sprechen, 
Dass  man  dem  Kaiser  soll 
Von  seinem  Zins  abbrechen. 


3^3 


Falsuto. 
Es  ist  die  Wahrheit  selbst, 
Was  Mendax  that  vorbringen, 

12 15     Und  sollte  jetzt  mein  Herz 

Des  Henkers  Schwert  durchdringen, 
Ich  kann  es  leugnen  nicht, 
Hab's  selbst  von  ihm  gehört, 
Dass  er  das  ganze  Volk 

12 20  Mit  Lügen  hat  bethört: 
Und  dieses  ist  so  wahr, 
Als  ich  Falsut  mich   nenne. 

Kaiphas. 

Aus  Euren  Worten  ich 

Der  Wahrheit  Zeugniss  kenne. 
1225      So  sag  uns,  tolles  Ding, 

Willst  du  antworten  nicht? 

Die  Sach  ist  nicht  gering, 

Bekenne  vor  Gericht. 

Behaupten  kannst  dein  Recht, 
1230     Wenn  du  was  weisst  zu  sagen: 

Mit  dir  steht's  sonsten  schlecht. 

Lass  mich  nicht  lang  mehr  fragen : 

Nun  ich  beschwöre  dich 

Bei  dem  lebendigen  Gott, 
1235     Ob  du  sein  Sohn  wohl  bist! 

Christus. 
Es  wäre  gar  nicht  noth, 
Dass  du  mich  sq  beschwörest. 
Ich  sag  es,  dass  ich's  bin  1 
Merk  wohl,  was  du  nun  hörest. 

1240     Von  nun  an  wird's  geschehn, 
Dass  Ihr  des  Menschen  Sohn 
Werd't  herrlich  sitzen  sehn 
An  seines  Vaters  Thron, 
Und  voller  Majestät 

1245     Wird  er  auf  Wolken  schweben 
Mit  aller  Gravität, 
Und  richten  über's  Leben. 


314 

Kaiphas. 

Nun  hat  er  öffentlich 
Gelästert  unsern  Gott, 

1250     Diess  hat  er  ja  gethan 

Uns  bloss  zu  einem  Spott. 
Wir  haben  kein'   Beweis 
Kein  Zeugniss  mehr  vonnöthen, 
Ein  jeder  kann  von  Euch 

1255     Ja  seine  Wort  bestatten. 

Sagt  nun,  was  Euch  gedünkt, 
Was  dieser  hat  verdient, 
Der  da  den  Wahrheitsgrund 
Mit  Lügen  hat  verblümt 

1260     Und  also  lästern  thut 

Den  Himmel  und  auch  Gott? 
Er  hat  sich  schuldig  g'macht 
Zu  leiden  auch  den  Tod. 

Hauptmann. 

Ein  Zauberer  niemals 
T265     Kann  Lebenshuld  erwerben, 
Als  Zauberer  muss  er 
Wohl  auch  des  Todes  sterben. 
Führt  ihn  Pilato  zu, 
Dass  er  ihn  übernehme 
1270     Und  durch  sein'  grosse  G'walt 
Den  Mann  zum  Tod  bequeme. 

Mendax, 

Er  über  ihn  urtheilen  soll 
Nach  unserm  Gewohnheitslauf, 
Sonst  er  parteiisch  wohl 
1275     Kann  genommen  werden  auf. 

Falsiito. 

Pilatus  sehe  zu, 

Was  er  thu  in  den  Sachen : 

Den  ungerechten  Mann 

Kann  er  gerecht  nicht  machen. 


315 


Kaiphas, 
1280     Ihr,  Hauptmann,  geht  voran, 

Pilato  thut  andeuten. 

Die  ganze  Priesterschaft 

Sogleich  zu  ihm  wird  schreiten, 

Um  ihm  zu  warten  auf, 
1285     Was  Wichtiges  zu  sprechen. 

Hauptmann^ 

Es  soll  geschehen  auch 
Ohn'  einiges  Gebrechen. 

Geht  mit  Christo  und  de?i  Juden  ah. 

II.  Auftritt. 

Vorhof. 
Petrus,  dazu  kommt  die  Magd. 
Petrtis. 
Ach  Gott,  wie  schwer  ist  mein  Gemüth ! 
Vor  Angst  fast  erstarret  mein  Geblüt, 
1290     Dass  man  gefangen  den  Meister  mein: 
O,  könnt  ich  sein  Erlöser  sein  I 
Doch  fürchte  ich  der  Juden  G'walt, 
Dass  sie  mich  fangen  alsobald : 
Ich  will  indess  in  Vorhof  gehen, 
1295     Den  Ausgang  dieser  Sach  zu  sehen. 

Magd. 
Sehr  furchtsam  trittest  du  herein, 
Ein  Jünger  Christi  wirst  du  sein : 
So  du  es  bist,  folg  treu  mein'  Rath 
Und  packe  dich  von  dieser  Statt, 
1300     Eh  du  gefangen  wirst  mit  ihm. 

Petrus. 
O  Weib,  fürwahr  ich  ihn  nicht  kenn. 
Ich  weiss  auch  nicht,  wen  du  thust  nenn' : 
Wir  sind  zwar  wohl  aus  einem  Land, 
Doch  ist  sein  Nam  mir  unbekannt. 

Der  Hahn  kräht. 


3i6 

Magd. 
1305     Ich  will's  zwar  glauben  dir, 

Doch  halt  ich  dich  dafür.  Beide  ab. 

12.  Auftritt. 

Gasse. 

Die  ganze  Priesterschaft,  der  Hauptmann,  die  ziuei  Ritt- 
vteister  Jind  die  Judenrotte  ziehen  mit  Christus  durch  den 
Vorhof. 

Hauptmann. 

Nun  fort  mit  dirl    Aus  ist  die  Zeit, 
Zum  Sterben  mache  dich  bereit ! 
Jetzt  musst  du  zu  Pilato  gehn 
13 10     Und  vor  Gerichte  bei  ihm  stehn, 

Wie's  einem  Zaubrer  thut  gebühren, 

Und  dein  Urtheil  selbst  anhören.  Alle  ab. 

13.  Auftritt. 

Saal. 

Pilatus  sitzet,  es  kom^nt  die  ganze  Priesterschaft,  der  Haupt- 
mann, die  zwei  Rittmeister  und  die  Judenrotte  mit  Christus. 

Annas. 

Edler  und  mächtiger  Landpfleger, 

Des  grossen  Kaisers  Gewaltsträger ! 
13 15     Es  ist  gefallen  in  unsere  Hand 

Jesus,  von  Nazareth  genennt, 

Vom  gemeinen  Pöbel  Christus  genannt. 

Und  in  Juda  wohlbekannt. 

13iesen  können  wir  nicht  dulden, 
1320     Weil  er  thut  den  Tod  verschulden: 

Wir  ihn  geben  in  deine  Gewalt, 

Lass  ihn  richten  alsobald, 

J  )amit  dieser  Bösewicht 

Uns  nicht  ferner  Noth  zuricht. 

Pilatus. 
1335     Was  bringt  Ihr  für  Klagen  bei, 
Welclier  'J'hat  er  schuldig  sei? 


317 


Annas. 


\ 


Hätt  dieser  Mann  kein  Uebel  g'stift, 
Hätt  man  ihn  dir  fürg'stellet  nicht. 

Pilatus. 

So  könnt  Ihr  ihn  auch  nehmen  hin 
1330     Und  richten  nur  nach  Euerm  Sinn. 

Kaiphas. 

Es  ziemt  sich  uns  Niemand  zu  tödten, 
Da  wir  die  Ostern  wollen  antreten  1 
Er  hat  so  oft  Gott  gelästert  schwer, 
Das  Gesetz  verschmäht  mit  seiner  Lehr, 
1335     An  jedem  Ort  das  Volk  verführt: 

Dies  zu  erdulden  uns  nicht  gebührt. 

Robam. 

Er  verbot,  dem  Kaiser  Zins  zu  geben, 
Und  lehrt  das  Volk  ungehorsam  leben. 

Falsuto. 
Er  hat  sich  gar  zum  König  g'macht, 
1340     Dem  Kaiser  ja  zur  grössten  Schmach. 

Pilatus, 
Sprichst  du  denn  nichts  zu  diesen  Klagen? 
Bist  du  ein  König,  wie  sie  sagen? 

Christus, 
Hast  du  es  von  dir  selbst  erkannt, 
Oder  haben' s  andere  dir  genannt? 
1345     Sie  haben  es  gethan  aus  Neid 

Und  nicht  aus  Lieb  zur  Gerechtigkeit. 

Pilatus, 

Bin  ich  denn  wohl  ein  Jud, 
Wenn  ich  dich  so  thu  fragen? 
Die  hohen  Priester  selbst, 
1350     Dies  wissen  dir  zu  sagen. 
Darum  du  stehst  vor  mir. 
Weil  sie  die  Klage  stellen. 


3i8 

Christus. 
Mein  Reich  ist  nicht  von  hier, 
Ist  nicht  von  dieser  Welt. 

Pilatus. 
1355     Du  bist  ja  wohl  doch  nicht 
Ein  König  auserwählt? 

Christus. 
Du  sprichst  die  Wahrheit  g'wiss ! 
Denn  so  ist  es  bestellt, 
Dass  ich  auf  Erden  lebe, 
1360     Damit  ich  immerdar 

Der  Wahrheit  Zeugniss  gebe 
Und  lehre,  wie  man  Gott 
Soll  dienen  und  auch  halten 
Nur  immer  sein  Gebot: 
1365     Und  dieses  dergestalten, 

Damit  der  Mensch  verdiene 
Dadurch  das  Himmelreich ; 
Darum  ich  auch  mich  nenne 
Wohl  einem  König  gleich. 

Pilattis. 

1370     Ich  finde  keine  Schuld, 

Dass  Christus  solle  sterben. 

Alle  Juden. 
Du  giebst  ihm  deine  Huld, 
Das  wird  dir  Hass  erwerben : 
Der  Laster  er  sehr  viel 
i^7c:     Täglich  begangen  hat: 

Zum  Aufruhr  er  das  Volk 

Im  Land  verführet  hat, 

In  Gahläa  so,  wie  auch  im  Judcnland. 

Pilatus. 
Weil  er  nun  ist  aus  Galilä, 
1380     Ich  mit  ihm  zu  Gericht  nicht  steh. 
Führt  ihn   nur  zu  Herodes  bald, 
Weil  er  dort  führet  die  Gewalt. 


319 

Hauptmann 
Komm  mit  uns  zu  Herodes  bald 
Und  zeig  ihm  deine  seltne  G'stalt, 
1385     Er  wird  dich  g'wiss  respectiren, 

Weil  du  kannst  das  Volk  verführen.    Alk  ab. 
Der  Mittelvorhang  schliesst  sich,  indessen  richten  sich  die 
jfuden  hinter  demselben  mit  dem  Feuer. 

14.  Auftritt. 

Vorhof. 

Die   Magd  vor   dem  Mittelvorhang.     Die   vier  Juden    und 
Petrus  beim  Feuer. 

Magd. 
Ich  weiss  nicht,  was  das  Ding  bedeut, 
Der  Juden  G'schrei  ist  weit  und  breit: 
Sie  haben  kürzlich  einen  g'fangen, 

1390     Zu  wissen  wen  ist  mein  Verlangen. 
Erbittert  sehr  sind  ihre  Herzen 
Von  Räch  und  Zorn,  ohne  Scherzen, 
Von  Wuth  und  Eifer,  Gall  und  Grimm: 
Dies  verbittert  ihren  Sinn, 

1395     So  dass  ihr   erboster  Geist 
Alles  gar  zu  Boden  reisst. 
Das  ist  der  Tyrannei  Gebrauch, 
Dass  sie  die  Unschuld  selber  auch 
Unrechtmässig  unterdrücken 

1400     Und  ins  dunkle  Grabe  schicken. 

Der  Mittelvorhang  7uird  aufgezogen. 
Was  weht  doch  für  ein  starker  Wind, 
Den  ich  so  sehr  in  mir  empfind? 
Die  Kälte  hat  überhand  genommen: 
Ich  will  auch  zu  dem  Feuer  kommen. 
Geht  zum  Feuer,  an  dem  die  Juden  mit  Petrus  iv eilen. 

1405     Warst  du  nicht  auch  von  Jesu  Schaar? 
Den  Argwohn  hab  ich  immerdar. 

Erster  Jude. 
Du  bist  sein  Jünger,  sag  es  klar, 
Du  siehst  ihm  gleich,  recht  auf  ein  Haar. 


320 

Petrus. 
Weib,  ich  ihn  fürwahr  nicht  kenn, 
14  lo     Und  weiss  auch  nicht,  wen  du  thust  nenn'. 

Der  Hahn  kräht. 
Zweiter  Jude, 
Aus  seinen  Jüngern  ungefähr, 
Denn  du  bist  ja  ein  GaUläer: 
Dein  Muttersprach  verrathet  dich. 

Dritter  Jude. 
Sah  ich  nicht  auch  im  Garten  dich? 
Vierter  Jude. 
141 5     Gelt,  du  hast  auch  zugeschaut. 

Wie  einem  ward  das  Ohr  abg'haut? 

Petrus. 
Beim  wahren  Gott,  ich  es  nicht  bin, 
Hab  niemals  auch  gekennet  ihn : 
Wir  sind  zwar  wohl  aus  einem  Land, 
1420     Doch  ist  er  mir  ganz  unbekannt. 

Der  Hahn  kräht.     Petrus  tritt  vor ,  der  Mittelvorhang 
schliesst  sich. 

Nun  folgt  die  Reue  des  Petrus. 
Petrus, 

Düstere  Wolken  1     Schäumende  Wellen  ! 

Erboster  Himmel !     Ihr  heissen  Quellen  ! 

Ist  dann  kein  Retter  mehr. 

Der  mir  Vergebung  ruft, 
1425     Dass  ich  vor  dem  Gewitter  her 

Mich  berg  in  eine  Kluft? 

Wie  ist  mein  Herz  so  schwer, 

Da  mir  das  Gewissen  droht, 

Weil  das  Vergeltungsschwert 
1430     Schon  blitztob  meinem  Haui)t! 

Da  meine  Sünden  mich 

Sehr  laut  und  schwer  anklagen, 

Muss  ich  verbergen  mich 

Und  endlich  gar  verzagen. 
1435      Doch  aber,  guter  Gott, 

Du  siehst  ja  meine  Schmerzen, 


321 


Die  mir  erzeugen  nun 

Die  Reu  in  meinem  Herzen. 

Ach,  Reue  über  Reue ! 
1440     Da  ich  ob  meiner  Sünden 

Zu  dir  um  Gnade  schreie, 

Lass  mich  Vergebung  finden  1 

Ich  höre  immerfort 

Die  Wort'  des  Meisters  mein : 
1445     O,  Peter,  Peter,  du 

Wirst  mich  verleugnen  heunt. 

Mit  dehmuthsvollem  Herzen 

Bekenn  ich  meine  Schuld, 

Sie  reuet  mich  von  Herzen: 
1450     O,  schenk  mir  deine  Huld. 

Es  zeugt  laut  wider  mich 

Mein  schwer  und  bös  Gewissen. 

O,  schenke  mir  die  Gnad, 

Die  Sund  hier  abzubüssen. 
1455     Sei  gnädig  mir,  o  Gottl 

Ich  will  mich  fortbegeben 

An  einen  wüsten  Ort, 

Wo  ich  mein  ganzes  Leben 

Nur  dir  durchleben  will 
1460     Und  büssen  meine  Sünden, 

Bis  ich  dereinst  von  dir 

Vergebung  werde  finden.  G^ht  ab. 

15.  Auftritt. 

Saal. 

Herodcs  allein,  darin  der  Hauptmann,  die  Judcnrotte  mit 
Christus,  den  zwei  Rittmeistern  und  Kaiphas, 

Her  ödes.. 

Anheut  ist  sehr  gross  meine  Freud, 

Weil  ich  jetzt  hab  vernommen, 

1465     Dass  bei  so  unverhoffter  Zeit 

Christus  zu  mir  soll  kommen. 

Ich  hoffe,  viele  Wunderding 

Von  diesem  zu  erleben. 

Volksschauspiele.     II.  21 


322 

Sein  Lob  bei  der  Welt  ist  nicht  gering, 
1470     Rechenschaft  soll  er  mir  geben. 

Haiiptmann  und  die   Uebrigen  kommen  mit  Christus, 

Hauptmann. 
Mächtiger  König  im  Judenland, 
Pilatus  hat  uns  hergesandt 
Aus  Galiläa  den  Wundersmann, 
Von  dem  er  Euch  hat  kund  gethan : 
1475     Er  stehet  schon  vor  Euch  allhier, 
Dass  Ihr  ihn  richtet  nach  Gebühr. 

Herodes. 
Ich  habe  Freud  über  diesen  Mann, 
Von  dem  mir  viel  wird  kund  gethan : 
Viel  Wunder  solle  er  begehn, 

1480     Ich  möchte  doch  eines  von  ihm  sehn. 

Du  predigst  viel  von  der  künftigen  Welt, 
Sag  an,  wie  ist  es  doch  bestellt? 
Was  Glück  und  Unglück  mir  steht  zu, 
Prophet,  mir  dies  zu  wissen  thu, 

1485     Ob  wohl  die  Weisen  aus  Orient 

Nach  Bethlehem  dir  bracht  Praesent? 
Hat  nicht  mein  Bruder  Philippus 
Dich  g'sucht  zu  tödten?   Hörest  du's? 

Kaiphas. 
Stellt  er  sich  nicht  recht  obstinat? 
1490     Viel  Seelen  er  verführet  hat, 

Als  König  hat  er  sich  ausg'schrien : 
Ihr  sollt  zum  Tod  ihn  commandiren. 

Herodes. 
Der  Mensch  ist  ja  ein  Thor ! 
Er  soll  meine  Augen  meiden, 
1495     Sonst  will  ich  ihn  zum  Spott 
Nun  lassen  weiss  bekleiden. 

Vierter  Jude. 
Hier  ist  vorhanden  ein  weisses  Kleid, 
Sollst  dich  damit  bedecken: 
Dies  soll  dir  machen  grosse  Freud, 
1500     Damit  die  Leut  zu  schrecken. 


323 


Erster  Jude. 
Ich  hab  ein'  Krön  von  Stroh  für  ihn, 
Sie  steht  ihm  gut  nach  meinem  Sinn. 

Ilerode.s, 

Ich  hab  ihn  zwar  zu  Gericht  gezogen, 

Hart  und  scharf  examinirt, 
1505     Doch  auf  keine  Weis  bewogen, 

Dass  er  sich  hätt  defendirt: 

Hab  ihn  endUch  kleiden  lassen 

In  ein'  weissen  Narrenrock 

Und  verspottet  allermassen : 
15 IG     Schweigt  er  still  doch  wie  ein  Stock. 

In  die  Mitte  stellt  den  Dummen! 

Seht  an  ihm  die  schöne  G'stalt. 

Schlagt  ihn,  dass  die  Ohren  summen ! 

Sagt,  wie  die  Figur  Euch  g' fallt? 
15 15     Thut  ihm  seine  Ehr  erweisen: 

Preiset  ihn  nur  stets  fortan, 

Auch  zugleich  sein'  Namen  thut  preisen : 

Das  kann  hören  Jedermann. 

So  rede,  wenn  du  kannst,  bei  Zeiten  I 
1520     Bist  du  stumm  wohl  immerdar? 

Alles  Volk  thut  deinen  Ruf  verbreiten, 

König  von  der  Hexenschaar. 

Hauptmann. 
Sei  nur  nicht  faul  und  red  zur  Stund, 
Sonst  gieb  ich  dir  eins  auf  den  Mund. 
1525     Erweis  dem  Herren  Reverenz  I 

Du  wirst  bald  hören  dein'   Sentenz. 

Erster  Jude. 
Schaut  doch,  wie  sich  der  falsche  Mann 
So  recht  unschuldig  stellen  kann ! 
Er  sieht  fürwahr  gleich  einem  Thoren 
1530     Mit  seinen  langen  Eselsohren. 

Zweiter  Jude. 
Und  weil  du  kannst  die  Leut  verführen, 
Thu  uns  dein'  rechten  Nam'  spendiren, 

21* 


324 

Denn  du  thust  ja  mit  falschen  Sachen 
Recht  sehr  viel  Parade  machen. 

Dritter  Jude. 
1535     Schwätzen  ist  sonst  dein  Gebrauch, 
Und  sonst  vieles  Lügen  auch. 

Vierter  yude. 
Ich  glaub,  man  hat  ihm's  Maul  gesperrt, 
Weil  man  gar  nichts  von  ihm  hört. 

Her  ödes. 

Hört,  Hauptmann  und  die  ganze  Schaar, 
1540     Ihr  wollt  mich  überheben, 

Obschon  ich  ihn  könnt  zwingen  zwar. 

Ein  Antwort  mir  zu  geben. 

So  führt  ihn  doch  Pilato  zu, 

Und  meldt  ihm  meinen  Gruss : 
1545     Sagt  ihm,  dass  er  der  Sach  recht  thu, 

Wie's  recht  geschehen  muss. 

Zweiter  Jude. 

O  welch  ein'  schöne  Königskron! 
Seht,  wie  er  jetzt  schon  prangen  kann : 
Sein  Reich  wird  doch  nicht  long  bestehn, 
1550     Es  muss  mit  ihm  in  Trümmer  gehn. 

Dritter  Jude. 
Du  bist  ein  Herr  von  grossem  Rang, 
Daran  kennt  dich  wohl  Jedermann: 
Dein  Wappen  wird  es  zeigen, 
Dass  du  wohl  noch  wirst  höher  steigen. 

Vierter  Jude. 
1555     Sing  doch  einmal,  du  kannst  ja  schön, 
Mit  deiner  Stimm  wirst  wohl  bestehn, 
Als  wie  ein  Karpf  im  Vogelhaus 
Stosst  er  die  Triller  fein  heraus. 

Erster  yudc. 
Geh  mit  uns  und  sei  getrost, 
1560     Du  schnellst  als  wie  ein  Hund  vor  Frost. 


325 


Wir  werden  dir  bald  wärmer  machen, 
Wenn  wir  die  Peitschen  lassen  krachen. 

Erster  Rittmeister. 
Nur  fort  mit  ihm,  lasst  ihm  keine  Rast, 
Wohl  zu  Pilato  sein'  Palast, 
1565     AUdort  das  G'wehr  all  praesentirt: 
Steht,  bis  Euch  Ordre  geben  wird. 

Hauptmann. 
Haltet!  die  Ordnung  nicht  vergesst, 
Schliesst  Euch  in  Glieder  eng  und  fest, 
Und  macht  mir  keine  Confusion  : 
1570     Ihr  stellet  Euch  hierher  voran.  Alle  ab. 


Dritter  Aufzug. 


I.  Auftritt. 

Saal. 

Pilatus  sitzt  im  Saal  hinter  dem  Mittelvorhang,   indessen  der  Tod 
vor  demselben  auftritt, 

Tod  allein, 

O  Mensch,  wie  hättst  du  dies  gedacht, 

Dass  selbst  der  Welterlöser 

Sollt  kommen  auch  in  meine  Macht  1 

Er  ist  als  du  viel  grösser. 
1575     Doch  ist  für  ihn  kein'  Rettung  mehr, 

Er  muss  auch  selbsten  sterben:' 

Für  deine  Schuld  ich  ihn  begehr, 

Das  Heil  dir  zu  erwerben. 

Der  Neid  der  Juden  bringt  ihn  mir 
1580     Durch  Judas  seine  Werke 

In  meine  Hand,  und  wegen  dir 

Zeig  ich  ihm  meine  Stärke. 

Bereite  dich,  dass  ich  dich  nicht 

Im  Sündunflath  ergreife, 


326 

1585     Und  Gott  dich,  sowie  Juda  hier 

Im  Flammenmeer  ersäufe.  Geht  ab. 

2.  Auftritt. 

Der  Mittelvorhang  wird  aufgezogen  ^  Pilatus  sitzt  im  Saal,  hiernach 
kommt  die  ga?ize  Pii esterschaft,   die  fjuleti  mit  Cliiistus. 

Pilatus. 

Das  ist  mir  ärgerlich, 

Was  man  von  mir  begehrt : 

Dass  ich  ihn  richten  soll, 
1590     Dies  macht  mich  sehr  beschwert. 

Man  sagt,  Herodes  soll 

Ihn  wieder  zu  mir  senden: 

Ich  hör  das  Lärmen  schon  — 

G'wiss  sind  sie  schon  bei  Händen. 

Sie  koimnen  mit  Christus. 
Hauptmann. 
1595     Es  hat  für  thöricht  ihn 

Herodes  selbst  erkennet, 

Und  diesen  Zauberer 

Zurück  zu  Euch  gesendet: 

Ihr  sollt  ihn  richten  frei, 
1600     Ohn'  einziges  Bedenken; 

Thut  Eure  Pflicht  getreu, 

Ihr  sollt  Euch  nicht  einschränken. 

Pilatus. 
Vor  Euch  ich  ihn  befraget  hab, 
Kein'  Schuld  des  Todes  finden   mag: 
1605     Lasst  ihn  nur  frei,  ich  treulich  rath, 
Dass  Euch  nicht  strafe  Euer  Gott. 

Robam. 

Er  hat  zerstört  den  Fried'  im  Land, 
Wie  allen  es  ist  wohlbekannt. 

Falsuto. 
Soll  wohl  nun  gehn  das  Land  zugrund? 
1610     l^rsacli  würdet  Ihr  zu  jeder  Stund. 


327 


Mendax, 
Dem  Kaiser  verbot  er,  den  Zins  zu  geben, 
Das  billige  Recht  nimmt  ihm  das  Leben. 

Pilatus. 
Ihr  habt  zu  Ostern  ein  Gesatz, 
Dass  Ihr  ein'   G'fangnen  ledig  lasst: 
1615     Nun  welchen  soll  ich  frei  Euch  geben? 
Barabam  oder  Christum  eben? 

Alle. 
Nehmt  diesen  hin,  lass  jenen  frei. 
Das  bitten  wir  von  Euch  aufs  Neu. 

Pilatus. 

Kein'  Schuld  des  Tods  hat  er  begangen  — 
1620     Warum  soll  er  am  Kreuze  hangen? 

Alle. 
Kreuzige  ihn,  wir  bitten  treu, 
Und  gieb  uns  den  Barabbam  frei. 

Pilatus. 
Warum  soll  ich  dieses  thun? 
Er  ist  ja  Euer  König. 

Alle. 
1625     Wir  sind  des  Kaisers  nur, 
Erkennen  keinen  König. 

Pilatus, 

Ich  finde  keine  Schuld, 
Dass  ich  ihn  sollte  richten. 

Alle. 
Reizt  doch  nicht  die  Geduld, 
1630     Ihr  werdet  Euch  uns  verpflichten. 

Pilatus. 
Nach  Kaisers  G'setz  kann's  nicht  geschehn  I 
•Doch  dass  Ihr  ruhig  seid, 
Will  ich,  Ihr  alle  könnt  es  sehn, 
Dass  er  die  Geisel  leid't. 


3-^ 

1635     Dann  könnt  Ihr  ja  zufrieden  sein, 
Wenn  ich  ihn  ledig  lass: 
Er  ist  unschuldig,  makelrein, 
Verdient  ja  keinen  Hass. 
Die  Juden  treten  mit  Christus  vor.    Der  Mittelvorhang  fällt. 

3.  Auftritt. 

Geisselung. 
Christus^   Hauptmann,  Juden,  Freimann. 
Hauptmann. 
Ihr  Diener  und  Soldaten  treu, 
1640     Halt'  Euch  nun  tapfer  ohne  Scheu! 
Geisselt  ihn  mit  scharfen  Streichen, 
Dass  er  muss  zu  Boden  weichen. 
Bindet  ihn  nur  ohn'  Beschwerden, 
Es  wird  ihm  alsbald  besser  werden. 
1645     Ich  gedenk,  man  wird  uns  lohnen, 
Wenn  -wir  ihn  nur  nicht  verschonen. 
Holla  Henker,  komm  herfür. 
Diesen  Mann,  den  gieb  ich  dir : 
Lass  ihn  zerhauen  auf  das  Best, 
1650     Das  giebt  für  dich  ein  grosses  Fest! 

Freimann, 
Ist  er  ein'  Malefizperson, 
Schliess  ich  ihn  an  die  Säule  an ; 
Ihr  nehmt  ihn  alsogleich, 
Und  entblösst  ihm  seinen  Leib  : 
1655     Bind't  ihn  an  die  Säulen  an; 

Haut  nur  zu,  gebt  kein'  Pardon! 
Die  Ruthen  ,  ich  sehr  gut  gebunden  hab, 
Sie  hält  Euch  hundert  Streich  wohl  ab. 
Probirt  sie  nur,  wie  sie  Euch  taugt, 
1660     Nur  keck  und  tapfer  zugebaut! 

Sieh,  Goliath,  du  frischer  Knecht, 
Sic  geht  dir  wahrlich  links  und  recht, 
Damit  kannst  du  hauen,  wie  du  willst: 
Ich  denke  auch,  dass  du  nicht  spielst. 


329 


1665     So  rühr  dich  nur,  du  fauler  Stock, 
Und  ziehe  aus  dein'  lausigen  Rock, 
Sonst  gieb  ich  dir  eins  auf  den  Grind ! 
Jetzt  ich  dich  an  die  Säul  anbind. 

Erster  Jude, 
Wie  zittert  er  und  schnellt, 
1670     Alswie  ein  nasser  Hund: 

Das  Herz  ihm  im  Leib  prellt; 
Ein  Blutbad  ist  ihm  g'sund. 

Zweiter  yude. 
Wie  tauget  dir  Aderlass? 
Hast  gar  ein  hitzigs  Blut ! 
1675     Es  schäumt  ja  über  alle  Maass, 
Macht  dir  ein'  frischen  Muth. 

Dritter  Jude. 
So  sparet  nur  die  Kräften  nicht, 
Ich  hab  auf  ihn  ein'  Lust  I 
Streicht  zu,  spart  Eure  Glieder  nicht, 
1680     Am  Rücken,  Lend  und  Brust. 

Vierter  ytide. 
Gelt,  G'sell,  das  ist  ein  Spass, 
Wie  die  Blutwurst  dir  schmecken  werden 
Der  Pfeffer  ist  sehr  nass. 
Lasst  uns  das  Bratl  umkehren. 

Erster  Jude. 
1685     Die  Ruthen  nur  fest  bind, 
Hier  hat  er  schon  genug : 
Seht,  wie  das  Blut  her  rinnt ! 
Sein  Fell  ist  ziemlich  klug. 

Freimann. 
Nun  löst  ihn  nur  g'schwind  auf, 
1690     Und  kehret  ihn  herfür! 

Hui,  Burschen,  seid  wohlauf, 
Ihr  trinkt  heut  eins  mit  mir. 
Anjetzo  feiert  nicht, 
Streicht  zu,  was  Ihr  nur  könnt. 


33° 

1695     ßis  er  zusammenbricht 

Und  sich  zum  Boden  lenkt. 

Zweiter  yude. 

Die  Ruthen  sind  sehr  gut, 
Sie  machen  tiefe  Riss', 
Und  zapfen  ab  das  Blut, 
1700     So  lang  noch  eines  ist. 

Hauptmann. 

Du  bist  schon  ziemlich  satt, 
Es  sieht  dir  so  fast  gleich ! 
Löst  ihn  von  dieser  Statt, 
Er  ist  g'nug  wundenreich. 
1705     Du  nimm  dein  Kleid  zusamm, 
Du  musst  noch  weiter  fort: 
Ich  glaub,  du  hast  den  Kramm ! 
Hui,  nur  hinaus  zur  Pfort. 

Christus. 

O  Vater  in  dem  Himmelreich, 
17  IG     Sieh  an  mein   grosses  Leiden, 

Die  grosse  Marter,  Geisseistreich, 

Der  Juden  wilde  Freuden. 

Verzeih  es  ihnen,  was  sie  doch 

Anheut  an  mir  vollbringen, 
1 7 1  5     Weil  ich  dadurch  die  Seele  noch 

Des  Menschen  muss  gewinnen. 

Mein  Leib,  der  schmerzet  mich  zwar  sehr, 

Ganz  kraftlos  ist  mein  Herze : 

Ach,  sende  Vater,  mir  den  Trost, 
1720     Der  lindert  mir  die  Schmerzen. 

Dtitter  Jude. 

Brüder,  ich  bin  ziemlich  matt, 

Das  wegen  dem  Phantasten: 

Gelts,  Brüder,  Ihr  seid  auch  schon  satt, 

Lasst  uns   ein  wenig  rasten.  Sie  le^^tn  sich  uieder. 


331 


4-  Auftritt. 

Der  Engel  tmd  die  Vorigen. 
Ejigel  singt: 

1725  .  Seht  Ihr  da  ihn  angebunden 
An  den  harten  Marmorstein, 
Solcherg'stalt  wird  keiner  g'funden  : 
Soll  wohl  dies  mein  Jesus  sein? 
Auch  das  Kreuz  muss  er  noch  tragen 

1730     Und  dies  wegen  deiner  Sund, 

Und  mit  Geisseiruthen  g'schlagen^ 
Dir  zu  Lieb,  o  Adamskind ! 

Von  dem  Haupt  bis  zu  den  Füssen 

Ist  mein  Jesus  ganz  zerfetzt, 
1735     An  dem  ganzen  Leib  zerrissen, 

Kein  Glied  ist  ihm  unverletzt. 

O,  mein  Jesu,  liebster  Jesu, 

Höchster  König,  Herr  und   Gott! 

O,  mein  Jesu,  liebster  Jesu, 
1740     Musst  denn  leiden  gar  den  Tod? 

Jesus,  Weide  meiner  Augen, 
Wer  hat  dich  so  zugericht? 
Ist  denn  dies,  ich  kann's  nicht  glauben. 
Dein  so  schönes  Angesicht? 
1745     Ganz  mit  Blut  bist  überronnen, 

Ganz  zerfleischt  dein  zarter  Leib: 
Ach,  wer  hat  dich  so  mitgnommen? 
O,  tyrannische  Grausamkeit. 

Siehe,  was  der  Gottmensch  leidet, 
1750     Bloss  aus  Lieb   zu  dir,  o  Seel, 

Für  dich  sein'  Pein  verbreitet, 

Zu  erlösen  von  der  Höll. 

Ach,  so  stehet  ab  von  Sünden, 

Meidet  Unzucht,  Geiz  und  Neid, 
1755     Denn  dadurch  werd't  ihm  noch  finden 

Auf  ein  Neu's  mehr  Grausamkeit.      Geht  ab. 


332 

Hauptmann. 
Fort  mit  deinem  Plauderg'schmeiss, 
Pack  dich  gleich  aus  dem  Weg : 
Ihr  schHesst  gleich  den  Kreis. 

Die  yuden  springen  auf. 
1760     Und  du  dein  Kleid  anleg, 
Du  hast  noch  eine  Reis' 
Bis  zu  Pilato  Thron: 
Geh  nur  mit  allem  Fleiss. 
Eilt,  macht  Euch  geschwind  davon  I   Alle  ab. 

5.  Auftritt. 

Saal, 

Pilatus  sitzend,  Hatiptmann  mit  Christus  und  der  Judenrotte 
ohne  Priester.     Der  Mittelvorhang  geht  auf, 

Hauptmann. 

1765     An  Euch  ist  unsre  Bitt: 

Wollt  Ihr  sein  unser  Freund, 

Werd'ts  Ihr  abschlagen  nicht, 

Dass  wir  den  König  heunt 

Nach  unserm  Willen  krönen 
1770     Und  kleiden  lassen  nach  Gebühr, 

Auch  dürfen  ihn  verhören. 

Pilatus. 
Macht  mit  ihm,  was  Ihr  wollet, 
Ich  gieb  Euch  keine  Mass : 
Dass  ich  Euer  Freund  sein  sollt, 
1775     ^i^s  ich  wohl  bleiben  lass. 
Barabbam  will  ich  Euch 
Von  Banden  lassen  frei; 
Es  gilt  mir  Alles  gleich, 
Ich  hab  kein  Schuld  dabei. 

Alle. 
1780     VivatI  Es  sterbe  nun 
Der  freche  Galiläerl 
Der  sich  gar  nennen  liisst 
Als  König  der  Hebräer. 


333 

Hauptmann, 
Wenn  Ihr  den  Mann  habt  festgemacht, 
1785     So  führet  ihn  mit  scharfer  Wacht 
Indess  sogleich  in  den  Arrest: 
Seht,  dass  er  nicht  wird  aufgelöst.      Alle  ab. 

Mittclvorhang  fällt,  sogleich  richtet  sich  die  ganze  Priester- 
schaft hinter  demselben  wieder  auf, 

6.  Auftritt. 

Saal, 

Die  ganze  Priesterschaft   sitzt  im  Rathe ,    dabei  der  Hauptmann; 
Judas  kommt  dazu, 

Judas, 

Bin  i  kommen  eben  recht, 

Ich  muss  Euch  warten  auf, 
1790     Dass  ich  Euch  sprechen  möcht, 

Und  stossen  um  den  Kauf, 

Den  ich  gestriges  Tags 

Geschlossen  hab  mit  Euch. 

Ich  zerbrich,  zerschlag's, 
1795     Aus  meiner  Parola  weich: 

Ich  hab  verkauft  ein'  Sach, 

Die  zuvor  nicht  war  mein. 

Das  G' wissen  jetzt  um  Räch 

Fortan  in  mir  thut  schrein, 
1800     Wegen  dem  ganz  reinen  Blut: 

Es  bringt  mich  zum  Verderben  I 

Mein  Meister,  fromm  und  gut, 

Verdient  ja  nicht  zu  sterben. 

Sehr  schlecht  hab  ich  gethan, 
1805     Es  reuet  mich  vom  Herzen, 

Dass  ich  den  armen  Mann 

Aus  Geiz  so  kann  verscherzen, 

Und  hab  zum  Tod  verkauft 

Mein'  Meister  und  auch  Herrn; 
1810     Dies  ist  der  grösste  Raub : 

Untreu  thut  Räch  begehren. 


334 

Kaiphas. 

Das  geht  uns  wenig  an, 
Der  Kauf  schon  g' schlössen  ist: 
Sieh  zu,  was  du  gethan, 
1815     Du  schon  bezahlet  bist. 

Hast  selbst  vergriffen  dich, 
Musst  dir  die  Schuld  selbst  geben : 
Dies  wird  uns  kränken  nicht, 
Dass  du  so  g'handelt  eben. 

yudas. 

1820     Ich  bitt,  Ihr  Herren,  und  lasst  Euch  sagen, 
Und  helft  mir  aus  der  Schuld, 
Thut  doch  mit  mir  ein  Mitleid  tragen 
Und  schenket  meinem  Meister  Huld. 
Kaiphas. 

Er  auch  unschuldig  ist, 
1825     Ein  engelreiner  Herr: 

Nur  du  selbst  Schuld  dran  bist, 
Wir  gestehen  dir  nichts  mehr. 

yudas. 
Ich  bitt  Euch,  nehmt  zurück 
Die  30  Silberling, 
1830     Sie  sind  noch  nicht  verrückt, 

Sind  gar  ein  schlechter  G'winn. 

Kaiphas. 
Hättst  du  noch  mehr  verlangt, 
Man  hätt  dir  mehr  gegeben. 

Judas. 
Ich  bitt,  mich  doch  anhört, 
1835     Und  schenkt  mein'  Meister  's  Leben. 

Koham. 
Nein,  es  kann  nicht  mehr  sein. 
Du  hast  es  übersehen. 

Judas. 

Nun,  so  schlag  der  Donner  drein! 

Jir  wirft  den  Beutel  xveg. 

So  ist's  mit  mir  geschehen. 


335 


1840     Hauptmann,  nimm  zu  dir  das  Geld, 
Bist  immer  g'west  mein  Freund: 
Leg  es  auf  den  Tisch  allhier, 
Ich  bin  jetzt  Gottes  Feind. 

Er  tritt  vor,  der  Mittelvorhang  fällt. 

7.  Auftritt. 

Wald. 

yudas,  dazu  kommen  die   Teufel. 

Judas. 

Was  hab  ich  nun  zum  Ziel 
1845     Für  meine  Untreusünd? 

Ich  mach  ein  End  dem  Spiel, 

Mir  selbst  den  Hals  z'sammbind. 

Gar  billig  die  Untreu 

Ihr  eigner  Henker  ist : 
1850     Mir  hilft  nun  keine  Reu, 

Aus  ist  mein'  Lebensfrist. 

Und  weil  dann  Alles  hin, 

Mein'  Ehr  und  guter  Nam', 

Will  ich  der  Höll  zum  G'winn 
1855     An  diesem   grünen  Stamm 

Mein'  Seel  durch  diesen  Strick 

Den  Teufeln  opfern  auf. 

Helft,  dass  ich  bald  erstick 

Und  schnell  der  Höll  zulauf! 
1860     Verflucht  ist  nun  die  Stund, 

Verflucht  der  Juden  Rath, 

Verflucht   mein  falscher  Sinn, 

Der  mich  verführet  hat. 

Wohlan,   verfluchte  Hand, 
1865     Die  das  Geld  genommen  ein, 

Ihr  müsst  der  Höll  zum  G'winn 

Auch  jetzt  Gehilfen  sein. 

Schwing  dich,  verfluchter  Balg, 

Dass  du  bald  schlafest  ein, 
1870     Und  hier  auf  diesem  Galg' 

Der  Teufel  Beut  wirst  sein.        Er  erhängt  sich. 


336 

Lticifer, 
O,  rarer  Vogelfang, 
Drob  sich  die  Höll  erfreut, 
Wozu  ich  selbst  den  Strang 
1875     ^"^  habe  zubereit'tl 

Merkt,  all  die  Gott  untreu. 
Wie  Judas  können  handeln, 
Müss'n  all,  ich  sag  es  frei, 
Mit  uns  der  Höll  zuwandeln. 

Zweiter  Teufel, 
1880     O,  wie  schön  hängt  er  da  oben, 

Welch  schöne  Frucht  trägt  dieser  Baum, 
Als  wie  Maisen  in  dem  Kloben  — 
Man  sollte  es  schier  glauben  kaum. 
Solche  Birn  brat  ich  gern, 
1885  Denn  sie  schmecken  uns  recht  gut, 
Wenn  sie  sich  nur  stets  vermehren. 
Bringen  sie  uns  frohen  Muth. 

Dritter  Teufel. 

Kommt,  wir  g' schwind  ausnehmen 

Diesen  Vogel  -von  dem  Nest, 
1890     Und  mit  ihm  der  Höll  zurennen 

Und  ihn  braten  auf  das  Best. 

Schwefel  und  Pech  nehmt  zum  Begiessen, 

Dass  dies  Bratl  schmierig  wird. 

Lasst  es  Euch  nur  nicht  verdriessen : 
1895     Friss  ein  jeder  nach  Begierd. 

Vierter  Teufel. 
Die  an  Gottes  Gnad  verzweifeln, 
Haben  all  ein  solches  Loos. 
Müssen  fort  und  mit  uns  Teufeln 
Fahren  auf  der  Höllenpost: 
1900     Darum  nehmt  ihn  ab  mit  Eilen, 
Lauft  mit  ihm  der  Hölle  zu, 
Heizt  sein  Bad  nur   ohn'  Verweilen, 
Und  lasst  ihm  nur  keine  Ruh. 

Tragen  den  Judas  fort. 


337 
8.  Auftritt.    . 

yudenhauptmanti  ^    die  yuden   mit   Christus,  der  Freiniann, 
Dornenkrön  ung. 

Freimann. 

Hier  ist  ein'  Krön  gar  schön  geziert, 
1905     Taugt  für  den  neuen  König, 

Für  ihn,   der  uns  heut  hat  schimpfiert; 

Sie  ist  fast  noch  zu  wenig: 

Drum  drucket  sie  ihm  nur  recht  fest 

Auf  seinen  Kopf  und  lachet, 
1910     Es  wird  ihn  zieren  auf  das  Best, 

Wenn  er  schiefe  Gsichter  machet. 

Erster  Jude. 

Geh,  du  Dickkopf,  halt  nur  fest, 
Wir  wollen  dich  zieren  auf  das  Best : 
Mit  einer  Krön  wir  dich   aufputzen, 
1915     Dabei  kannst  du  zu  G'nügen  schmutzen. 

Zweiter  Jude. 

Es  muss  hinein  durch  Mark  und  Bein 
Die  Spitz  und  auch  die  Dorn: 
Dein  hohes  Haupt  ist  uns  erlaubt, 
Grausamiich  zu  durchbohren. 

Dritter  Jude. 

1920     Ein  Rohr  gebührt  ihm  statt  den  Stab, 
Womit  er's  Land  regiert  1 
Jetzt  leget  ihm  die  Huldigung  ab. 
Weil  er  das  Volk  verführt. 

Vierter  Jude. 

Ein'  Purpurmantel  muss  er  auch  haben, 
1925     Der  schon  gefressen  ist  von  Schaben, 
Um  anzuzeigen  sein  richtig' s  Reich; 
Dann  sieht  er  einem  König  gleich. 

Verspotten  ihn. 
Volksschauspiele.     II.  22 


338 


9-  Auftritt. 


Der  Engel  und  die   Vorigen. 
Engel  singt. 

O  Sünder,  prahle  fort 

Mit  deiner  Hoffahrtspracht ! 
1930     Sieh  an  dein'  Jesum  dort, 

Wie  er  hier  wird  verlacht. 

Er  leid't  viel  Schmach  und  Spott, 

Er  tragt  von  Dorn  ein'  Krön : 

O  du  gerechter  Gott, 
1935     Diess  hat  dein  Sohn  zum  Lohn!       Geht  ab. 

Hauptmann . 
Fort,  macht  Euch  auf,  es  ist  schon  Zeit, 
Man  wartet  mit  Verlangen : 
Wir  müssen  zu  Pilato  heut, 
Er  soll  ihn  lassen  hangen. 
1940     Vereinigt  mit  der  Priesterschaft, 
Die  Reise  dahin  geht, 
Er  soll  ihm  brechen  heut  den  Stab, 
Damit  Ihr's  alle  seht.  Alle  ab. 

10.  Auftritt. 

Saal. 

Pilatus  und  die  Magd. 

Pilatus  sitzt. 

Ach,  was  ist  das  für  ein  Traumgesicht, 

1945      Was  Wunder-Phantasien? 

Ich  weiss  nicht,  wie  mir  heut  geschieht, 
Umsonst  ist  mein  Bemühen. 
Jesus  von  Nazareth 
Hat  ja  verbrochen  nichts : 
T950     Ich  weiss  nicht,  wer  sich  untersteht 

Und  ihm  das  Leben  abspricht.      Magd  kommt. 

Magd. 

Nichts  schafft  mit  diesem  Mann, 
Er  hat  nichts  Bös'  begangen : 


339 

Die  Frau  nicht  schlafen  kann, 
1955     Und  das  ist  ihr  Verlangen, 

Man  solle  ihn  doch  lassen  frei; 
Ein  Traum  ihr  dies  bestellet, 
Dass  er  gewiss  unschuldig  sei : 
Die  Freiheit  ihm   erwählet. 

Pilatus. 
i960     Es  ist  ein'  wunderliche  Sach, 

Dass  sie  mir  will  einsprechen : 

Sie  walte  unter  ihrem  Dach, 

Ich  weiss  schon  sein  Verbrechen. 

Drum  weiss  ich,  was  ich  hab  zu  thun, 
1965     Sie  soll  mir  nichts  vorschreiben : 

Bei  dieser  Sach  sie  bleibe  stumm. 

Und  soll's  so  weit  nicht  treiben.       Magd  geht  ab. 

1 1 .  Auftritt. 

Pilatus  u?id  erster  Thürhüter . 
Portier. 

Hochgebietend  gnädiger  Herrl 

Ein  grosser  Häuf  der  Pfaffen 
1970     Die  schicken  mich  zu  Euch  hieher: 

Wenn  Ihr  nicht  sollet  schlafen, 

So  wollt  Ihr  geben  die  Licenz, 

Dass  sie  erscheinen  dürfen, 

Um  Euch  zu  machen  Reverenz: 
1975      Das  G'such  thut  nicht  verwerfen.      Geht  ab. 

Pilatus. 
Alles  thut  mir  dringen  ein, 
Ich  sollt'  ihn  lassen  hangen : 
Der  Juden  Rache  ist  nicht  klein, 
Sie  thun  sein'  Tod  verlangen ; 
1980     Sie  sagen  sonst,  ich  sei  ihr  Feind, 
Thu  ich  nicht  ihren  Willen : 
Ja,  ja,  sie  dringen  schon  herein, 
Ich  muss  den  Blutdurst  stillen. 

22* 


340 

12.  Auftritt. 

Pilatus,  die  Priesterschaft,  die  Judeiirotte  mit  Christus. 

Pilatus. 

Willkommen,  hoher  Rath  I 
1985     Die  Gegenwart  mich  sehr  thut  freuen, 
Dadurch  mir  g'schieht  ein'   Gnad : 
Was  bringt  Ihr  mir  von  Neuem? 

Kaiphas. 

Uns  treibt  hierher  der  Landrebell: 
Führt  vor  den  Ruhestörer, 
1990     Sprecht  ihm  das  Urtheil  an  der  Stell, 
Dem  bösen  Volksbethörer. 

Pilatus. 

Ihr  wisst,  Ihr  Herrn,  dass  ich  ihn  hab 
Mit  Ruthen  geissein  lassen, 
Dass  man  ob  seiner  Schreckgestalt 
1995     Recht  kann  ein  Grausen  fassen. 

Kann  doch  erzwingen  nichts  von  ihm, 
Tragt  jetzt  von  Dorn  ein'  Krön  \ 
Wer  nur  von  ferne  siehet  ihn. 
Tragt  ein  Mitleiden  schon. 

Kaiphas. 

2000     Es  braucht  ja  nicht  viel. 

Er  ist  schon  überwunden, 

Ob  er  zwar  schweiget  still, 

Hat  man  doch  Zeugniss  g'funden : 

Denn  alles  Volk  allda, 
2005     Gross,  klein,  reich,  arm  und  fromm, 

Sie  sagen  alle  ja, 

Dass  er  viel  hexen  kann. 

Annas, 
Ich  kann  bezeugen  dies, 
Dass  er  hat  frei  gelehrt: 
2010     Es  ist  auch  wahr  und  gewiss, 
Hab's  von  ihm  selbst  gehört, 
Dass   man  dem  Kaiser  soll. 


341 


Wann  in  dem  Land  ist  Fried', 
Kein  Zins,  auch  keinen  Zoll 
2015     Reichen  und  geben  nit. 

Alendax, 
Was  soll  dies  anders  sein. 
Als  nur  Rebellerei? 
Und  diese  nur  allein 
Genugsam  Probe  sei ! 
2020     Er  hat  das  Leben  verwirkt 
Und  ist  schuldig  des  Tods, 
Weil  er  das  Volk  verführt, 
Dem  Kaiser  nur  zum  Spott. 

Falsut, 
Er  greift  ja  ungescheut 
2025     In  kaiserliche  G'walt 

Und  sein'  Botmässigkeit, 
Weil  er  als  König  prahlt. 

Pilatus  führt  Christum  vor  und  zeigt  ihn  deni    Volke. 

Seht  diesen  Menschen  an, 

Wie  seine  Haut  zerschmissen, 
2030     Wie  dieser  arme  Mann 

Am  ganzen  Leib  zerrissen 

Und  spöttlich  ist  gekrönt 

Mit  scharfen  Spitz  und  Dorn, 

Wie  er  verlacht,  verhöhnt, 
2035     Schimpflich  bekleidet  word'nl 

Mendax. 
Wer  will  dem   Tod  entgehn, 
Muss  Sund  und  Laster  fliehen, 
Muss  sich  nicht  unterstehn, 
Das  Volk  an  sich  zu  ziehen. 

Falsut. 

2040     Sich  Selbsten  machen  gross. 
Zum  König  werfen  auf, 
Ist  ein  vermessnes  Loos, 
Geht  wider  G'setzes  Lauf. 


342 

Pilatus. 
Nun  hörst  es  selbsten  wohl, 

2045     Was  man  von  mir  begehrt, 
Dass  ich  dich  richten  soll. 
Weil  du  das  Land  beschwert: 
Du  weisst  wohl  deine  Macht, 
Stehst  unter  meiner  G'walt ; 

2050     Ich  kann  dich  machen  los, 
Wie  es  mir  nur  gefallt. 

Christus. 
Du  hättest  keine  Macht 
Auf  mein  unschuldigs  Blut : 
Weh  dem,  der  seine  Macht 
2055     Nicht  g' recht  erfüllen  thut! 

Dass  mich  zum  Tod  verdammst 
Ist  meines  Vaters  Will: 
Du  hast  die  G'walt  von  Gott, 
Drum  brauche  Mass  und  Ziel. 

Alle. 
2060     Fort,  fort,  ans  Kreuz  mit  ihm! 

Kaiphas. 
Wohin  ich  ihn  verdamme, 
Sein  Blut  komm'  immerhin 
An  uns  und  unserm  Stamme. 

Pilatus. 

So  sei's,  weil  gar  nichts  hilft, 
2065     Und  G'walt  für  Recht  thut  gelten, 
Und  man  die  Unschuld  mich 
Zwingt  zu  verurtheilen  hier ! 
Fallt's  hernach  übel  aus, 
Könnt  Ihr  es  selbst  entgelten : 
2070     Dess  ich  unschuldig  bin, 
Was  Ihr  begehrt   von  mir. 
Nun  frag  ich  nochmals  Euch, 
Was  soll  ich  mit  ihm  machen? 


343 

Alle. 
Wir  fordern  von  Euch  all', 
2075     Lasst  ihn  am  Kreuz  versch machen. 

Pilatus. 

Er  ist  ja  Euer  König, 
Ich  finde  ihn  getreu. 

Alle. 
Wir  haben  keinen  König, 

Wir  sind  dem  Kaiser  treu.    Die  Maf;d  hri7igt  das 
Waschzeug.     Pilaltis  wäscht  seine  Hände. 

Pilatus. 
2080     Ich  wasche  meine  Hand 

Und  thu  es  hier  bekennen, 

Vor  allen  öffentlich, 

Hör  mich  ein  Jeder  an: 

Es  soll  mich  wegen  ihn 
2085     Kein'   Qual,  kein  Feuer  brennen  : 

Kein    Schuld,  kein'  Missethat 

Find  ich  an  diesem  Mann.      Barabbas  ivird  geholt. 

Geht,  lasst  Barabbam  frei, 

Den  ihr  selbst  pardonniret, 
2090     Ohn'  Ketten,  ohne  Schloss: 

Führt  ihn  nur  frei  heraus 

Und  lasst  ihn  gnädiglich  los. 

Barabbas, 

Wer  hat  sich  dies  gedacht.       Er  redet  für  sich, 

Dass  ich,  als  ein  Verbrecher 
2095     Von  nie  erhörter  Art 

Die  Freiheit  haben  soll  ? 

Was  doch  das  Glück  wohl  macht ! 

Für  mich  ist  hier  kein  Rächer. 

Ich  dacht,  für  mich  wird's  hart: 
2100     Nun  kann  ich  freudenvoll 

In  der  Welt  noch  einmal 

Mein  Wesen  weiter  treiben ! 

Kommt  Euch  die  Lust  einst  an. 

Mich  noch  einmal  zu  fangen. 


344 

2I05     Ich  sag's  Euch  allemal, 

Ihr  müsst  es  lassen  bleiben, 
Dann  kömmt  Ihr  übel  an  — 
Ich  werd  Euch  nie  verlangen. 

Läuft  über  das   Theater  ab. 

Pilatus  zu  Christus. 

Du  aber  richte  dich, 
2  1  lo     Musst  dich  zum  Tod  bereiten! 

Jetzt  kannst  vernehmen  mich, 

Was  ich  dir  werd  andeuten. 

Was  ich  dir  sagen  soll : 

Jetzt  kommt  die  letzte  Zeit, 
2  1 15     Der  Juden  Räch  ist  voll. 

Nun  hör  den  letzten  B'scheid.     Liest  das  Urtheil. 

Urtheil : 
Ich  Pontius  Pilatus,  Landpfleger  und  Blutrichter 
zu  Jerusalem,  unter  dem  allermächtigsten  Kaiser 
Tiberio  etc.  . 

2120  Demnach  dieser  gegenwärtige  Jesus  von  Nazareth, 
aus  Galilaea  gebürtig,  von  den  hohen  Priestern 
auch  Aeltesten  des  gesammten  jüdischen  Rathes 
angeklagt,  dass  er,  unangesehen,  von  geringen 
Eltern ,     sich     dennoch    zu    einem    König    der 

2125  Juden  aufgeworfen  und  gar  zum  wahren 
Messias  machen  wollen ,  so  haben  wir  allem 
diesem  fleissig  nachgeforscht,  auch  der  Ursach 
zu  sein  befunden ,  dass  gegenwärtiger  Uebel- 
thäter    mit   jenen    zwei    gleichmässig   zum    Tod 

2130  verurtheilten  Mördern  mit  eisernen  Nägeln  an 
das  Kreuz  genagelt  werde ,  allen  Aufwieglern 
zum  abschreckenden  Spectakel.  Zur  Urkund 
und  Unwiderruflichkeit  dessen  zerbreche  ich 
über  dich  den  Stab  und  erkläre  dich  als  einen 

2135     Mann  des  Todes.  Jerusalem,  im  März  Anno  4028. 
Der  Urtheilsstab  ist  ihm 
Jetztund  nun  abgebrochen : 
Sein  Blut  komm  über  Euch, 
Ich  will  sein  ungerochen ! 


345 

Alle. 
2140     Sein  Blut  komm  über  uns 
Und  über  unsre  Kinder! 

Christus. 

Hab  ich  diess  wohl  um  Euch  verdienet, 

O  Ihr  treulosen    Herzen, 

Da  ich  Euch  habe  stets  gedient? 

2145     Diess  kränket  mich  mit  Schmerzen. 

Kein  Tag,  kein'   Stund,  kein  AugenbHck 

Hab  ich  es  unterlassen, 

Euch  meine  Lieb  so  inniglich, 

Zu  zeigen   allermassen. 

Der  Mittelvorhang  schliesst  sich.    Christus  zvird  von  den 
Juden  abgeführt. 


13.  Auftritt. 

Wald. 
Der  Tod  allein. 
Tod. 
2150     Den  Mächtigsten  der  Welt 

Hat  meine  List  besieget, 

Aufs  Kreuz  wird  er  gestellt, 

Damit  er  unterlieget 

Der  Macht,   die  ich  nun  will 
2155     Ihm  zeigen  bald  im  Werke. 

Bedenk,  o  Mensch,  so  mehr. 

Was  ist  denn  deine  Stärke, 

Wenn  nun  sogar  auch  er 

Als  Gottmensch  unterlieget? 
2160     O  sage  mir  doch  nur, 

Wer  meine  Macht  besieget? 

Erkenne  nun  an  mir, 

Dass  mir  nichts  widerstrebet, 

Dass  gar  kein  Bleiben  hier, 
2165     Dass  Niemand  ewig  lebet.  Geht  ah. 


346 

14-  Auftritt. 

Kerker. 

Christus  im  Kerker,  zzvei  Jtiden  auf  der  Wacht. 

Ein  Engel  erscheint  und  singt: 

Ach,  wie  schwer  ist  dir,  mein  Gott, 

Was  leid'st  du  für  Schand  und  Spott ! 

Im  Kerker  musst  du  sitzen  und  leiden 

Endlich  gar  den  Tod : 
2170     Niemand  thut  dich  bedauern, 

Thun  nur  auf  Hoffart  lauern, 

Wegen  deiner  Sund, 

O  Adamskind ! 

Ach  lasst,  ach  lasst  uns  trauern  1 
2175     O  Jesu,  sei  getrost. 

Weil  du  die  Welt  erlöst 

Von  Sündenband 

Mit  Spott  und  Schand, 

Da  all's  verloren  g'west. 
2180     O  Sünder,  fass  zu  Herzen 

Christi  Leiden,  Tod  und  Schmerzen : 

Die  Unzucht  meid, 

Den  Geiz  und  Neid, 

Hoffart  und  Liebesschmerzen.  Geht  ah. 

15.  Auftritt. 

Kreuzziehung  und  Kreuzigung. 

Das  ganze  Personal. 

Pilatus. 

2185     Nun  gehn  wir  an  die  Statt, 

Das  Urtheil  zu  vollbringen, 

Wozu  der  g'sammte  Rath 

Mit  G'walt  mich  that  bezwingen. 

Allons,  Ihr  Henker,  gleich 
2190     Nehmt  diesem  Mann  das  Leben: 

Aus  mein'  Befehl  nicht  weicht. 

Wie  das  Decret  thut  geben. 


347 


Christus, 

Hat  meine  Lieb  dies  wohl  verdienet, 

Die  ich  zu  Euch  stets  trage, 
2195     Dass  Ihr  mich  dafür  so  belohnt? 

Niemand  hört  meine  Klage. 

Kein  Tag,  kein'  Stund,  kein  Augenblick, 

Wo  ich  nicht  allermassen 

Hier  habe  meinen  Gnadenblick 
2200     Euch  allzeit  sehen  lassen. 

Nun  aber  zur  Undankbarkeit 

Thut  Ihr  mich  also  plagen, 

In  meiner  grössten  Traurigkeit 

Mit  harten  Streichen  schlagen. 
2205     Mein  Haupt,  ach,  dieses  leidet  sehr, 

Weil  es  mit  Dorn  gekrönet : 

Ihr  mich  verlacht,   verspottet  mehr, 

Ein'  Thoren  Ihr  mich  nennet. 

Dem  ganzen  Volk  Ihr  mich  vorstellt, 
2210     Wirklich  zum  Kreuz  verdammet! 

Das  Todeskreuz  ist  mir  bestellt : 

Dies  schmerzlich  mich  ankommet. 

Weil  ich  aber  verurtheilt  bin, 

Gekreuziget  zu  werden, 
2215      So  führet  mich  zur  Richtstatt  hin 

Für  Sünder  hier  auf  Erden. 

Freimann. 
Legt  ihm  das  Kreuz  auf  seinen  Rücken, 
Und  soll's  ihn  auch  zu  Boden  drücken. 

Erster  Rittmeister. 
Allons,  Ihr  Herren,  mir  nachreit't 
2220     Und  haltet  Euch  zur  rechten  Zeit: 

Ihr  schwenket  Euch  dort  an  der  Reih, 
Reitet  nur  allzeit  zwei  und  zwei. 

Zzveiter  Rittmeister. 
Ihr,  meine  Trupp,  geht  hintennach, 
Und  haltet  Euch  nur  fein  gemach : 
2225     Hebt  scharf  das  G'wehr  und  seid  bereit, 
Haltet  hindan  den  Häuf  der  Leut. 


348 

Hauptmann. 
AUons,  marschiert  zugleich  fortan, 
Und  Ihr  führt  diesen  Hexenmann: 
Ihr  all  dabei  habt  scharfe  Wacht 
2230     Und  führet  ihn  nur  wohlbedacht. 

Freimann, 
Sprecht  ihm  nur  zu  und  seid  wohlauf, 
Schlagt  nur  brav  zu,   es  geht  schon  drauf: 
Fort,  fort,  du  falscher  Lügenprophet, 
Das  Kreuz  fürwahr  dir  wohl  ansteht,- 

Erster  Jude. 
2235     Auf,  auf,  und  laufet,  jung  und  alt. 

Mein  Hörn  anjetzo  sehr  laut  schallt: 
Eilt  nur  zusamm,  ein  Jeder  lauf 
Und  wartet  dem  Judenkönig  auf! 

Zweiter  Jude. 

Dem  König  gross  dies  Prangen  g' fällt, 
2240     Weil  er  das  Ktcuz  am  Buckel  hält: 
Er  führet  einen  grossen  Nam', 
Drum  traget  er  den  Kreuzesstamm. 

Dritter  Jtide. 
Jetzt  kannst  du  gehn  mit  diesem  Kreuz, 
Schau,  wie's  dir  schmecken  wird ! 
2245     Trag  es  nur  fort,  dich  nicht  lang  spreiz. 
Zum  Tod  man  dich  ausführt. 

Vierter  Jude, 
Der  faule  Mann  will  nicht  recht  gehn. 
Glaub  nicht,  dass  wir  dich  lassen  stehn. 

Erster  Fall  Christi  unter  dem  Kreuze. 

Erster  Jude. 
Ihr  Brüder,  seht,  wie  er  sich  stellt, 
2250     Er  will  schon  da  verbleiben: 

Seht  nur,  wie  er  am  Kreuz  sich  prellt, 
Man  wird  ihn  weiter  treiben. 


349 


Veronika, 

Ach,  du  ganz  schwacher,  halbtodter  Mann, 

Des  Lebens  blosser  Schatten, 
2255     Du  hast  ja  Niemand  Leids  gethan, 

Doch  bist  du  so  beladen ! 

Dergleichen  man  nicht  hat  erhört. 

Auch  Niemand  kann  es  sagen, 

Dass  einmal  Jemand  so  beschwert 
2260     Das  Kreuz  selbst  musste  tragen. 

Ich  bitt',  ihm  doch  nur  Zeit  vergunnt, 

Bis  er  sich  kann  erholen ; 

Nimm  hin  dies  Tuch,  wisch  ab  dein'  Mund: 

Christus  trocknet  sich  ab  und  giebt  das   Tuch  zurück. 

Wie  bist  du  so  verschwollen ! 
2265     Seht  doch  das  Angesicht  von  ihm. 

Wie  klar  ist  es  formiret, 

Das  Herz  im  Leib  mir  bricht  dahin. 

Den  Sinn  mir's  ganz  verwirret! 

O  Jesu  mein,  was  hast  du  mir 
2270     Für  einen  Schatz  gegeben? 

Dein  Angesicht  verstellt  ist  hier: 

Ich  küss  es  herzlich  eben. 

Christus. 

Behalt  diess  Tuch,  worin  mein  G'stalt, 

So  ich  hab  eingedrücket : 
2275     Sieh,  wie  mein  Contrafei  dir  g'fallt, 

Mit  mein'  Blut  ausgeschmücket. 

Diess  gieb  ich  zum  Geschenke  dir, 

Weil  du  mich  nicht  vergessen. 

Da  grosse  Lieb'  du  trägst  zu  mir: 
2280     Dein  Lohn  bleibt  unermessen. 

Zweiter  Jude. 

Pack  dich  von  dannen  hin, 
Hab  g'nug  gehört  dein  Klagen, 
Ich  schon  erbittert  bin. 
Ich  fass  dich  bei  dem  Kragen. 


35° 

Dritter  Jude. 
2285      Starker  König,  schwacher  Tropf, 

Brauch  dein'   Stärk,  heb  auf  dein'  Kopf: 
Schau  mich  an,  du  bist  ganz  stolz, 
Du  bist  so  schwer,  wie  astig's  Holz. 

Vierter  Jude. 
Uebelthäter,  fort  mit  dir! 
2  2QO     Nimm  dein  Kreuz  und  gleich  marschier! 
Du  bist  wohl  ein  fauler  Gast : 
Fort,  ich  lass  dir  keinen  Rast. 

Zweiter  Thürhüter. 
Wie  geht  es  dir?  Du  siehst  schön  aus: 
Ich  glaub,  du  schwitzest  Blut  heraus? 
2295     Ich  hätte  dich  bald  nicht  gekannt, 

Mir  scheint,  dich  hat  die  Sonn'  gebrannt. 

Malchus  führt  die  zwei  Schacher, 
Malchus. 

Nur  fort  mit  Euch,  ihr  Mördersleut, 

Es  ist  verloffen  Eure  Zeit, 

Es  g'schieht  Euch  nun,  was  Ihr  verdient, 
2300     Man  wird  ausstrecken  Eure  Hand. 

Lauft  zu,   sonst  kommet  Ihr  zu  spät, 

Ein  Jeder  b'sondern  Galgen  hätt. 

Man  wird  mit  Euch  deit  Zaubrer  eben 

Sogleich  auch  in  die  Luft  erheben. 
2305     Was  Ihr  schon  lang  im  Schild  geführt, 

Man  Euch  anheute  zeigen  wird. 

Das  Laster  man  mit  Straf  bezahlt, 

Tod  für  Tod  das  Urtheil  fallt. 

Leut  erstechen,  schlagen  todt, 
2310     Dies  hört  man  von  Eurer  Rott : 

Blut  für  Blut,  heisst  's  G'setz  mit  Recht, 

Drum  seid  Ihr  zum  Hängen  recht. 

Zweiter  Fall  Christi  unter  dem  Kreuze» 
Maria. 
Ach,  wie  geht's,  mein  liebster  Sohn, 
Was  grosse  Last  musst  tragen? 


35^ 


2315     Ist  dieses  denn  der  Liebe  Lohn? 

O  schwerer  Todesschragen ! 

Sag,  wer  hat  den  dir  auferlegt? 

Die  Bürd'  drückt  bis  zum  Herzen ; 

Ihr  Menschen,  helft  doch,  was  Ihr  könnt, 
2320     Macht  Jesu  ringere  Schmerzen! 

Ach  du,  mein  allerHebstes  Kind, 

Lass  mich   mit  dir  auch  gehen  : 

Bis  dass  du  eine  Ruhstatt  find'st. 

Will  ich  dir  treu  beistehen. 

Erster  Portier. 

2325     Schau,  Weib,  sieh  die  drei  Nägel  an, 
Woran  dein  Sohn  muss  hangen, 
Sie  werden  ihm  wohl  taugen  schon, 
Wann  er  am  Kreuz  wird  prangen. 

Freiman7i . 

Fort,  fort  mit  dir  zur  Schädelstatt, 
2330     Beim  Thor  hinaus,  du  hast  kein'  Gnad ; 
Doch  muss  er  einen   G'hilfen  haben, 
Der  ihm  das  Kreuz  wird  helfen  tragen. 

Simandl  grabt  m  der  Erde. 

Zweiter  Jude. 
Ihr  Brüder,  seht,  hier  ist  ein  Mann, 
Der's  Kreuz  muss  helfen  tragen, 
2335     Und  will  er  nicht  sogleich  daran, 
Wir  ihn  zu  Boden  schlagen. 

Erster  Jude. 
Weil  du  gleich  stehest  müssig  hier. 
Spreiz  dich  nicht  lang  und  geh  mit  mir, 
Ich  will  ein'  guten  Dienst  dir  geben : 
2340     Geh,  hilf  dem  Mann  das  Kreuz  nachheben. 

Sitnafidl. 
Was,  glaubt  Ihr,  ich  steh  Euch  zu  G'fallen  ? 
Du  wirst  für  mich  kein'  Kreuzer  zahlen ! 
Ich  kann  hier  nicht  verlieren  Zeit, 
Es  giebt  wohl  andre   müssige  Leut. 


352 

2  345     Ic^  muss  zu  meinem  Acker  schaun, 
Den  ich  noch  habe  umzubaun. 

Erster  Jude. 
Geh  nur  fein  g'schwind,  brauch  nicht  ein  Wort, 
Und  hilf  das  Kreuz  ihm  tragen  fort! 
Und  willst  du  nicht  gehorsam  sein, 
2350     Wir  schlagen  dir  den  Buckel  ein. 

Simandl. 
Weil  du  bist  ein  so  schwacher  Mann,  ' 
Will  ich  dir  helfen,  was  ich  kann. 
Ihr  Männer,  seid  auf  uns  nicht  hart, 
Der  Mann  von  Leib  ist  schwach  und  zart: 
2355     Und  weil  ich  kann,  will  ich  wohl  tragen; 
Ihr  müsst  halt  bald  ein'  Andern  fragen. 

Christus, 

O  recht,  mein  Mensch,  dass  du  bereits 
Zu  Hilf  mir  bist  gekommen ; 
Ich  habe  dieses  schwere  Kreuz 
2360     Weg'n  dir  auf  mich  genommen. 
Du  folge  mir  getrost, 
Lass  dich  von  mir  nicht  ab. 
Du  hast  gewählt  das  Best, 
Ich  werd  dies  zahlen  ab. 

Erster  Jude. 
2365     Was  nützt  dein  Plaudern  viel  und  mehr? 
Pack  dich  mit  deiner  falschen  Lehr! 
Marschiert  nur  fort  da  auf  der  Strass, 
Ich  Euch  dazu  den  Marsch  auf  blas'. 

Zweiter  yude. 
Du  lausiger  Tropf,  geh  schneller  fort, 
2370     Dass  wir  bald  kommen  an  den  Ort: 
Du  machst  ja  einen  Schneckengang, 
Thust  dich  verweilen  allzu  lang. 

Dritter  Jude. 
Aliens,  zieht  an,  es  geht  gar  schlecht, 
Wir  kommen  sonsten  nicht  zurecht. 


353 


2375     ^^>  kleiner  Mann,  schieb  hinten  nach, 
Und  trag,  dass  dir  der  Buckel  kracht. 

Vierter  Jude. 

Fort,  fort  mit  dir,  hier  ist  kein'  Bank, 
Du  bist  sehr  faul  und  stellst  dich  krank : 
Der  König  brauchet  grosse  Pracht, 
2380     Sein'  Reis'  er  majestätisch  macht. 

Dritter  Fall  Christi  ujiter  dem  Kreuze. 

Christus. 
Will  sich  denn  Niemand  wagen, 
Der's  Kreuz  mir  ringer  macht? 
Ich  kann's  nicht  weiter  tragen 
Und  hab  nicht  mehr  die  Kraft. 

Veronika. 
2385     Ach,  wie  bin  ich  sehr  betrübet! 

Was  zeigt  mir  dieses  Trauerbild? 

Wann  ich  anseh,  was  ich  geliebet, 

Ist  nichts,  was  mir  die  Schmerzen  stillt. 

O  Jesu,  wie  bist  du  zerschlagen, 
2390     Und  also  übel  zugericht't! 

Das  schwere  Kreuz  musst  du  noch  tragen, 

O  holdsehgstes  Angesicht. 

Wer  zählet  mir  die  Tropfen  Blut, 

Wer  zählt  mir  alle  Wunden, 
2395     Die  dich  so  brennen,  wie  die  Glut, 

Alle  Glieder  voll  der  Schrunden  1 

O  wahrer  Gott  und  Menschensohn, 

Wo  ist  dein  G'stalt  hing' wichen? 

Es  wundern  sich  gar  Sonn  und  Mond, 
2400     Sind  selbst  darob  verblichen. 

Erster  Jitde. 
Die  Schacher  sind  zwei  gleiche  Narren, 
Taugen  in  den  Schinderkarren, 
Wie  sie  sein,  ist  dieser  G'spann: 
Sie  bekommen  auch  den  gleichen  Lohn. 

Volksschauspiele.     II.  23 


354 

Zweiter  Jude. 
2405     Gleich  und  gleich  gesellt  sich  gern, 
Wie  man  in  dem  Spruch  thut  hör'n: 
Ein  Schelm  dem  andern  G'spannschaft  leist; 
Schlagt  zu,  weil  ihm  der  Buckel  beisst. 

Maria    konunt   mit  yohannes ,    Martha    und  Magdalena 
gegangen. 

Maria. 

O  mein  Johann,  ich  bitte  dich, 
2410     Zeig  mir  den  rechten  Ort, 

Damit  den  Sohn  wohl  sehe  ich, 
Und  sprechen  könnt  ein  Wort. 

Johannes. 

Wenn  es  so  Euer  Wille  ist, 

Ihr  allerliebste  Frauen, 
2415     So  lasst  uns  gehn,  spart  keine  Frist, 

Wir  wollen  ihn  beschauen. 

Ich  glaub,  wir  sind  am  rechten  Weg, 

Wie  die  Blutstropfen  zeigen : 

Hier  wimmelt  all's  am  Weg  und  Steg, 
2420     An  allen  Seitensteigen. 

Vierter  Fall  Christi  unter  dem  Kreuze. 

O  seht,  Ihr  lieben  Frauen  fein, 

Dort  fallt  er  eben  nieder: 

Verschmachten  muss  er  ganz  allein. 

Niemand  bringt  ihn  herwieder. 

Christus. 
2425     O  allerliebste  Mutter  mein. 

Sieh  an  mein  grosses  Leiden ! 
Ach,  tröste  dich,  es  muss  so  sein, 
Ich  werde  bald  verscheiden. 

Maria. 
Ach  Sohn,  wie  bist  du  so  v^rblasst, 
2430     An  dieser  Todesstrassen, 

Was  drückt  dich  für  ein'  schwere  Last ! 
Wer  kann  mein  Elend  fassen? 


355 

Ach,  wie  ist  mir  so  angst  und  bang! 
Muss  ich  denn  heut   verlieren, 
2435     Den  ich  getragen  neun  Monat  lang? 
Zum  Tod  that  man  ihn  führen  1 

Magdalena. 
O,  ich  muss  diese  Todesstrass 
Mit  reuigen  Zähren  netzen. 

Martha. 
Zu  zeigen,  dass  ich  ihm  auch  lieb, 
2440     Will  ich  ihm  auch  nachsetzen. 

Veronika. 
O  Jesu,  deine  Todesschwächen 
Dich  jetzo  wieder  überfallt. 
Kein  Wort  vor  Angst  kannst  du  fast  sprechen : 
Wie  theuer  wird  die  Sund  bezahlt! 
2445     I^^  ^ist  vom  Blut  ganz  überfärbt, 
So  grausamlich  bist  du  verstellt; 
Dir  ist  der  ganze  Leib  verderbt  1 
Wer  ist,  der  deine  Wunden  zählt? 

Christus. 

Ihr  Töchter  von  Jerusalem, 
2450     Thut  mich  nicht  so  beklagen. 

Der  Will  des  Vaters  muss  geschehn, 

Das  Leiden  muss  ich  tragen. 

Weint  über  mich  nicht  also  sehr, 

Lasst  Euch  dies  nicht  so  schmerzen : 
2455     Wegen  Euren  Kindern  weint  vielmehr! 

Dies  nehmt  Euch  wohl  zu  Herzen. 

Hauptmann. 
Auf,  auf,  es  ist  schon  hohe  Zeit, 
Man  darf  nicht  lang  verweilen : 
Geh,  mach  dich  nur  sogleich  bereit, 
2460     Dem  Richtplatz  zuzueilen. 

Will  er  nicht  gehen,  so  schlaget  zu 
Mit  Prügel  und  mit  Ruthen: 
Bald  findest  du  dann  deine  Ruh, 
Sie  kommt  dir  wohl  zu  guten. 

23* 


356 

Freimann. 
2465     Nun  ist  es  bald  gethan 

Mit  deinen  Wundersachen  1 

Sieh  deinen  Thron  dort  an, 

Dort  kannst  Parade  machen. 

Jetzt  siehst  du  schon  den  Ort, 
2470     Wohin  du  musst  marschieren! 

Pack  dich  nur  weiter  fort, 

Du  kannst  dich  nicht  mehr  irren. 

Erster  Jude. 
Bist  nicht  so  schwach,  hui  fort  mit  dir, 
Hast  nicht  mehr  lang  zu  steigen  1 

Zweiter  Jude, 
2475     Dein  Bleiben  ist  ja  nicht  allhier, 

Wollen  dir  den  Weg  schon  zeigen. 

Dritter  Jude. 
Geh  nur  mit  uns,  du  kannst  nicht  fehl'n, 
Eil  nur,  du  musst  von  dannen. 

Vierter  Jude. 
Seht,  wie  der  Zaubrer  sich  kann  stell'n, 
2480     Mit  seiner  Königskronen. 

Annage  hing  an  das  Kreuz. 
Pilatus. 
Nun  sind  wir  an  der  Statt, 
Das  Urtheil  zu  vollbringen, 
Wozu  der  g'sammte  Rath 
Mich  endlich  thut  bezwingen. 
2485     Du,  Henker,  alsogleich 

Nimm  diesen  drei'n  das  Leben, 
Aus  mein'  Befehl  nit  weich, 
Wie's  Urtheil  lautet  eben. 

Hauptmann. 

Dies  ist  ja  unser  Will, 
2490     Dass  Christus  solle  hangen: 
So  wünschen  es  gar  viel, 
Dass  er  am  Kreuz  soll  prangen. 


357 


Freimann. 

So  greift  nur  an  mit  Ernst  das  Werk, 
Ein  jeder  zeige  Kraft  und  Stärk! 
2495     Du,  Stixl,  zieh  ihm  aus  den  Rock  — 
Rühr  dich,  sei  doch  kein  fauler  Stock. 

Erster  Jude. 

Damit  es  gehe  nach  der  Kunst, 
So  pack  ihn  an,  jedoch  mit  Gunst. 

Zweiter  yude. 

Allons,  streck  deine  Hand  von  dir, 
2500     So  geht  es  g'schwinder  für  und  für. 

Christus . 

Sieh,  Mensch,  wie  weit  ich  kommen  bin. 
Welch  schwere  Last  ich  trage. 
Wie  ich  am  Leib  zerrissen  bin. 
Du  siehst  ja  meine  Plage. 

2505     Denk  meiner  Mal'  an  Hand  und  Füss, 
Wie  du  hernach  wirst  sehen, 
Durch  meine  Brust  ein  scharfer  Spiess 
In  mein  Herz  wird  eingehen. 
Doch  ist  dein'  Lieb  ganz  lau  und  kalt, 

2510     Gar  wenig  thust  dergleichen: 

Kann  denn  mein  blut'ge  Todesg'stalt 
Dein  Herz  gar  nicht  erweichen? 
Für  dich  am  Kreuz  ich  sterben  muss, 
Dass  du  nicht  gehst  verloren  1 

2515     O  Sünder,  greife  doch  zur  Buss, 
Du  bist  zum  Heil  geboren: 
Denk,  dass  ich  für  dich  sterben  muss, 
Ansonst  gehst  du  verloren. 

Erster  Jude. 
Dieweil  wir  nun  jetzt  fertig  sein, 
2520     Leg'n  wir  dich  in  das  Bett  hinein, 

Und  weil  du  matt  bist  von  der  Reis, 
Drum  schwitzest  du  blutrothen  Schweiss. 


358 

Frei7nann. 
Bind  ihm  zuerst  den  Strick  um  d'  Hand 
Und  zieht,  dass  's  ihm  die  Flachs  zertrennt 

Dritter  yude. 
2525     Du  Tropf,  die  Füss  herab  fein  ruck, 
Heut  machen  wir  ein  Meisterstuck. 

Vierter  Jude. 
Bind't's  ihn  fein  fest,  greift's  nur  zusamm, 
Zieht's,  dass  sich  biegt  der  ganze  Stamm. 

Freityiann. 
Lasst  nur  nicht  nach,  es  geht  wohl  noch : 
2530     Jetzt  sind  die  Füss  beim  rechten  Loch. 
Du  Zauberer,  sei  wohl  getrost, 
Denn  jetzt  bekommst  du  deinen  Rest. 

Maria . 
Ihr  Henkersknecht,  ach,  doch  verschont 
Jesum,  mein  liebsten  Sohnl 

2535     Wird  so  die  Treu  mit  Tod  belohnt? 
Er  hat  nichts  Leids  gethan. 
Ihr  Menschen,  ich  bitt,  seid  barmherzig. 
Indem  er  Euch  das  Leben  giebt  — 
Lasst  ab,  ich  bitt  Euch  treuherzig, 

2540     Ich  bitt  für  ihn,  den  ich  hab  lieb. 
O  Jesu,  mit  dir  will  ich  sterben. 
Das  ist  ja  deiner  Mutter  Ziel : 
Lass  mich  die  Gnade  doch  erwerben, 
Mit  dir  ich  auch  nun  sterben  will. 

Hauptmann. 

2545     Fort,  fort  mit  dir!    Pack  dich  hindan, 
Dein  Sohn  sich  selbsten  helfen  kann! 
Troll  dich  nur  bald  von  unsern  Füssen, 
Ansonsten  wir  Ernst  brauchen   müssen. 
Nun  höret  Ihr,  Ihr  meine  Leut! 

2550     Wann  Ihr  mit  dem  Werke  fertig  seid: 
Ich  will,  dass  man  den  Landrebell 
Zwisch  beide  in  die  Mitte  stell. 


359 

Fre'wianji . 

Allons,  Ihr  Knecht'  !    Greift  nur  recht  an, 

Und  setzet  gleich  die  Leiter  an: 
2555      Ihr  vier  helft  z'samm   mit  Stang  und  Spiessen, 

Und  ich  will  heben  bei  den  Füssen. 

Und  oben  macht  das  Seil  nur  fest: 

Greift  nur  zusamm'  aufs  allerbest. 

Doch,  was  hätt  ich  vergessen  noch  1 
2560     Die  Schrift  kommt  oben  ob  dem  Kopf, 

Damit  doch  alles  wissen  kann, 

Wer  dann  gewesen  dieser  Mann. 

Die  Inschrift  wird  aufgehangen. 

Nun  habe  ich  gerichtet  recht? 

Landpfleger,  sagt  es  Eurem  Knecht ! 

Pilatus. 

2565     Du  hast  gethan,  was  Recht  vermag, 
Ich  hab  dawider  keine  Klag, 
Und  weil  das  Werk  nun  ist  vollbracht, 
Und  der  Sach  nun  hab  ein  End  gemacht, 
So  ist  nun  Euer  Wunsch  gestillt, 

2570     Weil  ich  ja  treu  ihn  hab  erfüllt. 

Kaiphas. 
Nun,  dies  verlangten  wir  von  dir, 
Dass  du  den  Hexenmann  allhier 
Sollst  lassen  an  das  Kreuz  anschlagen, 
Damit  wir  ruhen  dieser  Tagen. 
2575     Du,  Künstler,  jetzt  lass  Zeichen  sehen, 
Dann  wollen  wir  dir  gern  gestehen, 
Dass  du  bist  aller  Ehren  werth 
Und  fromm  hast  g'lebt  auf  dieser  Erd. 

Pilatus. 
Damit  man  nun  auch  wissen  kann 
2580     Die  Ursach  von  sein  Tod, 

Drum  hängt  den  Titel  oben  an, 
Ihm,  oder  Euch   zum  Spott. 
Weil  er  Messias  Nam' 
Sich  selbst  hat  geben, 


36o 

2585     Vom  königlichen  Stamm 
Aus  Galiläa  eben : 
Darum  habe  ich  die  Schrift 
In  dreien  Sprachen  g'schrieben, 
Damit  es  jeder  sieht 

2590     Und  sich  daran  kann  üben, 
Zu  lesen  auf  Hebräisch 
Auf  Griechisch  und  Latein, 
Wie  es  von  Jedermann 
Wird  zu  vernehmen  sein. 

Annas. 

2595     Uns  ist  die  Schande  nur  allein, 
Dass  man  thut  also  schreiben  1 
Er  soll  der  Juden  König  sein? 
Man  lasse  solches  bleiben. 
Man  wird  sich  daran  stossen  hart  — 

2600     Lasst  solches  corrigieren  : 

Das  Volk  ist  für  die  Schmach  zu  zart, 
Zur  Ungnad  wirst's  anführen. 

Her  ödes. 

Dies  wir  erdulden  nicht, 

Dass  er  soll  König  sein : 
2605     Dies  ihm  den  Hals  zerbricht. 

Wir  lassen  uns  nicht  ein. 

Man  würde  uns  zum  Spott 

Vorwerfen  auf  das  Neu, 

Dass  unser  König  todt 
2610     Am  Kreuz  geworden  sei. 

Fraudolo. 
Dies  war  der  grösste  Spott 
Dem  ganzen  Judenreich : 
Wir  alle  litten  doch 
Den  Vorwurf  noch  zugleich, 
2615     Dass  wir  den  König  selbst 
Gekreuzigt  und  zerschlagen : 
Wer  würde  den  Affront 
Wohl  können  noch  ertragen  ? 


361 


Pilatus. 

Was  ich  geschrieben  hab, 
2620     Das  soll  geschrieben  bleiben, 

Die  Schrift  kommt  nicht  herab, 

Ich  will  nicht  anders  schreiben. 

Weil  Ihr  ihn  angeklagt, 

Hab  ich  ihn  verurtheilt: 
2625     Ist  es  gefehlt,  so  sagt, 

Hab  ich  mich  übereilt? 

Robam, 
O,  seht  den  Künstler  an. 
Wie  er  sich  hat  geprahlt, 
Dass  er  den  Tempel  kann, 
2630     Wie's  ihm  beliebt  und  g'fallt, 
Abreissen  bis  zum  Grund 
Und  in  drei  Tagen  wieder  baun: 
So  mach'  er  es  zur  Stund, 
Lass  nur  das  Wunder  schauen. 

Falsuto. 
2635      Du  bist  ja  der  Prophet, 

Der  Land  und  Leut  verführet : 
Das  Kreuz  dir  gut  ansteht, 
Wie  sich's  nach  Recht  gebühret. 

Christus.     Erstes    Wort. 

Vergieb,  o  Vater,  doch  die  Sund, 
2640     Die  sie  an  mir  vollbringen: 

Sie  wissen's  nicht  und  sind  ganz  bHnd  — 

Lass  meine  Bitt  eindringen ! 

Du  weisst,  o  Vater,  dass  sie  sind 

Mit  Blindheit  überfallen, 
3645      Darum  aus  lauter  Liebsbegier 

Will  ich  die  Schuld  bezahlen. 

Mafia. 
Der  Sohn  den  Vater  um  Gnad  zuschreit, 
Den  Sünder  nicht  zu  strafen  I 
Ach,  mütterliches  Herzeleid, 
2650     Der  Mensch  hat  Gnad  zu  hoffen. 


362 

Ich  trostlos  hier  vergehen  muss, 
Weil  ich  von  dir  muss  scheiden : 
Der  Mensch  nach  abgelegter  Buss 
Kann  hoffen  Himmelsfreuden. 

Germas ^  der  linke  Schacher, 

265^     Für  seine  Feinde  er  nun  bitt', 

Und  kann  sich  selbsten  helfen  nicht. 
Hilf  mir  und  dir  vom  Kreuz  hindan ! 
Dir  Selbsten  hilf  und  auch  uns  zwein : 
Was  nützt  das  Jammern  und  das  Schrein? 

2660     Doch  sehe  ich,  es  ist  umsonst, 

Du  hast  bei  Niemand  Gnad  noch  Gunst. 

Älendax. 

Hätt  er  gelebt  nach  G'setzes  Recht, 
Dürft  er  am  Kreuz  nicht  hangen : 
Er  sterbe  nur,  es  g'schieht  ihm  recht, 
2665     Verdient  allhier  zu  prangen. 

Für  Zaubern  und  auch  Leut  verführen 
Kann  man  ihn  ja  nicht  pardonieren. 

Do  lax. 
Er  hat  sich  unterstanden  viel, 
Das  Volk  gelenkt  nach  seinem  Will' 
2670     Mit  falscher  Lehr  und  Lügnerei : 
Sagt,  ob  denn  dieses  redlich  sei? 

Dismas,   der  rechte  Schacher. 

O  Schacher,  erwach  vom  Sündenschlaf, 
Denk,  dass  du  billig  leid'st  die  Straf: 
Die  Straf  kommt  für  die  Sund  von  Gott, 
2675      Drum  leiden  wir  auch  heut  den  Tod. 
O  Herr,  gedenke  doch  nur  mein, 
Wenn  du  in  deinem  Reich  wirst  sein. 

Christus.     Zweites   Wort. 

WahrHch,  wahrlich  sag  ich  dir, 

Du  kannst  gewiss  darauf  auch  bauen : 


3^3 


2680     Du  wirst  im  Paradies  mit  mir 

Die  Himmelfreud  heut  schauen: 
Du  bist  von  mir  erhöret  schon, 
Dein  Glaub'   soll  dich  belohnen ! 
Du  hast  erworben  heute  schon 

2685     Von  Gott  die  Marterkronen. 

Martha. 

Was  sind  dies  für  Trostes  Wort'  ? 
Der  Sünder  sieht  den  Gnadenort, 
Dass  ich  ihn  auch  verlangen  kann : 
Sieh  mich,  o  Herr,  in  Gnaden  an. 

Magdalena. 

2690     Ich  bitte,  lass  mich  durch  dein  Sterben 
Den  Himmel  auch  mit  dir  erwerben : 
O  Jesu  mein,  ich  dich  umfange 
An  dieser  harten  Marterstange. 

Maria. 

O  bitter's  Scheiden !    Lieb  von  Lieb, 
2695     Die  Mutter  von  dem  Sohne! 

Mein- Herz  ist  bis  zum  Tod  betrübt  — 

O  schwere  Marterkrone ! 

Ich  nun  von  dir  verlassen  bin. 

Ein'   Mutter  voller  Schmerzen : 
2700     Mit  dir  ich  nun  erblass  dahin, 

Der  Geist  weicht  aus  dem  Herzen. 

Christus.     Drittes   Wort. 

Nimm  wahr,  o  Weib,  sieh  deinen  Sohn, 
Der  neben  dir  thut  stehen, 
Er  wird  dich  pflegen  treulich  schon, 
2705     In  aller  Noth  beistehen. 

Johannes  nimm  dein'  Mutter  wahr, 
Sollst  sie  niemals  verlassen, 


364 


Steh  ihr  auch  bei  in  aller  G'fahr, 
Und  lieb  sie  über  die  Massen. 


yohannes. 

2710     O  gross  Vertrauen,    Sorg  und  Lieb, 
So  mir  mein  Herz  und  Seel  betrübt  I 
Dein  Mutter  mir  empfehlest  an, 
Ich  will  ihr'  treulich  pflegen  schon. 
Denn  weil  mir  nichts  kann  werther  sein, 

2715     Als  Maria,  die  Mutter  dein: 

Verlass  uns  nicht  mit  deiner  Gnad, 
Wenn  unser  Leben  sich  geendet  hat. 

Christus,      Viertes   Wort. 

Ach  weh,  wie  durstet  mich  so  hart, 

Die  Lieb  thut  mich  erhitzen : 
2720     Vater,  mein  Mund  ein'  Trunk  erwart, 

Den  Todesschweiss  thu  schwitzen. 

Zu  dir  streck  aus  ich  meine  Arm', 

Um  für  die  Welt  zu  bitten: 

Ach  Gott,  dich  ihrer  doch  erbarm, 
2725     Mein  Herz  vor  Lieb  thut  zittern. 

Annas. 

Hört,  wie  der  versoffne  Mann 

Um  das  Trinken  bitten  kann ! 

Du  kannst  schon  haben  nach  deinem  Willen, 

Mit  Essig,  Gall  deinen  Durst  zu  stillen. 

Erster  ytide, 

2730     Weil  dir  ist  in  dem  Maul  so  sper, 

So  komm  ich  mit  dem  Trunk  daher: 
Mit  diesem  kann  man  dich  wohl  laben, 
Willst  du  noch  mehr,  so  kannst  es  haben. 

Christus.     Fünftes   Wort. 

Consummatum  est,  es  ist  vollbracht 
2735      Dein  Will  und  auch  mein  Leiden. 


365 


Nun  heisst  es  mit  mir  gute  Nacht, 
Mein'  Seel  wird  bald  abscheiden. 
O  Vater,  ich  bin  nun  bereit, 
Im  Leben  und  im  Sterben, 
2740     Zu  folgen  dir  zu  jeder  Zeit: 

Lass  mich  nur  Huld  erwerben  I 

Veronika, 

Schmerzhaftester  Jesu,  wie  erblasst! 
Du  wirst  bald  unterliegen: 
Ich  bitt,  sei  unser  Seelen  Trost, 
2745     Stärk  uns  in  letzten  Zügen! 

Jesus,  dein  Leben  weicht  dahin, 
Ist  aller  Sünder  Seeleng'winn : 
Wir  wären  ohne  dein'  Tod  verloren, 
Durch  ihn  sind  wir  nun  auserkoren. 

Christus.     Sechstes   Wort, 

2750     Eh,  Eli,  lama  Sa  — 

Eli,   Gott,  in  letzter  Noth, 
Wie  hast  du  mich  verlassen  1 
Es  nahet  sich  heran  der  Tod, 
Jetzt  werde  ich  erblassen. 

2755     Schick  mir  ein  väterlichen  Trost, 
Dem  Sohn  wird  er  gedeihen: 
Ach  weh,  der  kalte  Todesfrost 
Führt's  Herz  zum  Todesreihen. 

Kaiphas. 

Hört  doch,  wie  er  Elias  schreit  I 
2760     Glaubst  du,  es  ist  schon  an  der  Zeit, 
Dass  Elias  sollte  kommen 
Und  dich  vom  Kreuz  abnehmen? 

Maria. 

Jesu,  von  dir  ich  Urlaub  nimm, 
Lass  mich  noch  hören  deine  Stimm: 
2765     Ach,  ich  vor  Aengsten  fast  erblöd, 

Vor  Schmerzen  mir  kein  Puls  mehr  geht. 


366 

Johannes. 

Getrost,  o  Mutter,  voll  der  Qual! 
Sieh  Jesum  an  zum  letztenmal, 
Er  neigt  zu  dir  sein  heiligs  Haupt: 
2770     Jesu  wird  bald  das  Leben  g'raubt. 

Christus.     Siebentes   Wort, 

O  Gott,  beschlossen  ist  das  Werk, 

Das  Herz  will  nun  erkranken, 

Es  weicht  dahin  die  Lebensstärk, 

Der  Geist  fangt  an  zu  wanken. 
2775     Vater,  in  deine  Gotteshänd  — 

Die  Zung  will  mir  erstarren, 

Es  wend't  dahin  die  Lebensfrist, 

Der  Geist  will  nun  ausfahren. 

O  Gott  und  Vater,  zu  dem  End 
2780     Nimm  meine  Seel  in  deine  Händl       Er  stirbt. 

Longinus. 

Halt  Still!    Habt  acht,  was  dies  bedeut: 
Was  ist  denn  dies  für  Wunderzeit, 
Dergleichen  man  nicht  hat  erhört? 
Ich  glaub,  dass  sich  die  Welt  umkehrt! 

2785     Sobald  der  Mann  den  Geist  aufgeben, 
That  sich  die  Erd  mit  G'walt  erheben. 
Die  Sterne  sich  verdunkeln  all. 
Die  Wolke  kracht  vom  Donners  Knall, 
Der  Mond  sich  zeiget  ganz  blutroth : 

2790     Pilatus  schuld  ist  an  dem  Tod. 
Pilatus,  Du  hast  schlecht  gethan, 
Dass  du  gekreuzigt  diesen  Mann! 
Ich  zweifle,   ob  er  seie  todt, 
Er  kann  noch  leben,   welche   Noth ! 

2795     Damit  ich  doch  nicht  zweifeln  darf, 
Will  ich  mit  meiner  Lanze  scharf 
Ihm  einen  Fang  ins  Herze  geben. 
Dadurch  zu  enden  ihm  das  Leben. 

Er  öffnet  Christi  die  Seiten. 


3^7 


Wohlan,  dies  geschehe  dir  zu  gut! 

2800     O  seht,  es  fliesst  vom  Herz  das  BUit, 
Doch  von  der  Farbe  nur  ganz  bleich : 
Es  fliesset  Wasser  auch  zugleich. 
Ich  bin  getroffen  von  dem  Quell, 
Die  Augen  sind  mir  worden  hell : 

2805     Ich  dank  dir,  dass  auch  g'macht  hast  heil, 
Und  g'nommen  mir  das  rothe  Mail. 
Nun  ich  ergieb  mich  ganz  und  gar 
Sammt  meiner  untergebenen  Schar: 
Regiere  mich,  mein  ganzes  Heer, 

2810     Das  Alles  lebt  zu  deiner  Ehr! 

Hauptmann. 

Ja  wahrlich,  das  ist  Gottes  Sohn, 
Die  Finsterniss  das  zeiget  an  1 
Die  Erde  sich  bewegte  sehr, 
Die  Felsen  sich  erhoben  mehr : 
2815     Die  Todten  jetzund  auferstehn, 

Lebendig  aus  den  Gräbern  gehn. 
Darob  erkenn  ich  mein  Bosheit, 
Die  ich  zu  büssen  bin  bereit. 

Steigt  vom  Pferd,  kniet  nieder. 

Jesu,  du  Brunnquell  voll  der  Liebe, 

2820     Vergieb  mir  meine  Missethat! 

Die  Rache  an  mir  doch  nicht  übe. 
Erzeige  mir  doch  deine  Gnad : 
Dass  ich  nicht,  wie  verstockter  Sünder 
Auf  ewig  deine  Straf  empfinde : 

2825     Zähl  mich  doch  unter  deine  Kinder  — 
O  Herr,  verzeih  mir  meine  Sünde  I 

Erster  Jude. 

Der  Rock  ist  g'wirkt  ganz  nach  der  Kunst, 
Lasst  uns  darüber  spielen: 
Der  ihn  gewinnt,  hat  ihn  umsonst! 
2830     Ihr  Brüder,  folget  meinem  Willen. 


368 

Zweiter  Jude. 
Hier  ist  ein  Pasch  von  Helfenbein, 
Der  muss  mir  tapfer  springen, 
Und  wenn  es  nur  drei  Fünfer  sein, 
Hoff  ich  das  Spiel  zu  g'winnen.    Sie  würfeln. 

Dritter  Jude. 

2835     Das  Spielen  hat  mir  oft  gelungen, 

Wenn  ich  nur  nicht  gleich  bin  verzagt: 
Secht,  secht,  hier  sind  3  Sechser  g'sprungen, 
Den  Rock  hab  ich  Euch  abgejagt. 

Vierter  Jtide. 

Hol  mich  der  Fuchs,  der  Rock  ist  dein ! 
2840     Jetzt  laufen  wir  in  d' Stadt  hinein 
Und  saufen  einen  Raffelsteiner, 
Denn  hier  ist  ja  zu  haben  keiner. 

yeseph  von  Arimathaea. 

Allmächtiger  Pfleger !  ich  Euch  bitt, 
Ihr  wollt  die  Gnade  haben, 
2845     Damit  der  Leib  hier  bleibe  nicht, 
Lasst  diesen  uns  begraben. 

Pilatus. 
Hört,  Hauptmann,  ich  befehl  es  Euch, 
Nach  dieses  Manns  Begehren : 
Lasst  von  dem  Kreuz  abnehmen  gleich 
2850     Jesum  Christum,  den  Herrn. 

Hauptmann. 

Wohlan,  Ihr  guten  Menschen  Ihr, 

Nehmt  sanft  den  Leichnam  ab, 

Und  waschet  ihn  recht  nach  Gebühr 

Und   leget   ihn    ins    Grab.    Sie  nehmen   Chnstum  ab. 

Joseph. 

2855     Gestorbner  Heiland,  ganz  entblösst, 
Lass  durch  dein  bittres  Leiden 


3^9 

Uns  sein  vom  ewigen  Tod  erlöst, 
Wenn  wir  von  hinnen  scheiden. 

Maria. 

Ach,  secht,  was  Euer  Meister  doch 
2860     Für  eine  G'stalt  hat  g'wonnen, 

Sein  Schönheit  ist  nun  ganz  dahin, 

Den  Feinden  ist's  gelungen. 

Ach  Sohn,  ach  liebster  Jesu  mein ! 

Die  siebenfachen  Schmerzen, 
2865     Die  dringen  wie  ein  Schwert  hinein 

Im  mütterlichen  Herzen. 

yosef. 
Ach,  liebste  Frau,  es  dauert  mich 
Dein  und  sein  bitters  Leiden: 
So  gerne  hab  gewünschet  ich 
2870     Sein'  Tod  noch  zu  vermeiden. 

Da  wir  ihm  noch  bei  rechter  Zeit 
Nicht  haben  helfen  können, 
So  sind  wir  doch  hierher  geeilt, 
Vom  Kreuz  ihn  abzunehmen. 

Nachdem    Christus    vom    Kreuze    abgenommen    worden,    wird  er 
Maria  in  den  Schoss  gelegt. 

Maria. 

2875     -^ch  Kind,  ach  Sohn,  o  Freund! 

Wie  bist  du  so  verlassen  ! 

O  grosse  Grausamkeit, 

Wie  bist  du  ohne  Massen! 

Vor  Ohnmacht  bricht  mein  Herz, 
2880     Weil  du  so  bist  erblasset, 

Ich  fühle  grossen  Schmerz. 

Ihr  Freund'  mich  nicht  verlasset! 

Josef. 
Ach,  seie  doch  getrost,  mein'  Frau, 
Die  Nacht  will  nun  anheben : 
2885     Da  ich  der  Juden  Räch  nicht  trau, 
Lasst  ihn  ins  Grab  uns  legen. 

Volksschauspiele.     II.  24 


370 

Nicodemus.  ■  • 

Es  ist  geschehn,  was  zu  geschehn, 
Was  Gott  mit  seinem  Sohn  beschlossen, 
Durch  seinen  Tod  den  Sündern  all 
2890     Das  Heil  ist  zugeflossen. 

O  Sünder,  komm  zur  Gnadenquell, 
Dankbar  thu  dich  einstellen, 
Thu  Buss,  sonst  kummst  du  in  die  Höll, 
Thu  dir  das  Gute  wählen. 


Die  Schäferei. 

Ein  Zwischenspiel  zum  Leiden  Christi-Spiel. 

Personen. 
)er  gute  Hirt  als  Schäfer.     Maria  als  Schäferin.     Zwei  Räuber. 

I.  Auftritt. 

IVald.     Der  Schäfer  allein. 

Schäfer  singt. 
Ach,  wo  ist  denn  mein  Schäfelein? 
Eins  mir  verloren  geht, 
AUhier  nur  neunundneunzig  sein, 
Zuvor  ich  hundert  hätt. 
5         O  Herzeleid,  mein  grösste  Freud, 
Verloren  hab  ich's  auf  der  Weid. 

O  sagt,  ihr  grünen  Auen  schön, 
Viehreiches  Freudenfeld, 
Mir  armen  Schäfer  treu  bekennt, 
o         Ob  es  ist  weit  gefehlt? 

Wo  etwan  da  sein  Athem  blast, 
An  welchem  Ort  es  hungernd  rast't. 

Ich  will's  gehn  suchen  fort  und  fort, 
Durch  Dorn  und  Hecken  hart, 
5         Und  wenn  ich  werde  auch  ermord't. 
Und  kost's  mein  Leben  zart; 
Wenn  ich   nur  weiss  mein  Schäflein  weiss. 
Dem  Tod  ich's  aus  dem  Rachen  reiss. 

24* 


372 

Und  wenn  es  nur  kehrt  wiederum 
20         Zu  der  verlornen  Herd ! 

Ich  furcht,  es  ist  im  Walde  stumm, 

Im  dicken  G'sträuch  es  plerrt, 
^'  Bei  einer  Wand,  wo  Unthier  wohnt, 

Und  kommen  möcht  in  Wolfes  Zahnt. 

25         Komm,  komm,  o  liebes  Schäfelein, 
Zu  der  verlornen  Herd, 
Hör  doch  die  Stimm  des  Hirten  dein, 
Der  dich  sucht  mit  Beschwerd : 
Ich  rufen  will  bald  laut,  bald  still, 

30         Bis  dass  ich  komme  zu  dem  Ziel. 

2.  Auftritt. 

Zwei  Räuber  und  der  Schäfer. 
Erster  Räuber  schiesst. 
Du  kommst  uns  recht  in  unsre  G'walt, 
Dein  Beutel  thut  uns  noth, 
Wen  wir  ertappen  in  dem  Wald, 
Den  rauben  und  schlagen  wir  todt. 
35         Gieb's  Geld  nur  her,  dein  Beutl  ist  schwer, 
Uns  durstet  auch  und  hungert  sehr. 

Schäfer  singt. 
Ich  bitte  Euch,  mich  doch  verschont, 
Ihr  find't  bei  mir  kein  Geld, 
Ich  bin  ein  armer  Schäfersmann, 
40         Nähr  mich  allein  im  Feld. 

Ein  Wollenthier  such  ich  allhier. 
So  von  der  Herd  gelaufen  mir. 

Zweiter  Räuber. 
Nein,  Bruder,  du  dem  Fuchs  nicht  trau, 
Reiss  weg  sein'  Lumpenfleck ! 
45  Sieh  nur  recht  nach  und  g'nau  durchschau. 

So   kommst  von  uns  nicht  weg. 
Bei  solchen  Leut'n  hab  ich  oft  klug 
Gefunden  Gold  und  Silber  g'nug. 

Sie  durchsuchen  ihn  und  finden  nichts. 


373 

Erster  Räuber. 
Pack  dich  fort,  du  leerer  Schalk, 
Mit  deinem  Bettelstab ! 
Lass  uns  nur  rächen  an  deinem  Balg, 
Den  wir  geschlagen  ab. 
Wenn  du  auch  stirbst  und  hier  verdirbst, 
Wir  laufen  wieder  in  den  Wald.       Die  Räuber  ab. 


3.  Auftritt. 

Schäfer  allein. 
Schäfer  singt. 
Ach  weh,  ach  weh,  ach  Tyranneil 
Dir,  Himmel,  klag  mein  Noth, 
So  mich  tractiret  meine  Treu, 
Verwundet  bis  in  Tod. 
Aber  Geduld,  leid  ich  ohne  Schuld, 
Gebt  mir,  ihr  wilden  Thier,  doch  Huldl 

O  sieh,  was  deine  Lieb  mir  that, 

Verlornes  Schäfelein  1 

Die  Herd  ich  in  der  Wüste  lass 

Und  suche  dich  allein. 

Bin  schwer  verwund't,  werd  wieder  g'sund, 

Wenn  ich  dich  wieder  finden  kunnt.     Geht  ab. 

4.  Auftritt. 

Die  Schäferin  allein. 
Schäferin  singt. 
Ach,  WO  bist  du  hingegangen, 
Daphnis,  liebster  Schäfer  mein? 
Zu  dir  steht  all  mein  Verlangen, 
Ach,  könnt  ich  doch  bei  dir  seinl 
Schöner  als  ein  Rosengarten 
Blühen  seine  Wangen  roth, 
Vor  Lieb  nicht  ihn  kann  erwarten. 
Ich  verschmachte  bis  in  Tod. 


374 

75        .Geh  ihn  aufzusuchen  fern, 

Selbst  auch  meine  Schäfelein 
Mich  ganz  traurig  thun  anplärren, 
Wollen  fragen,  wo  er  sei. 
Treuer  Himmel,  du  mir  gönne 

80  Durch  die  finstre  Wüstenstrass 

Und  anzünde  Mond  und  Sonne, 
Dass  ich  find  den  graden  Pass. 

Ihr  beblumte  Angerwiesen, 
Ich  ruf  mein'  Gehebten  zu, 

85         Mir  Chlorinda  macht  zu  wissen, 
Wo  er  nimmt  die  Tagesruh; 
Wo  die  matten  Schäflein  weiden, 
Wo,  am  Hügel  oder  Thal, 
An  Schatt-  oder  Sonnenseiten? 

90         Echo,  sagt's  durch  Widerhall. 

Aber  Daphnis  ich  nicht  finde 
Auf  dem  zarten  Blumenfeld, 
Noch  an  denen  Ruhstattlinden 
Unterm  grünen  Laubenzelt. 
95         Ungefähr  wird  in  der  Wüsten 
Unter  vielen  Heckendorn, 
Die  verwild'te  Bahn  nicht  wissen. 
Hat  sich  mit  der  Herd  verlor 'n. 

Aber,  aber  Alles  schweiget, 
100       O,  Chlorinda,  deiner  Stimm 
Niemand  hier  Gehör  ertheilet, 
Niemand  sie  zu  Herzen  nimmt. 
Ach,  könnt  ich  mir  Taubenllügel 
Wünschen,  ihm  zu  fliegen  nach, 
105       Mit  dem  kleinen  Rehezickel 
Jetzund  laufen  ungemach  1 


Die  Auferstehung. 

Ein  Nachspiel  zum  Leiden  Christi-Spiel. 

Personen: 
Maria  Magdalena.     Maria,  Jacobi  Mutter.     Salome.     Ein  Engel. 

I.  Auftritt. 

Das   Theater  stellt  das  Grab  Christi  vor.    Auf  dem  Sarg 
zur  Rechten  sitzt  der  Engel,  weissgekleidet.    Maria  Magda- 
lena,    Maria  Jakobe  und  Salome  kommen  mit  Specereien 
hervor  auf  das  Theater. 

Maria  Magdalena. 
Ach,  liebste  Schwester,  wer  wird  uns 
Vom  Grab  den  Stein  wegnehmen? 
Denn  wir  Vermögens  wahrlich  nicht: 
Wir  müssen  uns  bequemen 
5         Wen  aufzusuchen,  der  uns  doch 
Die  G'fälligkeit  erweiset, 
Dass  er  den  schweren  Stein  wegschafft, 
Uns  aus  der  Noth  hier  reisset. 

Maria  Jakobe. 

Ja  freilich,  wir  sind  in  der  Lag', 
lo         Um  Hilf  uns  umzusehen, 

Da  heute  ist  der  frühe  Tag: 

Wie  wird  es  sonst  geschehen, 

Dass  wir  den  Leichnam  salben  hier 

Mit  seltnen  Specereien, 
15         Wenn  wir  Niemanden  finden  hier, 

Vom  Stein  uns  zu  befreien? 


376 

Salome. 
Ach,  Schwestern,  seht  doch,  was  ist  hier? 
Trügen  mich  meine  Augen? 
Der  Stein  ist  weg  dort  von  der  Thür, 
20  Ihr  könnt  mir's  sicher  glauben. 

Zur  Rechten  sitzt  ein'  Engelsg'stalt, 
Ganz  weiss  ist  er  gekleidet; 
Dies  kommt  wahrlich  durch  Gottes  G'walt: 
Mein  Sinn  vor  Wunder  leidet. 

Der  Engel  tritt  heraus. 
Engel. 
25         Ihr  Frauen,  Euch  entsetzet  nicht 
Ob  dem,  was  hier  vorhanden : 
Ihr  sucht  Jesum  von  Nazareth, 
Er  ist  schon  auferstanden, 
Ist  nicht  mehr  hier,  seht  nur  den  Ort, 
30         Wo  er  ist  erst  gelegen : 

Geht  hin,  sagt  es  den  Jüngern  dort. 

Es  kovwicn  einige  yHnger. 

Er  ist  schon  auf  den  Wegen 
Vor  Euch  nach  Galiläa  zu, 
Alldort  werdet  Ihr  ihn  sehen. 
35  Glaubt  mir,  was  ich  Euch  sagen  thu, 

Mein  Wort  wird  wahr  bestehen. 

2.  Auftritt. 

Die  Jünger  treten  ganz  hervor. 
Engel. 

Das  Wort  ist  nun  erfüllt, 

Was  Christus  selbsten  sagte, 

Dass  er  den  Tempel  wollt 
40         In  dreien  Tagen  bauen! 

Die  Trauer  ist  gestillt, 

Da  mancher  erst  noch  klagte : 

Ihr  werdet  einstens  auch 

Das  Himmelreich  anschauen, 
45  Darauf  kann  Jedermann 

Wohl  sicherlich  auch  bauen. 


377 


Da  Christus  es  beweist 

Mit  seinem  Auferstehen, 

So  freuet  Euch  alsdann 
50         Mit  festem  Zu  vertrauen. 

Das  Band  des  Tod's  zcrreisst, 

Dort  werdet  ihr  ihn  sehen. 

Drum  stimmt  mit  Fröhlichkeit 

Ein  Allel uja  an, 
55         Und  danket  Gott  dafür 

Mit  Mund  und  Herz  zugleich, 

Dass  er  geend't  den  Streit, 

Für  Euch  so  viel  gethan, 

Euch  führt  zur  Himmelsthür, 
60         Zur  ew'gen  Seligkeit. 

Engel  singt  allein. 
Singet,  fromme  Christen,  all : 
Christus,  frei  von  Todesbanden, 
Lebend  ist  vom  Tod  erstanden, 
Wie  er  vor  hat  prophezeit, 
65         Gott  sei  drum  gebenedeit  1 

Alle. 
AUeluja,  Alleluja, 
Lobt  den,  der  erstanden  istl 

Engel. 
Lobt  und  preiset  Gottes  Nam' : 
Der  zuvor  in  Spott  und  Schanden 
70         Vor  der  Judenrott  gestanden, 
War  verspottet  und  verlacht. 
Jetzt  die  Feind'  zu  Schanden  macht. 

Alle. 
Alleluja,  Alleluja, 
Stimmt  zusamm  mit  Freudenschall  I 

Engel. 
75  Euer  Heiland,  Jesu  Christ, 

Der  gegeisselt  und  verhöhnet, 
Mit  der  Dörnerkron  gekrönet, 


378 

Jetzt  mit  Glorie  ist  geziert, 
Und  in  Freuden  triumphiert. 

Alle. 
80  Alleluja,  Alleluja, 

Der  vom  Tod  erstanden  istl 

Engel. 
Christus  lebt  jetzt  voller  Freud, 
Der  für  Euch  am  Kreuz  gestorben 
Und  den  Himmel  Euch  erworben, 
85  Der  dem  Tod  die  G'walt  gebunden 

Und  denselben  überwunden. 

Alle. 
Alleluja,  Alleluja, 
Er  wird  leben  alle  ZeitI 

Engel. 
Engel,  Menschen,  stimmt  zusamm', 
90  Lasst  uns  Christum  preisen,  loben. 

Der  jetzt  in  dem  Himmel  droben, 
Auch  im  Sakrament  zugegen, 
Der  Euch  allen  giebt  den  Segen. 

Alle. 
Alleluja,  Alleluja, 
95  Lobt  all'  Völker  Gottes  Nam'. 


m 


ANMERKUNGEN 
UND  ERLAEUTERUNGEN. 


fli^ 


Judith  und  Holofernes. 

Seite  I. 

Die  Geschichte  von  Judith  und  Holofernes  und  von  der  Er- 
rettung der  belagerten  Israeliten ,  wie  sie  von  den  apokryphen 
Büchern  der  Bibel  das  Buch  Judith  erzählt,  bildete  seit  dem 
Vorkommen  dramatischer  Darstellungen  in  Deutschland  einen  be- 
liebten Schauspielstoff,  und  finden  wir  insbesondere  im  i6.  Jahr- 
hunderte zahlreiche  Judithkomödien  von  den  Dichtern  Joachim 
Greff  (1536),  Sixt  Birk  (1539),  Jacob  Frey  (1564)  u.  a.,  insbesondere 
auch  von  dem  Wiener  Wolfgang  Schmelt^I  (1542)  und  von  Samuel 
Hebel ,  dessen  Schauspiel  Judith  ebenfalls  in  Wien  gedruckt 
wurde.  —  Auch  Hans  Sachs  Hess  sich  den  passenden  Stoff  nicht 
entgehen,  seine  Judith-Comödie  rührt  aus  dem  Jahre  1551  her.  In 
der  jüngsten  dramatischen  Literatur  ist  die  Juditherzählung  öfter 
bearbeitet  worden  und  hat  bekanntlich  Friedrich  Hebbel  in  seinem 
bezüglichen  Drama  eine  Meislerleislung   geschaffen. 

Die  Volksthümlichkeit  dieses  biblischen  Stoffes  erweist  der 
Umstand  am  besten,  dass  so  zahlreiche  dramatische  Dichtersich  stets 
desselben  bemächtigt  haben  und  ihre  Schauspiele  auch  wirklich 
stets  beifällig  aufgenommen  wurden,  insbesondere  gilt  dies  für  das 
16.  und  17.  Jahrhundert,  wo  ja  der  Zuschauerkreis  ein  viel  weiterer 
war  und  alle  Stände  umfasste  Es  ist  daher  leicht  erklärlich, 
dass  auch  späterhin  die  biblische  Erzählung  zum  Gegenstande 
des  gern  gesehenen  Schauspiels  im  Volke  unserer  Alpenländer 
geworden ,  zumal  die  ganze  Handlung  schon  in  dieser  Er- 
zählung eine  dramatische ,  bewegte  ist  und  die  fromme  Nutz- 
anwendung dem  religiösen  Sinne  des  Volkes  entspricht.  Leider 
bin  ich  nicht  in  der  Lage,  eine  wirkliche  Aufführung  des  Spieles 
von  Judith  und  Holofernes  an  einer  Volksbühne  in  den  an 
Steiermark  gränzenden  Ländern  nachzuweisen,  obgleich  es  keinem 
Zweifel  unterliegt,  dass  dieses  Spiel  in  Kärnten  und  Steiermark, 
wohl  auch  in  Salzburg  und  Oesterreich  zur  Aufführung  gekommen 
ist.  Die  Einführung  der  Figur  des  Hanswurstes  in  der  Rolle  des 
Boten,  welche  sehr  geschickt  durchgeführt  erscheint,  weist  darauf 
hin,  dass  diese  Komödie  sich  zweifellos  grossen  Beifalls  erfreut 
hat  wie  die  anderen  ähnlichen  Spiele ,  in  welchen  diesem  vom 
Volke  so  gern  gesehenen  Lustigmacher  eine  gelungene  Rolle 
zufiel. 

Selbst  in  Steiermark  einen  Ort  anzuführen ,  in  dem  die 
Judith  nach  diesem  Texte  dargestellt  wurde,   ist  mir  nicht  möglich. 


382 

Die  Handschrift,  offenbar  zum  Theatergebrauche  bestimmt  und 
mit  allen  Spuren  eines  solchen  versehen,  fand  sich  im  steier- 
märkischen  Landesarchiv  zu  Graz  und  dürfte  wohl  durch  eine 
Schenkung  dahin  gekommen  sein.  Diese  Handschrift  bildet  ein 
Quartheft  in  sehr  verschnörkelter  alterthümlicher  Schrift  von  un- 
gelenker Hand  ;  die  Schrift  dürfte  aus  den  sechziger  oder  siebziger 
Jahren  des  i8.  Jahrhunderts  stammen.  Auf  der  Rückseite  des 
letzten  21.  Blattes  sind:  »Agehrente  Persohnen  zu  der  Judith- 
comödy«  verzeichnet,  als  deren  erste  »Hans  Wurst«  erscheint. 
Auch  dieses  Personenverzeichniss  hat  wie  der  ganze  Text  eine 
entsetzliche  Orthographie  (Plollovernus  u.  dgl.).  Alles  musste 
daher  geordnet  und  zurecht  gerichtet  werden.  Die  Eintheilung 
in  Auftritte  habe  ich  der  bessern  Uebersicht  wegen  ebenfalls 
durchgeführt,  da  eine  eigentliche  geordnete  Sceneneintheilung 
in  der  Hs.   nicht  bezeichnet  ist. 

Obgleich  eine  Art  Theilung  in  3  Akte  angedeutet  erscheint, 
indem  zu  Anfang  des  Stückes  die  Ueberschrift :  I.  Actus,  an 
Stelle  des  6.  Auftrittes  meiner  Eintheilung:  H.  Actus  und  an 
Stelle  des  18.  Auftrittes  m.  E. :  III.  Actus  beigefügt  ist,  habe 
ich  diese  ungleichmässige  Acteintheilung  doch  nicht  beibehalten, 
da  es  wahrscheinlich  ist ,  dass  das  Ganze  in  noch  mehr  Acte 
zerfiel,  deren  Bezeichnung,  wie  dies  so  oft  der  Fall,  durch  Ueber- 
sehen  des  Schreibers  einfach  nicht  vorgenommen  wurde ,  eine 
willkürliche  weitere  Acteintheilung  ich  jedoch  nicht  treffen  wollte. 
Unsinnige  Namen ,  Worte  und  Endungen  wurden  möglichst 
beseitigt. 

Die    Entstehung    des    Stückes    fällt    wohl    in    die   Mitte    des 
vorigen   Jahrhunderts ,     darauf   deutet  schon    die    Erwähnung  der 
Landesmutter  (Maria  Theresia)  im  Schlussliede  Z.   988. 
S.  3  Z.  5   Statt  »Wir«   hat  die  Hs.  »und«. 

8.  3  Z.  8  u.  9  »Unser  Willen«  statt  »Unseres  Willens«  in  der  Hs. 
S.  4  Z.  33   »Potz  Figarament    eini«  auch    nur   »Figara«,   komisch 

wirkende  beim  Hanswurst  übliche   dial.  Interjection  ,    wie    man 

etwa  sagt:  Potz  Wetter  hinein! 
S.  9  Z.  35   »selba  nimma«   dial.  »selbst  nimmer,  selbst  nicht«. 
S.    I   Z.  36  »Aba  verrath's  ma  g'schwind    an  Boten«    dial.    »aber 

sagt  mir  geschwind  einen  Boten  an«. 
S.  4  Z.  37   »gern«  dial.  »geben«. 
S.  4  Z.   42  »Stieglitz«  scherzhafte  Verdrehung  des  Namens  Felix. 

Solche      Namensverdrehungen     kommen      auch     hier     wie     im 

Genovefaspiel  öfter  vor. 
S.  4  Z.  45   »Pugl«    dial.   «Buckel,  Rücken«. 
S.  4  Z.  47  Die  Hs.  hat  hier:    »so    ir)ber   i    schon   vor  Scliröcka« 

dial.  »vor  Schreck«.     Derartige  derbe  Scherze    des    Hanswursts 

wurden  durchaus  nicht  übel  genommen. 
S.   5  Z.  51    »ham«    dial.   > haben«. 
S.  5  Z.  58  »ÖS  harnt«  dial.  »ihr  habt«. 
S.  5  Z.   59   »Ratzen«   dial.   »Ratte«. 
S.  5  Z.  63    »will  i   da's«   dial.   »will  ich  dir's«. 


383 

S.  5  Z.  70  »Inslög«  dial.  »Unschlitt«.  "Wieder  komische  Wort- 
verdrehungen des  Hanswurst. 

S.   5  Z.  71    »vakaufen«  dial.  »verkaufen«. 

S.    5   Z.  73   »auf  d'   Stadt  aussi«   dial.    »in  die  Stadt  hinaus«. 

S.  6  Z.   74  u.  75   »selba  gehn  kinna«  dial.  »selbst  gehen  können«. 

S.  6  Z.  75  »leichta  hin  g'langa  kinna«  dial.  »leichter  hin  ge- 
langen können«. 

S.  6  Z.   82   »meinethalm«  dial.  »meinethalben«. 

S.  6  Z.  83   »nachtreimt   dial.    »nachtreiben«. 

S.  6  Z.  83   »scharts  enk«   dial.   »schert  euch«. 

S.  6  Z.  84  »Bernhäuta«   dial.   »Bärenhäuter«. 

S.   7  Z.  loi   In  der  Hs.  »cronn  und  cepter«. 

S.   7  Z.   105  In  der  Hs.   »zu  verschonen«  statt   »soll    verschonet«. 

S.  8  Z.  151  »g'raist  und  umag'schlampt«  dial.  »gereist  und  herum- 
gevv^orfen  worden«. 

S.  9  Z.   156   »PradI  praten«  dial.   »Braten  gebraten«. 

S.  9  Z.   159  »d'Sautreber«  dial.   »die  Treber  der  Schweine«. 

S.  9  Z.    184  »bracht  han  i   nix«  dial.   »gebracht  habe  ich  nichts«. 

S.  9  Z.    185   »an  etli  hundert«  dial.  »etliche  hundert«. 

S.    10  Z.    198   »da  bleim«  dial.   »da  bleiben«. 

S.  10  Z.  214  die  Hs.  hat  hier  und  fast  immer  »Holofernus«  statt 
»Holofernes«. 

S.   13  Z.  290  »d'Weibsbilda«  dial.   »die  Weibsbilder«. 

S.    13  Z.   290  u.  291   »dö  send  enk«   dial.  »die  sind   euch«. 

S.   13  Z.  294  »aussa«  dial.    »heraus«. 

S.   13   Z.  295   »als  ÖS«   dial.   »als  ihr«. 

S.  16  Z.  372  bis  374  »die  Zeit  .  .  .  Fuchsbalg  überzog'n«  »Die 
Zeit  d.  h.  heutzutage  gilt  die  Wahrheit  meistentheils  nur  mit 
einem  Fuchsbalg  überzogen«.     Sprichwörtliche  Redensart. 

S.  16  Z.  377  Statt  »Mesopotamien«  ein  unleserliches  Wort  in  der  Hs. 

S.  17  Z.  419  In  der  Hs.   »weisgesaget«   statt   »geweissaget«. 

S.  26  Z.   674  In  der  Hs.    »gegen  ihnen«   statt  »gegen  dieses«. 

S.  27  Z.  698  In  der  Hs.    »gegen  dir«  statt  »gegen  dich«. 

S.  27  Z.   707   In  der  Hs.  »ihr«  statt  »sein  Blut«. 

S.  28  Z.   742   »Zeltkuchel«    »Küchel«   dial.   »Küche«. 

S.  29  Z,   768  »kemma«  dial.   »kommen«. 

S.  30  Z.  779  In  der  Hs.  »Esse«  statt  »Iss«.  Uebrigens  ist  »Esse« 
mundartlicher  Imperativ. 

S.  31  Z.  806  In  der  hier  folgenden  Theaterbemerkung  heisst  es 
in  der  Hs.  »Es  kann  .  .  .  der  Hanswurst  das  Seinige  thun« 
statt  »Spässe  machen«. 

S.  35  Z.   922  »d'  Maus  san«  dial.   »die  Mäuse  sind«. 

S.  35   Z.  923   »geschloffen«   dial.    »gekrochen,  geschlüpft«. 

S.  35  Z.  927  In  der  Hs. :  »wannst«  statt  »wann  d'«  dial.  übrigens 
ersteres  nicht  unbegründet,   »wenn  du«. 

S.  35  Z.  928  »eini«   dial.   »hinein«. 

S.  35  Z.  933  »Gredl«  dial.  »Grete«.  Mit  »Gredl«  wird  gewöhn- 
lich scherzhaft  eine  Frauensperson  überhaupt  bezeichnet,  z.  B, 
Dös  is  a  lustige  Gredl,   a  dumme  Gredl  u.   dgl. 


384 


Hirlanda. 

Seite  39. 

Das  Volksbuch  von  der  Herzogin  Hirlanda  erfreut  sich  schon 
seit  langer  Zeit  einer  ähnlichen  Verbreitung  wie  jenes  von  der 
Pfalzgräfin  Genovefa ,  wenn  auch  der  Fabel  des  ersteren  die 
knappe  Geschlossenheit  abgeht.  Die  Erzählung  zerfällt  gewisser- 
massen  in  zwei  Theile,  deren  erster  bis  zur  Wiederauffindung 
Hirlanda's  durch  ihren  Gemahl  reicht,  während  der  zweite  mit 
der  Niederlage  des  falschen  Riesen  und  damit  Gerhard' s  und  dem 
Siege  des  Jünglings,  welcher  sich  als  der  gerettete  Sohn  Hirlanda's 
zuletzt  zu  erkennen  giebt ,  endigt.  Jede  dramatische  Bearbeitung 
des  Stoffes  wird  daher  ausgedehnt  und  langalhmig.  Auch  das 
hat  die  Erzählung  von  Hirlanda  mit  jener  von  Genovefa  gemein, 
dass  sie  in  Cerisier's  Buche:  »Les  trois  etats  de  l'innocence  .  .  . 
couronnee«  .  .  .  (Paris.  1640)  zuerst  ausführlich  behandelt  erscheint, 
welches  Werk  von  dem  ungenannten  Jesuiten  in  dem  ebenfalls 
schon  erwähnten  Werke:  »Die  Unschuld  in  Drey  unterschidlichen 
Ständen«  (Dillingen.  1685)  eine  freie  Uebersetzung  und  Bearbeitung 
erfahren  hat.  R.  Köhler  (»Die  deutschen  Volksbücher  von  der 
Pfalzgräfin  Genofeva  und  von  der  Herzogin  Hirlanda«  Zeitschr. 
f.  deutche  Phil.  V.  S.  69  ff.)  weist  nach,  dass  die  Uebersetzung 
dem  P.  Martin  Cochem  als  Quelle  gedient  hat,  der  in  sein  »Aus- 
erlesenes History-Buch«  (Dillingen.  1687)  als  70.  Historie  des 
ersten  Buches  auch  die  Hirlanda-Historie  aufgenommen,  aus  dem 
die  Geschichte  später  in  die  vielseitig  verbreiteten  verschiedenen 
Volksbücher-Drucke  übergangen  ist,  nicht  ohne  noch  manche 
Aenderung  zu  erfahren,  wie  die  Fassung  der  Erzählung  in  Band  12 
von  Simrock's  »Deutschen  Volksbüchern«  (Frankfurt.  1865)  zeigt, 
welches.  27 — 82:  »Die  über  die  Bosheit  triumphirende  Unschuld, 
das  ist  Hirlanda  .  .   .«   enthält. 

In  der  zweiten  Plälfte  des  18.  Jahrhunderts  war  das  Hirlanda- 
Volksbuch  schon  in  Deutschland  überall  verbreitet.  Bald  darauf 
dürfte  sich  auch  die  Volksbühne  des  Stoffes  bemächtigt  haben, 
insbesondere  in  dem  katholischen  baierisch-österreichischen  Alpen- 
gebiele  ,  auf  dem  derartige  Stoffe  schon  ihrer  religiösen  Färbung 
wegen  grossen  Anklang  gefunden  haben.  Felix  Dahn  in  der 
Schilderung  der  Volkssitte  Oberbaierns  (Bavaria,  München.  1860. 
I.  Bd.)  erwähnt  einer  »Hirlanda«  als  Repertoirestückes  der  ober- 
bairischen  Volksbühne.  Hartmann  (Volksschauspiele)  führt  den 
Titel  einer  Hirlandakomödie  mit  Musik  an,  die  1759  zu  Dachau 
aufgeführt  wurde  (a.  a.  O.  S.  439);  seiner  Angabe  nach  wurde 
zu  Erl  in  Tirol  etwa  in  den  vierziger  Jahren  unseres  Jahrhunderts 
und  zu  Buch  in  Tirol  noch  1858  eine  »Hirlanda«  zur  Darstellung 
gebracht  (a.  a.  O.  S.  403  u.  340).  Zu  Liesing  im  I^esachthale 
Kärntens  weist  die  Bauernbühne  von  1853  auch  ein  »Hirlanda- 
spiel«  auf,  wie  Weinhold  (Weihnachtsspiele  S.  374)  anführt.  Es 
lässt  sich  vermuthen,  dass  der  Text  des  letztgenannten  Spieles  mit 


385 

dem  hier  abgedruckten  zusammenhängt,  ein  Nachweis  dafür  freilich 
lässt  sich  nicht  erbringen. 

Das  vorliegende  Volksschauspiel,  das  erste  gedruckte,  welches 
den  Stoff  behandelt,  ist  erweislich  um  1839  und  später  zu  Eisen- 
erz in  Obersteiermark  aufgeführt  worden.  Ich  habe  diesen  Text 
durch  die  dankenswerthe  Vermittlung  des  damals  in  Admont 
weilenden  Herrn  F.  A.  Kienast  erhalten.  Die  ebenso  schlecht 
leserliche  als  unorthographische  Handschrift  in  Folio  ,  welche  als 
Theaterexemplar  benutzt  wurde ,  enthält  auf  der  Innenseite  des 
Umschlages  die  Einzeichnung  »Peindinger  Andreas  1839«.  Sie 
war  später  im  Besitze  eines  Bergarbeiters,  der  nach  der  Mittheilung 
Kienast' s  selbst  häufig  bei  derartigen  Aufführungen  mitgewirkt 
hat.  Die  Eintheilung  in  Acte  und  Scenen  ist  in  der  Handschrift 
nicht  durchgeführt.  Ich  hielt  es  für  das  Beste ,  auch  hier  eine 
Eintheilung  nur  in  Auftritte  vorzunehmen.  Ebenso  wurde  das 
Personenverzeichniss  von  mir  zusammengestellt ,  die  Plandschrift 
hat  keins. 

Die  Abfassungszeit  des  Spieles  dürfte  wohl  in  das  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  zu  setzen  sein. 

S.   44  Z.   85   »ohne  deiner«  dial.   Wendung  für:    »ohne  dich». 
S.  51   Z.  282.     In  der  Hs.  ;   »Grobheit«  statt  »Kühnheit«, 
g.   52  Z.   307.    Hier  wie  an  mehreren  anderen  Stellen  hat  die  Hs. 

die     der    Mundart     entsprechende    Imperativform     »sehe«     statt 

»sieh«. 
S.  56  Z.   412.     In  der  Hs.   »wieder  herwieder  kam«   statt  »zu  sich 

kam«. 
S.  56  Z.   427.     In  der  Hs.  statt  »verklagen«:    »verknipfen«,  falls 

ich  recht  lese. 
S.   57  Z.  442.     In  der  Hs.   »gut  beisammen  sein«   statt  »gut  ver- 
sorgt sein«. 
S.  58  Z.  459.     In  der  Hs.    »im  Flux«  statt  »im  Flug«. 
S.  64  Z.  619  u.  620.     In  der  Hs.   »dir  Muras  lernen«  statt   »dich 

Mores  lehren«. 
S.  69  Z.  749.     In    der  Hs.    »von  allem  hohen  Geschwader«   statt 

»von  jeder  hohen  Gesellschaft«. 
S.    71    Z.    809     »verlobte    Wallfahrt«    dial.     »gelobte    W.« ,     eine 

Wallfahrt,  die  in  Folge  eines  Gelöbnisses   erfolgt. 
S.  72  Z.   850.    Auch  hier  »verknipfte«  statt  »verläumdete«   in  der 

Hs. 
S.  73  Z.   877  »gefixt«  dialectisch,   etwa   »gerieben«. 


St.  Barbara. 

Seite  1O7. 

Die    Legende    von    der   heiligen    Barbara    erzählt  ausführlich 
Surius   in   seinem   grossen  Werke:     »De  probatis  sanctorum  vitis« 
Volksschauspiele.     II.  25 


386 

(Colon.  Agr.  1618)  Decemberband.  S.  123 — 128.  Das  Heiligen- 
Lexikon  von  Stadler  u.  Heim  (Augsb.  1858)  in  Bd.  I  S.  380 — 383 
enthält  die  legendarische  Erzählung  kürzer  zusammengezogen,  und 
selbstverständlich  findet  sich  dieselbe  auch  in  den  übrigen  zahl- 
reichen Zusammenstellungen  von  Heiligen-Legenden.  V^on  den 
Bergleuten  der  katholischen  Länder  wird  die  h.  Barbara  als  Schutz- 
patronin verehrt,  wohl  desshalb,  weil  sie  schon  lange  als  Schutz- 
frau der  Unfälle  durch  Gewitter  und  des  unvorhergesehenen  Todes 
überhaupt  gilt  und  die  schlagenden  Wetter  dem  Bergmann  in 
plötzlicher  Weise  den  Tod  bereiten  können,  ein  Fall,  der  bekannt- 
lich nicht  selten  eintritt.  Es  liegt  somit  der  Grund  nahe,  warum 
die  Barbaralegende  in  Ländern  ,  woselbst  viel  Bergbau  betrieben 
wird,  für  die  Volksbühne  zum  Schauspiele  bearbeitet  und  als 
solches  häufig  aufgeführt  worden  ist.  Ein  solches  Land  ist  ins- 
besondere auch  Steiermark,  und  wir  finden  in  der  That  Aufführungen 
des  Barbaraspieles  daselbst  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts. 

Im  Allgemeinen  kommt  auf  dem  baltisch  -  österreichischen 
Alpengebiete  das  Spiel  von  der  h.  Barbara  nicht  selten  vor. 
Felix  Dahn  (Bavaria,  I  S.  418)  erwähnt  desselben  als  Repertoire- 
stückes der  oberbairischen  Volksbühne.  Hartmann  (Volksschau- 
spiele S.  321)  gedenkt  einer  »heiligen  Barbarac?,  die  181 1  zu 
Brixlegg  in  Tirol  aufgeführt  wurde,  und  bringt  ein  von  der  Censur- 
behörde  gestrichenes,  weil  »zu  pöbelhaftes«  Lied  der  Götzenpriester 
daraus  (S.  322)  zum  Abdrucke.  Auf  dem  Dorftheater  zu  Buch 
in  Tirol  wurde  nach  Hartmann  im  Jahre  1852  i>Sankt  Barbara« 
von  Martin  Obinger  zur  Darstellung  gebracht  (S.  390).  Zweifel- 
los wurde  auch  auf  den  Dorfbühnen  Kärntens,  von  denen  Wein- 
hold (Weihnachtsspiele  S.  374)  einige  anführt  und  deren  noch 
vor  Kurzem  verschiedene  bestanden,  das  »Barbaraspiel«  aufgeführt, 
ich  erinnre  mich  hierüber  selbst  einmal  bestimmte  Mittheilung 
erhalten  zu   haben. 

Dass  die  »Barbarakomödie«  in  Steiermark  öfter  zur  Darstellung 
gelangt  ist,  weisen  bestimmte  Angaben  nach.  In  der  Gegend 
von  Eisenerz  war  dies  in  den  Jahren  1802,  1808,  1832  und  noch 
1863  der  Fall  nach  einer  Einzeichnung  in  dem  Textbuche  jenes 
»Geburt-Christi-Spieles«,  das  in  dieser  Sammlung  Bd.  IS.  117  ff, 
abgedruckt  ist.  Die  erwähnte  Einzeichnung  enthält  sogar  Bemer- 
kungen über  die  Einnahme,  welche  im  J.  1802  222  fl.  und  im 
J,  1808  270  fl.  betrug,  für  die  bescheidene  Dorfbühne  bemerkens- 
werthe  Summen.  ImJ.  1829  und  1846  fanden  Darstellungen  des 
Barbaraspieles  in  Mitterdorf  im  Mürzthale  statt. 

Das  Heft,  welchem  der  vorliegende  Text  hauptsächlich  ent- 
nommen ist,  wurde  mir  ebenfalls  durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn 
F.  A.  Kienast  zugänglich,  welcher  es  etwa  1S81  vom  Eigenthümer 
Wondschina  geliehen  erhielt ,  der  noch  selbst  als  Spieler  bei  den 
letzten  Aufführungen  in  der  Gegend  von  Eisenerz  betheiligt 
war.  Auf  dem  Titelblatte  dieses  abgerissenen  selbstverständlich 
schlecht  und  unorlhographisch  geschriebenen  Heftes  stehen  die 
Worte:       »Exempel     der     heiligen     Jungfrau    Marterin     Barbara. 


3«7 

Schauspiel  in  Drey  Abtheilung.  1863.  Jakob  Wondschina^.  — 
Ich  war  in  der  Lage,  noch  einen  zweiten  Text  in  dem  mir  aus 
Mitterdorf  zugekommenen  Spielbuche  mit  dieser  Fassung  ver- 
gleichen zu  können,  das  auf  dem  Titelblatte  die  Worte  enthält: 
«Komödie  von  der  heiligen  Wabara  (sie!)  1829.  Valentin  Glanzer 
1846«  und  am  Schlüsse  des  Textes  den  Namen:  Jakob  Smesmeyer 
oder  Kinesmeyer,  dieser  Name  ist  schlecht  leserlich.  Der  Text 
stammt  mit  dem  ersten  so  ziemlich  überein ,  von  dem  Liede  des 
Hanswurstes,  mit  dem  der  9.  Auftritt  (S.  116)  beginnt,  ist  jedoch 
in  dem  Mitterdorfer  Exemplare  nur  die  erste  Strophe  und  diese 
verstümmelt  enthalten.  Ich  konnte  auch  andere  verstümmelte 
Stellen  durch  das  eine  oder  andere  Exemplar  verbessern.  An  der  be- 
züglichen Stelle  (9.  Auftritt)  verzeichnet  das  Eisenerzer  Exemplar 
noch  ein  zweites  Lied,  worüber  die  Anmerkung  zu  vergleichen  ist. 
Da  sich  in  der  Handschrift  die  Verwechslung  der  Höflich- 
keitsansprache »Ihr«  mit  »Sie«  an  verschiedenen  Stellen  findet, 
so  wurde  auch  in  dieser  Beziehung  die  Einheitlichkeit  durchge- 
führt. 

S.    109  Z.   I    »Ich  tritt«   dial.   »trete«. 
S.    109  Z.    10     »verlobt«     dial.    ein   Gelübde    gethan ,     in   diesem 

Falle  etwa  »das  Herz  durch  ein  Gelübde  Gott  gewidmet«. 
S.    109  Z.   15  In  der  Bemerkung  über  die  Aufstellung  der  Götzen- 
bilder führt  die   Handschrift  statt  »Minerva«   »Pallas«   an. 
S.    116  Z.   182  Die  Hs.   enthält  an  dieser  Stelle  noch  ein  zweites 
Lied    für  den  Hanswurst,    welches  mit  der  Zeile  beginnt.-    »So 
mag   i    kein  Bauer   mehr   bleiben«  und  eigentlich  mit  geringen 
Abweichungen  dasselbe  Lied  ist,  das  ich  in  meiner  Sammlung  : 
»Deutsche  Volkslieder  aus  Steiermark«  (Innsbruck.  1881)  S.  248 
aufgenommen    habe,    woselbst    es    beginnt:     »Mag    i   ka   Bauer 
nimmer    bleiben«.       Wahrscheinlich    sind    diese    zwei    überaus 
volksthümlichen    Lieder   zur    Auswahl    der  Hs.    einverleibt,    der 
Hanswurst   sang    bei    der  jeweiligen  Aufführung   jedenfalls    nur 
das    eine    derselben.      Beide   Lieder    haben    übrigens    das   mit- 
einander gemein,  dass  sie  die  verschiedenen  Unannehmlichkeiten 
des  Bauernstandes  betonen. 
S.   116  Z.    182  »Hiazt  woas  i  nit«    dial.   »jetzt  weiss  ich  nicht«. 
S.   116  Z.  184  »bliebet  i  oanereh«  dial.  »bleibe  ich  einer  ohnehin«. 
S.    116  Z.    184  u.    185    Hier   fehlen   jedenfalls  Stellen    des  Liedes 
in  der  Hs. ,  insbesondere  fehlt  die  ganze  Zeile   185,  welche  ich 
nicht  willkührlich  ergänzen  wollte. 
S.   116  Z.    186  »han«   dial.   »haben«. 

»mein  wahrla«  dial.  etwa:    »wahrlich,  wahrhaftig«, 
»war   ma   als   zu   kloan«    dial.    »wäre    mir    gar  zu 


S. 

116  z. 

188 

S. 

116  z. 
klein«. 

189 

S. 

116  Z. 

192 

S. 

116  Z. 

198 

»Läinber«  dial.   »Lämmer«. 

»oans  is,   was  da  Hund  nit  mag«,  dial.    »Eins  ist, 
was  der  Hund  nicht  mag«.      Sprichwörtliche  Redensart. 
116  Z.   199  »Dös   gang    ma    wohl    a  nit  ein«  dial.   »das  ginge 
mir  wohl  auch  nicht  ein«. 

25* 


388 

S.  ii6  Z.  200  »Stiften«  alter  dial.  Ausdruck.  Stift  bezeichnet 
das  Verhältniss  zwischen  dem  Gutsherrn  und  dem  Grundholden 
wie  es  früher  bestand,   also  stiften  etwa  Pacht   zahlen. 

S.   116  Z.  202   »hoast's«   dial.    »heisst  es«. 

S.  116  Z,  204  »zan  Teuxel«  ,  dial.  »zum  Teufel«,  scherzhaft  ge- 
meint. 

g.    117  Z.   213   »leicht«  dial   »vielleicht«. 

S.   117  Z.   214   »ehenter«   dial.    »eher«. 

S.    117  Z.  220  »glei  harb  a«   dial.   »gleich   böse  (herb)  auch«. 

S.    iiS   Z.  231    »hiazt  los  nur«  dial.   »jetzt  höre  nur?. 

S.   118  Z.   236   »Bidlmann«  dial.   »Brautwerber«./ 

S.   119  Z.  259   »gegen  Ihnen<r  dial,    »gegen  Sie«. 

S.    120  Z.   293   »ÖS  habt's  enk«  dial.   »ihr  habt  euch«. 

S.  121  Z.  304  u.  305  In  der  Hs.  »von  dem  Ausglaub  (?)  dessen 
Unterfutter«. 

S.  121  Z.  310  »Schaben«  dial.  und  allgem.  Ausdruck  für 
»Motten«. 

S.    121    Z.   312   »lukat«   dial.  löcherig«. 

S.   122   Z.   325   »die  Prem«   dial.  »die  Bremsen«. 

S.   123  Z.   346  »derft's  enk«   dial.   »dürft  euch«. 

S.   123  Z.  354  »Hiazt  wiar  ich  a«   dial.   »Jetzt  w^erde  ich  auch^f. 

g.   127  Z.   443   »damisch«  dial.  etwa   »närrisch«. 

S.   127  Z.  457   >von  enkerer«    dial.   ^^von  euerer«. 

S.   127  Z.  463   »auf  enk«  dial.   »an  euch«. 

S.   130  Z.  498  »kemmaar   dial.   »kommen«. 

S.   132  Z.  549   »auf  diesem  Spitz«   dial.   »auf  dieser  Spitze«. 

S.   135   Z.  614  Hs:    »erweckendes«   statt   »erwachendesc. 

S.   139  Z.  724  Hs;  »königliche«  statt  »fürstliche«. 

S.   140  Z.  756  Hs  :    »abgenommen«  statt  »eingenommen«. 

S,  148  Z.  926  »wie  erbarmst  du  mir«  dial.  Wendung,  etwa  »wie 
dauerst  du  mich -f. 


Susanna. 

Seite  159. 


Die  Erzählung  von  der  keuschen  Susanna  und  den  zwei 
greisen  Richtern,  welche  ihr  Gewalt  anthun  wollen,  sie  anklagen, 
zuletzt  aber  durch  den  jungen  Daniel  vor  Gericht  der  falschen 
Anklage  überführt  werden,  findet  sich  in  den  apokryphen  Büchern 
des  alten  Testamentes  (Gap.  13  der  Septuaginta).  Es  ist  bekannt, 
dass  gerade  dieser  Stoft'  von  den  Malern  und  von  den  dramatischen 
Dichtern  des  16.  Jahrhunderts  und  selbst  später  besonders  gern 
zum  Vorwurfe  genommen  wurde.  Susannakomödien  finden  wir  in 
der  That  das  ganze  16.  Jahrhundert  hindurch  zahlreich  gedruckt 
und  aufgeführt.  Die  bedeutendste  derselben  dürfte  wohl  Paul 
Rebhun's    ».'^piel     von    der    gottfürchtigen    und    keuschen   Frauen 


389 

Susannen«  (1536)  sein,  das  H.  Palm  in  der  Bibliothek  d.  lit.  Ver. 
zu  Stuttgart  Bd.  XLIX  wieder  zum  Abdrucke  brachte.  Schon 
vorher  aber  erschien  Sixt  Birk'o  Spiel  (1532),  und  aus  späterer 
Zeit  sind  Susannakomödien  von  Jakob  Frischlin,  Michael  Stettier, 
Conrad  Graff,  Georg  Pondo ,  Leonh.  StÖckel,  Johann  Leon, 
.Andreas  Calagius  u.  A.  m.  bekannt.  Die  reiche  Aufzählung  in 
Goedeke's    »Grundriss  zur  Gesch.  der  deutsch.  Dichtung.   2.  Aufl. 

(S.  345.  355.  356,  359.  365,  367,.  378,  386,  392,  394,  39^.  402, 
405,  407  etc.)  weist  die  Beliebtheit  dieser  Comödien  am  besten 
nach.  Eine  Vergleichung  und  Untersuchung  der  wichtigsten  dieser 
Spiele  versucht  Robert  Pilger's  ausführliche  Arbeit:  »Die  Drama- 
■  lisirungen  der  Susanna  im  16.  Jahrhundert«  in  der  Zeitschrift  f. 
deutsche  Phil.  XI.  Bd.  1880.  S.  729  ff.  Daselbst  sind  jedoch 
noch  nicht  alle  Dramatisirungen  dieses  Stoffes,  welche  nur  in 
deutscher  Sprache  vorliegen,  ins  Auge  gefasst. 

Ob  das  hier  abgedruckte  Spiel  von  der  Susanna  auf  anderen 
Volksbühnen  in  unserem  Alpengebiete  aufgeführt  wurde  ,  ist  mir 
unbekannt.  Jedenfalls  ist  der  Grundtext  sehr  alt;  es  erinnert  die 
ganze  Anlage  und  Durchführung  überhaupt  an  die  Fastnachts- 
spiele, und  dürfte  das  Spiel  auch  jedenfalls  zu  derselben  Zeit  ent- 
standen sein,  als  die  zahlreichen  Dramatisirungen  des  Stoffes,  von 
denen  eben  die  Rede  war,  vorgenommen  wurden,  Vers  und  Reim 
und  manche  alte  Ausdrücke,  die  allerdings  auch  der  Mundart  eigen- 
thümlich  sind,  weisen  schon  darauf  hin. 

Was  die  Handschrift  betrifft,  welcher  der  vorliegende  Text 
entstammt,  so  ist  dieselbe  wie  bei  den  meisten  der  hier  abgedruckten 
Spiele,  ebenfalls  ein  Theaterexemplar.  Ursprünglich  hatte  ich  1885 
eine  Handschrift  erhalten ,  die  aus  Eisenerz  stammte  und  die 
Jahreszahl  1802  auf  dem  Titel  verzeichnet  enthielt.  In  Eisenerz 
wurde  auch  nach  mündlicher  Mittheilung  die  Susannakomödie 
thatsächlich  aufgeführt.  Die  Abschrift,  welche  ich  von  dem 
Theaterbuche  von  1802  machte,  ist  mir  jedoch  in  Verlust  gerathen, 
und  ich  war  gezwungen,  neuerliche  Erkundigungen  nach  dem  Ver- 
bleib des  alten  Manuscriptes  einzuziehen.  Diese  hatten  insofern 
Erfolg,  als  ich  eine  zweite  ähnliche  Handschrift  des  Spieles  und  zwar 
wieder  aus  Eisenerz  benutzen  konnte.  Diese  ist  zwar  mit  der 
von  1802  nicht  vollkommen  identisch  und,  der  Schrift  nach  zu 
urtheilen  ,  etwas  neueren  Datums,  jedoch  stimmt  sie,  so  weit  ich 
mich  erinnern  kann ,  in  allen  Hauptpunkten  mit  dem  älteren 
Manuscripte  überein,  sogar  in  der  »Anmerkung  der  Kleider  etc.«, 
welche  dem  eigentlichen  Texte  vorangeht.  Es  mag  daher  das 
Heft ,  dem  ich  diesen  Text  entnehme ,  sogar  eine  Abschrift  des 
früheren  von  1802  gewesen  sein.  Leider  sind  Schreib-  und  andere 
Fehler  in  dem  neueren  Hefte  ebenfalls  enthalten  und  einige  Stellen 
ganz  verstümmelt,  so  dass  sie  ergänzt  werden  mussten.  Auf  dem 
Umschlage  des  Heftes  stehen  die  Worte:  :2'Susanna.  Eine  hysto- 
rische  (sie!)  Vorstellung  in  3  Acten  aus  der  heiligen  Schrift«, 
ferner  finden  sich  auf  diesem  Umschlage  verzeichnet  die  Namen  ; 
>^ Franziska    Honigl,    Johann    Honigl ,    Oswald    Honigl ,    Viktoria 


390 

Honig]  und  noch  mehrere  andere  »Honigl«.  In  der  Mitte  des 
Heftes  steht  :  »pour  Honigl«  und  nach  der  erwähnten  »Anmerkung 
der  Kleider  etc.«  folgen  noch  die  Worte  :  »Peter  Honigl  Eisenerz«. 
Es  macht  das  den  Eindruck,  als  habe  ein  Theaterleiter  Namens 
Honigl  mit  seiner  Familie  das  Spiel  zur  Darstellung  gebracht 
und  die  Hauptrollen  mit  diesen  Familienmitgliedern  besetzt. 
Wahrscheinlich  hat  derselbe  Honigl  auch  andere  Stücke  aufgeführt, 
was   freilich  auch  nur  vermuthet  werden  kann. 

Es  ist  eben  angedeutet  worden,  dass  eine  »Anmerkung«  in 
der  Handschrift  dem  Texte  vorangeht ;  da  dieselbe  für  die  Art 
der  stattgefundenen  Aufführung  verschiedene  Auskünfte  bietet,  so 
möge  sie  hier  und  zwar  möglichst  nach  der  Textirung  der  Hand- 
schrift ihre  Stelle  finden.  Nach  der  Ueberschrift :  »Anmerkung 
der  Kleider  und  anderen  Sachen,  so  bei  dieser  Comödie  erfordert 
werden«,  folgen  die  Angaben:  ^^Erstlich  der  Ehrenhold,  Joachim 
und  die  zwei  alten  Richter  sind  fast  gleich  gekleidet,  als  allein, 
dass  Joachim  kein  Seitengewehr  hat,  jeder  einen  Schlafrock,  grosse 
Bundkappen,  grosse  Barte,  niedere  Schuh  und  schwarze  Strümpfe 
haben,  doch  soll  Joachim  schöner  mit  Gold  überzogene  Schuh  an- 
haben und  einen  mit  einem  hochzeitlichen  (?)  Ehrenkranz  gezierten 
Bund  auf  dem  Haupte  tragen.  Die  zwei  Joachimsknechte  brauchen 
niedere  Schuh,  schwarze  Strumpf  und  einen  braunen  lodenen  Rock 
und  Hut.  Der  Richter  ist  schwarz  gekleidet,  soll  einen  schwarzen 
Mantel  und  ein  Wams  anhaben  und  einen  runden  schwarzen  Hut, 
in  der  Hand  einen  vergoldeten  Stab  und  sammt  den  zwei  Bei- 
sitzern ein  Krös  (eine  Krause)  tragen  ,  auch  sollen  die  zwei  Bei- 
sitzer auf  jüdische  Art  schwarze  Kittel,  über  sie  schwarze  Röcke 
und  einen  grossen  schwarzen  Hut,  um  die  Mitte  aber  ein  weisses 
Handtuch  (?)  haben.  Die  zwei  Gerichtsdiener  müssen  schöne 
rothe  Leibel  oder  Kamisole  ,  rothe  Kappen ,  welche  bis  auf  die 
Schulter  herabhängen  ,  an  den  Füssen  rothe  Strümpfe  und  weisse 
Kleider,  welche  bis  auf  die  Waden  gehen,  Schnurbärte  und  grosse 
Pratzen  (vielleicht  Handschuhe?)  haben.  Daniel  soll  ein  Engel- 
kleid ,  einen  Lorbeerkranz  auf  dem  Haupte  und  rothe  Strümpfe 
haben.  Die  Soldaten  haben  grosse  runde  Barte  und  Hellebarten.« 
Ein  eigentliches  Personenverzeichniss  fehlt  ebenso  wie  die 
Eintheilung  in  Acte.  Ersteres  wurde  von  mir  beigefügt.  Noch 
ist  zu  erwähnen,  dass  Achab  in  der  Handschrift  den  Namen 
*Wallak«  trägt,  welcher  als  unbiblisch  wohl  nicht  passend  erscheint 
und  daher  geändert  wurde. 
S.  163  Z.  68  Hs:  »Wabel«  statt  »Babel«. 
S.  163  Z.  77  Hs :  »Der  ich  gefangen  nun  von  ferne  stehe«. 
S.    163  Z.  84  Hs:   »Hat  er  geben  mir  den  Zorn  sein  in  gütte  und 

in   gnad  gewend«. 
S.    169  Z.   107.    Nach  dieser  Zeile  findet  sich  noch  eine  Stelle  in 

der  Hs.,  welche,  mir  nicht  verständlich,  etwa  lautet;   »von  rechter 

Zucht  und  lieb  gottes  bogen«. 
S.    164  Z.   108  Hs :    »bei  den  ich  so  vill  Gnaden  find«. 
S.   164  Z.   114  Hs:   »Mich  suchen  und  kommen  zu  mir«. 


39' 

S.   165  Z.    128  Hs. :     »haben«  statt   »han«. 

S.  165  Z.  141  »Sirfln«  dial.  etwa  »plappern«,  erinnert  an  den 
mhd.  Ausdruck. 

S.  165  Z.  147 — 157.  Diese  Rede,  in  der  Hs.  verderbt  und  mit- 
unter unleserlich,  musste  in  verschiedenen  Worten  geändert 
werden.  Z.  147  lautet  etwa  in  der  Hs. :  »Ja  was  ihr  in  Herz 
redet  nun«. 

S.  165  Z.  151   »brinnen«  dial.  »brennen«. 

S.   165   Z.    153   »bewisst«   dial.   »bewusst«. 

S.    165  Z.   161    »nehmen  in  Bestand«   d.  h.  »miethen«. 

S.    166  Z.    169  Hs.:   »Ja  gut  is  der  es  treffen  kann«. 

S.    166  Z,   174  »gegen  mir«   dial.   »gegen  mich«, 

S.    168  Z.  249  Hs. :     »durch  wen«   statt  »durch  welchen«. 

S.  169  Z.  253.  Eine  kurze  Gegenrede  Achab's  ,  welche  in  der 
Hs.  hier  folgt ,  die  aber  ganz  unverständlich  u.  fast  unleserlich 
ist,   wurde   ausgelassen. 

S.   169  Z,   266  »derft«   dial.   »dürft«. 

S.    169  Z.  270  »Lost«  dial.   »hört  zu«. 

S.    170  Z.  297   »nicht  nur«  fehlt  in   der  Hs. 

S.   170  Z.  302  Hs. :    »Dann  hiemit  alle  Sorgen  bissen«. 

S.   171   Z.   317.     In  der  Hs.    »gegeben  hat«   statt  »giebt«. 

S.  171  Z.  336.  In  der  Hs.  statt  »ohn'  Gebühren«  unverständliche, 
undeutlich  geschriebene  Worte,  die  ich  etwa  lese:  ».schmulen, 
schmieren«. 

S.   173  Z.   392  Hs. :    »Dass  ich  so  ferne  komm  von  dir«. 

S.  173  Z.  398  Hs.  statt  »komm  bald  zu  mir«  hat  »wennst  kommst, 
so  komm«. 

S.    174  Z.  409   »im  Stillen«  fehlt  in  der  Hs. 

S.   174  Z.  421    »gegen  uns«  fehlt  in  der  Hs. 

S.   174  Z.  430   »verstosst«   fehlt  in  der  Hs. 

S.   174  Z.  433  Hs. :    »dringt«   statt    »begehrt«. 

S.  175  Z.  458.  In  der  Hs.  als  offenbarer  Schreibverstoss  »ergözen« 
statt  »erzürnen«. 

S.  175  Z.  464  u.  465  Hs.:  »wollt  ihr  der  Frauen  Gewalt  anthun 
ihr  Bösewicht«. 

S.  177  Z.  496  Hs. :  »Nun  ist  jetzund  ronirt  (ruinirt  ?)  die 
Thür«. 

S.    177  Z.  497  Hs.  :   »wer  solches  hat«  statt  »wer  das  hatc. 

S.  177  Z.  500.  In  der  Hs.  verderbt  und  unverständlich:  »auf 
er  mein  Glauben   gespirt«. 

S.   177  Z.  505  Hs. :    »Ei  Lieber,  wer  hätt  besorget  je«. 

S.   178  Z.   522  Hs. :     »Ist  dir  nicht  das  beikommen«. 

S.  178  Z.  533.  In  der  Hs. :  »dass  wir  es  gehen  an«  statt  »dass 
wir's  a.  n.« 

S.   180  Z.   590.     In  der  Hs.   »binden«   statt  »bringen«. 

S.   182  Z.   641   Hs. :     »war«  statt  »was«. 

S.  182  Z.  667  »vergeicht«  alter  dial.  Ausdruck,  welcher  etwa  aus- 
sagen, bekennen  bedeutet,   genau  wie  das  mhd.  verjehen. 

S.   183  Z.  676  »bedauern«  dial.   »dauern«. 


392 

S.   183    Z.    689    ^n'erschniuckt«    alt.    dial.   Ausdruck,    »zusämmen- 

presst«   wie  im  Mhd. 
S.   183   Z.  691   Construction  in  mundartlicher  Weise. 
S.   184  Z.  725  Hs. :   »was  bedarfs  viel  Worten«   statt   ^; wozu  vieler 

W.  b«. 
S.   184  Z.   740  Hs. :    »dass  wir  sie  recht  thun  b.«. 
S.   186  Z.   785  Hs. :   »Und  auch   daselbst  das  Leben  dein«-. 
S.   187  Z.  816    u.    824   Hs. :    »denn    dieser   Weg   ist    gleich   eben 

weit«. 
S.   188  Z.  851.    Näheres  über  die  folgende  Arie  findet  sich   nicht 

in  der  Hs. 
S.   189    Z.    852    »Frau    Mutter«    in   Steiermark   allgemein    übliche 

Ansprache    aller  Familienmitglieder    und   Hausgenossen    an    die 

Hausfrau.     Auch  wurde  letztere  früher  selbst  von    den  Kindern 

nicht  mit  Du  angesprochen. 
S.   190  Z.  908  »Urlaub  nimm  ichc    dial.  »Abschied    nehme   ich«. 
S.   191   Z.   926  Hs. :    »Was  Unglück  habt  ihr  so  bitter«. 
S.   191    Z.    934    Hs,  :    »Die    zeugen   thäten    und    wider   das    Weib 

reden«. 
S.   193  Z.  974  Hs. :   »Und  sie  unrecht  beklaget  hast«. 
S.   194  Z.   1003  »behend«   fehlt  in  der  Hs. 
S.    194  Z.    1006    »geborgt«   alt.  dial.  Ausdruck,   der  wie  im  mhd. 

borgen,   Nachsicht  haben,    bedeutet. 
S.   195  Z.    1031   Hs. :    »So  Herr  solls   also  gehn«. 


Der  bairische  Hiesel. 

Seite  199. 

Wie  so  viele  Gestalten  hervorragender  Abenteurer  und 
Räuber  bei  den  Nationen  aller  Länder  eine  gewisse  lang  an- 
dauernde Berühmtheit  beim  Volke  erlangt  haben,  so  ist  auch  die 
Persönlichkeit  des  Räuberhauptmannes,  welcher  gewöhnlich  der 
bairische  Hiesel  genannt  wurde  und  wird,  mit  einem  Sagenkranze 
umwoben  und  weit  über  die  Zeit  seines  Wirkens  hinaus  in  Süd- 
deutschland, insbesondere  aber  in  Baiern  und  in  den  Alpenländern 
Oesterreichs  volksthümlich  geworden.  Der  »bairische  Hiesel«  ist 
der  zu  Kissing  im  Jahre  1736  geborene  Mathias  Klostermeier 
(Hiesel  dial.  Diminutiv  von  Mathias),  welcher,  nachdem  er  als 
»Räuberhauptmann«  viele  »grausame  Mordthaten  und  Räubereien« 
begangen,  im  Jahre.  1771  zu  Dillingen  hingerichtet  wurde.  Eine 
ausführliche  authentische  Beschreibung  seines  Lebens  und  ruch- 
losen Treibens  enthält  der  »Neue  Pitaval«  N.  Ser.  Bd.  6 
(Leipzig.  1871).  Auf  diesen  Lebenslauf  ist  hier  natürlich  nicht 
weiter  einzugehen.  Bald  nach  dem  Tode  des  einst  so  gefürchteten 
Räubers  erschienen  die  verschiedenen  »Volksbücher«  vom  »bai- 
rischen  Hiesel«  in  den  bekannten  Jahrmarktsausgaben  und  fanden 
hauptsächlich  in  Süddeutschland    eine  solche  Verbreitung,   wie  sie 


393 

nur  etwa  der  »Genovefa«  ,  »Hirlanda«,  dem  «Till  Eulenspiegel«, 
den  »Schildbürgern«  und  ähnlichen,  freilich  viel  älteren  solcher 
Volksbücher  zu  Theil  wurde.  Man  vergleiche  über  diese  Aus- 
gaben R.  M.  Werners  Besprechung  der  Kralik-Winter' sehen 
Puppenspiele  in  der  Zeitschr.  f.  deutsches  Alterth.  N.  F.  XIX. 
Bd.  S.  8o.  Mir  selbst  liegen  zwei  Drucke  des  Volksbuches  vor, 
der  eine  betitelt :  »Der  bairische  Hiesel  .  .  .  neu  erzählt  von 
Ottmar  F.  H.  Schönhut«  (Reutlingen.  Dr.  u.  Verl.  v.  Fleisch- 
hauer und  Spohn)  mit  einer  Vorrede,  welche  1844  geschrieben 
ist.  Der  zweite  Druck  eines  Hieselbuches  ohne  Angabe  des  Autors 
und  des  Druckjahres  ist  in  Znaim  bei  M.  F.  Lenk  erschienen  und 
-dürfte  auch  aus  den  vierziger  Jnhren  unseres  Jahrhunderts  stammen. 

Wie  die  Volksbücherlitteratur,  so  hat  sich  auch  die  Puppen- 
und  Volksbühne  dieses  Stoffes  jedenfalls  bald  danach  bemächtigt, 
und  die  vorliegenden  Texte  sowie  die  Mittheilungen  über  Auf- 
führungen solcher  Hieselkomödien  in  Baiern,  Tirol,  Kärnten, 
Steiermark  und  Niederösterreich  weisen  am  deutlichsten  nach, 
dass  die  Geschichte  des  grossen  Räubers  die  Aufmerksamkeit  des 
Volkes  in  djesen  Ländern  besonders  in  Anspruch  nahm,  wurde 
doch  nach  Hartmann  (Voiksschauspiele,  S.  403)  auf  dem  Dorf- 
theater zu  Erl  in  Tirol  noch  im  Jahre  1877  ein  »bayrischer 
Hiesel«  aufgeführt.  Auf  dem  Krappfelde  in  Kärnten  kam  das 
Hieselspiel  (Weinhold ,  Weihnachtspiele  S.  374)  noch  um  1852 
zur  Darstellung.  Zum  ersten  Male  gedruckt  wurde  ein  Spiel : 
»Die  Raubschützen  oder  der  bayrische  Hiesel«  in  den  deutschen 
Puppenspielen  hgg.  v.  R.  Kralik  und  J.  Winter  (Wien.  1885) 
S.  195  ff.  daselbst.  Dasselbe  hat  Vieles  mit  dem  hier  ab- 
gedruckten Spiele  gemein ,  sogar  viele  Scherze  und  Spässe  des 
Casperl  daselbst  werden  in  unserem  Spiele  angewendet ,  so 
dass  man  annehmen  muss,  das  Puppenspiel  sei  dem  Verfasser 
des  vorliegenden  Textes  bekannt  gewesen  oder  umgekehrt. 
Jedenfalls  fällt  die  Abfassung  des  einen  wie  des  anderen  etwa  in 
den  Anfang  unseres  Jahrhunderts  ,  da  die  Hanswurstfigur  damals 
noch  als  der  unentbehrliche  Spassmacher,  wo  es  nur  ging,  auf 
die  Bühne  gebracht  wurde.  Im  Uebrigen  vergleiche  man  über 
•das  Verhältuiss  dieser  beiden  Hieseltexte  zu  einander  die  oben 
erwähnte  Recension  R.  M.  Werner^s. 

Die  Handschrift,  welche  ich  im  Jahre  1881  aus  Kindberg 
erhalten  habe ,  bildet  ein  Octavheft ,  welches  in  derselben  eigen- 
thümlichen  Fracturschrift  wie  das  Paradeisspiel  in  Bd.  i  offenbar 
von  demselben  Schreiber  den  Text  aufgezeichnet  enthält  und  den 
Titel  führt:  »Rabular  über  die  Theaterstücke  (sie  !)  von  dem  Leben 
und  Tode  des  sogenannten  bairischen  Hiesel ,  eines  berüchtigten 
Wildschützen  und  Räuberanführers  sammt  seiner  Banda.  In  sieben 
Aufzügen,  welche  sich  auch  auf  sechs  spielen  lassen«.  Es  folgen 
auf  der  nächsten  Seite  die  »Persohnen ,  welche  dieses  Spiel  vor- 
stellen« nummerirt  von  Nr.  i  bis  15;  darunter  steht  die  An- 
merkung :  »mit  sieben  oder  acht  Personen  kann  diese  Komödie 
gespielt    werden«.      Dass    der    Schreiber    trotz    der     nicht     üblen 


394 

Schrift  »nit  der  Orthographie  auf  gespanntem  Fusse  stand,  zeigt 
sich  auch  hier  sowohl  im  Titel  und  Personenverzeichnisse  wie 
im  ganzen  Texte.  Die  Verse  in  den  vorkommenden  Liedern 
sind  nirgends  abgesetzt  und  viele  Reime  und  Worte  ganz  ver- 
derbt,  insbesondere  in  den  mundartlichen  Reden  des  Casperl, 
der  bekannten  komischen  Figur,  die  bisher  in  den  vorangehenden 
Stücken  als  Hanswurst  eingeführt  wurde.  Das  Spiel  ist  in  sechs 
Aufzüge  abgetheilt  und  nach  Z.  35  S.  202  dieser  Ausgabe  in  der 
Hs.  die  Bemerkung  beigefügt:  »Jetzt  wäre  der  zweite  Aufzug, 
dieser  kann  aber  zu  dem  ersten  dazu  genommen  werden,  wenn  es 
sich  thun  lässt«.  Diese  sechs  »Aufzüge«,  von  denen  zwei  auf- 
einanderfolgende wohl  irrthümlich  mit  »vierter  Aufzug«  über- 
schrieben sind,  bilden  ganz  willkürliche  Abschnitte,  und  ich  habe 
in  Folge  dessen  auch  hier  die  Eintheilung  in  wirkliche  Auftritte 
getroffen.  Die  Ueberschriften  der  sechs  Aufzüge  in  der  Hs.  finden 
sich  an  Stelle  der  von  mir  bezeichneten  Auftritte:  i,  2,  4,  8, 
15  und  21, 

S.  201   Z.  2   »Wildbrat«  dial.   »Wildpret«. 

S.  201   Z.  3   »Jägerchor«,   damit  ist  offenbar  das  Corps  gemeint. 
S.  201   Z.   7   »Gamsla  .   .  .  umatanzen«   dial.  »Gemslein  .  .   .  um- 
hertanzen«   d.  h.   springen. 
S.   201   Z.   17   bis  S.    202  Z.    35.      In   diesen    Reden   zeigen   sich 
vielfach   gereimte  Stellen  ,   da  dieselben    jedoch    keinem    eigent- 
lichen Liede  angehören  (wie  etwa  die  Eingangsverse  des  Hiesel) 
auch    von   Prosasätzen    unterbrochen    sind,    so    wurden    sie  hier 
nicht  als  eigentliche  Verse  behandelt  und  in    nicht    abgesetzten 
Zeilen    gedruckt.      Derartige   Spuren    von  Reimen    und   Versen 
kommen  auch  in    anderen    dieser  Volksschauspiele    vor ,    wahr- 
scheinlich sind  sie  oft  unabsichtlich  entstanden. 
S.  202  Z.  24  »die  Alma«  dial.   »die  Alm«. 
S.  202  Z.  43   »er  will«  fehlt  in  der  Hs. 
S.   203  Z.  49    »zusammenkäut«   dial.  »zusammengekaut«. 
S.  204  Z.  96    u.  97    »mich   vor  Niemand    zu    sorgen«    dial.    »vor 

Niemandem  zu  ängstigen,   zu  fürchten«. 
S.   204  Z.   102   »Gamsgebirg«   dial.    Ausdruck  für  das  Gebirge,   in 

dem  sich  Gemsen  aufhalten. 
S.   204  Z.   104  »daschoss«  dial.  »erschoss«. 

S.   204  Z.    105   »Garns«  dial.  »Gemse«,   in  der  Mundart  masc.  gen. 
S.  204  Z.  106   »hinter  meiner«  dial.   »hinter  mir«. 
S.  204  Z.   iio  »ich  nimm«  dial.  »ich  nehme«. 
S.   205   Z.    127   »mein  Aid«   Vgl.   Bd.  1.  Anm.    zu  S.    78  Z.    160. 
S.  205   Z.   128   »dÖ  Schwänz«,    Tiroler  Kraftausdruck,    scherzhaft 

gutmüthig  gemeint  und  durchaus  keine  Beleidigung. 
S.   205  Z.    129   »a  Halbe«   d.  h.  »eine  halbe  Maass«. 
S.  205  Z.  134  »a  amal 'aufkemma«  dial.  »auch  einmal  aufkommen« 

d.  h.  bekannt  werden,   nämlich   wer  geschossen  hat. 
S.  206  Z.    157  In  der  Hs.   »Lied«    statt  »Jagerlied«. 
S.  207  Z.    173    »Maxima   Bärnhäuter«    ein    Schimpfwort,    das    be- 
sonders vom  Hanswurst  halb  scherzhaft  oft  gebraucht  wird. 


395 

S.  209  Z.   208  »dahungert«  dial.    »verhungert«. 

S.  209  Z.   210    »pappenar    scherzhaft   dial.   Ausdruck    für    Jessen«. 

S.  210  Z.    230  »aufnimm«  dial.   «aufnehmen«. 

S.  210  Z.  234  »in  d'Höchn«  dial.  »in  die  Höhe«. 

S.    210  Z.  243   »Bettern«   dial.   »Betten«. 

S.  211   Z.  259   »Zapfel«   dial.   »Zäpfchen«. 

S.   211   Z.  261    »draht's  enk«  dial.    »dreht  euch«. 

S.   212  Z.  281    »sieh  ich«   dial.    »sehe  ich«. 

S.   214  Z.  321    »gewunschen«   dial.  »gewünscht«. 

S.  215  Z.   336  »lernen«  dial.  »lehren«. 

S.  216  Z.  355   »ÖS  müsst's  enk«  dial.  »ihr  müsst  euch«. 

S.  216  Z.  366  »schnopfezen's«  dial.   »schnuppern  sie«. 

S.  217  Z.  380  »han  i«   dial.   »habe  ich«. 

S.   217  Z.  382   »umi  gehn«   dial.    »herum-,   hinübergehen«. 

S.  217  Z.   389   »a  Streifen«   dial.  »eine   Streifung«, 

S.   217  Z.  391    »todter«   dial.   »todt«. 

S.  219  Z.  435   »ich  möcht  ihn  bald    nit  erheben«  dial.  »ich  kann 

ihn  beinahe  nicht  aufheben«. 
S.  220  Z.  442   »scheppert's«  dial.  etwa  »klappert  es«. 
S.  220  Z.  445   »eini«  dial.   »hinein«. 

S.   220  Z.  451    »aussig'schmissen«   dial.   »herausgeworfen«. 
S.   220  Z.  452  »Tuchent«   dial.  »Deckfederbett«. 
S.  220  Z.  460  »eh«  dial.   »ohnehin«. 
S.  221   Z.  476  »anfriemen«  dial.    »bestellen«. 
S.  222  Z.  483   »Kuchelschmutz«  dial.  etwa  »Küchenschmatz«,  ein 

Küsschen  in   der  Küche. 
S.  222  Z.   494    »Von    Augsburg    geborn«.     Dies   ist    ein    Irrthum 

des  Dichters,   da  Hiesel  zu   Kissing  geboren  ist. 
S.  222  Z.  495   »Gamsbart«  dial.   »Gemsbart«,   die   bekannte  Hut- 
zierde des    bairischen  Alpenjägers ,    aus   den   zusammengefügten 

Rückenhaaren  der  Gemse  bestehend. 
S.  222  Z.  502   »Gei«   dial.  »Gebiet«. 
S.  222  Z.  506   »selm«   dial.   »selbst«. 
S.  223  Z.  527   »leint«  dial.    »lehnt«. 
S.  224  Z.  544   »Aft«   dial.   »dann«. 
S.  225    Z.   562  Der  Hiesel  hängt  die  Jäger   an.     Ein    volksthüm- 

licher  Jägeraberglaube. 
S.  225   Z.  569   »ang'frört«  dial.  etwa  angefroren,  angehängt. 
S.  225  Z.  571    »g's — «  (d.   h.  g'seicht),   seichen  dial.  mingere. 
S.  225   Z.   573  »ihnera  zween«   dial.    »ihrer  zwei«. 
S,   225  Z.  576  »netta«   dial.  »gerade,   eben«. 

S.   228  Z.  648  »am  Galgen  aufi«   dial.    »auf  den  Galgen  hinauf«. 
S.  230  Z.  681    »entstraucht«   dial.   auch  gaunersprachl.  Ausdruck: 

»entwischt«. 
S.  230  Z.  687   »auf  einem  andern  Orte«   dial.  Construction  statt: 

»an  einem  a.  O«. 
S.  231   Z.  699  »dös«   dial.  »ihr«. 

S.   231   Z.  713   »bei  die  Bauern«   dial.  für   »bei  den  Bauern r. 
S.  232   Z.  725   »dalogen«   dial.   »erlogen«. 


396 

S.  232    Z.  731    >;gnumma«  dial.    ^^ genommen«. 

S.  232  Z.   732   »aussi«   dial.  i>heraus«. 

S.  232  Z.   737   »Sie  hat  ihr«   dial.  »sie  hat  sich«. 

S.  233  Z.   747   y anzünden«   dial.  »angezündet«. 

S.  233  Z.   757    »Grundl«    ein    kleiner   Fisch,    der    diesen    Namen 

trägt. 
S.  233  Z.   763   ^^aussag'fischt«   dial.  »herausgefischt«. 
S.  235   Z.   782   »lusti  losgauga«  dial.  »lustig  losgegangen«. 
S.  235   Z.    796  ft".  Reime  und  Versspuren  wie  oben  S.  201  Z.  17  flf. 
S.  236  Z.  S13   »in  die  Graben  eini«   dial.   »in   die  Gräben  hinein«, 

Gräben  im  Gegensatz  zum  flachen  Lande.    - 
S.  236  Z.  816  »Scheitel«  dial.  »Scheit«  d.  h.  Holz. 


Der  gefoppte  Geizhals, 

Seite  239. 

Dieser  volksthümliche  dramatische  Schwank  gehört  zur  Gattung 
der  sogenannten  »Nachspiele«.  Es  sind  dies  kurze  Spiele,  welche 
gewöhnlich  der  Darstellung  eines  ernsteren  Stückes  z.  B.  der  Hir- 
landa,  Susanna  oder  dgl.  folgen  und  in  deneji  derber  Humor  be- 
sonders zu  Tage  tritt.  In  solchen  Nachspielen  dient  meistentheils 
die  Figur  des  »Kasperl«,  des  Hanswurstes  besonders  zur  Belustigung 
der  Zuhörer.  Die  Handlung  des  »Nachspieles«  ist  gewöhnlich 
eine  dürftige,  auf  die  derben  Scherze  und  Spässe  wird  das  Haupt- 
gewicht gelegt ,  und  ist  den  betreffenden  Darstellern  hierfür  ein 
weiter  Spielraum  gelassen.  Auch  kleine  komische  Scenen  aus  dem 
Bauernleben  u.  dgl.  bilden  wohl  den  Vorwurf  zu  solchen  kurzen 
Spielen.  Bisher  wurden  meines  Wissens  keine  derselben  veröffent- 
licht. Sie  kommen  in  den  Gebieten  der  deutschen  Alpenländer 
schon  seit  dem  vorigen  Jahrhundert  vor,  wie  ja  auch  auf  der  Kunst- 
bühne  derartige  burleske  Nachkomödien  schon  im  18.  Jahrhundert 
und  früher  üblich  waren.  Hartmann  (»Volksschauspiele«)  er^vähnt 
solcher  Spiele  von  Bauerntheatern  aus  Brixlegg  (A.  a.  O.  S.  321), 
aus  Schwaz  (S.  340) ,  aus  Dachau  (S.  446)  u.  s.  w.  Auch  in 
seinem  Buche;  »Weihnachtslied  und  Weihnachtsspiel  in  Oberbaiern« 
(München.  1875)  gedenkt  Hartmann  (Vgl.  daselbst  S.  I42  u.  143) 
eines  ähnlichen  Scherzspieles.  Das  derartige  Stücke  auch  in  Un- 
garn vorkamen,  zeigt  Schröer  (»Deutsche  Weihnachtsspiele  in 
Ungarn.«  S.  43  u.  S.  201).  Die  Handschrift  des  vorliegenden 
Nachspieles  stammt  aus  Eisenerz ;  sie  bietet  ausser  der  übliclien 
schlechten  Schrift  und  Orthographie  nichts  Bemerkenswerthes  und 
dürfte  aus  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts  herrühren. 
S.  241  Z.  5  »versprich«  dial.  »verspreche«. 
S.  241  Z.  9  »mii«  dial.  »wir«,  allgemein  üblich. 
S.  241  Z.  10  »sein  ma  glei  samma«  dial.  »seien  wir  gleich  zu- 
sammen«. 


397 

S.   241    Z.   II    '>i  di  duezen«   dial.   »ich  dich  dutzen«. 

S.  241   Z.   14  »wia  ma  thain«   dial.   »wie  wir  thun«. 

S.   242  Z.  34   »selni«   dir.l.  etwn  selber,   selbst. 

S.  243   Z.   57   »Gschlaven«   dial.    »Sclaven«.   ■ 

S.  243  Z.  60  »eigne  Menscha  kafet's«  dial.  »eigene  Mädchen 
(d.  h.  Sklavinnen)   kaufen  würdet«. 

S.  243  Z.   61    »enkern  Vata«   dial.   »euern  Vater f<. 

S.  243  Z.  76  »Startin«  altes,  aber  heute  noch  gebräuchliches 
Weinmass  in  Steiermark,  i  Startin  enthält  etwa  10  Eimer  = 
560  Liter. 

S.  243  Z.  79   »Hiatzt  wir  ich«   dial.    »jetzt  werde  ich«. 

S.   244  Z.  89   »Kuchelniensch«   dial.  »Küchenmagd«. 

S.  244  Z.  91  »anzurathen«  dial.  »anzugeben«  —  »ihm«  ,  der 
Dativ  entspricht  der  mundartlichen  Ausdrucksweise. 

S.  244  Z.   103    »dakennt«    dial.   »erkannt«  —   »lost«  dial.   »hört«. 

S.   244  Z.   III    »aussakemma«   dial.  »herausgekommen«. 

S.  244  Z.  III  »auf  an  Käuer«  dial.  »zu  einem  Käuer«.  Die 
Handschr.  hat  das  Wort  »Käuer«  ziemlich  deutlich,  was  damit 
gemeint  ist,  vermag  ich  jedoch  nicht  anzugeben  ;  möglich,  dass 
es  ein  türkisches  Getränk  giebt ,  dessen  Name  ähnlich  lautet, 
und  dass  der  Hanswurst  in  üblicher  Weise  diesen  Namen  ver- 
dreht. 

S.  245   Z.    125   »wo  wird  a  sein«   dial.   »w,   w.   er  sein«. 

S.   246  Z.   169   -^marixelt«  dial.  »stirbt«. 

S,   246  Z.    172   »in  der  Tattna«   dial.  etwa  »verwirrt,  verstört«. 

S.  246  Z.   175   »soll  a  ma's«  dial.   »soll  er  mir's«. 

S.  247   Z.   178   »gemachla«    dial.   »gemächlich«. 

S.  247  Z.    179   »aft  wir  i«  dial.    »dann  werde  ich«. 

S.  247  Z.    181    »schön  stat«  dial.   »schön  langsam,   ruhig«. 

S.  249  Z.  232  »ÖS  habts  enk  schon  versprochen«  dial.  »ihr  habt 
euch  schon  verlobt«. 

S.  249  Z.  234  »ÖS  müsst  ma  a  ane  zuekomma  lassen«  dial.  »ihr 
müsst  mir  auch  eine  zukommen   lassen«. 

S.  249  Z.  241    »Kalmerln«   dial.   »Kälbchen«. 

S.  249  Z.  249  »Grindschipl«  dial.  »Grindkopf«  —  »glatzschädlater« 
dial.  »glatzköpfiger«. 

S.  249  Z.    250  »Das  hat  g'rathen«   dial.   »das  ist  gelungen«. 

S.  250  Z.  260  »war  g'feilt«  dial.    »wäre  gefehlt«. 

S.  250  Z.  269   »gewunschen«  dial.   »gewünscht«. 

S.  250  Z.  272   »a  sölteri«   dial.   :»eine  solche«. 

S.  250  Z.  274  »rochen«  dial.  »röcheln,  grunzen«  —  »a  weng« 
dial.   »ein  wenig«. 

S.  251  Z.  300  »hamsuechen  ganga«  dial.  »heimsuchen,  besuchen 
gegangen«. 


398 

Ein  Nachspiel. 

Seite  253. 

Auch  dieses  Scherzspiel  gehört  zu  der  Gattung  der  kurzen  »Nach- 
spiele« ,  deren  soeben  oben  Erwähnung  geschah.  Es  entbehrt, 
wie  man  sieht ,  einer  fest  gefügten  Handlung ,  behandelt  bloss 
bäuerliche  Verhältnisse,  ist  aber  eben  deshalb  für  das  volksthüm- 
liche  Leben  bezeichnend.  Die  eingefügten  Lieder  bieten  den 
Zuhörern  Ersatz  für  die  fehlenden  Scherze  des  Hanswurstes,  dem 
in  diesem  Spiele  keine  Rolle  zugetheilt  ist;  die  Prügelscene  am 
Schlüsse  gehört  ebenfalls  zu  den  Spassen,  welche  von  dem  länd- 
lichen Publicum  mit  besonderem  Vergnügen  aufgenommen  werden. 
Auch  die  Handschrift  dieses  Spieles  stammt  aus  Eisenerz,  wurde 
etwa  im  ersten  Drittel  unseres  Jahrhunderts  niedergeschrieben,  und 
bedurfte  der  Text  hier  und  da  einer  kleinen  Verbesserung  oder  Er- 
gänzung wegen  unleserlicher  oder  ganz  fehlender  Stellen. 
S.  255  Z.  8.  In  der  Hs.  lautet  diese  Zeile:  »Ist  nichts  mit  mir«?. 
S.  255  Z.  9    »iss»    dial.    >esse«.  —   »Sterz«  Vgl.  Bd.  I  Anm.    zu 

S.   114  Z.  1214. 
S.  255  Z.    II    »gnu«   dial.  »genug«. 
S.   255  Z.   14.     In  der  Hs. :    »Dass  du  halt  grad«. 
S.  255  Z.   17   »übergeben«  nämlich  die  Wirthschaft,   den  Hof. 
S.  255  Z.  22   »Kalbn«   dial.   »Kälber«. 
S.   255  Z.  23    »a   kleine    Schwein«    in    der   Mundart   ist    Schwein 

fem.  gen.,   also   »ein  kleines  Schwein«. 
S.  256  Z.  38.     In  der  Hs. :     »So  roth  wie  Blut«. 
S.  256  Z.  40  »Zahnt«   dial.  »Zähne«. 

S.  256  Z.  52   »das  Mensch,  das  that«   dial.   »das  Mädchen  thäte«f. 
S.  256  Z.   53   »Mäulerl«   dial.   »Mündchen«. 

S.   257  Z.  57   »gräula«  dial.   »gräulich«,  hier  aber  in  gutem  Wort- 
sinn, bloss  als  Verstärkung   gemeint. 
S.   257  Z.   58   »woll  ma  gehn«  dial.   »wollen  wir  g.«. 
S.  257  Z.   66.     In  der  Hs.  :    »Thu  dich  3mal  bucken<. 
S.   257  Z.   75   »an  Bittelmann«    dial.    »einen  Brautwerber«. 
S.  257  Z.   76  »Vattern«  wird  in  der  Mundart  meist  kurz  u.  scharf 

ausgesprochen«. 
S.   257  Z.   84   »harb  war«   dial.   »böse  wäre«. 
S.  258  Z.  96   »ins  Drasch«  dial.   »ins  Dreschen«. 
S.  258  Z.  97   »im  G'sass«   dial.  »im  Gesäss«, 
S.   258  Z.  99.    In  der  Hs.  :   »nopt«   statt   »klopft«. 
S.   258  Z.    106  »Kotier«  dial.    »Gefängniss«. 
S.   260  Z.   144  »dana«  dial.    »dennoch«. 

S.   260  Z.    149   »anz'legen«   dial.  »anzulegen,    anzuziehen«,    näm- 
lich Kleider. 
S.   260  Z.    151    »Löflehi«   dial.    »heimlich  liebeln«. 
S.  261   Z.   171    »dahalten«   dial.  »erhalten«. 
S.   262  Z.   182   »Gaisen«  dial.   »Ziegen«. 

S.   262  Z.   191   »in  Meth«  dial.  »den  Meth«.    Meth  ist  in  Steiermark 
besonders  beim  weiblichen  Geschlechte  ein  sehr  beliebtes  Getränk. 


399 

S.   262  Z.    195    »dahausen  a  no«  dial.  »erwirthschaften  auch  noch« . 

S.   262  Z.   204  »Fadel«  dial.    »Ferkel«. 

S.  263  Z.  209  »haberne  Leinwatf<  dial.  »Hanfleinwand«  —  »Haar« 

dial.   »Flachs«. 
S.   263  Z.  2ro  »Schmer«  dial.  »ausgelassenes  Rindsfett«. 
S.   263  Z.  215  »Pfleger»  ,   der  herrschaftliche  Beamte,    welcher  in 

den  Zeiten    der  Patrimonialgerichtsbarkeit   vor    1848    im  Lande 

noch  bestand. 
S.   164  Z.  230  »junges  Flitscherlc  dial.  »junges  Ding«,  verächtlich 

gemeint. 
S.  264  Z.  233  »Niemt«  dial.   »Niemanden«. 
S.  264  Z.  237  »zeigens  an  d'Feigen«  dial.  »zeigen  sie  einem   die 

Feigen« ;  übliche  Redensart,   welche  eine    höhnische  Abweisung 

bezeichnet. 
S.  264  Z.  243  »kreil«  dial.  »kralle,  kratze«. 
S.   264    Z.    252    »a   Kittel    einbandelt«    dial.    etwa   ein    weiblicher 

Rock,   mit  Bändern  eingefasst  und  verziert. 
S.  264  Z.   254   »Pfaidl«   dial.   »Hemdchen«. 
S.   265  Z.  260    u.    261    »Dudelsackstephel«    und    »Broder    Veill« 

sind  Vulgärnamen  der  Musikanten. 
S.  265   Z.   266  »a  ninda«  dial.   »ein  jeder«. 
S.   265  Z.  267   »Ursch«  dial.   »Ursula«. 
S.   265  Z.  272   »Ventari«,  das  Inventar.     In  der  Mundart   werden 

derartige  Fremdwörter  häufig  verdreht  oder  gekürzt. 
S.   265   Z.  274  »geschazt«    dial.    »abgeschätzt«    nämlich    vom    Ge- 
richte, welches  das  Verlassenschaftsinventar  aufnimmt.) 
S.   266  Z.  278   »han«  dial.  fragepariikel. 


ANHANG. 
Das  Leiden  Christi. 

Passionsspiel   aus    Kärnten. 

Seite  269» 

Den  Text  des  vorliegend  abgedruckten  Passionsspieles  ver- 
danke ich  der  besonderen  Freundlichkeit  des  Herrn  Professors 
R.  Dürnwirth  in  Klagenfurt,  welchem  das  Originaltextbuch  unter 
der  Bedingung  überlassen  wurde ,  es  nicht  aus  der  Hand  zu 
geben  und  der  deshalb  persönlich  sich  der  Mühe  unterzog,  das 
Ganze  abzuschreiben.  Diese  Abschrift ,  welche  mir  von  dem  ge- 
nannten Herrn  in  so  gefälliger  Weise  überlassen  wurde,  liegt  dem 
hier  abgedruckten  Texte  zu  Grunde.  Das  Titelblatt  der  Ab- 
schrift lautet:  »Das  Leiden  Christi,  ein  Trauerspiel  in  drei  Auf- 
zügen sammt  dem  Kreuzzug  und  der  Kreuzigung«.  Noch  findet 
sich  auf  dem   Blatte  der  Vermerk:    »Altenmarkt  im  Gurkthale   ob 


400 

Weitensfeld.  Erhallen  von  Simon  Steinbühler  .  .  .  1889«.  Vor 
dem  eigentlichen  Verzeichnisse  der  Personen  befindet  sich  eine 
Liste  der   «Theater   Requisiten«. 

In  Kärnten  werden  wie  im  angrenzenden  Tirol  Passionsspiele 
bis  auf  den  heutigen  Tag  aufgeführt  (was  ich  leider  aus  Steiermark 
nicht  nachweisen  kann);  so  gelangte  im  April  1889  das  sogenannte 
»Glanhofener  Passionsspiel«  in  der  Scheune  des  Bauers  Jusner  in 
Höfling  bei  Feldkirchen  während  dreier  Tage  zur  Aufführung, 
ein  Spiel,  an  dem  53  Personen  betheiligt  waren.  R.  Waizer  hat 
in  seinen  »Culturbildern  und  Skizzen  aus  Kärnten.  Neue  Folge<f. 
(Klagenfurt.  1890)  dieses  Spiel  eingehend  geschildert  und  aus 
demselben  verschiedene  Proben  mitgetheilt.  Daraus  ersehe  ich^ 
.  dass  der  Text  des  hier  abgedruckten  Gurkthaler  Spieles,  wie  schon 
Herr  Prof.  Dürnwirth  in  einem  Schreiben  andeutete ,  mit  dem 
Glanhofener  Spiele  fast  identisch  sein  dürfte.  Allerdings  finden 
sich  in  der  Gurkthaler  Spiel-Abschrift  verschiedene,  jedoch  nicht 
bedeutende  Abweichungen  von  den  mir  bekannten  Stellen  des 
Glanhofener  Spiel-Textes ,  die  sich  in  Walzers  Buche  finden. 
Herr  Prof.  Dürnwirth  bemerkt  noch:  »Jedenfalls  ist  das  Stück  an 
und  für  sich  sehr  alt,  alte  Ausdrücke  und  Constructionen  geben 
dafür  hinlänglichen  Beleg,  aber  durch  Zusätze  aller  Art  und 
durch  das  Bestreben  einzelner  ümbildner,  die  Dichtung  den  je- 
weiligen Zeitverhältnissen  anzupassen,  ist  die  ursprüngliche  Fassung 
stark  verwischt«. 

Ein  Hauptgrund  der  Aufnahme  dieses  »Leiden  Christi 
Spieles«  aus  Kärnten  in  die  vorliegende  Sammlung  war  die  dem 
Kärtner  «Leiden  Christi«  eigen thümliche  modernisirte  und  vom 
steirischen  Passionsspiele  (Bd.  18  S.  169  ff.)  verschiedene  Fassung ; 
es  ist  damit  der  werthvolle  Vergleich  zwischen  einem  älteren  und 
einem  neu  umgeformten  Passionsspiel-Texte  aus  unseren  Alpen- 
ländern geboten ,  wenn  auch  zum  grossen  Theile  nur  in  den 
Hauptzügen  das  Spiel  aus  Kärnten  und  jenes  aus  Steiermark 
Aehnlichkeiten  aufweisen.  Zum  grossen  Theile,  denn  es  lässt  sich 
nicht  leugnen,  dass  die  Beurlaubungsscenen  (Bd.  LS.  178  ff.  und 
Bd.  2  S.  279  ff.)  oder  die  Fusswaschung  (Bd.  i  S.  191  ff  und 
Bd.  2  S.  290  ff.)  nach  ihren  Anlagen  und  nach  einzelnen  darin 
vorkommenden  Stellen  im  Steiermärker  und  im  Kärntner  Spiele  eine 
gewisse  gemeinsame  Vorlage  annehmen  lassen.  Eine  solche  lassen 
noch  andere  Stellen  beider  Spiele  vermuthen  ,  insbesondere  auch 
die  Textirung    des   Urtheiles  (Bd.    i   S.   222    und  Bd.  2   S.    344). 

Was  das  wahrscheinliche  Alter  unseres  Spieles  betrifft,  so  kann 
man  nach  einzelnen  Worten,  Reimen  und  Wendungen  vermuthen, 
dass  der  Grundtext  wohl  schon  im  16.  oder  17.  Jahrhunderte  ent- 
standen ist.  Leider  sind  durch  die  verschiedenen  Abschriften  der 
Abschriften,  welche  von  ungelenker  Hand  für  den  Theatergebrauch 
besorgt  wurden,  zahlreiche  derartige  Worte  oder  selbst  Reime  ver- 
dreht, entstellt  oder,  wie  manche  Stellen  deutlich  darthun,  ganz 
ausgelassen  worden.  Jedenfalls  hat  zu  Ende  des  18.  oder  zu 
Anfang    des    19.  Jahrhunderts    das  Ganze    eine    umfassendere    Be- 


40I 

arbeitung  erfahren,  wobei  sogar  iinifangreichere  Einschiebungen 
und  Veränderungen  erfolgt  sind.  Ein  deutliches  Beispiel  hier- 
von ist  das  Lied  des  Todes  im  2.  Auftritte  des  ersten  Aufzuges, 
(S.  272),  welches  sich  an  Hölty's  (etwa  1775  entstandenes)  »Todten- 
gräberlied«  (Gedichte  von  L.  H.  C.  Hölty  besorgt  durch  F.  Leop. 
Gf.  zu  Stolberg  und  J.  H.  Voss.  Hamburg  1783.  S.  44)  anlehnt; 
der  Bearbeiter  hat  die  Form  dieses  Liedes  offenbar  unter  dem 
Eindruck  der  Beliebtheit  jenes  Hölty'schen  sinnigen  Gedichtes 
dabei  zu  benutzen  gesucht.  Auch  Bezeichnungen  wie:  »Erster, 
zweiter  Portier«,  welche  das  Personenverzeichniss  an  Stelle  des 
von  mir  gesetzten  Ausdruckes:  >>Thürhüter«  enthält,  weisen  auf 
die  Modernisirung  hin.  Die  Wahl  italienischer  Namen  für  die 
Pharisäer:  Falsut,  Fraudulo,  Nabulo,  erklärt  sich  aus  den  früher 
wie  heutzutage  vielfach  vertretenen  italienischen  Elementen  im 
Kärtner  Lande ,  der  Bearbeiter  wählte  daher  diese  ihm  jedenfalls 
sehr  geläufigen  Namen.  Auch  anderwärts  macht  sich  in  ver- 
schiedenen Ausdrücken  italienischer  Einfiuss  geltend.  Man  ver- 
gleiche hierüber  in  den  nachfolgenden  Anmerkungen  einige  von 
mir  im  Texte  geänderte  Worte  wie:  per  Cassa ,  Posto ,  Parola 
oder  dergl. 

Was  das  kurze  Zwischenspiel:  «Die  Schäferei«  betrifft,  so  ist 
hierin  wieder  die  bekannte  Allegorie  vom  verlornen  Schäflein  be- 
handelt und  fällt  wohl  die  Entstehung  des  Spieles  in  die  Zeit  der 
Beliebtheit  der  Schäferpoesie.  Leider  ist  mir  nicht  bekannt  ge- 
worden, an  welcher  Stelle  dieses  Zwischenspiel  bei  der  Aufführung 
eingeschoben  zu  werden  pflegte,  in  dem  Glanhofener  Spiele  scheint 
es  gar  nicht  vorzukommen.  Ebenso  geschieht  bei  Waizer  a.  a.  O. 
bezüglich  des  Nachspieles  »die  Auferstehung«  keine  Erwähnung 
davon,  dass  dieses   am  Schlüsse  aufgeführt  worden  wäre. 

Der  vorliegende  Textabdruck  wurde  mit  wenigen  geringen 
Aenderungen  nach  Herrn  Prof.  Dürnwirth's  Abschrift  veranstaltet; 
die  Aenderungen  beziehen  sich  auf  einige  von  früheren  Abschreibern 
jedenfalls  missverstandene  Stellen,  auf  Zurechtlegung  der  Theater- 
bemerkungen, auf  die  ebenfalls  der  Unachtsamkeit  früherer  Ab- 
schreiber zur  Last  fallende  Verwendung  des  »Sie«  in  der  Höflich- 
keitsansprache, welches  oft  in  derselben  Rede  vorkommt,  die  im 
Satze  zuvor  «Ihr«  anwendet ,  auf  zweifellos  vorhanden  gewesene 
und  ausgelassene  Reimworte  u.  dgl.  Einzelne  Dialectausdrücke 
sind  dem  Bearbeiter,  welcher  offenbar  bemüht  war,  der  hoch- 
deutschen Sprache  gerecht  zu  werden,  ebenfalls  mit  unterlaufen 
und  erfahren  hier  in  der  üblichen  Weise  kurze   Erklärung. 

Noch  sei  an  dieser  Stelle  das  oben  erwähnte  Requisitenver- 
verzeichniss  für  die  Aufführung  abgedruckt ,  welches  dem  Spiele 
in  der  Handschrift  vorgesetzt  ist  ;   dasselbe  lautet : 

»Theater-Requisiten.  Ein  kleines  Kreuz  und  ein  Kelch  für 
den  Engel.  Bogen  und  Pfeil  für  den  Tod.  Waschbecken  und 
Handtuch  für  den  Pilatus.  Das  Todesurtheil  und  das  Stäbchen 
zum  Brechen.  Waschbecken  und  Tuch  zum  Fusswaschen.  Speise 
und  Trank.  Das  Osterlamm.  Ein  Wasserkrug  für  den  Haus- 
Volksschauspiele.    IL  26 


402 

vater.  Ein  weisses  Kleid.  Purpurmantel.  Mooskolben.  Stroh- 
krone. Dornenkrone.  Eine  Säule  zur  Geisselung.  Drei  Kreuze. 
Das  Kreuz  zum  Ziehen.  Drei  Nägel.  Der  Titel  (Inschrift). 
Ein  Schwamm  an  einer  Stange.  Das  Schweisstuch  für  die  Veronika. 
Die  Salbenbüchse  für  die  Magdalena.  Der  Gürtel  für  Judas, 
auch  sein  Beutel ,  auch  ein  Strick  zum  Hängen.  30  Silberlinge 
für  die  hohen  Priester.  Drei  Würfel.  Eine  Pfeife.  Ein  Schwein- 
hom.  Eine  Glutpfanne.  Stricke  und  Ketten.  Ein  Schaff  mit  Blut 
oder  rother  Farbe.  Ruthen  und  Peitschen.  Eine  Leiter  zur 
Kreuzigung.  Zwei  Schwapel  (?).  Der  Judasbaum«. 
S.   274  Z.   113   »Keuchen«    dial.    >Kerker,    Gefängniss«f.   —   Statt 

»geschlossen«   hat  die  Hs. :    »beschlossen«. 
S.  276  Z.    152  lautet  in  der  Hs. :    »Und  viel  Geld  per  Cassa  sein«. 
S.    276   Z.   156   »kleckt  es  nicht«  dial.  »genügt  es  nicht,   es  reicht 

nicht  aus«. 
S.  276  Z.   166  Hs.:   »davon  mich  grault«. 
S.   276  Z.    171    »das  Hausen«   dial,   etwa  »das  Wirthschaften«. 
S.  277  Z.   176  Hs. :   »Gekostet  und  gestanden«. 
S.  277  Z.  181    »schwierig«  dial.  etwa  bedenklich. 
S.   277   Z.    189   »verschmacht«   dial.  etwa  verdreht,   verwirrt. 
S.   277  Z.    199   »fallt«  dial.  »fällt«. 
S.   278  Z.  216  Hs. ;   »was  schiert«. 
S.  279  Z.  245   »zugeloffen«   dial.   »zugelaufen«. 
S.   279  Z.   249  Hs. :    »verwegen«   statt  »entwegen«. 
S.  280  Z.   279    »erklecken«   dial.    »ausrichten,   erlangen«. 
S.   283   Z.   356  Hs, :  »Sie   beisammen  sein«. 
S.  283  Z.   358   Hs. :    »Verzeihen  Sie«. 
S.  283  Z.  360  Hs.  :   »Posto«   statt  »Posten«. 
S.  284  Z.   384   »sich«   fehlt  in   der  Hs. 
S.   285  Z.  413    »Parola«   ital.  Wort,  Versprechen. 
S.  285  Z.  420   »An«   statt  »vor«  in  der  Hs. 
S.  285  Z.  427   »Doch«  statt  »Sind«  in  der  Hs. 
S.    286  Z.  444    »kam«   dial.   »käme«. 
S.  287  Z.  467    »bedenken«   statt  »gedenken«  in  der  Hs. 
S.  2S7  Z.  470   »am  Mund«   dial.   »auf  den  Mund«. 
S.   292  Z.  604   »Ang'stalt«   dial.   »Veranstaltung«. 
S.  293  Z.    631     »wirst«    fehlt    in    der   Hs.    —    »verlaugnen«    dial. 

»verläugnen«. 
S.  293   Z.   643    »noch«   fehlt  in  der  Hs. 
S.  294  Z.    650  »Petri«   statt   »Petrus«  in  der   Hs. 
S.  294  Z.  684  »Und«  statt   »Thun«   in   der  Hs, 
S.  295   Z.   701    »gross«   dial.   »sehr«. 
S.   295   Z.   710   »ergebe«    dial.    »ergieb«. 
S.  296  Z.  725    »Urlaub«   dial.    »Abschied«. 

S.   296  Z.    740    »abgedrahter«    dial.    »abgedrehter,    abgefeimter«. 
S.   296  Z.   745    »brinnen«   dial.  »brennen«. 
S.  297  Z.   763   »Sinn«  statt   >Begehr'n«    in  der  Hs. 
S.  298  Z.   797    »Mit  recht«   in  der  Hs.   statt   »nicht  recht«. 
S.   299  Z.   822  Hs. :   »dein«   statt   »za«. 


403 

S.  300  Z.  850  B Hühnersteigen«  dial.  »Hühnersteige,  Hühnerleiter«. 

S.  301   Z.  867  »gieb«  dial.   »gebe«. 

S.   302  Z.   896.     In  der   Hs.   »verwacht«   statt   »gebracht«. 

S.   302  Z.  913   »helfe«   dial.   »hilf«. 

S.  305  Z.  984  »Sie  wollen«  statt  »Ihr  wollet«  in  der  Hs. 

S.  305   Z.  998   »Wir  haben«  statt  »wir  sind«  in  der  Hs. 

S.   307  Z.  1037  »Huld«  statt  »Schuld«  in  der  Hs. 

S.  309  Z.    1121    »Empfehle«  dial.   »empfiehlc. 

S.  311  Z.   1170  »Stangen«  statt  »Stricken«   in  der  Hs. 

S.  312  Z.   1205   »Erlauben  Sie  mir  nur«  in  der  Hs. 

S.   312  Z.   1207  »ich  sprich«   dial.   »ich  spreche«. 

S.  314  Z.  1255  »bestatten«  ist  kein  mundartlicher  Ausdruck, 
doch  wurde  er  ausnahmsweise  nach  der  Hs.   beibehalten. 

S.   314  Z.    1272.     In  der  Hs. :    »Er  ihm  urtheilen   soll«. 

S.  314  Z.   1277  Hs. :   »Was  er  zu  thun  in  Sachen«. 

S.  320  Z.    1418  Hs. :    »Hab  nie  gekennet  ihn«. 

S.   322   Z.   1477.     Statt   »über«  in  der  Hs.    »ob«. 

S.  323  Z.   1521   Hs. :   »Alles  Volk  thut  dich  ausbreiten«. 

S.  324  Z.   1547    »Obwohl f-   statt   »O  welch«  in  der  Hs. 

S.  325  Z.  1574.  Diese  falsche  Construction  der  Handschrift 
wurde  absichtlich  beibehalten. 

S.  329  Z.    1673.     In  der  Hs.   »Köpfellass«   (?)  statt  »Aderlass«. 

S.  329  Z.    1684  »Bratl«  dial.   »Braten«. 

S.  330  Z.    1707   »Kramm«   dial.    »Krampf«. 

S.  330  Z.  1722  »wegen  dem«  dial.  »wegen  des«.  Ebenso 
S.    333  Z.  1800. 

S.  336  Z.    1893   »schmierig«  dial.  etwa  fett. 

S.  337  Z.    1906.     In  der  Hs.   »stumpfiert«. 

S.   337  Z.   191 5   »schmutzen«   dial.   »schmunzeln,   lächeln«. 

S.  337  Z.  1925    »Schaben«  dial.   »Motten«. 

S.  342  Z.  2064.     In  der  Hs.   »Dieweil  dann«   statt   »So  sei's. 

S.  347  Z.  2207.     In  der  Hs.  »und«  statt  »Ihr«. 

S.  348  Z.  2251.  In  der  Hs.  »Seht  nur,  wie  ihm  sein  Leib  da 
prellt«. 

S.   350  Z.  2298  »verloffen«   dial.   »verlaufen«. 

S.  350  Z.   231 1.     Statt   »heisst's«   in  der  Hs.   »hohnt's«. 

S.  351  Z.  2332  »Simandl«  ist  der  aus  Simon  Andreas  zusammen- 
gezogene Name. 

S.  355  Z.  2455   »wegen  Euren«   dial.   »wegen  Eurer«. 

S.  358  Z.  2524  »Flachs«  dial.   »Flechse«. 

S.  364  Z.  2725.     In  der  Hs.  »schütten«  statt  »zittern«. 

S.  364  Z.  2730  »sper«  dial.  »rauh,  bitter«  wie  im  Mhd. 

S.  367  Z.   2806  »Mail«  dial.   »Mal«. 

S.  368  Z.  2841    »Rafifelsteiner«  Weinsorte. 

S.  369  Z.  2862.     In  der  Hs.   »hat's«  statt   »ist's«. 

S.  369  Z.  2867.     In  der  Hs.    »trauert«   statt  »dauert«. 

S.  369  Z.  2869.     In  der  Hs.  »gewunschen«  statt  »gewünschet.« 

S.  369  Z.  2878  H?.  :   »Wie  ist  er  voll  von  Massen«. 


404 

Die  Schäferei. 

Seite  371. 

S.  371  Z.    18  Hs.  :    »Dem  Tod  aus  seinem  Rachen  reiss<r. 

S.  372  Z,.  22   «plerrt«  dial.  »schreit«. 

S.  372  Z.  24  «Zahnt«   dial.   »Zahn«. 

S.  372  Z.  47.     In  der  Hs.   »g'nug«   statt   >klug<. 

S.  373  Z.   61   Hs. :    »Oh  sieh  wie  deine  Lieb  mich  hat«. 

S.  374  Z.  75  Hs. :    »Aufzusuchen  selbst  von  fern«. 

S.  374  Z.  79   »gönne«  d.  h.   erweise  mir  Gunst. 

Die  Auferstehung, 

Seite  375. 
S,  37Ä  Z.  22.     In  der  Hs.  »sehr  weiss«    statt  »ganz  wei>s«. 


Pierer'sche  Hofbuchdruckerei.     Stephen  öeibel  &  Co.  in  Altenburg. 


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