-V-
.4.x^^^;r-^.
'r*
T^£S^^^^^^^l^^lt^.
^T^^^-^.
'^ ^~>^(i>/ffl!Rs'^,^aJ!5^
^ÄTiTÄ^i'JS'ÄS^^
^/O fS^yO (V^/^ (5^^.^ C^^y^ fi^^/Ä fl^^/^ r^^/2? R^v'^yO C^v^/
'^^dr
^T.^TZ^.
^yTTv^^^^yTf^^x^'rN^^^^R^^^ <<^.
n^/m^^ini^/n>>'^ini^/<^'^^ i^^^^^ ü^'/q»."^ ü^oiu^ i^-^^ t?^^^ /^/^
^>i7 rS.^^ r^^y^t ?iv^/0 <^v^y^ Dv^/^ ^^.^ ^"^yO f^^^/^ R^^ y^i Rs.^/
r^"^^T^^TX"^^^XTÄ"^^^^^
xnxNy i^/^>« 4^4^>« t^/^vNa i5^/^Ny t^^>^ t^^Ny ü^^>^ 45^^ >i*w^X^>si 45^^
>X^"XTÄ^;r^^^^^
^^
'/ffcv^ i^/<ö>^^,k^/nv^ üJ'/it.^ t5^/nx^ i^^^ f^^^^ f^/Rx^^^
"^l^jT^^T^^^^^T^J^^^Tr^^^^J^X^TJ^^X^.
^ynns.'^ynr^.'^yo ^''^^ ?^v^/0 ft<^.^ r^v^/fl (^^^.<fl ss^/^ (^v<^>!S? (fe.'w-
r^ü^^
^w^^
''^Tir^";?r^^^^^^
^y^!lk.^^^'^y^!l^;i>r^ R^^^ (i^X^^yfl f^v'^^ ttv^^ fi^^.
■^TX^^XTilTiTÄÄ^^^^
iÜ^
"^XX^.
'^%fJÄ:.'^
xfK^
^4»>
4V
"4^^
4^
>^
4f>>^y4h'
^
'Vn^XTlX/ib
."v^^
vHF>
^pxW^^N
V
'^-^-^T^jjr^j^^jr^'jT^^^^^^
^t>ir^"-^^
/3^
^T.^TÄT^"^-^
>.
V
^Z^.f^T^'C^^
^'X^TXX^TrXT^^T^-i^.
^/? Pv^yO r\^/0 Ki^^/
■^TJS^t^^^"^^
^ Tr^^yXXjTr^^
'4UNy w^^va C5^4^>- y^/^^ tf^4^^/^^^4^
<^W^MX/x^
^-x^'^'^^^r^^^TJ^GiC^
'^T^rÄ'Ä'Ä^^^
>
^X^^T^^.
^^^X^T'^
MS
>
^<^Niri/4^^
'^■".'"^Ti^^^^T^JÄT^"^-^^'^^^-^'^''^^^
^/^ftv^
^-.-^-^^T^^r^tTÄ^
Alk
^.
A
V
^W^MV-^
i
^^A
>
/^^
0^/
4V
^
^
&A
V
^.^TXTÄ^^^
>
^
a^^y^^J^^^,^^
4^
''/OO
^
^
^/px^*"^^
4^
Deutsche
Volkssehauspiele.
In Steiermark gesammelt.
Mit Anmerkungen und Erläuterungen
nebst einem Anhange:
das Leiden Christi-Spiel aus dem Gurkthale in Kärnten
herausgegeben
von
Dr. Anton Schlossar,
Custos der k. k. Universitätsbibliothek in Graz.
Erster Band.
9
jl^cfSl
^7
Halle.
Max Niemeyer.
1891.
VORREDE.
Seit Jahren damit beschäftigt, durch Sammlung,
Sichtung und Untersuchung erhaltene Reste und htera-
rische Denkmale auf dem Gebiete des deutschen Volks-
thums der österreichischen Alpenländer und insbesondere
auf dem Felde volksthümlicher Poesie vor dem Unter-
gange, welcher dieselben immer mehr bedroht, zu retten,
habe ich dem Lande Steiermark in dieser Richtung
ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet und an
verschiedenen Stellen die Erfolge meiner Thätigkeit ver-
öffendicht. Als eine wichtige Aufgabe erschien es, den
im Lande früher noch häufig, heutzutage aber seltener
vorkommenden und zur Aufführung gelangten drama-
tischen Erzeugnissen der Volkspoesie nachzuspüren und
das Gefundene in einer Sammlung zu vereinigen. Es
sind nun etwa zehn Jahre her, dass ich diesen Gedanken
gefasst, seitdem ununterbrochen verfolgt und mich mit
der Nachforschung in allen Theilen des Landes be-
schäftigt habe. Dieselbe hatte ihre bedeutenden Schwierig-
keiten , denn es galt, die alten Theaterhandschriften,
welche sich oft in Bauernhänden befanden und daher
nicht leicht zugänglich waren , aufzufinden oder nach
dem Volksmunde selbst Einzelnes niederzuschreiben.
Doch gelang es mir, von vielen Seiten in höchst
dankenswerther Weise unterstützt, eine solche Zahl von
kleineren und grösseren Stücken zusammenzubringen,
dass ich sogar eine Auswahl treffen und das weniger
Bedeutende ganz ausscheiden konnte. Zu Letzterem
IV
rechneich: einige Weihnachtsspiele, da ohnehin zwei hier
einverleibt sind , mehrere trocken und schablonenhaft
abgefasste , langathmige Spiele, welche Gestalten aus
der Heiligenlegende behandeln, und verschiedene kleine
Scherzspiele, welche zur Gattung der sogenannten Nach-
spiele gehören und von denen ich nur zwei, eben um
diese Gattung in zwei Richtungen zu charakterisiren,
aufgenommen habe.
Dagegen schien es mir wichtig, ein »Paradeisspiel«
und das »Schäferspiel« der Sammlung einzuverleiben,
obwohl schon der so hochverdiente Karl Weinhold in
seinen »Weihnacht-Spielen und Liedern aus Süddeutsch-
land und Schlesien« (Graz, 1853) ähnliche Spiele ver-
öffentlicht hat, und zwar halte ich es aus dem Grunde
für wichtig, weil die Fassung der von mir mitgetheilten
Stücke von derjenigen der Spiele in Weinholds Buche
abweicht. Dasselbe gilt von dem »Geburt Christi Spiel«.
Ein kurzes »Genovefaspiel« hat C. Engel im IV. Hefte
der von ihm herausgegebenen »Deutschen Puppen-
komödien« (Oldenburg, 1876), ein Spiel »Der bayrische
Hiesel« haben Richard Kralik und Josef Winter in den
»Deutschen Puppenspielen« (Wien, 1885) zum Abdruck
gebracht. An das kurze Puppenspiel »Genovefa« zeigt
das hier mitgetheilte umfangsreiche »Genovefaspiel«
einige Anklänge ; es dürfte seiner Anlage und Durch-
führung nach hohes Interesse beanspruchen. Mehr
Aehnlichkeiten mit der gleichnamigen Puppenkomödie
weist der ^>bayrische Hiesel« auf, doch finden sich auch
in diesem Spiele aus Steiermark beachtenswerthe Scenen
und Stellen, die demselben eigenthümlich sind. Besondere
Freude machte mir die Auffindung des »Passionsspieles« ;
es dürfte das einzige sein , welches in diesem Jahr-
hunderte noch in Steiermark zur Darstellung gelangte.
Da ein günstiger Umstand mir ein Passionsspiel aus
Kärnten zuführte, das schon wegen der bis heute noch
vorkommenden Aufführung in jenem Lande Aufmerk-
samkeit beansprucht, so stand ich nicht an, auch dessen
Text und zwar im Anhange beizufügen , und zwar
V
desshalb im Anhange , weil ja sämmtliche übrigen
Stücke, was ihre Fundorte betrifft, steirischen Her-
kommens sind.
In der Behandlung des Textabdruckes habe ich
mich, so weit dies nur immer möglich war, an die vor-
liegenden Theaterhandschriften beziehungsweise an das
gehörte Wort gehalten. Wer solche Handschriften kennt,
die ja meistens nur eine Abschrift der Abschrift sind
und die zahllose Hände durchlaufen haben , weiss , in
welchem! Zustande sich deren Aeusseres , deren Schrift
und deren Orthographie befinden; Worte und Namen
sind oft entstellt, Manches ist offenbar ausgelassen,
mancher Satz erscheint ganz unklar , eine oder die
andere Stelle ist gar nicht zu entziffern, Verse erscheinen
in den meisten Fällen überhaupt nicht oder gar falsch ab-
gesetzt. Ich war bemüht, bei noth wendigen Aenderungen
oder Einfügungen den Charakter jeder einzelnen Stelle zu
wahren; zum Vergleiche wurden in den Anmerkungen
die Worte der Handschrift, wenn sie auch oft unsinnig
erscheinen, beigefügt.
In der Aenderung der Theaterbemerkungen gönnte
ich mir etwas mehr Freiheit, doch ohne auch hier die
Eigenthümlichkeiten des Originales ganz zu verwischen.
Die Personenverzeichnisse fehlten meistens in den Hand-
schriften und wurden von mir beigefügt oder geordnet.
Eine besondere Beachtung verdient die Anwendung
der Mundart , welche theils bewusst , theils unbewusst
in allen Spielen zur Geltung kommt , unbewusst aus
dem Grunde , weil der unbekannte Verfasser oder der
Abschreiber oft hochdeutsch zu schreiben vermeinte,
dabei aber unwillkürlich Worte , Endungen und andere
dialectische Eigenthümlichkeiten an Stellen anbrachte,
wo dies gar nicht beabsichtigt war. Auch hierbei habe
ich mich möglichst an das Original gehalten. Der Hans-
wurst (Casperl) spricht fast ausschliesslich in der Mund-
art , ausserdem sprechen in derselben Bauern oder
untergeordnete Persönlichkeiten. Nach dem vorhin Be-
merkten wird sich jedoch Niemand wundern, wenn
INHALT.
*
Seite
Das Paradeisspiel i
Das Schäferspiel 37
Das Krippelspiel 7^
Die Geburt Christi "7
Das Leiden Christi 169
Das St. Nikolausspiel 235
Genovefa 243
Anmerkungen und Erläuterungen 3^9
•^
DAS PARADEISSPIEL.
^
Volksschauspiele
PERSONEN.
Gott Vater.
Gott Sohn.
Erzengel Gabriel.
Ein Engel,
Adam.
Eva.
Die Gerechtigkeit.
Die Barmherzigkeit.
Luzifer.
Belial.
Die Schlange.
Die Teufel.
Gott Vater ^ Gott Sohn und der Engel treten auf und singen:
I.
Wir kommen daher mit grosser Freud
Und wünschen euch allen eine glückselige Zeit.
So loben wir Gott schon im höchsten Thron.
2.
Wir treten in das Zimmer herein
5 Und loben Gott den Herren fein.
So loben etc.
3-
Wir haben uns besonnen mit grossem Fleiss
Ein Spiel zu halten vom Paradeis.
So loben etc.
4-
lo In Gottes Namen so fangen wir an,
Der Alles weiss und Alles kann.
So loben etc.
yetzt tritt der E?zgel hervor und spricht:
Ich tritt herein ganz Abends spat,
Ein' glückseligen Abend geb' euch Gott,
15 Ein' glücksehgen Abend, eine fröhliche Zeit,
Gleich wie uns Gott hat vorbereit.
Wenn wir heut die Erlaubniss han
Vor Herrn, Frauen und Jungfrauen
Ein geistlich Spiel zu fangen an
j2o Gleich wie man wohl weiss,
Dass Adam und Eva sein geschlagen worden aus
dem Paradeis :
Wollen Sie es hören in guter Ruh,
So haben Sie Geduld und hören uns zu.
Der Engel tritt ab.
Der Adam tritt auf und legt sich nieder.
Die Andern singen das Lied weitet:
Da Gott in seiner Herrlichkeit schwebt,
25 Erschafft er Alles, was da lebt.
So loben etc.
6.
Gott hat erschaffen in sechs Tagen bereit
Den Himmel, die Erde und Alles sogleich.
So loben etc.
7-
30 Alle Thiere mit sammt dem Gewächs,
Darauf erschuf er das menschliche Geschlecht.
So loben etc.
8.
Er erschafft den Adam mit grossem Fleiss
Und setzt ihn in das Paradeis.
35 So loben etc.
Jetzt spricht der Gott Vater.
Im Anfang schuf Gott alle Ding,
Die Erde und den Himmels Ring,
Damach erschafft er das grosse Firmament
Worauf zwei grosse Lichter stehn,
40 Eins leucht' den Tag, das andere wohl bei der Nacht^
Und dies hat Gott gar wohl betracht.
Darnach erschafft er zu einer Zier
Allerlei wild und zahmes Thier,
Die dem Menschen das Feld bauen hier.
45 Wenn er dies Alles hat erschaffen,
So will er auch einen Menschen machen.
Adam, nimm an den lebendigen Athem,
Den du von Gott empfangen hast nach seinen Thaten»
Adam, fang an von dir selbst zu leben
50 Und tritt auf deine Füss gar eben.
Du mit Vernunft gar wohl betracht,
Dass dich Gott aus der Erden hat gemacht,
Verwundere dich in der Erden mit Nichten,
Sieh an die Bäume mit ihren Früchten,
55 AVie auch das grosse Firmament mit dem Gestrahl :
Sag nur an wie es dir gefallt,
Von dir möcht ich's wissen alsobald.
Der Adam spricht:
O Herr, es ist auf das Allerbest,
Was du erschaffen nach deiner göttlichen Majestät.
60 Ich sag dir Dank, bin gar wohl zufrieden mit dir,
Denn du hast mich erschaffen nach deinem Bildniss
und Gezier.
Ja, ich bin ein Mensch, erschaffen von der Gottes- Hand,
Wohl mit einem vernünftigen Verstand
Durch die göttliche Gnadengunst.
65 Die heisse Sonn' sie brennet mich.
Ich bin aber müd und schläferig.
Drum will ich mich niederlegen
Wohl unter diesen Baum daneben,
Damit ich durch ein lieblichs Lauschen
70 Das Wachen kann in einen süssen Schlaf vertauschen.
Das Lied tuird weiter gesungen:
9-
Gott Hess wohl fallen einen Schlaf
Ueber den Adam, das geschah.
So loben etc.
IG.
Der Adam schlaft in süsser Ruh
75 Und Gott der Vater schaut ihm zu.
So loben etc.
II.
Gott nimmt ein Ripp aus Adams Leib,
Daraus erschafft er ihm ein Weib.
So loben etc.
Jetzt spricht Gott Vater:
80 Mich gedünkt es nicht gut zu sein,
Dass der Mensch hier sei allein,
Drum will ich schauen zu der Sach,
Dass ich ihm eine Gehülfin mach.
Ein Ripp nimm ich aus Adams Leib,
85 Daraus bilde ich ihm ein Weib,
Adam ! vom Schlaf erwach und bald aufstehe,
Sieh, hier hast du deines Gleichen zur Ehe,
Mit dieser sollst du leben
Mit dieser regieren und Gott allein die Ehre geben.
Der Adam spricht:
90 Herr, es ist auf das Allerbest,
Ich will dein Gebot auch halten also fest.
Ich sag dir Dank und bin gar wohl zufrieden.
Denn du hast mir gegeben
Ein Ebenbild, dazu auch das Leben.
Das Lied ivird weiter gesungen.
12.
95 Da Gottes Wort jetzt hat gemacht
Den Himmel, die Erde, Tag und Nacht.
So loben etc.
Nach seinem Bildniss wandelt frei,
Erschaffen auch dem Adam ein Weib.
100 So loben etc.
14-
Er setzt sie wohl ins Paradeis,
Erlaubt ihnen zu essen von aller Speis.
So loben etc.
15-
Nur ein Baum war ausgenommen,
T05 Der ihnen nicht soll zu Schaden kommen.
So loben etc.
7
Gott Vater übergieht dem Adam die Welt und spricht:
Adam sieli und betracht, dies Alles giebt dir
Gott, er übergiebt dir allhier
Alle Thier, die auf der Erden leben,
HO Alle Vögel, die in den Lüften schweben,
Wie auch die Fisch im Wasserstrom,
Dies Alles sollst du regieren zusamm'.
Da hast du zu leben ohne Sorg und Müh,
Sollst auch keinen Mangel haben nie,
115 Und wann du werdest ausgelebt haben,
So werden dich die Engel in Himmel tragen.
Dies Alles aber wird geschehen , wenn du wirst
folgen mir
Und halten was ich gebiete dir.
Im Paradeis, da steht ein Baum,
120 Von der Erkenntniss ist sein Nam.
Von diesem erlaube ich dir zu essen mit Nichten,
Sonst kannst du schon essen von allen Gattungen
Früchten.
So du dich aber würdest vermessen
Von dieser verbotenen Frucht zu essen,
125 So würdest du des Todes sterben
Und hernach gar verderben.
Adam und Eva, gedenkt nur allezeit,
Dass ich euer Gott und Erschaffer sei.
Der euch das Leben hat gegeben
130 Und auch wiederum kann nehmen.
Adam spricht zu Eva:
Eva, Eva, sieh wie schön, herrlich und weiss
Ist es zu wohnen hier im Paradeis.
Alle Vögel in Lüften so schön singen,
Alle Blumen auf dem Felde gut riechen,
135 Und alle Thiere auf Erden so schön herumspringen
und kriechen.
Wie auch dermassen schön
Die Bäume mit ihren Früchten stehn.
Dies ist die schönste Augenweid,
Daran sich mein Herz erfreut.
8
I40 Nur ein einziges Gebot
Hat uns gegeben der liebe Gott.
Von allen Früchten wir essen können,
Aber vom Baum der Erkenntniss dürfen wir nicht
essen,
Und so wir uns aber werden vermessen
145 Von dieser verbotenen Frucht zu essen,
So sollen wir des Todes sterben
Und hernach gar verderben.
Hierbei erkennen wir unsern Gott,
Der uns das Leben hat gegeben
150 Und auch wiederum kann nehmen.
Die Eva spricht:
Wohlan, weil es uns hat gegeben der liebe Gott,
So wollen wir halten sein Gebot.
Folgt wieder das Lied:
16.
Der Baum soll wissen was bös und gut,
Gott sprach, das nehmt euch wohl zu Muth.
155 So loben etc.
17-
Sobald der Teufel das inne ward,
Da kam er heimlich geschlichen dar.
So loben etc.
18.
Der Teufel setzt sich auf seinen Thron,
160 Den Fall Adams zu stellen an.
So loben etc.
Adat/i und Eva treten ab.
Ltizifer, Belial ttnd die Schlange treten atif.
Luzifer spricJit:
Ach wir unglückselige Geister, was haben wir
gethan , dass wir auf eine so liederliche Weis in
ein so grosses Elend sind Verstössen worden. Wir
165 waren Fürsten des Himmels, jetzt sein wir Sclaven
der Höllen.
Wir haben genossen eine kurze Zeit die himm-
lische Freud,
Jetzt haben wir das ewige Leid:
Wir haben mit unserer Hoffart über Gott wollen
170 aufsteigen und sein gestürzt worden:
Wir haben Gott wollen seine Ehre nehmen und
sie uns geben,
Jetzt werden alle Kreaturen über uns schweben,
Ja sie werden uns unsere Schand von Herzen ver-
gunnen, sie werden noch dazu spotten und lachen.
Die ScJila?ige spricht:
175 O grosser Jammer und ewige Räch, so Gott über
uns ausgeübt hat. In alle Ewigkeit haben wir
keine Erlösung zu hoffen ; der mindeste und kleinste
Trost ist uns versagt.
Belial.
Was nutzt uns so viel Kümmern und Klagen,
180 wir können unsere Feinen nicht mehr vermindern,
sondern vielmehr verbittern und vergrössern , wir
müssen doch auf ewig als unglückselige Geister
in der Höll verbleiben.
Litzifer.
Ja freilich können wir uns nicht mehr helfen,
185 aber unter allen Feinen, die mir am schwersten
fallen , ist diese , weil ich weiss , dass Gott zwei
neue Kreaturen erschaffen hat, die unsern Fall
sollten ersetzen und mit einer so schönen Krön,
welche wir auf eine so liederliche Weis verscherzt
IC
190 haben, sollen sie gekrönt werden. Eben dieses
erweckt in mir allen Zorn , Hass, Neid und allen
bösen Grimm.
Bdial.
Eben dieses ist mir auch meine grösste Pein.
Die Schlafige.
Gnädigster Herr Eürst, ich weiss ein guten Rath,
195 Wir wissen, dass Gott zwei Personen erschaffen hat.
Er hat sie gesetzt in das Paradeis,
Dort hat er ihnen erlaubt von aller Speis.
Nur einen Baum hat ihnen Gott verboten,
Von welchem sie nichts essen noch anrühren sollten,
200 Wann sie sich aber werden vermessen
Von dieser verbotenen Frucht zu essen.
So spricht Gott
Sollen sie sterben den zeitlichen und ewigen Tod.
Wann wir aber diese Menschen werden anreizen,
205 dass sie davon essen,
So sein sie schon in unserer Gewalt und wir sein
die Fürsten der Erden,
Und das ganze Menschengeschlecht muss zu uns
in die Höll Verstössen werden.
Ltizifer.
Ja, Satan, ich heisse gut deinen Rath,
Geh nur hin und stell das Beste an,
210 Stell dich in einer Schlangenweis
Und verführ mir Adam und Eva im Paradeis.
Dies thu aber nur allsobald,
Eh dass sie Gott recht befestigt in seiner Gewalt,
Gleich wie man es bei den Engeln sieht,
2 1 5 Dass nicht einer mehr kann sündigen nit.
Schlange.
Gnädigster Herr Fürst, darzu will ich mich schon
bequemen,
Deinen Befehl will ich schon auf mich nehmen.
1 1
Ich will mich befleissen schon,
Dass ich sie aus dem Paiadeis bringen kann.
Luzifer,
2 20 Du bist das listigste Thier unter allen Thieren,
So sollst du mir auch Adam und Eva verführen,
Und kannst du mir Adam und Eva verführen,
So sollst du von mir das beste Trinkgeld kriegen.
Alle Ten fei treteji ab.
Adam tind Eva treten auf,
ebenso Gott Vater, Gott Sohn tind der Engel,
welche das Lied weiter singen :
19.
Der Teufel spart keine Müh noch Fleiss,
225 Den Adam zu bringen vom Paradeis.
So loben etc.
20.
Gott hat erschaffen zwei Person,
Er hat s' geziert gar wunderschön.
So loben etc.
Schlange tritt auf und spricht:
230 Ich tritt herein ins Paradeis
Und stell mich in einer Schlangenweis,
Gott hat erschaffen zwei Person,
Er hat s' geziert gar wunderschön,
Er hat s' gesetzt wohl in sein Haus,
235 Jetzt will ich schauen ob ich's nit kann bringen heraus.
Richtig , richtig , mein Everl , wenn du wüsstest
was ich weiss,
So würdest du wohl essen von dieser Speis.
Ja hat vielleicht Gott gesagt, ihr dürfet nicht
essen von allerlei Früchten im Garten ?
12
Eva.
240 Gott sagt es, wir können essen von allen Flüchten
im Garten , nur von diesem Baum , spricht Gott,
dürfen wir nicht essen.
Schlange.
O ihr armen iLeute, dass ihr doch thöricht und
so unverständig seid. Von der allerbesten Frucht
245 nicht essen. Das war ja ein Zeichen, als wenn
euch Gott nit lieb hätte. Ja, Gott ist voller Liebe.
Esset, esset, mein Everl von dieser Frucht, ihr
werdet nicht sterben des ewigen Todes. Esset, esset !
Eva.
Essen die Engel auch nicht davon?
Schlange.
250 Ja freilich, Gott Vater selbst nicht, weil sie dieser
Speis nicht bedürftig sein. Ja ich weiss, in welcher
Stund ihr davon essen werdet^ so werdet ihr werden
wie Gott, ihr werdet Alles hören, gleichwie Gott
Alles hört, Alles sehen, gleichwie Gott Alles sieht,
255 Alles wissen, gleichwie Gott Alles weiss, Gutes und
Böses , Alles , Alles ; gleichwie uns würden euch
die Augen aufgehen. Esset nur.
Die Eva ivilligt ein und spricht:
Ach wie liebhch, zart und schön
Die Bäum' mit ihren Früchten stehn,
260 Das ist ja die schönste Augen weid,
Daran sich mein Herz erfreut.
Nun so will ich kosten gleich.
Ob diese Frucht zu essen sei.
Schlange.
Ist wohl zu essen, ist schön süss.
Eva.
265 Wenn ich die Wahrheit sagen soll,
Schmeckt mir die Frucht von Herzen wohl:
Nimm hin, mein Adam, iss auch davon,
So werden dir die Augen aufgethan.
13
Adam.
Ja freilich ess ich auch davon,
270 Wenn ich wie Gott werden kann.
Die Schlange tritt ab.
Gott Vater. '
Adam hör mich an,
Warum hast du dies gethan?
Weil du dies hast gethan.
Bist du auch ein sterblicher Mann.
Adam zu Eva:
275 Jetzt hab ich die Stimm von Gott gehöret schon,
Dass ich sei ein sterblicher Mann :
Ach weh, wie ist mir mein Gemüth verwandelt,
Ach wie übel haben wir gehandelt.
Ach wir seind ganz nackend und bloss,
280 Ach wie haben wir uns versündiget gross.
Ach Eva, dass ich gefolgt hab dir!
Jetzt seh ich den erzürnten Gott und das blosse
Schwert vor mir.
Ach Eva, ist denn Alles wahr , was die Schlange
gesagt hat?
Eva.
Ach nein, mein Adam, mich gedünkt, es ist
285 nicht gut lang hier zu sein. Wir müssen bald
weichen , die Schlange möcht uns betrügen oder
vielleicht gar verführen.
Schlange.
Du bist eh nicht mehr ohne Schuld.
Adam und Eva treten ab.
Jetzt folgt wieder das Lied.
21.
Es kommt herein ins Paradeis
290 Der Teufel in einer Schlangenweis.
So loben etc.
14
22.
Und brach eine Frucht wohl von dem Zweig
Und gab's zu essen des Adam's Weib.
So loben etc.
23.
295 Sie gab dem Adam auch davon,
Da wurden seine Augen aufgethan.
So loben etc.
24.
Und als sie assen zu dieser Stund,
Da wurde die o:anze Welt verwundt.
300 So loben etc.
ö
Die Schlange tritt auf und spricht:
Ich bin der Irtzteufel genannt,
Allen Leuten gar wohl bekannt :
Ich hab Adam und Eva betrogen
Ich hab ihnen erschrecklich vorgelogen.
305 Ich hab glaubt, der Mann soll sich henken,
Das Weib soll sich ertränken.
Weil sie haben gebrochen Gottes Gebot,
Gestohlen und gegessen , was ihnen verboten hat
Gott.
Jetzt sein sie abkommen von seiner Gnad,
3 1 o Bei uns in der Höll haben sie ihr Grab.
Recht, recht nach solchen Thaten,
Ich gab den Apfel nit her um hunderttausend
Dukaten.
Hätten Adam und Eva andere Früchte gegessen.
War ihnen tausendmal nützer gewesen.
315 Aber durch meine List und Dreherei
Hab ich Alles zuwegen bracht gleich.
Jetzt werd ich mich nicht lang mehr besinnen,
Muss solches meinen Kameraden auch hinterbringen.
Haha, haha.
15
Liizifer und Belial tretefi auf,
Lttzifer.
320 Hn, ha, was hör ich so tanzen und springen,
Was wirst du mir für gute, neue Zeitung bringen.
Schlange.
O gnädigster Fürst, dein Befehl hab ich schon
vollzogen,
Hab Adam und Eva betrogen
Und hab ihnen erschrecklich vorgelogen.
325 Das Trinkgeld hab' ich schon empfangen
Jetzt können wir erst viel Seelen erlangen.
Luzifer,
Ha, ha, du bist halt a braver Kerl,
Dich will ich noch machen zu meinem obersten
Rathherrn.
Weil du deine Sachen so gut hast gemacht,
330 So sollst du haben bei uns all Ehr, Gunst und
Gnad.
Ha, ha, ha, ha jetzt haben wir Adam und Eva be-
trogen
Und haben ihnen erschrecklich vorgelogen,
So wollen wir's allen Menschen machen,
Verschwätzen, verlügen nach Genügen.
335 Jetzt wollen sie sich heimlich davon machen,
Dass niemand nichts soll wissen von dem Diebstahl
und der Sachen:
Ha, ha, darüber wir Teufel spotten und lachen,
Ich bin aber schon zu Händen
Mit Ketten und Banden,
340 Wir Werdens binden gar fest darein,
Damit sie uns Teufel auf ewig verbunden sein.
Herr Richter, Herr Richter ich schrei um Räch,
und Donnerwetter
Wohl über den Adam, den Uebelthäter,
Wie auch über die Eva gleichermassen,
345 Weil sie sich von der Schlang so leicht haben
verführen lassen.
Ich werd sie dir stellen vor das Gericht.
i6
Damit du musst strafen das Unrecht.
Jetzt werden wir sie suchen, und wann wir sie finden,
Mit unsern Ketten werden wir sie binden,
350 Und führen mit Schand und Spott
Zu dem Richter, dem grossen Gott.
Alle Teufel treten ab.
Engel tritt auf tind spricht:
Damit alle Christgläubigen besser verstehen, was
dies für eine Gnade sei, dass Gott das Menschen-
geschlecht verschonet und die Schuld auf sich ge-
355 nommen hat, also wird in dieser Betrachtung
augenscheinlich vorgestellt werden , wie die Ge-
rechtigkeit und die Bamherzigkeit mit einander
\ox Gott gestritten haben, dass kein anderes Mittel
gewesen sei als die Menschwerdung Gottes.
Jetzt 7üird weiter gesungen:
25.
360 Es entsteht ein grosser Streit
Wohl vor der heiligen Dreifaltigkeit.
So loben wir etc.
Es treten alle Teufel mit Adam und Eva , die Gerechtigkeit und
Barmherzigkeit auf.
L uzifer sp rieh t :
Hervor , hervor mit diesem Bösewicht vor das
Gericht. Allmächtiger Richter und Herr, hier stell
365 ich dir den ehrvergessenen Adam vor, welcher dir
wider dein ausdrückliches Gebot einen Apfel von
dem verbotenen Baum gestohlen und gefressen hat.
Gleichwie du mich und alle meine INIitgesellen
wegen einem einzigen hoffärtigen Gedanken auf
370 ewig von dem Himmel in die Höll Verstössen
hast, so ist es auch billig und recht, dass du den
Adam und das ganze Menschengeschlecht auf ewig
von dir zu uns in die Höll verstossest.
Die Gerechtigkeit spricht:
Allmächtiger (knt, was der Satan wider den
17
375 sündhaften Adam fürbringet, ist die gründliche
Wahrheit, darum ist es auch billig und recht, dass
du den Adam und das ganze Menschengeschlecht
auf ewig von dem Himmel in die Hölle verstossest.
üer Mensch hat nicht nur allein eben so wie die
380 hoffärtigen Engel, sondern er hat noch viel schwerer
gesündigt als sie, welches ich allsogleich beweisen
werde. Die Engel haben gesündiget durch ihre
Hoffart, weil sie Gott wollten gleich sein, der
Mensch hat auch darum gesündiget, weil er Gott
385 wollte gleich sein; darum haben sie die Frucht
abgebrochen und gegessen, dass sie wie die Götter
sein möchten. Nebst dieser unerträglichen Hoffart
hat auch der Mensch einen ausdrücklichen Dieb-
stahl begangen, indem er die Frucht so muth willig
390 abgebrochen, gestohlen und gegessen hat. Der
^lensch kann auch nicht vorwenden , dass er es
nicht gewusst habe, dass dieses eine so grosse
Sünde sein sollte, weil er es ja mit seinen eigenen
Ohren gehört hat: in welcher Stund er davon
395 essen wird, so wird er des zeitlichen und ewigen
Todes sterben. Ueber alles dieses macht die Sund
noch dies am grössten, weil er es ja gewusst hatte,
dass er durch die Sund nicht allein sich selbst,
sondern alle Menschen in das Verderben bringen
400 werde ; dennoch wollte er lieber sich und die
Seinigen verderben als die Frucht nicht versuchen.
Daraus dann folgt, dass der Mensch nicht einer
Barmherzigkeit, sondern der ewigen Strafwürdig sei.
Die Barmherzigkeit spricht:
Barmherziger gütiger Gott, deine Majestät ist
405 mit den sündigen Engeln so streng verfahren, dass
ich es ohne grosses Herzeleid nicht habe können
ansehen. Willst du nun mit den armen Menschen
auch so umgehen , was würde dies mir und dir
für ein grosses Herzeleid sein. Ja auf diese Art
410 wäre es ja besser gewesen, der Mensch wäre gar
nicht erschaffen worden, als dass er jetzt in ein so
Volksschauspiele. 2
i8
grosses Elend gerathen sollte ; darum bitte ich dich,
o göttliche Majestät , du wollest den Menschen
nicht nach seinen Verdiensten strafen , sondern
415 seine Sünde gnädiglich nachlassen.
Die Gerechtigkeit.
Das will sich gar nicht geziemen , dass du , o
göttliche Majestät, wider dein eigenes Wort sollest
thun; denn du hast zum Adam gesagt: sobald er
von der verbotenen Frucht essen wird, so wird
420 er des zeitlichen und ewigen Todes sterben und
weil du es, o göttliche Majestät geboten hast,
so muss es auch gehalten werden.
Gott Vater.
Wohlan, was Gott einmal gesprochen hat, muss
auch in Erfüllung gebracht werden.
Die Barmherzigkeit.
425 Allmächtiger Gott, gedenke aber was du thust:
so du den Adam verdammest, verdammest du ja
das ganze menschliche Geschlecht. Sollten denn
so viele Tausend und Tausend wegen einem
einzigen Menschenpaar verloren werden? Das
430 müsste mir und dir das grösste Herzeleid sein.
Der Mensch ist ja nur von der Schlange listiger
Weis betrogen worden, sonst würde er gewiss nicht
so leicht gesündiget haben. Zudem wird er es
auch nicht vermeint haben, dass ein einziger Apfel-
435 biss eine so grosse Sund sein sollte. Derohalben
bitte ich dich, o göttliche Majestät, für den Adam
um Gnad und Barmherzigkeit.
Die Gerechtigkeit.
Wenn du, o (iott, dem Menschen die Sünde
ohne eine Strafe solltest nachlassen , so würdest
440 du ihm Ursach geben, hernach desto freier zu
sündigen, daher ist es höchst nothwendig, dass
du ihn strafest, sonst würde man sagen können,
es sei keine Gerechtigkeit in Gott, wenn er nit
19
einen jeden belohnt oder bestraft, wie er es ver-
445 dient hat.
Die Barmherzigkeit.
Ich begehre nicht , dass Gott dem Menschen
die Sünde ohne einer einzigen Strafe sollte nach-
lassen, sondern ich begehre und bitte nur darum,
dass er nicht ewig gestraft wird. Zeithch kann
450 ihn Gott strafen, so viel er nur immer will.
Die Gerechtigkeit.
Mit einer zeitlichen Straf bin ich nicht zufrieden,
weil diese ganz ungültig ist für die Sund, die der
Adam begangen hat. Weil der Mensch den un-
endlichen Gott beleidigt hat, so hat er auch eine
455 unendliche Strafe verdient. Gesetzt aber, dass
ich mit einer zeitlichen Straf wollte vorlieb nehmen,
wie kann er aber sich und seine Kinder recht-
fertigen ; wie kann einer geben, was er selbst nit
hat, wie kann einer, der ganz todt ist, Andre
460 lebendig machen?
Die Barmherzigkeit.
Ich muss zwar bekennen, dass Adam für sich
und seine Kinder nicht genug thun kann, wenn er
schon sein Lebtag Busse that : derowegen bitte ich
dich, o barmherziger Gott, du wollest einen Engel
465 vom Himmel senden , der für die Sund Adams
genug thun sollte und die Menschen aus dem Joch
des Satans erlöst.
Die Gerechtigkeit.
Wie sollte sich dieses schicken? Wenn dieses
geschehen sollte, so wären die Menschen ja schuldig,
470 denselben Engel für ihren Erlöser zu erkennen
und ihm aus allen Kräften zu dienen. Also wären
die Menschen mehr schuldig, den Engel als ihren
Erlöser, als Gott ihren Erschaffer zu erkennen und
anzubeten.
Die Barmherzigkeit .
475 Allmächtiger, gütiger Gott, ich habe vermeint,
20
ich wollt den armen Menschen helfen, nun sieh
ich aber, dass weder ein Engel noch ein Mensch
für die Sund des Adams würdiglich genug thun
kann, desswegen falle ich demüthig auf meine
4S0 Knie und bitte dich, dass du, o barmherziger Gott,
dich um den Menschen annehmest und für seine
Sund genug thuest.
Gott Vater.
Wie? sollte Gott für die Sünden der Menschen
genug thun können: Soll denn der Herr für den
485 Knecht leiden oder soll sich der Richter für den
Dieb hängen? Das war ein' Wundersach, wenn
dies geschehen sollte ; wie aber wird es geschehen ?
Adam hat durch seine Sund eine schwere Straf
verdient. Gott kann ja nicht leiden. Adam hat
490 durch seine Sund den zeitlichen und ewigen Tod
verdient. Gott kann ja nicht sterben.
Die Barmherzigkeit.
Weilen du, o Gott, weder leiden noch sterben
kannst, so will ich dich doch gebeten haben, dass
du die menschliche Natur annehmest und für seine
495 Sund die gemachte Schuld bezahlest.
Die Gerechtigkeit.
Dieses war eine Wundersach. Adam hat die
Straf verdient. Und Gott soll dieselbe bezahlen?
Dieses werde ich nicht gestatten, denn tausendmal
besser ist es , der Mensch leidet ewig , als dass
500 dem allerhöchsten Gott das geringste Uebel wider-
fahre.
Die Barmherzigkeit.
Ob es zwar scheint, dass dieses wider die Ehr
des Allerhöchsten sei, so gedeiht es doch nur zur
Vermehrung seiner Ehre. Denn dadurch werden
505 alle Engel und Menschen Ursach bekommen, Gott
ewig dafür zu loben und für ein solches Wunder-
werk einen unendlichen Dank zu sagen. Es wird
auch hieraus die unendliche Gerechtigkeit desto
21
klärer erscheinen, wenn alle Menschen sehen werden,
510 dass Gott so gerecht sei, dass er lieber die Sund
an sich selbst abstrafen wollte , als die Sund un-
gestraft dahin gehen zu lassen. Es wird auch dis
unendliche Liebe, Gütigkeit, Weisheit und All-
mächtigkeit desto klärer erscheinen , wenn Gott
515 ein solches Wunderwerk thut, welches über allen
erschaffenen Verstand sein wird. Ja, ich weiss
auch , dass die Menschen , wenn sie auf eine so
wunderbarliche Weis erlöst werden, Gott Tag und
Nacht dafür danken und sich mit Leib und Seel
520 ihm verschreiben werden. Daher, o barmherziger
Gott, um deine grosse Ehr und Glori willen, nimm
dies Werk auf dich und bewillige mein eifriges
Begehren. Ich bitt hierum , ich ruf hierum , ich
bitte alle heiligen Engel , dass sie mir helfen
525 bitten für den sündigen Menschen. Du aber, o
barmherziger, gütiger Gott, verändere doch deine
strenge Gerechtigkeit in eine sanftmüthige Barm-
herzigkeit.
Gott Vater.
So wahr ich leb und ist ein Gott,
530 So begehr ich nicht des Sünders Tod,
Sondern dass er lebe und sich bekehre
Und gebe Gott allein die Ehre.
Luzifer.
Herr Richter, ich deinem Worte allzeit widerstrebe.
Weil sie Gottes Gebot haben gebrochen'.
535 So soll es ihnen nicht bleiben ungerochen :
Ich hab Adam und Eva gar fest gekettet,
Aus meiner Hand kann sie Niemand erretten.
Gott Vater.
Du hast nicht Macht jemand zu tödten.
lAicifer.
Ah weiter wohl.
Gott Vater.
540 Lass sie los von Banden und Ketten.
22
Liizifer.
Ich mag nicht.
Gott Vater.
Entledige sie zu dieser Frist,
Weil es mein ernstlicher Wille ist.
Luziffr.
Mein Willen ist's nicht.
Gott Vater.
545 So sollst du haben weder Glück noch Heil,
So gieb ich dir den Sentenz und das Urtheil.
Jetzt tvird weiter gesungen.
26.
Nachdem sie hielten einen Streit
Die Gerechtig- und Barmherzigkeit.
So loben etc.
27.
550 Die Sach war schon so weit gekommen,
Dass Gott den Menschen wollt verdammen.
So loben etc.
28.
Doch hatte die Barmherzigkeit
Die Sach endlich gebracht so weit.
555 So loben etc.
29.
Dass Gott den Menschen wollt verschonen
Und hat die Schuld auf sich genommen.
So loben etc.
Gott Vater.
Nun denn , dass Himmel und Erden erkennen
560 muss, dass Gott unendlich barmherzig sei, so will
ich dem undankbaren Adam verzeihen ; damit aber
der göttlichen Gerechtigkeit auch ein beständiges
Genügen geschehe , so bewillige ich , dass unter
uns drei Personen eine die menschliche Natur an-
23
565 nehme, um in derselben Natur für die Sund der
Menschen genug zu thun.
Gott Sohn.
Mein herzHebster Vater ! Zur Vermehrung deiner
Ehre bin ich bereit , die menschliche Natur anzu-
nehmen und in derselben Natur für die Sund des
570 Menschen genug zu thun.
Gott Vater.
Es ist mir zwar lieb, mein herzallerliebster Sohn,
aber es wird dir in deiner Menschheit gar übel
ergehen , du wirst müssen leiden Hunger und
Durst, Hitz und Kälten, Verachtung und Ver-
575 folgung, Marter und Pein und endlich den schmerz-
haftesten Tod des Kreuzes wirst du müssen aus-
stehen.
Gott Sohn.
Ich bin dessen gar wohl zufrieden , mein herz-
allerliebster Vater. Wenn es dein göttlicher Wille
580 wäre, so wollte ich noch viel mehrer leiden, um
deinen Willen zu erfüllen und dass der göttlichen
Gerechtigkeit auch ein vollkommenes Genügen
geschehe.
Jetzt folgt das JtibeUicd.
I.
Gross und wunderbarlich
585 Sind deine Werk', o Gott,
Gerecht und auch wahrhaftig.
Willst leiden selbst den Tod 1
O König der Ewigkeit,
Der du ansiehst ein solches Leid :
590 Drum soll man dich loben
Die ganze Lebenszeit.
2 ,
Das Meer und auch die Flüss',
Und was darinnen ist,
Dies Alles soll dich preisen
595 Bis in alle Ewigkeit.
Das Lob, das soll erklingen
Vor der heiligen Dreieinigkeit ;
Drum lasst uns Jubel singen
Bis in alle Ewigkeit.
Gott Sohn.
600 Ob ich schon die ewige Straf des Adams auf
mich nehme , so befreie ich ihn doch nicht von
der zeitlichen Straf, sondern will ihm und seinen
Kindern, so lang sie leben, die Straf auf dem Hals
liegen lassen ; ich will ihm die erbliche Gerechtig-
605 keit, die ich ihnen gegeben hab, wieder abnehmen,
ich will ihnen die Augen eröffnen , dass sie sich
schämen müssen, ich will sie auch aus dem Para-
dies Verstössen.
Gott Vater.
Gar recht, das soll geschehen. — Adam, wo
610 bist du? Komm her zu mir!
Ada7)i.
Herr, vor deinem Angesicht zu erscheinen
schäme ich mich.
Gott Vater.
Warum schämest du dich?
Adam .
Weil ich ganz entblösst bin.
Gott Vater.
6 1 5 Wer hat dir denn gesagt , dass du entblösst
seiest? Hast du vielleicht von der Frucht gegessen,
wovon dir Gott verboten hat?
Adam.
O Herr! die Eva, die du mir zur Gehülfin gabst,
gab mir von der verbotenen Frucht, und ich ass
620 davon.
Gott Vater.
Wo ist das Weib, die dieses gethan hat?
Adam.
Unter diesem Baum daneben.
25
Gott Vater.
E\a, sag an, warum hast du dieses gethan?
Schlange.
Musst nichts sagen.
Eva.
625 Die Schlange hat mich angereizt, sie gab mir
von der verbotenen Frucht, und ich ass davon.
Schlange.
Hätt'st nichts sollen sagen.
Gott Vater.
O giftige Schlange , komm her zu mir : weil
du dies hast gethan , so bist du verflucht unter
630 allen Thieren, von nun an sollst du auf deinem
Bauch herumkriechen , und vom Staube sollst du
dich ernähren deine ganze Lebenszeit.
Die Schlange tritt kriechend ab.
Jetzt wird tveiter gesungen.
30-
Der Adam will sich selbst ausreden,
Er will die Schuld auf Eva legen.
635 So loben etc.
31-
Die Adams Straf, sie bleibt nicht aus.
Er muss vom Paradies hinaus.
So loben etc.
Gerechtigkeit.
Ich bin erzürnet überaus,
640 Die Straf des Adams bleibt nicht aus,
Ich zieh heraus sein hohen Geist,
Weil eins die Schuld aufs andre weist.
Gedemüthigt muss er werden,
Hinaus mit ihm auf die unfruchtbare Erden.
645 Darum sage ich dir, o Gott,
Dass du ihm auferlegst viel Angst und Noth.
26
In der Demiith muss er bestehen,
So soll und muss es den Menschen gehen.
Gott Vater.
Ganz recht, das soll geschehen.
650 Engel Gabriel, komm her zu mir.
Engel Gabriel
macht vor dem Gott Vater eine Verbeugung und spricht:
Herr, da bin ich, was schaffst du mir?
Gott Vater:
Das scharfe Schwert gieb ich dir.
Das sollst du mir tragen
Und Adam und Eva aus dem Paradiese jagen.
E/tgel 7vendet sich um imd spricht zu Adam und Eva:
655 Ich hab empfangen ein Gebot
Wohl von dem allerhöchsten Gott:
Das scharfe Schwert, das soll ich tragen
Und soll Adam und Eva aus dem Paradiese jagen.
So geht nur aus dem Paradeis
660 Und baut das Feld mit grossem Fleiss.
Der Adam soll sein' Sund abbüssen,
Mit Schwitz und Schweiss sein Brod geniessen.
Die Eva aber auch nicht minder:
Mit Schmerzen soll sie gebären ihre Kinder.
665 Ihr seid erschaffen von Staub und Erden,
Zu Staub und Erden sollt ihr wiederum werden.
Eva.
O Gott, thu uns nicht gar vergessen.
Engel.
Eva thu keinen Zweifel fassen.
So wird dich Gott auch nicht verlassen.
Jetzt wird das Lied wieder weiter gesungen.
32.
670 Also wird Adam und Eva weis'
Geschlagen aus dem Paradeis.
So loben etc.
27
33'
Der Adam weinet also heiss,
Weil er von keiner Erlösung weiss.
675 So loben etc.
Adam.
O ich armer Mann ! Was hab ich gethan, dass
ich wegen einem einzigen Apfelbiss in ein so
grosses Elend gerathen bin. Soll ich denn nimmer
die Hoffnung haben in das Paradies zu kommen?
680 Soll ich denn all' mein Lebtag in dem Thal der
Zähren verbleiben müssen. O barmherziger Gott,
erbarme dich meiner und strafe mich nicht ewig
wegen einer einzigen Sünde !
GoU Vater.
Erzengel Gabriel, komm her zu mir!
Engel Gabriel.
685 Herr da bin ich. Was schaffst du mir?
Gott Vater.
Geh hin zu dem Menschen auf Erden,
Verkündige ihm, dass er einmal erlöst soll werden.
Der Engel.
Adam du sollst dich nicht so sehr betrüben auf Erden,
Denn aus deinem Stamm soll ein Mensch geboren
werden,
690 Welcher wird sein ein friedsamer Held
Und ein Erlöser dieser Welt:
Er wird allen Rechtgläubigen ein wohlgefälliges
Opfer sein.
Er wird seine Hände ausstrecken und vom Baum
des Lebens nehmen.
Dieses wird sein eine Frucht für Alle, die auf ihn
hoffen.
Adam.
695 Ach Gott , wann darf ich wieder kommen in
dein Reich ?
28
Engel.
Gehet nur hinaus durch das Garten-Gitter,
Bis euch Gott berufet wieder.
Eva.
Wir bitten, Gott wolle uns verzeihen die Sund.
Eu^el.
700 Thu Busse, bereue geschwind,
So verzeiht dir Gott deine Sund.
Adam lind Eva treten ab.
Es wird xveitcr gesungen. .
34-
Als Adam im Paradies nicht mehr war
Sandte Gott einen Engel vom Himmel herab.
So loben etc.
/^D
35-
Der ihn getrost in seinem Leid
Und die Erlösung hat prophezeit.
So loben etc.
36.
Er lebt wohl 930 Jahr,
Dass seine E
710 So loben etc.
Dass seine Erlösung folget dar.
37-
Alsdann macht er vor seinem End
Seinen Kindern ein Testament.
So loben etc.
$
Adam tritt auf, macht sein Testament lotd spricht:
O ihr, meine lieben Kinder, ihr habt gar oft
715 und vielmal gehört, wie dass ich in dem Paradeis,
in dem Ort der Wollustbarkeit gewesen bin und
wegen meinem Ungehorsam in dieses Elend bin
29
Verstössen worden. Als ich einstmals über die
Massen sehr betrübt war , sendete mir Gott einen
720 Engel, welcher zu mir sagte, wie aus meinem
Stamme ein Mensch soll geboren werden, der uns
aus diesem Elend erlösen soll. Darum ihr, meine
lieben Kinder, bittet Gott unablässlich, dass er
doch einmal seine Verheissung erfülle. O Erden,
725 eröffne dich! O ihr Felsen, zerspaltet euch und
bringt uns hervor den langgewünschten Messias.
Jetzt tritt der Tod auf,
geht hinter Adam hin und her und spricht:
Ich als der Tod,
Gesandt von Gott,
Ein' Pfeil trag ich in meiner Hand.
730 Dieser Pfeil ist also stark
Er dringt dem Menschen durch Bein und Mark,
Er bricht ihm auch das Leben ab,
Darnach legt man ihn in das Grab.
Jung und Alt, Gross und Klein
735 Werden alle meines gleichen sein:
Sogar die kleinen Kindelein
Vor mir nicht sicher sein.
Kaiser- und Königskron,
Der Tod thut kein' verschon.
740 Auch die päpstliche Heiligkeit
Ist von mir nicht befreit.
Bürger und Bauerngeschlecht
Ist mir auch eben recht.
Der Reisende auf der Strass
745 Hat von mir kein' freien Pass. —
Der Adam hat gelebt 930 Jahr,
Das ist eine lange Zeit,
Sein Lebenslauf ist aus^
Er muss hin in die Ewigkeit:
750 Darum steh ich eben da
Und brich dem Adam das Leben ab.
Adam fällt ?iieder. Der Tod spricht zueiter:
Ich, der allergewisseste Tod,
30
Den man alle Stund und Augenblick zu hoffen hat,
Ich hab dem Adam das Leben genommen,
755 Welches ihm Gott gegeben hat.
Gott kann es ihm aber wiederum geben ;
Er wird ihn belohnen schon,
Was er auf dieser Welt Gutes oder Böses hat gethan.
Der Tod tritt ab.
Jetzt wird wieder gesungen:
38.
Unterdessen stirbt Adam, der fromme Mann,
760 Und lasst seine Kinder in Frieden stahn.
So loben etc.
39-
Es kommt schon die Zeit der Erlösung herzu.
Da Gottes Sohn Mensch werden thut.
So loben etc.
Gott Vater.
765 Nun, mein allerliebster Sohn, jetzt ist die Zeit
da, dass du dich aufmachest und in die Welt
hinunter kommest. Du weisst es, wie ich dich
vom ganzen Herzen Hebe, dennoch erbarmet mich
das Menschengeschlecht so sehr, dass ich sein Elend
770 nicht länger mehr kann ansehen. Und weil dann
kein andres Mittel ist, ihnen zu helfen, so komme
dann dem armen verlassenen Menschengeschlecht
zu Hilf, ich will lieber an dir das grösste Herzen-
leid ansehen, als dass ich das Menschengeschlecht
775 sollt verderben lassen.
Gott Sohn.
Mein herzallerliebster Vater, weil es nun dein
göttlicher Willen ist, dass ich soll Mensch werden,
so bin ich schon bereit. Sieh , ich , dein einge-
borener Sohn, geh hin zu leiden und mein so
780 edles Leben an einem so schmählichen Kreuz zu
lassen. Das thu ich dir und den armen Sündern
31
zu lieb, damit ich deinen göttlichen Willen erfülle
und die Altväter aus der Vorhölle erlöse.
Gott Vater.
Wohlan, weil du dieses Werk auf dich nimmst,
785 so gebührt dir die höchste Ehr, so setze dich zu
meiner Rechten her.
Jetzt wird gestengen:
I.
Erlöser dieser Erden,
Muss es denn gestorben sein ?
Kann dir nicht geholfen werden,
790 O liebster Jesus mein?
Adam ist daran schuldig,
Dass du gehest in den Tod,
Und leidest so geduldig,
O du gerechter Gott !
795 O Sünder, wegen deiner
Trag ich das Kreuz auf mir,
Dieweilen sonsten keiner
Als ich kann helfen dir!
Du wärest ja verloren,
800 Die Wolf zerrissen dich.
Ich hab dich auserkoren,
Weil du erfreuest mich.
Gott Sohn.
Alle himmlischen Freuden verlass ich allhier.
Gott Vater.
Ja freilich verlässt du alle himmlischen Freuden
805 allhier und deine schöne Zier. Wenn du aber
wieder ankommen werdest, so bringst du eine viel
schönere mit dir und wegen derselben Zier werden
sich auch die Engel im Himmel erfreuen, welche
du dann mit dir bringst, wann du ankommst.
Gott Sohn,
8to Ich nimm das heilige Kreuz zu mir. O du
heiHges Kreuz , wie bist du mir so heb , bei dir
will ich leben, an dir will ich sterben, an dir will
ich das ewige Heil erwerben. Adieu, mein herz-
liebster Vater. Adieu, mein lieber heiliger Geist.
815 Sehet, ich geh hin in das Leiden, welches mir von
Ewigkeit her bereitet ist. Adieu, ihr lieben Engel
des Himmels.
Gott Sohn tritt ab.
Es wird -weiter gesungen:
3-
O Sünder, fass zu Herzen:
Dein allerhöchster Gott
8 20 Als Mensch leid grosse Schmerzen
Und geht für dich in Tod!
Darum thu dich bequemen
Und lern Geduld von Gott,
Sein Leiden zu erkennen
825 Und halten sein Gebot.
Fortsetzung vom anderen Gesang.
40.
Durch Adams Fall warn wir verlor'n,
Durch Christi Tod sein wir wieder gebor' n.
So loben etc.
41.
Erfreut euch, ihr Christen, seid wohl getrost,
830 Denn Christus hat uns ja selbsten erlöst.
So loben etc.
42.
So machen wir unserm Spiel ein End,
Gott bleibe bei uns bis an das End.
So loben etc.
33
835 ^Vir wünschen euch Glück, wir wünschen eucli Freud,
Wir wünschen euch Allen eine glückselige Zeit.
So loben etc.
A//e treteji ab.
Die Teufel treten auf und machen den Schluss-^lkt.
Beliai.
Hervor, hervor, ihr Teufel alsbald,
Wir widersetzen uns der Gottes-Gewalt.
840 Sehet an was für ein grosses Gut
Dem Menschen widerfahren thut.
Gott sandt in die Welt sein' eingebornen Sohn,
Der sie erlöst aus unserem Bann :
Nimmt an die menschliche Natur,
845 Geboren von einer Jungfrau war
In einem Stall zu Bethlehem ;
Von Hirten und Königen wird er beschenkt :
Jetzt ist er Erlöser der ganzen Welt,
Hat viel W^under gewirkt, in Armuth gelebt,
850 Dreiunddreissig Jahr auf der Welt herumgeschleppt.
Als die Zeit des Leidens vorhanden war,
Da wurd bereitet ein Abendmahl.
Er giebt sich in Brod's und Wein's Gestalt
Und hat seine Apostel zu Zeugen all',
855 Gleichwie bei der Mess und Sakrament
Der Priester beim Altar Gott versöhnt.
Als ein Versöhnungsopfer er sich giebt.
Gleich wie's der Priester beim Altar verriebt.
Alsdann ging er vom selben Haus
860 Auf den Oelberg in^ Garten hinaus.
Alldort vor Angst er schwitzet Blut,
Ein Engel kommt, der ihn stärken thut.
Judas kommet auch daher
Mit einem grossen Kriegesheer.
Volksschauspiele. 3
34
865 Er verrath" und verkauft seinen Gott
Um dreissig Silberling, das ist ein Spott.
Sie aber fangen und binden ihn
Und führen ihn zum Annas hin.
AUdort gab man ihm allsogleich
870 Ins Angesicht einen Backenstreich.
Zum Kaiphas haben s' ihn auch hingeführt,
Dort ward er erschreckhch examinirt.
Sie spieen ihm ins Angesicht
Und schlugen ihn unbarmherzigUch.
875 Zum Herodes haben s' ihn auch hingeschleift,
Dort haben s' ihm angelegt ein Xarrenkleid.
Er wurd verspott', veracht' allhie,
Spottweis bogen s' vor ihm die Knie.
Zum Pilatus haben s' ihn auch gebracht,
880 Alldort falsch Ursach dargebracht.
Man hat ihn gegeisselt und gekrönt,
Püatus sich zum Volke wendt.
Er sprach: Ich find keine Schuld an ihm,
Die Juden schrieen : Kreuzige ihn.
885 Als Pilatus das Urtheil sprach,
Da waren die Juden von Herzen froh,
Er musst sein Kreuz selbst tragen,
Daran wurde er geschlagen,
Ganz nackend und ganz bloss,
890 Hand' und Füss' mit Nägeln gross.
Also hat er erlöst das Menschengeschlecht,
Das ist uns Teufeln gar nit recht.
O wie ist er mit den Menschen so gut.
Hat vergossen für sie sein Blut.
895 Er will sie haben all' in Himmel hinein.
Damit wir Teufel auf ewig sollen beraubet sein.
Höret mich an, ihr Teufel all.
Wir richten dem Menschen ein neuen Fall:
Weil uns der erste nicht ist gelungen,
900 So haben wir schon andres ersonnen.
Wir wollen sparen kein Müh noch Macht,
Den Menschen zu verführen Tag und Nacht.
35
Alkeit wir beflissen sein,
Dass wir sie bringen in die Höll hinein.
905 Mittel giebt es genug zu Händen,
Die Menschen zu bringen in Sund und Schanden.
Sie sind dazu ja selbst geneigt,
Wie es sich an dem Adam hat gezeigt.
Dass seine Kinder auch nit besser sein,
910 Dies ist ganz klar und allgemein.
Nun haben wir den Schluss gemacht.
Viel Tausend schon in die Höll gebracht,
Viel Tausend auf der Welt noch fein
Uns Teufeln müssen eigen sein.
915 O was hör' ich für eine gute Zeitung !
Wir haben schon fast die halbe Welt
Verführt in Ketzerei und Irrthum.
Ha, fast die ganze christliche Gemein.
Ein jeder thut den Willen mein:
920 Eine grosse Anzahl von der Welt
In meiner Residenz dort mir zufällt.
Spiegelt euch, ihr Adams-Kinder,
Gross und kleine Sünder.
Haltet fleissig Gottes Gebot,
925 Wenn ihr einmal werdet kommen vor Gottes Gericht,
Weil keinem Menschen ausbleiblich ist,
Dass ihn der Teufel kann verklagen nicht.
Die Teufel treteji alle ab.
3*
DAS SCHÄFERSPIEL
^
PERSONEN.
Der Prophet (als Prolog).
Der gute Hirt.
Die Schäferin.
Der Jäger (oder Verführer) als Schäfer.
Der Teufel.
Der Pilger.
Der Tod.
Der Engel.
-1-
Der Prophet tritt allein auf und spricht:
Gelobt sei Jesus Christus ! Geliebte, in Christo,
dem Herrn versammelte Zuhörer ! Merket auf und
betrachtet, wie Gottes Sohn als ein guter Hirt sein
verlornes Schäflein suchet, worunter zu verstehen
5 ist ein jeder Sünder, denn ein jeder Mensch ist ein
göttliches Schäflein , das Gott sehr lieb hat. So-
bald der Mensch nach der heiligen Tauf eine
Sünde begeht, so geht er schon verloren von der
himmlischen Weid. Gott ruft ihm oft durch Pre-
lo diger, Beichtväter und andere gute Lehrer zu. Auch
das Gewissen vermahnt ihn, er soll umkehren, aber
wegen Verstocktheit werden alle guten Lehren von
Gott und seinen Gesandten gleichsam mit Füssen
gestossen, und er verharrt oft lange Zeit in der Un-
1 5 bussfertigkeit , bis ihn endlich der Tod erschreckt
und die Furcht der Hölle zu Gott bekehret, von
welchem sich der Mensch durch die Sund hat ab-
gewandt. Ich ermahne euch daher, wachsam zu sein,
dass ihr den drei Feinden eurer Seele nicht im
20 Streit unterliegt. Diese drei Feinde sind: Erstens:
das eigene Fleisch, welches den Menschen zu sün-
digen lockt : Zweitens die verführerische Welt, und
drittens der Teufel, welcher herumgeht wie ein
brüllender Löwe, (weil der Mensch obsiegen soll),
2 5 und sucht , wen er verschlingen kann. Um hier-
von etwas Mehreres zu vernehmen, so bitte ich um
Geduld und Aufmerksamkeit. So fangen wir an
im Namen des Herrn zu spielen , wo meine Vor-
rede ausführlicher wird zu betrachten sein.
Prophet tritt ab.
40
Der ^ute Hirt wid die Schäferin treten auf und singen
Der gtite Hirt.
30 Ach liebstes Schäflein mein,
Sag was soll dieses sein,
Dass du dich von mir thust wenden,
Zu andern Herden lenken r
Kehr dich zu meiner Hütt',
3S Kehr um, ich bitt, ich bitt.
Die Sc/iäferin.
O Hirt, verzeih mir's doch,
Zu schwer ist mir dein Joch,
Schau wie bei andern Schafen
Ich möcht mich ja vergaften.
40 Die Freiheit sich einfindt,
Und zwar ohn Sund, ohn Sund!
///;■/.
O Schäflein irrest weit,
Wannst gehst von meiner Haid,
Wannst fremder Lust nachgehest,
45 Dich zu der Welt gesellest,
Gerathest in die Sund.
Noch heut ganz blind, ganz blind.
Scßiäferin.
O Hirt, lass mir ein Freud
Nur auf ein kurze Zeit :
50 Bei deinen stillen Herden
Ist nichts als nur Beschwerden,
Drum such ich Lustbarkeit
Und zwar nur heut, nur heut.
Verirrter Eigensinn,
55 So nimm den Abschied hin.
Die Schäferin tritt ah.
Noch heut wirst du zumalen
In Sund und Laster fallen :
41
Die Unschuld steht in Gfahr
Ohne Freude immerdar.
Der Hirt tritt ab, der Teufel auf.
Der Teufel.
60 Ha, ha, jetzt hat sich eine Seel von Gott ab-
gwendt
Und hat sich auf meine Seiten gelenkt :
Das freut mich sehr über die Massen,
Dass sie sich hat verführen lassen
Von Gott und seinem Himmelreich
65 Und stellt sich zu uns Teufeln gleich.
Jetzt will ich erst mein Fleiss nicht sparen,
Recht übel will ich mit ihr verfahren.
Mit unsittlicher Lieb will ich sie so sehr vergiften,
Und alles, was ich nur immer denken kann, will
ich an ihr stiften.
70 Ich will sie bringen also weit,
Dass sie sich begibt in alle Welt-Eitelkeit :
Alsdann will ich ihr Belohner sein
Und will sie bringen in die Höll hinein,
Allwo sie ihre Sündenschuld allein
75 Bei uns Teufeln wird müssen bezahlen fein.
Der Teufel tritt ab.
Der Jäger tritt attf.
Der Jäger.
Ich bin ein Jäger auf grüner Haid,
Das ist ja meine grösste Freud,
Damit vertreib ich mir die Zeit.
Komm ich in grünen Wald,
80 Da hab ich meinen Aufenthalt ;
Da thu ich mein Hörnlein blasen
Zur Freud der Fuchs und Hasen.
Steck ich Feder und Gamsbart auf mein Hut
Und bin allzeit ein lustiges Jägersblut :
85 Damit ich mein Herz besser in Freuden kann
schwingen,
So will ich ein lustiges Schäferlied singen.
42
Gesang.
Ich zwar ein Schäfer bm,
Hab doch ein freien Sinn,
Und ist mein Hirtenleben
90 Mit Freuden umgeben.
Wechsel ich mein Hirtenstab, Hirtenstab
Für keinen Zepter ab :
Ich verlang für meinen Lohn
Mir keine Krön.
05 In der Früh, wenn die Sonn aufgeht
Und der Thau im Gras da steht,
Treibe ich mit Freuden all
Alle Schäflein von dem Stall
Auf die grün' Wiesen hin. Wiesen hin
100 Wo ich alleinig bin,
Denn in der Einsamkeit
Hab ich mein Freud.
Schau ich in Wald hinein,
Ist alles lustig drein,
105 Springen die Hirsch und Reh
Fröhlich in d' Höh.
Bald kommt ein Fuchs daher, Fuchs daher,
Dort tanzt ein wilder Bär :
Alles was ich ansich
TIC Erfreuet mich.
Kommt mir ein Hunger an,
Treib ich mein Herd hindan.
Darnach man gleich umschaut
Wo man Rüben baut.
1 1 5 Zieh mir etliche Rüben aus, Rüben aus,
Da hab ich mein Schmaus,
Iss ein schwarz' Brod dazu
In süsser Ruh.
Oder ich steig in Garten hinein
120 Um etliche Aepfelein,
Schüttl ich sogar vom Baum
Dorten Zwespen herab.
43
Sie sagen: Nimm's nur hin, nimm's nur hin!
Weil ich der Schäfer bin :
125 Sie geben mir's zum Lohn,
Ich trag's davon.
Und wenn ich durstig bin
Treib ich zum Brunnquell hin,
Lass trinken nach Begierd,
130 Trink selbst als Hirt.
Darnach ich meine Schäflein wasch, Schätlein wasch,
Oder ich greif in die Tasch,
Zieh Käs und Brod herfür,
Das schmecket mir.
135 Wurd mir die Zeit zu lang
Sing ich ein Schäfersgsang,
Dies vertreibt vom Herz
All bittern Schmerz.
Oder ich spiel auf mein Feldschalmei, Feldschalmei,
1 40 Dies macht mich sorgenfrei :
Nichts lieb ich also frei
Als die edle Schäferei !
Mein' Hund, das muntre Thier,
Hab ich allzeit bei mir ;
145 Wenn ich wach oder schlaf,
Hut' er mir die Schaf:
Er macht mir oft manchen Spass, manchen Spass,
Wenn ich im Schatten sass.
So wie ich ihm pfeife für,
150 So tanzt er mir.
Zur Nacht, da treib ich hinein,
Was kann doch Schönres sein,
Zähl ich mit Freuden all
All Schäflein in dem Stall.
155 Darnach leg ich mich zur Ruh, mich zur Ruh
Und schliess mein Augen zu.
Was kann Vergnügters sein
Für mich allein?
44
Spruch.
Ja lustig ist auch das Jägerleben :
i6o Ums Wildbret thut's brav Geld abgeben:
Lustig ist's im grünen Wald,
Wo erst mein Stutzen knallt ;
Und wo der Schildhahn balzt
Hab ich mein Aufenthalt.
165 Jetzt werd ich mich auch um eine schöne Schäferin
umschauen,
Damit ich mich kann erfreuen auf grüner Auen.
Der Jäger tiitt ab.
Die Schäferin tritt auf.
Die Schäferin .
Ich bin eine Schäferin auf grünem Feld
Und tracht nach Lust und Freud' dieser Welt.
Denn weit schöner ist's in Freuden leben,
170 Als die Tag in der Traurigkeit verzehren.
Man isst und trinkt, man pfeift und singt,
Man hat allerlei Saitenspiel
Und andere Kurzweil viel :
Und ich sollt dies nicht geniessen?
175 Das fiel mir viel zu schwer:
Ei, so will ich mich recht ergötzen,
In den weltHchen Freuden meine Zeit vertreiben
Und meinen Sinnen lassen einen freien Lauf.
Gesang.
Ich bin und bleib eine Schäferin allezeit,
180 Weil mich auf dieser Welt besser nichts freut.
Ich mir auf grüner Au
Fin schönes Hüttlein bau',
Und weide ganz allein
Die Schäflein mein.
'D
Wann sich der Tag zu zeigen anfangt,
Die strahlende Sonn am Himmel prangt,
45
So öffne ich den Stall,
Treib ich die Schäflein all'
Mit grösster Lust und Freud
190 Auf grüne Haid.
Wenn das Lerchlein seine Flügel schwingt
Und seine Stimm in den Wolken erklingt,
So ich in meine Taschen greif,
Spiel mir auf und pfeif:
195 So gibt's den Widerhall
Durch Berg und Thal.
Wenn sich der Tag schon neiget zum End
Und die Sonne ihre Strahlen von der Erde wen dt,
So treibe ich allgemach
200 Meine Schäflein nach und nach
In meine Hütten ein,
Bald gross, bald klein.
Wann die Sonn an die Berg' anlangt.
Und die Nachtigall zu schlagen anfangt,
205 So leg ich mich ins Gras,
Ist ja vom Thau schon nass :
Schliess ich die Augen zu
In süsser Ruh.
Der Engel tritt auf und spricht:
Schäferin ! folge meinem Rath und bleib bei deinem
210 Hirten: alle weltlichen Freuden dauern nur eine
kurze Zeit, darnach folgt ewiges Leid. Was thut
dann dein treuer Hirt? Für kleine Schmerzen
wird er dir schenken die ewige Freud.
Die Schäferin.
Das Joch ist mir zu schwer,
215 Ich kann es nicht ertragen,
Denn auf seiner Weid ist wenig Freud zu erfragen :
Darum wend ich mich von ihm
Zu andern Herden hin.
46
Der Engel tritt ab. Der j^äger klopft an die Thi'tr. tind die
Schäferin singt:
Die Schuf eriit.
Holla, wer ist da draus, wer klopfet an?
220 Was willst du haben, o fremder Mann ?
Hättst dich sollen bei Tag umschauen :
Du weisst, dass die Porten verschlossen ist schon.
Ich bin hier ganz allein
Und lass niemand herein.
225 Fremdling, lass mich mit Fried,
Ich kenn dich nit.
Der Jäger singt ausser der Thür :
O werthe Schäferin, thu' nicht erschrecken,
Ein frischer Schäfersmann steht vor der Thür,
Weil sich der helle Tag hat ganz verdunkelt ;
230 Komm Allerschönste, eröffne du mir,
Lass mich zu dir hinein,
Ich will dir dankbar sein,
Weil ich den Namen
Als Schäfer führ.
Schäferin.
235 Bist du ein Schäfer und liebest die Auen,
Was gehst du so spat herum? Ist das die Treu?
Sollst du nicht besser dich um dein Schäflein um-
schauen ?
Du weisst^ dass den Wölfen zu trauen nicht sei.
Ich lass dich nicht herein,
240 Mögst ein Ausspäher sein:
Für mich ist's besser,"
Ich bleib allein.
Jäger.
Ich bin nicht kommen, dich auszuspionirn,
Sondern die späte Nacht zwingt mich zu dir.
245 Lass mich die heutige Nacht bei dir hier wohnen;
Morgen, wanns Tag wird, geh ich wieder von dir,
47
Sonst niöcht ein wildes Thier
Mich aufzehren hier.
]^ass mich nicht Hegen hier
250 Vor deiner Thür.
ScJuiferin .
Ich bin nicht von Eisen, ich will mich erbarmen ;
Komm, komm, o Schäfer, ich öffne die Thür,
Ich hab ja schon öfters behalten ein Armen :
Ich will dir vergönnen ein Oertlein zur Ruh.
255 Bei mir leidst auch kein Noth,
Kannst essen Käs und Brod,
Morgen, wanns Tag wird,
Gehst wiederum fort.
Der Jäger tritt ein.
Ich leide kein Hunger nicht, ich bin schon zufrieden,
260 Denn deine Gegenwart speist mich schon ab.
Mein Herz hat öfter nach dir gestrebet,
Weil ich nur einmal die Gnad von dir hab'.
Jetzt sein wir ganz allein :
Du sollst mein Schäfrin sein,
265 Ich will dich lieben
Bis in das Grab.
O schönste Schäferin sei gegrüsst !
Was machst du ganz allein auf diesem Platz?
Schäferin.
Schön Dank, mein lieber Schäfersmann,
270 Dass ich dir es ja sagen kann;
Ich bin ein' Schäferin auf grünem Feld
Und tracht nach Lust und Freuden dieser Welt.
Ich hab mich auch besonnen ein Hirten zu erwählen,
Der mir kann allerlei Freud und Lustbarkeiten
vorstellen.
Jäger.
275 Was sprichst, mein liebes Herzerl?
Bei mir ist allezeit erlaubt Freud und Lust!
48
Man putzt sich auf gar schön und zart,
^lan tanzt und singt auf manche Art,
Man hat alle Freuden, Musik und Saitenspiel
280 Und andere Kurzweil viel.
Man isst und trinkt,
Man pfeift und singt :
Ja was das menschliche Herz nur wünschen kann,
Ist bei mir zu treffen an.
Schäferin .
285 Der Schluss ist gemacht,
Ich hab es betracht,
Ich geh zu dir und deiner Herd.
j^äo-cr singt:
O werthe Schäferin der Schäferei,
Sag wie dein Herz gegen mir beschaffen sei,
290 Ob du aufrichtiglich
Und beständig liebest mich
Und bleibst mir treu.
Schäferin .
O werther Schäfersmann, was bildst dir ein,
Meinst, dass ich so geschwind untreu soll sein?
295 Ich bin kein solche nicht,
Die gleich das Liebsband bricht,
Bild dir's nicht ein.
7äger.
Wenn es denn also ist, o Schäferin " werth,
Bin ich vergnüget schon, komm zu meiner Herd,
300 Mein Herz zur Morgen gab
Sammt meinem Hirtenstab
Sei dir verehrt.
Si/iäferin.
Nun sieh, das Blumenbeet ist schon bereit,
Wo man zu ruhen pflegt auf grüner Haid ;
305 Hier ist der Brunnenquell
Wo dann die Schäflein all
Trinken zugleich.
49
Jäger.
Zu dir treib ich noch heut die ganze Herd,
Was kann doch Schönres sein, o Schäfrin werth,
310 Da schUessen wir unsre Hütten zu
Und schlafen in guter Ruh,
Bis es Tag werd'.
Schäferin.
O werther Schäfersmann, von dir lass ich nicht ab :
Weil du mein Herz in Lieb vergnüget hast,
315 So soll das Herze dein
Stets in dem meinigen sein
Bis in das Grab.
Jäger.
Komm allerschönste Schäferin, komm
Zu mir, zu meiner Herd.
Beide treten ab.
Der Teufel tritt auf.
Teufel:
320 Ha, ha^ ha, ha, jetzt hab ich schon betracht,
Was die zwei Verliebten haben gemacht:
Jetzt will ich sie erst recht betrügen
Und sie erst recht auf meine Seite kriegen.
Denn jetzt habe ich die schönste Gelegenheit,
325 Dass ich sie kann anreizen zu aller Sund und
Eitelkeit,
Weil sie ihr einen andern Schäfer hat erwählt
Und ihren Gott auf die Seiten gestellt.
Wegen dieser Untreu will ich sie bringen in d'Höll
hinein,
Dort muss sie bei uns Teufeln ewig gefangen sein.
Der Teufel tritt ab.
Der gute Hirt tritt auf.
Der gute Hirt:
330 Viel Schaf lein hat Gott in der Welt,
Und die^e hab ich schon alle gezählt:
Volksschauspiele. 4
50
Mich gedunket, eines ist nicht hier,
Ach, liebstes Schäflein, komm zu mir.
Ein Schäflein ist von meiner Herd entlüften
335 Und weidet in der Eitelkeit:
Ich liebe dieses Schäflein unverdrossen,
Das sich unter den Wölfen erfreut ;
Die Wölfe wollen es alle Augenblick tödten,
Ich aber suche es zu erretten
340 Und aus Lieb will ich es suchen hier,
Bis ich es finden werde.
Und wenn ich es gefunden, will ich es führen in
meines Vaters Reich,
Dass es sich mit mir kann erfreuen in Ewigkeit.
Der gute Hirt singt:
Wo soll ich mich nun wenden hin,
345 Ich edles Schäferskind,
Weil ich muss suchen nun forthin
Ein Schäflein, bis ich's find,
Das gelaufen ist von meiner Weid,
Die mir mein Vater hat bereit
350 In alle Ewigkeit.
Ich klopfe hier an dieser Port,
Ach, Freundin, mach mir auf,
In dieser Au find sonst kein Ort;
Schon lang ich herumlauf:
355 Ich bin ganz matt, glaub sicherlich.
Die Herberg mir abschlage nicht.
Ich bitt herzinniglich.
Die Schäferin singt hinter der Thür :
Was la4uft herum bei später Nacht?
Die Kinder gehören nach Haus.
360 Mein Hiitt ich dir nicht mehr aufmach,
Magst immer klopfen draus,
Denn ich mich ganz allein befind,
Mögst etwa sein ein loses Kind :
Nein, nein, mach dir nit auf.
51
Der gute Hirt.
365 Ich bin ein Kind von hohem Stamm,
O werthe Schäferin,
Und hab niemand kein Leid gethan,
Ganz fromm ich allzeit bin.
Ein Schäflein ich verloren hab,
370 Das muss ich suchen Tag und Nacht
Forthin, bis dass ich's find.
Die Schäferin.
Glaub nicht, dass sich ein fremdes Schaf
Hier in der Au befindt:
Bevor ich dir die Hütt aufmach
37 5 Sag mir, wer bist, mein Kind?
Oder wer ist der Vater dein,
Dass du jetzt schon ein Hirt musst sein,
So jung, so zart, so fein.
Der gute Hirt.
Mein Vater ist von Ewigkeit^
380 Und ewig währt sein Reich.
Sein eingeborner Sohn zugleich
Ich ewig bin und bleib.
O Sünder, merk auf und mich anhör,
Dein arme Seel ich von dir begehr,
385 Darum bin ich hier, schenks mir.
O ihr verlornen Schäflein all;
Ach wendet euch zu mir,
Wohl zu dem himmlischen Schafstall
Ich all euch hinzuführ.
3QO Ich eröffne die Himmelsweid,
Wo ihr in alle Ewigkeit
Mich sehen könnt allezeit.
Spruch des guten Hirten.
Nun will ich mein Stimm erheben,
In diesem wilden Wald
395 Und will mein Schäflein rufen
Mit heller Stimm gar bald.
52
Vielleicht möcht es doch kommen zu mir,
Dass ich nicht länger dürft suchen allhier :
O Schäflein, Schäflein, wo bist du hingekommen,
400 Lass dich finden.
Der gute Hirt tritt ab.
Der Pilger tritt atif und spricht:
Ich bin ein Pilger aus fremdem Land,
Die Reis ist mir ganz unbekannt,
Ich bin gerathen in ein finstern Wald,
Wollt wünschen, ich kam zu Ende bald.
405 So wollt ich mich erfreuen ob der vollbrachten
Reis.
Jetzt ruft der gute Hirt ausserhalb der Thür:
O Schäflein, o Schäflein, wo bist du?
Der Pilger spricht mit Verwunde7-ung :
O was höre ich in dieser Wildniss ! Mich ge-
denkt, ich vernehme die Stimme eines Menschen
in diesem Wald, da ich doch so vermeint hab, in
410 diesem Wald sei nichts als etwa Wolf, Bären,
Drachen oder andre dergleichen wilde Thiere.
Der gute Hirt tritt zueinend auf.
Der Pilger spricht zu ihm :
O mein liebstes Kind, wie kommst du so gar
allein in diese Wildniss und was ist denn geschehen,
dass du also weinst?
Der Hirt.
415 Ach soll ich nicht weinen , da ich nicht finden
kann, was ich so eifrig suche?
Der Pilger.
Was suchst du denn so eifrig?
Der Hirt.
Mein Herr Vater hat hundert Schafe. Neun-
undneunzig sein gar wohl versorgt , aber das
420 hundertste und zwar das allerliebste ist davon ge-
laufen und in die Wildniss geratben : dieses suche
ich und hab es schon viele Jahr lang gesucht, und
weil ich es nicht finden kann, so bin ich so sehr
betrübt, dass ich mir schier die Augen aus dem
425 Haupt weine.
Der Pilger.
Wer bist du denn, oder wer ist denn dein Herr
Vater ?
Der Hirt.
Mein Herr Vater ist ein so grosser und
mächtiger wie auch so reicher Herr, dass er bei
seiner Hofhaltung zehntausendmal hunderttausend
430 Diener hat und sein Reich hat gar kein End.
Der Pilger.
Wenn denn dein Herr Vater ein so grosser
mächtiger und reicher Herr ist, was ist ihm denn
an einem unnützen Schäflein gelegen:
Der Hirt.
Es ist ihm zwar nichts daran gelegen, aber seine
435 Lieb und Gütigkeit kann den Verlust desselben
nicht verschmerzen. Darum hat er mich geschickt,
dasselbe zu suchen und mir befohlen nicht eher
zurückzukommen, bis ich es gefunden habe.
Der Pilger.
Hat denn dein Herr Vater niemand Anderen ge-
440 habt, dass er dich, armes Kind, in das Elend hat
jagen müssen:
Der Hirt.
Freilich hat mein Herr Vater Diener genug,
aber anzuzeigen , wie lieb ihm das Schäflein sei,
hat er mich, seinen eingeborenen Sohn, fortgesandt,
445 dasselbe zu suchen.
Der Pilger.
So hätt dein Herr Vater dir doch sollen etliche
Diener mitgeben , die dir aufwarten thäten und
dir das Schäflein suchen helfen.
54
Der Hirt.
Ich hab ja keine Diener haben wollen, denn
450 ich hab gedacht, wenn mich das Schäflein sehen
werde , dass ich ganz allein als der einzige Sohn
des Vaters über Berg und Thal in steter Eil und
Müdigkeit dasselbe zu suchen herumlaufe, so wollt
es desto freudiger zu mir zurückkehren.
Der Pilger.
455 Mein Freund ! Erlaube mir, dass ich dich frage,
wie lang wird es wohl schon sein, dass du dein
Schäflein suchest?
Der Hirt.
Von der Zeit an, dass ich hab laufen können,
hat mich mein Herr Vater schon fortgesandt,
460 das Schäflein zu suchen und mir nicht einmal eine
Nahrung mitgeben, darum muss ich mein Stücklein
Brod nach dem Willen Gottes suchen. Ja, seitdem
ich aus meines Vaters Haus gegangen bin , hab
ich oft Hunger und Durst , Hitze und Kälte ge-
465 litten; hab oft manche Nacht auf der harten
Erden unter dem freien Himmel schlafen müssen.
Der Pilger.
Hast du es in einer so langen Zeit noch nie-
mals gesehen oder wo angetroffen?
Der Hirt.
Mein Freund ! Mich gedunket, ich hätte es öfter
470 von ferne gesehen, bin aber noch niemals nahe
gekommen, denn so bald mich das wilde Thier
spürt, lauft es davon und will meiner nicht warten.
Diese Untreu thut mir so weil, dass es mir Wunden
in mein Herz schneidet. Ja, das Schäflein spottet
475 meiner und hat die grösste Freude daran, dass es
mich so quälen kann. Doch ich will nicht nach-
lassen , meinem Schäflein nachzulaufen , bis es in
sich geht und von ganzem Herzen sich zu mir
bekehrt.
55
Der Pilger.
480 Mein Kind ! Erlaube mir, dass ich dich noch
einmal frage. Wenn dir dein Schäflein etwa sollt
in die Hand gerathen, wolltest du es nicht strafen
wegen seiner so grossen Untreuheit?
Der Hirt.
Ach nein, wohl nicht strafen, entgegen wollt ich
485 ihm laufen, es freudig begrüssen und auf meiner
Schulter zu meinem himmlischen Vater tragen.
Die ganze himmlische Hofhaltung wollte ich zu-
sammenrufen , sprechend : erfreuet euch mit mir,
denn ich hab das Schäflein gefunden, welches ver-
490 loren war.
Der Pilger.
O mein Freund! Wie gross ist deine Lieb zu
deinem Schäflein. Wenn ein Hund seinen Herrn
so lang suchte, als du dein Schäflein schon suchest,
so müsste der Herr den Hund lieben , wenn er
495 schon von Eisen wäre. Um wie viel mehr ist das
Schäflein schuldig dich zu ehren und zu lieben,
dass du es schon so lang und so eifrig suchest.
Der Hirt.
Mein Freund! Du sollst wissen, dass ich das
Schäflein so sehr liebe, wenn ich es mitten unter
500 einer Herde Wölfe finden sollte, so wollte ich mich
hinein wagen, um das Schäflein von dem ewigen
Tod zu erretten, wenn schon mein eigenes Leben
tausendmal zu Grund gehen sollte.
Der Pilger.
O mein herzliebstes Kind ! Vor Mitleiden kann
505 ich nicht ein Wort mehr mit dir sprechen, es müsste
mir mein Herz zerspringen. Der liebe Gott ver-
leihe dir, dass du dein Schäflein bald finden werdest,
denn ich muss mich wieder auf die Reis begeben,
mein Reis auf die Strassen weiter fortsetzen.
510 Behüt dich Gott, o Schäfer mein.
56
Der Hirt.
Ach mein Freund, wenn du das Schäflein an-
treffen solltest, rathe es zu mir. IMein Vater im
Himmel wird es reichlich vergelten dir.
Der Pilger,
O mein liebstes Kind, wie erbarmst du mir,
515 dass du wieder allein musst in diesen Wald hinein.
Der Pilger tritt ab.
Der Hirt spricht:
Nun muss ich wieder in diesen wilden Wald
Und will mein Schäflein rufen mit heller Stimme
gar bald :
Vielleicht möcht es doch kommen zu mir oder
mich erhören
Und sich doch einmal zu mir bekehren:
520 O Schäflein, o Schäflein, lass dich finden!
Der Hirt tritt ab.
Der Jäger und die Schäferin treten eiuf, und der Teufel schleicht
heimlich hinter ihr nach.
Der Jäger itnd die Schaf enn singen zusammen :
Stets lustig und fröhlich will ich leben,
Bin stets vergnügt auf der Haid :
Da will ich zubringen mein ganzes Leben
In grösster Freud und Fröhlichkeit,
525 Denn auf der Welt giebt's allzeit Freuden,
Niemand weiss von Traurigkeiten.
In meiner Schäfersau
Ich mir ein Hüttlein bau, ja Hüttlein bau.
Ich bin allzeit voll Lust und Freuden
530 Auf dieser schönen grünen Haid,
Wo mein Schäfer (-in) mit thut weiden,
Dem (der) ich versprochen hab die Treu.
Wenn mein Herz vor Lieb thut brennen.
Niemand wird mir's löschen können.
535 Als ich ihn (sie) sah, da schuss ein Pfeil in meine Brust
Voll Freud und Lust
57
O Schäfer (-in), du bist mein Leben,
O Schäfer (-in), du bist mein' Freud,
Dir will ich mich ganz ergeben
540 Meine ganze Lebenszeit.
Ich will dich mit Blumen zieren,
Wie es meiner Schäferin (meinem Schäfer) thut
gebühren.
Brock^s nur ab, sie schmecken gut,
Steck's nur auf deinen Hut.
Jetzt tritt der Engel auf und spricht zur Schäferin:
545 Schäferin, kehr um von deinem Sündenstand,
Dein Erlöser sucht dich mit Schmerzen schon
lang:
Brich deine Begierden ab
Bei dem matten Hirtenstab.
Die Schäferin.
Was ist das für eine Stimm,
550 Die sich untersteht mich zu bringen auf einen
andern Sinn?
Der Jäger,
Das ist nur ein leeres Geschwätz,
Welches dich will bringen von unserem lustigen
Sinn.
Schlag dir's nur aus dem Sinn.
Der Engel spricht zur Schäferin:
Der Hirt wird dich selbst begrüssen
555 Und persönlich kommen zu dir:
Thu du nur dein Herz aufschliessen,
Sieh, dein Erlöser kommt zu dir.
Die Schäferin.
Ich lass diese Stimme wohl gehen weit von mir
hindan,
Denn er geht mich wenig an \
560 Ein' andern hab ich meine Treu versprochen:
"Was frag ich nach diesem Schäfersmann?
Der EttQel tritt ab.
5S
Der Jäger spricht zur ScJiäfcrin :
Lass dich nicht betrügen, wenn dich ein Irigeist
lockt,
Thu diese Stimm nur nicht anhören, bleib nur fest
beständig und verstockt.
Geh nur nicht durch die Verwirrung in die Busse
doch,
565 Den Leib zu kasteien ist ein unerträglich Joch.
Der gute Hirt tritt auf, bleibt in einer Entfernung stehen
und spricht zur Schäferin :
Nun hab ich mein Schäflein von weitem erblickt,
zu dem will ich mich verfügen und es begrüssen
schön, (singt).
Irrendes Schäflein, der Feind dir nachfahrt :
570 Komme, ach komme, gedenke wie hart
Ich dich erwart, ich dich erwart,
Komme, ach komme, gedenke wie hart.
Willst du den Wölfen nicht werden zum Raub,
Also, mein Schäflein, mach dich aus dem Staub,
575 An mich nur glaub, an mich nur glaub,
Also mein Schäflein, mach dich aus dem Staub:
Denn du geniessest wie s Gräslein von mir,
Den wahren Lebensbrunn findest bei mir.
Und geh nicht irr, und geh nicht irr,
580 Den wahren Lebensbrunn findest bei mir.
Werthestes Schäflein, zum Schafstall ich weiss.
Siehe wie lange Zeit ich dir nachreis.
Mit grossem Fleiss, mit grossem Fleiss,
Siehe wie lange Zeit ich dir nachreis.
585 Ich hab dich gesuchet durch Berg und durch
Thal,
Komme, ach komme zurück in den Stall
LTnd meide den Fall, und meide den Fall,
Komme, ach komme zurück in den Stall.
59
Der Hirt tritt näher zur Schäferin und spricht:
O Schäferin, sei gegrüsst, wie viel und lange
590 Jahre hab ich dich gesucht und niemals angetroffen.
Ach wie viel Unbild hast du mir angethan, jedoch
komm her zu mir, will Alles verzeihen dir.
Die Schäferin:
Du gehst mich wenig oder gar nichts an,
Was frage ich nach dir:
595 Einem andern hab ich meine Treu versprochen,
Welcher besser gefallet mir.
Niemand kann mich von ihm scheiden,
Denn bei ihm ist allezeit Freud,
Ergötzlichkeit und Lust.
Der gute Hirt antwortet :
600 Du sagst ich geh dich wenig oder gar nichts an,
Bin doch dein Seelenbräuti2;am :
Ich begehr dich zur Gemahlin mein.
Versprich mir doch ewig treu zu sein.
Die Schäferin ant7vortet 7?iit trotziger Stimm.
Es braucht nicht viel Redens Wort,
605 Denn ich kenn dich nicht;
Scher dich doch einmal fort,
Denn es zeigt dein Angesicht
Du bist verdrossen und betrübt :
Ein solcher gar nicht gefallet mir,
610 In einen viel Schönern hab ich mich verliebt.
Der Jäger spricJit :
Hör nit lang an diese Wort,
Welche dich wollen verführen von diesem Ort,
Von meiner Schäferei,
Allwo du hast stets Freud und Lustbarkeit.
615 Darum, meine liebe Schäferin, folge mir
Und stosse diesen Schäfersmann
Mit diesem Schäferstab hindan,
Stoss ihn von dir.
Da der gute Hirt nicht lueicht, nimmt sie des jägers Stab icnd
stosst ihn von sich.
6o
Der gute Hirt voll Traurigkeit spricht:
So muss ich fort, es ist kein anderer Rath :
620 Ach für das Schaf lein muss ich sterben,
Ich finde keine Gnad.
Der gute Hirt tritt ab.
Der Engel tritt auf und spricht zur Schäferin :
O Schäferin^ was hast du gethan, dass du diesen
Schäfersmann von dir Verstössen hast und ist dein
Heiland Jesu Christ , den du mit deiner Sund
625 wiederum beleidiget hast.
Die Schäferin.
Schweig still, lass mir ein Freud :
Sollt ich bei meiner besten Zeit
Mein Leben so unbescheiden in die Traurigkeit
begeben?
Nein, nein, das thu ich nicht.
Der Engel.
630 O Schäferin, höre meine Stimm,
Es wird dir der Tod ankünd't.
Der Engel tritt ab. Der Tod klopft an die Thür.
Die Schäferin singt:
Ach wer ist vor der Thür?
Wer meld't sich ungebühr,
Wer will mit Gewalt eindringen,
635 Was wird er mit sich bringen?
O Fremdling sag an behend:
Was ist dein Ziel und End?
Der Tod singt vor der Thi'ir:
Memento mori, memento mori ich sing,
Dass 's in den Ohren klingt.
640 Auf, auf, es ist schon Zeit,
Ein End hat all dein Freud.
O Schäferin, du musst sterben,
Kein Lebensfrist erwerben,
Dies ist die Botschaft mein.
645 Heut muss gestorben sein.
6i
Die Schäferin.
O Tod, o Tod, halte ein und rede nicht so viel,
Sieh an wie jung, schön und zart ich bin,
Dass ich vom Sterben gar nichts wissen will.
Während desseji tritt der Tod auf und spricht:
Was Stehst du da und pflanzest dich?
650 Ich will dich gar bald erhaschen.
Du bist gar bald geputzt für mich,
Ich brauch kein solche Maschen.
Komm mit mir ins Grab,
Alldort ich hab
655 Verborgene Kröten und Schlangen:
Die werden dich,
Glaub sicherlich,
Begehren und verlangen.
Die Schäferin.
Ach weich von mir, ergrin^mter Mann,
660 Es ist kein Zeit zum sterben.
Du triffst viel Alte und Krumpe an.
Die schier vor Noth verderben.
Sieh doch voreh'.
Wie ich dasteh
665 In blühend jungen Jahren,
Wie roth mein Mund
Und soll jetzund
Dich strengen Tod erfahren?
Der Tod.
O du rosenschöne Gestalt,
670 Anheut musst du noch allsobald
Zu Staub und Aschen werden :
Die Stund ist schon verflossen.
Die Uhr ist g'loflen aus.
Ausstehen musst du
675 Den harten Todesstrauss.
Die Schäferin.
O Tod, o Tod, o harter Mann,
Höre doch mein Bitten an:
62
Sag an, was soll ich dir geben,
Dass du mir schenkst das Leben :
Der Tod.
680 Nichts, nichts hilft dieses Bitten,
Denn heut bin ich einmal dein Gebieter :
Verlassen musst du all deine Güter ;
All Hochheit, Ehr und Gunst,
Bei mir ist Alles umsunst.
685 Du bist zwar eine Frau von hohem Stamm,
Doch wird dich der Tod nicht verschon':
Du hattest sollen denken deine Lebenszeit,
Dass eine jede Stund deine letzte sei.
Hinein ins Grab mit dir,
690 Dein Ruhestatt ist nicht mehr hier,
Dahero geh zur Reu,
Eh ich dich übereil.
Jetzt spricht die Schäferin in Traurigkeit :
Nun sieh ich, es hilft wohl nichts dafür,
Gestorben muss es sein allhier.
695 Ach jetzt gehn mir erst die Augen auf, was hab
ich gethan,
Dass ich Verstössen hab mein Seelenbräutigam r
Und hab mich so verkennt
Und in die Welt-Freuden verblend't.
Doch will ich fassen meinen Muth
700 Und will vertrauen auf meines Hirten Blut,
Will ihn bitten, dass er mir meine Sünden ver-
zeihen wolle.
Der l'cufel tritt vor die Schäferin und spricht.
Dein Bitten und Jammern, dein Seufzen und Klagen
Wird dir nimmer viel tragen •,
Zu spat ist dein Reu,
705 Du musst mit mir in die Höll hinein,
Und dorten ewig gefangen sein.
Die Buss erst in dem Tod
Find keine Gnad bei Gott.
63
Die Schäferin.
Ist es dem rechten Schacher am Kreuz doch
710 auch nicht zu spät gewesen.
De}- Tetifel.
Glaubst du, es wird dir auch so g'rathen,
Wie es dem Dismas ist gangen von statten?
Weil Gott ein g' rechter Richter ist,
So kannst mir nicht entgehen :
715 Wegen .deiner Sünden, glaub mir für g'wiss,
Kannst du vor Gott nicht bestehen.
Schau, was du hast für ein Leben geführt mit Be-
gierd,
Was Hoffart hast getrieben.
So viele Jahr in Sünden und Lastern hast gelebt,
720 Nach Bösem gestrebt.
Steht Alles hier aufgeschrieben.
Der gute Hirt tritt auf luid singt:
Nun ist die Lust vollbracht.
Die Geilheit unbedacht:
Mein Herd' wirst nicht mehr finden,
725 In Sünden thust erWinden,
Gebrochen ist der Stab,
Mit dir ins Grab, ins Grab.
Die Schäferi7z singt:
O Hirt, du höchstes Gut,
Ich bitt dich durch dein Blut,
730 Lass doch dein bittres Leiden
An mir, wenn ich werd scheiden.
Dein Kreuzes Todes Pein,
An mir nicht verloren sein.
Der Teufel spricht:
Du hast schon lang genug
735 Die Weltfreuden genossen:
Jetzt ist die Zeit verflossen ;
Falschheit und Betrügerei
Ist dem Teufel sein Kramerei.
64
Wer sich vom Teufel lasst verführen
740 Kann sich seiner nicht erwehren:
Du musst mit mir sammt Gut und Bkit,
Nichts ist mehr übrig als die höllische Gluth.
Der gute Hirt singt :
Dort Steht die Hölle da,
Die du erwählen kannst
745 In Sund und Lasterleben,
Die Höll, die kannst du erben.
Nach eitler Lust und Freud
Die Höll wird sein dein' Weid.
Die Schäferin.
O Hirt so süss und mild,
750 Ich um Verzeihung bitt,
Ich will die Sünden meiden,
Nimm mich in deme Haiden :
Ich will dich nimmermehr
Beleidigen so schwer.
Jetzt spricht der Teufel zum guten Ilirteti :
7 55 ^Vas willst du dich noch lang bedenken,
Willst vielleicht ihr noch Gnade schenken:
Ergreife das Rachschwerdt
Und schlage drein mit Donner und Blitz,
Dass es erschrecklich ist,
760 Denn diese Sünderin ist so vermessen:
Hat deine Güte ganz vergessen :
Sie ist unwürdig deiner Gnad.
Ich bin nur einmal gefallen
Und muss es doch auf ewig bezahlen
765 Ohne Aufhören und Erlösung,
Und diese Sünderin ist so boshaft gewesen,
Hat dein Gesetz mit Füssen getreten.
Verurtheile sie bald
Wegen ihrer Schuld und Missethat :
770 Nicht lange mehr verschiebe,
Die Räch ausübe,
. Verstösse diese Sünderin, die so boshaft gehandelt
65
Und so gottlos gewandelt,
Stürze mit deiner Hand das Höllenband
7 75 Auf ewig zu uns in unser höllisches Land.
Jetzt spricht der Jäger zttr Schäferin:
Nicht so schwarz ist der Teufel, wie er hier vor-
gestellt ist.
Glaube diesem Propheten Adam nichts.
Schönste Frau, von mir nicht weich, halt dich stets
bei meiner Fahn,
Die Buss erst im Tod nimmt Gott auch nicht an.
Die Schäferin spricht zum Jäger:
780 Weich von mir, du Seelenfeind,
Ich behalt mein' Schäfersmann.
Der Jäger.
Wie kannst du das Band zerbrechen,
Mit dem du gefesselt bist !
Du hast mir deine Treu versprochen,
785 Darum weiche ich jetzt nicht.
Die Schäferin.
Ach weiche und gehe,
Dass ich dich nicht sehe :
Ja weil du mich hast verführt,
Ist meine Seele in Tod betrübt.
Der Jäger.
790 Ich weich jetzt schon von dir,
Du giebst den Abschied mir.
Die Schäferin.
Ach hätte ich deine verführerischen Gedanken
ehedem gewusst!
Der Jäger.
Warum bist du so vorwitzig gewesen?
Der Jäger tntt ab.
Volksschaiispiele. 5
66
Die Schäferin verspricht sich dem guten Hirten und
singt weiter:
O Hirt, was hab ich gethan,
795 O werther Seelenschatz,
Dass ich dir nicht eh hab aufgemacht:
Bei mir du findest Platz.
Mein Herz ich dir öffnen thu,
Darin du wollest suchen Ruh.
800 Ich bitt, abschlag mir's nicht.
Der gute Hirt.
Du bist das Schaf, das ich gesucht
AUhier auf dieser Erd;
Nur fleissig mir nachfolgen thu,
Von mir weich nimmermehr.
805 Ich will eröffnen die Himmelsport
Und dich mit Freuden führen fort
Von hier ewig zu mir.
Die Schäferin.
O Hirt, dir sei ewig Dank,
O werther Seelenhirt,
810 Dass du mich hast gesucht so lang:
Ich weich nicht mehr von dir.
Ich will dich loben allezeit
Mit Beten, Singen, allbereit,
Bis ich von hier abscheid.
yetzt spricht der Teufel zur Schäferin:
815 Nichts, nichts hilft dieses Bitten,
Niemand kann dich aus meiner Hand erretten.
Der gute Hirt.
Ich kann und will das Schäflein
Aus deiner Hand erretten.
Der Teufel.
Ist nicht wahr, du sagst du bist ein gerechter Richter
und willst die Sünder strafen,
820 Jetzt willst du ihr noch das Himmelreich verschaffen.
67
Ach nein, das kann nicht sein und wird auch nicht
geschehen :
Schau, so viel Sünden hat sie begangen, als hier
aufgeschrieben stehen.
Und du willst sie noch nehmen
Zu dir in Gnaden auf?
S25 Ach nein, das kann und wird auch nicht geschehen.
Der gute Hirt.
Satan, was haltest du mir die Gerechtigkeit vor?
Denn in welcher Stund sich der Sünder von ganzem
Herzen zu Gott bekehret,
So wird auch seine Bitt erhöret.
Satan, du hast diesmal nicht Macht das Schäflein
zu rühren an.
Der Teufel.
S30 Ah, weiter wohl.
Der Hirt.
Pack dich hinweg !
Der Teufel.
Ich geh nit.
Der Hirt,
Pack dich hinweg, du Höllengespenst,
Ich geb dir das Urtheil und Cadenz.
Der gute Hirt treibt den Teufel ab und tritt auch selbst ab.
Die Schäferin singt das Reuelied.
^35 O Jesus, mein Gott!
Mein Hochmuth, Räch und Zorn
Hat dich gekrönt mit Dorn,
Hat dich verspott't :
Dir hat ein Kreuz aufg'legt
840 Mein' Ungeduld.
O Herr, es reuet mich,
Dass ich beleidigt dich,
Ich sag mein' Schuld.
68
O Jesus, mein Gott !
845 Deine Barmherzigkeit
Unendlich ist allezeit.
Sieh an m.eine Noth,
Nicht aber mein Sund und Missethat.
Dass ich in wahrer Reu
850 Bis in den Tod beständig sei,
Verleih mir Gnad.
O Himmel, erbarme dich meiner, sieh nicht an
meine Sünden, sondern mein reumüthiges Herz.
Jetzt tritt der Engel auf und spricht zur Schäferin -.
Schäflein, willst du noch Gnad erlangen,
855 So fall deinem Hirten zu Füssen:
Wisch ihm sein' Blutschweiss ab.
Eh dir der Tod das Herz abstosst,
Und dich wirft in das Grab.
Der Engel tritt ab und der gute Hirt auf mit Krone,
Ruthe, Geis sei und Kreuz.
Die Schäferin spricht zu ihm:
Nun seh ich, mein Schäfer kommt zu mir,
860 Und ist erschrecklich zugericht
Sein göttliches Angesicht.
Das haben meine Sünden angethan,
O schönster Bräutigam.
Die Schäferin kniet nieder.
Sieh, ich falle dir zu Füssen :
865 Mit Blutzähren will ich dich begrüssen
Und abwaschen den Blutschweiss.
Alle Pracht ich nun verfluche da.
Der Welt sag ich gänzlich ab und mit der Magdalena
Will ich bitten um Vergebung aller meiner Sünden.
Der gute Hirt spricht:
870 Wo ist die Prob deines Versprechens? Zeige mir
es im Werk.
Die Schäferin.
Zur Prob will ich nehmen
Von deinem Haupt die dörnerne Krön
69
Und will damit mein Haupt bekrönen,
Der Hoffarth zu meinem Lohn.
875 Ruthen und Geissein sollen mir dienen
Für die fleischliche Begierlichkeit,
Und das Kreuz, das will ich tragen
Und dich lieben in Ewigkeit.
Der gute Hirt singt:
So kehr nun wieder um
880 Und leb hinfüro fromm,
Gesell dich zu meinen Schafen ;
Will dir ein Oertlein schaffen
Dort in der Himmelsfreud
Bei Gott in Ewigkeit.
Der gute Hirt 7iimmt die Schäferin bei der Hand
7ind spricht:
885 Steh nur auf mein liebes Kind,
Gott verzeiht dir all deine Sund,
Komm nur her in die Himmelsfreud
Bei Gott in Ewigkeit.
Beschlusslicd.
O Mensch, hast nun vernommen
890 Des Schäfers grosse Lieb,
Weil er vom Himmel ist kommen
Zu suchen, o Sünder, dich.
Darum betracht die Lieb,
Fall deinem Gott zu Füssen,
895 Weil er erlöst hat dich.
O Sünder, thu nacheilen
Dem edlen Schäfersmann,
Er kann dir ja ertheilen
Was dorten ewig währt.
900 Die Freud und Seligkeit
Hast ewiglich zu hoffen
In alle Ewigkeit.
70
So wollen wir beschliessen
Allhier zu dieser Frist,
905 Weil Heil wird dir entspriessen
Daraus, du lieber Christ.
Dein Schäfer lieb allzeit,
So wird er dich einführen
In die ewige Himmelsfreud 1
DAS KRIPPELSPIEL.
I
PERSONEN,
I
Maria.
Joseph.
Ein Engel.
Ein Scherge.
Ein Wirth.
Ein Handwerksmann
Hansel
Simandl > Hirten.
Woferl
König Herodes.
Dessen Bedienter.
Caspar 1
Melchior > die drei Könige.
Balthasar j
Ein Schriftgelehrter.
Der Tod.
Der Teufel.
•^
Der Engel geht hhiein und sagt :
Ich tritt herein am Abend spat:
Einen guten Abend geb euch Gott,
Einen schönen guten Abend, eine freudenreiche Zeit,
Wie es Gott der Herr vom Himmel geit.
5 Ehrsame, wohlweise grossgünstige Herren !
Wie auch tugendsame Frauen und Jungfrauen 1
Wenn wir Erlaubniss haben, in Ehren
Ein geistliches Krippelgspiel zu heben an.
Wollen Sie solches hören in guter Ruh,
IG So tragens Geduld und hören uns zu.
Maria geht hinein und sagt:
Ach, mein Erschaffer und mein Gott,
Hilf, dass ich halte dein Gebot,
Hilf, dass ich Alles kann lassen,
Alles, was Gott thuet hassen.
15 Dem höchsten Herrn Himmels und der Erden
Ach kunnt ich doch sein Dienerin werden;
Tag und Nacht will ich mich latiren,
Mit weissen Rosen mich schön formiren,
Die meiner Keuschheit thun gebühren.
Der Engel geht hinein zu Maria und singt:
2 o Maria sei gegrüsset !
Gott sendet mich allher.
Mit Gnaden dich zu begrüssen :
Mit dir ist Gott, der Herr.
Du bist gebenedeit
25 Und über alle Weiber
Gesegnet und befreit.
74
Maria singt:
Wie soll ich dich verstehen?
Ich erkenn ja keinen iVlann,
Darum wie soll es geschehen
30 Ich nicht erkennen kann.
Der Engel singt:
Maria, sorg dich nicht,
Denn du hast Gnad' empfangen
Vor Gottes Angesicht:
Messiam sollst du empfangen
35 In deinem reinen Leib,
Nach dem stets gross Verlangen ;
Ach du gebenedeites Weib !
Er kommt von Davids Stammen ;
Nachdem du ihn geboren,
40 Soll Jesu heissen sein Namen.
Maria singt:
Ich kann dies nicht fassen :
Ich bitte Gott dabei,
Er sollt mir's wissen lassen,
Was doch sein Willen sei.
Der Engel singt:
45 Maria sorg dich nicht.
Der heilige Geist wird wachen,
Dass Alles recht geschieht.
Maria singt:
Wann's denn so soll ergehen,
Wie du mir jetzt hast gesagt,
50 So lass ich es geschehen ;
Ich bin des Herren Magd,
Mir geschehe nach deinem Wort.
Der Engel singt:
Weil ich das von dir hör.
So schwing ich mich mit Freuden fort.
Der Engel geht fort.
75
Maria sagt:
55 Ich danke dir um deinen Sohn,
Den ich im Leib empfangen han :
Ich bitte dich, lehre mich in Allen,
Dass ich kann dienen nach sein' Gefallen.
Maria geht hinaus.
Joseph geht hinein und sagt:
Nicht genug kann ich verwundern mich :
60 So oft als ich Mariam ansich,
Ich bin betrübt wohl also sehr;
Mich dunkt, als ob Maria schwanger war.
Ach, mein Gott, wie muss 's lauter sein hergangen.
Von mir hat sie wohl nicht empfangen.
65 Jetzt hab ich sie in Willen zu verlassen
Und mich begeben in ein andre Strassen ;
In das Judenland will ich mich verfügen,
Werd schaun, wo ich ein Zimmerarbeit kann kriegen.
Der Engel geht hinein zu dem Joseph und sagt:
Joseph, du Sohn Davids, hör mich an :
70 Gott hat deinen Willen schon verstanden.
Von Maria weich nicht ab.
Denn es ist Gottes Segen da.
Der Joseph sagt:
Ei; wenn's also ist, so weich ich wohl nicht ab.
Aber wie wird's mir armen Tropf ergehen ?
7 5 Wie werd ich bei meiner Maria bestehen ?
Aber sie ist ganz sanft und demüthig;
Ich werd mich zu ihren Füssen legen,
Sie wird mir meine Schuld vergeben.
Maria geht hinein zum Joseph.
Der Joseph kniet nieder tmd sagt:
Mein Maria, verzeih mir doch,
80 Weil ich dich hab betrübt so hoch :
Ich hab dich gehabt in Willen zu verlassen,
Mich zu begeben in ein andre Strassen.
76
So weil mir der Engel von Gott hat erzählt,
Dass du sollst gebären den Heiland der Welt,
85 Verzeih mir doch, Maria rein,
Hinfüro will ich dein getreuer Diener sein.
Maria sagt:
Joseph steh auf,
Deine Schuld sei dir vergeben.
yoseph und Maria singen:
Sei es Gott gelobt im höchsten Thron,
90 Dem Vater und sein' einigen Sohn !
Und den ich hab empfangen
Hat angenommen Leib und Seele,
Als wie die Altväter in der Hölle
Sie erwarten mit Verlangen.
95 Ja, alle Welt, die Engelein auch,
Und alle Stern des Himmelslauf,
Sie werden ihm aufwarten.
Die klare Sonn wird ihn begrüssen
Und sich legen zu den Füssen
100 In dem Himmelsgarten.
yoseph tind Maria gehen hinaus.
Der Woferl spriftgt herein und singt:
Hutscha, scha, scha !
Hei, dort oben auf der grünen Alm,
Dort steht a schöner grüner Waldstock.
Dabei will i mi niedersetzen
105 Und will flicken mein z'rissnen Rock.
I han wohl an Faden,
Die Nadl steckt auf dem Huet,
Hat mir gliehen unser Nachbardirn,
Zum Flicken ist die Nadel guet.
110 I wix, i wax den Faden
Und mach ein Knopf daran,
Dass unser' Wirthin Nana weiss
Dass i brav flicken kann.
Meine Schaflein gehn schon grasen,
77
115 Der Stutzl geht a so sehr.
Heidi, heidu, mein wide wude wuz !
Kimbt mir a ein Wolf daher.
Der Hansel springt hinein zti dem Woferl itnd sagt:
He, Bruder, dass di der Gugu hol,
G'halt dir deine schlimmen Wanzen wohl.
120 Darf i nit a fragen was du thuest?
Der Woferl sagt:
Hei, dass du na Alls derwissen muesst!
Der Hansel sagt:
He Bruder Düppel, zürn di nit,
I sing a eins mit.
Der Woferl sagt:
Sing eins, meinethalbn,
125 Wie's zuegeht auf der Alm.
Der Hansel sagt:
Sing nur fort, han den Ton schon g'fasst.
Der Hansel und der Woferl singen:
Morgen, wann wir auf die Alm reisen
Giebt uns die Brantlerin a Buttermaisen :
Buttermaisen ist noch nit gnue,
130 A rahmete Milch g'höret a dazue.
G'fallt der Brantlerin das Pfeifen so wohl.
Tritt sie die Schuh durch bis auf die Sohl;
Zu Morgens wann die Sonn aufgeht,
Simandl auf der grünen Haiden steht.
135 Ist auf der Alm mein bester G'span,
Dass i kein andern nit lieber han ;
Macht er seine krumpen Sprung,
Trutzt er andren Buebma allhin !
Der Simandl springt hinein tmd sagt:
Hutscha, ha, ha !
78
und singt:
140 Ich weide meine Schaf lein auf einer grünen Haid.
Juche und abermal,
Das war mein grösste Freud.
Hör ich ein schönes Schäfergsang,
Tuche und abermal
145 In einem Waldesgang.
Ging ich vor meines Nachbars Thür,
Juche und abermal,
Der Zaun war mir dafür.
Mach mir dabei kein Grand'l Graus,
150 Juche und abermal.
Der Uebersprung ist aus.
Grüess enk Gott, meine Brüder, zu G'fallen enk
eins sing,
Juche und abermal,
Und mach meine krumpen Sprung.
155 Wöllts ÖS mit mir eins hupfen,
Juche und abermal,
Und thu das Hüetlein rucken !
Der Woferl sagt zum Simandl:
Grüess di Gott, Simandl,
Heunt hast wohl wacker ausg'schlafen.
Der Simandl sagt:
160 Mein Aid, Woferl!
Han die ganze Nacht g'soffen.
Der Hansel sagt:
Ei du versoffner Vogl Saufaus.
Der Simandl sagt:
Unser Wirth du Woferl,
Hat a mächtig guats Bier,
165 Und wann wir'n drei Kreuzer geben
So können wir keck trinken unser' vier.
79
Und was i enk noch weiter will sagen,
Wies mit mein Nachbar Jodl sich hat zugetragen:
Er begehrt mich hinaus vor der Thür,
170 Sagt, ich hiet ein' fauln Mangel in mir.
Sagt der Simandl : Hudi, hudi !
Und nimmt den Lotter bei der Hand
Und wirft ihn zu der Thür hindan.
Der Woferl sagt:
In dieser Sachen hast du recht gethan :
175 Jetzt halt i dich für ein' braven Richtersmann.
Der Hansel sagt:
So, schau, kannst du die Leut so aussichmeissen ?
Komm her, ich will dir ein andre Schuel weisen.
Der Simandl sagt:
He Bruder, setzen wir uns nieder auf d' Erden,
Werde schaun was für ein Kurzweil wird werden :
180 Ich bei der Mitt, ös bei der Seiten,
Könnt's allzwei auf mein Nacken reiten.
Der Hansel sagt:
Bist gar ein betrogener Vogel.
Der Simandl sagt und singt:
Drei Hirten auf der Haiden
Bei dem Jordan, vivah 1
Die zzvei Hirten singen nach.
Der Simandl:
185 Ihr Schaflein springt's weiden.
Viel Kurzweil thuet's treiben,
So lustig heisa !
Er giebt ihnen einen Schlag, sie springen auf.
Der Woferl und der Hansel sagen:
So, schau, kannst du die Leut a so b ?
Komm her, ich will dir an andre Schul weisen I
8o
Der Simandl sagt:
190 He Bruder, ich stell mich in die Mitten,
Oes z' beiden Seiten:
Ich schlag einander die Goschen von Weiten
Auf die Seiten.
Die zwei Hirten sagen:
Du schlägst ein'm zu die Ohren, dass mans kaum'
kann hören:
195 Komm her, ich will dir's a wieder abkehren.
Der Scherge geht hinein und sagt:
Platz, Platz, ihr Hirten!
Kaiser Augusti hat ausgehen
Lassen ein scharfes Mandat:
Das befiehlt bei Strafe an Leib und Leben,
200 Dass man eilends soll auf Bethlehem gehen
Und soll ein jeder ein Zinspfennig geben ;
Dies befiehlt die kaiserliche Kraft und Macht,
Dass sich ein jeder weiss zu präsentiren
Und alle nach Bethlehem marschiren.
Der Joseph geht hinein und fragt die Hirten :
205 Meine Manner, was han sie lauter mehr ausblasen?
Die Hirten sagen das dem Joseph, was der Scherge gesagt haty
wörtlich wieder.
Der Joseph sagt zu den Hirten-.
Meine Manner, ich han selber kein Kreuzer Geld,
dass ich mein Kind möcht ein' Löffel Milch oder
eine Semmel kaufen.
Die Hirten sagen ;
Lass nur ein' Thaler wechseln.
Der Joseph sagt:
210 Was ist denn das für ein Geld?
Die Hirten sagen:
Grosses Geld — die Thaler.
8z
Der Joseph sagt:
Han mein Lebtag kein solches Geld g'sehen.
Die Hirten sagen:
Und bist schon so a graubarteter Mann
Und hast kein solches Geld g'sehen?
215 Wart, wir werden dir eins zeigen.
Joseph und die Hirten gehen hinaus.
Der Handwerker geht hinein ujid sagt:
Ich bin ein armer Handwerksmann,
Dass ich kein Arbeit kriegen kann 1
Reis' durch Berg und tiefe Thal,
Durch Schneewetter, Regen und Donnersknall :
220 Möcht doch schier vor Furcht verzagen.
Hilft nichts dafür, ich muss es wagen.
Ich hab viel Laus in meinem z'rissnen G'wand,
Als wie der Wolf in seinem fand ;
Weiss kein Mittel aufzutreiben,
225 Möcht 20, 30, 40 auf einmal z'rreiben,
Kann sie aber doch nicht vertreiben.
Jetzt will ich aber sehen um,
Wo ich Wohl bald in ein Wirthshaus kumm'.
Mich gedunket, es geht der Herr Wirth her.
230 Schön gut'n Abend Herr Wirth!
Der Wirth sagt:
Schön Dank ! Was ist dein Begehr ?
Der Handwerker sagt:
Ich will 'n Herrn Wirth bitten
Um Herberg für die heutige Nacht.
Der Wirth sagt:
Nur herein, der brav Geld hat.
Der Handwerker sagt:
235 Ach, Gott weiss, kein' Pfennig noch Heller I
Der Wirth sagt:
Nur hinaus in das Spital.
Volksschauspiele. 6
82
Der Handwerker sagt:
Wie werd'n mar hausen?
Der IVh-th sagt:
Wer kein Geld hat, bleib draussen !
Lass mich unvexirter.
Gieöt ihm einen Stoss.
Der Handwerker sagt:
240 Dieser Stoss wird euch nicht Rosen tragen!
Ich will mein' weissen Groschen wagen
Und will 'n Herrn gehn zu dem Richter verklagen.
Der Wirth sagt:
Geht nur hin,
Ich will euch schon Red und Antwort geb'n;
245 So lang ich Wirth zu Bethlehem,
So wisset ich kein solches Gedräng •
Kein Zimmer mehr bei mir ist leer,
Kein einziges ausgenommen war.
Joseph und Maria gehen hinein.
Der Wirth sagt:
Was kommen denn da für Schleifer?
Wissen auch keine andern Häuser!
Joseph und Maria singen:
Ach Bethlehem, du alte Stadt !
Deines Geschlechts Herkommen :
Von dannen auch der David hat
Seinen Ursprung genommen:
Ach über mich erbarme dich ;
Weil die Nacht anbricht
Verstoss uns nicht,
Ein Zimmerlein uns zu sagen !
Der Wirth sagt.
Schert ihr euch fort !
260 Bei mir ist kein Ort
Joseph und Maria:
Hab schon an alle Thüren angeklopft,
Kein Mensch will uns erhören:
2;o
OD
83
Die Ohren seind ihnen verstopft,
Niemand will uns aufsperren.
265 Dieweil ich hab kein Liegerstatt,
Kein Haus, kein Dach, kein Bett nit hab,
Ist Niemand mehr vorhanden,
Der sich um uns thät erbarmen?
Der Wirth sagt:
Es ist kein Ort,
270 Ihr kommt zu spat.
Joseph und Maria:
Von Stein wird ja nit sein eu'r Herz,
Ach kommt zu Hilf uns Armen;
Ihr seht die Noth und grossen Schmerz :
Durch Gott lasst euch erbarmen
275 Zweien Pilichgramen
Von Davids Stammen,
Ein' Herberg und ein Danksagung
Um unser Bitt vergunnti
Der Wirth sagt :
Für Bettelleut hab ich kein Haus,
280 Geht nur zum Viehstall hinaus.
yoseph und Maria:
Ach, lieber Freund, das Unglück ich
Euch hab nun vorgestellet,
Dass ihr entsetzt seid sicherlich:
Kein' Hoffnung uns erwählet?
285 Lasst uns ein kleines Winkelein,
Ist's euch zu schlecht,
Ist's uns schon recht
Eine kleine Zeit zu bleiben.
Der Wirth sagt:
Bei mir auch nit
290 Darum ihr bitt't.
Maria und yoseph:
Die letzte Bitt uns nit abschlagt,
Lasst euch doch erweichen :
84
In einer Höhlen uns vertragt,
Die Nacht thut hereinschleichen :
295 Ein alter Stall
Vor den Nothfall
Vor Regenzwang und Wetterstrahl
Aus Lieb doch thut zusagen.
Der Wirth sagt:
Dort vor dem Thor
300 Secht ihr ein G'sporr,
Werd't ihr ein Hüttlein sehen :
Könnt unterhalb,
Wie's euch gefallt,
Vor Wetter, Regen, Donner unterstehen.
Maria und Joseph:
305 Grossen Dank, grossen Dank, mein lieber Herr Wirth,
Den Stall thatst uns erwählen :
Der Wille Gottes schon verspürt
Zu bleiben in einer Höhlen,
Weil Gottes Sohn auf sein' Wunder Thron
310 Euch heute Nacht,
Der Menschheit Macht,
Dort will geboren werden.
Der Wirth sagt:
So geht nur fortl
Joseph itfid Maria gehen hinaus.
Der Wirth sagt:
So geht es mir gleich alle Stund,
3 1 5 Kann mich kaum fast erwehren :
Ein jeder Schlecker und Bettelhund
Will fast bei mir einkehren.
Nach Gut und Geld ich das Thor aufsperr'.
Kein einziges Zimmer ist nicht leer,
320 Ein einziges ausgenommen :
Da möcht vielleicht ein reicher Hecht
Aus Gnad noch unterkommen.
Den Armen wird es nicht ertheilt,
Wann er mir schon zu Füssen fallt,
85
325 Kann nicht lang davon zehren.
Der Reiche verspricht ein gut Pauschal;
Da schütt't man's Geld heraus,
Da kann der Wirth wohl lachen,
Das macht den Beutel krachen.
330 Sieben von vier bleibt zehn,
Fünfzehn von elf bleibt einundzwanzig,
Dreissig von elf bleibt Null,
Null von Null geht auf.
Die seind schon fort in ihre Gruft,
335 Sie werden genug dort frieren;
Ich geh a bei guter Luft,
Eh ich mich weiter lass vexiren.
Der Wirth geht.
Woferl springt herein und singt:
Zwölf Söhn hat Gott dem Jakob geben:
Mir führen alle ein Hirtenleben,
340 Der Simandl a, der Robindl a,
Und das unschuldige Seppelein a.
Der Woferl redt-.
Geh i oder steh i,
So kirnt's mir natürli für.
Als wann i noch ein Gesetzl singen soll.
Der Woferl si?igt:
345 Die Brüder waren in Loden gekleidt,
Als wie die Schaflein auf grüner Haid,
Gleich wies nit sein sollt:
Die Brüder waren keiner dem Seppelein hold.
Jetzt redt er wieder:
Geh i oder steh i
350 So kimt's mir natürli für.
Als wenn einer klopfet an die Thür;
Frag nix darnach.
Wiederum singt er:
Sie zogen dem Seppel das Röckelein ab,
Sie warfen ihn in den Brunnen hinab,
S6
35 5 Darinnen in Weh und Klag
Das unschuldig Seppelein lag.
yetzt redt er wieder:
Wachen, wachen gefallt mir nit,
Muess a, muess a G'setzl schlafen ;
Kirnt der Wolf, so kirnt er halt hin,
360 Nimbt der Wolf das Schaf oder das Schaf den Wolf,
Frag nix darnach.
Legt sich nieder und schnarcht^
Der Simandl geht hinein zu dem Woferl und sagt :
He, Bruder, auf, auf, nit also schlafen,
Nit also, wachen wie Gott, der uns hat erschaffen.
Der Woferl sagt:
Beim Wachen giebt's gar lange Nacht.
365 Viel g'schwinder geht's beim Schlafen
Als wie beim Wachen.
Der Simandl sagt:
Beim Singen auch wohl !
Der Woferl sagt:
Sing Eins bei der Stell,
Sing, was dir gefällt!
Der Simandl sagt:
370 Schöne Melodeien!
Der Hansel springt hinein und sagt:
Hutscha, ha, ha I
Und jetzt singen alle drei:
Meine Schäflein, gehet schon trinken,
Müesst aber nit ins Wasser sinken.
Trinkts nur, trinkts nur, dass Gott euch g'segna,
375 Gehts hin, gehts heim, es möcht sunst regna.
Gehts hin, gehts heim, müesst aber nit laufen,
Möcht enk der Teuxel wohl niederstrauchen.
Geh du voran, du starker Widder,
Tritt ihn'n das G'sträussla a wenig nieder.
87
380 Gehts nur bei Zeit, dass noch könnts grasen,
Springts nit ins Koth, bleibts auf dem Wasen.
Der Simandl sagt zu den zwei Hirten:
Meine Brüder^ ich weiss noch eins :
Von Adams Fall,
Von der Trübsal :
385 Nehmts a die Hüet
Und Herz und Hand
Gegen Himmel wendt.
Die zwei Hirten sagen:
Muess wohl gar ein heilig's sein.
Dann singen alle drei und knieen nieder:
Ach Adam, armseliger Vater,
390 Deiner eigenen Kinder Verrather,
Wie übel hast d' gehauset,
Dass jetzt uns noch grauset
In unsrer Voralten Gebot.
Giftiger Schlangen konnt'st trauen
395 Und nähmest den Apfel ohn' Grauen :
Wir Kinder jetzt müssen
In Jammer abbüssen,
Bis Alles gebüsset war.
Sunst war uns kein Uebel zu denken,
400 Kein Fünkelein würde uns kränken,
Kein Uebel wir wissen.
Kein einzigen Bissen
Als den Apfel voll Bitterkeit.
Nach diesem so hantigen Bissen
405 Ist nicht das Uebel zu wissen,
Krieg, Theuerung, Hunger,
Peststerben und Kummer,
Und überdem bitterer Tod.
Der Simändl sagt:
He, Brüder, auf, noch eins !
88
Die zwei Hirten :
410 Er hat beten auch kenn'.
singen :
Lustige Hirten, fröhhche Knaben,
Die ein' Lust zum Singen haben,
Ei wohlauf und lasst uns singa,
Fröhhch springa, guter Dinga:
415 David war ja auch ein Jung,
Freuet sich aus Herzensgrund.
Einmal hat der David pfiften.
Hat der Low sein Vieh angriffen;
Ist nit gut mit dem Löwen scherzen,
420 Das bringt Schmerzen, Sorg im Herzen:
David nahm den Löwen beim Kopf,
Z'rriss ihm's Maul, loser Tropf.
Einmal war ein Bär herg'loffen :
Gelt, mein Stutzl, hab wohl troffen.
425 Schau, wie der David dich wird lausen,
Mit den Fäusten dich zerzausen :
David nimmt den Bär'n beim Ohr,
Schmeisst ihn ans hintere Stallthor.
Nach grosser Schlacht und Heldenthaten
430 Wird er erwählt zum Potentaten,
Musste auch den Zepter führen,
Tugend geziert die Welt regieren.
Jedermann sich aus dem David zeigt,
Sind die Hirten brave Leut.
Der Simanäl sazt:
435 Husch, husch, g'frierst mir recht in die Nasen.
Der Woferl sagt:
Wau, wau, war das Hüeten a mal aus.
Der Hansel sagt:
Mein Bruder, du bringst mi den Winter wohl hart
mehr drau?.
89
Der Si/nandl sagi:
Ach, i gedenk schon über sechzig Jahr,
Wann nur g'lebt einer hätt' von euch,
440 Ist noch nie kein so kalter Winter gewesen wie höer.
Der Hansel sagt:
Wann die Sunn vor Mitternacht aufgeht,
Ist's wohl a natürla?
Der Woferl sagt:
Ist wohl natürla!
Der Engel singt vor der Thiir:
Gloria in excelsis deo !
445 Laufet, ihr Hirten, laufet alle zugleich,
Nehmet Schalmeien und Pfeifen mit euch :
Laufet nach Bethlehem in den Stall,
Grüsset das Kindlein allzumal :
Messiam, Mariam !
450 Laufet, ihr Hirten, her von der Herd,
Es ist geboren der Heiland der Welt:
Der uns erlöset vom ewigen Tod
Liegt in der Krippe in höchster Noth:
Das Kindlein in Windlein.
455 Laufet, ihr Hirten, seid mehr angenehm,
Als die Burger zu Bethlehem:
Ihr habt der Mutter ins Kindelbett bracht,
Was ihr gehabt in euerer Macht:
Ihr Hirten, ihr Hirten.
Sirnandl steht auf und singt:
460 Mein Lieber sag an,
Wo man's denn finden kann? Ha?
Der Engel sagt:
Geht nur in offnen Stall hinein,
Dort liegt es in dem Krippelein,
Bei Oechselein und Eselein :
465 Laufet geschwind, ihr Hirten.
Der Engel geht hinaus.
90
Der Simandl sagt:
G'schwind, g'schwind, wir wollen gehn,
Hinab nach Bethlehem.
Es ist mir leid, dass Gott erbarm,
Das arme Hascherl ist so arm,
470 Liegt in ein' kalten Stall
Anstatt des Himmels Saal.
A Löffel Milch und an Kas,
Wann's mag solche Speis :
A Schmalzkoch war ihm a vergunnt,
475 Wann's ihm sein Mutter kochen kunnt.
Trunk' s a ein' Most
Zu dieser schweren Kost. —
Es seind alle davon.
Seind Engel gewesen, wunderschöne Knaben \
480 Seind all' auf Bethlehem mit Freuden , fest mit
Gaben.
Heil, heil uns, meine Brüder !
A eins davon thu ich sagen :
He Brüder, auf, auf!
A Kind ist uns geboren.
Der Woferl sagt:
485 Schaf hast verloren!
Der Hansel sagt:
Wann? Heunt Morgen?
Der Simandl sagt:
A heunt ; und war uns das Kind nit geboren
word'n,
So wären wir Alle verloren.
Der Hansel sagt:
O Freud!
Der Simandl sagt:
490 Ihr müesst a jeder mitgehn,
Dass wir dem Kind was bringen zum Geschenk.
Der Woferl sagt:
Mit laren Händen thuet's nix.
91
Der Hansel sagt:
I will mit gehn,
Dem Kind was bringen zum Geschenk.
Der Woferl sagt:
495 I will mitgehn a wenig singen.
Der Simandl geht hinein mit dem Lampel Böckel und singt:
Hab ich ein weisses Schaf,
Dasselbig hat geworfen bei Nacht,
Derweil ich noch schlaf:
Das wunderschöne Lammelein,
500 Das wunderschöne Thier,
Gehört zu einem Hern metlein,
Gab's nicht für andre hier :
Ist beiderseits so schön schneeweiss,
Als wenn man's stets gebadet hätt in einer Laug.
505 Kein böses Aug soll nit anschauen
Das wunderschöne Schaf.
Ist aber nit viel grösser
Als unsre rothe Katz,
Die Fusslein seind viel höcher,
510 Doch schmäler ist der Kopf:
Ist oben um viel breiter
Als Nachbar Buam sein Kropf.
Mit einem Wort, ich schiesset fort
Als wann ich hätt ein Kröbeskraut
515 Wohl in der Haut,
Damit ich kann nit irren.
Das wunderschöne Lamm,
Das will ich verehren
Dem Kind Jesus mit Nam'.
520 Hab's heraus klaubt aus Allen:
Ich glaub, es lacht es an.
Das gieb ich ihm zu Gefallen
Und geh hin auf die Bahn
Nach Bethlehem zum Freudenfest,
525 Dort wird wohl sein zu allerbest
Bei Mitternacht die Botschaft bracht.
Ich werd bald wieder kemma.
Joseph und Maria gehen hinein.
92
Maria sagt:
Joseph, schau an das arme Kindlein,
Wie's schlecht gewickelt ist in Windlein :
530 Joseph, geh schaun, wer klopfet an der Thür.
yoseph geht schaun und sagt:
Drei Hirten vom Berg aba.
Maria singt:
Kommts herein, kommts herein, ihr Hirten !
Die Hirten sagen:
Wir kommen, arme Hirten.
Maria singt:
Ruckts nur zuhi, ruckts nur zuhi zum Kindlein.
Die Hirten sagen :
535 Lasst uns zuhi, lasst uns zuhi zum Kindlein.
Maria singt:
Opferts eure Gaben.
Die Hirten sagen:
Was wir Arme haben,
Zu verehren unsern Herrn, grosser Gott.
Der Sitnandl sagt:
Ich bring dir, Herr, ein weisses Lamm,
540 Hab's klaubt von meinen Schafen:
Ich bitt dich, mein Maria, wollest es nehmen an
Dem lieben Gott, der mir's hat erschaffen ;
Das Fell zu einer Decken,
Mein Herz will ich auch dir schenken.
Der Hansel sagt:
545 Ich armer Hansel kimm a daher,
Will dem lieben Kindlein a was verehrn.
I that ihm gern was schenken,
Dass er meiner that gedenken ;
I bring dir her a Säckel Mehl
550 Und a a Häferl Kraut von Kohl:
Das will ich dir verehren zu ein' Koch,
Das mach dir und dem lieben Kindl doch.
93
Der Woferl singt:
Mein Herz will ich dir schenken,
Ach, liebstes Kindelein,
555 In deiner Lieb versenken,
O herziges Jesulein 1
Wann ich dich sieh im Krippelein
Bei Ochs und auch beim Eselein,
Wann ich dich sieh ganz nackend und bloss
560 In deiner Mutter Schoss.
Maria sagt:
Ihr könnt euch wieder umkehren.
Die Hirten sagen:
Wir müssen uns wieder umkehren.
Maria sagt:
Gott wird euch Gnad' gewähren.^
Die Hirten sagen:
Gott wird uns Gnad' gewähren.
565 B'hüet dich Gott, mein Maria.
Die Hirten gehen hinaus.
yoseph und Maiia singen:
Jetzt hat das Himmelsvolk
Das Trauern abgelegt,
Die finstre Sündenwolk
Nicht mehr in Lüften schwebt,
570 Weü du^ o Jesulein,
Wirst gelegt ins Krippelein:
All's bringst vom Himmel her,
Ein ganzes Gnadenmeer.
O starker Heldengott,
575 Wie bindt die Lieb dich doch,
Verdammt dich gar zum Tod
Das schwere Sündenjoch:
Wirft dich ins Krippelein,
Zum Ochs und Eselein,
580 In einen armen Stall,
Statt in des Himmels Saal.
94
Sünder, da lauf her,
Schau dieses Wunder an:
Der grosse Himmelsherr
585 Des Menschen Gestalt nimmt an,
Wird ein kleines Kindelein
Umfatscht mit Windelein:
Ach, heil' sein Liebeswund
Aus deines Herzens Grund.
590 Du hast ein Tigerherz,
Weil dich nicht Lieb bewegt.
Wann dich die Liebeskerz
Nicht in Flammen steckt.
Weil seine Aeugelein
595 So voller Zäher sein,
So lenke deinen Sinn
Nach .seiner Liebe hin.
Joseph und Maria gehen hinaus.
Die heiligen drei Könige gehen hinein und sagen.
Der Kaspar sagt:
Wir haben verbracht eine weite Reis,
Den neugebornen König zu suchen mit grossem
Fleiss,
600 Dieweilen wir im Mohrenland
Haben gesehen und erkannt:
Ein gewaltiger König muss er sein.
Der Stern leucht' uns mit dem klaren Schein,
Darum bin ich jetzunter besinnt,
605 Nach Jerusalem zu ziehen geschwind,
AUdort zu erfragen frei :
Wo dieser neugeborne König sei.
Die Schriftgelehrten, die dort sein,
Die werden's uns auszeigen fein:
610 Drum habe ich mich aufgemacht
Und rothes Gold mit mir gebracht,
Dasselbige zu schenken und zu verehren,
Ihn anzubeten wir auch begehren.
95
Der M elcher sagt:
Aus Arabien komm ich daher
615 Zu diesem neugebornen König her:
Ich diesem Weihrauch schenken will ;
Also wollen wir gleich in der Still
Alldort erfragen bei Reich und Arm
Wer ein solches uns anzeigen kann,
620 Und wir wollen ihm's reichlich bezahlen
Nach seines Herzens Gefallen.
Der Balthasar sagt:
Dieweil der Stern hier uns bedeut't,
Dass ein Könioj in dieser Zeit
Sei geboren im jüdischen Land,
625 Kam ich daher ganz unbekannt.
Ich auch mit mir thue herführen
x\us meinen Land die köstlichen Myrrhen.
Ich sie dem König der Ji^iden will schenken,
Damit er meiner soll auch gedenken,
630 Darum Kaspar und Melcher weiss:
Lasst uns fragen mit grossem Fleiss,
Wollen gen Jerusalem ziehen ein,
Dort werden wir ihn erfragen fein.
Der Kaspar sagt:
Ja, ihr Herren, das sei auch mein Rath,
635 Dass wir gleich ziehen in die Stadt.
Der Melcher sagt:
Wer weiss, es wird nicht lange währen.
Man wird uns solches in der Stadt erklären.
Der Balthasar sagt:
Eurem Rath will ich folgen gern ;
Hinein zu ziehn ist auch mein Begehr'n,
640 Herodes will uns solches offenbaren :
Wohlan, ihr Herrn, wir können nit länger verharren.
Kaspar und Melcher sagen:
So werd'n wir auch fortfahr'n.
Die drei Könige gehen hinaus.
96
Herodes geht herein und sagt .
Ich, König Herodes, allein
Bin zu vergleichen des Himmels Schein :
645 Kein Fürst auf Erd' mag mir sein zugleich,.
Mein Haupt mir durch die Wolken streicht.
Alles, was in Judäas Reich
Ich sieh, und Wasser, Land zugleich,
Ist meiner Kraft all's unterthan,
650 Wo Niemand bei mir b'stehen kann.
Wo ist der Juden ihre Macht?
Von mir ist sie zu nichts gemacht.
Auch alle Völker inniglich
Vor mir gar tief sie neigen sich.
655 Was braucht's viel' Wort? Ist nicht bekannt
Mein' grosse Macht im ganzen Land?
Furcht und Schrecken kommet an,
Wenn sie nur hören meinen Nam'.
Was ist das ? Wo und wie,
660 Dass man so trompeten und pfeifen thut hie?
Oder was bedeut' das Trompeten oder Pfeifen ^
Oder will der Feind die Stadt angreifen?
So muss man ja wahrlich feiern nicht,
Dass man sich bald gegen diese richt't.
Der Bediente sagt:
665 Grossmächtiger König und Herre mein!
Herodes sagt:
Was soll das für ein Wesen sein,
Dass man so trompeten und pfeifen thut hier?
Der Bediente sagt:
Grossmächtiger König und Herre meini
Es ist gleich an dem heutigen Tag
670 An den Hof kommen ein hoch seltsame Sach,.
Wie dass allhier seind gelanget an
Drei König mit viel Ross und Mann
Aus fremden Landen mit grosser Zier.
Herodes sagt:
Was haben sie zu schaffen hier?
97
Der Bediente sagt:
675 Es soll allhier vorhanden sein
Ein neugebornes Kindelein,
Welches der Juden König ist:
Darum seind sie kommen zu dieser Frist,
Dasselbig zu suchen und zu verehr'n
680 Als ein' rechten König und Herrn.
Her ödes sagt:
Du machst mich erschrecken mit deiner Red,
Mein Herz für Zorn schier zergeht,
Möcht ja aus der Haut gar springen ;
Mit ihnen will ich theilen meine Klingen.
Dei' Bediente sagt:
685 Herr König, habet guten Muth,
Die Sach, die wird noch werden gut:
Mit Nichten das Kind sitzen soll
Auf eurem königlichen Stuhl.
Verrufet sie allein zu euch herein,
690 Die drei Könige und Herren fein,
Erforschet von ihnen in der Still,
Was ihr Begehr'n sei und Will.
Herodes sagt:
Du hast mir geben guten Rath,
Dem will ich dir nachfolgen bald.
Der Bediente sagt:
695 Grossmächtiger König und Herre gross,
Die Herren warten schon in dem G'schloss,
Sie warten auf Ihr' königliche Majestät,
Möchten gern anbringen ein' kurze Red.
Herodes sagt:
So lass sie nur zu mir herein,
700 Damit sie nicht lang draussen sein.
Der Bediente sagt:
Grossmächtiger König und Herre mein,
Es soll geschehen und bald sein.
Die heiligen drei Könige gehen hinein.
Volksschauspiele. 7
98
Herodes sagt zu ihnen:
Seid ihr mir willigkomm, ihr lieben Herrn,
Die ihr zu mir kommen seid von fern,
Kaspar sagt:
705 König Herodes, wir wünschen dir Glück allhier,
All's nach deines Herzens Begier,
Dazu ein lang' Leben, deinem Reich Freud und Ruh :
Eine Bitt von dir begehren ich thu,
Dasselbig wollest uns sagen zu.
Herodes sagt:
710 Ihr sollt die lieben Gäste sein,
Dievveil ihr zieht von fern herein;
Ich thue, was ihr begehren thut
Nach eurem Wunsch und Herzensmuth.
Kaspar sagt:
Wir kommen daher an diesen Ort
715 Aus fremdem Land gar g'schwind und behend:
Uns anzeigen that eines Stern" Schein:
Sollt hier unser neugeborner König sein,
Welcher der Juden König ist genannt,
Jesus Christus, der gesandte Weltheiland.
720 Wo dieser zu finden ist, wissen wir nicht,
Drum wollest uns geben den wahren Bericht.
Herodes sagt:
Wo soll er denn geboren sein?
Ale Icher sagt:
Uns anzeigen that eines Stern' Schein,
Er soll in Judäa geboren sein.
Herodes sagt:
725 Solches ist mir unbewusst dann, meine lieben Herrn,
Denn ich weiss kein' andern König mehr;
Ich besitze in Judäa .Alles allein
Und mache es mir zum Erben ein :
Hat sich solches zugetragen,
730 So muss man die Gelehrten fragen.
99
Balthasar sa^t :
Wo werd man s' aber treffen an?
Herodes sagt zum Bedienten:
Ich will sie selbsten holen lan:
Geh halt in dem Tempel hinum
Und sag, dass einer, zwei zu mir herein kumm';
735 Ich will s' allsobald wiederum gehen lassen.
Der Bediente sagt:
Grossmächtiger König und Herre mein,
Es soll geschehen und bald sein.
Herodes sagt:
Ihr Herren, setzt euch derweil nieder,
Bis mein Bedienter kommt herwieder.
740 Ich bitt euch, ihr wollt auf mein Begehr'n
Mir anzeigen, wann dieser Stern
Erschienen ist in eurem Reich,
Dass ihr euch auf den Weg gemacht allzugleich.
Balthasar sagt:
Wie es mich gedünkt und die Wahrheit sagt,
745 So ist heunt schon der dreizehnte Tag,
Dass wir im Morgenland gesehen fein
Ein' Hechten Stern mit dem klaren Schein.
Daraus haben wir uns bekannt,
Dass im fernen jüdischen Land
750 Ein König soll geboren werden:
Den wollen wir mit Geschenk verehren.
Herodes sagt:
Soll er ein König der Juden sein?
Melcher sagt:
Ja : also gab uns klaren Schein
Dessen Stern im Morgenland weit,
755 Der ein' grossen Krieg bedeut.
Der Schriftgelehrte kommt herein mit andern Schriftgelehrten
und Hohenpriestern und sagt:
Ihro königliche Majestät, hier sein wir anzuhören,
Was Sie uns anbefelchen werden.
lOO
Her ödes sagt:
Ihr hohen Priester, der Geschrift
Der Propheten wohl Unterricht' :
760 Diese begehren zu wissen da
Hier die Geburt unsres Messia;
Er soll in diesem Lande mein
Vor wenig Tagen geboren sein.
Der Schriftgelehrte sagt:
Wann dieser nun wohl ist geboren
765 Spricht unser Moses selbst vor Allem :
Dann die Schrift auch manches Mal thut sagen,
Dass er am letzten geboren soll werden ohne Fehl
Zum Trost dem ganzen Haus Israel.
Er wird auch bringen Alles zu Recht
770 Und erlösen das ganze Menschengeschlecht:
Sonst wissen wir von keinem zu reden.
Kaspar sagt:
Ja, nach demselben thun wir fragen,
Dieweilen die Schrift von ihm thot sagen,
Wo sich sein Geburt zugetragen hat,
775 In welchem Land, in welcher Stadt.
Der Schriftgelehrte sagt:
Wir reden die Wort' der Schrift hier gut,
Die uns die klare Meldung thut:
Des Ortes, wo er ist geboren,
Messias, von Gott auserkoren.
780 So redt der Prophet also fort
Durch den Geist Gottes diese Wort' :
Ach Bethlehem, du bist eine kleine Stadt,
Die gegen Tausend der Juden hat;
Doch wird er kommen aus dir herfür,
785 Der mein Volk Israel regier',
Den ich vor Anbeginn der Welt
Zu einem Herrscher hab bestellt.
Darum weil dieser geboren ist nun.
So werden sie ihn finden schon
790 Nach Ausweisung meiner blossen Wort',
Wie ihr jetzunder habt gehört.
lOI
Her ödes sagt:
Ohne der Antwort bin ich kommen zum End,
Dass ihr euch bald darum hinwend't:
Bittet euren Gott spät und früh,
795 Dass ich stets bleib in Fried und Ruh.
Der Schriftgelehrte sagt:
Ja, eurem Begehr werden wir nachkommen :
Wie wir jetzund haben vernommen
Wir werden wohl auch nach Bethlehem kommen.
Kaspar sagt:
So wollen wir thun nach euren Aussagen
800 Und wollen gleich nach Bethlehem fragen.
Der Schrift gelehrte sagt:
Liebste Herren, das könnt ihr thun.
Herodes sagt:
Ich bitt euch, liebe Herren fein.
Wann ihr find't dieses Königlein,
Thut mir auch anzeigen gern,
805 Wann ihr zurück thut kommen von fern ;
Ich will ihm in allen Dingen
Unverzüglich mein Opfer bringen.
Ihn anbeten und Ehr erweisen.
Wann ihr wieder vorbei thut reisen,
810 So geht und zeigt mir's an,
Ich will's nicht unvergolten lan :
Ich hätt es schon jetzund gethan,
Dieweil ihr aber eilt so geschwind,
So will ich solches sparen jetzund.
Balthasar sagt:
815 Ihr' Majestät, lasst uns jetzt fahren,
Wir werden glei wiederum hier einkehren.
Herodes sagt:
Zieht hin in eure vorgenommne Strassen.
Die heiligen drei Könige sagen :
Wohlan, wir ziehen davon.
Die drei Könige gehen.
I02
Her od es sagt:
Wird mir der neugeborne König kund gethan,
820 Ihr meint, ich will ihn beten an?
Dass er mir nicht regieren soll !
Mag der Schriftgelehrte sagen, was er woll,
Vom Herzog, der da kommen wird,
Israel und alle Geschlecht zu regieren:
825 Es thut kein' andern mehr gebühren,
Als mir, ich bin der rechte Herr
Der Juden, und sonsten keiner mehr.
Ich will auch kein' andern lassen aufkommen.
Sobald ich den rechten Grund han vernommen
830 Von den drei Weisen zu der Frist,
Wo dieser Herzog geboren ist.
Es seind nicht zwei Sonnen am Himmel zu sehen :
Ach, wie können zwei König in einem Reiche
bestehen?
Ich will schon zusehen zu den Dingen,
835 Er soll mich von meinem Reich nicht verdringen.
Er muss mir über die Klingen springen.
Der Bediente sagt:
Grossmächtiger König und Herre mein,
Es soll geschehen und bald sein.
yoseph und Maria gehen herein mit dem Kind.
Maria sagt:
Joseph, schau an das arme Kindlein,
840 Wie so schlecht es eingewickelt ist in Windlein :
Joseph, geh, schau, wer klopft an der Thür.
Der yoseph geht hinaus schatten und sagt:
Sieh, was für Leut, aus welchem Land
Kommen die daher, ganz unbekannt?
Oder betrügen mich die Augen mein,
845 Dass sie vielleicht voller Schlaf noch sein?
Auf ihrem Haupt glanzende Stern' und Krön',
Mein Gesicht schier ganz vergeht davon.
Mein' Maria, bewahre mir dies Kindlein recht,
Denn es kommen gar viele Herrn und Knecht:
103
850 Was ihr Begehr'n sei, das wissen wir nicht:
Gott gieb, dass uns kein Unglück geschieht.
Sie gengen je länger, je mehr herzu :
Ach, wann sie uns bald Hessen in Ruh.
Die heiligen drei Könige gehen herein,
Kaspar sagt:
Ihr Herrn, nun nehmet wahr,
855 Wie vor uns geht ganz hell und klar
Der vorige Stern, der leucht't uns schon.
Melcher sagt:
Sei es Gott gedankt im höchsten Thron :
Die Stadtmauer zu Bethlehem
Sieht man schön und bequem.
Balthasar sagt:
860 Ach, fröhlicher Tag, ganz freudenvoll,
Nicht genugsam dich kann loben wohl,
Dieweil uns Gott gross Wunder erzeigt :
Der Stern sich auch zu uns neigt.
Kaspar sagt:
Ihr Herrn, steht still, da scheint's fürwahr,
865 Es wird das Kindlein sein allda.
Melcher sagt:
Fürwahr, es wird sein allhier,
Dass ich es hab geglaubet dir.
Balthasar sagt:
O Vater, du bist ein frommer Mann,
Wir bitten dich, zeig uns doch an
870 Das neugeborne Kindelein,
Dass wir es beten an und opfern fein.
Joseph sagt:
Ihr Herrn und König', tretet nur herbei,
Ihr werdet es finden auf dem Heu.
Kaspar sagt:
Erbarm es Gott, o Kindelein!
875 Wie liegst so hart im Krippelein.
I04
Melcher sagt:
Dergestalt zeigt sich sein göttliches Ort,
Das von uns nun ersehen wurd.
Balthasar sagt:
Ach, kommt und lasst uns hinzugehn,
Mein Herz vor Lieb schier muss vergehn.
Kaspar kniet ?zieder und sagt:
880 O kleines Kind, o grosser Gott,
Wie bist du so gar verlassen :
Hast du kein' andre Herberg mehr?
Musst liegen auf der Strassen.
Ist Heu dein Thron und Stroh dein' Krön,
885 O König aller Ehren !
Dir gebührt ja eine Kaiserkron:
Das sehen wir an dem Stern.
Nimm hin von mir das rothe Gold,
Mein Herz ich auch dir schenke,
890 Nimm 's an von mir, o höchster Gott
Thu meiner auch gedenken.
Melcher sagt:
Ach, unser König, ach, starker Held,
Dann du regieren wirst die Welt:
Sieh an, was ich mit mir hab bracht,
895 Den Weihrauch gut, das nicht veracht.
In meinem Land gewachsen ein' Spezerei :
In Trübsal, o Jesu, steh uns bei.
Balthasar sagt:
Ach, wahrer Gott und Mensch du bist,
Ach liebes Kind, Herr Jesu Christ!
900 Ich thu dir auch präsentiren
Aus meinem Land den köstlichen Myrrhen :
Ich bitt, du wollest dir solche lassen gefallen
Und mir beistehen in Trübsalen.
Maria sagt:
Ihr Herrn und König', ich sag euch grossen Dank
905 Um eure köstlichen Gaben und eure Geschank:
Gott wird eure Bitt gewähren,
Was ihr von ihm thuet begehren.
Kaspar sagt:
Wohlan, ihr Herren, es ist schon Zeit^
Dass wir uns machen auf die Reis :
910 Behüt dich, Jungfrau keusch und zart,
Behüt dich Gott und dein^ Heben Sohn;
Wir wollen wiedrum reisen davon.
M elcher sagt:
Heiland, du wollest uns auf der Strassen
In kein Unglück fallen lassen.
Balthasar sagt:
915 Behüt dich Gott, du getreuer Mann,
Wir machen uns wiedrum auf die Bahn.
Joseph sagt:
Gott wird euch, liebe Herren fromm,
Seinen Engel schicken schon.
Der euch begleit' in euer Reich :
920 Gott gieb euch den Gesund allzugleich.
Joseph und Maria gehen hinaus.
Kaspar sagt:
Wohlan, ihr Herren, eine grosse Freud
Wir wollen dem König Herodes bringen heut.
Weil wir uns haben unter wunden
Und haben auch das Kindlein gefunden.
Melcher sagt:
925 Ach, unser Wegweiser ist uns verschwunden,
Der Stern ! Das betrübt uns sehr.
Balthasar sagt:
Ach, wer lauft so eilends daher?
Der Engel kojnint und sagt:
Wo wollt ihr Könige denn hin ?
Die Könige sagen:
Nach Jerusalem haben wir im Sinn.
io6
Der Engel sagt:
930 Ihr Herrn und König' ! Gott lasst euch sagen,
Ihr sollt nicht nach Herodes fragen :
Ihr sollt jetzt auf ein andrer Strass
In euer Land ziehen fürbass,
Auf dass kein Unglück daraus entstund,
935 Dieweil Herodes bereit jetzund
Dem Kind zu stellen nach dem Leben :
Doch wird es Gott behüten eben.
Drum macht euch auf, es ist schon Zeit,
Euch zu begleiten in euer Reich : '.-^
940 Folgt mir nur nach bald allzugleich.
Die drei Könige sagen :
Wir folgen dir nach, geh nur voran,
Führ uns in ein andres Land die Bahn. Ab.
Herodes geht mit de?n Bedienten hinein tind sagt:
Ich bin schon gewesen zwei Jahr aus,
Weiss nicht, wie es gangen ist zu Haus.
945 Möcht gern wissen, wo diese drei König' sein
hinkommen :
Habt ihr von diesen nichts vernommen?
Der Bediente sagt:
Grossmächtiger König und Herre mein,
Ich hab sie mit kein' Aug mehr gesehn.
Herodes sagt:
Diese drei König' haben mich betrogen
950 Und haben mir gar spöttlich vorgelogen;
Sie haben nicht gehalten ihr Versprechen :
Ach, kunnt ich mich an ihnen rächen.
Sie hätten mir sollen anzeigen das Kind,
So hätt ich es getödtet geschwind.
955 Hätt ich mich nicht förchten derfen,
Dass 's mein Reich würd' übern Haufen werfen.
Ich, zwar ein König, bin ein armer Mann,
Dämpf ich einen Femd , greift mich schon ein
andrer an.
I07
Gar ein kleines Kind muss ich förchten schon,
960 Dass mich's nicht verstosst von mein' Königsthron!
Ist dann der König der Juden geboren,
Ist auch mein Reich verloren,
Ist verloren Zepter und Krön,
Wo ich so viel Müh und List hab gewendet an.
965 Aber noch will ich mir einen sichern Frieden schaffen.
Gehet, ihr Kriegsknecht, ergreifet die Waffen,
Gehet zu Bethlehem um und um herum :
Tödtet die Knaben, die schon zweijährig
Und die noch minder seien nunmehrig :
970 Lasset diese Kinder alle auftreiben;
Wird mir der neugeborene König gewiss nit
ausbleiben.
Der Bediente sagt:
Grossmächtiger König und Herre mein,
Das thun wir, sobald als möglich soll es ge-
schehen sein. Beide ad.
Joseph und Maria gehen herein und schlafen.
Die drei Hirten springen herein und singen:
Es war ja, mein Aid
975 A rantiger B'scheid:
Wollt' singen, wollt' springen,
Wollt hupfen vor Freud.
Die Häuerl seint weiss,
Sie glänzen wie Eis
980 Vom Fallen der Strahlen
Der Sonnen so heiss.
Mach mir a mein Gregerl
Mit'n Löffel a Köcherl,
A Handerl voll Mehl,
985 Das reib'n ma fein schnell.
Die Wiegen ist leer;
Wann etwas drein war !
Die Henner sie pflegen
Und legen d' Eier.
io8
990 O Nachbar, schau, schau,
Was dort für Wauwau
Von weiten herreiten
Auf unsern Feldbau.
Drei mächtige Herrn!
995 Wo werden's einkehr'n?
Dort drunten beim runden,
Beim guldigen Stern.
Mein Michel, ja, ja,
Sie steigen schon a ;
1000 Wer meinst, sie werd'n sein?
Was machen sie da?
Gross bucklete Küah
Da springens herfür,
Lang Kragen, schwer tragen,
1005 Wohl alle sie hier.
Gross Truchen hab'ns wohl,
Seind aber nit voll —
Aufg'laden sie haben :
Ja seind sie denn toll:
1010 Sie fallen auf die Knie,
Hab's g'sehen noch nie:
Drei Herren verehren
Das Kindl, weiss wie !
Das Kindl doch lacht,
IGT 5 Ganz fröhlich sie macht,
Durch Lachen im Wachen :
Gross Opfer ham's bracht.
Und wie sie zu End
Ihr Opfer vollendt,
1020 Seind sie, die Husaren,
Vom Klippel wegg'rennt.
Die Hirten gehen hinaus.
Der Engel geht herein und sagt :
Auf, auf, Joseph, schlaf nit ein,
Steh eilends auf und merk mir's fein
log
Sei munter und versteh mein Wort,
1025 Du sollst dich bald machen fortt
Und ziehen ins Aegypten-Land,
Du und Maria, beide zur Hand :
Und nehmet auch mit das Kindelein zart,
Dieweilen Herodes gesinnet ward,
1030 Dem Kind zu stellen nach dem Leben;
Doch wird es Gott behüten eben.
Drum macht euch auf und eilt geschwind
Mit Maria und dem lieben Kind,
Dass es ja nicht getödtet werd,
1035 Bis es Gott der Herr von euch begehrt.
Joseph sagt:
Auf, auf, o du Gemahlin mein.
Wir müssen auf jetzt eilends sein.
Joseph und Maria singen:
Wo ich mich hinwend.
Ach, grosses Elend
1040 Uns überall hat troffen!
Künn' es nit find'n,
Wo mein hebes Kind
Ein' Sicherung zu hoffen.
Wo ist der Weg,
1045 Wo Brücken und Steg,
Wer wird uns hineinlassen?
An jenem Tag,
Wie ich euch vorsag,
Weisen die rechte Strassen?
1050 Mit Ungestümen
Und blutigen Grimmen
Herodes uns nachjaget ;
Es ist zu spat
In dieser Nacht :
1055 Sie warten, bis es taget.
Ach lieber Sohn,
Bekannt bist schon
HO
Mit deinem Feind zu streiten.
Es wären zwar
1060 Noch dreissig Jahr,
Früh genug waren schon die Zeiten.
Ach Vaterland,
Ich gieb dir d' Hand,
Weil ich von dir rauss scheiden.
1065 Wer weiss, wie lang schon
Des Königs Thron
Ich jetzt nunmehr muss meiden.
Ma7'ia sagt:
Ach, mein Gott, wie hast du uns verlassen,
Dass du uns bei so kalter Winterszeit
1070 In ein fremdes Land fliehen heiss'st!
yoseph sagt:
Wein' nur nit, mein' Maria,
Gott und die Engel werden uns beschützen
vor allen,
Dass wir nit in die Hand' Herodes fallen.
Maria sagt:
O mein herzallerliebstes Kindelein,
1075 Wir haben wohl Ursach zu wein'n,
Dann bis Herodes haben wir viel Kreuz ge-
habt schon.
Jetzt fangt an die Weissagung Simeon's :
Dass ich und du auf dieser Erden
Viel mit einander leiden werden.
Sie gehen hinaus.
Der Scherge geht herein die Kinder köpfen und sagt:
1080 Nur her mit euren Kindern zu dem Todl
Es ist von König Herodes ein scharfes Gebot:
Wir sollen kein Kind nit verschon'.
Damit Herodes sicher steht auf sein' Königs-
thron.
Denn es hilft kein Bitten, keine Thränen,
1085 Nur Blut und Tod thut uns versöhnen.
III
Der Scherge geht hinaus.
Ein anderer Kriegsknecht geht herein ttnd sagt:
Nun ist vollbracht des König Herodes sein Befehl :
Dieweilen er uns Kriegsknechte hat hergestellt,
Die Knäblein zu tödten wegen sein' Königsthron,
Drum haben wir sie hingericht' schon,
1090 Wie es jedermann sieht auf des Schwerts spitzer
Klingen,
Und wollenes dem König Herodes bringen.
Zwei Hirten springen herein und singen -.
Jobstl, was thust uns laufend bringen?
Ach, es möcht mir's Herz zerspringen.
Schaut, was in dem Dörfel g'schehen,
1095 Heute so ganz unversehen.
Ei, ei, was seind das für Leut?
Ich glaub, Herodes ist gar nicht g'scheid.
g; Ist mir dies a Herzeleid,
^ Ist mir dies a Obrigkeit:
iioo Ei, dass mich Gott wolle g'segnen,
Dass sie mögen so verwegen
Die kleinen winzigen Büablein tödten.
Als wenn sie's frei verschuldet hätten.
Ist Herodes nit ein wilder Mann?
II 05 Schau, wie hat er ein' Luftsprung than !
Soll er nit das Lüegen meiden,
Fremden Leuten nit aufschneiden :
Ist das nit a schändlicher Brauch?
Hansel, die Könige lügen auch.
iiio Heisst das Herodes Kind anbeten?
Lasst's jetzt suchen und will es tödten.
Herr Gott, wie wird's bei uns stehen?
Gott, woll'n uns verstecken gehen :
Was er den Bauern thut bescher'n,
I II 5 Haben auch ihre Kinder gern.
Dasti l Dort oben auf dem Honaf berg,
Sagt man, da geht Alles überzwerg.
112
Sollten sie uns ins Dörfel kemmen :
Wollen wir die kleinen Säbel nehmen:
II 20 Sollt mir einer in Hof hereinschaun,
Wollt ihm g'schwind den Kopf abhaun.
Dort tragt man den Veitl an der Stangen:
Ist erst sein Mutter fürgangen:
Das ist ja doch Gott zuwider !
II 25 Hin und wieder schlagen's nieder,
Schau nur, wie das Blut herfliesst.
Wer ist so wild, den's nit verdriesst?
Schau nur das arme Kindlein an :
Hat noch sein Chrysam-Pfaidl an !
1130 Was wird nun sein Gott sagen!
Zu den Plagen möcht ich verzagen ;
Hätten sie's g'hoben ins Taubennest,
Dort wär's zum allerbest sicher g'west.
Schau, wie seind die Dieb' so keck,
1135 Dorten schlagen's a Kind am Eck:
Ja, wie's ihn, den Jäkel platzen,
Augen auskratzen wie die Katzen.
Haben wir gestern Hasen g'fang',
Ist nit so mächtig wild zugang'.
1140 Die Ahnl ist beim Ofen g'sessen.
Hat ein' bratnen Apfel gessen :
Das Weib, das hat das Brod eing'schossen,
Unverdrossen ist der Knecht bei'n Rossen ;
Die Menscher hant beim Spinnen g'sungen:
IT45 Ach, da hat der Landsknecht neindrungen.
Maxi hat a Köchel gessen,
Das Töchterl hat a Mues zu essen :
Laufen secht's über die Stiegen,
Auf die Wiegen alle zuetliegen :
II 50 Der ein', der nimmt's Kind beim Ohr,
Wirft hinab es zum Stallthor.
Ei, du mein Herrgott, was für Leut !
Wie die leidige Mutter schreit,
Glei das Kind der Tod thut recken,
113
II55 ß^i den Backen mit dem Stecken,
Hat's der dicke Mörder g'schlagen :
O, Mört, das Weib wird gar verzagen.
Dasti ! es giebt an schlimmen Handel:
Steffel, laf hinab zu meiner Sandl,
II 60 Dass sie mir kein Kind thut lassen
Auf der Gassen oder Strassen !
Mein Kasperl ist erst zwei Jahr alt,
Lauft hinaus schon in den Wald.
Sag, dass sich kein Kind thut melden,
II 6 5 Wann schon die Herrn an der Thür auch
schellten :
Sag, es sei der Wauwau draussen,
Der wird aussen dich zerzausen :
Schau der Wauwau, der Wauwau !
Hüet dich, mein Kasperl, noch nit traul
II 70 Hansel, ich will mein Sabal wetzen,
Will mich auf die Landsknecht setzen,
Drei Soldaten bin ich g'wachsen:
Warn's glei Sachsen oder Dachsen,
Wollt mir ja so gar derschlagen,
1175 Dass man s' von mir weg müesst tragen.
Die zxvei Hirten gehen hinaus.
Der Woferl geht herein und singt:
O, wie geht's im Himmel zu,
Wie im ewigen Leben :
Los nur zua mein lieber Bua,
Was sich hat begeben.
1 1 80 Wie ich will einschlafen
Hier bei meinen Schafen,
Kommt ein Engel, weckt mich auf:
G'schwind nach Bethlehem hin laufl
Wie ich munter worden bin,
1185 That ich's erst recht vernehmen:
Eine wunderseltsame Mähr !
Ein Engel that herkemmen,
Volksschauspiele. 8
114
In Lüften sich hat g'schwungen
Von Gloria in excelsis deo g'sungen :
II 90 G'sungen hat er überlaut,
Was er bracht nur aus der Haut.
Er sagt : ein kleines Kindelein
War' uns heut geboren :
Dies sollt der Messias sein I
II 95 War schier halb erfroren;
In der Kripp thuet liegen,
Alle Knie sich thuen biegen
Vor dem kleinen liebreichen Gott,
Der uns hilft aus aller Xoth.
1200 Grosse Freuden auch verkünd't
Allem Volk auf Erden,
Die eines guten Willens sind:
Jetzt werd's besser werden.
Gang^ wir hin, thun wir's grüessen,
1205 Dem Kindlein fallen wir zu Füessen
Und ihm bringen was zum Geschenk,
Dass er unser a gedenk.
Bruder, liebster Bruder mein,
Was wollen wir mitnehmen?
12 IG Nimm du a Halbe Groschenwein,
Dass wir nit leer kemmen :
A Lampel und a Kitzel.
Dem Kind an warmen Stritzel,
Geschmalzne Nudel und ein' Sterz,
12 15 Stärkt dem Kind das matte Herz.
Herodes geht herein tind sagt:
Ach, ach, was habe ich gethan.
Weil ich den Tod vor Augen han !
O Diener, liebster Diener mein,
Mein Zepter und Krön sollen dir ein Reichthum sein.
Der Tod und der Teufel kommen.
Der Tod sagt:
1220 Ich bin der Tod mit meinem Pfeil,
Ich end' des Lebens Zier in Eil :
Den Bogen schiess ich, den ich hab in Will'n :
Nimm alle, mit mir lass ich nicht spiel'n !
Du musst mit mir ins Todtenhaus,
1225 Deine Wirthschaft die ist hier schon aus.
Der Teufel sagt:
Dein Zepter und Krön liegt auf der Erd,
Dein Leib und Seel ist nit viel werth.
Nur frisch heran, mein Heber Gesell,
Du musst mit mir jetzt in die Höll I
Der Teuf el fährt mit Herodes ab.
Des Herodes Diener sagt:
1230 Ich will mich setzen auf meines Herren Thron,
Ich werd sehn, wer mich vertreiben kann.
Der Teufel holt auch des Herodes Diener.
DIE GEBURT CHRISTI.
1%
> die drei Könige.
PERSONEN.
9
Engel, zugleich Prologus.
Maria
Joseph.
Caspar
Melchior
Balthasar
Herodes.
Protus, sein Kämmerling.
Pilicardus.
Burcardus.
Prudentius.
Egistus.
Ein Bauer.
Titus.
Rufinus.
Reichhardt, der Wirth.
Erster
Zweiter
Stichi
Galli
Widak
Erster
Zweiter
Dritter
Vierter
Fünfter
> Hohepriester.
Hirten.
Soldat.
V
Engel als Prologus.
Gelobt sei Jesus Christus, jetzt und in Ewigkeit,
In dieser gnadenvollen und freudenreichen Zeit !
Seind Sie immer was Stand oder was würdig' Leut,
So sind Ihnen unsere Dienste anheunt gar wohl
bereit.
5 Was der Prophet Michea prophezeit und bewährt,
Von den EvangeHsten noch deutlicher ist erklärt,
Wie Gottes Sohn verlassen hat das Himmelreich
Und als ein Kind uns Menschen beschert wurde
zugleich.
Im jungfräulichen Leib neun Monat war verschlossen :
IG Da aber diese Zeit zu Ende ist geflossen,
Liess Kaiser Augustus ein Gebot gehen aus,
Dass jeder sich schätzen lasse , allwo er war' zu
Haus.
Drum Joseph und Maria sich machen auf die Reis,
Nach Bethlehem zu gehen mit höchster Sorg und
Fleiss,
15 Dem Gebpt nach zu leben, bei harter Winterszeit,
So ihnen auch verursacht sehr grosses Herzenleid.
Tribut und Zins zu geben ist eine harte Sach,
Müssen auch sonst ausstehen sehr grosses Ungemach:
Niemand that sich erbarmen und wollte sie aufnehm',
20 Von offner Gass' zu kommen mussten sie sich
bequem'.
In einem Stall zu bleiben, liegen auf blosser Erden,
Allwo auch Gott, der Heiland, thäte geboren werden.
So wir gleich einem Schatten vorstellend Willens
seind,
Und bitten in Geduld es zu vernehmen heunt.
I20
2 5 Allein zur Ehre Gottes soll alles dies geschehen :
So in geliebter Kürze Alles wird vorbei gehen.
Gesang.
Als die neun Monat zu End gegangen,
Trug Maria sehr grosses Verlangen,
Ihr Kindlein zu sehen,
30 Mit dem sie doch gross Herzenleid
Auf Erden musst ausstehen.
Maria tritt ein.
Ach, was vor grosse Freuden, ach, was vorSüssigkeit.
Empfinde ich im Herzen, indem nunmehr die Zeit
Der neun Monat gehet zu End : dass ich mein liebstes
Kind empfangen,
35 Nun bald mit Augen sehen werde, ist mein höchstes
Verlangen.
Ach, mich glückseligste Mutter ! So Niemands ist
entsprossen,
Dieweil das Kind, mein Gott, so in mein' Leib
verschlossen.
Den viel König' und Propheten verlangt mit
grossen Schmerzen
Mit ihren Augen zu sehen, der ruhet unter meinem
Herzen.
40 Mein' Seel sehnt sich nach ihm, mein Herz ver-
langt auf Erden,
Dass mein Heiland von mir möcht bald ge-
boren werden:
Ich bitt , o himmlischer Vater mein , verleih mir
die Gnad,
Dass ich dein eingebornen Sohn nach Würdigkeit
bedienen mag.
jfoseph tritt ein.
Ach, mein' allerliebste Mutter, ich bitt euch, thut
nit erschrecken,
45 Indem ich schlechte Zeitung euch habe zu entdecken :
Von Kaiser Augustus ist ein (iebot Unerhörtermassen
Ausgegangen, dass sich jedermann sollte schätzen
lassen :
12 r
An dem Ort, da er gebürtig, soll dieses geschehen.
Mein' liebe Maria, wir beide sollen nach Bethlehem
gehen ;
50 Weil wir alldort gebürtig und unser Geschlecht
von dannen,
So weiss ich nicht, Maria, was wir sollen anfangen.
Maria.
Lasst euch nur nicht verstören, liebster Joseph mxcin,
Nach Bethlehem zu reisen , möcht Gottes Willen
sein.
Joseph.
Meine liebe Maria, ich verstör mich nicht meinet-
wegen,
55 Ich werd wohl mit göttHcher Hilf nacher Bethlehem
kommen mögen.
Ich bedaure aber nun euch, wie wollet dann ihr
Reisen einen so weiten Weg in Wind, Nässe, Schnee
und Gefrier,
Mit so gross und schwerem Leib , wo der Weg
rauh und hart.
Wo ihr von Natur jung und zart und ihr solches
nit gewohnt wart?
Maria.
60 Mein Josef, sei nur getrost, ich werd wohl dort
hingehen :
Auf Gott vertraue ich, der wird uns schon beistehen,
Welcher auch seine Engel uns auf der Reis wird
senden,
So alle Gefahr und Ungemach gewisslich von uns
abwenden,
Laut der Prophezeihung, so geschrieben auf Erden,
6 5 Dass der Heiland solle zu Bethlehem geboren werden.
Joseph.
O mein' Maria, so sei es dann , vielleicht ist es
der göttliche Willen,
Dass wir das Gebot des Kaisers, nach Bethlehem
zu reisen, erfüllen.
122
Wir wollen das Nothwendigste zusammenraumen
und uns bequemen,
Auch ein' Ochsen und Esel auf die Reis mitnehmen.
70 Einen Ochsen zwar, dass wir ihn verkaufen mögen,
Um von solchem Geld dem Kaiser alldorten den
Zins zu geben,
Den Esel aber zum Reiten, damit ihr nicht derft
alleweil gehen
Und also leichter kommet fort : der liebe Gott
wird uns beistehen.
Maria .
Wir wollen nun hingehen und uns zur Reise be-
quemen,
75 Von meinem lieben Vater und der Mutter Urlaub
zu nehmen,
Und wollen sodann in Gottes Namen
Morgen früh zeitlich unsere Reis anfangen.
Gehen ab.
Gesang .
Maria und Joseph mit höchstem Fleiss
Sich fertig machen, auf die Reis
80 Nach Bethlehem zu gehen.
Ach, was gross Elend, Angst und Noth
Müssen sie jetzt ausstehen.
M-aria, Joseph itnd Engel treten ein.
Joseph.
O himmlischer Vater, o allmächtiger Gott,
Ach, siehe doch an unser gross Elend und Noth,
.85 Was vor eine harte Reis meine liebe Maria hat!
Gehet selbe bergauf, wird sie kraftlos und matt,
Bergab aber selbe keinen sichern Tritt nicht weiss,
Und einen Fall zu befürchten auf dem harten Eis;
Wegen Ncässe, Schnee und Kälten, beschwerlich
hart zu gehen*:
90 O himmlischer Vater, thu uns beistehen 1
Maria .
Nicht betrübet euch so sehr, o lieber Joseph mein.
123
Gedenket, dass uns dieses Kreuz würde von Ewig-
keit verordnet sein.
Ich bin auch willig und bereit, dieses und noch
mehrers auszustehen,
Wenn nur meinem herzliebsten Kind kein Ungemach
möchte geschehen.
95 Aber wo wollen wir heunteine Nachtherberg nehmen,
Da wir kein Haus noch sehen und der Tag thut
untergehen ?
Joseph.
Mein' Maria, seid nur getrost, wegen fallenden Schnee
und Regen
Wir anjezo kein Haus vor uns nicht mehr sehen
mögen,
. Wo wir doch unweit seind von einer Bauern
Hütten :
loo Dort wollen wir heunt um eine Herberg bitten.
Der Bauer wird uns wohl erweisen dies Gefallen,
Ich bin auch willig, ihm Alles fleissig zu bezahlen.
Sehet, Maria seht, hier ist die Hütten schon,
Ich will auch allsogleich bei dem Thor klopfen an.
T05 Holla, holla!
Bauer.
Wer ist so spat anhero kommen zu mir.
Und also ungestüm klopfet an der Thür?
Joseph.
Wir zwei arme reisende Eheleut seind
Und bitten demüthig um Nachtherberg heunt.
Ball er.
HO Ich g'halt euch nicht, ihr könnt euch noch weiter
machen,
Ihr thät' mir nur gleich Unruh in mein Haus ver-
ursachen :
Ob es auch gleich ist Nacht, könnt ihr doch weiter
gehen
Und euch auf ein' andern Ort um eine Herberg
umsehen.
124
Joseph.
Ich bitt um Gottes willen, nehmt uns doch heunt
auf,
115 Ich will ja Alles gern fleissig bezahlen auch,
Weil wir auf offener Strass wegen Wind, Schnee
und Regen
In dieser bittern Kalt nicht könn'n noch bleiben
mögen.
Bauer.
Sehet nur anderswo, und lasset mich ungeplagt,
Euch um eine Herberg um ; ich hab es schon
gesagt,
120 Da ich euch nicht kann aufnehm'. Drum packt
euch von der Thür
Und lasset mich mit Ruh ; macht mir kein Unruh
hier.
Joseph,
Ach, meine Hebe Maria, nun sind wir völlig ver-
lassen und arm :
Ach, was fangen wir an? Dass Gott im Himmel
erbarm !
Vor Kalt auf offener Strass wir werden müssen
sterben,
125 Die weil wir allhier kein Herberg können erwerben.
Maria.
Mein Joseph, seid getrost in Gott, auf ihn wir
Hoffnung fassen.
Er wird uns in der grössten Noth gewissHch nit
verlassen. Gehet zur Thür.
Ach, ihr liebe Leut, durch die Liebe Gottes ich
euch bitt,
Ach, um Gottes willen, thut uns abschlagen nit,
130 Ach, nehmet uns doch heunte auf, in euern Haus
zu wohnen,
Gott , der himmlische Vater wird euch solches
getreu belohnen.
125
Die zarte Stimm eines Weibes, die thut erbarmen
mir,
Dass ich doch endlich muss eröffnen meine Thür:
Saget an, ihr liebe Leut, wohin ist euer Sinn und
Muth,
135 Dass ihr im Winter bei schlechtem Wetter solche
Reis anstellen thut?
yosep/i.
Wir reisen nacher Bethlehem und zwar derermassen,
Uns nach dem Gebot des Kaisers alldorten schätzen
zu lassen.
Bauer.
So tretet denn herein, setzt euch zum Feuer nieder,
Dass ihr erwärmen könnt eure erfrorne Glieder. Ab.
Gesang
140 Als Joseph und Maria nach Bethlehem kommen
Und konnten nirgends kein Herberg bekommen,
Joseph vor Leid thäte weinen :
Maria aber die tröstet ihn,
Und mussten in einem Stall bleiben.
yoseph ko77ii)it i7iit Maria :
145 Maria, nun sehen wir Bethlehem vor Augen allbereit,
So Gott zur Geburtsstadt seines Sohnes erwählet
hat von Ewigkeit.
Ihr glückselige Bürger, die ihr allda thut wohnen,
Ach, wüsstet ihr, was euch heunt thut heimsuchen
kommen!
Maria.
Ach, sei gebenedeit, o, Bethlehem auserlesen,
150 Ueber alle Stadt der ganzen Welt! Klein ist bisher
dein Nam gewesen,
Anjetzo hat Gott dich zur Geburtsstadt von seinem
Sohn erkoren :
Von nun an wird dein Nam gewiss gross auf
ganzer Erden,
120
Weil Gottes Sohn in dir will von mir geboren werden.
Wo werden wir einkehren, wo wird das Zimmer sein,
155 Dass ich drin soll gebären mein liebstes Kindelein ?
Joseph .
Bei meinen nächsten Befreunden, liebste Mutter mein,
Wann es euch doch beliebig, wollen wir kehren ein.
Maria .
Nun sei Gott Dank gesagt! Thu willig mich bequemen,
Weil wir sein kommen in die Stadt, bei arme
Leut vorlieb zu nehmen ;
160 Doch wollt ich nicht gerne sehen, dass mein hoch-
würdig's Kind auf Erden
An ein gar schlechten Ort sollt von mir geboren
werden.
Joseph.
Meine liebe Maria, sorget nicht, nun sein bei dem
Haus schon wir,
Bei meinem nächsten Freund in der Stadt Beth-
lehem hier. Titus kotnmt.
Guten Abend, Herr Titus, mein guter Freund !
165 Ich und mein' liebe Hausfrau von Nazareth hierher
kommen seind,
Weil ich hier gebürtig : des Kaisers Gebot nach
zu leben,
Seind wir nachero kommen, ihm den Tribut zu geben.
Ich bitt , thut uns aufnehmen , die wir matt von
der Reis,
Denn meine liebe Maria kein sichere Stund mehr
weiss :
170 Ich will All's dankbar zahlen, gebt ims ein Zimmei
rein,
Dass meine liebe Maria möcht gut versorget sein.
Titus.
Mein lieber Freund Joseph, euer Bitt ist ganz wohl
und billig,
Ich wollt , dass ich könnt dienen , ich war bereit
und willig.
127
Jetzt sind all meine Zimmer mit Gästen gefüllet an :
175 Ich bitt , nehmt mir's nit übel, dass ich nicht
dienen kann :
Ihr müsset schon bei Andern euch um ein Herberg
sehen,
Weil ich kein Platz im Haus hab ; sonst hätt es
können geschehen.
Joseph.
Meine liebe Maria, dieweilen es da nicht sein kann,
So müssen wir zu ein' andern guten Freund hin-
gehen schon. Rtifimis kojiunt.
180 Seid gegrüsst Rufinus, mein guter Freund !
Wir beide von Nazareth nacher Bethlehem kommen
seind.
Uns nach dem Befelch des Kaisers zu schätzen
lassen hier.
Ihr wollet uns in euer Haus aufnehmen, das bitten
wir,
Auch wollet ihr uns ein eigenes und bequemes
Zimmer eingeben,
185 Auf dass mein' liebe Maria ihr Kindbett bei euch
möcht vollenden mögen.
Ich bitt , mein lieber Vetter , thut uns dies zu
Gefallen,
Ich will auch fleissig All's dankbarlich euch bezahlen.
Rußnus.
Mein Vetter , mir ist leid , dass ich euch nicht
aufnehmen kann.
Denn erst heut Vormittag sind Zwanzig kommen an,
190 So ich hab aufgenommen, weil ich von euch
nichts gewisst :
Seht also, dass bei mir kein Platz vorhanden ist.
Joseph.
Ach, allerliebste Maria, ach, was ist das für ein'
Schand :
Sehet, wie ich von meinen Freunden in meinem
eigenen Vaterland
Also Verstössen bin; ach, ich muss mich schämen.
128
195 ^Veilen sie lieber einen Fremden als mich aufnehmen.
Sein also gezwungen , dass wir müssen weiter
gehen,
Und uns bei fremden Leuten um ein' Herberg
umsehen. Keichhardt kommt.
Guten Abend , mein lieber Herr Wirth und
Hauspatron !
Wirbeide kommen von Nazarethnacher Bethlehem an,
200 Dass wir uns schätzen lassen, des Kaisers Gebot
nach zu leben,
Weil ich hier gebürtig, — und den Zins zu geben.
So bitt ich recht freundUch : nehmt uns in eure
Behausung an,
Dass meine liebe Maria bei euch sodann
Ihr Kindbett vollende und das Gesatz erfüll',
205 Wo ich ja gern Alles ganz fleissig bezahlen will.
Reichhardt.
Dich aufzunehmen kann ich mich nicht besinnen,
Ich sehe, dass bei dir nicht viel ist zu gewinnen:
Darum verlang ich dich nicht in meinem Haus,
Und packe dich nur bald zu dieser Thür hinaus.
Joseph.
210 Ach, nehmet uns doch auf, erweist uns dies
Gefallen,
Ich bitt um Gottes willen, will All's fleissig
bezahlen,
Was ihr uns geben werdet, lasst euch erweichen
heunt,
Erbarmet euch doch unser, mein Heber guter Freund I
Reichhardt.
Ein so eifersüchtigen Mann ich gewisslich nicht
behalt,
215 Darum so gehe eilig aus meinem Haus nur bald :
Ein loser Mann du bist, das thue ich an dir
sehen.
Weilst plagst das zarte Weib so weit mit dir
zu gehen.
I 29
Weil sie schön zart und jung, willst du ihr trauen
nicht,
Da sie doch keine Zeit vor ihr hat, wie man sieht.
220 Drum packe dich nur bald hinweg von meiner
Thür
Und mach hinfüro nicht ein' weitre Unruh mir.
Joseph.
Ach, mein' herzallerliebste Maria, was wollen wir
anfangen.
Wo wollen wir hingehn, damit wir unterkommen?
Sollen wir dann unter dem freien Himmel auf
offner Strassen
225 Liegen? Ach, dass Gott erbarm, nun sein wir ganz
verlassen.
Ich bedaure nur euch, ich thu es frei bekennen.
Indem ihr's seht und hört, ich muss mich herzlich
schämen,
Dass ich von meinen Freunden und Bekannten allhier
In meinem eignen Vaterland also schimpflich ab-
gewiesen wir.
Maria.
230 Nicht betrübt euch so sehr, o lieber Joseph mein,
Vielleicht thuet es also der göttliche Willen sein.
Gott wdrd uns noch wohl gewiss ein' Herberg
verschaffen :
Sollen wir aber liegen müssen auf freier Gassen,
So wollen wir gedenken, er hab es also angestellt \
235 Darum mach's Gott mit uns, wie es ihm wohlgefällt.
Joseph.
O, mein' Maria , so bleibet allhier unter diesem
Obdach stehen.
Ich will alleinig in der ganzen Stadt umgehen.
Will sehen, ob ich nicht bei einem gemeinen Mann
Ein' Herberg erfrag' oder ein Ort bekommen kann.
Maria .
240 Mein Joseph, geht nur hin, kommt doch bald
wiederum her,
Volksschauspiele. 9
I30
Allein wird mir die Zeit fallen gar hart und schwer.
O himmlischer Vater, o allmächtiger Gott,
Erbarme dich doch unser in dieser grossen Noth :
Niemand will uns aufnehmen, der liebste Joseph mein
245 Thut sich von Herzen schämen und sehr betrübet
sein.
Ach, Gott, thu doch ansehen dein' und mein' herz-
liebsten Sohn
Und lass es geschehen , dass jemand uns auf-
nehmen kann;
Zu dir ich Hoffnung fasse in dieser Kalt und Frost:
Ach, thu uns nicht verlassen und schicke einen Trost.
Joseph.
250 O himmlischer Vater, was fang' ich immer an,
Wo soll ich doch hingehen, dass ich unterkommen
kann :
Ich muss mich vor Maria doch recht von Herzen
schämen,
Dass in meinem Vaterland uns Niemand will
aufnehmen.
Soll dann dein eingeborner Sohn und die liebste
Maria mein
255 Auf freier Strassen liegen bleiben, wie kann es
möglich sein r
O himmlischer Vater, o allerliebster Gott,
Ach, thu uns doch beistehen in dieser grossen
Noth. Geht zu Maria.
O allerliebste Maria mein , nun weiss ich keinen
Rath :
Zu Bethlehem in jedem Haus hab ich um Herberg
angefragt,
260 Aber Niemand will uns aufnehmen und ist mir die
grösste Schmach ;
Ich muss mich herzlich schämen, dass ich es nicht
besser hab.
Euch würdigst zu traktiren unter den Freunden mein :
Gott wird sich doch erbarmen, sonst kann's nicht
änderst sein,
131
Als dass wir werden müssen liegen auf freier
Strassen !
265 Ich hab es nicht gehofft, dass ich also verlassen
Sollt sein von meinen Freunden in Bethlehem allhier:
Ach, allerliebste Maria, ich bitt, verzeihet mir,
Ich muss es nun gestehen, dass mir dies die grösste
Schmach,
Indem ihr jetzt könnt sehen, was ich vor Freund-
schaft hab.
Maria.
270 Nicht bekümmert euch so sehr, o lieber Joseph mein,
Ob es uns zwar fallet schwer ; vielleicht thut's Gottes
Willen sein,
Dass sie uns nicht aufnehmen : wer weiss, ist einer
würdig hier,
Dass mein Kind in ihrem Haus geboren werd
von mir !
Gott hat es zweifelsohne schon also angestellt,
275 Dass wir an das Ort kommen, so dazu auserwählt:
Wann wir nur ein Ort hätten, dass wir wären allein,
Und auch von Wind und Schnee möchten befreiet
sein.
yoseph.
Zu Ende der Stadtmauer wüsst ich ein' steinerne
Höhlen,
Allwo die armen Leut zu Zeiten ihr Vieh hinstellen :
280 Alldort könnten wir bleiben und wären ganz allein;
Der Wind thut doch einblasen und thut unsauber sein.
Maria,
O, lieber Joseph, lass es geschehen, wenn schon
schlecht ist das Ort.
So wollen wir doch hingehen und heunt Nacht
verbleiben dort :
Morgen aber wiederum in allen Gassen der Stadt
umgehen,
285 Ein' bessere Herberg zu bekommen uns wollen
dann umsehen.
9 *
132
'^oseph.
j
So gehen wir zu dieser verächtlichen Höhlen dann,
Dieweilen es anheunte nicht änderst sein kann.
Gehen hin.
Maria.
O, lieber Joseph, vielleicht ist es der göttliche Willen;
Dass mein Kind in dieser verwerflichen Höhlen
290 Verlangt geboren zu werden; darum wollen wir
bei Zeiten,
So gut wir immer können, solche säubern und
zubereiten.
Joseph.
Ach, mein' Maria, soll denn der Sohn des Aller-
höchsten auf Erden
Hier in diesem stinkenden Stall geboren werden?
Ach, was ist dies mir vor ein' so grosse Schand,
295 Ach, wie schlecht empfanget die Welt ihren Heiland 1
Es ist auch nichts allda, ihn würdiglich zu traktieren,
Wie es einem solchen Herrn thäte gebühren :
Jedoch aber so geschehe der göttliche W^illen sein,
Welches mich wohl vergnügt , und ist der Willen
mein.
Joseph hebt an auszukehren.
Maria.
300 O Bethlehem, o schnöde Welt, ach, was Schand,
Ach, wie schlecht empfangest du deinen Heiland:
Wo du ihm sollst geben den allerhöchsten Saal,
Verstossest du ihn in diesen stinkenden Stall.
Sollten dies unsre Voreltern Josse und David sehen,
305 Ach, wie würde ihnen dieses zu Herzen gehen 1
Ach, hört, allerliebster Joseph mein :
Anheunt thut die allerglückseligste Nacht sein.
In welcher Gott sein Wunder wird erzeigen,
Dieweilen sich die neun Monat zu Ende neigen,
310 Dass ich mein' Heiland in meinem Leib ver-
schlossen tragen :
133
Heunt werden wir denselben noch anzusehen haben,
Nach dem so viel König', Patriarchen und Pro-
pheten schon
Haben verlanget und geseufzet, solchen zu schauen an.
Joseph,
Ach Maria, diese herrliche Zeitung freuet mich,
3 T 5 Vor welche meinem lieben Gott nicht genug kann
danken ich,
Welcher mich zu so grosser Freud und Gnad
Vor allen Andern auserwählet hat:
Soll ich vielleicht um etliche gottselige Weiber
gehen,
Dass euch selbe i-n eurer Geburt möchten beistehen ?
Maria.
320 Ks ist nicht vonnöthen, Joseph, lass es geschehen,
Gott wird die Engel senden, dass selbe mir beistehen:
Dass wir das göttlich Kindlein würdig empfangen
mögen,
Wollen wir uns bereiten und in das Gebet begeben.
Joseph .
O allerliebste Gespons, so will ich mich sodann
325 In das Gebet begeben, den Heiland würdig zu
sehen an.
Gehet vor den Stall u?zd kniet nieder.
Maria kniet auch nieder:
O himmlischer Vater, o allmächtiger Gott,
Ach, siehe doch an die Nichtigkeit dieses Ort',
In welchem dein eingeborner Sohn von mir
Deiner unwürdigen Dienerin sollte geboren werden
hier!
330 Ach, sei gegrüsst von mir, o heilige Höhlen,
küsset den Boden viit ausgespantzten Arincji.
Welche Gott zur Geburtsstätt thät auserwählen :
So mir glückseligsten Mutter meines Herrn
Verleihe die Gnad, dich würdigst zu verehr' n.
Schlägt beide Hände kretizweis über die Brust;
eijie kleine Weile Stille.
134
Sei mir willkommen, mein allerliebster Gott,
335 Sei mir willkommen, mein höchster Herr,
Sei mir willkommen, mein allersüssester Sohn!
Hebt das Kindlein auf, kilsst es.
Sei von mir herzlich geküsst, o holdseligstes Kindlein :
O Joseph, kommt herein, der Welt Heiland thut
geboren sein.
Joseph .
Ach, sollt denn der Welt Heiland schon geboren
sein?
340 Sei zu tausendmal gegrüsst, o holdseligstes Kindelein \
Maria.
O liebster Joseph, bereitet doch ein Bettlein, thut
ihm ein Ort verschaffen.
Darin mein liebstes Kindlein ruh' und möge schlafen.
Joseph ,
Ö, mein' Maria , obwohlen dem göttlichen Kind
auf Erden
Gebühret, in eine goldene Wiegen gelegt zu werden :
345 Weilen aber Gott selbst thut auserwählen
Und hat wollen geboren werden in dieser ver-
ächtlichen Höhlen,
In welcher nichts als Armuth thät zu finden sein,
So wollen wir es legen auf das Heu ins Krippelein.
Küsst das Kind,
Maria.
So nimm doch vorlieb, herzliebstes Kindelein,
350 Dieweilen sonst kein Ort, mit diesem harten Bettelein,
• In welches ich dich nun thu hinlegen:
Du aber vor Wind und Kälte kaum werdest
schlafen mögen.
Joseph.
Damit aber das göttliche Kind ehender möcht
schlafen können,
So bitte ich, erlaube mir, vor Freud dich in Schlaf
zu singen! sini^t-.
^35
355 Schlaf, o allerholdseligstes Kind,
Schlafe im kalten, brausenden Wind :
Ochs und der Esel, die heizen dir ein
Mit ihrem Athem, o lieb's Kindelein :
Ach schlafe, ach schlafe !
360 Schlafe, o Kindlein, im harten Heu:
Gedenk, dass dein' Demuth und Willen so sei,
Aus Liebe zu uns Menschen den himmlischen
Saal
Verlassen hast wollen und liegen im Stall :
Ach schlafe, ach schlafe !
365 Schlafe, o liebreiches Kindelein,
Mein Herz, das begehrt dein' Wiegen zu sein;
Leg dich darein und gieb dich zur Ruh,
Die Engel vom Himmel auch singen dir zu :
Ach schlafe, ach schlafe !
Gesang.
370 Maria gebar ein Kindelein,
Es jubiliren die Engelein,
Gar fröhlich thäten sie singen:
Den Hirten thäten' s auf das Feld
Ein' neue Botschaft bringen.
'ö'
Engel als Prologus.
375 Kommt her und seht, derft euch nicht schämen.
Wie Christus ist geboren ! Thut es zu Herzen nehmen :
Kein Zimmer er nicht hat, muss liegen in dem Stall,
Aus lauter Lieb zu uns verlassen den Himmelsaal 1
Der doch der Reichste war, liegt jetzt in Armuth
gross,
380 In einer Krippen dort, leidet Wind, Schnee und
Frost;
Der doch der höchste Herr Himmels war und der
Erden,
Wollt aus Lieb zu uns ein kleines Kindlein werden !
Jetzt ist Gott als ein Kind dort in der Krippen
zu finden.
395
136
Der als ein Richter kommen wird zu strafen unsre
Sünden.
38s Verehret euren Gott jetzt in dem Krippelein,
Allwo die Engel auch sich jetzund finden ein :
So dreien armen Hirten heute bei der Nacht
Die fröhHche Zeitung haben überbracht,
Wie Gott als Mensch zu Bethlehem geboren war,
390 So auch alsbald glaubten der neuen Mähr:
Etliche Hirtengaben mit sich genommen,
Das Kindlein anzubeten seind ankommen.
Fallen zur Erden, thuen es verehr'n
Als ihren wahren Gott und Herrn :
Drum wollen wir uns auch machen bereit
Zu dieser gnadenvollen und freudenreichen -Zeit,
Zu verehren das Jesu Kindelein,
So liegt im Stall im Krippelein.
Die Hirten treten ei?i.
Stichi singt:
Nichts kann annehmlicher sein,
400 Als die Schäflein weiden.
Wo man aller Sorgen frei,
Lebt in steten Freuden :
Ob die Nacht auch kommen an,
Ist mir doch die Zeit nicht lang,
405 Denn ich sehe meinen G'span, meinen G'span,
Dort zu mir hertreiben schon.
Will mir dann ein Schlaf zugehen,
Thu ich ein' Weil blasen :
Schau wie d' Schäflein grasen schön,
4T0 Auf dem grünen Wasen ;
Drum mich nichts betrübet,
Leb auch wohl vergnüget,
Bei meinem lieben Käs und Brod, Käs und Brod,
So ich darbei z' essen hab.
Galli.
415 O mein Stichi, wir haben jetzt so schlechte Zeiten,
Du bist gleich wohl lustig und singst mit Freuden?
^37
Stiehl,
O mein Galli, es ist gleich ein Geld,
Ob man sich lustig oder traurig stellt :
Allein ist mir die Zeit g'west lang,
420 Drum han ich daweil ein G'sangel ang' fangt.
Widak.
Ei, Buben, ist euch die Zeitung noch unbekannt,
Dass, wie man jetzt sagt, im ganzen Land,
Kaiser Augustus hat Unerhörtermassen
Ein scharfes Gebot ausgehen lassen :
425 Ein jeder sollt sich schätzen lassen bei Straf seines
Habs und Guts !
Wer wollt darbei sein gutes Muths ?
Jeder Kopf sollt im Ort ein' Gulden geben :
Wie werden dann mir's daschwingen mögen?
Galli,
O mein Widak, das ist wohl eine harte Zeit :
430 Wo werden dann wir arme Schäfersleut
Auf einmal so viel Geld können geben?
Ich hab so fast nichts in mein' Vermögen
Und bin um und um voller Schulden,
Wann ich noch vor mich und mein Weib soll
geb'n einen Gulden!
Stiehl,
435 O mein Galli, du derfest weiter noch nit klagen,
Lass nur mich recht von der Armuth sagen :
Ich weiss weiter nit, was ich muss thain,
Weil ich mein Weib hab mit fünf Kindern daheim 1
Wo soll ich so viel Geld aufbringa?
440 Das kann ich weiter nit daschwinga.
Widak.
Ei Buben, mein Vater hat oft erzählt,
Wie Gott hätt versprochen uns auserwählt,
Dass der Messias in die Welt soll kommen,
Zu Trost und Erlösung aller Frommen :
138
445 Alsdann würden wir allhier auf Erden
Von aller Trübsal enthoben werden.
Stichi.
Ich hab oft g'hört reden dergleichen Wort' :
Mein Widak, weisst du aber die Zeit und das Ort,
Wann oder wo das soll geschehen,
450 Dass den Armen dieser Trost soll erstehen?
Widak.
Von einer Zeit ist niemals worden gemeld't,
Aber das Ort sei wohl dazu erwählt:
Bethlehem, die Stadt Davids, ist erkoren ;
Von einer Jungfrau sollt er werden geboren.
Galli.
455 Widak, ein närrischer Läpp bist drum wohl:
Sag, wie denn ein Jungfrau gebären soll?
Du weisst ja selbst und das ist gewiss,
Dass ein' Mutter nimmer kein' Jungfrau ist.
Stichi .
Ei Widak, ich muss auch deiner Einfalt lachen,
460 Bist ein alter Mann und glaubst solche Sachen,
Dass eine Jungfrau gebären sollt !
Widak.
Ei lacht mich aus, wie ihr nur wollt :
Wann Gott will, so muss es doch geschehen ;
Dann wir gewiss die Sachen keiner verstehen,
465 Es wird doch geschehen mit der Zeit:
Weil's die Propheten haben prophezeit.
Galli.
Widak, du hast recht, wenn nur bald auf Erden
Der Messias möchte geboren werden :
Das wurd uns grossen Nutzen bringen ;
470 P2i, wie wollten wir frohlocken und springen!
Widak.
Ei Buben, wie plagt mich heunt der Schlaf so sehr,
Ich will mich legen auf den grünen Wasen daher :
139
Lasst mich ein wenig napfezen und schlafen,
Ihr seid noch jung, thuet hüeten bei'n Schafen.
Galli.
475 Ich selber bin a \oller Schlaf:
Stichi, thu du a Weil hüten die Schaf.
Legen sich schlafen.
Gesang.
Die Hirten plaget der Schlaf so sehr,
Die zwei, die legten sich auf die Erd :
Der eine Hirt unter den Schafen,
480 Bis dass ein' Stimm vom Himmel kam :
Da thäten sie alsbald erwachen.
Engel singt.
Gloria in excelsis deo !
Stichi wacht auf und singt:
Mein, was ist das für a Sing,
So mich thut aufwecka?
485 Han ja g'hört a schöne Stimm :
Das Ding möcht am schrecka !
Gsprocha hat's recht schön und klar,
Als wann's a klein's Büaberl war:
Wann i wisset, was that sein, was that sein,
490 That's mich weiter a wohl gTreun.
Mein, was muss dann dieses sein,
Dass so hell thut werden :
Sich' von Weitem dort ein' Schein
Vom Himmel gar auf Erden 1
495 Das Ding blitzt und ist so rar.
Als wann's lauter Feuer war:
Das wirft mir a Furcht a an, Furcht a an,
Dass ich recht thu zittern schon.
IVeckt die Hirten ;
Widak, Galli, thut doch aufstehen !
500 Ich weiss nit, wie es heunt thut zugehen:
Wie ÖS könnt schlafen, das möcht ich wissen.
Buben auf, auf, das Lamberl hat der Wolf dabissen 1
Die beiden slehen auf.
140
Ei Bub'n, wie mögt's ös schlafen so fest?
Ich bin daweil voller Schrecka gewest:
505 Ich han g'hört a schön' und liebhche Stimm,
Das hat mir den Schlaf aus den Augen trib'n.
Dort gegen Bethlehem hat's a so a Lichten geben :
Mich wundert, wie ös habt so fest schlafen mögen.
IVidak.
Es hat mi a in Schlaf was g'schreckt,
510 Gleich eh' du uns hast aufgeweckt:
Mir ist gwest, als hört' ich singa,
That mir recht stark in Ohr'n a klinga.
Galli.
Ich weiss weiter nicht, wie mir ist geschehen,
Hat mir träumt, ich han a grosse Lichten g'sehen.
Stichi.
515 Bueb'n, mir ist mein Gemüth so ring,
Ich möcht schier gern a Liedl sing'.
si?2gt :
Es wird kaum sein Mitternacht,
Thuet's doch schon Tag werden :
Sehet, wie diese finstere Nacht
520 Weichet von der Erden.
Was muss 's doch bedeuten?
Aendern sich die Zeiten?
W^as meint ihr, was muss das sein, muss das sein :
Seht es kommt ein neuer Schein.
Fallen nieder.
Engel.
525 Ihr Hirten, nicht fürchtet euch diese Zeit!
Hört, ich verkündige euch grosse Freud,
So allem Volk widerfahren auf Erden,
Weilen euer Heiland that geboren werden,
Heunt Nacht zu Betlehem in Davids Stadt,
530 Wie die Propheten euch vorgesagt.
Der wahre Messias als ein kleines Kindelein !
Und dieses soll euch 'zum Zeichen sein:
141
Ihr werdet das Kind finden im Krippelein
Liegen im Stall zwischen Ochs und Eselein.
Wenn der Engel fott ist, stehen alle auf.
Galli.
535 Das sei Gott im Himmel Dank gesagt,
Weil er uns den Messias gemeldet hat!
Stiehl .
Nun, so wollen wir gleich nach Bethlehem gehen,
Dass wir das Wunder alldorten sehen.
IVidak.
Weil's liegt im Stall im Krippelein,
540 Wie der Engel gesagt, so wird's ganz arm sein:
So wollen wir dem Kind was schenken und uns
bequemen,
Etliche Hirtengaben mit uns zu nehmen.
Stichi.
Nun, ein Kreuzersemmel und ein Flaschel Milch
will ich verehren,
Damit ihn sein' Mutter auch kann leichter ernähren.
IVidak.
545 Ein schönes Lamm hab ich bei meiner Herd,
Welches das Kindelein gar wohl ist werth :
Das will ich gern aufs Kindl wagen.
Will's über d' Schultern hängen und mittragen.
Galli.
Ich will ihm verehren ein Ranzen voll Woll',
550 Dass man dem Kindl ein Bettl machen soll,
Und ein Zögerl voll Eier der Mutter zur Speis,
Und wollen's uns machen nun auf die Reis.
Widak.
Ihr Bueb'n seht alldorten ein Strohhaus :
Seht wie ein heller Glanz geht heraus 1
555 Darzue hört nur die liebliche Stimm,
Da wird das Kindlein sein darin.
142
Sticht.
Biieb'n, ich will allein schauen gehen,
Bleibt ihr davveil allda stehen.
Macht einen Sprung zurück totd singt:
Buebma, thuts bass nacha gehn,
560 S' Kind is g'wiss da diinna:
Lost, wia's musizieren schön.
Und die Engel singa.
Legts ab Huet und Stecka,
S' Kind möcht sich sonst schrecka !
565 Seid fein züchtig, gebts gut Acht, gebts gut Acht,
Dass keiner kein Unruh macht.
VVenn's hinein geht's, thuet es fein
Recht von Herzen grüssen :
Thuet dem kleinen Kindelein
570 G'schwind fallen zu Füssen.
Schenket ihm die Gaben,
So wir bei uns haben :
Bittet, dass es nehm' vorlieb, nehm' vorlieb,
Und uns gnädig sei dafür.
Galli.
575 Wir wollen anklopfen bei der Thür,
Vielleicht wird wohl wer kommen herfür:
Hallo, hallo, ist Niemand dann,
Der uns die Wahrheit zeige an ?
Joseph.
Mein liebe Hirten, was wollet ihr allhier,
580 Dass ihr anklopfet bei der Thür?
Galli.
Vater, thuet nicht ein kleines Kindelein,
Allda erst neu geboren sein?
Wir wollen es gern beten an.
Weil uns ein Engel gesagt davon.
Joseph.
585 Ihr liebe Hirten, es ist wohl allda das kleine Kind:
Weil es euch ist vom Hirten verkündt,
143
So geht nur in den Stall hinein,
Anzubeten das kleine Kindelein :
Maria, es kommen drei arme Hirten schon,
590 Sie wollen das Kindlein beten an.
Gesang.
Die Hirten fielen auf die Erd,
Sie beteten an das Kindlem werth,
Vor Freuden thäten sie weinen :
Sie opferten ihre Gaben auf,
595 Obwohl sie waren kleine.
GaUi.
Sei tausendmal gegrüsst, herzallerliebstes Kind !
Ach, wie in grosser Kälte dich in der Krippen find :
Wie elend und verlassen liegst hier im kalten Stall,
Aus Lieb herabgestiegen vom hohen Himmelssaall
600 Demüthig wir dich anbeten und sagen schuldigen
Dank,
Dass du uns nicht verschmähet, deine Ankunft
zeigt hast an.
Zum Opfer ich dir gebe ein g'ringe Hirtengab,
Ein wenig Eier und Wolle, weil ich nichts Bessres
hab.
Dazu mein Herz und Seele ich dir hiermit auch
schenk :
605 Mein letztes End befehle, sei meiner eingedenk.
O gnadenreiche Mutter, trag' Sorg vor's kleine Kind,
Bei ihm auch vor uns bitte, dass er verzeiht die
Sund.
M^idak.
Ach, sei von mir gegrüsset, Herr Himmels und der
Erden,
Dich als ein Kind hier finde mit Kalt und Ar-
muthbeschwerden :
610 Demüthig dich anbete und sage herzlich Dank,
Dass du zu allerersten uns deine Geburt zeigst an,
Durch den Engel verkündet die gnadenreiche Post,
Uns verächtlich armen Hirten verheben diesen Trost.
144
Zum Opfer ich dir gebe ein kleines Lämmelein,
615 Mein Herz auch darzu lege, herzliebstes Kindelein:
Ich leg's zu deinen Füssen, Besseres hab ich nit,
Wollst es doch nicht verschmähen , das bitt ich
inniglich.
O hebreichste Jungfrau, gebenedeit und auserkoren,
Von andern Weibern allen, den Heiland hast geboren.
620 Ich dir mich anempfehle, dein allerliebstes Kind,
Bei ihm uns auch erhalte Verzeihung unsrer Sund I
Sticht,
Sei auch von mir gegrüsset herzHebstes Kindlein
zart!
Gewickelt in schlechte Windlein liegst in dem Heu
so hart,
Im kalten Stall allhier, im scharfen Wind und Frost,
625 Uns schlecht und armen Hirten verleihe diesen
Trost;
Deine Geburt hast verkünden lassen vom Engel dein:
Ich bitt , herzliebstes Kindlein , du wollest uns
gnädig sein!
Ein' Semmel ich dir gebe wie auch ein Fläschlein
Milch,
Bitt, wollest vorlieb nehmen ! Mich in dein Schutz
befelch :
630 Herzallerliebste Jungfrau und Mutter Gottes rein,
Bitt dein herzliebstes Kindlein , dass's uns woll'
gnädig sein.
Maria.
Ihr, mein liebe Hirten, ich sag euch gleichfalls Dank,
Dass ihr zu uns seid kommen wie auch für das
Geschank.
Gott wird euch dies belohnen, glaubt es, ihr Hirten
mein,
635 Dann dies mein liebstes Kindlein thut Gottes Sohn
selbst sein.
yoseph.
O ihr meine liebe Hirten, ich sag euch gleichfalls
Dank,
145
Dass ihr zu uns seid kommen wie auch für das
Geschank.
Gott hat euch dies verkündet durch seine Engel
gleich,
Davor wird er euch segnen, geben das Himmelreich.
Galli,
640 Auch ihr, o lieber Vater, nur euren Fleiss nit spart,
Gebt Acht aufs kleine Kindlein und auf die Mutter
zart ;
In eurer schlechten Herberg geb euch Gott Gnad
und Stärk ;
Vor unsre schlechten Gaben den Willen nehmt
vor's Werk.
Gehen vom Stall zurück.
Stichi.
Ihr Bueb'n, wie ist mir mein Herz so ring,
645 Ich möcht vor Freuden a Liedl sing\ Singen,
Stichi.
Wie mag doch das liebe Kind
Im kalten Stall schlafen.
Galli.
Mein Herz war mit Lieb entzünd't,
Wie es uns thät anlachen.
Widak.
650 Sein Köpflein thät's neigen,
Sich uns liebreich zeigen.
Alle.
Lass uns, liebreichs Kindlein, dein, Kindlein, dein
Ewig, ewig, ewig sein.
Stichi.
Mein Herz ist dir völlig geschenkt^,
655 Leg's zu dir ins Kripplein.
Galli.
Mich völlig in dich versenk,
O herzliebstes Kindlein.
Volksschauspiele. lO
146
Widak.
Ach, könnt ich mit meinen Schafen
Allezeit bei ihm doch schlafen.
Alle.
660 Lass uns, liebreichs Kindlein, dein, Kindlein, dein,
Ewig, ewig, ewig sein.
Stichi.
Leib und Seel, All's was ich hab,
Sei dir übergeben.
Galli.
Dich wir lieben bis ins Grab,
665 In dem Tod und Leben.
Widak.
Lass uns nichts verüben.
So dich möcht betrüben.
Alle.
Lass uns, liebreichs Kindlein, dein, Kindlein, dein.
Ewig, ewig, ewig sein.
Galli.
670 Ei Bueb'n, so ich recht thue denken nach.
So ist ja das ein' Wundersach,
Dass er hat wollen geboren werden in dem Stall,
Und hat doch königliche Paläst' überall.
Leid't lieber Mangel, Frost und Kalt,
675 Der doch der wahre Messias und Heiland der Welt.
Widak.
Vielleicht hat er dies alles wegen uns Menschen
gethan,
Dadurch seine grosse Lieb uns zu zeigen an,
Und uns darbei ein Exempel zu geben,
Dass wir auch alle Hoffart und Pracht sollen
ablegen,
680 Um den Schlangenbiss zu heilen auf diese Weis,
So wir bekommen haben im Paradeis.
147
Stichi.
Ei, wenn wir aber dies andre Leuten werden sagen,
Was heunt geschehen und sich mit uns zugetragen,
Kein Mensch wird uns glauben in diesen Sachen,
685 Unsre Nachbarn werden uns auslachen.
Galli.
Ei, diese Wundergeschicht kann ich nicht verhehlen,
Sondern will gleich morgen meine Reis anstellen
Nacher Jerusalem in die Stadt
Und will anzeigen, was sich zugetragen hat.
Widak.
690 Ei, was wolln wir's lassen auf morgen anstehen.
Wir wollen viel lieber heunt noch gehen.
Gehen ab.
Engel.
Nun haben wir gesehen und vernommen,
Wie die Hirten zu Bethlehem seind ankommen:
Wollen vernehmen vom hellglänzenden Stern,
695 So die König' berufen hat von fern:
Sich mit Gaben versehen, in Stall eingingen.
Das Jesukindlein mit Freuden empfingen,
Opferten ihre Schätz' alldorten auf,
Rothes Gold, Myrrhen und Weihrauch.
700 Nach solchem sie vom Engel vernommen.
In der Zurückreis nicht zu Herodes zu kommen :
Sollten sich begeben auf andere Strassen,
Weil Herodes das Kindlein wollt tödten lassen,
Dann Herodes fürchtet sich nicht wenig,
705 Weil er ein fremd und ein gekaufter König,
Wann ein andrer Judenkönig wurd' geboren auf
Erden,
Dass er von seinem Reich möcht Verstössen werden :
Wie auch ferner Joseph auf Engels Geheiss
Von Nazareth ins Egypten gereist.
710 Darauf auch Herodes Unerhörtermassen
Alle Knäblein in Judäa hat tödten lassen.
Welches vorzustellen sein wir bereit :
Bitten uns noch zu schenken eine kleine Zeit.
10*
148
Die drei Könige mit den Sterndeutern.
König Melcher.
Mein Quadrant, Kompass und all' Instrument
715 Ist vonnöthen zu nehmen vor die Hand;
Des Himmels Glob' ich auch nicht vergess,
Weil scheinet ein Stern, so schön nie gewest:
Wie Venus mit der Sonn sich conjungirt ;
Darneben etwas Andres ist formirt
720 Von grossem Glanz überaus schön:
Von wem mag dies Gestirn entstehn?
Es ist gelegen von uns nicht so weit,
In Wahrheit dieses was Hohes vorbedeut.
Recht zur Mitten stehet eine Jungfrau,
725 Ein Kindlein sie traget, wie ich's beschau;
Das Gestirn auch an kein' Ort still thut stehen,
Sondern nur immerfort nun thut gehen.
Pilicardus, könnt ihr ein solches nicht zeigen an,
Was Ursach ein so seltsamer Stern ist aufgang' ?
Pilicardus.
730 Ihr' Majestät, so viel ich erkenn und davon kann
sagen,
So ist der Stern, von dem der Prophet thät vortragen :
Aus Jakob werden Stern' ausgehen schnell.
Und eine Ruth entspriesset aus Israel,
Die wird schlagen die Fürsten der Moabiten,
735 Auch die Kinder Seth und ganz Idumeen ;
Israel wird sodann mächtig werden gesehen :
So aus dem Geschlecht Jakobs wird entstehen,
Der wird sodann herrschen, und die sich empören,
Wie auch alle seine Feind' zerstören :
740 So ich erkenn aus diesem Sternenschein,
Dass der nämliche jüdische König müsste geboren
sein.
Melcher,
Ich glaube auch, was der Prophet gezeigt an,
Dass seie in jüdischen Landen jetzt erfüllet schon.
Soll dieser Judenkönig sich so mächtig befinden,
745 Ist's billig, dass wir uns zeitlich mit ihm verbinden,
149
In steter Freundschaft mit ihm zu leben :
Will mich sodann gleich auf die Reis begeben,
Ihn anzubeten als König und Herrn.
Aber mit was für Gaben sollen wir ihn verehr'n?
750 Weilen er sollt sein ein König Himmels und der
Erden,
Ihme rothes Gold sollt geopfert werden :
Eine ansehnliche Summa will ich mitnehmen,
Mich also gleich zur Reis bequemen.
K'ö7iig Balthasar.
Ach, was vor ein neuer Stern, so uns ganz unbekannt,
755 Ist aufgegangen im Morgenland;
Und zu uns im schnellen Lauf ist kommen her,
Als wann selber eigentlich gesendet war.
Solches Gestirn und Wunder zu ersehen
Thät ich auf die Strassen hervorgehen,
760 So von ungewöhnlichem Glanz und Schein:
Darin eine Jungfrau, tragend ein Kindelein,
Welches mich voll Wunder ganz begierig thut an-
leiten,
Zu wissen, was dieser Stern möcht bedeuten.
Burcardus, könnt ihr mir solches nicht zeigen an,
765 Was wohl in dem Gestirn zu erkennen sein kann?
Burcardus.
Ihr' Majestät, mit Wahrheit zu gestehen,
So viel ich in dem Gestirn thue ersehen,
Dass die Prophezeiung nun erfüllet sei,
Von welcher der Prophet bekennet frei,
770 Dass zu selber Zeit wurd' aufgehen ein Wunderstern,
Wann eine Jungfrau wurd' zur Welt gebär'n
Den wahren Messias in jüdischen Landen:
Das wird durch diesen Stern verstanden,
Dass dieses Kind geboren ist nun gewiss,
775 Welches ein Herr Himmels und der Erden ist.
Balthasar.
O Wunder, von welchem ihr mir thut sagen,
Hat sich in jüdischen Landen zugetragen :
So ist es die höchste Billigkeit,
Dahin zu reisen uns zu machen bereit,
780 Diesen neugeborenen König und Herrn
Dort anzubeten und zu verehr'n,
Weilen er ein Gott und König Himmels und der Erden.
Ich erhoff, er sollt mir hold dadurch werden,
Will ihm verehren die bittern Myrrhen,
785 Wie es bei Königen sich will gebühren;
Will also mit höchster Sorg und Fleiss
Mich morgen begeben auf die Reis.
Burcardus, euch befiehl ich das Regierungs-Regiment,
Bis diese Reis wird gebracht werden zu End.
König Kaspar:
790 Ach, was vor ein grosses Wunder ist zu ersehen,
Ach, was vor ein hell glänzender Stern thut aufgehen,
So in den jüdischen Landen ist gesehen
Und zu uns gelaufen, hier still thut stehen !
Von ungewöhnlichem Glanz hell ist das Gestirn,
795 So g'wiss ein gross Geheimniss mit sich thut führ'n.
In Mitte des Sterns sehe ich ein Kindlein an.
So auf dem Haupt tragt eine goldne Krön,
Auch ein goldenes Kreuz sein Scepter war.
So glänzet als wie die Sonnen klar.
800 Hier still steht's, als wollt's uns selber rufen.
Drum ich die Gestirnverständigen thät ersuchen :
Also dann Prudentius uns anzeiget frei,
Was wohl unter diesem Stern verborgen sei.
Prudentius .
Ihr' Majestät, es bringt uns sehr grosse Freuden,
805 Indem nun gewisslich vorhanden jene Zeiten,
Wie bei dem Propheten ist zu sehen,
Welches Ihro Majestät selbst wohl verstehen,
Dass von einer Jungfrau sollt geboren werden
Der wahre Messias, König Himmels und der Erden :
810 So gewiss in jüdischen Landen nun ist geschehen,
Weilen dieser lang versprochene Stern thät aufgehen.
Alle es nun auch selbst bekennen frei,
Dass dieses der wundervolle Stern sei.
151
Kaspar.
O Wunder gross, o höchste FröhHchkeit,
815 Weil einmal ankommen diese Zeit,
Und der versprochene König ist geboren,
So die Propheten verkündigt lang zuvorn ;
Solches Gestirn uns nun weiter anzeigt,
Diesen neugeborenen Messias zu honoriren anheut :
820 Solches uns kundbar machet diese Geschieht,
^ So die Juden fast halten vor ein Gedicht.
Drum mich reisefertig will machen morgen zu Tag,
Suchen, ob ich solches Kind erfragen mag.
Aber was vor Gaben sollen wir ihm offeriren,
825 Damit dass wir genug ihn möchten veneriren?
Weilen selber ein König Himmels und der Erden,
Ihme Weihrauch soll geboten werden.
Mit solchem Opfer wollen wir uns versehen :
Verhoffe, damit bei dem Kind zu bestehen.
Egistiis kommt:
830 Ihr' Majestät, es kommet fremdes Volk herein:
Sie scheinen von königlichem Stamm zu sein,
Verlangen von Ihro Majestät Audienz,
So ihnen ertheilt wurd' die Lizenz.
Kaspar.
Lasset selbe kommen gleich und behend
835 Zu uns anhero in das Losament.
Egistus.
Unsre Majestät dero Gegenwart begehren,
Ihre Intentionen zu erklären.
Kaspar.
Euer Lieb', seid gegrüsst, weil selbe uns beehren,
Zu uns zu kommen; was wird sein das Begehren?
Melcher.
840 Eurer Lieb solle hiermit gedanket sein,
Unser Sinn steht in das jüdische Land hinein.
Nachzufolgen diesem Gestirn,
So uns an das begehrte Ort wird führ'n.
152
Kaspar.
Eben dieses Gestirn, o wundervolle Sachen,
845 Leitet an uns auf die Reis zu machen,
Den neugebornen König zu suchen und zu verehren,
So uns angedeutet durch diesen Stern.
Balthasar.
Sie seien gegrüsst unbekannter Weis,
Weil mich anhero geführt hat die Reis,
850 Welche ich nacher Jerusalem mache hinein,
Zu folgen diesem hell glanzenden Sternschein.
AI elcher .
Dieses ist auch die Ursach eben.
Warum wir uns auf die Reis begeben.
Da das jüdische Volk thät im Land Moab liegen
855 Und König Ballak wollt wider sie obsiegen.
Beruft selber den Propheten, that ihn ersuchen,
Er sollte das jüdische Volk verfluchen ;
Und da er solches Volk sollte vermaledeien,
Thäte selber es davor benedeien.
860 Gesprochen : es wird ein Stern ausgehen aus Jacob
schnell
Und eine Ruth entspriessen aus Israel,
Israel wird sodann mächtig werden
Und seine Feind' zerstören auf Erden :
Zeigt uns also dieser hell glänzende Sternschein,
865 Dass solcher Herrscher nun thuet geboren sein.
Balthasar.
Eben dieses hat uns auf den Weg gebracht,
So vor ein gewisses Zeichen wird geacht,
Dass dieser Stern andeutet den Heiland,
So in die Welt ist kommen ganz unbekannt:
870 Den wir zu suchen heftig begehren,
Solle uns keine Mühe noch Weg verwehren.
Kaspar.
Nun wohlan dann , so wollen wir diese Reis mit
Freuden
^53
Fangen an I Mit grosser Verwunderung thuet an-
sehen:
Der Stern thut uns schon vorgehen,
875 Wo wir beglückt können hinreisen,
Weil selber uns den Weg thut weisen.
Melcher.
Ach, was grosse Wunderthat
Uns Gott auf dieser Reis schon erzeiget hat
Durch diesen hellglänzenden Sternenschein :
880 Mit Gottes Gnad wir schon ein' weiten Weg ge-
reiset sein.
Weilen wir kommen ins jüdische Land allgemach
Dem Kindlein wir wollen fleissig forschen nach.
Balthasar'.
Aber wie, will uns der Stern nun ganz verlassen?
Unbekannt seind uns alle Weg und Strassen.
Kaspar.
885 Mein Rath war, wir sollten von der Reis abstehen,
Und nacher Jerusalem in die Stadt hingehen,
Uns zu erkundigen wegen des Kindlein,
Wo es möcht anzutreffen sein.
Gesang.
König Herodes höret die Mär,
890 Erschrecket über dieselbe sehr.
Brächt ihm sehr grosse Schmerzen :
Bedächt wie das Kindlein zu töten war,
In seinem falschen Herzen.
Herodes ko7nmt:
Glückselig über glückselig kann ich mich schätzen,
895 Weil ich mein Reich vor Feinden thät in den
Ruh'stand setzen,
Dann Alle, die ich glaub mir nach dem Reich
zu streben.
Die Alle seind von mir worden gebracht um's
Leben.
154
Mein eigener Schwiegervater, der ist nun umge-
bracht,
Auch zweiundsiebzig Herren, die Vornehmsten der
Stadt ;
900 Unter dem Schein der Freundschaft hab meines
Schwiegervaters Sohn
Ins Bad lassen einladen, ihn dort ertränket dann.
Hab also all' meine Feind' hinrichten lassen,
Weiss auch Niemand jetzt, der mich sollt hassen.
Jetzt will ich mein Reich erst recht fangen an,
905 Dann ich bin ja ein glückseliger Mann.
Profus kommt:
Ihr' Majestät, es kommt fremdes Volk herein,
Sie scheinen auch von sehr hohen Stammen zu
sein.
Herodes.
Erforsche allsobald, wo sie herkommen,
Welche selbe seind und was sie ihnen haben vor-
genommen.
Protus geht ab.
Herodes.
910 Wer sollen denn von hohen Stammen,
Wie der Bediente meldet, anher kommen?
Mit Erstaunung bin ich beflissen
Die Ursach dessen bald zu wissen.
Protus kommt:
Ihro Majestät, sie melden, von königlichen Stammen
seien sie geboren.
915 Zwei kommen von Saba, der Dritte aus dem
Land der Mohren,
Begehren zu begrüssen Ihro königliche Majestät,
So ihre Bitt stattfinden möcht.
Herodes.
Lasse sie kommen insgesammt behend
Zu uns anhero in das Losament.
155
Protus mit den Königen;
920 Unser königliche Majestät dero Gegenwart thut
begehren,
Dero Intentionen ihme zu erklären.
Ihr ödes. ■
Willkomm', ihr hochweise Herrn i Wie ist das be-
wandt,
Dass selbe zu uns kommen von so fremden Land?
M elcher.
Ihro Majestät, die Ursach unserer weiten Reis
925 Thuet geschehen, weil wir mit höchstem Fleiss
Den neugebornen Judenkönig zu wissen begehren,
Zu deren End wir kommen, ihme zu verehren.
Her ödes .
Wie, ihr hochweise König' und Herrn,
Einen neuen Judenkönig seid ihr gekommen zu
verehr'n ?
Balthasar.
930 Ihro Majestät, zu Saba in unseren Landen
Ein ungewöhnlich Gestirn ist entstanden,
Darinnen ein' Jungfrau thät ein Kindlein tragen 1
Merkt wohl, was ich thue zu euch sagen :
Daraus wir erstlich haben vernommen,
935 Dass der wahre Messias seie angekommen,
So denen Juden im Gesatz versprochen war,
Deme auch zu dienen schuldig das jüdische Heer :
Zu solchem End ist angestellt unser Reis,
Und suchen wir ihn mit höchsten Fleiss.
Herodes.
940 Hat sich dieses zugetragen hier zu Land,
Und euch Fremden besser und mehr als uns be-
kannt,
Wo ihr vielleicht wohl könnet irren?
Saget an von dem Gestirn,
Wann selbes aufgegangen und erschien,
945 Denn dies sein grosse Wunderding.
156
Kaspar.
Ihr' Majestät, wir können mit Wahrheit sagen,
Dann es erst geschehen vor etlichen Tagen,
Dass der Stern ist aufgangen im jüdischen Land
Und zu uns gelaufen, als wäre er gesandt:
950 Als wir uns aber begeben auf die Reis,
Ist selber mit ausgegangen, hat uns den Weg ge-
weist,
Bis wir sein kommen gegen Jerusalem zu der
Stadt :
Sich selber unsren Augen entzogen hat.
Herodes zu Protus und dann zu den Hohepriestern :
Protus, rufet herein die Hohenpriester und Schrift-
gelehrten,
955 Will mich erkundigen, wo dieser Judenkönig soll
geboren werden. —
Ihr sollet allsogleich auf mein Begehren
Mit Kurzem sagen und aus der Schrift erklären,
Auf was vor einem Ort auf Erden
Der neue jüdische König soll geboren werden 1
Erster Hohepriester.
960 Ihro Majestät, mit Wahrheit es zu sagen.
Wie wir aus den Schriften der Propheten ver-
nommen haben,
Dass der Prophet Michea Etwas andeut,
Da er's mit kurzen Worten beschreibt:
Du Land Juda, darinnen Bethlehem klein,
965 Du thuest nicht die geringste unter den Städten
Juda sein,
Weilen der Herzog allda ausgehen will von dir,
So sein Volk in Gerechtigkeit regieren wird.
Zweiter Plohepriester,
In dem Geschichtbuch der Königen also steht.
Wie bei dem Psalmisten der Vers geht :
970 Sein Sohn wird besitzen die Thüren seiner Feind',
Auch alle, die ihm zuwider seind;
Viel Volk wird ihm nachfolgen auf Erden,
Viel in seinem Namen gesegnet werden.
157
Sein Namen wird sein Emaniiel,
975 Wie es klärlich bezeuget Ezechiel ;
Rein' Butter, rein' Honig wird er essen,
Das Gute erwählen, das Böse vergessen.
Herodes,
Ihr hochweise Herrn , nun haben Sie verstanden
wohl,
Dass der neue Judenkönig zu Bethlehem geboren
werden soll,
980 So ein Städtlein, drei Stunden von hier gelegen.
Wo sich alldahin verfügen mögen :
Jedoch wollen sich selbe bequemen
Heunt Nacht bei mir vorlieb zu nehmen.
Morgen Sie sich zeitlich aufmachen künnten
985 Alldorten dieses Kind zu finden,
Nachdem Sie so grosses Verlangen haben,
Es anzubeten und zu begaben.
In der Zurückreis lassen Sie mir es auch wissen.
Damit ich auch kann sein beflissen
990 Es anzubeten und zu verehren :
Das ist meine Bitt, ihr hochweise Herren.
M elcher.
Wir danken Ihro Majestät für so grosse Ehren
und Gnad,
Dass selbe uns solche Information gegeben hat
Und wollen uns gleich begeben auf die Reis.
Balthasar.
995 Sehet, wie der Stern uns wiederum auf ein Neu's
Beginnet zu leuchten und aufzugehen :
Gott wird uns auf der Reis beistehen. K'ö7iige ab.
Herodes .
Diese Zeitung erschrecket mich gewiss nicht wenig,
Dieweilen ich ein fremd' und kein rechter König;
1000 Sollt ein anderer König sein geboren.
So ist es gewisslich mit mir verloren.
Wie aber kann und mag das möglich sein,
Dass ein' Jungfrau sollt gebären ein Kindelein?
158
Erster Hohepriester.
Das Weib die Schlang wird treten nieder,
1005 All's, was verloren, bringen wieder.
Herodes.
Sollt ein neuer Judenkönig sein geboren auf
Erden,
Wo ich vielleicht von meinem Reich würde Ver-
stössen werden ?
Solle selber wohl auf dem Thron Davids regieren,
Auch allda gleich andern, Kron und Scepter
führen?
loio Dadurch könnte ich werden in das Verderben
bracht !
Darum will ich bei Zeiten sein auf andere Wege
bedacht.
Zweiter Hohepriester.
Ihr' Majestät, dies wird nicht geschehen,
Dass Ihr Reich dadurch zu Grund sollt gehen :
Es ist oft ein neuer König entstanden
10 15 Der doch keine Gewalt gehabt in Händen.
Herodes .
Ich befürchte aber, er möcht auf Erden
Mir mit der Zeit zu mächtig werden ;
Darum solle man nichts versäumen.
Einen solchen bei Zeit aus dem Weg zu räumen,
1020 Wo anjetzo die schönste Gelegenheit,
Weil zu ihm kommen Könige allbereit.
Gleich wie ich heunt auch hab vernommen,
Dass ein Engel zu'n Hirten auf das Feld sei
kommen,
So ihnen verkündet und Zeitung gebracht,
1025 Wie Gott als Mensch geboren war bei der Nacht,
Welches ist noch ganz Wenigen bekannt
Anjetzo in dem jüdischen Land.
Solle es offenbar werden, könnt es wohl ge-
schehen,
Dass möcht ein grosser Streit entstehen :
159
1030 Darum will ich kein' Zeit verpassen,
Dieses Kind mit Lust umbringen lassen.
M elcher mit de7i Königen und Egistus :
Nun sind wir auch ankommen in Bethlehem, der
Stadt,
Wie wir zu Jerusalem vernommen und Herodes
uns gewiesen hat:
Anjetzo thut es höchst nöthig sein
1035 Fleissig nachzufragen nach dem kleinen Kindelein.
Kaspar.
In dem schönsten Palast wird es wohl sein zu
finden :
Wann wir es nur bald wissen künnten 1
Egistus, an allen Orten forsche nach,
Und uns bald wiederum die Nachricht sag. —
1040 Aber wie glückhch kann sich schätzen das Volk
in diesem Land,
Weilen ihnen Gott einen König vom Himmel
gesandt 1
Auch wir sind glückselig von wegen des hell-
glänzenden Stern,
Der uns den Weg gewiesen und berufen hat
von fern,
Indem wir ein' so weite Reis vollbracht in wenig
Tagen ;
1045 Bin begierig, um zu wissen, was wird Egistus
sagen.
Egishis kommt wieder:
Ihr' Majestät, gleich wie ich den Befehl gehabt,
Habe ich nach dem neugeborenen König der
Juden gefragt,
In den schönsten Palästen , bei Gemeinen , ja
überall,
Wie auch sogar im königlichen Saal :
1050 Ich aber gar nichts erforschen kunnt.
Sondern bei allem Volk grosse Verwunderung
entstund.
1 6o
Kaspar.
Ach Gott , zeig uns dein göttliches Kind , willig'
in das Begehren,
In Lieb wir gegen ihn entzündt , es würdigst zu
verehren.
Balthasar.
Sehet, der Stern thut neben der Stadt hin
marschieren,
1055 Als wollt uns selber noch weiter führen,
Welcher uns an das rechte Ort wird führen ge-
wiss,
Der schon lang unser Wegweiser gewesen ist.
Melchcr.
Der Stern thut still stehen, was soll wohl dies sein,
Als wollt er uns zeigen das kleine Kindelein ;
1060 Sehet, wie er hinwirft die Strahlen und seinen
Schein !
Ach, sollte denn in dieser Hütten das kleine
Kindlein sein?
Kaspar.
Sehet aus der Hütten kommen einen freund-
lichen Mann,
Der wird es gewisslich wissen, ich will ihn sprechen
an. Joseph kommt.
Grüss euch Gott, lieber Vater! Zeigt an die
Wahrheit mir,
T065 Ob nicht ein kleines Kindlein geboren worden
hier.
Welcher der wahre Messias und Judenkönig war,
Denn dieser helle Stern hat uns geführet her.
Joseph.
Dank Ihnen Gott, ihr hochweise Herrn,
Weilen selbe anhero geführt worden durch diesen
Stern :
1070 Es ist wohl allhier dieses begehrte Kindlein.
Aber was ist das Begehren? Was thut dero
Willen sein?
6i
Balthasar.
Lieber Vater, wann wir Erlaubniss hätten,
Wir sind anhero kommen, solches anzubeten.
Joseph.
Meiner lieben Maria will ich es ansagen gehen,
1075 Sodann kann solches schon geschehen.
Mekher.
Nun wollen wir uns würdigst darzu bereiten,
Das Kindlein anzubeten mit grossen Freuden.
Joseph.
O meine Maria, es seind vor dem Stall drei
hoch weise Herrn,
Welche das Kindlein anzubeten begehr'n.
Alaria.
1080 Mein lieber Joseph, lasset selbe nur kommen
herein,
Anzubeten das kleine Kindelein.
Joseph.
Ihr hochweise König' und Herrn,
Dieweilen das Kind anzubeten ist Ihr Begehren :
So es Ihnen beliebig zu gehen herein,
10S5 Es liegt im Stall im Krippelein.
Mdcher.
So wollen wir gehen in Gottes Nam',
Das neugebome Kindlein zu beten an.
Kaspar.
Grüss euch Gott, o würdigste Mutter mein !
Ist hier zu finden das geliebte Kindelein ?
Maria.
1090 Allhier ist das begehrte Kindelein,
Gewickelt in schlechte Windelein.
Melcher.
Sei tausendmal gegrüsset , du König Himmels
und der Erd,
Vollcsschauspiele. II
l62
Ach, wie liegst von grosser Kalt und Armuth du
beschwert!
Weil du uns hast berufen durch deinen Sternen-
schein:
1095 Ich bitt, herzliebstes Kindlein, du wollest uns
gnädig sein.
Zum Opfer ich dir gebe hiermit nun rothes Gold,
Mein Herz ich darzu lege , erhalt's in deiner
Huld,
Mein Land und Leut befehle : AU's was ich hab
und bin,
Herr Himmels und der Erden, in deinen Schutz
aufnimm.
Balthasar.
1100 Sei auch von mir gegrüsset, herzliebstes Kindlein
klein,
Hast uns aufgehen lassen dein' lichten Sternen-
schein,
So uns zu dir geführet in diesen Stall herein ;
Alle Ehre dir gebühret, ach, thu uns gnädig sein :
Ich opfere bittere Myrrhen, betracht' dein' Sterb-
lichkeit,
1105 Hiemit dir auch befehle zu Haus mein Land
und Leut.
Kaspar.
Ach , sei gegrüsst , o grosser Gott , o kleines
Kindelein :
Was leidest du vor Kalt und Frost in diesem
Krippelein I
Vom Himmel bist gestiegen, allein uns Menschen
z'lieb,
Dein' Gottheit ich erkenne, ^Veihrauch zum Opfer
ich gieb,
IMG Darzu ich auch thue legen mein Herz , mein
Leib und Seel :
Was ich zu Haus verlassen, Alls deinem Schutz
befehl.
163
Maria .
Ihr drei hochvveise Herren, ich sag demüthig Dank,
Vor die so grossen Gaben und reichhchen Ge-
schank !
Glaubt's, ihr hochweise Herren, mein Kind ist
gewisslich Gottes Sohn.
1115 Damit er die Welt erlöse, hat er die Menschheit
angenomm',
Drum muss er in der Jugend schon leiden Angst
und Noth,
Wann er wird sein erwachsen, sterben einen
bittern Tod.
M elcher.
Sollt das klein und göttlich' Kind auf Erd' so
viel ausstehen.
Nur wegen der Menschen Sund, thut mir zu
Herzen gehen.
Balthasar .
II 20 Urlaub wollen wir nehmen von dem Kindelein
Wie auch von Maria, der Mutter sein.
Melcher.
Es behüt euch der allmächtige Gott
Vor Angst, Kummer und aller Noth:
Ich bitt, herzliebstes Kind, wollst mir gnädig sein,
II 25 Damit ich Gnade find; bitt vor mich, Jung-
frau rein.
Balthasar.
Behüt dich Gott, herzliebstes Kind,
Ich bitt, verzeih mir meine. Siind:
Auch bitte für uns, o Jungfrau rein
Bei dein' herzliebsten Jesulein.
Kaspar.
II 30 Behüt dich Gott, herzliebstes Jesulein,
Behüt euch Gott, o liebste Jungfrau rein :
Weil's muss geschieden sein, ich euch noch anbefehl,
Diese unsere Reis, wie auch Herz, Leib und Seel.
II *
164
Auch bitte ich, o liebster Joseph mein,
1135 Lass dir das kleine Kind und seine Mutter be-
fohlen sein.
Joseph.
Ich sag euch Dank, hochweise Herrn:
Weilen euch Gott so wunderlich hieher geführt durch
seinen Stern,
Wird er euch gewisslich niemals verlassen,
Auch glücklich nach Haus führen eure Weg' und
Strassen.
Kaspar.
1140 Ach, ich weiss nicht, was dies sein sollt,
Länger ich noch gern hier bleiben wollt:
Mein Herz hat völlig genommen ein
Das allerholdseligste Kindelein.
M elcher.
Ich erkenn, das Kind ist der grosse Gott,
1145 Der Himmel und Erden erschaffen, leidet so
grosse Noth,
Liegt in dem Stall im Krippelein :
Ach, was thut das vor ein' Demuth sein !
Wie freundlich es uns lachet an !
Ich seiner nimmer vergessen kann.
Balthasar.
1150 Nun wollen wir auch Herodes diesen Gefallen
erweisen,
Weilen wir wiederum nach Jerusalem gesinnt zu
reisen.
Wo das Kindlein zu finden, ihm zeigen an.
Damit er auch kommen und es anbeten kann :
Dort wollen wir bleiben heunt über Nacht,
II 55 Dieweil die Zeit der Finsterniss herbei kommt
allgemach. Alle ab.
Engel erscheint den schlafenden Königen und spricht:
Vernehmet, ihr hochweise Herrn,
Gott hat euch hergeführt durch seinen Stern,
'65
Welcher euch aber nunmehr verlassen :
Darum suchet ein' andern Weg und Strassen
II 60 Und kehret nicht bei Herodes ein,
Denn er eines falschen Sinnes thut sein,
Weil er ist Willens, thut dahin streben,
Dass er dem Kindlein möcht nehmen das Leben :
Drum suchet ein'n andern Weg aus,
1165 Damit ihr kommt glücklich nach Haus. Af?.
Melcher.
Ihr Herrn, eine seltsame Stimm hab ich im
Schlaf vernommen,
Mir war, als sehe ich einen Engel Gottes kommen,
So gesprochen : Ziehet nicht zu Herodes hin,
Denn er hat einen falschen Sinn,
1170 Er thut nur trachten und dahin streben,
Wie er dem Kindlein nehm' das Leben:
Drum wollen wir ziehen einen andern Weg aus
Und vermeiden des falschen Herodes Haus.
Kaspar,
Dieses alles hab auch ich vernommen:
1175 Herode, zu dir wir gewiss nicht kommen,
Bei dir einzukehren sei von uns weit,
Dieweil dein Herz steckt voll Bosheit. Alle ah.
Etigel mit yoseph und Maria, spricht:
Joseph, von Gott ich dir verkünd',
Wie du mit Maria und dem Kind
II 80 Dich sollst aufmachen alsbald zuhand
Und ziehen in das Egypterland :
Auch allda verbleiben, bis ich dir's werd sagen,
Denn es wird geschehen dieser Tagen,
Dass Herodes sucht das Kind zu tödten,
1185 Drum sollst es mit der Flucht erretten. Ab.
Joseph.
O Maria, mir hat ein Engel von Gott verkünd' t,
Wir sollen ins Egypterland reisen geschwind,
Herodes will unser Kindlein tödten lassen,
So wolln wir uns begeben auf die Strassen. Beide ab.
i66
Her ödes mit Soldaten und Protus, sagt:
1 1 90 Bei Jovis dem Gott 1 Bin ich worden betrogen !
Wie haben mir die drei Weisen vorgelogen,
Weilen sie nicht mehr zu mir seind kommen,
Da ich doch von diesem Kind auch ein Neues
vernommen,
Wie Simon der Prophet und Anna in ihren alten
Tagen
II 95 Von diesem neugebornen Kindlein thäten weis-
sagen ,
Dass es seie der wahre Messias und Juden-
könig,
Welches mich in meinem Gemüth nicht kränket
wenig :
Will Alles anwenden und sein beflissen.
Das Kindlein werde mir sterben müssen,
I2 00 Damit ich es nun kann gewiss bezwingen:
Alle Knäblein in Judäa will ich lassen um-
bringen.
Ihr Soldaten, euch befehl ich nun,
Dass ihr im ganzen Lande herum
Sollt gehen tödten die Knäblein all',
1205 Die da seind unter der andern Jahreszahl!
Lasst euch bestechen mit keinen Gaben,
Sonst kostet's euer Leben, ich thu euch's vorher
sagen.
Keines ausgenommen, tödtet alle gleich,
Sie seien hernach arm oder reich.
Erster Soldat.
12 10 Ihr' Majestät, ich bitt um Gnad wegen meinem
Kindelein,
Dass es von solchem Mandat möchte befreiet sein.
IT er ödes.
Wie, willst du meinem Befehl widerstreben ?
Das soll dich kosten dein Leib und Leben.
Es ist ja besser, dass alle Kinder sterben,
12 15 Als dass wir auch sammt ihnen verderben.
167
/tvciter Soldat.
Ach weh des scharfen Befehls, so ist gegeben,
Ihr' Majestät Macht hat unseres Leben :
Soll ich selbst tödten mein Kindlein klein,
Ich bitt, Ihr' Majestät wollen barmherzig sein,
Ihr ödes.
1220 Dieser Mensch sollt' des Todes schuldig sein,
Alsbald ins Gefängniss ihn werfet ein! Gehen fort.
Sollt ihr mich vielleicht wollen corrigiren?
Das will sich einem Könige nicht gebühren.
Kämmerling, habe Acht, ob keine Zeitung ein-
gelotfen,
1225 Wie es meine Soldaten haben im Streit getroffen,
Ob sie umgebracht alle Knäbelein,
So in meinen Landen geboren sein.
Prot US.
Ihr' Majestät, so viel ich hab vernommen.
Sein selbe auf dem Marsch anhero zu kommen.
Dritter Soldat mit zwei anderen, komtnt :
1230 Ihr' Majestät, wie uns war der Befehl gegeben,
Waren wir beflissen solchem nach zu leben.
Wo ich allein mit meiner Hand
Viertausend dem Tode zugesandt.
Vierter Soldat.
Ihr' Majestät, ich auch bei dieser Schlacht
1235 Bei fünftausend Kinder hab umgebracht.
Fünfter Soldat.
Sechstausend ich auch in ganzer Summ'
Mit meinem Schwert gebracht hab um:
Ihr' Majestät leben nun wohlgemuth,
Weil vergossen der Kinder Blut.
Her ödes.
1240 Dieses ist mir ein' freudenreiche Post:
Ob es schon Vielen hat das Leben 'kost,
Kann ich doch regieren ohne alle Gefahr,
So wegen des Kindes entstanden warl
i68
Alle Sorgen habt ihr von mir genommen,
1245 Darvor ihr gute Belohnung sollt bekommen. Al>.
Engel.
Christliche Zuhörer, weile^j es zu Ende kommen,
Und ihr aus unserer Tragödi vernommen.
Wie Gottes Sohn vom Himmelreich
Dem Menschen auf Erden ist worden gleich,
1250 Der Herr mit dem Knecht sich zu conjungiren,
Den Teufel dardurch zu animiren,
Mit Gewalt zu zerbrechen die höllische Pfort,
An sich genommen die Menschheit nach ewigem
Wort,
In Verfolgung und Kreuz angefangen sein Leben,
1255 Uns allen dardurch ein Exempel zu geben,
Dass wir auch in Verfolgung, Kreuz und Schmerzen
Dies nehmen sollten wohl zu Herzen,
Wie Gott im Heu und Armuth gross
Lieget in höchster Kalt und Frost,
1260 In lauter Trübseligkeit zugebracht sein Leben,
Bis selber für uns seinen Geist aufgeben :
Drum wollen wir uns auch darzu bereiten,
Beständig wider die Sund zu streiten,
Damit wir auch endlich alle zumal
1265 Möchten eingehen in den himmlischen Saal.
DAS LEIDEN CHRISTI.
^
PERSONEN.
Prologus.
Jesus Christus.
Maria.
Johannes.
Petrus.
Bartholomäus.
Philippus.
Jacobus major.
Jacobus minor.
Andreas.
Thomas.
Simon.
Thaddäus.
Judas Ischarioth.
Magdalena.
Martha.
Herodes.
Zwei Diener desselben.
Pontius Pilatus.
Zwei Diener desselben.
Dessen Magd.
Kaiphas.
Annas.
Die vier Schriftgelehrten.
Die vier Juden.
Veronika.
Simon von Cyrene.
Barabas.
Dismas, der rechte Schacher.
Der linke Schacher.
Longinus.
Malchus.
Der Hausvater des Abendmahls.
Zwei Saaldiener.
Zwei Engel.
I-ucifer.
Zwei Teufel.
Der Geizteufel.
Der Tod.
Wegen Nichtbezeichnung des Auf- und Abtretens der Personen wolle
die Bemerkung am Ende des Bandes verglichen werden.
Prologus.
O Geneigte, so zugegen,
Die voll Mitleid ihr begabt,
Jesu Marter zu erwägen,
Euch hierher versammelt habt :
5 Den Gruss, so wir heute allen
Geben, von uns nehmet an,
Für den Dank wird uns gefallen
Die Geduld von euch zum Lohn,
Um die auch zugleich wir bitten,
TG Damit ihr mit Herzensleid
Sehen könnt, wie Jesus g'litten,
Dessen ihr auch Ursach seid.
Alles doch, was wir vorstellen,
Nur ein'n Schatten gleichen thut
15 Gegen dem, was er für Quälen,
Als das allerhöchste Gut,
Gelitten in sein' Tod und Leben,
Davon wird euch Nachricht geben.
Darauf folgt das Lied:
Wer kann sagen der gross' Schmerzen
20 In der Seele Maria zart,
Wie viel Streich' und Stoss im Herzen
Der Mutter gegeben ward.
Da ihr Jesus Urlaub geben
Als ihr einziger Trost und Leben,
25 Dann sie ihrem Jesum schon
Sähe in die Marter gehn.
In dem Garten sinkt er nieder,
In das rothe Purpurbad:
172
Ist ihm auch der Kelch zuwider,
30 Sünder, er dazu dich lad't ;
Eh' er Hess' die Welt versinken,
Wollt er lieber den Kelch trinken
Und in bittrer oNIarter sein,
Giebt sich für dich willig drein.
35 Henker, gleich den Tigerthieren,
Jesum schlagen, geissein hart,
Unerhört die Streiche führen
Auf den heiligen Leib so zart ;
Führe dies nur wohl zu Herzen,
40 Und erwäg's mit Beileidsschmerzen,
Jesus vom Fasse bis zum Haupt
Ist zerrissen, g'wiss mir glaubt.
Spotf und Schmach thut man nicht sparen
An dem weisen Salomon,
45 Zupft und rauft ihn bei den Haaren,
Setzt ihm auf die Dornenkron ;
Soll der König aller Erden
So schmählich gehalten werden?
Ist denn kein Erbarmen mehr,
50 Ach allerliebster Gott und Herr?
Wie sich Gott thut niederbücken,
Nimm's in Acht, o Sünder gross!
Hat das Kreuz selbst auf dem Rucken,
Leid't darunter Streich und Stross ;
55 Ach wie sind die schwachen Glieder
Ob der Last gesunken nieder!
Sünder, das hat dir gebührt,
Dass man dich zum Galgen führt.
An das Kreuz mit Hand und Füssen
60 Jesus stark wird angemacht,
Aller Menschen Sund zu büssen,
Sünder, dies nur wohl betracht',
Dann ob deiner Sünden Kräften
Juden Jesum ans Kreuz heften
173
65 Und am selben stirbt der Gott,
Dass er euch erlöst vom Tod.
Sünder, thii dein' Sund recht büssen,
Steig hinab ins Zährenthal,
Lass die Zähren häufig fliessen,
70 Dass es giebt ein'n Widerhall:
Klopf und schlag nun an dein Herze,
Sieh nun zu mit grossen Schmerzen,
Was dein Jesus gelitten hat
An der bittern Marterstatt.
75 Jedem er sich dargegeben
In Bezahlung eurer Schuld,
Ja sogar er auch sein Leben
Um Erweckung, Gnad und Huld
Williglich für dich gelassen :
80 Also meid der Sünden Strassen,
Auf dass Leiden, Kreuz und Pein
An euch nicht verloren sei'n.
Der höllische Rath der Teufel.
Lucifer.
Auf, auf, ihr höllischen Geister all',
Versammelt euch auf dem höllischen Saal:
85 Ich muss euch eine Gewalt ertheilen.
Wir müssen einer Seel nacheilen !
Judas Ischarioth ist's, der saub're Mann,
Der uns viel Glück und Heil wird stellen an :
Dieser muss uns seinen Herrn verrathen ;
90 Ach, dieser war für uns ein guter Braten !
Erster Teufel.
Wir, Höllenfürst, kommen an allzugleich !
Was hast du uns für eine Lehr vorzuschreiben?
Bei dieser soll es haben sein Verbleiben.
Wir werden versuchen auf alle Weis,
95 Dass wir Judas Ischarioth mit Fleiss
Und Falschheit können fechten an,
Dass er verrathe seinen Herrn sodann.
174
Zweiter Teufel.
Desgleichen ich entschlossen bin.
Will fahren mit aller Gewalt in ihn,
loo Will sein Herz beängstigen über die Massen,
Dass er sich zur That soll gebrauchen lassen.
Lud f er.
Ja, ja, ihr zeigt ein'n guten Muth dazu :
Ach wenn uns nur das Stücklein g'rieth,
Das höllische Reich wird euch grossen Dank er-
statten,
105 Wenn wir einbringen diesen Braten.
Aber Eins muss ich euch angeben,
Es war noch ein Jünger daneben,
Den wir gar leicht obsiegen könnten,
Wenn wir all unsre Macht anwenden,
110 Petrus heisst sein Nam',
Dem Nazarener ein vertrauter Mann.
Erster Teufel.
O Höllenfürst, da mag ich recht dran,
Will Fleiss anwenden, wie ich kann,
Sein Herz beängstigen über die Massen,
115 Dann soll er sich schon bezwingen lassen.
7.7üeiter Teufel.
Dieses ist ja mein' geringste Sorg :
Ich stehe davor und bin ein Borg,
Dass ich ihn zum Fall will bringen.
Drum lass uns fröhlich herum jetzt springen.
Lncifcr.
120 Nicht also, ihr Versammelten mein,
Die Sach ist gross, wir müssen behutsam sein :
Gebt Acht, dass ihr den Judas nehmt einl
Durch den Geiz müsst ihr ihn verblenden,
Dass er sein Herz zum Geld möcht wenden :
1 2 5 Daher ist mein Befehl und Rath —
Wehe dem, der da kommt zu spat —
Laufet zu unterst in die Höllen,
Lasst euch den Geizteufel zugesellen.
1/5
Erster Tetifel.
Troll dich fort zu dieser Stund
130 Hinab in den tiefen Höllengrund!
Des Lucifers Befehl rieht aus,
Der Geizteufel soll aus dem höllischen Haus,
Und soll sich zu uns herauf machen,
Um zu sehen wie wir thun der Sachen,
135 Damit wir nicht zum Spott der Erden
Möchten noch einmal Christi Jünger werden.
Geizteufel.
O Höllenfürst, da stell ich mich in Frommen,
Deinem Befehl gleich nachzukommen.
Lud f er.
Nun, ihr Teufel, greift die Versuchung nur recht
lustig an:
140 Der ihn verführet, bekommet den Lohn.
Geizteufel.
Dergleichen ich entsinnet bin;
Will fahren mit aller Gewalt in ihn,
Will ihn auch durch das verblenden,
Dass er sein Herz bald zu uns wird wenden.
145 Ich ivill ihn auch in allen Dingen
So gar in die Verzweiflung bringen.
Lud f er.
Ganz wohl, ihr Teufel, des Menschen Sinn ist so
vermessen,
Dass sie gar oft die höllische Pein vergessen,
Doch wenn sie kommen in das Todtenbett,
150 Fängt ihnen der Gewissenswurm zu nagen an
recht :
Da wollen sie die Busse erst greifen an.
Aber dorten ist es schon viel zu spät gethan,
Der Himmel verschlossen , die Hölle hat ihren
Lohn;
Drum, ihr Teufel, verführt, betrügt und packt euch
hintan!
176
Die Hoffarth mit Magdalena.
Alagdalena,
155 Ich bin schön, jung und stark und reich,
Meiner Schönheit ist keine gleich,
Ihr seht, wie die Kleider mir schön anstehen,
Trutz einer, die neben mir thut gehen.
Hoffarthsteufel.
Ei, ei du hoffärthiges Nest,
160 Du gefällst mir auf das Allerbest:
Mit deiner Hoffarth daher thust prangen,
Du thust mir nach allem meinem Verlangen.
Da hast du den Spiegel, beschau dich recht,
Dabei bin ich dir ein getreuer Knecht:
165 Die Hoffarth thut dir gar wohl gerathen.
Du musst mich haben zu einem Kameraden,
Ich will dir die HöU wohl tapfer hitzen,
Und zu dir schön hinzu sitzen,
Engel.
Verlornes Kind, steh wieder ab davon,
J70 Hab Reu, reiss ab die Band' der Sünden:
Ich schwöre dir bei Gottes Thron,
Gnad kannst du dort bei ihm noch finden :
Steh ab, steh ab, sag ich, fürwahr.
Deine arme Seele stehet in Gefahr.
Alagdalena,
175 Ich frag nicht nach Himmel, ich frag nicht nach
Höll,
Der Engel thut weinen, der Teufel ist mein G'sell.
Älartha.
Schwester, was soll das bedeuten,
Dass der Aufzug also frech ?
Sind denn jeczt die geilen Zeiten,
180 Dass also du in Hoffarth gehst?
Magdalena.
Schwester mein, was bild'st dir ein,
Dass du mich darum thust fragen?
177
Weil es mir gefällt auf dieser Welt,
Da ich. noch hab ein junges Leben,
185 Weil diese Freud nur kurze Zeit
Mir hier auf Erden ist gegeben.
Martha.
Schwester Maria Magdalena mein.
In dieser Kleiderpracht kann's gar nicht sein,
Dass du Gott gefallest.
Magdalena.
190 Wohlan denn, liebe Schwester mein,
Ich will folgen den Worten dein,
und will führen ein gutes Leben
Und will mich in die Buss' begeben.
Die Freuden will ich meiden ;
195 Geisseistreich' will ich leiden.
Will mich mit dir verbinden,
Dass ich kann Verzeihung finden.
Martha.
Ach , Schwester , getrost , wenn du dich zu Jesu
wirst kehren,
Er wird dich schon erhören.
Magdalena.
200 So will ich verachten diese Freud
Und alle übrige Eitelkeit,
Und weltliche Freuden will ich meiden ;
Ich werf von mir all Geschmuck und Zier,
Dies will ich alles verachten,
205 Nur nach Gott will ich trachten.
Bringet mir das Glas von der Wand,
Dass ich mich daran rächen kann.
Erster Teufel und Geizteufel im Hintergrunde,
Erster Teufel.
Ach, Bruder, einen grossen Stoss
Haben wir zu erwarten von unserm Höllenfürst,
210 Eben weil wir die Kreatur verlieren
Und nicht in die Hölle können führen.
Volksschauspiele. 12
I
Doch erfreue dich, mein Bruder, eben,
Ich weiss noch einen anderen Gesellen,
Judas Ischarioth ist sein Nam,
215 Den wollen wir bald in den Klauen hab'n.
Und er wird dann in der Hölle dort fein
Unser Freund und guter Geselle sein. — —
Magdalena.
Zieh hin, o Welt, da hast dein' Lohn,
Jesus ist mein Bräutigam.
Beurlaubung Jesu von Maria,
yestis.
220 Ach, allerliebste Mutter mein,
Lieb' über alles Lieben,
Wie kann es doch nur möglich sein,
Dass ich dich soll betrüben !
Jedoch weil du meine Mutter bist,
225 So will es sich gebühren,
Dass ich bei dir zuforderist
Solle valediciren.
Maria.
Was meinst, mein allerliebstes Kind,
Wie soll ich dies verstehen ?
230 Sag mir, wo willst doch aus so g' schwind,
Bitt', lass mich mit dir gehen.
Ohn' dich zu leben ist mein Tod,
Kein' Ort weiss nicht zu finden,
Da ich ein Trost in meiner Not
235 Kunnt haben und empfinden.
Jesus.
Ach, thu's von mir, o Mutter mein,
Bitt' dich aus treuem Herzen,
Mit mir zu gehn kann es nicht sein.
Mach dir nicht weiter Schmerzen.
?\o Mit meinem Tod das Leben ich
Den Menschen muss erwerben,
Nun will ich ganz geduldiglich
Mich richten zu dem Sterben.
179
Maria.
Seind das nicht Wort', mein liebes Kind,
245 Soll ein'n das Herz nicht brechen,
Will Gott dann aller Menschen Sund
In dir alleinig rächen?
Wer soll sich nicht, mein liebes Kind,
lieber das Leid bestürzen,
250 Weil dir die längst verdammte Sund
Dein Leben will abkürzen.
Jesus.
Mein Tod und was ich leiden soll,
Macht mir nicht solche Schmerzen,
Als wenn ich jetzt bedenke wohl,
255 Wie lieblich unsre Herzen
Einander lieben allezeit
Ganz stark zusamm' gebunden,
Und war die Welt auch noch so weit.
Dergleichen wird nicht gefunden.
Maria.
260 Weil du, mein Kind, gedenkst daran
An unser beides Lieben,
Bitt' dich deswegen herzlich schön.
Dein Urlaub thu aufschieben;
Gewähr mir nur em' treue Bitt,
.265 Weil es ist nun zum Sterben,
Ach, liebster Schatz, versag mir's nit,
Lass mir die Gnad erwerben.
yestis.
Sag an, meine mütterliche Treu,
Was willst von mir begehren,
270 Weiss, dass ein Kind ja schuldig sei.
Der Mutter Bitt zu gewähren.
Sterben muss ich, das sag ich dir,
Und merke auch beineben :
Begehre, was du willst von mir,
275 Allein nur nicht das Leben.
12*
i8o
Maria.
Weil es dann nicht kann anders sein
Und muss doch sein gestorben,
Und wird mit deinem Kreuz und Pein
Das menschhch' Heil erworben,
280 Meine erste Bitte, liebstes Kind,
Weinend sprich ich mit Worten :
Lass dich das jüd'- und heidnisch G'sind
Nicht also schmerzlich morden.
yesus.
Mein Schatz und mütterliche Zucht,
285 Antwort darauf zu geben:
Weil Adam durch des Baumes Frucht
Verloren hat sein Leben,
So muss ich auch mit meinem Tod
Am Holz das Leben erwerben,
290 Und alle Trübsal, Angst und Noth
Gern leiden bis ins Sterben.
Maria .
Mein liebstes Kind, sei's Gott geklagt,
Was muss ich dann anfangen :
Die erste Bitt ist nun versagt,
2Q5 Kein' Gnad kann ich erlangen.
So mach ich jetzt die andre Bitt,
Fall dir zu deinen Füssen:
Stirb einen solchen Tod doch nit,
Lass mich der Lieb geniessen.
300 Mein Schatz, mein Kind, o Mutter mein,
Thu doch mein Trauern stillen ;
Diesmal kann dieses auch nicht sein,
Ergieb dich in Gottes Willen,
Denn Gott, der himmlische Vater mein,
305 Hat alles vorgesehen,
Was an mir für ein Tod und Pein
Begangen wird und g'schehen.
I
i8i
Maria.
Mein Jesus, liebstes Kind und Sohn,
Ach, Schmerzen über Schmerzen,
310 Versagst mir diese Bitt auch schon,
Soll's mir nicht gehn zu Herzen?
Ach, wie so herzlich bitt ich dich,
Bin dir zu Füssen gefallen,
Nur eine Bitt gewähre mir
315 Unter den dreien allen.
Jesus,
Was soll das sein, o Mutter mein ?
Kunnt ich dein Trauern stillen !
Bisher alles, was hast begehrt,
Steht nicht in meinem Willen;
320 Wenn ich dich also weinend find,
Muss dir dein' Bitt abschlagen,
Betrübst mich so als dich mein Kind:
Bitt' dich, stell ein dein Klagen.
Maria.
Ach, was sein das für hohe Wort',
325 Wie bitter thun sie erschrecken:
So komm ich nicht von diesem Ort,
Will meine Hand ausstrecken ;
, Zu dir thu ich die dritte Bitt,
Lass mich nun die erwerben,
330 Ach, liebstes Kind, versag mir's nit:
Begehr' mit dir zu sterben.
yestis.
Ach, Mutter, das kann gar nicht sein,
Umsonst ist dein Verlangen,
Dieweilen nur an mir allein
335 Das menschlich' Heil thut hangen:
Denn Gott, der himmlisch' Vater mein,
Thut meinen Tod begehren,
Dieweil ich muss derjenig' sein,
Kann ich dein' Bitt nicht gewähren.
IÖ2
Maria.
340 Ach, ach, hab ich ein' solchen Trost,
Mein Kind, um dich verschuldet,
Hast nicht g'nug glitten Hitz und Frost,
Dies alles gern geduldet?
Hast mir niemal kein' Bitt versagt,
345 Jetzt kann ich nichts erlangen,
So sei's denn schmerzlich Gott geklagt,
Was soll ich nun anfangen?
yesiis.
Mein' Mutter, ich muss doch einmal
Von dir, die Zeit ist kommen ;
350 Segne dich Gott zu tausendmal,
Nun heisst's Urlaub genommen :
Bedank' mich gegen dir gar schön
Wegen deiner Treue und Liebe,
Ewig sollst haben deinen Lohn,
355 Dich nicht so sehr betrübe.
Maria.
Zu deinen Füssen ich mich leg.
Mein Schatz, mein Kind, mein Leben,
Lass mich nur gehn einen kleinen Weg
Mit, dir das Gleit zu geben ;
360 Ach, wenn ich denk an jenen Ort,
Wo wir oft sein gewesen.
Ach, wie viel lieblich süsse Wort'
Hast oft g'sagt und gelesen.
yestis.
Nun, mütterliches Herz und Schatz,
365 Steh auf, wein' nicht, muss eilen,
Nun seind wir auf dem Musterplatz,
Wir müssen uns zertheilen :
Auch G'leits, ihr lieben Freunde mein,
Dank euch aus treuem Herzen,
370 Bitt', lasst euch doch befohlen sein
Mein' Mutter voll der Schmerzen.
i83
Mai'ia.
Ach weh, nun muss ich schon zurück,
Ich kann nichts mehr erwerben :
Mein Herz bricht mir zu tausend Stück,
37 5 Für Leiden muss ich jetzt sterben;
Nun küss ich dich zum leztenmal,
Bring dich nicht mehr zu wegen,
So bitt ich dich zu tausendmal
Um deinen heih'gen Segen.
Jesus .
380 Geseg'n dich Gott, o Mutter mein,
Sammt allen deinen Freunden,
Nun will ich mich, es muss doch sein,
Ergeben meinen Feinden.
Alles, was worden prophezeit,
385 Muss heut also geschehen,
In Kürz' werd't ihr mit grösster Freud
Mich alle wiedersehen.
Das letzte Abendmahl.
Jesus.
O allerliebste Jünger mein,
Nun ist die Zeit ankommen,
390 Dass ich nit lang werd bei euch sein:
Schmerzvoll hab Urlaub g'nommen
Von meiner liebsten Mutter schon,
Wie ihr selbst wohl gesehen.
Ein' grosse Qual ist es mir dann,
395 Dass ich von euch muss gehen:
Doch ist auch mein Verlangen sehr.
Eh', dass ich geh in Leiden, —
Da ich als euer Meister und Herr
Bald von euch werde scheiden —
400 Zu g'niessen mit euch das Osterlamm,
Ihr, meine guten Freunde,
Allwo wir kommen in einen Saal
Nach kurzer Zeit noch heute.
Gehet nur hin, derwegen dann,
405 Macht euch schleunigst auf die Füsse,
i84
Dass bereitet wird das Osterlamm,
Damit wir das geniessen.
Petrus.
Wo willst du denn, lieber Meister mein,
Dass dieses soll bereitet sein?
yesiis.
410 Wenn ihr in die Stadt werdet gehen.
Werdet ihr einen Menschen sehen,
Der einen Krug mit Wasser tragt,
Dieser wird gehen in ein Haus hinein ;
Ihr allerliebste Jünger mein,
415 Alldort zu dem Hausvater sagt,
Wenn er euch wird um euern Wunsch befragen :
Mein Meister lässt dir, guter Freund, sagen,
Dass wir heute das Osterlamm bei dir werden
essen ;
Allwo ich mit den Jüngern mein
420 Das letzte Mal beisammen werde sein:
Gehet hin und thut nicht vergessen.
Petrus,
Dein' Befehl, o liebster Meister mein,
Werden wir bald verrichten,
Und auch dem Hausvater dort fein
425 Das alles von dir berichten.
Wird der Saal gemacht.
JoJiannes .
Mein lieber Freund, ist der Hausvater zu Haus ?
/)/'e//er.
Ja freilich, da geht er eben heraus.
j^o/iannes.
Mein Herr und Meister lässt dir sagen,
Das wir allhier sollen kommen zusamm'
430 Und will mit uns bei dir essen das Osterlamm.
//otisvater.
Es ist mir lieb, dass ich ihn werd können traktiren
i85
Sammt euch noch mit, wie sich's thut gebühren :
Diener, bereitet den Tisch sammt anderen Sachen,
Und sagt in der Küchel, dass sie ein Abendmahl
machen.
Diener,
435 Dieses wird bald geschehen sein,
Wir werden euch bereiten Brot und Wein.
Die Diener bereiten den Tisch.
Judas Ischarioth.
Das ist einmal ein Gedanken, dass mein Meister
uns eine Mahlzeit thut geben , sonst müssen wir
gemeiniglich mit der kalten Küchel vorlieb nehmen.
440 Allein er geht halt grad hin , wo er nichts zahlen
darf. Das ist eine gute Wirthschaft, da ist es am
billigsten und lasst ihm's noch viel besser schmecken,
als wenn er zahlen müsst. Da mitunter ist er in
das Haus Lazari, der eben sein guter Freund war,
445 eingeladen worden. Da hat sich die Maria ver-
liebt , die ist g'sprungen , die ist g'loffen, die hat
sich bemüht, damit sie nur dem Meister eine gute
Suppen hat machen können. Die Lenerl aber,
die mit derselben Alabasterbüchsen , die hat sich
450 stets bei des Meisters Füssen aufgehalten und hat
der Maridl gleichwohl allein die Knödel lassen
einschlagen , die mein' Meister wohl werden ge-
schmeckt haben. Aber ich armer Teufel hab
da Sparmunges gehalten und von dem Beutel
455 zehren müssen, allwo ohnedem nit viel drin ist.
Aber wart nur, mein Beutel, du wirst bald voll
werden. Was gilt's, mein Meister wird die Salben
zahlen müssen, die ihm die Lenerl über den Kopf
hat abgössen ; denn jetzund muss man von lauter
460 Tück und Falschheiten umgeben sein, sonst gewinnt
man nichts. Ich muss wohl gehen, mein' Meister
suchen , damit ich zu der Mahlzeit komm , sonst
möcht ich zu spat kommen. — — —
i86
yesus.
Der Friede sei in diesem Haus.
Hausvater.
465 Seid willkommen, liebster Meister mein,
Mich g' freut's, dass ihr bei mir wollt sein,
Das Abendmahl zu geniessen :
Nach altem Brauch das Osterlamm
Hab ich richten lassen und noch was z'samm',
470 Lasst euch es nicht verdriessen.
yesus.
Liebster Freund, mit Wenigem bin ich vergnügt,
Ich will, dass ihr euch keinen Schaden zufügt.
Gebet nur her nach eurem Willen,
Damit meine Jünger den Hunger stillen.
Hausvater.
475 Diener, gehts und lasst bald richten an,
Damit mein Herr und Meister essen kann,
Ihr aber unterdessen thut euch hier setzen.
yesus und die yHnger setzen sich,
yesus.
Es geschehe, wenn's uns erlaubt soll sein :
Ich bitte euch, nehmet Brot und Wein,
480 Damit ich mich kann ergötzen mit meinen
Jüngern hier,
Die hiermit bald werden gehen von mir;
Drum setzt euch nur hin, ihr Jünger mein,
Zuletzt wir heute beisammen sein.
Erster Diener.
Nunmehro hier die Speisen sein,
485 Ich wünsche, dass sie wohl gedeihn.
Hausvater.
Lasst's euch gut schmecken, liebe Freund',
Von Herzen mich's erfreutt heunt.
Z^ueiter Diener.
Was soll ich bringen für einen Wein,
Einen wällischen oder ein Steirer?
i87
490 Der Tiroler wurd zwar besser sein,
Doch ist er etwas theurer.
Hausvater.
Bringt nur her ein' Steirerwein,
Er wird zum Speisen der beste sein.
JoJiaiines.
Bartholmä, es ist an dir,
495 Zu transchiren das Lämmlein hier.
BartJwlomäus .
Dies zu transchiren kann ich nicht fassen,
Ich will's lieber dem Meister überlassen.
Jesus.
Herzlich hat es verlanget mich,
Dass mit euch das Osterlamm esse ich,
500 Eh' ich werd gehn ins Leiden :
Es soll aber auch von mir gesagt sein,
Dass ich dies nicht mehr esse mit euch Jüngern
mein,
Bis dass ich von euch werd scheiden.
Nun nehmet auch den Kelch von mir,
505 Den ich gesegnet hab allhier.
Den thuts unter euch austheilen.
yohannes.
Diesen Kelch von dir, Meister, nehme ich an,
Denn der meine Seele wohl heilen kann.
Jesus.
Ich aber sage euch, dass ich auf dieser Erde
510 Von diesem Gewächs nicht mehr trinken werde,
Bis ich in das Reich Gottes komme.
Philipp US.
Von diesem Gewächs will ich auch trinken,
Dass ich alldort kann sitzen zur Rechten oder
Linken,
Wie alle andern Frommen.
i88
yacobus major.
515 Ich will auch der Letzt' nicht sein,
Zu trinken den Kelch des Meisters mein ,
Von ihm will ich nit scheiden.
Andreas.
Ich Hess mir ganz und gar nicht sagen,
Dass ich mich nicht soll ans Kreuz lassen schlagen
520 Und diesen Tod hier leiden.
Thomas.
Ich wünsch mir auch früh und spat,
Dass ich möcht haben diese Gnad,
Ins Leiden bald zu gehen,
Mit diesem liebsten Meister mein,
525 Mit der Lanzen durchstochen zu sein.
Wie man's zur Zeit wird sehen.
Bartholomäus .
Meine Haut will ich auch wagen
Und diese über die Achsel tragen;
Zu Lieb thu ich's meinem Herrn.
Jacobtis major.
530 Mein Leben ist mir eben feil,
Soll ich auch ausstehn ein scharfes Beil,
Das ewige Reich zu vermehr'n.
Simon.
Ich wollte auch nichts darnach fragen,
Wenn man mich auch voneinander thät sagen,
535 Dass ich den Himmel grüsse.
Thaddäus .
Mit dir zu leiden, bin ich bereit,
Damit ich komm in die ewige Freud,
Auch gern mich tödten Hesse.
Petrus.
Von mir wird man's bald auch sehen
540 Mit meinem Meister in Tod zu gehen.
189
yudas Ischarioth,
Das ist kein' Red einer wirklichen Sach,
Du wirst nur folgen hinten nach.
Jesus.
Seht, wer mich meinen Feinden will übergeben,
Ist über Tisch mit mir daneben :
545 Aber wehe dem Menschen hier auf Erden,
Durch welchen des Menschen Sohn wird verrathen
werden.
Johannes.
Ich bin es nit, gesteh es frei,
Wollt's schier errathen, wer dies sei.
Petrus.
Ich bin es auch nit, sag es rund: zu Judas:
550 Vielleicht bist du derjenige Hund?
Jacoöus 7ninor,
Ich kunnt es über's Herz nicht bringen,
Dass ich sollt CJrsach sein diesen schweren
Dingen.
Andreas.
Lieber will ich den Tod des Kreuzes leiden.
Eh' ich mich durch dies Laster von ihm thät
scheiden.
Thomas.
555 Lieber ich auch sterben wollt.
Als dass ich meinen Meister verrathen sollt.
Philipp.
Von mir soll auch keine böse Meinung sein,
Dass ich verrathen sollt den lieben Meister mein.
Bartholomäus.
Ich möchte doch wissen, wer ihm denn traut,
560 Den Juden zu übergeben die unschuldige Haut.
Jacob US minor.
Dieser verlang ich nicht zu sein,
Will lieber leiden alP Marter und Pein.
Simon .
Ich thu auch die Wahrheit sagen
Und will an mir dies Laster nit tragen.
Thaddäiis.
565 Der himmlische Vater behüte mich,
Dass dieses Laster begehe ich.
Jesus das Brod eintunkend.
Derjenige ist es und wird es sein,
Der mit mir jetzt das Brot getunkt hat ein.
Petrus.
Aber wer möchte auf dieser Erden
570 Unter uns als der Grösste gehalten werden?
jiidas ,
Ich glaub, es ist keiner auf dieser Welt,
Als der da hat einen Beutel Geld.
Matthäus.
Dieses ich auch gar nit sein kann,
Die Zahlbank hab ich verloren schon.
Judas.
57 5 Es möchte doch Petrus sein, weil er hat Hab
und Gut
Und ein zerrissenes Netz noch besitzen thut.
Petrus.
Ich bin es nicht, es mag doch Johannes sein,
Weil er viel gilt bei dem lieben Meister mein.
Jacohus minor.
Diesem thu ich auch nit weichen,
580 Ich möchte auch sein einer dergleichen.
Jesus .
Die als Könige herrschen auf dieser Erden
Und Gewalt haben , gnädige Herrn genannt zu
werden :
Ihr aber, liebste Jünger mein,
Sollt nit also beschaffen sein.
191
Jacobtis major.
585 Meinethalben kann er sein, wer er will,
Zu dieser Hochheit ich nit ziel.
Thomas.
Ich will auch zu dieser That nit trachten,
Lieber alles Zeitliche verachten.
Simo7t.
Keiner weiss, ich bin vergewisst,
590 Wer der Grösste unter uns Jüngern ist.
jesus.
Wer der Grösste zu sein begehrt,
Ein Diener des anderen Dieners werd ;
Ich aber bin hier in der Mitten,
Will mich des Dienens nicht entschütten.
Jesus steht auf und wäscht den y ungern die Füsse, erstlich
defu yzidos Ischarioth.
Jesus.
595 Dieser Lieb und dieses Dienens Sachen
Will ich, Brüder, den Anfang machen.
Bartholomäus.
Was thut doch anfangen heut mehr
Unser geliebter Meister und Herr?
Philippus.
Eine grosse Lieb thut er erzeigen,
600 Dass er sich gar zur Erd thut neigen.
Johannes .
Liebster Meister, weil du's begehrst^
Zu waschen die Füsse mein
Und mir die grosse Lieb bescheerst :
Es soll geschehen der Wille dein.
Jacobus major.
605 Grosse Lieb, ist dies fürwahr.
Es geht mir auch zu Herzen gar,
Dass ich schier möchte weinen.
192
Simon.
Grosse Lieb erzeugest mir,
Mein allerliebster Herr allhier,
610 An Tugend weichst du keinem.
Thaddäus.
Ich thu mich recht von Herzen scham'n,
Dass mein' Füss wäscht das Gotteslamm.
Jacobus major.
Liebster Meister, die grosse Tugend dein
Verlangt auch in mir rein gewaschen zu sein.
Andreas .
615 Ich bin nicht würdig, dass du mir
Die Füss thust waschen vor allen hier.
Matthäus.
Deine grosse Lieb kann ich nicht fassen,
Dass ich mich von dir, Herr, soll waschen lassen.
Petrus,
Liebster Meister, willst du dann mir
620 Die Füsse waschen auch allhier?
Jesus,
Was ich thu, dürft es jetzt nicht wissen,
Dies aber hernach zu erfahren, seid beflissen.
Petrtis,
Hinfüro sollst du sein befreit,
Mir die Füsse zu waschen in Ewigkeit.
Jestis.
625 Petre, wenn du nit die Füss lässt waschen dir,
Sollst du keinen Theil haben an mir.
Petrus.
Herr, nicht allein die Füsse mein,
Hand und Haupt sollen auch gewaschen sein.
Jesus.
Petre, gewaschen ist ganz rein,
630 Fs dürfen nur die Füsse gewaschen sein.
'93
Und ihr, liebste Jünger, seid zwar rein,
Aber einer soll ausgeschlossen sein.
Jesus legt seinen Mantel luieder an und setzt sich zu Tisch,
Wisset ihr nunmehro schon,
Was ich euch allen hab gethan?
635 Ihr heisset mich euren Meister und Herrn,
Ich bin es auch nach eurem Begehr'n,
Und gleich wie ich hab ein Beispiel geben^
Sollt ihr einander auch machen eben.
Judas steht auf und geht davoji.
Judas, du verlornes Kind,
640 Was du thust, das thu geschwind.
Jacobus major.
Er gehet hin gewiss zu bezahlen,
Weil er den Säckel hat von uns allen.
Jesus.
Weil ihr verharret seid mit mir
In Anfechtung auf dieser Welt allhier,
645 Wie mir mein Vater verordnet hat das Reich,
Also soll es auch verwandt sein mit euch,
Dass ihr überdies in meinem Reich essen und
trinken sollet
Und zurichten den zwölf Stämmen Israel, wie
ihr wollet.
O himmhscher Vater, wir danken dir für all deine
Gaben,
650 Die wir heute allhier genossen haben.
Liebe Jünger mein, wir wollen nun aufstehen
Und den Weg , so wir vor uns haben , weiter
gehen.
Wir alle danken dir, Hausvater, für deine Lieb
und Treu:
Ich wünsch und bitt, dass dir der himmlische Vater
sehr gewogen sei.
Volksschauspiele. 13
194
Hausvater.
655 Mich g'lreut's, dass ihr bei mir habt vorHeb ge-
nommen,
Ich habe vor diesmal nichts Besseres bekommen.
~^' Jesus.
Ihr alle werdet heute an mir Aergerniss leiden,
Denn wenn der Hirt geschlagen wird, die Schäf-
lein von ihm scheiden.
Fetr7ts.
Mein Meister und Herr, du wirst es aber an mir
sehen,
660 Dass ich bereit bin, mit dir in I^Iarter und Tod
zu gehen.
Jesus.
Ich aber sage dir, Petrus, es wird heute kaum zweimal
gekräht haben der Hahn,
Wirst du mich dreimal verleugnet haben schon.
Denn ich sage euch das : es muss an mir erfüllet
werden,
Was geschrieben, es wird bald haben ein End
auf dieser Erden.
Gehen alle hinein. Der Hausvater und Z7uei Diener tragen den
Tisch und die Sessel hinweg,
Jttdas' Verrath.
Judas .
665 Hol's der Teufel, bei meiner Treu,
Heut will ich noch eins wagen :
Wann mich angeht die Schelmerei,
Gar nichts thu ich darnach fragen.
Es hat sich unser Meister trefflich wohl
670 Beim Tisch dort sehen lassen.
Mit Speisen ward der Magen jetzt voll,
Kann z'frieden endlich schön rasten,
Doch wenn er hätt ein Glasel Wein,
Viel länger kunnt er fasten.
675 ^\'ie soll ich denn angreifen dies?
Kein Geld ist in mein' Beutel,
^95
Auf dass ich heut im Wirthshaus g'wiss
Kunnt trinken noch ein Seidel.
Wann sonst nichts hilft, so muss ich halt
680 Den Meister mein verkaufen:
Alsdann ich in dem Wirthshaus bald
Zu G'nügn werd können saufen.
Judas geht vor der HoJwipricster Rath.
Judas .
Seid gegrüsst, ihr jüdische Herrn,
Höret an mein eifriges Begehr'n :
685 Jesum von Nazareth geschwind und behend
Will ich euch geben in eure Hand,
Aber was wollt ihr mir dafür geben?
Das beschwöre ich bei meinem Leben.
Saget nur, wie ihr gesinnet seid,
•6go So will ich ihn euch geben in kurzer Zeit;
Der Geiz lässt mir weder Rast noch Ruh,
Bis ich nicht Geld bekommen thu.
Kaiphas .
Sei uns ganz willkommen, mein guter Freund,
Dein Begehren wird zu erfahren sein :
•695 Sag nur an, was willst du haben?
Dreissig Silberlinge will ich geben dir.
Bist du zufrieden, nimm hin das Geld,
Aber, Judas, gieb acht, dass dir's in der Hand
nicht fehlt.
Eins, zwei, drei,
700 Judas', ich sag dir's ohne Scheu,
Vier, fünf, sechs, sieben,
So du uns würdest betrügen,
Acht, neun, zehen,
Oder mit vielen Worten vorlügen !
705 Elf, zwölf,
Gelt^ Judas, dir das gar wohl gefällt?
Dreizehn, vierzehn, fünfzehn,
Bist mir allezeit ein treuer Knecht gewesen :
Sechzehn, siebzehn, achtzehn, neunzehn, zwanzig,
7 1 o Judas, mach dich mit dem Geld recht lustig ;
13*
196
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, zwanzig drei,
Es ist gehandelt und bleibt dabei,
Vierundzw^anzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig,
zwanzig sieb'n,
Anderen Juden zum Trutz hinnimm :
7 1 5 Achtundzwanzig, neunundzwanzig, dreissig,
Judas, sei du nur fein recht fleissig!
Aber so du uns würdest betrügen
Oder mit Worten uns thätest verlügen,
Wir würden dich wohl wissen z' finden
720 Und lassen die Haut dir über den Kopf ab-
schinden.
Geizteufel.
Hör, Judas, mein guter Freund,
Die Sache wird dir gelingen heunt :
Folge nur fleissig meinem Rath,
Der Handel wird dir gehen von statt ;
725 Bei allen Juden so grosse Gnad
Erlangest du durch diese That,
Auch solche dreissig Silberling;
Die Münze ist gut, hör, wie es klingt.
Sei nur beherzt und furcht dich nicht hier,
730 Einen getreuen Gehilfen hast du an mir.
Judas.
Ach, ihr Herrn, noch will ich eben
Einen guten Rath euch geben,
Wie ihr Jesum möget fangen,
Nach dem ihr traget so grosses Verlangen.
735 Er wird vielleicht im Garten Gethsemane sein,.
Der da lieget am Oelberg fein.
Drum gehet hin und suchet ihn bald,
Ich werde bei euch sein in dieser Gestalt.
Und wenn ihr ihn dort werdet finden,
740 So thut ihr ihn nicht geschwind binden,
Dann ich werde euch die Losung geben :
Drum merket also auf und nicht vergesst ;
Denn er hat einen Jünger, der ihm gleich ist.
Im Gesicht ganz ähnlich zu jeder Frist :
IQ7
745 Darauf wohl merket also eben,
Dem ich einen Kuss ins Gesicht werde geben,
Den greifet und mit Stricken verwahret wohl,
Damit er euch nimmer entlaufen soll. —
Drum folget mir nach mit grosser Macht.
Kaiphas .
750 Nun, Judas, dein Rath gefällt mir schon recht,
Da stelle dich zu meinem Kriegsknecht,
Sie werden ihn bewahren wohl,
Dass er uns nimmer entlaufen soll.
Geh nur hin, den Handel vollführ,
755 Ein gutes Trinkgeld geb ich noch dir.
Auf devi Oelberg.
Jesus.
Meine lieben Jünger, setzet euch allhier und helfet
mir eine halbe Stunde beten. Wachet und betet,
auf dass ihr nicht in Versuchung fallet.
Petrus.
Meister, was fehlt dir? Warum erzeigst du dich
760 so traurig
\o>
Jesus.
Meine lieben Jünger, eines betrübt mich sehr. In
dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an mir.
Pi-trus.
Meister, sollten sich alle ärgern an dir, so will ich
doch nicht ärgern mich.
Jesus.
765 Simon Petrus, ich sage dir, ehe der Hahn wird
zweimal krähen, wirst du mich dreimal verleugnen.
Petj'us.
Meister, das kann ich nicht glauben, und wenn
ich mit dir sterben müsst, so will ich dich doch
nicht verrathen.
/ /3
19S
Jc'SUS.
770 Ich will gehen in meinen Aengsten zu meinem
himmlischen Vater und will hernach wieder zu
euch kommen.
So geh denn hin, mein lieber Meister, und komm
dann bald wieder zu uns.
jdsus betet auf dem Oelberg,
yesus.
Ach, Vater mein, hör an meine Stimm,
Soll dann den Kelch ich trinken?
Doch nicht mein, sondern dein Wille geschah;
Ich will in alle Aengsten sinken,
Was grosse Xoth, Angst, Schweiss und Furcht,,
7 So Auch viele bittre Schmerzen
Mich trüben thut ohn' alles Maass,
Es lautet alles zum Herzen.
Bin viel zu matt, bin viel zu schwach,
Dies alles auszustehen,
785 Vor Todesangst und blutigem Schweiss
Kann nimmer nicht bestehen.
Zu hart fällt mir die Bürde all,
Die Kräfte mich verlassen,
Der Sünden Wuth und Bosheit Qual
790 Thut mich zu viel erfassen.
Dies länger nicht ausstehen kann,
Ich muss zu Boden sinken :
In Todesangst, in Todesschweiss
Ward müssen bald ertrinken.
Engel.
795 O mein Gott und mein Herr, o du Freud
Himmels und der Erden, was ist das? Christus
Jesus, mein Erschaffer I Das Elend erschreckt
mich so sehr! Wer hat dich, du Tröster der
Betrübten, also betrübet? Wer hat dich, du Lieb-
8c o haber des Lebens, also zugerichtet?
199
Jesus zu den Jüngern.
Ach, meine lieben Jünger, schlafet ihr noch?
Könnet ihr nicht einmal eine halbe Stunde beten?
Ach , wachet und betet, auf dass ihr nicht in
Versuchung fallet 1 O Kelch, o Trank, machst
805 mich so krank! Ein scharfes Schwert durch
Bein und Mark mit Schmerzen mir eindringet.
Engel.
Wolle Gott, dass ich leiden kunnt vor dich und
an deiner Statt den bittern Kelch kunnt trinken
aus. Weilen es aber der Wille deines himm-
810 hschen Vaters ist, dass du ihn sollst selber trinken,
so betrübe dich doch nicht so sehr, sondern
nimm ihn mit Freuden hin. Dein Leiden wird
zwar bitter fallen dir, aber bedenke auch, was
für Ehr und Belohnung du haben wirst; begieb
815 dich standhaftiglich in Tod und Leiden für der
Menschen Heil.
Jesus.
O, meine lieben Jünger, schlafet ihr schon mehr ?
Ach, wachet und betet, auf dass ihr nicht in Ver-
suchung fallet, denn der Geist ist zwar willig, aber
820 das Fleisch ist schwach.
Ach, Vater ja, war nur bald da
Die jüdische Rott mit Eisen:
Mein schwaches Herz ist voller Schmerz
Bis in den Tod entbleichet.
825 Ach, schwere Hand der göttlichen Straf,
Das Schwert ist scharf gewetzet,
Hat g' macht, dass ich die Erde hab
Mit meinem Blut benetzet.
Die Marter, so ich leiden muss,
830 In meine Seel thut sausen :
Ist nicht genug, noch mehr empfind
Ich der Sünden Scheu und Grausen.
Ach, Vater, wenn es möglich ist.
Den Kelch von mir abwende,
200
835 Wenn es anders nicht geschehen kann,
Eine Nachricht mir übersende.
Efigel.
Ach, Jesus, auf ein Kleines verschnauf,
Lass doch den Muth nicht sinken,
Nimm doch den Kelch des Leidens auf:
840 Es ist dir bewusst der göttliche Schluss —
O, Jesus mein, es muss ja sein,
Jesus, den hast du zu trinken. —
Der Vater hat vor dich keine Gnad gefunden,
Mit Schand und Spott musst leiden den Tod,
845 Am Kreuz genagelt hangen.
Jesiis.
Soll es denn sein, so sei es gelitten.
Weil der Himmel es haben will :
So sei denn weiter auch gestritten,
Gottes Wille ist auch mein Ziel.
Geht zu?n dritten Male zu den yUngern.
850 Meine lieben Jünger, schlafet ihr schon mehr?
Sehet, der mich verrathen wird, ist nahe.
Die Ge/angennehmung .
Jesus zu den Juden.
Wen suchet ihr: Dreimalige Frage.
Die vier Juden.
Jesum von Nazareth!
Jesus.
Ich bin's.
Die liier Juden niederstürzend :
855 Auf, der Zauberer hat uns geworfen 1 Geschieht dreimal.
Jesus.
Wenn ihr mich suchet, so lasset hingehen meine
Jünger.
Afalclius.
Judas, wo bist du? komm nach deinem Versprechen.
201
jfudas .
Sei gegrüsst, o Meister mein,
860 Ich komm erst aus der Stadt herein,
Bei dir zu wohnen an diesem Ort ;
Meister, wen suchet denn diese Kriegsrott?
Ich weiss nicht bei so spater Zeit,
Was dieses alles wohl bedeut',
865 Doch dünkt mich schier, ich merk die Sachen,
Als wenn sie dich wollten zu einem Gesalbten
machen.
Und wenn sie dich vielleicht werden recht erkennen,
So dürften sie dich gar zum König krönen,
Dieweil du ohnehin in allem Land
870 Ein König der Juden wirst genannt.
yesus.
O, Freund, warum kommst du so spat
Zu mir bei so ganz dunkler Nacht r
Was hab ich dir gethan, o Freund,
Dass du mich übergiebst den Händen der Feind' ?
875 Freundlich sind zwar deine Gebärden,
Dein Herz, das will doch schalkhaft werden;
Steh ab und trage Reu dafür.
So will ich's doch verzeihen dir.
yudas.
Meister, in die Buss' gehe ich nicht ein,
880 Dieweil ich ein Geld hab genommen ein,
Bei dem kann ich doch lustig sein.
Meister, ich muss heut noch über den Bach,
Komm nur bald mit den Jüngern nach.
Heut hab ich ein' Freuden- und ein' Leidentag :
885 Juden, greift ihn an, seid nicht verzagt!
Christus wird gefangen genommen.
Hauptjiide.
He, he, haben wir dich bekommen
Und recht künstlich hier gefangen genommen?
Bist ein Verführer des Volks ; bis hierher
Galt deine Zauberkunst, hilft nicht mehr.
202
890 Was hast du uns im Garten dorten
Mit zwei Worten zu Boden geworfen?
Aber gelt, jetzt hat's dich recht getroffen !
So geht's dir, du aberwitziger Lügendichter,
Bist du Gott, hilf; an dir will ich jetzt rächen
mich.
Ziveiter Jude.
895 Ein grosser Spott uns geschehen ist:
Durch diese Kunst und Teufelslist
Hat er uns zu Boden geworfen all.
Soll denn ein Mensch stärker sein allein.
Als wir Juden, die wir doch so viele sein?
900 Pfui Schand und Spott, nur Eines wagt,
Greift ihn keck an, seid nicht verzagt.
Dritter Jude.
Bindet und greift ihn denn, wohlan,
Nur keck und tapfer alle an:
Mit Stricken ihn bewahret wohl,
905 Damit er uns nimmer entlaufen soll.
Es war für uns eine grosse Schand,
Wenn er nun käme aus unsrer Hand.
Vierter Jude.
Ei, ei, jetzt haben wir das Glück gewonnen,
Dass wir dich haben recht bekommen :
910 Jetzt wollen wir dich recht bewahren
Und auch an dir die Stricke nicht sparen.
Wir wollen dich auch führen fort in die Stadt
Und dich stellen vor unsern hohen Rath,
Sie werden dich examiniren
915 Und sodann das Urtheil vollführen.
Petnis.
Ach, ihr Brüder, dieser Handel gefallt mir nit 1
Ich wag mein Leben, haltet ihr auch mit :
Ich wehre mich um den Meister : du böser Mann,
Was greifst cUi meinen Meister an?
920 Was hat er dir gethan, lass ihn aus,
Oder icli mache dir den Garaus 1
203
yesHS.
Simon Petrus, steck ein dein Schwert,
Mich zu wehren habe ich nicht begehrt ;
Wer das Schwert nimmt ohne Befehl des Herrn,
925 Der soll auch durch das Schwert gerichtet werd'n.
Malchus.
Ach weh, ach weh, war ich nie geboren,
Jetzt hab ich mein rechtes Ohr verloren !
So viele Schmerzen ich nun leide;
Verflucht ist das Schwert samt der Scheide.
930 Komm ich nun in ein fremdes Land,
So hab ich nichts als Spott und Schand:
Sie sagen mir's ganz unverhohlen,
Ich war ein Dieb und hätte gestohlen.
Ei, der alte Glatzkopf
935 Hat mich gemacht zu ein' armen Tropf.
yestis.
Malchus sehe,
Dein Ohr ist geheilt wie vor und ehe.
Malchus.
Ja, ja, mein Ohr thut mir nimmer weh,
Du bist noch ein Zauberer wie vor und eh'.
Jesus wird vor den Rath gestellt.
Longinus.
940 Nun endlich haben wir den Bösewicht, den wir
so lang gesucht.
Und über ihn geseufzet und geflucht.
Kaiphas.
Jetzund erkenne ich, du Bösewicht, wer du bist,
der du das Volk verführest und mit deiner selbst-
eigenen Kunst und List auf deine Seite bringest.
945 Bist du einmal da, du- aufrührerischer Bösewicht,
haben wir dich einmal hier, du Verführer des
Volkes ! Wir haben schon Geduld gehabt eine
lange Zeit, haben auch verhofft, du werdest von
204
deinem Frevel abstehen. Weil du aber täglich
950 neuen Aufruhr machst, so haben wir dich auf-
gesucht und auch gefänglich eingeführt , damit
durch dich kein grösseres Uebel wird. Dessent-
wegen gieb den ehrwürdigen Herren Red und
Antwort.
Afjfias.
955 Er hat das Volk aufgerührt mit seinen falschen
Lehren,
Er ist auch willens, das ganze Judenthum zu ver-
nichten und zu zerstören.
Die Schriftgelehrten,
Lasst uns mit diesem Rothen aus,
Dass der Friede bleibet in unserm Haus.
Kaiphas.
Besser ist es, bedenkt es wohl,
960 Dass dieser Bösewicht sterbe,
Als dass er noch länger leben soll
Und das ganze Volk verderbe.
Annas.
Das Gesetz will, dass er solle sterben,
Thut ihn nicht vom Tod erretten :
965 Drum machet mit ihm nur bald,
Was und wie es euch gefallt.
Die Schi-iftgelehrten.
Zum Kreuz mit ihm steht unser Sinn,
Sprecht das Urtheil nur fort über ihn.
Er st ei ■ Seh ri/tgeleh rtei :
Weilen er das Volk verführt,
970 So soll er des Todes sterben:
Und von uns ist er des Todes vergewisst.
Am/as.
Er ist ein Zaubersmann!
Mit diesem ich es beweisen kann:
1
205
Er hat gesagt, er wollt den grossen Tempel
zerhauen
975 Und in drei Tagen wieder aufbauen:
Das ist ja eines Zauberers Kunst,
Wie jedermann kann sagen.
Die Schriftgelehrten,
Ja, ja, dies ist ein Zaubersmann ;
\Vir dies alles gehört haben an.
Kaiphas.
g8o Nun, Bösewicht, hörest du nicht dein Laster an?
Gieb Antwort auf diese Klagen dann.
Die Schriftgelehrten.
Darum, dass er Unrecht hat gethan,
Weiss er nichts darauf zu sagen an.
Annas.
Es mag sein gleich : wie es eben ist,
985 So soll er des Todes sterben!
Weil er das Volk verfuhrt mit List,
Soll er von uns keine Gnad erwerben.
Zweiter Schriftgelehrter .
Was wären dann die Gesetze der Alten?
Wir thäten ja sündigen vor Gott,
990 Wenn wir sie nicht auch thäten halten.
Dritter Schriftgelehrter.
Weil er unser Gesetz vernichtet hat,
So soll er auch des Todes sterben.
Vierter Schriftgelehrter .
Nach den Gesetzen soll er sterben,
Diese müssen auch gehalten werden.
Kaiphas.
995 Nun denn, Bösewicht, ich beschwöre dich beim
lebendigen Gott,
Dass du uns ansagst, ob du der Sohn Gottes
bist, ohne Spott.
2o6
yesus.
Ja, ich bin's, du hast es gesagt
Und alle, die mich hier verklagt.
Ich werde kommen zu der Zeit
looo In grosser Pracht und Herrlichkeit,
Ich werde euch auch richten dann zumal,
Da ihr beisammen seid in grosser Zahl.
MalcJnis giebt yesutn einen Backenstreich.
Antwortest du den hohen Priestern also?
Jesus fällt 7iiedei-.
Habe ich übel geredet, so gieb Zeugniss gegen mich
1005 Habe ich recht geredet, warum schlägst du mich
Z'coeiter Jude.
Du sagst, du bist Gottes Sohn?
Ei, du alter Ziehbronn !
Du sagst, Gott sei dein Vater,
Ei, du alter Kästenbrater !
A'aipkas.
10 10 Was ist das? Er lästert Gott!
Was bedürfen wir mehr Zeugen?
Der Bösewicht mit seiner Lästerung Spott 1
Sein Mund, der kann nicht schweigen.
Die Schriftgelehrten .
Ja, sein eigener Mund verrath' ihn,
1015 Sein Mund, der kann nicht schweigen.
Kaiphas.
Ihr habt es gehört, vernommen wohl,
Wie er sich hier verhalten ;
Was dünkt euch, was geschehen soll,
^^'as thut ihr von ihm halten?
Die Schriftgelehrten.
1020 Er Süll und muss gekreuzigt werden
Und kann von uns kein' Gnad erwerben.
207
Kaiphas.
Weil alle Meinungen stimmen überein,
Dass er des Tod's soll schuldig sein,
So führt ihn nur geschwind zu Pilato. hinein :
1025 Er soll ihn examiniren
Und über ihn das Urtheil führen,
Und Schärfe der Gerechtigkeit
Soll über ihn ergehen in der Zeit.
Die Schnftgele/irte?i.
Ja, ja, führt ihn nur zu Pilato hin,
1030 Er soll ihn zum Tode verdammen
Und zu keiner Freiheit lassen kommen.
Judas in der Rene,
yudas .
Ach, ihr Herren, nehmet hin das Geld,
Denn ich habe gar weit gefehlt,
Dass ich hab verkauft den Meister mein !
1035 Was kann denn doch Abscheulicher's sein?
Die Sund ist gross und auch so schwer,
Gott kann mir's nicht verzeihen mehr.
Das Geld hat mich ins Unglück gebracht,
Jetzt bin ich überall veracht.
1040 Das Ding thut mich gar so sehr kränken.
Ich will gehn und mich nun selbst erhenken.
Kaiphas.
Was gehet uns denn dies an, dass
Du dich in dein' Leben versündigt hast?
Teufel.
Ha, ha, Judas, deine Reden gefallen mir recht,
1045 Dazu bin ich ein getreuer Knecht.
Geh nur hin nach deinem Sinn,
Den Strick ich dir nachbring, will dich auch
führ'n hin
Zu einem schönen grünen Baum,
Daran hängen gar viele edle Traub'n.
2o8
Kaiphas.
1050 Was machen wir mit diesem Geld?
Es geziemt sich nicht, dass es in den Gottes-
kasten fällt,
Weil es ein Blutgeld ist.
Annas.
Dies Geld wir nehmen und kaufen wacker
Damit eines Hafners Acker.
Die Schriftgelehrten .
1055 Ja, ja, und dieser Acker soll genannt werden
Blutacker.
Verleiigmmg Christi.
Magd.
O Mann, wie kommst du doch da herein?
Mich dünkt, du musst auch des Menschen Jünger
sein.
Petrus.
O Freundin, ich bin des Menschen Jünger nicht,
Ich weiss auch nicht, wie er genannt,
1060 Obwohl wir vielleicht seind aus einem Land.
Magd.
Ja, ich sage es dir gewiss,
Dass du auch des Menschen Jünger bist.
Und solltest du es auch nicht sein.
Warum thust du also furchtsam sein?
Der vierte Jude.
TC65 Ja wahrlich, dieser ist auch einer.
Petrus.
Gewiss, ihr Herren, ich bin keiner,
Denn ich sage euch bei meinem Gewissen,
Dass ich des Menschen Jünger nicht bin.
Der dritte Jude.
Du giebst uns Argwohn, verschweigst mit List,
1070 Dass du dem gefangenen Menschen ein Jünger
bist.
209
Der vierte Jude.
Ja, ja, wahrlich, das ist auch einer,
Denn seine eigene Sprach verrathet ihn,
Petrus,
Ach nein, ihr Herren, ich bin keiner,
Ihr habt mich für den unrechten Mann :
1075 Schauet mich doch nur einmal an.
Weil es ist kalt, so wärm' ich mich halt.
Malchus.
Wärmen bringt uns kein' Mangel nicht,
Wenn du nur nicht des Menschen Jünger bist;
Bist du auch einer, so schau nur zu,
1080 Dass man dich nicht gefangen nehmen thu.
Magd.
Ach, mein lieber Mann, folge mir.
Einen treuen Rath gebe ich dir,
Ich bitte dich, folge mir, thu hinweggehen.
Es möchte dir ein Leid geschehen,
1085 Es möchten dich wohl gar die Herren sehen.
Petrus.
Meine liebe Magd, dein' getreuen Rath
Will ich folgen gern, eh' es zu spat,
Eh' dass mir möchte ein Leid geschehen.
Ich will von hier hinweg jetzt gehen,
1090 Ein jeder Mann schaut mich hier an,
Als war ich nicht ein redlicher Mann,
Maria kommt zu Petrus.
Maria.
Ach, lieber Petrus, sag mir an,
Wie steht es mit meinem lieben Sohn.
Petrus.
Ach, meine liebe Frau, mit dir ich nicht mehr
reden kann ein Wort,
1095 Weil ich aus Furcht deinen lieben Sohn dreimal
verleugnet dort.
Volksschauspiele. \a
2IO
Maria.
Ach, mein liebster Sohn, wie wird dir's ergehen
dann,
Weil dich deine lieben Jünger verlassen schon !
Petrus.
Ach, mein Meister und mein Gott , was hab ich
gethan r
Der Hahn hat gekräht, jetzt denk ich daran,
1 1 oo Jetzt ist vollbracht^ was du mir hast gesagt,
Dass ich dich noch dreimal werd verleugnen heut.
Ach Gott, ich bitte hier, verzeihe meine Sünden
mir,
Denn es ist nur aus Furcht geschehen,
Dass ich mich soll gefangen geben.
1105 Ich bekenne zwar, dass ich gefallen bin,
Und halte mich nicht für würdig fürderhin,
Dass ich dich solle wieder schauen an,
Bis ich nicht finde wegen meiner Sünde Gnad
und Pardon.
jfesus vor Pilatus.
Pilatics.
Was habt ihr für eine Klag wider diesen Menschen ?
Erster Schriftgelehrter.
1 1 T o Er hat das Volk verführt mit seinen falschen
Lehren.
Zweiter Schriftgelehrter.
Er hat auch dem Kaiser den Zins zu geben
verboten.
Dritter Schriftgelehrter.
Er hat sich auch zu einem König machen wollen.
Pilatus.
Hörst du nicht, wie viel Zeugniss diese wider dich
führen?
Was liast du gethan, dass sie dich alle mit ihren
2 I 1
1 1 1 5 Priestern und Bischöfen mir überantwortet haben ?
Du musst ja grausamlich verschuldet haben !
Denn nimmer ist es ja worden erhört,
Dass soviel Hundert , selbst die vornehmsten
Herrn sich beschwert
Und dich als einen Uebelthäter haben verklagt.
!i2o Die erste Klag will ich vorbei gehn lan,
Denn sie gehet mich weiter nichts an,
Die zweite Klag achte ich auch nicht,
Dieweil sie falsch ist und erdicht' :
Die dritte Klag aber hat ein grosses Bedenken,
1125 Worüber ich billig nachforschen muss ein wenig,
Drum frag ich dich: Bist du der Juden König?
yesies.
Mein Reich ist nicht von dieser Welt,
Denn wäre mein Reich von dieser Welt,
So würde ich ja meine Diener haben , die vor
mich streiten,
IJ30 Dass ich den Juden nicht war in die Hände
kommen beizeiten.
Pilatus.
So bist du dennoch ein König.
yesus.
Ja, du sagst es, ich bin ein König.
Pilattis.
Ich finde keine Schuld an diesem Menschen.
Kaiphas.
Wie, sollst du keine Schuld an ihm finden?
1135 Er ist ja ein gottloser Mensch, wie er auf Erden
nicht zu finden,
Er ist ein Vollsaufer, ein Verführer, ein Gleissner,
Ja, ein Teufelsdiener und Hexenmeister.
Piiatus.
Antwortest du denn nicht? Hörst du denn
nicht, wie viele schwere Zeugnisse sie gegen dich
1140 aufbringen?
14*
212
Zweiter Schriftgelehrter.
Ja, er hat das Volk versucht aufzuregen gegen
den Kaiser, nicht allein im jüdischen, sondern auch
im galiläischen Land.
Pilatus.
Wenn der Verklagte ein Galiläer ist, so gehört
1145 er unter das Gebiet des Herodes, darum mögt
ihr mit ihm zu demselben gehen und eure Sache
allda ausmachen.
Malchiis.
Nun gehe fort, du schalkhafter Bösewicht, wir
wollen dir bald den Garaus gemacht haben. Du
II 50 hast den Pilatus mit deiner Kunst bezaubert, dass
er dich für fromm hielt, aber Herodes, der ver-
ständige Herr, kennt dich viel besser als er, und
was für Schalkhaftigkeiten in dir stecken.
yesus vor Herodes.
Longinus.
Von dem Landpfleger Pilato , auf Ihrer ^Majestät
Befehl,
II 55 Sollen wir uns richten also schnell,
Und stellen vor den Uebelthäter:
Der will auch führen Krön und Scepter!
Er hat auch verführt das Volk von Galiläa bis
an das End,
Darum sind wir hierher gesend't.
Herodes.
1 160 Bist du derjenige, von dem man so viel hört sagen,
Dass dir die drei Könige Opfer gebracht haben,
Und deswegen mein Vater die Kinder habe tödten
lassen ?
Bist du, der den blindgeborenen Sohn hat sehend
gemacht
Und durch den Lazarus von den Todten erwacht?
1165 Gieb Antwort, denn du weisst ja wohl nun,
Dass ich Gewalt hab, dir den Tod anzuthun.
213
siehe, ich verspreche dir, dass wenn du mit mir
reden
Oder ein Mirakel thun willst, von den Feinden
dich zu erlösen,
Und dich auf freien Fuss zu stellen;
1170 Wo nicht, so werde ich meinen Leuten befehlen,
Dass sie dir, halsstarriger Kopf, das Maul wohl
zerschlagen,
Auf dass du lernst einem König gebührend Respect
ento^eo^enzutrao^en.
Diener des Herodes.
Höre, du Nazarener, du hoffärtiger Kopf,
Giebst du unserm König keine Antwort, du armer
Tropf?
II 75 Ermesse, dass soviel grosse Herren
Unsern König ehren und bei ihm einkehren !
Und du willst ihn nicht ehren, da du in seiner
Gewalt bist:
Das betrachte zu jeder Frist ;
Sonst wird er mit dir verfahren
1180 Als mit einem gewöhnlichen Narren.
Erster Schriftgelehrter.
Ihro Majestät, er stellt sich als wenn er stumm
wäre : er kann wohl scherzen , wenn er bei ein-
fältigen Leuten ist; es stecket auch grosser Be-
trug und Falschheit hinter ihm. Und wenn er
II 85 sollte loskommen, so wijrde er viel mehr Aufruhr
machen als zuvor.
Zweiter Schriftgelehrter.
Ja, Ihro Majestät, glauben nur kecklich, dass
er Ihrer Majestät ärgster Feind ist , denn wir
haben mit unsern Ohren gehört, dass er Sie
1 1 90 öffentlich vor allem Volk verschändet und einen
Fuchs gescholten hat.
Zweiter Diener des Herodes.
Höre, du Bösewicht und halsstarriger Tropf,
willst du nicht reden? Achtest du denn Ihro
214
königliche Majestät nicht so gut, dass du Ant-
1195 wort giebst?
Her ödes.
Weil mit dem Verführer nichts anzurichten ist^
so leget ihm an ein weisses Narrenkleid und
zeiget ihn dem Volke und führet ihn wieder zu
Pilato, welcher ihm sodann nach seinen Verdiensten
1200 das Urtheil fällen wird.
yesus wieder vor Pilatus.
Pilatus' Magd.
Meine Frau schickt mich her und lässt euch
sagen,
Dass ihr mit diesem Manne nichts sollt zu schafifen
haben,
Denn sie hat viel gehtten in Traum und Phantasei,
Dass dieser Mann unschuldig sei.
Pilatus,
1205 Diesen Menschen habt ihr zu mir gebracht
Und ihn sehr hoch verklaget :
Er soll haben das Volk abwendig gemacht.
Da ich ihn vor euch aber befraget,
Find ich keine Schuld des Todes an ihm,
12 IG Dass ich ihn soll richten lassen.
Sehet aber auch Herodes eben :
Da ich diesen zu ihm that senden,
Er Hess seines Gewissens Pflichten
Auf eurer Meinung bewenden.
121 5 Nichts hat er ihme angethan,
Er Hess ihn wiederum gehen.
So müsst ihr ja erkennen daran,
Dass er unschuldig ist zu sehen.
Und ohne grosse Sünde kann man ihn nicht
1220 Richten lassen von diesem Gericht.
Damit ich jedoch euren Wunsch erfüll,
So will ich ihn scharfcrmassen, —
Zwar ist es ein ungerechtes Ziel —
Züchtigen und frei von mir lassen.
215
Kaiphas.
1225 Wäre er nicht ein Uebelthäter^ so hätten wir ihn
dir nicht überantwortet, weil er hat das Volk
verführt mit seiner Zauberkunst.
Pilatus.
Was hat denn dieser Mensch verbrochen , saget
mir ; ich finde keine Schuld an ihm , dass ich
1230 ihn soll richten lassen.
Annas.
Er hat das Volk aufrührerisch gemacht mit seinen
falschen Lehren,
Er hat im Willen , von Galiläa an das ganze
Judenthum zu zerstören.
Pilatus.
Ihr habt die Gewohnheit eingeführt hier zum
Osterfest, dass ich aus diesen zweien einen ledig
1235 gebe. Welchen wollt ihr, Jesum oder Barrabam?
Alle Schriftgelehrten.
Gieb uns ledig den Barrabam,
Christus aber zum Tod verdamm' !
Pilatus.
Was will ich denn aber mit Jesus machen,
Der unschuldig ist in allen Sachen,
1240 Und auch euer König ist? Nur nicht seinen Tod
Verlanget, sonst alles, was ihr wollt.
Annas.
Barrabas soll die Freud geniessen,
Christus aber die schweren Laster büssen.
Barrabas.
Wie schlechter der Mensch, wie besser das
Glück,
1245 Es hat sich mit mir gar wohl geschickt.
2l6
Pilatus.
Nun denn , so hör an , wie hoch sie dich ver-
klagen.
Gieb ihnen Red und Antwort, thu Wahrheit
sagen.
Die Schi'iftgelehrten.
Warum dass er Unrecht hat gethan
Weiss er nichts darauf zu sagen an.
Kaiphas.
1250 Wer sich zum Sohn Gottes selbsten macht,
Der hat sich schon ums Leben gebracht
Und- hat gesprochen sich ums Leben:
Er sich dann auch darein muss geben.
Pilatus.
Ich kann es nun einmal nicht zugeben,
1255 Zu töten ein so unschuldiges Leben.
Ich möcht nur wissen , wie ihr dieses Menschen
Tod verlanget,
Da es doch an euren Gewissen hanget !
Das bekenne ich , das diesem Armen Unrecht
geschieht.
Annas.
Richter, wir haben ein Gesatz, danach soll er
sterben
1260 Und von Keinem Gnade erwerben.
Pilatus.
Aber was hat dieser Mensch verbrochen?
Sagt mir die Ursach seiner Schuld 1
Kaiphas.
Des Kaisers Zins hat er abgesprochen,
Darum verdient er nicht seine Huld.
Pilatus.
1265 Nun denn, so führet ihn hin.
Nach aller Schärfe geisselt ihn.
Ich will ihn genugsam züchtigen lassen,
Und hernach frei von mir entlassen.
217
Alle Schriftgelehrten.
Kreuziget ihn, kreuziget ihn 1
1270 Nur fort, nur fort mit ihm!
Jesus wird gegeisselt.
Malchus.
Nun endlich bequeme dich zu den Stricken,
Und zum Geissein : lass uns an deinem Leib er-
quicken.
Zieht ihm nur bald die Kleider aus,
Damit wir den Grimm an ihm recht lassen aus.
Zweiter Jude.
1275 Gieb du derweil die Geissein her:
Auch die Strick thu nicht vergessen.
Dritter Jude.
Wir müssen haben der Geissein mehr,
Die Streich' will ich ihm trefflich messen.
Erster Jude.
Schlag nur brav zu, es soll sein Leib
1280 Kein Tropfen Blut mehr halten.
Dritter Jude,
Ganz grimmig werd ich schlagen drein,
AIP Kräften daran wagen :
Was gilt's, ich werd das grösste Lob
Von Christo davontragen.
Malchus.
1285 Ja, ja, all' deine Stärk zusammentreib' I
Der stärker wird dremschlagen,
Der wird ein grösser Lob und Ehr
Davon von Christus tragen.
Zweiter Jude.
Was gilt's, ich werde schlagen drein
1290 Und ihn also zerhauen,
Nicht eher aufhören, bis nicht die Bein'
Durchs Fleisch thun herausschauen.
2l8
Christus fällt unter den Schlägen.
Vierter Jude.
Er ist von Branntwein so sternvoU,
Kann nicht mehr stehn auf den Füssen :
1295 Rinnt herunter auch das Blut so toll,
Heftig von ihm es thut fliessen.
Aber gelt, Nazarener, dies g'fallt dir wohl?
Ist besser; als wenn dich der Bader schröpfen soll.
Malchiis.
Wenn endlich ein' Sachen ist schier vollend't,
1300 Pflegt man's also zu nehmen,
Dass.man am recht vollbrachten End
Auch das ganze Werk thut krönen.
Darum soll's sein ein dörnerne Krön,
Die soll ihm werden angethan :
1305 Ei, das wurd' zu der Geisslung helfen zieren I
Hernach thut man hinweg ihn führen.
Zweiter ytidc.
Weil er sein will ein König der Erden,
So muss er auch dafür gehalten werden.
Ein Purpurkleid und dörnerne Krön
13 IG Soll ihm werden angethan.
Dritter Jude.
Ich thät es auch für Recht erkennen,
Dass man ihn soll zu einem König krönen :
Drum ist schon geflochten diese Krön,
Dass man s' dem Könige aufsetzen kann.
Malchus.
1315 So lasst uns nunmehr setzen dann
Auf sein Haupt diese dörnerne Krön,
Wie es ihm gar wohl steht an :
Fest und stark drückts ihm hinein,
Dass es eindringt durch Mark und Bein,
1320 Auf dass sie von ihm nicht weichet
Und er einem König gleichet.
219
Zzueiier Jude,
Du fauler Narr, drück s' besser an,
Drück s', bis er s' nicht mehr leiden kann :
Schlag nur mit dem Kolben drauf, dass s' eingehet,
1325 Und kein' Spitz' mehr herausstehet:
Es ist kein Dorn daran umsunst.
Damit wir uns machen viel Ehr und Gunst 1
Dritter Jude.
Mit Purpur soll er gekleidet sein,
Gekleidet und gezieret,
1330 Damit er mit diesem stolzen Schein
Dem Pilato werd vorgeführet.
Zweiter Jude,
Ein König muss ein Scepter führen,
Mit diesem soll er auch stolziren :
Ein Rohr, es wurd' sich schicken wohl,
1335 ^^^ dieser König haben soll.
Verspottung Christi.
Malchus.
Nun, hohe Würde hast du von uns empfangen,
Auf was du hast gewartet mit grossem Ver-
langen :
Nun wohlan, wir dich dem Pilato zeigen.
Um zu sehn , ob er vor dir sein Haupt wird
neigen.
Nach der Krönung die Vorstelhmg vor Pilato.
Pilatus.
1340 Ecce homo! Sehet einen Menschen,
Wie er gebildet, wie er so übel zugericht' I
Er ist am ganzen Leib geschunden.
Er ist ja voller Blut und Wunden. — —
Ist eine Gefahr, dass er wird kommen
1345 Zu einem Scepter und zu Kronen?
Des ist euch wohl alle Furcht benommen,
Wenn ihr ansehet diesen Mann;
220
Ich bitt euch, erbarmt euch seiner dann,
Lasst ihn hingehen in seiner Ruh.
Alle Schriftgelehrien.
1350 Zum Kreuz mit ihm steht unser Sinn!
Sprecht nur das Urtheil bald über ihn:
Fort I Er hätt das schon längst verdient,
Weil er sich selbst zum Judenkönig gemacht.
Pilatus.
So nehmt ihn hin und kreuzigt ihn,
1355 Thut mit ihm, was euch beliebet;
Unrecht geschieht gar hartes ihm.
Das ist's, was mich betrübet:
Doch bleib ich unschuldig an seinem Blut.
Ihr wollet freilich seinen Tod,
1360 Doch wenn ihr diesen begehret.
Mich mein Gewissen lehret,
Dass ich bei dem Rechte stehen muss.
Ihr wisst nicht, was ihr profitiret,
Wenn ihr solche Anschlag: führet.
Annas.
1365 Richter, wenn du diesen lassest los.
So verklagen wir dich beim Kaiser gross:
Wir wollen dich beim Kaiser verklagen,
Dass er dich von deinem Dienst thut jagen.
Kaiphas.
Wenn du des Kaisers Ungnade willst besitzen,
1370 So wird alles Unglück auf dich blitzen. — —
Die Schriftgelehrien.
Ja , ja , wir wollen ihn beim Kaiser verklagen
schon,
Dass man ihn wird jagen von seinem Thron.
Pilatus.
Ach, des Kaisers Ungnade auf mich laden,
Das wäre für mich ein harter Streich :
1375 Das könnte mir wohl bei ihm sehr schaden,
Der mich vielleicht kunnt stürzen vom Reich.
221
Ach, die Wasservvellen pflegen
Das Schifflein zu stossen hin und her,
Also auch die Zweifelswellen
1380 Mein Gemüthe verdunkeln sehr.
Jedoch ich zweifle daran nicht,
Des Kaisers Gnade kann ihn wohl beschützen,
Jenen, dem er günstig ist
Und ihnen recht die Flügel stutzen.
1385 Seht doch euren König hier!
Die Schriftgehhrten.
Nicht diesen König wollen wir;
Er soll des Todes sterben,
Und von uns keine Gnad erwerben.
Pilatus.
Soll ich denn euren König tödten,
1390 Der sogar unschuldig ist?
Kaiphas.
Wir haben keinen König vonnöten,
Dieweil der Kaiser ist unser Herr,
Darum geben wir ihm die Ehr.
Annas.
Wer sich zum Sohn Gottes selbst erhebt,
1395 Und gleich dem Kaiser widerstrebt,
Ist hier desselben Feind.
Pilatus.
Nun dann seht, meine Hand' ich jetzt waschen
werde,
Euch damit auflegen das Gefährde :
Ich bleibe unschuldig an seinern Blut.
Die Schriftgelehrten.
1400 Sein Blut komme über uns und unsere Kinder gut.
Pilatus.
Nun denn, so reichet also mir
Feder, Tinte und auch Papier,
Dass ich das Urtheil gleich verfasse
Und es dem Volke vorlesen lasse.
222
Erster Diener des Pilatus.
1405 O gerechter Himmel, der du Alles weisst,
Geschaffen hat dies ein böser Geist ;
Du sollst dieses Laster richten frei :
Ich bekenne, dass dieser ISIann unschuldig sei.
Pilatus.
Nunmehro merkt auf das Urtheil hier,
1410 Das wider diesen Menschen gesprochen wird.
Erster Diejjer des Pilatus.
Ein jeder stelle sich ohne Tumult
Und höre an nun Jesu Schuld !
Zweiter Diener des Pilatus verliest das Urtheil:
Ich , Pontius Pilatus , Blutrichter in Jerusalem
unter dem grossmächtigen Kaiser Tiberio , mach
14 15 demnach kund: Jesus von Nazareth von den
Hohenpriestern und dem ganzen jüdischen Volke ist
vorgestellt und verklaget worden, dass er ohne
Ansehen , von schlechten Eltern geboren , sich
zum König der Juden aufgeworfen, ja sogar zum
1420 Sohn Gottes hat machen wollen, wie er auch das
Volk aufrührerisch gemacht, dem Kaiser Zins zu
geben verboten und mehr dergleichen Laster ge-
übet hat \ als haben wir von Regenten und
Amts wegen diesen Dingen fleissig nachgeforscht
1425 und die Begebenheiten dessen also zu sein für
Recht befunden : deswegen richten und verordnen
wir, dass jetzt gemeldter Jesus von Nazareth
wegen seiner schweren Missethaten ohne einige
weitere Gnad und Barmherzigkeit an einen
1 430 KreuzgalgAi genaglet und zwischen zweien Mördern
aufgehenket werden soll. Zur Urkund und Un-
widerruflichkeit dessen brechen wir den Gerichts-
stab und erkennen ihme für einen Mann des
Todes.
Pilatus.
1435 ^o nehmet ihn und kreuziget ihn,
Dem Urtheil thut nachkommen.
223
yttdas in V^erzweiflung,
Judas.
Ach wehe, was habe ich gethan,
Dass ich meinen Meister verkaufet han?
Ach, diese Sund ist so gross und schwer,
1440 Gott kann mir's verzeihen nimmermehr.
Ach du verfluchtes schändUches Geld,
Du hast dies Laster angestellt !
Ach, verflucht ist der Tag, an dem ich geboren.
Und verflucht ist die Brust, die ich gesogen !
1445 Ach, verflucht ist auch die Welt
Und Alles, was ich hab angestellt !
Ach, wenn ich an dieses Laster thu denken,
So muss ich gehn und mich selber henken.
Teufel,
Judas, willst du dich henken?
1450 Den Strick will ich dir schenken!
Ich hab an zwei oder drei :
Judas, schau nur, welcher der stärkere sei.
Ein' hab ich, gar ein' schön' neuen ;
Judas, lass dir das Henken nicht gereuen :
1455 Du bist noch gar ein junger Mann,
Das Henken stehet dir gar gut an.
Der Tod.
Erkennt ihr mich, wer ich hier sei,
Ich will mich gleich ankünden,
Und ohne Furcht bekennen frei,
1460 Nichts kann mich überwinden.
Fürs höchste Haupt der ganzen Welt
Will ich gehalten werden,
Denn Alles, was nur ist beseelt,
Mach ich zu Staub und Erden.
1465 Kein Geld, noch Gut, noch Reichthum Schatz,
Kein Goldstück ich nicht achte,
Lass allen Feinden keinen Platz,
Was lebt, dem ich nachtrachte.
224
Es giebt kein' Intercession,
1470 Es find't kein' Platz das Heucheln,
Es hat auch keiner ein' Pardon
Zu hoffen mit dem Schmeicheln.
Solange auch nur einer lebt,
Muss mir den Platz doch räumen,
1475 Was alles kriecht, schwimmt oder schwebt,
Verschwindet gleich den Träumen.
Einhundert fünf und siebzig Jahr
Hat Jakob hinterlebet,
Isak um zehen älter war :
1480 Wo sie jetzt sei'n, erwäget.
Dreihundert Jahr gelebet hat
Nestor, an Reichthum mächtig,
Methusalem lebt' in der That
Neunhundert ein und sechzig.
1485 Um hundertfünf e sich erstreckt
Haben des Noah Zeiten :
Mit Erden hat man all's bedeckt,
Ihr euch thut bald bereiten.
Ja, ja, wie heilig oder gottlos
1490 Auch einer ist gewesen,
Empfing er den letzten Herzensstoss,
Wird von mir aufgelesen :
Sogar der wahre Gottes Sohn
Sich mir thut unterwerfen,
1495 Sonst hätt' ihr euren Sündenlohn
Ewig erfahren dürfen.
Christus, der nun vermenschte Gott,
Verschliesst die Höllen-Porten,
Durch ihn anheunt der ew'ge Tod
1500 Ist überwunden worden.
Mir aber wird noch Zeit vergunnt.
Euch Menschen zu bestreiten,
Mit höchstem Fleiss zu jeder Stund
Zum Tod euch sollt bereiten.
225
1505 Nichts liegt mir dran, ob ihr bei Gott
In Gnaden oder nicht stehet;
Ich bin stets Ungewisser Tod,
Nun dess euch selbst vorsehet.
Nun wird der Kreuzgang vollzogen.
Jude.
Simon, Simon, lass dir sagen,
15 10 Du sollst helfen Christum das Kreuz tragen.
Simon von Cyrene,
Ach, das kunnt nimmermehr geschehen,
Dass ich mit einem zum Tode Verurtheilten
sollt gehen.
Jude.
Willst du nicht, so musst du wohl,
Sonst schlag ich dir den Buckel voll.
Veronika trochtet Christum das Angesicht ab.
Veronika .
1515 O liebster Meister , wie herzHches Mitleid habe
ich mit dir.
Wie gern wollt ich dir helfen, wenn ich es nur
dürfte hier:
Weil ich denn nichts andres erzeigen kann,
So nimm von mir dieses Schweisstuch an,
Und trockne dein blutiges Angesicht daran.
Begegnung mit Maria.
Maria.
1520 O mein Sohn Jesus, o Jesus, mein Kind,
O welch grosses Herzensleid ich find !
Ach , ach , deine Marter und grosse Pein
Zerspringen will das Herze mein.
O mein herzguldenes liebes Kind,
1525 Wie bist du in dies Leid gerathen geschwind 1
O mein herzliebster Sohn,
Wie geht man mit dir um?
O weh, dein heihges Haupt !
O weh, der spitzen Dornen !
Volksschauspiele. I5
220
1530 O weh, dein heiliger Rücken!
O weh, deines schweren Kreuzes !
Wie ist es doch möglich, dass du diese schwere
Last,
Mein liebes Kind, ertragen doch kannst?
O Jesus , um Eins bitt ich von Grund meines
Herzens hier,
1535 Lass alle Sünder sein befohlen dir.
yestis.
Herzliebste Mutter, das versprech ich dir.
Alle Sünder seind befohlen mir.
Meines himmlischen Vaters Zorn zu wenden
Lasst mir meinen Lauf vollenden :
1540 Auf dass der Sünder find Gnad und Heil,
Ist mir mein eigenes Leben feil.
Es beginnt die Kreuzigung.
Longinus.
Macht euch bereit, ihr Kriegerknecht',
Vollzieht das Urtheil nach dem Recht
An Jesum, dem verschrie'nen Mann,
1545 Dass vor ihm ausspeit jedermann.
Malchus.
Nun endlich greift behend ihn an.
Löst auf die Band' und Ketten :
Jetzt gehst du hin in deines Teufels Bahn,
Er wird dich nicht erretten.
Zxoeiter Jude.
1550 Die Krone reisst ihm vom Kopf herab,
Dem falschen Judenkönig !
Ans Kreuz du musst, du stolzer Mann,
Sonst war dein' Pein zu wenig.
Dritter Jude.
Den Rock, den ziehet ihm nur aus,
1555 Mit Toben und mit Wüthen,
Doch schöpfet deshalb keinen Graus,
Wenn schon der Hund zu Tod möcht bluten.
227
Viertel' Jude.
Ei, du König aller Juden,
Wie so prächtig, wie so schön !
1560 Pfui, am ganzen Leib geschunden,
Blutig wir dich stehen sehn.
Aber recht war für dich das Trutzen :
So muss man der Hoffarth die Flügel stutzen.
Wie dir dein blutiger Purpur steht !
Longinus .
1565 Ans Kreuz dich eilends niederleg,
Allda erwarte die Hammerschläg.
yestis.
Sei mir willkommen, o Kreuzesstamm,
Von Herzen ich dich grüsse,
Bist mir zwar heute ein Altar,
1570 An dem ich werd sterben müssen:
Mein Leib zwar zittert nur vor dir,
Aus Furcht der bitt'ren Schmerzen,
Doch bist du der wahre Lebensstab hier
Für aller Adams Kinder Herzen :
1575 Der Himmel ist gewesen gesperrt,
Durch dich seine Thür geöffnet werd.
Longinus .
Mach deinen Worten bald ein End :
Ein solches langes Plärament
Kann dich vom Tod nicht erretten !
1580 Für dich ist weder Hilf noch Gnad,
Dein' eigne Sund und Missethat,
Die sind's, die dich nun tödten.
Vollzieht das Urtheil, nicht verschont,
Der Bös' gethan, wird so belohnt.
3585 Mit drei Nägeln an das Kreuz ihn schlagt;
Seht, wie der Baum den Bösewicht tragt:
Der betrogen hat ganz Land und Stadt,
Er muss büssen seine Missethat.
15*
228
Malchiis.
Jetzt, Christus, streck her deine Hand !
1590 Der so viel Uebel angefangen
Und so lang war in des Teufels Band
Am Kreuz muss geheftet hangen.
Zweiter Jude.
Ei , Christus , wie geht's , wie steht's , magst
lachen ?
Den Nagel will ich dir noch besser machen.
Dritter Jude.
1^95 Ei, Bruder, jetzt ist das Spiel an mir,
Lass mir meine Stärk erweisen ;
Auf einen Streich wett ich mit dir
Schlag ich ihm durch die Hand das Eisen.
Vierter Jude.
Bruder, schlag zu, den Nagel treib hinein,
1600 Dass er dringet durch Mark und Bein.
Malchus.
Nach dem Urtheil auch an beiden Füssen
Auf gleiche Weis wir's vollziehen müssen.
Ziueiter Jude.
Ei, der Nagel ist dick und lang,
Er wird den Schelm wohl halten an !
1605 Nun, Christe, wie geht's, wie steht's, magst
halten?
Deine Füsse, die will ich dir zerspalten.
Longinus,
Schwingt das Kreuz nunmehr auf die Höhe,
Dass es die ganze Menge sehe 1
Jesus ist's, der falsche Prophet,
1610 Der sich das Reich anmassen thät:
Er hat betrogen ganz Land und Stadt,
Muss büssen jetzt seine Missethat.
Die Schacher an beiden Seiten,
Die sollen ihn begleiten.
229
Alle Jtiden schreien.
1615 Ei, lachet, wer nur lachen kann,
Den Judenkönig schaut alle an.
Jesus.
Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was
sie thun.
Der linke Schacher.
Ach, vermaledeite Pein und Schmerzen
1620 Empfinde ich in allen Seiten;
Ich habe niemals eine Ruh :
Wer ist Ursache als du?
Wir sind gepeinigt ohne Massen !
Dich kunnte man nicht leben lassen,
1625 Weil deine Bosheit ist so gross;
Ach, das giebt meinem Herzen einen Stoss.
Bist w^irklich du der wahre Gott,
So hilf dir und uns aus aller Noth.
Schacher Disinas.
Ach, Bruder, ist denn keine Furcht in dir,
1630 Gott möchte dich verwerfen?
Sieh, dieser hat nicht ein Uebel gethan hier:
Wir sind schuldig, den Tod zu erwerben.
O Herr, wenn du kommst in dein Reich,
So gedenk an mich und mir meine Sünden
verzeih !
Jesus.
1635 Heut sollst du bei mir sein im Paradeis.
Maria.
Ach lasst mich doch bei meinem lieben Sohne
weilen
Und ihm helfen seine Schmerzen tragen und
theilen ;
Denn wo will ich sonsten sein
Als bei meinem Hebsten Sohn Jesu mein?
1640 Mein Herzliebster, ich seh, dass ich deine Schmerzen
grösser mach.
Doch kann ich von dir nicht weichen, ach!
230
yes7is.
Weib, sieh deinen Sohn! Johannes, sieh deine
Mutter 1
yohannes.
Ach, liebste Mutter, ich schätze mir's fürs grösste
Glück und Heil
Und Ehr' , die mir durch den liebsten Meister
ward zu theil,
1645 Indem er mich zu deinem Kinde zählet
Und zum Bewahrer seiner lieben Mutter er-
wählet.
Alaria.
Ach, mein liebster Sohn, willst du denn von mir
abscheiden.
Und dein Jünger Johannes soll bei mir ver-
bleiben ?
yohannes.
Ach, ach, du Mutter meines Herrn,
1650 Ich bitte dich, thu mir's doch gewähr'n:
Wir wollen von dem Kreuz weggehen,
Dass wir die bittern Marter nicht ansehen.
yestis.
Mich dürstet so hart ohne Unterlass 1
Longinns.
Bringet eilends noch ein Wasser her,
1655 Den armen Tropfen zu laben.
Malchus.
Ja, ja, wohl Wasser, Essig her,
Ein' Gall darein thut schaben :
Der Böse ist kein Wasser werth.
Nur schade, dass ihn trägt die Erd.
Zweiter yude.
1660 Das Fläschel ist schon zugericht,
Der Schwamm darein thut stecken.
231
Dritter Jude.
Ei, jetzt will ich es sehen, wie
Der Trank ihm doch wird schmecken.
Vierter Jude.
Trink ! Was machst denn für ein Gesicht ?
1665 Ich mein', der Trank will dir schmecken nicht!
Jesus,
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich ver-
lassen 1
Das Elend , dass ich leide , ist gross über die
Massen.
Malchus.
Ei, lustig, Burschen, ein' Juchschrei wagt,
Heut haben wir noch eins zum Besten :
1670 Lasst sehen, welcher den Rock davontragt,
Ich will nicht sein unter den Letzten.
Zweiter Jude.
Zerschneid den Rock wohl denn gerad,
Damit nur jeder etwas hat.
Dritter Jude.
Nein, nein, zerschneiden müsst ihr nicht,
1675 Ein Fleckel, was wollt ihr thun damit?
Vierter Jude.
Brüder, nur keinen Streit anfangt.
Dem Schalk ist nicht zu trauen:
Solang er an dem Kreuzgalgenhangt,
Genau auf ihn thut schauen.
1680 Das Würfelspiel ein Mittel ist.
Das wird es uns wohl zeigen.
Wessen eigen der Rock dann ist :
Dem Christo zeig ich die Feigen.
Malchus.
Nun den Pasch herfür,
1685 Würfel' ich, hernach ist es an dir.
Ei, zwei und drei ist fünf und vier ist neun.
232
Hätte noch dreimal mehr sein sollen !
Der Teufel mag den Nazarener holen.
Zweiter yude.
Ei, zwei und fünf ist sieben und vier ist elf,
1690 Ich glaub, ich habe zum Rock kein Recht.
Dritter Jude.
Ei, jetzt ist an mir das Spiel,
Vielleicht ich den Rock gewinnen will.
Ei, fünf und sechs ist elf und fünf ist sechzehn:
Ist ein Mittelspiel,
1695 Den Rock ich schon gewinnen will.
Vierter Jiide.
Du Zauberer, du falscher Gott,
Sieben Augen, ist das ein Spott !
Den Rock ich gleich zerreisen wollt.
Dritter Jtide.
Bruder, den Rock lass mir unverrückt,
1700 Ich hab ihn gewonnen, ich schieb ihn ein
Und sollt er vom ärgsten Bösewicht sein.
yesHS.
Nun ist alles vollbracht!
Longinns.
Ach Gott, was bedeutet,
Dass die Sonne erbleichet,
1705 Der Mond kein' klaren Schein mehr hat?
Die Erde unter den Füssen will weichen,
Die Felsen krachen und entzw-ei springen,
Und was noch Schrecken sind mehr dergleichen :
Der Fürhang im Tempel auch thut sich zer-
reissen.
Jlerter yHde.
17 IG Ach, Brüder, laufet alle davon 1
Lauft nur, wer tapfer laufen kann.
Afalchus.
Ei, Burschen, laufet doch nicht davon :
Seht, dass der Zauberer noch etwas zaubern kann.
233
yesus.
Meinen Geist befehl ich, Vater, in deine Hand,
1 7 1 5 Wenn ich jetzt werde sterben :
Du wollest den Sündern gnädig sein
Und sie nicht lassen verderben !
Älalchus.
Mit einem solchen Geschrei hab ich noch
niemals einen Menschen gesehen sterben.
Zweiter Jude.
1720 Ich kann mir die Sach nicht bilden ein.
Ich glaub, es muss der wahre Messias sein.
Loiiginus,
Weil dann morgen ist das Osterfest,
Ist es bis jetzund ein Brauch gewest,
Die Leiber von dem Kreuz zu nehmen.
1725 So lasst uns sehen, ob er tot.
Fürwahr, dies ist der wahre Gott,
Von dem ich noch gestraft werd, wehe!
Sehet ein Tröpflein von seinem Blut
Mein linkes Auge berühren thut,
1730 Mit dem ich nunmehr wieder sehe.
Ach, hätt ich dich vorher gekannt,
Dass du der wahre Gott wirst genannt,
Ich hätte mich gelegt zu deinen Füssen :
O hilf mir nun meine Sünden büssen.
Alle Judeji schreien,
1735 ^^'^ weh, was haben wir gethan ?
Dies ist ein unschuldiger Mann 1
Sein Kreuz und Tod bringt uns gross' Unruh,
Da sehen die Hohenpriester zu!
DAS ST. NIKOLAUSSPIEL.
PERSONEN.
Der Bischof St, Nikolaus.
Ein geistlicher Herr.
Ein Engel.
Ein Jäger.
Luzifcr.
Mehrere Teufel.
Der Tod.
Ein armer Waldbauer.
•^
Der Jäger:
Ich wünsch guten Abend, meine Herren und Frauen !
Ich tritt herein in dieses Haus :
Ich bin der Jägersmann vom heihgen Nikolaus.
Ich bitt den Herrn und auch die Frau,
5 Ob der heihge Herr Nikolaus nicht herein kommen
kann :
Und thut ihr es erlauben, so sprechet ja !
Dann werd ich's meinen Kameraden unterbringen,
Dann werd'n sie hupfen und springen,
Und dabei Juhe singen :
lo Nun kommet ihr herein,
Schöner Engel und Kindelein !
Der Engel:
Ich tritt herein in dieses Haus :
Ich komm mit dem heiligen Mann Nikolaus.
Ihr Hausväter und Hausmütter
15 Bringet eure Kinder hervor,
Damit sie dem heiligen Mann Nikolaus was beten vor.
Der geistliche Herr:
Gelobt sei Jesus Christus !
Mich hat mein Oberhirt gesandt,
Die Kleinen zu belehren und die Grossen zu er-
mahnen :
20 So gehn wir's an in Gottes Namen!
Bischof Nikolaus:
Gelobt sei Jesus Christus !
Ich tritt herein in dieses Haus.
Ich bin der heiHge Mann, Bischof Nikolaus!
238
Jetzt ist die Zeit kommen an,
25 Wo man die Kleinen und Kinder heimsuchen kann.
Im Anfang erschuf Gott alle Ding',
Die Erden und den Himmelsring,
Zugleich das grosse Firmament,
Wo zwei grosse Lichter stehn.
30 Das erste war der Tag, das andre war die Nacht,
Das hat man alles gar wohl betracht.
Die Fischlein sollten im Wasser schwimmen,
Die Vöglein sollten in den Lüften singen.
Es sagen's Fisch und Wasserstrom,
35 Dass Gott die Menschen erschaffen kann.
Wie Gott die Menschheit erschaffen will,
Da erschafft er's nach seinem Ebenbild.
Nun, ihr Hausväter und Hausmütter,
Bringet eure Kinder hervor,
40 Auf dass sie mir was beten vor.
Ich will die Guten belohnen und die Bösen bestrafen.
Hier ist derjenige, den Gott gesandt hat,
Der wird die Kleinen belehren und die Grossen
erinnern.
Fragt gemeinsam 7?iit dem Geistlichen die Kinder
und beteilt sie.
Luzifer
fnit JCetten behängen^ hinter ihm andere Teufel
mit ihren Attributen.
Ha, ha I
Ihr habt mich berufen, und jetzt bin ich da.
45 Ihr habt mich noch nie gesehn.
Weil ich so tief in der Höll bin gvven,
Und weil mich Gott hat herauf genommen
Zu strafen die Bösen und nicht die Frommen :
Und dieweil muss ich jetzt vollziehen meine Pflicht,
50 Weil ihr euch diese Zeit habt gebessert nicht.
Und dieweil ihr immer in Sünden und Laster her
und her
Und immer schlechter werdet. Hausväter und
Hausmütter,
Ueber euch habe ich wohl viel und grosse Klagen,
239
Die mir der heilige Mann Nikolaus hat vorgetragen :
55 Da ihr über eure Kinder eine so schlechte Zucht
thut haben,
Indem ihr ihnen nicht lernet beten
Und sie nicht in die Kirche schickt, die Messe und
die Predigt anzuhören.
So müsset ihr in der Hölle leiden ewig immer und
ohne End,
Weil euch dann Gott in Ewigkeit nicht mehr daran
gedenkt.
60 Es haben es schon viele erfahren,
Aber ihr wollt es noch nicht glauben.
Der heilige Nikolaus ist ein heiliger Mann,
Der euch etwas schenkt und lehrt,
Und ihr euch doch nicht zur Buss' bekehrt.
65 Hausväter und Hausmütter,
Eure Kinder fragt ihr auch nimmermehr:
Wo seid ihr gewesen,
In der Kirch und in der Predigt, oder was sie von
der Predigt wissen :
Dafür lasst ihr sie auf der Gassen herumlaufen !
70 Aber zum Essen laufen sie wie die Rinder.
Ist das eine Zucht für eure Kinder?
Ach Welt und Blut, o Eitelkeit!
Wie wird es noch einmal zugehen bei der so langen
Ewigkeit !
Wollet ihr nun den heiligen Mann Nikolaus noch
vexiren,
75 So werdet ihr bei Gott die Gnad verlieren.
Ich, ein armer Teufel, habe begangen eine einzige
Sund,
Die mich so tief in die Hölle bringt.
Und ihr begehet so viele tausend und tausend
Sünden,
Und ihr wollet noch den Weg zum Himmel finden ?
80 O wie blind sein doch die Leut:
Verscherzen ihre kostbare Zeit;
Mit eurer Freud und Wollustleben
Gehet ihr jetzt in die Hölle zu.
240
Gott für euch am Kreuz ist gestorben
85 Und hat für euch das Himmelreich erworben:
Er hat vergossen sein' letzten Tropfen Blut,
Den ihr noch mit Füssen treten thut.
Die Tänzer und die Springer mit ihrem Uebermuth^
Die jagt's herum brav auf der Glut !
90 Da mach ich euch eine heisse Feueiflammen,
Dass 's über eurem Kopf geht zusammen.
Und die überflüssig haben getrunken und gegessen,
Die thut man binden an Händen und Füssen
Und thut sie braten an den Spiessen.
95 Die Raufer und die Flucher, die Schelter sogar,
Die schleppt man herum bei die Haar.
Weil Raufen, Fluchen und Schelten ist eure grösste
Freud,
So werdet ihr dafür gepeinigt in Ewigkeit.
Die Ehrabschneider hängt man bei den Füssen auf
100 Und schneidet ihnen die Zung heraus:
Da heizt man darunter brav zu
Und in Ewigkeit habt ihr keine Ruh ;
Und die verstockten Sünder,
Die treibt man gar stark herwieder,
105 Dass euch der Kopf springt hernieder.
Mit einer glühenden Peitschen zerschlagt man euch
das Haupt,
Weil ihr an keine guten Lehren habt geglaubt,
In Feuer, Gestank und anderen Gefahren.
Und wenn einmal kommt die Zeit,
1 1 o Wenn die Seele vom Leib abscheid't,
Da werd ich meinen Fleiss wohl gewiss nicht
sparen,
Bis ich euch habe in meinen Klauen.
Hausväter und Hausmütter,
Haltet euer Gebot wohl fest zusammen,
1 1 5 Sonst sollt ihr alle in die Hölienflammen,
Wo alle Verdammten thun klagen -.
Bist du es, du Vater, du verdammter Höllenbrand?
Wegen deiner bin ich in die Höll verdammt !
Und du, o Mutter, hast mir auch alles zugesagt,
241
I20 Wenn ich bin in Sünden und Lastern herumgetappt.
Auch ihr, meine Heben Kinder,
Wendet euren Lebenslauf geschwinde,
So könnt ihr noch werden glückseUge Kinder;
Und wollt ihr euren Lebenslauf nicht wenden,
125 So kommt ihr in des Teufels Händen.
Ach, was Schrecken, ach, was wird es sein,
Wenn ich euch werd reissen in die HöU hinein !
Da bin ich Tag und Nacht dabei,
Wo allzeit das Unglück vorhanden sei:
130 Da blase ich hint' und vorn recht zu.
Da habt ihr von mir keine Ruh.
Ich will euch die Höll wohl tapfer hitzen,
Dass ihr bei mir müsset ewig schwitzen.
Und ich will euch einführen in mein Reich,
135 Dass ihr müsset sieden und braten mit mir zugleich.
Und ich will euch einführen in mein Feuer,
Da wird euch das Lachen wohl theuer !
Ich tritt herein wie eine feurige Schwein
Und will euch führen in die Höll hinein,
140 Und ich tritt herein wie ein feuriger Hund
Und will euch führen in den Höllengrund.
Jetzt wül ich meine Predigt schliessen und muss
es lassen,
Weil mir Gott und der heilige Mann Nikolaus nicht
länger Zeit thut lassen :
Und wenn ich euch wollt alle Wahrheit sagen,
145 So würde es noch kein End nicht haben.
Es erscheint ein armer W a 1 d b a u e r und winselt , dass ihn
ordentlich hungre. Hierzu giebt es in dieser Volksdichtung keinen
Text , sondern erscheint es dem jeweiligen Darsteller über-
lassen, für das bittere Gefühl des Hungers den möglichst passen-
den Ausdruck zu finden. Während das Waldmännchen über die
schlechten Zeiten im allgemeinen und besonderen klagt , tritt
eine als
Tod
angezogene Gestalt in eng anliegendem weissen Gewände, auf dem
einige schwarze Querstriche das Knochengerüste veranschaulichen,
mit der Sense etc. ausgerüstet, herein:
Yolksschauspiele. " 1 o
242
Ich bin der Tod,
Mein Pfeil ist Gift:
Ich geh hinaus
In die weite Welt
150 Und such mir aus,
Was mir gefällt.
Hoch und nieder,
Gross und klein,
Alles muss gestorben sein !
Mit diesen Worten mäht er den vor sich stehenden Wald-
mann nieder, worauf sogleich die Teufel den Leichnam desselben
bei den Beinen hinausschleppen wollen, aber schliesslich von dem
Engel nach vorausgegangenem mehr oder minder ernsthaftem
Gefechte daran verhindert werden, womit das Spiel seinen Ab-
schluss findet.
m
GENOVEFA.
i6
PERSONEN,
Pfalzgraf Siegfried.
Genovefa, seine Gemahlin.
Schmerzenreich, ihr Kind.
Golo, Haushofmeister.
Hanswurst.
Der Koch.
Die Amme.
Ein Mädchen.
Erster 1 „ ,.
> Bedienter.
Zweiter j
Eme Hexe.
Ein Jäger.
Ein Fischer.
Em Engel.
Ein Geist.
Mehrere Diener.
'^
I. Auftritt.
Graf Siegfried allein in einem Zimmer des Schlosses.
Graf.
Nun, Graf Siegfried, so hat dein fröhliches Gemüth
sich ganz unverhofft in eine Traurigkeit verwandelt,
weilen dir die vergnügte Gegenwart deiner Ge-
mahlin saramt der Beherrschung deiner Güter
5 nur eine so kurze Zeit zu geniessen vergünstigt
worden. Sintemal der Himmel dieses Schicksal
angeordnet, dass ich mich selbsten desjenigen be-
rauben müssen, was mein Herz am heftigsten ge-
liebet: jedoch will ich mich dahin bequemen und
IG bereitwillig in das Feld ziehen, auch mein Aeusserstes
beizutragen , um das katholische Christenthum zu
beschützen, auf dass mit Hilfe des Allerhöchsten
der eindringende Feind geschlagen wird und ich
mit Glück zu meinem Eigenthum kann wieder-
15 kehren \ und so hart ich Genovefa meinen Abschied
entdeckt, so hart und schwer wird ihr solches
fallen : doch anders kann es nicht geschehen, da
Noth und Gewalt auch Eisen bricht. Nun
werde ich gehen , um den letzten Abschied von
20 ihr zu nehmen. —
Der mittlere Vorhang wird aufgezogen, der Graf tritt zu
Genovefa, die bei einem Tischchen sitzt und in
einem Buche liest.
246
2. Auftritt.
Graf.
Ach, edle Gemahlin , herzliebste Genovefa , Ihr
wisset, dass nunmehr Abderamus, der IVIohren-
könig, sich nicht allein des ganzen Hispaniens
bemächtiget, sondern auch das ganze Frankreich zu
25 verheren im Willen ist. Vernehme aber aus sicheren
Nachrichten, dass Marzellus, König in Frankreich,
mit 1 2 000 Reitern und 60 000 Fussvolk, auch alle
adeligen Herrn und Landständ sich zum Feldzug
rüsten; also befinde ich mich verpflichtet, diesem
30 sammt meinen Leuten möglichsten Beistand zu
leisten.
Gräfin.
Ach, Graf Siegfried, herzliebster Gemahl, so hör
ich nun, dass Ihr Euch von mir wollet scheiden,,
und mich alleine, ganz betrübt und trostlos ver-
35 lassen, welches mir mein Herz ganz durch-
schneidet. Ach, was soll ich anfangen ! O, o, ich
arme trauervolle Genovefa, wenn ich von meinem
herzliebsten Siegfried muss abgesondert leben.
Golo tritt ein.
3. Auftritt.
Graf.
Liebste Gemahlin, nicht betrübet Euch so sehr
40 wegen meiner Abreise, weilen es Gott also an-
geordnet, sondern tröstet und betraget Euch mit
ihm und seinem allerhöchsten Willen. Setze dem-
nach über alle unsere Habschaften meinen ge-
treuen Diener, den Golo, und übergebe alles bis
45 zu meiner Ankunft unter seine Obsorg; zu Golo,
den er hei der Hand fasst: Lasst Euch Stets höchstens an-
gelegen sein, dass meine liebste Genovefa mit aller
Nothwcndigkeit wohl versehen und derselben von
keinem Menschen Leid oder Schmach angethan
247
5o werde, welches Euch zu meiner Zurückkunft mit
Strafe oder Geschenk wird vergolten werden.
Golo.
Alles, was mir Eure hochgräfliche Gnaden hier
anbefehlen und in mein Vorstehen übergeben
werden, das vermag ich schuldigen Gehorsams
55 emsig und getreu auszurichten, besonders die hinter-
lassene Gemahlin niemals aus meiner Obsorge zu
lassen ; jedoch befürchte ich , dass ich hierin ein
untaugsamer Knecht sei, um dieses Werk nicht
genug befördern zu können.
Graf.
60 Lieber und getreuer Hofmeister, demnach uns
Eure bishero geleistete Dienste zu einem nach-
denklichen Eifer antreiben , Euch noch grösserer
Aufnahme bei unserem Hof beizusetzen , massen
ich keinen taugUchern noch treuem Diener in meinem
65 Schloss habe als eben Euch, den ich zu einem
solchen Werk wohl zu schätzen weiss, auf dass in
meiner Abwesenheit meine Habschaft durch Euch
regiert werde.
Golo.
Weilen denn Ihro hochgräflichen Gnaden ich
70 also verlassen wollen, so bin ich bereit, diesen
Befehl auf das Genaueste zu befördern ; weilen es
aber zur Abreise ist, so wünsche ich von Gott das
allerbeste Glück, dass Sie in mögHchster Kürze und
mit sich bringenden grünen Lorbeerkränzen ge-
75 ziert, sich wieder zu Hause einfinden möchten.
Geht ab.
Gräfin.
Allerliebster Gemahl, mich bekümmert nicht so
fast Eure Abreise, als dass ich unter des Hof-
meisters Golo Gewalt mich befinde, da ich doch
niemals in meinem Gehorsam eine Hinlässig-
80 keit erzeigt ; glaubte auch , dass ich bei Euch in
einem grösseren Vertrauen stünde als ein fremder
248
Bedienter, welcher selbst nicht weiss, wie er seine
Person erhöhen und emporschwingen solle, dazu
ihm wahrlich Eure Abwesenheit grossen Vortheil
85 beibringen dürfte.
Graf,
Allerliebste Gemahlin, meine Rede zielet nicht da-
hin, als ob Golo mehr Gewalt im Schloss als Euch
Selbsten gelassen werde, sondern nur was die Ein-
künfte und Ausgaben betreffen ; Euch aber befehle
go ich in den Schutz der allerseligsten Mutter Gottes
Maria, welche Euch vor aller Sund und was Euch
von Gott absondern könnte, möchte befreien und
ich Euch zu meiner Ankunft mit fröhlichen Herzen
empfangen werde. So lasset uns denn gehen und
95 Alles bis morgen zur Abreise bereiten.
Beide treten ab, der juittlere Vorhang wird zugezogen.
4. Auftritt.
Hanswurst.
Aber jetzt weiss ich erst, wo der Hund im
Pfeffer liegt. Mein Herr der Stulfried, oder wie er
heisst, will mit Saiten in Krieg ziehen und nicht
mit Krug handeln, aber wann i a so a saubers
100 Weiberl hätt, i blieb nur z'haus bei ihr und Hess
die Saiten allein brav fechten im Feld und schauet
ihnen durch a kleines Fensterl von Weiten zu ;
und weil mein Herr fort ist und sein Weib die
Veferl hat hinterlassen , so thut sie sich schier
105 z'todt abi zana vor lauter Leid um den Grafen.
Ob's uns nicht gar drauf geht? I wir müssen
einigehen zu ihr und ihr eine Unterhaltung machen,
damit sie lustiger wird.
5. Auftritt.
Golo tritt ein.
Was machst du hier, du leichtfertiger Kerl? Hast
iio du sonst keine Verrichtungen, als dem Müssiggang
aufzuwarten ?
249
Hanswm st.
Ha ! ha ! nicht so gach, Herr Hosenmeister, nit
so gach, i han erst mein' Gedanken Audienz ge-
geben ; weil der Graf abgereist ist , so weiss ich
115 nit, bin ich der Graf oder wer; er hat weiter nix
g'sagt, ich werd es wohl müssen sein oder wer.
Golo.
Was hast du nach diesem zu fragen , dieweil
mir von dem Grafen die ganze höfliche Be-
herrschung übergeben ist : ja sogar die Pfalzgräfin
120 ist mir zu versorgen anvertraut worden.
Hanswurst.
Ha ! ha ! da hat unser Herr amal die rechte
Katz zum Schmerhüten g'stellt! Der Hosenmeister
ist ohnehin a Kerl, der die Weibsbilder gern sieht ;
was gilt's, der wird selbst wollen Graf sein mit der
125 Zeit. Aber Ihr, Herr Hosenmeister, weil ös jetzt
nun Graf seids, so gibt's ja a neues Trinkgeld a
ab, nit wahr?
Golo.
Ja, wann du mir ein getreuer Diener wärest und
alles in Geheim haltest , was ich dir anvertraue,
130 solltest du von mir eine gute Belohnung bekommen.
Hanswurst.
O, recht aufrichtig wir i enk sein; setzt Euch nur,
könnts enk verlassen, auf mich, seids um und um
verlassen gnua ; schweigen will ich auch, als wenn
mir der Schullehr Turgl die Petschaft aufs Maul
135 aufi druckt.
Golo.
Wisse, Hanswurst, dass ich mich in die Pfalz-
gräfin verlieben will.
Hanswurst.
Das hab ich mir wohl einbildt, der Hosenmeister
hat kein üblen Gusto.
250
Golo,
140 Nun, so gehe hin zu der Pfalzgräfin Genovefa
und gieb Obacht, was sie thut, oder wie sie sich
befinde; rede für mich das Beste und behalte es
in Geheim , komme hernach geschwind und er-
zähle mir Alles.
Hanswurst.
145 Kriege doch aft a gut's Trinkgeld, wann ich
enk ein' solchen Kuppler abgieb?
Golo.
Ja, wenn du deine Sache gut und getreu aus-
richten wirst.
Ha?is7uiirst.
Aber ha, wie wär's, wenn mir's vorher geben
150 thäts? Hernach möcht's bald nit recht Zeit haben.
Golo.
Geh nur einmal , dann wirst du es schon be-
kommen.
Hafisiuiirst.
Ja bekommen I Mir wär's aber lieber, wenn ich's
schon hätt. Nicht wahr, wenn ich g'schwind
155 gehe, so komm ich g'schwind hin?
Golo.
So gehe, gehe doch einmal !
Hanswurst.
Aber Ihr , noch eins , aufs Trinkgeld thut's
gleichwohl nit vergessen. Geht ab.
Golo allein.
Nicht umsonst habe ich den Hanswurst dahin
160 geschickt, um zu sehen, wie es mit der Genovefa
steht, dieweilen von ihrer Schönheit meine Augen
gefesselt, mein Gemüth erhitzt und das Herz vor
Lieb im Leib gegen ihr brennt, dass es mir un-
möglich scheint, ohne ihre Gegenliebe mich länger
165 zu erhalten. Damit ich alle ihre Habschaften
25'
leichter geniesse und meine in mir haftende Liebes-
flamme in etwas erkühlen möge , werde ich ihr
mit allerfreundlichsten Sitten gewogen sein, jedoch
so behutsam, dass niemand es entdecke, damit es
170 mir nicht zum Nachtheil gereichen soll.
6. Auftritt.
Hanswurst koininf.
Das bin ich , Herr Hosenmeister , so lang und
so dick, als wie ich von enk weggangen bin. Was
ich enk will Neues erzählen ! Hiatz bin ich das
ganze Schloss auspassirt, bin endlich gar in Sau-
175 stall einikemma und da han i g'secha unser roth-
g'fleckerte Farlsau, kennts ös doch wohl, die hat
allererst neun Spanferkeln fürbracht, und da ist
eins dabei, sieht den andern allen gleich.
Golo.
Von diesem begehr ich nichts zu wissen ; sage
180 mir, wie's mit der Genovefa steht.
Hanswurst.
Mit der Schmalzgräfin ? Sie steht nit, sie sitzt im
Ganabeth.
Golo.
Was waren denn ihre Verrichtupgen ?
Hanswurst.
Sonst weiter nichts als zanen und flennen ; ich
185 glaub, es wird ihr halt um ihren Schmalzgrafen
leid sein.
Golo.
Ihre Traurigkeit wird bald durch mich in freud-
und friedensvolle Vergnüglichkeit verkehrt werden.
Hanszvurst.
Das wird ihr a Freud sein , als wenn ich ihr
190 beim Essen aufs Teller spieb. He, wie steht's
mit dem Trinkgeld?
252
Golo.
Schweige und gehe, denn ich sehe die Genovefa
anherkommen , ich möchte bei ihr in Verdacht
kommen.
Hanswurst.
195 Das geht mi nix an, ich möcht allemal mein
Trinkgeld haben. Beide gehen ab.
7. Auftritt.
Gräfin tritt auf.
Wenn jemals eine betrübte Frau auf Erden ge-
wesen ist, so kann ich billig mit derselben ver-
glichen werden, inmassen ich mich dessen beraubt
200 befinde, was mir auf Erden das Liebste sein kann.
Ach, wenn doch die Kriegsnachricht von meinem
Grafen Siegfried einlaufen thät , hiedurch ich auch
Gelegenheit fände , ihm hinwieder zu berichten,
wie es um mich steht. Gott wolle gnädig sein und
205 verleihn , dass mein allerliebster Gemahl gesund
und in Freuden zurückkehre.
8. Auftritt.
Hanswurst tritt auf.
Guten Morgen, Frau Schmalzgräfin, möcht enk
heut gern was dazählen.
Gräfin.
Ja, wenn es nichts Ungebührliches ist und keinem
210 Menschen zum Schaden gereicht, so erzähle mir
etwas Seltsames, ich will es anhören.
Hanswurst,
Schauts ÖS, die Heirathsgedanken sind mir auf-
einmal in Kopf aufig'stiegn, i wiar jetzt eins thun
und wiar frisch heirathen ; mein, was sagts denn
215 ÖS dazu?
Gräfin,
Mit diesem wirst du mich wenig unterhalten,
weilen mir wohl bewusst , dass du zuvor ver-
253
heirath' bist und mit deinem Weib in Zufrieden-
heit lebst.
Hanswurst.
220 Ich bin nicht zufrieden mit ihr; sie kocht nichts
als lauter Pulstersuppen den ganzen Tag und macht
alleweil a finsters G' sieht dabei: das kann ich
nimmer länger leiden ; sei es wie's will, ich heirath
halt a mal anders.
Gräfin}
225 Deine Einfalt macht mich vorwitzig, dich zu
fragen, ob du dich getraust, eine andere zu be-
kommen.
Hanswurst .
O , genug , Frau Schmalzgräfin , gleich genug,
auf jeden Finger zehn , auf die Daumen gar
230 zwanzig will ich bekommen.
Gräfin,
Mein Hanswurst, du hast halt immer ein aufbrausen-
des Gemüth \ wollte Gott, mein Herz war mit keinen
solchen Traurigkeiten umgeben , so würde ich
längere Zeit mit dir verkehren, aber es erfordern
235 meine Umstände, dass ich mich allein auf mein
Zimmer verfüge und für meinen Grafen Siegfried
bete. Ab.
Hanstuurst.
He ! bet's für mich a ein Vaterunser , i trink
aft'n a Seid'l Wein auf enker Gesundheit.
Geht ab.
9. Auftritt.
Koch tritt auf .
240 Es ist noch keine lange Zeit, dass der Graf
abwesend ist, so hat sich gleichwohl im Schloss
alles verkehrt und ist gleichsam in Unordnung
254
kommen, in massen sich der Hofmeister Golo selbst
nicht mehr kennt und Tag und Nacht trachtet,
245 seine Person zu erhöhen; ich selbst kann mich
nicht schicken in ihn , er halt auch keine stäte
Essenszeit : wenn schon alles bereitsteht, so ist er
doch zum Essen nicht anzutreffen. Wenn ich nicht
die Gräfin wegen ihrer schweren Bekümmernis
250 verschone, ich begehrte ohne Verweilen meinen
Abschied.
10. Auftritt.
Erster Bedienter tritt auf.
Was macht denn der Koch allhier? Heut ist ja
nicht Charfreitag, dass Koch und Küchel Feiertag
hält; um solche Zeit sucht man den Koch in der
255 Küchel, und nicht auf der Gassen stehen.
Koch.
Was seid Ihr um mich bekümmert? Es soll Euch
ja selbst nicht wohl sein, wenn eine solche Un-
ordnung ist, und mit der Zeit die Wirthschaft den
Krebsgang nimmt , bevor der Graf noch zurück-
260 kommt, der vielleicht noch eine längere Zeit aus-
bleiben wird.
1 1 . Auftritt.
Zweiter Bcdiettter tritt auf.
So viel ich weiss , ist ein Bot' mit Briefen an-
kommen, und glaube fürwahr, dass von des Grafen
Ankunft Etwas berichtet worden sei, weiss aber
265 eigentlich nicht, wann solches geschehen soll.
12. Auftritt.
Hanszvtirst kommt.
Hei lustig, ihr Brüder! Heut muss a gut's Zeichen
im Kalender stehn : es ist ein grosser Brief kema
vom Grafen , da hat mir die Gräfin vor Freuden
255
an Patzen g' schenkt, i was aber net, wo i ihn
270 sollt hinthun. Schuldig bin i überall. Aber weist,
Bruder Koch, du kochst a Schüssel voll Leber-
knödl, und ich zahl a Mass Bier dazu, da werd'n
mir halt recht lustig leben mit einander: und nur
g'schwind, damit wir unser Aufwartung wieder
275 machen können. Gehen alle ab.
13. Auftritt.
Gräfin tritt auf.
Nun leb ich in grösster Hoffnung, dass mein
herzliebster Gemahl, Graf Siegfried, bald kommen
werde, denn dieses Schreiben berichtet mir , dass
sich die Christen in der Schlacht so männlich ge-
280 halten und auf einmal 75000 Türken erschlagen
und die übrigen in die Flucht gejagt haben. Ach,
Graf Siegfried! Gott stehe Euch bei, dass Ihr in
kurzer Zeit Eure betrübte Genovefa mit Eurer
Gegenwart erfreuen möget. Golo kofumt.
14. Auftritt.
Golo.
285 Dass ein unverhofftes Schreiben von Dero Ehe-
gemahl Graf Siegfried eingetroffen , bin ich für
gewiss berichtet und verhoffe auch zu vernehmen,
ob etwa für meinerseits hierin etwas gemeldet
worden.
Gräfin.
290 Für diesmal hab ich nichts vernommen, ver-
hoffe aber eine baldige Antwort, und wenn in der-
selben etwas vorkommt, soll es Euch nicht ver-
halten werden.
Golo,
Es ist wohl jammerschad , dass ein so schönes
295 Frauenzimmer, so lang ihres Geliebten beraubt,
in steter Einsamkeit die Zeit verzehren muss.
256
Gräfin.
Meinetwegen , lieber Golo , seid unbekümmert,
sollet auch jenes , was ich in meines Herren Ab-
wesenheit leide, von mir nicht erfahren \ lasst Euch's
300 auch nicht schwerfallen, da ich weder Euch noch
jemandem andern meine Geheimnisse offenbare
und solches nur mir allein und meinem Ehegatten
zu wissen gebührt.
Golo.
Was mag es aber nützen, in steter Melancholie
305 /u leben, da doch ein anderer unterdessen
gleich so wohl als der Graf, Ihnen die Zeit auch
verkürzen kann?
Gräfin.
Golo, was sollt dieses bedeuten? Vermeint Ihr
wohl , mich zu ungebührender Liebe zu bereden,
310 oder vielmehr mich zu probiren? Lasst Euch vom
Teufel nicht so verleiten , gedenket vielmehr, was
Euch der Graf anbefohlen, und jagt solche Gedanken
mit Gewalt aus dem Hirn.
Golo,
Meine schon vor geraumer Zeit verborgene
3 1 5 Liebesflamme gegen Sie , liebenswürdige Schön-
heit, lässt sich auf die Länge nicht mehr erhalten,
da mich auf ganzer Erde nichts so sehr vergnügen
kann, als Dero Gunst zu geniessen, in der süssen
Hoffnung, dass Sie ja selbst in mein Begehren
320 willigen werden.
Gräfin.
Schämt Ihr Euch nicht, ein solches von mir zu be-
gehren und das Ehebett meines Herrn so schändlich
zu beflecken ? Ist denn dieses die Treue, so Ihr ihm er-
weiset ? Ich sage Euch, untersteht Euch nicht mehr von
325 solchem etwas merken zu lassen, sonst Euch diese
Thorheit tjewiss noch reuen wird. Geht ab.
257
Golo.
Weiss nicht, wie mir g'schieht, dass die Grätin
gar keine Freundlichkeit erzeigen will ; da ich
mit Lieb und süssen Worten das verhoffte, was
330 mir mein Herz am meisten vergnügen könnte,
muss ich plötzlich vernehmen , als wenn ich in
trübem Wasser gefischt. Aber was bekümmere ich
mich, mir ist alle Gewalt vom Grafen überkommen,
warum sollt ich nicht zu gebieten haben mit dieser,
335 wenn Liebe mein Gemüth so sehr beängstigt? Eines
fällt mir noch bei : was ich mit Liebesneigung
nicht erlangen kann , muss mir doch mit Gewalt
zu Theil werden.
Hanswurst tritt auf.
15. Auftritt.
Hanswurst.
He , wie geht's , Herr Hosenmeister Golo ? Ös
340 schaut's heut ganz rabiat aus, ich glaub, ös seid's
nit bei guten Humor, oder es thun enk die ver-
schlagenen Wind a so plagen.
Golo,
Mein getreuer Diener Hanswurst, ich habe
dir ohnedem anvertraut, dass mein Gemüth mit
345 Liebesneigungen gegen Genovefa ganz erfüllet seie,
was ich ihr ganz klar hab zu erkennen geben^
aber nicht die mindeste Freundlichkeit von ihr
erwerben können.
Hanswurst.
Das hab ich mir wohl einbild't, dass der Hosen-
350 meister wird wollen Hahn im Korb sein, und in
fremdem Mist wird wollen umakrallen. Mein,
schert's enk net mit den Weibern , ös kriegt's ja
noch Menscher g'nug.
Golo.
Du solltest aber wissen, dass die brennende
Volksschauspiele. I7
258
355 Flamme für sie so gross ist, das s sie ohne ihrer
Gegenliebe nicht kann gedämpft werden.
Hanswurst.
Wenn's enk dann gar a so brennt, so müsst's
enk halt in kalt's Wasser eini setzen ; was gilt's,
es wird bald auslöschen.
Golo.
360 Verfluchte Canaille, vexire mich nicht, auf dass
du keine Ungnad von mir zu erwarten hast: zu
Theil muss mir werden, was ich verlang', geschehe
es mit gutem Willen oder Zwang ! Geht ab.
Hanswurst.
Tausend Schlackrawald , jetzt hätt's bald Hitz
365 geben. I han mein Lebtag g'hört, das sein die
rechten Katzen, die voran lecken und hinterdrein
kratzen, und mein Herr muss schon von Geburt
ein solcher Narr sein gewesen; kein Wunder, dass
ihn die Gräfin a net mag , dieweil er gar so auf-
370 sässig ist, wenn man was von der Wahrheit sagt.
Jetzt muss i gehn schauen, wo er ist hin gangen
und wir ihm's sagen, dass ich für ihn will ein
Wort reden bei der Gräfin, dass sie ihn nit mag ;
will ich sagen , dass s' ihn wider mag : der Kerl
375 wird lachen und wird mir a Trinkgeld verheissen
zum Lohn. Geht ab.
16. Auftritt.
Gräfin tritt auf.
Weilen sich nunmehro der kühle Abend erreicht,
so will ich in den Garten spazieren gehen und
dort in dem Ansehen der riechenden Gewächse
380 die innerlichen Traurigkeiten meines Herzens
mildern, da ich es für rathsamer befinde, mir die
Zeit alleinig in etwas zu verkürzen, als bei Gesell-
schaften gesehen zu werden. Golo tntt auf.
259
17- Auftritt.
Golo.
Ihro Gnaden erlauben mir in Unterthänigkeit,
385 die Hände zu küssen; seien Sie gegen mir mild
und gütig, so lebe ich, seien Sie aber unbarm-
herzig, so sterbe ich.
Gräfin.
Golo, ich merke gar wohl, was Ihr in Eurem
Schilde führet , denn Eure Geberden mir solches
390 klar vor Augen stellen, dass Ihr nur die unreinen
Gelüste zu geniessen trachtet.
Golo.
Sollen aber auch erkennen, dass mein Herz ganz
zerschmilzt gegen Sie, ein so edles Geschöpf, als
die Natur an Genovefa vorstellet ; Ihre Schönheit
395 verdunkelt den Glanz der Sonne und Ihre Tugend
verdient die Verehrung der ganzen Welt.
Gräfin.
Lasset ab von Euren liebesschmeichelnden
Worten, mit welchen Ihr die Treue zwischen mir
und meinem Ehegemahl zu zertreten suchet, so
400 ich doch Gott und ihm unverbrüchlich zu halten
mich entschlossen habe.
Golo.
Soll es wohl möglich sein, dass Sie in Abwesen-
heit Ihres Herrn sich aller Lustbarkeit der Welt
gänzlich entschlagen sollen , da uns doch die Ge-
405 legenheit die schönste Zeit zu Händen schiebet,
dass wir nach unserm Belieben die Süssigkeit der
Liebe öfters geniessen könnten, derowegen ? Aller-
liebste, vergönnet Eurem Diener küsst sie nur, die
geringste Empfindlichkeit zu verkosten.
. Gräfin^
410 Leichtfertiger Golo, was habt Ihr mich zu be-
tasten ! Wisst Ihr denn nicht, wie schwer Ihr mich
beleidiget, da Ihr mich um Euch in die Dienstbar-
keit der Teufel übergeben würdet. O ehrloses
17*
26o
Gemüth ! Hat Euch der Graf dieses anbefohlen?"
415 Wollt Ihr die ewige Glorie gegen eine so schnöde
Wollust so leichtfertig verscherzen? Gedenket, was
Euch der Graf Gutes erwiesen , dass er Euch als
einen minderjährigen Schreiberjungen zu einem
vollkommenen Verwalter aller unserer Habschaften
420 gesetzt: betrachtet die grosse Liebe, die Euch der
Graf jederzeit erwiesen , und fraget Euch selbst^
warum Ihr so unedel gegen mich handeln wollt.
Wendet Eure Augen vielmehr auf geisthche Bücher
als auf Frauengestalten und versuchet nicht mehr
425 mit solchen Geberden mich zu beleidigen. Geht ab^
Golo allein.
Ach, Unglücks volle Stunde, das Unglück spielet
mit mir den Meister ; da ich an Genovefa mein.
verliebtes Herz zu laben glaubte, bin ich mit harten.
Worten von ihr abgewiesen worden. Aber mein
430 Vorhaben muss doch gelingen , weil ich schon.
einen Fund erdacht : Drakonus , der Koch , muss
mir über die Klinge, dieweil er zu der Gräfiri
eine absonderliche Neigung trägt : ich will es noch
einmal wagen , und mich dem nicht setzen aus :
435 wird Stahel auf Stein geschlagen, erzwingt man
Funken daraus.
Hanswurst tritt auf.
18. Auftritt.
Hanswurst.
Nun he, was habt's denn? Seid's schon mehr
narrischer, dass alleweil wöllt's Funkel auf Stein
schlagen oder Stein auf Funkel? Ich glaub, ös wöllt's
440 zum Tabakrauchen anheben: schaut's, die Menscher
mögen kein' schmecken, davon werden sie gleich
übel, dass gar so hitzig seid's.
Golo.
Hanswurst , schweige mit deinem lärmenden
Plauschwerk, berufe mir Drakonus, den Koch,.
445 herbei.
201
Hanswurst.
So, den Koch? Zu was braucht's ihn denn:
Was gilt's , ÖS wöUt's enk a Häferl Sterz machen
lassen, und das recht anfetten, dass enk 's Schmalz
übern Löffel abi rinnt. Gelt's ja? I wir ihm gleich
450 aussa heissen ; aber dös nimm i mir aus, dass
mich a mitessen lasst's. Geht ab.
19. Auftritt.
Koch tritt auf.
Was befiehlt der Herr Hofmeister, dass Sie
meiner verlangen?
Golo.
Ihr sollet zu der gnädigen Frau hinauf kommen,
455 sie hat etwas zu sprechen mit Euch. Geht ab.
Verwandlung. Zimmer der Gräßn.
20. Auftritt.
Koch vor der Gräßn.
Was befehlen Ihro Gnaden, dass Sie mich in
Ihr Zimmer hereinbegehret haben?
Gräßn.
Solches ist mir ganz unbekannt, dass ich um Euch
verlanget habe ; saget mir , wer hat Euch denn
460 hereinberufen?
Koch.
Der Herr Hofmeister hat mir solches befohlen.
Gräßn.
Es ist nicht dem also : derowegen könnt Ihr
wieder zu Eurer Verrichtung zurückkehren. Koch
geht ab. Ach , Graf Siegfried, Beherrscher meines
465 Herzens, wie lang wirst du wohl deine Ankunft
202
verschieben und mein Gemüth in steter Betrüb-
niss noch eingeschränkt lassen, da ich doch ohne
Unterlass die tiefesten Seufzer zu dir abschicke ?
Und obwohl du mit deiner Gegenwart weit von
470 mir entfernt bist, so können doch meine Gedanken
nicht abgesondert werden , weilen mir keine Er-
götzlichkeit der Erden ohne dich Vergnügen be-
reitet. Golo tritt ein.
21. Auftritt.
Golo.
Es neigt sich vor Ihro hochgräfliche Gnaden
475 der ergebenste Diener, dieweilen Ihro begabte
Schönheit mich dahin beweget, Ihnen mehrmalen
die immer brennende Liebesflamme meines Herzens
in die Erkenntniss zu stellen , dass dieselbe ohne
Ihrer Gegenliebe nie könne gedämpfet werden.
Gräfin,
480 O, Ihr Gottloser ! Vor Gott und allen Kreaturen,
allerehrvergessenster Mensch, fürchtet Ihr Euch
denn nicht vor Gottes Strafe? Getrauet Ihr Euch
wohl, einem christlichen Menschen so etwas vorzu-
wenden ? Pfui der Schande !
Golo,
485 Sollten denn meine Liebesneigungen bei ihr gänz-
lich keinen Platz finden, sollt' ihr Herz wohl
felsenhart sein gegen mich? Nein, das will ich
nicht mehr verhoffen 1 Liebste Genovefa , be-
denken Sie sich, ich sage, bedenken Sie sich, ehe
490 das Bedenken zu spät sein wird.
Gräfin.
O, Ihr boshafter Golo, wollet Ihr Euch wohl
unterfangen, mir ein Ziel und Gebot vorzuschreiben,
mich zu P>urem bösen Willen zu bequemen, welches
doch ein (iräuel vor den Augen Gottes ist? Un-
2 03
495 nienschlicher Golo ! Ihr habt mehr ein Gemüth
eines unvernünftigen Viehes als eines Menschen :
weichet demnach von mir und quälet mich nicht
länger, sonst schwöre ich Euch , dass ich meinem
Herrn davon berichten werde.
Golo.
500 Sollen meine Liebesneigungen bei Euch gänzlich
verachtet und zu meiner Beschämung unbefriedigt
in die Asche gelegt werden, welches meine Liebes-
freude in den bittersten Hass verwandelt, also
dass Euch meine Rache gewisslich auf dem Fuss
505 folgen wird?
Geht ab, auch die Gräfin tritt ab. Der mittlere Vorhang
wird vorgezogen. Golo kommt sodann mit zwei
Bedienten,
2 2. Auftritt.
Golo.
Ihr lieben Bedienten , ich sage , dass ich bei
unserer Gräfin und dem Koch eine verdächtige
Gemeinschaft eine Zeit her verspüret habe und
durch genaue Beobachtungen bemerket , wie ihr
5 1 o tägliches Conversiren in einem gewöhnlichen Liebes-
geschwätz bestehet : wenn wir diesem Uebel nicht
eher zuvorkommen und zu verhüten trachten, als
bis der Graf nach Hause kommt, so wird billig
zu besorgen sein , dass es zu einem üblen Ende
515 gereichen möge.
Erster Bedienter.
Es is wahr, Herr Hofmeister, ich muss es Euch
bekennen, wo die Gräfin im Mindesten dem Koch
was ansieht oder ankennet, dass ihm was fehlt,
so erweiset sie ihm solches mit grösster Bereit-
520 Willigkeit; wo sie ihn sieht, bleibt sie bei ihni
stehen und redet auf das allerfreundlichste mit
ihm , so sie mit uns Bedienten niemals zu thun
pflegt.
264
Golo.
Ja, ich habe sie sogar allein in dem Zimmer
525 bei einander angetroffen und bin dessen für ge-
wiss berichtet, dass sie entweder mit einander ge-
sündigt, oder zum wenigsten dieses im Willen ge-
habt haben ; denn unsre Gräfin ist für den Koch
ganz eingenommen, so dass sie ihn nicht kann von
530 sich lassen, wenn es auch ihr Leben kosten sollte:
also ist es nothwendig, dieses hinterstellig zu
machen, wenn wir bei der Zurückkunft des Grafen
bestehen wollen. Derowegen meine ich, es wäre
rathsamer, wenn wir den Koch in ein Gefängniss
535 werfen und die Gräfin so eng einschliessen , dass
ihr der Zugang zum Koch versperrt sei. Was
denket ihr euch hierüber? Was ist wohl euer
Rath?
Zweiter Bedienter.
Da Ihnen der Graf die Sorgfalt über die Gräfin
540 hat aufgetragen, können Sie nach Belieben thun,
wie es Ihnen am rathsamsten scheint.
Golo.
Gehet und holet mir den Kochl
Der zweite Bediente geht ab und bringt den Koch.
23. Auftritt.
Koch.
Was befehlen Herr Hofmeister, dass ich so eilends
erscheinen muss?
Golo.
545 O , Ihr verfluchter Drakonus , was habt Ihr für
eine Gemeinschaft mit unserer Gräfin? Habt Ihr
sie nicht bezaubert und in ihre Speisen Liebes-
pulver hineingethan, sie mit Gewalt zu Eurer Lieb
gezogen? Derowegen seid Ihr es wohl würdig,
550 dass man Euch in Eisen schmieden lässt und in
den tiefsten l'hurm werfe.
265
Koch.
Herr Hofmeister Golo, was gedenken Sie denn,
dass Sie mich mit was solchem wollen bezüchtigen,
von welchem ich nichts weiss und mir nicht ein-
555 mal in den Sinn gekommen, dergleichen zu be-
gehen ?
Golo.
Ich glaube nichts ; wenn nichts wäre, so würdet
ihr keine solche Freundschaftlichkeit mit einander
gepflegt haben.
Koch.
560 Ach, liebster und grosser Gott, dir ist meine Un-
schuld am besten bekannt ! Drum schwöre ich hoch
und theuer und sage: so wahr Gott Gott ist und
im hohen Himmel wohnt, dass ich diese Sünde
nicht begangen habe.
Golo.
565 Es hilft keine Entschuldigung: leget ihm die
Eisen an und führet ihn in Kerker.
Koch .
Ach Gottl Bin ich denn so gar verlassen, dass
ich so elend muss in das Gefängniss gehen?
Der zweite Bediente und der Koch treten ab. — Der
jnittlere Vorhang wird aufgezogen ; Golo mit dejn ersten
Bedienten kommt zur Gräfin in ihr Zimmer.
24. Auftritt.
Golo.
Nun, Ihro hochgräfliche Gnaden, weilen ich
570 schon lang genug zugesehen , was Sie für ver-
dächtige Gemeinschaft mit dem Koch gepflegt und
nun dieses nimmer länger ansehen kann, sollte ich
bei dem Herrn Grafen noch länger bestehen können :
darum, weil Sie Ihr Ehebett bemakelt haben , so
575 sollen Sie in das Gefängniss geworfen werden und
nicht ehender herauskommen bis auf weitere An-
266
Ordnung des Herrn Grafen , was er berichten
wird.
Gräfin.
Ach Gott! Was wollet Ihr denn mit mir an-
580 fangen, Ihr grausamer Tyrann, dass Ihr mich in
solchem Stand, wie ich mich jetzt befinde, in das
Gefängniss lasset setzen r
Golo.
Gehet und führet sie nur fort: wegen ihrer
Schandthat hat sie keine bessere Wohnung ver-
585 dient.
Gräfin.
Gerechter und grosser Gottl Siehe an die
Schmach , so ich von meinem und zwar undank-
baren Diener erfahren muss. Bin ich denn wohl
zu solchem Kreuz erschaffen worden? Ach Gottl
590 Ach Gott! Erhalte mich doch beständig in der
Geduld und ertheile mir einen Trost in meinen
vielfältigen Beschwernissen. Alle drei gehen ab.
25. Auftritt.
Hanswurst tritt ein.
He, dass di potz auf und ab! Was muss das
Ding werden? Bei meiner Seel, muss der Hof-
595 meister ein Sporn haben! Was do den Gischpel
einfallt, dass er die Leut all nach einander lässt
einstecken , ich weiss nit, in a Büxel oder in a
G'schpaderl. Das ist a verzweifelter Kerl, heut ist
er mehr links als wie rechts , verdriesst ihn der
600 Bettel a so, dass er anstatt a Busserl eine Ohr-
feigen verdient. Wann i mein' Herrn allezeit ein-
sperren müsst, so oft er mir a Maulschellen gibt,
so kam er fast alle Tage einmal in die Kelchen.
Ja mein Eid , i wir jetztunder eins thun und wir
605 schauen, dass ich ein' .\dlaten bekomm: den
267
schick i zu meinem Grafen, um mein bezahlten Lohn
und wir hinter der Thür Urlaub nehmen , wenn's
sein kann, ehe dass i ins Büxel oder ins G'schpaderl
oder gar ins Schächterl eini muss. Geht ab.
Verzuondlufig.
Die Gräßn im Kerker singt ein Lied oder eine Arie.
Golo tritt im Vorderraiime ein.
26. Auftritt.
Golo.
610 Alles, was ich mit der Gräfin hab angefangen,
hat fehlgeschlagen , obwohl ich's mit Lieb und
Hass angefochten und sie in dem schweren Gefängniss
durch Hunger und Durst abmatten lassen , dass
es ihr unmöglich fallen muss, mir ihre Huldschaft
615 länger zu verweigern. Dieweil alle Wider-
sprechungen meine Liebesflamme noch nicht ge-
löscht , so werde ich mich zu ihr in den Kerker
begeben, um zu sehen, ob sie in ihrer Hartnäckig-
keit noch nicht ist erniedrigt worden. Tritt vor dm
620 Kerker. Nun, Genovefa, wie geht's in dem Ge-
fängniss? Ich komme das letzte Mal, Sie zu er-
mahnen , ob Sie mit Ihrer Liebe meinen Willen
erfüllen wollen, so sollen Sie alsbald aus Ihrem
Gefängniss entlassen sein: wo aber nicht, will ich
625 Sie so scharf verklagen beim Grafen, dass Sie ge-
wisslich um ihr Leben kommen werden. Allein
Sie werden ja nicht Selbsten Ihre beglückten
Freudentage Ihres I^ebens verkürzen, so Sie durch
Bewihigung meines Begehrens beständig erhalten
630 können und sich selbsten dadurch in die erwünschte
Freiheit setzen.
Gräfin.
Ei du geiler Bösewicht , ist es denn nicht ge-
nug, dass du mich unschuldiger Weise in das Ge-
fängniss gesetzt, sondern willst mich noch um
268
635 meine Ehre und Seligkeit bringen und der himm-
lischen Freuden dadurch auf ewig berauben ! Sei
aber versichert, dass du dich stets betrogen findest
und alle Mühe vergebens anwendest, denn ich bin
bereit, lieber tausendmal zu sterben, als das Ge-
640 ringste gegen meine Ehre und Reinigkeit zu be-
gehen.
Golo.
Fahre hin , verfluchte Metze , fahre hin ! Das
Donnerwetter schlage dein Felsenherz und deine
Eigensinnigkeit zu Stücken ! Meine Rache sollst
645 du nach aller Strenge erfahren. Oder vermeinst du
dich zu rühmen , dass du mich überwunden ?
Aber rühme dich nur nach deinem Tod, da du
mich deiner Liebe unwürdig erachtest.
Der Vorhang vor dem Kerker fällt.
27. Auftritt.
Hanswurst kojnmt,
Hanswurst.
Ha, ha, was ist denn da für a G' schrei? Wem
650 habt's denn woH'n in die Sterblichkeit schicken?
Nur einmal gleich mich nit, ich hätte jetzt gar nit
Zeit dazu.
Golo.
Packe dich von mir und frage nicht jederzeit
nach dem, was dir zu wissen nicht gebührt.
Geht ab.
Hati twurst»
655 Und wenn er mir's gleich nit sagt, so kenn
ich ihm's doch klar an, was ihm in sein' Schädel
ist , dieweil er sich stellt , als wenn er die Mund-
faul' in Füssen hätt : nachher schaut er aus , als
wenn er das dreitägige Fieber hätt, macht a
660 krummes Maul als wenn's mit Enzian austäfelt
269
war , und geht gleichwohl so trutzig daher , als
wenn der Lümmel des Goliat Brustfleck an hätt:
die Liebesflausen haben ihm sein Hirn a so ver-
wirrt, und der Esel ist nit amal so g'scheid, dass
665 er heirathen thät.
Geht ab. De7' Vorhang des Kerkers ivird aufgezogen.
28. Auftritt.
Amme kommt zur Gräfin.
Ihro Gnaden , weilen mich Ihr Elend also sehr
bedauert , derowegen bitte ich , Sie wollen doch
nicht so felsenhart sein und den Hofmeister wenig-
stens mit freundlichen Worten wieder besänftigen,
670 denn Sie sehen, was Sic in dem Kerker leiden
müssen • auf dass Sie doch aus Ihrer Gefangen-
schaft erlöset werden, so können Sie ihm ja seinen
Willen in etwas erfüllen.
Gräfin,
Euer Zureden hilft alles nichts, denn ich bin
675 bereit, Heber im Kerker des Hungers zu sterben
oder gar zu verfaulen , als meinen Gott zu er-
zürnen oder mein Gewissen zu beflecken. Berichtet
dem Golo , dass ich einen Sohn geboren und
bittet , er solle auch erlauben , mir etliche Tücher
680 zu bringen, damit ich das Kind einwickeln kann
und solches zur heiligen Taufe getragen wird.
Amme.
Ich werde dieses dem Hofmeister allsobald
unterbringen, ja will selbsten vorsprechen, dass er
Ihnen eine bessere Labung zukommen lasse.
Der Vorhang des Kerkers fällt. Golo tritt auf.
270
29- Auftritt.
Golo.
685 Saget mir, habt Ihr ausgerichtet bei der Gräfin,
oder wessen Resolution ist sie wohl?
Amme,
Die Gräfin lässt Euch andeuten, dass sie keines-
wegs Eurem Begehren im mindesten zu Willen
werde , wie auch , dass sie einen Sohn geboren,
690 und sollet erlauben, dass ich ihr etliche Tücher
bringen dürfte und hernach das Kind sollt taufen
lassen; auf dass sie in ihrem Elend nicht gar ver-
schmachtet, vermeine ich sie auch mit einer
besseren Speis zu erquicken, damit sie sich er-
695 holt und das schwache Kind gleichwohl möchte
ernähren.
C5 Golo.
Ist denn das Kind der Metze schon geboren ?
So sag ich Euch, dass Ihr Euch nicht untersteht,
ihr mehr als nothwendig zu geben , nemlich
700 Brot zu reichen, noch viel weniger das Kind zu einer
Taufe zulassen : es ist nicht werth, dass man ihm
solche Ehren zeigt. Amme tritt ab. Nun möcht
ich wohl wissen , wo die Bedienten den ganzen
Tag herumlaufen : wenn man sie am besten
705 brauchen thät, kann man im ganzen Schloss keinen
finden oder antreffen. Hanswurst kommt,
30. Auftritt.
Hansiuurst.
Da bin ich , Herr Hosenschwarzer Kollo : ich
hab den ganzen Tag Hosen gedoppelt und Schuh
geflickt, und bin gerade jetzt erst fertig worden.
Golo.
710 Geh und hole mir zwei Bediente, und du bleib
ein wenig draussen, denn ich hab etwas Geheimes
271
mit ihnen zu reden: und gieb aber wohl Acht,
was unterdessen vorbei geht, und wenn man nach
mir fragen sollt, so sag, ich sei auf einen Meier-
7 I 5 hof geritten.
Hansxvurst.
Und wenn das vorbei ist, kann i nicht mein
Trinkgeld amal haben?
Golo.
Eilends thu, was ich hab anbefohlen 1
Hanswurst.
Potz grün und gelb ! Jetzt muss i wohl g'schwind
720 gehen, weil der Kerl so voller Gift und Galle ist.
Geht ab.
Golo allein.
Dieweilen alle erdenklichen Mittel fruchtlos, so
will ich sie genugsam verklagen bei dem Grafen,
mit diesem Brief, den ich verfertigt bei mir habe,
damit selbe weder ich noch ein anderer geniesse,
725 sondern dass die Gräfin sammt dem Kinde aus
dem Wege geräumt werde. Die Bediente?! ko7nmen.
Nicht ohne Ursach habe ich euch rufen lassen,
denn da ich bedenke, was mir der Graf anbe-
fohlen, so wird es nothwendig sein, dass einer
730 von euch zu dem Grafen abreiset mit diesem
Brief , welcher ihm anzeiget , wasgestalt die
Gräfin mit dem Koch sich in so schändlicher Weise
vergessen, und nicht zum geringen Schandfleck
Dero hochadehgen Familie das Ehebett beflecket,
735 und seit dem ich in das Gefängniss sie verwahret
habe, so viel ich höre, ein Kind zur Welt gebracht
hätte. Damit aber im ganzen Schloss sowohl
wegen des Gefängnisses als auch des Kindes kein
Tumult entsteht, haltet hierüber reinen Mund und
740 lasset keinen Menschen zu ihr kommen; ihr aber
macht euch mit diesem Brief reisefertig und bringet
Ncichricht, was mit den Leuten weiter zu thun sei.
272
Erster Bedienter.
Dieser Befehl soll von mir auf das Eilfertigste voll-
zogen werden. Geht ab.
Zweiter Bedienter.
745 Herr Hofmeister, das ist eine schlechte Zeitung
und wird dem Grafen grosse Betrübniss bereiten.
Meines Wissens kann ich dieses für keine Wahr-
heit gelten lassen, denn so lang ich die Gräfin
kenne, so hab ich niemals ein ausgelassenes Wort,
750 noch weniger ein anderes Zeichen gehört, ja auch
nicht das Mindeste an dem Koch verspürt, und
so ihr etwan solches durch Verrätherei oder
Missgunst geschieht, so ist's billig, mit ihr Mitleid
zu haben.
Golo.
755 O schämt Euch und bedenket Eure Einfalt : wie
kann ein Mensch dem andern ins Herz sehen?
Stille Wasser reissen tiefe Thäler aus ; man rufet
oft einen heilig aus, und er hat doch in der Hölle
seinen bereiteten Ort : es ist auch nicht gut , viel
760 hiervon zu reden: derowegen lasset uns gehen,
und die Sache nach Möglichkeit zu verhüllen
suchen. Beide ab. Die Amme kommt, trägt einen ge-
meinen Krug Wasser und ein Stücklein Brot darauf.
31. Auftritt.
Amme.
Nun, diesen Krug Wasser und das braune Stück-
lein Brot werde ich der Gräfin zu einem Mittags-
765 mahl bringen, wie sie ordinär zu keiner Zeit abge-
speist ist worden ; doch es wundert mich gar nicht,
dass sie von dem Golo so hart gehalten wird,
weilen sie sich gegen ihn so hartnäckig und ganz
widerspenstig gezeiget hat.
Der Vorhang des Kerkers luird aufgezogen. Die Amme
tritt vor den Kerker.
i
273
32. Auftritt.
Anwie.
770 Gnädigste Frau, hier habt Ihr abermals das ge-
wöhnHche Mittagmahl , und sollet wissen , dass
Euch von dem Hofmeister alle Gnad und Gunst
abgeschlagen, also dass er Euch von keiner Noth-
wendigkeit etwas Mehreres , ja noch viel weniger
775 eine Taufe zulasset, so Euch nur allein wegen
Eurer Hartnäckigkeit widerfahret. Geht ab.
Gräfin allein.
Obwohl nichts als Wasser und Brot mir ver-
abreicht wird, so sage ich dir, o Gott, für diese
Gabe Dank, aber dass meinem Kinde die heilige
780 Taufe abgeschlagen wurde, dieses bewegt mich
zu meinem herzlichen Leidwesen. Darum will ich es
Selbsten taufen, zwar in Vergiessung der bittersten
Thränen, und soll's von mir Schmerzenreich ge-
nannt werden. Nimmt das Kind auf ihre Arme und
785 spricht -weiter. Ach , du mein liebster Schatz, billig
nenne ich dich Schmerzenreich, weil ich dich mit
Schmerzen in meinem Leib getragen und mit
Schmerzen geboren habe ; aber noch mit weit
grösseren Schmerzen werde ich dich sicher ver-
790 schmachten und jämmerlich sterben sehen müssen,
denn aus Mangel an Nahrung werde ich dich nicht
erhalten können, weil ich kaum so viel habe, dass
ich mich selbst erhalten mag. O, du armer
Schmerzenreich I Ach, du armes unglückliches Kind 1
Der K^rkervorhang wird zugezogen.
33. Auftritt.
Hanswurst tritt auf.
795 Potz Schlagerawalt , i han mei Lebtag kein
solchen Herrn g'habt, wie jetzt der meine ist;
unsre Frau ist dem Kerl a so ins Herz gewachsen,
als wie der Speck in die Knödeln. Weil ihm
aber die Gräfin das hintere Thürl nit hat offen
800 g'lassen, so schaut er so rabiat drein, dass einer
Volksschauspiele. lo
274
von weitem möcht davonlaufen. Muss schon ihm
eine zukuppeln, weil er gar so gern a Mensch
hätt. I wisset a saubere Wittfrau, recht a imper-
tinentische Gredl ; i werd schauen , ob er's nicht
805 a mag. Tritt ab.
34. Auftritt.
Golo tritt auf.
Ich erwarte schon allbereit die Ankunft des Dieners,
welchen ich zu dem Grafen abgesendet habe, und
verlange begierig zu wissen , wie mir mein An-
schlag von Händen gegangen, auch wie ich mich
810 in dieser heiklichen Sache zu verhalten habe; eben
sehe ich ihn ankommen : ich werde solches bald
von ihm vernehmen.
Erster Bedienter tritt auf,
35. Auftritt.
Erster Bedienter.
Lieber Herr Hofmeister, einen guten Tag und
alles Gute lasst Euch der Graf ankünden, und ob
815 ihm zwar diese Zeitung sehr unlieb zu vernehmen
war, so hat ihm doch gefallen, dass Ihr in allen
Sachen so ein wachsames Auge habt, und so vor-
sichtig mit der Gräfin und dem Koch umgegangen
seid; wiewohl ihm zwar herzlich Leid ist, dass
820 seine geliebte Genovefa in ein solches Laster ge-
fallen ist, so lasst er Euch doch gebieten, dass Ihr
gegen sie mit aller Grausamkeit verfahren sollt.
Golo.
Wohlan , dieser Befehl soll auf das Schärfste
vollzogen werden. Was vermeint Ihr von des
825 Grafen Ankunft, wie bald wird er sich zu Hause
einfinden ?
Erster Bedienter.
Von der Ankunft des Grafen habe ich nichts in
Erfahrung bringen können , und befindet er sich
jetzt im Lager vor der Stadt Adrigno, allwo die
830 übrigen Türken und Sarazener eingeschlossen sind.
275
Golo.
Weil Ihr Eure Botschaft so wohl ausgerichtet,
so habt Ihr eine stattliche Verehrung zu hoffen ; je-
doch wird es für mich das Beste sein, ich setze
mich zu Pferd und reite meinem Herrn selbst
835 entgegen, damit ich ihm von der Sache Aus-
führlicheres beibringen kann, ansonst mir der
schlechteste Theil zufallen möchte. Beide ab.
Verwandlung. Freie Gegend.
36. Auftritt.
Hanswurst tritt auf.
Jetzt möcht ich gern wissen , wo etwan mein'
Herr der Kollerl nur umastürzen thut: i muss
840 an weiten Weg wegen seiner daher patschen, und
jetzt weiss ich erst noch nicht, wo er anzutreffen
sein wird. I sag's, wenn er sich weiter nit gleich
finden lasst, so wiar i ihm an Branntwein zu trinken
geben, aber ein' solchen, wia er mir schon oft
845 zubracht hat.
Golo tritt auf,
37. Auftritt.
Golo.
Hanswurst, du kommst mir eben zu rechter
Zeit, da ich deiner vonnöthen habe.
Hanswurst.
Seid's da amal? Ös macht's an doch klein ver-
wegen mit lauter Suchen, weil's enk gar so lang
850 net antreffen lasst.
Golo.
Hanswurst, gehe mir in das nächste Haus, all-
dort wohnt eine Weibsperson, in einer gewissen
Kunst erfahren \ berufe sie zu mir heraus.
Hanswurst.
Was kann sie für a Kunst? G'wiss die Schwarz-
855 kunst, i bild mir's schon ein; i bin kein Narr, da
2)6
geh i nit hin j es ist nit gut anheben mit solchen
Leuten.
Golo.
Geh nur hinein , es wird dir nichts geschehn ;
berufe sie mir, da ich etwas Geheimes mit ihr zu
860 sprechen habe.
Hanswurst.
Und wann ich enk's herausheisse, schaut's, dass's
net a Hexwerk anhebt und macht aus uns zwei
Mannsbilder an Weibskerl daraus : da will ich
nichts wissen davon. Er schaut hinaus. He ! Ganz
865 wohledle, hochgestrenge, ungnädige Frau Schwarz-
künstlerin, kommt ein wenig heraus 1
Hexe von innen.
Wer ist denn draussen?
Hanswurst .
Der nicht drinn istl
Hexe.
Wer ist's, der meiner begehrte?
Hanswurst.
870 I han mein Lebtag kein' solche alte Raudel
g'hört von einem Weib. Hexe tritt ein.
38. Auftritt.
Hexe.
Ist der Herr meiner Kunst bedürftig, so be-
fehlen's, in was für Stücken es bestehen soll.
Hanswurst.
He, Herr Hosenmeister, jetzt macht's enker
875 Sach nur kurz weg, lasst's nur glei a Dutzend
Leberwurst und etliche Sauschinken und a paar
räsonnable Plunzen daherzaubem, und nur g'schwind
wieder, i kann die Statt nimmer länger ansehn I
Golo.
Ihr sollt wissen, dass ich mich in grösstem be-
880 vorstehenden Unglück befinde, welches ich selbsten
277
durch meinen falschen Bericht bei meinem Grafen
angesponnen : verhoffe durch Eure Kunststücke
daraus errettet zu werden. Daher will ich auf die
Nacht mit meinem Grafen anhero kommen und
885 alsdann sollt Ihr ihm eine Geschichte vormachen,
als ob seine Gräfin sich mit dem Koch in schändlicher
Weise versündiget, wie ich ihm geschrieben habe,
dafür ich es mit einem Stück Geld belohnen werde.
Hexe.
Weil Sie Ihr Vertrauen zu mir einsetzen , so
890 will ich durch meine Kunst alles so auswirken,
was Sie von mir verlangen ; kommen Sie nur mit
Ihrem Grafen und glauben Sie sicher, dass meine
Künste alles vermögen.
Golo.
Ganz gut, hier habt Ihr das Stück Geld, damit
895 Ihr versprechet, bestens ans Werk zu gehen; ich
werde mich zu meinem Grafen verfügen. Komme,
Hanswurst, und folge mir nach ! Hexe ab.
Hanswurst .
O, das ist mir unmöglich, dass ich mit enk sollt
gehen, ös möcht's mich glei wieder zu einem solchen
900 Zauberin Muster hinbringen, wie das ist. Schaut's,
i bin keine solchen G' sichter g' wohnt, i möcht
leicht verschrien werden, i wiar mi aus dem Staub
machen und heim marschiren und den Leuten
fleissig anschaffen , was für Arbeit sie verrichten
905 müssen, bis dass amal nachi kommt's. Geht ab.
Der Graf tritt auf.
39. Auftritt.
Golo zu dem Grafen.
Unterthänigster Diener, Ihro hochgräfliche
Gnaden 1 Sie vergeben mir, dass ich mich unter-
fangen , anhero zu kommen und Ihnen das ge-
bührende KompHment abzustatten, weilen mich
910 dasjenige dahin verleitet, welches ich Ihnen durch
den gesandten Hofdiener schon ofiferirt habe.
278
Graf,
Mein getreuer Hofmeister, entdecket mit Mehrerem
den üblen Zustand, so in meinem Schloss zwischen
meiner Gemahlin und dem Koch sollte vorge-
915 gangen sein.
Golo.
Obwohl ich selbst vor Leidwesen dieses kaum
erzählen kann, so muss ich's dennoch bekennen,
dass meine beste Obsorge durch die List der
beiden Boshaftigen ist hintergangen worden ; sollten
920 aber Ihro Gnaden mir und allen Hofbedienten
keinen Glauben der Wahrheit beimessen, so ist in
diesem Ort eine sehr fromme Matrone , welche in
den geheimen Offenbarungen verborgener Dinge
hoch berichtet ist; diese wollen Ihro Gnaden voU-
925 ständig fragen, so werden Sie einen völhgen Bericht
des Verlaufs empfangen.
Graf.
Wenn dem also ist, wollen wir dieselbe auf-
suchen, denn ich verlange in dieser Sache gänz-
lich vergewissert zu werden. Die Hexe kommt.
40. Auftritt.
Graf.
930 Fromme Frau, weilen ich vernommen, dass
Ihr in den Offenbarungen und geheimen Wissen-
schaften wohl erfahren, von Gott mit solcher
Gnad begabt worden , derowegen zeiget mir an,
was sich zwischen meiner Gattin und dem Koch
935 sollte zugetragen haben.
Hexe.
Durchlauchtigster Graf, weil mir durch meine
Kunst die Schwermuth Ihres Herzens bekannt,
obwohl ich keine Heilige bin , so will ich Ihnen
durch meine Kunst offenbaren , was Ihnen am
940 Herzen so schwer liegt, wenn Sie mir solches er-
lauben werden. •
279
Graf.
Liebe Frau, wenn Ihr durch Kunststücke ver-
möget, solches zu beweisen, so soll es Euch er-
laubt sein und wird mich sonderbar erfreuen.
Hexe nimmt einen Spiegel und eine Ofengabel und
macht einen Kreis.
945 Krispas, Kraspas, Spali, Korali, Kobali. Zweimal.
Nun, Graf Siegfried, in diesem Spiegel werden
Sie Ihre Frau mit dem Koch freundlich reden
sehen.
Graf.
Ja, es ist die Wahrheit, jedoch freundlich reden
950 ist nichts Sündhaftes und Ungebührliches.
Hexe spricht den vorigen Spruch.
Anjetzo werden Sie sehen , wie Genovefa den
Koch freundlich umarmt und aus feuriger Liebe
einen Kuss giebt.
Graf.
Ja, ich sehe es und zwar zu meinem Verdruss.
Hexe, denselben Spruch sprechend.
955 Zum dritten und letzten Mal werden Sie sehen
die Gräfin und den Koch allein in dem Zimmer^
allwo sie sich schändlicher Weise versündiget haben.
Dieses ist alles die Wahrheit, so sich zugetragen
in Ihrer Abwesenheit. Sie haben Ursache, gerechte
960 Rache auszuüben: leben Sie demnach wohl, Graf
Siegfried. Geht ab.
Graf.
Ja, ja ! Diese kunstreiche Frau hat mir Alles
klar vor Augen gestellt. O, lasterhafte Genovefa!
Ist wohl dieses die Treue, so du mir gewidmet,
965 weil du gegen mir dem Schein nach ganz keusch
und eingezogen dich gezeiget hast ? Ich will alle
erfindlichen Tormenten wider dich ergehen lassen,
deine Lasterthat zu bestrafen. Golo ! Versäumet
keine Zeit und beschleuniget Eure Rückreise
280
97 o wiederum dahin, um sie sammt dem Kinde aus
den Weg räumen zu lassen , durch einen sehr
schmählichen Tod, damit, wenn ich nach Hause
komme, ich sie nicht mit meinen Augen anzu-
sehen bemüssigt bin.
Golo.
975 Ganz gehorsamster Diener, Ihro hochgräfliche
Gnaden : Alles soll nach so hohem Befehl auf das
Schleunigste vollzogen werden. Beide treten ab.
Verwandlung . Raum vor dem Kerker.
41. Auftritt.
Hanswurst tritt auf.
Blitzblau weiss und graue Näth! Wunder über
Wunder! Unsern Koch den Drakonus, hat unser
980 Hofmeister in'n alten Keller lassen abisperren, wo
kein Wein nit drin is : da hat sich der verzweifelte
Kerl so voll ang'soffen, dass er hat ein' Bauch
kriegt, schier so gross als wie unser G'schloss, und
aft hat sich der arme Hascher gar z'todt g'soffen.
985 Wer wird uns jetzt was kochen ? O , du armer
Wursthansel, wie wird's auf d' Läng noch aus-
schauen ? Geht ab. Golo und ein Bedienter treten auf»
42. Auftritt.
Golo.
Mein getreuer Diener , Ihr sollet wissen , dass
von dem Grafen der Befehl ergangen, die Gräfin
990 sammt dem Kind ums Leben zu bringen. Darum
gehet hin , nehmet sie aus dem Gefängniss, und
damit im ganzen Schloss niemand was erfahre,
nehmet noch einen Diener zu Euch , und führet
sie mit ihrem Kind in einen finstern Wald : alldort
995 sollt ihr sie beide ermorden , und zum Zeichen
bringt mir der Gräfin ihre Zunge zurück , damit
ich ihres Todes versichert bin.
28l
Bedienter.
Dieses zu verrichten, Herr Hofmeister, sollt Ihr
an mir einen würdigen Diener finden: wenn es
looo mir aber zur Ankunft des Grafen übel vergolten
wird , werdet Ihr mich zu entschuldigen wissen,
da ich Euren Befehl zu vollziehen bemüssigt wurde.
Beide gehen ab.
Der Vorha?ig des Kerkers wird aufgezogen . Ein Mädchen
stellt sich weinend vor den Kerker.
43. Auftritt.
Gräfin.
Mein Kind, warum weinst du denn also sehr?
Mädchen.
Gnädige P'rau, Euer allzu grosses Elend treibt
1005 mir die Zähren aus den Augen, weil der Hof-
meister Befehl erhalten von dem Grafen, dass er
Euch kann hinrichten lassen.
Gräfin.
Und was soll denn hernach meinem armen
Kind geschehen ?
Mädchen.
10 IG Es wird ihm auch nichts besser als wie Euch.
Gräfin.
Ach, mein Gott und Herr! Wie hab ich doch
ein so grosses Uebel um dich verschuldet, dass
ich und mein Kind sollen grausamer Weise hin-
gerichtet werden ! Hab ich denn dieses erlebet,
1015 dass ich als wie eine, welche die Ehe gebrochen,
sollte sterben , die ich meinem Herrn die ver-
sprochene Treue zu halten, soviel Ungemach bis-
her hab leiden müssen? O mein Gott, komm mir
in dieser Noth zu Hilfe und erlöse mich von dem
1020 grimmigen Tod! Mein Kind, gehe in mein
Zimmer, bring mir Feder, Tinte und Papier : da
hast du den Schlüssel, und offenbare niemand was
davon !
282
Mädchen.
Ja, gnädige Frau, dieses werde ich mit willigstem
1025 Gehorsam schleunigst vollziehen, was Ihr mir an-
befehlet. Geht ab und kommt gleich zurück. Allhier
habe ich schon, was Ihro Gnaden verlangt haben.
Gräfin.
Nun warte ein wenig, bis ich etliche Zeilen ge-
schrieben habe. Schreibt. Diesen Brief trage in
1030 mein Zimmer und lege ihn in das Schreibbuch,
und für deine Mühewaltung nimm dir von meinen
Kleinodien, so viel dir beliebig ist.
Mädchen .
Gnädige Frau , ich werde dieses gern willig
vollziehen. Wollte wünschen, ich könnte Euch mehr
1035 Dienste leisten. Geht ab.
44. Auftritt.
Die beiden Bedienten kommen zur Gräfin in den Kerker.
Zxveiter Bedienter.
Ihro Gnaden, gehet mit uns , denn wir haben
Befehl erhalten , Euch auf einen andern Ort zu
führen. Die Bedienten treten mit der Gräfin auf der
linken Seite ab. Der Vorhang des Kerkers wird zugezogen.
45. Auftritt.
Verwandlung. Die Gräfin mit den Bedienten im. Walde.
Gräfin,
Ach, gute Freunde und Diener meines Herrn,
1040 ihr habt mich zwar aus dem harten Gefängniss
endlich befreit ; da ich mich nunmehr aber in einem
finstern Wald befinde, unwissend, was daraus ent-
stehet, so sagt mir doch zur Gnad , was ihr mit
mir weiter anfangen wollt : lasset mir auch zuletzt
T045 mein Schloss noch einmal anschauen, aus welchem
ihr mich geführet, und vollziehet den Befehl, der
euch gegeben ist, da ich wahrlich nichts Gutes
von euch zu erwarten habe.
283
Erster Bedienter.
Gnädige Frau, wir haben Befehl erhalten von
1050 dem Hofmeister Golo, und zwar den schärfsten,
Euch ohne alle Gnad sammt dem Kind das Leben
zu nehmen. Darum bereitet Euch zum Sterben,
damit wir Euch und Eurem Kind das Leben
nehmen können.
. Gräfin legt das Kind vor sich und kniet nieder.
1055 Ach, liebe Diener, ich habe weder euch noch
jemand anderm ein Leid angethan: was soll euch
denn zu solcher That bewegen? Hier liegt mein
unschuldiges Waislein , so den Tod noch nicht
verschuldet ! Ach, du armes Kind, herzallerliebster
1060 Schatz, ach, könnt ich dich so lang auf meinen
Armen tragen, als ich dich unter meinem Herzen
getragen habe. Die Diener stellen sich, als wollten sie
das Kind tödtcn , die Gräfin steht auf und fällt ihnen in
die Arme. O, liebe Leute, verschonet doch das arme
unschuldige Kindesblut, und wenn ihr eurem Befehl
1065 nachleben wollt, so nehmet mir doch eher das Le-
ben, damit ich nicht ansehen darf meines Kindes
Tod und also gezwungen werde, zweimal zu sterben.
Erster Bedienter.
Weil denn die kindliche Liebe so gross in Euch
und das mitleidige Ansehen seines Todes die
1070 Schmerzen noch verdoppelt, also dass Euch er-
träglicher fällt, bevor selbst zu sterben, derowegen
strecket alsbald den Hals zum Streich. Die Gräfin
kniet nieder, der erste Diener zieht das Schwert und will
zuschlagen.
Gräfin.
Ich bin zwar bereit zum Sterben, aber glaubt
mir , dass ihr euch durch meinen Tod gröblich
1075 versündiget, da ich von dem Hofmeister falsch
verklagt und unschuldig bin dahin gebracht worden,
weil ich seinen bösen Willen nicht hab wollen
vollbringen.
284
Zweiter Bedienter.
Bruder, halte ein und bedenke dich besser, dass
1080 wir niemals von der Gräfin was Unrechtes ver-
nommen noch gesehen haben, auch wohl mit der
Zeit deren Unschuld an Tag kommen möchte,
welches uns von dem Grafen reichlich belohnt
würde. Warum sollen wir unsere Schwerter mit dem
1085 unschuldigen Blut der Gräfin färben?
Erster Bedienter.
Ich hätte zwar gleiches Erbarmen, weil aber der
Hofmeister ihres Todes vergewissert sein will, wie
bringen wir denn zum Zeugniss die Zunge nach
Hause?
Zweiter Bedienter.
1090 Dessen sei unbekümmert, denn der Hofmeister
kennt es nicht, wenn es auch eine Hundszunge
ist. — Hochwohlgeborene Gräfin, das Leben sei
Euch geschenkt, lasset Euch aber stets angelegen
sein , dass Ihr Euch niemals sehen lasst ausser
1095 dieser Wildniss, damit wir nicht verrathen und
unsere Barmherzigkeit mit Rache belohnt werde.
Was Eure Nahrung betrifft, mögt Ihr selbst suchen,
so gut Ihr könnt. Verzeihet uns unsere Euch an-
gethane Schmach, wir empfehlen Euch in den Schutz
II 00 Gottes und verhoffen Euch in jener Welt wieder-
zusehen.
Gräfin.
Der allmächtige Gott wolle eure Barmherzig-
keit, so ihr an mir und meinem Kinde erzeiget,
allergnädigst belohnen. Behüt euch Gott und ver-
1105 zeiht auch mir, wenn ich euch beleidigt habe.
Die zwei Diener entfernen sich. Nun bin ich VOn aller
Menschenhilfe und Gemeinschaft abgesondert und
muss mit bitterer Hungersnoth mein in der Jugend
angefangenes Einsiedeleileben mit grossem Herze-
II I o. leid fortsetzen. Ach, womit werde ich in dieser
Wildniss meine matten Glieder erquicken? Kein
Wasser weiss ich nicht zu finden ; die Nacht bricht
285
allgemach heran, die wilden Thiere suchen ihren
Raub, die lieben Vögelein haben ihrem Gesang ein
II 15 Ende gemacht. Sieh denn, o himmlischer Vater, vom
hohen Himmel herab und errette mich elende Frau
sammt meinem Kinde vor den wilden Thieren,
damit ich morgen mich besser umsehen und etwa
eine Steinhöhle oder einen hohlen Baum finden
II 20 möchte, darein ich mich verbergen und vor dem
Regenwetter geschützt sein kann. Geht ab.
46. Auftritt.
Golo tritt auf.
Nun hab ich mich an der Gräfin gerächt ! Ob-
wohl ich sie mit Hintansetzung meiner zum Tod
geliefert, so befindet sich doch mein Gemüth viel
1125 ruhiger als zuvor, dieweil ich ihre Gestalt vor
Augen habe , welches mich zu ihrem eigenen
Unglück angereizt. Ich mache mir kein Bedenken
meiner Schuld darüber, die auf mich fallen soll,
denn ich werde mich bei der Ankunft des Grafen
1130 schon zu verhalten wissen, dass die Unschuld
Genovefa's nicht an den Tag kommt. Geht ab.
47. Auftritt.
Hanswurst kommt.
Weiss der Teuxel, wie's in unserm Schloss auf
d'Läng noch wird werden! Das geht mir amal nit
ein , dass i Tag und Nacht kein Fried nit han :
II 35 bald muss ich dorthin, bald daher: bevor, weil
der Graf heimkommen will, sollt ein jeder Kietzen
auf sein Ort kemma. Es heisst ja alleweil, ich
krieget a gut's Trinkgeld, aber noch hab ich nichts
g' sehen; kann sein, dass ich an grösseren Jahrlohn
1140 krieg, weil der Hosenmeister das Trinkgeldgeben
auf den Bestand hat ausgelassen. So will i halt
gehen, damit die Haderei amal an End hat. Der
Kuhdirn wiar i's eh sagen, dass's den Stall sauber
ausmisten thut, weil ohnedem alles muss g'schliffen
II45 sein. Geht ab.
286
Der mittlere Vorhang wird aufgezogen. Eine Felsenhöhle
wird vorgestellt, und die Gräfin tritt auf.
48. Auftritt.
Gräfin.
Ach, ich unglückliche Mutter^ wo soll ich mich
hinwenden r Das Klagen und Weinen meines Kindes
giebt meinem betrübten Herzen viele tausend
Stiche , die Kräfte entschvvinden mir, und nichts
1150 steht in meiner Gewalt, mit welchem ich dir, mein
Kind, zu Hilfe kommen könnte, um dir die nöthige
Nahrung zu reichen: darum will ich dich aus
meinen Armen entlassen, weil es mir unmöglich
ist, dieses unerträgliche Leidwesen länger an-
1155 zusehen. Sie legt das Kind unter einen Baum, geht da-
hin tmd spricht weiter. Mein Gott und Erlöser, können
denn deine Augen, die sonst so mitleidig sind,
ansehen , dass das unschuldige Blut aus Mangel
an Nahrung verschmachten muss? Siehe, wie es
II 60 mit seinem milden Weinen so inbrünstig zu dir
um Hilfe rufet ! Ach, erbarme dich doch für dieses
verlassene Waislein , ich habe ja keinen Trost
mehr auf Erden als dieses mein einziges Söhnlein.
So du mir dann dasselbe nimmst, so muss ich ja
II 65 gar vertrauern in dieser Wildniss : darum, um
meines Trostes willen , rette dasselbige , so will
ich's erziehen zu deinen göttlichen Diensten.
Es erscheint eine Hirschkuh, die das Kind säugt. Grosse
und wunderbarliche göttliche Gütigkeit, der du
II 70 mein unwürdiges Gebet allergnädigst erhört! Da
ich folgsam erkennen muss , dass du mir dieses
zahme Wild zur Ernährung meines Kindes ge-
sandt, darum sei dir, o Gott, für diese himmlische
Wohlthat unendlicher Dank gesagt ; ich bitte dich
II 75 auch zugleich um Fortsetzung dieser Gnade, so
du zu meinem Trost verordnet hast.
Der mittlere Vorhang wird zugezogen.
287
Im Schloss, Der Graf kommt aus dem Krieg nach Hause.
49. Auftritt.
Graf.
Demnach ich nun meine Kriegsdienste mit viel
Mühe und Gefahr zu Ende gebracht und nunmehr
mich zu Haus in Etwas ergötzen könnte, hat doch
II 80 mein Gemüth nicht das geringste Vergnügen, kann
auch nicht mehr finden, was ich bei meiner Ab-
reise hinterlassen, nämlich das Liebste auf Erden,
was mir immer auch als ein Schatten vor Augen
liegt. O, hebste Genovefa, wo seid Ihr hinge-
II 85 kommen, ach, wie weit habt Ihr Euch versehn
und in meiner Abwesenheit vergangen ? Ach, wer
kann glauben, was ich leide 1 Gleichwohl ist mir
herzlich leid, meine liebste Genovefa ! Ich wollte
wünschen , dass ich sie noch einmal lebendig
II 90 sehen könnte: alle mir angethane Schmach soll
von mir in Vergessenheit gestellt werden und
ihretwegen nimmermehr daran gedacht werden.
Golo tritt auf.
50. Auftritt.
Graf,
Golo 1 Kommet herbei , und hört meinen
schweren Traum , den ich heute Nacht erlitten,
II 95 demnach ich im Schlafe sah, wie ein Drache meine
liebe Gemahlin hinwegriss, und niemand war da,
der ihr in dieser Noth Hilfe leistete.
Golo.
Der Drache bedeutet den Koch, welcher Dra-
konus geheissen und seiner Treu vergessend die
1200 Gräfin ihrem rechtmässigen Herrn entzogen, und
im übrigen sollen Ihro Gnaden einem leeren Traum
nichts zumessen, denn sie hat wohl mehr verdient,
als sie empfangen.
Graf,
Ob sich zwar meine äusserlichen Sinne durch
1205 diese Worte befriedigen lassen, so kann doch mein
288
ängstiges Gewissen keine Ruhe finden, weil es
von Betrübniss gänzlich eingenommen ist.
Golo.
Wenn Eure hochgräfliche Gnaden sich mit einer
Jagd oder anderer Zeitverkürzung erlustigen
12 IG wollen, so bin ich bereit, als Dero treuester Diener
zu solchem alle gehörigen Anstalten zu machen :
mittlerweile werde ich mich auf dero gehörige
Herrschaften verfügen und alldort der Nothdurft
nach eine Zeit lang wegen vorfallenden Ver-
1 2 1 5 richtungen verbleiben ; beliebt es mich aber von
dort anhero zu citiren, so will ich keine Zeit ver-
säumen , solchem Wunsche gehorsamst nachzu-
kommen.
Graf.
Wenn etwas Nöthiges auf meinen Gütern vor-
12 20 gefallen, so reiset hin und verrichtet solches nach
Eurem besten Wissen ; bringet anhero alles, was im
Schloss Euer Amt mit sich bringt in gute Ordnung
und reiset hernach andere Geschäfte zu verrichten
nach Eurem Belieben. Beide ab.
51. Auftritt.
Jäger tritt auf.
1225 Seit die Gräfin aus dem Schloss, und der Graf
nach Hause gekommen , ist weder Freud noch
Lust zu finden bei allen Bedienten : ja, der Graf
selbst, ob man schon mit Jagen und Hetzen und
allerhand Kurzweil die Zeit hindurchzubringen
1230 suchet, ist doch immer voller Traurigkeit, und
mehr wie zuvor : und will das alles nichts nützen,
des Grafen Bekümmerniss aus dem Herzen zu
reissen.
Fischer tritt bei den letzten Worten auf.
52, Auftritt.
Fischer.
Dass es dir schwer fallet, ist wohl zu glauben,
1235 ^^^^ <^^s ist auch wahr, obschon das Wild flüchtig
289
und nicht wie die Hirschen gleich eingeschränkt
ist , sind dir doch jederzeit zur Jagd einige Ge-
hilfen gegeben , ich aber muss den ganzen Tag
allein bei dem Wasser die Sonnenhitze erdulden,
1240 und sehr oft, und manchen Tag mit grossem Ver-
druss umsonst arbeiten. Aber sag mir doch,
warum der Graf anjetzo ganz verkehrt zu sein
scheint , und der Hofmeister Golo so unverhofft
verreiset ist?
Jäger.
1 245 Nachdem der Graf vom Krieg zurückgekommen,
scheinet er freilich ganz verändert zu sein; die
Ursach lässt sich leichtlich finden, und ist nur zu
besorgen, wenn des Hofmeisters Falschheit an den
Tag kommt, dass auch auf uns Bedienten ein
1250 Argwohn lasten wird, und glaube für gewiss, mein
Bruder, dass sich der falsche Golo derowegen
auf eine Zeit vom Schloss hinweg gemacht hat,
damit entweder der Graf von ihm keinen Arg-
wohn schöpfen, oder aber wenn solches offenbar
1255 würde, er der verdienten Strafe desto leichter
entrinnen kann. Doch weil von diesem zu reden
nicht erlaubt ist, wollen wir uns beiseits begeben,
damit wir nicht verrathen werden. Beide ab,
53. Auftritt.
Der mittlere Vorhang wird aufgezogen.
Gräfin Genovefa mit Schmerzenreich im, Walde.
Gräfin.
1260 Ach, wir armen, elenden Frauen! Wer soll
wohl glauben können, dass mein Stammhaus von
Brabant war und ich aus vornehmem Geschlecht
entsprossen bin! Ach, Graf Siegfried, Ihr habt
mich mehr zu meinem Elend als zu meinem Ver-
1265 gnügen in das Triersche Land gebracht; Euch
aber seie alles verziehen, weil Ihr von falschen
Anklagen selbst hinter das Licht geführt worden.
Volksschauspiele. ig
290
O, schmerzensvoUe Genovefa 1 Keine menschliche
Speise habe ich zu gemessen , mein armes Kind
1270 kann ich nicht bekleiden! Nicht umsonst, mein
Kind, habe ich dich in der Taufe Schmerzenreich
genannt, da du von Jugend auf genug Schmerzen
hast leiden müssen ! Ein Engel erscheint.
54. Auftritt.
Engel.
Genovefa! Genovefa! Fürchte dich nicht, ich
1275 will für dich und dein Kind Sorge tragen.
Gräfin kniet nieder.
Barmherziger Gott ! Gedenkst du noch an mich
arme Sünderin ! O , Genovefa, bekümmere dich
nicht in deiner Verlassenheit, Gott hat dir ja die
Hirschkuh zur Ernährung deines Kindes gesandt,
1280 welche täglich dein Kind säuget, die Kräuter und
Wurzeln zu deiner Nahrung herbeibringt, und noch
zum Ueberfluss will er dich sammt deinem Kind
ernähren ! Wie lang, o Herr, wird es dir gefallen,
mich in dieser Wildniss zu erhalten?
Der Engel kommt mit einem Kreuze.
1285 Ermuntere, o Genovefa, deine Gedanken, und
erfrische dein Gemüth. Gott hat mich gesandt,
dir dieses Kreuz einzuhändigen und hiermit deinen
traurigen Zustand zu mildern, und weil dich ge-
dünkt, dass dein Elend gar zu schwer sei, so
1290 wisse, dass dein Erlöser nichts verschuldet und
dennoch viel mehr hat leiden müssen. Verschwindet.
Gräfin.
O, wahrer Trost meiner Seele I Allgütigster
Gott, was soll ich mich beklagen? Fürwahr, ich
handelte unweislich. Zwei Jahre wohne ich in
1295 dieser Wüste, da du mich allezeit gnädigst be-
wahrt: ja sogar die wüden Thiere haben sich
gegen mich dienstbar erzeigt. Ach , verzeihe,
291
o Herr, in deinem heiligen Willen, und erhalte
mich in dieser Wüste, so lang es dir beliebt , ver-
1300 leih mir auch Geduld in meiner Trübsal und ein
standhaftes Herz.
Der mittlere Vorhang wird zugezogen.
55. Auftritt.
Der Graf schläft im Zimmer auf seinem Bett. Es schlägt zwölf, ein
Geist tritt auf, geht zu dem Grafett, und ufnfasst ih?i mit beiden
Armen.
Graf.
Himmel, wie geschieht mir ! — — — Ich er-
starre, was ersehe ich? Kommt mir zu Hilfe,
stehet mir bei, rettet mich !
56. Auftritt.
Erster Bedienter tritt auf. Der Geist verschwindet.
1305 Um des Himmels willen, wo fehlt's! Was be-
fehlen Ihro Gnaden?
Zweiter Bedienter kommt.
Hier bin ich, Ihro Gnaden zu hohen Befehlen.
57. Auftritt.
Hanswurst kommt.
Da bin ich, Herr Schmalzgraf, was fehlt enk,
dass a so schreit's, wie a Zähnbrecher? Hat enk
13 10 eppa die Trud druckt?
Graf.
Ach, getreue Diener — ein Geist!
Zweiter Bedienter.
Ein Geist? fürchten Sie sich nicht, wir sind
alle zugegen.
Hanswurst.
Was, ein Geist? Wo ist der Kerl, ich will
1315 ihn gleich z'sam trischacken.
19*
292
Graf.
Höret, liebe Diener, ich lag hier im besten
Schlummer, nichts Widriges befürchtend : halb er-
wachend hörte ich den Hammer 1 2 Uhr schlagen,
dann verspürte ich eine fürchterliche Ahnung,
1320 worüber ich erwachte. Ich sah neben meinem
Bett einen Geist stehen, welcher sich mir nahete
und mich mit seinen kalten Armen umklammerte :
da ich mir vor Angst nicht zu rathen wusste,
hab ich zu euch um Hilfe geschrien.
Zweiter Bedienter.
1325 Fürchten sich Ihro Gnaden nicht mehr, wir
verspüren nichts von einem Geist.
Graf.
Er ist bei eurer Ankunft augenblicklich ver-
schwunden.
Hanswurst .
Der Kerl hat's g'schmeckt, dass ihm net wird
1330 gut gehen, wenn ich über ihm kommen war.
Graf.
Weil ich mich vom Schrecken wiederum etwas
erholt habe, so könnet ihr euch wieder zur Ruhe
begeben, soll mir aber nochmalen dergleichen
begegnen, so kommt eilends, wenn ich euch rufe.
Erster Bedienter.
1335 Wie Ihro Gnaden befehlen, ich werde immer
wachsam sein.
Zweiter Bedienter.
Ich werde mein Auge nicht schliessen, um auf
den leisesten Ruf bereit allda zu stehen.
Hanswurst.
Und ich gehe gar nimmer schlafen , ich bleib
1340 bei enk da, Herr Schmalzgraf, und wiar den
Kerl wegblasen, wenn er noch einmal kommen
sollt 1
2 93
Beide Bedienten,
Wir wünschen Ihro Gnaden die angenehmste
Ruhe. Beide treten ab. Der Hanswurst bleibt allein auf
der Wache, geht eine Zeitlang auf und ab und spricht nichts
als: Wer da? Wer da?
Graf,
1345 Ach, ist der Geist schon wieder kommen?
Hanswurst.
Noch daweil nit; ich hab mich nur exerciert,
wie ich machen werd , wenn er noch einmal
kommen sollt.
Graf.
O, wie bin ich durch dein Geschrei erschrocken.
Hanswurst.
1350 Schlafen's nur sicher fort, es ist genug, wenn
ich bei enk Schildwach halt : kein Geist , kein
Gespenst, keine Trud soll zu mir ins Zimmer
herein kommen, wenn ich Schildwach steh 1 Geht
eine Zeit auf und ab. Ich kann jawohl ein wenig
1355 sitzen, und a klein's Schlaferl machen ; heunt bin
ich schon sicher, heunt kommt nix mehr. Schnarcht.
Der Geist erscheint, weckt den Grafen, der aufsteht und
ihm nachfolgt ; der Geist zeigt ausserhalb der Thür mit einem
Finger auf einen Punkt und verschwindet.
Graf ruft.
Bediente , wo seid ihr ? kommt mir zu Hilfe 1
Eilet I Eilet ! Die zwei Bedienten kommen.
58. Auftritt.
Erster Bedienter.
O, Wunder, wie sind Ihro Gnaden hierher
1360 gekommen?!
Zweiter Bedienter,
Ihro Gnaden sind sicher durch den Geist hie-
her geführt worden.
294
Graf.
Nicht anders ; der Geist kam, drohte mit seinem
Finger , und winkte mir nachzufolgen ; ich er-
1365 schreckte sehr, doch fasste ich Muth, stand auf
und folgte ihm an den gegenwärtigen Ort nach,
dann zeigte er mit seinem Finger auf die Erde,
und verschwand vor meinen Augen.
Erster Bedienter.
Schauderhafte Begebenheiten! Was soll wohl
1370 dieses zu bedeuten haben?
Zweiter Bedienter,
Unfehlbar muss es des Drakonus Geist sein, der
Geist des gewesenen Kochs , welcher von Golo
unschuldiger Weise hingerichtet und dem Ver-
nehmen nach in diesen Keller begraben worden ist.
Graf.
1375 Boshafter Golo, unschuldiger Drakon ! Führ
mich aus diesem Orte wieder in mein Zimmer.
Beide Bediente.
Ihro Gnaden haben zu befehlen.
Treten wieder ein.
Hanswurst.
Wer da! Wer da! Ist's der Geist oder das
Gespenst, oder die Trud? Hinaus mit solchen
1380 Lumpenzeug! Mein Herr will schlafen, a Schild-
wach derf ma nit lang vexiren, i wetz den Säbel.
Erster Bedienter.
Nur g' scheid vor dem Grafen.
Hanswtirst.
So seid's ös der Herr Schmalzgraf? Schlechte
Raison für enk, dass so heimlich vor der Scliild-
1385 wach vorbei schleicht's und meldt's gar nichts an,
dass ich hätt schreien können: wer dal
Graf.
Auf dich dürfte man sich verlassen ; du hast
deine Sache gut gemacht.
295
Hanswurst,
Da fehlt nix.
Graf.
1390 Nun begebet euch alle zur Ruhe, ich hoffe,
der Geist wird nicht mehr kommen, weil er mir
selber sein Verlangen angezeigt. Morgen des
Tags werde ich an dem angewiesenen Orte auf-
graben lassen, sollen sich Drakonus' Gebeine allda
1395 vorfinden, solche erheben und nach christlichem Ge-
brauch zur Erde bestatten lassen, den mörderischen
Golo aber zur gebührenden Strafe heranziehen l
Bediente und Hanswurst ab.
Graf allein.
Ach, wie unrecht habe ich gehandelt, dass ich
so leichtlich geglaubt und meine unschuldige
1400 Genovefa zum Tode verurtheilet und von derselben
keine Verantwortung oder Entschuldigung hab
anhören wollen ! O, ich Unglückseliger ! Wo soll
ich mich hinwenden, dass ich Verzeihung erlange I
O, herzliebste Genovefa, wo seid Ihr? O, aller-
1405 liebste Gemahlin, was leide ich Euretwegen? Da
ich zu dunkler Nachtzeit mich zur Ruhe begeben
solle, werde ich stark von Geistern geplagt, noch
mehr aber schmerzt mich dieses Brieflein, o liebste
Genovefa, so Ihr mir zur Vertheidigung Eurer
1410 Unschuld in Eurem Zimmer hinterlassen habet I
Liest den Brief. »Gnädigster Herr, herzhebster
Gemahl! Demnach ich verständigt worden, dass
ich auf Euren Befehl morgen sterben sollte, hab
ich mit diesen Zeilen einen freundlichen Abschied
141 5 von Euch nehmen wollen; ich will zwar gern
sterben, weil Ihr es befehlt, ob's mir gleich sehr
bitter fallet, dass Ihr mich unschuldiger Weise zum
Tod verdammt! Die ganze Ursache, dass ich
sterben muss, ist diese, weil ich meine Euch an-
1420 gelobte Treue nicht hab brechen wollen, noch
des geilen Hofmeisters Willen, der mich zu
wiederholten Malen gleichsam zur Unehre ge-
296
nöthiget, habe wollen willfahren. Ich messe meinem
Herrn keine andere Schuld bei, als dass er meinem
1425 Ankläger zu leichtlich geglaubt, und mir zur
Verantwortung keine Gelegenheit vergönnt war.
So bezeuge ich vor meinem Gott, vor dessen
strengem Gericht ich morgen erscheinen werde,
dass ich all mein Lebtag ausser Euch keinen
1430 Mann erkannt habe, noch auch jemals in der-
gleichen eingewilligt. Gleichwohl gehe ich un-
schuldig zum Tod, weil es der Himmel also ver-
langet , bleibe aber der sichersten Hoffnung , es
werde noch einmal ein Tag aufgehen, an welchem
1435 meine Unschuld aufgedeckt und meines Anklägers
Falschheit wird offenbar werden. Noch habe
ich zu hinterbringen, dass ich einen Sohn in
dem elenden Gefängniss zur Welt gebracht habe,
welcher in Kürze bald wieder wird sterben müssen.
T440 Lebet wohl, Graf Siegfried, ich verzeihe Euch
von Herzen und will Gott auch nach meinem
Tode bitten , dass mein unschuldiges Blut keine
Rache über Euch noch über meinen Ankläger
schreie. Dieses schreibe ich mit zitternden Händen
1445 u^^ schliessenden Augen, weil mir der nahe-
stehende Tod das Herz mit Schrecken erfüllt !
Verbleibe Eure , bis in den Tod getreue , und
um dieser Treue Willen zum Tode verdammte
Genovefa I Meinem herzallerliebsten Grafen Sieg-
1450 fried zu hohen Händen.« — O Jammer! O Elend!
Wo soll ich Rath finden, o Genovefa ! Bittet für
mich bei Gott, und verzeihet auch mir Eure Euch
zugefügte Misshandlung ! O verfluchter Golo , o
verrätherischer Bösewicht, wie hast du mich be-
1455 trogen ! Was für ein Tod ist für dich zu erdenken,
ja tausendmal sterben ist für dich zu wenig !
Meine Schwermuth will ich verhüllen und dich
mit List anhero berufen, dann dich aber in
denselben Thurm einsperren lassen, wo vormals
1460 meine liebe Genovefa gewesen! Schreibt.
2 97
59- Auftritt.
Jäger tritt auf.
Weil dem Vernehmen nach ein Tractament
angestellt wird , so habe ich nothwendig zu sein
erdacht, eine Jagd anzustellen, damit auch die
Küche keinen Mangel erleidet.
Graf.
1465 Ganz recht habt Ihr geredet, und ich bin selbst
dahin gesinnet. Damit auch die ankommenden
Gäste wohl traktirt werden, so werde ich selbst auf
die Jagd reiten und um etwas Gutes zu bekommen
mich befleissen , Ihr aber geht hin und holt mir
1470 zwei Bediente und macht indessen alle möglichen
Anstalten zur Jagd. Jäger geht ab, Bediente kommen.
Um die ankommenden Gäste bestens zu be-
wirthen, bin ich Willens, auf die Jagd zu reiten,
ihr aber sollt zurückbleiben. Diesen Brief über-
1475 schicket dem Hofmeister Golo , welcher hierher
citirt wird , und wenn er kommt , so lasst ihn
alsbald in eben diesen Thurm ohne Wortgefecht
in Ketten schliessen, allwo die Gräfin unschuldig
verschlossen gewesen , darin ihr ihn bis auf
1480 weitere Verordnung wohl verwahren und mit
Wasser und Brot abspeisen sollt.
Erster Bedienter,
Soll sich der Hofmeister auf erhaltenes Schreiben
hier einfinden , so werden wir Alles nach dero
hohem Befehl bestens verrichten.
Graf und die Bedienten ab.
60. Auftritt.
Dir mittlere Vorhang wird aufgezogen ; die Gräfin mit dem Kinde
im Wald wird vorgestellt.
*;■■ Gräfin.
1485 Mein lieber Schmerzenreich, du weisst , dass
:: vvir niemand haben, der uns in Durst und Hunger
298
erquicke, und uns alle unsere Nothdurft selbst zu-
bereiten und suchen müssen : derowegen wollen wir
uns mit Wurzeln und Kräutern versehen, damit wir
1490 im Winter, wenn die Erde mit Schnee bedeckt
ist, unsere Nahrung zu Händen haben und in
Vorrath bringen.
Schmerzenreich .
Liebe Mutter, sind denn noch mehr Menschen
auf der Welt? Warum gehen wir nicht auch zu
1495 ihnen, und leiden allhier so grosse Noth ?
Gräfin.
Mein liebes Kind, die Welt ist weit und breit
und sind viele tausend Millionen Menschen darinnen,
auch schöne und grosse Städte , viele Schlösser,
Märkte und Dörfer und alle Häuser mit Menschen
1500 angefüllet. Du fragst, warum wir nicht bei den
anderen Menschen wohnen, darauf ich dir ant-
worte, dass es Gott dem himmlischen Vater also
beliebig ist, und er uns in dieser Wildniss zu
leben verordnet hat.
Schmerzenreich.
1505 Meine liebe Mutter, Ihr lehrtet mich beten das
Vaterunser ; wer ist denn unser Vater , oder wo
hat er seine Wohnung: Können wir nicht zu ihm
kommen?
Gräfin.
Ach, mein Sohn, der Vater aller Menschen
15 IG hat seine Wohnung in dem Himmel, den wir
mit leiblichen Augen nicht sehen können , also
allein nach dem Tode \ derselbe verschafft allen
Menschen ihre Nothdurft und erhält uns auf
Erden, gleichwie er Alles erschaffen hat, was du
1 5 1 5 siehst und nun selbst bist ; dein natürlicher Vater
aber , von welchem du geboren und entsprossen
bist, war ein vornehmer Herr und Graf in dieser
Landschaft, welcher mich , nachdem ich als eine
Ehebrecherin fälschlich angeklagt worden , aus
299
1520 dem Schloss Verstössen, und in diese Wildniss,
so lang wir leben, ins Elend vertrieben; wir
werden ihn auch nicht mehr sehen, bis er und
wir von dieser Welt geschieden, und er vor dem
himmlischen Vater seinen Fehler erkennen und
1525 meine Unschuld an den Tag kommen wird.
61. Auftritt.
Hanswurst tritt auf.
He Bummerl, Wascherl, Stutzerl, Mopperl,
Brand], wiss, wiss, dach, dach I Mir müssen mit-
einander ins Jagen spazieren. Wiss, wiss ! dach,
dach ! wann von Wildbrat an warmen Bissen wollt's
1530 haben !
62. Auftritt.
Der Graf und Bediente treten auf,
Graf.
Ihr Bediente, theilet euch auseinander und
jaget fleissig nach, du aber, Hanswurst, bleibe
bei mir. Die Bedienten theilen sich.
Hanswurst.
Ja, mir sein die besten Jäger, i will Wildsau
1535 jagen, hui, hui, he! Die Gräfin flieht in die Höhle.
Die Hirschkuh wird vorgezogen.
Graf,
Das Wild, so ich ersehen, ist vor meinen Augen
verschwunden: aber siehe, dort in der Spelunke
kommt mir etwas Bewegliches vor ; gehe und be-
sieh es, ob es Thiere oder sonst ein unverhofftes
1540 Abenteuer sein.
Hanswurst.
Hallo ! Wer da ! Oder wer bist du ? Sag mir's,
sonst schiess ich zu !
300
Gräfin.
Ich bin eine arme, vertriebene, alte Frau.
Hanswurst.
Eine alte Wildsau ist's, Herr Schmalzgraf; ich
1545 weiss schon, eine alte Wildsau ist's! Muss ich
schiessen ? Ich schiess !
Graf.
Du Einfalt, ein Wildschwein wird mit dir
reden können. Gehe hin und frage recht, wer
sie ist.
Hanswurst.
1550 Mei Herr glaubt's nit, dass ös a alte Wildsau
seid's ; ös sollt's mir's recht sagen, sonst lass ich
krachen !
Gräfin.
Ich bin eine arme Eremitin und wohne in
meiner Eremitei.
Hanswurst.
1555 He, Herr Schmalzgraf, jetzt hab i's Rechte er-
fragt : es ist der Kredit und Hegt bei sein Wei ;
i han halt ja net g'wisst, wo der Kredit hin-
kommen is , dass mir der Wirth nichts mehr
borgen wollen ; da hätt i den Kredit a mein Leb-
1560 tag nit g'sucht.
Graf.
Du hast noch nicht recht verstanden. Gehe
hin und frage nochmals, wer es denn ist.
Hanswurst.
Muss noch einmal fragen , mein Herr sagt,
er kunnt's nit glauben. Also jetzt habt's Zeit,
1565 dass mir's sagt's, wann's net wollt's daschossen
werden.
Gräfin.
Ach, Hanswurst, lasse mich zufrieden.
SOI.
Graf.
Was soll dies bedeuten? Du musst von lieder-
lichen Leuten herkommen und etwan vor diesem
1570 ein Zigeuner gewesen sein, dass dich diese wilde
Frau kennt und deinen Namen wusste. Gehe
noch einmal hinein und frage sie recht, wer sie
denn recht sei?
Hanswurst.
Weil's ÖS meant's, dass ich a solcher bin, geht's
1575 selber hin und fragt's es, wenn's a so a Kurage
habt's.
Graf,
Bist du von Gott und ein wahrhafter Mensch,
so komme heraus und sage, was dich zu solchem
Leben gezwungen hat.
Gräfin.
1580 Weil ich mit keinen Kleidern versehen bin,
mit welchen ich vor einem Grafen erscheinen
dürfte, so werfet mir zur Gnad Euren Mantel
herein, damit ich vor Euch gebührend erscheinen
kann. Es geschieht. Die Gräfin tritt hervor.
Graf.
1585 Wer Ihr seid, möcht ich wohl wissen, und noch
mehr, wie Euch mein Name bekannt ist und
warum Ihr ein so unmenschliches Leben er-
wählet habt?
Gräfin.
Ach, mein Herr, ich bin eine arme Frau, eine
1590 Herzogin aus Brabant gebürtig; ein unvermeid-
licher Nothzwang hat mich in diese Wüste ge-
trieben, ich hab mit einem vornehmen Herrn in
Ehestand gelebt, welcher mir viel Gutes erwiesen :
der Argwohn aber, welchen er zu leicht wider
1595 ntieine Treue gesetzt, hat ihn bewogen, dass er
in meinen und in meines Kindes Tod einge-
willigt hat, welcher jedoch von guten Freunden
302
unterbrochen, und mir das Leben erhalten
worden.
Graf.
1600 Saget mir doch, wie heisst Ihr mit Namen,
und wie ist der Name Eures Eheherrn.
Gräfin.
Mein Herr heisst Siegfried, ich Armselige aber
nenne mich Genovefa.
Graf.
O mir Unwürdigen, den die Sonne bescheinet,
1605 und Nichtswürdigen, den die Erde verschlingen
soll! O Genovefa! Ach, liebet Ihr mich noch,
so verzeihet mir, kniet nieder der ich zu Euren
Füssen falle und nicht eher aufstehen will, bis
ich von Euch Verzeihung meiner Misshandlung
16 10 erlangt habe!
Gräfin hebt ihn auf.
Stehet auf, Graf Siegfried, und bittet vielmehr
Gott um Verzeihung unserer Sünden, und ver-
zeihet auch denen , so mich und Euch diessfalls
beleidiget haben.
Graf,
161 5 Geliebte Genovefa! Ihr saget von Verzeihung,
nie werde ich Verzeihung erlangen, noch auch
demjenigen verzeihen können , der zu diesem
Unheil die Ursache ist. Sagt mir doch , wo ist
unser Sohn?
Gräfin.
1620 Er brockt Wurzeln und Kräuter, welches
unsere Nahrung ist in diesem siebenjährigen
Elend. Hier kommt er und bringt's, wie Ihr sehtl
Schmerzenreich springt herbei.
Mutter 1 Mutter 1 Was ist das für ein Mann, der|
bei Euch steht? Ich fürchte mich vor ihm!
303
Gräfin.
1625 Komm her, mein Kind, komm her: du hast
mich oft gefragt um deinen Vater, komm und
küsse deinem Vater die Hände.
Graf.
Ach, Genovefa, ist es unser Kind? Soll das der
Sohn eines so sündhaften Vaters sein? Ihr Be-
1630 dienten, kommet herbei und machet euch theil-
haftig dessen , was mich auf Erden am höchsten
erfreut ; erstaunet über die Allmacht Gottes und
erkennet wiederum eure Frau , welche durch
Schickung Gottes sieben Jahre in dieser Wildniss
1635 ihr schmerzvolles Leben zugebracht!
Alle Bedienten kommen und sprechen zugleich.
Ach, lebet denn diejenige noch, welche schon
für tot beweinet wurde, ob deren Gegenwart
wir uns alle von ganzem Herzen erfreuen?
Gi'af.
O, mein Sohn , sage auch deinen Namen und
1640 was du mit deiner armen Mutter gelitten hast.
Schmerzenreich,
Herzliebster Vater, mein Name ist Schmerzen-
reich. Unsere Nahrung sind Wurzeln und Kräuter,
unsere Gesellschaft die wilden Thiere, und unsere
Ergötzlichkeiten die Vögelein gewesen. Ich hab
1645 auch keinen Menschen gesehen als Euch und
Euren Diener.
Graf.
Ihr Diener kehret nach Hause, bringet Wägen
und Sänften entgegen, darinnen, was ich ge-
funden, nach Haus begleiten; am Ende dieser
1650 Wildniss werdet ihr mich finden. Veranstaltet
im Schloss Alles, was zu solchem Einzug ge-
bühren mag.
I
3^4
Hanswurst.
So wolln ma halt gehn , Herr Schmalzgraf.
Muss ich den alten Karren auch mitnehmen, dass
1655 ma die Wildsau mögen heimführen?
Hanswurst und aie Diener treten ab.
Gräfin.
Geliebter Graf Siegfried, erlaubet mir, das
Kreuz , so mir der Engel des Herrn gebracht,
mit mir zu nehmen. Nun behüt' dich Gott, meine
Höhle, die du mich sieben Jahre getreulich be-
1660 herberget I Anstatt meiner behalte hiefür die
wilden Thiere , so mich täglich besuchet haben.
So traurig ich hineingegangen bin, so traurig ver-
lasse ich sie wieder, weil ich voraussehe, dass
mein Leben im Schloss nicht so lang dauern
1665 wird, als ich hier ge wohnet, auch meine Natur,
die sich der Kräuter gewöhnt hat , keine andere
Speise mehr vertragen wird können.
Graf.
Dieses werden wir erfahren, herzliebste Geno-
vefa, und lasst uns nun gehen und ins Schloss
1670 den Einzug halten. Alk gehen ab.
63. Auftritt.
Fischer tritt auf.
Es ist ein altes Sprichwort : wo sich ein
Wunder begiebt, dem folgt gern das andere nach.
Mein Lebtag hab ich keinen so grossen Fisch ge-
sehen als wie den, den ich gestern in der Mosel
1675 gefangen hab, noch mehr aber ist zu bewundem,
dass in seinem Eingeweide ein goldener Ring
verborgen lag , und möcht mich wohl bedenken
machen , als ob etwan solcher der Gräfin in
ihrem siebenjährigen Herumwalgen unversehens
1680 ins Wasser gefallen, oder auch mit Absicht von
derselben hineingeworfen worden.
305
64. Auftritt.
Hanswurst kommt.
He, lirum, larum! Heut giebt's an guten Schmaus
ab; mei Lebtag han i kein so lustigen Tag ge-
sehen. Der Graf hat die Gräfin g'funden und
1685 hat's mitsammt ihrem Buben ins G'schloss her-
bracht. Helf Gott dem stolzen Hofmeister, der
Kerl wird schmutzen , wenn er die Gräfin amol
sieht. Er kann leicht sein Kopf verlieren, der
Graf ist so voller Freuden , dass er sein Veferl
1690 wieder g'funden hat; die Augen haben ihm g' wassert,
als wie der rinnaugeten Urschel im Spital. Jetzt
thun wir acht Tag lang nichts anders, als essen
und trinken : Beten fahren thun wir in der
heiligen Zeit. Geh Bruder, i wer dir zeigen, was
1695 die Gräfin für a Aussehen davonbracht. Beide ab.
65. Auftritt.
Graf, Gräfin und Schmerzenreich im Schlosse.
Graf .
Herzliebste Genovefa, weil wir durch die un-
ergründliche Vorsichtigkeit Gottes wiederum zu-
sammengeführt worden, so lasset uns Gott loben
und preisen und den ehrvergessenen Golo zur
1700 Verantwortung rufen, damit er verdienten Lohn
empfange, welches Urtheil Ihr nun selbst fällen
sollt.
Gräfin,
Liebster Gemahl, es hat zwar der Bösewicht
wegen der mir zugefügten Misshandlung ge-
1705 messene Bestrafung verdient, da mir aber durch
Gottes Beistand sammt meinem Kind das Leben
erhalten blieb , verlang ich nicht den Tod des
Hofmeisters , wohl aber mag ich leiden, dass er
empfindlich abgestraft wxrde.
Die Diener bringen den Hofmeister in Ketten.
Volksschauspiele. 20
3o6
66. Auftritt.
Graf.
1 7 I o Hier siehst du , Erzbösewicht , was du dich
unterstanden, und bedenke hingegen, was du ver-
schuldet hast. Getraust du dich in das Antlitz
der Gräfin zu schauen, welche du so gewissenlos
versucht hast? Wenn dieses Verbrechen einem
1 7 1 5 andern erfahren wäre, und er dich zur Bestrafung
dessen befragt hätte , würdest du ihn nicht zum
grausamsten Tod verdammt haben? Nun soll dir
ein Gleiches widerfahren.
Golo.
Ach, mir Elendem! Wo habe ich hingedacht,
1720 wie weit hat mich der Teufel gereizt und durch
die Frauenschönheit betrogen ! O , verblendeter
Golo , wie wird es dir ergehen ! Ich muss be-
kennen, dass alle heimhchen Instrumente nicht
genug seien, meinen Fehler zu bestrafen.
Graf.
1725 Wisse, verzweifelter Bösewicht , dass zwar die
Gräfin für dich gebeten hat , derowegen sollst
du von allen andern Tormenten befreit und nur
allein mit vier Pferden zerrissen werden. Dero-
wegen führet ihn hin und alle diejenigen, so ihm
1730 zu diesen Laster dienstbar waren, jene aber,
welche der Gräfin eine Barmherzigkeit erwiesen,
will ich reichlich belohnen und zu höheren
Aemtern erheben. Die Diener mit Golo ab. Der Graf,
die Gräfin und ihr Sohn bleiben zurück.
Gräfin.
Mein lieber Schmerzenreich, du hast mich oft
1735 gefragt, ob in der Welt mehrere Menschen sind,
und wo sie wohnen : jetzt , da du auch unter
Menschen gekommen bist , sage mir, wie gefällt
dir dieses Weltleben r Möchtest du auch ein so
hoher Herr sein, wie dein Herr Vater es ist?
307
Schmerzenreich,
1740 Liebste Frau Mutter! Was mich betrifft, ver-
lange ich kein solcher Herr zu sein und wäre
vergnügter in der Wüste unter der Gesellschaft
der wilden Thiere, als uiiter den Komplimenten
im Schloss.
Gräfin.
1745 Herzliebster Gemahl, die Zeit kommt herbei,
da ich hingehe, wo ich gekommen bin, als nem-
lich der Leib in die Erde, die Seele in die ewige
Glorie. Allhier im Schloss ist mein Leben nicht,
die Natur will keine Speis erdulden, die Todes-
1750 stund hat mir die Mutter Gottes angesagt. Darum
Graf Siegfried übernehmet von mir meinen Trau-
^U ring, welchen ich zu Eingang in die Mosel ge-
^B werfen, und der durch Euren Fischer in einem
^V grossen Fisch gefunden worden an dem Tag,
™I755 da wir ins Schloss angekommen sind. Ich will
auch inständig gebeten haben, diesen unsern
Sohn Schmerzenreich in aller Gottesfurcht und
Liebe zu erziehen und als Euren rechtmässigen
Sohn nicht zu Verstössen. Adje , mein Herr
1760 Siegfried! Geht ab.
Graf.
O holdselige Genovefa, Eure Worte sind trauer-
reich , so dass sie mein Herz mit Leid und
Schreck erfüllen. Hab ich denn Eure Gegen-
wart nicht länger als zwei Jahre genossen? Hätt
1765 ich Euch m der Wildniss gelassen, uns alldort
eine Wohnung erbaut ! Nun will ich nicht mehr
mein Schloss bewohnen, sondern mich in jene
Höhle verfügen, allwo meine Gemahlin ein so
strenges Leben geführt hat, und zweitens werde
1770 ich dir, mein Sohn, die ganze Grafschaft überlassen.
Schmerzenreich,
Liebster Herr Vater, meint Ihr, dass es recht
sei, dass Ihr den Himmel für Euch erwählet und
mir vor meinem Tod eine kleine Erde über-
20*
3o8
lasset? Dieses sei fern von mir, denn ich verlang
1775 so wohl als Ihr denselben zu bekommen.
Graf.
Liebster Sohn I Wenn du nur das rauhe Buss-
leben wirst tragen und ausstehen können !
Schmerzenreich.
Ja, viel besser als Ihr, mein Herr Vater, denn
ich hab schon sieben Jahr die Probierzeit aus-
1780 gestanden: derowegen will ich auch mein übriges
Leben zubringen, wo ich von meiner Frau Mutter
bin auferzogen worden ; überlasse also meinem
Herrn Vetter die ganze Grafschaft, selbe frei zu
beherrschen und den Armen davon Gutes zu thun.
Graf,
1785 Weil du dich, mein lieber Sohn, also auch ent
schlössen hast, so will ich mit Anhaltung des Erz-
bischofs Hidolfus zu Trier an den Ort der Höhle
eine Kirche nebst zwei Klausen erbauen, so schön
und kostbar es meine Liebe gegen meine geliebte
1790 Genovefa verdient: darin will ich mit meinem Sohn
Schmerzenreich Gott als Eremit dienen und ver-
bleiben bis an mein Ende. Treten aK
67. Auftritt.
Hanswurst tritt auf.
Juhel Jetzt bin ich voller Freud, weil mein
Herr, der Stuhlfried, Einsiedler will werden, und der
1795 Hosenmeister hat a schon den Todestanz g'sungen,
dass ihm der Athem is z'kurz worden und hat
gar sein Geist ausg'spieb'n dabei. I han zwar
a Weil Herrn g'nung g'habt, aber jetzt auf d'letzt
hab i gar kan : hiatzt wir i wohl Graf werden,
1800 und wir's Haus mitsammt dem Schloss kriegen.
He, lustig, i freu mich schon drauf, und vor
lauter Freud wir i ans singen.
Er singt ein Lied, loie sich' s hier schickt.
1^
ANMERKUNGEN
UND ERLAEUTERUNGEN.
^
Das ParadeisspieL
Seite I.
Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde das »Paradeisg' spiel«,
wie es im Volksmunde heisst, in vielen Gegenden der deutschen
Steiermark, und zwar von Vertretern der bäuerlichen Bevölkerung,
selbst zur Darstellung gebracht. Verschiedenen, theils gedruckten
und schriftlichen , theils mündlichen Berichten ist zu entnehmen,
dass noch in diesem Jahrhundert Aufführungen des Paradeisspieles
in Hitzendorf bei Graz, in Vordernberg, in Eisenerz, in der Um-
gegend von Leoben , in Trieben im Paltenthale , in den Thälern
des oberen Murbodens und in verschiedenen Orten des Mürzthales
thatsächlich, zweifellos auch noch in vielen anderen Gebieten der
deutschen Steiermark, stattfanden. Der Name: »Paradeisspiel«
deutet den biblischen Schauplatz der Handlung, das Paradies,
an, welches ja wie in Steiermark, so noch in anderen Gegenden,
insbesondere Süddeutschlands, im Volksmunde das »Paradeis«
heisst. Unter demselben Namen begegnen wir Volksspielen,
welche auch denselben Stoff, die Vertreibung Adams und Eva's
aus dem Paradiese , behandeln , in den deutschen Gebieten bei
Pressburg in Ungarn , in Oberösterreich , in Salzburg und in
einigen an Steiermark grenzenden Ländern, als »Adam und Eva-
Spiel« überhaupt weist es die Volksbühne österreichisch-deutscher
und süddeutscher Länder öfter auf. Karl Weinhold ist es , dem
das Verdienst gebührt, in seinen »Weihnacht-Spielen und Liedern«
(Graetz. 1853) zuerst ein steiermärkisches Paradeisspiel in Ver-
bindung mit dem Schäferspiele S. 302 — 371 des erwähnten reich-
haltigen Werkes veröffentlicht zu haben. Ein anderes, bedeutend
kürzeres steirisches Paradeisspiel findet sich in Roseggers Zeit-
schrift » Heim garten « , Jahrg. I. 1877, S. 860 — 864 abgedruckt.
Dasselbe stammt aus dem Gebiete des oberen Murbodens, es hat
mit dem Texte, den Weinhold aus der Gegend von Vordernberg
erhalten, wenig mehr, als den Gegenstand selbst, gemein, aller-
dings dürfte der, wie bei allen diesen Spielen unbekannte Ver-
fasser nach der Anlage des Murbodener Spieles das Vordernberger,
beziehungsweise ein dem letzteren ähnliches Paradeisspiel gekannt
haben. Eine eingehende Untersuchung hierüber und über das
Verhältniss der übrigen Paradeisspiele unter einander kann hier
nicht am Platze sein , da eine solche mehr Raum beanspruchen
312
würde, als der ganze Text des Spieles, und die vorliegende Samm-
lung hauptsächlich den Zweck hat , die Texte selbst zu bieten ;
ich hoffe jedoch Gelegenheit zu haben , nochmals darauf zurück-
zukommen. Insbesondere seit dem Erscheinen von Aug. Hart-
mann's umfassender Sammlung: »Volksschauspiele« (Leipzig. 1880)
ist mancher Stoff zum Vergleichen geboten, wenn auch bei Hart-
mann die Bezeichnung: »Paradeisspiel« nicht vorkommt. Besonders
beachtenswerth sind die von K, J. Schröer in seinen »Deutschen
Weihnachtsspielen aus Ungarn t' (Wien. 1862) mitgetheilten Pa-
radeisspiele von Oberufer und aus Salzburg (Gastein), wenn man
sie mit der von mir gebotenen steierischen Fassung zusammen-
hält. Man vergleiche in dem erwähnten Werke Schröer's
S. 123 bis 150, S. 175 bis 186 und S. 200, in Weinhold's oben
citirtem Buche aber die vorausgehenden Bemerkungen und Unter-
suchungen S. 294 ff., sowie den Text des Vordernberger Paradeis-
spieles S. 302 ff. , dessen zweiter Theil S. 334 ff. unter dem
Namen des »Schäferspieles« in Steiermark und Kärnten vorkommt.
Auch das von W. Pailler in seinen »Weihnachtsliedern und Krippen-
spielen« (Innsbruck. 1884) II. Bd. S. 23 ff. publicirte Paradeisspiel
aus dem Traunkreise Oberösterreichs ist besonders zu beachten.
Das >^ Paradeisspiel« in der Fassung, wie ich sie an dieser
Stelle biete , entstammt einem Quarthefte aus Mitterndorf im
Mürzthale , das wahrscheinlich, wie alle derartige Handschriften,
für die wirkliche Aufführung als Textbuch diente. Die Schrift
ist ausnahmsweise deutlich und von dem Schreiber in einer Art
Fractur abgefasst , was aber nicht hindert , dass manches Sinn-
störende sich eingeschlichen hat, das unbedingt verbessert werden
musste. Jedenfalls hat der Schreiber von einer älteren Vorlage
abgeschrieben , in welcher die Fehler ebenfalls schon vorhanden
waren. Die Aufzeichnung der hier abgedruckten Fassung dürfte
etwa in den zwanziger oder dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts
entstanden sein. Der Schreiber hat als Titel die Worte vor-
gesetzt: 'Rabular über das sogenannte Paradeiss-Spiel« (Rapular).
Auf den Text des »Paradeisspieles« folgt in demselben Hefte
und von derselben Hand »Das Schäferspiel« , welches ebenfalls
nach dieser Aufzeichnung hier abgedruckt erscheint. Schröer
hat bei den von ihm publicirten Paradeisspielen aus Ungarn auf
die zahlreichen Stellen hingewiesen , welche aus dem Spiele des
Hans Sachs: »Tragedia von der schepfung fall und ausstreibung
Adae aus deni paradeiss« (wiederabgedruckt in der Ausgabe des
Hans Sachs: Biblioth. d. liier. Ver. in Stuttgart. CIL Hans Sachs
1. Bd. S. 19 ff.) sich darin finden. Auch in dem Mitterndorfer
Texte finden sich verschiedene solche Stellen, welche darauf hin-
weisen , dass der unbekannte Verfasser Hans Sachsens Spiel be-
nützt hat. Insbesondere unterscheidet sich in dieser Beziehung
die Mitterndorfer Fassung des Spieles von dem Vordernberger
Texte bei Wcinhold , da z. 1^. die Rede des Gott Vater im
letzteren Poesie und Prosa gemischt aufweist , während in vor-
liegender Fassung (S. 4 Z. 36 ff.) durchgehends Verse stehen, die
ll
313
mit den Hans Sachs'schen fast ganz übereinstimmen. Auch die
weiteren Verse in meinem M. Texte S. 6 Z. 80 ff., S. 7 Z. 107 ff.,
u. a. m. haben offenbar die Verse Hans Sachsens zur Vorlage.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die hier gebotene Fassung
auch wegen des 43 Strophen umfassenden Liedes mit dem stets
wiederkehrenden Refrain: »So loben wir Gott schon im höchsten
Thron «r , welches Lied j^ich durch das ganze Spiel zieht. Durch
den Refrain gekennzeichnete Anklänge an dieses Lied finden sich
auch anderwärts in ähnlichen Spielen, wie ein Vergleich mit dem
Oberuferer und Gasteiner Spiele (Schröer a. a. O. S. 125 ff., und
S. 142), mit den Bruchstücken des Ofener, mit dem Laufener
und Reichenhaller Spiele (Hartmann a. a. O. S. 14 und 41 , so-
wie S. 51 , Anmerk. 5) nachweist. Man beachte auch die erste
Zeile des »Obergrunder Weihnachtsspieles« (A. Peter, Volks-
thümliches, aus Oester. -Schlesien. Troppau. 1865. I. S. 361), so-
wie die erste Zeile der Rede Balthasars in demselben Spiele a. a.
O. S. 403. Hartmann war so glücklich, sogar die Melodie dieses
alten Liedes, das »gewissermassen den Chor des Dramas« bildet,
dem musikverständigem Leser bieten zu können. Man vergleiche
auch die anklingenden Stellen in dem hier abgedruckten «Krippel-
spiel«: S. 76 Z. 89 und S. 103 Z. 857. Auch Hartmann
weist auf die Beziehungen vieler Stellen zu Hans Sachs hin, und
seine Ausführungen a. a. O. S. 49 — 51 erhalten durch den Mittern-
dorfer Text noch besondere Beachtung.
Es liegt mir übrigens durch die Freundlichkeit des Herrn
Pfarrers Anton Meixner in Kirchberg a. d. R. der vollständige Text
noch eines Paradeisspieles vor , das nach der Angabe des ge-
nannten Herrn (vom J. 1872) in Hitzendorf (bei Graz) und Um-
gebung damals noch jährlich im Fasching zur Aufführung durch
Bauersleute kam. Dieser Hitzendorfer Text hat die meiste
Aehnlichkeit mit dem Mitterndorfer ; desshalb und um den Raum
nicht allzusehr zu beanspruchen, nehme ich von der vollständigen
Vergleichung beider Texte Abstand. Der Haupunterschied zwischen
dem Hitz. Texte und dem Mitt. T. besteht in einigen Kürzungen
des ersteren , in dessen versificirten Behandlung der Teufelsscene
(S. 9 ff.' der hier vorliegenden Fassung), wobei jedoch Prosa
untermischt ist, und in der Einrichtung des Hitzendorfer Spieles,
wonach die Teufel in der Schlussscene bei der Erzählung vom
Leiden Christi (S. ^2 vorliegender Fassung) abwechselnd je einen
Vers zu sprechen haben, eine Zeile wird von Belial und die fol-
gende von Luzifer gesprochen. Der humoristische Ausdruck der
Freude aller Teufel, dass >^eine Anzahl der Welt in ihre Residenz
einkehren« werde, schliesst das Hitzendorfer Spiel, welches in
drei Akte getheilt ist und etwas ausführlicher über die Action
der Darsteller in den bezüglichen Theaterbemerkungen handelt,
wie z. B. »Der Tod mit dem Pfeil geht ihm nach« — »Nun
sticht er den Adam, und der Adam fällt nieder« u. dgl. Der
von mir hier herausgegebene Mitt. Text hat keine Eintheilung
in Akte und Scenen. Die Ausdrucksweise des Originales über
314
das Auftreten und Abtreten der Personen wurde möglichst bei-
behalten.
Der erwähnte Herr Pfarrer Meixner bemerkt bezüglich des
Paradeisspieles und der in dieser Sammlung darauffolgenden zwei
weiteren Spiele (Schäferspiel und Krippelspiel) Folgendes: ^^Das
Paradeisg' spiel, das Krippelg' spiel (Geburt Christi) und das
Schäferg' spiel bilden eine ihrem Inhalte nach zusammengehörige
Trilogie, indem das erste den Sündenfall mit der Verheissung des
Erlösers , das zweite dessen Geburt und Ankunft auf Erden und
das dritte dessen rastlose Liebe um die verlorenen Schäflein dar-
stellt. <f In Hitzendorf wurden nach derselben Quelle diese drei
Spiele abwechselnd bis 1878 fast alljährlich zur Aufführung ge-
bracht. Meiner Erfahrung nach stehen das Paradeisspiel und
das Schäferspiel in engem Zusammenhang, der ja auch äusserlich
bei Weinhold in den Vordernberger Spielen zu Tage tritt. Weitere
Bemerkungen über das Schäferspiel folgen weiter unten in den
Anmerkungen zu denselben.
Vermuthungen über das genauere Alter des steirischen Paradeis-
spieles wage ich nicht festzustellen : die Tragödie von der
Schöpfung des Hans Sachs rührt aus dem Jahre 1548 her — da
Stellen daraus im Paradeisspiele benutzt erscheinen, dürfte dieses
vielleicht zu Ende des 16. Jahrhunderts entstanden sein; zu der
Annahme , dass im Gegentheile Hans Sachs seine Verse einem
älteren Texte des Volksspieles entnommen habe , kann ich mich
nicht entschliessen.
Noch bemerke ich für denjenigen, der sich für die höchst
einfache Art der Darstellung eines Paradeisspieles interessirt, dass
in dem grossen Werke : »Die österreichisch-ungarische Monarchie
in Wort und Bild« , und zwar in dem Bande Steiermark (der
1890 vollendet wurde), für welchen ich eine kurze Abhandlung
über das deutsche Volkslied und Volksschauspiel in Steiermark
abzufassen hatte, dem bezüglichen Aufsatze von mir S. 187 eine
Abbildung eingefügt erscheint, die nach einem Aquarell gezeichnet
wurde , das unmittelbar nach der wirklichen Darstellung eines
Paradeisspieles in Obersteiermark verfertigt worden ist. Leser
des vorliegenden Textes werden die agirenden Personen auf der
einfachen Holzbühne mit ihrer primitiven Decoration leicht heraus-
finden und auch die Scene , welche dargestellt ist, erkennen.
(Vorlieg. Bandes S. 16 Z. 363 ff.)
S. 4 Z. 22 u. 23 Die Ansprache des als Prolog auftretenden
Engels an das Publikum mit »Sie« ist jedenfalls der Höflich-
keit des neueren Bearbeiters zuzuschreiben.
S. 6 Z. 81 In der Handschr., »dass der Mensch nicht sei allein«,
offenbar ein Schreibversehen.
S. 7 Z. 108 »allhier« nicht in der Hs.
S. 7 Z. 123 u. 125 »werdest« statt »würdest« in der Hs.
S. 8 Z. 161 In der Hs. steht noch die Bemerkung nach dieser
Verszeile: »Auf einem Theater werden Alle abtreten, oder es
315
wird das mittlere Rollet zugezogen.« Es scheint also auch
für einfache Darstellung im Zimmer vorgesehen zu sein.
S. 9 Z. 174 >vergunnen« dial. für »vergönnenf^.
S. 10 Z. 208 Satan und die Schlange sind demnach identisch.
S. II Z. 223 In der Hs. nach der Bemerkung: »Alle Teufel
treten ab« noch die Angabe : »Auf einem Theater treten jetzt
Gott Vater und Gott Sohn sammt dem Engel auf, und es wird
das mittlere Rollet aufgezogen.«
S. 13 Z. 270 Hs. : »wie die Götter« statt »wie Gott«.
S, 13 Z. 288 »Du bist eh« dial. etwa »ohnehin«.
S. 14 Z. 301 »Irtzteufel« dial. »Erzteufel«.
.S. 14 Z. 315 Hs. : »List und Traherei«.
S. 16 Z. 351 Nach der Bemerkung »Alle Teufel treten ab«f in
der Hs. noch die Angabe: »Jetzt könnte das Theater zuge-
zogen werden«.
S. 17 Z. 404 In der Hs. : »Ihro Majestät sind«; in dieser ganzen
und in der folgenden Rede wurde die Ansprache mit »Sie«,
welche die Hs. aufweist, geändert, da sie später nicht mehr
vorkömmt und daher offenbar nur einem Versehen zuzu-
schreiben ist.
S. 18 Z. 428 u. 429 »wegen einem« dialect. Dativ statt »wegen
eines«.
S. 19 Z. 447 »ohne einer« dial. statt »ohne eine«.
S. 19 Z. 463 »that« dial. für »thate«.
S. 20"Z. 476 »sieh ich« dial für »sehe ich«.
S. 21 Z. 522 Hs. : bewillige dich in dein eifriges Begehren,
S. 21 Z, 539 Dieser in der Mundart vorkommende Ausdruck be-
deutet etwa: »O doch«.
S. 22 Z. 546 »gieb ich« dial. »gebeich«. »DenSentenz« dial. Mascul.
S. 22 Z. 553 Hs. : »Doch hat es die W*.
S. 23 Z. 574 »Kälten« dial. f. »Kälte«.
S. 24 Z. 604 Sollte vielleicht »erbliche Glückseligkeit« heissen?
S. 24 Z. 614 Hs. : »entblösst sei«.
S. 25 Z. 627 Hs. : »hast«.
S. 26 Z. 652 »gieb« dial. für »gebe«.
S. 26 Z. 658 Hs. : hat »schlagen« statt »jagen«.
S. 26 Z. 662 »Schwitz« dial. ebenfalls »Schweiss«.
S. 28 Z. 697 Hs: »in den Garten Gatter«.
S. 28 Z. 713 Nach dieser Zeile in der Hs. die Bemerkung:
»Auf einem Theater könnte jetzt zugezogen werden«.
S. 28 Z. 717 »Wegen meinem« dial. statt des Genitivs »meines«.
S. 29 Z. 738 »sein« dial. für »sind«.
S. 29 Z. 751 »brich'« dial. für »breche«.
S. 32 Z. 813 Hs. : »Adie« statt »Adieu«.
S. 33 Z. 860 »In' Garten« d. h. in den Garten, diaU
S. 34 Z. 899 Hs. : »nicht hat gelungen«.
S« 35 ^' 921 Hs. : »Wird in meine Residenz einkehren«.
3i6
Das Schäferspiel.
Seite 37.
Im Allgemeinen ist dieses Spiel in Steiermark und wohl
auch in Kärnten unter dem Namen das »Schäferspiel« oder
i>Schäferg' spiel« bekannt und erfreut sich beinahe derselben Be-
liebtheit , wie das Paradeisspiel. Es findet sich in verschiedenen
Fassungen , die bald länger , bald kürzer sind , fast immer aber
verschiedene volksthümliche Lieder eingefügt enthalten , welche
ursprünglich nicht für dieses Spiel eigens verfasst wurden. Weinhold
a. a. O. S. 334 — 371 bringt einen Text des Schäferspieles als
zweiten Theil seines Vordernberger Paradeisspieles unter dem
(von ihm beigefügten) Titel : Das Spiel vom guten Hirten. Der
allgemeine Inhalt desselben , den Weinhold a. a. O. S. 299 und
S. 300 kurz entwirft, ist beiläufig derselbe, wie derjenige des
hier abgedruckten Schäferspieles, die Fassung aber weicht in
vielen Beziehungen von derjenigen unseres Spiel-Textes ab.
Der vorliegende Text entstammt, wie schon oben erwähnt, dem-
selben Quarthefte aus Mitterndorf im Mürzthale, welches auch
das hier voranstehende Paradeisspiel enthält , und zwar folgt un-
mittelbar auf das Paradeisspiel unter diesem Titel das Schäfer-
spiel , also ebenfalls als zweiter Theil desselben. Es pflegte
übrigens , wenfgstens anderwärts auch unabhängig vom Paradeis-
spiele aufgeführt zu werden. Bemerkenswerth ist , dass Scenen,
in denen der gute Hirt und die Schäferin auftreten , theils als
Vorspiel, theils als Nachspiel sich auch bei verschiedenen Passions-
spielen Kärntens und Steiermarks finden. Man vergleiche hier-
über Weinhold's Angaben über das Liesinger Passionsspiel a. a.
ö. S. 372. Ja das in diesem Bande von mir gebotene »Leiden
Christi« aus Trieben hat sogar in der Handschrift , welcher leider
die ersten Blätter fehlen, die Scene zwischen dem Pilger und dem
guten Hirten (auf S. 52 — 56 des vorliegenden Textes) beinahe
vollständig als Eröffnung des eigentlichen Passionsspieles. Diese
Umstände zeugen von grosser Beliebtheit dtr allegorischen Schäfer-
scenen, in denen Christus als der gute Hirt das verlorene Schäf-
lein — den verirrten, sündigen Menschen — suchend dargestellt
wird.
Was das Alter des Schäferspieles anbelangt , so dürfte dies
Spiel jedenfalls jüngeren Ursprunges sein , als das eigentliche
Paradeisspiel und mag unter dem Einflüsse des Geschmackes an
der Schäferpoesie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ent-
standen sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass, wie dies auch bei
den noch folgenden Spielen, welche Gesänge enthalten, der Fall
sein dürfte, dem «Schäferspiele« bekannte Volkslieder an passender
Stelle eingefügt wurden , deren Entstehung in eine spätere Zeit
fällt. Ein solches Lied wäre beispielsweise in dem Mitt. Texte
das S. 42 ff. vorkommende. Dasselbe wurde nur mit verschiedenen
kleinen Abweichungen als Volkslied aus der Gegend von Köflach
317
mitgetheilt, und ich habe es als solches in »Veckenstedt's Zeit-
schrift für Volkskunde« II. Bd. S. 270 f. veröffentlicht. Ein Ver-
gleich der beiden Fassungen dieses Liedes wird meine obige Be-
merkung bestätigen.
Auch von dem »Schäferspiele« liegt mir durch die Freund-
lichkeit des Herrn Pfarrers A. Meixner eine Fassung aus Hitzen-
dorf vor, wo es noch zuweilen im Fasching »sowohl für sich als
auch als drittes Stück der Trilogie : Paradeis- , Krippe!- und
Schäferspiel« zur Aufführung gelangte, wie die 1872 beigefügte
Bemerkung besagt. Diese Fassung hat mit der von mir aus
Mitterndorf gebotenen viel mehr Aehnlichkeit als mit dem Texte
bei Weinhold a. a. O., ja es kommen in dem Hitzendorfer Spiele
sogar fast dieselben Reden vor , wie in dem hier mitgetheilten,
wobei natürlich nicht von wörtlicher Uebereinstimmung gesprochen
werden kann. Es genüge daher auch diesbezüglich nur auf
einige besondere Unterschiede, die jedoch auch nicht wesentlich
sind , hinzuweissen. Die Eröffnung des Hitz. Spieles macht als
Prolog ein Engel, welcher mit dem so vielfach üblichen, auch
die Paradeisspiele in ähnlicher Weise eröffnenden Versen: (Vgl.
hier S. I Z. 13 ff.)
Ich tritt herein am Abend spat.
Ein' glückseligen Abend geV euch Gott! etc.
das Publikum anspricht ; dann folgt die Scene zwischen dem
guten Hirten und der Schäferin (S. 40 der vorliegenden Fassung)
und hierauf erst die kürzer gefasste Ansprache des Propheten,
mit welcher der vorliegende Text beginnt. Der Engel (hier S. 45)
hält seine Rede im Hitz. Text ebenfalls versificirt, die Auftritte
folgen an manchen Stellen in etwas veränderter Reihenfolge auf-
einander und vor dem Beschlussliede, das, wie die Hitz. Fassung
erwähnt, »von Allen gesungen wird«, spricht die Schäferin in
Prosa eine Ermahnung: »Buss' und Besserung nicht bis in den
Tod« zu verschieben, damit die Reue nicht zu spät komme. Das
Beschlusslied selbst hat im Hitz. Texte nur zwei Strophen, welche
mit den zwei letzten hier (S. 69 u. 70) mitgetheilten beiläufig
übereinstimmen.
S. 40 Z. 33 In der Hs.: »lenden« statt »lenken«.
S. 41 Z. 61 Hs. : »gelent« statt »gelenkt«.
S. 41 Z. 75 Nach der Bemerkung: »Der Teufel tritt ab« steht
in der Hs. : »Der Jäger (oder Verführer) tritt auf«.
S. 41 Z. 83 »Gamsbart« dial. für »Gemsbart«, die bekannte Hut-
zierde des Alpenjägers.
S. 41 Z. 84 Hs. : »lustiger Jägersjung« statt »1. Jägersblut«*
S. 42 Z. 87 Ueber dieses Lied vergl. die obige Bemerkung.
S. 42 Z. 114 »Rüben« dial. für »Rüben«.
S. 42 Z. 117 »Ich iss« dial. für »ich esse«.
S. 45 Z. 203 »An die Berg« dial. für »an den Bergen«.
S. 47 Z. 260 Hs. : hat »sondern« statt »denn«.
S. 48 Z. 289 »gegen mir« dial. für »gegen mich«.
S. 48 Z. 295 Die doppelte Verneinung dial. Eigenthümlichkeit.
3i8
S. 49 Z. 326 »weil sie ihr« dial. für »weil sie sich«.
S. 50 Z. 334 »entloffen« dial. für »entlaufen«.
S. 50 Z. 358 »lauft« dial. »läuft«.
S. 57 Z. 543 »brock's ab« dial. für »brich, pflücke ab«;
»schmecken gut« dial. »riechen gut, duften«.
S. 61 Z. 649 »pflanzest dich« dial. etwa: »wirfst dich in die Brust«.
S. 61 Z. 661 »Krumpe« dial. für »Krumme«.
S. 61 Z. 673 »g'loffen aus« dial. für »gelaufen, abgelaufen«.
S. 63 Z. 766 »g'rathen« dial. »gelingen«.
S. 66 Z. 796 »eh« dial. »eher, früher«.
S. 67 Z. 826 »haltest« dial. für »hältst«.
S. 67 Z. 834 »Cadenz« hier etwa so viel wie Schlussurtheil. Im
Hitzendorfer Spiele heisst es: »Ich geb' dir das Urtheil und
Sentenz«.
Das Krippelspiel.
Seite 71.
Das Krippelspiel , volksthümlich »Krippelg'spiel« genannt,
gehört zu jener Gattung von Weihnachtsspielen, welche in vielen
Gegenden Deutschlands , insbesondere aber in den katholischen
Alpenländern : Tirol , Salzburg , Oesterreich ob und unter der
Enns, Salzburg, Kärnten, sowie in den baierischen Gebieten be-
sonders gepflegt wurde und gelangt wohl bis heute noch hier und
da zur Aufführung. Auch aus dem deutschen Gebiete Ungarns wurde
durch Schröer ein »Christi-Geburt-Spiel«, welches in Oberufer zur
Darstellung gelangte , bekannt gemacht. Eine Zahl derartiger
Weihnachtsspiele findet sich theils vollständig , theils in Bruch-
stücken unter Hartmann's »Volksschauspielen« und in Pailler's
Sammlung: »Weihnachtslieder und Krippenspiele aus Oberösler-
reich und Tirol«, II. Bd. (Innsbruck. 1884). Ein kurzes »Weih-
nachts-G'spül« veröffentlichte M. V. Süss in seinen »Salzburger
Volksliedern« (Salzburg. 1865.) S. 261 ff. Aus Kärnten liegt
eine Skizze Rudolf Waizer's über ein »Dreikönigsspiel« , das zu
Wolfsberg aufgeführt wurde , in dessen »Cultur- und Lebens-
bildern aus Kärnten« (Klagenfurt 1882. S. 87 ff.) vor, nachdem
schon Franz Sartori in seiner 'Neuesten Reise durch Oesterreich
etc.« (Wien. 1811.), Bd. II. S. 330 allerdings mit wenig Ver-
ständniss der »Christkindelspiele« im Lande gedacht hat.
Ueber die Aufführung eines »Hirten- und Königs-Spiels« aus
dem Möllihale berichtet Fr. Franzisci in seinen Kärntner »Cultur-
Studien« (Wien 1879), ^"^ Matthias Lexer bringt im Anhange
zu seinem »Kärntischen Wörterbuch« den vollständigen Text
dieses Mölllhaler Spieles, ein Dreikönigsspiel aus Flattach und
einige Auftritte aus einem Wolfsberger Weihnachtsspiele zum
Abdrucke. Endlich liegt aus Steiermark ebenfalls ein vollständiges
319
"Weihnachtsspiel und zwar aus der Vordernberger Gegend vor,
das Weinhold in dem hier oft citirten Werke: Weihnachtsspiele
und Lieder« veröffentlichte. Einer ähnlichen Gattung von Volks-
spielen beizuzählen ist die von Weinhold in dem gleichen Werke auf-
genommene »Komedie von der freudenreichen geburt Jesu Christin
von Benedict Edelpöck aus d. J 1568, doch zeigt sich darin
feinere Ausarbeitung und ein besonderer Schliff; schon der Um-
fang von Edelpöck's Werke, das 2760 Verszeilen zählt, zeigt, dass
dieses mehr künstlerisch durchgearbeitete Spiel mit den einfachen
Volkskomödien, deren an dieser Stelle zwei zum Abdruck gelangen,
nicht viel gemein hat. Desto wichtiger erscheinen zum Ver-
gleiche mit den hier mitgetheilten die Spiele bei Schröer, bei
Lexer und Weinhold' s Vordernberger Text, sowie einzelne Stücke
aus Hartmann's reicher Sammlung. So hat das Heiligenbluter
Spiel bei Lexer S. 274 Scenen und sogar einzelne Stellen, welche
mit diesem Texte ganz übereinstimmen, mit dem Vordernberger
Spiele bei Weinhold finden sich ebenfalls Aehnlichkeiten, und die
Scenen zwischen Joseph und den W^irthen , welche er um Auf-
nahme bittet und die ihn abweisen , zeigen nicht nur bei Wein-
hold , sondern auch in dem Halleiner Spiele und im Spiele aus
dem bairischen Wald bei Hartmann (a. a. O. S. 78 u. 474),
wenigstens dem Sinne nach, eine gewisse Verwandtschaft. — Eine
eigenthümliche Zusammenstellung enthält das schlesische «Ober-
grunder Weihnachtsspiel« (A. Peter, Volksthümliches aus Üester-
reichisch-Schlesien. I. S. 361 ff.), indem dasselbe im ersten
Theile eigentlich den Inhalt des »Paradeisspieles« aufweist; dies
gilt nicht nur für den Gang der Handlung, sondern auch für die
darin personificirt auftretenden Gestallen der Gerechtigkeit und
Barmherzigkeit und deren Reden, die auffallender Weise wörtlich
gleichlautende Stellen mit unserem Paradeisspiel (S. 16 ff. unseres
Textes) enthalten. Unmittelbar daran schliesst sich im schlesischen
Spiele die Handlung des eigentlichen Christi-Geburt-Spieles an,
dessen Text allerdings mit dem steirischen »Krippelspiele« keine
Gemeinsamkeit zeigt.
Zur Orientirung über die Literatur der Weihnachtsdramen
verweise ich auf die Anführungen bei Weinhold a. a. O. S. 173 ff.
u. S. 185 ff., sowie insbesondere auf die bibliographischen
Angaben über volksthümliche Weihnachtsspiele bei Hartmann, im
Vorworte zu dessen erwähntem Werke S. IV — VIII.
Das hier abgedruckte »Krippelspiel« hat mir Herr Pfarrer
A. Meixner , dessen schon öfter gedacht wurde, überlassen. Es
rührt wie die übrigen zwei Spiele von dem genannten Herrn,
deren ich früher in diesen Anmerkungen erwähnte , aus Hitzen-
dorf her, und zwar erhielt ich eine Abschrift des Originaltext-
buches , welche den Titel führt : »Eine geistliche Komödie von
der Geburt Jesu Christi oder das sogenannte Krippel-G' spiel <?.
Am Schlüsse findet sich der Name des Schreibers (jenes Original-
textbuches) in folgender Weise angeführt: »Vinzenz Schober
vulgo Nothspotel in Alt-Reiteregg , Pfarre, Hitzendorf, den
32 o
24. Januar 1S64-. Herr Pfarrer Meixner erwähnt in seinen Begleit-
worten zu diesem Texte, dass dieses »Krippelg' spiel« am meisten
vergessen war, und es vieler ^Nlühe bedurfte, dasselbe aufzutreiben;
auch bemerkt er mit Recht, dass sich gerade darin viel echte,
volkslhümliche Poesie finde , wovon der Leser sich selbst die
Ueberzeugung verschaffen wird. Einschiebungen späterer Zeit
und schlechte Abschriften haben leider dem Texte sehr geschadet,
und um denselben lesbar zu gestalten, musste manche Abänderung
getroffen werden , wie dies ja bei allen derartigen Texten mehr
oder weniger geschehen muss , denn correcte Aufzeichnungen
existiren überhaupt nicht.
Dem Leser wird es auffallen, dass die Hirtenscenen in unserem
»Krippelspiel« besonders ausgedehnt erscheinen, und wer die ver-
schiedenen Weihnachtslieder aus den Eingangs erwähnten Alpen-
gebieten kennt, kann die Bemerkung machen, dass solche selbst
unabhängig von derartigen Spielen für sich vorkommende Lieder
dieser Gattung dem »Krippelspiele« häufig eingefügt erscheinen.
Solche Lieder sind im vorliegenden Texte jene auf S. 77, 78,
87, 88, 107, 113. Dieselben wurden von dem unbekannten Ver-
fasser des Spieles wohl eingefügt , da sie sehr bekannt und be-
liebt waren und dem Spiele die grössere Beachtung des bäuer-
lichen Publikums verschafften. Was die Ausdehnung der Hirten-
scenen betrifft , so ist auch diese zweifellos vom Verfasser der
bäuerlichen Zuhörer und Zuschauer wegen angewendet worden,
welche ja den Darstellungen , die des Volkes eigenes Leben
schildern, das meiste Verständniss und Interesse entgegenbringen.
Die Abfassungszeit des vorliegenden Textes dürfte, wenigstens
was die Grundzüge desselben anbelangt, in das 17, Jahrhundert,
vielleicht sogar in den Anfang desselben fallen. In den
»Mittheilungen des histor. Vereines für Steiermark« XXIX. Bd.
findet sich ein Aufsatz Prof. H. I. Biedermann's: »Achtzig Jahre
aus dem Gemeindeleben des Marktes Kindberg«, worin (S. 228)
ein Heiligendreikönigs-Spiel erwähnt wird , und zwar nach den
Rathsprotokollen Kindbergs vom i. Januar 1682, anlässlich des
Falles, dass ein Bäckerjunge aus Kapfenberg , der von hier am
Vorabend mit mehreren Genossen nach Kindberg gekommen war,
um dieses Spiel aufzuführen , und welcher dabei den Herodes
darzustellen hatte, wegen eines Streithandels vor dem Markt-
gerichte erschien. Es liegt nahe, anzunehmen, dass dieses oder
das hier folgende Spiel, worin die Figur des Herodes vorkommt,
das angedeu,tete obersteierische Heiligendreikönigs-Spiel von 1681
ist, welches jedenfalls damals schon lange im Gebrauche war.
Die Bezeichnung : Dreikönigsspiel für diese Weihnachtsspiele findet
sich heute noch, wie oben erwähnt, in Kärnten und auch anderwärts.
S. 73 Z. 4 »geitor die bekannte alte auch dialectische Form für
»giebt«.
S. 73 Z. 17 »latiren« , der Ausdruck ist kein mundartlicher, er
dürfte wohl aus dem lateinischen latere entstanden sein und
hier bezeichnen : sich verborgen halten , in Zurückgezogenheit
321
leben. Die Anwendung solcher Ausdrücke lässt wohl auf einen
geistlichen Verfasser des Spieles schliessen.
S. 74 Z. 48 lautet in der Hs. : »Wanns damals so soll geschehen«.
S. 75 Z. 61 in der Hs. : »Ich bin betrübt bis also sehr«.
S. 75 Z. 63 »lauter« dialect. etwa: »nur, doch«.
S. 76 Z. 88 in der Hs. : »Deine Schuld seind dir«.
S. 76 Z. 95 »auch« fehlt in der Hs.
S. 76 Z. loi Die nunmehr folgenden Hirtenscenen sind ganz im
Geiste des obersteirischen Hirten- und Bauernlebens abgefasst
und auch grossentheils mundartlich gehalten. Woferl ist dialect.
Diminutiv für Wolfgang.
S. 76 Z. 106 »I han« dial. »ich habe«.
S. 76 Z. HO »I wix, i wax«, = »ich wichse, ich wachse« d. h.
den Faden durch Wachs ziehen, damit er kräftiger wird.
S. 76 Z. 114 Hs. hat »gehnt« statt »gehn«.
S. 77 Z. 115 »vStutzl« Name des Hundes.
S. 77 Z. 116 Ausruf des Vergnügens, an den Hund gerichtet.
S. 77 Z. 117 »kimbt« dial. für »kommt«.
S. 77 Z. 119 Der Sinn der Zeile ist etwa: behalte deine schlimmen
Wanzen d. h. Dummheiten (wie man auch wohl »deine Grillen«
sagt) für dich.
S. 77 Z. 121 »derwissen« dial. für »genau wissen«.
S, 77 Z. 122 »Düppel« dial. »grober Mensch, Rüpel«.
S. 77 Z. 124 Hs. hat »deinethalbn«.
S. 77 Z. 128 »Brantlerin« ist die Sennerin, letzterer Ausdruck ist
in Steiermark mundartlich nicht gebräuchlich. »Buttermaisen«
dial. »ein laibförmig geformtes Stück Butter«.
S. 77 Z. 130 »rahmete Milch« dial. Milch, von welcher der Rahm
nicht abgeschöpft worden ist.
S. 77 Z. 134 »Simandl« dial. Diminutiv für »Simon Andreas«,
welche Namen in einen zusammengezogen sind.
S. 77 Z. 135 »G'span« dial. »Freund, Geselle«.
S. 77 Z. 137 »krumpen Sprung« dial. krumme, d. h. tolle, lustige
Sprünge,
S. 77 Z. 138 der Sinn der Zeile etwa : allen andern Burschen
zum Trotz.
S. 78 Z. 143 »schönes Schäferg'sang« , der Dialect hat »das
G'sang« neutr.
S. 78 Z. 149 »kein Grandl Graus« dial. etwa: das macht mir nicht
das geringste Grauen, »Grandl« ist das Diminutiv von »Gran«.
S. 78 Z. 155 »ÖS« dial. »ihr«, »hupfen« dial. »hüpfen, springen«.
S. 78 Z. 159 »heunt« dial. »heute«.
S. 78 Z. 160 »Mein Aid« dialect. Betheuerungsform , etwa: bei
meinem Eide!
S. 79 Z. 170 »ich hiet ein' fauln Mangel« dial. »ich hätte einen
faulen Mangel« d. h. einen Rausch.
S. 79 Z. 172 »Lotter« dial. »Spitzbube, Kerl«.
S. 79 Z. 176 »aussischmeissen« dial. »hinauswerfen«.
Volksschauspiele. 21
322
S. 79 Z. i88 »b'sch — «, derber dial. Ausdruck für »betrügen«?.
S. 80 Z. 192 »die Goschen« dial. »der Mund«.
S. 80 Z. 205 »Männer« dial. »Männerf^. — »Was han sie lauter«
etc. dial. etwa : was haben sie denn da ausgeblasen ?
S. 81 Z. 216 Hs.: »Handwerchsmann«.
S. 81 Z. 225 »z'rreiben<r, zerreiben.
S. 81 Z. 226 Diese Zeile lautet in der Hs.: >Ist doch kein Unter-
schied zum Vertreibend^.
wS. 82 Z. 237 »Wie werd'n mar hausen?« dial. etwa: wie werden
wir wohnen, unterkommen?
S. 83 Z. 275 »Pilichgramen« dial. »Pilgramen, Pilgern«.
S. 83 Z. 278 »vergunnt« dial. »vergönnt«.
S. 83 Z. 281 — 284 in der Hs. ganz verstümmelt, lautet daselbst:
»Ach lieber Freund! das Glück ich euch hab letzlich vorge-
stellet, dass ihr euch entsetzet; hier kein Hoffnung uns erwehlet?»
S. 84 Z. 300 »G'sporr« dial. »ein abgesperrter, geschlossener
Raum«, eigentlich G' sperr.
S. 84 Z. 318 in der Hs. : »N. G. u. G. kann ich das Thor auf-
sperren«.
S. 85 Z. 326 Hs. lautet: »Das G'sind verspricht einen guten
Pauschalla« , offenbar soll sich Pauschalla, das Pauschal d. h.
hier die Entlohnung auf den Reichen beziehen.
S. 85 Z. 330 — 333 Diese Zeilen mit der scherzhaften Subtraction
des Wirthes bilden offenbar eine Verhöhnung der Armuth
Joseph's und Marias. In der Z. 332 hat die Hs. : »Eilferdreissig
bleibt Null«.
S. 85 Z. 336 »a bei guter Luft« dial. »auch bei guter Luft«
d. h. so lange die Luft rein ist.
S. 85 Z. 338 Das hier beginnende Lied erwähnt auch Wein-
hold: Weihnachtssp. S. 183, der es in einem baierischen Weih-
nachtsspiele fand ; leider sind nur wenige Zeilen daraus bei
Weinhold angeführt.
S. 85 Z. 339 »Mir« dial. »wir«.
S. 85 Z. 340 »Simandl a« dial. »S. auch«.
S. 85 Z. 343 »kimt's mir natürli für« dial. »kommt's mir natürlich
vor«.
S. 85 Z. 344 »Gesetzl« dial. etwa eine Strophe.
S. 86 Z. 374 »g'segna« dial. »segne f.
S. 86 Z. 375 "sunst regna« dial. »sonst regnen«.
S. 86 Z. 377 »Möcht enk der Teuxel wohl niederstrauchen« dial.
etwa : Der Teuxel d. h. Teufel möcht euch sonst niederwerfen.
S. 86 Z. 379 »G'sträussla« dial. »das Gesträuch, Gebüsch«.
S. 87 Z. 381 »Ins Koth<r dial. neutr. — »Wasen« dial. »Rasen«.
S. 87 Z. 385 »Nehmts a< dial. »nehmt ab«.
S. 87 Z. 394 u. 395 lauten in der Ms. : »Giftiger Schlangen hast
trauet und nähmest den Apfel gclaucl«.
S. 87 Z. 404 »hantig« dial. »bitler«.
S. 88 Z. 410 »Er hat beten auch kenn'« dial. etwa er hat beten,
n.Hmlicli ein frommes Lied singen, auch können.
323
S. 88 Z. 411 Dieses Lied findet sich in zahlreichen ähnlichen
Hirten-, Dreikönigs- und Weihnachtsspielen, insbesondere
enthält das Halleiner Hirtenspiel bei Hartmann (Volksschau-
spiele S. 102 f.) dasselbe Lied, natürlich mit verschiedenen
Abweichungen , doch mit 7 Strophen ; Hartmann war sogar in
der Lage, die Melodie beizufügen. Auf das Alter des Liedes,
damit aber wohl auch des hier vorliegenden Spieles deutet die
Angabe Hartmann's a. a. O. S. 99, wonach das Lied : »Lustige
Hirten« sich in einer Musikhandschrift der königl. Hof- und
Staatsbibliothek in München befindet , welche der Benedictiner
Johann Werlin verfasst hat. Diese Musikhandschrift: >>Typi et
exempla rhythmorum« ist datirt von 1646 — 1647 und enthält
insbesondere auch die Melodie zu diesem Liede. — Man findet
in kürzerer Fassung das Lied auch im Wolfsberger Weihnachts-
spiele bei Lexer, Kämt. Wörterb. S. 295, woselbst es ebenfalls
von den Hirten zusammen gesungen wird. Ebenso tritt es uns
in dem Oberuferer und in dem Pressburger Weihnachtsspiele
bei Schröer , Weihnachtssp. aus üng. S, 85 f. u. S. 196, ent-
gegen. Man vergleiche die Anmerkung bei Hartmann a. a. O.
S. 103.
S. 88 Z. 413 u. 414 »singa, springa« dial. »singen, springen«.
S. 88 Z. 424 »Gelt, mein Stutzl«, hier ist Stutzl, der Stutzen, das
Gewehr, welches der David apostrophirt.
S. 88 Z. 435 »g' frierst mir« dial. »es friert mich«.
S. 88 Z. 436 »das Hüelen« dial. »das Viehhüten«.
S. 88 Z. 437 »du bringst mi den Winter wohl hart mehr dräust
dial. etwa : du bringst mich den Winter nicht so leicht mehr
heraus.
S. 89 Z. 440 »höer<j dial. »heuer«.
S. 89 Z. 443 Die Hs. hat diese Zeile in der sinnlosen Fassung:
»Ist wohl a Fassirala«.
S. 89 Z. 445 »Laufet, ihr Hirten, laufet alle zugleich«. Dieses
weit verbreitete Lied dürfte dem Texte des Spieles erst später
eingefügt sein. Hartmann, Volkssch. S. 474 ff. bringt ein
Weihnachtsspiel aus dem baierischen Walde zum Abdruck , in
welchem sich dieses Lied ebenfalls findet , auch die Melodie
ist a. a. O. S. 489 beigefügt. In meinen »deutschen Volks-
liedern aus Steiermark« (Innsbr. 1881) habe ich dieses Lied
nach einer Aufzeichnung aus Admont ebenfalls einverleibt. Die
Anmerkung daselbst S. 411 Nr. 106 führt einige Sammlungen
aus deutschen Gebieten an, wo das Lied ausserdem vorkommt.
Pailler in seinen »Weihnachtsliedern und Krippenspielen aus
Oberösterr. u. Tirol« II. Bd. S. 11 fif. bietet einen Text dieses
Liedes aus dem Traunkreise, der sogar 9 Strophen hat ; ebenso
sind 3 Strophen in dem oberösterreichischen St. Oswalder
Weihnachtsspiel derselben Sammlung S. 248 f. enthalten. W^ein-
hold an dem öfter erwähnten Orte S. 108 führt einige Zeilen
desselben Liedes aus einem schlesischen Kristkindelspiele an ;
allerdings sind die ersten zwei Verszeilen daselbst aus dem
21*
324
Texte der Hoffmann-Richter' sehen Sammlung der schles. Volks-
lieder ergänzt.
S. 90 Z. 469 »Hascherl« dial. Ausdruck für ein bemitleidenswerthes
Wesen.
S. 90 Z. 474 »Schmalzkoch«, eine beliebte Mehlspeise im Steiermark.
Oberlande.
S. 90 Z. 476 »Trunks a« dial. »tränke es auch«.
S. 90 Z. 480 »fest mit Gaben« dial. etwa: stattlich ausgerüstet
mit Gaben.
S. 90 Z. 492 »Mit laren« dial. »leeren«.
S. 91 Z. 501 »Hemmetlein« dial. »Hemdchen«.
S. 91 Z. 503 Hs. : »Ist beiderseits als wie ein Kreuz«.
S. 91 Z. 513 — 516 Der Sinn dieser Zeile ist etwa: Ich eile fort,
als hätte ich ein Kröbeskraut bei mir , damit ich ja nicht irre
gehe. In der Hs. ist diese Stelle beinahe unverständlich. Das
Kröbeskraut (?) dürfte wchl eine jener Pflanzen sein, welche
als wirksames Mittel gegen das Irregehn gilt. Vielleicht liegt
aber bezüglich des Namens des Krautes ein Fehler des Ab-
schreibers vor.
S. 91 Z. 527 »kemma« dial. «kommen«.
S. 92 Z. 531 >aba« dial. »herab«.
S. 92 Z. 534 »Ruckts zuhi« dial. >rückt heran«, d. h. tretet heran.
S. 92 Z. 535 »Zuhi« dial. »heran« wie das Obige.
S. 92 Z. 550 »A a Häferl Kraut von Kohl« dial. »auch ein Töpf-
chen Kraut von Kohl« d. h. gekochtes Gemüse.
S. 94 Z. 595 »Zäher« dial. auch alte Form für »Zähren, Thränen«.
S. 96 Z. 664 Hs. »gegen ihn« statt »gegen diese«.
S. 97 Z. 683 Hs. »Möcht ja aus der Haut zerspringen«.
S. 97 Z. 696 »in dem G'schloss« dial. »in d. Schloss«.
S. 97 Z. 702 »und bald sein« fehlt in der Hs.
S. 99 Z. 733 »hinum« dial. etwa »hinüber«.
S. 99 Z. 737 »und bald sein« fehlt in der Hs.
S. 100 Z. 758 »Geschrift« dial. »Schrift«.
S. 100 Z. 765 Hs. »seiner vor Allen« statt »selbst vor Allem».
S. 100 Z. 774 Hs. »Wo sich sein Geburt hergangen«.
S. 100 Z. 776 Hs. »die klare Wort, die hier guet« statt »die
Wort der Schrift h. g.«
S. 100 Z. 783 Hs. Die gegen »dreissigtausend«.
S. lOl S. 792 »zum End« fehlt in der Hs.
S. loi Z. 816 »glei« dial. »gleich«.
S. 102 Z. 838 »und bald sein« fehlt in der Hs.
S. 102 Z. 839 Hs. »schau das arme Kindlein an>.
S. 102 Z. 846 »glanzende« dial. für «glänzende«.
S. 103 Z. 852 »gengen« dial. »gehen«.
S. 103 Z. 865 »allda« fehlt in der Hs.
S. 104 Z. 876 »göttliches Ort« dial. das Ort d. h. der Ursprung,
die Abkunft.
S. 104 Z. 877 Hs. »Das von uns nie ersechen wurd«.
S. 104 Z. 893 »Dann du« etwa: der du einst.
325
S. 104 Z. 905 »Geschankff dial. auch veralt. Form für »Geschenk«.
S. 105 Z, 920 »Gott gieb euch den Gesund« ; »gieb« dial. »gebe«-,
»der Gesund« dial. »die Gesundheit«.
S. 105 Z. 923 Hs. hat »unterstunden« statt »unterwunden«.
S. 105 Z. 928 In der Hs. nur die Worte: »Wo wollt ihr hin?«
S. 106 Z. 942 »die Bahn« fehlt in der Hs.
S. 106 Z. 955 »förchten« bekanntlich veralteter Ausdruck ; »derfen«
dial. für »dürfen«.
S. 107 Z. 959 »schon« fehlt in der Hs.
S. 107 Z. 974 »Mein Aid« Vgl. Anm. oben zu S. 78 Z. 160.
S. 107 Z. 975 »ranlig« dial. »gut, lobenswerth, fröhlich« ; rantiger
B'scheid, fröhlicher Bescheid, fröhliche Kunde.
S. 107 Z. 978 »Häuerl,« dial. »kleine Haue, Hacke« der Hirten.
S. 107 Z. 979 »glänzen« dial. »glänzen«.
S. 107 Z. 982 »Gregerl« Diminutiv v. Gregor.
S. 107 Z. 983 »Mach mir a« u. s. w., d. h. »mach mir an«, mach
mir mit dem Löffel ein Köcherl (gekochten Brei) an.
S. 107 Z. 984 »A Handeriff voll dial. »ein Händchen voll«.
S. 107 Z. 985 »Das reib'n ma« dial. »das reiben wir«.
S. 107 Z. 988 »Die Henner« dial. »die Hühner«.
S. 108 Z. 991 »Wauwau« ein Schreckgespenst , mit dem insbes.
die Kinder geschreckt werden.
S. 108 Z. 999 »sie steigen schon a« dial. »steigen schon ab«.
S. 108 Z. 1002 »Grossbucklete Küah« dial. »grossbucklige Kühe«,
die Hirten meinen die ihnen unbekannten Kameele.
S. 108 Z. 1006 »Truchen« dial. »Truhen«, mit denen die Kameele
beladen sind.
S. 108 Z. 1020 »Husaren«. Die Hirten nennen die berittenen
Könige mit Gefolge in naiver Auffassung Husaren.
S. 109 Z. 1036 Hs. »Auf, auf. meine Gemalin mein«.
S. HO Z. 1065 In der Hs. fehlt »schon«.
S. HO Z. 1078 u. 1079 lauten in der Hs. : »Dass ich und du auf
dieser Welt viel werden müssen leiden«.
S. III Z. II 00 »g segnen« dial. »segnen«.
S. III Z. II 16 »Dasti« dial. eine Art Interjection: »Dass dich«>
wie man etwa auch im Hochdeutschen als Ausdruck der Ver-
wunderung sagt: Dass dich doch . . .
S. III Z. II 16 »Honafberg« dial. »Hanfberg«, die Bezeichnung
eines Berges, der sich wohl in jener Gegend befindet, wo dieses
Lied entstanden ist.
S, 112 Z. 1129 »Chrysam-Pfaidl« dial. »das Taufhemdehen«,
Chrysam ist das bei der Taufe verwendete h. Oel.
S. 112 Z. 1136 »Jäkel« Diminutiv v. Jakob; »platzen« dial.
»schlagen, hauen«.
S. 112 Z. 1138 »g'fang« dial. »gefangen«.
S. 112 Z. 1139 »so mächtig wild zugang'« dial. etwa: so heftig,
grausam zugegangen.
S. 112 Z. 1140 »Ahnl« dial. »die Ahne, Grossmutter«.
S. 112 Z. 1144 »Menscher« dial. »die Mädchen, weibliche
Dienstboten.
326
S. 113 Z. II 57 »Mört« dial. »Martin«.
S. 113 Z. 1159 »Steffel« dial. »Stephan«, »Sandl« dial. »Susanna*»
S. 113 Z. 1165 Diese Zeile lautet in der Hs. : »Wann schon die
Herrn den Daiger pellten«, dies ist mir unverständlich, vielleicht
eines der vielen Schreibversehen schon in älterer Vorlage. Nach
Herrn Meixner's Erklärung müsste diese Stelle den Sinn
haben, dass »die Herrn mit dem Klopfer an die Hausthür
pochen.«
S. 113 Z. II 73 »Sachsen oder Dachsen«. Die »Dachsen« sind
wohl der Allitteration und des Reimes wegen beigefügt, ohne
dass man etwa Soldaten damit bezeichnen wollte.
S. 113 Z. II 74 Der Sinn der Zeile ist etwa: ich möchte mir sie
gar erschlagen (derschlagen).
S. 113 Z. 1178 »Los nur zua« dial. »Hör' nur zu«.
S. 114 Z. 1210 »A Halbe« dial. »eine halbe« seil. Maass.
S. 114 Z. 1212 »A Lampel« dial. »ein Lämmchen«; »a Kitzel«-
ist eine junge Ziege.
S. 114 Z, 12 13 »Stritzel«. Ein Gebäck, welches länglich geformt
wird.
S. 114 Z. 1214 »Nudel« und »Sterz« Mehlspeisen, Sterz ist die
bekannte steirische Nationalspeise , eine Art Mehlbrei , der in
dicke Brocken zertheilt und mit Butter geschmalzen wird.
S. 144 Z. 1221 Hs. »Ich mach des Lebens Zier«.
Die Geburt Christi.
Seite 117.
Auch in dem vorliegenden Spiele zeigt sich die Verwandt-
schaft einzelner Scenen mit ähnlichen Scenen in dem Vordern-
berger Weihnachtsspiele bei Weinhold a. a. O. S. 134 ff. und
insbesondere mit dem Oberuferer Christi -Geburt -Spiele, welches
Schröer in den öfter citirten Weihnachtsspielen aus Ungarn S. 61 ff.
zum Abdruck gebracht hat. Besonders bemerkenswerth erscheint,
dass wie im vorliegenden Texte die Namen derWirthe: Rufinus
und Titus, welche den eine Herberge suchenden Joseph abweisen,
sich auch in dem ungarischen Spiele vorfinden, und dass selbst die
Namen der drei Hirten: Stichi , Galli , Widak mit jenen bei
Schröer übereinstimmen. Ja noch mehr: der Gang der Hand-
lung ist in beiden Spielen überaus ähnlich , manche Stellen
stimmen sogar in ganzen Verszeilen überein, jedenfalls aber viel-
fach in den Endreimen. Wenn man das Auftreten der drei
Könige hier S. 148 ff. und die Reden derselben mit der Parallel-
scene bei Schröer S. 93 ff. vergleicht, so erscheinen diese Aehn-
lichkeitcn am häufigsten. Die letzte Scene des Herodes mit den
Soldaten , welche ihm von dem Kin;lerniorde berichten , hier
327
S.^iöö ff., schliesst sich ebenfalls in vielen Beziehungen an die
Scene bei Schröer S. Ii6 ff. an, hat übrigens auch bei Weinhold
im Vordernberger Spiele a. a. O. S. i68 ff. ihre Parallele, Es
ergiebt sich daraus die Thatsache , dass der Verfasser des Ober-
uferer Spieles das hier abgedruckte gekannt hat , möglicherweise
sind ihm nur Bruchstücke desselben bekannt geworden; das Um«
gekehrte, nämlich, dass der Oberuferer Text der ältere ist, ist mir
aus dem Grunde schwerer anzunehmen, weil derartige Spiele schon
im 17. Jahrhundert in Steiermark gewissermassen eingebürgert
erscheinen und die verschiedenen steiermärkischen Texte alle unter-
einander Aehnlichkeiten aufweisen. Auch der die einzelnen
Scenen unterbrechende Gesang findet sich bei dem hier abge-
druckten Spiele ebenso , wie bei dem Oberuferer , wenn auch in
ganz anderer Fassung; leider hat unser Text in dieser Beziehung
manche Lücke aufzuweisen , wie dies weiter unten und in den
Anmerkungen dargelegt wird.
Die Handschrift, welcher ich dieses Geburt- Christi -Spiel
entnehme , wurde mir etwa im Jahre 1882 durch Herrn F. A.
Kienast (damals in Admont) freundlichst vermittelt, welcher sie
von einem ehemaligen Bergknappen aus Eisenerz , der noch bei
solchen Aufführungen mitzuspielen pflegte , ja wahrscheinlich
deren Leiter war, geliehen erhielt. Diese Handschrift wies
alte, im Gegensatze zu anderen ähnlichen Manuscripten, nicht un-
leserliche Schriftzüge auf, die spätestens der Mitte des 18. Jahr-
hunderts angehörten. Das Folioheft , welches das Papierformat
beibehalten, hatte als Umschlag einen Lederdeckel, auf dem die
Jahreszahl 1719 ersichtlich war. Recht interessant sind einige
Eintragungen auf der ersten Seite, welche vom Jahre 1802, 1808
und 1835 herrühren und die Aufführung des Barbaraspieles be-
treffen, nebst der Bezeichnung der Einnahme. Eine Eintragung
besagt: .»Im Jahre 1862 ist die Geburt Christi gespielt worden«,
also das vorliegende Spiel; ob dies die letzte Aufführung war,
konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Wie bei den vorhergehenden und fast allen folgenden der
hier veröffentlichten Spiele fehlte in der Handschrift das Personen-
verzeichniss , welches somit ebenfalls von mir verfasst werden
musste. Dies bemerke ich aus dem Grunde besonders, weil der
Name des Königs Melchior im Texte als Melcher vorkommt;
wegen der volksthümlichen Anlage des Ganzen wollte ich
diesen Namen in den Ueberschriften der bezüglichen Reden nicht
ändern. Im Texte selbst wurde die Fassung der Handschrift
möglichst beibehalten , offenbare Fehler und Schreibverstösse, die
hier auch vorkommen, wurden jedoch verbessert. Eine Eintheilung
in Acte und Scenen findet sich in der Handschrift nicht ; an
vielen Stellen, besonders der zweiten Hälfte des Spieles etwa, ist
aber auch das Auf- und Abtreten der Personen häufig nicht be-
merkt, und ich war genöthigt , auch in dieser Beziehung durch
Einfügung der bezüglichen Angaben dem Ganzen Uebersichllich-
keit zu verleihen. Die gleichartigen Gesangsstrophen, deren erste
328
sich auf S. 122 Z. 78 findet, bilden jedenfalls zugleich eine Art
von Abschnitten und leiten neue Scenen ein ; sie befinden sich
weiter, wie ersichtlich ist, auf den Seiten 125, 135, 139, 143, 153;
aber auch an andern Stellen sind Gesangstrophen in der Hand-
schrift angedeutet, doch höchstens ist deren Anfangszeile bemerkt.
Diese Stellen , welche eine Gesangstrophe ausfüllen sollte , die
leider fehlt, befinden sich unmittelbar nach den Verszeilen 753,
789, 876, 1031 , I157, 1177 und 1189. Einiges Nähere über
jede einzelne dieser Stellen bemerke ich in den Anmerkungen.
Diese Gesänge wurden wahrscheinlich von allen Mitspielenden
zusammen gesungen , wie dies bei ähnlichen Spielen meist üblich
ist. Das Fallen des Vorhanges dürfte wohl dabei nicht erfolgt
sein, sondern der Gesang bei offener Scene stattgefunden haben.
S. 119 Z. 4 »gar wohl« nicht in der Hs.
S. 121 Z. 52 »verstören« dial. »betrüben«.
S. 121 Z. 57 »Gefrier« dial, »Frost«.
S. 122 Z. 72 »derft« dial. »dürft«.
S. 123 Z. 98 »sehen mögen«, mögen ist hier im dialectischen Aus-
druck für können gebraucht.
S. 123 Z. HO >Jch g'halt« dial. »ich behalte«.
S. 127 Z. 190 »gewisst« dial. »gewusst, Kenntniss gehabt«.
S. 128 Z. 209 In der Hs: »nur bald zur Thür hinaus«.
S. 129 Z. 219 »Kein Zeit vor ihr hat« dial. »keine Zeit vor sich
hat«, nämlich keine lange Zeit.
S. 129 Z. 229 »abgewiesen wir« dial. »abgewiesen werde«.
In der Hs. : »dass doch Jemand aufnehme uns«.
»Das Ort« dial. »der Ort«.
In der Hs. : »thut ihm Ort verschaffen«,
»ehender« dial. »eher, rascher«,
»derft« dial. »dürft«,
»heute« fehlt in der Hs.
»haben« fehlt in der Hs.
599 Wie oben erwähnt, stimmen die Namen der drei
Hirten : Stichi, Galli und Widak mit den Namen der Hirten des
Oberuferer Christi-Geburt-Spieles in Schröers Weihnachtsspielen
aus Ungarn überein. Ueber diese Namen vergl. daselbst S. 76
Anm. 280 und 292. Stichi dürfte vielleicht Eustach sein, Galli ist
Gallus; Widak bei Schröer Wüdok, Witok geschrieben, ist ein
Name, der mir bisher nicht vorgekommen.
S. 136 Z. 405 Vgl. Anm. zu S. 77 Z. 135.
S. 136 Z. 410 »Wasen« dial. »Rasen«.
S. 137 Z. 417 »es ist gleich ein Geld« dial. etwa: es ist gleich-,
gültig, es ist von gleicher Geltung.
S. 137 Z. 419 »g'west« dial. »gewesen«.
S. 137 Z. 420 »han i daweil . . . ang'fangt« dial. »habe ich der-
weil d. h. inzwischen . . . angefangen«.
S. X37 Z. 428 »daschwingen« dial. »erschwingen«.
S. 137 Z. 438 »hab« fehlt in der Hs.
S. 139 Z. 473 »napfezen« dial. »einnicken, schlummern«.
S.
130 z.
247
S.
131 z.
275
s.
134 z.
341
S.
134 z.
353
S.
135 z-
375
s.
136 z.
387
s.
136 z.
388
S.
136 z.
399
329
S. 139 Z. 486 »am« dial. » einen f<'.
S. 139 Z. 495 »rar« dial. »merkwürdig, sonderbar«.
S. 139 Z. 497 »Das wirft mir a Furcht a an« dial. etwa: das
macht mir auch Furcht.
S. 139 Z. 501 »ÖS« dial. »ihr«.
S. 140 Z. 507 »a so a Liechten« dial. »auch eine solche Helle«,
ein so helles Licht.
S. 140 Z. 515 »ring« dial. »leicht, wohl«.
S. 141 Z. 551 »Zögerl« dial. ein kleiner Sack, Tasche.
S. 142 Z. 561 »Lost« dial. »hört«.
S. 142 Z. 577 In der Hs. : »Halla, halla«.
S. 146 Z. 659 »Doch« ist nicht in der Hs.
S. 148 Z. 733 »Ruth entspriessen« in der Hs.
S. 149 Z. 753 Nach dieser Verszeile soll der Handschrift nach
ein »Gesang« folgen, wahrscheinlich eine Strophe wie auf Seite
125, 135 etc., von dieser ist aber nur eine Zeile: »Der
Stern, der leuchtet so wunderschön« angeführt. Diese Gesänge
leiten jedenfalls einen neuen Auftritt ein und bilden die Er-
öffnung desselben. Die Strophen mögen den Mitspielenden so
bekannt gewesen sein, dass der Aufzeichner und Abschreiber die-
selben leider nur andeuten zu dürfen glaubte.
S. 150 Z. 789 Nach dieser Verszeile ebenso wie in den Anmerk.
zu S. 149. Z. 753 : Gesang : »Es gedacht ein jeder in seinem
Sinn.«
S. 150 Z. 811 Nach dieser Verszeile folgen zwei mir nicht recht
leserliche und unklare Zeilen in der Hs., welche etwa lauten
können :
Wegen welchen auf den Berg Victorial auch zwar
Gewachet worden über tausend Jahr.
S. 153 Z. 876 Nach dieser Zeile wie in der Anmerkung zu
S. 149 Z. 753: Gesang: »Sie suchten den viel Auserkornen,
den Judenkönig«.
S. 153 Z. 890 Diese Zeile fehlt in der Hs.
S. 154 Z. 909 »was sie ihnen« dial. »was sie sich«.
S. 156 V. 954 und 955 ist die Ansprache des Herodes an Protus,
Z. 956 ff. an die von diesem rasch geholten Hohepriester.
S. 159 Z. 1031 Nach dieser Zeile wie in der Anm. zu S. 149
Z. 753: Gesang; »Sie zogen dem Stern nach 13 Tage«.
S. 162 Z. 1093 lautet in der Hs. : »Ach wie liegst in grosser Kalt
voller Armuth Beschwerd«.
S. 164 Z. II 55 Nach dieser Zeile wie in der Anm. zu S. 149
Z. 753- Gesang: »Die König, die waren betrübet sehr«.
S. 165 Z. 1177 Ebenso nach dieser Zeile : Gesang: »Dem Joseph
wird von Gott verkündt , er soll ins Aegypten eilen« ; es sind
also hier zwei Verszeilen der Strophe in der Hs. enthalten.
S. 166 Z. II 90 Vor dem Auftreten des Herodes wie in der Anm.
zu S. 149 Z. 753: Gesang: »Herodes war schon auf der
Bahn«.
Das Leiden Christi.
Seite 169.
Das vorliegende Passionsspiel gehört jener Gattung volks-
thümlicher geistlichen Spiele an , welche Wilken (Geschichte der
geistlichen Spiele in Deutschland. Göltingen 1872.) in Gap. IL
§ I — 6 insbes. §§ 5 und 6 seines Werkes eingehend bespricht.
Mit den grossen Passionsspielen in Baiern und Tirol (Oberammer-
gau, Brixlegg etc.) hat unser Spiel wenig mehr als den Inhalt ge-
mein; auch mit ähnlichen Spielen, welche Hartmann, Volksschausp.
S. III ff., S. 373 ff. und 528 ff. anführt und in Auszügen bietet,
weist es keine Aehnlichkeit auf, bemerkenswerth ist jedoch das » Vor-
gespilU des Oberaudorfer Passionsspieles daselbst S. 373, worauf
ich weiter unten zurückkomme. K. Weinhold berichtete seiner-
zeit (in K. Goedeke's deutscher Wochenschrift. 1854. 5. Heft)
über die Bauernspiele in Innerösterreich und gedenkt in seinem
Aufsatze eines Passionsspieles zu Liesing im Lesachthaie Kärn-
tens; ebenso schildert R. Waizer in seinem jüngst erschienenen
Werkchen: »Culturbilder und Skizzen aus Kärnten. Neue Folge«
(Klagenfurt. 1890.) S. 54 ff", die Aufführung des »Leiden-Christi-
G'spiels« zu Höfling in Kärnten, welche zuletzt im Jahre 1889
stattfand, und bietet einige Texlproben. Diese Proben weisen auf
einige Aehnlichkeiten der Spiele des an die Steiermark grenzen-
den Kärnten mit dem hier abgedruckten steirischen Texte selbst
hin. So erinnert an die Beurlaubungs- (d. h. Verabschiedungs-)
Scene Christi von Maria (S. 178 ff. im vorliegenden steirischen
Spiele) eine Scene des Höflinger Spiels (Waizer S. 59 f.) ; eben-
so zeigt die Art der Aufzählung der 30 Silberlinge an Judas (hier-
S. 194 f.) in den Reimen Aehnlichkeit mit der Aufzählungsweise
in den von Waizer (S. 59) mitgetheilten Verszeilen sowie auch
mit den von Weinhold angeführten Stellen des Liesinger Passions-
spieles. Vielleicht hatten alle die Spiele ältere Vorlagen, welche
selbst auch miteinander im Zusammenhang standen , denn schon
in dem Tiroler «Passion« Pfarrkirchens vom Jahre i486 (Wacker-
nell, die ältesten Passionsspiele in Tirol. Wien. 1887. S. 39 f.)
finden wir, dass Annas dem Judas das Geld mit ähnlichen Spruch-
reimen aufzählt. Es Hessen sich noch manche derartige Aehn-
lichkeitspunkte zwischen dem steirischen Texte und den Spielen
der übrigen österreichisch-baierischen Alpenländer finden, die aller-
dings nicht so sehr in die Augen fallen. Ja, selbst Passionsspiele
aus viel weiter gelegenen Gebieten zeigen Verwandtschaft mit
unserm Texte in der einen oder andern Hinsicht. Beispielsweise
führe ich nur das schlesische Zuckmantier Spiel (hgg. v. A. Peter
im Troppauer Gymnasial Progr. f. 1868 und 1869) an, in
welchem die drei Bitten Marias an Jesu (1869 S. 4) mit den-
selben r>itten in der schon erwähnten Abschiedsscene (hier S. 180
und 181) wenigstens dem Inhalte nach ganz auffallende Ueber-
einstimmung zeigen. Nebenbei bemerkt, erinnert der erste Theil
33^
dieses Zuckmantier Spieles seinem Inhalte nach an das
unsere Sammlung eröffnende Paradiesspiel. Es bestand also
schon vor Jahrhunderten ein gewisser Zusammenhang zwischen
verschiedenen Passionsspielen des baierisch-österreichischen Sprach-
gebietes, ja sogar zwischen diesen einerseits und derartigen geist-
lichen Spielen nördlicher gelegenen deutschen Gebiete andererseits,
und man wird wohl kaum fehlgehen, wenn man voraussetzt, dass
es Leiter solcher Spiele selbst waren, welche, weit herumgekommen,
manche besonders wirksam erscheinenden Auftritte dem von ihnen
sonst zur Darstellung gebrachten Spiele einverleibten oder aus
der ihnen zur Kenntniss gelangten älteren Vorlage herübernahmen.
Ueberhaupt unterliegt es keinem Zweifel , dass verschiedene
passende Scenen von anderwärts der älteren Fassung unseres
Passionsspieles einverleibt wurden, und dürfte auch nachstehende
Thatsache darauf hinweisen. Es kam mir anlässlich der Samm-
lung steiermärkischer geistlicher Volksliedertexte ein altes fliegen-
des Blatt in So zur Hand, welches den Titel führt: ^^Drey schöne
geistliche Lieder. Das erste: wie die allerheiligste Jungfrau
Maria von ihrem geliebten Sohne sich beurlaubet« etc. (Steyr.
Gedr. bei Joseph Greis. O. J.) Dieses erste Lied enthält die
vollständige »Beurlaubungsscene«r S. 178 ff. des vorliegenden
Textes, und ich hatte Gelegenheit , nach diesem Drucke manche
Fehler der Handschrift zu verbessern. Der Druck des fliegenden
Blattes dürfte aus der Mitte des vorigen Jahrhundertes herrühren.
Was die Herkunft des hier abgedruckten Textes des Leiden-
Christi-Spieles betrifft, so wurde die Handschrift, jedenfalls eine
solche, welche zum Theatergebrauch diente, von mir im Jahre
1881 erworben. Nach verschiedenen Andeutungen hatte ich schon
früher die Vermuthung und schliesslich die Ueberzeugung gefasst,
dass es doch noch möglich sei, den Originaltext des alten Passions-
spieles, das in Steiermark zur Darstellung gelangte, zu erhalten.
Durch die werkthätige Unterstützung des hier öfter erwähnten
Herrn Pfarrers A. Meixner, welcher die Handschrift des Spieles
zu Gaishorn im Paltenthale ausfindig machte, gelang es mir, die-
selbe zu erlangen. Sie besteht in einem Hefte gewöhnlichen
Papierformates in Folio , beigelegt ist ein kleineres Quartheft,
welches die Abendmahlsscene enthält, und es erscheint in dem
ersteren Manuscripte durch das Wort »Abendmahl« darauf hin-
gewiesen, wo dieser Theil des Spieles einzuschalten ist. In dem
Foliohefte fehlt das erste Blatt , was jedoch aus einem gleich an-
zuführenden Grunde ohne besonderen Belang ist. Die Auf-
zeichnung dürfte aus dem ersten Viertel unseres Jahrhunderts
stammen. Sie befindet sich, was Schrift und Orthographie anbe-
langt, in einem recht schlechten Zustande und rührt wohl von
einer bäuerlichen Hand her ; zweifellos ist auch diese Auf-
zeichnung eine Abschrift. Die Verse erscheinen nirgends abge-
setzt, manche Worte sind fast gar nicht leserlich, ein Personen-
verzeichniss fehlt. Bemerkenswerth ist, dass in der Handschrift
das Auf- und Abtreten der Personen nicht verzeichnet erscheint.
332
Es ist jedoch durch die Ueberschriften der aufeinanderfolgenden
Scenen z. B. der höllische Rath der Teufel S. 173, die Hofifarth
mit Magdalena S. 176 etc., jede derartige Scene gewissermassen
als ein abgeschlossenes dramatisches Bild charakterisirt und dadurch
die Angabe des Auf- und Abtretens der einzelnen Personen über-
flüssig gemacht. Desshalb und um nicht etwa an unrichtiger
Stelle das Eintreten und Abgehen einer Person willkürlich anzu-
geben, wurde von dieser Angabe Umgang genommen. Für Leser,
denen dies auffallen sollte , habe ich die Bemerkung unter dem
von mir zusammengestellten Personenverzeichnisse beigefügt. Es
dürfte der Fall sein, konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass
nach jedem dieser 21 dramatischen Bilder der Vorhang fiel und
wie bei anderen Passionsspielen Baierns und Tirols eine Lieder-
strophe abgesungen wurde.
Zu betonen sind, was den Inhalt anbelangt, noch folgende
Umstände. Die Handschrift, deren Anfang fehlt, beginnt mit
einem Vorspiele und , soweit der erhaltene Text desselben zeigt,
hat man es darin mit nichts Anderem zu thun, als mit jener
Scene des von mir in der vorliegenden Sammlung zum Abdruck
gebrachten »Schäferspieles« (S. 39 ff.), welche das Gespräch des
Pilgers und des Hirten über die Rettung des verlorenen Schäf-
leins enthält (S. 52 — 56), wenn auch in etwas anderer Fassung
und mit dem Unterschiede, dass statt des Hirten ein >-Jüngling«
als Sprecher genannt ist. Bemerkenswerth erscheint dabei, dass
ähnliche Gespräche zwischen dem Pilger und dem Hirten über
die Rettung des Schäfleins d. h. also der von Gott abgefallenen
Seele auch in anderen , insbesondere Kärntner Passionsspielen
letztere einleiten , wie mir der kurze Auszug eines Glanthaler
Spieles darlegt, den der Herr Pfarrer Franz Franziszi im Gail-
thal die Güte hatte, mir zur Verfügung zu stellen. Es er-
innert an diese Scene jedoch auch das »Vorgespill« des Oberau-
dorfer Passionsspieles bei Hartmann (Volksschauspiele S. 373 f.),
in welchem der »gute Hirt« allerdings allein auftritt und das
Schäfiein bittet, ihn nicht zu verlassen. Im Liesinger Spiele
schliesst sich nach Weinhold's Mittheilung (Goedeke, deutsche
Wochenschrift, 1854, Heft 5) ein kurzes Spiel vom guten Hirten,
dem «Leiden Christi« an. Das unvollständige Vorspiel wurde aus
dem erwähnten Grunde natürlich nicht zum Abdruck gebracht.
Ein anderer Umstand betrifft den »Prologus« (S. 171 dieses
Textes) , welcher den Praecursor der alten Spiele ersetzt. Es
findet sich nämlich in der Handschrift vor der Eröffnungsscene
S. 173 ein zweiter ähnlicher Prolog unter der Ueberschrift »Erster
Eintritt« ; einer dieser beiden Prologe dürfte jedoch bei der Dar-
stellung ausgelassen worden sein, da beide ziemlich denselben In-
lialt aufweisen. Ich unterliess es desshalb, beide Prologe zum
Abdruck zu bringen, insbesondere aber auch aus dem Grunde,
weil der Text des zweiten Prologes so sehr durcheinander ge-
worfen , unleserlich und unverständlich erscheint , dass der Leser
nur Bruchstücke des Inhaltes erhalten könnte und der Abdruck
33^
eines halb sinnlosen Textes ganz und gar unnütz erschien. Die
letzten 8 Zeilen dieses Prologes , welche leserlicher erscheinen,
führe ich hier an , da sie deutlicher sind und der Betheiligung
des Zuschauerkreises am Kreuzgang Erwähnung thun. Sie lauten
in abgeth eilten Verszeilen :
Aber noch ein Bitt hab ich zu bringen an,
Weil wir zum erstenmal heut fangen an,
'- So etwa ein Fehler sollt geschehen,
Ihr wollt ihn uns nicht übel nehmen und mit Jesu in
Kreuzgang gehen,
Damit Gott unsere Bitt möcht erhören
Und unsere Sünden vergeben :
Geduldet nur eine kleine Zeit,
Weil ich von dannen abscheid.
Da es selbstverständlich wichtig erschien , über die Art der
Aufführung und über die Zeit derselben nähere Auskunft zu er-
halten , so wandte ich mich öfter an den Herrn Oberlehrer
J. Slana in Gaishorn und erhielt von demselben in der That eine
Reihe dankenswerther Mittheilungen , denen ich die nachfolgen-
den Angaben entnehme. In Gaishorn selbst Avurde zwar einmal
das Leiden-Christi-Spiel aufgeführt, jedoch nur von einer durch-
ziehenden Spielertruppe und im geschlossenen Räume. In
grösserem Massstab aber fand die Darstellung in dem nahen
Trieben im Paltenthale statt, woher der Text auch jedenfalls
stammt. Es hatten sich bei derselben auch Bewohner von den
nahen Gemeinden St. Lorenzen und Au betheiligt. Der Tag
dieser Darstellung w^ar der Gründonnerstag, und bemerkt mein
Gewährsmann, dass vor etwa 60 Jahren dieselbe in Trieben zu-
letzt vor sich gegangen sein dürfte. Er erwähnt jedoch auch,
dass in dem ebenfalls nahen Kammern im Liesingthale noch vor
etwa 40 Jahren das Leiden Christi gespielt wurde. In Trieben
wurde hierfür im Freien eine grossartige offene Bühne errichtet.
Die Zuschauer haben sich bei dem Passionszuge (Kreuzgang) mit
betheiligt, denselben begleitet und hierbei den »schmerzhaften
Rosenkranz« laut gebetet. Das Spiel hatte also einen ganz reli-
giösen Charakter. In ähnlicher Weise wird übrigens auch die
Betheiligung der Zuschauer an einigen solchen Spielen in Kärnten
erwähnt. Die Kostüme und Decorationen waren in Trieben den
biblischen Ueberlieferungen entsprechend, die Mitspielenden trugen
weite Gewänder , Soldaten waren mit Schwert und Lanze be-
waffnet, sogar Pferde wurden bei einzelnen Aufzügen benutzt.
Diese Angaben stützen sich auf die Aussage von Augenzeugen,
welche Herr Slana noch gesprochen und die auch noch bestimmte
Personen, welche die Hauptdarsteller bildeten, zu nennen wussten.
Von sonstigen Orten der Steiermark , in denen nach be-
glaubigten Mittheilungen ebenfalls Passions- oder Leiden-Christi-
Spiele aufgeführt wurden , erwähne ich noch folgende. In
Maria -Zell sollen dergleichen Spiele noch um 1820 nach Herrn
334
Pfarrers Meixner Mittheilung vorgekommen sein; im Markte
Zeiring wurden am Sonntag Oculi gegen Ende des vorigen Jahr-
hunderts noch gleichfalls derartige Spiele nach Angabe des
Herrn Dechants Simbürger in Schöder und zwar nach dem Auf-
hören einer heftigen Pestseuche um 171 7 (?), also in Folge eines
ähnlichen Anlasses wie das Spiel in Oberammergau aufgeführt.
In Fürstenfeld, also schon hart an der ungarischen Grenze im
Osten des Landes , enthält das Stadtarchiv Rechnungen über
Passionsspiele aus den Jahren 1764 — 1769, welche am Fastenmit-
woch , am Charfreitag, am Ostermontag und Dienstag zur Dar-
stellung gelangten. Ueber Letztere berichtet Hans Lange in
einem Aufsatze: »Passionsspiele in Fürstenfeld« in den Mittheil,
des histor. Vereins für Steiermark, XXXV. Hft. S. 131 ff. , ohne
jedoch Genaueres über die Darstellung selbst anführen zu können.
Insbesondere erwähnt dieser Aufsatz, dass (auch ?) die Legende
der heiligen Genovefa (vgl. den hier vorliegenden Text) aufge-
führt wurde. Ob es sich bei diesen Darstellungen um den hier
gebotenen Leiden- Christi -Spieltext gehandelt, kann leider nicht
bestimmt werden.
Jedenfalls fällt, was das Alter unseres Spieles anbelangt, ab-
gesehen von den zweifellos erfolgten späteren Einschiebungen,
die Abfassung des älteren Grundtextes in das 16. Jahrhundert,
wie die ganze Anlage , sowie Vers und Reim zu vermuthen ge-
statten.
S. 171 Z. I Der mit dieser Zeile beginnende Prolog ist leider
in der Handschrift, sowohl was die Satzfügung, als auch was
die Orthographie und die Schrift anbelangt, in einem so
üblen Zustande , dass er in verschiedenen Theilen zurecht ge-
legt werden musste, um überhaupt verständlich zu sein.
S. 174 Z. 117 «ein Borg«, ein Bürge wie im Mhd. borge.
S. 175 Z. 129 und 130 »zu dieser Stund hinab« fehlt in der Hs.
S. 175 Z. 137 »in Frommen« fehlt in der Hs.
S. 176 Z. 169 »davon« fehlt in der Hs.
S. 177 Z. 190 lautet in der Hs. : »Ja Schwester mein«.
S. 178 Z. 216 und 217 lautet in der Hs..- »Und er in der Höll
dort wird sein, da wird er unser Freund und G'sell sein«.
S. 178 Z. 220 »Beurlaubung« alter auch dial. Ausdruck für Verab-
schiedung, Abschied.
S. 182 Z. 352 «gegen dir« dial. »bei dir«.
S. 183 Z. 405 lautet in der Hs: »Und thut euch schleunigst auf
den Füssen«.
S. 185 Z. 432 »wie sich's thut gebühren« fehlt in der Hs.
S. 185 Z. 436 Nach dieser Zeile in der Ils. die Anmerkung:
Der X'orhang wird zugemacht.
S. 185 Z. 439 »Küchel« dial. »Küche«.
S. 185 Z. 451 »Maridl« dial. Diminutiv von Maria.
S, 185 Z. 454 »Sparmunges«. Der Ausdruck bedeutet hier Noth
leiden, ist mir aber ])isher nicht vorgekommen, auch Schnieller
und Lexer kennen ihn nicht. Da die Hs. undeutlich ist,
335
könnte es möglicherweise Schmarunkes heissen , Schmarunkel
aber bedeutet im oberöslerreichischen Dialecte , der ja so viele
Aehnlichkeit mit dem unsrigen aufweist ,- Noth leiden. Vgl.
z. B. L. Hörmann's Gedichtsammlung: »Im Lodenrock« (Wien.
1890) S. 16 »Schmarunkel kannst singa<^f.
S. 185 Z. 463 folgen in der Handschrift noch einige unleserliche
Worte.
S. 186 Z. 466 »Mich g'freut's« dial. »mich freut es«.
S. 187 Z. 490 »wurd« dial. »würde^f.
S. 188 Z. 534 »thät sagen« dial. »sägen«.
S. 189 Z. 549 »sag es rund« dial. etwa : sag es nur gleich heraus,
sag es offen.
S. 189 Z. 559 »wer ihm denn traut« dial. »wer sich getraut«.
S. 190 Z. 569 »Wer« fehlt in der Hs.
S. 190 Z. 570 »als« fehlt in der Hs.
S. 191 Z. 592 Nach dieser Zeile folgt in der Hs. eine fast un-
leserliche und nicht verständliche Stelle ; man könnte dieselbe
etwa lesen: »Dan wer zu Tisch sitzt als der Herrn bedient zu
sein thut begehren« ; es sind offenbar zwei Verszeilen, die, um
einen Sinn zu haben, hätten ganz verändert werden müssen.
S. 191 Z. 594 »entschütten« dial. »entlasten« wie im Mhd.
S. 191 Z. 595 lautet in der Hs. : »Dieser Lieb und angefangenen
Sachen«.
S. 192 Z. 611 in der Hs. : »von Herzen schäm«.
8. 194 Z. 664 In der Hs. steht noch die Bemerkung: »tragen
den Tisch und die Sessel hinweg« noch weiters: »die schwarzen
Zechen werden berichtet« (?)
S. 194 Z. 665 Hs. hat unleserlich etwa: Holss zu der Pedl.
S. 194 Z. 671 In der Hs. : »Mit Speisen war's Stroh jetzt voll«.
S. 197 Z. 748 Nach diesem Verse folgen in der Hs. nachstehen-
de fast unverständliche Zeilen, die ich etwa lese: »so wird die
euch und nicht mein sein, das sag ich euch zuvor hinein«.
S. 202 Z. 903 In der Hs. : »und tapfer an, seid nicht verzagt«.
S. 203 Z. 936 »Sehe« dial. Imperativ für »sieh!«
S. 204 Z. 957 Diese Stelle bezieht sich vielleicht auf Judas.
S. 205 Z. 977 Lautet in der Hs. : »Das jedermann kann sagen«.
S. 206 Z. 1009 »Kästenbrater« dial. »Kastanienbrater«. Solche
rösten in Steiermark, Kärnten etc. ihre Kastanien auf einem kleinen
Ofen und bieten sie auf der Strasse noch warm feil. Hier ist
der Ausdruck als Schimpfwort gebraucht.
S. 206 Z. 1012 »Spott« fehlt in der Hs.
S. 208 Z. 1053 »wacker« fehlt in der Hs.
S. 208 Z. 1069 »verschweigst« fehlt in der Hs.
S. 209 Z. 1091 Das dreimalige Krähen des Hahnes ist in der
Hs. nirgends angedeutet, es hat natürlich an passender Stelle
während dieser Scene stattgefunden.
S, 210 Z. 1114 ii^ der Hs. : »dass dich das ganze jüdische Volk
mit ihren«.
336
S. 211 Z. II 30 «beizeiten« fehlt in der Hs.
S. 213 Z. II 72 »Respect zu geben« in der Hs.
S. 215 Z. 1244 »Wie« dial. für i>je«.
S. 217 Z. 1274 in der Hs. folgen noch die Worte: »und mit
Geissien ihn erlegen«.
S. 218 Z. 1293 und 1294 war in der Hs. , offenbar als zu un-
passend für die Aufführung, mit Rothstift durchkreuzt.
S. 219 Z. 1343 Nach dieser Zeile folgt eine unverständliche
sinnlose Stelle ; ich lese etwa : »er ist ja ein Mann als ein anderer
Schmerzen und kann auch darum nicht schädlich sein«.
S. 220 Z. 1370 Nach dieser Zeile folgen noch in der Hs. die
Worte.- »und verhüllen deine Würden«.
S. 221 Z. 1384 Hier folgen in der Hs. wieder etwa 3 unleser-
liche sinnlose Verszeilen.
S. 221 Z. 1386 »König« fehlt in der Hs.
S. 222 Z. 1406 lautet in der Hs.; i>verschaffe dieses dem bösen
Geist«.
S. 223 Z. 1441 »schändliches« fehlt in der Hs.
S. 223 Z. 1457 Man vergleiche zu diesem Liede das ähnliche in
meinen »Deutschen Volksliedern aus Steiermark« (Innsbr. 1881)
S. 16, betitelt »Der Jüngling und der Tod«, welches einem
fliegenden Blatte entstammt.
S. 226 Z. 1557 »bluten« dial. »bluten«.
S. 227 Z. 1578 »Plärament« alter, auch dial. Ausdruck für Weh-
klagen, Jammern.
S. 288 Z. 1591 In der Hs.: *und solang deine Teufels Band«.
S. 229 Z. 1636 In der Hs. »stehen da«, statt »weilen«.
S. 229 Z. 1637 »und theilen« fehlt in der Hs.
S. 230 Z. 1645 »zählet« fehlt in der Hs.
S. 231 Z. 1683 »zeig ich die Feigen«, derber Ausdruck der Ver-
achtung, in ganz Oesterreich gebräuchlich.
S. 232 Z. 1688 »mag« nicht in der Hs.
S. 233 Z. 1727 »werd wehe!« fehlt in der Hs.
Das St. Nikolausspiel.
Seite 235.
Eine jener Heiligengestalten, die insbesondere in allen katho-
lischen Ländern überaus volksthümlich geworden , ist der heilige
Nikolaus , welcher der Legende nach in den ersten Jahrzehnten
des vierten Jahrhunderts Bischof von Myra war. Der wohlwollende
Heilige erfreut sich seit vielen Jahrhunderten der besonderen Ver-
ehrung, insbesondere der Kinderwelt. Das Fest des heiligen
Nikolaus feiert die katholische Kirche am 6. December , seine
Lebensgeschichte und das reiche legendarische Material über ihn,
bietet Surius (De probatis sanctorum vitis) im Decemberbande
337
(Colon. Agr. 1618) 182 — 188, in kürzerer Fassung findet man
Auskunft bei Stadler (Heiligenlexikon) Bd. IV. S, 547 — 550. Die
Beziehung der Gestalt dieses Heiligen zu einem altdeutschen
Wassergotte , hat schon Jacob Grimm angedeutet, jüngster Zeit
aber J. v. Zingerle in einem ausführlichen Aufsatze , welcher in
Veckenstedts »Zeitschrift für Volkskunde« (Leipzig. 1890) II. Bd.
S. 329 ff. veröffentlicht wurde , untersucht. In Berücksichtigung
des an dieser Stelle abgedruckten volksthümlichen Spieles handelt
es sich hier allerdings nur um die Heiligengestalt ;des Bischofs
Nikolaus. Diese ist in ganz Steiermark ebenso angesehen und
verehrt wie in den übrigen deutschen AlpenLändern, und am Vor-
abend des 6. December erwarten auf dem Lande wie in der
Stadt sehnsüchtig die Kinder den »heiligen Mann«, der erscheint
und den frommen Kleinen seine Gaben bringt, die bösen Kinder
aber zur Frömmigkeit und Artigkeit ermahnt. Sein steter Be-
gleiter ist der »Krampus« auch »Bartel« genannt, eine Teufels-
figur, welche möglichst schreckhaft herausgeputzt ist, mit Ketten
rasselt und den unfolgsamen Kindern eine Ruthe zuwirft. Dass
dieser »Bartel«, die Personification des Teufels, in andern Theilen
Deutschlands unter dem Namen : »Knecht Ruprecht« , »Klaub-
aufj, »Rauher Glas« etc. vorkommt, ist allbekannt. Es wäre hier
auf das umfangreiche Werk hinzuweissen, welches Eugen Schnell
unter dem Titel: »Sankt Nikolaus, der heilige Bischof und Kinder-
freund , sein Fest und seine Gaben« (Brunn. 1883 — 1886) in
sechs Heften herausgegeben hat , das fast alle Volksansichten,
die sich auf St. Nikolaus beziehen, Sprüche, Texte verschiedener
Spiele, die ihn betreffen u. dgl., Vieles zum erstenmal gedruckt,
enthält, und welches sowohl Material aus seltenen älteren Quellen
als auch mühsam zusammengetragene neuere Daten in erschöpfen-
der Vollständigkeit bietet. In diesem Werke gedenkt (Heft 2,
S. 43 — 47) der Verfasser auch Steiermarks und des »St. Niko-
laus-Spieles« zu Liezen im Ennsthale des Landes.
Anlässlich meiner Durchforschung der Steiermark vor etwa
zehn Jahren nach Spuren und erhaltenen Stücken volksthümlicher
Ueberlieferung , gelang es mir, in Liezen selbst, den Text dieses
Spieles zu erlangen , aus dem ich einzelne bezeichnende Proben
in meinem Werkchen: »Kultur- und Sittenbilder aus Steiermark«
(Graz. 1885) niittheilte.
Es handelt sich hier nicht um ein eigentliches Volksschau-
spiel mit geschlossener Handlung , wie bei den übrigen Schau-
spielen dieses Buches, ebensowenig aber um das einfache Ein-
treten des heiligen Bischofs und das volksthümliche Befragen der
Kinder , vielmehr um eine Art dramatischer Darstellung , deren
auftretende Personen einen vorgeschriebenen Text haben , bis auf
die Gestalt des Waldbauers und auf die Kinder, welche der Dar-
stellung beiwohnen und gewissermassen unbewusst mitspielen.
Das ganze Spiel wurde in Liezen früher oft zur Aufführung
gebracht und zwar ohne besonderen scenischen Apparat im
Volksschauspiele. 22
33^
Zimmer. Das Costüm des Nikolaus und der übrigen Personen
hat man sich als das übliche, in einfacher Weise gehalten , zu
denken. Man beachte bei dem jedenfalls in seinen Grundbe-
standtheilen dem i6. Jahrhunderte angehörigen Texte auch hier
die Uebereinstimmung der Verse 26 ff. (S. 238) mit den ent-
sprechenden Versen der »Tragedia von Schöpfung etc.« des Hans
vSachs (A. V. Keller' s Ausg. Bd. I. S. 20 ff.). Der Text dieses
Liezener Spieles war Anfangs nicht leicht zu erhalten; schon seit
Jahren erschien die Aufführung des Spieles behördlich untersagt,
da sich unter den Burschen, welche die Hauptdarsteller bildeten,
einmal ein Raufhandel entspann, der, wenn ich nicht irre, sogar
mit einem Todschlag endete. Mein leider dahingeschiedener
Freund Christoph Köllner, Notar in Liezen, trieb aber noch einen
der früheren Darsteller auf, welcher sämmtliche Rollen auswendig
wusste und gerne bereit war, dieselben herzusagen, wodurch der
Wortlaut fixirt wurde. Auch berichtete dieser Gewährsmann über
die einfache Art und Weise der Darstellung.
S. 237 Z. 2 »Ich tritt« dial. »ich trete«.
S. 237 Z. 7 »unterbringen« dial. »mittheilen, melden«.
S. 237 Z. 20 »gehn wir's an« dial. »beginnen wir, fangen wir an«.
S. 238 Z. 46 »gwen<f dial. »gewesen«.
S. 239 Z. 56 »ihnen« dial. Verwechslung des Casus, für »sie.« —
»lernet« dial. »lehret«.
S. 240 Z. 96 »bei die Haar« dial. »bei den Haaren«.
S. 241 Z. 138 »eine feurige Schwein«. Im Dial. ist Schwein
fem. gen.
Genovefa.
Seite 243.
Das Genovefaspiel gehört neben den Weihnachts-Krippel-
oder Dreikönigsspielen schon seit langer Zeit zu den beliebtesten
der volksthümlichen dramatischen Aufführungen in Steiermark so-
wohl , als in den angrenzenden Ländern und im ganzen Gebiete
des bairisch - österreichischen Alpenlandes. Bis in die Mitte des
vorigen Jahrhunderts lässt sich das Vorkommen dieses Spieles
an verschiedenen Orten im Lande zurückverfolgen , wobei aller-
dings fraglich erscheint, ob es sich dabei wirklich um den hier
abgedruckten Text handelt. Immerhin kann dies aber ange-
nommen werden , zumal die Beliebtheit der Figur des »Hans-
wurst« gerade im 18. Jahrhundert diesem Spiele grosse Aufmerk-
samkeit gesichert haben dürfte. Die Dramatisierung der Geno-
vefa-Legende hat sich auch auf der Puppenbühne eingebürgert
und finden sich solche Puppenspiele abgedruckt in den »Deut-
il
339
sehen Puppenkomödien«, herausgegeben v. C. Engel IV. (Olden-
burg. 1876), sowie in den »Deutschen Puppenspielen«, herausg.
von Richard Kralik und Joseph Winter. (Wien. 1885.) In
beiden Puppenkomödien bildet die Legende von der Pfalzgräfin
Genovefa in der wohl allbekannten Fassung den Inhalt des
Stückes, und das Gleiche ist bei unserem vorliegenden Volksspiele
der Fall. Die erwähnte Legende ist eines der am meisten ge-
lesenen Volksbücher geworden und in zahllosen Drucken in allen
deutschen Ländern verbreitet. Simrock in seiner Ausgabe der
»deutschen Volksbücher« (Frankfurt a. M. 1845) bringt die »His-
torie von der unschuldig bedrängten heiligen Pfalzgräfin Geno-
vefa« gleich im ersten Bande der Sammlung. Dass dieses Volks-
buch »Genovefa« seiner Grundidee nach das Werk eines Mönches
des Klosters Laach ist, hat Bernhard Seuffert (»Die Legende von
der Pfalzgräfin Genovefa«. Würzburg. 1877) nachzuweisen ver-
sucht; eine eigentliche Bearbeitung des Stoffes, nach welcher das
deutsche Volksbuch erweisbar entstanden ist, hat der Franzose
Ceriziers vorgenommen in seinem 1638 erschienenen Werke »L'inno-
cence reconnue« , von welchem schon 1640 durch Michael Stau-
dacher eine Uebersetzung oder eigentlich Bearbeitung erschien.
(Vgl. Seuffert a. a. O. S. 60 ff.) Eine zweite Bearbeitung der
Genovefalegende nach Ceriziers erschien 1685 in dem Buche:
»Die Unschuld in Drey unterschidlichen Ständen etc.« von einem
ungenannten »Priester der Societät Jesu«. Schon dieses Werk
sicherte der Genovefaerzählung grosse Verbreitung, insbesondere
dürfte sie aber ins Volk gedrungen sein durch die gekürzte Auf-
nahme in Martin Cochems W^erk; »Auserlesenes History -Buch«
(Dillingen. 1687). In der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnen
die immer zahlreicher erscheinenden Ausgaben des Genovefa-Volks-
buches »gedruckt in diesem Jahr« und auch die Dramatisirungen
für die Puppen - und Volksbühne : auch die vorliegende drama-
tische Fassung ist wohl in jene Zeit oder wenig später zu setzen.
J. Zachers gehaltvoller Artikel »Genovefa« in Ersch und Gruber's
Encyklopädie. Sect. I. Bd. 58 S. 219 ff. bietet für die Geschichte
der Legende reichen Stoff und werthvolle bibliographische Angaben ;
eine Dramatisirung des Stoffes im volksthümlichen Sinne war dem
Verfasser jedoch noch nicht bekannt. Dagegen erwähnt Seuffert a.
a. O. S. 78 ff. verschiedener dramatischer Bearbeitungen in unserem
Sinne, auch der Puppenspiele S. 79 ff.; Engel (Puppenkomödien
IV.) zählt in der Einleitung S. 6 die Kunstdramen und Opern,
welche diesen Stoff behandeln, auf. Sehr zu beachten ist Prof.
R. M. Werner's Besprechung der Kralik- Winter' sehen Puppen-
spiele in der Zeitschrift für deutsch. Alterthum. N. F. XIX. Bd.
S. 55 ff., woselbst die Genovefa-Texte eingehende Besprechung und
Vergleichung finden. Als Volksschauspiel wurde die Genovefa
in den bairisch -österreichischen Gebieten nach Hartmann (Volks-
schauspiele) häufig aufgeführt, allerdings dürfte der dramatische
Text aller dieser Bühnen mit unsrigem wenig gemein haben.
22*
340
Auch P'elix Dahn (»Bavaria«. München 1860. I. Bd. 5. Abschnitt.
Volkssitte) erwähnt der Genovefa als eines beliebten Repertoire-
Stückes der oberbaierischen Volksbühne. Weinhold berichtet über
eine Aufführung in Kärnten um 1830, Lexer sogar von einer im
Jahre 1876. Was Steiermark betrifft, so liegt H. Lange's aus den
Rechnungen des Stadtarchivs schöpfender Bericht — dessen hier
schon in den Einleitungsworten zum »Leiden Christi-Spiel« ge-
dacht wurde — aus Fürstenfeld vor, wo demnach schon im
Jahre 1767 die Genovefa aufgeführt wurde; nach Herrn Pfarrer
Meixner's Mitlheilung wurde vor einigen Jahrzehnten in Trofaiach
»die Genovefa gespielt«, und ich glaube ebenfalls nach unserer
Fassung ; auch in anderen Orten Obersteiermarks kommt das Stück
ab und zu bis in die letzten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts auf
Dorfbühnen vor.
Was das Auftreten des »Hanswurstes« betrifft, jener Possen-
figur, welche in Folge ihrer Beliebtheit (wie auch mehrere der
nachfolgenden Stücke zeigen) so gerne vom Verfasser derartiger
Spiele demselben eingefügt wurde, so ist in Berücksichtigung
seiner Redeweise zu beachten , dass er hier stets den steierischen
Dialekt spricht und somit eine echt volksthümliche Figur dar-
stellt. Uebrigens wage ich deshalb nicht zu behaupten , dass
unser Text wirklich in Steiermark entstanden ist , wohl aber
wurden jedenfalls die freilich oft allzuderben Spässe dieses Lustig-
machers in die landesübliche Mundart umgeformt.
Die Handschrift , welche den Text unseres Spieles enthält,
habe ich 1881 aus Mitterdorf im Mürzthale erhalten; sie bildet
ein abgegriffenes Quartheft , dessen Orthographie eine grässliche
genannt werden muss; das Heft enthält folgende Aufschrift auf
dem Titelblatte: »Vorstellung oder Komötig von den Leiden
und Leben der Heilige Pfalz Gräfin und Einsitlerin und aus
Brabant gebürtige Herzogin S. Genovefa. Erneuert und Ver-
bessert im Jahre 1821«. Am Ende des Heftes steht die Be-
merkung: »Verfertiget den 14. Jänner 1828 von Jacob Schlag-
bauer Tinstboth beim . . . nerlbauern zu Keuchendorf ge-
schrieben wurden. Alles zur Ehre Gottes und der Heilligen Ge-
novefa. MDCCCXXVHL« Man kann aus dieser Probe die Or-
thographie des Ganzen ermessen. Es ist wohl kein Zweifel, dass
die »Erneuerungen« und »Verbesserungen« keine sehr bedeutenden
sind. Die Einlheilung des Originaltextes der Handschrift in 10
»Auftritte« ist eine ungleichmässige und nicht recht passende.
Ich habe eine Eintheilung in wirkliche Auftritte der Uebersicht-
lichkeit wegen getroffen und manche kurze Theaterbemerkung
beigefügt. Die 10 in der Handsclirift angeführten »Auftritte«
vertheilen sich in der von mir getrolTenen Eintheilung zwischen
die Auftritte i, 4, 13, 16, 22, 26, 36, 44, 49, u. 65. Nach
jedem dieser 10 »Auftritte« dürfte der Vorhang — die Handschrift
hat stets >das Rollett« , also ein gerollter Vorhang — gefallen
sein. Bemerkt ist dies übrigens nicht immer.
341
S. 248 Z. 97 »Stulfried«. Der Hanswurst sucht die Heiterkeit der
Zuhörer auch durch Wortverdrehungen, die er insbesondere gern
bei Eigennamen und den Bauern weniger geläufigen Ausdrücken
anwendet , hervorzurufen ; so nennt er den Siegfried Stulfried,
den Hofmeister Hosenmeister , die Soldaten Saiten , die Pfalz-
gräfin Schmalzgräfin u. dgl.
S, 298 Z. 104 »Veferl« dialect. Diminutiv von Genovefa.
S. 298 Z. 105 »z'todt abi zana« dial. »zu todt weinen«.
S. 249 Z. 112 »gach« dial. »jäh, heftig«.
S. 249 Z. 122 »Katz zum Schmerhüter«, sprichwörtliche Wendung
etwa wie: den Bock zum Gärtner machen. Schmer ist das aus-
gelassene Rinds- oder Schweinefett, Schmalz.
S. 249 Z. 125 »ÖS« dial. »ihr«.
S. 249 Z. 131 »enk« dial. »euch«.
S. 249 Z. 134 »Schullehr Turgl«. Letzteres offenbar Eigenname
des Schullehrers.
S. 250 Z. 145 »aft« dial. »hernach«,
S. 251 Z. 173 »Hiatz« dial. »jetzt«.
S. 251 Z. 175 »einikemma« dial. »hineingekommen.« »g'secha«
dial. »gesehen«.
S. 251 Z. 176 »g'fleckerle P'arlsau« dial. gefleckte, scheckige Sau,
welche junge Ferkel dial. Farln hat.
S. 251 Z. 182 »Ganabeth« dial. »Kanapee«.
vS. 251 Z. 184 »zanen« dial. »weinen«.
S. 252 Z. 208 »dazählen« dial. »erzählen«.
S. 252 Z. 213 »i wiar«' dial. »ich werde«.
239 »aft'n« dial. wie »aft«, »hernach, darauf«.
267 »kema« dial. »kommen, gekommen«.
342 »a so« dial. etwa »derart, so sehr«.
S. 257 Z. 351 »umakrallen« dial. »herumgraben«. — »Mein« dial.
Interjection, wie Mein Gott!
S. 257 Z. 353 »Menscher« dial. »Mädchen, Frauenzimmer«.
S. 258 Z. 364 »Tausend Schlackrawald« dial. Interjection etwa wie
»Tausend Sapperment«.
S. 260 Z. 437 u. 438 »mehr narrischer« dial. »mehr närrisch«.
S. 260 Z. 440 »anheben« dial. »anfangen, beginnen«.
S. 261 Z. 447 »a Häferl Sterz«, ein Töpfchen Sterz. Sterz ist die
in Steiermark landesübliche Mehlspeise, eine Art dickgekochter
Brei, der in Brocken zertheilt und mit Fett möglichst stark ab-
geschmalzen wird; je mehr Fett, Schmalz dabei ist, desto be-
liebter ist bei dem an fette Speisen gewöhnten Steirer der
Sterz.
S. 261 Z. 449 »abi rinnt« dial. »herabrinnt«. — »Gells ja?« dial.
etwa »gelt?« — »I wir« dial. »ich werde«.
S. 261 Z. 450 »aussa heissen« dial. »herausrufen«. — »dös« dial.
»das«.
S. 266 Z. 595 »Gischpel« dial. Ausdruck für einen unbesonnenen
Menschen, wird gewöhnlich scherzhaft gebraucht.
s.
253 ^
s.
254 z,
s.
257 z
342
S. 266 Z. 598 »G'schpaderl« dial. »Schächtelchen , eine kleine
Schachtel«.
S. 266 Z. 603 » Reichen« dial. «Gefängniss«.
S. 268 Z. 660 »mit Enzian austäfelta dial. »ausgetäfelt«, Enzian,
die Wurzel der bekannten Gentiane, welche sehr bitter ist und
aus welcher der gleichnamige Geist gebrannt wird.
S. 274 Z. 804 »impertinentische« ist hier scherzhaft etwa in der
Bedeutung von imposant gebraucht.
S. 275 Z. 839 »umastürzen«, dial. »umherrennen «f.
S. 275 Z. 848 »Ös machts an doch klein verwegen« dial. »ihr
macht einen verzagt«.
S, 275 Z. 855 »i bild mir's schon ein« dial. etwa: ich denke mir
es schon.
S. 276 Z. 870 *Raudel« dial. »eine hassliche Weibsperson«.
S. 276 Z. 877 »Plunzen« dial, aber auch allgemein gebräuchlicher
Ausdruck »für Blutwurst«.
S. 277 Z. 905 »bis dass amal nachi kommts« dial. »bis ihr einmal
nachkommt«.
S. 280 Z, 980 »abisperren« dial. «hinabsperren«.
S. 280 Z. 984 »Hascher« dial. eine »bedauerungswürdige Person«.
S. 282 Z. 1037 »auf einen andern Ort«, der Dialect setzt für an
häufig auf.
S. 285 Z. 1136 »ein jeder Kietzen« dial. »eine jede Kleinigkeit«.
Kietzen heissen eigentlich in der Mundart gedörrte Birnen,
welche einzeln natürlich nur ganz unbedeutenden Werth haben,
daher die eigentlich sprichwörtliche Redensart.
S. 285 Z. 1141 »auf den Bestand« dial. etwa: in Pacht vergeben
hat, d. h. nicht selbst pflegt.
S. 291 Z. 1309 u. 1310 »Hat enk eppa die Trud druckt?* dial.
»hat euch etwa die Trud gedrückt?« Die Trud ist das bekannte
Gespenst, welches dem Volksglauben nach im Schlaf das Trud-
d. h. Alpdrücken veranlasst.
S. 291 Z. 1315 »z'sam trischaken« scherzhafter dial. Ausdruck für
»zusammenhauen« .
S. 292 Z. 1329 »g'schmeckt« dial. »gerochen« d. h. gemerkt.
S. 293 Z. 1346 *daweil« dial. »derweile, vorläufig«.
S. 294 Z. 1381 »derf ma« dial. »darf man«. »Säbel« dial.
»Säbel«.
S. 296 Z. 1432 In der Hs. »verantwortet« statt »verlanget«.
S. 299 Z. 1526 Der Hanswurst ruft hier die Hunde mit ver-
schiedenen üblichen Namen an.
S. 299 Z. 1527 »Mir« dial. »wir«.
S. 299 Z. 1529 »Wildbrat« dial. »Wildpret«.
S. 300 Z. 1556 »Wei« dial. »Weib«.
S. 300 Z. 1557 »g'wisst« dial. »gewusst«.
S. 300 Z. 1566 »daschossen« dial. »erschossen«.
S. 301 Z. 1574 »ÖS meant's« dial. »ihr meint«.
S. 302 Z. 1605 In derHs. »Wohlwürdigen« statt »Nichtswürdigen«.
343
S. 302 Z. 1620 »brockt« dial. »pflückt«.
vS. 304 Z. 1679 »Herumwalgen« dial. für »Umherirren«.
S. 305 Z. 1687 »schmutzen« dial. »schmunzeln« , natürlich hier
ironisch gemeint.
S, 305 Z. 1687 »amol« dial. »einmal«.
S. 305 Z. 1691 »rinnaugeten« dial. »eine, die rinnende Augen
hat, triefäugig«.
S. 308 Z. 1799 »a Weil« dial. »eine Weile, eine Zeit lang«.
S. 308 Z. i8o2J»wir i ans singen« dial. »werde ich Eins singen«.
^
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
Deutsche
Volkssehauspiele
In Steiermark gesammelt.
Mit Anmerkungen und Erläuterungen
nebst einem Anhange :
das Leiden Christi-Spiel aus dem Gurkthale in Kärnten
herausgegeben
von
Dr. Anton Schlossar,
Custos der k. k. Universitätsbibliothek in Graz.
Zweiter Band.
Halle.
Max Niemeyer.
1891.
INHALT.
Seite
Judith und Holoferres i
Hirlanda 39
St. Barbara 107
Susanna 159
Der bairische Hiesel 199
Der gefoppte Geizhals 239
Ein Nachspiel 253
Anhang. Das Leiden Christi. Passionsspiel aus dem Gurk-
thale in Kärnten. Mit einem Zwischenspiele und einem
Nachspiele 269
Die Schäferei. Ein Zwischenspiel 371
Die Auferstehung. Ein Nachspiel 375
Anmerkungen und Erläuterungen 379
V
JUDITH UND HOLOFERNES.
1%
Volksschauspiele. II.
PERSONEN.
König Nabucodonosor.
Holofernes, Oberster.
Hartmann, ein Unterhauptmann.
Felix, ein königlicher Rath u. Kundschafter.
Valericus, ebenfalls einer.
Macarius, ebenfalls einer.
Fürst Achior.
Ozias, Fürst der Israeliten.
Joachim, Priester der Israeliten.
Judith, eine Wittfrau.
Abra, deren Magd.
Samuel, ein Israelitischer Rathsherr.
Pumo, ebenfalls einer.
Hanswurst.
Ein Bauer.
Soldaten oder Trabanten.
ntfp
I. Auftritt.
König Nabucodonosor sitzt auf dem königlichen Thron, neben ihm :
Hartmann , der Hauptmann , Felix und Valericus , welche auf
Sesseln mit Teppichen sitzen. Anwesend noch zwei Trabanten.
König.
Höret, ihr liebe Getreue I Weilen Wir nunmehr
mit Unserer Gewalt das Reich der 2^Iedier völlig
eingenommen und überwunden , so schätzet man
Uns als den einzigen unüberwindlichen König und
5 Gott der Erden. Wir holten aber auch neben-
bei , ihr werdet alle Unsere Befehle zu vollziehen
künftig willig und bereit sein und ebendorthin, allwo
Wir hin zu commandiren verlangen , dann Unseres
Willens sein. Du Valericus sollest ziehen gen Cicilia,
IG du aber, Felix, nacher Damascus in Galilea und
Jerusalem , und eben alsobald sollet ihr dahin ab-
reisen, um diesen Ort und Völkern anzubieten, dass
sie sich ohne Verzug Unserer Botmässigkeit ergeben
sollen, ansonst aber, so sie sich freiwillig nicht er-
1 5 geben , solle in aller Kürze Alles im Reich mit
Feuer und Schwert verheert werden.
Alle.
Dero Befehl, Ihro königliche Majestät, seien wir alle
bereitet, genauesten Vollzug zu leisten.
Valericus.
Ja, ja, Dero Befehle werden ich und Felix auch al-
20 sogleich vollziehen und in jene Länder und Stadt'
als königliche Kundschafter abreisen , um ihnen
einen Schrecken einzujagen, dass sie sich alsogleich
unter Dero Botmässigkeit ergeben, damit dann alle
erfahren, dass König Nabucodonosor sammt seinem
2 5 getreuen und weit berühmten Hauptmann Holofernum
unüberwindlich herrsche und regiere.
König.
So gehet denn, ihr Getreue, und thut deme also,
verfertiget alle diese Sachen in guter Eile, auf dass
sie sich entweder Uns ergeben oder durch Schwert-
30 streich und Feuer zu Grunde gehen.
Etliche oder Alle.
Ja, Alles soll nach Dero Befehlen in schneller
Eile vollbracht werden. Gehen Alle ab.
2. Auftritt.
Hanswurst kommt als ein Bote mit einer Brieftasche.
Potz Figarament eini, das verflucht' Brieftrag'n
mag i auf d'Läng nimmer ausstehen. Jetzt soll i
35 g' schwind reisen und weiss selba nimma wohin.
Aba verrath's ma g'schwind an Boten oder Wegweisa,
i wollt' ihm jeden Tag 10 Kreuzer gem , wann i's
hätt , i wollt' a in Zehrung freihalten, wann er nix
möcht, i gab ihm d'Montur, wann er keini braucht,
40 ja i gab ihm glei gar nix. Wann i nur an rechten
Boten und Wegweiser z'fragen wisset ! Aba potz
Figara, dort kimmt der Valer und der Stieglitz, dö
weint wohl a ausreissen und so müssen mir Weg-
weiser abgem — wo aber nit, so schmir i ihna
45 Lend* und Pugl, dann i bin so voll Kuraschi, dass,
wann mich einer nur von Weiten bissig anschaut,
so i schon vor Schröcka in d'Hosen.
Valericiis und Felix kommen als abgesandte Botschafter.
Valericus.
Was machst du allhier, du Kanalli?
Hanswurst.
A was weiss ich von Kanari? I weiss kein' und
50 brauch kein'. I möcht na gern an Boten und Weg-
weiser ham.
VaUricus,
Was, einen Boten willst du haben ? Bist du denn
nit auch selbst vom König geschickt worden?
Hanswurst,
Ja, g'schickt w^ar i wohl, wann i na wisset ob
55 ich so g'schickt war.
Felix.
Wo sollst du denn hingehen ? Vielleicht gegen
Jerusalem ?
Hanswurst,
Ja , ÖS hamt wohl g'sagt von der Rossschwemm
oder Ratzen , i weiss selba nimma , i han^s da in
60 der Brieftaschen.
Felix.
Was, Jerusalem hast du in der Brieftaschen?
Hansxüiirst.
Na, was fragst denn no lang, du Haberesel?
Wanns des nit glaub'n willst, will i da's zeigen.
Zeigt ihm einen Brief,
Felix.
Einfalt , ist denn das die Stadt Jerusalem ? Es
65 ist ja nur des Königs Handschrift, Insiegel und
Wappen an die Inwohner der Stadt Jerusalem, ihnen
anzukünden , dass sie sich unserem grossen König
ergeben sollen.
Hausivurst.
Ha, ha, Stieglitz, wie oder was hast g'esagt vom
70 König seiner Wappen oder Wampen und Inslög?
Das Ding war zum vakaufen , so krieget einer a
Trinkgeld ! Aba dös da hat a g'sagt g'hört oben
drauf auf d'Stadt aussi; und jetzt hört's mi: weil
dös der König so gross annimmt, so hat er ja selba
7 5 gehn kinna, er hätt leichta hin g'langa kina als i.
Valericus.
Unbesonnene Bestie, komm mit uns, wir wollen
dir schon weisen, wo du hingehen sollst.
Hanswurst.
Was, ihr wollt's mi beissen? Na, i geh voraus.
Felix.
Wann du mitgehen kannst, weisst ja nit wohin,
80 du Esel! Wir gehen vor und du kannst uns nach-
folgen.
Hanswurst.
Na ja, meinethalm, so seid's ös d'Eseln und i
soll nachtreim : so schart's enk halt fort amal, ös
Figaraments Bernhäuta. — Hia — da geht's eini.
Hanswurst ab.
Valericus.
85 Ach, mein Felix, mich dauert hart Cicilia, dass
sie solle zu Grunde gehen. O Cicilia, ergib dich
gutwillig dem König Nabucodonosor , ich fürchte^
du werdest sonst zu emem Scheiterhaufen zusammen-
gebrannt werden.
Felix.
90 Ja, mein Valericus, mich bedauert auch eben-
massig sehr Damascus, allwo ich anizo bald werde
ankommen und ihnen kundmachen , dass sie sich
unserm König gutwillig sollen ergeben. Sofern
aber solches nicht gutwillig ge.schieht, so glaube
95 ich, wird Alles mit Gewalt und Macht durch das
Feuer und Schwert zu Grunde gehen.
Valericus.
Es sei dem , wie ihm wolle , wir müssen oder
wollen unserer Verheissung und Schuldigkeit treulich
nachkommen. Ja , wir wollen gehen und ihnen
100 unser Vorhaben aisgleich ankünden. Beiile ab.
3- Auftritt.
König, Hartmann, Älacarms und zwei Trabanten
kommen,
ICöniz.
Wisset, Wir schwören nunmehr bei Krön und
Zepter, dass, wofern sich jene Völker und Städte
nicht unter Unsere Botmässigkeit ergeben, so solle
alsogleich darauf alle Rache über sie kommen,
105 ja Niemand soll verschonet, auch sogar das Kind
im Mutterleibe soll umgebracht werden. Ihr aber
nach empfangener Resolution sollt euch helden-
müthig zum Schwert und Streit rüsten.
Äfacarius .
Majestätischer Gebieter , was mich anbelangt,
HO werde ich allezeit nach pflichtmässiger Schuldigkeit
nach aller meiner Möglichkeit Leib, Gut und Blut
zur Gegenwehr unserem Feinde darstrecken.
König.
Euer Gehorsam und Gutwilligkeit gefallet Uns
dermassen ganz wohl, und W^ir werden auch jeden
115 heldenmüthigen Fleiss treulich belohnen. Aber
anitzo saget Uns : seind unsere Legaten, die Wir
nacher Cicilia , Damascus und Jerusalem abge-
schickt haben, nicht angekommen, oder ist euch
durch eine sonderliche Botschaft nichts zu wissen
120 gemacht worden?
Hartmann.
Königlicher Gebieter, was mich anbelanget seit
dem, dass sie abwesend sind, habe ich im Mindesten
nichts von ihnen gehört. Halte auch selbst dafür,
sie seindt entweder gefangen oder gar ums Leben
125 gebracht worden.
König.
O, kunnte Ich von dieser Sache nur bald einen
Grund haben. Ja , soferne Wir erfahren , dass
Unseren Legaten eine Unbilligkeit zugefügt ist, so
8
wollen Wir augenblicklich mit fliegender Armee
130 den Auszug gegen sie machen und nichts Andres
als sengen und brennen und Alles zu Boden
schlagen.
Macarius.
Ich glaube meines Erachtens über ihr langes
Aussein, dass sie vielleicht durch das Schwert schon
135 hingerichtet worden sind, alldiweil Ihr Zorn, Ihro
königliche Majestät, ihnen wird weh thun.
König,
Wie? Was redest du? Stimmst du vielleicht
auch auf ihre Laute? Alsobald nehmt ihn gefangen,
ihr Trabanten und fesselt ihn mit Ketten und
140 Banden. Du, Bestie, sollest uns einen Vortrag
unseres Zornes einreden ! Wir schwören, dass du
ehender, eh dass unsere Feinde überfallen werden,
mit dem Schwert sollst hingerichtet werden.
Macarhis.
Ach , Gnade, Ihro Majestät, Gnade ! O lassen
145 Sie doch Ihren Zorn gegen mich sinken, dann ich
solches nicht mit Untreue geredet habe !
König.
Mit Nichten : keine einzige Gnad ist vorhanden,
sondern die Schärfe unseres Schwertes soll an dir
probirt werden. Fort, fort mit ihm !
Trabanten führen ihn ab.
4. Auftritt.
Hanswurst , Felix und Valericus als Legaten tind
Kundschafter treten auf,
Ilansiaurst.
150 Au weh, dasti potz Figarament, Herr König! Dös
heisst g'raist und umag' schlampt mit der langen
Nasen, hungrigem Bauch und trucknem Maul und
i wollt' über das All's no nit klag'n, dö Kriminal
Bärnhäuta hätten uns um ein gut's Haar alle drei
155 und noch zwei an ein' Spiess g' steckt und zu ein'
Pradl praten ; will aber da Herr König mehrers wissen,
so fragt's na gleich HöUfiix, Valern und Stieglitz
selber a, denn so sind a da ohne Herz und Leber
und fressen lieber a vor Hunger d'Sautreber.
ICönig.
i6o Sage Uns nur bald an, Valericus, wie und was-
^estalten sich Cicilia resolvirt und beschlossen hat.
Valericus.
Königlicher Gebieter, mit kurzen Worten die
Wahrheit in die Ohren zu legen. Nachdem Ihro
Majestät Befehl ihnen angekündigt worden , ist
165 mir zur Antwort gegeben, es solle König Nabu-
codonosor nur seine Waffen ergreifen und bald
ankommen, wir sind mit Gegenwehr gegen ihn
schon bereit.
König.
Nun, diese ihre aufgeblasene Rede haben Wir
170 genügend vernommen. Was bringst Uns aber du,
Felix, für eine' Botschaft aus Galilea?
Felix.
Majestätischer Gebieter, ich meinestheils bringe
auch nicht minder Kundschaft als Valericus, denn
nachdem ich in Galilea angelanget, befand ich
175 schon Alles mit gewaffneter Hand — und sie haben
mir auch schon den Tod angedroht und aus hitziger
Hoffart kein einziges Wort zur Antwort ertheilt;
woraus ich hernach selbst leichtHch habe schliessen
können^ weil ich so viele Waffen sah, dass das
180 Getöse zum Streit begehrt.
König.
Ist wohl geredet, das Getöse begehrt auch zum
Streit; aber Hanswurst, was bringst du von
Jerusalem ?
Hansiviirst.
Hei , ja , Herr König , bracht han i a nix als
185 an hungrig'n Bauch und an etli hundert Flöh,
Laus' und Wanzen , die der Herr König so sieht
lO
an meiner alten Joppen tanzen ; sonst aba weiss i
weiter nix zu sag'n als dö selbig'n Leut wollten
mi und a Herrn König maustot schlag'n. Und so
190 sand so voll Zorn auf ihn und uns alle, dass recht
a Gruseln ist, — aft han i ihna g'sagt, so sollten
daweil , bis da Herr König über so kimmt, in an
Sau - Pfifferling beiss'n — und sollten ihna Maul
nit gar z'feindla z'reiss'n — - oft hampts ma g'sagt
195 und i sollt enk's sag'n — und du und der Oxnferna
soll na bald kömma und so wollten ihm schon
Kappen waschen und Pelz lausen. Amen. Jezt
mag i vor Hunger nimmer da bleim. Ab.
König.
Dies ist aber wohl genug geredet. Und weil
200 denn fast an allen jenen Orten sie sich in voller
Macht zum Streit rüsten, so soll auch Unser Zorn
in sie reissen, Unser Schwert in sie stürzen, Unsere
Macht ihre Macht zu Grunde richten , ja Alles
soll bei ihnen mit Feuer und Schwert verheert
205 werden.
Alle oder Etliche.
Ja, ja, Eure Macht und Stärke, grossmächtiger
König , soll alle unsere Feinde vernichten , Alle,
die sich uns nicht ergeben wollen, sollen umgebracht
und vertilgt werden.
König steht auf.
210 Folget Uns nach. Wir wollen in schneller Eile
die Sache veranstalten und alsbald mit Gewalt und
vollmächtiger Armee alle solche Bestien zu Grunde
richten. Geht eilig ab. Der Vorhang fällt.
5. Auftritt.
König auf dem Thron, Holofernes, Hartmann, Felix,
Valerie US und Soldaten.
König.
Höre , getreuer Hauptmann Holofernes , dir ist
215 vielleicht unbekannt, was Wir seit der Zeit her be-
II
schlössen haben : wisse denn , dass Wir in alle
Königreiche und Länder, so gegen Niedergang
der Sonne liegen, Legaten haben ausgesendet, dass
sie sich unter Unsere Botmässigkeit ergeben sollen;
220 haben aber dadurch nichts ausgerichtet und eben
darum geben Wir dir alsogleich ernsten Befehl, dass
du Alles durch Unsere Macht bezwingst, auf dass
kein anderer mächtiger König auf Erden lebet als
allein Wir. Zerstöre und vertilge auch alle Götter,
225 auf dass Wir allein für den einzigen wahren Gott
der Erde vor Allen erkannt werden. Rathe hier-
über und sage Uns, ob es dir nicht auch also gut
zu sein gedünkt.
Holofernes.
Majestätischer Gebieter , Dero eigenes Herz ist
230 Ihr Rath : schaffen Sie nur nach Ihrem Belieben.
Ich als ein unw^ürdiger Vasall werde alle Zeit Dero
Befehlen genauesten Vollzug leisten. Ja, so lang
Blut und Leben in den Adern thut wallen —
stehn meine Kräfte Euch, o König, zu Gefallen.
König.
235 Vergnügte Wohlgefälligkeit Unserem Herzen. So
ziehet denn alsobald hin , ihr getreue Helden , in
jene obbenannte Länder und Königreiche, sonder-
lich aber wider die , welche Unsere Legaten ver-
achtet und beschimpft haben. Merket aber, euer
240 Auge und Herz solle Niemand verschonen.
Holofernes.
Königlicher Gebieter , was wir an allen unsern
Kräften vermögen, solle nichts nach Dero Befehl
unterlassen werden.
König.
Wohlan denn ! So ergreifet denn alsobald helden-
245 müthig euren Harnisch und blutbegierige Waffen!
Senget und brennet und verschonet auch das Kind
im Mutterleibe nicht, ja, gebet einer jeden solchen
Bestie den Rest und Lohn, wie sie um Uns ver-
dient haben !
12
Holofernes.
250 J^> j^> grossmächtiger König, alle meine Kriegs-
leute werde ich eifrigst und heldenmüthig aufbieten,
keine Mühe sparen und allen Fleiss anwenden,
Niemand verschonen , Alles umkehren und durch
meine gewaltsamen Kräfte vielen den Kragen um-
255 drehen, weiteres mithin unterdessen aber ich mich
Ihro königlichen Majestät unterthänigst ergebe und
empfehle.
Etliche Soldaten.
Ja , nach allen unseren Kräften soll Dero Ge-
fallen in aller Schärfe vollzogen werden.
Holofernes, Hartmann, Felix und Valericus ab.
König.
260 Geht, geht, ihr Getreue. Mich getrösten muss
doch Unsre Gewalt, alle solche Länder und Städte
mit allen Völkern in Grund zu vernichten.
6. Auftritt.
Vei-tvandlung: Landschaft oder Stadt.
Saimiel und Punio, die zruei Rathsherren treten auf.
Samuel.
Ach , liebster Gott , was grosse Tyrannei fängt
nicht nunmehr der assyrische König Nabucodonosor
265 an, indem er völlig uns zu vertilgen gewillt istl
Sein Hauptmann Holofernes sengt und brennt
schon viele unserer Wälder und Gärten : daher,
so wir uns seiner Gewalt nicht bald freiwillig er-
geben, so wird er uns alle vertilgen und zu
270 Grund richten.
Pumo.
Ach, ja, weh dieser harten Drangsal. Lasst uns
eilends gehen und ihn fussfällig bitten, dass er
uns in Cinaden annehme , wie uns unser Oberster
befohlen : vielleiclit erbarmet er sich über uns.
13
7. Auftritt.
Der Zwischenvorhang wird aufgezogen. Holofernes im Zelt
jfiit Fdlix, Valericus, Hartmann und Hanswurst.
Pumo und Sa?nuel fallen auf die Knie.
Pumo.
275 Mächtiger Hauptmann Holofernes, wir kommen
auf Befehl unseres Obersten , Euch fussfällig zu
bitten, Ihr wollet uns verschonen und P'uern Zorn
sinken lassen, denn es ist besser, wir ergeben uns,
als dass wir sterben ; unsre Stadt und Alles , was
280 wir haben, solle unter Euer Gewalt und Gebot
sein, auch ansonst alle Lieb und Treu wird Euch
von unserem Fürsten erwiesen werden.
Holofernes.
Geht , geht und ziehet nur wiederum hin , wo
ihr her seid. Eure Reden sollen mich nicht be-
285 wegen, sondern ihr werdet in Kürze unsern Zorn
mit Feuer und Schwert erfahren.
Samuel.
Ach, mächtiger Hauptmann, lasset sinken Euern
Zorn und verschont uns.
Ha)tswurst.
Hei, Herr Oxenferna, i bitt a, seid's g'scheidt
290 und verschont's gleichwohl d'Weibsbilda, dö send
enk ja sunst a jederzeit von Herzen lieb g'west, und
erbarmt enk ; und hei, ös zwei last's enk frei g'sagt
sein, ein andresmal schickt's dafür a schön' s Dirndl
oder Weibsbild aussa, dö find eher Gnad bei meinem
295 Herrn, dem Oxenferna, als ös.
Holofernes,
. Mit Nichten, Niemand aus ihnen solle Gnad er-
halten , alldiweilen sie zuvor unsere Legaten ver-
folgt und beschimpft. Gehet derohalben nur hin,
ihr habt Zeit und rüstet euch zum Streite.
Gehen Alle ab, Samuel und Puvio atif der andern Seite.
8. Auftritt.
Verwandlung: Landschaft.
Joachim^ Ozias und Samuel kommen,
Ozias.
300 Ach, liebster Gott im Himmel, wie eine so harte
Drangsal hast du uns nunmehr zugeschickt , die-
weil der König Nabucodonosor uns völlig zu ver-
tilgen sucht und uns mit einer unzähligen Kriegs-
macht durch seinen Hauptmann Holofernes be-
305 zwingen und zu seinem heidnischen Glauben bringen
will ! Rathet nun um Gottes willen, was in dieser
Drangsal zu thun sei.
yoackim.
Ich rathe, wir wollen behend in all unser Gebiet
ausschreiben, dass alle unsre Völker die Sitz' und
3 1 o Grenzen der Berge sammt den Städten besetzen
und befestigen, uns auch mit Vorrath von Getreide
und anderen nothwendigen Sachen wohl versehen,
auch befehlen. Alles möge sich zum Streite rüsten,
damit nicht unser heiliger Tempel sammt der
315 Stadt verheert wird — wie er es schon an mehreren
Orten gethan hat. — Lasset uns auch, liebste Brüder,
unsere Sünden bereuen, davon abstehen, Gott an-
rufen und bitten, er wolle sich unserer erbarmen
und uns, seine gläubigen Kinder nicht in die Hände
320 unserer Feinde geben.
Samuel.
Ja, eben dies hoffe auch ich, wird zum Besten
sein. Daher, o mein ehrwürdiger Priester, bete
uns vor, damit wir dir nachrufen. Vielleicht erlangen
wir von Gottes Gnade Hilfe und Barmherzigkeit.
325 Unserer Sündenschuld aber wollen wir uns befleissigen,
mit Beten, Fasten und Busswerk zu entladen.
yoachim.
Nun so bereitet euer Herz und rufet einhellig
mit mir zu Gott. Fällt mit ihnen auf die Knie und
betet vor: »Herr Gott Himmels und der Erden, wir
15
330 rufen herzlich an deine Allmacht und Barmherzig-
keit und bitten ernstlich um Verzeihung unserer
Sünden und Missethaten : wende zu uns , liebster
Gott, deine Barmherzigkeit und siehe nicht mehr
an die vielen Sünden , mit welchen wir dich be-
335 leidigt, sondern gedenke vielmehr der Frömmigkeit
unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob, und um
ihretwillen erbarme dich unser und gib uns nicht
in die Hand deiner und unserer Feinde. Bewahre
auch deine heiligen Städte und Tempel, damit
340 nicht der Feind spottweis spreche : Wo ist ihr
Gott, den sie zuvor geehrt haben? Liebster Gott,
erzeige an uns deine Barmherzigkeit, so wollen wir
dich auch loben nach Möglichkeit unserer Schwach-
heit. Amen.« Sie stehen auf. Seid getrost, liebste
345 Brüder, und hoffet: sicherlich, Gott wird uns helfen
und beistehen, wenn wir nur auch immer im Guten
verharren. Gedenkt an Moises, den treuen Diener
des Herrn, der den Abimelech, der sich auf seine
Macht verliess, nicht durch das Schwert, sondern
350 durch das heilige Gebet hat überwunden ; also wird
es auch allen Feinden Israels ergehen, so wir eifrig
im Fasten und Beten werden verharren.
Ozias.
Ja, ja, beständig wollen wir uns befleissigen, im
Guten zu verharren , vielleicht ertheilet uns Gott
355 seine Gnad, unsern Feind sieghaft zu überwinden.
Anitzo aber, ehrwürdiger Priester, wollen wir in
den heiligen Tempel des Herrn gehen und Gott
dem Herrn ein Brandopfer bringen, damit er
uns höre. Alk ab,
9. Auftritt.
Verwandlung, Holofernes im Zelt mit Achior und
Hartmann, dabei der Hanswurst.
Holofejytes.
360 Saget mir anitzo, ihr Getreue, was ist denn
dieses für ein Volk, so das Gebirg vor uns be-
i6
setzet, auch was diese für Stadt' haben, und warum
diese allein uns nicht entgegenkommen?
Ackior,
Mächtiger Hauptmann Holofernes, wenn du dich
365 würdigest, mich anzuhören, so will ich dir von
diesem Volke die reine Wahrheit anzeigen , ja es
solle in Anzeigung dessen kein einziges falsches
Wort aus meinem Munde gehen.
Holofernes.
Rede nunmehr nur weiter, denn ich bin be-
370 gierig, dich aufmerksam anzuhören.
Hanswurst.
Hei, Herr Aichhorn, so red'ts na, aba kemmt's
mit da Wahrheit nit gar zu glatt , dann die Zeit
gilt d' Wahrheit zum Mehrichten mit an Fuchsbalg
überzog'n.
Achior.
375 Halte dein Maul. Wisse, getreuer Hauptmann,
dieses Volk ist vom Geschlecht der Chaldäer, und
haben vor Zeiten im Land Mesopotamien gewohnt ;
als aber im selben Land eine schwere Theuerung
und grosser Hunger einfiel, zogen sie ins Egypten,
380 allwo sie sich in 400 Jahren dergestalt vermehrt
haben , dass man sie nicht mehr hätte zählen
können : auch als sie der König in Egypten mit
einigen Sachen beschwert , riefen und schrieen sie
sammtlich zu ihrem Herrn und Gott, und eben
385 dieser ihr Gott schlug ganz Egypten mit vielerlei
Plagen. Und als sie aus Egypten auszogen , da
eröffnete ihnen ihr Gott das rothe Meer, dass sie
mit trockenem Fusse dadurch gingen : die Egyptier
aber als ihre Feinde, welche ihnen nachjagten, sie
390 in die alte Dienstbarkeit zu bringen, entrückte ihr
Gott alle sammtlich im selbigen Meerwasser, dass
nicht ein einziger mehr darvon käme. Darnach
seind sie kommen in eine Wüste, wo sonst niemals
t
17
ein Mensch hat wohnen können, ihr Gott aber hat
395 ihnen die bittern Wässer süss gemacht und sie auf
viele Jahre wunderbarhch gefristet ; darnach seind sie
auch kommen in diese Landschaft , und kein
Monarch oder Potentat hat diesem Volke Leid's
thun können, als allein zur Zeit, wenn sie von
400 ihrem Gott und dessen Dienst abgewichen und
ihme mit Sünden haben beleidigt, ansonsten aber
hat ihr Gott jederzeit heldenmüthig und sieghaft
für sie gestritten. — Daher rathe ich, helden-
müthiger Hauptmann, dass man nachforsche, ob
405 dieses Volk seinen Gott beleidigt habe oder nicht;
haben sie ihn beleidigt, so lasset uns nur bald
über sie hinaufziehen, ihr Gott wird sie uns allen
gleich in unsere Hände geben, haben sie ihn aber
nicht erzürnt, so können wir ihnen mit all unserer
4 1 o Macht nicht schaden , denn ihr Gott wird sie be-
schirmen, und wir werden dem ganzen Land zum
Spott werden.
Hartmann zornig.
Wie? Was? Wer ist dieser, der so keck und
frei sagen darf, die wehrlosen, unerfahrenen Israeliten
4 1 5 wollen unseren grossen König Nabucodonosor und
seinem so mächtigen Kriegsheer widerstehen ? Dieses
ist eine strafmässige Kühnheit.
Holofemes.
Wahrhaftig , eine vermessene Keckheit. Wisse
du^ Achior, weilen du uns so vermessentlich geweis-
420 saget, dass die unerfahrenen Israeliten von ihrem
Gott sollen beschirmet werden, so sollest auch du
mit dieser ganzen Schaar Israels zu Grunde gehen.
Ergreift ihn alsobald und führt ihn hinauf nach er
Bethuliam , alldorten bindet ihn an einen Baum
425 und verlasset ihn allein. Er wird in Kürze er-
fahren, dass König Nabucodonosor ein Gott der
Erde sei und ohne ihn kein Andrer.
Sie gehen ab. Es wird Musik gemacht.
Volksschauspiele. II. 2
i8
lo. Auftritt.
Verwandlung. Wald. Achior loird an einen Batun gebunden
Hier kann eine Vorstellung mit Singen gemacht zoerden. Es kann
auch der IIans7vurst mit Achior eine Rede führen. Pumo una
Samuel kommen ganz zrorne heraus.
Pumo.
O Bruder, siehe, dort ist ein Mann an einen
Baum angebunden.
Samuel.
430 O Wunder über Wunder, ich glaube, es ist
Achior , der vor etHchen Jahren bei uns gewohnt
hat; wir wollen näher hinzugehen und ihn be-
fragen, wer und warum man ihn an diesen Baum
gebunden. Gehen hinzu.
Pu»io.
435 O mein Freund Achior, wie geht es dir? Wer
hat dich anhero gebracht und aus w^as Ursach an
diesen Baum angebunden?
Achior.
Liebste Brüder, erlöset mich, ich werde es euch
dann auf dem Weg ausführlich erklären und an-
440 deuten. Sie lösen ihn ab.
Samuel.
Komm , komm mit uns , mein Freund Achior,
zu unseren Fürsten, dem Ozias.
Achior.
Gar gern werde ich euch nachfolgen, auch im
Hingehen euch alle Sachen erklären.
I I. Auftritt.
Verwandlung: Landschaft odtr Stadt.
Ozias und Joachim kommen, Samuel und Pumo
rasch darauf mit Achior.
Samuel.
445 Liebe Herren, höret, Brüder, was die Assyrier
mit Achior haben angefangen. Als er ihnen einige
19
Wahrheit von uns hat angekündigt, haben sie ihn
alsobald an einen Baum gebunden, nach ihrer
Meinung ihn sammt uns zu vertilgen: als wir ihn
450 aber ersahen, sein wir kommen, ihn zu entledigen
und anhero zu weisen.
Ozias.
Sage uns nun, Achior, durch was Red und Wahr-
heit bist du denn bei ihnen so verhasst worden?
Achior,
Edler Fürst und Herr, ich habe ihnen nämlich
455 gesagt, dass der Gott Israels euch fast jederzeit
beschützet hat und euch noch beschützen wird.
Darauf haben sie mich alsobald aus Zorn gegen euch
an einen Baum lassen anbinden, damit, wenn sie
euch überwinden, ich sammt euch durch das Schwert
460 solle umgebracht werden.
Ozias .
O liebster Gott im Himmel, siehe an ihren
Hochmuth und unser Gebet und Demuth. Habe
Acht auf das Angesicht deiner Bedrängten und
gieb zu hoffen, dass du diejenigen nicht verlassest,
465 die auf dich hoffen und trauen.
Joachim .
Mein Achior , der Gott Israels , dessen Macht
du gepriesen hast, wird dir solches treulich ver-
gelten: lasse dir auch gefallen, künftig bei uns zu
wohnen.
Achior.
470 Von Herzen gern, hoffe auch, Gott im Himmel
wird euch und mich beschützen.
Ozias. '
Kommt, kommt eilends in mein Haus, es möchte
der Feind einen Angriff machen; wir wollen Gott
noch um Gnade und Hilfe anrufen. Ad.
20
12. Auftritt.
Verwandlung . Zelt. Felix, Holofernes mit den Seinen.
Holofernes.
475 Nunmehro liegen wir mit unserer Kriegsmacht
bei Bethulia. Weh euch, ihr unbesonnenen Israe-
Hten, die ihr euch geweigert, euch uns zu ergeben.
Geh alsobald hin, du, FeHx, mit etlichen hundert
Mann. Verleite und schneide ihnen die Brunnen-
480 flüsse ab, die in die Stadt führen , damit sie ge-
zwungen werden, mit Noth sich uns zu ergeben.
Felix.
Dero Befehl soll nach Möglichkeit vollzogen
werden. Wir wollen ihnen auch nebenbei die
Zufuhr des Getreides und Proviants abschneiden,
485 damit sie auch mit Hunger geplagt werden.
Hernach müssen sie wohl tanzen nach unserer
Pfeife. Der Zwischenvorhang wird herabgelassen.
13. Auftritt.
Stadt, Landschaft, yoachim, Ozias, Puvio mit Samuel
ko7?imen in den Vordergrund.
Joachim .
Ach, liebster Gott, die Feinde liegen nunmehr
unzähhg vor der Stadt, dass Niemand aus noch
490 ein kann. Unter dem Volk in der Stadt ist auch
schon eine grosse Klag, denn es hat fast nichts
zu essen und noch weniger zu trinken.
Ozias.
Ach, mein Herz möchte mir auch vor Leid zer-
springen, wenn ich gedenke an das wehmüthige
495 Weinen und Klagen des Volkes.
Pumo.
Ach, grosser Gott, wegen unserer Sünden und
Missethaten müssen wir solche Drangsal leiden.
O Gott, unser Vater, erbarme dich über uns und
erlöse uns von dieser so harten Drangsal.
21
14- Auftritt.
Simon, eifi gemeiner Bauer, kofin/it.
Simon.
500 Wisset, ihr obersten Herren, die ganze Gemeine
schicket mich hierher und lasset euch ansagen, weilen
uns in der Stadt alles Wasser genommen, auch
keine Lebensmittel mehr vorhanden sein und noch
dazu keine Hilf zu hoffen oder zu erwarten ist,
505 so ist es besser, dass wir uns ergeben und bei
Leben bleiben, als dass wir umkommen und vor
aller Welt zu Schanden werden. Ja, wir nehmen
Himmel und Erden . zu Zeugen vor unserm Gott,
der uns anitzo strafet um unserer Sünden willen,
5 r o dass wir euch gebeten haben, die Stadt gar bald
dem Holofernes aufzugeben , denn es ist besser,
wir sterben durch das Schwert, als langsam vor
Durst und Hunger. So ihr aber ein solches nicht
thun wollt, so schreien wir zu Gott dem Herrn,
515 der sei Richter zwischen uns und euch.
Ozias.
Seid getrost und saget dem Volk : Habet nur
noch eine kleine Geduld und lasset uns noch
fünf Tage auf die Hilfe Gottes harren und warten,
ob er uns nicht Hilfe und Gnade erweise und
520 seinen Samen herrlich mache. Wird uns aber in
fünf Tagen nicht geholfen, so wollen wir thun, wie
Ihr gebeten und begehrt habt.
S im 071.
Ach , ich werde zwar diesen Vorschlag dem
Volke anbieten, doch werden in dieser Zeit Viele
525 vor Durst und Hunger sterben. Ab.
15. Auftritt.
yudith tritt auf.
O, ihr ältesten Fürsten und Herren dieser Stadt,
was habt ihr anitzo in eurem Rath beschlossen?
Warum wollt ihr Gott versuchen, dass ihr ihm und
22
euch fünf Tage Zeit und Ziel gesetzt habt. Das
530 dienet keineswegs, Gnade vor Gott zu erwerben,
sondern reizt ihn vielmehr zum Zorn, uns zu strafen.
Er weiss ja selbst die beste Zeit , wann er helfen
soll und will. Das Beste ist, unsere Sünden herzhch
bereuen und um Busse bitten und ihme auch mit
535 Thränen anrufen und bitten. Denn Gott zürnt
nicht wie dumme Menschen , die sich nicht mehr
versöhnen lassen. Darum lasset uns nicht unge-
duldig werden in Leid und Drangsal, denn es ist
unsere wohlverschuldete Sündenstrafe. Gott aber
540 ist doch gut und auch geduldig mit uns, welcher
uns nur probirt, wie wir uns in Drangsal gegen
ihn halten, gleich wie er ehmal oft mit unsern
Vätern gethan hat, die er oftmals zwar hart ge-
züchtigt, doch aber niemals, wenn sie sich zu ihm
545 bekehrt, gar vertilgt. Lasset uns dahero mit Reue,
Demuth und Besserung unseres Lebens seiner Huld
und Gnad erwarten , ihn auch eifrig bitten , er
wolle unsre und seine Feinde, die ihm nicht dienen,
zernichten und vertilgen und uns seine mächtige
550 Hilf und Gnadenhand darreichen. Weiter aber
wisset auch, ihr Aeltesten, weilen ihr geistliche und
weltliche Vorsteher des Volkes seid, an denen das
Leben des ganzen Volkes hanget , richtet eure
und ihre Gemüther in guter Meinung zu Gott,
lehret und tröstet sie mit der so oftmaligen Hilfe
unseres Vaters , geht ihnen auch vor mit gutem
Beispiel und Exempel, damit Gott versöhnet und
zur Barmherzigkeit bewegt werde , uns zu halten
DDD
und nicht zu vertilgen.
Ozias.
560 O weise Frau Judith, Alles, was du geredet hast,
das ist wahr, und in allen deinen Worten ist nichts
zu strafen. So bitt' denn auch du Gott den Herrn
für uns , dass er sich über uns erbarme, denn du
bist ein gottesfürchtiges Weib.
2-3
Judith.
565 Weilen ihr denn erkennt, dass meine Reden
aus Gott sind, so ermesset auch meinen Rathschlag
und Fürnehmen, ob es auch von Gott sei, und
bittet Gott eifrig, dass er mein Führnehmen be-
stätige und Glück und Gnad hinzugebe. Ihr sollet
570 heute diese Nacht und auch ediche andere Nächte
in guter Wacht beim Stadtthor stehen , ich aber
werde mit meiner Magd Abra hinausgehen , Gott
den Herrn eifrig bitten, dass er sein Volk innerhalb
fünf Tage, wie ihr geredet habt, möchte trösten
575 und erlösen. Weiters will ich nicht haben, dass
ihr meinem Vorhaben fürwitzig nachforschet, sondern
ihr sollt in der Zeit unterdessen Gott eifrig bitten,
dass er mein Vorhaben bewerkstellige, bis ich euch
wieder anzeige, \vas zu thun sei.
Ozias.
580 Geh, geh, wertheste Frau Judith. Gott der Herr
sei mit dir, dein geheimes Vorhaben ins Werk
zu setzen, zur Rache und Vertilgung unserer
Feinde.
Ozias mit den Seinen ab. Magd Abra tritt ein.
16. Auftritt.
yudith.
Höre, getreue Magd Abra, gehe alsogleich hin
585 und bereite einen Krug mit ()1 , auch eine ge-
füllte Haut voll Wein nebst einem Sack, darein thu
Feigen, Mehl und Brot, dass ich und du vier oder
fünf Tage zu zehren haben. Bereite mir auch
zugleich meine schönen Feierkleider, ich werde
590 gleich nach dir hingehen.
Magd.
Alsogleich werde ich gehen, um Alles, was Sie
befehlen, zu bereiten. Ab.
Z4
yudith kniet nieder.
Ach Herr, Gott meines Vaters Simeon, hilf mir
armer betrübten Wittfrau, denn alle Hilfe, die vor
595 Zeiten und auch noch je geschehen, die hast du
gethan , und was du willst , das muss geschehen.
Siehe an das hoffärtige Volk der Assyrier und
ihren prahlerischen Hauptmann Holofernum, welcher
nicht allein uns, sondern auch dir zum Spott deinen
600 heiligen Tempel sammt uns, deinem Volk, sucht
zu vertilgen. Zernichte sie, wie du zernichtet hast
das Heer der Egyptier, da sie deinem Volke ge-
wappnet nachjagten. Ich rufe flehentlich zu dir
und hoffe und baue auf deine Barmherzigkeit :
605 strafe ihren Hochmuth durch ihre eigenen Waffen.
Verschaffe auch, dass ihr Hauptmann durch mich
gefangen werde, wenn er mich ansieht. Gieb mir
auch Herz und Muth, dass ich mich vor ihm und
seiner Macht nicht entsetze oder scheue, ihn mit
610 deiner Gnade also stürzen möge, dass es deinem
heiligen Namen eine ewige Gedächtniss und Ehre
sei, so du ihm durch mich als ein schwaches Weibs-
bild zu Grunde richtest. Ja, du Herr, einiger Gott
im Himmel, kannst jederzeit Sieg und Kraft geben,
615 dass die Schwachen die Starken leichtlich über-
winden. Du hast auch nicht Lust oder Freud an
der Stärke eines Pferdes , auch kein' Gefallen
an den grössten Gebeinen eines Menschen , so
er dir nicht dienet , sondern denen , die dich mit
620 demüthigem Herzen anrufen, bist du jederzeit
beigestanden. Erhöre denn, o Gott Himmels und
der Erde, mein Gebet und Flehen, gieb auch
rechte Worte in meinen Mund und regiere
du meine Zunge , stärke und bestärke auch zu-
625 gleich meinen Anschlag, damit diese deine Feinde
und auch alle anderen Völker erkennen , dass
du allein herrschender Gott seist im Himmel und
auf Erden, und ohne dich kein Anderer. Amen.
Geht ab.
25
i;. Auftritt.
Verwandlung. Vor dem Stadtthor.
ytidith kommt schön gekleidet mit ihrer Magd, auf
der anderen Seite Ozias mit den Sei72en.
Judith.
Lebt nunmehr unterdess nur getrost und ver-
630 harrt zu Gott im Gebet für mich und euch.
Ozias .
Ja, wertheste Frau Judith, Gott im Himmel gebe
dir Gnad und bestätige deinen ganzen Anschlag
mit seiner Kraft, damit sich Jerusalem und ganz
Israel an dir erfreue, weil dein Namen unter die
635 Zahl der Heiligen ist gerechnet, auf dass Gott in
dir gelobt und gepriesen werde.
Alk.
Amen, Amen, es geschehe. Alle ab.
18. Auftritt.
^Verwandlung. Judith kommt schön gekleidet ins Lager.
Soldat als Schildwacht .
Von wannen bist du, und wo willst du hin?
Judith.
Ich bin. ein hebräisches Weib und bin aus dieser
640 Ursach von den Meinigen abgegangen und geflohen,
weil ich weiss, dass sie euch zum Raub gar bald
übergeben werden , weil sie euch verachtet und
sich nicht gutwillig ergeben wollen. Ich aber bin
anitzo in Willen, dieses nebst noch ihren Heimlich-
€45 keiten eurem Fürsten und Hauptmann Holofernes
selbst zu unterbringen, wie er sie solle angreifen,
dabei euch kein Mann verletzet werde.
Soldat.
Nun, dieses mag dir viel helfen. Du hast dein
Leben gewiss errettet, weil du also gehandelt hast.
650 Komm daher zu unserem Hauptmann, dem Holo-
fernes , du wirst ihm gewiss von Herzen Wohlge-
fallen und auch von ihm Gnad erlangen. Beide ab.
26
19- Auftritt.
Der Zwischejivorhang luird aiif gezogen. Zelt.
Holofernes mit Felix und den Seinigen im Zelt.
Holofernes,
Wunderlich und seltsam kommt mir vor , dass
die Israeliten keine Abgesandten zu mir schicken.
655 Länger mehr ihnen zuzuwarten, ist mir nimmer ge-
fällig ; in Kürze werde ich ke'ine Geduld mehr haben ;
alsdann erlege ich und richte ich zu Grunde Alles,
was mir unter die Augen kommt.
Felix.
Grossmächtiger Fürst, weil Ihr grosses Verlangen
66c habt, etwas von den Israeliten zu erfahren, so
mache ich Euch zu wissen, wie da ein wohlge-
ziertes Frauenzimmer bei uns in dem Lager an-
gekommen, welche von Euch gnädige Audienz
begehrt.
Holofernes.
665 Bringet sie alsobald zu mir, damit ich erfahre,
was Neues sie mir in die Ohren leget.
20. Auftritt.
Han.mjiirst mit Judith koiiunt.
Hans7vtirst.
Hei, Herr Oxenferna, schaut's, was ich da für a
schön's Hebräerdirndl daherbring.
Jtidith fällt auf die Knie.
Holofernes.
Sei getrost und fürchte dich nicht, ja hebet sie
670 alsobald auf, denn ich habe niemalen keinem
Menschen Leid oder Böses gethan, der sich unserem
König und mir gutwillig ergeben hat , und hätte
mich dein Volk nicht verachtet, so hätte ich auch
niemals keinen Spiess gegen dieses aufgehoben.
675 Anitzo aber sage mir, warum bist du von ihnen
abgewichen und zu uns anhero kommen.
27
Judith.
Mächtiger Fürst Holofernes , vernimm nun die
Worte deiner Dienerin und höre sie an , denn so
du nach den Worten deiner Magd thun wirst, so
680 wird Gott vom Himmel auch hierzu Glück und
Segen geben. Es lebet König Nabucodonosor, ein
herrschender Monarch des Erdbodens: es lebet
aber auch seine Macht in dir, zu bestrafen alle
Ungehorsamen , denn du kannst ihm nicht allein
685 unterthan machen viele Völker und Menschen,
sondern auch alle Thiere auf dem Land , ja alle
Völker sagen von deiner Heldenmüthigkeit und
Weisheit. Wir wissen auch, was Achior geredet
und was du befohlen hast , ihm anzuthun ; es ist
690 auch in Genüge kundbar, dass unser Gott derge-
stalt mit häufigen Sünden beleidigt ist , dass er
durch seinen Boten hat anzeigen lassen , er wolle
sie gar bald um ihrer Missethaten willen ihren
Feinden übergeben; und also ist auf ein Neues
695 Furcht und Schrecken über sie gekommen, und ich
bin kommen, dir solches anzuzeigen.
Holofernes.
Deine angenehmen Wort' und schöne Zierlich-
keiten erfreuen mein Herz, dass es gegen dich in
grösster Liebe überschwemmt ist. Hast du noch
700 mehr zu reden, so rede: es ist dir völlige Er-
laubniss gegeben,
yudith.
Nun , weil mir denn noch mehr erlaubt ist, so
sage ich dir auch, dass durch dein weises Regiment
sie der Hunger und Durst also überfallen , dass
705 die Hälfte der Israeliten schon unter die Todten
wird gerechnet, ja sie tödten ihr Vieh und trinken
sein Blut. Sie haben sich auch mit verbotenem
heiligen Geschirr, das sie aus dem Tempel ge-
nommen, gegen Gott versündigt, und darum müssen
710 sie ihnen zur Strafe, euch zum Raub werden. Dies
habe nun ich, deine Dienerin, ermessen und bin
28
von ihnen geflohen, und der Herr, mein Gott, hat
mich zu dir gesendet, dir solches anzuzeigen. Ich
aber, obwohl ich zu dir kommen, bin dennoch von
715 meinem Gott nit abgewichen, sondern will meinem
Gott auch bei dir dienen; ich, deine Dienerin und
Magd, werde immerzu hinausgehen und meinen
Gott bitten, dass er mir offenbare, wann er den
Israeliten ihren Lohn und verdiente Strafe über
720 ihre Sünden geben wird; sodann werde ich es dir
offenbaren , dich mithin durch Jerusalem führen,
dass du alles Volk Israel habest wie eine Herde,
die keinen Hirt hat, ja nicht ein Hund wird dich
dürfen anbellen. Dieses alles ist mir von Gott
725 geoffenbart , dieweil er • über sie erzürnt ist ; er
hat mich gesandt, dir dieses anzuzeigen.
Holofernes .
O unerträgliche Liebe ! Mein Herz brennt in vollem
Feuer. Dein Gott hat wohlgethan, dass er dich
zu uns gesendet, auf dass euer Volk uns übergeben
730 werde, und weil dann deine Verheissung gut ist
und dein Gott solches will ins Werk setzen , so
soll er auch mein Gott werden , und du wirst in
dem Hause und Reiche Nabucodonosors gross
sein , ja dein Name wird Ruhm und Lob
735 haben und auf dem ganzen Erdboden gepriesen
werden.
Felix.
O unaussprechliche Klugheit und Schönheit,
des Weibes Gleichen ist nicht auf Erden. Deine
Schönheit und Verstand, o hebräische Frau, ist zu
740 loben und zu rühmen. Wo du hinkommst, wirst
du von Jedermann gepriesen werden.
Holofernes.
Felix, gehe alsobald hin in die Zeltkuchel und
verschaffe ein köstliches Nachtmahl, damit wir
ergötzt und auch diese edelste hebräische Frau
745 beehrt werde.
29
Felix.
Alsogleich solle der Befehl vollzogen werden.
Geht ab. Der Zun schenvor hang ivird herabgelassen.
21. Auftritt.
jfudith ttnd ihre Magd gehen hervor.
Judith.
Gott sei Dank, mein Vorhaben hat schon einen
glückseligen Anfang genommen. Holofernes, trau
nicht zu viel der Weiber Gunst, dann bist du sehr
750 betrogen: ihre List, die richtet dich zu Grund, denn
sie sind schmeichelhaft und verlogen. Liebwer-
theste Magd Abra, anitzo bitte ich mir von dir
sonderlich aus , genaue Obacht zu haben auf all
mein Thun und Lassen, ja sogar auf das Augen-
755 winken und Deuten, denn ich habe ein Vorhaben.
Es gilt Leib und Leben : misslinget die Sach , so
sein wir beide des Todes eigen , gelinget es uns,
so ist Victori und Sieg erhalten , und Gott wird
auch seinen Namen zur Ehr uns der Nachwelt
760 im herrlichen Gedächtniss hinterlassen.
Magd.
Hochgeehrte Frau, es kostet nicht nur ein
Leben, sondern das meinige würde mit dem Eurigen
auch hinweggenommen werden. Es ist also meine
Pflicht und Schuldigkeit, Euch in Allem willigen
765 Gehorsam zu leisten.
2 2. Auftritt.
Hanstvurst kommt.
Hei, hört's, Frau Judl, mei Herr, der Herr
Oxenferna lasst enk sagen und ihr sollt g'schwind
zu ihm auf's Nachtmahl kemma.
yudith.
Alsogleich werden wir erscheinen. Ich will
770 meinem Herrn nichts versagen , Alles , was ihm
30
lieb und wohlgefällig ist, will ich thun mein Leben
lang. Gehen ab. Der Zwischenvorhang zuird aufgezogen.
Es ist eine Tafel mit Speisen und Getränke?i bereitet. Holo-
fernes mit einigen Begleitern und zivei Soldaten. Judith kommt.
Holofernes.
Hochgeehrte Frau Judith , lass dir gefallen, bei
mir zu wohnea, mit mir das Nachtmahl zu halten
775 und dich recht fröhlich zu machen.
Judith.
Ja , Herr , Alles , was meinem Herrn lieb und
wohlgefällig ist, will ich thun \ ich bin mein Leben
lang nie so hoch geehrt worden. Setzt sich.
Holofernes.
Iss und trinke nun , liebwertheste Judith , was
780 dir beliebig ist von meiner Tafel und sei guten
Muthes.
Judith.
Liebwerthester Herr, ich will nicht essen oder
trinken von dem Eurigen, denn ich möchte meinen
Gott erzürnen ; ich habe selbst auf etliche Tage
785 Speise und Trank mitgenommen, und mit demselben
werde ich mich nebst meinem Herrn ergötzen und
erlustigen.
Holofernes .
Wann aber nun jenes aufgezehret, was ihr mit-
genommen? Woher sollen wir hernach was ver-
790 schaffen?
Judith.
Liebwerthester Herr, so gewiss als mein Herr
lebet , werde ich als meines Herrn Magd dieses
nicht alles brauchen : so wird mein Gott durch mich
schon seine wunderbare Allmacht erweisen.
Holofernes.
795 So lebe denn wohl und thu , was dir be-
liebii^ ist.
31
Judith.
Ich bedanke mich hundertfältig für alle erzeugte
Gnad, jedoch eines bitte ich mir bei meinem Herrn
noch aus.
Holofer7ies.
800 Was soll es sein? Keineswegs gebeten, sondern
nur befohlen!
Holofemes.
Alsogleich. Zu einein Soldaten. Gehe hin und ver-
anstalte diese Sachen : dass nämlich diese hebräische
Frau nebst ihrer Magd etliche Tage ohne Hinderniss
805 in dem Lager hin und her passiren werde.
Soldat.
Alsogleich solle der Befehl vollzogen werden. Ab.
Sie trinken Gesundheit ^ es wird auch Musik gemacht. Es
kann auch , so ma7i will , der Hanswurst Spässe machen.
Holofer?zes ,
Nunmehro habe ich in Wahrheit was Ehrliches
gegessen und getrunken. Anitzo aber bitte ich
mir aus von meiner werthesten Judith , mir das
810 Geleit zur Ruhestatt zu geben. Steht auf.
Jtidith.
Liebwerthester Herr, ich, deine Magd, schätze
es mir für die grösste Gnad; dahero nur befohlen,
was beliebt, und nicht gebeten.
Sie gehen, Holofer?tes ist beratischt, sie führt Um.
23. Auftritt.
Vei-wandlu7ig , Bett im Zelte so hergerichtet, dass man den
Hauptmann Holofemes im Bette liegend ztir Hälfte sehen
kan7i, Judith ko7/i7nt, 77iit ihr die Magd.
Judith.
Gott sei abermal Dank, ich habe den vollge-
815 zechten Hauptmann Holofemes zur Ruhestatt be-
gleitet, und Gott hat es gegeben, sobald er sich
in das Bett niedergelegt, ist er augenblickHch ent-
schlafen, damit ich, o Gott, deine »Magd an der
Ehre nicht beleidigt werde. Liebste Magd Abra,
32
820 du bleibst anitzo hier stehen, ich aber gehe wieder
hinein, meinen Gott zu bitten, das vorgenommene
Werk auszurichten, yudith geht hinzu und macht den
Vorhang auf , da zeigt sich Holoferites im Bett. Sie löset
sein dabeihänge?tdes Schzuei t ab, geht zvieder hervor und betet.
Nun aber , mein Gott Israels , stärke mich , deine
schwache Magd, und habe Acht in dieser Stund
825 auf die Stärke meiner Hände. Erzeuge deine All-
macht und Barmherzigkeit , damit du Israel unä
Jerusalem , deine heilige Stadt wieder aufrichtest,
wie du verheissen hast. Gieb deine Gnad, dass
ich, deine Magd, durch dich dasjenige ins Werk
830 vollbringe, was ich aus Hoffnung und Vertrauen
zu dir mir habe vorgenommen.
Es wird eine Vorstellung gemacht, als schlüge die yudith
mit detn Schioert dem Holofernes im Bett das Haupt ab.
Gesang.
Ach, sehet dann, ihr Menschen fein,
Gott zeiget hier alsdann,
Dass er noch stets will holder sein,
835 So man ihn rufet an.
Judith hat's mit Gott frei gewagt,
Mit Heldenmuth das Haupt abschlagt.
Damit der Feind zu dieser Stund
Gerichtet wurd zu Grund.
Judith geht mit dem blutigen Haupte hervor.
Jttdith.
840 O mein Gott, dir, dem Alles möglich ist, sei
unendlich Dank gesagt, dass du mich, deine Magd,
heldenmüthig gestärkt, dem hoffärtigen Hauptmann
Holofernes das Haupt abzuschlagen. Vielgeliebte
Magd Abra, reiche und eröffne alsobald den Sack,
845 das Haupt hineinzuwerfen und lasse uns eilends
durch das Lager hinausgehen zu den Unsrigen.
Tröste dich, o Israel, denn Gott hat durch mich
dem Feinde die Macht genommen. Sie macht zu.
Was mit, Gott gutmeinend wird angefangen , ist
850 niemals zu Grunde gegangen. Uehcn rasch ab.
33
24- 'Auftritt.
Ver7unizdlHng. Vor dem StndttJtore. Ozias ko?nmt mit den Seinen.
Ozias .
Ach, vor Schwermüthigkeit will mir mein Herz
zerreissen , indem ich noch sehr befürchte König
Nabncodonosors Tyrannei und seines Hauptmanns
Holofernes Grausamkeit.
Samuel,
^^55 ^^t liebster Gott im Himmel, erbarme dich unser
und komme zu Hilf deiner Magd, unserer Frauen
Judith. Vier Tag sind schon vorbei, doch aber
zeigt sich keine Hilf noch Erlösung. Judith klopft an.
O Gott, steh uns bei, wer klopfet an der Stadtport?
yiidith ausserhalb.
86o Victori, Victori, der Feind ist geschwächt. Thut
alsobald auf die Stadtport, denn Gott ist mit uns,
der Gnad und Kraft an Israel erzeigt hat.
Ozias .
Gelobt sei der Gott Israels, das ist die Stimme
der Judith. Eilends sperret das Thor auf. Wir
865 wollen ihr mit Ehrerbietung entgegengehen.
Judith kommt.
25. i\uftritt.
Judith.
Dankt Gott dem Herrn , unserm Gott, der nie-
malen verlassen die Seinigen, die auf ihn hoffen
und vertrauen. Er hat Barmherzigkeit erzeigt
durch mich, seine Magd, wie er dem Hause und
870 Geschlecht Israel verheissen hat. Wisset, heute,
diese Nacht ist der Feind durch mich überwunden
und seine Macht geschwächt worden. Judith zeigt
das Haupt. Sehet, sehet, dieses ist das Haupt des
hoffärtigen Fürsten Holofernes; ihn hat Gott der
875 Herr durch mich und meine Hand umgebracht.
Danket ihm dahero Alle, weil er uns Gnad und
Sieg gegeben.
Volksschauspiele. II. 3
34
Alle,
Gelobt sei Gott der Herr, der durch dich unsere
Feinde geschwächt und zu Schanden gemacht hat.
Ozias,
880 Gesegnet bist du von Gott dem Herrn und allen
Weibern auf Erden ; gelobt sei auch Gott der
Herr in dir, der Himmel und Erde gemacht hat :
der hat dir auch Glück gegeben, den Hauptmann
Holofernes, unsern Feind, zu überwinden.
Achior kommt.
26. Auftritt.
Judith.
885 Höre, Achior, derjenige Gott Israels, den du bei
unsern Feinden gepriesen hast , hat die heutige
Nacht durch meine Hand ihr höchstes Haupt um-
gebracht. Siehe , siehe , hier ist der Kopf des
hochmüthigen Hauptmanns Holofernes, der unsern
890 Gott gelästert und auch dir den Tod hat ange-
tragen.
Achior fällt nieder.
Gebenedeit bist du von deinem Gott, wertheste
Frau Judith in allen Kindern Jacobs, ja der Gott
Israel wird an dir gepriesen werden bei allen
895 gläubigen Völkern auf Ei;den.
Judith.
Höret mich nunmehr weiter , liebste Brüder :
sobald nun der Tag anbricht, hänget das Haupt
über die Stadtmauer hinauf Ergreifet auch also-
bald, so die Sonne aufgeht, eure Gewehr und Waffen
900 und fallet mit ungestümen Heldenmuth auf unsern
Feind, alsdann wird ihre Scharwache fliehen und
werden sie ihren Hauptmann vom Schlaf wollen
aufwecken. So wird sie eine Furcht und Schrecken
ankommen, und wenn ihr sehet, dass sie dann ver-
905 zagt und erschrocken seien , jagt ihnen nach , sie
zu vertilgen, denn der Herr will und wird sie durch
eure Waffen zernichten und umbringen.
35
2 7- Auftritt.
Verwandlung. Zelt des Holofernes.
Die Kriegsleute des HoloferJtes: Hartmann , Felix und
Valericus, Hanszvurst, zwei Soldaten.
Hartmann.
Wisset, es ist nunmehr Zeit, dass man unsern
Hauptmann vom Schlaf erwecke, denn die Israeliten
9 IC sind als Mäuse aus ihren Löchern geschloffen und
begehren uns zum Streit.
Felix,
Wer wird sich getrauen, ihn aufzuwecken, denn
es ist bei Lebensstrafe verboten, ihm im Schlafe
nicht Unruh zu machen.
Valericus .
915 Was dienet er dann dem König, oder was wäre
er ihm dann nutz, wann er sollte schlafen, wenn
die Zeit, mit unseren Feinden zu streiten, vorhanden
ist? Also Hanswurst, geh du hin und wecke
Holofernes vom Schlaf.
Hanswurst.
920 Glei, glei, weil ös mehr kein Kuraschi habt.
Geht hinzu und klopft. Sö , Herr Oxferna, auf sollt
a stehn, denn d'Mäus san aus ihren Löchern ge-
schloffen. Klopft nochmals. Hei , Herr Oxferna,
seid kan Narr, das is kein Schlaf. Auf sollt a
925 stehn. Der Kerl hat an Schlaf als wie a todtes
Ross. Hei, Judl , weck du den Oxferna auf,
wann d' drin bist. Na schau , i muss schon gar
eini gehn. Geht hinein. Hei , Herr Oxferna,
g'schwindt sollt a aufstehn ! — Ja hazi , was ist
930 denn das? Geht heraus. Hei^ weist was Neues?
Der Herr Oxferna liegt drin, er hat kein Haupt,
kein Kopf und kein Schädel, dös hat g'wiss than
die Sakraments hebräische Gredl.
3*
36
Hartmann.
Was redest du? Unser Hauptmann ist seines
035 Lebens beraubt?
Hansii'iirst.
Geh selbst hinein, wanns d' es nit glauben willst.
Hartnia?zn macht auf und schaut hinein.
O unerhörte Bosheit. Wehe, wehe, ein einziges
hebräisches Weib hat das ganze Reich und Kriegs-
heer Nabucodonosors zu Schanden gemacht. Holo-
940 fernes liegt todt zur Erde und ist ihm der Kopf
abgehauen.
Felix.
O unerhörte Grausamkeit. Aber darum hat der
Teufel dieses falsche, verfluchte Weibsbild anhero
gebracht , ein solches erschreckHches Blutbad an-
945 zurichten.
V^alericus.
Ach, was ist nunmehr anzufangen? Unser bester
Kamerad ist todt. Wir müssen alle zu Schanden
werden : lasset uns gar bald von hier abweichen,
ehe dass uns unsere Feinde überfallen und zu
950 Nichte machen. Wird getrommelt tind Lä)t)i gemacht.
Hartmann.
Fliehet, fliehet, die Feinde überfallen uns.
Ozias , Piimo und Samuel laufe?i ein mit blossem Schioert;
Rufe: ^hierher, hierher, hauet und schlaget todt! i. Sie laufen
ihnen nach und hierauf ab. Darauf ivird eine Vorstellung
vom Streit gemacht. Ozias überwindet den Hartmann, Puma
den Felix und Samuel den ValeHcus.
Gesang.
Auf, auf, ihr tapfern Helden, dann
Und greifet nach dem Schwert,
Streit't mannlich für das Vaterland,
955 So lang das Leben währt;
Der Feind schon unterlieget,
Und Gott hat ihn besieget :
Dem sei Lob, Dank zu jeder Zeit —
In alle Ewigkeit. Vorhang wird abgelassen.
37
28. Auftritt.
Ozias mit den Seine?t, Joachim mit Judith»
Ozias.
960 Gelobt sei Gott zu dieser Stund, denn der Feind
ist überwunden.
Joachi?n .
Gelobt sei der Gott Israel und die hochwertheste
Frau Judith. Du bist die Ehre der Stadt Jerusalem,
du bist die Freude des ganzen gläubigen Volkes
965 Israel, du hast heldenmüthig gehandelt, deine
Hand ist gestärkt Worden von dem allmächtigen
einigen Gott, weil du Treu und Keuschheit ge-
liebt hast. Gesegnet und gebenedeit seist du in
Ewigkeit.
A//e.
970 Amen, Amen! Ja gebenedeit sei Gott und die
hochwerthe Frau Judith.
Judith .
Weilen uns denn Gott mächtigen Sieg ertheilet,
so lasset uns ihm zu Jerusalem Dankopfer bringen.
Wir wollen auch zum ewigen Angedenken dieses
97 5 Siegs das Schwert des Hauptmanns Holofernes,
mit welchem ich ihm das Haupt abgeschlagen, im
Tempel aufhängen und Gott anitzo mit einem
Lobgesang ehren und preisen.
Gesang.
O Gott, wir benedeien dich
980 Und deinen heiligen Namen
Und rufen alle samentlich
Mit Herz und Mund zusammen :
Gelobet seie jederzeit
Deine Allmacht und Barmherzigkeit,
985 Die itzt sodann in dieser Stund
Den Feind gericht't zu Grund.
38
Weiter, o Gott, wir auch bitten than,
Für unsre Landesmutter fein,
Wann sie die Feind' thun greifen an
990 Thu unser Helfer sein.
Wir kommen auch zu beten :
O thu uns all' erretten,
Damit dein Nam auf dieser Erd
Allzeit geheiligt werd.
Vorhang fällt.
HIRLANDA.
^
PERSONEN.
Fürst Artus.
Hirlanda, seine Gemahlin.
Bertrand, deren Sohn.
Gerhard, des Fürsten Bruder.
Olive, Minister.
Ritter Riese.
Die Gräfin, Olives Base.
Coelestinus, der Abt von St. Malo.
Ein Jude, Arzt.
Radegunde, Hebamme.
Die Amme.
Ein Richter.
Eduard, ein Bote.
Ein armer Student.
Ein Engel.
Zwei Matrosen.
Zwei Henker.
Die Leute des Abtes.
1. Auftritt.
Gerhard im Schlosse.
Verdriesslich und unzufrieden muss ich fast
jeden Tag anfangen, denn alle meine Anschläge
sind mir zu Wasser geworden ; ich hoffte mir den
ruhigen Besitz des Reiches, aber nun ist Alles ver-
5 loren, die Hoffnung ist verschwunden. Aber Re-
giersucht schwebt in meinem Herzen : alle Unter-
thanen sind mir zu Feinden geworden ; die Ver-
mählung meines Bruders trachte ich zu verhindern,
aber nicht geht es nach meinem Vorhaben : jedoch
IG nur nicht verzaget sein, mein Gerhard! vielleicht
lässt sich was ersinnen. Ihre Ehre trachte ich zu
vernichten : es muss Beiden das Leben kosten, eher
werde ich mein Haupt nicht unter die Erde legen.
Seine Abreise ist mir bekannt, alsdann will ich
15 meinem rachgierigen Herzen eine Labung ver-
schaffen, — Halte ein, es kommt der Fürst.
2. Auftritt.
Fürst Artus tritt auf.
Gerhard.
Ganz gehorsamster Diener, Herr Fürst und
Bruder.
Fürst.
Gleichfalls, Bruder und Unterthan meines Herzens.
20 Die so schnelle Abreise nach Frankreich, der so
schwere Krieg, der bevorsteht, die traurige Abreise
42
meiner Gemahlin macht mir mein Gemüth so
schwer, dass ich manche Nacht ganz schlaflos zu-
gebracht habe und dies auch nicht zu lindern weiss.
Gerhard.
2 5 Gnädigster Fürst und Bruder, nicht allein Euch,
sondern auch mir verursacht es manchen Schmerz,
wenn ich bedenke die mühsame Reise , die vielen
Beschwerden, die Ihr zu erdulden habet, den trau-
rigen Zustand der Sachen, und was noch mehr, den
30 betrübten Abschied Eurer Gemahlin, dann die Liebe,
die sie zu Euch hegt, ist unermesslich : darum will
ich jene Stunde nicht bei Hofe sein , wenn Ihr
werdet Abschied nehmen.
Fürst.
Noch diesen Morgen muss es geschehen , denn
35 es leidet nicht den mindesten Aufschub: darum
sollt Ihr anstatt meiner die Stelle vertreten , denn
an Euch steht mein Vertrauen; richtet nicht scharf,
verstopfet nicht die Ohren , höret das Bitten der
Armen an und seid ein milder Regent über
40 meine Untergebenen. — Habt genaue Aufsicht auf
meine Hirlanda , denn die Zeit ihrer Entbindung
nahet heran, und machet es mir gleich zu wissen,
wenn es sich zu Ende gestellt hat: und jetzt gehet
hin , bereitet Alles, was mir zu meiner Reise noth-
45 wendig ist.
Gerhard.
Ich danke Euch für so hohe Gnaden , die ich
von Euch erlange , indem ich mich für unwürdig
schätze, und werde Alles nach Eurem Befehl genau
vollziehen. Gerhard geht ab.
3. Auftritt.
Hirlanda tritt ganz tratirig auf.
Hirlanda .
50 Ach, vielgeliebter Gemahl, wie geschwind ver-
schwindet die Freude und bringt das höchste Leid !
43
Ach Gott, wie geschwind muss ich deiner Gegen-
wart beraubt sein. Ach, könnte ich mit dir ziehen,
wie gerne wollte ich Kreuz und Leiden mit helfen
55 tragen: ach Gott, wie gern wollte ich mich be-
mühen, und mit dir in das Feld ziehen, wenn es
sein könnte. Ach, wie habe ich mir einen Trost zu
ertheilen ; der liebe Gott wird's geben, dass du nur
bald wiederum zurückkommst.
Fürst.
6q Nur nicht so bekümmert, liebste Gemahlin und
Fürstin , der Hebe Gott wird dich in Schutz er-
halten; im Uebrigen habe ich Alles meinem Bruder,
dem Hofminister, anbefohlen, der dir anstatt meiner
in deinen Nöthen wird Hilfe leisten. Lasse es nur
65 Gott über, im Uebrigen haben wir nichts zu be-
fürchten ; ich werde ja von Herzen erfreut sein,
wenn ich werde zu wissen bekommen, was uns au-
jetzo noch verborgen ist.
Hirlanda.
Ach, ich wollt', ich könnte es ändern, und deine
70 so weite Reise noch aufschieben, denn dieses
fürchte ich als wie selbst den Tod. Sie woidet sich
ab tr/id rueint kläglich. Ach, liebster Gemahl, musst
du denn fort? — Ja fort — ja fort! —
Fürst.
Ach, liebste Gemahlin, ich kann ja nicht anders —
75 ich bitte dich, weine doch nicht.
Hirlanda.
Weil es sein muss, nun so soll es geschehen.
Weint,
Fürst .
Lebe wohl, — so will ich gehen.
Hirlanda .
Liebster Gemahl, ach, lebe wohl.
44
Fürst.
Lebe wohl, liebste Gemahlin, lebe wohl
80 ich gehe. Geht ab.
Hirlanda.
Ach weh, ach weh ! Ach Gott im Himmel, dir sei
es geklagt, ach, was für eine traurige Stunde ist
diese ! Ach Gott, wie kurz ist die Zeit, die du mir zu
geniessen giebst in Freuden. Ach, liebster Gemahl,
85 ohne deiner kann ich nicht leben; Gott gebe es,
dass er nur bald zurückkommt! Ach mein Gott,
ich erwarte nichts Gutes ; in meinem Herzen
empfinde ich die empfindlichsten Schmerzen , ich
befürchte ein grosses Uebel. Ach , du armes
90 Kind, könnte ich dich bald umarmen, so wäre
ich erquicket, aber jetzt ruhest du noch unter
meinem Herzen ; aber bald , liebes Kind , werde
ich dich mit meinen Augen sehen. Unter Gerhards
Gewalt fürchte ich zu leben, er ist ein Feind der
95 Armen, und ein Feind der Unterthanen, und ich
suche unter ihnen meme Freude. Geht ab.
4. Auftritt.
Gerhard tritt auf.
Anjetzo kann es sein, dass sich was thun lässt,
was ich mir wünsche. Der Fürst ist fort : wer
weiss, kommt er wieder zurück? Dann blüht auf
100 meiner Seite das Glück, ich wollte es mir wünschen.
Mit der Fürstin verfahre ich, wie es mir gefällt,
und wie es sich thun lässt. Der Fürst ist bald
überredet, wie mich bedünkt, und ich werde ge-
wiss im mindesten nicht fehlen und ihm brav
105 vorlügen; ich werde ihm mit einer Sache kommen,
und ich weiss es gewiss, er hat kein Wohlge-
fallen daran ; ich werde es schon machen , und
werde gewiss nicht nachlassen, bis ich selbst Be-
sitzer des Reiches bin. Aber es kostet Besinnen
110 und Rathen, um die Sache mit Behutsamkeit an-
45
zugreifen. — Horch, wer kommt? Ich soll ihn
kennen I
5. Auftritt.
Der Jude tritt ajif.
Jude.
Euer Gnaden werden verzeihen , dass ich mir
die Freiheit habe genommen, Euch zu besuchen:
I T 5 die alte Freundschaft hat mich bewogen, weil ich
gerade den Weg von London komme.
Gerhard.
Habt Dank, Bruder und Herr Doktor, für die
Ehre, die Ihr mir durch Eure Gegenwart erwiesen
habt , und bitte mir die Ehre aus, zu fragen, was
120 giebt es Neues, und wie befindet sich der König
Richardus in England? Wie steht's mit seiner Ge-
sundheit ?
Jiide.
Gar schlecht gar schlecht : sein Zustand ver-
schlimmert sich fast täglich ; mit allen meinen
T25 Künsten kann ich nichts ausrichten, obwohl ich
schon allen mögHchen Fleiss angewendet. O Gott 1
könnte ich das Wahre erfinden !
Gerhard.
Ist denn nun, wie Ihr saget, für ihn keine Hilfe
zu erfinden zu seiner Gesundheit?
Jude.
T30 Es wäre Hilfe, aber sie zu erlangen eine Un-
mögHchkeit ; eine Sache von sehr hohem Werthe,
nicht von wegen Geldes, das ermangelt nicht, aber
in der That ein unmögliches Ding.
Gerhard.
Das muss was Grosses sein , weil Ihr es für
135 eine Unmöglichkeit haltet, weil doch sonst Alles
um Geld zu bekommen ist. Saget es mir , viel-
leicht kann ich mit Rath dienen?
46
- Jtide.
Könnte wohl sein , ich halt's dafür , und wenn
ich Euch die Wahrheit sagen darf, so könnte es
140 vielleicht in Eurer Macht sein.
Gerhard.
Sollte es in meiner Macht sein, so saget es mir
bald, denn um die Gesundheit eines Königs muss
man keine Stunde verschieben, und ich würde es
für eine Beleidigung halten, wenn Ihr mir solches
145 nicht entdecktet.
Jude.
Ein grosses Unternehmen, aber weil Ihr es ver-
langt, so will ich es Euch nicht verhalten : in dem
Blut eines neugebornen Kindes, auch vom adeligen
CTeschlechte entsprossen , wird der König seinen
150 Aussatz heilen, und dieses wäre das Ganze.
Gerhard.
Eine schwere Sache , eine Sache , die zu be-
denken ist: jedoch sage ich, und halte es nicht
für unmöglich, wenn nur — nur — Geld —
Jude.
Geld ist , wollt Ihr sagen : das soll nicht fehlen,
155 wenn nur die Sache gewiss wäre.
Gerhard.
Was wollet Ihr geben , wenn ich Euch solches
überhefere ?
Jude.
Wenn es in Allem geheim geschehen kann, und
Ihr Euch getraut, und Gewissheit ist, so gebe ich
160 Euch 1200 Reichsthaler und einen köstlichen Ring,
auch wird es Euch grosse Ehre sein , wenn Ihr
auf die Wohlthat eines Königs ein so grosses
Werk unternehmet.
Gerhard.
Nun wohlan , ich will es wagen , das Spiel sei
47
165 gewagt, jedoch nicht geschwind, vielleicht erst
mit dem halben Monat, denn die Zeit der Ent-
bindung muss abgewartet werden.
Jude.
Edler Prinz und Herr, die Sache muss also
klug angegriffen werden , denn das baare Geld
170 sollt Ihr alsobald haben, auch müsstet Ihr mir
genaueste Gewisshgit bestimmen , wann mir das
Kind überliefert wird , und den Adel der Mutter
mir nicht verhalten , damit ich mich zu richten
weiss. Sobald dieses ist, sollt Ihr das baare Geld
T75 haben.
Gerhard.
Ich bitte mir eine kleine Geduld aus, ich muss
die Hebamme rufen, alsdann werdet Ihr die ge-
naue Wahrheit erfahren. Läutet mit einem Glöcklei?i.
6. Auftritt.
Die Hebamme Radegunde kommt.
Radegunde.
Euere unterthänigste Dienerin , gnädigster Hof-
180 meister; was steht zu Diensten?
Gerhard.
Euch wird bekannt sein, wie bald die Ent-
bindung unserer Fürstin nahet, mit Gewissheit.
Radegunde .
Edler Herr, Euch zu dienen, bin ich allzeit be-
reit, nach Eurem Willen zu thun. Unsere gnädig-
185 ste Fürstin geht in das neunte Monat schwanger,
und wird bis in ein oder zwei Wochen mit Gottes
Hilfe Kindes Mutter werden; dieses kann ich
Euch mit Gewissheit sagen. Geht ab.
Gerhard.
Nun habet gehört mit eigenen Ohren.
48
Jude.
T90 Wie ich vernommen, muss, soll das Euere
Schwägerin sein ; aber gehet nur die Sache behut-
sam an , denn es ist eine schwere Sache. Aber
haltet Euer Wort, bis in 14 Tagen erwarte ich meine
Klarheit. Hier habt Ihr das Geld und den Ring,
195 aber gebt Acht, dass Ihr nicht ertappt werdet.
Gerhard,
Ueber dieses lasst nur mich bekümmert sein.
Jude.
Ich empfehle mich in ferneren Gunst und Ge-
wogenheit und erwarte Euch in 14 Tagen bei
San et Malo. Geht ab.
Gerhard.
200 Nun also, der Handel ist geschlossen, nun heisst
es Wort halten. Ich habe das Geld in Händen
und damit werde ich probiren. Ich weiss schon,
wie ich's machen will ; mit Radegunde werde ich
sprechen, und diese wird mir schon an die Hand
205 gehen; ein Weibsbild ist leicht überwunden, ich
werde sie rufen. Geht zur Thür und spricht hinaus.
7. Auftritt.
Hebamme tritt auf.
Gerhard.
Wisset Ihr, warum Ihr gerufen seid ?
Rade^inde.
Ganz und gar nicht, gnädigster Herr Hofmeister,
ich befürchte, ich habe Euch beleidigt.
Gerhard.
210 Ihr habt nichts zu befürchten, sondern nur
meine Gunst zu erwerben , wenn Ihr mir wollet
gehorsam sein , denn ich habe eine Sache mit
Euch auszurichten von sehr hohem Werthe.
49
Radegunde.
Alles, was Ihr mir befehlet, bin ich bereit zu
215 vollziehen, wenn es nichts Unbilliges ist; Ihr sagt
aber von Sachen von hohem Werthe , und dieses
wird vielleicht nicht in meinen Kräften sein, denn
ich bin eine Weibsperson von geringem Stande,
und mit Standespersonen, wie Ihr seid, zu handeln,
220 wird mir vielleicht schwer fallen.
Gerhard.
Es scheint in der That schwer, ist aber dennoch
wohl zu thun möglich, dafür werde ich Euch gut
bezahlen \ auch Alles , was von mir begehrt wird,
könnt Ihr erhalten : saget nur, ob Ihr nach meinem
225 Willen thut, es soll Euch nicht gereuen.
Radegunde.
Ich sage Euch Dank für so viele Gnaden, die
Ihro Gnaden mir zu erweisen gegeben haben ; nach
billigen Sachen werd' ich zu dienen allzeit be-
reit sein.
Gerhard.
230 Nur kurz gefasst, es bringt Euch Reichthum, und
ich halte mein Wort. Nun versprechet mir mein
Begehren , ehe ich Zorn fasse, denn mir seid Ihr
zu dienen schuldig.
Radegunde .
Herrendienste sind schwere Dienste ; ich werde
235 Euch gehorsamen, entdecket mir Euer Begehren,
es wird doch den Kopf nicht gelten.
Gerhard.
Ihr wisset, dass in meinem Herzen Hass und
Rache über den Fürsten und seine Gemahlin steckt :
um ihre Ehe zu vernichten drohte ich, und da
240 jetzt die schönste Gelegenheit ist, dass ich das
Reich könnte an mich ziehen ; derowegen befehle
ich Euch , dass Ihr mir das Kind , sobald es ge-
boren ist, in meine Hände überliefert.
Volksschauspiele. II. 4
50
RaJeziifide.
Wollet Ihr es ermorden, das arme Kind ? Ach,
245 du armes Waislein !
Gerhard.
Ich werde es nicht ermorden, es kommt nach
Engelland.
Radegiinde.
Habt Ihr es gewiss verkauft dem gottlosen Juden,
mit dem ich Euch reden sah:
Gerhard.
250 Ist's wie es will, thut Ihr, wie ich gesagt habe;
hier habt Ihr 100 Thaler und bemühet Euch, die
Sache geschickt anzugreifen, und der Fürstin wacker
vorzufaseln , als wenn sie kein natürliches Kind
geboren hätte.
Radegunde,
255 Ist's gewiss ein schweres Stück, aber dies muss
auch die Amme so gut als ich wissen, denn unter
uns liegt das Meiste.
Gerhard.
Man wird die Sache schon treffen , unterdessen
haltet es geheim, so Euch Euer Leben lieb ist, und
260 haltet nur Wort.
Radcgnnde.
Ihr dürft Euch verlassen, es bleibt dabei.
Geht ab.
Gerhard.
Anjetzo habe ich Wasser auf meine Mühle. Gut
getroffen, das Geld macht Alles recht : Radegunde
ist überwunden, und die Amme muss ; dem Fürsten
265 weiss ich schon zu pfeifen, Hirlanda muss mir in
die Hände fallen , an ihr will ich meine Rache
kühlen, drum will ich Alles aus meinem Herzen
ziehen; den Bogen weiss ich schon zu spannen,
dass er gut schiesst. Geht ab.
51
8. Auftritt.
Ilh-landa tritt auf.
Hirlanda.
270 O Himmel! wie lang vverd ich noch trauern
müssen ! Ach, liebster Gemahl, wie lange wartest
du noch, und wann kommst du, mich zu trösten?
O Gott! verleihe mir Geduld in meinen Leiden,
lasse keinen Widerwillen in meinem Herzen ein-
275 schleichen, dir allein klage ich meine Noth : ich
befehle mich dir mit Leib und Seele und opfere
dasjenige auf, was ich noch nie gesehen habe.
Hilf streiten, o mein Gott, meinem Gemahl und
allen kaiserlichen Streitern, und erbarme dich aller
280 Armen und sei ein wahrer Tröster aller Betrübten.
9. Auftritt.
Ein armer Student tritt bittend auf.
Der Arme.
Ich bitte unterthänigst um Verzeihung meiner
Kühnheit und bitte um ein christliches Almosen.
Hirlanda .
Ach , liebstes Kind , mit bereitwilligem Herzen
werdet Ihr es erlangen ; hier habt Ihr, und wenn
285 Ihr das verzehret habt, so kommt wieder.
Der Arme.
Tausend und tausend mal sei Euch gedankt für
so grosse Güte, die ich, gnädigste Fürstin, von
Euch erlanget hab ; der liebe Gott erhalte Euch
in bester Zufriedenheit und führe Euch nach Eurem
290 Tod in das ewige Himmelreich.
10. Auftritt.
Gerhard steht zuerst hifiter der Thür , hört ihnen zu und
tritt sodann vor.
Gerhard.
Was giebt es hier für Buhlschaften und Kuppeleien?
Schändlich! Habe ich Euch einmal ertappt? Was
4*
52
machest du allda im fürstlichen Hause und in den
Zimmern : Du ehrvergessene Metze , was kann
295 mich hindern, dass ich dir den Dolch in den
Leib stecke ? Er ersticht den Armen tind ruft die Schergen^
Der Arme.
Ach weh ! Er stirbt. Die Schergen treten ein.
Gerhard.
Nun, ihr Diener und Soldaten, eilends kommet
herbei , und sehet die Ehrvergessenheit unserer
300 Fürstin an und diesen losen Bösewicht, der jetzt in
seinem geilen Blute röchelt: werfet ihn hinaus, er
ist nicht mehr werth. Sie gehen mit dem Todten ab.
Hirlanda.
O gottlose Zunge , was redest du ? Was muss
ich hören und sehen? Was hat dieser Arme ver-
305 schuldet, dass Ihr ihn so jämmerlich ermordet, der
nichts Cnrechtes begangen, nur um ein christliches
Almosen mich bat ! O Gott im Himmel , sieh
dieses Unrecht an und erbarme dich seiner armen
Seele.
Gerhard.
3 1 o Nur Still geschwiegen und kein Wort zu Euerer
Vertheidigung, ich habe Euch bei der That erwischt,
es sind Zeugen vorhanden , Eure Treulosigkeit ist
an den Tag gekommen, dem Fürsten wird es zur
Ehre gereichen, wenn man Eure Schandthaten an
3 1 5 den Tag giebt, welches ich ihm alsogleich berichte ;
ich weiss gewiss, dass er mich gut dafür belohnen
wird. Geht ab.
Hirlanda .
O barmherziger und gütiger Gott, ach, sieh doch
mit barmlierzigen Augen an die Ungerechtigkeit,
320 so man mir bezeiget; du weisst ja, dass ich dich
mit diesen Dingen , so man mich beschuldiget,
niemals beleidigt habe. O ehrvergessene Zunge,
wie wird es dich einmal gereuen 1 Ach Gott, ver-
zeih ihm solche Unthat, strafe ihn nicht in deinem
53
325 Zorn, sondern gieb ihm solches zu erkennen, damit
er seine Fehler kann büssen und sie nicht in jener
Welt vorbehalten sind ; um dieses bitte ich dich,
o Gott und Herr, um deines Namens willen.
Geht ab.
11. Auftritt.
Gerhard tritt auf.
Nun bin ich froh über die Maassen , denn der
330 erste Grundstein ist gelegt, ich habe schon passabel
was ausgerichtet : einen schönen Beweis kann ich
dem Fürsten in die Hand geben ; ich weiss gewiss,
ich kann was ausrichten : der Fürst ist jäh in seinen
Urtheilen, das weiss ich, ich kenne seinen Humor.
12. Auftritt.
Radegunde tritt auf.
Radegunde.
335 Ist dieses wohl wirkliche Wahrheit, was in diesen
Tagen mit unserer Fürstin sich zugetragen hat?
Gerhard.
Es ist nicht wahr, denn dieses hab ich gethan,
damit ich sie vertilgen kann , und dieses ist mir
trefflich gelungen , dass mir der Bettelstudent in
340 die Hände hei. Auch ein schönes Stück, weil
mir die Gerichtsknechte müssen Zeugen sein. Um
es desto glaubwürdiger zu machen, müsset auch Ihr
mir starkmüthig in die Hände gehen und mit der
Fürstin verfahren, wie ich Euch befehle ; seid nur
345 saumselig in den Pflichten, die Euch in ihrer
Niederkunft betreffen könnten, damit sie etwa gar
ums Leben kommt, welches für Euch viel schöner
ausfiel. Brauchet nur Fleiss, dass die Sache bald
zu Ende geht.
Radegunde.
350 So viel ich kenn', so wird es noch diese Nacht
zu Ende gehen , denn sie befindet sich in sehr
54
üblem Stande , und die Stunde der Geburt nahet
herzu : darum werd ich die Sache schon klug an-
greifen , damit kein Argwohn verspürt wird ; dazu
355 wird auch die Amme ihr Möglichstes thun , denn
sie hat mir versprochen , selbst mit dem Kinde
abzureisen.
Gerhard.
Seid nur herzhaft und unverzagt , ich werde
Euch nicht unbelohnt lassen ; dazu habe ich auch
360 das Schiff schon bestellt, welches mit dem Raube
geschwind absegeln wird ; denn der Jude erwartet
es bei St. Malo am Ufer des Meeres. Beide ab.
13. Auftritt.
Der Abt von St, Malo tritt atif.
Abt.
Die Zeit meiner Jahre verschwindet wie der
Rauch im Winde; eine geraume Zeit bin ich dieser
365 Burg vorgestanden, aber nun muss ich ausrufen:
»Nun, o Herr, lasse deinen unwürdigen Diener
in Frieden verenden , meine Tage werden zu
Ende gehen«.
Ein Engel erscheint.
14. Auftritt.
Engel.
Coelestinus ! wo bist du ?
Abt.
370 Hier bin ich!
Engel,
Merk auf und höre mich ! Verrichte das
ernstliche Gebot, so dir dein Herr und Gott durch
mich verkünden lässt. Nun höre : Nimm deine
tapfern Krieger und setze dich zu Schiff und erobere
375 das fürsdiche Kind, welches dir entgegen kommt,
und erwarte Alle , so auch das Kind ; bewahre
aber die Amme und das Kind ; das sollst du er-
ziehen in aller Tugend , und die Amme sollst du
55
eingekerkert behalten , bis ich dir weitere Nach-
380 rieht bringe, was zu thun ist; denn das Kind
wird heute Nacht geboren und ist einem gott-
losen Juden verkauft worden, von einem ehrver-
gessenen Prinzen: dazu befolge den göttlichen Be-
fehl. GkJU ab.
Abt.
385 Dem götthchen Befehl bin ich Tag und Nacht
bereit und danke dir, o grosser Gott, dass du
mich gewürdiget hast, mir, deinem unwürdigen
Diener, deinen götthchen Befehl zu ertheilen.
G:ht ab.
15. Auftritt.
Gerhard und gleich nach ihm Radegunde treten auf.
Gerhard.
Nun bin ich begierig, wie das Ding gehen wird,
390 wie bald Radegunde wird Nachricht bringen; ich
glaub, sie kommt schon. Was bringt Ihr mir
Neues, wie steht's mit unseren Geschäften?
Radegunde.
Ganz in der Ordnung ist Alles , und ist Alles •
nach Eurem Vorwunsch gegangen. Die Amme
395 ist mit dem Kinde schon abgereist, und ich er-
warte sie alle Augenblicke.
Gerhard,
Glück über Glück! So ist das Kind schon fort?
Warum seid Ihr nicht zu mir gekommen?
Radegunde.
Bereits eine halbe Viertelstunde klopfe ich an
400 Eure Thür, und kein Zeichen ward mir gegeben,
und es litte nicht den geringsten Verzug, denn
der Thorwächter war am hohen Gange, und ich
befürchtete , er möcht mich hören : und so ging
die Amme mit schnellen Schritten nach dem
405 Schiffe, wie Ihr's bestellt habt, und ich erwarte sie
mit Sehnsucht.
56
Gerhard.
Ich danke Euch für die treuen Dienste, die Ihr
gethan habt : hier habt Ihr noch ein gutes Trink-
geld. — Und wie verhielt sich die Fürstin?
Giebt ihr Geld.
Radegunde.
410 Sie fiel in währender Geburt in schwere Ohn-
macht, und dieses war das Geschickteste mit dem
Kinde zu verfahren. Wie sie wieder zu sich
kam, fragte sie gleich nach ihrem Kinde, und ich
sagte ihr : es sei keine natürliche Leibfrucht ge-
415 wesen, sondern nur ein todter Fleischklumpen, welcher
vielmehr einem Hunde als einem ]Menschen gleiche,
den ich, um dem Schrecken vorzukommen, gleich
in das Wasser geworfen habe. Da fiel sie wieder
in eine tiefe Ohnmacht. Von da kam ich zu
420 Euch, sichreres kann ich Euch nicht anzeigen,
bis die Amme zurückkommt, auf welche ich be-
gierig warte.
Gerha)-d.
Gut getroffen ! Ein guter Theil meiner Gedanken
ist befriedigt, nun heisst es wieder gewagt. Xun
425 will ich es mit der Fürstin wagen, damit auch
sie kann in die Erde beissen ; ich will sie bei
ihrem Gemahl verklagen , und sie für eine öftent-
liche Ehebrecherin erklären ; dazu habe ich zwei
schöne Punkte : der Bettelstudent und die ver-
430 meinte jNIissgeburt geben mir gewiss die Stränge
in die Hand , sie zu erwürgen : ich bin fast ver-
sichert, er übergiebt mir's in meine Hände; als-
dann weiss ich schon, was zu thun ist, und werde
den Boten alsogleich abschicken mit dem Briefe.
Ruft den Boten Eduard,
16. Auftritt.
Eduard tntt auf.
Gerhard.
435 Richte dich in Ordnung, du musst schnell mit
einem Brief, den ich dir gleich geben werde, ins
Feld zu dem Fürsten.
57
Edtiard.
Ich werde schnell beisammen sein. Beide ab.
17. Auftritt.
Eduard tritt auf.
Eduard.
Nun bin ich fertig; wenn man nicht viel hat,
440 ist man gleich beisammen. Ich bin zwar gut ver-
sorgt für die Reise ; ja bei der Zeit muss man
gut versorgt sein, wenn man eine solche Reise
unternehmen will. Was es sein muss , weiss ich
selbst nicht : ein Gegenstand von wichtigen Sachen,
445 das scheint mir. Aber was bekümmert mich das?
Ha! ich höre schon den Hofmeister kommen, er
ist auch schnell bei der Hand. Gerhard tritt auf.
18. Auftritt.
Gerhard.
Hier hast du den Brief und reise schnell!
Edtmrd.
So schnell, als ich es vermag. Ab. ^
Gerhard.
450 Nun, der Bote ist fort: ich bin sehr neugierig,
ob die Sache so geht , wie ich's wünsche ; der
Brief ist zwar gut mit Betrug angefüllt , er muss
meinen Bruder rasend machen , dass er Hirlanda
mir übergiebt und zum Tode verdammt, und
455 ich werde mein Haupt nicht zur Ruhe legen,
bis ich Besitzer dieses Reiches bin. Ab.
19. Auftritt.
Verwandlung. Ufer bei St. Mala.
Der yude tritt auf^ mit zwei AIatrose?t.
Jude.
Nun sind wir an dem Ufer von Sc. Malo, wohin
mich der Hofmeister Gerhard bestellt hat; habt
5«
ihr Alles in Ordnung gerichtet , dass wir im Flug
460 absegeln können?
Erster Matrose.
O ja, es ist Alles gut gerichtet, wir können in
Schnelligkeit absegeln ; aber sagt mir , wer bringt
uns denn das Kind, das wir überliefern sollen?
Jttde.
Eine Weibsperson soll es uns überliefern, so
465 hab ich's mit dem Hofmeister ausgehandelt.
Zr-jeiter Matrose.
Aber das ist ein gefahrvolles Unternehmen :
wenn wir ertappt werden , dann setzt es gewiss
blutige Schädel ab.
Erster Matrose.
O , da fürchte ich nichts ; wo Geld ist , da ist
470 auch Tapferkeit.
Jude.
Da ist kein Mangel, wenn wir nur die Sache
ins Werk stellen.
Zzveiter Matrose,
Wo Geld ist, da bin ich auch ein guter Heldl
Erster Matrose.
Ha! Dort seh ich schon einen Menschen laufen!
Ziueiter Matrose.
475 j3-> ]^^ sie scheint ganz athemlos zu sein.
Jude.
Ja, sie ist die Erwartete mit dem Kinde; dem
Herrn sei's gedankt, sie kommt schon.
20. Auftritt.
Die Amme kommt mit dem Kinde.
Amme.
Seid Ihr es, die Ihr auf Befehl des Hofmeisters
Gerhard auf mich wartet?
59
Jude.
480 Ja, ja, ich bin von Allem unterrichtet, ich weiss
von der ganzen Sache.
Amme.
Nun, hier habt Ihr das Kind, ich übergeb Euch's :
sehet zu , dass Ihr so glücklich fortkommt
als ich.
Jude.
485 Seid ohne Sorgen, ich weiss schon fortzukommen;
hier habt Ihr auch ein kleines Trinkgeld. Jetzt
geschwind fort damit!
Amme.
Ich dank, ich dank, ich wünsche viel Glück
damit.
Sie wollen abgehe?i.^ 'werde?i aber zurückgetrieben.
21. Auftritt.
Der Abt mit seinen Leuten tritt schnell auf.
Abt.
490 Halt ! du verrätherischer Jude, mit deinem Raub 1
Lass ab von deinem falschen Vorhaben , oder du
musst deine schwarze Seele auf diesem Ufer aus-
hauchen.
Jude,
Was, was ! Sind wir in Räubershänden, die uns
495 hier aufhalten?! Wir haben keinen Raub ; ich bin
ein Doctor , welcher nach Engelland reist , um
die Gesundheit des Königs herzustellen.
Abt.
Bist du, wer du willst, das kümmert uns nichts.
Wo hast du das ungetaufte Kind vom Wege?
500 Uns sandte Gott zu seiner Rettung! Nur schnell
her damit, oder ich durchbohre deinen Körper!
Jiide.
Was geht Euch dieses an? Ich habe es recht-
6o
massig erkauft: es ist mein Eigenthum, diese sind
Zeugen.
Alk.
505 J^> j^> ^s ist wahr!
Abt.
Schweigt, ihr falsche Zeugen !
Erster Matrose.
Und wenn ihr uns nicht von der Stelle lasst,
so morden wir euch alle !
Abt.
Ha ! Ihr Räuber , ihr erkühnet euch , uns mit
510 Mord zu drohen I Wir sind auf Gottes Geheiss
hier: ich sage noch einmal, gebt her das Kind,
oder \i\x stossen euch alle nieder !
Ztveiter Matrose.
Das muss erst aufkommen, wer fällt.
Abt.
Zum letztenmale, gebt her das Kind !
Jude.
515 Nein, nein! Und soll es gleich das Leben
kosten. Er giebt das Kind der Amme.
Sie f echten.
Amme.
Um Gotteswillen , Herr Doctor , wir sind ver-
loren !
Jude.
Haltet euch ! Haltet euch !
Erster Matrose.
520 Wir sind überfallen!
Z^veiter Matrose.
Wir sind übermannt!
Abt.
Haltet euch tapfer !
6i
Jiide.
Ich ergreife die Flucht.
Der Jude mit den Seinigen flieht.
Abt.
Ergreift diese mit dem Kind , dass sie uns
525 nicht entrinnt. Gott dem Herrn sei unendUch
Dank gesagt, dass er uns in dem Streit beschützet
hat. Nimmt das Kind. Du grosser Gott hast mich
gewürdigt, diesem ungetauften Kinde in meinem
Kloster die heihge Taufe zu ertheilen, und wenn es
530 dir gefällig ist so nehm ich's an Kindesstatt an
und geb ihm den Namen Bertrand, zur Amme und
du musst gezüchtiget werden , und so lange im
Kerker schmachten, bis du deine Sünden abge-
büsset hast. Jetzt fort ins Kloster! Alk ab.
2 2. Auftritt.
Verwandlnjig. Zi?nmer.
H tri and a tritt an f.
Hirlanda.
535 Ach, du strenger und gerechter Gott, was hab
ich doch verschuldet, dass ich soviel muss leiden !
Ich bitte dich, gieb mir armen Sünderin meinen
Fehler zu erkennen ; meinen Gemahl hast du mir
entzogen, und nicht weiss ich, wie ihm geschieht. Die
540 Freude, die ich hatte in Erwartung meines Kindes,
ist nun verloren, und ich bin untröstlich, wenn ich
daran denke, indem man mir sagte, es gleiche
einem verächtlichen Hunde , welches ich hab
müssen hören, aber nicht glauben kann. Dem
545 Hofmeister bin ich ein Dorn in seinen Augen!
Ach, ich arme verlassene Frau, ach, war ich die
geringste unter meinen Mägden , die vergnügt ihr
Abendbrot geniessen ! Ach, Gott im Himmel, er-
barme dich meiner, denn sonst weiss ich keine
550 Hilfe, denn ich befürchte mir lauter Uebel ! Ach,
ich armer Wurm, wie werde ich getreten. Mein
62
Gott , verleihe mir Geduld in meinen Leiden ; dir
zu lieb will ich Alles leiden, weil du auch für mich
gelitten hast. Geht ab.
23. Auftritt.
Gerhard kommt.
555 Ich erwarte den Boten stündlich , er kommt aber
noch nicht so geschwind , wie ich glaubte ; nun
glaub ich, er wird es sein ! Eduard kommt.
24. Auftritt.
Edtiard.
Ganz gehorsamster Diener , Herr Hofmeister,
hier ist die fürstliche Handschrift.
Ueberreicht das Schreiben.
Gerhard liest den Brief. Der Bote wartet.
Gerhard.
560 Und was sprach der Fürst? Ist er wohlauf?
Bote.
Gnädiger Herr , ganz und gar nicht. Er liegt
an einer schweren Wunde darnieder, und es steht
gefährlich mit seinem Leben ; wie ich hörte , hat
er an dem Brief, den ich ihn reichte, kein Wohl-
565 gefallen gehabt, weil er vor Unmuth dahin sank,
und sie genug zu thun hatten , ihn wieder zu er-
quicken : und dann erhielt ich erst nach langer
Zeit meine Abfertigung, und mit schnellen Schritten
eilte ich fort. Geht ab.
Gerhard,
570 Nun, einmal hab ich den Vogel in meinem Garn,
das Todesurtheil hab ich in Händen; das hat viel
gekostet , und noch will der Fürst es nicht gut
heissen, denn er ist in der Liebe zu ihr fest ver-
bunden, und das Band ist fast nicht zu reissen : den-
575 noch lass ich nicht nach, bis er mir's vollkommen
bewilliget, es kostet halt noch viel — Verleumden.
Aber jetzt kann's am leichtesten geschehen , weil
63
er selbst voll Unwillen und Kleinmuth wegen seiner
Wunde ist: und wer weiss, wird er gesund und
580 kommt zurechte. Es wird das Beste sein, wenn
ich mich geschwind zum Papier setze und neue
Verleumdungen erdichte und eilends abschicke.
GeJit ab.
25. Auftritt.
Verwandlujtg. Ein anderes Zimmer.
Olive tritt auf .
Olive.
Möcht einem das Herz im Leibe blutend werden,
weil man täglich die erschrecklichsten Ungerechtig-
585 keiten und Verleumdungen unserer Fürstin anhören
muss, wo ich doch mein Lebtag nichts Unrechtes
über sie gehört. Ach, du arme Frau, wie erbarmst
du mich: was gilt's, du musst in deinem Blute ver-
schmachten! Der Fürst ist zwar gut, aber jäh in
590 seinen Urtheilen, der Hofmeister weiss den Säbel
zu wetzen, und die Falschheit macht die Schneide.
Ich höre wen kommen: will sehn, wer es ist.
26. Auftritt.
Eduard tritt a7/f.
Eduard.
Ich bitte, mir zu sagen, wo ist der Hofmeister?
Ich habe ihm diesen Brief zu übergeben.
Olive.
595 Er ist eben nicht hier; weiss nicht, wo er sich
befindet : gieb her, ich werd ihm's schon übergeben.
Eduard giebt ihm den Brief utid geht ab.
Olive.
Nun, hier hab ich gewiss das Todesurtheil in
Händen. Ach, Gott im Himmel, sei ihr gnädig !
Alle Hilfe ist verloren! Ach, du gottloser Prinz,
600 deine Falschheit wirst du einmal bereuen; sie ist
unschuldig, so wahr ich lebe. Geht ab.
64
2 7- /auftritt.
Gerhard mit zwei Henkersknechten treten auf.
Gerhard.
Weil ich nun vollkommenes Recht und das
Todesurtheil von unserem Fürsten über Hirlanda
bekommen hab, so gehet und saget ihr, ihr letztes
605 Stündlein hat geschlagen: sie bereite sich zum
Tode, dess Niemand anderer Ursache ist als sie
selbst, denn ihre Schandthaten sind an Tag ge-
kommen und werden sie auch verderben. Darum
befehle ich euch, dass ihr sie noch diese Nacht
610 heimlich und ohne Aufruhr in dem nächsten Walde
ermordet und vergrabet, so dass Niemand gewahr
wird, wo sie hingekommen sei, und zum sicheren
Wahrzeichen Augen und Zunge mir anhero bringt.
Gehen Alle ab.
28. Auftritt.
Verwandlung. Im Walde.
Die zwei Henkersknechte bringen Hirlanda zur Richtstatt
mit Stricken gebunden.
Erster Henker.
Haltet ein ! Hier ist der bequemste Ort zu unsern
6 T 5 Geschäften , auch ebenfalls eine Grube , um den
Leib zu vergraben.
Zweiter Henker.
Da ist's mir nicht Recht, ich hab noch zu wenig
Courage.
Erster Henker.
Halte ein , es muss sein , oder ich ward dich
620 Mores lehren. Entblösset Euch und bereitet Euch
zum Sterben, wir haben nicht Zeit, länger hier zu
bleiben. Hirlanda kniet nieder.
Hirlanda.
Ach , ihr lieben Leute , erweiset an mir Barm-
herzigkeit und schenket mir das Leben; ich bitte
625 euch von Grund meiner Seele, ach, schenket mir
das Leben.
65
Erster Henker.
Euer Bitten ist umsonst und wird nicht erhört,
Ihr habt Alles selbst verschuldet. Hättet Ihr Euch
besser aufgeführt, wäre Euch dieses nicht zu Theil ge-
630 worden. Ich sage Euch noch einmal, entblösset Euch !
Z7veiter Henker.
Bruder, nicht zu grob mit ihr, denn zur letzten
Zeit fliesst der Schweiss einem Jeden sauer genug.
Erster Henker.
Wegen Barmherzigkeit erweisen sind wir nicht
anhero gekommen, macht Euch fertig, oder ich —
Greift nach ihre^n Halse.
Hirlanda.
635 Ach, barmherziger Gott im Himmel, erhöre doch
das Bitten einer Unschuldigen und erweiche die
Herzen dieser Menschen! Ich bitte euch um der
Liebe, so Christus am Kreuz gehabt hat, erbarmet
euch meiner, ach verschont doch mein unschuldiges
640 Blut, Gott im Himmel wird euch's belohnen.
Ztveiter Henker»
Wäre besser gewesen, ich hätt — ich hätt die
Holzhacke lernen brauchen und nicht das Schwert,
ich wollt' es lieber dem Hofmeister in den Kopf
stecken, als unserer Fürstin : von ihr hab ich mein
645 Lebtag nichts Uebles gehört.
Erster Henker.
Still mit solchen Reden, was plauschest du daher?
Handelt er unrecht, schau er selbst zu : er soll seine
Hände selbst waschen, uns ist es unsere Pflicht,
und wir werden sie auch erfüllen.
Hirlanda .
650 O ewiger und gütiger Gott, ist für mich nun
keine Hilfe auf Erden, mich vom Tode zu erretten?
O ich bitte dich, sei mir dort in jener Welt gnädig,
in welche ich gar bald werde hinscheiden ; ich
weiss mich zwar in diesen Dingen, deren man
655 mich beschuldigt,^ nicht verbrecherisch, dennoch ver-
Volksschauspiele. II. 5
66
zeihe ich allen meinen Feinden und werde für sie
bitten ! — Ach, liebster Gemahl, was hab ich dir
gethan, dass du so streng mit mir verfahrst ! Ach,
Gott, dir sei es geklagt, du bist Zeuge meiner
660 Unschuld ! Ach, ich arme, mit dem Tod ringende
Hirlanda, weil ich mich nun nicht mehr beurlauben
kann von dir^ o edler Fürst, so beurlaube ich
mich im Geiste und wünsche dir die letzte gute
Nacht und denke an meine arme Seele !
Zweiter Henker,
665 Mein Herz möchte mir vor Mitleid zerspringen!
Hab doch oft manchem herzhaft den Kopf von
den Schultern gelöst, aber heut steht es nicht in
meinen Kräften, Kamerad, lassen wir s' laufen,
Gott könnt' uns strafen, sie hat uns gewiss schon
670 genug schön gebeten.
Erster Henker.
Das kann nicht geschehen , in keinem Fall.
Pflicht ist Pflicht, dafür haben wir uns nicht zu
sorgen, und wenn du nicht willst, so bist du nicht
mehr werth^ als dass ich dir den Kopf entzwei
675 schlage.
Zweiter Henker.
Ist mir im gleichen Werth , will sagen , mir ist
lieber ein blutiger Kopf, als meine Hand mit
unschuldigem Blut zu benetzen ! O du tyrannischer
Hofmeister, mit dir will ich nicht Rechenschaft
680 geben.
Erster Henker.
Das weiss ich nicht, wie du mir vorkommst : wir
müssen's thun , es ist ja unsere Pflicht, zudem
müssen wir ja Zunge und Augen dem Prinzen in
die Hände stellen.
Zweiter Henker.
685 Dem ist gar leicht abgeholfen, wir kaufen's bei
einem Metzger, er wird es wohl haben von einem
Ochsen oder dergleichen Thiere.
67
Erster I/enker.
Dummkopf, Ochsenaugen und Menschenaugen,
das steht zusammen als wie Hund und Katze beim
690 Ackern; wollt mir's noch gefallen lassen von einem
Lamm oder Ziege.
Zweiter Henker.
Hast auch recht, Bruder, wir bekommen's auch,
ich werde es kaufen.
Hirlanda.
Ach, erbarmt euch meiner, ich bitte euch noch
695 einmal, erbarmt euch über einen armen Wurm, der
sich vor euch wälzet! Ihr habt ja nichts zu be-
fürchten. Ich will gehn über Berg und Thal, will
mein Lebtag diesen Boden nicht mehr betreten,
ich bitte euch , schenkt mir das Leben ; der gute
700 Gott im Himmel wird euch solche Barmherzigkeit
nicht unvergolten lassen.
Erster Henker.
Mich verlässt der Verstand und Sinn, das Herz
im Leib wird mir zitternd. Wenn Ihr uns schwöret.
Euch nimmer sehen zu lassen, dass wir nicht auf-
705 kommen und sicher sind, so sei Euch das Leben
geschenkt.
Hirlanda .
Von mir werdet ihr sicher sein , mein Lebtag
nicht mein Land zu betreten ; unerkannt will ich
mein Leben beschliessen, so wahr Gott lebt.
Erster Henker,
710 So sei es in Gottes Namen, stehet auf und geht.
Hirlanda.
Tausend und unendlich mal sei euch gedankt
für die so grosse Gnad, die ihr mir erwiesen habt;
zum Zeichen meines aufrichtigen Dankes habt ihr
meinen Halsschmuck und diese zwei Goldstücke,
715 davon könnt ihr eine Zeitlang reichlich leben; mehr
kann ich nicht geben, dieses sind noch die letzten
Dinge von meinem fürstlichen Reichthum und Ehren.
5*
68
Zweiter Henker.
Euch sei gedankt für die grosse Gabe, die Ihr
uns gebet , aber die Goldstücke behaltet selbst,
720 damit Ihr nicht dürft vor Hunger verschmachten,
Beide k/iieen ?iieder und wir bitten Euch tausendmal
um Verzeihung unsers groben Betragens gegen
Euch und wünschen Euch das letzte Lebewohl.
Erster Henker.
Der liebe Gott erhalte Euch in seinem mächtigen
725 Schutz; nun lebet wohl. Gehen ab.
HirlanJa.
Nun bin ich hier wie ein armes Täublein 'dem
Tode entronnen : barmherziger Gott, mit weinenden
Augen bedanke ich mich , mit dem Munde kann
ich dir nicht danken genug , weil ich nicht mehr
730 reden kann; mein Geist ist mir verwirrt, und mein
Trauern nimmt kein Ende. Ich bitte dich, sei noch
ferner mein barmherziger Vater, wie du es bisher
o:ewesen bist. Nun will ich meinen Wesj wieder
fortsetzen, dahier daif ich nicht bleiben. Ade, o
735 liebes Vaterland, ade, o liebster Gemahl, ade, o
fürstliche Ehren. Geht ab.
29. Auftritt.
Gerhard tritt auf.
Gerhard.
Nun wird gewiss Hirlanda todt sein. Ach, Freude
in meinem Herzen , eine erwünschte Sache so
weit gebracht zu haben ! Nun ist noch ein Stein,
740 der mir am Wege liegt, diesen werd ich auch
trachten, weg zu wälzen; ist mir das Erste gelungen,
vielleicht gerathet's das zweitemal auch.
Die beiden Henkersknechte kommen.
Gerhard.
Ist geschehen, wie ich euch befohlen hab?
Erster Jlenker.
Was uns befohlen war^ ist Alles vollzogen worden.
69
Zweiter Henker.
745 Hier ist die Zunge und beide Augen.
Gerhard.
Verwerfet sie, ich will sie nicht mehr sehen.
Die beiden Henker gehen ab. Nun bin ich ihres Todes
versichert. Geht ab.
30. Auftritt.
Verwandlung, Im Schloss.
Gräfin tritt atif»
Einsam und von jeder hohen Gesellschaft entfernt
750 lebeich recht vergnügt allhier an meinem Hofe, ich
bin in Allem gesegnet und reich begabt, dass ich
Gott danken muss ^ nur der Verlust des Grafen,
meines theuren Gemahls, der in Spanien sein Leben
ritterlich beschlossen hat, und den ich schon fünf-
755 undzwanzig Jahre betrau're, treibt mir manche Zähre
aus meinen Augen; dies ist das Einzige, was mir
in diesem Leben beschwerlich fällt: will auch gerne
sterben, wenn's dem Herrn gefällig ist, denn meine
Wanderschaft geht zu Ende.
31. Auftritt.
Hirlanda, als Dienst?nagd gekleidet, tritt herein.
Hirlanda .
760 Eine arme Magd bittet Eure hochgräfliche Gnaden
um einen Dienst, wenn ich Euch sollte an-
ständig sein.
Gräfin.
Gar gerne , liebes Kind , aber einen schlechten
Dienst musst du bei mir antreten, du musst beim
765 Vieh dienen, ein anderer Platz ist für dieses Mal
nicht leer ; wenn es dir beliebig , kannst du bei
mir verbleiben. Sage an, wo bist du her, und wer
sind deine Eltern?
70
Hirlanda.
Arme Leute, wie Ihr an mir sehet, jedoch ehrlich ;
770 der Hunger hat mich bei ihnen vertrieben, und
ich suche mein Brot in fremden Landen. Die
Normandie ist mein Vaterland. Wenn ich Euch
gefällig bin, werde ich hier verbleiben.
Gräfifi.
Ganz gut, mein Kind, bleib du bei mir, es soll
775 dir gar nichts fehlen. Meine Dienstboten dürfen
gewiss keinen Hunger leiden, Arbeit ist auch genüge
dafür thu ich sie auch belohnen. Du wirst vielleicht
Hunger haben : komm , wir wollen sehen , ob
nichts vorhanden ist. Beide gehen ab.
32. Auftritt.
Fürst Artus kotiimt nach Hause tind tritt auf voll Traurig-
keit, mit ihm Olive.
Fürst.
780 O kummervolle Tage, o verdriessliches Leben I
Ach, hätte mir der Streich, den ich in der Schlacht
bekommen habe , mein Haupt zerspalten , so war
ich vielem Kummer entronnen, und wäre mir der
Gottesacker nützlicher als ein fürstlicher Palast, den
7 85 ich mit Unmuth Zeit meines Lebens bewohnen muss t
Olive.
Nicht so gar bekümmert Euch, gnädigster Fürst,
es hilft kein Betrüben mehr , kann nicht geändert
werden ; man verkürzt sich das Leben und ist
Alles umsonst. Ihr hättet das Urtheil nicht sollen
790 so schnell ergehen lassen, denn Gerhard trachtete,
Euch zu hintergehen , wie der Beweis vorhanden
ist; gewiss, Hirlanda ist unschuldig um ihr Leben
gekommen , das will ich mit meinem Blute be-
stätigen.
Fürst.
795 Ach, das unschuldige Blut wird für mich um
Rache schreien I Welche Busse muss ich ergreifen,
dass mir meine P'ehler verziehen werden 1 Ach,
71
Hirlanda, liebste Gemahlin, nur du, nur du ver-
zeihe mir : ach, was hab ich gethan ! Gerhard, du
800 bist fort, du hast den Braten schon gerochen!
Könnt' ich dich ergreifen, ich wollte dich schon
züchtigen , du Mörder einer Mutter sammt dem
Kinde.
Olive.
Gnädigster Fürst, lasset ab von Eurem Trauern
805 und Klagen, lasset Euch befriedigen, und lasset
sie in Frieden ruhen. Gnädigster Fürst, ich bitte
Euch um gnädigste Erlaubniss, mich auf eine Zeit
lang von hier zu entfernen , weil ich meine ver-
lobte Wallfahrt nach St. Michael mit etlichen Ge-
810 fährten machen will ; um dieses wollt' ich bitten.
Fürst.
Ach ja, liebster Freund, ach ja, Ihr könnt ver-
langen, was Ihr wollt, es wird Euch gewährt, aber
bittet und vergesset nicht auf die Seele meiner
Gemahlin.
Olive.
815 Ich habe mich unterthänigst zu bedanken für
die gnädige Bewilligung meines Begehrens.
Geht ab.
33. Auftritt.
Gräfin tritt in ihre??t Schlosse auf und liest in einem Buche.
Olive klopft an die Thür und tritt ein.
Olive,
Ein unterthänigster Diener nimmt sich die Frei-
heit, seine wertheste Base zu besuchen, und freut
sich innigst, selbe noch in gesunden Tagen anzu-
820 treffen.
Gräfin .
Innigste Freude, so ich an Eurer Ankunft ge-
niesse, werthester Herr Vetter, da ich doch glaubte,
dass wir uns in dieser Welt nicht mehr sehen, weil
wir beide alt und dem Grabe sehr nahe sind : o,
825 so sei Euch gedankt für solche Ehre.
7*2
Olive.
Ja, ja, bald werden wir das Irdische mit dem
Ewigen vertauschen müssen, denn ich sehe, dass
meine Kräfte bald in Schwachheiten verwandelt
werden ; überhaupt bin ich meines Lebens schon
830 satt, indem bei unserem Hofe nichts als die
grausamsten Urtheile und Verläumdungen zu hören
sind.
Gräfin.
Ich glaubte, Euer Fürst sei ein guter Herr und
besässe ein menschenfreundHches Wesen?
Olive.
835 Er ist es auch, aber die tyrannische That, die
Prinz Gerhard, wie Euch wird bekannt sein, ver-
übte, giebt mir noch manchen Herzensstoss. Ach,
die erschreckliche Verläumdung, die über Hirlanda
ergangen ist, kann ich mein Lebtag nicht ver-
840 gessen.
Gräfin.
Wer war diese Hirlanda: Ist mir ganz un-
bekannt.
Olive.
L^nsere gnädigste Fürstin , die unschuldig ihr
junges Leben hat müssen lassen , die ich schon
845 das siebente Jahr beweine, und die nur durch
Rachgier und Regierungssucht des Prinzen, seines
Bruders, fälschlich hingerichtet worden ist, indem
er sie als eine Ehebrecherin durch allerhand er-
dachte Falschheiten bei dem Fürsten erschrecklich
850 verläumdete, so dass dieser die erschreckliche Sen-
tenz über sie ergehen liess.
Gräfin.
O, die erschreckliche Unthat, die ich von Euch
erfahre — und unschuldiger Weise ? 1 )as ist erschreck-
lich und unerhört ! Kam also ihre Unschuld
855 nicht an den Tag?
73
Olive.
O ja. Es wurde aber nicht geglaubt, und zu
ihrer Vertheidigung durfte man kein Wort hören
lassen.
Gräfin .
Mir erstarren meine Glieder , und ich kann's
860 nicht fassen, was ich hören muss. Ach, du arme
Frau , Gott gebe dir die ewige Ruh. War also
der Fürst nicht zu Hause :
O/ive .
Er war im Kriege und wurde grausam verwundet,
so dass sich seine Rückreise auf anderthalb Jahr
865 verschoben hat.
Gräfin.
Was geschah mit dem Prinzen, der den Tod
zehnfach verdient hat:
0/we.
Gnädige Base, gar nichts, er wusste sich zu
vertheidigen , als wenn es die gewisse Wahrheit
870 wäre, und wurde ihm Alles geglaubt. Seit dieser
Zeit ist er nimmer am fürstlichen Hofe, und weiss
Niemand, wo er hingekommen sei ; ich glaube, er
ist nach China gereist und hat dort Dienst be-
kommen , und ich habe neulich gehört , er habe
875 an den Fürsten einen Brief abgeschickt.
Grä/in.
Er weiss sich gewiss wieder einzuschmeicheln.
O/ive.
An diesem zweifle ich selbst nicht, denn er ist
gefixt genug.
34. Auftritt.
Hirlanda tritt auf,
Hirla7zda .
Euer hochgräfliche Gnaden möchten auf eine
880 kleine Weile in den Speisesaal kommen.
74
Gräfin.
Ja, mein Kind, augenblicklich, bleibe unterdessen
diese Zeit alleine, ich werde bald wieder hier sein.
Geht ab.
Olive sieht Hirlanda an tind spricht:
Was ist dieses für eine Magd? Sie kommt mir
vor , als sollte ich sie kennen , aber woher , kann
885 ich nicht errathen. Ihre Sprache und Gestalt macht
mich bedenken — Hirlanda geht ab — und wollte sagen,
das wahre Conterfei der Ermordeten. — Aber,
ach Gott! ich getraue mir's nicht zu sagen:
Hirlanda kann's nicht sein , sie ist todt. Aber
890 ich soll sie kennen.
35. Auftritt.
Gräfin kommt wieder,
Gräfin.
Lange Zeit musstet Ihr Euch die Zeit allein
vertreiben.
Olive.
Hat gar nichts zu bedeuten , ich fühle die
schwersten Gedanken und bin eben mit meinen
895 Augen im Streit.
Gräfin .
Was bekümmert Euch , werther Vetter , und
warum seid Ihr betrachtend?
Olive.
Was ist diese für eine Magd, die Euch abholte ?
Gräfin.
Eine Viehmagd und dienet schon das siebente
900 Jahr mit Treuheit und Fleiss bei mir, so dass ich
vollkommen zufrieden bin.
Olive.
Ich bitte mir ein Kleines aus , wenn Ihr es er-
laubet, dass sie zu mir hieher in das Zimmer dürfte
75
kommen ; jedoch müsset auch Ihr zugegen sein,
905 denn meine Gedanken stehen im Zweifel: ich sollte
sie kennen?
Gräfin,
Gar gerne, wenn es Euch beliebig ist, ich werde
sie holen. Geht ab.
Olive.
Das will ich sehen , meine Gedanken sind ver-
910 wickelt.
36. Auftritt.
Gräfin tind Hirlanda treten auf.
Olive.
Ihr dürft Euch nicht entsetzen, indem ich eine
kleine Frage an Euch richte ; zeiget mir Euren
Charakter und Geburtsort an , ich sollte Euch
kennen.
Hirlanda.
915 Das kann schon geschehen; ich bin von armen
Bauersleuten aus der Normandie geboren , und
der Mangel an Nahrung hat mich in die Ferne
getrieben , und bin das siebente Jahr dahier an
diesem Hofe.
Olive.
920 Mein Gemüth erklärt es anders, und darf ich
meinen Augen trauen, so seid Ihr Hirlanda, meine
gnädigste Frau und Fürstin.
Hirlafida .
Ach Gott, Ihr werdet Euch gewisslich irren.
Olive.
Ich irre mich gewiss nicht , Ihr seid es ! Gott
925 im Himmel sei's gedankt!
Hirlanda.
Mein Gott , sogar in einsamen Orten bin ich
nicht sicher, und man trachtet, mich zu vertilgen!
76
Olive.
Kein Leid habt Ihr zu befürchten, und ich sage
Gott Dank , dass Ihr noch am Leben seid : und
930 wer war doch Euer Lebensretter?
Gräfin .
Mein Verstand wird mir zu wenig, um diese
\ Sachen zu fassen. Soll das Hirlanda sein? Das
kann ich mir nicht einbilden, da man sie für todt
beweinte. Ich bitte um Verzeihung der von mir
935 angethanen Unbilden, gnädigste Fürstin. Ihr seid
strafbar, dass Ihr Euren so hohen Adel mir ver-
borgen habt und einen so verächtlichen Dienst
habt angetreten, indem ich Euch standesgemäss
hätte bewirthen können. Wie hat das sein können?
940 O unerhörte Geschichte , ich verliere meinen
Verstand !
Olive.
Gnädigste Frau, ich bitte, mir zu entdecken,
wer waren Eure Lebensretter? Ach, die Freude, die
ich noch erlebt habe 1
Hirlanda.
945 Nächst Gott waren es die zwei Henkersknechte,
die mich zur Richtstatt führten, welche ich durch
mein flehentliches Bitten und heisse Zähren dazu
bewogen hab , mit dem Versprechen , mich nicht
mehr in meinem Lande sehen zu lassen , welches
950 ich auch zu halten bereit bin.
Olive.
Welche Freude wird das für den Fürsten sein,
wenn er hören wird, dass seine Hirlanda lebt ! Ich
werde meine Reise beschleunigen, so viel ich kann.
Hirlanda.
Ich bitte Euch durch Alles, was ich bitten kann,
955 micli nicht zu entdecken; ich will gerne diesen
meinen Dienst lebenslänglich verrichten: ist mir
77
besser als fürstliche Ehren; auch könnte ein heim-
licher Hass noch verborgen sein und könnte das
zweite Uebel ärger werden als das erste, obwohl
960 ich, so wahr Gott lebt, gänzlich unschuldig war.
Olive.
Ihr habt Euch nicht zu sorgen ; vergönnet
Eurem Gemahl noch diese Ereude, der sein jähes
Urtheil gewiss genug gebüsst hat.
Gräfin.
Ach, die grosse Freude, die er haben wird, eine
965 geliebte Todte wieder beim Leben zu sehen.
Olive.
Ich werde mich schnell von hier absondern,
denn ich habe keine Ruhe und kann diese Freude
nicht länger allein geniessen; ich muss es jenen
offenbaren, denen es zugehört: unterdessen empfehle
970 ich euch beide in den Schutz Gottes. Gnädigste
Fürstin, lebet wohl, wertheste Base, lebet wohl.
Geht ab. •
Gräfin.
Für mein hohes Alter eine unerhörte Freude,
die ich mir nicht einbilden konnte, und habe mich
noch zu freuen auf euere fröhliche Zusammenkunft ;
975 nur das betrübet mich, dass Ihr Eueren so hohen
Adel mir nicht entdecket habt.
Hirlajzda.
Recht vergnügt habe ich bei Euch mein Abend-
brot genossen ; weit glücklicher war ich als im
fürstlichen Palaste , den ich mir zu betreten gar
980 nicht wünsche : ich freue mich herzlich , meinen
lieben Gemahl zu sehen , aber jedoch fürchte ich
ihn, wenn er noch etwa einen Hass auf mich hätte,
weil er so schändlich ist betrogen worden von dem
Hofmeister , dem ich zwar Alles verzeihe , vom
985 Grund meines Herzens! Gehen beide ab.
78
37. Auftritt.
Im Schlosse des Fürsten. Fürst tritt ein.
Ja , meines Lebens bin ich satt , weil es mit
vielen Widerwärtigkeiten verbunden ist, denn
ich finde keine Freude : wollte wünschen , ich
wäre der Aermste unter meinen Unterthanen, ich
990 lebte vergnügter, als im fürstlichen Palaste. Ach,
Hirlanda, du bist todt, und ich selbst bin der
Mörder, Ach Gott , verzeihe mir diese ünthat,
und auch du , o liebste Gemahlin , auch du ver-
zeihe mir, obwohl ich nicht werth bin , dass mir
995 verziehen wird: und auch du, Olive, wie lange ver-
weilst du noch zu kommen , der du der Einzige
bist, der mir Trost ertheilt. Ach, traurige Stunden,
wie lange werdet ihr noch dauern? Den Tod
wollte ich mir wünschen, wenn es dem Herrn
1000 gefällig wäre, mein Gewissen macht mir die
bittersten Vorwürfe und zerknirschet meinen Geist.
38. Auftritt.
Olive klopft an und tritt herein.
Fürst,
Ach Freude , was sehe ich !
Olive.
Ich wünsche mit aller Ehrfurcht meinem
gnädigsten Fürsten Glück und Heil: mit Freuden
1005 komme ich nach Hause und freue mich, diesen
Tag erlebt zu haben.
Fürst.
Meinen herzlichsten Dank, weither Freund, ich
erkläre mich für glücklich, Euch wieder am Hofe
zu haben. Saget an , was giebt es Neues in
10 70 Brittannienr Was hört man Gutes?
79
Olive.
Gar nichts Seltsames, es ist Alles in gleicher
Ordnung , nur Theuerung schleicht sich ein von
wegen der erschrecklichen Dürre , die es ver-
gangenen Sommer gehabt hat.
Fürst.
IOT5 Missvergnügt habe ich meine Tage seit Eurer
Abreise zugebracht, indem ich jede Stunde mit
einem Tag vergleichen musste , denn die Ver-
wirrungen schwächen meinGedächtniss und machen
meine Seele bang.
Olive.
I020 Ich muss es mir, gnädigster Fürst, für eine
grosse Ehre schätzen, dass Ihr an einem unwürdigen
Diener ein Wohlgefallen zeiget, da ich doch Euch
in Eurem Kleinmuth nicht die geringste Hilfe
leisten kann : aber stärket Euch und schlaget Euch's
1025 aus dem Sinn.
Fi^rst,
Wie kann ich mir Dinge aus dem Kopfe schlagen,
da ich selbst Ursache bin? Ach, ich Unmensch,
was hab ich gethan : ich bin der Mörder meiner
liebsten Gemahlin. Ach , wo ist hingekommen
1030 das arme Kind, welches vielleicht auch durch
Falschheit ist hingerichtet worden ! Ach, Gerhard,
was trieb dich zu solchen tyrannischen Thaten?
Ich bin nicht zu trösten: das unschuldige Blut,
es schreit für mich um Rache.
Olive.
1035 ^^s hilft das überflüssige Bekümmern? Es bringt
nur Verbitterungen des Geistes und verkürzet das
Leben. Darum will ich demüthigst gebeten haben,
von solchen Beschwerungen abzustehen , und sie
aus dem Sinne zu schlagen. Was hilft es ? Ge-
1040 schehen ist geschehen und hilft für nichts. Aber
was wollet Ihr geben, wenn Hirlanda lebte?
8o
Fihst.
Ach, Gott im Himmel, was soll ich sagen?
Mein Leben wollt' ich um das ihrige vertauschen,
wenn sie mir verzeihet und leben würde ! Aber
1045 das sind schwache Worte und machen mich bange:
ich will sie nicht mehr hören. Ach weh , vor
Unmuth möcht ich vergehen.
OH-je.
Gnädigster Fürst und Herr, mein Geblüt erstarrt,
und kann ich's nicht länger verhalten, und zu
1050 Eurer grössten Freude muss ich ausrufen: Gott
im Himmel sei es gedankt, Hirlanda lebt und
lebt in Freuden !
Fürst.
Werthester Freund , ich bitte Euch , lasset ab
von solchen Worten und betrübet mich nicht
1055 ferner.
Olive.
Ich betrübe Euch nicht, gnädigster Fürst, und
sage noch einmal, Hirlanda lebt, und wünsche Euch
tausendmal Glück zu Euerer zweiten Vermählung.
Fürsi.
Mein Mund verstummet mir: soll das möglich
1060 sein? Wie soll sich das haben zugetragen? Mir
erstarren meine Glieder, ich weiss nicht, träumet
mir, oder bin ich recht bei Sinnen !
Olive.
Mit Gewissheit kann ich sagen , sie ist in
Brittannien an einer gräflichen Burg und bereitet
1065 Alles in bester Ordnung, und ich bitte mir die
Ehre aus, ich will sie holen.
Fürst.
Wenn Ihr mich täuschet, so — O , saget mir
(loch die Wahrheit, wie hat sich das zugetragen,
wer hat ihr das Leben geschenkt?
8i
Olive.
1070 Gott hat die Herzen der zwei Henker erweicht,
da sie durch ihre heissen Zähren und ihr flehent-
liches Bitten das erwarb mit dem Versprechen, sich
nicht mehr hier zu Lande sehen zu lassen , und
mir gab Gott das Glück, um sie zu finden. Ich
1075 habe selbst mit ihr gesprochen, wobei sie mich
inständig bat , sie nicht zu entdecken , weil sie
befürchtet, Ihr könntet noch einen alten Hass im
Herzen tragen , obwohl sie hoch betheuerte und
Gott zum Zeugen ihrer Unschuld anrief und
1080 ich selbst mit meinem Blute ihre Unschuld, be-
stätigen würde.
Fürst,
Mein Gott , was hab ich um dich verdient,
dass du mir solche Gnad ertheilstl Mein Herz
möchte mir vor Freude zerspringen ! Ach, Hirlanda,
1085 verzeihe mir, ich bitte dich, ehe ich dich sehe.
Aber dennoch kann ich's nicht glauben, dass du
leben sollest. Ach, welche Freude! Ach, ich ge-
traue mich nicht ihr unter die Augen zu kommen.
Olive , in meinen Kräften steht es nicht, darum
1090 machet Anstalt und befehlet die Wägen und
nehmet die prächtigsten Kleidungen und verkündet
es Allen , die an der Freude ihrer Auffindung
wollen Antheil nehmen. Derowegen befehle ich
Euch, dass Ihr gute Anstalt treifet und Euere
1095 Reise nach Britannien schnell antretet und mich
meiner Bekümmerniss erleichtert.
Olive.
Durchlauchtigster Fürst und Herr, ich werde
mein Möglichstes thun, um Euer banges Herz zu
erquicken. Geht ab.
Fürst.
1100 Nun kann es sein, dass der Himmel gnädige
Sonnenblicke auf mich blinken lässt, denn das
trübe Gewölke meiner Seele hat mir alle Freude
Volksschauspiele. IT. 6
82
verdunkelt. Ach Gott, wie hast du jene Träume
an mir so genau erfüHt, die du mich in Frankreich
1105 träumen Hessest. Ach, die Freude, die du mir
geniessen zu lassen willens bist ! Geht ab.
39. Auftritt.
Gräfin »lit Ilirlafida treten im Schlosse der Gräfin auf.
Gräfin,
Nun bin ich begierig, wie bald Olive zurück
wird kommen. O, was für eine unerhörte Freude
wird das für den Fürsen Artus gewesen sein,
1 1 I o wenn er ihm die fröhUche Auffindung angezeigt
haben wird : was für ein köstliches Präsent wird
er ihm gegeben haben. Ich kann fast den Tag
nicht erwarten, wann er wird anhero kommen.
Hirlanda.
Die Freude ist ungemein gross , die ich habe
II 15 in Erwartung meines Gemahls, jedoch schwebt
Furcht in meinem Herzen, dass ich ihm fast nicht
getraue unter die Augen zu kommen, obwohl ich
mich freue, ihn zu sehen.
Gräfin.
Ihr habt nicht Ursache, Euch zu fürchten, denn
II 20 die Ungerechtigkeit wird genug an den Tag ge-
kommen sein.
40. Auftritt.
Olive kommt.
Olive.
Seid mir willkommen, edle Base und durch-
lauchtigste Fürstin ! Anjetzo ist der glückselige
Tag angekommen, an welchem Euer Leiden wird
II 25 in Freude verwandelt werden. Der Fürst lässt
Euch tausendmal um Verzeihung bitten durch
mich, denn eher will er Euch, nicht unter die
Augen treten , bis Ihr ihm werdet vollkommen
verziehen haben.
83
I/irlanda.
1130 Vom Grunde meines Herzens ist ihm verziehen
und allen meinen Feinden, ich freue mich herzlich,
ihm in die Arme zu fallen, weil uns Gott die
Freude erleben lässt, um uns wieder zu finden,
welches ich doch für vergebens hielt.
Olive.
1135 Ich schätze mich als den glücklichsten auf
Erden, dass ich solche Dinge erlebt habe, die ich
mir niemals hätte wünschen können ; auch bitte
ich zugleich, dass wir uns zeitlich auf die Reise
begeben, denn alle Anstalten sind getroffen, und der
1 1 40 Fürst wird uns bald entgegen kommen mit einem
dringenden Eifer: derowegen werden wir uns auf-
machen, und auch Euere gräfliche Gnaden werden
uns das Geleite geben und unsere Freude vermehren.
Gräßn.
Gehen wir schnell, und richten wir uns in
1145 Bereitschaft. Gehen ab.
41. Auftritt.
Ifn Schlosse des Fürsien. Fürst tritt ein.
Fürst.
Ach, der vergnügten Stunden, die ich erwarte,
denn alle Augenblicke werden sie kommen ; Freude
und Furcht liegen in meinem Herzen beisammen :
ich getraue mich's nicht sehen zu lassen, aber den-
1 1 50 noch will ich's wagen. O, Geliebte meines Herzens,
wie lang verweilst du noch mit dem Kommen ? —
Ich höre einen Tumult von Menschen; wenn es
Gott will, werden sie es sein !
42. Auftritt.
Olive, Hilanda und die Gräfin treten auf. Der Fürst
fällt Hirlanda zu Füssen und ist anfangs sprachlos,
Fürst.
Seid mir tausendmal willkommen — und aber-
1 1 5 5 mal tausendmal seid gegrüsst und willkommen !
84
Ich getraue meine Augen nicht zu öffnen vor
Schamhaftigkeit, dennoch bitte ich um Verzeihung^
obwohl ich es nicht werth bin. Ach, verzeihet
mir meine Unthat, edle Fürstin ! In was für ein
II 60 Elend hab ich Euch gestürzt! Ach, ich gottloser
Gemahl, ich bin nicht werth, dass mich die
Erde trägt.
Hirlanda,
Edler Gemahl , lasset ab vom Bitten , denn
ich habe Alles vergessen und verzeihe Euch
1165 Alles und Allen, die mir Uebles gethan haben
vom Grund meines Herzens und bitte Euch
um Eure Gegenliebe , und bitte Euch auch um
Verzeihung, wenn ich Euch sollte beleidiget
haben, obwohl ich unschuldig so grausam be-
ll 70 handelt worden bin.
Fürst,
Ach, der unerhörten Freude, die ich zu ge-
messen nicht werth bin, und auch Euch, durch-
lauchtigste Gräfin , Euch sei unendlichmal ge-
dankt für die Güte, die Ihr an Hirlanda erwiesen
II 75 habet: und denket nicht mehr an die tyrannische
That , die ich zwar unwissend und übereilt be-
gangen habe, wo nur Gerhard, wie ich vernehmen
muss, Schuld daran war.
Gräfin.
Gnädigster Fürst und Herr , Ihr habt nicht
1 1 80 Ursache , mir zu danken, denn ich habe ihr die
Dienste nicht erwiesen , die ich zu erweisen
schuldig, wenn ich sie erkannt hätte, welches
mich bis zum heutigen Tage noch kränkt, dass
ihre Würde mir nicht bekannt wurde. Ich bitte
II 85 daher um Verzeihung meiner Unwissenheit und
wünsche euch tausend Glück zu eurer Zusammen-
kunft ; der liebe Gott hat an euch Prüfung ge-
halten und die Tugend erhoben.
85
Fürst.
Ach, könnte ich meinen Bruder erhaschen, ich
1 1 90 wollte ihn nach meinem Wohlgefallen züchtigen,
den Stifter so vielen Unheils.
Hirlanda.
Ach , mein theurer Gemahl , denket nicht an
Rache , lasset Rache den ausüben , der in die
Herzen der Menschen sieht. Das wäre keine
1195 Dankbarkeit für solche Gnaden, die Gott uns
erzeigte ; wer weiss , ist er gänzlich Schuld
daran , und wenn er es wäre , so sei ihm doch
verziehen.
Fürst.
Ihr habt Recht, gehebte Gemahlin, aber den-
12 00 noch kann ich es nicht erdulden, wenn ich werde
Gelegenheit finden, nicht wegen meiner, um
Euretwegen.
Hirlanda.
Ich bitte noch einmal, verzeihet ihm, und soll
er heute kommen , so soll er an unserer Freude
1205 theilnehmen.
Gräfin.
Gnädigste Fürstin , FAire Tugenden sind zu
loben , und Euer gutes Herz wird Eure Seele
krönen.
Fürst.
Nun sehen wir unsere Heimath wieder, welche
1 2 1 o wir mit unermesslichen Freuden betreten , die
Jahre lang mit Thränen benetzt wurde. Alle ab.
43. Auftritt.
Gerhard kommt an.
Gerhard.
Nun bin ich übel daran, weiss nicht, wie es
mir ergehen wird. Die Fürstin ist gefunden, das
weiss ich, ob ich aber werde eine Audienz er-
86
12 15 halten, das weiss ich nicht. Ich will es wagen;
wer weiss, ist es gefehlt? Ich will mich ent-
schuldigen , so viel ich kann. Nun wohlan, ich
will's probiren. Geht ab.
44. Auftritt.
Olive tritt auf.
Olive.
Ach Gott, bei mir sind die herrlichen Stunden
1220 gewiss zu Ende gegangen, denn Gerhard ist
wieder in Gnaden aufgenommen worden. Ich will
in seiner Gegenwart nicht sein , ich traue ihm
nicht im geringsten, er macht gewiss das zweite
Uebel auch fertig. Ich bedauere dich , o edler
T225 Fürst, und dich, edel denkende Frau. Gott wolle
an eurer Seite sein; ich will mich von hier ab-
sondern, ich will nichts wissen, ich hab das erste
Mal genug gesehen, das zweite Mal wünsche ich
es mir nicht mehr, ich kann es nicht mehr
1230 ertragen. Geht ab.
45. Auftritt.
Riese tritt auf.
Kiese.
Ach Freude , mein Freund Gerhard ist wieder
bei Hofe da : ich zweifelte, ihn jemals wiederzu-
sehen. Er war sehr geschickt in seinen Vor-
spiegelungen : das gefällt mir , und um seine
1235 Wünsche zu erreichen, wollte ich selbst mein
Möglichstes thun; ich wollte den kennen, der mich
mit Worten schlägt. Ich wollte wünschen, der
Fürst wäre ums Leben gekommen und jenem der
Kopf zerspalten, der Hirlanda wieder anhero
1240 brachte, dann wollte ich Gerhard die treuesten
Dienste leisten. Will sehen, ob er nicht bald hieher
kommt, ich warte seiner schon lange Zeit; es wird
ihn gewiss ein Geschäft verhindern. Aber ich sehe
ihn schon kommen. Gerhard tritt auf.
46. Auftritt.
Gerhard.
1245 ^^^^ "^^^ willkommen, edler Ritter.
Riese.
Gleichfalls willkommen, edler Prinz und
mächtiger Ritter. Trübselig habe ich meine Tage
seit Eurer Abreise zugebracht und bedauere, dass
Euer Vorhaben nicht gelungen.
Gerhard.
1250 Eben das, edler Ritter, liegt mir am Herzen,
und dennoch halte ich es für gut, dass ich wieder
bei Hofe bin-, vielleicht gelingt es mir noch ein-
mal, und ich hoffe darauf, jedoch ohne die mindeste
Spur, denn ich habe mich so artig verfochten,
1255 dass ich bei beiden vollkommen in Gnaden stehe,
und sollte es dazu kommen und mir Mittel bei
der Hand sein , so will ich es ein zweites Mal
wagen. Ich habe nimmer Ruhe in meinem Herzen,
bis ich erlange, was ich wünsche; dazu gebet
1260 mir gegen gute Belohnung einen thätigen Rath.
Riese.
Was Ihr begehret, wird geschehen, und ich
schwöre Euch, Ihr werdet siegen, und sobald es
sein kann, werde ich Euch möglichsten Beistand
leisten. Ich empfehle mich in fernere Gunst, wir
1265 werden uns nächstens wiedersehen. Geht ab.
Gerhard.
Ich verspüre Linderung; mit diesem Manne
hoffe ich was auszurichten, wenn es Gelegenheit
giebt, die ich zwar erst erwarten muss. Geht ab.
47. Auftritt.
Fürst mit Hirlanda treten auf.
Fürst.
Kann meinem Gott lebenslänglich nicht genug
1270 danken, dass er mir Unwürdigen so viele Gnaden
erwiesen hat, indem ich mir das für verloren
halten musste , was ich so innigst liebte. Ach,
ich darf daran nicht gedenken , und dennoch
kann ich's nicht vergessen. O, erschreckliche That!
Hirlanda.
1275 Es ist Alles vorbei, und dieses waren nur
Prüfungen unserer Tugenden; denket nimmer
daran und bekümmert Euch nicht mehr.
Fürst.
Das Einzige, was mir am schwersten am Herzen
liegt, ist, dass wir bisher ohne Erben sind. Ach,
1280 welches Abenteuer hat uns diesem entzogen.
Hirlanda.
Dieses, edler Fürst, steht in Gottes weisestem
Rathschluss ; ist es sein Wille, so kann es auch
gar bald erfüllet sein oder werden , indem Ihr
sehet, dass meine Zeit herannahet, dass Ihr das-
1285 jenige auf Eurem Arme sehen werdet, was anjezo
noch unter meinem Herzen liegt. Gehen Beide ab,
48. Auftritt.
Kiese und Gerhard kommen.
Gerhard.
Edler Ritter , Euer Besuch macht mir vieles
Vergnügen und wünsche Euch täglich zu sehen :
in Euch steht mein Vertrauen , ich finde keine
1290 wahre Freude, bis ich mein Ziel werde erreicht
haben , und doch könnten sich auf's Neue die
Wellen des stürmenden Meeres meines Herzens
legen.
Kiese.
Auf wie und was für eine Weise kann das sein?
Gerhard.
1295 Wenn man neue Beschuldigungen über die
Fürstin erdichtet.
89
Riese.
Ich werde den Meister spielen. — Saget an, auf
welche Weise.
Gerhard.
Die Abreise Olive's und die Schwangerschaft
1300 Hirlandas könnten die mächtigsten Beweise hervor-
bringen.
Riise.
Ich weiss , wie Ihr sagen wollt ; es wird sich
ziemlich schicken : ich werde eifrigst beflissen sein,
nur dass die Sache mir genau berichtet wird.
Gerhard.
1305 Ich verlasse mich auf Euer Wort, und den Ver-
lauf der Sache, den werdet Ihr sodann erfahren, —
und weil uns der Tag zu Ende geht, werden
wir uns auf eine kleine Labung begeben und
sodann ruhen. Kommt nur die nächsten Tage
13 IG wieder auf einen Besuch. Gehen Beide ab.
49. Auftritt.
Fürst tritt auf.
Fürst.
Das menschliche Leben ist wie ein Rohr, das
vom Winde hin und her getrieben wird , hat
theils Freuden , theils Traurigkeiten : dieser Art
bin ich Meister geworden. Schwere Kriege, das
13 15 siebenjährige Elend meiner Gemahlin und ohne
männlichen Erben zu sein , es beschwert mein
Gemüth und verursacht Unwillen in mir.
Sieht nach der Thür.
50. Auftritt.
Gerhard tritt ein.
Gerhard.
Mit aller Ehrfurcht und herzrührenden Glück-
wünschen komme ich , edler Fürst und Bruder,
1320 Euch zu gratuliren zu Eurer neugeborenen Prin-
zessin, welches Glück ich Euch herzlich vergönne.
90
Fürst.
Ihr habt nicht Ursache, mir Glück zu wünschen,
indem ich keinen männUchen Erben überkommen
und an einem Mädchen nicht die wahre Freude
1325 erlanget habe.
Gerhard.
Das schmeichelhafte Betragen Hirlandens gegen
Euch hat mich schon öfters in Argwohn gebracht,
und wenn ich sagen darf, so seid Ihr nicht des
Kindes Vater. Dadurch werde ich vor Euch den be-
1330 richteten Glauben rechtfertigen: durchsuchet heim-
lich ihre Schriften, und ich hoffe nicht vergebens,
Ihr werdet buhlerische Schriften finden, denn ich
habe sie neulich mit OHve an einem unrechten Ort
beisammen gesehen. Ihr dürfet meinen Worten
1335 nicht glauben, es wird Euch aber ein ehrlicher
Ritter mehreren Bericht erth eilen ; wenn Ihr es
erlaubet, werde ich es ihm andeuten, denn aus
brüderhcher Liebe kann ich es nicht verhalten ;
im übrigen wisset Ihr selbst zu thun nach Eurem
1340 Gefallen.
Fürst.
Mein Verstand erblindet, ich kann's nicht fassen,
weiss auch nicht, was hierin zu thun ist. Bringt
mir diesen Ritter.
Gerhard.
Alsobald wird es geschehen. Geht ab.
Fürst.
1345 Vor Unmuth wünsche ich mir den Tod! O,
erschreckliche Tage, die ich zu erleben habe!
Sollte Hirlanda mich so schändhch betrogen haben?
Kann's fast nicht glauben, aber dass Olive so
geschwind abgereist, macht mich bedenken; will
1350 sehen, was der Ritter spricht. Riese tritt auf.
51. Auftritt.
Kiese.
Ich gelobe Euch Glück und Heil.
91
Fürst.
Wäre zu wünschen. Was bringet Ihr mir für
Zeitung ?
Riese.
Durchlauchtigster Fürst und Herr, ich bedaure
1355 Euch sehr, aber mein Gewissen lässt mir nimmer
Ruhe, bis ich Euch die Wahrheit angezeigt, und
sage unverhalten , dass Ihr nicht des Kindes
Vater seid , sondern Olive , denn ich habe das
schändliche Verbrechen mit eigenen Augen ge-
1360 sehen, und da er davon einige Spur hatte, dess-
wegen hat er sich seines Dienstes entsagt. Dieses
ist, was ich Euch mit Wahrheit sagen kann ; dero-
wegen rathe ich Euch , die Sache ohne Aufruhr
im Geheimen zu bestrafen, und sollten sich einige
1365 Vertheidiger einfinden, so bin ich beim Wort zu
nehmen. Nun habe ich entdecket, was mich
schon lange betrübte.
Fürst.
Ich danke Euch, edler Ritter, für die mir an-
vertraute Wahrheit , und machet Anstalt , dass
1370 meine Soldaten und Diener ihr die Brut OHvens
aus den Händen reissen , und sie anderswo zur
Erziehung hingegeben wird.
Riese.
Was Ihr befehlet werde ich genau vollziehen.
Geht ab.
Fürst.
Rache und Verachtung meiner selbst! Alle
1375 erdenklichen Uebel stossen an mich, ach, ich
kenne mich selbst nicht mehrl Soll das wohl
wahr sein? Ich kann es doch nicht glauben,
ich muss mich selbst überzeugen ; ich will
mich in das Zimmer der Fürstin begeben, will
1380 sehen, ob ich nichts Unrechtes finde oder sehe.
Geht ab.
92
52. Auftritt.
Gerhard tritt auf.
Gerhard.
Ich hätte geglaubt, es soll der Fürst hier sein.
Das will ich sehen , wie das Ding gehen wird,
will sehen , wie es mir gelingt. — — Wen
höre ich ?
53. Auftritt.
Fürst.
13^5 ^^^^^ niemand hier, der nach mir fragte?
Gerhard.
Durchlauchtigster Fürst, niemand.
54. Auftritt.
Riese tritt auf.
Riese.
Ein unterthänigster Diener.
Fürst.
Wie ging die Sache r Is-t geschehen , wie ich
befohlen hab?
Riese,
1390 Genau und pünktlich. Ach, des Jammers der
Fürstin !
Fürst.
Nach diesem habt Ihr nichts zu fragen. Holet
mir den Richter.
Riese.
Augenblicklich,
Gerhard.
1395 Seid Ihr nun überzeugt? Was ich vernehmen
muss ! Ach, die Abscheulichkeit einer Frau 1
93
55- Auftritt.
Richter tritt auf.
Richter.
Durchlauchtigster Fürst, ein ergebenster Diener
wünscht Ihro gnädige Huldigung und gelobe
Euch Glück und Heil.
Fürst.
1400 Mit grossem Dank, aber mit erbittertem Herzen.
Ach, mein Gott —
Richter.
Ich verspüre eine grosse Schwermuth an Eurem
Herzen, ich bitte um deren Entdeckung.
Fürst.
Ist Euch gar nichts bekannt, was sich bei
1405 Hofe zutrug?
Richter.
Ich hörte Verschiedenes, welches ich nicht kenne.
F'ürst.
Ich bitte um rechtmässige Untersuchung, dero-
wegen habe ich Euch berufen lassen ; denkt, was
recht ist, ich werde es Euch erklären : das schänd-
14 10 liehe Betragen meiner Gemahlin, die durch ihre
Schandthaten das fürstliche Haus im Brand der
Geilheit ansteckte, kann ich nicht mehr erdulden,
darum sprechet das Urtheil.
Richter.
Urtheil sprechen ist eine schwere Sache. —
1415 Ist es vollkommen bewiesen und sind namhafte
Zeugen vorhanden? Ueber solche Dinge ohne voll-
ständige Gewissheit zu urtheilen , steht nicht zu
meinem Amte.
Fürst.
Zeugen genug: an diesen ist nicht zu zweifeln ;
1420 auch habe ich Olives Briefe bei ihr gefunden, hier
94
sind sie, durchschauet sie. Ein mächtiger Ritter
giebt ein augenscheinliches Zeugniss ab, was wollet
Ihr Näheres wissen?
Richter.
Ich will den Ritter selbst sprechen, lasset ihn
1425 anhero kommen.
Fürst.
Das wird geschehen, ich will ihn selbst holen.
Ab.
56. Auftritt.
Riese tritt auf.
Richter.
Getrauet Ihr Euch, edler Ritter, vor Gott und
mir zu bekennen, wess man Hirlanda bezichtigt,
so schwöret vor Gott und dem Fürsten imd
1430 redet, was sich gebührt.
Riese.
Ich betheuere die Wahrheit und schwöre vor
Gott, dass Hirlanda mit Oliven den Ehebruch
begangen, welches ich mit eigenen Augen gesehen :
so viel kann ich bekennen.
Richter.
1435 Ach, Gott! gieb mir Verstand und Gnade;
bringet Hirlanda zum Verhör. Riese ab.
57. Auftritt.
Hirlanda tritt auf,
Richter.
Gebet Ihr Euch in diesen Dingen schuldig,
deren man Euch bezichtigt? Ihr steht in ge-
fährlichem Stande , Leben und Tod hab ich in
1 440 Händen, darum verantwortet Euch !
Hirlanda.
Kein Wort zu meiner Vertheidigung ; ich will
sterben, ich folge dem Beispiele meines Erlösers,
95
der meine Unschuld kennt; Ihr seid Menschen,
vergiftet von falschen Zungen. Ich gehe willig
1445 in den Tod, der Tod verschafft mir Ruhe, denn
in diesem Leben finde ich keine wieder ; ich will
gerne sterben und empfehle meine arme Seele in
die Hände dessen, der vor mir am Kreuze ge-
storben ist.
Richter.
1450 Führet sie hinweg — eine schwere Verurthei-
lung — solche Verantwortung habe ich nie gehört :
machet selbst den Richter und thut, was Euch
beliebt, ich will kein Wort von ihr mehr hören!
Fürst.
Den Schandfleck will ich vertilgen. Ach, wie
1455 schändlich bin ich betrogen! Ich werde die Rache
verüben !
Richter.
Gnädigster Herr, auf was für eine Weise?
Fürst.
Zum Feuertode soll sie verdammt sein ; anders
kann dieses nicht ausgetilgt werden!
Richter.
1460 So thut, was Euch behebt, bestätiget das
Urtheil, ich rede kein Wort mehr. Gehen Beide ab.
58. Auftritt.
Gerhard und Riese treten auf.
Riese.
Ergebenster Diener, Herr Hofmeister, wie geht
das Geschäft?
Gerhard.
Habt Ihr noch nicht gehört, was mit der
1465 Fürstin geschieht?
Riese.
Ich habe wohl gehört, aber keine Gewissheit.
Ist sie schon verurtheilt ? Das möchte ich hören.
96
Gerhard.
Vor Freude kann ich fast nicht reden : das
Stäblein ist schon über sie gebrochen, morgen
1470 in aller Früh wird sie hingerichtet durch den
Feuertod. Diesesmal geht's treffUch gut. Ach,
Freude in meinem Herzen! Hier habt Ihr ein
gutes Trinkgeld, weil Ihr mir so treu an die
Hand gegangen seid, und sollte doch etwa morgen
1475 ^^^ Verwegener Euch entgegentreten, so stellet
Euch nur daher , weil Ihr zur Probe ihrer Ver-
theidigung bestellet werdet.
Riese,
Ich schwöre Euch, ich werde siegen, und sollte
es der Geschickteste von der Welt sein, so werde
1480 ich seiner spotten und lachen!
Gerhard.
Ich wünsche es uns Beiden , lebet indessen
wohl. Beide ab,
59. Auftritt.
Abt tritt in seinem Zifnmer auf.
Abt.
Nun, o grosser Gott, dir sei es gedankt, dass
du mich wieder einen Tag hast erleben lassen ; die
1485 Sonne ist schon untergegangen, und die Sterne
leuchten schon am hohen Firmament ! Ich muss
mich in die Ruh begeben. Aber bevor ich mich
in die Ruh begebe, muss ich mit meinem Ge-
wissen zur Rechenschaft gehen, wie oft ich Gott
1490 beleidiget habe. O, du Herr Himmels und der
Erde ! Du weisst, dass wir alle sündige Menschen
sind , und dass wir ohne deine Gnade nichts
vermögen ; darum verzeihe mir armen , sündigen
Menschen meine begangenen Sünden , damit ich
1495 ruhig schlafen möge. Verzeihe mir, wie du dem
büssenden und reuevollen Schacher am Kreuze
verziehen hast, und ihm heute noch das Paradies
97
versprochen hast : nimm mich nach dem be-
schlossenen Lebenslauf zu dir in den Himmel
1500 auf; jetzt in Gottes Namen zur Ruhe — Jesus
und Maria, ich schlafe, — ich ruhe.
Schläft ein. Der Engel erscheint.
60. Auftritt.
Engel.
Cölestinus, wache auf und hör^ den Befehl
Gottes 1 Morgen sollst du den jungen Ritter,
den du deiner Schwester zur Erziehung gegeben
1505 hast, mit guter Rüstung versehen, mit einem
Schwert in der Hand, an Herzog Artus Hof
senden, dort wird er seine unschuldig angeklagte
Mutter vom Tode retten : er wird mit einem all-
gemein gefürchteten Bösewicht kämpfen, und der
15 10 Herr, dein Gott, wird ihm um der Unschuld
willen den Sieg verleihen. Geh' und vollziehe den
Befehl Gottes ! Abt steht auf.
Al't.
Augenblicklich werde ich den Befehl des Herrn
vollziehen. O grosser Gott Himmels und der
15 15 Erde, der du Alles in weisester Vorsicht leitest
und die Hand des Verderbens vernichtest ! Ich
danke dir, mein Gott, dass du mich würdigest,
ein so grosses Werk zu unternehmen und eine
unschuldige Frau retten zu helfen : ja schnell will
15 20 ich gehen um Anstalt zu treffen, und morgen,
sobald der Tag graut , wollen wir von dannen
ziehen ; Gott, leite meine Schritte ! Geht ab.
61. Auftritt.
Verwandlung.
Hirlanda wird zur Richtstätte geführt. Der Fürst , Ger-
hard, der Richter begleiten den Zug.
Richter.
Da nun vor aller Augen diese schändliche
Ehebrecherin auf dem Todtengerüste ihre Schand-
Volksschauspiele, IL 7
98
1525 thaten büssen muss , so wird aus Gnaden des
durchlauchtigsten Fürsten bewilligt, dass wer sich
getraut oder sie für unschuldig hält, mit diesem
einen Kampf wage, und wenn derselbe unterliege,
so soll sie für unschuldig erklärt sein , wenn er
1530 aber siege, so soll sie ihre wohlverdiente Strafe
empfangen. — Zum erstenmal: Wo ist der, der
bezeugt, dass Hirlanda unschuldig und keine Ehe-
brecherin ist?
Riese.
Der trete zu mir in die Schranken, ich werde
7535 ihm bezeugen, dass sie schuldig ist.
Der Richter ruft zu/n ersten, zweiten, dritten und letzten-
mal, der Riese ebenso obige Worte.
Hirlanda, auf devi Holzstosse.
Da ich nun von aller Welt verlassen bin und
sich niemand meiner annimmt, so erbarme dich
meiner, o gekreuzigter Jesu, der du auch den
Tod empfangen, und dir zu Liebe bin ich bereit,
1540 den bittern Tod zu erleiden; nimm auf meine
Seele in deine Hände. Ich verzeihe Allen , die
sich meines Todes freuen, weil du auch am
Kreuze verziehen hast. Lebe wohl, edler Gemahl,
und vergiss nicht «deine dich treu liebende Ge-
1545 mahlin Hirlanda! Lebe wohl, o edle Freund-
schaft , denke mit deinem Gebet an mich , ich
sterbe vor euren Augen einen schmerzlichen
Tod , aber nicht als eine Ehebrecherin , sondern
als eine Sünderin. Dies sind meine letzten Worte
1550 und ich sage, o Jesu, in deine Hände empfehle
ich meine Seele. Der Ifohstoss ivird angezündet.
62. Auftritt.
Der Abt, der junge Bertrand und die Amme treten auf.
Riese.
Was wollt Ihr, Abt?
99
Abi,
Die Ungerechtigkeit zu strafen und die Unschuld
zu krönen, derowegen bin ich gekommen.
Kiese,
i^^^ Willst du mit mir einen Kampf versuchen, so
probire es, desswegen stehe ich hierl
Abf.
Ich werde nicht kämpfen, ich trage den Schild
Christi, aber dieser Knabe wird dir obsiegen und
dich zu Grunde richten.
Riese,
1560 Was sprichst du, wahnsinniger Mensch! Mit
Schülern werde ich nicht wagen zu kämpfen, ich
könnte unterliegen, das wäre eine Schande.
Bertrand.
Nichtswürdiger Bösewicht, was spottest du
meiner? Du hast keine Ausnahme gemacht, sondern
1565 gesprochen, wer sich getraut, und ich bin bereit,
dich zu überwinden und die Unschuld ari den
Tag zu geben ; besinne dich nicht länger und er-
greife deine Waffe und richte dich zum Streit.
Riese,
Elender Erdenwurm, spare deinen Stolz für später-
1570 hin und werde nicht ein Opfer deines Hoch-
muths. Der Mund ist stark genug, aber deine
Hände sind zu schwach , mit einem Manne zu
streiten.
Bertrand.
Was meine schwachen Hände nicht vermögen,
1575 wird eine unsichtbare Hand thun, ich sage dir,
bereite dich zum Kampf.
Riese,
Schweige, du jagst mir vielleicht gar Furcht
efn. Bist du vielleicht ein Zauberer und könntest
mich verhexen?
lOO
BertranJ.
1580 Ich bin kein Zauberer, ich glaube an einen
wahren Gott.
Riese.
Verlasse dich auf deinen Gott, er soll dir an
der Seite stehen, ich aber werde siegen mit
eigenen Kräften.
Bertrand.
1585 Abscheulicher Gotteslästerer, wie lange wirst
du noch verziehen? Einem Manne, wie du bist,
geziemt es nicht, mit Kindern so lang im Dis-
putiren sich aufzuhalten ; mache dich fertig oder
ich tödte dich auf der Stelle.
Riese.
1590 Weil du dein junges Blut nicht verschonest, so
wird deine Seele an der Spitze dieses Schwertes
tanzen müssen. Nun wohlan! Sie kämpfen, Riese
ruft getroffen: Verflucht! Riese unterliegt, und Alk
,rufen: Heil dem Sieger! Heil der Fürstini
der junge Ritter setzt ihtn den Fuss auf die Brust und
1595 spricht: Nun sage an, du gottloser Mensch, was
du über Hirlanda Uebles weisst: sage an, ehe
ich deine verfluchte. Seele werde in den Abgrund
stossen !
Riese.
Ich bitte um Gnade, ich bin verloren ! Auch
1600 muss ich frei und aufrichtig bekennen, dass Hir-
landa gänzHch unschuldig ist und nur aus An-
stiftung und Rachgier des Gerhard schon zweimal
zum Tode verurtheilt worden ist. Ach wehe, ach
wehe, ich sterbe. Stirbt. Der Todteiuird weggetragen.
Fürst.
1605 Du ewiger Gott, ach sieh mich mit Gnaden
an, was habe ich gethan ! Ergreifet den gottlosen
Gerhard! Wo ist er? Er ist entronnen, eilet und
holet ihn ein.
lOI
Abt.
Gross und herrlich sind deine Werke, o König
1610 der Ewigkeit! Ach, sehet an die unendhche Güte
Gottes , die im Menschen dessen Tugend preist !
Edle Fürstin , hier habt Ihr Euren Sohn , den
Ihr mit Schmerzen geboren habt, der mir durch
Schickung zur Erziehung ist anvertraut worden,
16 15 als er von dem gottlosen Gerhard verkauft wurde,
an einen ruchlosen Juden, und ich den göttlichen
Befehl erhielt. Ach, so danket Gott, dem All-
mächtigen !
Abt und Bertrand helfetz der Fürstin herab, dieser um-
armt sie.
Bertrand.
Gnädige Frau, sehet mich bisher unglücklichen
1620 Sohn, der seiner besten Mutter zu Liebe das
Leben geopfert, aber auch durch dieses Opfer
ihr und sich selbst durch die Hilfe des Himmels
neues Leben gegeben hat. Wer ist nun glück-
licher als ich, der ich meiner besten Mutter das
1625 Leben gerettet habe?
Hirlanda.
O , du kostbares Kleinod , du Retter meines
Lebens , dich hab ich unter meinem Herzen ge-
tragen und bist mir geraubt worden: nun hab
ich dich wieder ! Dies sind die seUgsten Wonnen
1630 meines Lebens.
Abt.
Nun kommt , ich stelle euch beide vor den
Fürsten ; aber um eines bitte ich Euch, Hirlanda,
verzeihet Eurem Gemahl und Fürsten , denn er
ist nicht Schuld an Eurer Misshandlung, sondern
1635 Euer Schwager, der boshafte Gerhard: dieser ist
Schuld daran.
Hirlanda.
Meinem Gemahl ist von Herzen verziehen, auch
dem Gerhard, wenn ihm nur Gott verzeihet; ich
102
bin für mein Leid schon belohnt, weil ich meinen
1640 Sohn wieder habe.
Bertrand.
Ach, Mutter, liebste Mutter, ich habe dich
wieder !
63. Auftritt.
Gerhard wird herbeigebracht»
Fürst.
Schändlicher Auswurf aller erschaffenen Krea-
turen, was anders treibt dich zu solch tyrannischen
1645 Thaten, als Ehrgeiz? Ist das die brüderliche
Liebe, ist das die Ehrfurcht gegen deinen Fürsten?
Gottloser Mörder, wenn uns nicht Gott schützte I
Welchen Tod muss ich ersinnen, um dich genug
zu bestrafen? Allein der Tod ist zu gering,
1650 meine Rache wird erschrecklich sein, du Abscheu
aller Laster ! Unmensch, was für ein Elend hast
du uns gebracht? Ach Gott, ich bin ganz ausser
Sinnen , ich weiss nicht , was ich thun oder
lassen soll ; die nagenden Vorwürfe des Gewissens
1655 lassen mich nicht zu Verstände kommen! Sagt
an, lieber Abt, wie ist der junge Prinz in Euere
Hände kommen?
Abt.
Als ich vor sechzehn Jahren am Abend mein
Gebet verrichtet, trat ein Engel zu mir und
1 660 sprach, ich sollte eilends meine Leute versammeln
und bewaffnen, und sollt' an das Ufer von Sanct
Malo ziehen, dort werde ich eine flüchtige Weibs-
person finden , mit einem ungetauften Kinde,
welches einem gottlosen Juden sei verkauft
1 665 worden : das sollte ich retten. Und so geschah es.
Und als ich vor einigen Tagen wieder mein Ge
bet am Abend verrichtet und zur Ruhe gehen
wollte, trat ein Bote des Herrn zu mir und
sagte: morgen sollst du den jungen Ritter mit
1Q3
1670 einer guten Rüstung versehen und an des Her-
zogs Hof ziehen, dort wird er seine unschuldige
I Mutter retten, und der Herr wird ihm den Sieg
" verleihen. Das Uebrige habt Ihr selbst gesehen.
Fürst.
Wird mir Gott die schreckliche Ungerechtigkeit
1675 verzeihen?
Abt.
Ja , und nicht er wird sie verzeihen , sondern
er hat sie schon verziehen. Habt Ihr nicht ge-
hört, wie aufrichtig und grossmüthig Euch Hir-
landa verziehen hat? Und wenn ein Mensch so
1680 grossmüthig ist und so barmherzig verzeihen
kann, wie sollte Gott, der barmherzigste Vater,
nicht verzeihen?
Fürst.
Nun , liebste Gemahlin , sind wir wieder bei-
sammen und werden es bleiben bis uns der Tod
1685 scheidet.
Hirlanda. '
Ja, das steht in Gottes Hand, wie lange er uns
diese fröhlichen Tage geniessen lässt.
Bertrand.
Gott gebe euch Gesundheit und langes Leben.
Abt.
Gott segne euch alle und lasse die mildreiche
1690 Hand nie von euch weichen.
Richter.
Jetzt soll auch Gerhard seinen bestimmten
Lohn empfangen. Sie werden ihn gleich bringen.
Fürst.
Ja, das soll er. Was für eine Strafe soll er
empfangen ?
Richter,
1695 Ict^ kann mir keine ersinnen, jede Strafe
scheint mir zu gelind für den Bösewicht!
I04
Hirlanda.
Ach, liebster Gemahl , lass ihn los , setze ihn
auf freien Fuss, lass ihm die Strafe nach.
Richter,
Um der Gerechtigkeit willen darf dieses nicht
1700 sein, er muss sterben.
Fürst.
Ja, sterben muss er, und die peinHchsten
Martern ausstehen : ihm sollen Hände und Füsse
abgehauen werden und verstümmelt soll er mit
wenig Wasser und Brot schmachten, bis er seine
1705 schwarze Seele ausgehaucht hat!
Richter,
Ein christliches Urtheil, Fürst, dass ihm noch
Zeit zu seiner Busse gelassen wird. Aber was
soll mit dieser Weibsperson geschehen?
Fürst.
Dieses Urtheil überlasse ich meiner Gemahlin
17 IG und meinem Sohn.
Hirlanda,
Sie soll ganz frei sein.
Bertrand,
Ja, ja, frei sein!
Amme,
Ich danke Euch vom Grunde meines Herzens!
Abt,
Ja , sie hat genug gebüsst , sechzehn Jahre
17 15 schmachtete sie im Kerker, und hat ihre Schuld
bezahlt.
Richter.
Jetzt bringet her den Bösewicht!
Fürst.
Meine Hände werden dich ergreifen und dich
züchtigen, beide Hände und Füsse werden dir
1720 abgehauen, mit wenig Brot sollst du gespeist
I05
werden, Zeit deines Lebens sollst du gebrand-
markt sein. Schleppet ihn fort, damit er seinen
verdienten Lohn empfängt; dieweil du dies ge-
than, sollst du Verstössen sein.
Gerhard.
1725 Ich danke Euch für das mir ertheilte Urtheil,
ich will es gerne leiden , weil ich es hundertfach
verdient habe; nur verzeihet mir, ich bitte, ver-
zeihet mir, gnädige Fürstin, ich will gerne
sterben, wenn mir nur verziehen wird. Ach, ich
1730 Elender, was hab ich gethan? Ach wäre ich nie
geboren ? Ach, wo sind die Freuden, die ich ge-
nossen hab ? Wie weit hat mich der Hochmuth
gebracht! Was hat mir Hirlanda gethan? Nichts
als Gutes , und ich behandelte sie tyrannisch 1
1735 Ach, ich muss verzweifeln, wenn mich nicht Gott
schützet! Die eisernen Ketten sind jetzt mein
Zierath, mein Zimmer ist der finstere Kerker.
Ach , was will ich sagen , ich habe es verdient,
ich bin selbst Schuld daran. Ich bitte noch ein-
1740 mal, verzeihet mir, ruhig will ich sterben, wenn
ich nur Verzeihung erlange.
Hirlanda.
Euch sei von mir vollkommen verziehen: ich
wollte, ich könnte Eure Pein lindern; Gott ver-
leihe Euch Geduld und Starkmuth ! Geht ab.
64. Auftritt.
Erster Henker.
1745 Jetzt werden wir unsere Rache kühlen, und mit
Freuden will ich dir die Hände und Füsse ab-
hauen I
Zweiter Henker.
Ja , das ist auch meine Freude , du hast es
schon längst verdient : nun fort mit dir 1 Alle ab.
ST. BARBARA.
Ä-
PERSONEN.
Prologus.
Dioscorus, Fürst,
Barbara, dessen Tochter.
Juliana, Hofmeisterin.
Ephebus, Minister.
Valentinus, Priester.
Martianus, Landpfleger.
Potinus, 1
Vicander, ^ Hofcavaliere.
Philon, J
Ein Baumeister.
Zwei Maurer.
Hanswurst.
Ein Engel.
Zwei Soldaten.
Zwei Gerichtsdiener.
Eine Kammerzofe.
Der Scharfrichter.
•^
Erster Aufzug.
1. Auftritt.
Prologus.
Ich tritt herein , in vollen Ehren , und grüss
euch alle, wie ihr jetzt versammelt uns zusehen
werdet. Wir wollen euch eine kleine Vorstellung
zeigen von der Schutzpatronin und Martyrin Barbara.
5 Sie war eine Jungfrau in der schönsten Blüthe ihres
Alters ; nun wollte ihr Herr Vater sie schon einem
vornehmen heidnischen Prinzen zur Ehre hingeben,
allein die Jungfrau erwiderte, sie habe schon ihr
Herz Gott dem Herrn, der Himmel und Erde er-
lo schaffen hat, als Braut verlobt und versprochen.
Da wurde er ergrimmt und Hess sie in den Thurm
sperren, und dann auf offener Gassen Heerden treiben,
und sie musste sogar durchs Schwert sterben. Wir
bitten um eine gute Aufmerksamkeit. Ab,
Es werden die Götzenbilder von Jupiter^ Jtrno und
Minerva aufgestellt,
2. Auftritt.
Barbara allein^ singt,
15 Ich weiss, dass ich falle, mir helfen nicht kann,
Ich weiss, dass ich irre, und stoss immer an :
Ihr so viele Götter, ist keiner im Stand,
Der mir könnte helfen, und binden die Hand?
110
Sie haben zwar Hände, und wie Menschen das Gesicht,
20 Doch nützt es so wenig, als hätten sie es nicht.
Ich soll diese Götzen als Götter verehren,
Die doch weder sehen, noch reden, noch hören.
Ich kann es nicht glauben, es geht mir nicht ein,
Dass die zuvor Menschen, jetzt Götter sollen sein.
25 Ein Gott hat kein' Anfang und hat auch kein End,
Hingegen die Götzen sind werth unsrer Feind'.
Drum thu' ich nicht glauben und bilde mir ein,
Es muss etwas Anderes und Besseres sein,
Den ich als mein'n Gott soll anbeten und ehren :
30 Aber lehret mir kennen meinen Schöpfer und Herrn.
Geht ab.
3. Auftritt.
Dioscorus und die Hofmeisterin yzcliana treten im
Gespräche miteinander auf.
Dioscorus,
Nun hab ich mich wohl etwas Gutes zu getrösten,
meine Frau , wenn ich Euch frage , wie viel meine
liebste Tochter Barbara unter Eurer Obsorge an
Tugenden zugenommen hat?
Juliana.
3 5 Ja, und zwar nur gar zu viel Gutes \ ihre einzige
Unterhaltung ist, dass sie nach dem Gebrauch der
Nikomedischen adeligen Frauenzimmer sich mehr
als mit gemeiner Begierde auf die Wohlredenheit
begibt.
Dioscorus.
40 Genug zu meinem Trost: fahret nur immer fort,
diesen so lieben Antheil meiner Seele recht voll-
kommlich zu machen.
Juliana,
Meinerseits sollte ich nichts erwidern ; aber eines
ist zu besorgen , dass nicht mit der Zeit ihr allzu
II 1
45 durchdringender und scharfsinniger Geist sie —
nun still jetzt. Skht Barbara.
Dioscorus.
Saget nur, was besorget Ihr?
Juliana.
Still, Still! Ich hab es nicht gewusst, dass sie
uns so nahe an der Seite stand.
4. Auftritt.
Barbara tritt auf.
Dioscorus,
50 Nun, liebste Tochter Barbara, ich vernehme zu
meinem besonderen Vergnügen, dass du eine so
grosse Liebe zu den Büchern tragest, aus welchen
dir neben der Wohlredenheit auch eine mehrere
Erkenntniss unserer Götterschöpfer werde.
Barbara.
55 Ich werde mich mögHchst befleissen, die Wünsche
^ meines Vaters zu erfüllen. Sie erlauben mir zu
fragen, was bedeuten diese stummen Bildnisse der
Menschen?
Dioscorus.
Schweig still ! Es sind keine Bildnisse der
60 Menschen, sondern der Götter, welche unter diesen
Gestalten wollen angebetet werden. Sieh , hier ist
Jupiter , der Stammvater unserer Götter und Be-
herrscher der Menschen. Und hier ist die Göttin
Juno, die Königin aller Göttinnen und des grossen
65 Jupiters Ehefrau, und dort ist das Bildniss der Minerva,
der Göttin der Weisheit.
Barbara.
Sind diese Götter, die wir anbeten, auch einstens
Menschen gewesen?
Dioscorus.
Ja freilich, denn Jupiter war ein König in Greta.
I 12
Barbara.
70 Wenn unsere Götter sind Menschen gewesen, so
sind sie auch als Menschen geboren worden, folglich
sind sie auch als Menschen gestorben •, wenn
sie aber wahrhaft Götter wären , so wüssten sie
nichts um die Geburt , noch um den Tod aller
7 5 Menschen : die wahre Gottheit, wie mich gedünket,
weder einen Anfang noch Ende hat.
Dioscorns.
Nicht SO , meine Tochter , nicht so \ von den
Göttern müssen wir in aller Ehrfurcht gedenkend
reden , sonst würdest du wegen freventhcher Ver-
80 messenheit ihre Rache zu befürchten haben.
Barbara geht ab.
Jiiliana .
Nun , wie gefällt Euch dieser Einwurf? Dieses
wäre, so ich besorge, dass nicht etwan mit der Zeit
ihr scharfsinniger Geist in das immer mehr und
mehr anwachsende Christenthum verfiele.
jDioscorits.
85 Es ist Zeit, dass man der Gefahr zuvorkomme,
und den Feuerfunken auslösche, bevor er selber in
Volle ausbreche. Beide ab.
5. Auftritt.
Barbara tritt auf.
Barbara.
Ach, welche Aengsten beunruhigen meine Seele:
ich solle diejenigen als Götter anbeten, welche
90 mein Herz wegen ihrer gottlosen und unanständigen
Thaten über Alles hasset, ja ich sehe gar nichts
Anbetungswürdiges an ihnen. Ich weiss, dass ich
irre gehe , und suche , um den rechten Weg zu
finden. Nun wende ich meine Augen hin, wo ich
95 immer will , so überzeugt mich die ganze Natur,
dass es anders ist , als wie man mich belehrt hat.
Nun so betrachte ich auch die zwei grossen Himmels-
113
lichter des Tages : die Sonne und zur Nachtzeit
den silberfarbigen Mond mit so vielen tausend
loo Sternen, wie sie mit ihrer bestimmten Reihe glänzen
und spielen , und ihren Lauf von einer Zeit zur
anderen so pünktlich vollenden : dieses sind ja
Eigenschaften, die allen Menschen Vernunft geben
können. Ach, ich elendes Geschöpf! O Himmel,
105 wer reichet mir die Hand und führt mich aus
diesem Irrthum, wer erleuchtet mir den Verstand,
damit ich den Urheber aller Dinge recht erkennen
möge?
6. Auftritt.
Engel tritt auf.
Der Friede sei mit dir , Barbara , unser Herr
iio Jesus Christus, der eingeborne Sohn des all-
mächtigen Gottes , welcher das menschliche Ge-
schlecht zu erlösen sich vom Himmel hat herab-
gelassen, und das Fleisch aus Maria der Jungfrau
angenommen hat, welcher Mensch geworden ist,
115 damit er den verlornen Menschen durch seine
Leiden , die er am Kreuzgalgen freiwilHg ausge-
standen und durch seinen Tod zum Himmelreich
brächte : dieser hat die Sonne und den Mondeslauf
angeordnet, auf eine wunderbare Weise den Sternen
120 Namen gegeben und dieselben abgezählt. Wohlan
denn, Barbara, glaube fest, was ich dir von Christo
erzählet habe : sei starkmüthig, weil du für seinen
Namen viel wirst leiden müssen. Geht ab.
Barbara.
Mein Gott und mein Herr! Verfahre mit mir
125 nach deinem Wohlgefallen, gieb mir nur soviel
Gnad, dich vollkommen zu erkennen.
7. Auftritt.
yidiana tritt auf.
Nun, wie hast du seit meiner Abwesenheit die
Zeit zugebracht, meine Barbara?
Volksschauspiele. 11. 8
114
Barbara.
Mit tausenderlei Abenteuern verwirrter Gedanken !
Juliana.
130 Was willst du mit diesem sagen, meine Schöne?
Barbara .
Es scheint mir unmöglich, zu glauben, dass in
den Klumpen Holz und Stein eine wahre Gott-
heit sich befinde \ meine Vernunft sagt mir , es
giebt nur einen einzigen, ewigen, wahren Gott, der
1 3 5 Alles erschaffen hat, den ich über Alles liebe und
dem ich mich auch ganz ergeben solle , von dem
ich auch Alles habe ; und diese Begierde ist so
gross , dass ich ohne denselben nimmer vergnügt
leben werde.
Juliana.
140 Sei getrost, meine Barbara, dieser Stein kann
leicht von deinem Herzen geräumt werden. Es
ist das Gerücht jetzt angekommen , dass sich zu
Alexandria in Egypten ein gewaltiger Mann , mit
Namen Origines aufhalte , welcher an Tugenden
145 anderen Menschen weit überlegen und mit gewissem
Beweis den wahren Gott kenne , der die Falsch-
heit der Abgötter klar und deutlich den Menschen
vor die Augen leget.
Barbara.
Wäre es denn möglich , mit demselben zu
150 sprechen?
Juliana.
Die allzuferne Entlegenheit dieses Ortes ge-
stattet es dermalen nicht, doch könnte dein sehn-
liches Verlangen durch Briefe befriedigt werden.
Barbara.
Der Himmel belohne deinen Rath , jetzt werde
155 ich gleich an Origines einen Brief schreiben, setzt sich —
115
verlasse mich auf eine kleine Zeit , nach Verlauf
einer Stunde kommst du wieder.
Jtiliana.
Ich verstehe es schon , ich werde indessen das
Uebrige veranstalten. Will abgeJwi.
Barbara ruft.
i6o Juliana, darf ich dir so das wichtige Geschäft
anvertrauen? Bin ich deiner Verschwiegenheit
versichert ?
yuUana,
Zweifelst du denn, Liebste? Ich bin zwar keine
Christin, dennoch bin ich dem Christenthum auch
165 nicht abhold. Vielleicht hat es eben deine Frau
Mutter mir zu danken, dass sie unwissend des
Herrn Vaters , eine heimliche Christin war : und
warum wolltest ^w an meiner Treue zweifeln ? Singt.
So lang die holde Sonne wird mich und dich
bescheinen,
170 Sollst du nie Ursach haben, meine Untreue
zu beweinen.
Barbara,
Ich schreibe.
Juliana.
Ich verbleibe.
Ganz frei.
Barbara.
Juliana.
Dir getreu. Geht ab.
Barbara schreibt und sagt sodann:
175 Herr, erhalte deinen Diener am Leben, dass
ihn der Tod nicht bevor übereile, damit ich
auf diesen Brief gleich die erwünschte Antwort
erhalte. Versiegelt den Brief,
8*
ii6
185
8. Auftritt.
jftdiana tritt auf.
Barbara.
Nun gut, gerade zu rechter Zeit. Hier hast du den
180 Brief, schicke ihn doch durch eine vertraute Person
uncfesäumt an den bestimmten Ort 1 Beide ab.
'ö^
9. Auftritt.
Hanszuiirst singt.
Hiazt woas i nit, was i werden soll,
Wurd i a Herr oder gar a Narr,
Oder bliebet i oaner eh — —
Dö Herrn, dö harn zwar a guate Sach,
Sie müessen studiren Tag und Nacht,
Dös kunnt i mein wahrla a nit thoan.
Mein Köpfl dös war ma als zu kloan.
190 A Bauer kunnt i a no wern,
Da brauchet i nit viel G'wand,
Do that i mein Schaf und Lämber schern,
Draus machet i mir a G'wand,
Verkaufet allen Mist aufs Best,
195 Gebet All's ums baare Geld:
Da kunnt i a reicha Baua wern,
War lusti in der Welt.
Aber oans is, was da Hund nit mag,
Dös gang ma wohl a nit ein,
200 Dös Stiften und dös Steuerzahln,
Dös sollt halt a nit sein.
Da hoast's beim Richter: gieb her, was d' hast^
Das Andre g'hört Alles dein :
So mag i zan Teuxel koa Bauer nit wem,
205 Wann's besser nit thuat sein. J\u/t:
Herr Dioscorus 1 — Herr Dioscorus !
117
Dioscorus von aussen.
Nun, was giebt's denn?
Hmiszvuist.
So geht der Herr her da, ich hab mit den
Herrn etwas zu reden.
lO. Auftritt.
Dioscorus tritt auf.
2IO Muss ich dir, oder sollst du mir nachgehen?
Hansivurst.
Wann ich schrei, so musst du mir nachgehen.
Dioscorus.
Sag nur bald, was dein Verlangen ist.
Hanswurst.
I darf s ja nit sagen, habn's mir's leicht verboten :
i soll ehenter nichts sagen , bis dass du in einem
215 guten Zeichen bist. — Nun, wie ist's denn? Lasst
handeln mit dir?
Dioscorus .
Mache nur kurz dein Anbringen, sonst würdest
du mich in Harnisch treiben !
IIans7vurst.
Und sag du mir's nur bald, sonst machst mich
220 glei harb a; bist heut in an guten Zeichen?
Dioscorus.
Lege nur zuvor die aufgetragene Kommission
ab, alsdann wirst es schon vernehmen.
Hansxvurst.
So sag du mir's in Anfang , wie's du heut be-
schaffen bist, dann wirst du meine Kommission a
225 glei hören : denn weil ich dich hab gefragt , so
musst du mir antworten.
Dioscorus.
Diesem Narren muss man schon etwas zu gute
halten. So wisse, dass du heute Alles erlangen
IIÖ
kannst, was nicht wider die Ehre und den Respect
230 meines hochadeligen Hauses wird sein.
Hanstuiwst.
A so ist's schon recht , hiazt los nur : mich
hot a Mann beten, ich soll ihm a guat's Wort
reden bei dir, dass du ihm deine Tochter ver-
heirathen möchst.
Dioscorus.
235 Das wird was Sauberes sein, weil er dich zu
einem Bidlmann hat genommen.
Hanswurst.
So, warum denn nit?
II. Auftritt.
Ephebus tritt auf.
Ephebiis sagt dem Hanswurst etwas insgeheim ins Ohr.
Hanswurst.
Sag's laut und schreie brav , zu Dioscorus da los
zua : kannst sehen , was andere Leut von mir
240 halten.
Epheb7is.
Ein Kavalier verlangt mit Hanswurst ein paar
Worte zu sprechen.
Hanswurt zu Dioscorus.
Hast du's g'hört? Hiazt tritt nur ab daweil,
Herr Patron, ich will bald fertig werden mit dem
245 Kerl.
Dioscorus .
Siehe, dass ich dir nichts abschlage : ich gehe,
thu , was du willst ; ich bin nur begierig , von
deiner bevorstehenden Verrichtung bald etwas zu
hören. Gf^f ^<^.
I
119
Hanswurst.
250 Wir werden schon amal reden, wann der Herr
Dioscorus a Bratl und viel Wein zahlt \ zum Ephebus,
nun jetzt soll er nur geschwind herein kommen.
Ephebus ab,
12. Auftritt.
Philon tritt auf und macht sein Kompliment.
Philon.
Mein Kompliment als gehorsamster Diener,
Euer Excellenz. Ich ersuche Euch , durch Euer
255 vielvermögendes Vorwort bei der ausbündig schönen
Tochter des Dioscorus, so viel zu respectiren und
mich als einen demüthigen und getreuesten Ver-
ehrer ihrer unsterblichen Schönheit an- und auf-
nehmen zu wollen , dann gegen Ihnen tragende
260 Hochachtung verstattet mir nicht, noch mehreres
zu sagen.
HansTuurst.
Ist auch nicht von Nöthen, ich weiss schon, was
d'sagen willst , aber los : umsonst kann ich dir
weiter keinen Narren abgeben. Was spendirst denn ?
Philon .
265 Hansvvurst, du weisst, dass ich —
Hanswurst .
Nix da ! Du hast mich in Anfang einen Herrn
Excellenzen g'heissen, kannst es schon noch thun,
denn in meinem Titel bin ich heiklich, besonders
wenn ich allein bin.
Philon.
270 Mein Herr Hanswurst, Ihr wisset, dass, wenn
ich einmal anfange, ich kein Ende mache mit be-
schenken.
Hanswurst.
Aber keinen Anfang kannst auch nicht machen.
I20
13- Auftritt.
Ephebus tritt auf.
Ein vornehmer Kavalier aus Alexandria bittet
275 sich die Ehre aus, mit dem Herrn Hanswurst
reden zu können !
14. Auftritt.
Potinus tritt auf.
Mein Kompliment , Herr Hanswurst , ich werde
mich nicht betrügen , wenn ich dem allgemeinen
Wahn nachgehe, der da saget, dass der Herr den
280 Schlüssel zum Zimmer der schönen Tochter des
Dioscorus habe ; wird ihn der Herr verschaffen, so
soll es dem Herrn der angewendeten Mühe nicht
gereuen.
Hanswurst.
Ja, es ist gut. Wie ist es aber, wenn ich ge-
285 straft werde? — Habt's Geld?!
Potimis.
Da muss der Herr gar nicht zweifeln daran.
ffansivurst.
Nun, die Worte sind reich genug.
Pili Ion.
Auch bei mir ist kein Mangel an Gold oder
Silber. Auch ohne diesem ist das beste Heirathsgut
290 die Schönheit — ein gesunder Leib — und die
geraden (Uieder.
/fa/iS7C'urst.
Hast ja grade Glieder, weil's d'fast keine Wadeln
hast; nun es bleibt dabei, ös habt's enk auf mich
gewiss drauf zu verlassen, aber spendiren müsst's
295 im Anfang, das sag ich enk: ich wier enk schon
anrecommandiren. Nur g'schwind, g'schwind; der
mehrer giebt, der soll auch mehrer gelten.
j
I 21
Potinus,
Ich werde dem Herrn ein Paar schöne seidene
Strumpf mit silberen Zwickeln verehren.
Hauswiirst.
300 Nun, das ging schon an.
Philon .
Ist wohl nicht der Mühe werth ; wann der Herr
dieselben etliche mal getragen haben , dann sind
sie durchlöchert und schäbig. Ich präsentire Euch
etwas Besseres : einen rothen Pelz, von dem Aus-
305 schlag dessen Unterfutter.
Hansivurst.
Ja, das ist recht, du hast gewonnen !
Potinus.
Und was wird's mit diesem Pelz sein? Trägt
ihn der Herr kaum einen Winter und geniesset
daran diese Freud; im Sommer werden ihn aber
310 die Schaben verzehren.
Haiiswtirst.
Ist wohl wahr, wisst's ös was? Gebt's ös mir
lieber das Geld , das wird net lukat , und fressen
können' s die Schaben auch nicht.
Philon.
Was ist es aber mit dem Geld? Wie bald sind
315 100 Dukaten verthan; hernach haben's wiederum
nichts.
Hanswurst.
Nichts da, lieber verthue ich's, als wenn es ös
verthut's ; es bleibt dabei, Geld will ich haben 1
15. Auftritt.
Ephebus tritt auf.
Ephcbus.
Vicander lasset sich anfragen , ob der Herr
320 seiner nicht vergessen haben, und was Sie für
122
eine Recommandation für ihn erhalten haben? Der-
gleichen wartet auch Davus mit Begierde auf eine
vergnügte Antwort.
Hansivurst,
Hiazt bricht's aber nimmer ab , die Kerl hab'n
325 an als wie die Prem ; i möcht ma grad den
Schädel zerreissen , so an Jammer haben : und
ihrer vier ! — Da g'hört was dazua. Ich lass ihnen
sagen, dass noch nichts geschehen ist, und es wären
schon wieder andere da; wenn aber einer zehn,
330 der andere zwanzig Dukaten will spendiren , so
will ich ihnen schon ein gutes Wort für sie reden.
Ephebtis ab. Wart's, ich will die Kerle davon treiben.
Potimis.
Lasst mich der Herr recommandirt sein, ich gieb
den Herrn zwei Dutzend Dukaten.
Hans'uurst.
335 Gut, es bleibt dabei, der Herr soll's haben.
Pili Ion.
Ich gieb dir zwanzig Dutzend Dukaten.
Hans7mirst.
Thut's mich schon wieder reizen: Was giebst?
Philon.
Verzeihe, die Begierde hat mich zuviel übereilt ;
zwei Dutzend Dukaten gieb ich dir zum Präsent.
Hamiütirst.
340 So ist's schon recht, du sollst's auch haben. Nun,
wo habt's denn das Geld ? Her damit !
Potinus.
Ich hab jetzt nicht so viel bei mir.
Philon.
Auch ich nicht, ich werd es aber gleich schicken.
123
Hansiunrst.
Ist wahr, du hast nichts als grade Glieder. —
345 Weisst was? Das Geld muss noch heute hier sein,
sonst derft's enk nicht auf mich verlassen.
Potinus.
Recommandire mich der Herr allein. Geht ab.
J/ans7uurst.
Ja, ja, das kann schon sein.
Philon.
Mich auch allein, so gieb ich mehr. Geht ab.
Hansxuurst.
350 Kann schon sein, bringt's das Geld nur her.
Ha , ha , das sind Kerle , als wie a Stück Segen ;
bin völlig matt von lauter Sprechen und Ver-
sprechen. Hiazt wiar ich a gehn a wenig a Lab-
nuss nehmen. Juhe, die Kerle wiar ich anschmieren !
Hüpft ab.
Zw^eiter Aufzug.
I. Auftritt.
Dioscorus und yiiliana treten auf.
Dioscorus.
35 5 Nun, Juliana, ich habe mich entschlossen, einen
herrlichen Thurm zu erbauen , auf dem meine
Tochter Barbara einen bequemen Verwahrungsort
habe, damit sie als eine aussergewöhnliche Schön-
heit den menschlichen Augen nicht so öffentlich
360 ausgesetzt ist und etwan von einem nicht Standes
ebenbürtigen Liebhaber kann entfremdet werden.
Juliana.
Sie handeln jedenfalls sehr sorgfältig, so lang
die jungfräuliche Schönheit der Perle zu ver-
gleichen ist und am sichersten steht, so lang sie
365 in der Muschel verborgen bleibt.
124
Diosconis.
Desswegen hat es mich zu diesem ßeschluss
bewogen, weil ich besorge, Barbara möchte etwan
durch das von Tag zu Tag anwachsende Christen-
thum und ihr beginnendes Vornehmen zu diesem
370 Christengott entzogen werden.
yuliana.
Eine rechte väterliche Liebe. Ich will gehen,
den väterlichen Befehl ihr zu unterbringen und
selben zu vollziehen.
Dioscorus.
Aber , damit sie nicht betrübt werde ! Gehet,
375 ich will gleich nachfolgen. Juliana ab. Wohlge-
artete Kinder sind ja freilich eine Gabe der Götter,
man will an ihnen nichts Uebles, sondern alles
Gute erwarten. — Ja, ja, Barbara braucht eine
sorgfältige Beobachtung.
2. Auftritt.
Barbara tritt a2if.
Dioscorus.
380 Siehe, meine Tochter, ich werde dir zu deiner
grösseren Bequemlichkeit einen sehr schönen,
herrlichen Thurm zur Wohnung erbauen lassen ;
übrigens lass es dir angelegen sein , täglich mein
Haus zu besuchen, und die Schutzgötter zu ver-
385 ehren mit schuldigster Andacht, und öfters von
dem wohlriechenden Weihrauch auch zu opfern,
auf dass sie meinem Haus Heil und Wohlfahrt
bringen möchten.
Barbara.
Ich sage Ihnen für so hohe Gnaden unendlichen
390 Dank und befehle micli zu ferneren väterlichen
Gnaden. Dioscorus ab.
125
3- Auftritt.
Jiiliaiia tritt auf.
Barbara.
Juliana, ist denn unser Briefträger von Alexan-
dria noch nicht zurückgekommen? Ach wie lang
verweilet er doch.
Juliana.
395 Sein Lauf ist weit langsamer als Eure Begierde,
Prinzessin : habet Geduld, die Zeit wird in Kürze
eurem Verlangen grosses Vergnügen bringen.
Barbara,
Nun gut, so vergönnet mir, Juliana, auf eine Zeit
die Einsamkeit zu gemessen.
Julia na.
400 Ihr habet zu befehlen und ich zu gehorchen. Ab,
Barbara allein.
Ich erkenne es gar wohl , dass die Absichten
meines Vaters auf was anderes hinzielen ; er be-
sorget sich nicht umsonst und irret sich nicht in
seinem Wahn ; der Christengott wolle seine Ab-
405 sichten zu nichte machen und mich in meinem
Vorhaben segnen und stärken. Schaut die Götzen-
bilder mit erziirntejt Augen an uftd deutet auf sie. Ver-
flucht seid ihr Götzenbilder, und verflucht sind
auch diese, die euch verehren und anbeten ! Für
410 diesmal muss ich euch aus kindlicher Ehrfurcht
gegen meinen Vater noch verschonen, sonst wollt
ich euch in tausend Stücke zerschlagen ; indessen
werdet ihr mir schon die Rache auf eine andere
Zeit borgen müssen. Geht ab.
4. Auftritt.
Hanswurst und Vicander treten auf.
Hanswu7'st.
415 Aber, Herr Vicander, ich möcht enk gern was
Heimliches anvertrauen , denn mein König Dies-
120
corus ist gesinnt, dem nächsten jungen Herrn seine
Prinzessinstochter zu verheirathen. O, so be-
obachten Sie doch diesen Schutz und machen Sie
420 sich diese gute Gelegenheit zum Nutzen.
Vicander,
Das wäre wohl werth, wenn ich das Glück
sollte haben, die Braut davon zu führen. Saget
die Wahrheit, kann ich mir wohl eine Hoffnung
machen ?
Hanswurst.
425 Vor allen andern, denn der Herr hat ja die
erforderliche Grösse.
Vicander.
Ei, was sagt Ihr wohl?
Hanswurst.
Bis in einer Stunde muss sich der Herr wiederum
allhier einfinden.
Vicander.
430 Ich werde auch gewiss kommen.
Hanswiirst.
Ist schon recht, — und hiazt, macht's enk nur
g'schwind aus dem Staub, denn es kommt der
Dioscorus , — wenn er uns a so erwischet bei-
sammen, — aus Wär's um mich. Vicander ab.
5. Auftritt.
Dioscorus tritt auf.
Dioscorus.
435 ^^'^s hat jetzt hier jener Kavalier so geheimniss-
voll mit dir abzuhandeln gehabt?
Ffans7vurst.
Nu ja, wie ich mir's denkt hab ; wenn er's hätt'
haben wollen , dass du es auch wissen sollst , so
hätt' er's mir nicht in der Still gesagt.
127
Dioscorus.
440 Ich will und muss es wissen. Sag es nur bald,
sonst komm ich dir in die Haar !
Hanswursl.
Oho, ich lass mir's halt abschneiden, bist heut
schon mehr damisch ; wannst harb bist, dann sag
ich dir kein' Streich.
Dioscorus.
445 Noch zwar nicht, aber wenn du nicht pariren
willst, so wirst du mich zu einem gewaltigen Zorn
anreizen.
Hatiswurst.
Nu , nu ! was kann denn ich dafür , wenn mir
die Narren nachlaufen? Lasst's die Prinzessin ein-
450 mal heirathen. Herr Hanswurst, rede mir der
Herr ein gutes Wort , Herr Hanswurst , hat der
Herr auf mich keine Post abzugeben , hat der
Herr meiner doch nicht vergessen? Das dauert den
ganzen Tag so fort. Aber schaut's her, das kann
45 5 ich enk sagen mit reinem Gewissen , dass sie
von enk nie ein Wörtel sagen, sondern nur immer
von enkerer Tochter; mit ihr wären sie so viel
gern bekannt.
Dioscorus.
Was? Du willst in dieser Liebesaffaire einen
460 Unterhändler abgeben! So will ich dich prügeln
lassen, dass du an mich denken wirst.
Hanswurst,
Es halt's nicht vornöthen, das Prügeln^ ich kann
schon so auf enk denken.
Dioscorus.
Ein rechtschaffner Bursch, der die Tochter ver-
465 langt, darf sich nicht scheuen, bei dem Vater
darum anzuhalten! Geht ab.
128
Hans7üurst.
Hm, hm, vielleicht haben' s mich für ihren Vater
angeschaut.
Vicander von aussen, klopft.
Herr Hanswurst, ist der Herr allein r
Hans7uurst.
470 Ja, ich bin ganz mutterseelen allein!
6. Auftritt.
Vicander tritt auf.
Vicander.
Hat der Herr die 10 Dukaten bekommen?
Hanswurst.
O, halt ja!
Vicander.
Was hat mich nun zu trösten r
Philon klopft von aussen.
Hanstourst.
Eine kleine Geduld. Wer klopft?
Philon von aussen.
475 Ist der Herr allein?
Hanstvurst.
Ja freilich!
7. Auftritt.
Philon tritt auf.
Philon.
Hat der Herr die 20 Dukaten bekommen?
Hanswurst.
Ja, ja ! richtig, richtig !
129
Philon.
Wie steht es mit meinen Sachen? Hat mir
480 der Herr etwas zu sagen? Potinus klopft.
Hanswurst.
Eine kleine Geduld. Wer kloptt?
Potinus von aussen.
Ist der Herr allein ?
Hanswurst.
Ja freilich.
8. Auftritt.
Potinus tritt auf,
Potinus.
Hat der Herr die zwei Dutzend Dukaten be-
485 kommen?
Hanswurst.
Ja, ja. Ich bin redlich von allen bezahlt
worden.
Potinus.
Haben Sie mein Kompliment der Prinzessin
unterbracht ?
Hansvjurst.
490 Ja, halt ja.
Potinus.
Um was für Zeit?
Hanswt(yst.
Auf die Nacht, als sie ist schlafen gegangen.
Potinus.
Und was hat sie denn gesagt?
Hanswtirst.
Dass sie will schlafen gehen.
Potinus,
495 Sonst nichts? Haben Sie nicht erlangt, was ich
wünsche ?
Volksschauspiele. II. 9
I30
Hanszmirst.
O ja freilich, und g'freut hat sie sich, dass so
brave Herrn seid's; sie wird gleich kemma, den
Augenschein einnehmen, welcher ihr zum besten
500 wird gefallen: besonders hat sie g'sagt, ist sie
neugierig, um denselben schönen Herrn zu sehen.
— Jetzt bleibt's daweil da stehen, wenn aber der
Dioscorus sollt kemma, so lauft's, was laufen
könnt's , denn er hat sich verschworen , wenn er
505 einen erwischt, so will er ihn zu Tod prügeln
lassen. — Ich will ihr's jetzt sagen gehen , dass
schon da seid's. Ab.
Philon.
Diese Stunde wird endlich den Ausspruch
machen , welcher von uns die Braut darf nach
510 Hause führen.
Vikander.
Ich wollt' es niemand lieber vergönnen, als mir
selbst.
Potinus.
Und ich würd es niemandem neidig sein, als
euch beiden.
Vikander.
5 I 5 Einer von uns wird's doch sein, mithin hab ich
grosse Hochachtung.
Potimis.
So vergönnt mir doch auch einen Platz zu
nehmen.
Philon.
Der Herr wird aber nicht wissen, aus welchem
520 Grunde wir hier sind.
Potintis.
Und Sie werden es vielleicht nicht errathen,
warum ich hieher kommen.
131
Vika7ider,
Will der Herr nicht die Musterung passiren?
Potinus.
Dieses und nichts anderes.
Vikander.
525 Ich sorge, der Herr irret sich; ich will die Wahr-
heit sagen, es ist ein grosser Preis ausgesetzt, für
denjenigen, der am besten tanzen kann.
Phil 071.
Ich will indessen nichts melden, das Werk wird
den Meister loben.
Vikander,
530 Aber schlecht genug: mir hat ein gewisses
Mädel erzählet, dass sie bei einem Tanz den
Herren ziemlich schwer hat ziehen müssen.
9. Auftritt.
Hanswurst kommt als Frauenzimmer verkleidet.
Welcher von euch verlanget, der Besitzer meines
Herzens zu sein ? Macht bei jedem ein Ko7tiplime7it.
Philon.
535 O, schönste Prinzessin!
Poti7zus.
Ich, mein Engelskind!
Vikander.
O, vollkommenste Gebieterin meiner Seele!
Potinus.
Vergönnt uns , Prinzessin, die Schönheit Eures
Angesichtes zu bewundern.
Hanszuiirst,
540 Eine kleine Geduld, der Prinz mit dem ge-
sunden Leib und graden Gliedern reichet mir seine
Hand.
9*
132
Fh'lo7i.
O, ich UeberglÜckseliger! SchatU ihn recht an und
reisst ihm das Tuch vom Munde zueg , zieht sodann den
Degen heraus. Was ist das ! — Hanswiirst ! —
545 Willst du uns für Narren halten? Gleich giebst du
mir mein Geld zurück, oder ich ermorde dich.
Hanswurst zieht auch seinen Säbel und vertheidigt sich.
Potiniis.
Ich stoss dir die Klinge durch den Leib I
Vikander zieht atich den Degen.
Auch mein Geld her, sonst muss deine Seele
auf diesem Spitz tanzen.
lO. Auftritt.
Dioscorus kotmnt eilig; die drei Kavaliere laufen ab.
Hanswurst .
550 Gelt's, ÖS könnt's fliehen mit enkern Messern:
geht's her da, wenns Kuraschi habt's !
Dioscorus.
Was ist das für ein Geschrei, du Bestie 1
Hans7uurst.
Ja, — ja, — ich will's gleich sagen: es sind
drei dagewesen, die hätten gern enkere — enkere
555 Tochter gehabt, und so hab ich s' ein wenig ab-
gerichtet, wie sie es machen sollen.
Dioscorus.
Wer hat dir solches befohlen?
Hansiüurst.
Ja, diese drei, die jetzt davongelaufen sind.
Dioscorus.
Unterstehe dich noch einmal , etwas solches zu
560 probiren, dann werd ich dich —
Hansxvurst.
Ja Schlag, die hätt ich ehender schon haben
können, wenn ich hätt wollen !
^3S
Dioscoi'us.
Jetzt geh und entkleide dich, dann kommst du
zu mirl
Hanswurst.
565 Ja, ja, ich geh schon! Bin froh, dass ich mit
heiler Haut durchkommen bin. Beide ab.
11. Auftritt.
Juliana laid Barbara treten auf.
Juliana.
Nun wird Euer Verlangen und Begierde zum
Vergnügen erfüllet werden , der Bote ist von
Alexandria mit Briefen zurückgekommen und mit
570 ihm ein weiser Mann Gottes , welcher mit Euch
zu sprechen wünscht.
Barbara.
Lasset ihn gleich zu mir hereinkommen !
jfuliana geht ab,
12. Auftritt.
Bote tind Valenti?ius treten ein.
Bote.
Nun bin ich hier mit dem fremden Mann von Ori-
gines ; er ist ein Diener des wahren Christengottes
575 und lasset Euch durch mich begrüssen : hier habt
Ihr einen Brief von seiner eigenen Hand geschrieben,
zur Empfangnahme. Geht ab.
Barbara erbricht den Brief und liest ihn.
Ja, ja, ich glaube Alles. O, was für einen
süssen Trost fühlet mein Herz , o wie liebreich
580 ist der Christengott! Ach, hätt ich dich schon
längst erkannt ! — Siehe , mein Gott , kniet nieder,
hier liegt vor deiner Majestät dein Geschöpf,
welches du so theuer erlöst hast; an dich glaube
ich — , dich liebe ich, von dir hoffe ich Verzeihung
134
585 meiner Sünden und bitte um das ewige Leben :
in dein Gesetz gebe ich mich ewig gefangen, denn
ich verfluche jetzt allen Götzendienst und bin be-
reit, Alles auszustehen, ja den Tod selbst zu er-
leiden ! steht atif. Euch, o theurer Mann Gottes,
590 übergebe ich mich gänzlich, vollziehet an mir,
was Gott will und ihm gefällig ist, machet mich
nur bald fähig, dass ich mit dem heiligen Glauben
bald kann einig werden.
Valentinus,
Nun , wenn es Euer Ernst ist , so lasset uns
595 Gott bitten, dass er das Gnadenlicht, so er in
unseren Herzen angezündet hat, sammt dem heili-
gen Eifer erhelle, um unser Vornehmen zu er-
füllen. — Doch muss ich Euch zuvor unter-
weisen , was einem Christen nothwendig ist , zu
600 wissen und zu glauben.
Barbara.
Thuet , was nur Pflicht erfordert , ich bin zu
Allem bereit.
13. Auftritt.
Dioscorus und Ephebus treten auf.
Dioscorus zu Valentinus .
Was wollt Ihr, mein Freund, und was hat Euch
hieher bewogen?
Barbara.
605 Es ist ein in der Arzneikunst sehr berühmter
und vortrefflicher Mann von Alexandria, welcher
viel erfahrener ist als andere Aerzte, darum nicht
allein den Leib , sondern auch die Seele weiss zu
heilen.
Dioscorus.
610 Nun so lasset Euch die Wohlfahrt meiner
Tochter angelegen sein und besuchet sie so oft.
135
als Euch beliebt. Valentinns tind Barbara ab. Ich
möchte gern meine Tochter den menschHchen
Augen zu entziehen trachten, um ihr erwachendes
6 1 5 Verlangen zu verhindern , da ich zweifle , ob sie
noch den Göttern ihr Opfer verrichtet, denn wie
mir scheinet, so steckt der Christengott in ihrem
Herzen.
Ephcbiis.
O, welches Herz könnte wohl so unempfindlich
620 sein, das sich nicht nach einer so unglaubHch
schönen Leibesgestalt, der da so grosser Ueber-
fluss zeithcher Güter gesellet ist, sehnen sollte.
Dioscorus.
Nächster Tage werde ich sie befragen , ob sie
Lust hat, sich in eheHche Verbindung einzulassen
625 oder nicht. Beide ab.
14. Auftritt.
Barbara und Valentinus treten auf.
Barbara .
Ich danke Euch, freundlicher Mann , für Euere
so grossen Dienstbezeugungen, Gott wolle im
Namen meiner Zahler sein.
Valentinus.
Er wird es auch sein, wie ich hoffe. Wisset Ihr
630 aber auch , was für ein Nutzen Euch bei diesem
heihgen Glauben ist zugewachsen?
Barbara.
Ich will es hören.
Valentinus.
Neben dem, dass Ihr durch diesen von allen
Sünden gereinigt werdet, seid Ihr schon unter die
635 Zahl der Kinder Gottes gezählet und habt mithin
den Anspruch an den Himmel, Euch zu erfreuen ;
überdies hat sich Gott durch seine heiligmachende
136
Gnade und durch den Glauben mit Euch vermählt ;
nun werdet Ihr eine auserwählte Seele Himmels
640 und der Erde.
Barbara .
Er soll auch meiner Seele ein Bräutigam ver-
bleiben, hier und dorten.
Valentinus,
Gott ist aber gar eifersüchtig, er verlangt das
Herz allein zu besitzen und will neben sich keinem
645 anderen Liebhaber einen Platz darin verstatten.
Barbara.
Ihm ganz allein soll mein Herz gewidmet sein.
V^alentinus.
Habt Ihr ihm das Herz geschenkt, so versprecht
ihm auch Euren Leib.
Barbara.
Ihr wollt sagen, mein Leben?
Valentinus.
650 Nein, sondern ihm zu Lieb gelobet, ihm eine ewige
Jungfrauenschaft zu erhalten; dieses ist der grösste
Brautschatz und das angenehmste Opfer, so Ihr
geben könnet.
Barbara.
Von ganzem Herzen gern , räth dieses mein
655 Valentinus anstatt Gottes ; von diesem Vorsatz soll
mich weder die Hölle, noch aller Tyrannen Macht
abwenden; wisset Ihr noch was Mehreres, soll
es auch vielleicht das Leben kosten?
Valentinus.
Gott dem Höchsten danke ich über Alles, was
660 er an Euch gewirket hat: er wolle Euren Willen
segnen und in allem Guten bis ans Ende verharren
lassen , denn im Uebrigen machet Euch gefasst,
Ihr werdet viele Drangsalen um Christi Willen
leiden müssen. Adje, lebet wohl, ich muss
665 meine Reise wieder weiter machen. Valentinus ab.
^37
Barbara,
Adje, lebet wohl, guter Freund. — Jetzt ist er
fort, nun bin ich mit der Gnade Gottes erfüllt,
und mit dem Glauben gestärkt ; jetzt getrau ich
mich auch der Hölle sammt allen ihrem Ge-
670 schwader einen Trutz zu bieten: ich bin darauf
gefasst !
15. Auftritt.
Dioscorns tritt auf.
Dioscorus,
Nun, meine liebste Tochter, deine Willfähigkeit,
so ich jederzeit an dir verspüre, meine Befehle
zu vollziehen, giebt mir den Trost, dass du dich
675 meinem Verlangen und Absehen nicht wider-
setzen wirst.
Barbara.
Und 'in was solle dieses geschehen?
Dioscorus.
In dem : wenn du durch eheliche Verbindung
mit dem fürstlichen Prinzen Aniketo mein Alter
680 trösten und mein zum Falle geneigtes, hochadeliges
Haus unterstützen wollest. — Was sagst du nun
dazu? Barbara wendet sich ab, schlägt die Häfide zu-
sammen. Ha ! Ich weiss schon , was dein Still-
schweigen bedeutet , Schamröthe verbietet dir es,
685 mit deinem Vater zu sprechen! Doch wisse es,
dass ich dich wirklich dem Prinzen Aniketo zur
Ehe zu geben versprochen habe , und mich dann
gänzlich vorsehe; du wirst mir diesmal Gehorsam
leisten; zu was verschliessest du dich also?
Barbara.
690 Weder Sie, mein Herr Vater, werden es für
einen Ungehorsam noch Aniketo es übel nehmen,
wenn ich für diesmal keinen Gehorsam leisten
kann, denn ich bin schon vermählt. Gott ist
138
mein Bräutigam, ich werde mich nicht mehr mit
695 einem Anderen vermählen lassen.
Dioscorus.
Wo denkst du hin, du Unbesonnene ! Bedenke
doch mit rechtem Ernst, das Gute und das Böse,
so du aus diesem zu erwarten hast.
Barbara.
Ich liebe meinen Gott und hasse deine Götter!
700 Für diesen bin ich bereit, meinen I.eib und Leben
einzusetzen.
Dioscorus.
O, ich unglückseHger Vater! Was, Barbara, du
verachtest unsere Götter und betest einen kreuz-
gehängten Menschen an ? Was, meine Tochter soll
705 eine Christin sein?
Barbara.
Ja, ja, von ganzem Herzen! Geht ab.
Dioscorus,
Was für eine Höllenbrut hat dich dazu be-
zaubert?
16. Auftritt.
Alinister tritt bei den letzten Worten auf.
Minister.
Euere Durchlaucht, halten Sie's doch dieses Mal»
7 I o ihrer Jugend zu guten ; es war nur eine Wirkung
eines unzeitigen Eifers, die Hochschätzung, so ich
sehe von den Christen Gottheiten, hat noch nicht
so tiefe Wurzel gefasst, als dass es vielleicht nicht
mehr zu helfen wäre; diesen ersten Fehler wollen
7 1 5 Sie ihr nachlassen und künftighin alles Gute
hoffen.
Dioscorus.
Nun so sei es, für diesmal werde ich noch den
gelinden Weg gehen. Ich weiss mich wohl zu be-
139
sinnen , dass Barbara eine Begierde zu dem ver-
720 sprochenen Thurm hat verspüren lassen. Rufet den
Baumeister. Minister geht ab. Ich wünsche ihr
doch in Allem zu willfahren . Wenn ich nur wüsste,
durch was sie zu erheitern wäre!
17. Auftritt.
Der Baumeister tritt auf.
Baumeister.
Mein Kompliment : was befehlen Euere fürstliche
725 Gnaden?
Dioscorus.
Ich befehle Euch , dass Ihr für meine Tochter
Barbara einen sehr schönen Thurm zu einer
Wohnung aufbaut; befleisset Euch, denselben nach
Möglichkeit mit schöner Malerei und Figuren auf
730 das Künstlichste auszuführen. — Und in ihrem
Wohnzimmer verlange ich aber nicht mehr als
zwei Fenster, eines gegen Mittag und das andere
gegen Mitternacht.
Baumeister.
Es soll Alles mit möglichstem Fleiss nach
735 Eurem Befehl ausgeführt werden.
Dritter Aufzug.
I. Auftritt.
Barbara und ytiUana treten auf.
Barbara.
Was giebt's Gutes, meine Juliana?
yuliana.
Bei aller so grossen Hochachtung ereignet sich
bald etwas Seltsames.
140
Barbara .
Weisst du es, dass ich eine Braut bin, und dass
740 ich meinem Herrn Vater wider sein Wissen und
Willen einem sehr schönen , vornehmen Prinzen
anvertraut bin?
JuViana.
Sparet Eure Worte , meine Prinzessin , mir ist
Alles bewusst, der ganze Hof ist wegen Eurer
745 Kaltsinnigkeit sehr bestürzt und verwirrt.
Barbara.
Und ich allein bin ruhig und getrost. O, was
für eine Liebe zu meinem Gott ich habe, welcher
bisher in der Stille mein treues Herz ernährt hat!
O könnt' ich es wünschen, dass auch dir ein
750 kleiner Funke der göttlichen Liebe aufs Herz
fallen möchte, meine Juliana !
yiiUana.
Die Verliebten scherzen halt gern; ich wünsche
vielmehr, dass Eure Liebesbrunst sich auf den
schönen Prinzen Aniketo ausbreite.
Barbara.
755 Seitdem die Schönheit meines Schöpfers mein
Herz eingenommen hat, ekelt mir vor der Schön-
heit der Geschöpfe.
Juliana.
Ihr liebet und verachtet beides, was Ihr noch
niemals gesehen habt : und dass nur Euer Christen-
760 gott schön ist, wie Ihr sagt, das weiss ich nicht,
ich hab ihn noch nie gesehen ; aber von dem
Prinzen kann ich es wohl sagen , dass er schön
sei und die Holdseligkeit werth sei , weil die
schönsten und durchlauchtigsten Damen von der
765 ganzen Welt ihn vor Schönheit lieben können,
und wer weiss , was Ihr , meine Prinzessin, thätet,
wenn Ihr ilm nur einmal sehen würdet.
141
Barbara.
Gott hat mir einmal das Herz für lebende Ge-
stalten abgenommen, so dass ich ausser ihm nichts
770 mehr lieben kann.
Juliäna.
O Herz , härter als Stahel und Felsen ! Ani-
keto, ein so mächtiger Herr, und soll Eurer Liebe
sogar nicht werth sein.
Barbara.
Meine Freundin, du bemühst dich umsonst, ich
775 kann und will Jenen nicht lieben, der ein Götzen-
diener, und mithin kein Freund des wahren
Christengottes ist.
jfuliana.
Wie wäre es aber, wenn ich von Eurem Herrn
Vater Befehl brächte, wegen des Prinzen Aniketo
780 bei Euch das Wort zu reden; bedenket Euch und
stellet Euch den Werth vor die Augen eines so
theuren Prinzen und die Straf Eures hocher-
zürnten Vaters !
Barbara hitzig.
Juhana ! — Ihr vollziehet den Befehl , und ich
785 beobachte meine Pflicht. — Dem Vater ist der
Entschluss meines Herzens schon lange bewusst,
und bei diesem wird es auch verbleiben. — —
Wird ohnmächtig. Ach , was für eine Schwachheit
überfällt meinen Geist. Lehnt sich auf den Sessel
zurück und schläft,
Juliana singt.
790 Ruhe, schlafe sanft, mein Kind:
Süsser Traum dir wohl vorstellt,
Was ich wünsch', dass dir erwählt;
Ruhe, schlafe sanft, mein Kind.
Juliana bläst das Licht aus und geht ab.
142
2. Auftritt.
Ein Engel erscheint.
Envel,
Barbara ! Weil du dich nicht scheuest , deinen
795 Gott ernsthaft zu bekennen, so sollst du wissen,
dass er dich zu seiner Braut hat auserwählt : dar-
um sendet mich Gott mit diesem Zweig ; steckt
ihr den Zweig in die Hand dies SoU dir ZU einem
Beispiel dienen, welcher für dich gelitten hat.
Geht ab.
Barbara.
800 Wer hat mir mein Vergnügen genommen? Wo
ist mein Geliebter hin geflohen ? — Ich weiss
nicht, schlafe oder wache ich! Nun, es sei wie
es will , ich bin einmal bereit , alles Leid zu er-
dulden. — Ich bin eine Dienerin des Herrn, mir
805 geschehe nach seinem Wort!
3. Auftritt.
yuliana tritt atif.
Juliana.
Ich wünsche wohl geruht zu haben , meine
Prinzessin.
Barbara.
Wenn mein Traum sollte wahr werden, so wirst
du von mir in Kürze etwas Seltsames hören.
Juliana.
IG O, dass mein Wunsch wahr würde I
Barbara.
Juliana, gehen wir, um den Thurm zu be-
suchen. Beide ab.
M3
Veriuandlufig.
Darstellung des Thurmes.
4. Auftritt.
Baumeistery zwei Matirer, Barbara und yuliana treten auf.
Barbara.
Vergönnet uns, Eure Arbeit zu besichtigen.
Baumeister.
O ja. Macht sein Kompliment. Wenn ich die Ehre
815 habe — —
Barbara.
Nun, es ist Alles gar schön geschmückt und
artig hergebaut.
Baumeister.
Euer Durchlaucht, belieben Sie nur, also zu
sprechen : wissen Sie noch einen Fehler, der ver-
820 bessert werden kann, so belieben Sie mir denselben
zu entdecken; ich werde es mir nicht für eine
geringe Ehre schätzen, unter einer so vortrefflichen
Meisterin gelernt zu haben.
Barbara.
Von einem Fehler weiss ich nichts , aber zur
825 grösseren Bequemlichkeit wollet Ihr nur zwischen
diesen zwei Fenstern noch eines einsetzen.
Baumeister,
Sie verzeihen , dieses getraue ich mir nicht zu
thun , denn es wäre gegen den Befehl des fürst-
lichen Herrn Vaters.
Barbara.
830 Gehorchet nur mir , Ihr habt nichts zu be-
fürchten ; ich nehm die Schuld auf mich, und ich
werde schon Rechenschaft geben. Macht auf die
Seite gewendet drei Kreuze in die Wand.
Baumeister.
Fürstin, was soll dieses Zeichen sagen?
144
Barbara.
Dieses ist das Zeichen unseres Heils , durch
835 ^yelches wir erlöset worden sind.
Baiuneister.
Ist das wohl möglich , dass Ihr den harten
Marmor wie das weiche Wachs traktirt?
Barbara,
Jenen, die an das Christenthum glauben, ist
Alles möglich. Nun hört mich, dass Ihr dieses
840 vor Ankunft meines Herrn Vaters zu Stande bringet.
Barbara und yuliana ab.
Erster Geselle.
Meister, ein' solch wunderbare Hand hab ich
noch nie gesehen.
Zweiter Geselle.
Ja , Kamerad , dieweil ich Gesell bin , ist mir
solches noch niemals begegnet.
Baumeister.
845 Ja , meine lieben Leute , ich glaube es euch,
denn es macht mich selbst zu meiner grössten
Verwunderung staunen. Nun machet, dass das
mittlere Fenster bald zu Stande kommt.
Beide Gesellen.
Meister, wir werden's gleich in Ordnung stellen.
Alle ab.
5. Auftritt.
Venuandhmg.
Die Götzenbilder zverden aufgestellt.
Barbara lehnt beobachtend an einem Sessel.
Es lässt sich unter Donner und Blitz eine Stimme hören.
Stimme.
850 Ich bin dein Herr und Gott, du sollst dir kein
geschnitztes Bild machen, dass du es anbetest.
145
Barbara stehet auf luid 7uirft die Götzenbilder wn.
Verflucht seid ihr Götzenbilder und verflucht sind
Alle, die euch verehren und solche machen müssen 1
O, ihr armen Götter, ihr habt Augen und sehet diese
855 Unbilden nicht, ihr habt Ohren, und höret meine
Lästerung nicht, ihr habt Hände, und könnt diesen
Verräther nicht bestrafen, ihr seid Götter, und
lasset euch von einem schwachen Weibsbild be-
schimpfen. O, armselige Götter! — Aber Barbara,
860 was hast du gethanl Glaubst du vielleicht, dass dir
dein Herr Vater diesen vermessenen Fehler gleich
wie den ersten nachsehen wird? Nichts Minderes
als dieses , ich wünsche es auch nicht. O , hilf
mir , Gott, liebster Heiland, und erlöse mich \ um
865 deines Namens Ehre hoffe ich, ich werde nicht zu
Schanden werden in Ewigkeit. Geht ab,
6. Auftritt.
Vertu and hing.
Der Thurm mit drei Fenstern.
Dioscorus, Baumeister und die zwei Maurer.
Dioscorus.
Warum habt Ihr wider meinen Befehl drei
Fenster gemacht und diese drei Kreuze hier ein-
gehauet?
Baumeister.
870 Euere Durchlaucht, Sie wollen uns dieses nicht
für ungnädig nehmen, wir haben hier eben nur der
Jungfrau Tochter Gehorsam geleistet, welche uns
befohlen hat , neben diesen zwei Fenstern das
dritte hinzusetzen, die Kreuzlein aber hat sie selbst
875 zu unserer grössten Verwunderung mitten in den
Marmor eingedrückt.
Dioscorus.
Was I Barbara hat dieses gethan ? Sie soll
bald erscheinen ! Baumeister ab. So sind denn alle
Volksschauspiele. II. lO
146
meine Anschläge zu Wasser geworden ; allen An-
880 zeichen nach hat meine Tochter dem Christen-
thum beigepflichtet!
7. Auftritt.
Barbara und der Baumeister treten auf.
Dioscorus,
Sage mir, warum hast du wider meinen Befehl
verordnet , dass die Maurer das dritte Fenster
verfertigen mussten?
Barbara.
885 Ja, ich hab es also verordnet, denn es hat sich
also geziemet, und ist auch ganz recht geschehen.
Dioscorus.
Wie? Und aus was für Ursache soll dieses ge-
schehen sein?
Barbara,
Es ist ja die dritte von der andern Zahl unter-
890 schieden.
Dioscorus.
Was willst du durch so seltsame Worte verstehen ?
Barbara .
Merke auf, mein Herr Vater, und du wirst die
Sache bald verstehen : ich habe zu Ehren des drei-
einigen Gottes , dem Vater , Sohn und heiligen
895 Geist drei Fenster machen lassen; weil aber die
zweite Person aus diesen dreien für uns ist Mensch
geworden und am Kreuzstamme uns erlöset hat,
so hab ich auch diesen, meinen Erlöser, zum
Bräutigam meiner Seele auserwählt, und diesem
900 habe ich meine jungfräuliche und unzerbrochene
Treue angelobet.
Dioscorus.
Bist du denn eine Christin?
147
Barbara.
Ich danke dem wahren Gott, dass er mich
zum wahren Glauben gebracht hat und mir die
905 Falschheit der heidnischen Götter zu erkennen
gegeben hat ; darum hab ich eure Götzenbilder
zerschlagen, auf dass sie es sehen sollen, was für
armselige Götter sie haben, welche sich nicht ein-
mal gegen einer Magd wehren können. Geht ab.
Dioscorus.
910 O, ihr grossen Götter ! Ihr höret diese Lästerung,
und warum strafet ihr sie nicht? Geht ab.
8. Auftritt.
Juliana tritt auf.
Ach, in was für elende Verwirrung hat die
grosse Zuneigung unsrer Prinzessin für die Christen-
heit den ganzen Hof gestürzet ; Dioscorus raset
915 vor Zorn und ist mit Fluch umgeben.
9. Auftritt.
Dioscorus tritt auf.
Dioscorus wüthend.
Wisset Ihr nicht, wo meine Tochter sich ver-
borgen hat?
yuliana.
Den Ort weiss ich nicht zu benennen, aber so
viel weiss ich, dass sie dem erzürnten Angesicht
920 ihres Vaters zu entgehen vom Hof hinweg ge-
flohen ist.
Dioscorus.
Bei den Göttern schwöre ich es, dass ich mein
Haupt nicht eher werde zur Ruhe legen , bis ich
meine Tochter werde gefunden haben. O, treuloses,
925 ehrvergessenes Kind I Geht schnell ab,
10*
148
yuliana.
Unschuldige Barbara , wie erbarmst du mir so
sehr ; wo wirst du einen Schutz finden , wenn du
in die rasenden Vatersarme verfällst ? Kein Bär
ist so ergrimmt, kein Löwe also brüllt, wenn ihm
930 eine fremde Hand seine junge Brut wegstiehlt.
10. Auftritt.
Barbara tritt auf.
Auf dich, o Herr, hab ich gehofft, und ich
werde nicht zu Schanden werden.
Dioscorus und zwei Soldaten von aussen.
Dioscortis.
Sagt, welcher Felsen entdecket mir den Ort,
wo die Feindin unserer Götter ihren Schutz sucht?
Erster Soldat.
935 Unweit dieses Hügels habe ich ein kleines Ge-
räusch verspürt, — nur still !
Zzueiter Soldat.
Sehet, dort ist Eure Tochter.
1 1 . Auftritt.
Dioscorus mit den Soldaten stürmt herein,
Dioscorus fasst sie bei den Ilaareji.
Hab ich dich einmal gefunden, du Höllenbrut I
Weil das Gute bei dir nicht geholfen , so sollen
940 Kerker und Fesseln, Hunger und Durst dich lehren,
die Götter zu verehren ; also, ihr Soldaten, nehmet
sie und bindet sie.
Barbara wird gebunden und abgeführt. Alle ab.
12. Auftritt.
yuliana und Ephebus treten auf,
Juliana.
So viel vermag die Tobsucht, wenn einmal das
Herz entzündet ist, dass wohl auch ein Vater
149
945 .einen Kindesmord begehen kann. Dioscorus wäre
es bald schon so gegangen ; es hätt ihm bald
nicht Zeit gelassen, um etwas Anderes für diesmal
zu beschliessen : ist doch noch die unschuldige
Tochter das einzige Zweiglein und schönste Zierde
950 des hochfürstlichen Hauses. Nun ist sie im Ge-
fängniss , in verächtlichen Ketten , als wenn sie
der verächtlichste Bösewicht der ganzen Welt wäre.
Ephebus.
Lasset Euch nur sagen , Ihr wisset noch nicht
Alles von dem bedauernswürdigen Zustand unserer
955 Prinzessin: Dioscorus wird sie nun dem Martianus,
dem Landpfleger übergeben, dass er mit ihr nach
aller Schärfe solle verfahren. Wenn Barbara unter
den Klauen dieser zwei Wütheriche das Leben
davonbringt, so will ich es für ein grosses Wunder
960 halten.
yuliana.
Wäre es denn nicht mögHch, zu ihrer Erlösung
ein Mittel zu finden?
Ephebus.
Ja , denken und wünschen können wir dieses,
aber ins Werk zu setzen , ist eine Unmöglichkeit.
965 Wird mit den Kette?: gerasselt. Hört ihr die Fesseln
klingen ? Jetzt wird sie vor das Gericht geführt.
ynliana.
Lasset sie uns wenigstens mit einem mitleidigen
Herzen begleiten. Alk ab.
13. Auftritt.
Verzvandhing.
Darstellung des Thurtnes tind des Gerichtes.
Dioscorus , Barbara , Martianus der Landpfleger und zwei
Soldaten treten auf,
Dioscorus.
Hier, Martianus, stelle ich Euch vor den Schand-
970 fleck und Untergang meines fürstlichen Hauses.
An dieser meiner Tochter sehet Ihr das leibhafte
Bildniss der Vermessenheit selbst, diese ist jene
tollsüchtige Verrätherin unserer Götter ; meiner
Tochter ihre Vermessenheit ist die Ursache, dass
975 auch der Name des Vaters bei der späteren Nach-
welt in Verachtung leben muss. Ich übergebe sie
Euch ganz und gar, handelt mit ihr nach Eurem
Wohlgefallen, und ich beschwöre Euch durch die
unsterblichen Götter, sie nicht im Geringsten zu
980 verschonen, sondern auf das Schärfste zu verfahren,
und wenn keine Besserung zu hoffen sei, durch die
peinlichsten Schmerzen hinzurichten. Ab.
Martianus.
Sollte es wohl möglich sein, dass eines Vaters
so ausbündige Schönheit und herzbezaubernde
985 Liebesgestalt eine so lasterhafte Seele in Ver-
borgenheit trage? — Ein so vollkommenes und
mit seltenen Naturgaben geziertes Bildniss , eine
solche Person sollte vielmehr mit Verwunderung
als mit Strafe angesehen werden : und stellet Euch
990 vor Augen Euren so hohen Adel und die über-
grossen Reichthümer , die nach dem Tod Eures
Herrn Vaters sonst Niemandem als Euch zu Theil
werden können; bedenkt doch endlich die Be-
trübniss Eures väterlichen Herzens, wenn Ihr in
995 Eurer Hartnäckigkeit so verharren wollet! Mithin
rathe ich Euch, sichert Eure unschuldigen und
zarten Jahre , dass Ihr Euch nicht selbst auf die
Schlachtbank führet. Helfet Euch selbst aus der
Gefahr, welches ganz leicht geschehen kann, wenn
1 000 Ihr hurtig und geschwind den unsterblichen Göttern
ein Opfer entrichtet.
Barbara .
Ich will Niemandem ein Opfer bringen als
meinem Gott , der Himmel und Erde erschaffen
hat; von deinen Göttern aber hat David gesagt:
1005 alle Götter der Heiden sind Teufel!
Mnrtianus.
Genug gesungen, ich kenne den Vogel schon.
Nehmet sie hin, reisst ihr die Kleider vom Leibe,
schlaget sie mit Ochsenziemern so lang, bis ihr
das Blut vom Leibe fliesst ; um den Schmerz aber
loio empfindlicher zu machen, so reisset ihr das Fleisch
mit scharf schneidigen Scheren und eisernen
Haken, reibet sodann die Wunden mit frischem
Salz und werfet sie in das finsterste Gefängnissl
Geht ab.
Erster Soldat.
Diesen Befehl werden wir schon vollziehen.
Sie entkleiden sie.
Zweiter Soldat.
1015 Du Einfalt, dieses Unglück hast du dir selbst
zuzuschreiben. Führen sie zum Thur?7i.
Erster Soldat.
Hier ist dein Wohnsitz, armselige Prinzessin : nur
hinein.
Z^veiter Soldat.
Es ist dir frei gestanden, das Gute oder Böse
1020 zu erreichen; jetzt ist's nach ihrem Verlangen.
Beide Soldaten gehen vovi Thurme weg tmd ab.
Barbara itn Thicrm.
Mein Herr und Gott, siehe mich an und er-
barme dich meiner, lasse dir es gefallen, o mein
Gott, was ich hier um deines Namens willen leide ;
gieb mir die Kraft, dass ich Alles überwinden mag I
14. Auftritt.
Engel erscheint,
1025 Sei getrost, Barbara, dein Bräutigam, Jesus
Christus, hat dein Leiden gesehen und hat mich
gesendet , deine Wunden zu heilen ; er lässt dir
sagen, das Ende deiner Qualen sei nahe gekommen;
bereite dich zu deinem bevorstehenden Streit ; wer
1030 bis ans Ende verharrt, der wird gekrönet werden.
Geht ab.
1^2
Es züird vor der Thür s:esuns:en.
Und als St. Barbara gefangen iln Thurm,
Die Engel sind gekommen, die sie speisen thun,
Gott selber ist gekommen und hat sie getrost :
Wohlan, St. Barbara, du wirst bald erlöst.
15. i\uftntt.
Martianns und zwei Soldaten trete?i auf.
Martianiis.
1035 Seid ihr meinem Befehle nachgekommen?
Erster Soldat.
Und zwar genau, so dass sie mehr einem ge-
schundenen Vieh als einem Menschen gleich sah.
Martiamis.
Führet sie alsobald hierher vor das Gericht!
Zweiter Soldat.
Dieser Befehl soll alsobald vollzogen w^erden.
Beide Soldaten gehen in den Thurvi hinein.
Martianus allein,
1040 Will sehen, ob dieses elende Geschöpf durch
den torquirten Körper sich nicht zu ihrem besten
Wohl eines anderen Sinnes entschlossen hat.
16 Auftritt.
Die Soldaten fuhren Barbara heraus.
Erster Soldat.
Hier stell dich her! Doch ich staune bei so
grosser Veränderung: wie ich sie gestern im Kerker
1045 verschlossen hab, da war sie voller Blut und Wunden,
jetzt aber ist nicht einmal das mindeste IMerkmal
einer Wunde zu sehen ; sie muss sich durch eine
Zauberkraft davon befreit haben.
153
Zweiter Soldat.
Das Gericht könnte sonst glauben , es wären
1050 die Befehle nicht vollzogen worden; ich hab meinen
Fleiss nicht gespart und hab ihr ziemlich tiefe
Wunden versetzt.
Martianus.
Barbara ! Tritt näher , du siehst und musst
selbst bekennen, dass dich unsere Götter lieben,
1055 weil sie dir deine Wunden auf so wunderbare
AVeise geheilt haben: deswegen sollst du ihnen
doch dankbar sein, und sie als wahre und un-
sterbliche Götter verehren und anbeten.
Barbara.
Du gottloser Richter, wie sollen mir deine
1060 Götter etwas helfen, die sich doch selbst nicht
helfen können ? Jesus Christus, der lebendige Sohn
Gottes, hat mich gesund gemacht, darum will ich
ihn allein verehren und als meinen Gott anbeten 1
Martiajitis.
Du Ehrvergessene ! Fürchtest du denn nicht,
1065 dass der grosse Gott Jupiter, im gerechten Zorn
ergrimmet, seinen Donnerkeil ergreift^ dich und
deine gotteslästerliche Zunge mit gerechter Rache
in den tiefen Abgrund der Hölle hinunter schleudert?
Barbara.
Ich fürchte deine Götter nicht, weil sie mir
1070 weder schaden noch nützen können, aber meinen
Gott fürchte ich, weil er einmal kommen wird,
mich und dich und alle Menschen zu richten ; vor
diesem meinem Gott und Herrn, auf den ich glaube,
hoffe, und den ich von ganzem Herzen liebe, für
1075 diesen bin ich bereit, mein Blut und Leben dar-
zugeben.
Martianus.
Nun denn, du Ehrlose, ich will dich unsere
Götter fürchten lehren! — Schleppet sie hinaus,
vollziehet an ihr dieses Urtheil ! Erstens zerreisset
154
io8o ihr beide Seiten mit eisernen Haken: zweitens
zerknirscht ihr das Haupt mit Hämmern , und
sollte auch schon durch Mund und Nase das Blut
und Mark herausfliessen: drittens, damit das häufig
hervorquellende Blut nicht etwa vor der Zeit ihr
1085 das Leben nimmt, so muss solches mit glühendem
Eisen gestillet werden : viertens schneidet ihr beide
Brüste heraus und führet sie alsdann zu ihrer
grössten Beschimpfung bei den Haaren unter be-
ständigem Geissein und Schlagen durch alle
1090 Gassen der Stadt herum!
Zweiter Soldat.
Wir werden in Allem Gehorsam leisten,
Barbara geht mit Beiaen ab, Martiamis ebenfalls ab.
17. Auftritt.
Ephebus tind Juliana treten auf.
Ephebtis.
Hab ich nicht gesagt, dass ein Wunder wird sein,
wenn unsere Prinzessin das Leben davonbringt?
Juliana.
Was sagen Sie? So hat die Unschuld das
1095 Kürzere gezogen, hat meine Prinzessin einen so
verächtlichen Tod nehmen müssen !
Ephebtis.
Nein, noch ist sie nicht hingerichtet, aber nach
überstandener Marter wird es über den Kopf los-
gehen ; ja , meine Frau kann es nicht genug be-
1 1 00 schreiben, was für ein entsetzlicher Spektakel war,
ein so adeliges Kind, mitten durch das so häufig
zulaufende Volk , bereits schon halb todt , noch
bei den Haaren herumschleppen zu sehen , und
wir haben uns der mitleidigen Zähren nicht ent-
1T05 halten können.
155
Jtiliana.
Genug! Das Herz zerspringt mir vor Schmerzen.
Winkt dem Ephebus mit dem Finger auf dem Munde
zu schweigen, Dioscorus kommt.
i8. Auftritt.
Dioscorus.
Was habt ihr für wichtige Geschäfte mit ein-
ander abzuhandehi?
Ephebus.
Juliana verlangte den Zustand unserer Prinzessin
iiio zu wissen, von dem ich auch ihr erzählte, was
ich mit eigenen Augen gesehen.
Dioscorus.
Und was war dieses?
Juliaiia bittend.
O , dass es Euch doch zum Mitleid bewegen
mögel
Ephebus.
II 15 Wie man sie halb geschunden durch die ganze
Stadt herumschleppte.
Dioscortis.
Was sagst du? So ist sie noch nicht hinge-
richtet worden?
yuliana.
O, Tyrann, noch unbarmherziger als Tiger und
II 20 Löwen !
Ephebus.
Vergönnet mir noch beizusprechen, was darauf
erfolgt: da in einer so volkreichen Stadt sonst
Niemand war, der sich über ein so adeliges Kind
erbarmet, so hat sich der Himmel angenommen,
II 25 wie sie es auf der Erde dahinschleiften, und wie
ich nachgehend gehört habe, so sei über sie das
Endurtheil schon gesprochen, welches ich nicht
erwarten wollte.
•56
Dioscortis.
Das hätte sie schon längst verdient.
ytiliana.
iijo Ach, SO redet ein Vaterherz ?!
Dioscorus.
Die den Göttern angethane Schmach kann
anders nicht vergolten werden als durch ihr Blutl
nehme
Geht ab.
Ich muss selbst Alles in Augenschein nehmen
yuliana.
Hat die Welt wohl einmal einen zweiten solchen
1135 Unmenschen gesehen? Aber in künftigen Jahren
werden sie sein Andenken verfluchen 1 Beide ab.
19. Auftritt.
Der Gerichtplatz.
Dioscorus, Barbara, zwei Soldaten und Scharfrichter.
Barbara kniet nieder.
O , Herr Jesus , ich bitte dich demüthig vor
meinem letzten End, du wollest diejenigen, welche
deines Namens und meiner Marter eingedenk sind,
1140 in ihrer letzten Sterbestunde erhören und sie nicht
ohne wahre Reue und Leid und ohne dein heiliges
Sakrament von dieser Welt scheiden lassen.
Scharfrichter.
Jetzt ist keine Zeit mehr für dich, deine Thor-
heit zu beweinen , ich muss sehen, ob dich dein
II 45 Christengott aus meinen Händen erretten wird:
mache dich bald fertig !
Barbara.
O, Gottl Steh mir bei an meinem letzten Endl
Scharfrichter.
Mit Freuden will ich dir den Streich geben I
Zieht sein Schwert in die Höhe.
157
Dioscorus.
Halt ein ! Von mir hat sie das Leben , und
II 50 durch mich soll sie auch sterben, '/-ieht sein Schwert.
Weil du den grossen Göttern nicht hast wollen
opfern, so musst du als ein Schlachtopfer sterben!
Haut mit seinem Schzvert auf die ScJdachtbank. O, ihr
erzürnten Götter! Lasset euch durch das Blut
1155 dieser meiner Tochter doch wiederum besänftigen
und strafet nicht mehr ihrer Vermessenheit wegen
den unschuldigen Vater!
Es blitzt und donnei't; Dioscorus fällt zu Boden,
Erster Soldat.
O, wie gross sind die Verdienste, wie mächtig
die Fürbitte der heiligen Jungfrau Barbara ! Glück-
1160 selig sind Jene, die ihrem Schutz vertrauen.
Barbara in der Glorie.
Chor.
Deinem Schutz wir uns ergeben
So lang, als wir werden leben.
Als eine Mutter dich zu ehren.
Dich zu lieben, stets begehren.
TT 65 Grosse Fürstin, unser Flehen
Lass im Streit nicht untergehen.
Beschütz uns vor dem jähen Tod,
Und versöhne uns mit Gott-
Lass uns in der Stund nicht sterben,
II 70 Hilf uns, den Himmel zu erwerben.
Steh uns bei in letzter Noth,
Speise uns mit deinem Himmelsbrot.
M
SUSANNA.
PERSONEN.
Ehrenhold als Prolog.
Joachim.
Susanna.
Esron, der Richter.
Achab, der zweite Richter.
Der Richter der Gerichtssitzung.
Enoch, Beisitzer derselben.
Simon, zweiter Beisitzer.
Daniel.
Sarah, die ^lagd.
Abel
I
_. . Knechte Susanna' s
rass
Sergus, erster Knecht des Richters.
Der zweite Knecht des Richters.
Das Kind Susanna' s.
•^
Gesang vor der Comödie.
Gelobt sei Jesus Christus in alle Ewigkeit !
Ihr Edlen und Vielgeliebte, die hier versammelt sein,
Wir wollen Euch vorstellen Susanna keusch und rein :
Sie war ganz tugendreich.
5 Gelobt sei Jesus Christus in alle Ewigkeit !
Aber sie wurd bezwungen und zur Unzucht begehrt,
Von zweien alten Richtern, wie Ihr wohl hören werd't :
Vernehmet uns mit Freud.
Gelobt sei Jesus Christus in alle Ewigkeit !
IG Wollet nur vorlieb nehmen mit unsrer Wenigkeit;
So bitten wir unterthänig um Aufmerksamkeit:
Alles zu Gottes Ehr und Preis.
Gelobt sei Jesus Christus in alle Ewigkeit!
I. Auftritt.
Zirmner.
Ehrenhold .
Ihr wohledle und feste Herrn,
15 Wohlehrsame Frauen wollt mich anhörn,
Und alle Jugend gross und klein.
Auch, die allhier versammelt sein :
Ich wünsche Euch allen Glück und heut
Von Gott bevor die Seligkeit.
20 Ihr werd't in Kürze nehmen wahr.
Wie Euch wird dargestellet klar
Ein Historie von der heihgen Schrift,
Die andere Kurzweil übertrifft,
Volksschauspiele. II. II
102
Welche Historie wird genannt
25 Von einer keuschen P'rau wohl bekannt;
In der heiHgen Schrift wird sie gelobet viel :
Den Inhalt ich Euch sagen will.
Susanna war ihr rechter Nam,
Joachim ihr Ehpflegs Mann,
30 Wegen ihrer Tugend und Keuschheit
W^ar solche bekannt weit und breit.
Dieselbe von zwei alten Greisen,
Welche ihre Gewalt wollten beweisen,
Gebrochner Ehe wegen bezieht,
35 Gesteinigt war worden, wenn Gott nicht
Sie durch den Daniel hätt errett^
Den er sein' Jugend Mund aufthut ;
Gott hat ihn zu einem Richter gesetzt,
Welcher die zwei Alten zuletzt
40 Selbst schuldig find't und richten thut.
Susanna, das unschuldig Blut
Freiledig ward und kam davon.
Nun seht, da geht heraus ihr Mann :
Wer nun die Sach erfahren will,
45 Den bitt ich, dass er sei fromm und still.
Geht auf die Seite.
2. Auftritt.
Joachim .
Lob, Ehr und Preis sei unserm Gott,
Der sein Volk verlässt in keiner Noth;
Nun seind sie gewesen aber also schlecht,
Dass er daneben nicht gedächt
50 An seinen Bund mit Abraham,
Dem er versprochen, dass sein Sohn
Sollt' unzählig völlig werd'n,
Als wie am Himmel sind die Stern,
Und Gottes sollten die sein genannt.
55 Zu ihnen hat er ja selbst bekannt,
Dass er ihr treuer Gott wollt sein
Und sie im Guten aus und em
163
Auf allen Wegen leiten,
Wie solches geschehn zu allen Zeiten.
60 Mächtig an uns er zeigen thut,
Dass wir durch seines Zornes Ruth'
Allhier zu Babel gefangen sein,
Um unsere Sund, weil wir gar klein
Sein Wort und Gesetz vor Augen hätten,
'65 Doch Alles ihm zuwider thäten,
In Kanaan, dem gelobten Land.
Da uns nichts mehr war Sund noch Schand,
Er uns den König zu Babel gab.
Der uns mit Gewalt führet hinab
70 Und also, mit Gefängniss beschwert;
Doch mit der Zeit er wieder kehrt
Zu uns sein gnädiges Angesicht ;
Er hört die Seinen in guter Pflicht,
Sonderlich, die ihn lieben thun ;
75 Des habt Ihr davon ein Exempel nun
An mir, der ich hier stehe.
Der ich zwar auch gefangen mich sehe
Sammt andern Guten geführet fort
Und in der Feinde Gewalt geben dort.
80 Gross Zwang und Elend habe gelitten,
Jedoch, weil ich mein^ Gott thu bitten
Mit ganzem Herzen und Vertrauen,
Dass er mein Elend wollt' anschauen.
Hat er den Zorn in Güte und Gnad gewendt,
55 Mir geben Gut und Ehr am End,
Dass ich nun fast der Grösste bin
Unter dem Volk, ein grosser Gewinn.
Mein Geld und Gut sich mehrt,
Ich werde mannigfach geehrt:
90 Bei mir man Rath und Weisheit sucht.
Die Aeltesten mit ihrer Zucht
Sie suchen mich tägHch, kommen herbei,
Als ob ich ihnen gegeben sei
Von Gott zu einer Obrigkeit;
95 Noch über dieses alles weit
Giebt mir Gott sehr köstliche Gab',
II *
164
Die fast die allerköstlichste Hab',
Nemlich ein keusch und gutes Weib^.
Die ich Heb als mein' eignen Leib,
100 Mir zu der Ehe vermählet ist,
Susanna genannt, ohn arger List,
Mit Tugend auf das Beste geziert,
Auf Gottes Furcht gründUch geführt,
Derohalben ich mich selig acht'
105 Und Tag und Nacht von Herzen tracht^
Meinem Gott dankbar zu sein,
Daneben auch der Gemahlin mein, —
So viel ich hier der Gnaden find'.
Ja, dorten die zwei Alten sind,
110 Die dieses Jahr zu Richtern erwählt,
Und für die Tapfersten werden gezählt^
Wie mir gemeldet worden ist.
Um Rath und Hilfe zu jeder Frist
Mich suchend, kommen sie her zu mir,
115 Darum ich auch jetzt warte hier.
Doch ich sehe, dass sie herbei gehen,
Dieweil will ich auf die Seite stehen.
Joachim geht ab.
3. Auftritt.
Achab und Esroii treteti ein,
Achab.
Sind das nicht seltsame Mähr,
Die man mir geschrieben her?
Esron.
120 Lieber, was Neues? Sag es her:
Ich hab es zuvor nicht vernommen,
Dann ich ganz spät dazu bin kommen.
Was haben die Weiber geschrieben?
Achab.
Mir hat ein guter Freund geschrieben
125 Jetzt von Jerusalem herab.
Wie sich ein Zanken hat ergeben
i65
Von sieben Weibern um einen Mann,
Deren ihn eine jede hat wollen han,
Und sich um ihn gezankt so sehr,
130 Dass, wann nit Fried geboten war,
Eine die andre hätt erschlagen :
Doch wurden die sich endlich vertragen
Da bei dem Rath ein Urtheil gefällt,
Dass jeder der Mann wird zugezählt,
135 Dass insgemein alle sieben fortan
Haben soll'n den einzigen Mann.
Esron.
Wahrlich, das dünket mich nicht fein !
O, wie ein armer Mann muss das sein,
Der so viel Marter hat und Leid,
140 Dann mir ein einziges Weib die Zeit
Durch ihr Sirfln und Zanken macht bang,
Dass mir mein grosses Haus zu eng,
Dass ich mich gar oft von ihr wende;
Wann zu gross wird der Zank und Strauss
145 Troir ich mich geschwind vom Haus hinaus:
Was werden erst ihrer sieben thun?
Achab.
Was Ihr so offen redet nun I
Doch sagt Ihr ja Euren Nachbarn auch,
Dass daheim Euch oftmals beisst der Rauch
150 So sehr, dass oft die Augen rinnen,
Obschon kein Feuer im Haus thut brinnen,
Dass es mir ein gross Wunder ist.
Und ist doch männiglich bewisst,
Wie sie zu Nachts oft Mahlzeit hätt
155 Und viel Gast dazu laden thät.
Und auch dem Manne nichts sagt davon,
Dass sie mit Gabeln richten an.
Esron.
Achab, ich sag gleich Alles heraus,
Als ob Ihr allein Herr wärt im Haus,
160 So doch vor Kurzem der Simon
Bei Euch die Herberg wollt nehmen in Bestand;
i66
Wollt ich das nun zur Prob beiholen !
War Euch darum ein Aug' geschwollen?
Es geschieht Euch auch oft solchermassen,
165 Das Ihr sprecht, Ihr habt Euch gestossen ;
Wann mir mein Weib setzt Hörner auf,
Ich bald vom Haus hinaus wollt laufen,
Kann oft zur Zeit gar kaum davon.
Achab.
Ja, gut für den, der's treffen kann:
170 Die Meine, die ist gar behend,
Niemand kauft sie voraus, wer sie kennt.
Gesetzt, wenn ich sie schlagen will,
So kann sie der Fechtstuck so viel,
Und fechtet so sehr gegen mir,
175 Das ich auf keine Weis komm zu ihr,
Dass ich mich billig sollte schämen,
Dass mich mein Weib so sehr thut zähmen ;
Wenn ich nicht hätt so viel Gesellen,
Die mit mir sind in gleichen Fällen,
180 Die Herren sind in ihrem Haus,
Wann die Weiber gegangen aus,
Der Ursach fällt mir nicht schmerzlich das.
Esron.
Eben das ist's, mit welchem Mass
Auch ich mich getröstet und geduldig bin;
185 Doch vergeht die Zeit, lass uns gehen zu Joachim.
Achab.
Siehe, er steht schon dorten.
Esrofi.
Vielleicht hat er uns schon zugehört.
Joachim tntt auf.
4. Auftritt.
Achab.
Joachim, wir wünschen Euch viel Heil.
167
Joachim.
Desgleichen werde Euch zu Theil !
190 Liebe Herrn, was gebietet Ihr?
Esron,
Nichts Sonderhches, als dass Achab mir
Jetzt hat bericht't von einem Schreiben :
War ein Mann dort von sieben Weihen ;
Eine neue Geschieht thut man zeigen an,
195 Wie sieben sich um einen Mann
Zu Jerusalem haben gezankt
Und endlich auch haben erlangt,
Dass er ihr aller Mann muss sein.
Darauf ich nun die Meinung mein
200 Nach meinen Gedanken habe erzählt,
Das solches mir gar nicht gefällt:
Dass ein Mann sieben Weiber hab,
Des nehm ich von mir selbsten ab,
Weil ich mit einer kaum komm aus :
205 Dass mich der Rauch treibt aus dem Haus,
In der Stuben es donnert und blitzt,
Dass mir vor Angst der Buckel schwitzt:
Wie würd es mir erst mit sieben gehen!
yoachim.
Ihr Herren, so wollet mich auch verstehen;
210 Meine Meinung ich Euch sagen will,
Denn solche neue Mähren leiden kein Gespiel,
Sondern sie sollen uns vielmehr erschrecken,
Und unsre Liebe zu Gott erwecken,
Da uns Gott solches drohen thut
215 Durch den Propheten Jesaias gut,
Dass er, erwägt er unser sündiges Leben,
Uns Krieg, Hunger und Pestilenz will geben,
Dass hiedurch die Mannheit seltener wird ;
Viel Weibern kaum ein Mann gebührt,
220 Welches denn heut auch bestätigt ist.
Wir nun wollen zu dieser Frist,
Dieser Mahnung erwäget sein.
Und wahrhaft schon ist unsre Mannheit klein.
i68
Wie wir sehen an dieser Geschieht.
225 Darum bitt ich, untersteht Euch nicht,
Das Gespött mit Gottes Straf nicht treibt,
Denn dieses nicht ungerochen bleibt.
Achab.
Joachim, Ihr seid so voll Klugheit,
Das merk ich wohl, doch ist es Zeit,
230 Eine Sach ist fürkommen uns beeden,
Derohalben wir mit Euch zu reden
Kommen, wenn sie Euch gelegen ist.
Joachim.
Ja wohl, ich komme, zu jeder Frist
Bin ich Euch zu Diensten, wo ich kann ',
235 Doch nun muss ich rasch gehen davon.
Geht ab.
Achab.
Esron, mir gefallet des Joachim Weib :
Hat sie nicht einen sehr schönen Leib?
Esron.
Wahrlich, sie gefallet mir herzlich wohl ;
Wann ich die Wahrheit reden soll,
240 Mir hat kein Weib 'besser gefallen,
Sie übertrifft die andern in Allen.
Zu ihr neiget sich täglich mein" Begier,
Wie zu Theil sie möcht werden mir:
Ich nehm es an^ gang's wie es wollt.
Achab.
245 Nun Ihr mich auch vernehmen sollt:
Mein Herz, mein Sinn und mein Gesicht,
Ist auf die Susanna dargericht;
Wenn ich nur wisst ein solches Heil,
Durch welches sie mir wurd zu Theil.
Esron.
250 Wollen wir unser beeder Heil
Versuchen und ihr stellen nach,
So weiss ich schon ein gutea Gemacht,
169
Da wir sie leicht bekommen mögen. —
Ich hab drin jetzt vom Herrn gehört,
255 Dass sie im Garten baden werd;
Wie dunket Euch nun, wenn wir thäten
Hineingehn, uns verstecken thäten,
Dann wir daselbst gut warten hätten?
Achab.
Wahrlich, mir gefallet dieser Rath,
260 Wann wir hätten füglich Statt,
Dahin wir uns verstecken könnten.
Da uns die Magd nicht that finden ;
Denn ihre Gewohnheit ist allzeit ja
Vorher zu senden ihre Magd,
265 Die alle Orte wohl besieht.
Esron,
Ei, Lieber, sorgen derft Ihr Euch nicht;
Dort hinten ist ein' dürre Hecken,
Darinnen wollen wir uns verstecken.
Seid nur keck, uns wird solches gelingen.
Achab.
270 Lost, ich hör die Schlüssel klingen,
Sie kommen schon bald, lasst uns laufen.
Esron.
Lauft nit so sehr, ich muss verschnaufen.
5. Auftritt.
Garten. Sarah , die Magd geht in de?i Garten , um zu
beschauen^ ob Niemand im Garten sei, damit sich Susanna
könnt waschen und baden.
Sarah.
Mein' Frau hat mich hinaus gesend't,
Ich sollt beschauen aller End
275 Im Garten fleissig hin und her.
Ob nicht Jemand herrinnen war,
Dann wie sie hat im Vorhaben,
Wollt sie sich im Garten baden
Nach ihrer Gewohnheit um die Zeit;
280 Der Garten ist gleich eben weit:
So kommen gemeinigUch herbei,
Die bei dem Volk die Aeltesten sein,
Und pflegen mit unserm Herren Rath,
Womit jeder zu schaffen hat ;
285 Nachdem dieselbigen auch pflegen,
Den Beschluss reiflich zu überlegen,
In dem Garten spazieren zu gehen;
Demnach ihr genugsam könnt verstehen,
Was mein Suchen thut bedeuten :
290 Eine ehrsame Frau, thut es bedeuten,
Ihr' Ehr und Zucht bewahren soll.
Die Welt ist aller Untreu voll,
Ob man gleich überall aufsieht,
Jedoch allzeit viel mehr geschieht ;
295 Darum meines Gedünkens soll sein:
Eine Frau soll beflissen sein,
Dass sie nicht nur keusch, rein und züchtig sei,
Sondern sich hüte auch dabei,
Dass sie Niemand kein Ursach gebe
300 Zu Argwohn und dermassen lebe,
Dass ihre Freund' sie loben müssen,
Dann wird sie alle Sorgen missen.
Drum man gar nit genug thut trauen ;
Derohalben bin ich gesandt zu schauen,
305 Ob Niemand hier spazieren gehe,
Dass meiner Frau allso gewähret wäre,
Ohne Sorgen sich herein zu begeben,
Denn auf ihr' Ehr steht all ihr Leben,
Und sollt ein feines Exempel sein :
310 Doch es ist Zeit, ich muss hinein. Sarah geht ab.
6. Auftritt.
Susanna, gefolgt von Sara/i, geht in den Garten.
Susanna.
Hast du dich fleissig fürgeschaut?
lyi
Sarah.
Ja, Frau, geht hin, mir fröhhch traut,
Dann ich Niemand gesehen hab.
Susanna,
Geh her, nimm mir die Kleider ab,
315 Ich will mich waschen in meinem Bad;
Ich dank meinem Gott vor solche Gnad,
Der mir alle Ding so reichlich giebt,
Nach Lust und Lieb, wie's mir beliebt.
Gross Ehr und Gut, ein' frommen Mann,
320 Dem bin ich bilHg unterthan.
Und ihm allein zu Gefallen zier'
Mein' Leib in reiner Zuchtbegier,
Wie uns Gott solches gebieten thut,
Dass wir mit ganzem Sinn und Muth
325 Unserem Manne gehorsam sein,
Welches ist auch die Ursach mein.
Darum ich herkomm zu waschen mich^
Andern Geschmuck, den hasse ich,
Wo man nit Gott zu gefallen sucht, —
330 Dann dies allein ist die wahre Zucht,
So man mit wahrer Tugend ist geziert,
Auf Ehrbarkeit und Keuschheit geführt,
Da ist es wohl Gold und Edelstein.
Da aber viel der Weiber sein,
335 Die sich nit solchermassen zieren,
Sondern mit Kleidungsschmuck ohn' Gebühren^
An Tugend bloss zu aller Stund,
Das hat nicht nur ein' bösen Grund,
Auch noch denselben schaden thut.
340 Dahin mir all mein Sinn und Muth
Von Kindheit auf gestanden ist,
Und bitt' Gott noch zu aller Frist,
Er wolle mich in solchem erhalten
Und allezeit in Gnaden walten.
345 Geh hin, Sarah, bring mir das Badtuch,
Weiter du auch in dem Behälter such.
Da wirst finden ein kleines Glas
Mit Rosenwasser, bring mir das. Sarah geht ab.
172
Wir Weiber, weil wir unterthan
350 Sein sollen ein' jede ihrem Mann,
So ziemt sich nit lang von ihm zu sein,
Der Ursach, weil dem Mann allein
Allzeit gar mancherlei zufällt:
Drum uns Gott ihm hat zugesellt,
355 Dass wir ihm tröstlich sollen sein;
Bös ist, dass der Mensch ist allein.
7. Auftritt.
Die zwei Alien schleichen zur rechten Seite des Gartens
hinter dem Pyramidenbawn ein tind gehen hervor.
Esro7i.
Nun rath', wie wollen wir's greifen an,
Dass sie nicht schreit, noch lauft davon?
Achab.
Ich sorge geichwohl, sie wird nicht bald
360 Gehorchen in unserer grossen Gewalt,
Doch wollen wir thun ersthch gemach,
Und sie mit Worten aller Sach
Aufs freundlichste und glimpflichst anreden,
Dass sie gestatten wollt uns beeden,
365 Unsere Lust mit ihr zu büssen.
Wo nicht, dass wir mit Ernst dann müssen
An sie, um ihr Gewalt anzulegen.
Susanna schreit.
Ach weh, was thut sich dort bewegen?
Esron gehet zur linken Seite des Gartens und spricht:
Susanna, halt, schrei nicht so sehr,
370 Erschrecke auch nicht ob unserm Begehr.
Susanna.
O, Gott! o, Gottl Komm mir zu Hülf.
Esron .
Susanna, hör, nit also ruf.
Denn wir auf Treu kommen herein.
Bewegt durch Liebe der Schöne dein ;
375 Wir bitten, wollst uns geben statt.
173
Siisa}iria.
Mein Herr und Gott, behüt mich vor solcher That.
Weicht weg, solches find't Ihr nicht bei mir.
Achab.
Susanna, ich will rathen dir,
Willst dich in unsern Willen geben,
380 Dann solches auch, bei unserm Leben,
Aufs heimlichste soll verschwiegen sein.
Susanna.
Ich thu's nicht wegen der Keuschheit mein,
Und weil Gottes Huld mir lieb ist.
Esron .
Gedenk, dass du allein hier bist
385 Sammt uns, Niemand das sehen mag:
Drum furcht dich nicht, mit uns es wag.
Stisanna.
Hebt Euch, Ihr Thoren, weit hintan,
Obgleich kein Mensch uns sehen kann,
Meint's Ihr drum, dass uns Gott nit seh'?
390 O Gott, solches nimmermehr gescheh' !
Ein' Mann hast du gegeben mir —
Nie lass mich ferne kommen von dir —
Dem halt ich mich treu in meinem Leben.
Esron.
Schau, dieses Geld will ich dir geben,
395 Wenn du nach meinem Willen bist.
Susanna.
Pfui dir, du Schalk, mit solcher List
Sollt' ich mein' Ehr verkaufen dir?
O, meine Magd, komm bald zu mir.
O Gott, errett mich aus solcher Noth.
Ac/iab.
400 Hör an, Susanna, ohne Spott,
Es kann und wird nicht anders sein,
Drum gieb dich bald in den Willen drein,
174
Dass wir unsern Willen mögen haben ;
Wo solches du uns wirst versagen,
405 So sollst du wissen unsern Bescheid,
Dass wir entschlossen sein alle beid,
Dich öffentlich zu klagen an,
Wie wir bei dir ein jungen Mann
Haben getroffen an im Stillen,
410 Dem du gestattet seinen Willen,
Gebrochen hast allso deine Treu :
Darum besinn dich, dass es dich nicht reu',
Weil du uns alle beide verschmäht.
Du weisst, dass jetzt das gestrenge Recht
415 In unsern Händen und Worten steht,
Was jeder von uns als Zeugniss red't;
Drum deiner selber nit vergiss,
Es ist ja doch viel besser dir.
So du dich fügst nach unsrer Begier
420 Und nochmals allzeit bleibst bei Ehren,
Als dass du dich gegen uns thust wehren,
Und wir heftig verklagen dich
Des Ehbruchs und du jämmerlich
Vor männiglich werdest zu Spott,
425 Und allso werdest verdammt zum Tod.
Susanna.
Liebe Freunde, bedenkt zugleich,
Was doch soll sein geholfen Euch,
So ich nach Eurem Willen thät,
Und Ihr ein' kleine Freude hätt'.
430 Die weil Ihr doch verstosst vor Gott
Euch selbst und mich in ewige Noth,
Dazu auch hier zu Schanden werd't.
Ich bitt Euch, nicht nach Verdammniss begehrt,
Ich bitt, erbarmt Euch doch mein.
Esron .
435 Wohlan, es mag nit anders sein.
Entweder folgen oder leiden Noth :
Bewahr dein' Ehr oder werd zum Spott,
Und besinn dich bald, jetzt hast die Wahl
450
175
Stisanna.
Ach Gott, Angst drängt mich überall,
440 Mein Herz ist mir schwer ohne Massen,
Weil ich also bin hier verlassen:
Im Gefängniss ist mein' Seel ohn' Ehren ;
Dass ich mich nicht dess kann entwehren,
Muss entweder die Keuschheit mein
445 Verlieren oder richtbar sein
Des Ehbruchs oder gesteinigt werden ;
Behalt ich nie mein' Ehr auf Erden,
Mit dem, dass ich mit Euch thu Sünden,
Werd ich Gottes Zorn entzünden
Wider mich und verlieren seine Huld :
Bleib ich dann in meiner Unschuld,
So ist gleichwohl zu besorgen mir.
Es möcht gelingen nach Euer Begier,
Euer falsches Beklagen wird bringen Noth.
455 Mein Achab, es soll den schmählichen Tod
Zu leiden mir viel besser sein.
Als dass ich Gott den Herren mein
In solchem Mass erzürnen will.
Esron .
So bedarf es nun der Wort nicht viel,
460 Willst du nicht, so musst du mit Gewalt:
Gehe Achab, die Hand ihr halt.
Susanna schreit.
Mordio ! Mordio !
8. Auftritt.
Die zwei Knechte mit ICjti'ctteln laufe?! von beiden Seiten
in den Garten, Abel thut, als wollte er schlagen,
Abel.
Wer schreit also? Was macht Ihr da?
Ihr wollt der Frauen doch nicht
465 Gewalt anthun, Ihr Bösewicht' ?
Esron.
Nicht schlag, zuvor dem Bescheid halt still.
176
Pass.
So sag bald an, wie es hergang.
Achaö.
Wir haben einen jungen Mann
Bei ihr ergriffen hier allein,
470 Dem sie thut nach dem Willen sein.
Da wir ihn aber wollten fangen,
Ist er uns mit Gewalt entgangen,
Da er viel stärker war als wir ;
Darnach wir hergegangen zu ihr,
475 Um sie zu ergreifen und zu strafen.
Susanna.
Nicht glaubt ihnen, sie thun mir Gewalt.
Pass.
Ein seltsames Ding, wahrlich, ich halt,
Ihr selbst seid die Thäter dieser Dingen
Und habt die Frau mit Gewalt woll'n zwingen ;
480 Schaut zu, was Ihr da handeln thut !
Esron .
Auf uns komm dieser Frauen Blut,
Wo wir sie nicht mit Recht beklagen !
Dennoch wir Euch mit Ernst es sagen,
Dass Ihr sie nehmt in Eure Hut
485 Und fleissig sie behalten thut,
Bis man ihr den Gerichtstag setzt :
Gerichtet werde sie um solche That,
Wie sie es wohl verschuldet hat ;
Dem Rath wollen wir es sagen an,
490 Der weiss der Sache wohl zu thun.
Esron, Ac/iad, Abel tmd Pass i:;ehen ab, Sarah kommt.
9. Auftritt.
Sarah.
O Frau, was ist Euch widerfahren.
Susanna.
Ich hiess Euch die Thür wohl bewahren,
Dass Niemand fremder kommt herein.
177
Sarah.
Wahrlich, Frau, wir sperrten sie ein
495 Und stiessen auch den Riegel für;
Nun ist verdorben jetzt die Thür:
Nit wissen wir, wer das hat gethan.
Susanne.
Mein Gott hat mich gegriffen an
Und also in gross Unglück geführt:
500 Ach, hätt er meinen Glauben nicht gespürt?
Nun kommt und führet mich hinein.
Dann mir vor Angst jetzt meine Bein
Ganz schwach und kraftlos schon sein thun:
Ach Gott, wie elend bin ich nun.
Gehen alle ab. Die Knechte treten wieder ein.
10. Auftritt.
Abel.
505 Lieber, wer hätt besorgt je, ei, ei,
Dass unsere Frau dermassen sei,
Ihr' ehliche Pflicht so brechen sollt,
Die allezeit über alles Gold
Der Zucht und Keuschheit hold gewesen.
Pass.
510 Ei Lieber, es ist ja noch nit erwiesen,
Ob sie wohl solches hat gethan;
Sie hat einen gar frommen Mann,
Der sie wohl hält und liebet sehr.
Denn sie wohl von Jugend her
515 Zur Zucht und Keuschheit war geneigt.
Welches mir grossen Argwohn geit,
Dass man ihr billig unrecht thut.
Abel.
Wahrlich, dass wäre ja nicht gut.
Wann zwei solche tapfere Mann'
520 Also ein Lärmen fingen an
Und hätten keinen wahren Grund.
Volksschauspiele. II. 12
178
Pass.
Ei, dir nicht das beikommen kunnt,
Dass kein' Alten hilft ihr Thorheit.
Ich hab ja gehört wohl oft der Zeit
525 Von diesen zwei alten Greisen,
Dass sie viel Thorheit thun beweisen,
Sehr übel mit ihren Weibern leben,
Raufen, schlagen und dergleichen,
Welches mir sein gewisse Zeichen
530 Wohl, dass ich's gar nit glauben will.
Abel.
Davon lass uns nur schweigen still.
Ach, was sollen wir darzu thun?
Wie dunket dich, dass wir's angehen nun
Und unserem Herren zeigen an,
535 Dass er beeden thät, was wohlgethan
In dieser Sach bei guter Zeit?
Pass.
Ja, wahrlich, ihm das Meist' dran leit. Gehen ab.
II. Auftritt.
£sron und Achab treten ein.
Esron.
Ach, wie schwer jetzt es fallet mir.
O, mein Achab, was rathet Ihr,
540 Weil uns die Knecht jetzt zeihen sehr.
Wie solches Ihr ja habt gehört?
Darum ich mich auch billig furcht,
Wann etwa solches kundbar wird;
Nun, lieber Herr, Ihr, rathet mir gut,
545 Was man in solcher Sachen thut.
Achab.
Mein Rath ist, dass man sei bedacht,
Wann ein Gerichtstag werd gemacht.
Auf welchem wir all unsere Sachen
Wohl auf das Beste werden machen :
179
550 Dann wie im Gesetz geschrieben steht,
Dass zweier Zeugnuss allzeit recht,
Vor dem Gericht wir allzeit bestehn,
Welches hier sich schicket schön,
Wann wir beede aus ein' Mund reden,
555 Und das Gericht selbst muss Zeugnuss geben,
Dass unsere Sache sei kontent
Und nehmen wird ein gutes End.
Esron ,
Wahrlich, Achab, Ihr redet wohl,
Bei dem es schon verbleiben soll ;
560 Mich dunket es auch selber fein.
Doch es ist Zeit, wir wollen gehn hinein.
Gehen ab.
12. Auftritt.
Die Gerichtshalle. Der Richter gehet mit den zwei Bei-
sitzern und zwei Dienern ein, sie setzen sich.
Richter.
Gott, unser Herr zu grosser Gnad
Uns G'richt und Schwert gegeben hat,
Auch ein Gesetz geschrieben für,
565 Dass wir nach jeden Falles Gebühr
Die Gerechtigkeit handhaben thäten
Und also aller Menschen hätten
Zu dieser Zeit gut Ehr ausgemacht:
Und wo es etwa wurde Sach,
570 Dass Jemand wider Recht was thät,
Dass dieser bald sein' Strafung hätt.
Und andern ein Exempel war,
Nichts zu thun wider Recht und Ehr:
Dann dieses heisst die Obrigkeit
575 Und Ordnung Gottes dieser Zeit,
Der das Recht sucht, das Unrecht straft. —
Nun geh, schrei aus, wo Jemand sei,
Der Recht begehrt, dass er herbei
Zu rechter Zeit verfüget sei.
12*
I»0
Sergus neigt sich gegen den Richter, geht hintan und spricht
zum Volk :
580 Nun schweiget und vernehmet mich,
Der Richter hat gesetzet sich,
Desgleichen die Beisitzer sein ;
Wer nun hier ist, gross oder klein,
Der Jemand hat zu klagen an,
585 Der soll solches bei Zeiten thun.
13.' Auftritt.
Die zwei Alten kommen mit der Susanna, welche im schwarzen
Trauerkleide ist.
Esron .
Willkommen, Ihr hochweise Herrn.
Richter,
Habt Dank, was ist denn Euer Begehrn:
Achab.
Herr Richter, wenn's Euch gelegen war,.
Wollt uns vergönnen die erste Ehr.
590 Ein Weib haben wir bringen lassen.
Heut fürs Gericht, nun welcher Massen
Und warum solches geschehen sei,
Soll werden kund, schafft sie herbei.
Richter.
Wo ist die Frau r Schafft sie herzu.
14. Auftritt.
Sergus führt Susanna herbei
Sergus.
595 Herr Richter, nach Eurem Befehl
Haben wir die Frau hergestellt.
Wie Ihr sie seht hier voll Unmuth.
Richter.
Hört, wess man Euch verklagen thut.
i8i
Esron,
Herr Richter, dies Weib klagen wir an,
600 Dass sie wider ihre Ehr gethan,
Ihr Ehe gebrochen wider Gott,
Ihr selbst und unserm Gott zum Spott,
Sich an ein' jungen Bub'n gehängt ;
Das tragen wir Eurer Weisheit für,
605 Dass sie gestraft werd nach rechter Gebühr,
Denn wo man ihr das schenken würd,
Würden die Laster eingeführt
Und andere auch dermassen thun;
Dabei wollt Ihr gedenken nun,
€10 Dass unserm Gott zuwider sei
Der Ehbruch und die Unkeuschheit,
Dass er oft straft ein ganzes Land,
Darum, dass die Obrigkeit Sund und Schand
Geschehen lasst und wehret nicht.
615 Darum wir das bei Eurer Pflicht
Aufs TreuHchst wollen hier ermahnen,
Ihr wollt das Weib keineswegs verschonen,
Sondern sie strafen um solche That,
Wie sie es wohl verschuldet hat.
Richter.
€20 Ich hab vernommen Eure Klag,
Daran ich gross Beschwernuss trag,
Jedoch ich sie anhören soll ;
Susanna hört und merket wohl,
Wess Euch diese zwei Herren verklagen :
^25 Hierauf wollt Ihr Eure Antwort sagen,
Ob Ihr wohl stehet in solcher Zieht.
Susanna.
Ach, Herr Richter, ich bitt um Eure Pflicht,
Recht zu urtheilen Ihr nit vergesst,
Dann ob sich schon ansehen lässt,
630 Dass solche Tapfere nit lügen:
Jedoch lasst Euch von solchen nicht betrügen
Und höret auch mich armes Weib,
Dann ich vor Gott unschuldig bleib.
l82
Der unsre Herzen alle kennt :
635 Ich bitt, nit glaubet solches behend;
Sie zeihen mich gebrochner Eh,
Welches mit nichten ich besteh,
Es wird auch Niemand finden sich,
Sondern ihr' Klag ist wider mich
640 Aus Bosheit und mörderischem Hass,
Darum, weil ich zu redlich was
Und ihres Fürnehmens thät mich wehren.
Da sie stellten nach meiner Ehren
Und wollten mit Gewalt zwingen mich :
645 Da sagten sie ganz freventlich,
Wo ich nicht nach ihrem Willen thät,
Ein Jeder sich entschlossen hätt
Mich öffentHch zu klagen an,
Wie ich mit einem jungen Mann
650 Mein Eh und Treu gebrochen hab:
Aus welchem Ihr könnt nehmen ab,
Dass mir Gewalt und Unrecht geschieht,
Wie ich auch solches vor Gottes Gericht
Mit Gott selbst bezeugen mag.
Richter,
655 Ihr Herren, hört auf Eure Klag,
Was dieses Weib antworten thut ;
Wahrlich, es wäre ja nicht gut,
Wann dem also war, wie sie sagt.
Esron.
Herr Richter, was wir hier geklagt,
660 Dem ist also, daran zweifelt nicht.
Wann wir thäten fälschlich beklagen
Und nicht die gründliche Wahrheit sagen^
Der Redlichkeit, wie wird's der gehen?
Nun sollt Ihr Euch zu uns verstehen.
665 Dass dem also und nicht anders sei,
Das könnet Ihr erkennen leicht,
Da sie das Falsche auf uns vergeicht.
Damit ihr' Sach verlängert werden —
Dann wer ist wohl so plump auf Erden,
i83
670 Der nicht sieht, dass sie unrecht hat,
Dann wir beede gehn auf dem letzten Grat,
Unsere Seelen wir auf den Armen tragen :
Was wollen wir nach Unkeuschheit fragen?
Glaubt uns, wenn einer wird so alt,
675 Die Gall in ein'm wird wahrlich kalt.
Nun sollt' uns Joachim auch bedauern,
Ob wir wollen auf Buhlschaft lauern,
Die wir da sind von guten Stätten
Und ihn zwar gern verschonen thäten,
680 Geschweige, dass wir dies im Willen hätten.
Doch weil wir mit gutem Zeugnuss bestehen,
Darauf das Recht soll billig gehen.
Richter.
Nun, liebe Freunde, macht Euch gewiss.
Wohlan Susanna, Ihr nit vergesst
685 Euch selbst und sagt die Wahrheit an,
Wann Ihr denn solches habt gethan:
Bekennt es frei, auf dass nit mehr
Durch falsches Zeugnuss gesündigt werd.
Susanna seufzet und spricht:
Erst sich mein Herz im Leib verschmuckt,
690 Dieweil Ihr Arges von mir gedenkt
Und vermeinet mich schuldig zu sein ;
Jedoch kann Euch das Leben mein,
Meiner Unschuld grosses Zeugnuss geben,
Denn nimmermehr bei meinem Leben
695 Desgleichen hat man an mir gespürt:
Mein Gott mich allzeit hat geführt,
In wahrer Keuschheit und Vertrauen,
Welches Ihr jetzund auch wollt anschauen.
So werd ich wahrlich doch unschuldig sein
700 Und mir bleibet die Ehre mein;
Ja, schaut auch an ihrer beeder Leben,
Das wird Euch gutes Zeugnuss geben,
Dass ihr' Klag falsch und liegend ist,
Dass sie bisher zu mancher Frist
i84
705 Ihr' Unzucht nit allein mit Worten
Haben bezeugt an manchen Orten,
Sondern auch dabei mit Werken,
Daraus Ihr könnet wohl vermerken,
Welcher Theil zugleich der böse ist;
710 Jedoch weil's mir zu jeder Frist
An Menschenzeugnuss mangeln thut,
So bitte ich durch das höchste Gut,
Ihr wollt Gott mein' Zeugen lassen sein,
Dem ist ja kund das Herze mein,
715 Dem offen steht mein Gemüth und Sinn,
Vor dem ich ganz unschuldig bin.
Redlich ich auch noch eins ermahn :
Ihr wollt, sie heissen Zeugen an,
Wo und bei wem sie sahen mich,
720 Wer der Junge war und wo er sich
Von ihnen gerissen, wie sie sagen,
Und wollet auch daneben fragen,
Wie sie zu Solchem kommen sein,
Dann im Garten ich war gesperret ein.
Es)
on.
725 Herr Richter, wozu vieler Worte bedarf s,
Was wir beede hier haben gesagt,
Das soll und muss die Wahrheit sein :
Darum leg 'ich die Hände mein
Dem Weib aufs Haupt und thu sagen,
730 Dass wir sie redlich thun beklagen.
Und wo sie das nit also find't,
Ihr Blut auf mich und meine Kind
Ewig zur Räch gereichen soll :
Darum Herr Richter thut so wohl,
735 Lasst nur dem Rechte seinen Lauf
Achab.
Herr Richter, schiebt die Sach nit auf,
Die Zeit verzieht mit Worten viel,
Mein' Hand ich auf sie legen will,
Jetzt diesem Weibe hiemit sagen,
740 Dass wir mit Recht sie thun beklagen.
i85
Ihr Blut auf mir und meinen Kinden
Soll ewig seine Rache finden,
Wann ihr von uns Unrecht geschieht :
Darum gedenkt an Eure Pflicht
745 Und straft sie nach ihrer Missethat,
Wie solches Gott selber geboten hat.
Wohlan, Esron, lasset uns gähn,
Wir haben doch das Unsre gethan.
Esron.
Jawohl, der Richter wird wohl wissen,
750 Wie sich solche Handel beschliessen.
Richter.
Knecht, schaffet sie ein wenig hintan.
Knecht.
Nun tretet rasch ein wenig hintan,
Dass man sich unterreden kann. Geschieht.
Richter.
Nun, hebe Herren, rathet zu,
755 Dass man dem Weib nicht Unrecht thu.
Enoch.
Dass sie nun genugsam ist überwiesen :
Und ihr sollt billig glauben diesen,
Die also tapfere Zeugen sein,
Wo Ihr nur deutlich greifet ein
760 Und den Ehbruch mit Ernst bestraft.
Richter.
Ja, Eurer Rath wird geben Kraft.
Siinon.
Mich gedunket es also recht,
Weil Ihr nunmehr deutlich hört und secht,
Dass sie genugsam ist überwiesen,
765 Und Ihr sollt billig glauben diesen,
Die allso tapfre Zeugen sein,
Da Ihr nun deutlich greifet ein
Und den Ehbruch mit Ernst bestraft.
i86
Richter.
Ja, Euer Rath wird geben Kraft,
770 Knecht', ihr sie wieder herzu schafft!
Susanna kann vor Mattizkeit kaum stehen.
Knecht.
Nun thut wieder herzu gehen.
Richter.
Susanna, habet Ihr vernommen,
Dass Euer Bosheit an Tag ist kommen,
Dann ich den zwei Alten glauben soll,
775 Wie Ihr solches selber wisset wohl?
Wie im Gesetz geschrieben steht,
Dass zweier oder dreier Recht
Zum Zeugnuss soll gewiss bestahn !
Weil Ihr denn solches habt gethan
780 Und dies g'nugsam überwiesen ist,
So spreche ich zu dieser Frist
Das Urtheil und folge den Rechten :
Dass Ihr, gebunden von den Knechten
Ausgeführt werdet zum Rabenstein,
785 Auch daselbst das Leben büsset ein.
Das Euch mit geworfnen Steinen genommen werd,
Dass Ihr da begraben auch in der Erd
Allen Weibern ein' Warnung seid,
Dass endlich Treue werde geleist.
790 Also ist das Urtheil gesprochen,
Und der Stab ist darob gebrochen :
Geht her, ihr Knecht', und greift sie an.
Die zwei Knechte binden Susanna.
Sergus.
Herr Richter, ja, wir Alles thun,
Wie Ihr uns das gebieten thut.
795 Susanna nimm nun wahr zu Gut,
Dass wir also thun binden dich,
Dein Urtheil allso vollstrecket sich.
Susanna lueint.
Ach Gott, wie gar verlasst du mich,
Dass ich heut soll unschuldiglich
187
8oo Zum Tod verdammet worden sein!
O Gott, ist das der Willen dein?
So lass dich meiner Unschuld erbarmen,
O Herr, komm doch zu Hilf mir Arrnen,
Errette mich aus dieser Schanden ;
805 Schau an, wie ich hier steh in Banden.
Theil mit mir dein' Barmherzigkeit,
Dann hier zu helfen ist die Zeit.
Jedoch, wenn es dir gefallen wohl,
Dass ich unschuldig sterben soll,
810 So gieb ich mich zu eigen dir;
Herr, dein Willen geschehe an mir!
Allein gieb mir Geduld und Stärk,
Damit ich dein göttliches Werk
Durch rechte Erkenntniss willig leid',
815 Dann dir zu gefallen ist mein Freud:
Ach, dieser Weg ist eben weit !
Knecht.
Susanna, dir nit Unrecht geschieht,
Nach deiner That wirst du gericht,
Darum gieb dich nur willig drein,
820 Denn es mag nun nicht anders sein;
Schau, tracht, dass du magst selig sterben
Und bei Gott Gnad und Huld erwerben.
Nun geh von Statten, denn es ist Zeit
Und dieser Weg ist eben weit.
Susanna.
825 Nun, weil es dann nicht anders ist,
So thut mit mir zu dieser Frist,
Wie es der Richter geboten hat ;
Doch bitt ich, beweist mir noch die Gnad,
Zu dem Volke zu reden ein Wort.
Knecht.
830 Du magst es, aber kurz, dann fort.
Su sanna .
Ihr ehrbare Männer und fromme Frauen,
Ich bitt, Ihr wollt mit Fleiss anschauen
i88
Den Unfall, dies mein schmähliches Band,
Durch welches mich Gott setzt in Schand,
835 Euch zu einem Spiegel stellet dar,
Bei welchem Ihr sollt nehmen wahr.
Was Menschen Ehr und Adel sei.
Wo nit auch Gottesfurcht dabei.
Göttlichen Schutz und Schirm nur sucht :
840 So ich bisher in aller Zucht,
In Gottesfurcht und Keuschheit gelebt,
Ganz aller Unehr widerstrebt:
Doch mir hat solches geholfen nicht,
Sondern ich werd jetzt falschUch gericht,
845 Durch falsche und verlogene Zungen,
Denen heut Unrecht ist gelungen.
Aus Gottes Verhängnuss verderben sie mich.
Darbei betrachtet fleissighch,
Wollt Gott vor allen Dingen lieben,
850 In seinen Worten Euch fleissig üben,
Der Euch vor Leid beschützen thut.
Es wird eine Arie gesungen.
15. Auftritt.
Sarah tritt ein.
Sarah.
Ach, meine Frau Mutter, was soll denn das sein,
Dass Ihr so erbärmlich gefangen ein
Und ausgeführt werdet zum Tod?
855 Das wohl erbarme der liebe Gott.
Sollt dann kein Richter auf Erden sein.
Dem doch dabei kunnt fallen ein
Der Alten falsche und böse List
Und dass mein' Frau Mutter unschuldig ist?
860 Jedoch, wenn es Gott gefallet wohl,
bass Ihr unschuldig sterben sollt,
So seid bereit seinen göttlichen Willen
In Allem treulich zu erfüllen :
Denn wer allda unschuldig stirbt
865 Bei Gott die ewige Freud erwirbt;
i89
Vor Leid ich nicht mehr reden mag.
Adje, Frau Mutter, eine gute Nacht,
Stisanna.
Ach, meine Sarah und Magd zugleich,
Nit gar so sehr betrübet Euch,
870 Und thut nicht so sehr um mich wein' :
Nun geht in Gottes Nam' wieder heim.
Sariih ab.
16. Auftritt.
Das Kind kommt.
Kind,
Ach, Frau Mutter, was sind das für Leut,
Die Euch daher geführet heut?
Wollen sie Euch stossen oder schlagen?
875 Dies will ich gleich dem Herrn Vater sagen.
Packet Euch hintan, Ihr bösen Leut,
Wollt Ihr dann meiner Frau Mutter heut
Anthun ein gar grosses Leid?
Ach, Frau Mutter, weiss nit, was das bedeut't.
Susanna.
880 Ach, mein Kind, ich will dir zeigen an,
Warum sie mich daher geführet han :
Ich muss verlassen heut die Welt
Und sterben, wenn es Gott gefällt.
Kind,
Ach, Frau Mutter, thut nit sterben heut.
Susanna.
885 Mein Kind, ich gieb mich willig drein.
Ki77d.
Ach, Frau Mutter, thut nit sterben heut.
Susanjta.
Mein Kind, geh zum Vater hinein.
190
Ktnd.
Ach, mein Frau Mutter, wenn Ihr sterben wollt
Und bin Euch allzeit gewesen hold,
890 So bin ich auch ganz bereit,
Mit Euch zu sterben mich erfreut.
Susanna.
Mein Kind, mit mir kannst du nit sterben,
Umsonst ist dieses dein Begehren :
Geh nur geschwind zum Vater hinein,
895 Der liebe Gott wird dir gnädig sein.
Behüt dich Gott, mein liebes Kind,
Mein Herz zu Gott vor Liebe brinnt.
Zu sterben bin ich schon bereit.
Zum Reden haben wir nicht mehr Zeit.
900 Ich befehle dich dem lieben Gott,
Der dir beistehe in der Noth.
Er woir dein' Seel und Leib regieren
Und uns nach dem Leben zusammen führen.
Kind.
Nun dann, o hebe Frau Mutter mein,
905 Jetzt gieb ich schon den Willen drein.
Damit ich Euch doch gehorsam sei,
Bis uns Gott von einander scheid't;
Urlaub nimm ich, o Frau Mutter, heut,
Dieweil es kann nit anders sein.
17. Auftritt.
Richter.
910 Schafft hintan das Kind nun mit Gewalt!
Knecht.
O Kind, geh du von dannen bald.
Sergiis.
Wohlan, Susanna, wir wollen gehen.
Nimm Urlaub, denn es ist grosse Zeit.
Siisanna.
Wann mein Gott will, bin ich gern bereit.
915 Er gesegne Euch, Ihr Frauen und Mann!
Hab ich Jemand was Leid's gethan,
Vergebt es mir, wie ich auch Euch.
Nun ich zu meiner Marter scheid,
Unschuldig ich gerne sterben soll,
920 Weil solches mein' Gott gefallet wohl.
Während des Ahführens kommt Daniel.
18. Auftritt.
Daniel ruft.
Ich habe keine Schuld an diesem Blut!
Richter.
Wer ist, der also schreien thut?
Was meinst du, dass du solches sagst,
Damit du unser Gericht beklagst?
Daniel.
925 Ihr thörichte Israeliter!
Was ist's doch für ein Unglück bitter,
Dass Ihr so fälschlich richten thut
Und verdammt das unschuldige Blut!
Habt Ihr denn die Gerechtigkeit vergessen?
930 Könnt Ihr Wahrheit nicht mehr ermessen?
Bald kehret wiederum zu Gericht,
Denn dieses Weib ist fälschlich bezicht't.
Richter.
Ihr Knecht', bringt bald herbei die zwei Alten,
Die wider das Weib zeugen wollten.
Daniel,
935 Scheidet sie aber voneinander und gebt Acht,
Damit jeder besonders werde vor das Gericht
gebracht.
Nun wollen wir ein wenig hintan gehn,
Bis man bringet die alten Zween.
Daniel tritt sam7Ht dem Richter, den zrvei Gerichtsdienern
und Susanna vor. Dajtiel setzt sich.
192
Daniel.
Weil ich dann heut gesetzet bin
940 Für einen Richter dieser Sach
Und mir befohlen ist die Räch,
So geht und bringt mir einen her,
Auf dass die Wahrheit kundbar werd.
Richter.
Ja, bringt auch herbei das arme Weib,
945 Jedoch, dass sie gebunden bleibt.
Bis dass erkennet werd nach Recht,
Dass sie unbiUig sei geschmäht.
19. Auftritt.
Die Diener bringen erstetis von der linken Seite den Esron.
Esron.
Liebe Herrn, was bedeutet das,
Dass wir jetzt mit solchem Mass
950 Gefänglich werden daher gestellt?
Wollt Ihr denn lassen ein Kind regieren?
Seht auf, der Fürwitz wird Euch verführen.
Der Kindheit ist gar nicht zu trauen :
Wollt Ihr heut noch einmal der Frauen
955 Ein neues Gericht hier halten dann?
Daniel.
Schweig nur still, alter Mann,
Dein' Bosheit an Tag kommen soll:
Fälschlich verdammt hast du die Arme!
lieber dieses Weib hast du kein Erbarmen.
960 Nun weil du sie dort hast gesehen
Im Ehbruch, wie du sie thust schmähen,
Damit solches könne bestehen :
Sag an, wo hast du sie gesehen,
Unter was für einem Baum waren sie?
965 Was? Bedenk dich nit lang, sag es hier,
Nit lang bedenk, gieb Antwort mir.
193
Esron.
Im Garten nit weit von der Thür
Unter einer Linden waren sie.
Susanna.
Ihr Herren, Ihr thut fälschlich klagen,
970 Dann keine Linden ist im Garten.
Daniel.
Schau zu, dein Mund zu dieser Frist
Wider dich selbst Zeugniss ist,
üass du das Weib falschlich bezieht,
Und sie unrecht beklaget dein Bericht.
975 Nun greifet ihn und fasst ihn an.
Führt ihn in den Thurm, bewahrt ihn wohl,
Dann er sein' Lohn bekommen soll !
Nun bringet mir den Andern her.
Knecht.^
Lieber Herr, er ist nit fer.
Geht und kommt mit Achab zurück,,
20. Auftritt.
Daniel.
980 Nun tritt herzu und mach's nit lang.
Du alter Mann aus Kanaan,
Der du nit bist Israels Sohn I
Der Frauen Schönheit hat dich betrogen
Und dir dein Herz in gross Uebel gezogen.
985 Du als ein gewöhnlicher Unterthan
Hast mögen ein' so frommen Mann
Sein frommes Weib also schmähen !
Nun sag an, wo hast du sie gesehen,
Dass sie gethan wider ihre Ehr?
990 Bald zeig's an und nenn den Baum her.
Hör du, thu uns den Baum anzeigen.
Wie? Warum thust du also schweigen?
Achab.
Uns hat gleich wohl das Unglück besessen,
Dass wir des Baumes haben vergessen.
Volksschauspiele. II. 13
194
Daniel.
995 Nun sag es an, sag an bei Zeit.
Achab.
Der Baum mir auf der Zunge leit. —
Ja, ja, ein' Haselstauden war's.
Daniel.
Nun hört, wie eben reimt sich das ?
Der thut ein' Haselstauden nennen,
looo Der Andere thut eine Linden bekennen!
Dabei man ja wohl sehen kann,
Dass Ihr dem Weib unrecht gethan :
Drum Ihr empfangen sollt den Lohn behend.
Führt ihn in den Thurm, bind't ihm die Hand
1005 In einen Stock, dass er sei versorgt;
Ihm soll nicht mehr werden geborgt.
Man führt ihn ab.
Daniel.
' Also, Ihr lieben Herren all,
Weil Ihr sehet in diesem Fall,
Der zwei Alten böse List,
loio Und dass das Weib unschuldig ist.
So sprechet nun für heut das Recht,
Dass sie fortan ganz ungeschmächt
Von wegen solcher Zieht soll sein.
Dann sie ist ehrbar, fromm und rein :
1015 So löset Ihr bald auf die Hand.
Die Herren gehen ab.
Sergus.
Ja, Herr, das geschehe behend,
Wir wollen viel Heber noch thun das,
Als was uns zuvor geboten was :
Die Weiber uns erbarmen sehr,
1020 Denn allzeit mir viel lieber war
Sechs Männer, denen ein Weib zu eignen.
Susanna, warum thut Ihr weinen?
Seid fröhlich nun und danket Gott,
Der Euch erlöst aus solcher Noth.
'95
Susanna.
1025 Ja, wahrlich, mein Gott, ich danke dir.
Der du heute so gnädig an mir
Hast erwiesen dein' Barmherzigkeit
Und mich erlöst von diesem Leid,
Und aus den Händen dieser Feind',
1030 Die nun durch dich geschlagen seind.
Also, o Herr, soll's Jedem gehn.
Die mit falscher Beklagung bestehn
Wider gottesfürchtig ehrbare Frauen,
Welche, o Herr, auf dich vertrauen :
1035 Nun will ich wieder gehen nach Haus. Ab.
21. Auftritt.
Joachim tritt auf.
Joachim, '
Lob, Ehr und Preis sei unserm Gott,
Der Euch erlöst aus dieser Noth,
Und Euch von schmählichem Tod befreit.
So sei gelobt, gebenedeit
1040 Der höchste Gott in seinem Thron,
Der gegen uns seine Gnadenhand
So gnädiglich hat zugewandt,
Und auch den Daniel hat gesandt:
Der falsche Urtheil wieder recht
1045 Und die Wahrheit kundbar auf Erden macht
Und zu Schanden bringt der Lügen Reden,
Und jene, die wider die Wahrheit schwören.
So lobet Gott zu aller Stund
Und danket ihm von Herzensgrund,
1050 Dass er uns arme bedrängte Leut
Verlasset nicht zu dieser Zeit,
Wann wahrlich die Noth am grössten ist.
Lobet den Herrn, Ihr Engel all
Mit grösster Freud und Jubelschall;
1055 Nun wollen wir wieder fröhhch gehn heim
Und Gott darum stets dankbar sein. Ab.
13*
196
2 2. Auftritt.
Ehrenhold tritt ein.
Ehrenhold.
Mann und Frauen, habt Ihr vernommen
Treulich, wie dies Alles gekommen,
Wie es Susannen gegangen ist
1060 Mit den zwei Alten, die mit List
Sie zwingen wollten und auch tödten,
Wenn Gott sie nicht aus solchen Nöthen
Gnädiglich errettet hättr
Dabei Ihr nun gar wohl versteht,
1065 Was Mühe es kost' bei frommen Weihen,.
Die da wollen bei Ehren bleiben,
Nämlich die da gottesfürchtig sein,
Gott lieben, ihr Herz sich halten rein:
Die Ursach ist nur die allein,
1070 Weil gar so wenig fromme sein.
Darum bitt ich Euch in höchsten Pflichten,
Ihr wollet Euch also einrichten,
Dass Ihr in Zucht und in Keuschheit
Eure Ehr bewahret jederzeit
1075 Als Euren allergrössten Schatz
Und gebt keinem Buhler Statt noch Platz:
Habt lieb und ehrt jede ihren Mann,
Da habt Ihr Lob und Ehr davon.
Ihr Männer aber wisset zwar,
1080 Was Ihr versprochen bei dem Altar,
Dass Ihr Euren Weibern in aller Noth
Wollt stehen bei bis in den Tod:
Darum ermahne ich Euch anheut,
Hut' Euch vor solcher Gefährlichkeit,
T085 Denn seht, der Teufel feiert nit,
Besonders da er ein' Untreu spürt,
Wie es da ging den alten Gecken,
Die wollten an der Jugend lecken,
Probirten's darum mit falscher List
1090 Welches aber kundbar worden ist:
Darum nehmt die Geschieht wohl in Acht ;
Adje, lebt wohl und gute Nacht !
197
Gesang nach der Comödie.
Also habt Ihr vernommen, wie es ergangen sei
heut,
Wie Gott ertheilet allen seine Barmherzigkeit,
1095 Die ihn nur Heben und ihm dienen allein,
Von Sünden leben rein.
Wie wunderlich hat Gott erhalten Susanna bei
ihrem Leben,
Welche schon auf dem Richtplatz dem Tod war
übergeben,
Den Daniel gesendet hat,
iico Der diese zu Schanden gemacht.
So spiegelt Euch nun alle, die hier versammelt sein
Und lebet wie Susanna schön engelkeusch und
rein,
So wird Euch Gott geben nach dieser Zeit
Die ewige Seligkeit.
DER BAIRISllin 1 URSEL
^
PERSONEN
Der bairische Hiesel, Mathias Klostermeier.
Der Sattler.
Der Studerl.
Der Tiroler
Kaspar (Kasperl), Hanssteiginsack genannt.
Der Landvogt von Doverding.
Der Amtmann.
Der Bannrichter.
Ein Wirth.
Ein Bauer.
Eine Kellnerin.
Ein Lieutenant.
Ein Forstmeister.
Erster Oberjäger.
Zweiter Oberjäger.
Ein altes Weib.
Soldaten.
■^
I. Auftritt.
Wald.
Der Hiesel tritt sammt dem Studei'l^ Sattler und Tiroler auf.
Hiesel.
Recht tapfer und lustig ist es in dem grünen Wald
allein,
AUwo sich das allerschönste Wildbrat allzeit stellet
ein :
So hat sich das Jägerchor so weit dahingebracht,
Allwo das schönste Wildbrat hat seine Wohnung
aufgemacht,
5 Allwo die Sonn aufgeht mit ihrem heissen Schein.
Alle Berg und Hügel schön in der Sonne glänzen
Und die Gamsla so schön umatanzen !
Spann ich mein Büchslein bald,
Schiess ich's zusammen, dass's niederfallt.
IG Der Beschluss ist schon gemacht, es bleibt schon
dabei,
Was Pulver nit vermag, schlagt nieder das Blei !
Studerl.
Hiesel, mich speist schon die Lust, wenn ich
gedenk an den grünen Wald, allwo sich das schönste
Wildbrat allzeit lustig stellet ein : da schiess ich mir
1 5 das allerschönste aus davon , damit ich und du,
Hiesel, allzeit gut leben haben.
Sattler.
Hiesel , du wirst mich nicht verlassen in dem
Wald und auf der Strassen! Hiesel, du bist mein'
202
grösste Freud , bei dir bleibe ich alle Zeit ; früh
20 und spat will ich mit dir gehen, ich will dir auf
dem Wechsel stehen, da schiess ich z'samm gleich,
was ich siech, Hirsch und Gams, Fuchs und Thier.
Tiroler.
Ja, Bruder Hiesel, ich wollt auch dein bester
Knecht sein, ich geh oft auf die Alma und schau,
25 wo das Wildbrat steht. Ja, wenn ich a Hirsche!
sieh von Weitem, so ist's Herzerl schon voller
Freuden: da han i mi noch niemals lang besonnen,
han i mein Büchsl zur Wang genommen, da schiess
i schon wacker drauf, nimm i das Hirscherl bei
30 seinem Lauf, nimm's über meinen Buckel und geh
davon, ist kein Jäger im Stand, der mir's nehma kann.
Hiesel.
Meine Kameraden, bleibt's mir treu, jetzt nimm
i mir gar kein Scheu; die Sonn geht hmunter, es
wird schon spat, es ist Zeit, dass wir uns begeben
35 auf die Jagd.
Der Tiroler und der Studerl treten ab.
Hiesel und der Sattler bleiben jniteinander sprechend in dem
IValde zurück.
Hiesel.
Der Donner und das Wetter soll doch dem Land-
vogt von Doverding Hals und Kragen entzwei
schlagen. Ich hab ihm zwar in mein' Leben nichts
Leid's gethan, als einst einmal auf dem Kirchweih-
40 platz, da schlug ich ihm seine verdammten Zähne in
Rachen hinunter. Darauf schreibt mir der Chur-
fürst aus Baiern einen Brief, ich soll mich stellen
als Oberlandjägermeister und er will jährlich Florini
zahlen bei zehntausend Gulden. Was glaubst du,
45 Bruder Sattler, was ich mit dem Zettel gemacht hab ?
Sattler.
Ja, Bruder, du wirst den Zettel gewiss in grossen
Ehren gehabt haben.
203
Hiesel.
Verzagtes Hasenherz ! Ich hab diesen Zettel
hergenommen, zusammenkäut und in mein' Stutzen
50 hinein geladen und in die Luft hinein geschossen,
damit der Churfürst aus Baiern sehen kann , wie
lieb und werth man seine Schrift hat.
Sattler.
Ja, Bruder Hiesel, war es dann nicht besser, du
hättest die freie Jagdbarkeit und jährlich Salarium
55 10 000 Gulden, als wie so, dass du in grösster
Verhassung und Verfolgung leben musstr
Hiesel.
Verdammter Kerl ! Bin ich denn nicht so Ober-
landjägermeister in Ober- und Unterbaiern, Salzburg
und Tirol ? Wo ich immer hinkomme, da kann mir
60 kein Teufel nichts in Weg legen. Warum denn?
Der Himmel ist mein Beschützer, der Wald ist
jederzeit mein Bett.
Sattler.
Aber, Bruder Hiesel, wie das gemeine Sprichwort
ist: warte nur, auf die Letzt fangt man die Maus
65 sammt dem Nest.
Hiesel.
Verzagtes Hasenherz ! Ich glaub , du lässt dich
gar von einem alten Weib verjagen. Sieh dich um,
etwelche Bauers- oder Handwerksburschen könnten
unsere Truppen anfüllen, von 10 bis 12 Köpfe,
70 so mag eine ganze Division der besten Soldaten
an uns anrucken, die werden uns nicht ein'n Teufel
abkratzen.
Sattler.
Ja, Bruder Hiesel, jetzt werd ich gehen auf die
Landstrassen und werde sehen , ob ich kann be-
75 kommen etwelche Bauers- oder Handwerksburschen;
hernach werde ich mich umsehen um einen Bauern,
der uns die 24 Hirschdecken aus Buchlau zum
Weissgerber liefert. Und hernach werd ich gehen
204
in den Wald und werd mich umschauen , wo ich
5o bekommen kann ein' Hirsch oder ein' Rehbock.
Lebe wohl, Hiesel, ich verlass dich. Tritt ab,
Hiesel allein.
Und zwar als ich einsmals Hausknecht war, da
hatte ich einen kleinen Diebstahl begangen , den
sie mir nicht einmal haben beweisen können.
85 Darauf lassen sie mich ins Zuchthaus geben auf
Buchlau hinein ; als ich im Zuchthaus eine Weil
war, nahmen's mich wiederum heraus und stossen
mich unter die Militärs. Bei dem Mihtär da hat's
mir ganz und gar nicht g'fallen , hat einer nur
90 ein' Fehlschritt gemacht, so ist der Korporal hinten
gewesen mit dem Haselstecken, haut einem zwischen
die Schulter hinein, dass man hat glaubt, es kommt
vom Himmel gefallen. Da hab ich meinen Ab-
schied auf die Letzt genommen und hab mich in
95 diesen Wald hinein gemacht. Dahier in diesem
Wald lebe ich recht vergnügt. Ich hab mich vor
Niemand zu sorgen und vor kein' Teufel zu
fürchten , denn der Himmel ist mein Beschützer,
und der Wald ist jederzeit mein Bett. Aber doch
100 lassen's mich nicht mit Frieden, denn der Land-
vogt von Doverding strebt mir immer nach dem
Leben. Zwar einstmals, da geh ich auf ein Gams-
gebirg ; als ich auf diesem Berg droben war, glaubte
ich , ich bin ganz allein : endlich daschoss ich
105 ein' Gams; als ich diesen Gams geschossen hab,
da hör ich einen Schuss hinter meiner, die Kugel
ging vor meinem Kopf in die Wand hinein ; ich
sieh mich ein wenig um , da sieh Ich einen so
verdammten Jäger auf der Steinwand sitzen , der
1 1 o nach mir schoss , ich aber war nicht faul , nimm
meinen Stutzen und schoss den Kerl von der Stein-
wand hinunter, dass er die Füss drei Ellen hoch
gegen den Himmel aufgereckt hat : da hat mir
aber das Herz gelacht. Sogar das Wildbratschiessen
I I 5 wollen's mir nit erlauben , was doch der gerechte
205
Himmel für einen jeden Menschen erschaffen hat
und nicht für einen. Weil sie mir das nicht er-
lauben wollen , so will ich was anders anfangen :
ich werd sengen , brennen , stehlen , rauben , und
I20 selbst das Kind in der Wiegen soll keine Schonung
haben i kommt aber einer zu mir, der ein Freund
ist, so soll er von mir als ein Freund auf- und
angenommen werden , ist er aber ein Feind , die
erste Kugel wird durch seinen Leib gehen, keinen
125 Teufel schone ich jetzt nicht mehr. Ich muss
schaun, wo meine Kameraden seind. Ab.
2. Auftritt.
Der Sattler kommt und le^t sich nieder , der Studerl und
der Tiroler kommen hierauf und legen sich auch dazu.
Tiroler,
Sakra, mein Aid, wo sein denn meine Kame-
raden, dö Schwänz? Jetzt geh i grad vom Wirths-
haus her , hab a Halbe Branntwein trunken , hätt
130 bald an Dunst bekommen. Da seins, dö Schwänz l
Der Hiesel kommt und macht einen Schuss , bevor er nock
sichtbar wird,
Studerl.
Auf, auf, ihr Brüder, ich hab an Schuss gehört.
Ist das vielleicht ein schlauer Jäger? Und du,
Tiroler, du machst dich aufl
Tiroler.
Sakra, wird wohl a amal aufkemma, mein Aid l
3. Auftritt.
Hiesel tritt auf.
135 Fürchtet Euch nicht, das hab ich gethan; aber
wie getraut Ihr Euch so nahe beim Weg zu schlafen ?
Wenn Euch so jemand schlafend angetroffen hätte,
wer war, der Euch rettet, da ich nicht bei
Euch war? Ich werde mich von Euch sondern,
2o6
140 und werde nicht mehr Euer Bruder und An-
führer sein.
Studerl,
Ja , Bruder Hiesel , wir waren ganz erhitzt von
der Jagd und haben uns , um auszuruhen , ein
wenig hier niedergelegt. Verzeih uns für dies-
145 mal, und du sollst uns nicht mehr schlafend an-
treffen.
Tiroler.
Ja, Hiesel, weisst wohl, wir waren ein wenig
besoffen.
Sattler.
Glaub's nicht dem Tiroler, er lügt.
Tiroler.
150 Was willst du denn laugnen? Wir sind ja alle
b' soffen gewesen.
Hiesel.
Nun dann, wohlan, weil Ihr ein jeder seinen
Fehler frei bekennt, wenn Ihr mir schwört, dass
ich Euch nicht mehr so wie jetzt schlafend an-
155 treffe, so will ich wieder Euer Bruder und An-
führer sein.
Tiroler.
Nun , so lasst uns ein lustiges Jagerlied singen.
Hiesel.
Nun dann wohlan , so lasst uns auf die Jagd
begeben, damit der Arme auch was bekommt.
Tiroler.
r6o Ja, Hiesel, so wollen ma halt jagen gehen,
dass a liebe Lust ist. Alle singend ab.
4. Auftritt.
Der Kasperl tritt allein auf und hat eine Mausfalle, ein
Vogelhaus und Maisen, die richtet er auf dem Theater auf ,
ist dabei sehr lustig und macht verschiedene Schwank' und
Streiche, i'eber eine Weile kommt der Hiesel, und es sagt
Kaspar.
Ich werd schon die rechten Vögel fangen.
207
Hicsel,
Was fängst du denn für Vögel?
Kaspar.
Ich sag's nit, i fang den bairischen Hiesel, aber
165 i sag's nit.
Hiesel.
Du fängst den bairischen Hiesel? Kennst du
ihn auch?
Kaspar,
I kenn ihn nit.
Hiesel,
Weisst du auch, wo der bairische Hiesel ist?
Kaspar.
170 I weiss nit.
Hiesel.
Dort unter der grossen Eiche schlaft er ; geh hin
und gieb ihm eine Kugel zum Kopf.
Kaspar.
Was , du Maxima Bärnhäuter , meinst , i werd
ihm's schlafender geben ? I thu ihm's, wann er auf
175 ist, dass er sieht, wer's ihm than hat.
Hiesel.
Was giebst du mir denn , wann ich dir den
bairischen Hiesel fanga hilf?
Kaspar.
Du geh , hilf mir ihn fanga ; jetzt schau , von
der Herrschaft aus kriegen wir 30 Thaler, und
180 wannst mir^n fanga hilfst, so thäten wir's Geld
redlich theilen ; i b'halt zwanzig Thaler, und dir
gieb i zehn.
Hiesel.
Sieh, jetzt kommt der bairische Hiesel : schlag
an, schlag an.
2o8
Kaspar.
185 Was, du Maxima? Meinst du denn, mein Naserl
wird dir a Fliegen abgeben?
Hiesel,
Sieh, er kommt schon ; schlag an, schlag an !
Kaspar.
Schau , du Bärnhäuter , du willst mich foppen !
Glaubst, i hab kein Kuraschi mehr? Du Maxima
190 Kerll
Hiesel.
Hast du Kuraschi über den bairischen Hiesel?
Sieh , er steht vor deinen Augen. Jetzt werd ich
dir dein" verdienten Lohn geben. Stosst ihn nieder.
5. Auftritt.
Es kommt der Wirth.
Wirth.
Hiesel, ich bitt, lass ihn leben, du siehst ja,
195 dass er ein einfältiger Narr ist: lass ihn leben.
Hiesel.
Nun denn, so steh auf, dein Leben sei dir
geschenkt.
Kaspar.
Ja, jetzt soll ich aufstehen, du hast mir a Rippen
eintreten.
Hiesel.
2 00 Halt, ich werd dir gleich aufhelfen.
Kaspar.
Hiesel, ich bin schon auf.
Hiesel.
Aber sag mir, Freund, was hat dich bewogen,
dass du mich um ein so schlechtes Geld ver-
kaufen willst?
209
Kaspar.
205 Ja, schau, mein lieber Hiesel , i hab daheim
9 Weiber und ein Kind : so geht es mir recht
schlecht, dass mir die Maus in der Tischlad sein
dahungert.
Hiesel.
Willst du bei mir Dienst haben ?
Kaspar.
210 Krieg i was zu pappen?
Hiesel.
Alles im Ueberfluss.
Kaspar.
Mir geht's so schlecht, dass i vor Hunger nicht
kann hofiren. Herr Apropo, was muss ich denn
thun?
Hiesel.
215 Auf der Schildwacht Stehen. Aber, Kerl, ich trau
dir nit.
Kaspar.
Aber ja, warum denn nit?
Hiesel.
Dir schaut der Spitzbub aus den Augen heraus.
Kaspar.
Gift schlaprament ! Wer hat mir ihn dann ein-
220 g' steckt 1
Hiesel,
Aber, Kerl, ich trau dir nit, du bist wahrhaft
ein Spion,
Kaspar.
Was? Ein Spielmann bin i nit.
Hiesel.
Sag mir, wie heisst du denn mit dein' Namen?
Kaspar,
225 I heiss Kaspar.
Volksschauspiele. II. 14
2IO
Hiesel.
Bei mir musst du heissen : Hanssteiginsack.
Kaspar.
Gift schlaprament ! Jetzt heiss i: Hanssteigin-
sack, auf die Letzt wird's heissen: Hans steig an
Galgen.
Hiesel.
230 Aber bevor ich dich aufnimm, musst du mir
einen Eidschwur ablegen.
Kaspar.
Was muss i ?
Hiesel.
Schwören musst du mir. Halte zwei Finger in
d'Höch'n.
Kaspar.
235 Da habt's alle zehn Finger.
Hiesel.
Sagt einmal so viel: ich schwör.
Kaspar.
I schmier.
Hiesel.
Was schmierst du denn?
Kaspar.
Mein Maul mit lauter Speck.
Hiesel.
240 Ich schwör bei dem Himmel.
Kaspar.
I schwör bei dem Lümmel.
Hiesel.
Ich schwör bei den Göttern.
Kaspar.
I lieg a gern in guten Bettern.
Hiesel.
Ich schwör bei der Göttin Diana.
211
Kaspar.
245 I lieg gern bei der Bäcker-Marianna.
Hiesel.
Es sei Galgen, Rad oder Schwert.
Kaspar.
Nein Herr, da bleib i nit , da geh i gleich
davon.
Hiesel.
Kerl , jetzt hast du geschworen , jetzt musst du
250 auch bleiben.
Kaspar.
Ja, wann's sein muss, so leicht gern.
Hiesel.
Sieh, hier hast du. Giebt ihn eine Flinte,
Kaspar.
Was ist das?
Hiesel.
Das ist eine Buchs.
Kaspar.
255 Ist a Schnupftabak auch drin?
Hiesel.
Flegel! Dies gehört ja nur zum Feuern.
Kaspar,
Ja, wenn's zum Feuern gehört, brauch ich
es nit.
Hiesel.
Sieh , Freund : hier ist ein kleines Zapfel , bei
260 diesem Zapflein ziehst du an.
Kaspar.
So draht's enk um.
Hiesel.
Was willst du machen?
Kaspar.
Beim Zapfel anziehen.
14*
212
Hiesel.
Flegel, hier ist ja doch das Zapfel an dem
265 Gewehr.
Kaspar.
Und was geschieht , wenn i beim Zapfel an-
zieh?
Hiesel,
Da geht das Feuer und die Kugel vorn hinaus.
Kaspar.
So halt' i die Hand vor.
Hiesel.
270 Es zerschlagt dir die Hand in tausend Fetzen.
Kaspar.
Aft zieh i halt nit beim Zapflein an.
Hiesel,
Jetzt bleibst du hier auf der Schildwacht : kommt
einer zu dir , der grün oder blau montirt ist , so
rufe herzhaft meinen Namen.
Kaspar zum Publicum sich wendend.
275 Jetzt hat er gesagt, wenn einer kommt, der grün
oder blau montirt ist, so soll ich ihn rufen. Hiesel I
Hiesel !
Hiesel.
Was ist hier?
Kaspar.
Das ist einer. Zeigt auf die Erde.
Hiesel.
280 Wo? Ich seh ja Niemand.
Kaspar.
Jetzt sieh ich auch Niemand.
Hiesel.
Wer ist denn hier gewesen?
Kaspar.
Ein Heuschreck.
Hiesel.
Ist denn das ein Mensch?
213
Kaspar.
285 Ja, er ist ja grün montirt gewesen.
Hiesel.
Jetzt bleibst du hier auf der Schildwacht ; kommt
wer, so rufe herzhaft : Leben oder Tod I Giebt er
dir keine Antwort, so schiess den Kerl übern
Haufen.
Kaspar,
290 Bier oder Brot?
Hiesel
Leben oder Tod, sage ich.
Kaspar.
Nun ja, wenn einer kommt, der kein Bier oder
Brot hat, so schiess ich den Kerl übern Haufen.
Hiesel tritt auf die Seite.
Kaspar.
Wer da? Bier oder Brot? Ist Niemand da?
Kaspar tritt auf die Seite.
6. Auftritt.
Der Landvogt tritt auf.
Landvogt.
295 Das is doch der Teufel, dass ich heut Nachts
so unglückUch geworden bin. Heute Nachts bin
ich von meinem ganzen Vermögen beraubt worden :
ich glaub, dass dies der bairische Hiesel mit seiner
ganzen Räuberbande wird gethan haben.
Kaspar geht hervor.
300 Wer da?
Landvogt,
Wer ist der Kerl?
Kaspar.
Ich steh da auf der Schildwacht.
Landvogt,
Bei wem bist du auf der Wacht?
214
Kaspar,
Beim bairischen Hiesel.
Landvogt ruft:
305 O meine Trabanten und Soldaten, kommt mir
zu Hilfe ! Ich steh unter Mördershänden.
Kaspar.
Wart du , ich werd dir schon Trabanten und
Soldaten geben, wart, ich zieh beim Zapfel an.
Schiesst. Au weh, au weh 1 Jetzt hab ich ihn auch
310 erschossen.
7. Auftritt.
Hiesel tritt auf.
Hiesel.
Ich hab ein' Schuss gehört.
Kaspar.
I hab'n a g'hört.
Hiesel.
Wer hat geschossen?
Kaspar.
Beim Zapfel hab i anzogen, und lustig ist's los-
315 ganga.
Hiesel.
Auf was hast du denn geschossen?
Kaspar.
Auf einen Tatzbären.
Hiesel.
Ich bin schon lange in diesem Wald und hab
noch keinen Tatzbären gesehen. Wo ist er denn?
Kaspar.
320 Da liegt er.
Hiesel.
Recht so, wie gewunschen ! Das ist der Landvogt,
der hat uns schon lang nach dem Leben gestrebt.
Recht hast gethan.
215
Kaspar.
Hab i recht than?
Hiesel,
325 Recht hast than.
Kaspar.
Wann i recht than hab, so zieh ich öfter beim
Zapfel an.
Hiesel.
Jetzt räumen wir ihn auf die Seiten.
Kaspar.
Zu was habt's mich aufgenommen?
Hiesel.
330 Zu meiner Bedienung.
Kaspar.
Nun , wenn's sein muss , gleich so leicht gern ;
aber, Herr Patroni, mit dem Kerl werde ich einen
Spass anstellen.
Hiesel.
Einfältiger Flegel, was wirst du denn mit einem
335 todten Mann machen?
Kaspar.
Das Exerzieren will ich ihn lernen.
Hiesel.
Einfältiger Narr, wie wirst du dem todten
Mann das Exerzieren lernen?
Kaspar.
Ja, mein lieber Hiesel, das will ich ihm gar
340 leicht lernen. Habt Acht, man wird mit der halben
Division halb rechts machen ! Habt Acht, man wird
mit der ganzen Division abmarschieren! Marsch l
Jetzt schaut's, der Kerl grabt sich selber ein.
Beide treten ah.
2l6
8. Auftritt.
Bauer tritt atcf und spricht:
Das weiss doch der Plunder und der Hagel, wie's
345 heut zugeht 1 Es gehn die Amtsleut und Diener
kreuz und quer streifen. Ich mein leider, es geht
übern bairischen Hiesel, und wenn ich ihn nur an-
treffen thät, so wollt ich ihm's zu wissen machen.
Er ist a herzguter Narr, hat mir a oft an Bissen
350 Hirschenfleisch geben, wenn es die Jägerhund nit
mehr gefressen haben.
9. Auftritt.
Sattler tritt auf und spricht:
Guten Abend, alter Vater Riepelbauer.
Bauer.
Ebensoviel, mein lieber Sattler; ist recht, dass
du da bist : schau , heut gehen die Amtsleut und
355 Diener kreuz und quer streifen, ös müsst's enk grad a
wenig in Acht nehmen, dass's enk net erwischen.
Sattler.
Vor andern Unglück habt Ihr Euch nicht zu
sorgen ? Um eins will ich gebeten haben.
Bauer.
Lümmel, mich darfst nicht bitten, ich hab selber
360 nichts. ■
Sattler.
Ich meine nur von gutem Wort und barem
Geld, ob Ihr uns nicht die 24 Hirschendecken auf
Buchlau zum Weissgärber liefern möchtet.
Batier.
War wohl a Leichts, mein lieber Sattler? Schau,
365 wenn man kommt auf's Mauthaus zu der Schrankn,
da kommen die Hund her, da schnopfezen's dabei.
Da heisst's : mein , mein , was muss doch der
Bauersmann haben ? Da kunnt einer gestraft werden,
dass ein'm die Augen möchten übergehen.
217
Sattler,
370 Wenn Ihr Euch fürchtet, dass Ihr in eine Straf
sollt fallen , so werd ich mich um einen andern
Bauersmann umschauen.
Bauer.
Lümmel, wer sagt denn von fürchten? Ich sag nur,
gestraft könnt einer werden. Aber schau, ich muss
375 halt eins thun, ich muss Knoppern auflegen und
in die Mitt' die Hirschdecken : wird wohl nit immer
der Teufel die Hund da haben.
Sattler.
So kann ich mich darauf verlassen?
Bauer.
Magst di schon verlassen , mein lieber Sattler ;
380 a gut's Ross han i freili wohl, wenn's nit viel
ziehen darf. I muss halt eins thun und muss in
der Früh umi gehn zum Nachbarn ; er hat freili
wohl zwoa gute Knecht' , die mir mein Ross
helfen aufheben ; wenn's amal auf ist , umfallen
385 thut's schon selber. Jetzt werd ich gehn, mein Ross
schmieren und mein Wagen ang' schirren, mein Weib
trucken legen und meine Kinder aufheben.
Geht ab.
10. Auftritt.
Hiesel tritt auf, später der Studerl.
Sattler.
Bruder Hiesel , a ganz neue Zeitung : es ist a
Streifen angestellt, die uns gewaltig nachsetzt.
Hiesel.
390 Lass sie kommen. Lebendig fangen sie uns nit,
todter können sie uns nichts machen.
Sattler.
Aber weisst du was, Bruder Hiesel? Kein Pulver
und Blei hab i nit mehr.
2l8
HieseL
Warum hast du mir's nit g'sagt , wie ich in
395 Buchlau war? Aber es thut nichts, wir wehren uns
so lang mit der Faust, so lang wir Athem
holen können.
Sa t der.
Der Amtmann Schmied vom Dorf hat die Bauern
einsperren lassen und nicht nur einsperren, sondern
400 auch jeden um 30 Thaler bestraft.
Hiesel.
Und das hat der Amtmann vom Dorf gethan?
Ruf mir den Studerl, er soll hingehen zum Amt-
mann und soll ihm's sagen, er soll gleich die Bauern
auslassen und das Geld zurückgeben. Der Studerl
405 kommt. Studerl, hast Kuragi, so geh hin zum
Amtmann.
Studerl.
Gift schlaprament ! Kuragi hab i wie a Schneider,
Sattler.
Ja, Bruder Hiesel, der kleine Junge hat a solches
Maul und der Amtmann lasst ihn gewiss einsperren.
Geht ab,
1 1. Auftritt.
Der Amtmann tritt auf.
Amtmann.
410 Das ist ein guter Gedanken, dass ich die Bauern
hab einsperren und bestrafen lassen : ich hoff, dass
ich für dieses Stück bei mein' gnädigen Herrn
Landesfürsten entweder einen besseren Dienst oder
gar eine höhere Stell bekommen werd.
Studerl zum Amtmann.
415 Du, Alter, du sollst die Bauern auslassen und
ihnen das Geld zurückgeben, sonst kommt mein
Herr selber.
Amtmann,
Ich werd die Bauern nicht auslassen.
219
Studerl zum Hiesel,
Ja, Bruder Hiesel, der Amtmann sagt, er wird
420 die Bauern nicht auslassen; du musst mit dem alten
Schurken schon selber sprechen. Ab.
Hiesel zum Amtmann.
Guten Abend, Herr Amtmann.
AmtJtiann.
Ebensoviel, Mathias Klostermeier.
Hiesel.
Wollen Sie die Bauern in Güte auslassen und
425 ihre Strafgelder zurückgeben?
Afntmann.
Ich werde keinen Bauern auslassen und die
Strafgelder nicht zurückgeben.
Hiesel.
Nicht wollen Sie es zurückgeben?
Amtmann.
Nein.
12. Auftritt.
Der Sattler kommt, dann Kaspar.
Hiesel.
430 Sattler, schiess den Kerl übern Haufen.
Es geschieht.
Kaspar tntt auf.
Wer hat beim Zapfel angezogen ?
Hiesel.
Geh , Hanssteiginsack , vergrab den Kerl in
die Erde.
Kaspar,
Ja, gleich werd ich ihn eingraben: aber der
435 Kerl ist fett, ich möcht ihn bald nit erheben.
Hiesel,
Plündre ihn aus: was er hat, ist dein.
220
Kaspar.
Is a wahr? Der Kerl kann brav Geld haben.
Was ist das? Das masr i nit.
Hicsel.
Ja, Flegel, das ist ja a Sackuhr, die gehört dein.
Kaspar,
440 Das mag i nit, da sein ja Lebensgeister einge-
schlossen. Studerl , da hast das , i mag's nit. I
werd nochschauen : — schaut's, da scheppert's. Herr
Patroni, da ist a was, das ist grad recht für meine
Weiber zu einer Windel. Hiatzt hat er nichts
443 mehr, jetzt schmeiss ich ihn ins Loch eini, wo er
hin gehört. — Ja , Hiesel , jetzt ist er schon ein-
graben.
Hiesel.
Jetzt gehst du hinein ! Ins Bett schau eini, unter
dem Kopfkissen ist a Schatulln mit Geld, die
450 bringst du her. Kaspar geht hinein und kommt gleich.
Kaspar.
Ja, schauts her, ich hab alles aussig'schmissen,
die Tuchent aufg'schnitten , die FederwoU' aus-
beutelt und hab nichts gefunden ; dann schau i
unters Bett, da sieh ich's stehn: i greif eini, ist
455 kein Kreuzer Geld dring'wesen; schauts her, wie
meine Hand stinken.
Hiesel.
Ist das a dummer Kerl, jetzt greift er ins Nacht-
geschirr ! Stell di auf die Seiten, i wer selber gehen.
Geht ab, kommt aber gleich zurück. Sieh, da hab Ich's.
Kaspar.
460 Die hab i eh g'sehn.
Hiesel.
Wo sein denn meine Leut, dass Niemand
kommt?
221
13- Auftritt.
Studerl tritt auf.
Studerl.
Hiesel, ich bin schon da.
Hiesel.
Nun, heunt, meine Leut, erlaube ich Euch Alles :
465 Ihr könnt tanzen und springen, fressen und saufen.
Hanssteiginsack, weisst du was, jetzt gehst du hin
zum Wirth auf Osterzell , rieht aus statt meiner
ein schön's Kompliment und nimm auch den Reh-
schlegel mit, den sollen sie uns zurichten. Auf
470 die Nacht komm ich mit meinen Leuten. Sie
sollen auch Musikanten bestellen. Alle ab.
14. Auftritt.
Verwandlung. Platz bei dem Wirthshaus.
Kaspar ko??ifnt.
Holla, Pudel 1 Wirthshaus ! Ist niemand zu Haus ?
Die Kellnerin tritt auf.
Kaspar.
Ganz gehorsame Dienerin.
Kellnerin.
Ganz gehorsamer Diener.
Kaspar.
475 Du, Maxima Schmauserl! I soll a Nachtmahl
anfriemen für den bairischen Hiesel, er kommt
mit seinen Leuten ; da han i an halben Rehschlägel :
er soll an halben Theil eingemacht, an halben Theil
heiss abg'sotten und an halben Theil braten werden.
Kellnerin.
480 Ja, Flegel, es ist ja nur a halber Theil.
Kaspar.
Ja, i hab ja g'sagt an halben Theil. Aber du
222
schwarzbraun s Schmauserl, du musst mir halt an
Kuchelschmutz abgeben.
Kellnerin.
Ja, ja, du Schmauserl, i werd dir schon ein' ab-
485 geben. Die Kellnerin schenkt ein.
15. Auftritt.
Der Hiesel tritt mit den Seinen auf.
Hiesel.
Guten Abend, Jungfrau Kellnerin.
Kellnerin.
Ebensoviel ! Es freut mich, dass ich die Ehr hab,
Sie zu sehn.
Hiesel,
Nur wacker eingeschenkt , Jungfrau Kellnerin ;
490 heut wollen wir uns recht lustig machen, weil die
Jagd so gut ausgefallen ist: heunt, meine Leut,
wollen wir den Jägern ihre Gesundheit trinken.
Gesang.
Bin ich der bairische Hiesel,
Von Augsburg geborn,
495 Ich stecke mein' Gamsbart
Wohl auf mein' grün' Hut:
Kein Jager ist im Stand,
Und kein Jager hat a Schneid,
Der mir mein' Gamsbart
500 Vom Hut herunter reisst.
Im Augsburger Wald,
Da haben wir unser Gei,
Da schiessen wir alle Wochen
A Hirschlein, a zwei :
505 Die Haut thun wir verkaufen.
Das Fleisch essen wir selm,
Das Geld thun wir versaufen,
So haben wir schon zu leb'n.
223
i6. Auftritt.
Der Forstmeiter tritt auf mit zwei Jägern.
Forstmeister.
Ha, gute Unterhaltung, meine Herren ! Das ist
510 was Seltsames, dass ich Euch hier antreffe. Ich
glaube, das wird die letzte Unterhaltung für Euch
sein. Ihr seid schon in unsern Händen, davon
wird Euch Niemand mehr helfen.
Hiesel.
Nur nicht so eilfertig , Herr Forstmeister , wir
5 1 5 müssen zuvor unsern Wein austrinken und mit
dem Wirth Richtigkeit machen , denn der Hiesel
will keinem Wirth was schuldig bleiben. Ihre
Gesundheit, Herr Forstmeister! Wir sehen schon,
dass wir gefangen sein.
Forstmeister .
520 Es geht nicht mehr mit uns zu spassen, macht
Euch nur fertig, dass wir auf den Weg kommen.
Sattler.
Da war uns wohl a Schand , dass wir uns von
drei Jäger fangen Hessen. Zeige doch dem Herrn
Forstmeister, was der Hiesel kann.
Hiesel.
525 Ja, Sattler, unsere Macht ist zu klein gegen die
der Jäger, wir sind schon in ihren Händen. Dort
leint mein Stutzen bei der Thür, denn als Ge-
fangener werde ich das Gewehr nicht mehr tragen.
Der Forstmeister will den Stutzen nehmen, kann ihn aber nicht
von der Stelle bewegen.
Forstmeister,
Was, Teufel, ich kann ja diesen Stutzen nicht
530 von der Stell bringen.
Hiesel.
Ja, ich werd wohl mein' Stutzen nicht selber
tragen, Sie kunnten ja unglücklich sein, aber eine
224
Kunst will ich Ihnen noch zeigen. Sattler, gieb
dem Forstmeister dein' Stutzen. Also, Herr Forst-
535 meister, schiessen's her auf mich, ich will die Kugel
im vollen Lauf fangen.
Der Forst??ieister schiesst , der Hiesel giebt ihn die Kugel
zurück.
Forstmeister.
Wir sind richtig vom Hiesel betrogen ! Ich sehe
schon, dass unsere Macht zu klein ist.
Hiesel und seine Leute singen.
Steck ich mein Gamsbart
540 Wohl auf mein' grün' Hut !
Schiessen, das ist mein' Freud
Mehr als die Weiberleut:
Wann's Büchslein recht thut knallen,
Aft thut's mir gefallen.
545 Das Büchsel kracht laut,
Man höret' s gar weit:
Die Jäger habn's a schon g'hört.
Das war ihr' Freud.
Die Jäger antworten.
Ich weiss schon, wer's gewesen ist,
550 Weil du uns begegnet bist:
Jetzt giebst uns gleich dein Buchs,
Aft sagen wir nichts.
Hiesel.
Mein Büchsen gieb i enk nit,
Schuldig bin i enk's nit,
555 Eh' dass ich mein Buchs thu geben.
Eh' wag ich mein Leben.
Aber, Herr Forstmeister, Ihre Gesundheit! Es ist
schon Zeit , dass wir uns auf die Jagd begeben.
Ich weiss recht ein' guten Hirschen, welchen ich
560 hoffe heut noch zu bekommen. Ich wünsch Ihnen
225
unterdessen eine gute Unterhaltung, die Euch viel-
leicht ein altes Weib machen wird. Der Iliesel trinkt
seinen Wein aus, stürzt das Glas um, hängt dadurch die
yäger an und geht davon. Der Kaspar bleibt.
Forstmeister.
Das ist der Teufel mit diesen Leuten 1 Auf die
Letzt wird unser Landesfürst nicht mehr eine Katz
565 in seinem Wald bekommen, und wer weiss, wie
lang wir sitzen bleiben müssen , da er uns zum
grössten Spott noch hier angehängt hat.
Hie sei tritt auf und singt.
Hiesel,
Die Jager stehen da wie's Kind bei dem D . . .
Der Wildschütz hat's ang'frört, mögen, mein Eid,
nit weg.
570 Einer, a kleiner ist voller Leid,
Als die zwoa Jager in d' Hosen haben g's —
Is weiter a nit schön,
Für ihnera zween. Hiesel ?nit den Seinen ab.
Kaspar.
O ÖS Maxima Kerl ! Geht's nit weiter, ich glaub,
575 dös Kerln habt's das Podagra bekomma, dass nit
weiter geht's ; die Jager und alte Weiber sein netta
gleich, können einander gut helfen; wart's a bissei,
ich will enk eine schicken, die enk loslass't, dass'
heim gehen könnt's. Kaspar ab.
17. Auftritt.
Ein altes Weib tritt auf.
Altes Weib.
580 Draussen im Wald seind mir drei Herrn be-
gegnet, die haben mich gebeten, ich soll hergehen
und das Glas wieder umkehren, dass die Herrn
hier wieder los werden.
Forstmeister.
Pfui Teufel der Schand, dass uns zuletzt ein altes
585 Weib muss loslassen. Alk ab.
Volksschauspiele. II. 15
2 20
i8. Auftritt.
Der Lieutenant tritt auf, dann die Kellnerin.
Lieutenant.
"^ So geht es uns armen Offizieren 1 Gestern Abends
bin ich in ein so verdammtes Kaffehaus hinein-
gerathen, da habe ich Alles verspielt, mein ganzes
Geld und meine goldene Repetieruhr ; jetzt weiss
590 ich mir nicht zu helfen, aber f'ins weiss ich noch:
es sein auf des Mathias Klostermeier Haupt
100 Thaler angeschlagen, der ihn todt oder
lebendig bekommen kann ; ich hab auch gehört,
dass in diesem Wald ein neuer Wirth aufkommen
595 sei, da werd ich hingehen und werd mit der
Kellnerin a paar Wort sprechen, vielleicht giebt s'
mir Auskunft, wo der bairische Hiesel sich auf-
haltet.
Kellnenn.
Ganz gehorsamer Diener, Herr Lieutenant.
Lieutenant.
600 Beste Mademoiselle, können Sie mir nicht sagen,
wann der bairische Hiesel ankommt.
Kellnerin.
Vor etlichen Jahren hat er sich hier aufgehalten,
jetzt aber schon lang nicht mehr.
Lieutenant.
Wenn Sie mir's sagen , wo er ist und wann er
605 ankömmt, so will ich Ihnen ein Dutzend Dukaten
und den schönsten Mann von den Grenadieren
zum Heirathen geben.
Kellnerin.
Wegen des Gelds thue ich's ganz und gar nit,
aber wenn Sie mir eineif jungen wohlgevvachsenen
610 Mann geben, so will ich es Ihnen sagen. Heute
Nachts wird er bei uns speisen sammt seinen
Leuten, da werde ich Ihnen ein Mädel hinschicken,
die Ihnen die gewisse Nachricht bringt.
227
Lieutenant .
Ganz gut, Jungfrau Kellnerin.
Kellnerin.
6 1 5 Aber Sie , Herr Lieutenant , auf meinen Mann
nit vergessen.
Lieutenant .
Nein, ich vergiss nicht.
Kellnerin.
Aber Sie , Herr Lieutenant , ich bitte Sie , sich
zu erinnern, auf meinen Mann nicht zu vergessen.
Geht ab.
Lieutenant.
620 Nein, ich vergiss nicht. Zum Teufel, so geht's 1
Was man in einem Jahre nicht erfahren kann, das
erfahrt man von einem Frauenzimmer in einer
Viertel Stund. Geht ab.
19. Auftritt.
Der Hiesel kommt mit seinen Leuten ins Wirthshaus.
Hiesel.
Nun , heut machts enk recht lustig , heut ist
625 Alles erlaubt. Lasst uns ein lustiges Liedel singen.
Aber, Brüder, heut kommt's mir in diesem Haus
so verdächtig vor , als wenn wir ganz verrathen
wären. Geh , Hanssteiginsack , schau , ob du
Niemand siehst kommen.
Kaspar.
630 Ja, aber saufts mir meinen Wein nit gar aus.
(Geht hinaus schauen , kommt gleich zurück und spricht:
Ja, lauter Regimenter, lauter Regimenter.
Hiesel.
Dummer Kerl! Was für Regimenter? Vielleicht
gar Militär?
Kaspar.
Lauter Regimenter.
15 *
228
20. Auftritt.
Der Lieutenant tritt mit den Soldaten hinein.
Lieutenant.
635 Gebt Euch gutwillig drein, seht, dass die Macht
vorhanden sei.
Hiesel.
Ja , Herr Lieutenant , wir geben uns gutwiUig
drein, aber der Kellnerin will ich's nicht verzeihen^
sie hat uns einmal verrathen. Ei, du verhasstes
640 Osterzell, wie hast du uns betrogen! Das hab
ich niemals gedacht, den Wald zu verlassen. Ich
war niemals eines Menschen Feind, nur immer
Freund : jetzt lauft Alles herzu, um nur den Hiesel
geschlossen zu sehen.
Lieutenant,
645 Hinein mit Euch in Arrest!
Kaspar.
Hiesel , jetzt werden wir abgeröst ! Eh hat's
g'heissen : Hanssteiginsack, jetzt wird's heissen :
Hans steig am Galgen aufi. Alle ab.
21. Auftritt.
Verwandlung, Die Stätte des Gerichts,
Der Bannrichter tritt auf.
Bannrichter,
Ein Bannrichter ist ein schwerer und gewissen-
650 hafter Stand. Wenn ich die Feder aufs Papier
setze, so bitte ich Gott, dass er's den Malefikanten
nicht zur Sünde rechne. Ich höre täglich die
• Ketten in meinen Ohren rasseln. Von Weitem
sehe ich schon wieder den Lieutenant sehr
655 schnell hereilen. Was wird er denn wieder Neues
bringen ?
229
2 2. Auftritt.
Lieutenant tritt auf,
Lieutenant.
Ganz gehorsamer Diener, strenger Herr und
Bannrichter! Der Himmel hat mir das Glück ge-
geben, dass ich den bairischen Hiesel sammt sein^
660 Leuten hab fangen können. Fragen Sie nicht'
lange nach dem Verbrechen: machen Sie das
billigste Urtheil.
Bannrichter.
Herr Lieutenant, sein Sie von der Güte, lassen
Sie mir den Mathias Klostermeier herein. Der
665 Hiesel wird vorgeführt. Wisset Ihr, warum Ihr da seid?
23. Auftritt.
Hiesel.
Ja , Herr Bannrichter , ich weiss es. Ich bitt
um baldige Endigung meines Lebens und um ein
billiges Urtheil.
Bannrichter.
Mathias Klostermeier. Wie alt seid Ihr?
Hiesel.
670 Achtundzwanzig Jahre.
Bannrichter.
Wo seid Ihr gebürtig?
Hiesel.
Von Kissing in Oberbaiern.
Bannrichter.
Wie viel habt Ihr Mordthaten begangen?
Hiesel.
Achtundzwanzig.
Bannrichter.
675 Wer hat den Landvogt von Doverding erschossen?
230
Hiesel.
Es fällt mir ein , dass dies der dumme Hans-
steiginsack gethan habe.
Bannrichter .
Wie viel führet Ihr Kameraden bei Euch?
Hiesel.
Ich führe nur zwei bei mir, den Studerl und
680 den dummen Kerl , Hanssteiginsack , der Sattler
ist aus dem Arrest entstraucht.
Bannrichter.
Getraut Ihr Euch, darauf zu leben und zu sterben?
Hiesel.
Ja, jeder Zeit, gnädiger Herr und Bannrichter.
Bannrichter.
Führet den Mathias Klostermeier hinein und
685 bringt mir den jungen Burschen Studerl heraus.
24. Auftritt.
Der Studerl kommt.
Bannrichter.
Weisst du, warum du da bist?
Studerl.
Wenn ich auf einem andern Ort wäre, so wäre
ich nit hier.
Bannrichter .
Bist du verheirath' oder ledig?
Studerl.
690 Ja, wenn ich nit gefangen war, so war ich
wohl ledig.
Bannrichter.
Ich sieh, dass ich von diesen Menschen Nichts
herausbringe; führt's ihn hinein und bringt's mir
den Hanssteiginsack heraus , von dem werd ich
695 erst die Wahrheit erfahren. Der Kaspar kommt und
setzt sich auf den Tisch. Was bist du für a dummer
Kerl : gehört sich's denn , dass man sich auf den
Tisch setzt?
231
2 5- Auftritt.
Kaspar.
Ja, wer seids denn dös?
Bannrichter.
700 Ich bin ein Bannrichter.
Kaspar.
Was ist denn das für a Thier? Frisst man's mit'n
Löffel oder steckt man's auf den Hut?
Bannrichter.
Ein Bannrichter ist derjenige, der dem Malefi-
kanten das Urtheil spricht.
Kaspar.
705 Was? Der den Leuten die Sachen wegnimmt?
Das sein bei uns die Strassenräuber.
Bannrichter.
Sag mir, wer ist dein Grossvater gewesen?
Kaspar.
Mein Rossvater ist ein Braun gewesen.
Bannrichter.
Ich meine nur, wer dein Vater war.
Kaspar.
710 Mein Vater war a Kammerdiener.
Bannrichter.
Bei was für einer Herrschaft?
Kaspar.
Nicht nur bei der Herrschaft, sondern auch bei
die Bauern.
Bannrichter.
Dummer Kerl , ein Bauer braucht ja einen
715 Kammerdiener nicht.
Kaspar.
Ja, Herr, mein Vater hat das Kammerdiener-
handwerk aus der Kunst verstanden ; da hat er so
232
a kleines Hackerl gehabt, da is er auf die Strassen
gegangen und da hat er den Leuten aufpasst, und
720 hat er ein' kriegt, so hat er ihm mit dem Hackel
eins zum Kopf geben, dass er kein Wort mehr
gesagt hat.
Bannrichter.
Auf diese Weise ist dein Vater ein Strassen-
räuber gewesen:
Kaspar.
725 Nein, Herr, das ist dalogen ; ein' Leutschrecker
habens ihm geheissen.
Bannrichter.
Und wer war denn deine Mutter?
Kaspar.
Meine Mutter ist a Postknecht gewesen.
BannHchter.
Ein Weibsbild kann ja nicht fahren.
Kaspar.
730 Mein Mutter hat's Fahren aus der Kunst können;
da hat s' die Ofengabel zwischen die Füss gnumma
und is beim Rauchfang aussi, und wenn s' kumma
ist, so hat s' immer Fleisch oder Schmalz mitbracht.
Bannrichter.
Auf diese Art ist deine Mutter eine Hex gewesen ?
Kaspar.
735 Nein, die Erzzauberin haben sie s' geheissen.
Bannrichter.
Was hat deine Mutter für einen Tod genommen?
Kaspar.
Sie hat ihr keinen genummen, sie haben ihr'n
selber bracht.
Bannrichter.
Ich meine nur , auf was für eine Art deine
740 Mutter gestorben ist.
233
Kaspar.
Ja, Herr, meine Mutter ist recht schauerlich
gestorben. Die Bürger von der Stadt haben's
meiner Mutter recht gut gemeint, sie haben ihr
ein Klafter Scheiter geschenkt, da haben s' bei
745 der Mitt a grosse Säul aufg'stellt und die Scheiter
z'sammglegt : da haben's meine Mutter anbunden
und die Scheiter anzünden, da hat meine Mutter
ang'fangt zu schwitzen, dass kein Beindl ist über-
blieben.
Bannrichter.
750 Auf diese Art ist deine Mutter als eine Hex
verbrannt worden?
Kaspar,
Nein, Herr, das ist dalogen, sie ist in der hitzigen
Krankheit gestorben.
Bannrichter,
Hast eine Schwester auch gehabt?
Kaspar.
755 Han a eine g'habt.
Pannrichter.
Wie hat s' geheissen?
Kaspar.
Grundl hat s' geheissen.
Bannrichter.
Dummer Kerl, Flegel! Grundl ist ja nur ein
Fischname.
Kaspar.
760 Ja, Herr, sie hat das Fischen aus der Kunst
verstanden 1 Sie ist auf die Kirchtag' gangen und
hat den Leuten die Sackuhr aus dem Sack aussa-
g'fischt und nimmer eini gesteckt.
Bannrichter.
Auf diese Weise ist deine Schwester eine Beutel-
765 abschneiderin gewesen?
234
Kaspar.
Nein Herr, die Säckelräumerin haben sie s' ge-
heissen.
Bannrichter.
Hast du auch einen Bruder ?
Kaspar.
Han a ein' g'habt.
Bannrichter.
770 Wie hat er geheissen?
Kaspar.
So wie mein Vater.
.Bannrichter.
Wie heisst denn dein Vater?
Kaspar.
Mein Vater heisst akurat so wie ich.
Bannyichter.
Wie heisst Ihr denn alle «drei?
Kaspar.
775 Ich und mein Vater und mein Bruder haben
alle drei einen Namen.
Bannrichter.
Wer hat den Landvogt von Doverding erschossen?
Kaspar.
I nit.
Bannrichter.
Und der Mathias Klostermeier sagt's.
Kaspar.
780 Das ist dalogen.
Bannrichter.
Und er sagt's.
235
Kaspar,
Beim Zapfel hab i anzogen und is lusti los-
ganga.
Bannrichter»
Führt ihn in den Arrest.
Kaspar,
785 Au weh, au weh l Jetzt werd i abgeröstl
Bannrichter,
Bringet mir wieder den Mathias Klostermeier
heraus.
26. Auftritt.
Der Hiesel wird vorgeführt.
Bannrichter.
Also, Mathias Klostermeier, das Urtheil ist schon
gemacht von dem gnädigen Landesfürsten , dass
790 Ihr sollt in eine Kuhhaut eingenäht werden und
hinaus geschleppt zum Hochgericht. Allda be-
kommt Ihr von einem eigenen Kameraden drei
Stoss von oben herab auf die Brust. Bereitet
Euch zum Tod.
Hiesel.
795 Ich sage Euch schuldigen Dank, strenger Herr
und Banniichter, für das gnädige Urtheil. Ach
Welt, nun gute Nacht ! Das sein die letzten Zeilen,
die euch der Hiesel noch zum Abschied wird
ertheilen. Das Schwert ist schon gewetzt, die
800 Bühn und das Rad bereitet. Ach, hätte ich der
Welt und der Wahrheit gefolgt, die mancher
gute Mensch aus seinem Mund hat hören lassen,
so wurd kein solcher Lohn zu meiner Marter
passen. Alle gehen ab.
27. Auftritt.
Hiesel wird liegend vorgestellt. Lieutenant und Kaspar bei ihm.
Lieutenant.
805 Jetzt, Hanssteiginsack , weisst du was? Jetzt
giebst du deinem Herrn drei Stoss von oben herab.
236
Kaspar,
I will's Enk geben.
Lieutenant.
Ich hab's nicht' verschuld. Also marsch, drei
Stoss ! ■
Kaspar.
810 Hiesel, wann's dir weh thut, sag's nur.
Er thtit das Befohlene.
Lieutenant,
Jetzt bekommst du drei Stoss auf den Hintern,
hernach wird man dich aus dem Lande verweisen.
Kaspar,
Aft geh' i in die Graben eini.
Lieutenant,
Find man dich dort auch noch , so wird dir
815 Galgen und Rad auf den Buckel brennt.
Kaspar.
Ich möcht a Scheitel nit vertragen, viel weniger
Galgen und Rad.
Der Lieutenant giebt dem Kaspar einen Stoss.
Kaspar,
Was ist das?
Lieutenant.
Das ist der erste Stoss. Wieder ein Stoss,
Kaspar.
820 Was ist das?
Lieutenant,
Das ist der zweite Stoss. Giebt den dritten Stoss.
Kaspar.
Gift schlapprament, das thut mir — Was ist das?
237
Lieutenant.
Das ist der dritte Stoss.
Der Kaspar giebt dem Lieutenant eine Ohrfeige.
Lieutenant .
Was ist das?
Kaspar,
825 Das ist eine Ohrfeig'n.
Lieutenant,
Kerl, ich bin ja ein Offizier 1
Kaspar,
A Offizier hat doppelte Kuraschi, dem muss
man auch doppelte Schlag geben.
Haut ihn auf den Buckel, Beide ab.
DER GEFOPPTE GEIZHALS.
^
PERSONEN.
Ein geiziger Alter.
Leobinus, dessen Sohn.
Hanswurst, sein Diener.
e anie i ^^^. g^^jjäferinnen.
Oliva j
Ein türkischer Räuber.
-SfP
I. Auftritt.
Leobinus und Hanswurst,
Leobinus.
Komm her, Hanswurst, ich hab dir was zu
vertrauen und bin deiner Hülfe sehr bedürftig;
wann du mir also in meinem Anliegen Hülfe
leistest, auch in Allem verschwiegen und geheim
5 dich haltest, so versprich ich dir kräftig, dass ich
dich hinfüro nicht mehr als meinen Bedienten,
sondern als meinen leiblichen Bruder ansehen werde.
Hanswurst .
Das könnts leicht versprechen, denn das wissen
die Leut eh , dass mir a gleichs Paar Narren
IG z'samm sein: also sein ma glei samma Brüder,
mir is schon recht, so kann i di duezen. Ich
wir hernach mein Fleiss nit sparen , wann ich dir
was helfa kann , und weg'ns Schuehputzen weiss i
a schon wia ma thain : ein Tag putzt du mir meine,
1 5 den andern Tag ich dir deine, da wern ma abwechseln.
Leobinus.
Nein , nicht also, ich mein' es anders : sage mir
nur anjetzo aufrichtig, ob du mir zu Etwas helfen
willst oder nicht, welches auch dein Nutzen und
Vergnügen sein kann: wegen der Bruderschaft
20 werden wir ein anderes Mal reden.
Hanswurst.
Ja, ja, ich versprich dieses aufrichtig, wann's nur
was eintragt : aber sag ma na bald , was mir vor
ein Nutzen und Vergnügen sein wird.
Volksschauspiele. II. lO
242
Leobinus.
Ich werde es dir gleich melden und vertrauen ;
25 aber Eines bitte ich mir aus, du musst mir doch
gleichwohl mein' Respekt geben, als deinem Herrn,
ob mir schon im Herzen Brüder sein : dann erachte
selbst , was wurden die Leute denken , wann du
mich auch per du nennest.
Hanswurst.
30 Ha, ha, ich versteh schon: mit dem Maul bin
ich nix Brueder, wann's aufs Duezen und aufs guet
fressen und saufen ankam , ich bin nur Herzens-
brueder, wann's in der Noth seids; aber es thuet
nix , wann ich nur selm Brueder mit bin , wann
35 einmal enker reicher Vater stirbt.
Leobinus.
Ja, Hanswurst, du hast dich drauf zu verlassen :
wann du mir anjetzo helfen kannst, so sollest du
ein guten Theil von meines reichen Vaters Ver-
mögen überkommen.
Hanswurst.
40 Nu, wann's selb ist, so wag i mein Leben, mein
Hab und Guet ; das wissts ja , dass mir nix un-
möglich ist, wann ich was anstellen will: so sagts
ÖS nur, mit was ich enk helfen kann.
Leobinus.
Das ist mir Alles bewusst. Nun höre mich nur :
45 du weisst, dass vor etHchen Tagen ein türkisches
Schiff hier ankommen, auf welchem die zwei schönen
Schäfersmädl, die mir schon öfters besucht haben,
gefangen sitzen.
Hansivurst.
Ja, das weiss ich, weil's alle Tag 24 mal hin-
50 gehts.
Leobinus.
Du weisst aber nicht, dass sie mich so inständig
gebeten , sie von ihrer Gefangenschaft loszukaufen,
243
und mit was Vergnügen wollte ich meines geizigen
Vaters schimmlige alte Thaler und Dukaten darauf
55 anwenden! Wäre es nicht ein recht christliches
und dem Himmel wohlgefälliges Werk, diesen zwei
armen, holdseligen Gschlaven die Freiheit zu ver-
schaffen? Erwäge es selbst, Hanswurst.
Hanszvurst .
' Ja, freila war's a himmlisches Werk, wanns enk a
60 paar eigne Menscha kafet's : aber, he, i versteh's schon,
i soll enkern Vata halt 's Geld stehlen dazu 1 Gelts ?
Leobinus.
Du muesst dir keine so üble Gedanken machen
von mir, dann wisse, ich bin gesinnt, sobald ich's
erhalte, eine davon, nämlich die Melonia, zu meiner
65 Gemalin zu nehmen. Die zweite behalte ich zu
unserer Bedienung. Erdenk also nur eine List, wie
mir von meinem Vater Geld bekommen. Der
nächste Preis oder Auslosgeld ist 500 Dukaten, und
der Termin ist kurz. Heunt bis 10 Uhr Nachts
70 sein sie noch in ihrem Gasthof, nachdem aber
werden sie wiederum auf die Galere geführt , auf
- welcher sie um Mitternachtszeit absegeln : alsdann
sehen wir sie in unserem Leben nimmer.
Hanswurst.
500 Dukaten kostens, das ist weita kein Bagatell :
7 5 der Teufel, das ist a theure Waar, da kauffet i mir
schon lieber a hundert Startin Wein, da hätt ana
länger zu lecken, als an die zwei Menscherln. Aber
was frag i darnach, ös dörfts enk schon verlassen,
weil ich enk's amal versprochen han. Hiatzt wir
80 ich halt gehn schaun, dass ich Geld krieg.
Beide ab.
2. Auftritt.
Der Alte, dann Hanswurst.
Alter.
Ja , ja , es ist eine ausgemachte Sach , wann
einer einmal alt ist, da kommen einem erst die
16*
244
guten Gedanken: aber da ist es schon zu spät.
Ach, was hätte ich mir in meiner Jugend ersparen
85 können! Wie Vieles habe ich muthwilHg ver-
schwendet I Könnte mein Vermögen nicht in einem
weit besseren Stande sein, wenn ich wirthschaftHch
gelebt hätte? Ach, du trauriges Zurückdenken 1
Hanswurst kommt.
He, Hausknecht, Kuchelmensch, B'schliesserin I
90 Wo seids denn Alle? Zum Teufel, wissts ma nit
dem alten Geizhalsmeister anzurathen? Ich soll ihm
in' Augenblick haben.
Alter.
Was fehlt dir, Hanswurst, dass du so grausam
schreiest? Ist etwan ein Unglück vorbeigangen?
95 Sage mir^s eilends.
Hanswurst.
A was wir i enk da sagen, mein alten Herrn
Vater muess ich haben, sonst is aus. Hin ist er,
hin ist er, auf ewig ist er hin 1
Alter.
Um des Himmels willen, was ist denn, Hans-
100 wurst, sage an? Hier siehst du mich ja zugegen:
so erhole dich doch.
Hanswurst,
A, Herr, i hätt enk vor lauter Verwirrung bald
nit dakennt. Hiazt lost nur glei , was z'losen ist
und denkts , was mir vor a Unglück ghabt ham :
105 das ist ein Unglück weit grössa als a Fueder
Heu ; schauts nur glei , ich und enker Sohn , der
Herr Latanibus, sein spazieren ausganga aufn Meer-
Hafen aussa, und da haben mir a türkisches Schiff
g'sehn, dös ham mir a Weil betracht, weil's so viel
110 schön is gewesen; aft is glei a türkischer Glatz-
kopf aussakemma und hat uns auf an Käuer
eingeladen, das ham mir ihm aus Höflichkeit nit
abschlagen wollen und sein halt aufs Schiff ganga
und ham Käuer trunka ; daweil sein dö türkischen
245
115 Spitzbueben davong'fahren und haben uns als
Gschlaven wollen mitnehma; sobald ich aber das
Ding hab wahrg'nomma , so hab ich g'schwindt
zum Bitten g'schaut und hab g'sagt, dass mein
Herr an reichen Vater hat, der sein' Sohn gewiss
I20 nit wird sitzen lassen.
Alter.
Aber warum denn so einfältig? Was habt Ihr im
Schiff zu machen ? Ach, ach, das wird gut heraus-
kommen, mir stehen schon alle Haare geg'n Berg.
Wo ist denn mein Sohn Leobinus anjetzo?
Hanswurst.
125 Ja, Herr, wo wird a sein? Er ist halt noch in
der Galern beim Türken. Mi aber habens zuruck-
g'schickt, ich soll enk sagen, ob's ihm wöUts aus-
lösen oder nicht.
Alter.
O türkischer Galgendieb , du raubest mir mein
130 Leben. Eilends laufe, Hanswurst, hole die Wacht,
dass sie das türkische Raubschiff" einholen und mir
mein' Sohn wieder erlösen.
Hanswurst.
Ach, wie einfältig denkt Ihr, Herr. Eine ganze
Armee Soldaten sein nicht im Stand , das einzige
135 Türkenschiff" zu erobern, dann es ist grösser und
stärker als das ganze Land Steyer. Da ist kein
anderes Mittel, als mit Geld kann man ihn wieder
erlösen, und das in möglichster Kürze; in zwei
Stunden sein sie sonst weg.
Alter.
140 Wo aber hernehmen, du Ochs? Warum seid
Ihr so dumm und seid hineingangen 1 O du
mörderischer Türk, o du leichtfertiger Sohn ! Ist das
erlaubt, mich um das Meinige zu bringen? Es müsst
kein Recht mehr auf der Welt sein , wann dieses
145 geht. Aber sage mir, Hanswurst, soll denn gar kein
246
andres Mittel mehr zu erdenken sein, meinen Sohn
zu entledigen?
Hanswurst.
Nein, in diesem Stück ist nicht leicht zu helfen,
und kann auch keine Obrigkeit, kein König, kein
150 Kaiser helfen, als das einzige Geld^ und das leidet
gar kein Aufschub mehr. Ich sag enk zum letzten
Mal, wollts ausrucken oder nicht?
Alter.
Ach, gerechter Himmel, du weisst, wie hart es
mir ankommt, nur zu fragen, wie viel es dann
155 kosten möchte, aber doch muess ich mich über-
winden , weil es nicht anders sein kann. Sage
mir, Hanswurst, wie viel Groschen er dann Trink-
geld verlangt, wann er mir meinen Sohn wieder
zurückschickt.
Hanszvurst.
160 Ei ja, Groschen, da war gar kein Reden da-
von. 500 Dukaten müssen sein, und wann einer
abgeht, so lasst er'n nit aus.
Alter.
Au weh, Hanswurst; halte mich, labe mich und
erquicke mich. Diese 500 Dukaten werden mich
165 mein Leben kosten, sie werden mir den Schlag-
fluss zuziehen , und das wird mir das Herz ab-
stossen. Fällt zun.
Hanswurst.
Nu, das ist brav. Hiazt, wann der Alte ma-
rixelt, so krieg'n ma's Geld alls mitanander, wann's
170 nur sein Ernst war! Muess schon gehn visitiren.
Schaut den Alten an. Es ist, mein Aid, kein G'spass
net, der Alte ist völlig in da Tattna. Aber was
frag ich darnach? Desto leichter will ich's Geld
kriegen. Stirbt a, so kriegt's ohnedem mein Herr
175 und kimmt a wieda davon, so soll a ma's nit
amal wahrnehmen , dass ich ihm 500 Dukaten
247
g'holt han. Hiazt wir i ihm gehn in sein Zimmer
bringa und wir'n schön gemachla ausziehen und
ins Bett legen ; aft wir i wohl in Schlüssel finden,
i8o wann ich amal d'Hosen in Händen han, zu seiner
Geldtruhen. Nur schön stat hiazt. Nimmt den Alten,
zieht ihn hinein. Ha, ha, ha, ha, ha, ha !
Beide ab.
3. Auftritt.
Oliva und Melonia sitzen geschlossen u?td von einem Tiirke?i he-
zoacht.
Oliva ,
O, meine allerliebste Schwester, wie hart er-
warte ich die erwünschte Zeit, da unser Erretter
185 uns zu kommen versprochen hat. Ich zweifle
sehr, ob er mehr kommt.
Melonia.
Ei, habe doch keine so schlimmen Gedanken.
Ich kann dich gewiss versichern , dass er sein
Wort treulich halten werde, du bist immer ungeduldig
190 und kannst nichts erwarten.
Oliva.
Ja, es ist die Wahrheit : aber wäre es denn ein
Wunder, in unserm Unglück verdriesslich zu
werden, da wir unschuldig so Vieles leiden
müssen? Und wer weiss, was noch vor Elend
195 uns bevorstehet, wann wir anjetzo nicht auskauft
und erlöset werden : kommen mir einmal unter die
türkischen Völker hinein, so können mir an Seel
und Leib unglücklich sein.
Melonia.
Meine Schwester, denke immer an dieses : Wir
200 sein soviel schon als in der Freiheit, denn ich kenne
mein' Geliebten sein treues Herz und weiss gewiss,
dass er uns nicht verlasset. Sei nicht so melan-
cholisch , sing viel lieber ein Schäferlied von un-
serm vorigen Vergnügen.
248
4- Auftritt.
Oliva und Melo7iia singen ein Lied , darauf tritt Leobinus
auf.
Leobinus.
205 Aeh, wie angenehm, meine Schönen, waren Eure
Stimmen zu vernehmen. Ihr beklaget zwar bilh'g
Eure harte Gefangenschaft, aber ich erfreue mich
vielmehr , Euer Erretter zu sein , weil ich verge-
wissert bin, dass Ihr mehr meine Person als meine
210 Gutthat liebet. Seiet getrost, Eure eisernen harten
Fesseln sollen in Kürze in Liebesfesseln verwan-
delt werden , mein getreuer Bedienter wird das
Lösegeld wohl bringen.
Melonia.
Danke Ihnen der Himmel, mein englischer Leo-
215 binus, vor Ihr gutes treues Herz, das Sie mir ge-
schenket und welches verursacht hat, dass Sie
uns arme Gschlavinnen aus denen wüthenden tür-
kischen Händen gerissen. Ich verspreche Ihnen,
Sie zu lieben und zu ehren meine ganze Lebens-
220 zeit, wie die aller verliebteste Braut ihren Bräutigam
immer lieben kann. Meine Schwester kann Ihnen
ebenfalls tausend Dank erstatten.
Oliva.
Ich sage Ihnen gleichen Dank, mein gross-
müthiger Erretter und allerliebster zukünftiger
225 Herr Schwager. Ich versprich ein Gleiches, Sie
in Ihrem Dienst so zu ehren und zu dienen, dass
alle Ihre Befehle nach Ihrem Augenwunsch voll-
zogen werden ; der Himmel zahle das Mehrere.
Leobinus.
Unterlasset dieses, es ist genug, Ihr schönen
230 Seelen; Euer gutes und dankbares Gemüth ersetzet
mir diese Kleinigkeit genugsam.
249
5- Auftritt.
Hanswurst und Türke treten auf.
Hanswurst.
Ha, ha, ich mein', ös habts enk schon ver-
sprochen g'habt mitanander. He , Herr, warts a
bissei, ÖS müsst ma a ane zuekomma lassen.
Leobinus.
235 Bist du hier, Hanswurst? Das ist gut. Gieb
dem Türken das Geld. Erhandelst du was, so
gehört es dein. Ich habe indessen mit ihnen zu
sprechen.
Hanswurst.
Schon recht, das wir ich probiren. Allo Meister
240 Ratzbart, los auf: wann du handeln lasst, kriegst
Geld. Wie theuer sind die Kalmerln da?
Türke.
Kurasco scheppertolly na ticoth.
Hans7vurst.
Was? Sternvoll ist da Dickkopf?
Türke.
Nergo Nollorumb 500 Tugatt.
Hanswurst.
245 Ja; ja, 500 auf'n Hintern. Zählt Geld auf. No
schau, Bruder, lass g'scheha, da hast Geld.
Türke.
Scherbo, scherbo dukh bologarschi.
Nimmt das Geld Jind geht ab.
Hanswurst.
Scherfy, scherfy — und hol di der — , du ver-
zweifelter Grindschipl, du glatzschädlater du,
250 weils d' nur amal fort bist. Das hat g'rathen. Den
Kerl hab i ang'schmiert, er muess 's deutsche Geld
nit recht kenna, ich hab ihm anstatt Dukaten
lauter Kupferpfennig geben. Hiazt sein die Du-
katl mir blieben.
250
Leobinus.
255 Bist du schon richtig, Hanswurst, mit dem
Handel? Weil der Türk schon fort ist, so gehen
wir auch.
Hansivurst.
Ja Herr, d'Menscha sein schon unsa; aber no
ans , eine müssts mir lassen , dann schauts , das
260 war g'feilt. Meints, weils so hübsch klein sein,
wöllts ÖS alle zwei g'halten ? Aber das geht nit ;
schauts, so ham mi a viel Müh kost.
Leobinus.
Es ist wahr, du hast in diesem Stuck dich sehr
wohl gehalten ; wann die schöne Oliva mit dir zu-
265 frieden ist, so wünsche ich Euch viel Tausend Glück
zu Eurer Verlobung.
Oliva.
Ich bin mit ihm vollständig zufrieden, er scheinet
mir ein lustiger Mensch zu sein, und einen solchen
hätt ich mir schon längst gewunschen.
Hanswurst.
270 Schon recht, Schatzerl, mir is af a Haar a so;
sie scheint mir a hübsches Menscherl zu sein, und
a sölteri hätt ich mir längst gern zueg'legt. Aber
stat, es kommt der Alte herein, ich hab ihn schon
rochen g'hört, wir müssen uns a weng auf die
275 Seiten machen und zuhörn, was er sagt.
Leobinus.
Ja , gehen wir etwas abseits : du aber , Hans-
wurst, hör ihm zu und wann du Gelegenheit hast,
so rede mit ihm wegen unserer Hochzeit Veran-
staltung so gut du kannst. Geht mit den Mädchen ab,
6. Auftritt.
Alter tritt auf.
Alter.
280 Dem Himmel sei Dank, dass ich mich von
meiner Ohnmacht wiederum erholt habe! Aber was
251
nutzt es mich ? Wie lang wird es dauern ? Sobald
ich von meinem Sohn wiederum Nachricht er-
halte. Ein Weiteres : ist er verloren, oder ich
285 muss 500 Dukaten geben, und dieses ist mir ein
gleicher Donnerschlag in mein Herz. Wann ich
nur diesesmal noch eine gute Nachricht von ihm
erhielte !
Hanswurst.
A , das is brav , dass ich enk wieder g'sunder
290 antriff. Wissts was Neues? Enker Sohn is wieda
zuruckkemma; wissts aber, wer'n ausg'löst hat?
Schauts, sein' Liebste is so guet g'wesen und hat
500 Dukaten hergeben vor ihm; aber halt 's Hei-
rathen hat er ihr versprechen müssen.
Alter.
295 Was sagst du, Hanswurst? Ach, du giebst mir
das Leben wieder 1 Das is ein ehrlichs Madl,
diese möcht ich bald sehen und als meine
Schwiegertochter begrüssen. Gehe , lass sie zu
mir kommen.
Hanswurst.
300 Ja, Herr, sie sein just enk hamsuechen ganga:
wanns ös seha wöllts, müessts g'schwind ham gehn,
sonst möchts so verdriessen.
Alter.
Das ist auch wahr, werde keine Zeit versäumen.
Komme nach, Hanswurst. Ab.
Hanswurst .
305 Geh nur, Alter, bist g'nung b
Ich werd schon nachkommen.
Du sollst deine Dukaten büssen,
Die ich dir hab genommen.
Nun sieh ein jeder und betracht,
310 Wie's Geizigen thuet gehen:
Indessen wünsch ein' gute Nacht
Bis aufs Wiedersehen.
EIN NACHSPIEL
*e
PERSONEN.
Hansmichel .
Hansel, sein Sohn.
Kletzenprobst.
Gretl, seine Tochter.
Dreinl.
^
I. Auftritt.
Der alte Hansniichel tritt mit seinem Sohne Hansel auf.
Hansmichel singt.
Hansel, bist mein lieber Bua,
Hör mir grad a wenig zua :
Schau, ich bin ein alter Mann,
Der schier nimmer steigen kann ;
5 Mein Kopf ist weiss,
D' Füss kalt wie Eis,
Ja alle Zeit,
Mich nichts mehr g'freut.
Wann ich nur iss drei Pfund Sterz,
10 Liegt's mir schon wie Stein im Herz:
Zwei Mass Bier han i schon gnu,
Gehn mir glei die Augen zu ;
Drum war mein Rath,
Dass du dich grad
15 Schauest um a Weib
Für deinen Leib.
Hansel, ich will dir übergeben,
I wir so lang a nimmer leben,
Du wirst zufrieden sein,
20 Und es gehört dann Alles dein:
Hauswiesen, Alpen,
Die Kuh und Kalbn,
A. kleine Schwein,
Ist Alles dein.
256
Hansel singt:
25 Vatter, nein, ich heirath nit,
Lass mich noch das Jahr mit Fried I
Schau, ich bin ein junger Bua,
Im Ehstand ist gar kein Ruh,
Giebt's allerlei,
30 A Kinderg'schrei,
A G'hetz dabei,
Dös furcht i frei.
Hansmichel.
Hansl, Bua mein, sei kein Narr,
Schau, da ist in unsrer Pfarr
35 Gar a schöne reiche Dirn,
Hat an Witz und Sinn im Hirn,
Ist dir groad
Wie Blut so roth,
Hat weisse Hand
40 Und breite Zahnt.
Hansel.
Ist's a grosse oder a kleine,
Vatter, was meinst für eine?
Ob sie wohl will ein' Mann,
Muss ich wissen a voran;
45 Mag sie mich,
Das frag ich,
Oder ich sie,
Das steht dahin.
Hansmichel.
Schau des Kletzenprobst sein Gredl
50 Hat nicht gar ein' dicken Schädl,
Gelbe Haar und braune Augen:
Bua, das Mensch, das that dir taugen.
Hat a Mäulerl hübsch und fein,
Gehen kaum sechs Knödel hinein ;
55 Du wirst es hör'n,
Sie heirath gern.
257
Hansel,
Vatter, wann's ist so gräula schön,
Ei, so will ich halt woll ma gehn:
Aber gieb mir a an Rath,
60 Dass ich nicht aufheb ein Spott,
Wie ich sollt fragen,
Was sollt ich sagen:
Schau, schaff an.
Ich spring davon.
Hansmichel.
65 Bua, du Narr, schau d' musst bleiben stehn.
Dreimal dann dich bücken thuen:
Aft gieb ihr die rechte Hand,
Druck ihr d' Finger a bissei z'samm
Und sprich zu ihr:
70 Du schöne Zier,
Sag mir g'schwind an,
Willst mich zum Mann?
Hansel.
Vater, thu a mit mir gehn,
Du thust die Sach'n recht verstehn,
75 Thue mir an Bittelmann abgeben,
Thue mit ihrem Vattern reden :
Es geht schon an,
's Mensch g'fallt mir schon
Recht um und um :
80 Geh, geh nur drum. Beide ab.
2. Auftritt.
Dreinl tritt auf.
Dreiftl alleijt.
Das möcht ich wissen , wo der Kerl , mein
Hansel ist: sonst hat er mich alle Nacht heim-
g'sucht, und heunt ist er nit kemma; i han ihm
nichts than , dass er etwan harb war : ich muss
Volksschauspiele. II. 17
258
85 nachfragen, ich kunnt heut nicht schlafa; wann i
wisset, dass ihm was fehlet, er ist so viel a lieber
Mensch, bei ihm hab ich Hoffnung auch noch, dass
ich amal kann Bäurin wern : sein Vatter wird so
lang nimmer leben; versprochen hat er mir's eh
90 schon , dass er mich heirathen will. Mir ist nit
gut, ich muss wissen, wo er ist. Geht ab,
3. Auftritt.
Kletzenprobst tritt auf.
Kletzenprobst singt,
O Elend, o Noth, barmherziger Gott,
Verdriesst mich schon 's Leben und wollt ich war
todt;
Was müssen die Bauern jetzunder erfahren!
95 Man hudelt s', man pudelt s', man halt s' für schlecht'
Narren.
A lauters G'misch G'masch muss überall ins
Drasch :
Man lässt ja den Bauern kein Fleck mehr im
G'sass ;
Der Pfleger, der Amtmann, der Schreiber uns
tobt,
Schergen Wastl sein Hansel uns alleweil klopft.
100 Was muss ich anheben, es ist nimmer z'leben,
A Steuer um die andere muss ich erlegen:
G'schieht das nicht, so kommt der Scherg täglich
ins Haus,
Ihm sollt ich a zahlen , und macht mich brav
aus.
Und that ma das nit, so hat ma kein Fried,
105 Aft heisst glei beim Schergen: so geh selber mitl
Beim Pfleger, da heisst's aft: in Kotter mit dir,
Bis's Weib mit an Geld kommt und bitten thut für !
259
4- Auftritt.
Gredl tritt auf.
Gredl.
Vatter, ich muss dir was sagen.
Kletzenprobst,
Na, was denn?
Gredl,
HO Bitt dich gar schön, lieber Vatter, lass mich
heirathen.
Kletzenprobst,
Was, heirathen ?
Gredl.
Ja, Vatter, bitt dich gar schön.
Kletzenprobst.
Und wem willst denn heirathen? Schau, du bist
115 ja noch z^ jung dazu.
Gredl.
Vatter, des alten Hansmichel sein Hansel ist gar
a hübscher Bue.
Kletzenp robst.
Schau , er ist schon ein gewachsener Kerl ; du
bist halt noch gar jung und kannst schon noch
120 warten mit dem Heirathen.
Gredl.
Vatter, bin doch schon 17 Jahr alt, jetzt hei-
rathen d' Menscher schon mit 12 oder 14 Jahren
gar gern.
Kletzenprobst.
Das seind noch Kinder und wissen nicht, was
125 Heirathen ist: und wer weiss, verlangt dich der
Hansel z' heirathen.
Gredl,
Ei ja, Vatter, er ist bei mir g'west und hat mich
gefragt, ob ich ihn heirathen wollt \ sein Vatter hat
gesagt, er war schon alt, er wollt ihm übergeben.
17*
26o
Kletzenprobst.
130 Das Hess sich redlich hören. Es ist weiter a
heikliche G'fahr um die Weibsbilder, es ist immer
amal glei g'schehen, dass eine stolpert. Weisst du
was, Gredl? Schau, wann er dich heirathen will,
so muss er eh zu mir kemma, muss mich bitten
135 und fragen drum: ich bin Vatter; glei auf dein
Wort kann's nit sein.
Gredl.
Er wird wohl kemma, da Hansel, er hat g'sagt
er wurd mit sein Vattern zu dir kemma; er hat
mich glei amal g'fragt, ob ich ihn möcht, nacher
140 wollt er mit dir Alles ausmachen und abreden.
Kletzenprobst.
Er weiss halt, dass ich noch a wenig a Geld
han; ja, mein Gredl, wann ich nicht eh a wenig
was erspart hätt, jetzt kunnt's a nimmer sein : seind
halt gar schlechte Zeiten jetzt, und du willst dana
145 jetzt heirathen; schau, du hast ja bei mir gut sein,
es fehlt dir ja nichts.
Gredl.
Ei ja, Vatter, es fehlt mir wohl was.
Kletzenprobst.
Ja, was denn ? Schau, du hast bei mir zu essen,
hast anz'legen. Ich weiss nit, was dir fehlen soll ?
Gredl.
150 Vatter, wann ich an Mann han, weiss ich, wem
ich zug'hör; ist doch das Löffeln a nit erlaubt.
Kletzenp robst.
Das möcht ich wissen, warum denn d' Menscher
gar so gern heirathen 1 Du bist a so.
Gredl.
Schau,' Vatter, du derfst dich weiter nit wundern
155 warum; weil die Eva aus'n Adam seiner Seiten ist
kema, so ham halt alle Weibsbilder die Manns-
bilder a noch gern.
201
Kletzenprobst.
Du weisst dir halt z' helfa: i wir sehen, was
z* thun ist^ wann da Hansel und sein Vatter kemma
i6o sollten.
Gredl.
Sei du na auf mein' Weg, mein lieber Vatter:
schau, da Hansel ist a hübscher Bue.
5, Auftritt.
Hansmichel und Hansel kommen.
Hansmichel.
Ich muss mein Nachbarn heimsuchen kemma
und hätt a zwei, a drei Wort anz'bringen.
Kletzenprobst.
165 Na g' freut mich, mein Nachbar. Was soll's denn
sein?
Hansmichel.
Ich bin schon alt und matt, thut ma schon a
Ruh von Nöthen: so will ich halt mein' Hansel
übergeben ; da brauchet halt mein Hansel a Weib,
170 da war uns halt 's Nachbarn sein Gredl recht,
wann ma's dahalten konnten.
Kletzenprobst.
Sie dahalt sich schon selber, wann sie nur
z' essen hat.
Hansmichel.
A z' essen werd's wohl was haben : ich mein' wohl,
175 han i a lang g'haust, han noch kein Hunger
glitten,
Kletzenprobst.
Ja, es ist schon recht, aber mein Gredl is halt
noch gar jung. G'fallt sie dir denn, Hansel?
Hansel.
Ei ja, sie g'fallt ma ja, mir ist sie alt a g'nua ;
180 d' Menscha heirathen wohl lieber, weil's jung sein,
als wann's amal alt wern.
202
Kletzenprobst.
Das ist a wahr, aber es lecken die alten Gaisen
a gern a Salz; wann's aber nur die Haiiswirthschaft
versteht.
Hansmichel,
185 Das zweifl' ich nicht, hat sie doch dein Sacherl
a gut g'richt.
Kletzenprobst.
Es war schon Alles recht, aber ös werds eppa
a Geld a braucha, das ist halt nit bei mir.
Hansel.
Ja, wie mehr, wie besser: ich zahlet ihr gern
190 alle Sonntag und Freitag an Wein.
Gredl.
Hansel, in Meth trink ich gern.
Hansmichel,
Sonst wern ma so viel nicht brauchen, was halt
bei der Herrschaft und zu der Heirath aufgeht.
Mein Bue ist sonst a fleissiga Mensch, es lasst
195 sich was dahausen a no.
Kletzenprobst,
Jetzt lasst sich halt gar wenig dahausen. Na,
na, weil's denn a so a Freud z'sammhabt, so will
ich sehn, dass ich eppa a 100 Gulden z'samm-
bring, dass ich's ihnen geben kann.
Hansmichel,
200 Ist schon gut, ist schon gut.
Hansel,
Vatter, wie mehr, wie besser : meinet aber 1 000
Gulden.
Kletzenprobst,
Darzue will ich ihnen noch geben eine Kuh,
eine Gais und ein' Bock, ein Schaf, ein Fadel und
205 a zwei Hühner.
2^3
Hansel,
Gais und Bock derft's jetzt nimmer halten oder
austreiben.
Kletzenprobst.
Es wird wohl wieder besser werden. Ein Stückel
haberne Leinwat, a wenig an Haar, ein' Seiten
2IO Speck und ein Leib Schmer zum Schuhschmieren
werd ich ihnen auch noch geben ; auf das lass ich
mich ein und meinet, ös sollts zufrieden sein.
HansmicheL
Mit dem sein mir schon zufrieden; wann's dein
und da Gredl ihr Willen ist, sein mir schon gleich,
215 bis Alles richtig ist bei dem Pfleger.
Gredl.
Ich bin schon mit mein Hansel zufrieden.
Hansel.
Und ich mit meiner Gredl.
Kletzenprobst.
Aber eins muss a noch sein : zum Pfleger musst
hingehen und ihm Alles sagen, damit die Anstalt
220 zu der Heirath und zu der Uebergab kann gemacht
werden.
Hansel.
So geh ma gleich, geh ma g'schwind, so bekimm
ich mein Gredl bald.
Gredl.
Und ich meinen Hansel.
Hansmichel.
225 Ich geh schon. So weiss ma wie oder wann.
Alle ab.
6. Auftritt.
Dreinl kommt allein, sie weint.
Dreinl.
Ei ja, das hätt ich mein Lebtag nicht glaubt,
dass mein Hansel kunnt so falsch sein : er hat all-
264
weil g'sagt , er will mich heirathen, und jetzt will
er des Kietzen probst Gredl heirathen , a so a
230 junges Flitscherl: henken ihr noch die Windeln
hinten. Na, es muss nit sein, ich lass ihr'n a nit.
Weint wieder. Aber was will ich anfangen? Ich bin
ein armer Narr, Niemt han i auf meiner Seiten!
wie stell ich's an? A so wird man betrogen von
235 Mannsbildern: zum Löffeln und Karessiren ist ma
ihnen recht, wann's zum Heirathen kommt, zeigen s'
an d' Feigen und lassen an sitzen. Au weh , au
weh? Weint -wieder. Ich glaub na schier nit , dass
mein Hansel so falsch könnt sein , dass er sollt
240 ein' andre heirathen; es hat's zwar a Weib g'sagt,
a wer weiss , ist's wahr. Jetzt wer i nachfragen
oder ich schau, dass ich selber zu ihm komm ; ist's
wahr, so lass ich ihr'n nit: eh ich das thu, kreil
ich ihr die Augen aus , reiss ihr d' Haar aus den
245 Kopf. Mein' Hansel muss ich haben, ich muss
wissen, wie's ist. Geht ab.
7. Auftritt.
Hansel und Gredl kommen.
Hansel singt:
O liebe mein Gredl, weil es kommt drauf an,
Dass du wirst mein Weiberl und ich dein
Mann,
So müss ma ja gleichwohl eh reden davon :
250 Was soll ich einkauffa, wie stell'n ma's All's an?
Gredl.
Du giebst mir a G'wandl, neu' Strumpf und neu*
Schuh,
A Kittel einbandelt, a Miader dazu:
Du wirst ja wohl a neu's G'wandl anlegen,
A schön's weisses Pfaidl wir ich dir schon
geben.
265
Hansel.
255 Aft geh ma hin um den Pfarrer sein' Segen,
Und lassen uns beide von ihm z'samma geben:
Die Hochzeit wird müssen beim Amtmann
wohl sein,
Da krieg'n ma gut z' essen und z' trinken an
Wein.
Gredl,
O lieber mein Hansel, eins muss ich dir sagen,
260 Den Dudelsackstephel, den müss ma a haben.
Den Broder Veitl a mit der Schalmei:
Aft woll ma sein lustig und tanzen dabei.
Hansel.
Wie meinst denn han , Gredl ? Wem willst du
denn haben?
Wen woll ma denn Alle auf d' Hochzeit ein-
laden ?
265 Des Kerschbauer Hiesl, Krenriapl dazue,
Das ist ja a ninda, a gar hübscher Bue.
Gredl.
Den Kronawet Jodl a mit seiner Ursch,
Des Zwifelmayr Franzi ist a a hübscher Bursch,
Die Stehrbauer Liesel und d' Hasenmayr Gred,
270 Des Katzenbauern Veverl i a gern hätt.
8. Auftritt.
Hanstnichel tritt auf.
Hansmichel.
Weisst du was, Hansel? Schau, da han ich das
Ventari, du kannst es selber lesen, so hört's dein
Gredl und ihr Vater, der Kletzenprobst selber, was
ich dir übergeben will, und wie's Alles geschazt
275 ist wor'n nach deiner Mutter.
266
Hansel.
So lass schaiin , Vater , ich han's weiter selber
noch nie g'lesen. Liest das Inventar. A für mich
ist's schon recht, wie meinst du han, Gredl?
Gredl,
A wir wollen schon hausen mit dem Sachel.
Kletzenprobst.
280 Ich meinet ja wohl a, ös sollts hausen können
mit den G'raffel.
Hansmichel.
So wöll ma glei zum Amtmann hingehn und ihm
sagen, dass mein Hansel und dein Gredl mit dem
Ventari zufrieden sein : so kunnt über acht Tag
285 die Hochzeit und also glei die Uebergab g'scheha.
Kletzenprobst und Hansmichel gehen ab.
Hansel.
Ja, ja, so macht ös nur gut, ich und die Gredl
müssen a erst gar ausreden ; aber wie meinst
denn han, Gredl?
9. Auftritt.
Dreinl tritt auf.
Dreinl.
Na, jetzt muss ich wohl glauben, was die Leut
290 gesagt haben.
Hansel.
Na, was han s' denn gesagt, was meinst denn?
Dreinl.
Ha , frag . . . Du willst den Sauhammcl , den
Mistfink , das Flitscherl , die Kletzenprobst Gredl
heirathen.
Hansel.
295 Es kann wohl sein, ich weiss nicht. Abseits.
Jetzt bin ich recht ankemma.
Dreinl.
Hast du mir nit schon längst versprochen , du
wollst mich heirathen?
267
Hansel.
Es kann leicht wohl sein, ich weiss weiter nichts
300 drum.
Dreinl.
Was ? . . . Willst du es laugnen ? Hast du mir's
nit oft versprochen? Meinst du, ich wir mich von
dir foppen lassen? Bild dir's nur nit ein. Na,
es muss nit sein. Geht zti der Gredl. Und du Sau-
305 luder, du Trampelthier, du Lochbär, bild dir's nit
ein, dass du mein' Hansel bekemma wirst.
Gredl.
Was? Du willst mir mein' Hansel nit lassen?
Du Mistbutten, du Trampelthier, du alte Waldun-
form, du Sauleder, du sollst dich unterstehn; geh,
310 sag ich . . . oder ich schlag dich himmelblau.
Springen gegeneinander.
Hansel.
Na, na, seids gut miteinander, seids gut! Was
werd's da gehn Händel anfangen?
Dreiftl.
Du, du, jetzt sag mir's glei g'schwind, ob du
mich heirathen willst oder nit.
Hansel.
315 Ich weiss halt a nit. Han, hast du Geld a?
Drei?il.
Das weisst eh, dass ich kein Geld han.
Hansel.
So mag ich dich a nit: jetzt geht Alles auf das
Geld; die kein Geld hat, kriegt a kein Mann.
Dreinl.
Was, du willst mich nicht heirathen?
Sie fährt dem Hansel ins Haar.
ANHANG.
*
DAS LEIDEN CHRISTI.
Passionsspiel aus dem Gurkthale in Kärnten.
Mit einem Zwischenspiele und einem Nachspiele.
m
PERSONEN.
Christus.
Judenhauptmann.
Maria, seine Mu
Johannes.
tter.
> Rittmeister.
Zweiter J
Petrus.
Judas.
f'" Uhürhüter.
Zweiter J
Jacobus major.
Hausmagd.
Jacobus minor.
Ein Engel.
Philippus.
Andreas.
Jünger Christi.
Longinus.
Simandl.
Thomas.
Nachtwächter.
Bartholomäus.
Malchus.
Simon.
Erster
Thaddäus.
Zweiter
> Jude.
Paulus.
Dritter
Martha.
Vierter
Magdalena.
Der Freimann.
Veronika.
Der Hausvater.
Herodes, König
in Judäa.
Joseph von Arimathia
Pontius Pilatus,
Landpfleger.
Nikodemus.
Kaiphas. 1 ,_ ,
} Hot
Annas. J
le Priester.
Der Tod.
I,ucifer.
Mendax.
Drei Teufel.
Falsut.
Barrabas.
Fraudolo.
Nabulü.
* Ph
arisäer.
, . , } Schacher.
Linker j
Dolax.
Robam.
«^
Erster Aufzug.
I. Auftritt.
IVald.
Der Engel als Prologus.
Engel singt.
Mensch betracht und fass zu Herzen,
Wie sündhaft lebst du auf der Welt :
Thue mit Gott nicht länger scherzen,
Sonst ist es mit dir gefehlt.
5 Du willst nur in Wollust leben,
Denkst nicht an die Ewigkeit:
Thue dich bald zur Buss begeben.
Sonst wird dir zu kurz die Zeit.
Secht da, Christus, der Sohn Gottes
IG Leidet für euch grosse Pein,
Wird der Gegenstand des Spottes:
Könnt ein' grössere Liebe sein?
Schon am Oelberg fühlt er Qualen
Ueber das, was ihm nun droht;
15 Er will eure Schuld bezahlen,
Euch erlösen von dem Tod.
Nicht allein mit Ruthenstreichen
Wird sein zarter Leib verletzt,
Auch mit einer Krön desgleichen,
20 Die mit Dörnern ganz besetzt:
Muss er auch das Kreuz noch tragen.
Sogar leiden auch den Tod,
Damit er von Höllenqualen
Euch erlöse von der Noth. Ge/u ob.
272
2. Auftritt.
Der Tod allein.
Tod singt:
25 Alles muss zu Grabe,
Das ist meine Gabe
Mit der Sense hier.
Reich' und arme Leute
Werden meine Beute,
30 Kommen einst zu mir.
Weiland gross und edel
Nickte mancher Schädel
Keinem Grusse Dank.
Manches Beingerippe
35 Ohne Wang und Lippe
Hatte Geld und Rang.
Mancher Kopf mit Haaren
War vor wenig Jahren
Schön, wie Engel sind:
40 Tausend junge Fäntchen
Leckten ihm das Händchen,
Gafften sich halb blind.
Selbst dem Welterlöser
Geht es auch nicht besser,
45 Er muss auch ins Grab.
Wegen euren Sünden
Muss ich ihn auch finden,
Muss mit mir hinab.
Tod redet:
Die Sünde, die der Mensch begangen,
50 Hat mich in diese Welt gebracht.
Weil er nach ihr thät stets verlangen
Und das Gebot nur hat veracht't:
Drum hab ich die Gewalt erhalten
Zur Straf der Sünde jedermann,
55 Sowohl die Jungen als die Alten
Zu tödten, ich gieb kein Pardon.
273
Mein' Macht erstreckt sich nicht all eine
Auf diese gross' und weite Erd,
Auch in das tiefe Meer, auf Steine,
60 Womit die höchsten Berg beschwert.
Es sei der Mensch auch in Castellen
Und festen Mauern aufbewahrt,
Mein Pfeil wird ihn gewiss nicht fehlen,
Sei gleich die Festung noch so hart.
65 Darum, o Mensch, sei stets gefasset.
Weil dir die Stund ist nicht bekannt:
Wenn dich mein' magre Hand umfasset,
So würg ich dich, du eitler Tand. Geht ab.
3. Auftritt.
Christus mit seinefi Jüngern,
Christus,
Ihr wisset, liebste Jünger mein,
70 Dass die Ostern nahe sein.
Auch dass des Menschen Sohn auf Erden
Dem Tod soll übergeben werden,
Durch Ruthen, Geisseistreich und Dorn,
Damit das Schaf nicht geh verlor'n !
75 Ich hab es Euch längst offenbart.
Was sich jetzt zeigt in Gegenwart:
Die Feinde suchen mich mit List
In ihre Gewalt zu bringen :
Sie eifern sich zu jeder Frist,
80 Ihr' Absicht zu erringen.
Jedoch die Stund ist noch nicht da
Zu meinen grossen Leiden:
Lasst uns gehn nach Bethanea
Zum G'nuss der letzten Freuden,
85 Wo ich noch hoff, der Mutter mein
Und auch den Freunden eben
Vor meinem Tod das Lebewohl
Und auch Urlaub zu geben.
Geht mit den Jüngern ab.
Volksschauspiele. II. 18
274
4- Auftritt.
Saal.
Kaiphas sitzt mit den Schriftgelehrten im Rat he.
Kaiphas.
Euch sind bekannt, Ihr lieben Herren,
90 Christi That und falsche Lehren 1
Viel Volk hat er an sich gezogen,
Mit falscher Lehre Viel' bewogen :
Und lasst man ihm ferner seinen Muth,
Die Juden er verführen thut:
95 Und fallen uns die Römer ein,
Vom Lande wir vertrieben sein.
Drum saget mir, hochweiser Rath,
Wie man das Uebel an der Statt
Ausrotte, dass der höchste Zorn
100 Unsers Gottes nicht entbrannt.
Und dass für uns nichts geh verloren,
Auch Gott nicht strafe unser Land.
Darum wir uns der Sach bedenken.
Da es noch Zeit ist zu der Stund,
105 Wie man es kann zum Guten lenken:
Sagt, was man hat zu thun jetzund?
Robam,
Man muss mit Listen unterkommen,
Dass er in unsre G'walt wird g'nommen !
Der Vogel muss gefangen werden,
iio Sodann kann man sein Nest verderben.
Dolax.
Es ist gewiss, ich halt's für wohl,
Kein' Freiheit er mehr haben soll.
Fraudolo.
Liegt er geschlossen in der Keuchen,
Das Volk wird bald von ihm abweichen.
Nabiih.
115 Nur nicht gleich an dem Ostertagl
Das Volk aufrührisch werden mag.
275
Mendax.
Im Tempel ist er uns oft entgangen,
Wie werden wir ihn jetzt dann fangen?
Falsut.
Gar oft durch Zauberlist
I20 That er vor uns verschwinden:
Da er ein Zaubrer ist,
Wie werden wir ihn finden?
Kaiphas.
Des Höchsten Macht wird es
Für uns wohl bringen hin,
125 Dass uns erfreue dann
Der gut gefasste Sinn.
Mittelvorhang fällt. Alle ab,
5. Auftritt.
Gasse.
Lud f er mit den Teufeln.
Lucifer singt:
Ihr Höllenhund',
Kommt aus dem Schlund 1
Nur eilet, nicht weilet :
130 Merkt auf, ihr Höllenhund',
Was ich befehl jetzund.
So wisset dann,
Spannt Kräfte an !
Nur schauet und lauert
'35 Und gebet kein' Pardon!
Ich schwör' s beim Höllenthron.
Des Geizes Macht
Nur wohl betracht't:
Nur schmeichlet und heuchlet
140 Bei Tag und auch bei Nacht,
Bis ihr gewinnt die Schlacht.
276
Nur Fallstrick legt
Auf alle Eck!
Euch übet, bemühet,
145 Dass Ihr ein Seel bewegt
Und sie zur Hölle kriegt !
Lucifer bleibt, die übrigeti Teufel ab.
6. Auftritt.
Judas und Lucifer,
Judas.
Was sind das für Hochmuthspossen,
Was für leere Prahlerei?
Hab hiervon doch nichts genossen:
150 Was nützt die Verschwenderei?
Klug und sparsam soll ich hausen,
Geld soll in der Cassa sein
Ich muss mit ihm anders hausen,
Meisters Thun geht mir nicht ein :
155 Mahlzeit halten macht viel Kosten,
Und dem Beutel kleckt es nicht,
Besser wär's, das Geld könnt rasten,
Als dass man keins drinnen sieht.
Es wird wohl nicht lang mehr klecken,
160 Hab's ein wenig überzählt:
Wo werd ich mein' Mund hinstecken.
Wenn der Beutel nichts mehr hält?
In Simonis Haus mein Meister
Oft mit Weibern recht brav schmaust,
165 Er macht's immer mehr nur dreister,
So dass es davor mir graust.
Lucifer von hinten.
Ein Brunn, der ziemlich tief,
Lasst sich auch wohl ausleeren.
Ein Goldberg auch auslief,
170 Könnt auch nicht ewig währen :
Greift man das Hausen an
Mit kostbarlichen Sachen,
277
Es nicht bestehen kann,
Muss einst in Trümmer krachen.
Judas.
175 Was hat nicht Magdalenas Salb'
Gekost't, da man's erstanden?
Wenn sie nur hätt verbraucht die halb',
War noch etwas vorhanden :
Verschmiert die ganze Büchsen voll
180 Auf Meisters Haupt und Füssen;
Das Ding mich schwierig macht und toll,
Kann billig mich verdriessen.
Lucifer,
Dies soll dir rauchen in dem Kopf,
Sollst nirgends sicher gehen :
185 Du bist schon ein verlassner Tropf,
Wer wird ohne Geld bestehen?
Dein Meister sich feindselig macht.
Verwirft sich bei den Leuten,
Sein Predigt ihn'n den Kopf verschmacht.
190 Will alten Brauch ausreuten.
Judas.
Wir Jünger ganz verhasset sein.
Niemand will uns mehr trauen.
Man ist uns allen spinnenfeind,
Thun uns nur schief anschauen.
Ltuifer.
195 Hast nur ein Leben, das dir Heb,
Sollst dich in G'fahr nit geben :
Dich bald aus Meisters G'schäften schieb.
Und rett dir selbst das Leben. Geht ab.
7. Auftritt.
Judas allein.
Jttdas.
Jetzt fallt mir ein Gedanken ein,
200 Den ich gleich will beginnen:
278
Ich geh, verkauf den Meister mein,
Gleich laufe ich von hinnen.
Der Handel tragt mir grossen VVerth,
Indem die Juden ihn feinden :
205 Mir ist ein guter Preis beschert,
Verlassen ist er von Freunden.
Ich weiss, dass sie beisammen sein
und trachten, ihn zu fangen:
Allons, wohlan, der Preis ist mein,
210 Sie warten mit Verlangen.
8. Auftritt.
yudas, Kaiphas, Annas und die ganze Priesterschaft.
Judas.
Ihr hohen Priester und Rabinen! Für sich.
Gut, sie spitzen die Ohren schon :
Das Zeichen, das sie mir geben,
Verspricht mir einen guten Lohn.
215 Zwar verliert mein Meister 's Leben,
Doch was schert mich sein Blut,
Denn der Wink, den sie mir geben,
Zeigt mir alles Glück und Gut. Zu ihnen gewendet.
Gebet mir ein schwer Stück Gold,
220 Ihr suchet Christus einzufangen!
Kürzlich Ihr ihn haben sollt.
Kaiphas.
Sei uns willkommen, mein lieber Mann !
Von Gott du heunt recht kommest an :
Meinst du es ernstlich und treu,
225 Dreissig Silberling dir versprochen sei. Zählt das Geld.
I, 2, 3, damit der Handel richtig sei,
4» 5> 6, 7, 8, Juda die Sach wohl betracht.
9, IG, II, 12, dass wir ausrotten solche Wolf.
13, 14, 15 die halbe Zahl,
230 Juda betracht es noch einmal.
16, 17, 18, 19, 20, 30, Juda, nimm das Geld,
sei lleissii^.
279
jftidas^ das Geld einstreichend.
Ich schwöre Euch bei meiner See],
Ein Mann ich mich verpfände,
Dass kürzlich dieser böse G'sell
235 Soll kommen in Eure Hände. Geht eilig ab.
Kaiphas,
Der Grund zum Werk schon lieget fest,
Es wird uns gelingen auf das Best.
Mittelvorhang fällt.
9. Auftritt.
Gasse.
yudas kommt rasch allein.
yudas.
Ich hab den Handel gesponnen an,
Dies red ich im Vertrauen :
240 Mein' Meister ich verkauft hab schon,
Mass mir um ein Mittel schauen.
Um 30 Silberling hab ich
Im Rath den Kauf getroffen,
Des Meisters Leben sei immer hin,
245 Jetzt heisst es zugeloffen. Läuft ab.
10. Auftritt.
Christus, Maria ^ Magdalena und Martha.
Christus.
Liebste Mutter, komm mit mir.
Die Stunde ist zugegen.
Da ich muss scheiden nun von dir,
Muss mich von dir entwegen.
250 Es kommt mich hart und bitter an,
Dich, Mutter, zu verlassen,
Sieh, dir befiehlt's dein eigner Sohn,
Muss gehn die Todes-Strassen :
28o
Mai-ia.
Ach, du mein allerliebstes Kind,
255 Du Freude meines Herzen,
Ach, leider ich nunmehr empfind
Die mütterlichen Schmerzen.
Ich bitte dich, kindliches Herz,
Thue dich dem Tod entziehen,
260 Dadurch kannst lindern mir den Schmerz
Thue doch das Leiden fliehen !
Christus
Was Gott einmal geordnet hat,
Das muss geordnet bleiben,
Ich zahl der Menschen Missethat,
265 Die Lieb thut mich so treiben.
Alaria.
So spar doch dein unschuldigs Blut,
Kannst wohl noch Mittel finden.
Der Welt kannst sonst noch werden gut,
Thue dich dem Tod entwinden.
Christus.
270 Gleichwie der Mensch verloren hat
Beim Apfelbaum das Leben,
Der G'nuss war ihm ja tödtlich schad,
Sein Heil hat er vergeben :
So thuet auch mich in gleicher G'stalt
275 Die Liebe hart bezwingen.
Die Sund den Menschen g'fangen halt,
Ich musst ihm 's Leben bringen.
Maria.
O Jesu, liebster Sohne mein,
Thut meine Bitt nichts crklecken?
280 Sollen meine Worte umsonst alle sein?
Ich thu die Arm ausstrecken :
Erhör mein' dritt und letzte Bitt,
Lass mich nur dies erwerben,
Nur diese mir abschlage nit,
285 Lass mich mit dir auch sterben.
28l
Christus.
Ich bitt, o Mutter, schaff dir Ruh,
Kann dir's diesmal nicht gewähren,
Der Tod, der steht dem Sohne zu,
Thu mich nicht so beschweren.
Maria
290 Gott sei's geklagt, weil's doch sein muss,
Ich kann nicht sein entgegen,
Gieb mir doch aus deinem Gnadenfluss
Den himmlisch letzten Segen. Sie kniet nieder.
Christtis.
Der Vater in dem Himmelreich,
295 Der wolle dich gesegnen.
Der heilige Geist lass dir zugleich
Kein Unheil auch begegnen:
Nun ist es Zeit, dass ich mich gieb
In meines Feindes Händen,
300 Um Alles, was da malt die Schrift
Zu leiden, Strick und Banden.
Maria.
So geh, mein Sohn, erlös die Welt,
Und thue nach Gottes Willen :
Weil es ansonst war schlecht bestellt,
305 Thue dies mit Blute stillen.
Der Vater wolle dir beistehn,
Den du zum G'leit mir geben,
Und mit dir zu dem Tod hingehn :
Bring uns das ewige Leben. Christus geht ah.
Martha.
310 Behüt dich Gott, o liebster Herr!
Wir danken dir für deine Lehr,
Auch um all die erzeugte Gab,
Die ich von dir empfangen hab.
Magdalena.
Wir werden ihn bald wieder sehn,
315 Wenn er vom Grab wird auferstehn,
282
Denn die Band' des Todes wird er zerreissen,
Wie er uns tröstlich hat verheissen.
Alaria,
Es ist schon untergegangen
Die Sonne, meiner Augen Freud,
320 Die Nacht, die hat naein Herz umfangen,
Ach, bitter schwere Traurigkeit !
Voll Gnaden sind die Ort',
Wo wir beisamm' gesessen.
Viel tausend süsse Wort'
325 Von ihnen hab gelesen:
Mein Herz wird eh nicht rasten,
Bis mir von ihm ein Post
Ankommt und mich von Lasten
Befreit und bringet Trost.
Magdalena.
330 O, Nacht der Traurigkeit,
O, bittres, schweres Leid!
Wo finden wir nun Freud
In dieser Trauerweid r
In diesem Zährenthal
335 Ist nichts als lauter Weinen,
Wo uns die Sonn niemal
Kann fröhlich heiter scheinen.
Doch wer die edle Frucht
Der Rosen will abbrechen,
340 Der schreite ohne Furcht,
Lass sich von Dörnern stechen.
Maria dich erhalt.
Ermuntere deine Seele:
Gott giebt uns seine G'vvalt,
345 Dass uns kein Unheil quäle.
Martha.
Gott hat mit seiner Gnad
Uns aufrecht oft erhalten,
Er wird auch fernerhin
Uns schützen dergestalten. Alk ab.
283
II. Auftritt.
Saal.
Kaiphas, Annas, erster und zweiter Thürhüter, die Priesterschaft,
Judas.
Kaiphas.
350 Wahr ist der gemeine Spruch und Sag,
Wenn man den Fuchs nennt,
Es sei gleich Nacht, es sei gleich Tag,
So kommt er hergerennt.
Annas.
Sei uns Willkomm', mein lieber Freund 1
355 Du hast dich lang verweilt.
Judas.
Ich hab, weil Ihr beisammen seid,
Mit Hand und Füss geeilt :
Verzeihet mir, dass ich so sehr
Vor Mattigkeit muss schnaufen,
360 Weil ich von meinem Posten her
So eilends bin gelaufen.
Verweilet nicht, jetzt ist es Zeit,
Beruft zusamm' Soldaten,
Versehet Euch mit G'wehr und Leut,
365 Der Fang wurd uns schon g'rathen.
Robam .
Wo hält sich denn dein Meister auf,
Ist er mit Leut versehen?
Judas.
Mit seinen Jüngern ist er wohlauf,
Es kann gar leicht geschehen :
370 Wir speisen mit ihm das Abendmahl,
Es hat ihm nichts geträumet.
Versammelt eine starke Zahl !
Nur hurtig, nichts versäumet.
Kaiphas zum ersten Thürhüter.
Ihr geht gleich hin zu meiner Wacht
375 Sagt, ich hab es geschaffen,
284
Dass Alles sich sogleich aufmacht
Mit Keulen, Spiess und Waffen. Erster Portier ab.
Annas zum zweiten Portier.
Ingleichen ohn Verzug hinlauft
Zu meinen Offizieren,
380 Dass sie sich sammt dem Unterhauf
Sogleich ZUSamm' rottieren. Zweiter Portier geht ab.
Kaiphas.
Das Volk der ganzen Stadt
Soll man zum G'wehr aufbieten,
Den Aufruhr, der sich eingewurzelt hat,
385 Mit Ernst zu verhüten.
Jtidas.
Die Fürsorg ist eine gute Sach,
Das Uebel abzuwenden,
Das Elend kommt dann hinten nach
Wenn die G'fahr ist bei Händen.
JMendax.
390 Es fordert auf die grösste Noth,
Pilatum zu berichten,
Dass er alsdann eine grosse Rott
Der G'waffneten soll richten.
Kaiphas.
Sein Hauptmann, der soll commandir'n,
395 Judas wird ihn schon weidlich führen.
Judas.
Mein Treu will ich gewiss nicht spar'n,
Ihr sollt mich wahrlich preisen.
Doch muss man etwas noch verharr'n,
Er könnt sich uns entreissen.
400 Ich aber bitt, mich nicht verlasst,
Lasst mir nichts Uebles g'schehn.
Wann mich vielleicht ein Jünger fasst,
Thut mir sogleich beistehn.
ich hab's zwar schon und wohl im Kopf,
405 Es wird mir nicht viel gelten.
285
Ein arger Fuchs, mein rother Kopf,
Er ist kein Narr zu schelten.
Ihr Herrn, ich gehe jetzt davon,
Werd bald mich wieder melden,
410 Sonst möcht der Meister noch zu Lohn
Mich's lassen hart entgelten.
Falsut.
Du bist doch ein rechtschaffner Mann,
Wirst dein Parola halten.
Fraudolo,
Wohl dem, der's recht anschicken kann,
415 Wir lassen ihn Alles walten.
Nabulo,
Du selbst aufs Best dein' Meister kennst,
Wie sein' Natur beschaffen.
Dolax.
Wohin du deine Augen wendst,
Dahin woll'n wir auch haschen.
Judas.
420 Vor einer Sach mir grauset schier.
Wann er sein' Kunst will brauchen:
Ihr Herren, Ihr könnt nichts dafür,
Mir thut's in die Nasen rauchen:
Vor wenigen Tagen hat er noch
425 Ein' Todten auferweckt.
Kaiphas.
Dies haben wir erfahren auch.
Sind wenig drob erschreckt.
Dolax.
Man bind ihm geschwind die Hand zusamm',
Dass er nichts kann ergreifen.
Fraudolo,
430 Begierd steht schon in voller Flamm,
Wir wollen ihn lehren pfeifen.
286
Annas.
Wohlan, viel Glück zu deinem Werk!
Du hast es wohl von Nöthen :
Gott gieb dazu dir Glück und Stärk,
435 Wann du zu ihm wirst treten.
Nabulo.
Und wann du dieses recht verricht'st,
Einen Lohn wir dir noch geben.
Mendax.
Schau, Judas, wie du dich verpflicht'st.
Du musst dich hinbegeben.
yudas.
440 Weil ich Courage im Beutel hab,
Will ich mich tapfer stellen ;
Wenn ich mein' Mund mit Weine lab,
Thut's Herz vor Freuden schwellen.
Wann nur das Volk bald kam herbei,
445 Ich kann nicht mehr lang warten,
Mein Meister ist mir g'wiss und frei
Am Oelberg in dem Garten.
Robatn.
Wann er in unsern Händen ist.
Wird er nichts können machen.
Falstit.
450 Habt doch nicht Sorg auf Zauberlist,
Es sind nur Fabelsachen. Der Miitdvorhang fällt.
I 2. Auftritt.
yudas, yudcnJiaiiptniann, erster und zivciicr Thitrhütcr, z'vci
Rittmeister und die Judenrotte.
Erster Thürhüter.
Allons, Ihr Herrn, richtet Euch zu Pferd,
Mit Ketten, Strick und Stangen :
Des Kaiphas Rath hat P^uch begehrt,
455 Den Hexenmann zu fangen.
287
Des ludas Kuss soll sein das Loos,
Seht, welchen er wird küssen !
Ach, mein' Begierd zur Räch ist gross,
Seid eifrig und beflissen.
Hauptmaiin.
460 Pilatus sich dem hohen Rath
Empfehlen höflich lasset.
Die Trupp, die man begehret hat.
Euch hier zu Diensten lasset.
Doch geht Ihr nun zu Pferd geschwind,
465 Thut Euch hernach rechts schwenken :
Verriebt' das Amt, die Pflicht beginnt,
Man wird es Euch gedenken.
yudenrotte.
Ein rechtes Zeichen gieb uns behend,
Dass er von uns gleich wird erkennt.
yudas.
470 Ein Kuss am Mund soll sein das Loos,
Drauf geht nur fein und tapfer los. Alk ab.
13. Auftritt.
Christus mit seinen Jimgern.
Christus.
Ihr liebsten Jünger allgesammt,
Die Zeit thut sich annahen :
Ihr wisst, die Zeit der Ostern kommt,
475 Lasst uns zur Herberg gehen,
Um zu geniessen das Osterlamm
Nach altem Brauch mitsammen,
Damit die Schrift erfüllt wird dann :
Seht, dass wir bald hinkommen.
480 Du, Petrus, und Johannes dann,
Geht vorhin in die Stadt,
Bereitet dort das Osterlamm,
Sorgt, dass man Wasser hat.
Christus mit den Jüngern ab.
288
14- Auftritt.
Petrus, Johannes und der Hausvater.
Petrus.
Weisst du was, mein liebster Freund?
485 Es will bei dir einkehren
Der Herr mit seinen Jüngern heunt,
Das Osterlamm zu ehren.
Ich glaub, du wirst es abschlagen nicht,
Was wir von dir begehren.
Hausvater.
490 Gross' Freud hab ich ob dem Bericht,
Dass er mich so will ehren :
All's stehet ihm zu Dienstespflicht,
AU's will ich ihm gewähren :
Was nur vermag mein ganzes Haus,
495 Soll ihm zu Diensten sein,
Weil er bei mir gewählet aus,
Die schlechte Einkehr mein.
So kommt mit mir, vielleicht ist er
Schon bei mir in dem Saal,
500 Damit er nicht lang warten darf
Auf seiner Jünger Zahl.
Gehen ab. Der Mittelvorharig wird aufgezogen.
15. Auftritt.
Christus sitzt mit seinen y imgern bei Tische, dazu kommt
der Hausvater mit Petrus u?id Johannes.
Christus.
So seid gegrüsst, o Freunde fromm,
Der Segen in dein Hause komm,
Mit meinen Jüngern ich verlang
505 Zu geniessen hier das Osterlamm.
Hausvater.
Ich grüss dich, liebster Meister mein.
Dir soll all's zu Diensten sein.
Es freuet sich dein armer Knecht,
Weil du sein Haus nicht hast verschmächt.
289
Christus.
510 Es sei gesegnet diese Speis,
Die wir anjetzt geniessen :
Es freuet mich auf alle Weis
Mit Euch das Lamm zu essen.
T heilt die Speise aus.
Nun höret, liebste Jünger mein,
515 Lasst Euch nur nichts betrüben,
Ich sag's Euch allen insgemein —
Giebt den Kelch dem Petrus.
Hinfür werd ich nichts mehr geniessen.
So nehmet hin, theilt unter Euch
Trinkt alle mit einander:
520 Der Vater in dem Himmelreich,
Der segne Euch besonder.
Steht auf tind sagt zum Hausvater:
Liebster Vater, ich dich bitt.
Du wellst mir Wasser bringen.
Ein Tuch, du wirst' s abschlagen nit,
525 Mein' Lieb wirst du gewinnen.
Der Hausvater bringt ein Wasserbecken und ein Ttich,
laelches Christus nmbindet , der dann bei Judas die
Fusswaschung beginnt.
Judas.
Meister, du bist mein Trost im Herzen,
Ja ganz meine Zufriedenheit,
Ich küsse dich von ganzem Herzen
Und liebe dich in Ewigkeit :
530 Judaea sucht dich zwar zu tödten
Und zu räumen aus dem Land,
Mit meinem Tod will ich dich retten
Und reissen aus des Feindes Hand.
Ich bin dir viel und höchst verpflichtet,
535 Und grossen Dank, den sag ich dir,
Dass du dich hast hieher gerichtet
Und kommen bist zuerst zu mir.
Volksschauspiele. II. 19
290
Petrus.
Liebster Meister und auch Herr,
Dies soll geschehen nimmermehr.
Christus.
540 Soll ich nicht waschen die Füsse dein.
So sollst du nicht mein Jünger sein.
Petrus.
O Herr, nicht nur die Füss allein,
Wohl auch das Haupt und die Hände mein.
Johannes.
O grosser Gott am Himmelsthron,
545 Ich liebe dich nur stets fortan.
yacobus major.
Die Gütigkeit ich nicht begehr,
O Jesu mein, o Gott und Herr!
Philipp.
Ich bin nicht würdig, o mein Herr,
Dass du erzeugest mir die Ehr.
Andreas.
550 Die Demuth, Herr, kann ich nicht fassen,
Dass du mir meine Füss thust waschen.
Thomas.
Lass ab, o grosser Herr und Gott,
Ich bin ja nichts als Staub und Koth.
Bartholomäus.
Eh du dies sollst an mir vollziehen,
555 Eh lass ich mir die Haut abziehen.
yacobus minor.
Die Demuth hat mich so erschreckt,
Dass du, o Herr, dein' Lieb erweckt.
291
Simon.
O Freundlichkeit, o Herr und Gott,
Was bringst du mir für eine Nothl
Thadäus.
560 Ich kann es an dir nicht gewähren,
Dass du mich also solltest ehren.
Paulus.
O treuer Gott, o Freundlichkeit!
O grosse Lieb, o Süssigkeitl
Chtishis.
Wisset, liebste Jünger, dann
565 Die Lieb thut mich so heissen,
Das Werk, das ich Euch jetzt gethan.
Erfreuet mich dermassen :
Ihr nennt mich Meister und auch Herr
Und seid auch recht daran,
570 Und dies ich auch von Euch begehr,
Thut auch, was ich gethan.
Legt das Tuch weg, setzt sich zton Tisch.
Es ist vollbracht der Wille dein,
O Vater in dem Himmelreich :
So segne auch das Brot allein,
575 Darum ich bitte auch zugleich.
Theilt das Brot den y imgern.
So nehmet nun hin das Brot,
Es ist fürwahr mein Leib :
Ich gehe hin zum Tod,
Vorhanden ist die Zeit. Er segnet den Kelch.
580 Nun trinket aus diesem Kelch,
Es ist fürwahr mein Blut,
Dies wird vergossen für Viele
Und kommt Euch allen zu gut.
Mein Vater will es so,
585 Dass Ihr davon geniesset,
Vom Opfer des neuen Bundes,
Das alte nur vermisset.
19*
292
Ich sag es wahrlich Euch,
Einer wird mich verrathen,
590 Er sitzet unter Euch,
Ich kenn ihn an den Thaten.
Petrus.
O Meister, sag es uns.
Wer dieses Laster führt.
yudas für sich.
Nun, so hat er es gemerkt
595 Und mich ganz ausgespürt,
Dass man auf mich gezielt:
Jetzt ist mein' Arbeit hin ;
Wie wird mein Wunsch erfüllt?
Was bleibt mir zum Gewinn? Laut.
600 Doch Meister, wen geht dieses an?
Bin ich vielleicht wohl dieser Mann?
Christus.
Seht, wie er noch fragen kann !
O Judas, du sprichst recht davon.
Ich weiss ja schon um dein' Ang'stalt,
605 Doch was du thun willst, thue bald!
Judas läuft ab, Christus steht auf.
Ihr wisset, liebste Jünger mein,
Dass nun die Ostern kommen herein,
Drum soll des Menschen Sohn auf Erden
Dem Tod jetzt übergeben werden,
610 Durch Ruthen, Geisseistreich und Dorn,
Damit das Schaf nicht geh verlor'n.
Ich hab's schon lang Euch offenbart,
Was sich jetzt zeigt in Gegenwart.
Die Freunde schon mit Lüsten sinnen,
615 Um mich in ihre Gewalt zu g'winnen.
Ich werde jetzt zwar von Euch scheiden,
Doch bis an's End der Welt bei Euch bleib'n.
Zuletzt geb ich Euch meinen Segen,
Er bleib bei Euch auf allen Wegen.
620 Nun lasst mich auf den Oelberg gehen,
Ich kann dem Leiden nicht entgehen. Alle ab.
293
Z^weiter Aufzug.
I. Auftritt.
Oelberg. Wald.
Christus, Petrus, yohannes u?id Jacohus viajor.
Christus.
Ihr Jünger und Apostel mein,
Wir gehn oft diese Strassen:
Es wird wohl heut das letzt'mal sein,
625 Ihr werdet mich verlassen :
Ihr werdet heut aus Furcht diese Nacht
Von mir abflüchtig werden.
Was geschrieben steht, dies wohl betracht't,
Der Hirt wird g' schlagen werden,
630 Wie auch die Schäflein all zerstreut;
Du Petrus wirst mich verlaugnen :
Eh dann der Hahn dreimal noch schreit.
Wirst du um Flucht umschauen.
Petrus.
O Herr, du redest Wunderding',
635 Sollen wir flüchtig gehen?
Ich hab bei mir ein' scharfe Kling,
Will treulich dir beistehen.
Ich will die Feind', so stark sie sein.
Noch auseinander treiben :
640 Herr, sei verg'wisst, was bei dir ist,
Der dir getreu wird bleiben.
Christus.
Ich hab es dir zuvor schon g'sagt,
Eh noch der Hahn wird krähen
Zum drittenmal wird sich bei dir
645 Dein G'müth noch ganz umdrehen.
Petrus.
Meister, du sollst es von mir erfahren,
Und soll's mein Leben kosten :
Nein, meine Müh werd ich nicht sparen,
Mein Schwert soll nicht verrosten.
294
Christus.
650 Petrus, Jakob und du, Johann,
Setzt Euch und thut da warten,
Ich gehe jetzt den Berg hinan,
Zu beten in dem Garten.
Verharret da und wacht mit mir,
655 Damit mich nichts mehr störet;
Habt Acht, wenn sich was reget hier,
Sobald Ihr etwas spüret.
Nunmehr die Zeit vorhanden ist,
Will mich zum Schluss des Leben,
660 Da mir der Tod lässt keine Frist,
Am Oelberg hinbegeben.
Gellt auf Jen Oelberg, kniet nieder
O Vater, ich bitt für die Sund,
Lass diese mich abbüssen,
Darob ich zwar ein Graus empfind,
665 Der Schweiss fängt an zu fliessen.
Ihr lieben Jünger, die allhier
Thut fleissig beten und wachen,
Der Feind schon klopfet an der Thür,-
Des Menschen Sohn zu schlachten.
670 O Gott, wie steht das Menscheng' schlecht
Leider auf schwachen Füssen :
Ach, dass ich es erlösen möcht.
Mein Blut für sie vergiessen.
Aber die Last ist viel zu schwer,
675 Kann sie nicht leicht ertragen:
Doch Gott, dein Will gescheh an mir,
Ich will mich nicht entschlagen.
Lass meinen Schweiss nicht sein umsonst,
Thu dich der Welt erbarmen:
680 O Vater, gieb mir Gnad und Gunst,
Will dankbar dich umarmen.
Reich mir ein'n Trost, o Engel werth.
Den Kelch will ich austrinken,
Thun alles, was mein Gott begehrt,
685 Vor Schwachheit muss umsinken.
295
2. Auftritt.
Der Engel und die Vorigen.
Engel singt:
Sieh, o Jesu, deine Plagen,
Welche du zu leiden hast,
Thu hierinnen nicht verzagen
Ob der Menschen Sündenlast.
690 Es ist schon im Himmel b'schlossen
Dein' so gross' und schwere Pein :
Bis nicht hast dein Blut vergossen,
Nicht die Welt erlöst kann sein. Weicht zurück.
Christus geht zu den Jimgern,
Simon Peter, schlafest hier,
695 Gedenk, was du versprochen:
Du sagst, du wollest beistehn mir,
Hast schon die Treu gebrochen.
Du sagst, du wollest beistehn mir.
Und kannst ein' Stund nicht beten:
700 Wacht auf und betet doch allhier,
Denn es ist gross vonnöthen. Geht wieder beten.
O Herr, in meiner Angst und Pein
Thu's Todeskreuz mir zeigen.
Dann will ich nun, weil's doch muss sein,
705 Mein Haupt zum Tod hinneigen.
Doch, Herr, es g'scheh dein Will an mir.
Will dir nicht widerstreben :
Bereit bin ich, zu folgen dir.
Dem Tod mich hin zu geben.
Engel singt:
710 Darum, o Jesu, dich ergebe
Dem Befehl des Vaters dein,
Dass der Mensch hinfüro lebe
Und erlöst vom Tod soll sein.
Lass nur wollen dein' Begierde,
715 Die du hast für's Menschen Seel^
Trage nur jetzo diese Bürde,
Und das Leiden dir erwähl. Geht ab.
296
Christus,
Vater, ich bitt zum drittenmal,
Lass mich nicht gar erkranken,
720 Es ist schon gar zu gross die Qual,
Die Sund hat mich in Schranken.
O Herr, ich sehe schon im Geist
Des Feindes Macht ankommen:
Bisher hat mich der Engel g'speist,
725 Jetzt heisst es Urlaub g'nomraen. Geht zu den Jünqem.
Erwachet, liebe Jünger mein,
Die Stund ist nun vorhanden,
Des Menschen Sohn, jetzt muss es sein,
Kommt in des Feindes Banden.
3. Auftritt.
yudas , Hauptmann , erster und zweiter Thürhüter , zwei
Rittmeister sammt der 'yude?irotte und die Vorige?!.
yudas.
730 Bequeme Zeit, hier ist der Ort,
Wo Ihr mein' Meister fanget:
Seid nur fein still, er steht schon dort,
Rieht' Euch mit Strick und Stangen.
Greift eh nicht an, bis ich das Loos
735 Euch gieb : den ich werd küssen,
Den fangt, den ich werd haben lieb :
Seid eifrig und beflissen.
Ihr seid fein g'schwind, bind's ihn nur flugs
Mit Ketten, Strick und Banden,
740 Ya ist ein abgedrahter Fuchs,
Bekannt in allen Landen.
Hauptmann.
Seid keck und bleibt stets hinter mir,
Er kann uns nicht entrinnen,
Seid frischen Muths, geht mit Begier,
745 Mein Herz vor Lust thut brinnen.
Christus,
Ihr, meine Leut, wen sucht Ihr hier?
297
Alle.
Jesum von N^-zareth.
Christus.
Ich bin es. Sie fallen Glieder.
Hauptmajin.
Auf, auf, Ihr Brüder allgesammt,
750 Er hat uns g'schlag'n mit seiner Hand.
Christus.
Sagt ohne Scheu, wen suchet Ihr,
Zu nachts daher gegangen?
Alle.
Jesum von Nazareth,
Den wollen wir fangen.
Christus.
755 Ich hab es Euch zuvor schon g'sagt,
Dass ich es bin, wornach Ihr fragt. Sie fallen nieder.
Hauptvian?i.
Auf, auf, Ihr Brüder, nur behend,
Dass uns der Zaubrer nicht entrennt.
Christus.
Hab's zuvor gesagt, dass ich es bin :
760 Was thut Ihr noch lang fragen?
Ich bin es ja, nehmt mich nur hin,
Ich gehe ohne Zagen.
ytidas.
Meister, zu dir steht all mein Begehr'n,
Ich grüsse dich als meinen Herrn. Er kUsst ihn.
Christus.
765 Bist wohl von Herzen ein guter Freund,
Untreue wird um Rache schreien.
Hatiptmann.
Hui, drauf, Ihr Bursch ! Strick um den Hals,
Thut Hand am Rücken binden :
Legt ihm ein' Ketten an den Hals,
770 Dass er nicht kann verschwinden.
298
Malchus.
Die Ketten sind für solche Leut,
Dich Zauberer zu fangen :
Dich wegzuführen ist hoch Zeit —
Bist uns ins Garn gegangen.
Erster Jude.
775 Wie schmeckt dir das, du schlimmer G'sell?
Gebrauch jetzt auch dein Maul.
Zweiter Jude.
Jetzt bist du an der Zaubrer Stell:
Wie stellst du dich so faul?
Dritter Jude.
Du bist ein lügenhafter Mann,
780 Ein Zauberer desgleichen.
Vierter Jtide,
Rebell, der 's Volk verführen kann,
Thut ihn mit Ruthen streichen.
Petrus.
Holla 1 Ich kann nicht lang zuschaun,
Es ist nicht zu erdulden:
785 Mit meinem Schwert will ich drein haun !
Wir sein da ohn' Verschulden.
Packt Euch von meinem Meister weg !
Was dürft Ihr uns antasten?
Hau dir ein Stück vom Leibe weg,
790 Ihr Buben und Phantasten!
Haut dem Malchus das Ohr ab.
Malchus.
Ach weh, mein Ohr ist abgebaut,
Das Blut fangt an zu rinnen.
Wart, wart! Der Graubart todt mich haut!
Helft, sonst möcht er entrinnen.
Christus.
795 Peter, ich will, steck ein dein Schwert,
Unschuld sollst du nicht rächen :
Nicht recht ist, dass man Räch begehrt,
299
Des Vaters Will muss g'schehen.
Meinst Du, mein Vater könnte nicht
800 Millionen Engel mir schicken?
Doch wie wird dann erfüllt die Schrift
In vorgesagten Stücken?
Hauptmann.
Ei, ei, du ganz unschuldigs Blut,
Der Lügenheit Spectakel!
805 Die Falschheit steckt dir unterm Hut,
Du Laster voller Makel.
Du kommst von einem g'ringen G'schlecht \
Wer ist dein Vater gewesen?
Erster Jude.
Wohl ein nichtsnutzer Zimmerknecht,
810 Wie man die Schrift thut lesen.
Zweiter Jude.
Du sollst den Spott uns nicht anthun,
Dass du auf uns sollst hauen.
Dritter Jude.
Schlagt zu auf diesen Hexenmann I
Lasst uns den Schaden schauen.
Vierter Jude.
815 Du mache ihm den Schaden gut,
Thu dich nicht lang verweilen,
Sonst wir begehren Blut für Blut :
Thu ihm das Ohr anheilen.
Malchus.
Geh her, du schlechter, dummer Tropf,
820 Du kannst gut schwatz'n und gut lügen:
Heil wiederum mein Ohr zum Kopf,
Denn hexen kannst zu G'nügen.
Christus.
Es g'schehe dir, wie du begehrst : Heilt ihm das Ohr an.
Dein Ohr ohn Schmerz soll stehen I
825 Dadurch der Sohn den Vater ehrt:
Nun ist das Werk geschehen.
300
Erster Jude,
Seht, jetzt man leicht abnehmen kann,
Wie er das Hexen treibt.
Zweiter Jude,
Schlag zu auf diesen Künstenmann,
830 Damit er liegen bleibt.
Dritter Jude.
Du bist nicht werth, dass du hier stehst,
Du falscher Rebellirer.
Vierter yude.
Nur tretet ihn, die Rippen stösst,
Er ist ein Volksverführer. Christus fällt nieder.
Christus.
835 Ihr Juden, ganz stockblindes G'schlecht,
Was Zorn ist Euch ankommen ?
Mit Stoss und Streich, bedenkt es recht,
Thut meine Lieb belohnen.
Aus Lieb ich zu Euch kommen bin,
840 Als Gott für Euch Mensch bin worden :
Ihr schleppt mich auf der Erd dahin,
Ehrt mich mit rauhen Worten.
Was ich für Euch aus Lieb gethan,
O thut es doch erkennen,
845 Ich aber trag kein Dank davon,
Thut mich nur grob verhöhnen 1
Hauptmann.
Hört, wie er seine Lieb vorstreicht,
Thut sich sehr freundlich zeigen,
Er macht's ja einem Fuchsen gleich
850 Bei einer Hühnersteigen.
Man glaubt nicht deiner Lügen Wort,
Womit du viel verführet :
Hui, fort mit ihm zur Stadtespfort,
Schlagt zu und brav zuschnüret.
855 Man stelle ihn vor Annas' Palast
Und trete ihn mit b'üsscn :
30I
Eh lass man ihm kein Ruh, ncich Rast,
Bis er genug wird büssen.
Erster Rittmeister.
Halt an, Euch in die Glieder richt'tl
860 Was man befiehlt, pariret!
G'wehr hoch ! Thu jeder seine Pflicht,
Damit Ihr Euch nicht irret.
Wenn jemand hier will dringen durch,
Schliesst Euch, lasst Niemand gehen,
865 Und wenn sich Jemand widersetzt.
So bleibet nur fest stehen ;
So lang bis ich Euch Ordre gieb,
Was weiter ist zu machen :
Merkt auf, wenn Euch der Dienst ist liebl
870 Das sind nicht ringe Sachen.
Zweiter Rittmeister,
Merkt auf, Ihr beide Flügel, gleich.
Wie man wird commandiren :
Die Ordre halt't auf einen Streich,
Und so müsst Ihr marschieren :
875 Der rechte Flügel geht voran.
Dann kommt der Hexenmeister,
Der linke Flügel hintenan ;
So geht der Zug nun weiter. Alle mit Christus ab.
4. Auftritt.
Gasse.
Martha^ Magdalena, die zwei Rittmeister.
Magdalena.
Ach, wenn ich den erwarten kunnt,
880 Den mein' Seel thut verlangen.
Ich wollte küssen seinen Mund,
Vom Herzen gern umfangen.
Ach, jetzt kommt schon die Judenschar,
Jesum gebunden führet,
885 Sein Leben stehet in Gefahr,
Nicht so, wie's ihm gebühret.
302
Martha.
Ich will auch gehen ihm entgegen:
Ach, dass ich ihm könnt Hilfe pflegen!
Erster Rittfneister.
Marsch, marsch 1 Madame, räumt ab den Platz,
890 Sollt Euch auf d' Seiten machen,
Es ist ang'stellt eine arge Sach,
Der Zauberer ist gefangen.
Man wird ihn Annas stellen vor,
Er wartet mit Verlangen,
895 Bis man ihn her zu diesem Thor
Gebracht mit Spiess und Stangen.
Er wird Euch sein sehr wohl bekannt,
Heisst Christus mit sein' Namen,
Insg'mein der Nazarener g'nannt,
900 Von falschen Königsstammen.
Zweiter Rittmeister.
Ich glaub, dass Ihr ihn gar gut kennt,
Weil Ihr Euch traurig stellet,
Ihr seid suspect, ich sag's behend,
Mit ihm stark angesellet:
905 So Ihr mit ihm seid inficirt,
Thut von dem Platz abweichen,
Sonst werdet Ihr verarrestirt,
Man haltet Euch desgleichen. Alle ab.
5. Auftritt.
Maria, darauf der PVächtcr.
Maria singt:
Ach weh, o Schmerz und Pein,
910 Wer giebt mir Trost allein?
Wo soll ich fliehen hin,
Dass ich vergnüget bin?
O Himmel, helfe mir,
O Erd, ich klag es dir :
9 1 5 Sagt mir, wo treft' ich an
Mein' Bräutigam ?
3^3
Wächter singt.
Lost auf, Ihr Kinder Israel,
Wie geht die Uhr heunt gar so schnell 1
Wie geht es närrisch in der Welt?
920 Bald wird man hoch, bald niederg'stellt,
Man sieht's am Nazarener.
Vor wenig Tagen ritt er ein,
Heut wirft man auf ihn Koth und Stein,
Ich rufe als Nachtwächter ein:
925 Hat schon Zwölfe g'schlag'n. Er ersieht A/ariam.
Halt, wer da!
Maria.
Ihr Wächter, saget mir,
Der Ihr nun stehet hier,
Ist Euch dann vor Gesicht
930 Mein Liebster kommen nicht?
Er ist ganz weiss und roth,
Sein' Lefze wie Granat,
Und Jesus heisst sein Nam,
Mein Bräutigam.
Wächter.
935 Ach weh, o zarte Braut!
Wie habt Ihr Euch getraut,
Dass Ihr so ohne Graus
Lauft alle Gassen aus
Bei eitler finstrer Nacht:
940 Wo habt Ihr hingedacht?
Fürcht't Ihr kein Angst noch Leid
Bei finstrer Zeit?
Maria.
Ach nein, o Wächter mein,
Mein Herz ist voller Pein :
945 Vielleicht wisst Ihr dann wohl,
Wo ich hingehen soll,
Dass ich den Liebsten find?
Mein Herz von Liebe brinnt.
304
O Jesu, tröste mich,
950 Wo find ich dich?
Wächter.
Lasst nach, geUebte Braut,
Ruft nicht so überlaut:
Wer weiss, ob ich Euch nicht
Kann geben ein' Bericht:
955 Man hat heut diese Nacht
Ein G'fangnen hergebracht,
Gestossen hin und her,
Geschlagen noch viel mehr:
Ich hört ihn nennen stets
960 Jesus von Nazareth.
Er war zu sehen an
So ein liebreicher Mann,
Voll Speichel hin und her.
Geschwollen noch viel mehr;
965 Sein Haar und Bart so gut
War voller Blut.
Maria,
Ach weh, o Wächter mein,
Dies wird mein Jesu sein.
O schönstes Angesicht,
970 O süsses Himmelslicht!
Wer greift dich also an?
Du hast nichts Leids gethan !
O weh, ich sterbe heut
Vor lauter Leid. —
Wächter .
975 Macht Euch hinweg, o zarte Frau,
Thut folgen meinen Worten,
Denn ich der Wuth des Volks nicht trau.
Es raset aller Orten.
Und wenn man Euch hier finden soll,
980 Wer weiss, was Euch geschähe?
Das Volk ist wahrlich rasend toll,
Gut ist's, dass man weggehe. Erführt sie ab.
305
6. Auftritt.
Saal,
yudas und Annas.
Judas.
Hochvvürdig gnädiger Herr,
Ihr wollet mir vergeben,
985 Dass ich so lauf daher,
Ich denk Ehr einzulegen :
Kürzlich hab ich den Fang
Mit b'sonderm Glück vollzogen,
Mein Meister ist uns schon
990 Glücklich ins Garn geflogen.
Annas.
Wer glorreich prangen will
Mit Palm' und Siegeszeichen,
Der muss nie stehen still.
Sich unverzagt erzeigen.
995 So ist dein Arbeit dir
Wohl nach dem Wunsch gelungen:
Vivat, wie wohl ist mir.
Wir sind nun durchgedrungen!
7. Auftritt.
Zweiter Thürhüter, die Vorigen.
Zweiter Thürhüter.
Annas, hochwürdiger Herr,
1000 Das Volk will da mit Haufen
Eindringen in Palast,
Schockweis zusammenlaufen.
Man bringt jetzt wohl verwahrt
Den Zaubrer ohne Gleichen
1005 Mit Strick gebunden hart,
Dass er nicht kann entweichen.
Annas.
Man lasse sie zu mir,
Ohn weiters Zeitverlieren,
Volksschauspiele. IL 20
3o6
Ich will anhören hier
I o I o Was sie mir offeriren . Thürhütcr geht ab,
zu Jtidas Und du durch deine Treu
Die ganze Welt beglückest,
Weil du uns den Rebell
In unsre G'walt herschickest.
ytidas.
10 15 Ich will salviren mich,
Dann wieder bald anmelden,
Sonst könnt sein Anhang mich
Es lassen hart entgelten.
Annas.
Wir sind dir obligirt,
1020 Man wird dich nicht vergessen.
Dich lohnen, wie's gebührt:
Verbirg dich unterdessen. Beide ab.
8. Auftritt.
Annas^ Hauptmann^ erster und zweiter Thiirhiiter] zxvei
Rittftieister. Malchus, Juden mit Christus,
Hauptmann.
Dass wir bei eitler Nacht
Euch noch incommodiren, *
1025 Ist Ursach dieser Mann,
Den wir zu Euch herführen,
Jesum von Nazareth :
Den haben wir bei Händen,
Der hier gefesselt steht
1030 Sehr fest mit Strick und Banden.
Annas.
Ihr habt sehr gut gedacht
Den Zug gleich zu beginnen,
Halt't ihn nur gut verwacht,
Dass er nicht kann entrinnen.
1035 ^^^st du's, der ohne Schuld,
Sich weiss zu defentiren?
307
So sprich, man giebt dir Schuld,
Du willst das Volk verführen.
So ein' Vermessenheit
1040 Der Himmel selbst muss strafen,
Und denk ich, die G'rechtigkeit
Wird g'wiss auch hier nicht schlafen.
Sag an, wer hat dir denn
Das Lehram.t übergeben,
1045 Dass du dich öffentlich
Als Lehrer thust erheben
Und lehren ohne Scheu
Wohl auch sogar im Tempel,
Mit Worten vielerlei
1050 Der Lügen und Exempel?
Durch dieses hast dir selbst
Den Weg zum Tod gebahnt 1
So eine Frechheit wird
Mit Todesstraf belohnt.
1055 Du hast dir durch die Sund
Ja selbst die Straf geboren:
Nun gehet dein Credit
Bei allem Volk verloren.
Christus.
Dass in der Synagog
1060 Ich öffentlich gelehret
Und nur durch Gottes Wort
Gar vieles Volk bekehret,
Bekenn ich ungescheut.
Was darfst du mich noch fragen?
1065 Frag alle, die da sein,
Sie werden dir es sagen :
Was ich gelehret hab,
Sind Wort' vom ewigen Leben,
Die mir mein Vater noch
1070 In seinem Schoss gegeben.
Makhus.
Hört noch von einer Sach,
Womit er sich thut prahlen,
20 ■
3o8
Dass er den Tempel wollt
Nach seinem Wohlgefallen
1075 Sogleich bis an den Grund
Ohn' b'sonderem Befleissen,
Als ob er gar nicht stund,
Mit seiner Kraft abreissen
Und diesen wiederum
1080 In Frist von dreien Tagen
Aufbauen, wie er stund I
Ich dreh dir um den Kragen.
Giebt ihm einen Backenstreich.
Christus,
Hab ich unrecht meiner That,
Verzeih es mir an dieser Statt,
1085 Thu ich aber nichts Unrechtes sagen,
Warum thust du mich also schlagen?
Erster Jude.
Weil du deine Hexerei
Kannst öffentlich verkünden,
Drum thust du mit Unwahrheit
1090 Das Volk leicht überwinden.
Pfui, schäme dich, dass du
Dich so sehr hoch thust prahlen:
Ich will dir auch zur Ehr
Eins pfeifen zu Gefallen. Er pfeift.
Annas.
1095 Du Niederträchtiger,
Sag an, wo ist dein Reich?
Du siehst auf keine Weis
Dem Judenkönig gleich.
Alle Juden.
Durch Zauberei kann er
II 00 Niemals kein' Krön erwerben.
Ein Zauberer soll nur
Durch unsre Hände sterben.
309
Hauptmann.
Du, König, lernen musst
Uns unterthänig sein,
1105 Drum sparet nur an ihm
Kein' Marter oder Pein.
Annas.
Drum, Ihr Soldaten treu,
Führt ihn nur wohlbedacht
Gleich zu dem Kaiphas frei,
II 10 Stellt ihm auch starke Wacht.
Zweiter Rittmeister.
Nur marsch, schwenkt Euch voran !
Wohl zu Kaiphas Palast
Führt diesen Hexenmann,
Alldort dann Posto fasst. Alk ab.
9. Auftritt.
Zimmer,
Maria, Martha^ Magdalena, dazu kommt Johannes.
Maria.
II 15 Ach, liebste Martha und Magdalen',
Wie wird's doch meinem Sohne geh'n?
Ich kann kein' Ruh geniessen,
Ich Mutter muss es wissen.
Alartha.
Bekümmere dich doch nicht so viel,
II 20 Es ist des Höchsten Willen:
Empfehle dich in seinen Will'
Er wird dein Leiden stillen. Es rvird geklopft.
Magdale?ia .
Wer pocht doch so stark an der Thür?
Will sehen, wer ist draussen :
II 25 Ist g'wiss ein Jünger Christi hier;
Mich fangt es an zu grausen.
Macht auf, Johannes koinmt.
3IO
yohannes.
Guten Abend von Gott, Ihr Frauen fein,
Ich dacht, ich würd Euch finden.
Maria.
Bekenn die Wahrheit doch nur rein,
II 30 Die Augen nichts Gut's ankünden.
Ach, Johann, mit welchen Schmerzen
Wart ich deiner Gegenwart;
Sag es diesem armen Herzen,
Geht es meinem Sohne hart?
Johannes.
1135 Ach, Maria, ich muss gestehn,
Es thut sehr schlecht mit ihm hergehn,
Denn Judas hat ihn verrathen,
Er ist in der Juden Gewalt gerathen,
Wird hart gebunden und tribulirt,
II 40 Zum hohen Priester hingeführt:
Pilato wird er übergeben,
Der ihm nehmen soll das Leben.
Maria.
Ach weh, du scharfes Herzensschwert,
Bis zu dem Tod hast mich versehrt!
1145 Ach, Kind, ach, Sohn, ach, meine Freud!
O, Juda, welch Undankbarkeit!
Ach, helfet mir in Ohnmacht hier, —
Das Schwert hat durchgedrungen.
Fällt in Ohnmacht.
Martha.
Ich bitt, Maria, sei getrost,
1150 Die Weisheit Gottes ist so fest.
Sie helfen der Maria.
Magdalena.
Verschone doch die G'sundheit dein,
Sei doch getrost und nicht so wein'.
Maria.
Weil doch mein Kind soll sterben,
Der Seel das Leben zu erwerben,
311
II55 So ist der Lieb kein Weg zu streng,
Drum lasset uns der Stadt zugehn. Alle ab,
lO. Auftritt.
Saal.
Kaiphas und die Pharisäer sitzen itn Rath, es kotnmen : der
zweite Thürhüter ^ hernach der Judenhaupttnann und dann
Christus und die Juden .
Zweiter Thürhüter konwit heraus.
Hochwürdiger und gnädiger Herr,
Der Hauptmann ist zu Händen,
Er bringt den Volks Verführer her,
II 60 Geschlagen in Ketten und Banden,
Begehrt Licenz, dass er ihn auch
Gleich könnte übergeben.
Damit Ihr ihm auch alsogleich
Vorstellt sein böses Leben.
Kaiphas.
II 65 Herein, Herr Kapitän I Der Hauptmann tritt auf.
Wo ist der Volksverführer?
Hauptmann.
Gleich draussen in dem Hof,
Ich bring den Rebellirer.
Kaiphas.
Man bring ihn geschlossen her,
II 70 Verwacht mit Spiess und Stricken:
Die Gall in mir bewegt sich sehr.
Wenn ich ihn werd erblicken.
Hauptmann mit Christus und den Juden,
Hauptmann.
Hier ist nun der Prophet
Nach Euerem Verlangen :
1175 Hier mache Reverenz,
Die Priester zu empfangen.
Sie haben Macht und G'walt,
Dich nach Verdienst zu strafen.
312
Sie können nun auch bald
1180 Mic dir befehlen und schaffen.
Kaiphas.
Bist du der Wundersmann?
Komm her, lass dich beschauen
Was unterstehst dich dann,
So viel auf dich zu bauen?
1185 Verfluchter Landrebell,
Zerstörer unsres G'schlechts,
Komm, defendire dich,
Dein' Unschuld uns vorstell,
Willst du dem G' rieht entgehn.
1190 Musst Sund und Laster hassen 1
Wenn du so künstlich bist,
Warum bist so verlassen?
Aus deinem Hexenwerk
Bist uns ins Garn geflogen,
II 95 Gott hat schon über dich
Die Strafhand aufgezogen.
Wie, willst du reden nicht?
Will es dir nun beweisen,
Was dein Verbrechen istl
1200 Schlagt ihn in scharfe Eisen,
Ihr Mendax und Falsut,
Wahrheit thut ihm entdecken.
Was Laster er verübt:
Erzählt es ihm mit Schrecken 1
Mendax.
1205 Erlaubet es mir nur.
Zu reden ohn' Beschwerden,
Das, was ich sprich, ist wahr.
So wahr ich leb auf Erden :
Er muss gestehen mir
12 IG Dass er oftmal thut sprechen,
Dass man dem Kaiser soll
Von seinem Zins abbrechen.
3^3
Falsuto.
Es ist die Wahrheit selbst,
Was Mendax that vorbringen,
12 15 Und sollte jetzt mein Herz
Des Henkers Schwert durchdringen,
Ich kann es leugnen nicht,
Hab's selbst von ihm gehört,
Dass er das ganze Volk
12 20 Mit Lügen hat bethört:
Und dieses ist so wahr,
Als ich Falsut mich nenne.
Kaiphas.
Aus Euren Worten ich
Der Wahrheit Zeugniss kenne.
1225 So sag uns, tolles Ding,
Willst du antworten nicht?
Die Sach ist nicht gering,
Bekenne vor Gericht.
Behaupten kannst dein Recht,
1230 Wenn du was weisst zu sagen:
Mit dir steht's sonsten schlecht.
Lass mich nicht lang mehr fragen :
Nun ich beschwöre dich
Bei dem lebendigen Gott,
1235 Ob du sein Sohn wohl bist!
Christus.
Es wäre gar nicht noth,
Dass du mich sq beschwörest.
Ich sag es, dass ich's bin 1
Merk wohl, was du nun hörest.
1240 Von nun an wird's geschehn,
Dass Ihr des Menschen Sohn
Werd't herrlich sitzen sehn
An seines Vaters Thron,
Und voller Majestät
1245 Wird er auf Wolken schweben
Mit aller Gravität,
Und richten über's Leben.
314
Kaiphas.
Nun hat er öffentlich
Gelästert unsern Gott,
1250 Diess hat er ja gethan
Uns bloss zu einem Spott.
Wir haben kein' Beweis
Kein Zeugniss mehr vonnöthen,
Ein jeder kann von Euch
1255 Ja seine Wort bestatten.
Sagt nun, was Euch gedünkt,
Was dieser hat verdient,
Der da den Wahrheitsgrund
Mit Lügen hat verblümt
1260 Und also lästern thut
Den Himmel und auch Gott?
Er hat sich schuldig g'macht
Zu leiden auch den Tod.
Hauptmann.
Ein Zauberer niemals
T265 Kann Lebenshuld erwerben,
Als Zauberer muss er
Wohl auch des Todes sterben.
Führt ihn Pilato zu,
Dass er ihn übernehme
1270 Und durch sein' grosse G'walt
Den Mann zum Tod bequeme.
Mendax,
Er über ihn urtheilen soll
Nach unserm Gewohnheitslauf,
Sonst er parteiisch wohl
1275 Kann genommen werden auf.
Falsiito.
Pilatus sehe zu,
Was er thu in den Sachen :
Den ungerechten Mann
Kann er gerecht nicht machen.
315
Kaiphas,
1280 Ihr, Hauptmann, geht voran,
Pilato thut andeuten.
Die ganze Priesterschaft
Sogleich zu ihm wird schreiten,
Um ihm zu warten auf,
1285 Was Wichtiges zu sprechen.
Hauptmann^
Es soll geschehen auch
Ohn' einiges Gebrechen.
Geht mit Christo und de?i Juden ah.
II. Auftritt.
Vorhof.
Petrus, dazu kommt die Magd.
Petrtis.
Ach Gott, wie schwer ist mein Gemüth !
Vor Angst fast erstarret mein Geblüt,
1290 Dass man gefangen den Meister mein:
O, könnt ich sein Erlöser sein I
Doch fürchte ich der Juden G'walt,
Dass sie mich fangen alsobald :
Ich will indess in Vorhof gehen,
1295 Den Ausgang dieser Sach zu sehen.
Magd.
Sehr furchtsam trittest du herein,
Ein Jünger Christi wirst du sein :
So du es bist, folg treu mein' Rath
Und packe dich von dieser Statt,
1300 Eh du gefangen wirst mit ihm.
Petrus.
O Weib, fürwahr ich ihn nicht kenn.
Ich weiss auch nicht, wen du thust nenn' :
Wir sind zwar wohl aus einem Land,
Doch ist sein Nam mir unbekannt.
Der Hahn kräht.
3i6
Magd.
1305 Ich will's zwar glauben dir,
Doch halt ich dich dafür. Beide ab.
12. Auftritt.
Gasse.
Die ganze Priesterschaft, der Hauptmann, die ziuei Ritt-
vteister Jind die Judenrotte ziehen mit Christus durch den
Vorhof.
Hauptmann.
Nun fort mit dirl Aus ist die Zeit,
Zum Sterben mache dich bereit !
Jetzt musst du zu Pilato gehn
13 10 Und vor Gerichte bei ihm stehn,
Wie's einem Zaubrer thut gebühren,
Und dein Urtheil selbst anhören. Alle ab.
13. Auftritt.
Saal.
Pilatus sitzet, es kom^nt die ganze Priesterschaft, der Haupt-
mann, die zwei Rittmeister und die Judenrotte mit Christus.
Annas.
Edler und mächtiger Landpfleger,
Des grossen Kaisers Gewaltsträger !
13 15 Es ist gefallen in unsere Hand
Jesus, von Nazareth genennt,
Vom gemeinen Pöbel Christus genannt.
Und in Juda wohlbekannt.
13iesen können wir nicht dulden,
1320 Weil er thut den Tod verschulden:
Wir ihn geben in deine Gewalt,
Lass ihn richten alsobald,
J )amit dieser Bösewicht
Uns nicht ferner Noth zuricht.
Pilatus.
1335 Was bringt Ihr für Klagen bei,
Welclier 'J'hat er schuldig sei?
317
Annas.
\
Hätt dieser Mann kein Uebel g'stift,
Hätt man ihn dir fürg'stellet nicht.
Pilatus.
So könnt Ihr ihn auch nehmen hin
1330 Und richten nur nach Euerm Sinn.
Kaiphas.
Es ziemt sich uns Niemand zu tödten,
Da wir die Ostern wollen antreten 1
Er hat so oft Gott gelästert schwer,
Das Gesetz verschmäht mit seiner Lehr,
1335 An jedem Ort das Volk verführt:
Dies zu erdulden uns nicht gebührt.
Robam.
Er verbot, dem Kaiser Zins zu geben,
Und lehrt das Volk ungehorsam leben.
Falsuto.
Er hat sich gar zum König g'macht,
1340 Dem Kaiser ja zur grössten Schmach.
Pilatus,
Sprichst du denn nichts zu diesen Klagen?
Bist du ein König, wie sie sagen?
Christus,
Hast du es von dir selbst erkannt,
Oder haben' s andere dir genannt?
1345 Sie haben es gethan aus Neid
Und nicht aus Lieb zur Gerechtigkeit.
Pilatus,
Bin ich denn wohl ein Jud,
Wenn ich dich so thu fragen?
Die hohen Priester selbst,
1350 Dies wissen dir zu sagen.
Darum du stehst vor mir.
Weil sie die Klage stellen.
3i8
Christus.
Mein Reich ist nicht von hier,
Ist nicht von dieser Welt.
Pilatus.
1355 Du bist ja wohl doch nicht
Ein König auserwählt?
Christus.
Du sprichst die Wahrheit g'wiss !
Denn so ist es bestellt,
Dass ich auf Erden lebe,
1360 Damit ich immerdar
Der Wahrheit Zeugniss gebe
Und lehre, wie man Gott
Soll dienen und auch halten
Nur immer sein Gebot:
1365 Und dieses dergestalten,
Damit der Mensch verdiene
Dadurch das Himmelreich ;
Darum ich auch mich nenne
Wohl einem König gleich.
Pilattis.
1370 Ich finde keine Schuld,
Dass Christus solle sterben.
Alle Juden.
Du giebst ihm deine Huld,
Das wird dir Hass erwerben :
Der Laster er sehr viel
i^7c: Täglich begangen hat:
Zum Aufruhr er das Volk
Im Land verführet hat,
In Gahläa so, wie auch im Judcnland.
Pilatus.
Weil er nun ist aus Galilä,
1380 Ich mit ihm zu Gericht nicht steh.
Führt ihn nur zu Herodes bald,
Weil er dort führet die Gewalt.
319
Hauptmann
Komm mit uns zu Herodes bald
Und zeig ihm deine seltne G'stalt,
1385 Er wird dich g'wiss respectiren,
Weil du kannst das Volk verführen. Alk ab.
Der Mittelvorhang schliesst sich, indessen richten sich die
jfuden hinter demselben mit dem Feuer.
14. Auftritt.
Vorhof.
Die Magd vor dem Mittelvorhang. Die vier Juden und
Petrus beim Feuer.
Magd.
Ich weiss nicht, was das Ding bedeut,
Der Juden G'schrei ist weit und breit:
Sie haben kürzlich einen g'fangen,
1390 Zu wissen wen ist mein Verlangen.
Erbittert sehr sind ihre Herzen
Von Räch und Zorn, ohne Scherzen,
Von Wuth und Eifer, Gall und Grimm:
Dies verbittert ihren Sinn,
1395 So dass ihr erboster Geist
Alles gar zu Boden reisst.
Das ist der Tyrannei Gebrauch,
Dass sie die Unschuld selber auch
Unrechtmässig unterdrücken
1400 Und ins dunkle Grabe schicken.
Der Mittelvorhang 7uird aufgezogen.
Was weht doch für ein starker Wind,
Den ich so sehr in mir empfind?
Die Kälte hat überhand genommen:
Ich will auch zu dem Feuer kommen.
Geht zum Feuer, an dem die Juden mit Petrus iv eilen.
1405 Warst du nicht auch von Jesu Schaar?
Den Argwohn hab ich immerdar.
Erster Jude.
Du bist sein Jünger, sag es klar,
Du siehst ihm gleich, recht auf ein Haar.
320
Petrus.
Weib, ich ihn fürwahr nicht kenn,
14 lo Und weiss auch nicht, wen du thust nenn'.
Der Hahn kräht.
Zweiter Jude,
Aus seinen Jüngern ungefähr,
Denn du bist ja ein GaUläer:
Dein Muttersprach verrathet dich.
Dritter Jude.
Sah ich nicht auch im Garten dich?
Vierter Jude.
141 5 Gelt, du hast auch zugeschaut.
Wie einem ward das Ohr abg'haut?
Petrus.
Beim wahren Gott, ich es nicht bin,
Hab niemals auch gekennet ihn :
Wir sind zwar wohl aus einem Land,
1420 Doch ist er mir ganz unbekannt.
Der Hahn kräht. Petrus tritt vor , der Mittelvorhang
schliesst sich.
Nun folgt die Reue des Petrus.
Petrus,
Düstere Wolken 1 Schäumende Wellen !
Erboster Himmel ! Ihr heissen Quellen !
Ist dann kein Retter mehr.
Der mir Vergebung ruft,
1425 Dass ich vor dem Gewitter her
Mich berg in eine Kluft?
Wie ist mein Herz so schwer,
Da mir das Gewissen droht,
Weil das Vergeltungsschwert
1430 Schon blitztob meinem Haui)t!
Da meine Sünden mich
Sehr laut und schwer anklagen,
Muss ich verbergen mich
Und endlich gar verzagen.
1435 Doch aber, guter Gott,
Du siehst ja meine Schmerzen,
321
Die mir erzeugen nun
Die Reu in meinem Herzen.
Ach, Reue über Reue !
1440 Da ich ob meiner Sünden
Zu dir um Gnade schreie,
Lass mich Vergebung finden 1
Ich höre immerfort
Die Wort' des Meisters mein :
1445 O, Peter, Peter, du
Wirst mich verleugnen heunt.
Mit dehmuthsvollem Herzen
Bekenn ich meine Schuld,
Sie reuet mich von Herzen:
1450 O, schenk mir deine Huld.
Es zeugt laut wider mich
Mein schwer und bös Gewissen.
O, schenke mir die Gnad,
Die Sund hier abzubüssen.
1455 Sei gnädig mir, o Gottl
Ich will mich fortbegeben
An einen wüsten Ort,
Wo ich mein ganzes Leben
Nur dir durchleben will
1460 Und büssen meine Sünden,
Bis ich dereinst von dir
Vergebung werde finden. G^ht ab.
15. Auftritt.
Saal.
Herodcs allein, darin der Hauptmann, die Judcnrotte mit
Christus, den zwei Rittmeistern und Kaiphas,
Her ödes..
Anheut ist sehr gross meine Freud,
Weil ich jetzt hab vernommen,
1465 Dass bei so unverhoffter Zeit
Christus zu mir soll kommen.
Ich hoffe, viele Wunderding
Von diesem zu erleben.
Volksschauspiele. II. 21
322
Sein Lob bei der Welt ist nicht gering,
1470 Rechenschaft soll er mir geben.
Haiiptmann und die Uebrigen kommen mit Christus,
Hauptmann.
Mächtiger König im Judenland,
Pilatus hat uns hergesandt
Aus Galiläa den Wundersmann,
Von dem er Euch hat kund gethan :
1475 Er stehet schon vor Euch allhier,
Dass Ihr ihn richtet nach Gebühr.
Herodes.
Ich habe Freud über diesen Mann,
Von dem mir viel wird kund gethan :
Viel Wunder solle er begehn,
1480 Ich möchte doch eines von ihm sehn.
Du predigst viel von der künftigen Welt,
Sag an, wie ist es doch bestellt?
Was Glück und Unglück mir steht zu,
Prophet, mir dies zu wissen thu,
1485 Ob wohl die Weisen aus Orient
Nach Bethlehem dir bracht Praesent?
Hat nicht mein Bruder Philippus
Dich g'sucht zu tödten? Hörest du's?
Kaiphas.
Stellt er sich nicht recht obstinat?
1490 Viel Seelen er verführet hat,
Als König hat er sich ausg'schrien :
Ihr sollt zum Tod ihn commandiren.
Herodes.
Der Mensch ist ja ein Thor !
Er soll meine Augen meiden,
1495 Sonst will ich ihn zum Spott
Nun lassen weiss bekleiden.
Vierter Jude.
Hier ist vorhanden ein weisses Kleid,
Sollst dich damit bedecken:
Dies soll dir machen grosse Freud,
1500 Damit die Leut zu schrecken.
323
Erster Jude.
Ich hab ein' Krön von Stroh für ihn,
Sie steht ihm gut nach meinem Sinn.
Ilerode.s,
Ich hab ihn zwar zu Gericht gezogen,
Hart und scharf examinirt,
1505 Doch auf keine Weis bewogen,
Dass er sich hätt defendirt:
Hab ihn endUch kleiden lassen
In ein' weissen Narrenrock
Und verspottet allermassen :
15 IG Schweigt er still doch wie ein Stock.
In die Mitte stellt den Dummen!
Seht an ihm die schöne G'stalt.
Schlagt ihn, dass die Ohren summen !
Sagt, wie die Figur Euch g' fallt?
15 15 Thut ihm seine Ehr erweisen:
Preiset ihn nur stets fortan,
Auch zugleich sein' Namen thut preisen :
Das kann hören Jedermann.
So rede, wenn du kannst, bei Zeiten I
1520 Bist du stumm wohl immerdar?
Alles Volk thut deinen Ruf verbreiten,
König von der Hexenschaar.
Hauptmann.
Sei nur nicht faul und red zur Stund,
Sonst gieb ich dir eins auf den Mund.
1525 Erweis dem Herren Reverenz I
Du wirst bald hören dein' Sentenz.
Erster Jude.
Schaut doch, wie sich der falsche Mann
So recht unschuldig stellen kann !
Er sieht fürwahr gleich einem Thoren
1530 Mit seinen langen Eselsohren.
Zweiter Jude.
Und weil du kannst die Leut verführen,
Thu uns dein' rechten Nam' spendiren,
21*
324
Denn du thust ja mit falschen Sachen
Recht sehr viel Parade machen.
Dritter Jude.
1535 Schwätzen ist sonst dein Gebrauch,
Und sonst vieles Lügen auch.
Vierter yude.
Ich glaub, man hat ihm's Maul gesperrt,
Weil man gar nichts von ihm hört.
Her ödes.
Hört, Hauptmann und die ganze Schaar,
1540 Ihr wollt mich überheben,
Obschon ich ihn könnt zwingen zwar.
Ein Antwort mir zu geben.
So führt ihn doch Pilato zu,
Und meldt ihm meinen Gruss :
1545 Sagt ihm, dass er der Sach recht thu,
Wie's recht geschehen muss.
Zweiter Jude.
O welch ein' schöne Königskron!
Seht, wie er jetzt schon prangen kann :
Sein Reich wird doch nicht long bestehn,
1550 Es muss mit ihm in Trümmer gehn.
Dritter Jude.
Du bist ein Herr von grossem Rang,
Daran kennt dich wohl Jedermann:
Dein Wappen wird es zeigen,
Dass du wohl noch wirst höher steigen.
Vierter Jude.
1555 Sing doch einmal, du kannst ja schön,
Mit deiner Stimm wirst wohl bestehn,
Als wie ein Karpf im Vogelhaus
Stosst er die Triller fein heraus.
Erster yudc.
Geh mit uns und sei getrost,
1560 Du schnellst als wie ein Hund vor Frost.
325
Wir werden dir bald wärmer machen,
Wenn wir die Peitschen lassen krachen.
Erster Rittmeister.
Nur fort mit ihm, lasst ihm keine Rast,
Wohl zu Pilato sein' Palast,
1565 AUdort das G'wehr all praesentirt:
Steht, bis Euch Ordre geben wird.
Hauptmann.
Haltet! die Ordnung nicht vergesst,
Schliesst Euch in Glieder eng und fest,
Und macht mir keine Confusion :
1570 Ihr stellet Euch hierher voran. Alle ab.
Dritter Aufzug.
I. Auftritt.
Saal.
Pilatus sitzt im Saal hinter dem Mittelvorhang, indessen der Tod
vor demselben auftritt,
Tod allein,
O Mensch, wie hättst du dies gedacht,
Dass selbst der Welterlöser
Sollt kommen auch in meine Macht 1
Er ist als du viel grösser.
1575 Doch ist für ihn kein' Rettung mehr,
Er muss auch selbsten sterben:'
Für deine Schuld ich ihn begehr,
Das Heil dir zu erwerben.
Der Neid der Juden bringt ihn mir
1580 Durch Judas seine Werke
In meine Hand, und wegen dir
Zeig ich ihm meine Stärke.
Bereite dich, dass ich dich nicht
Im Sündunflath ergreife,
326
1585 Und Gott dich, sowie Juda hier
Im Flammenmeer ersäufe. Geht ab.
2. Auftritt.
Der Mittelvorhang wird aufgezogen ^ Pilatus sitzt im Saal, hiernach
kommt die ga?ize Pii esterschaft, die fjuleti mit Cliiistus.
Pilatus.
Das ist mir ärgerlich,
Was man von mir begehrt :
Dass ich ihn richten soll,
1590 Dies macht mich sehr beschwert.
Man sagt, Herodes soll
Ihn wieder zu mir senden:
Ich hör das Lärmen schon —
G'wiss sind sie schon bei Händen.
Sie koimnen mit Christus.
Hauptmann.
1595 Es hat für thöricht ihn
Herodes selbst erkennet,
Und diesen Zauberer
Zurück zu Euch gesendet:
Ihr sollt ihn richten frei,
1600 Ohn' einziges Bedenken;
Thut Eure Pflicht getreu,
Ihr sollt Euch nicht einschränken.
Pilatus.
Vor Euch ich ihn befraget hab,
Kein' Schuld des Todes finden mag:
1605 Lasst ihn nur frei, ich treulich rath,
Dass Euch nicht strafe Euer Gott.
Robam.
Er hat zerstört den Fried' im Land,
Wie allen es ist wohlbekannt.
Falsuto.
Soll wohl nun gehn das Land zugrund?
1610 l^rsacli würdet Ihr zu jeder Stund.
327
Mendax,
Dem Kaiser verbot er, den Zins zu geben,
Das billige Recht nimmt ihm das Leben.
Pilatus.
Ihr habt zu Ostern ein Gesatz,
Dass Ihr ein' G'fangnen ledig lasst:
1615 Nun welchen soll ich frei Euch geben?
Barabam oder Christum eben?
Alle.
Nehmt diesen hin, lass jenen frei.
Das bitten wir von Euch aufs Neu.
Pilatus.
Kein' Schuld des Tods hat er begangen —
1620 Warum soll er am Kreuze hangen?
Alle.
Kreuzige ihn, wir bitten treu,
Und gieb uns den Barabbam frei.
Pilatus.
Warum soll ich dieses thun?
Er ist ja Euer König.
Alle.
1625 Wir sind des Kaisers nur,
Erkennen keinen König.
Pilatus,
Ich finde keine Schuld,
Dass ich ihn sollte richten.
Alle.
Reizt doch nicht die Geduld,
1630 Ihr werdet Euch uns verpflichten.
Pilatus.
Nach Kaisers G'setz kann's nicht geschehn I
•Doch dass Ihr ruhig seid,
Will ich, Ihr alle könnt es sehn,
Dass er die Geisel leid't.
3-^
1635 Dann könnt Ihr ja zufrieden sein,
Wenn ich ihn ledig lass:
Er ist unschuldig, makelrein,
Verdient ja keinen Hass.
Die Juden treten mit Christus vor. Der Mittelvorhang fällt.
3. Auftritt.
Geisselung.
Christus^ Hauptmann, Juden, Freimann.
Hauptmann.
Ihr Diener und Soldaten treu,
1640 Halt' Euch nun tapfer ohne Scheu!
Geisselt ihn mit scharfen Streichen,
Dass er muss zu Boden weichen.
Bindet ihn nur ohn' Beschwerden,
Es wird ihm alsbald besser werden.
1645 Ich gedenk, man wird uns lohnen,
Wenn -wir ihn nur nicht verschonen.
Holla Henker, komm herfür.
Diesen Mann, den gieb ich dir :
Lass ihn zerhauen auf das Best,
1650 Das giebt für dich ein grosses Fest!
Freimann,
Ist er ein' Malefizperson,
Schliess ich ihn an die Säule an ;
Ihr nehmt ihn alsogleich,
Und entblösst ihm seinen Leib :
1655 Bind't ihn an die Säulen an;
Haut nur zu, gebt kein' Pardon!
Die Ruthen , ich sehr gut gebunden hab,
Sie hält Euch hundert Streich wohl ab.
Probirt sie nur, wie sie Euch taugt,
1660 Nur keck und tapfer zugebaut!
Sieh, Goliath, du frischer Knecht,
Sic geht dir wahrlich links und recht,
Damit kannst du hauen, wie du willst:
Ich denke auch, dass du nicht spielst.
329
1665 So rühr dich nur, du fauler Stock,
Und ziehe aus dein' lausigen Rock,
Sonst gieb ich dir eins auf den Grind !
Jetzt ich dich an die Säul anbind.
Erster Jude,
Wie zittert er und schnellt,
1670 Alswie ein nasser Hund:
Das Herz ihm im Leib prellt;
Ein Blutbad ist ihm g'sund.
Zweiter yude.
Wie tauget dir Aderlass?
Hast gar ein hitzigs Blut !
1675 Es schäumt ja über alle Maass,
Macht dir ein' frischen Muth.
Dritter Jude.
So sparet nur die Kräften nicht,
Ich hab auf ihn ein' Lust I
Streicht zu, spart Eure Glieder nicht,
1680 Am Rücken, Lend und Brust.
Vierter ytide.
Gelt, G'sell, das ist ein Spass,
Wie die Blutwurst dir schmecken werden
Der Pfeffer ist sehr nass.
Lasst uns das Bratl umkehren.
Erster Jude.
1685 Die Ruthen nur fest bind,
Hier hat er schon genug :
Seht, wie das Blut her rinnt !
Sein Fell ist ziemlich klug.
Freimann.
Nun löst ihn nur g'schwind auf,
1690 Und kehret ihn herfür!
Hui, Burschen, seid wohlauf,
Ihr trinkt heut eins mit mir.
Anjetzo feiert nicht,
Streicht zu, was Ihr nur könnt.
33°
1695 ßis er zusammenbricht
Und sich zum Boden lenkt.
Zweiter yude.
Die Ruthen sind sehr gut,
Sie machen tiefe Riss',
Und zapfen ab das Blut,
1700 So lang noch eines ist.
Hauptmann.
Du bist schon ziemlich satt,
Es sieht dir so fast gleich !
Löst ihn von dieser Statt,
Er ist g'nug wundenreich.
1705 Du nimm dein Kleid zusamm,
Du musst noch weiter fort:
Ich glaub, du hast den Kramm !
Hui, nur hinaus zur Pfort.
Christus.
O Vater in dem Himmelreich,
17 IG Sieh an mein grosses Leiden,
Die grosse Marter, Geisseistreich,
Der Juden wilde Freuden.
Verzeih es ihnen, was sie doch
Anheut an mir vollbringen,
1 7 1 5 Weil ich dadurch die Seele noch
Des Menschen muss gewinnen.
Mein Leib, der schmerzet mich zwar sehr,
Ganz kraftlos ist mein Herze :
Ach, sende Vater, mir den Trost,
1720 Der lindert mir die Schmerzen.
Dtitter Jude.
Brüder, ich bin ziemlich matt,
Das wegen dem Phantasten:
Gelts, Brüder, Ihr seid auch schon satt,
Lasst uns ein wenig rasten. Sie le^^tn sich uieder.
331
4- Auftritt.
Der Engel tmd die Vorigen.
Ejigel singt:
1725 . Seht Ihr da ihn angebunden
An den harten Marmorstein,
Solcherg'stalt wird keiner g'funden :
Soll wohl dies mein Jesus sein?
Auch das Kreuz muss er noch tragen
1730 Und dies wegen deiner Sund,
Und mit Geisseiruthen g'schlagen^
Dir zu Lieb, o Adamskind !
Von dem Haupt bis zu den Füssen
Ist mein Jesus ganz zerfetzt,
1735 An dem ganzen Leib zerrissen,
Kein Glied ist ihm unverletzt.
O, mein Jesu, liebster Jesu,
Höchster König, Herr und Gott!
O, mein Jesu, liebster Jesu,
1740 Musst denn leiden gar den Tod?
Jesus, Weide meiner Augen,
Wer hat dich so zugericht?
Ist denn dies, ich kann's nicht glauben.
Dein so schönes Angesicht?
1745 Ganz mit Blut bist überronnen,
Ganz zerfleischt dein zarter Leib:
Ach, wer hat dich so mitgnommen?
O, tyrannische Grausamkeit.
Siehe, was der Gottmensch leidet,
1750 Bloss aus Lieb zu dir, o Seel,
Für dich sein' Pein verbreitet,
Zu erlösen von der Höll.
Ach, so stehet ab von Sünden,
Meidet Unzucht, Geiz und Neid,
1755 Denn dadurch werd't ihm noch finden
Auf ein Neu's mehr Grausamkeit. Geht ab.
332
Hauptmann.
Fort mit deinem Plauderg'schmeiss,
Pack dich gleich aus dem Weg :
Ihr schHesst gleich den Kreis.
Die yuden springen auf.
1760 Und du dein Kleid anleg,
Du hast noch eine Reis'
Bis zu Pilato Thron:
Geh nur mit allem Fleiss.
Eilt, macht Euch geschwind davon I Alle ab.
5. Auftritt.
Saal,
Pilatus sitzend, Hatiptmann mit Christus und der Judenrotte
ohne Priester. Der Mittelvorhang geht auf,
Hauptmann.
1765 An Euch ist unsre Bitt:
Wollt Ihr sein unser Freund,
Werd'ts Ihr abschlagen nicht,
Dass wir den König heunt
Nach unserm Willen krönen
1770 Und kleiden lassen nach Gebühr,
Auch dürfen ihn verhören.
Pilatus.
Macht mit ihm, was Ihr wollet,
Ich gieb Euch keine Mass :
Dass ich Euer Freund sein sollt,
1775 ^i^s ich wohl bleiben lass.
Barabbam will ich Euch
Von Banden lassen frei;
Es gilt mir Alles gleich,
Ich hab kein Schuld dabei.
Alle.
1780 VivatI Es sterbe nun
Der freche Galiläerl
Der sich gar nennen liisst
Als König der Hebräer.
333
Hauptmann,
Wenn Ihr den Mann habt festgemacht,
1785 So führet ihn mit scharfer Wacht
Indess sogleich in den Arrest:
Seht, dass er nicht wird aufgelöst. Alle ab.
Mittclvorhang fällt, sogleich richtet sich die ganze Priester-
schaft hinter demselben wieder auf,
6. Auftritt.
Saal,
Die ganze Priesterschaft sitzt im Rathe , dabei der Hauptmann;
Judas kommt dazu,
Judas,
Bin i kommen eben recht,
Ich muss Euch warten auf,
1790 Dass ich Euch sprechen möcht,
Und stossen um den Kauf,
Den ich gestriges Tags
Geschlossen hab mit Euch.
Ich zerbrich, zerschlag's,
1795 Aus meiner Parola weich:
Ich hab verkauft ein' Sach,
Die zuvor nicht war mein.
Das G' wissen jetzt um Räch
Fortan in mir thut schrein,
1800 Wegen dem ganz reinen Blut:
Es bringt mich zum Verderben I
Mein Meister, fromm und gut,
Verdient ja nicht zu sterben.
Sehr schlecht hab ich gethan,
1805 Es reuet mich vom Herzen,
Dass ich den armen Mann
Aus Geiz so kann verscherzen,
Und hab zum Tod verkauft
Mein' Meister und auch Herrn;
1810 Dies ist der grösste Raub :
Untreu thut Räch begehren.
334
Kaiphas.
Das geht uns wenig an,
Der Kauf schon g' schlössen ist:
Sieh zu, was du gethan,
1815 Du schon bezahlet bist.
Hast selbst vergriffen dich,
Musst dir die Schuld selbst geben :
Dies wird uns kränken nicht,
Dass du so g'handelt eben.
yudas.
1820 Ich bitt, Ihr Herren, und lasst Euch sagen,
Und helft mir aus der Schuld,
Thut doch mit mir ein Mitleid tragen
Und schenket meinem Meister Huld.
Kaiphas.
Er auch unschuldig ist,
1825 Ein engelreiner Herr:
Nur du selbst Schuld dran bist,
Wir gestehen dir nichts mehr.
yudas.
Ich bitt Euch, nehmt zurück
Die 30 Silberling,
1830 Sie sind noch nicht verrückt,
Sind gar ein schlechter G'winn.
Kaiphas.
Hättst du noch mehr verlangt,
Man hätt dir mehr gegeben.
Judas.
Ich bitt, mich doch anhört,
1835 Und schenkt mein' Meister 's Leben.
Koham.
Nein, es kann nicht mehr sein.
Du hast es übersehen.
Judas.
Nun, so schlag der Donner drein!
Jir wirft den Beutel xveg.
So ist's mit mir geschehen.
335
1840 Hauptmann, nimm zu dir das Geld,
Bist immer g'west mein Freund:
Leg es auf den Tisch allhier,
Ich bin jetzt Gottes Feind.
Er tritt vor, der Mittelvorhang fällt.
7. Auftritt.
Wald.
yudas, dazu kommen die Teufel.
Judas.
Was hab ich nun zum Ziel
1845 Für meine Untreusünd?
Ich mach ein End dem Spiel,
Mir selbst den Hals z'sammbind.
Gar billig die Untreu
Ihr eigner Henker ist :
1850 Mir hilft nun keine Reu,
Aus ist mein' Lebensfrist.
Und weil dann Alles hin,
Mein' Ehr und guter Nam',
Will ich der Höll zum G'winn
1855 An diesem grünen Stamm
Mein' Seel durch diesen Strick
Den Teufeln opfern auf.
Helft, dass ich bald erstick
Und schnell der Höll zulauf!
1860 Verflucht ist nun die Stund,
Verflucht der Juden Rath,
Verflucht mein falscher Sinn,
Der mich verführet hat.
Wohlan, verfluchte Hand,
1865 Die das Geld genommen ein,
Ihr müsst der Höll zum G'winn
Auch jetzt Gehilfen sein.
Schwing dich, verfluchter Balg,
Dass du bald schlafest ein,
1870 Und hier auf diesem Galg'
Der Teufel Beut wirst sein. Er erhängt sich.
336
Lticifer,
O, rarer Vogelfang,
Drob sich die Höll erfreut,
Wozu ich selbst den Strang
1875 ^"^ habe zubereit'tl
Merkt, all die Gott untreu.
Wie Judas können handeln,
Müss'n all, ich sag es frei,
Mit uns der Höll zuwandeln.
Zweiter Teufel,
1880 O, wie schön hängt er da oben,
Welch schöne Frucht trägt dieser Baum,
Als wie Maisen in dem Kloben —
Man sollte es schier glauben kaum.
Solche Birn brat ich gern,
1885 Denn sie schmecken uns recht gut,
Wenn sie sich nur stets vermehren.
Bringen sie uns frohen Muth.
Dritter Teufel.
Kommt, wir g' schwind ausnehmen
Diesen Vogel -von dem Nest,
1890 Und mit ihm der Höll zurennen
Und ihn braten auf das Best.
Schwefel und Pech nehmt zum Begiessen,
Dass dies Bratl schmierig wird.
Lasst es Euch nur nicht verdriessen :
1895 Friss ein jeder nach Begierd.
Vierter Teufel.
Die an Gottes Gnad verzweifeln,
Haben all ein solches Loos.
Müssen fort und mit uns Teufeln
Fahren auf der Höllenpost:
1900 Darum nehmt ihn ab mit Eilen,
Lauft mit ihm der Hölle zu,
Heizt sein Bad nur ohn' Verweilen,
Und lasst ihm nur keine Ruh.
Tragen den Judas fort.
337
8. Auftritt. .
yudenhauptmanti ^ die yuden mit Christus, der Freiniann,
Dornenkrön ung.
Freimann.
Hier ist ein' Krön gar schön geziert,
1905 Taugt für den neuen König,
Für ihn, der uns heut hat schimpfiert;
Sie ist fast noch zu wenig:
Drum drucket sie ihm nur recht fest
Auf seinen Kopf und lachet,
1910 Es wird ihn zieren auf das Best,
Wenn er schiefe Gsichter machet.
Erster Jude.
Geh, du Dickkopf, halt nur fest,
Wir wollen dich zieren auf das Best :
Mit einer Krön wir dich aufputzen,
1915 Dabei kannst du zu G'nügen schmutzen.
Zweiter Jude.
Es muss hinein durch Mark und Bein
Die Spitz und auch die Dorn:
Dein hohes Haupt ist uns erlaubt,
Grausamiich zu durchbohren.
Dritter Jude.
1920 Ein Rohr gebührt ihm statt den Stab,
Womit er's Land regiert 1
Jetzt leget ihm die Huldigung ab.
Weil er das Volk verführt.
Vierter Jude.
Ein' Purpurmantel muss er auch haben,
1925 Der schon gefressen ist von Schaben,
Um anzuzeigen sein richtig' s Reich;
Dann sieht er einem König gleich.
Verspotten ihn.
Volksschauspiele. II. 22
338
9- Auftritt.
Der Engel und die Vorigen.
Engel singt.
O Sünder, prahle fort
Mit deiner Hoffahrtspracht !
1930 Sieh an dein' Jesum dort,
Wie er hier wird verlacht.
Er leid't viel Schmach und Spott,
Er tragt von Dorn ein' Krön :
O du gerechter Gott,
1935 Diess hat dein Sohn zum Lohn! Geht ab.
Hauptmann .
Fort, macht Euch auf, es ist schon Zeit,
Man wartet mit Verlangen :
Wir müssen zu Pilato heut,
Er soll ihn lassen hangen.
1940 Vereinigt mit der Priesterschaft,
Die Reise dahin geht,
Er soll ihm brechen heut den Stab,
Damit Ihr's alle seht. Alle ab.
10. Auftritt.
Saal.
Pilatus und die Magd.
Pilatus sitzt.
Ach, was ist das für ein Traumgesicht,
1945 Was Wunder-Phantasien?
Ich weiss nicht, wie mir heut geschieht,
Umsonst ist mein Bemühen.
Jesus von Nazareth
Hat ja verbrochen nichts :
T950 Ich weiss nicht, wer sich untersteht
Und ihm das Leben abspricht. Magd kommt.
Magd.
Nichts schafft mit diesem Mann,
Er hat nichts Bös' begangen :
339
Die Frau nicht schlafen kann,
1955 Und das ist ihr Verlangen,
Man solle ihn doch lassen frei;
Ein Traum ihr dies bestellet,
Dass er gewiss unschuldig sei :
Die Freiheit ihm erwählet.
Pilatus.
i960 Es ist ein' wunderliche Sach,
Dass sie mir will einsprechen :
Sie walte unter ihrem Dach,
Ich weiss schon sein Verbrechen.
Drum weiss ich, was ich hab zu thun,
1965 Sie soll mir nichts vorschreiben :
Bei dieser Sach sie bleibe stumm.
Und soll's so weit nicht treiben. Magd geht ab.
1 1 . Auftritt.
Pilatus u?id erster Thürhüter .
Portier.
Hochgebietend gnädiger Herrl
Ein grosser Häuf der Pfaffen
1970 Die schicken mich zu Euch hieher:
Wenn Ihr nicht sollet schlafen,
So wollt Ihr geben die Licenz,
Dass sie erscheinen dürfen,
Um Euch zu machen Reverenz:
1975 Das G'such thut nicht verwerfen. Geht ab.
Pilatus.
Alles thut mir dringen ein,
Ich sollt' ihn lassen hangen :
Der Juden Rache ist nicht klein,
Sie thun sein' Tod verlangen ;
1980 Sie sagen sonst, ich sei ihr Feind,
Thu ich nicht ihren Willen :
Ja, ja, sie dringen schon herein,
Ich muss den Blutdurst stillen.
22*
340
12. Auftritt.
Pilatus, die Priesterschaft, die Judeiirotte mit Christus.
Pilatus.
Willkommen, hoher Rath I
1985 Die Gegenwart mich sehr thut freuen,
Dadurch mir g'schieht ein' Gnad :
Was bringt Ihr mir von Neuem?
Kaiphas.
Uns treibt hierher der Landrebell:
Führt vor den Ruhestörer,
1990 Sprecht ihm das Urtheil an der Stell,
Dem bösen Volksbethörer.
Pilatus.
Ihr wisst, Ihr Herrn, dass ich ihn hab
Mit Ruthen geissein lassen,
Dass man ob seiner Schreckgestalt
1995 Recht kann ein Grausen fassen.
Kann doch erzwingen nichts von ihm,
Tragt jetzt von Dorn ein' Krön \
Wer nur von ferne siehet ihn.
Tragt ein Mitleiden schon.
Kaiphas.
2000 Es braucht ja nicht viel.
Er ist schon überwunden,
Ob er zwar schweiget still,
Hat man doch Zeugniss g'funden :
Denn alles Volk allda,
2005 Gross, klein, reich, arm und fromm,
Sie sagen alle ja,
Dass er viel hexen kann.
Annas,
Ich kann bezeugen dies,
Dass er hat frei gelehrt:
2010 Es ist auch wahr und gewiss,
Hab's von ihm selbst gehört,
Dass man dem Kaiser soll.
341
Wann in dem Land ist Fried',
Kein Zins, auch keinen Zoll
2015 Reichen und geben nit.
Alendax,
Was soll dies anders sein.
Als nur Rebellerei?
Und diese nur allein
Genugsam Probe sei !
2020 Er hat das Leben verwirkt
Und ist schuldig des Tods,
Weil er das Volk verführt,
Dem Kaiser nur zum Spott.
Falsut,
Er greift ja ungescheut
2025 In kaiserliche G'walt
Und sein' Botmässigkeit,
Weil er als König prahlt.
Pilatus führt Christum vor und zeigt ihn deni Volke.
Seht diesen Menschen an,
Wie seine Haut zerschmissen,
2030 Wie dieser arme Mann
Am ganzen Leib zerrissen
Und spöttlich ist gekrönt
Mit scharfen Spitz und Dorn,
Wie er verlacht, verhöhnt,
2035 Schimpflich bekleidet word'nl
Mendax.
Wer will dem Tod entgehn,
Muss Sund und Laster fliehen,
Muss sich nicht unterstehn,
Das Volk an sich zu ziehen.
Falsut.
2040 Sich Selbsten machen gross.
Zum König werfen auf,
Ist ein vermessnes Loos,
Geht wider G'setzes Lauf.
342
Pilatus.
Nun hörst es selbsten wohl,
2045 Was man von mir begehrt,
Dass ich dich richten soll.
Weil du das Land beschwert:
Du weisst wohl deine Macht,
Stehst unter meiner G'walt ;
2050 Ich kann dich machen los,
Wie es mir nur gefallt.
Christus.
Du hättest keine Macht
Auf mein unschuldigs Blut :
Weh dem, der seine Macht
2055 Nicht g' recht erfüllen thut!
Dass mich zum Tod verdammst
Ist meines Vaters Will:
Du hast die G'walt von Gott,
Drum brauche Mass und Ziel.
Alle.
2060 Fort, fort, ans Kreuz mit ihm!
Kaiphas.
Wohin ich ihn verdamme,
Sein Blut komm' immerhin
An uns und unserm Stamme.
Pilatus.
So sei's, weil gar nichts hilft,
2065 Und G'walt für Recht thut gelten,
Und man die Unschuld mich
Zwingt zu verurtheilen hier !
Fallt's hernach übel aus,
Könnt Ihr es selbst entgelten :
2070 Dess ich unschuldig bin,
Was Ihr begehrt von mir.
Nun frag ich nochmals Euch,
Was soll ich mit ihm machen?
343
Alle.
Wir fordern von Euch all',
2075 Lasst ihn am Kreuz versch machen.
Pilatus.
Er ist ja Euer König,
Ich finde ihn getreu.
Alle.
Wir haben keinen König,
Wir sind dem Kaiser treu. Die Maf;d hri7igt das
Waschzeug. Pilaltis wäscht seine Hände.
Pilatus.
2080 Ich wasche meine Hand
Und thu es hier bekennen,
Vor allen öffentlich,
Hör mich ein Jeder an:
Es soll mich wegen ihn
2085 Kein' Qual, kein Feuer brennen :
Kein Schuld, kein' Missethat
Find ich an diesem Mann. Barabbas ivird geholt.
Geht, lasst Barabbam frei,
Den ihr selbst pardonniret,
2090 Ohn' Ketten, ohne Schloss:
Führt ihn nur frei heraus
Und lasst ihn gnädiglich los.
Barabbas,
Wer hat sich dies gedacht. Er redet für sich,
Dass ich, als ein Verbrecher
2095 Von nie erhörter Art
Die Freiheit haben soll ?
Was doch das Glück wohl macht !
Für mich ist hier kein Rächer.
Ich dacht, für mich wird's hart:
2100 Nun kann ich freudenvoll
In der Welt noch einmal
Mein Wesen weiter treiben !
Kommt Euch die Lust einst an.
Mich noch einmal zu fangen.
344
2I05 Ich sag's Euch allemal,
Ihr müsst es lassen bleiben,
Dann kömmt Ihr übel an —
Ich werd Euch nie verlangen.
Läuft über das Theater ab.
Pilatus zu Christus.
Du aber richte dich,
2 1 lo Musst dich zum Tod bereiten!
Jetzt kannst vernehmen mich,
Was ich dir werd andeuten.
Was ich dir sagen soll :
Jetzt kommt die letzte Zeit,
2 1 15 Der Juden Räch ist voll.
Nun hör den letzten B'scheid. Liest das Urtheil.
Urtheil :
Ich Pontius Pilatus, Landpfleger und Blutrichter
zu Jerusalem, unter dem allermächtigsten Kaiser
Tiberio etc. .
2120 Demnach dieser gegenwärtige Jesus von Nazareth,
aus Galilaea gebürtig, von den hohen Priestern
auch Aeltesten des gesammten jüdischen Rathes
angeklagt, dass er, unangesehen, von geringen
Eltern , sich dennoch zu einem König der
2125 Juden aufgeworfen und gar zum wahren
Messias machen wollen , so haben wir allem
diesem fleissig nachgeforscht, auch der Ursach
zu sein befunden , dass gegenwärtiger Uebel-
thäter mit jenen zwei gleichmässig zum Tod
2130 verurtheilten Mördern mit eisernen Nägeln an
das Kreuz genagelt werde , allen Aufwieglern
zum abschreckenden Spectakel. Zur Urkund
und Unwiderruflichkeit dessen zerbreche ich
über dich den Stab und erkläre dich als einen
2135 Mann des Todes. Jerusalem, im März Anno 4028.
Der Urtheilsstab ist ihm
Jetztund nun abgebrochen :
Sein Blut komm über Euch,
Ich will sein ungerochen !
345
Alle.
2140 Sein Blut komm über uns
Und über unsre Kinder!
Christus.
Hab ich diess wohl um Euch verdienet,
O Ihr treulosen Herzen,
Da ich Euch habe stets gedient?
2145 Diess kränket mich mit Schmerzen.
Kein Tag, kein' Stund, kein AugenbHck
Hab ich es unterlassen,
Euch meine Lieb so inniglich,
Zu zeigen allermassen.
Der Mittelvorhang schliesst sich. Christus zvird von den
Juden abgeführt.
13. Auftritt.
Wald.
Der Tod allein.
Tod.
2150 Den Mächtigsten der Welt
Hat meine List besieget,
Aufs Kreuz wird er gestellt,
Damit er unterlieget
Der Macht, die ich nun will
2155 Ihm zeigen bald im Werke.
Bedenk, o Mensch, so mehr.
Was ist denn deine Stärke,
Wenn nun sogar auch er
Als Gottmensch unterlieget?
2160 O sage mir doch nur,
Wer meine Macht besieget?
Erkenne nun an mir,
Dass mir nichts widerstrebet,
Dass gar kein Bleiben hier,
2165 Dass Niemand ewig lebet. Geht ah.
346
14- Auftritt.
Kerker.
Christus im Kerker, zzvei Jtiden auf der Wacht.
Ein Engel erscheint und singt:
Ach, wie schwer ist dir, mein Gott,
Was leid'st du für Schand und Spott !
Im Kerker musst du sitzen und leiden
Endlich gar den Tod :
2170 Niemand thut dich bedauern,
Thun nur auf Hoffart lauern,
Wegen deiner Sund,
O Adamskind !
Ach lasst, ach lasst uns trauern 1
2175 O Jesu, sei getrost.
Weil du die Welt erlöst
Von Sündenband
Mit Spott und Schand,
Da all's verloren g'west.
2180 O Sünder, fass zu Herzen
Christi Leiden, Tod und Schmerzen :
Die Unzucht meid,
Den Geiz und Neid,
Hoffart und Liebesschmerzen. Geht ah.
15. Auftritt.
Kreuzziehung und Kreuzigung.
Das ganze Personal.
Pilatus.
2185 Nun gehn wir an die Statt,
Das Urtheil zu vollbringen,
Wozu der g'sammte Rath
Mit G'walt mich that bezwingen.
Allons, Ihr Henker, gleich
2190 Nehmt diesem Mann das Leben:
Aus mein' Befehl nicht weicht.
Wie das Decret thut geben.
347
Christus,
Hat meine Lieb dies wohl verdienet,
Die ich zu Euch stets trage,
2195 Dass Ihr mich dafür so belohnt?
Niemand hört meine Klage.
Kein Tag, kein' Stund, kein Augenblick,
Wo ich nicht allermassen
Hier habe meinen Gnadenblick
2200 Euch allzeit sehen lassen.
Nun aber zur Undankbarkeit
Thut Ihr mich also plagen,
In meiner grössten Traurigkeit
Mit harten Streichen schlagen.
2205 Mein Haupt, ach, dieses leidet sehr,
Weil es mit Dorn gekrönet :
Ihr mich verlacht, verspottet mehr,
Ein' Thoren Ihr mich nennet.
Dem ganzen Volk Ihr mich vorstellt,
2210 Wirklich zum Kreuz verdammet!
Das Todeskreuz ist mir bestellt :
Dies schmerzlich mich ankommet.
Weil ich aber verurtheilt bin,
Gekreuziget zu werden,
2215 So führet mich zur Richtstatt hin
Für Sünder hier auf Erden.
Freimann.
Legt ihm das Kreuz auf seinen Rücken,
Und soll's ihn auch zu Boden drücken.
Erster Rittmeister.
Allons, Ihr Herren, mir nachreit't
2220 Und haltet Euch zur rechten Zeit:
Ihr schwenket Euch dort an der Reih,
Reitet nur allzeit zwei und zwei.
Zzveiter Rittmeister.
Ihr, meine Trupp, geht hintennach,
Und haltet Euch nur fein gemach :
2225 Hebt scharf das G'wehr und seid bereit,
Haltet hindan den Häuf der Leut.
348
Hauptmann.
AUons, marschiert zugleich fortan,
Und Ihr führt diesen Hexenmann:
Ihr all dabei habt scharfe Wacht
2230 Und führet ihn nur wohlbedacht.
Freimann,
Sprecht ihm nur zu und seid wohlauf,
Schlagt nur brav zu, es geht schon drauf:
Fort, fort, du falscher Lügenprophet,
Das Kreuz fürwahr dir wohl ansteht,-
Erster Jude.
2235 Auf, auf, und laufet, jung und alt.
Mein Hörn anjetzo sehr laut schallt:
Eilt nur zusamm, ein Jeder lauf
Und wartet dem Judenkönig auf!
Zweiter Jude.
Dem König gross dies Prangen g' fällt,
2240 Weil er das Ktcuz am Buckel hält:
Er führet einen grossen Nam',
Drum traget er den Kreuzesstamm.
Dritter Jtide.
Jetzt kannst du gehn mit diesem Kreuz,
Schau, wie's dir schmecken wird !
2245 Trag es nur fort, dich nicht lang spreiz.
Zum Tod man dich ausführt.
Vierter Jude,
Der faule Mann will nicht recht gehn.
Glaub nicht, dass wir dich lassen stehn.
Erster Fall Christi unter dem Kreuze.
Erster Jude.
Ihr Brüder, seht, wie er sich stellt,
2250 Er will schon da verbleiben:
Seht nur, wie er am Kreuz sich prellt,
Man wird ihn weiter treiben.
349
Veronika,
Ach, du ganz schwacher, halbtodter Mann,
Des Lebens blosser Schatten,
2255 Du hast ja Niemand Leids gethan,
Doch bist du so beladen !
Dergleichen man nicht hat erhört.
Auch Niemand kann es sagen,
Dass einmal Jemand so beschwert
2260 Das Kreuz selbst musste tragen.
Ich bitt', ihm doch nur Zeit vergunnt,
Bis er sich kann erholen ;
Nimm hin dies Tuch, wisch ab dein' Mund:
Christus trocknet sich ab und giebt das Tuch zurück.
Wie bist du so verschwollen !
2265 Seht doch das Angesicht von ihm.
Wie klar ist es formiret,
Das Herz im Leib mir bricht dahin.
Den Sinn mir's ganz verwirret!
O Jesu mein, was hast du mir
2270 Für einen Schatz gegeben?
Dein Angesicht verstellt ist hier:
Ich küss es herzlich eben.
Christus.
Behalt diess Tuch, worin mein G'stalt,
So ich hab eingedrücket :
2275 Sieh, wie mein Contrafei dir g'fallt,
Mit mein' Blut ausgeschmücket.
Diess gieb ich zum Geschenke dir,
Weil du mich nicht vergessen.
Da grosse Lieb' du trägst zu mir:
2280 Dein Lohn bleibt unermessen.
Zweiter Jude.
Pack dich von dannen hin,
Hab g'nug gehört dein Klagen,
Ich schon erbittert bin.
Ich fass dich bei dem Kragen.
35°
Dritter Jude.
2285 Starker König, schwacher Tropf,
Brauch dein' Stärk, heb auf dein' Kopf:
Schau mich an, du bist ganz stolz,
Du bist so schwer, wie astig's Holz.
Vierter Jude.
Uebelthäter, fort mit dir!
2 2QO Nimm dein Kreuz und gleich marschier!
Du bist wohl ein fauler Gast :
Fort, ich lass dir keinen Rast.
Zweiter Thürhüter.
Wie geht es dir? Du siehst schön aus:
Ich glaub, du schwitzest Blut heraus?
2295 Ich hätte dich bald nicht gekannt,
Mir scheint, dich hat die Sonn' gebrannt.
Malchus führt die zwei Schacher,
Malchus.
Nur fort mit Euch, ihr Mördersleut,
Es ist verloffen Eure Zeit,
Es g'schieht Euch nun, was Ihr verdient,
2300 Man wird ausstrecken Eure Hand.
Lauft zu, sonst kommet Ihr zu spät,
Ein Jeder b'sondern Galgen hätt.
Man wird mit Euch deit Zaubrer eben
Sogleich auch in die Luft erheben.
2305 Was Ihr schon lang im Schild geführt,
Man Euch anheute zeigen wird.
Das Laster man mit Straf bezahlt,
Tod für Tod das Urtheil fallt.
Leut erstechen, schlagen todt,
2310 Dies hört man von Eurer Rott :
Blut für Blut, heisst 's G'setz mit Recht,
Drum seid Ihr zum Hängen recht.
Zweiter Fall Christi unter dem Kreuze»
Maria.
Ach, wie geht's, mein liebster Sohn,
Was grosse Last musst tragen?
35^
2315 Ist dieses denn der Liebe Lohn?
O schwerer Todesschragen !
Sag, wer hat den dir auferlegt?
Die Bürd' drückt bis zum Herzen ;
Ihr Menschen, helft doch, was Ihr könnt,
2320 Macht Jesu ringere Schmerzen!
Ach du, mein allerHebstes Kind,
Lass mich mit dir auch gehen :
Bis dass du eine Ruhstatt find'st.
Will ich dir treu beistehen.
Erster Portier.
2325 Schau, Weib, sieh die drei Nägel an,
Woran dein Sohn muss hangen,
Sie werden ihm wohl taugen schon,
Wann er am Kreuz wird prangen.
Freiman7i .
Fort, fort mit dir zur Schädelstatt,
2330 Beim Thor hinaus, du hast kein' Gnad ;
Doch muss er einen G'hilfen haben,
Der ihm das Kreuz wird helfen tragen.
Simandl grabt m der Erde.
Zweiter Jude.
Ihr Brüder, seht, hier ist ein Mann,
Der's Kreuz muss helfen tragen,
2335 Und will er nicht sogleich daran,
Wir ihn zu Boden schlagen.
Erster Jude.
Weil du gleich stehest müssig hier.
Spreiz dich nicht lang und geh mit mir,
Ich will ein' guten Dienst dir geben :
2340 Geh, hilf dem Mann das Kreuz nachheben.
Sitnafidl.
Was, glaubt Ihr, ich steh Euch zu G'fallen ?
Du wirst für mich kein' Kreuzer zahlen !
Ich kann hier nicht verlieren Zeit,
Es giebt wohl andre müssige Leut.
352
2 345 Ic^ muss zu meinem Acker schaun,
Den ich noch habe umzubaun.
Erster Jude.
Geh nur fein g'schwind, brauch nicht ein Wort,
Und hilf das Kreuz ihm tragen fort!
Und willst du nicht gehorsam sein,
2350 Wir schlagen dir den Buckel ein.
Simandl.
Weil du bist ein so schwacher Mann, '
Will ich dir helfen, was ich kann.
Ihr Männer, seid auf uns nicht hart,
Der Mann von Leib ist schwach und zart:
2355 Und weil ich kann, will ich wohl tragen;
Ihr müsst halt bald ein' Andern fragen.
Christus,
O recht, mein Mensch, dass du bereits
Zu Hilf mir bist gekommen ;
Ich habe dieses schwere Kreuz
2360 Weg'n dir auf mich genommen.
Du folge mir getrost,
Lass dich von mir nicht ab.
Du hast gewählt das Best,
Ich werd dies zahlen ab.
Erster Jude.
2365 Was nützt dein Plaudern viel und mehr?
Pack dich mit deiner falschen Lehr!
Marschiert nur fort da auf der Strass,
Ich Euch dazu den Marsch auf blas'.
Zweiter yude.
Du lausiger Tropf, geh schneller fort,
2370 Dass wir bald kommen an den Ort:
Du machst ja einen Schneckengang,
Thust dich verweilen allzu lang.
Dritter Jude.
Aliens, zieht an, es geht gar schlecht,
Wir kommen sonsten nicht zurecht.
353
2375 ^^> kleiner Mann, schieb hinten nach,
Und trag, dass dir der Buckel kracht.
Vierter Jude.
Fort, fort mit dir, hier ist kein' Bank,
Du bist sehr faul und stellst dich krank :
Der König brauchet grosse Pracht,
2380 Sein' Reis' er majestätisch macht.
Dritter Fall Christi ujiter dem Kreuze.
Christus.
Will sich denn Niemand wagen,
Der's Kreuz mir ringer macht?
Ich kann's nicht weiter tragen
Und hab nicht mehr die Kraft.
Veronika.
2385 Ach, wie bin ich sehr betrübet!
Was zeigt mir dieses Trauerbild?
Wann ich anseh, was ich geliebet,
Ist nichts, was mir die Schmerzen stillt.
O Jesu, wie bist du zerschlagen,
2390 Und also übel zugericht't!
Das schwere Kreuz musst du noch tragen,
O holdsehgstes Angesicht.
Wer zählet mir die Tropfen Blut,
Wer zählt mir alle Wunden,
2395 Die dich so brennen, wie die Glut,
Alle Glieder voll der Schrunden 1
O wahrer Gott und Menschensohn,
Wo ist dein G'stalt hing' wichen?
Es wundern sich gar Sonn und Mond,
2400 Sind selbst darob verblichen.
Erster Jitde.
Die Schacher sind zwei gleiche Narren,
Taugen in den Schinderkarren,
Wie sie sein, ist dieser G'spann:
Sie bekommen auch den gleichen Lohn.
Volksschauspiele. II. 23
354
Zweiter Jude.
2405 Gleich und gleich gesellt sich gern,
Wie man in dem Spruch thut hör'n:
Ein Schelm dem andern G'spannschaft leist;
Schlagt zu, weil ihm der Buckel beisst.
Maria konunt mit yohannes , Martha und Magdalena
gegangen.
Maria.
O mein Johann, ich bitte dich,
2410 Zeig mir den rechten Ort,
Damit den Sohn wohl sehe ich,
Und sprechen könnt ein Wort.
Johannes.
Wenn es so Euer Wille ist,
Ihr allerliebste Frauen,
2415 So lasst uns gehn, spart keine Frist,
Wir wollen ihn beschauen.
Ich glaub, wir sind am rechten Weg,
Wie die Blutstropfen zeigen :
Hier wimmelt all's am Weg und Steg,
2420 An allen Seitensteigen.
Vierter Fall Christi unter dem Kreuze.
O seht, Ihr lieben Frauen fein,
Dort fallt er eben nieder:
Verschmachten muss er ganz allein.
Niemand bringt ihn herwieder.
Christus.
2425 O allerliebste Mutter mein.
Sieh an mein grosses Leiden !
Ach, tröste dich, es muss so sein,
Ich werde bald verscheiden.
Maria.
Ach Sohn, wie bist du so v^rblasst,
2430 An dieser Todesstrassen,
Was drückt dich für ein' schwere Last !
Wer kann mein Elend fassen?
355
Ach, wie ist mir so angst und bang!
Muss ich denn heut verlieren,
2435 Den ich getragen neun Monat lang?
Zum Tod that man ihn führen 1
Magdalena.
O, ich muss diese Todesstrass
Mit reuigen Zähren netzen.
Martha.
Zu zeigen, dass ich ihm auch lieb,
2440 Will ich ihm auch nachsetzen.
Veronika.
O Jesu, deine Todesschwächen
Dich jetzo wieder überfallt.
Kein Wort vor Angst kannst du fast sprechen :
Wie theuer wird die Sund bezahlt!
2445 I^^ ^ist vom Blut ganz überfärbt,
So grausamlich bist du verstellt;
Dir ist der ganze Leib verderbt 1
Wer ist, der deine Wunden zählt?
Christus.
Ihr Töchter von Jerusalem,
2450 Thut mich nicht so beklagen.
Der Will des Vaters muss geschehn,
Das Leiden muss ich tragen.
Weint über mich nicht also sehr,
Lasst Euch dies nicht so schmerzen :
2455 Wegen Euren Kindern weint vielmehr!
Dies nehmt Euch wohl zu Herzen.
Hauptmann.
Auf, auf, es ist schon hohe Zeit,
Man darf nicht lang verweilen :
Geh, mach dich nur sogleich bereit,
2460 Dem Richtplatz zuzueilen.
Will er nicht gehen, so schlaget zu
Mit Prügel und mit Ruthen:
Bald findest du dann deine Ruh,
Sie kommt dir wohl zu guten.
23*
356
Freimann.
2465 Nun ist es bald gethan
Mit deinen Wundersachen 1
Sieh deinen Thron dort an,
Dort kannst Parade machen.
Jetzt siehst du schon den Ort,
2470 Wohin du musst marschieren!
Pack dich nur weiter fort,
Du kannst dich nicht mehr irren.
Erster Jude.
Bist nicht so schwach, hui fort mit dir,
Hast nicht mehr lang zu steigen 1
Zweiter Jude,
2475 Dein Bleiben ist ja nicht allhier,
Wollen dir den Weg schon zeigen.
Dritter Jude.
Geh nur mit uns, du kannst nicht fehl'n,
Eil nur, du musst von dannen.
Vierter Jude.
Seht, wie der Zaubrer sich kann stell'n,
2480 Mit seiner Königskronen.
Annage hing an das Kreuz.
Pilatus.
Nun sind wir an der Statt,
Das Urtheil zu vollbringen,
Wozu der g'sammte Rath
Mich endlich thut bezwingen.
2485 Du, Henker, alsogleich
Nimm diesen drei'n das Leben,
Aus mein' Befehl nit weich,
Wie's Urtheil lautet eben.
Hauptmann.
Dies ist ja unser Will,
2490 Dass Christus solle hangen:
So wünschen es gar viel,
Dass er am Kreuz soll prangen.
357
Freimann.
So greift nur an mit Ernst das Werk,
Ein jeder zeige Kraft und Stärk!
2495 Du, Stixl, zieh ihm aus den Rock —
Rühr dich, sei doch kein fauler Stock.
Erster Jude.
Damit es gehe nach der Kunst,
So pack ihn an, jedoch mit Gunst.
Zweiter yude.
Allons, streck deine Hand von dir,
2500 So geht es g'schwinder für und für.
Christus .
Sieh, Mensch, wie weit ich kommen bin.
Welch schwere Last ich trage.
Wie ich am Leib zerrissen bin.
Du siehst ja meine Plage.
2505 Denk meiner Mal' an Hand und Füss,
Wie du hernach wirst sehen,
Durch meine Brust ein scharfer Spiess
In mein Herz wird eingehen.
Doch ist dein' Lieb ganz lau und kalt,
2510 Gar wenig thust dergleichen:
Kann denn mein blut'ge Todesg'stalt
Dein Herz gar nicht erweichen?
Für dich am Kreuz ich sterben muss,
Dass du nicht gehst verloren 1
2515 O Sünder, greife doch zur Buss,
Du bist zum Heil geboren:
Denk, dass ich für dich sterben muss,
Ansonst gehst du verloren.
Erster Jude.
Dieweil wir nun jetzt fertig sein,
2520 Leg'n wir dich in das Bett hinein,
Und weil du matt bist von der Reis,
Drum schwitzest du blutrothen Schweiss.
358
Frei7nann.
Bind ihm zuerst den Strick um d' Hand
Und zieht, dass 's ihm die Flachs zertrennt
Dritter yude.
2525 Du Tropf, die Füss herab fein ruck,
Heut machen wir ein Meisterstuck.
Vierter Jude.
Bind't's ihn fein fest, greift's nur zusamm,
Zieht's, dass sich biegt der ganze Stamm.
Freityiann.
Lasst nur nicht nach, es geht wohl noch :
2530 Jetzt sind die Füss beim rechten Loch.
Du Zauberer, sei wohl getrost,
Denn jetzt bekommst du deinen Rest.
Maria .
Ihr Henkersknecht, ach, doch verschont
Jesum, mein liebsten Sohnl
2535 Wird so die Treu mit Tod belohnt?
Er hat nichts Leids gethan.
Ihr Menschen, ich bitt, seid barmherzig.
Indem er Euch das Leben giebt —
Lasst ab, ich bitt Euch treuherzig,
2540 Ich bitt für ihn, den ich hab lieb.
O Jesu, mit dir will ich sterben.
Das ist ja deiner Mutter Ziel :
Lass mich die Gnade doch erwerben,
Mit dir ich auch nun sterben will.
Hauptmann.
2545 Fort, fort mit dir! Pack dich hindan,
Dein Sohn sich selbsten helfen kann!
Troll dich nur bald von unsern Füssen,
Ansonsten wir Ernst brauchen müssen.
Nun höret Ihr, Ihr meine Leut!
2550 Wann Ihr mit dem Werke fertig seid:
Ich will, dass man den Landrebell
Zwisch beide in die Mitte stell.
359
Fre'wianji .
Allons, Ihr Knecht' ! Greift nur recht an,
Und setzet gleich die Leiter an:
2555 Ihr vier helft z'samm mit Stang und Spiessen,
Und ich will heben bei den Füssen.
Und oben macht das Seil nur fest:
Greift nur zusamm' aufs allerbest.
Doch, was hätt ich vergessen noch 1
2560 Die Schrift kommt oben ob dem Kopf,
Damit doch alles wissen kann,
Wer dann gewesen dieser Mann.
Die Inschrift wird aufgehangen.
Nun habe ich gerichtet recht?
Landpfleger, sagt es Eurem Knecht !
Pilatus.
2565 Du hast gethan, was Recht vermag,
Ich hab dawider keine Klag,
Und weil das Werk nun ist vollbracht,
Und der Sach nun hab ein End gemacht,
So ist nun Euer Wunsch gestillt,
2570 Weil ich ja treu ihn hab erfüllt.
Kaiphas.
Nun, dies verlangten wir von dir,
Dass du den Hexenmann allhier
Sollst lassen an das Kreuz anschlagen,
Damit wir ruhen dieser Tagen.
2575 Du, Künstler, jetzt lass Zeichen sehen,
Dann wollen wir dir gern gestehen,
Dass du bist aller Ehren werth
Und fromm hast g'lebt auf dieser Erd.
Pilatus.
Damit man nun auch wissen kann
2580 Die Ursach von sein Tod,
Drum hängt den Titel oben an,
Ihm, oder Euch zum Spott.
Weil er Messias Nam'
Sich selbst hat geben,
36o
2585 Vom königlichen Stamm
Aus Galiläa eben :
Darum habe ich die Schrift
In dreien Sprachen g'schrieben,
Damit es jeder sieht
2590 Und sich daran kann üben,
Zu lesen auf Hebräisch
Auf Griechisch und Latein,
Wie es von Jedermann
Wird zu vernehmen sein.
Annas.
2595 Uns ist die Schande nur allein,
Dass man thut also schreiben 1
Er soll der Juden König sein?
Man lasse solches bleiben.
Man wird sich daran stossen hart —
2600 Lasst solches corrigieren :
Das Volk ist für die Schmach zu zart,
Zur Ungnad wirst's anführen.
Her ödes.
Dies wir erdulden nicht,
Dass er soll König sein :
2605 Dies ihm den Hals zerbricht.
Wir lassen uns nicht ein.
Man würde uns zum Spott
Vorwerfen auf das Neu,
Dass unser König todt
2610 Am Kreuz geworden sei.
Fraudolo.
Dies war der grösste Spott
Dem ganzen Judenreich :
Wir alle litten doch
Den Vorwurf noch zugleich,
2615 Dass wir den König selbst
Gekreuzigt und zerschlagen :
Wer würde den Affront
Wohl können noch ertragen ?
361
Pilatus.
Was ich geschrieben hab,
2620 Das soll geschrieben bleiben,
Die Schrift kommt nicht herab,
Ich will nicht anders schreiben.
Weil Ihr ihn angeklagt,
Hab ich ihn verurtheilt:
2625 Ist es gefehlt, so sagt,
Hab ich mich übereilt?
Robam,
O, seht den Künstler an.
Wie er sich hat geprahlt,
Dass er den Tempel kann,
2630 Wie's ihm beliebt und g'fallt,
Abreissen bis zum Grund
Und in drei Tagen wieder baun:
So mach' er es zur Stund,
Lass nur das Wunder schauen.
Falsuto.
2635 Du bist ja der Prophet,
Der Land und Leut verführet :
Das Kreuz dir gut ansteht,
Wie sich's nach Recht gebühret.
Christus. Erstes Wort.
Vergieb, o Vater, doch die Sund,
2640 Die sie an mir vollbringen:
Sie wissen's nicht und sind ganz bHnd —
Lass meine Bitt eindringen !
Du weisst, o Vater, dass sie sind
Mit Blindheit überfallen,
3645 Darum aus lauter Liebsbegier
Will ich die Schuld bezahlen.
Mafia.
Der Sohn den Vater um Gnad zuschreit,
Den Sünder nicht zu strafen I
Ach, mütterliches Herzeleid,
2650 Der Mensch hat Gnad zu hoffen.
362
Ich trostlos hier vergehen muss,
Weil ich von dir muss scheiden :
Der Mensch nach abgelegter Buss
Kann hoffen Himmelsfreuden.
Germas ^ der linke Schacher,
265^ Für seine Feinde er nun bitt',
Und kann sich selbsten helfen nicht.
Hilf mir und dir vom Kreuz hindan !
Dir Selbsten hilf und auch uns zwein :
Was nützt das Jammern und das Schrein?
2660 Doch sehe ich, es ist umsonst,
Du hast bei Niemand Gnad noch Gunst.
Älendax.
Hätt er gelebt nach G'setzes Recht,
Dürft er am Kreuz nicht hangen :
Er sterbe nur, es g'schieht ihm recht,
2665 Verdient allhier zu prangen.
Für Zaubern und auch Leut verführen
Kann man ihn ja nicht pardonieren.
Do lax.
Er hat sich unterstanden viel,
Das Volk gelenkt nach seinem Will'
2670 Mit falscher Lehr und Lügnerei :
Sagt, ob denn dieses redlich sei?
Dismas, der rechte Schacher.
O Schacher, erwach vom Sündenschlaf,
Denk, dass du billig leid'st die Straf:
Die Straf kommt für die Sund von Gott,
2675 Drum leiden wir auch heut den Tod.
O Herr, gedenke doch nur mein,
Wenn du in deinem Reich wirst sein.
Christus. Zweites Wort.
WahrHch, wahrlich sag ich dir,
Du kannst gewiss darauf auch bauen :
3^3
2680 Du wirst im Paradies mit mir
Die Himmelfreud heut schauen:
Du bist von mir erhöret schon,
Dein Glaub' soll dich belohnen !
Du hast erworben heute schon
2685 Von Gott die Marterkronen.
Martha.
Was sind dies für Trostes Wort' ?
Der Sünder sieht den Gnadenort,
Dass ich ihn auch verlangen kann :
Sieh mich, o Herr, in Gnaden an.
Magdalena.
2690 Ich bitte, lass mich durch dein Sterben
Den Himmel auch mit dir erwerben :
O Jesu mein, ich dich umfange
An dieser harten Marterstange.
Maria.
O bitter's Scheiden ! Lieb von Lieb,
2695 Die Mutter von dem Sohne!
Mein- Herz ist bis zum Tod betrübt —
O schwere Marterkrone !
Ich nun von dir verlassen bin.
Ein' Mutter voller Schmerzen :
2700 Mit dir ich nun erblass dahin,
Der Geist weicht aus dem Herzen.
Christus. Drittes Wort.
Nimm wahr, o Weib, sieh deinen Sohn,
Der neben dir thut stehen,
Er wird dich pflegen treulich schon,
2705 In aller Noth beistehen.
Johannes nimm dein' Mutter wahr,
Sollst sie niemals verlassen,
364
Steh ihr auch bei in aller G'fahr,
Und lieb sie über die Massen.
yohannes.
2710 O gross Vertrauen, Sorg und Lieb,
So mir mein Herz und Seel betrübt I
Dein Mutter mir empfehlest an,
Ich will ihr' treulich pflegen schon.
Denn weil mir nichts kann werther sein,
2715 Als Maria, die Mutter dein:
Verlass uns nicht mit deiner Gnad,
Wenn unser Leben sich geendet hat.
Christus, Viertes Wort.
Ach weh, wie durstet mich so hart,
Die Lieb thut mich erhitzen :
2720 Vater, mein Mund ein' Trunk erwart,
Den Todesschweiss thu schwitzen.
Zu dir streck aus ich meine Arm',
Um für die Welt zu bitten:
Ach Gott, dich ihrer doch erbarm,
2725 Mein Herz vor Lieb thut zittern.
Annas.
Hört, wie der versoffne Mann
Um das Trinken bitten kann !
Du kannst schon haben nach deinem Willen,
Mit Essig, Gall deinen Durst zu stillen.
Erster ytide,
2730 Weil dir ist in dem Maul so sper,
So komm ich mit dem Trunk daher:
Mit diesem kann man dich wohl laben,
Willst du noch mehr, so kannst es haben.
Christus. Fünftes Wort.
Consummatum est, es ist vollbracht
2735 Dein Will und auch mein Leiden.
365
Nun heisst es mit mir gute Nacht,
Mein' Seel wird bald abscheiden.
O Vater, ich bin nun bereit,
Im Leben und im Sterben,
2740 Zu folgen dir zu jeder Zeit:
Lass mich nur Huld erwerben I
Veronika,
Schmerzhaftester Jesu, wie erblasst!
Du wirst bald unterliegen:
Ich bitt, sei unser Seelen Trost,
2745 Stärk uns in letzten Zügen!
Jesus, dein Leben weicht dahin,
Ist aller Sünder Seeleng'winn :
Wir wären ohne dein' Tod verloren,
Durch ihn sind wir nun auserkoren.
Christus. Sechstes Wort,
2750 Eh, Eli, lama Sa —
Eli, Gott, in letzter Noth,
Wie hast du mich verlassen 1
Es nahet sich heran der Tod,
Jetzt werde ich erblassen.
2755 Schick mir ein väterlichen Trost,
Dem Sohn wird er gedeihen:
Ach weh, der kalte Todesfrost
Führt's Herz zum Todesreihen.
Kaiphas.
Hört doch, wie er Elias schreit I
2760 Glaubst du, es ist schon an der Zeit,
Dass Elias sollte kommen
Und dich vom Kreuz abnehmen?
Maria.
Jesu, von dir ich Urlaub nimm,
Lass mich noch hören deine Stimm:
2765 Ach, ich vor Aengsten fast erblöd,
Vor Schmerzen mir kein Puls mehr geht.
366
Johannes.
Getrost, o Mutter, voll der Qual!
Sieh Jesum an zum letztenmal,
Er neigt zu dir sein heiligs Haupt:
2770 Jesu wird bald das Leben g'raubt.
Christus. Siebentes Wort,
O Gott, beschlossen ist das Werk,
Das Herz will nun erkranken,
Es weicht dahin die Lebensstärk,
Der Geist fangt an zu wanken.
2775 Vater, in deine Gotteshänd —
Die Zung will mir erstarren,
Es wend't dahin die Lebensfrist,
Der Geist will nun ausfahren.
O Gott und Vater, zu dem End
2780 Nimm meine Seel in deine Händl Er stirbt.
Longinus.
Halt Still! Habt acht, was dies bedeut:
Was ist denn dies für Wunderzeit,
Dergleichen man nicht hat erhört?
Ich glaub, dass sich die Welt umkehrt!
2785 Sobald der Mann den Geist aufgeben,
That sich die Erd mit G'walt erheben.
Die Sterne sich verdunkeln all.
Die Wolke kracht vom Donners Knall,
Der Mond sich zeiget ganz blutroth :
2790 Pilatus schuld ist an dem Tod.
Pilatus, Du hast schlecht gethan,
Dass du gekreuzigt diesen Mann!
Ich zweifle, ob er seie todt,
Er kann noch leben, welche Noth !
2795 Damit ich doch nicht zweifeln darf,
Will ich mit meiner Lanze scharf
Ihm einen Fang ins Herze geben.
Dadurch zu enden ihm das Leben.
Er öffnet Christi die Seiten.
3^7
Wohlan, dies geschehe dir zu gut!
2800 O seht, es fliesst vom Herz das BUit,
Doch von der Farbe nur ganz bleich :
Es fliesset Wasser auch zugleich.
Ich bin getroffen von dem Quell,
Die Augen sind mir worden hell :
2805 Ich dank dir, dass auch g'macht hast heil,
Und g'nommen mir das rothe Mail.
Nun ich ergieb mich ganz und gar
Sammt meiner untergebenen Schar:
Regiere mich, mein ganzes Heer,
2810 Das Alles lebt zu deiner Ehr!
Hauptmann.
Ja wahrlich, das ist Gottes Sohn,
Die Finsterniss das zeiget an 1
Die Erde sich bewegte sehr,
Die Felsen sich erhoben mehr :
2815 Die Todten jetzund auferstehn,
Lebendig aus den Gräbern gehn.
Darob erkenn ich mein Bosheit,
Die ich zu büssen bin bereit.
Steigt vom Pferd, kniet nieder.
Jesu, du Brunnquell voll der Liebe,
2820 Vergieb mir meine Missethat!
Die Rache an mir doch nicht übe.
Erzeige mir doch deine Gnad :
Dass ich nicht, wie verstockter Sünder
Auf ewig deine Straf empfinde :
2825 Zähl mich doch unter deine Kinder —
O Herr, verzeih mir meine Sünde I
Erster Jude.
Der Rock ist g'wirkt ganz nach der Kunst,
Lasst uns darüber spielen:
Der ihn gewinnt, hat ihn umsonst!
2830 Ihr Brüder, folget meinem Willen.
368
Zweiter Jude.
Hier ist ein Pasch von Helfenbein,
Der muss mir tapfer springen,
Und wenn es nur drei Fünfer sein,
Hoff ich das Spiel zu g'winnen. Sie würfeln.
Dritter Jude.
2835 Das Spielen hat mir oft gelungen,
Wenn ich nur nicht gleich bin verzagt:
Secht, secht, hier sind 3 Sechser g'sprungen,
Den Rock hab ich Euch abgejagt.
Vierter Jtide.
Hol mich der Fuchs, der Rock ist dein !
2840 Jetzt laufen wir in d' Stadt hinein
Und saufen einen Raffelsteiner,
Denn hier ist ja zu haben keiner.
yeseph von Arimathaea.
Allmächtiger Pfleger ! ich Euch bitt,
Ihr wollt die Gnade haben,
2845 Damit der Leib hier bleibe nicht,
Lasst diesen uns begraben.
Pilatus.
Hört, Hauptmann, ich befehl es Euch,
Nach dieses Manns Begehren :
Lasst von dem Kreuz abnehmen gleich
2850 Jesum Christum, den Herrn.
Hauptmann.
Wohlan, Ihr guten Menschen Ihr,
Nehmt sanft den Leichnam ab,
Und waschet ihn recht nach Gebühr
Und leget ihn ins Grab. Sie nehmen Chnstum ab.
Joseph.
2855 Gestorbner Heiland, ganz entblösst,
Lass durch dein bittres Leiden
3^9
Uns sein vom ewigen Tod erlöst,
Wenn wir von hinnen scheiden.
Maria.
Ach, secht, was Euer Meister doch
2860 Für eine G'stalt hat g'wonnen,
Sein Schönheit ist nun ganz dahin,
Den Feinden ist's gelungen.
Ach Sohn, ach liebster Jesu mein !
Die siebenfachen Schmerzen,
2865 Die dringen wie ein Schwert hinein
Im mütterlichen Herzen.
yosef.
Ach, liebste Frau, es dauert mich
Dein und sein bitters Leiden:
So gerne hab gewünschet ich
2870 Sein' Tod noch zu vermeiden.
Da wir ihm noch bei rechter Zeit
Nicht haben helfen können,
So sind wir doch hierher geeilt,
Vom Kreuz ihn abzunehmen.
Nachdem Christus vom Kreuze abgenommen worden, wird er
Maria in den Schoss gelegt.
Maria.
2875 -^ch Kind, ach Sohn, o Freund!
Wie bist du so verlassen !
O grosse Grausamkeit,
Wie bist du ohne Massen!
Vor Ohnmacht bricht mein Herz,
2880 Weil du so bist erblasset,
Ich fühle grossen Schmerz.
Ihr Freund' mich nicht verlasset!
Josef.
Ach, seie doch getrost, mein' Frau,
Die Nacht will nun anheben :
2885 Da ich der Juden Räch nicht trau,
Lasst ihn ins Grab uns legen.
Volksschauspiele. II. 24
370
Nicodemus. ■ •
Es ist geschehn, was zu geschehn,
Was Gott mit seinem Sohn beschlossen,
Durch seinen Tod den Sündern all
2890 Das Heil ist zugeflossen.
O Sünder, komm zur Gnadenquell,
Dankbar thu dich einstellen,
Thu Buss, sonst kummst du in die Höll,
Thu dir das Gute wählen.
Die Schäferei.
Ein Zwischenspiel zum Leiden Christi-Spiel.
Personen.
)er gute Hirt als Schäfer. Maria als Schäferin. Zwei Räuber.
I. Auftritt.
IVald. Der Schäfer allein.
Schäfer singt.
Ach, wo ist denn mein Schäfelein?
Eins mir verloren geht,
AUhier nur neunundneunzig sein,
Zuvor ich hundert hätt.
5 O Herzeleid, mein grösste Freud,
Verloren hab ich's auf der Weid.
O sagt, ihr grünen Auen schön,
Viehreiches Freudenfeld,
Mir armen Schäfer treu bekennt,
o Ob es ist weit gefehlt?
Wo etwan da sein Athem blast,
An welchem Ort es hungernd rast't.
Ich will's gehn suchen fort und fort,
Durch Dorn und Hecken hart,
5 Und wenn ich werde auch ermord't.
Und kost's mein Leben zart;
Wenn ich nur weiss mein Schäflein weiss.
Dem Tod ich's aus dem Rachen reiss.
24*
372
Und wenn es nur kehrt wiederum
20 Zu der verlornen Herd !
Ich furcht, es ist im Walde stumm,
Im dicken G'sträuch es plerrt,
^' Bei einer Wand, wo Unthier wohnt,
Und kommen möcht in Wolfes Zahnt.
25 Komm, komm, o liebes Schäfelein,
Zu der verlornen Herd,
Hör doch die Stimm des Hirten dein,
Der dich sucht mit Beschwerd :
Ich rufen will bald laut, bald still,
30 Bis dass ich komme zu dem Ziel.
2. Auftritt.
Zwei Räuber und der Schäfer.
Erster Räuber schiesst.
Du kommst uns recht in unsre G'walt,
Dein Beutel thut uns noth,
Wen wir ertappen in dem Wald,
Den rauben und schlagen wir todt.
35 Gieb's Geld nur her, dein Beutl ist schwer,
Uns durstet auch und hungert sehr.
Schäfer singt.
Ich bitte Euch, mich doch verschont,
Ihr find't bei mir kein Geld,
Ich bin ein armer Schäfersmann,
40 Nähr mich allein im Feld.
Ein Wollenthier such ich allhier.
So von der Herd gelaufen mir.
Zweiter Räuber.
Nein, Bruder, du dem Fuchs nicht trau,
Reiss weg sein' Lumpenfleck !
45 Sieh nur recht nach und g'nau durchschau.
So kommst von uns nicht weg.
Bei solchen Leut'n hab ich oft klug
Gefunden Gold und Silber g'nug.
Sie durchsuchen ihn und finden nichts.
373
Erster Räuber.
Pack dich fort, du leerer Schalk,
Mit deinem Bettelstab !
Lass uns nur rächen an deinem Balg,
Den wir geschlagen ab.
Wenn du auch stirbst und hier verdirbst,
Wir laufen wieder in den Wald. Die Räuber ab.
3. Auftritt.
Schäfer allein.
Schäfer singt.
Ach weh, ach weh, ach Tyranneil
Dir, Himmel, klag mein Noth,
So mich tractiret meine Treu,
Verwundet bis in Tod.
Aber Geduld, leid ich ohne Schuld,
Gebt mir, ihr wilden Thier, doch Huldl
O sieh, was deine Lieb mir that,
Verlornes Schäfelein 1
Die Herd ich in der Wüste lass
Und suche dich allein.
Bin schwer verwund't, werd wieder g'sund,
Wenn ich dich wieder finden kunnt. Geht ab.
4. Auftritt.
Die Schäferin allein.
Schäferin singt.
Ach, WO bist du hingegangen,
Daphnis, liebster Schäfer mein?
Zu dir steht all mein Verlangen,
Ach, könnt ich doch bei dir seinl
Schöner als ein Rosengarten
Blühen seine Wangen roth,
Vor Lieb nicht ihn kann erwarten.
Ich verschmachte bis in Tod.
374
75 .Geh ihn aufzusuchen fern,
Selbst auch meine Schäfelein
Mich ganz traurig thun anplärren,
Wollen fragen, wo er sei.
Treuer Himmel, du mir gönne
80 Durch die finstre Wüstenstrass
Und anzünde Mond und Sonne,
Dass ich find den graden Pass.
Ihr beblumte Angerwiesen,
Ich ruf mein' Gehebten zu,
85 Mir Chlorinda macht zu wissen,
Wo er nimmt die Tagesruh;
Wo die matten Schäflein weiden,
Wo, am Hügel oder Thal,
An Schatt- oder Sonnenseiten?
90 Echo, sagt's durch Widerhall.
Aber Daphnis ich nicht finde
Auf dem zarten Blumenfeld,
Noch an denen Ruhstattlinden
Unterm grünen Laubenzelt.
95 Ungefähr wird in der Wüsten
Unter vielen Heckendorn,
Die verwild'te Bahn nicht wissen.
Hat sich mit der Herd verlor 'n.
Aber, aber Alles schweiget,
100 O, Chlorinda, deiner Stimm
Niemand hier Gehör ertheilet,
Niemand sie zu Herzen nimmt.
Ach, könnt ich mir Taubenllügel
Wünschen, ihm zu fliegen nach,
105 Mit dem kleinen Rehezickel
Jetzund laufen ungemach 1
Die Auferstehung.
Ein Nachspiel zum Leiden Christi-Spiel.
Personen:
Maria Magdalena. Maria, Jacobi Mutter. Salome. Ein Engel.
I. Auftritt.
Das Theater stellt das Grab Christi vor. Auf dem Sarg
zur Rechten sitzt der Engel, weissgekleidet. Maria Magda-
lena, Maria Jakobe und Salome kommen mit Specereien
hervor auf das Theater.
Maria Magdalena.
Ach, liebste Schwester, wer wird uns
Vom Grab den Stein wegnehmen?
Denn wir Vermögens wahrlich nicht:
Wir müssen uns bequemen
5 Wen aufzusuchen, der uns doch
Die G'fälligkeit erweiset,
Dass er den schweren Stein wegschafft,
Uns aus der Noth hier reisset.
Maria Jakobe.
Ja freilich, wir sind in der Lag',
lo Um Hilf uns umzusehen,
Da heute ist der frühe Tag:
Wie wird es sonst geschehen,
Dass wir den Leichnam salben hier
Mit seltnen Specereien,
15 Wenn wir Niemanden finden hier,
Vom Stein uns zu befreien?
376
Salome.
Ach, Schwestern, seht doch, was ist hier?
Trügen mich meine Augen?
Der Stein ist weg dort von der Thür,
20 Ihr könnt mir's sicher glauben.
Zur Rechten sitzt ein' Engelsg'stalt,
Ganz weiss ist er gekleidet;
Dies kommt wahrlich durch Gottes G'walt:
Mein Sinn vor Wunder leidet.
Der Engel tritt heraus.
Engel.
25 Ihr Frauen, Euch entsetzet nicht
Ob dem, was hier vorhanden :
Ihr sucht Jesum von Nazareth,
Er ist schon auferstanden,
Ist nicht mehr hier, seht nur den Ort,
30 Wo er ist erst gelegen :
Geht hin, sagt es den Jüngern dort.
Es kovwicn einige yHnger.
Er ist schon auf den Wegen
Vor Euch nach Galiläa zu,
Alldort werdet Ihr ihn sehen.
35 Glaubt mir, was ich Euch sagen thu,
Mein Wort wird wahr bestehen.
2. Auftritt.
Die Jünger treten ganz hervor.
Engel.
Das Wort ist nun erfüllt,
Was Christus selbsten sagte,
Dass er den Tempel wollt
40 In dreien Tagen bauen!
Die Trauer ist gestillt,
Da mancher erst noch klagte :
Ihr werdet einstens auch
Das Himmelreich anschauen,
45 Darauf kann Jedermann
Wohl sicherlich auch bauen.
377
Da Christus es beweist
Mit seinem Auferstehen,
So freuet Euch alsdann
50 Mit festem Zu vertrauen.
Das Band des Tod's zcrreisst,
Dort werdet ihr ihn sehen.
Drum stimmt mit Fröhlichkeit
Ein Allel uja an,
55 Und danket Gott dafür
Mit Mund und Herz zugleich,
Dass er geend't den Streit,
Für Euch so viel gethan,
Euch führt zur Himmelsthür,
60 Zur ew'gen Seligkeit.
Engel singt allein.
Singet, fromme Christen, all :
Christus, frei von Todesbanden,
Lebend ist vom Tod erstanden,
Wie er vor hat prophezeit,
65 Gott sei drum gebenedeit 1
Alle.
AUeluja, Alleluja,
Lobt den, der erstanden istl
Engel.
Lobt und preiset Gottes Nam' :
Der zuvor in Spott und Schanden
70 Vor der Judenrott gestanden,
War verspottet und verlacht.
Jetzt die Feind' zu Schanden macht.
Alle.
Alleluja, Alleluja,
Stimmt zusamm mit Freudenschall I
Engel.
75 Euer Heiland, Jesu Christ,
Der gegeisselt und verhöhnet,
Mit der Dörnerkron gekrönet,
378
Jetzt mit Glorie ist geziert,
Und in Freuden triumphiert.
Alle.
80 Alleluja, Alleluja,
Der vom Tod erstanden istl
Engel.
Christus lebt jetzt voller Freud,
Der für Euch am Kreuz gestorben
Und den Himmel Euch erworben,
85 Der dem Tod die G'walt gebunden
Und denselben überwunden.
Alle.
Alleluja, Alleluja,
Er wird leben alle ZeitI
Engel.
Engel, Menschen, stimmt zusamm',
90 Lasst uns Christum preisen, loben.
Der jetzt in dem Himmel droben,
Auch im Sakrament zugegen,
Der Euch allen giebt den Segen.
Alle.
Alleluja, Alleluja,
95 Lobt all' Völker Gottes Nam'.
m
ANMERKUNGEN
UND ERLAEUTERUNGEN.
fli^
Judith und Holofernes.
Seite I.
Die Geschichte von Judith und Holofernes und von der Er-
rettung der belagerten Israeliten , wie sie von den apokryphen
Büchern der Bibel das Buch Judith erzählt, bildete seit dem
Vorkommen dramatischer Darstellungen in Deutschland einen be-
liebten Schauspielstoff, und finden wir insbesondere im i6. Jahr-
hunderte zahlreiche Judithkomödien von den Dichtern Joachim
Greff (1536), Sixt Birk (1539), Jacob Frey (1564) u. a., insbesondere
auch von dem Wiener Wolfgang Schmelt^I (1542) und von Samuel
Hebel , dessen Schauspiel Judith ebenfalls in Wien gedruckt
wurde. — Auch Hans Sachs Hess sich den passenden Stoff nicht
entgehen, seine Judith-Comödie rührt aus dem Jahre 1551 her. In
der jüngsten dramatischen Literatur ist die Juditherzählung öfter
bearbeitet worden und hat bekanntlich Friedrich Hebbel in seinem
bezüglichen Drama eine Meislerleislung geschaffen.
Die Volksthümlichkeit dieses biblischen Stoffes erweist der
Umstand am besten, dass so zahlreiche dramatische Dichtersich stets
desselben bemächtigt haben und ihre Schauspiele auch wirklich
stets beifällig aufgenommen wurden, insbesondere gilt dies für das
16. und 17. Jahrhundert, wo ja der Zuschauerkreis ein viel weiterer
war und alle Stände umfasste Es ist daher leicht erklärlich,
dass auch späterhin die biblische Erzählung zum Gegenstande
des gern gesehenen Schauspiels im Volke unserer Alpenländer
geworden , zumal die ganze Handlung schon in dieser Er-
zählung eine dramatische , bewegte ist und die fromme Nutz-
anwendung dem religiösen Sinne des Volkes entspricht. Leider
bin ich nicht in der Lage, eine wirkliche Aufführung des Spieles
von Judith und Holofernes an einer Volksbühne in den an
Steiermark gränzenden Ländern nachzuweisen, obgleich es keinem
Zweifel unterliegt, dass dieses Spiel in Kärnten und Steiermark,
wohl auch in Salzburg und Oesterreich zur Aufführung gekommen
ist. Die Einführung der Figur des Hanswurstes in der Rolle des
Boten, welche sehr geschickt durchgeführt erscheint, weist darauf
hin, dass diese Komödie sich zweifellos grossen Beifalls erfreut
hat wie die anderen ähnlichen Spiele , in welchen diesem vom
Volke so gern gesehenen Lustigmacher eine gelungene Rolle
zufiel.
Selbst in Steiermark einen Ort anzuführen , in dem die
Judith nach diesem Texte dargestellt wurde, ist mir nicht möglich.
382
Die Handschrift, offenbar zum Theatergebrauche bestimmt und
mit allen Spuren eines solchen versehen, fand sich im steier-
märkischen Landesarchiv zu Graz und dürfte wohl durch eine
Schenkung dahin gekommen sein. Diese Handschrift bildet ein
Quartheft in sehr verschnörkelter alterthümlicher Schrift von un-
gelenker Hand ; die Schrift dürfte aus den sechziger oder siebziger
Jahren des i8. Jahrhunderts stammen. Auf der Rückseite des
letzten 21. Blattes sind: »Agehrente Persohnen zu der Judith-
comödy« verzeichnet, als deren erste »Hans Wurst« erscheint.
Auch dieses Personenverzeichniss hat wie der ganze Text eine
entsetzliche Orthographie (Plollovernus u. dgl.). Alles musste
daher geordnet und zurecht gerichtet werden. Die Eintheilung
in Auftritte habe ich der bessern Uebersicht wegen ebenfalls
durchgeführt, da eine eigentliche geordnete Sceneneintheilung
in der Hs. nicht bezeichnet ist.
Obgleich eine Art Theilung in 3 Akte angedeutet erscheint,
indem zu Anfang des Stückes die Ueberschrift : I. Actus, an
Stelle des 6. Auftrittes meiner Eintheilung: H. Actus und an
Stelle des 18. Auftrittes m. E. : III. Actus beigefügt ist, habe
ich diese ungleichmässige Acteintheilung doch nicht beibehalten,
da es wahrscheinlich ist , dass das Ganze in noch mehr Acte
zerfiel, deren Bezeichnung, wie dies so oft der Fall, durch Ueber-
sehen des Schreibers einfach nicht vorgenommen wurde , eine
willkürliche weitere Acteintheilung ich jedoch nicht treffen wollte.
Unsinnige Namen , Worte und Endungen wurden möglichst
beseitigt.
Die Entstehung des Stückes fällt wohl in die Mitte des
vorigen Jahrhunderts , darauf deutet schon die Erwähnung der
Landesmutter (Maria Theresia) im Schlussliede Z. 988.
S. 3 Z. 5 Statt »Wir« hat die Hs. »und«.
8. 3 Z. 8 u. 9 »Unser Willen« statt »Unseres Willens« in der Hs.
S. 4 Z. 33 »Potz Figarament eini« auch nur »Figara«, komisch
wirkende beim Hanswurst übliche dial. Interjection , wie man
etwa sagt: Potz Wetter hinein!
S. 9 Z. 35 »selba nimma« dial. »selbst nimmer, selbst nicht«.
S. I Z. 36 »Aba verrath's ma g'schwind an Boten« dial. »aber
sagt mir geschwind einen Boten an«.
S. 4 Z. 37 »gern« dial. »geben«.
S. 4 Z. 42 »Stieglitz« scherzhafte Verdrehung des Namens Felix.
Solche Namensverdrehungen kommen auch hier wie im
Genovefaspiel öfter vor.
S. 4 Z. 45 »Pugl« dial. «Buckel, Rücken«.
S. 4 Z. 47 Die Hs. hat hier: »so ir)ber i schon vor Scliröcka«
dial. »vor Schreck«. Derartige derbe Scherze des Hanswursts
wurden durchaus nicht übel genommen.
S. 5 Z. 51 »ham« dial. > haben«.
S. 5 Z. 58 »ÖS harnt« dial. »ihr habt«.
S. 5 Z. 59 »Ratzen« dial. »Ratte«.
S. 5 Z. 63 »will i da's« dial. »will ich dir's«.
383
S. 5 Z. 70 »Inslög« dial. »Unschlitt«. "Wieder komische Wort-
verdrehungen des Hanswurst.
S. 5 Z. 71 »vakaufen« dial. »verkaufen«.
S. 5 Z. 73 »auf d' Stadt aussi« dial. »in die Stadt hinaus«.
S. 6 Z. 74 u. 75 »selba gehn kinna« dial. »selbst gehen können«.
S. 6 Z. 75 »leichta hin g'langa kinna« dial. »leichter hin ge-
langen können«.
S. 6 Z. 82 »meinethalm« dial. »meinethalben«.
S. 6 Z. 83 »nachtreimt dial. »nachtreiben«.
S. 6 Z. 83 »scharts enk« dial. »schert euch«.
S. 6 Z. 84 »Bernhäuta« dial. »Bärenhäuter«.
S. 7 Z. loi In der Hs. »cronn und cepter«.
S. 7 Z. 105 In der Hs. »zu verschonen« statt »soll verschonet«.
S. 8 Z. 151 »g'raist und umag'schlampt« dial. »gereist und herum-
gevv^orfen worden«.
S. 9 Z. 156 »PradI praten« dial. »Braten gebraten«.
S. 9 Z. 159 »d'Sautreber« dial. »die Treber der Schweine«.
S. 9 Z. 184 »bracht han i nix« dial. »gebracht habe ich nichts«.
S. 9 Z. 185 »an etli hundert« dial. »etliche hundert«.
S. 10 Z. 198 »da bleim« dial. »da bleiben«.
S. 10 Z. 214 die Hs. hat hier und fast immer »Holofernus« statt
»Holofernes«.
S. 13 Z. 290 »d'Weibsbilda« dial. »die Weibsbilder«.
S. 13 Z. 290 u. 291 »dö send enk« dial. »die sind euch«.
S. 13 Z. 294 »aussa« dial. »heraus«.
S. 13 Z. 295 »als ÖS« dial. »als ihr«.
S. 16 Z. 372 bis 374 »die Zeit . . . Fuchsbalg überzog'n« »Die
Zeit d. h. heutzutage gilt die Wahrheit meistentheils nur mit
einem Fuchsbalg überzogen«. Sprichwörtliche Redensart.
S. 16 Z. 377 Statt »Mesopotamien« ein unleserliches Wort in der Hs.
S. 17 Z. 419 In der Hs. »weisgesaget« statt »geweissaget«.
S. 26 Z. 674 In der Hs. »gegen ihnen« statt »gegen dieses«.
S. 27 Z. 698 In der Hs. »gegen dir« statt »gegen dich«.
S. 27 Z. 707 In der Hs. »ihr« statt »sein Blut«.
S. 28 Z. 742 »Zeltkuchel« »Küchel« dial. »Küche«.
S. 29 Z, 768 »kemma« dial. »kommen«.
S. 30 Z. 779 In der Hs. »Esse« statt »Iss«. Uebrigens ist »Esse«
mundartlicher Imperativ.
S. 31 Z. 806 In der hier folgenden Theaterbemerkung heisst es
in der Hs. »Es kann . . . der Hanswurst das Seinige thun«
statt »Spässe machen«.
S. 35 Z. 922 »d' Maus san« dial. »die Mäuse sind«.
S. 35 Z. 923 »geschloffen« dial. »gekrochen, geschlüpft«.
S. 35 Z. 927 In der Hs. : »wannst« statt »wann d'« dial. übrigens
ersteres nicht unbegründet, »wenn du«.
S. 35 Z. 928 »eini« dial. »hinein«.
S. 35 Z. 933 »Gredl« dial. »Grete«. Mit »Gredl« wird gewöhn-
lich scherzhaft eine Frauensperson überhaupt bezeichnet, z. B,
Dös is a lustige Gredl, a dumme Gredl u. dgl.
384
Hirlanda.
Seite 39.
Das Volksbuch von der Herzogin Hirlanda erfreut sich schon
seit langer Zeit einer ähnlichen Verbreitung wie jenes von der
Pfalzgräfin Genovefa , wenn auch der Fabel des ersteren die
knappe Geschlossenheit abgeht. Die Erzählung zerfällt gewisser-
massen in zwei Theile, deren erster bis zur Wiederauffindung
Hirlanda's durch ihren Gemahl reicht, während der zweite mit
der Niederlage des falschen Riesen und damit Gerhard' s und dem
Siege des Jünglings, welcher sich als der gerettete Sohn Hirlanda's
zuletzt zu erkennen giebt , endigt. Jede dramatische Bearbeitung
des Stoffes wird daher ausgedehnt und langalhmig. Auch das
hat die Erzählung von Hirlanda mit jener von Genovefa gemein,
dass sie in Cerisier's Buche: »Les trois etats de l'innocence . . .
couronnee« . . . (Paris. 1640) zuerst ausführlich behandelt erscheint,
welches Werk von dem ungenannten Jesuiten in dem ebenfalls
schon erwähnten Werke: »Die Unschuld in Drey unterschidlichen
Ständen« (Dillingen. 1685) eine freie Uebersetzung und Bearbeitung
erfahren hat. R. Köhler (»Die deutschen Volksbücher von der
Pfalzgräfin Genofeva und von der Herzogin Hirlanda« Zeitschr.
f. deutche Phil. V. S. 69 ff.) weist nach, dass die Uebersetzung
dem P. Martin Cochem als Quelle gedient hat, der in sein »Aus-
erlesenes History-Buch« (Dillingen. 1687) als 70. Historie des
ersten Buches auch die Hirlanda-Historie aufgenommen, aus dem
die Geschichte später in die vielseitig verbreiteten verschiedenen
Volksbücher-Drucke übergangen ist, nicht ohne noch manche
Aenderung zu erfahren, wie die Fassung der Erzählung in Band 12
von Simrock's »Deutschen Volksbüchern« (Frankfurt. 1865) zeigt,
welches. 27 — 82: »Die über die Bosheit triumphirende Unschuld,
das ist Hirlanda . . .« enthält.
In der zweiten Plälfte des 18. Jahrhunderts war das Hirlanda-
Volksbuch schon in Deutschland überall verbreitet. Bald darauf
dürfte sich auch die Volksbühne des Stoffes bemächtigt haben,
insbesondere in dem katholischen baierisch-österreichischen Alpen-
gebiele , auf dem derartige Stoffe schon ihrer religiösen Färbung
wegen grossen Anklang gefunden haben. Felix Dahn in der
Schilderung der Volkssitte Oberbaierns (Bavaria, München. 1860.
I. Bd.) erwähnt einer »Hirlanda« als Repertoirestückes der ober-
bairischen Volksbühne. Hartmann (Volksschauspiele) führt den
Titel einer Hirlandakomödie mit Musik an, die 1759 zu Dachau
aufgeführt wurde (a. a. O. S. 439); seiner Angabe nach wurde
zu Erl in Tirol etwa in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts
und zu Buch in Tirol noch 1858 eine »Hirlanda« zur Darstellung
gebracht (a. a. O. S. 403 u. 340). Zu Liesing im I^esachthale
Kärntens weist die Bauernbühne von 1853 auch ein »Hirlanda-
spiel« auf, wie Weinhold (Weihnachtsspiele S. 374) anführt. Es
lässt sich vermuthen, dass der Text des letztgenannten Spieles mit
385
dem hier abgedruckten zusammenhängt, ein Nachweis dafür freilich
lässt sich nicht erbringen.
Das vorliegende Volksschauspiel, das erste gedruckte, welches
den Stoff behandelt, ist erweislich um 1839 und später zu Eisen-
erz in Obersteiermark aufgeführt worden. Ich habe diesen Text
durch die dankenswerthe Vermittlung des damals in Admont
weilenden Herrn F. A. Kienast erhalten. Die ebenso schlecht
leserliche als unorthographische Handschrift in Folio , welche als
Theaterexemplar benutzt wurde , enthält auf der Innenseite des
Umschlages die Einzeichnung »Peindinger Andreas 1839«. Sie
war später im Besitze eines Bergarbeiters, der nach der Mittheilung
Kienast' s selbst häufig bei derartigen Aufführungen mitgewirkt
hat. Die Eintheilung in Acte und Scenen ist in der Handschrift
nicht durchgeführt. Ich hielt es für das Beste , auch hier eine
Eintheilung nur in Auftritte vorzunehmen. Ebenso wurde das
Personenverzeichniss von mir zusammengestellt , die Plandschrift
hat keins.
Die Abfassungszeit des Spieles dürfte wohl in das Ende des
18. Jahrhunderts zu setzen sein.
S. 44 Z. 85 »ohne deiner« dial. Wendung für: »ohne dich».
S. 51 Z. 282. In der Hs. ; »Grobheit« statt »Kühnheit«,
g. 52 Z. 307. Hier wie an mehreren anderen Stellen hat die Hs.
die der Mundart entsprechende Imperativform »sehe« statt
»sieh«.
S. 56 Z. 412. In der Hs. »wieder herwieder kam« statt »zu sich
kam«.
S. 56 Z. 427. In der Hs. statt »verklagen«: »verknipfen«, falls
ich recht lese.
S. 57 Z. 442. In der Hs. »gut beisammen sein« statt »gut ver-
sorgt sein«.
S. 58 Z. 459. In der Hs. »im Flux« statt »im Flug«.
S. 64 Z. 619 u. 620. In der Hs. »dir Muras lernen« statt »dich
Mores lehren«.
S. 69 Z. 749. In der Hs. »von allem hohen Geschwader« statt
»von jeder hohen Gesellschaft«.
S. 71 Z. 809 »verlobte Wallfahrt« dial. »gelobte W.« , eine
Wallfahrt, die in Folge eines Gelöbnisses erfolgt.
S. 72 Z. 850. Auch hier »verknipfte« statt »verläumdete« in der
Hs.
S. 73 Z. 877 »gefixt« dialectisch, etwa »gerieben«.
St. Barbara.
Seite 1O7.
Die Legende von der heiligen Barbara erzählt ausführlich
Surius in seinem grossen Werke: »De probatis sanctorum vitis«
Volksschauspiele. II. 25
386
(Colon. Agr. 1618) Decemberband. S. 123 — 128. Das Heiligen-
Lexikon von Stadler u. Heim (Augsb. 1858) in Bd. I S. 380 — 383
enthält die legendarische Erzählung kürzer zusammengezogen, und
selbstverständlich findet sich dieselbe auch in den übrigen zahl-
reichen Zusammenstellungen von Heiligen-Legenden. V^on den
Bergleuten der katholischen Länder wird die h. Barbara als Schutz-
patronin verehrt, wohl desshalb, weil sie schon lange als Schutz-
frau der Unfälle durch Gewitter und des unvorhergesehenen Todes
überhaupt gilt und die schlagenden Wetter dem Bergmann in
plötzlicher Weise den Tod bereiten können, ein Fall, der bekannt-
lich nicht selten eintritt. Es liegt somit der Grund nahe, warum
die Barbaralegende in Ländern , woselbst viel Bergbau betrieben
wird, für die Volksbühne zum Schauspiele bearbeitet und als
solches häufig aufgeführt worden ist. Ein solches Land ist ins-
besondere auch Steiermark, und wir finden in der That Aufführungen
des Barbaraspieles daselbst seit Anfang dieses Jahrhunderts.
Im Allgemeinen kommt auf dem baltisch - österreichischen
Alpengebiete das Spiel von der h. Barbara nicht selten vor.
Felix Dahn (Bavaria, I S. 418) erwähnt desselben als Repertoire-
stückes der oberbairischen Volksbühne. Hartmann (Volksschau-
spiele S. 321) gedenkt einer »heiligen Barbarac?, die 181 1 zu
Brixlegg in Tirol aufgeführt wurde, und bringt ein von der Censur-
behörde gestrichenes, weil »zu pöbelhaftes« Lied der Götzenpriester
daraus (S. 322) zum Abdrucke. Auf dem Dorftheater zu Buch
in Tirol wurde nach Hartmann im Jahre 1852 i>Sankt Barbara«
von Martin Obinger zur Darstellung gebracht (S. 390). Zweifel-
los wurde auch auf den Dorfbühnen Kärntens, von denen Wein-
hold (Weihnachtsspiele S. 374) einige anführt und deren noch
vor Kurzem verschiedene bestanden, das »Barbaraspiel« aufgeführt,
ich erinnre mich hierüber selbst einmal bestimmte Mittheilung
erhalten zu haben.
Dass die »Barbarakomödie« in Steiermark öfter zur Darstellung
gelangt ist, weisen bestimmte Angaben nach. In der Gegend
von Eisenerz war dies in den Jahren 1802, 1808, 1832 und noch
1863 der Fall nach einer Einzeichnung in dem Textbuche jenes
»Geburt-Christi-Spieles«, das in dieser Sammlung Bd. IS. 117 ff,
abgedruckt ist. Die erwähnte Einzeichnung enthält sogar Bemer-
kungen über die Einnahme, welche im J. 1802 222 fl. und im
J, 1808 270 fl. betrug, für die bescheidene Dorfbühne bemerkens-
werthe Summen. ImJ. 1829 und 1846 fanden Darstellungen des
Barbaraspieles in Mitterdorf im Mürzthale statt.
Das Heft, welchem der vorliegende Text hauptsächlich ent-
nommen ist, wurde mir ebenfalls durch die Gefälligkeit des Herrn
F. A. Kienast zugänglich, welcher es etwa 1S81 vom Eigenthümer
Wondschina geliehen erhielt , der noch selbst als Spieler bei den
letzten Aufführungen in der Gegend von Eisenerz betheiligt
war. Auf dem Titelblatte dieses abgerissenen selbstverständlich
schlecht und unorlhographisch geschriebenen Heftes stehen die
Worte: »Exempel der heiligen Jungfrau Marterin Barbara.
3«7
Schauspiel in Drey Abtheilung. 1863. Jakob Wondschina^. —
Ich war in der Lage, noch einen zweiten Text in dem mir aus
Mitterdorf zugekommenen Spielbuche mit dieser Fassung ver-
gleichen zu können, das auf dem Titelblatte die Worte enthält:
«Komödie von der heiligen Wabara (sie!) 1829. Valentin Glanzer
1846« und am Schlüsse des Textes den Namen: Jakob Smesmeyer
oder Kinesmeyer, dieser Name ist schlecht leserlich. Der Text
stammt mit dem ersten so ziemlich überein , von dem Liede des
Hanswurstes, mit dem der 9. Auftritt (S. 116) beginnt, ist jedoch
in dem Mitterdorfer Exemplare nur die erste Strophe und diese
verstümmelt enthalten. Ich konnte auch andere verstümmelte
Stellen durch das eine oder andere Exemplar verbessern. An der be-
züglichen Stelle (9. Auftritt) verzeichnet das Eisenerzer Exemplar
noch ein zweites Lied, worüber die Anmerkung zu vergleichen ist.
Da sich in der Handschrift die Verwechslung der Höflich-
keitsansprache »Ihr« mit »Sie« an verschiedenen Stellen findet,
so wurde auch in dieser Beziehung die Einheitlichkeit durchge-
führt.
S. 109 Z. I »Ich tritt« dial. »trete«.
S. 109 Z. 10 »verlobt« dial. ein Gelübde gethan , in diesem
Falle etwa »das Herz durch ein Gelübde Gott gewidmet«.
S. 109 Z. 15 In der Bemerkung über die Aufstellung der Götzen-
bilder führt die Handschrift statt »Minerva« »Pallas« an.
S. 116 Z. 182 Die Hs. enthält an dieser Stelle noch ein zweites
Lied für den Hanswurst, welches mit der Zeile beginnt.- »So
mag i kein Bauer mehr bleiben« und eigentlich mit geringen
Abweichungen dasselbe Lied ist, das ich in meiner Sammlung :
»Deutsche Volkslieder aus Steiermark« (Innsbruck. 1881) S. 248
aufgenommen habe, woselbst es beginnt: »Mag i ka Bauer
nimmer bleiben«. Wahrscheinlich sind diese zwei überaus
volksthümlichen Lieder zur Auswahl der Hs. einverleibt, der
Hanswurst sang bei der jeweiligen Aufführung jedenfalls nur
das eine derselben. Beide Lieder haben übrigens das mit-
einander gemein, dass sie die verschiedenen Unannehmlichkeiten
des Bauernstandes betonen.
S. 116 Z. 182 »Hiazt woas i nit« dial. »jetzt weiss ich nicht«.
S. 116 Z. 184 »bliebet i oanereh« dial. »bleibe ich einer ohnehin«.
S. 116 Z. 184 u. 185 Hier fehlen jedenfalls Stellen des Liedes
in der Hs. , insbesondere fehlt die ganze Zeile 185, welche ich
nicht willkührlich ergänzen wollte.
S. 116 Z. 186 »han« dial. »haben«.
»mein wahrla« dial. etwa: »wahrlich, wahrhaftig«,
»war ma als zu kloan« dial. »wäre mir gar zu
S.
116 z.
188
S.
116 z.
klein«.
189
S.
116 Z.
192
S.
116 Z.
198
»Läinber« dial. »Lämmer«.
»oans is, was da Hund nit mag«, dial. »Eins ist,
was der Hund nicht mag«. Sprichwörtliche Redensart.
116 Z. 199 »Dös gang ma wohl a nit ein« dial. »das ginge
mir wohl auch nicht ein«.
25*
388
S. ii6 Z. 200 »Stiften« alter dial. Ausdruck. Stift bezeichnet
das Verhältniss zwischen dem Gutsherrn und dem Grundholden
wie es früher bestand, also stiften etwa Pacht zahlen.
S. 116 Z. 202 »hoast's« dial. »heisst es«.
S. 116 Z, 204 »zan Teuxel« , dial. »zum Teufel«, scherzhaft ge-
meint.
g. 117 Z. 213 »leicht« dial »vielleicht«.
S. 117 Z. 214 »ehenter« dial. »eher«.
S. 117 Z. 220 »glei harb a« dial. »gleich böse (herb) auch«.
S. iiS Z. 231 »hiazt los nur« dial. »jetzt höre nur?.
S. 118 Z. 236 »Bidlmann« dial. »Brautwerber«./
S. 119 Z. 259 »gegen Ihnen<r dial, »gegen Sie«.
S. 120 Z. 293 »ÖS habt's enk« dial. »ihr habt euch«.
S. 121 Z. 304 u. 305 In der Hs. »von dem Ausglaub (?) dessen
Unterfutter«.
S. 121 Z. 310 »Schaben« dial. und allgem. Ausdruck für
»Motten«.
S. 121 Z. 312 »lukat« dial. löcherig«.
S. 122 Z. 325 »die Prem« dial. »die Bremsen«.
S. 123 Z. 346 »derft's enk« dial. »dürft euch«.
S. 123 Z. 354 »Hiazt wiar ich a« dial. »Jetzt w^erde ich auch^f.
g. 127 Z. 443 »damisch« dial. etwa »närrisch«.
S. 127 Z. 457 >von enkerer« dial. ^^von euerer«.
S. 127 Z. 463 »auf enk« dial. »an euch«.
S. 130 Z. 498 »kemmaar dial. »kommen«.
S. 132 Z. 549 »auf diesem Spitz« dial. »auf dieser Spitze«.
S. 135 Z. 614 Hs: »erweckendes« statt »erwachendesc.
S. 139 Z. 724 Hs; »königliche« statt »fürstliche«.
S. 140 Z. 756 Hs : »abgenommen« statt »eingenommen«.
S, 148 Z. 926 »wie erbarmst du mir« dial. Wendung, etwa »wie
dauerst du mich -f.
Susanna.
Seite 159.
Die Erzählung von der keuschen Susanna und den zwei
greisen Richtern, welche ihr Gewalt anthun wollen, sie anklagen,
zuletzt aber durch den jungen Daniel vor Gericht der falschen
Anklage überführt werden, findet sich in den apokryphen Büchern
des alten Testamentes (Gap. 13 der Septuaginta). Es ist bekannt,
dass gerade dieser Stoft' von den Malern und von den dramatischen
Dichtern des 16. Jahrhunderts und selbst später besonders gern
zum Vorwurfe genommen wurde. Susannakomödien finden wir in
der That das ganze 16. Jahrhundert hindurch zahlreich gedruckt
und aufgeführt. Die bedeutendste derselben dürfte wohl Paul
Rebhun's ».'^piel von der gottfürchtigen und keuschen Frauen
389
Susannen« (1536) sein, das H. Palm in der Bibliothek d. lit. Ver.
zu Stuttgart Bd. XLIX wieder zum Abdrucke brachte. Schon
vorher aber erschien Sixt Birk'o Spiel (1532), und aus späterer
Zeit sind Susannakomödien von Jakob Frischlin, Michael Stettier,
Conrad Graff, Georg Pondo , Leonh. StÖckel, Johann Leon,
.Andreas Calagius u. A. m. bekannt. Die reiche Aufzählung in
Goedeke's »Grundriss zur Gesch. der deutsch. Dichtung. 2. Aufl.
(S. 345. 355. 356, 359. 365, 367,. 378, 386, 392, 394, 39^. 402,
405, 407 etc.) weist die Beliebtheit dieser Comödien am besten
nach. Eine Vergleichung und Untersuchung der wichtigsten dieser
Spiele versucht Robert Pilger's ausführliche Arbeit: »Die Drama-
■ lisirungen der Susanna im 16. Jahrhundert« in der Zeitschrift f.
deutsche Phil. XI. Bd. 1880. S. 729 ff. Daselbst sind jedoch
noch nicht alle Dramatisirungen dieses Stoffes, welche nur in
deutscher Sprache vorliegen, ins Auge gefasst.
Ob das hier abgedruckte Spiel von der Susanna auf anderen
Volksbühnen in unserem Alpengebiete aufgeführt wurde , ist mir
unbekannt. Jedenfalls ist der Grundtext sehr alt; es erinnert die
ganze Anlage und Durchführung überhaupt an die Fastnachts-
spiele, und dürfte das Spiel auch jedenfalls zu derselben Zeit ent-
standen sein, als die zahlreichen Dramatisirungen des Stoffes, von
denen eben die Rede war, vorgenommen wurden, Vers und Reim
und manche alte Ausdrücke, die allerdings auch der Mundart eigen-
thümlich sind, weisen schon darauf hin.
Was die Handschrift betrifft, welcher der vorliegende Text
entstammt, so ist dieselbe wie bei den meisten der hier abgedruckten
Spiele, ebenfalls ein Theaterexemplar. Ursprünglich hatte ich 1885
eine Handschrift erhalten , die aus Eisenerz stammte und die
Jahreszahl 1802 auf dem Titel verzeichnet enthielt. In Eisenerz
wurde auch nach mündlicher Mittheilung die Susannakomödie
thatsächlich aufgeführt. Die Abschrift, welche ich von dem
Theaterbuche von 1802 machte, ist mir jedoch in Verlust gerathen,
und ich war gezwungen, neuerliche Erkundigungen nach dem Ver-
bleib des alten Manuscriptes einzuziehen. Diese hatten insofern
Erfolg, als ich eine zweite ähnliche Handschrift des Spieles und zwar
wieder aus Eisenerz benutzen konnte. Diese ist zwar mit der
von 1802 nicht vollkommen identisch und, der Schrift nach zu
urtheilen , etwas neueren Datums, jedoch stimmt sie, so weit ich
mich erinnern kann , in allen Hauptpunkten mit dem älteren
Manuscripte überein, sogar in der »Anmerkung der Kleider etc.«,
welche dem eigentlichen Texte vorangeht. Es mag daher das
Heft , dem ich diesen Text entnehme , sogar eine Abschrift des
früheren von 1802 gewesen sein. Leider sind Schreib- und andere
Fehler in dem neueren Hefte ebenfalls enthalten und einige Stellen
ganz verstümmelt, so dass sie ergänzt werden mussten. Auf dem
Umschlage des Heftes stehen die Worte: :2'Susanna. Eine hysto-
rische (sie!) Vorstellung in 3 Acten aus der heiligen Schrift«,
ferner finden sich auf diesem Umschlage verzeichnet die Namen ;
>^ Franziska Honigl, Johann Honigl , Oswald Honigl , Viktoria
390
Honig] und noch mehrere andere »Honigl«. In der Mitte des
Heftes steht : »pour Honigl« und nach der erwähnten »Anmerkung
der Kleider etc.« folgen noch die Worte : »Peter Honigl Eisenerz«.
Es macht das den Eindruck, als habe ein Theaterleiter Namens
Honigl mit seiner Familie das Spiel zur Darstellung gebracht
und die Hauptrollen mit diesen Familienmitgliedern besetzt.
Wahrscheinlich hat derselbe Honigl auch andere Stücke aufgeführt,
was freilich auch nur vermuthet werden kann.
Es ist eben angedeutet worden, dass eine »Anmerkung« in
der Handschrift dem Texte vorangeht ; da dieselbe für die Art
der stattgefundenen Aufführung verschiedene Auskünfte bietet, so
möge sie hier und zwar möglichst nach der Textirung der Hand-
schrift ihre Stelle finden. Nach der Ueberschrift : »Anmerkung
der Kleider und anderen Sachen, so bei dieser Comödie erfordert
werden«, folgen die Angaben: ^^Erstlich der Ehrenhold, Joachim
und die zwei alten Richter sind fast gleich gekleidet, als allein,
dass Joachim kein Seitengewehr hat, jeder einen Schlafrock, grosse
Bundkappen, grosse Barte, niedere Schuh und schwarze Strümpfe
haben, doch soll Joachim schöner mit Gold überzogene Schuh an-
haben und einen mit einem hochzeitlichen (?) Ehrenkranz gezierten
Bund auf dem Haupte tragen. Die zwei Joachimsknechte brauchen
niedere Schuh, schwarze Strumpf und einen braunen lodenen Rock
und Hut. Der Richter ist schwarz gekleidet, soll einen schwarzen
Mantel und ein Wams anhaben und einen runden schwarzen Hut,
in der Hand einen vergoldeten Stab und sammt den zwei Bei-
sitzern ein Krös (eine Krause) tragen , auch sollen die zwei Bei-
sitzer auf jüdische Art schwarze Kittel, über sie schwarze Röcke
und einen grossen schwarzen Hut, um die Mitte aber ein weisses
Handtuch (?) haben. Die zwei Gerichtsdiener müssen schöne
rothe Leibel oder Kamisole , rothe Kappen , welche bis auf die
Schulter herabhängen , an den Füssen rothe Strümpfe und weisse
Kleider, welche bis auf die Waden gehen, Schnurbärte und grosse
Pratzen (vielleicht Handschuhe?) haben. Daniel soll ein Engel-
kleid , einen Lorbeerkranz auf dem Haupte und rothe Strümpfe
haben. Die Soldaten haben grosse runde Barte und Hellebarten.«
Ein eigentliches Personenverzeichniss fehlt ebenso wie die
Eintheilung in Acte. Ersteres wurde von mir beigefügt. Noch
ist zu erwähnen, dass Achab in der Handschrift den Namen
*Wallak« trägt, welcher als unbiblisch wohl nicht passend erscheint
und daher geändert wurde.
S. 163 Z. 68 Hs: »Wabel« statt »Babel«.
S. 163 Z. 77 Hs : »Der ich gefangen nun von ferne stehe«.
S. 163 Z. 84 Hs: »Hat er geben mir den Zorn sein in gütte und
in gnad gewend«.
S. 169 Z. 107. Nach dieser Zeile findet sich noch eine Stelle in
der Hs., welche, mir nicht verständlich, etwa lautet; »von rechter
Zucht und lieb gottes bogen«.
S. 164 Z. 108 Hs : »bei den ich so vill Gnaden find«.
S. 164 Z. 114 Hs: »Mich suchen und kommen zu mir«.
39'
S. 165 Z. 128 Hs. : »haben« statt »han«.
S. 165 Z. 141 »Sirfln« dial. etwa »plappern«, erinnert an den
mhd. Ausdruck.
S. 165 Z. 147 — 157. Diese Rede, in der Hs. verderbt und mit-
unter unleserlich, musste in verschiedenen Worten geändert
werden. Z. 147 lautet etwa in der Hs. : »Ja was ihr in Herz
redet nun«.
S. 165 Z. 151 »brinnen« dial. »brennen«.
S. 165 Z. 153 »bewisst« dial. »bewusst«.
S. 165 Z. 161 »nehmen in Bestand« d. h. »miethen«.
S. 166 Z. 169 Hs.: »Ja gut is der es treffen kann«.
S. 166 Z, 174 »gegen mir« dial. »gegen mich«,
S. 168 Z. 249 Hs. : »durch wen« statt »durch welchen«.
S. 169 Z. 253. Eine kurze Gegenrede Achab's , welche in der
Hs. hier folgt , die aber ganz unverständlich u. fast unleserlich
ist, wurde ausgelassen.
S. 169 Z, 266 »derft« dial. »dürft«.
S. 169 Z. 270 »Lost« dial. »hört zu«.
S. 170 Z. 297 »nicht nur« fehlt in der Hs.
S. 170 Z. 302 Hs. : »Dann hiemit alle Sorgen bissen«.
S. 171 Z. 317. In der Hs. »gegeben hat« statt »giebt«.
S. 171 Z. 336. In der Hs. statt »ohn' Gebühren« unverständliche,
undeutlich geschriebene Worte, die ich etwa lese: ».schmulen,
schmieren«.
S. 173 Z. 392 Hs. : »Dass ich so ferne komm von dir«.
S. 173 Z. 398 Hs. statt »komm bald zu mir« hat »wennst kommst,
so komm«.
S. 174 Z. 409 »im Stillen« fehlt in der Hs.
S. 174 Z. 421 »gegen uns« fehlt in der Hs.
S. 174 Z. 430 »verstosst« fehlt in der Hs.
S. 174 Z. 433 Hs. : »dringt« statt »begehrt«.
S. 175 Z. 458. In der Hs. als offenbarer Schreibverstoss »ergözen«
statt »erzürnen«.
S. 175 Z. 464 u. 465 Hs.: »wollt ihr der Frauen Gewalt anthun
ihr Bösewicht«.
S. 177 Z. 496 Hs. : »Nun ist jetzund ronirt (ruinirt ?) die
Thür«.
S. 177 Z. 497 Hs. : »wer solches hat« statt »wer das hatc.
S. 177 Z. 500. In der Hs. verderbt und unverständlich: »auf
er mein Glauben gespirt«.
S. 177 Z. 505 Hs. : »Ei Lieber, wer hätt besorget je«.
S. 178 Z. 522 Hs. : »Ist dir nicht das beikommen«.
S. 178 Z. 533. In der Hs. : »dass wir es gehen an« statt »dass
wir's a. n.«
S. 180 Z. 590. In der Hs. »binden« statt »bringen«.
S. 182 Z. 641 Hs. : »war« statt »was«.
S. 182 Z. 667 »vergeicht« alter dial. Ausdruck, welcher etwa aus-
sagen, bekennen bedeutet, genau wie das mhd. verjehen.
S. 183 Z. 676 »bedauern« dial. »dauern«.
392
S. 183 Z. 689 ^n'erschniuckt« alt. dial. Ausdruck, »zusämmen-
presst« wie im Mhd.
S. 183 Z. 691 Construction in mundartlicher Weise.
S. 184 Z. 725 Hs. : »was bedarfs viel Worten« statt ^; wozu vieler
W. b«.
S. 184 Z. 740 Hs. : »dass wir sie recht thun b.«.
S. 186 Z. 785 Hs. : »Und auch daselbst das Leben dein«-.
S. 187 Z. 816 u. 824 Hs. : »denn dieser Weg ist gleich eben
weit«.
S. 188 Z. 851. Näheres über die folgende Arie findet sich nicht
in der Hs.
S. 189 Z. 852 »Frau Mutter« in Steiermark allgemein übliche
Ansprache aller Familienmitglieder und Hausgenossen an die
Hausfrau. Auch wurde letztere früher selbst von den Kindern
nicht mit Du angesprochen.
S. 190 Z. 908 »Urlaub nimm ichc dial. »Abschied nehme ich«.
S. 191 Z. 926 Hs. : »Was Unglück habt ihr so bitter«.
S. 191 Z. 934 Hs, : »Die zeugen thäten und wider das Weib
reden«.
S. 193 Z. 974 Hs. : »Und sie unrecht beklaget hast«.
S. 194 Z. 1003 »behend« fehlt in der Hs.
S. 194 Z. 1006 »geborgt« alt. dial. Ausdruck, der wie im mhd.
borgen, Nachsicht haben, bedeutet.
S. 195 Z. 1031 Hs. : »So Herr solls also gehn«.
Der bairische Hiesel.
Seite 199.
Wie so viele Gestalten hervorragender Abenteurer und
Räuber bei den Nationen aller Länder eine gewisse lang an-
dauernde Berühmtheit beim Volke erlangt haben, so ist auch die
Persönlichkeit des Räuberhauptmannes, welcher gewöhnlich der
bairische Hiesel genannt wurde und wird, mit einem Sagenkranze
umwoben und weit über die Zeit seines Wirkens hinaus in Süd-
deutschland, insbesondere aber in Baiern und in den Alpenländern
Oesterreichs volksthümlich geworden. Der »bairische Hiesel« ist
der zu Kissing im Jahre 1736 geborene Mathias Klostermeier
(Hiesel dial. Diminutiv von Mathias), welcher, nachdem er als
»Räuberhauptmann« viele »grausame Mordthaten und Räubereien«
begangen, im Jahre. 1771 zu Dillingen hingerichtet wurde. Eine
ausführliche authentische Beschreibung seines Lebens und ruch-
losen Treibens enthält der »Neue Pitaval« N. Ser. Bd. 6
(Leipzig. 1871). Auf diesen Lebenslauf ist hier natürlich nicht
weiter einzugehen. Bald nach dem Tode des einst so gefürchteten
Räubers erschienen die verschiedenen »Volksbücher« vom »bai-
rischen Hiesel« in den bekannten Jahrmarktsausgaben und fanden
hauptsächlich in Süddeutschland eine solche Verbreitung, wie sie
393
nur etwa der »Genovefa« , »Hirlanda«, dem «Till Eulenspiegel«,
den »Schildbürgern« und ähnlichen, freilich viel älteren solcher
Volksbücher zu Theil wurde. Man vergleiche über diese Aus-
gaben R. M. Werners Besprechung der Kralik-Winter' sehen
Puppenspiele in der Zeitschr. f. deutsches Alterth. N. F. XIX.
Bd. S. 8o. Mir selbst liegen zwei Drucke des Volksbuches vor,
der eine betitelt : »Der bairische Hiesel . . . neu erzählt von
Ottmar F. H. Schönhut« (Reutlingen. Dr. u. Verl. v. Fleisch-
hauer und Spohn) mit einer Vorrede, welche 1844 geschrieben
ist. Der zweite Druck eines Hieselbuches ohne Angabe des Autors
und des Druckjahres ist in Znaim bei M. F. Lenk erschienen und
-dürfte auch aus den vierziger Jnhren unseres Jahrhunderts stammen.
Wie die Volksbücherlitteratur, so hat sich auch die Puppen-
und Volksbühne dieses Stoffes jedenfalls bald danach bemächtigt,
und die vorliegenden Texte sowie die Mittheilungen über Auf-
führungen solcher Hieselkomödien in Baiern, Tirol, Kärnten,
Steiermark und Niederösterreich weisen am deutlichsten nach,
dass die Geschichte des grossen Räubers die Aufmerksamkeit des
Volkes in djesen Ländern besonders in Anspruch nahm, wurde
doch nach Hartmann (Voiksschauspiele, S. 403) auf dem Dorf-
theater zu Erl in Tirol noch im Jahre 1877 ein »bayrischer
Hiesel« aufgeführt. Auf dem Krappfelde in Kärnten kam das
Hieselspiel (Weinhold , Weihnachtspiele S. 374) noch um 1852
zur Darstellung. Zum ersten Male gedruckt wurde ein Spiel :
»Die Raubschützen oder der bayrische Hiesel« in den deutschen
Puppenspielen hgg. v. R. Kralik und J. Winter (Wien. 1885)
S. 195 ff. daselbst. Dasselbe hat Vieles mit dem hier ab-
gedruckten Spiele gemein , sogar viele Scherze und Spässe des
Casperl daselbst werden in unserem Spiele angewendet , so
dass man annehmen muss, das Puppenspiel sei dem Verfasser
des vorliegenden Textes bekannt gewesen oder umgekehrt.
Jedenfalls fällt die Abfassung des einen wie des anderen etwa in
den Anfang unseres Jahrhunderts , da die Hanswurstfigur damals
noch als der unentbehrliche Spassmacher, wo es nur ging, auf
die Bühne gebracht wurde. Im Uebrigen vergleiche man über
•das Verhältuiss dieser beiden Hieseltexte zu einander die oben
erwähnte Recension R. M. Werner^s.
Die Handschrift, welche ich im Jahre 1881 aus Kindberg
erhalten habe , bildet ein Octavheft , welches in derselben eigen-
thümlichen Fracturschrift wie das Paradeisspiel in Bd. i offenbar
von demselben Schreiber den Text aufgezeichnet enthält und den
Titel führt: »Rabular über die Theaterstücke (sie !) von dem Leben
und Tode des sogenannten bairischen Hiesel , eines berüchtigten
Wildschützen und Räuberanführers sammt seiner Banda. In sieben
Aufzügen, welche sich auch auf sechs spielen lassen«. Es folgen
auf der nächsten Seite die »Persohnen , welche dieses Spiel vor-
stellen« nummerirt von Nr. i bis 15; darunter steht die An-
merkung : »mit sieben oder acht Personen kann diese Komödie
gespielt werden«. Dass der Schreiber trotz der nicht üblen
394
Schrift »nit der Orthographie auf gespanntem Fusse stand, zeigt
sich auch hier sowohl im Titel und Personenverzeichnisse wie
im ganzen Texte. Die Verse in den vorkommenden Liedern
sind nirgends abgesetzt und viele Reime und Worte ganz ver-
derbt, insbesondere in den mundartlichen Reden des Casperl,
der bekannten komischen Figur, die bisher in den vorangehenden
Stücken als Hanswurst eingeführt wurde. Das Spiel ist in sechs
Aufzüge abgetheilt und nach Z. 35 S. 202 dieser Ausgabe in der
Hs. die Bemerkung beigefügt: »Jetzt wäre der zweite Aufzug,
dieser kann aber zu dem ersten dazu genommen werden, wenn es
sich thun lässt«. Diese sechs »Aufzüge«, von denen zwei auf-
einanderfolgende wohl irrthümlich mit »vierter Aufzug« über-
schrieben sind, bilden ganz willkürliche Abschnitte, und ich habe
in Folge dessen auch hier die Eintheilung in wirkliche Auftritte
getroffen. Die Ueberschriften der sechs Aufzüge in der Hs. finden
sich an Stelle der von mir bezeichneten Auftritte: i, 2, 4, 8,
15 und 21,
S. 201 Z. 2 »Wildbrat« dial. »Wildpret«.
S. 201 Z. 3 »Jägerchor«, damit ist offenbar das Corps gemeint.
S. 201 Z. 7 »Gamsla . . . umatanzen« dial. »Gemslein . . . um-
hertanzen« d. h. springen.
S. 201 Z. 17 bis S. 202 Z. 35. In diesen Reden zeigen sich
vielfach gereimte Stellen , da dieselben jedoch keinem eigent-
lichen Liede angehören (wie etwa die Eingangsverse des Hiesel)
auch von Prosasätzen unterbrochen sind, so wurden sie hier
nicht als eigentliche Verse behandelt und in nicht abgesetzten
Zeilen gedruckt. Derartige Spuren von Reimen und Versen
kommen auch in anderen dieser Volksschauspiele vor , wahr-
scheinlich sind sie oft unabsichtlich entstanden.
S. 202 Z. 24 »die Alma« dial. »die Alm«.
S. 202 Z. 43 »er will« fehlt in der Hs.
S. 203 Z. 49 »zusammenkäut« dial. »zusammengekaut«.
S. 204 Z. 96 u. 97 »mich vor Niemand zu sorgen« dial. »vor
Niemandem zu ängstigen, zu fürchten«.
S. 204 Z. 102 »Gamsgebirg« dial. Ausdruck für das Gebirge, in
dem sich Gemsen aufhalten.
S. 204 Z. 104 »daschoss« dial. »erschoss«.
S. 204 Z. 105 »Garns« dial. »Gemse«, in der Mundart masc. gen.
S. 204 Z. 106 »hinter meiner« dial. »hinter mir«.
S. 204 Z. iio »ich nimm« dial. »ich nehme«.
S. 205 Z. 127 »mein Aid« Vgl. Bd. 1. Anm. zu S. 78 Z. 160.
S. 205 Z. 128 »dÖ Schwänz«, Tiroler Kraftausdruck, scherzhaft
gutmüthig gemeint und durchaus keine Beleidigung.
S. 205 Z. 129 »a Halbe« d. h. »eine halbe Maass«.
S. 205 Z. 134 »a amal 'aufkemma« dial. »auch einmal aufkommen«
d. h. bekannt werden, nämlich wer geschossen hat.
S. 206 Z. 157 In der Hs. »Lied« statt »Jagerlied«.
S. 207 Z. 173 »Maxima Bärnhäuter« ein Schimpfwort, das be-
sonders vom Hanswurst halb scherzhaft oft gebraucht wird.
395
S. 209 Z. 208 »dahungert« dial. »verhungert«.
S. 209 Z. 210 »pappenar scherzhaft dial. Ausdruck für Jessen«.
S. 210 Z. 230 »aufnimm« dial. «aufnehmen«.
S. 210 Z. 234 »in d'Höchn« dial. »in die Höhe«.
S. 210 Z. 243 »Bettern« dial. »Betten«.
S. 211 Z. 259 »Zapfel« dial. »Zäpfchen«.
S. 211 Z. 261 »draht's enk« dial. »dreht euch«.
S. 212 Z. 281 »sieh ich« dial. »sehe ich«.
S. 214 Z. 321 »gewunschen« dial. »gewünscht«.
S. 215 Z. 336 »lernen« dial. »lehren«.
S. 216 Z. 355 »ÖS müsst's enk« dial. »ihr müsst euch«.
S. 216 Z. 366 »schnopfezen's« dial. »schnuppern sie«.
S. 217 Z. 380 »han i« dial. »habe ich«.
S. 217 Z. 382 »umi gehn« dial. »herum-, hinübergehen«.
S. 217 Z. 389 »a Streifen« dial. »eine Streifung«,
S. 217 Z. 391 »todter« dial. »todt«.
S. 219 Z. 435 »ich möcht ihn bald nit erheben« dial. »ich kann
ihn beinahe nicht aufheben«.
S. 220 Z. 442 »scheppert's« dial. etwa »klappert es«.
S. 220 Z. 445 »eini« dial. »hinein«.
S. 220 Z. 451 »aussig'schmissen« dial. »herausgeworfen«.
S. 220 Z. 452 »Tuchent« dial. »Deckfederbett«.
S. 220 Z. 460 »eh« dial. »ohnehin«.
S. 221 Z. 476 »anfriemen« dial. »bestellen«.
S. 222 Z. 483 »Kuchelschmutz« dial. etwa »Küchenschmatz«, ein
Küsschen in der Küche.
S. 222 Z. 494 »Von Augsburg geborn«. Dies ist ein Irrthum
des Dichters, da Hiesel zu Kissing geboren ist.
S. 222 Z. 495 »Gamsbart« dial. »Gemsbart«, die bekannte Hut-
zierde des bairischen Alpenjägers , aus den zusammengefügten
Rückenhaaren der Gemse bestehend.
S. 222 Z. 502 »Gei« dial. »Gebiet«.
S. 222 Z. 506 »selm« dial. »selbst«.
S. 223 Z. 527 »leint« dial. »lehnt«.
S. 224 Z. 544 »Aft« dial. »dann«.
S. 225 Z. 562 Der Hiesel hängt die Jäger an. Ein volksthüm-
licher Jägeraberglaube.
S. 225 Z. 569 »ang'frört« dial. etwa angefroren, angehängt.
S. 225 Z. 571 »g's — « (d. h. g'seicht), seichen dial. mingere.
S. 225 Z. 573 »ihnera zween« dial. »ihrer zwei«.
S, 225 Z. 576 »netta« dial. »gerade, eben«.
S. 228 Z. 648 »am Galgen aufi« dial. »auf den Galgen hinauf«.
S. 230 Z. 681 »entstraucht« dial. auch gaunersprachl. Ausdruck:
»entwischt«.
S. 230 Z. 687 »auf einem andern Orte« dial. Construction statt:
»an einem a. O«.
S. 231 Z. 699 »dös« dial. »ihr«.
S. 231 Z. 713 »bei die Bauern« dial. für »bei den Bauern r.
S. 232 Z. 725 »dalogen« dial. »erlogen«.
396
S. 232 Z. 731 >;gnumma« dial. ^^ genommen«.
S. 232 Z. 732 »aussi« dial. i>heraus«.
S. 232 Z. 737 »Sie hat ihr« dial. »sie hat sich«.
S. 233 Z. 747 y anzünden« dial. »angezündet«.
S. 233 Z. 757 »Grundl« ein kleiner Fisch, der diesen Namen
trägt.
S. 233 Z. 763 ^^aussag'fischt« dial. »herausgefischt«.
S. 235 Z. 782 »lusti losgauga« dial. »lustig losgegangen«.
S. 235 Z. 796 ft". Reime und Versspuren wie oben S. 201 Z. 17 flf.
S. 236 Z. S13 »in die Graben eini« dial. »in die Gräben hinein«,
Gräben im Gegensatz zum flachen Lande. -
S. 236 Z. 816 »Scheitel« dial. »Scheit« d. h. Holz.
Der gefoppte Geizhals,
Seite 239.
Dieser volksthümliche dramatische Schwank gehört zur Gattung
der sogenannten »Nachspiele«. Es sind dies kurze Spiele, welche
gewöhnlich der Darstellung eines ernsteren Stückes z. B. der Hir-
landa, Susanna oder dgl. folgen und in deneji derber Humor be-
sonders zu Tage tritt. In solchen Nachspielen dient meistentheils
die Figur des »Kasperl«, des Hanswurstes besonders zur Belustigung
der Zuhörer. Die Handlung des »Nachspieles« ist gewöhnlich
eine dürftige, auf die derben Scherze und Spässe wird das Haupt-
gewicht gelegt , und ist den betreffenden Darstellern hierfür ein
weiter Spielraum gelassen. Auch kleine komische Scenen aus dem
Bauernleben u. dgl. bilden wohl den Vorwurf zu solchen kurzen
Spielen. Bisher wurden meines Wissens keine derselben veröffent-
licht. Sie kommen in den Gebieten der deutschen Alpenländer
schon seit dem vorigen Jahrhundert vor, wie ja auch auf der Kunst-
bühne derartige burleske Nachkomödien schon im 18. Jahrhundert
und früher üblich waren. Hartmann (»Volksschauspiele«) er^vähnt
solcher Spiele von Bauerntheatern aus Brixlegg (A. a. O. S. 321),
aus Schwaz (S. 340) , aus Dachau (S. 446) u. s. w. Auch in
seinem Buche; »Weihnachtslied und Weihnachtsspiel in Oberbaiern«
(München. 1875) gedenkt Hartmann (Vgl. daselbst S. I42 u. 143)
eines ähnlichen Scherzspieles. Das derartige Stücke auch in Un-
garn vorkamen, zeigt Schröer (»Deutsche Weihnachtsspiele in
Ungarn.« S. 43 u. S. 201). Die Handschrift des vorliegenden
Nachspieles stammt aus Eisenerz ; sie bietet ausser der übliclien
schlechten Schrift und Orthographie nichts Bemerkenswerthes und
dürfte aus dem Anfang dieses Jahrhunderts herrühren.
S. 241 Z. 5 »versprich« dial. »verspreche«.
S. 241 Z. 9 »mii« dial. »wir«, allgemein üblich.
S. 241 Z. 10 »sein ma glei samma« dial. »seien wir gleich zu-
sammen«.
397
S. 241 Z. II '>i di duezen« dial. »ich dich dutzen«.
S. 241 Z. 14 »wia ma thain« dial. »wie wir thun«.
S. 242 Z. 34 »selni« dir.l. etwn selber, selbst.
S. 243 Z. 57 »Gschlaven« dial. »Sclaven«. ■
S. 243 Z. 60 »eigne Menscha kafet's« dial. »eigene Mädchen
(d. h. Sklavinnen) kaufen würdet«.
S. 243 Z. 61 »enkern Vata« dial. »euern Vater f<.
S. 243 Z. 76 »Startin« altes, aber heute noch gebräuchliches
Weinmass in Steiermark, i Startin enthält etwa 10 Eimer =
560 Liter.
S. 243 Z. 79 »Hiatzt wir ich« dial. »jetzt werde ich«.
S. 244 Z. 89 »Kuchelniensch« dial. »Küchenmagd«.
S. 244 Z. 91 »anzurathen« dial. »anzugeben« — »ihm« , der
Dativ entspricht der mundartlichen Ausdrucksweise.
S. 244 Z. 103 »dakennt« dial. »erkannt« — »lost« dial. »hört«.
S. 244 Z. III »aussakemma« dial. »herausgekommen«.
S. 244 Z. III »auf an Käuer« dial. »zu einem Käuer«. Die
Handschr. hat das Wort »Käuer« ziemlich deutlich, was damit
gemeint ist, vermag ich jedoch nicht anzugeben ; möglich, dass
es ein türkisches Getränk giebt , dessen Name ähnlich lautet,
und dass der Hanswurst in üblicher Weise diesen Namen ver-
dreht.
S. 245 Z. 125 »wo wird a sein« dial. »w, w. er sein«.
S. 246 Z. 169 -^marixelt« dial. »stirbt«.
S, 246 Z. 172 »in der Tattna« dial. etwa »verwirrt, verstört«.
S. 246 Z. 175 »soll a ma's« dial. »soll er mir's«.
S. 247 Z. 178 »gemachla« dial. »gemächlich«.
S. 247 Z. 179 »aft wir i« dial. »dann werde ich«.
S. 247 Z. 181 »schön stat« dial. »schön langsam, ruhig«.
S. 249 Z. 232 »ÖS habts enk schon versprochen« dial. »ihr habt
euch schon verlobt«.
S. 249 Z. 234 »ÖS müsst ma a ane zuekomma lassen« dial. »ihr
müsst mir auch eine zukommen lassen«.
S. 249 Z. 241 »Kalmerln« dial. »Kälbchen«.
S. 249 Z. 249 »Grindschipl« dial. »Grindkopf« — »glatzschädlater«
dial. »glatzköpfiger«.
S. 249 Z. 250 »Das hat g'rathen« dial. »das ist gelungen«.
S. 250 Z. 260 »war g'feilt« dial. »wäre gefehlt«.
S. 250 Z. 269 »gewunschen« dial. »gewünscht«.
S. 250 Z. 272 »a sölteri« dial. :»eine solche«.
S. 250 Z. 274 »rochen« dial. »röcheln, grunzen« — »a weng«
dial. »ein wenig«.
S. 251 Z. 300 »hamsuechen ganga« dial. »heimsuchen, besuchen
gegangen«.
398
Ein Nachspiel.
Seite 253.
Auch dieses Scherzspiel gehört zu der Gattung der kurzen »Nach-
spiele« , deren soeben oben Erwähnung geschah. Es entbehrt,
wie man sieht , einer fest gefügten Handlung , behandelt bloss
bäuerliche Verhältnisse, ist aber eben deshalb für das volksthüm-
liche Leben bezeichnend. Die eingefügten Lieder bieten den
Zuhörern Ersatz für die fehlenden Scherze des Hanswurstes, dem
in diesem Spiele keine Rolle zugetheilt ist; die Prügelscene am
Schlüsse gehört ebenfalls zu den Spassen, welche von dem länd-
lichen Publicum mit besonderem Vergnügen aufgenommen werden.
Auch die Handschrift dieses Spieles stammt aus Eisenerz, wurde
etwa im ersten Drittel unseres Jahrhunderts niedergeschrieben, und
bedurfte der Text hier und da einer kleinen Verbesserung oder Er-
gänzung wegen unleserlicher oder ganz fehlender Stellen.
S. 255 Z. 8. In der Hs. lautet diese Zeile: »Ist nichts mit mir«?.
S. 255 Z. 9 »iss» dial. >esse«. — »Sterz« Vgl. Bd. I Anm. zu
S. 114 Z. 1214.
S. 255 Z. II »gnu« dial. »genug«.
S. 255 Z. 14. In der Hs. : »Dass du halt grad«.
S. 255 Z. 17 »übergeben« nämlich die Wirthschaft, den Hof.
S. 255 Z. 22 »Kalbn« dial. »Kälber«.
S. 255 Z. 23 »a kleine Schwein« in der Mundart ist Schwein
fem. gen., also »ein kleines Schwein«.
S. 256 Z. 38. In der Hs. : »So roth wie Blut«.
S. 256 Z. 40 »Zahnt« dial. »Zähne«.
S. 256 Z. 52 »das Mensch, das that« dial. »das Mädchen thäte«f.
S. 256 Z. 53 »Mäulerl« dial. »Mündchen«.
S. 257 Z. 57 »gräula« dial. »gräulich«, hier aber in gutem Wort-
sinn, bloss als Verstärkung gemeint.
S. 257 Z. 58 »woll ma gehn« dial. »wollen wir g.«.
S. 257 Z. 66. In der Hs. : »Thu dich 3mal bucken<.
S. 257 Z. 75 »an Bittelmann« dial. »einen Brautwerber«.
S. 257 Z. 76 »Vattern« wird in der Mundart meist kurz u. scharf
ausgesprochen«.
S. 257 Z. 84 »harb war« dial. »böse wäre«.
S. 258 Z. 96 »ins Drasch« dial. »ins Dreschen«.
S. 258 Z. 97 »im G'sass« dial. »im Gesäss«,
S. 258 Z. 99. In der Hs. : »nopt« statt »klopft«.
S. 258 Z. 106 »Kotier« dial. »Gefängniss«.
S. 260 Z. 144 »dana« dial. »dennoch«.
S. 260 Z. 149 »anz'legen« dial. »anzulegen, anzuziehen«, näm-
lich Kleider.
S. 260 Z. 151 »Löflehi« dial. »heimlich liebeln«.
S. 261 Z. 171 »dahalten« dial. »erhalten«.
S. 262 Z. 182 »Gaisen« dial. »Ziegen«.
S. 262 Z. 191 »in Meth« dial. »den Meth«. Meth ist in Steiermark
besonders beim weiblichen Geschlechte ein sehr beliebtes Getränk.
399
S. 262 Z. 195 »dahausen a no« dial. »erwirthschaften auch noch« .
S. 262 Z. 204 »Fadel« dial. »Ferkel«.
S. 263 Z. 209 »haberne Leinwatf< dial. »Hanfleinwand« — »Haar«
dial. »Flachs«.
S. 263 Z. 2ro »Schmer« dial. »ausgelassenes Rindsfett«.
S. 263 Z. 215 »Pfleger» , der herrschaftliche Beamte, welcher in
den Zeiten der Patrimonialgerichtsbarkeit vor 1848 im Lande
noch bestand.
S. 164 Z. 230 »junges Flitscherlc dial. »junges Ding«, verächtlich
gemeint.
S. 264 Z. 233 »Niemt« dial. »Niemanden«.
S. 264 Z. 237 »zeigens an d'Feigen« dial. »zeigen sie einem die
Feigen« ; übliche Redensart, welche eine höhnische Abweisung
bezeichnet.
S. 264 Z. 243 »kreil« dial. »kralle, kratze«.
S. 264 Z. 252 »a Kittel einbandelt« dial. etwa ein weiblicher
Rock, mit Bändern eingefasst und verziert.
S. 264 Z. 254 »Pfaidl« dial. »Hemdchen«.
S. 265 Z. 260 u. 261 »Dudelsackstephel« und »Broder Veill«
sind Vulgärnamen der Musikanten.
S. 265 Z. 266 »a ninda« dial. »ein jeder«.
S. 265 Z. 267 »Ursch« dial. »Ursula«.
S. 265 Z. 272 »Ventari«, das Inventar. In der Mundart werden
derartige Fremdwörter häufig verdreht oder gekürzt.
S. 265 Z. 274 »geschazt« dial. »abgeschätzt« nämlich vom Ge-
richte, welches das Verlassenschaftsinventar aufnimmt.)
S. 266 Z. 278 »han« dial. fragepariikel.
ANHANG.
Das Leiden Christi.
Passionsspiel aus Kärnten.
Seite 269»
Den Text des vorliegend abgedruckten Passionsspieles ver-
danke ich der besonderen Freundlichkeit des Herrn Professors
R. Dürnwirth in Klagenfurt, welchem das Originaltextbuch unter
der Bedingung überlassen wurde , es nicht aus der Hand zu
geben und der deshalb persönlich sich der Mühe unterzog, das
Ganze abzuschreiben. Diese Abschrift , welche mir von dem ge-
nannten Herrn in so gefälliger Weise überlassen wurde, liegt dem
hier abgedruckten Texte zu Grunde. Das Titelblatt der Ab-
schrift lautet: »Das Leiden Christi, ein Trauerspiel in drei Auf-
zügen sammt dem Kreuzzug und der Kreuzigung«. Noch findet
sich auf dem Blatte der Vermerk: »Altenmarkt im Gurkthale ob
400
Weitensfeld. Erhallen von Simon Steinbühler . . . 1889«. Vor
dem eigentlichen Verzeichnisse der Personen befindet sich eine
Liste der «Theater Requisiten«.
In Kärnten werden wie im angrenzenden Tirol Passionsspiele
bis auf den heutigen Tag aufgeführt (was ich leider aus Steiermark
nicht nachweisen kann); so gelangte im April 1889 das sogenannte
»Glanhofener Passionsspiel« in der Scheune des Bauers Jusner in
Höfling bei Feldkirchen während dreier Tage zur Aufführung,
ein Spiel, an dem 53 Personen betheiligt waren. R. Waizer hat
in seinen »Culturbildern und Skizzen aus Kärnten. Neue Folge<f.
(Klagenfurt. 1890) dieses Spiel eingehend geschildert und aus
demselben verschiedene Proben mitgetheilt. Daraus ersehe ich^
. dass der Text des hier abgedruckten Gurkthaler Spieles, wie schon
Herr Prof. Dürnwirth in einem Schreiben andeutete , mit dem
Glanhofener Spiele fast identisch sein dürfte. Allerdings finden
sich in der Gurkthaler Spiel-Abschrift verschiedene, jedoch nicht
bedeutende Abweichungen von den mir bekannten Stellen des
Glanhofener Spiel-Textes , die sich in Walzers Buche finden.
Herr Prof. Dürnwirth bemerkt noch: »Jedenfalls ist das Stück an
und für sich sehr alt, alte Ausdrücke und Constructionen geben
dafür hinlänglichen Beleg, aber durch Zusätze aller Art und
durch das Bestreben einzelner ümbildner, die Dichtung den je-
weiligen Zeitverhältnissen anzupassen, ist die ursprüngliche Fassung
stark verwischt«.
Ein Hauptgrund der Aufnahme dieses »Leiden Christi
Spieles« aus Kärnten in die vorliegende Sammlung war die dem
Kärtner «Leiden Christi« eigen thümliche modernisirte und vom
steirischen Passionsspiele (Bd. 18 S. 169 ff.) verschiedene Fassung ;
es ist damit der werthvolle Vergleich zwischen einem älteren und
einem neu umgeformten Passionsspiel-Texte aus unseren Alpen-
ländern geboten , wenn auch zum grossen Theile nur in den
Hauptzügen das Spiel aus Kärnten und jenes aus Steiermark
Aehnlichkeiten aufweisen. Zum grossen Theile, denn es lässt sich
nicht leugnen, dass die Beurlaubungsscenen (Bd. LS. 178 ff. und
Bd. 2 S. 279 ff.) oder die Fusswaschung (Bd. i S. 191 ff und
Bd. 2 S. 290 ff.) nach ihren Anlagen und nach einzelnen darin
vorkommenden Stellen im Steiermärker und im Kärntner Spiele eine
gewisse gemeinsame Vorlage annehmen lassen. Eine solche lassen
noch andere Stellen beider Spiele vermuthen , insbesondere auch
die Textirung des Urtheiles (Bd. i S. 222 und Bd. 2 S. 344).
Was das wahrscheinliche Alter unseres Spieles betrifft, so kann
man nach einzelnen Worten, Reimen und Wendungen vermuthen,
dass der Grundtext wohl schon im 16. oder 17. Jahrhunderte ent-
standen ist. Leider sind durch die verschiedenen Abschriften der
Abschriften, welche von ungelenker Hand für den Theatergebrauch
besorgt wurden, zahlreiche derartige Worte oder selbst Reime ver-
dreht, entstellt oder, wie manche Stellen deutlich darthun, ganz
ausgelassen worden. Jedenfalls hat zu Ende des 18. oder zu
Anfang des 19. Jahrhunderts das Ganze eine umfassendere Be-
40I
arbeitung erfahren, wobei sogar iinifangreichere Einschiebungen
und Veränderungen erfolgt sind. Ein deutliches Beispiel hier-
von ist das Lied des Todes im 2. Auftritte des ersten Aufzuges,
(S. 272), welches sich an Hölty's (etwa 1775 entstandenes) »Todten-
gräberlied« (Gedichte von L. H. C. Hölty besorgt durch F. Leop.
Gf. zu Stolberg und J. H. Voss. Hamburg 1783. S. 44) anlehnt;
der Bearbeiter hat die Form dieses Liedes offenbar unter dem
Eindruck der Beliebtheit jenes Hölty'schen sinnigen Gedichtes
dabei zu benutzen gesucht. Auch Bezeichnungen wie: »Erster,
zweiter Portier«, welche das Personenverzeichniss an Stelle des
von mir gesetzten Ausdruckes: >>Thürhüter« enthält, weisen auf
die Modernisirung hin. Die Wahl italienischer Namen für die
Pharisäer: Falsut, Fraudulo, Nabulo, erklärt sich aus den früher
wie heutzutage vielfach vertretenen italienischen Elementen im
Kärtner Lande , der Bearbeiter wählte daher diese ihm jedenfalls
sehr geläufigen Namen. Auch anderwärts macht sich in ver-
schiedenen Ausdrücken italienischer Einfiuss geltend. Man ver-
gleiche hierüber in den nachfolgenden Anmerkungen einige von
mir im Texte geänderte Worte wie: per Cassa , Posto , Parola
oder dergl.
Was das kurze Zwischenspiel: «Die Schäferei« betrifft, so ist
hierin wieder die bekannte Allegorie vom verlornen Schäflein be-
handelt und fällt wohl die Entstehung des Spieles in die Zeit der
Beliebtheit der Schäferpoesie. Leider ist mir nicht bekannt ge-
worden, an welcher Stelle dieses Zwischenspiel bei der Aufführung
eingeschoben zu werden pflegte, in dem Glanhofener Spiele scheint
es gar nicht vorzukommen. Ebenso geschieht bei Waizer a. a. O.
bezüglich des Nachspieles »die Auferstehung« keine Erwähnung
davon, dass dieses am Schlüsse aufgeführt worden wäre.
Der vorliegende Textabdruck wurde mit wenigen geringen
Aenderungen nach Herrn Prof. Dürnwirth's Abschrift veranstaltet;
die Aenderungen beziehen sich auf einige von früheren Abschreibern
jedenfalls missverstandene Stellen, auf Zurechtlegung der Theater-
bemerkungen, auf die ebenfalls der Unachtsamkeit früherer Ab-
schreiber zur Last fallende Verwendung des »Sie« in der Höflich-
keitsansprache, welches oft in derselben Rede vorkommt, die im
Satze zuvor «Ihr« anwendet , auf zweifellos vorhanden gewesene
und ausgelassene Reimworte u. dgl. Einzelne Dialectausdrücke
sind dem Bearbeiter, welcher offenbar bemüht war, der hoch-
deutschen Sprache gerecht zu werden, ebenfalls mit unterlaufen
und erfahren hier in der üblichen Weise kurze Erklärung.
Noch sei an dieser Stelle das oben erwähnte Requisitenver-
verzeichniss für die Aufführung abgedruckt , welches dem Spiele
in der Handschrift vorgesetzt ist ; dasselbe lautet :
»Theater-Requisiten. Ein kleines Kreuz und ein Kelch für
den Engel. Bogen und Pfeil für den Tod. Waschbecken und
Handtuch für den Pilatus. Das Todesurtheil und das Stäbchen
zum Brechen. Waschbecken und Tuch zum Fusswaschen. Speise
und Trank. Das Osterlamm. Ein Wasserkrug für den Haus-
Volksschauspiele. IL 26
402
vater. Ein weisses Kleid. Purpurmantel. Mooskolben. Stroh-
krone. Dornenkrone. Eine Säule zur Geisselung. Drei Kreuze.
Das Kreuz zum Ziehen. Drei Nägel. Der Titel (Inschrift).
Ein Schwamm an einer Stange. Das Schweisstuch für die Veronika.
Die Salbenbüchse für die Magdalena. Der Gürtel für Judas,
auch sein Beutel , auch ein Strick zum Hängen. 30 Silberlinge
für die hohen Priester. Drei Würfel. Eine Pfeife. Ein Schwein-
hom. Eine Glutpfanne. Stricke und Ketten. Ein Schaff mit Blut
oder rother Farbe. Ruthen und Peitschen. Eine Leiter zur
Kreuzigung. Zwei Schwapel (?). Der Judasbaum«.
S. 274 Z. 113 »Keuchen« dial. >Kerker, Gefängniss«f. — Statt
»geschlossen« hat die Hs. : »beschlossen«.
S. 276 Z. 152 lautet in der Hs. : »Und viel Geld per Cassa sein«.
S. 276 Z. 156 »kleckt es nicht« dial. »genügt es nicht, es reicht
nicht aus«.
S. 276 Z. 166 Hs.: »davon mich grault«.
S. 276 Z. 171 »das Hausen« dial, etwa »das Wirthschaften«.
S. 277 Z. 176 Hs. : »Gekostet und gestanden«.
S. 277 Z. 181 »schwierig« dial. etwa bedenklich.
S. 277 Z. 189 »verschmacht« dial. etwa verdreht, verwirrt.
S. 277 Z. 199 »fallt« dial. »fällt«.
S. 278 Z. 216 Hs. ; »was schiert«.
S. 279 Z. 245 »zugeloffen« dial. »zugelaufen«.
S. 279 Z. 249 Hs. : »verwegen« statt »entwegen«.
S. 280 Z. 279 »erklecken« dial. »ausrichten, erlangen«.
S. 283 Z. 356 Hs, : »Sie beisammen sein«.
S. 283 Z. 358 Hs. : »Verzeihen Sie«.
S. 283 Z. 360 Hs. : »Posto« statt »Posten«.
S. 284 Z. 384 »sich« fehlt in der Hs.
S. 285 Z. 413 »Parola« ital. Wort, Versprechen.
S. 285 Z. 420 »An« statt »vor« in der Hs.
S. 285 Z. 427 »Doch« statt »Sind« in der Hs.
S. 286 Z. 444 »kam« dial. »käme«.
S. 287 Z. 467 »bedenken« statt »gedenken« in der Hs.
S. 2S7 Z. 470 »am Mund« dial. »auf den Mund«.
S. 292 Z. 604 »Ang'stalt« dial. »Veranstaltung«.
S. 293 Z. 631 »wirst« fehlt in der Hs. — »verlaugnen« dial.
»verläugnen«.
S. 293 Z. 643 »noch« fehlt in der Hs.
S. 294 Z. 650 »Petri« statt »Petrus« in der Hs.
S. 294 Z. 684 »Und« statt »Thun« in der Hs,
S. 295 Z. 701 »gross« dial. »sehr«.
S. 295 Z. 710 »ergebe« dial. »ergieb«.
S. 296 Z. 725 »Urlaub« dial. »Abschied«.
S. 296 Z. 740 »abgedrahter« dial. »abgedrehter, abgefeimter«.
S. 296 Z. 745 »brinnen« dial. »brennen«.
S. 297 Z. 763 »Sinn« statt >Begehr'n« in der Hs.
S. 298 Z. 797 »Mit recht« in der Hs. statt »nicht recht«.
S. 299 Z. 822 Hs. : »dein« statt »za«.
403
S. 300 Z. 850 B Hühnersteigen« dial. »Hühnersteige, Hühnerleiter«.
S. 301 Z. 867 »gieb« dial. »gebe«.
S. 302 Z. 896. In der Hs. »verwacht« statt »gebracht«.
S. 302 Z. 913 »helfe« dial. »hilf«.
S. 305 Z. 984 »Sie wollen« statt »Ihr wollet« in der Hs.
S. 305 Z. 998 »Wir haben« statt »wir sind« in der Hs.
S. 307 Z. 1037 »Huld« statt »Schuld« in der Hs.
S. 309 Z. 1121 »Empfehle« dial. »empfiehlc.
S. 311 Z. 1170 »Stangen« statt »Stricken« in der Hs.
S. 312 Z. 1205 »Erlauben Sie mir nur« in der Hs.
S. 312 Z. 1207 »ich sprich« dial. »ich spreche«.
S. 314 Z. 1255 »bestatten« ist kein mundartlicher Ausdruck,
doch wurde er ausnahmsweise nach der Hs. beibehalten.
S. 314 Z. 1272. In der Hs. : »Er ihm urtheilen soll«.
S. 314 Z. 1277 Hs. : »Was er zu thun in Sachen«.
S. 320 Z. 1418 Hs. : »Hab nie gekennet ihn«.
S. 322 Z. 1477. Statt »über« in der Hs. »ob«.
S. 323 Z. 1521 Hs. : »Alles Volk thut dich ausbreiten«.
S. 324 Z. 1547 »Obwohl f- statt »O welch« in der Hs.
S. 325 Z. 1574. Diese falsche Construction der Handschrift
wurde absichtlich beibehalten.
S. 329 Z. 1673. In der Hs. »Köpfellass« (?) statt »Aderlass«.
S. 329 Z. 1684 »Bratl« dial. »Braten«.
S. 330 Z. 1707 »Kramm« dial. »Krampf«.
S. 330 Z. 1722 »wegen dem« dial. »wegen des«. Ebenso
S. 333 Z. 1800.
S. 336 Z. 1893 »schmierig« dial. etwa fett.
S. 337 Z. 1906. In der Hs. »stumpfiert«.
S. 337 Z. 191 5 »schmutzen« dial. »schmunzeln, lächeln«.
S. 337 Z. 1925 »Schaben« dial. »Motten«.
S. 342 Z. 2064. In der Hs. »Dieweil dann« statt »So sei's.
S. 347 Z. 2207. In der Hs. »und« statt »Ihr«.
S. 348 Z. 2251. In der Hs. »Seht nur, wie ihm sein Leib da
prellt«.
S. 350 Z. 2298 »verloffen« dial. »verlaufen«.
S. 350 Z. 231 1. Statt »heisst's« in der Hs. »hohnt's«.
S. 351 Z. 2332 »Simandl« ist der aus Simon Andreas zusammen-
gezogene Name.
S. 355 Z. 2455 »wegen Euren« dial. »wegen Eurer«.
S. 358 Z. 2524 »Flachs« dial. »Flechse«.
S. 364 Z. 2725. In der Hs. »schütten« statt »zittern«.
S. 364 Z. 2730 »sper« dial. »rauh, bitter« wie im Mhd.
S. 367 Z. 2806 »Mail« dial. »Mal«.
S. 368 Z. 2841 »Rafifelsteiner« Weinsorte.
S. 369 Z. 2862. In der Hs. »hat's« statt »ist's«.
S. 369 Z. 2867. In der Hs. »trauert« statt »dauert«.
S. 369 Z. 2869. In der Hs. »gewunschen« statt »gewünschet.«
S. 369 Z. 2878 H?. : »Wie ist er voll von Massen«.
404
Die Schäferei.
Seite 371.
S. 371 Z. 18 Hs. : »Dem Tod aus seinem Rachen reiss<r.
S. 372 Z,. 22 «plerrt« dial. »schreit«.
S. 372 Z. 24 «Zahnt« dial. »Zahn«.
S. 372 Z. 47. In der Hs. »g'nug« statt >klug<.
S. 373 Z. 61 Hs. : »Oh sieh wie deine Lieb mich hat«.
S. 374 Z. 75 Hs. : »Aufzusuchen selbst von fern«.
S. 374 Z. 79 »gönne« d. h. erweise mir Gunst.
Die Auferstehung,
Seite 375.
S, 37Ä Z. 22. In der Hs. »sehr weiss« statt »ganz wei>s«.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephen öeibel & Co. in Altenburg.
>.
4^NüU'4^
^^v^^^'^T;:^^
A
V
^
x{^
^
.6/.
V
^
V
^
^
^
V
'^TX^^'^
^^x^^^{^^^^C^i^^x6/>
^ .^Tjr^zxtr^^^^^^^
>^
^y^rs'^
^ztx^^.^txä:^^:^^^^^
.^jTÄTiTÄ"^'^"
''^T^J^ja^^-
■'?^'«.'^^-^^-^^.T;j^j:rÄ.'^x'-£^^^^^
'^4f^^^iny/^
>.
xdr.
^T^^
A
V
x^
.^^^^^^^.^^.^^^..^^^^
>
>
4^^i^/^'''5inis^/^'^u^
>
^Tr^-&
^>
x^>?!L^<!^.
.'^
^T^^X'^jT^^X'^^^^^'^'
<A.irÄT.^T^x;r^^-t.w..
--^-^-^-5^-r.^T.r^;r^"^^^^^^^^
<«^^ryo^^
v^>o rs^/
^^y^«»^^
^^"^^"S^^^
^>.^^^>.^^^-^^^^
>
>>
^^^^
^
V
/x^W^W>^W^
'9^-.-'^-.-^."r^_x^:T^"^^^^^
^.f^TX^'^t^?^^^
'^-r'^xrxfc:^^^^^^
'^TXTXÄÄ^.
>
V
^x^T^A^x^^^:^^^^-^
^^cT^^.'T^"^^^^^^
/^NilX/^
^^^^^^'^±^J^^SXX^^^ ^ - - ^>^'r^v^ür
'^^Vii//^
.^.
.^/
.'^z
M
^w^
^
V
'^>
^ap^
. '^^ rs. ^^ (N-^/J:? (l^^/ifl fii«v^yi7 ?^v'^
«^.^tr^^T^t^^^Xf^T^.^
.^xr>ev^
x6r
'^X'^^tX^^
'^^X^.
^>
-^>^^rv^>
.^S^^-i-
'/^Ny e^/^^ i^^x^Ny tj/^\0 1^^^ li^a^-^ t^/^K^ ü?'/^^ t^/^>5i 45^/^^^ (^>^^
.w><7 ^^v w^ r^.^/^ ftv^yiT? JR^'^y^ f^.^>i? R^^^Wf^^'^yO (^^^y^ J^v'^/i? (^.w^o rv^
^ > jn^t^ÄTÄSkÄ^^^
.^yi7 fN^/i? (^^^/
^xtx'^^
v**^/^ R^'^^/iÄ? Ifcv'^/^ ^^/^ ffcv^^ fN'^/iP fl^^x^ ^^/^ <^^ ^
>XÄ'^''
^r^tTÄ^^^^'^^^^.
/^>a t^/^^ iS^/^>il45^/^^ i^/^^ i^a^^^i (^^^^ ü^/^^ i^/C^ ^ <^/^Nati^/^>
>
x6/.^x^>^^,J^x^J?^
^Ä'^^Xt^^"^^^^^^
'^^V^^TX'^^iT^ ^'
^^ i^/^XJ i?'/^^ t^/itx^ t^/m^ c^/m^ i^m^Si *^4Jx ^
"^ T;r^jr^"XÄ.T^"Ä3^^^^^^
/^Na^^/^>^ 4^x^\^ t:^^m^ i^/rt^^ i?'/^^ i^/Oi^^ 4^/mNi) t^/n^^ ts'/m^
.^.^TiiT;r^>.
^/^ R^MTyO fiv^yi? Rt^^yO f^'^yn rv^/i^ R^^/^ f^v^
^^J^/^
:^yn^^
.^jTr^J^
kIy/ rC xA/>*>fV^:6'^»v xiW>^CwA-^JL.Tr.JL.JL wA-J_v^'^.A.jr
"/^^