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Full text of "Deutschlands geschichtsquellen im mittelalter bis zur mitte des dreizehnten jahrhunderts"

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University  of  Ottawa 


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MEINEM   FREUNDE 


ERNST  DUEMMLER 


GEWIDMET. 


Q 


195$ 


Vorwort. 

Im  Jahre  1858  erschien  die  erste  Ausgabe  dieses  Hand- 
buches, veranlafst  durch  eine  von  der  Göttinger  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  gestellte  Preisfrage;  sie  ist  einem  dringend 
empfundenen  Bedürfnisse  entgegen  gekommen  und  hat  eine 
sehr  günstige  Aufnahme  gefunden.  Die  Mängel,  welche  bei 
einem  ersten  Versuch  kaum  zu  vermeiden  waren,  wurden  mit 
freundlicher  Nachsicht  beurtheilt.  In  den  neuen  Ausgaben 
sind  sie,  so  weit  es  mir  möglich  war,  beseitigt  worden; 
manche  früher  übersehene  Quellenschrift  ist  nachgetragen. 
Vorzüglich  aber  ist  die  sehr  lebhafte  litterarische  Thätigkeit 
der  Zwischenzeit  auf  diesem  Gebiete  sorgfältig  berücksich- 
tigt. Dagegen  ist  an  dem  Plane  und  Charakter  des  Buches 
nichts  geändert;  es  soll  kein  gelehrtes  Repertorium  zum 
Nachschlagen  sein,  sondern  durch  zusammenhängende  Dar- 
stellung zum  eigenen  Studium  der  Quellen  anleiten,  diesen 
in  Beziehung  zu  den  geschichtlichen  Vorgängen  der  einzel- 
nen Abschnitte  ihren  Platz  anweisen.  Bibliographische  Voll- 
ständigkeit anzustreben,  war  um  so  weniger  nöthig,  da  seit- 
dem Potthasts  Werk  erschienen  ist,  welches  diese  Aufgabe 
verfolgt;  hier  genügte  es,  die  zunächst  'brauchbaren  Ausgaben 
anzuführen,  und  Schriften,  in  welchen  weitere  Nachweise  zu 
finden  sind. 

Ein  grofses  Verdienst  um  die  neuen  Bearbeitungen  hat 
sich,  wie  schon  um  das  ursprüngliche  Werk,  Ernst  Dumm ler 
erworben,  welcher  nie  ermüdete,  mich  mit  Berichtigungen  und 
werthvollen  Nachweisungen  zu  versehen,  von  denen  nur  wenige 
ausdrücklich  erwähnt  werden  konnten.    Vorzüglich  auf  seinen 


VI  Vorwort. 

Wunsch  sind  auch  mancherlei  Umstände  und  Nachrichten  an- 
geführt und  verwerthet,  welche  mehr  culturgeschichtlicher  Art 
sind    und    den    eigentlichen    Geschichtsquellen    etwas    ferner 
stehen.     Nicht  ganz  ohne  Besorgnifs  dadurch  der  Uebersicht- 
lichkeit  zu  schaden,  habe  ich  mich  doch  von  der  Ueberlegung 
leiten    lassen,    dafs    die   richtige  Würdigung   der   Persönlich- 
keiten und  ihrer  Werke  dadurch  befördert  wird.     Eine  gleich- 
mäfsige  Durchforschung   aller   Schulen,    auch   solcher,   welche 
geschichtlicher  Arbeit  fern   geblieben   sind,    eine   Darstellung 
der  litterarischen  Thätigkeit   auf  allen  Gebieten,   ist   eine   so 
schwierige   Aufgabe,    dafs    ihre   Lösung    so    bald   wohl  nicht 
zu    hoffen    ist,    und   ich  habe   deshalb   nach"  dieser  Seite  hin 
lieber  etwas  zu  viel  als  zu  wenig  thun  wollen.    Die  von  der 
Münchener  historischen  Commission  gekrönte  Preisschrift  des 
Dr.  Specht    über    die    Geschichte    des   Unterrichtswesens   in 
Deutschland  während   desselben  Zeitraums  berührt  sich  viel- 
fach mit  meinem  Buche  und  ergänzt  es  in  gewisser  Hinsicht. 
Auch    anderen  Freunden    habe    ich    wiederum    für   ihre 
rege  Theilnahme   an   dieser  Arbeit  zu  danken.     Ganz  beson- 
ders förderlich  waren  mir  auch  die   zahlreichen  Zusendungen 
von    Dissertationen,    Programmen    und    einzelnen    Aufsätzen, 
welche  das  hier  vorliegende  Gebiet  berühren;  je  leichter  ge- 
rade  solche   Schriften   der  Aufmerksamkeit   entgehen,    um   so 
dankenswerther  ist  die  Zusendung  derselben,    und  indem  ich 
für  diese   sehr   wesentliche  Erleichterung  meiner  Arbeit   den 
lebhaftesten   Dank   ausspreche,   erneuere   ich  die  Bitte,  mich 
auch  fernerhin  in  gleicher  Weise  unterstützen  zu  wollen  bei 
der  Bestrebung,    die   Fortschritte   der  Forschung  auf  diesem 
Gebiete  für  eine  spätere  neue  Bearbeitung  zu  verwerthcn. 

Berlin,  den  7.  August  1892. 

W.  Wattenbach. 


Verzeichnifs 

einiger  Werke,  welche  häufig"  abgekürzt  angeführt  sind. 


d'Achery,  Spicilegium  veterum  aliquot  Scriptorum,  Paris  1655 — 1677. 
13  T.  4.     Gewöhnlich  nach  der  2.  Ausg.  in  3  Fol.   1724  angeführt. 

Acta  SS.     Acta  Sanctorum,  Antw.  1643  ff.  fol.     Vgl.  S.  10. 

Allg.  D.  Biogr.  Allgemeine  Deutsche  Biographie.  1 — 84  (bis  Sraetana). 
1875—1892. 

Anz.  d.  Germ.  Mus.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  Organ 
des  Germanischen  Museums.     1—30.     Nürnb.  1854—1883,  4. 

Archiv.  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskundc. 
Bd.  1—3  von  Büchler  md  Dümge,  Frankf.  1820.  1821.  Bd.  4  von 
Fichard,  ib.  1822.     Bd.  5—12  von  Pertz,  Hann.  1824—1872. 

Archiv  d.  W.  A.  Archiv  f.  Kunde  österr.  Geschichtsquellen  (jetzt  für 
österr.  Geschichte),  herausgeg.  von  der  zur  Pflege  vaterländischer  Ge- 
schichte aufgestellten  Commission  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften,  Bd.  1—77.  Wien  1848—1891.  Dazu  als  Beilage  das 
Notizenblatt,  1851—1859. 

Baehr,  Die  christlichen  Dichter  und  Geschichtschreiber  Roms  (Carlsr. 
1856).     Zweite  Ausg.  1872  als  4.  Band  der  Gesch.  der  röm.  Literatur. 

—  —  Geschichte  der  römischen  Litteratur  im  karolingischen  Zeitalter.  1840. 

Balzani,  Early  Chroniclers  of  Europe.  Italy.  By  Ugo  Balzani.  London, 
Society  for  promoting  Christian  Knowledge,  1883. 

Bibliotheca  s.  Jaffe. 

Bielowski,  Monumenta  Poloniae  historica,  1 — 3.    Lemberg  1864 — 1878,  4. 

Boehmer,  Fontes  Rerum  Germanicarum  1 — 4.     Stuttg.  1843 — 1868. 

Bouquet,  Recueil  des  historiens  des  Gaules  et  de  la  France,  von  An- 
deren fortgesetzt,  23  T.     Paris  1738—1876,  f. 

Canis.  Henr.  Canisii  Lectiones  Antiquae,  6  Tomi,  Ingoist.  1601,  4.  Neue 
Ausgabe  von  Jac.  Basnage,  Antw.  1725,  f. 

Dobner,  Monumenta  historica  Boemiae.     6  T.     Prag  1764 — 1786,  4. 

Du  Chesnc,  Historiae  Francorum  Scriptores  coaotanei.  5  T.  Paris  1636 
bis  1649,  f. 

Z 


vin  Verzeichnifs  einiger  Werke, 

Dümmler  Ostfr.  Geschichte  des  ostfränkischen  Reichs,  von  E.  Dümmler, 
2.  Ausg.  2  Bde.  in  den  Jahrbüchern  der  deutschen  Geschichte. 
Berlin  1887.  1888. 

DuMeril,  Edelestand,  Poesies  populaires  latines  anterieures  au  douzieme 
siecle,  Paris  1843.  Poesies  pop.  lat.  du  Moyen  äge,  1847.  Ohne  Bei- 
fügung der  Jahreszahl  ist  die  erste  Sammlung  gemeint. 

Ebert,  Allgemeine  Geschichte  der  Litteratur  des  Mittelalters  im  Abend- 
lande. 1—3.  Leipzig  1874.  1880.  1887.  Der  3.  Band  reicht  bis  zum 
Ausgang  der  Ottonen,  ist  aber  nicht  mehr  in  Einzelcitaten  eingetragen. 
2.  Ausgabe  des  ersten  Bandes  1889. 

Eccard,  Corpus  Historicorum  Medii  Aevi,  Lips.  1723,  f.  2  T. 

Endlicher,  Rerum  Hungaricarum  Monumenta  Arpadiana.     Sangalli  1849. 

Fabr.  BibL  Jo.  Alb.  Fabricii  Bibliotheca  Lat.  Mediae  et  Infimae  Latini- 
tatis,  1— 5.  Hamb.  1734— 1736.  Vol.  6.  cur.  Christ.  Schoettgenio  1746. 
Ed.  II.  cur.  Jo.  Dom.  Mansi,  Patavii  1754,  4. 

Fontes  s.  Böhmer. 

Fontes  Rerum  Bohemicarum,  1 — 4.     Prag  1871  ff.  4. 

Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte,  1  bis  26.  Göttingen  1862  bis  1886. 

Freher,  M.,  Corpus  Francicae  Historiae,  1613  f.  Rerum  Germanicarum 
Scriptores  aliquot  insignes,  Francf.  1600 — 1611;  ed.  III.  cur.  Struvio 
1717.     3  T.  fol. 

G  G  A.  Göttinger  Gelehrte  Anzeigen,  verbunden  mit  den  Nachrichten 
von  der  Georg  Augustus  Universität  und  der  k.  Ges.  der  Wissen- 
schaften zu  Göttingen.    Die  letzteren  werden  als  Gott.  Nachr.  angeführt. 

Giesebrecht,  Ludwig,  Wendische  Gesch.  780—1182.   3  Bde.,  Berlin  1843. 

Giesebrecht,  Wilhelm,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit,  1.2.  Fünfte 
Ausgabe  1881.  1885.  Dritter  Band  4.  Ausg.  1877.  Vierter  Band  1875, 
2.  A.  1877.     V,  1.  1880. 

Hauck,  Alb.,  Kirchengeschichte  Deutschlands.     I.  1887.  II.   1890. 

Histoire  Litteraire  de  la  France,  ouvrage  commence  par  des  Religieux 
Benedictins  de  la  Congrcgation  de  St.  Maur  et  continue  par  des  Membres 
de  rinstitut.  1733—1763.  1807—1857.  23  Vol.  bis  ans  Ende  des 
13.  Jahrhunderts.     Der  24.  Band  (1862)  eröffnet  das  14.  Jahrhundert. 

Historische  Zeitschrift  (auch  HZ.),  herausgegeben  von  Heinrich  von 
Sybel,  München  1852—1892. 

Historisches  Jahrbuch  der  Goerres-Gesellschaft,  1 — 13.  Münster  1880 
bis  1892. 

Jaffe,  Bibliotheca  Rerum  Germanicarum.  I.  Monumenta  Corbeiensia,  1864. 
II.  Monumenta  Gregoriana,  1865.  III.  Monumenta  Moguntina,  1866. 
IV.  Monumenta  Carolina,  1867.  V.  Monumenta  Bambergensia,  1869. 
VI.  Monumenta  Alcuiniana,  1873.     Auch  als  Bibl.  angeführt. 


welche  häufig  abgekürzt  angeführt  sind.  ix 

Langebek,    Scriptores  Rerum   Danicarum  Medii  Aevi,    fortges.  v.  Suhm. 

7  Vol.  fol.     Hafn.  1772—1792.     Vol.  8  v.  Engelstoft  u.  Werlauff,  1834. 
Leibniz,  Aecessiones  historicae.    2  T.    Lips.  1698,  4.     Scriptores  Rerum 

Brunsvicensium.     3  T.     Hanov.  1707 — 1711,  f.     Annales  Imperii  Occi- 

dentis  ed.  G.  H.  Pertz,  3  T.  1843-1846. 
Mabillon,    Acta  Sanctorum   Ordinis   S.  Benedicti,    aus   den   Sammlungen 

von    d'Achery,    später    unterstützt    von    Germain    und    Ruinart,    9  T. 

Paris  1668— 1701,  f.     Nachdruck  Ven.  1733—1740.     In   der  Regel  ist 

die  Pariser  Ausgabe  citirt.     Unter  Mab.  ohne  Zusatz  ist  immer  dieses 

Werk  zu  verstehen. 
-  —  Veterum  Analectorum  T.  1-4,  1675—1685,  8.     Ed.  II.  1723  fol.  in 

1  Bande. 
Manitius,  Max,    Geschichte    der    christlich-lat.  Poesie   bis   zur  Mitte   des 

8.  Jahrhunderts.     Stuttg.  189.1. 
Martene  et  Durand,  Thesaurus  Novus  Anecdotorum.    5  T.    Par.    1717  fol. 
—  —  Veterum  Scriptorum  Amplissima  Collectio.    9  T.    Paris  1724 — 1733  f. 
Mencken,  Scriptores  Rerum  Germanicarum  praecipue  Saxonicarum.    3  T. 

Lips.  1728.  1730,  f. 
Migne,    Patrologiae    Cursus    completus.      Paris  1844  ff.     gr.  8.     Meistens 

nur   incorrecte  Abdrücke    alter  Ausgaben,    und    deshalb    nicht  immer 

angeführt.     Kurzes  Inhaltsverzeichnis  bei  Potthast  S.  73 — 76. 
Mittheilungen  des  Instituts  für  Oesterreichische  Geschichtsforschung, 

red.  von  E.  Mühlbacher.     1-  12.     Innsbruck  1880—1891. 
Mone,    Quellensammlung   für    die    badische    Landesgeschichte,    3   Bände. 

Carlsruhe  1848—1863,  4. 
Monumenta  Boica,    angef.   als  MB.,    1 — 42;    von   28   an  Doppelbände. 

Mon.  1763  ff.  4.     Vgl.  Böhmers    Einleitung    zu    den  Wittelbachischen 

Regesten,  Stuttg.  1854,  4. 
Monumenta  Germaniae   historica  inde  ab  a.  C.  509  usque   ad  a.  1500, 

ed.  G.  H.  Pertz.      Citirt    als    MG.  SS.,    Legg.  etc.     Ein  vortreffliches 

Hülfsmittel  zum  Auffinden  gewähren  die  Indices  von  0.  Holder-Eggcr 

u.  K.  Zeumer,  1890. 
Müllenhoff   und   Scherer,    Denkmäler    deutscher  Poesie    und  Prosa  aus 

dem    VIII.— XII.  Jahrhundert,    Berlin    1864.     Zweite  Ausgabe    1873. 

Dritte,  von  E.  Steinmeyer,  in  2  Bänden,  1892. 
Mü  nch.  S  B.  d.  i.  Sitzungsberichte  der  philos.,  philol.  u.  hist.  Classe  der  k.  B. 

Akademie  d.  Wissenschaften  zu  München.    Nach  Jahrg.  ohne  Bandzahl. 
Muratori,  Scriptores  Rerum  Italicarum.     28  T.     Med.  1723— 1751,  f. 
Neues    Archiv    der    Gesellchaft    für    ältere    deutsche    Geschichtskundc, 

1  bis  17.     Hann.  1876—1892.     Angef.  als  NA. 
Oefele,  Rerum  Boicarum  Scriptores.     2  T.     Augustae  1763,  f. 


x     Verzeichnifs  einiger  Werke,  welche  häufig  abgekürzt  angeführt  sind. 

Pertz,  s.  Archiv  und  Monumenta. 

Pez,  B.,  Thesaurus  Anecdotorum  Novissimus.     6  T.     Aug.  1721  — 1729,  f. 

Der    letzte    Band    hat    auch    den   Titel:    Codex   diplomatico-historico- 

epistolaris,  in  3  Theilen. 
Pez,  H.,  Scriptores  Herum  Austriacarum.     3  T.     Lips.  1721 — 1745,  f. 
Pistorii    Herum   Germanicarum    Scriptores    aliquot   insignes,   ed.  III.  cur. 

Struvio.     3  T.     Rat.  1726,  f. 
Potthast,  Bibliotheca  historica  Medii  Aevi,  Berlin  1862.  Supplement  1868. 
(Pusch  und  Froelich)  Diplomataria  Sacra  Styriae.     2  T.    Vienn.  1756,4. 
Rettberg,  Kirchengeschichte  Deutschlands.     2  Bde.     Göttingen  1848. 
Reuber,    Veterum    Scriptorum    .  .  .    tomus    unus.      1584.      Ed.  III.  cur. 

G.  Ch.  Ioannis.     Francf.  1726,  f. 
Rinaudo,  s.  unten  S.  12. 

Roncallius,  Vetustiora  Latinorum  Scriptorum  Chronica.  2  T.  Paris  1787,  4. 
Schannat,  Vindemiae  Litterariae.     2  T.     Fuld.  1723,  f. 
Schmidt,  Zeitschrift  für  Geschichte,  9  Bände,  Berlin   1844—1848. 
Schöttgen  et  Kreysig,   Diplomataria  et  Scriptores  historiae  Germ,  medii 

aevi.     3  T.     1753,  f. 
Stalin,  Wirtemberg.  Geschichte.     4  Bände.     Stuttg.  1841—1873. 
Surius,    De    Probatorum    Sanctorum    Historiis,    1  —  6,    Col.   1570 — 1575. 

Ed.  II.  1576 — 1581.     T.  VII.   von  Mosander    mit  Register    zu    beiden 

Ausgaben,  Nachträgen  und  Martyrol.  Adonis.     Ed.  III.     Col.  1618  f.  in 

12  Bänden.     Ed.  Taurin.  (Marietti)  1884. 
Tengnagel,    Vetera    Monumenta    contra    Schismaticos,    Ingoist.  1611,  4. 

Wiederholt  in  Opp.  Gretseri  Vol.  VI,  429-601.     1737,  f. 
Teuf  fei,    W.  S.,     Geschichte    der    römischen    Litteratur.     1.  Aufl.    1871. 

4.  Aufl.   (von  L.  Schwabe)    1890.      Da    die    betreffenden    Paragraphen 

leicht  zu  finden   sind,    habe   ich  sie  nur  an  wenigen  Orten  angeführt. 
Traube,    Ludwig,    Karolingische    Dichtungen,    untersucht    (Schriften    zur 

germ.  Philologie,  her.  v.  M.  Roediger)  Berlin  1888. 
—  —  0  Roma  nobilis.     Philologische  Untersuchungen  aus  dem  Mittelalter. 

(Abhandl.    der    k.  Bayer.  Akad.   d.  Wiss.   I.  Cl.    XIX.  Bd.    II.  Abth.) 

München  1891. 
U gh eil i,  Italia  Sacra.     9  T.     Romae  1644— 1662,  f.    Sehr  vermehrte  Aus- 
gabe von  M.  Coleti.     10  T.     Ven.  1717— 1725,  f. 
Watterich,  Pontificum  Romanorum  Vitae,  I.  II.  Leipzig  1862. 
Wiener  SB.,  die  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie,  Phil.-hist.  Classe. 


INHALT. 


§ 

1. 

§ 

2. 

§ 

3. 

§ 

4. 

§ 

5. 

Litterarische  Einleitung". 

Seite 

Die  Ausgaben  des  16.  Jahrhunderts 1 

Die  katholische  Kirche.     Die  Heiligenleben 8 

Sammlungen  für  Landesgeschichte 11 

Die  Monumenta  Germaniae  Historica 17 

Andere  Arbeiten  des  19.  Jahrhunderts 29 

I.   DIE  VORZEIT. 

Von  den  ersten  Anfängen  bis  znr  Herrschaft  der  Karolinger. 

Die  Römerzeit.     Legenden 36 

Das  Leben  des  heiligen  Severin 44 

Die  Anfänge  und  Gattungen  der  christlichen  Geschichtschreibung  51 

Die  Ostgothen.     Cassiodor 65 

Jordanis 72 

Die  Westgothen.     Isidor 79 

Die  Franken 87 

Gregor  von  Tours 93 

Fredegar 104 

Die  Thaten  der  Frankenkönige 107 

Fränkische  Heiligenleben 114 

II.    DIE  KAROLINGER. 

Vom  Anfang  des  achten  bis  zum  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts. 

§     1.     Neue  Anfänge  der  Geschichtschreibung.    Fredegars  Fortsetzer  126 

§     2.     Die  Angelsachsen 130 

§     3.     Die  Annalen 138 

§     4.     Karl  der  Grofse.     Allgemeines 150 

§     5.     Alcuin 159 

§     6.     Paulus  Diaconus 163 


§ 

1. 

§ 

2. 

§ 

o 
O. 

§ 

4. 

§ 

5. 

§ 

6. 

§ 

7. 

§ 

8. 

§ 

9. 

§ 

10. 

§ 

11. 

xii  Inhalt. 

Seite 

§     7.     Angilbert 171 

§     8.     Einhard 178 

§     9.     Die  Reichsannalen 190 

§  10.     Ludwigs  des  Frommen  Zeit 206 

§  11.     Der  Streit  der  Söhne.     Nithard 212 

§  12.     Frechulfs  Weltchronik 217 

§  13.  Deutschland  unter  den  Karolingern.     Reichsannalen  ....  221 

§  14.     Fulda,  Hersfeld,  Mainz 230 

§  15.     Sachsen.     Münster,  Bremen,  Hamburg 243 

§  16.  -  Corvey,  Gandersheim 249 

§  17.     Lothringen 257 

§  18.     Schwaben 268 

§  19.     Baiern  und  Franken 288 

§  20.     Frankreich 293 

§  21.     Italien 303 

III.    DIE  ZEIT  DER  OTTONEN. 

Von  Heinrich  I.  bis  zum  Tode  Heinrieb.  II. 

§     1.     Allgemeines 314 

§     2.     Sachsen.     Corvey 328 

§     3.  -  Gandersheim,  Quedlinburg 343 

§     4.  Hildesheim 345 

§     5.  -  Magdeburg,  Merseburg 350 

§     6.     Lothringen.     Cöln,  Trier,  Metz 360 

§     7.  -  Lüttich 379 

§     8.     Schwaben 392 

§     9.     Baiern 401 

§  10.     Frankreich.     Reims 406 

§  11.  -  Cluny 421 

§  12.     Italien.     Liudprand 423 

§  13.  -         Chroniken 429 

§  14.  -         Biographieen 434 


BEILAGE. 

Verzeichnis  von  Neurologien 437 

Register .     461 


Deutschlands  Geschichtsquelleii 


im  Mittelalter 


bis  zur  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts. 


Litterarische  Einleitung. 


§  1. "  Die  Ausgaben  des  16.  Jahrhunderts. 

Ungeachtet  des  grofsen  Unterschiedes  zwischen  den  Denkmälern  des 
classischen  Alterthums  und  des  Mittelalters  findet  sich  doch  auch  in 
ihnen  viel  übereinstimmendes,  haben  sie  oft  ähnliche  Schicksale  ge- 
theilt.  Bis  gegen  den  Anfang  des  dreizehnten  Jahrhunderts  las  man 
in  den  Schulen  noch  häufig  und  fleifsig  die  alten  Autoren,  und  hielt 
sich  für  die  Geschichte  der  näheren  Vergangenheit  an  echte  und 
unverfälschte  Quellen.  In  den  nächsten  Jahrhunderten  tritt  beides 
zurück.  Auch  die  ausgezeichnetsten  Geister  begnügen  sich  mit 
phantastischen  Vorstellungen  von  der  Vorzeit,  ohne  deren  Richtigkeit 
zu  prüfen.  Die  alten  Schriftsteller  verschwinden  aus  dem  Unterricht, 
abgeschmackte  Fabeln  überwuchern  bei  den  Chronisten  die  Geschichte, 
und  die  einfachere,  wahrheitsliebende  Darstellung  der  Zeitgenossen 
findet  solchen  Entstellungen  gegenüber  keine  Beachtung.  Fast  gänz- 
lich scheint  der  Sinn  für  Kritik  verloren,  bis  wir  im  fünfzehnten 
Jahrhundert  wieder  einzelne  Spuren  davon  wahrnehmen,  worauf 
dann  bald  die  Bestrebungen  der  Humanisten  für  die  Wiederbelebung 
der  classischen  Studien  auch  der  Kunde  des  früheren  Mittelalters  zu 
Gute  kommen. 

In  Italien  freilich  ist  es  das  römische  Alterthum  fast  ausschliefs- 
lich,  welches  die  Geister  beschäftigt;  als  dazu  auch  die  Griechen- 
welt noch  hinzutrat,  wandte  man  sich  dieser  fernen  Vergangenheit 
völlig  zu,  und  die  platonische  Akademie  hat  mit  der  Gegenwart 
und  den  aus  dem  Christenthum  erwachsenen  Zuständen  kaum  eine 
Berührung. 

Anders  in  Deutschland.  Hier  richtet  sich  die  Kritik  sogleich 
auf  die  Urkunden  der  christlichen  Religion,  und  die  drückend  empfun- 
dene päbstliche  Herrschaft  veranlafst  zur  Prüfung  der  Ueberlieferung. 
Da  werden  die   alten    lauteren    Quellen    der   Geschichte  wieder  ans 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  1 


2  Einleitung.     §  1. 

Licht  gezogen,  und  gefeierte  Humanisten  wenden  auch  diesem  Felde 
ihre  Thätigkeit  zu.  Das  lebhaft  erwachende  Volksbewufstsein  konnte 
ebenfalls  in  der  römischen  Vorzeit  nicht  Befriedigung  finden,  wie  es 
in  Italien  der  Fall  war,  und  wie  mit  den  reformatorischen  Bestre- 
bungen diesseit  der  Alpen  überall  ein  kräftiger  Aufschwung  der 
Landessprache  zusammenfällt,  so  auch  ein  eifriges  Erforschen  der 
heimischen  Geschichte1).  Merkwürdigerweise  ist  es  der  italienische 
Humanist  Aeneas  Silvius  aus  Siena,  den  zuerst  seine  Forschungen 
über  österreichische  Geschichte  zur  Bekanntschaft  mit  Otto  von 
Freising  führten,  der  durch  eine  Goetweiher  Handschrift  Jordanis 
Gothengeschichte  kennen  lernte2).  Wenig  später  (1457)  benutzte 
Peter  Luder  mangelhafte  Quellen  zu  rhetorischer  Darstellung 
deutscher  Vorzeit3)  und  Hartmann  Seh  edel  sammelte  neben  alt- 
römischen auch  deutsche  Inschriften  und  Chroniken4). 

Mehrere  unserer  besten  Geschichtsquellen  sind  uns  nur  in  Ab- 
schriften des  fünfzehnten  Jahrhunderts  erhalten,  gerade  wie  so 
manche  Classiker,  und  den  Handschriften  reihen  sich  bald  die  ersten 
Drucke  an.  Schon  in  diesem  Jahrhundert,  um  1472,  wurde  in  Nürn- 
berg Honorius  De  imagine  mundi  gedruckt;  in  Ulm,  1473,  erschien 
die  deutsche  Uebersetzung  der  Flores  temporum  von  dem  Ulmer  Arzt 
H.  Steinhöwel;  zwischen  1470  und  1474,  vermuthlich  zu  Augs- 
burg5), die  Historia  Friderici  I,  welche  nichts  anderes  ist  als  ein 
Theil  der  Ursperger  Chronik.  In  Poitiers  wurde  1479  das  Breviarium 
liistoriale  bis  1428  gedruckt6).  Denn  nicht  als  Quellen  für  gelehrte 
Forschung  betrachtete  man  damals  diese  Schriften;  noch  waren  sie 
unmittelbar  als  darstellende  Geschichtswerke  willkommen,  da  man  in 
der  Sprache  sowohl  wie  in  der  ganzen  Denkweise  jenen  Zeiten  noch 
nicht  so  fern  stand,  dafs  es  eines  eigenen  Studiums  bedurft  hätte, 
um  sich  an  den  Schriften  des  Mittelalters  zu  erfreuen,  sie  auch  nur 
zu  verstehen. 

Zu  den  eifrigsten  Sammlern  und  Forschern  gehörte  der  gelehrte 
Abt  Johann  von  Trittenheim7),  der  nur  leider  seinein  der  That 

1)  S.  die  Darlegung  dieser  Richtung  der  humanistischen  Studien 
in  Deutschland  bei  R.  v.  Raumer,  Gesch.  d.  Germ.  Philologie  (1870)  am 
Anfang. 

2)  G.  Voigt,  Enea  Silvio  II,  312.  314.  320. 

3)  Wattenbach  in  d.  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  XXIII,  24.  Ders. 
Allg.  D.  Biogr.  XIX,  376. 

4)  Wattenbach,  Forsch.  XI,  373.     Allg.  D.  Biogr.  XXX,  661. 

5)  0.  Abel,  Archiv  XI,  81.  Giesebrecht,  SB.  d.  Münch.  Akad.  1881, 
I,  211. 

6)  L.  Delisle,  Bibl.  de  l'Ecole  des  chartes  XLVI,  S.  649—668. 

7)  Monographie  über  ihn  von  Silbernagel,  2.  Aufl.  1885. 


Die  Forschungen  der  Humanisten.  3 

bewunderungswürdige  Thätigkeit  und  Litteraturkenntnifs  durch  kecke 
Fälschungen  selbst  um  den  Ruhm  gebracht  hat,  welcher  ihr  sonst 
gebühren  würde.  In  seinem  Auftrag  durchforschte  der  Bosauer 
Mönch  Paul  Lang  viele  Klöster  nach  Werken  über  die  deutsche 
Geschichte1). 

Vor  allen  aber  war  es  Kaiser  Maximilian,  welcher  die  Er- 
forschung der  deutschen  Geschichte  auf  alle  Weise  beförderte  und 
sogar  selbst  daran  Theil  nahm.  Ueberall  liefs  er  nach  alten  Ur- 
kunden und  Chroniken  suchen  und  belohnte  jeden  Fund;  sein 
Historiograph  Stabius  sollte  daraus  ein  grofses  Geschichtswerk 
zusammensetzen2).  Die  bedeutendsten  Gelehrten  der  Zeit  suchte  er 
an  seinem  Hofe  zu  vereinigen,  und  die  Wiener  Universität  erreichte 
unter  ihm  ihre  höchste  Blüthe;  sie  soll  damals  an  7000  Studenten 
gezählt  haben,  und  viele  der  angesehensten  Humanisten  fanden  dort 
begeisterte  Schüler3).  In  seinem  Auftrag  bereiste  von  1498  bis  1505 
Ladislaus  Suntheim  aus  Ravensburg  das  südwestliche  Deutsch- 
land, um  die  Materialien  zu  einer  genealogischen  Geschichte  des 
habsburgischen  und  anderer  deutscher  Fürstenhäuser  zusammen  zu 
bringen4).  Seinem  gelehrten  Arzt  Johann  Spiefshaymer,  der  sich 
Cuspinian  nannte5),  gab  Maximilian  1508  den  Auftrag,  Bücher  aus 
allen  Theilen  des  Reichs  zu  sammeln,  und  einen  ähnlichen  Auftrag 
hatte  auch  Dr.  Jacob  Mennel  aus  Bregenz  (Manlius)  erhalten6), 
von  welchem  der  Kaiser  sich  Nachts,  wenn  er  an  Schlaflosigkeit 
litt,  aus  den  alten  Schriften  vorlesen  liefs7).  Auch  der  talentvolle, 
aber  unstäte  Dichter  Conrad  Celtis,  welchen  Maximilian  im  Jahre 


J)  Horawitz  in  d.  Allg.  D.  Biogr.  XVII,  614. 

2)  Ueber  ihn  Aschbach,  Gesch.  d.  kais.  Univ.  zu  Wien  II,  363—373. 
Von  den  Belohnungen  spricht  Beatus  Rhenanus,  Rer.  Germ,  libri.  III,  p.  113, 
ed.  1551 ;  p.  202.  203,  ed.  1610. 

3)  Khautz ,  Versuch  einer  Geschichte  der  Oesterr.  Gelehrten  (1755), 
S.  121—125.  Vgl.  Kink,  Gesch.  der  kais.  Univ.  zu  Wien  I,  226.  Aschbach, 
Gesch.  ders.  Univ.  I,  200  ff.  Zweiter  Band  1877  u.  d.  Titel:  Die  Wiener 
Universität  und  ihre  Humanisten  im  Zeitalter  Maximilians  I. 

4)  Franz  Pfeiffer,  Das  Donauthal  von  Ladislaus  Suntheim,  im  Jahr- 
buch für  vaterl.  Geschichte  (Wien  1861),  S.  273— 297.  Ueber  ihn  Asch- 
bach II,  377  —  381.     S.  378  die  Instruction  von  1505. 

5)  Ueber  ihn  Aschbach  II,  284—309;  Horawitz,  Allg.  D.  Biogr.  IV, 
662 — 664;  G.  Schepss  im  Archiv  f.  Unterfranken,  1884. 

6)  Der  Rath  von  Freiburg  im  Breisgau  meldet  1509  K.  Max,  der  be- 
stellte Dr.  Jacob  Mennel  könne  mit  den  Chroniken  nicht  auf  den  Reichstag 
nach  Worms  kommen,  weil  er  nach  Oesterreich  verreist  sei.  Zeitschr.  f. 
Gesch.  d.  Oberrh.  XVII,  254.  Am  31.  März  1510  beauftragte  M.  ihn  mit 
geschichtlichen  Forschungen  über  die  Häuser  Oesterreich  und  Burgund. 

7)  M.  Freheri  SS.  ed.  Struv.  II,  707.  Ueber  seine  eigenen  sehr  mangel- 
haften Leistungen  Horawitz,  Allg.  D.  Biogr.  XXI,  358—362. 

1* 


4  Einleitung.     §  1. 

1497  nach  Wien  berufen  hatte,  erhielt  im  folgenden  Jahre  vom  Kaiser 
die  Mittel  zu  seiner  letzten  grofsen  Reise  in  den  fernen  Norden,, 
deren  Frucht  die  Germania  illustrata  sein  sollte,  Celtis  lange  ver- 
sprochenes Hauptwerk,  welches  er  aber  bei  seinem  Tode  1508  un- 
vollendet hinterlassen  hat1).  Doch  sind  seine  eifrigen  Forschungen 
nicht  ohne  bedeutende  Frucht  geblieben.  Im  Kloster  St.  Emmeram 
zu  Regensburg  entdeckte  er  die  Werke  der  Nonne  Hrotsuit,  welche 
er  1501  herausgab.  Im  fränkischen  Kloster  Ebrach  fand  er  den 
Ligurinus,  über  den  er  selbst  in  Wien,  seine  Freunde  in  Freiburg,. 
Tübingen,  Leipzig  Vorlesungen  hielten;  1507  besorgten  seine  Augs- 
burger Freunde  den  Druck.  Ihm  danken  wir  auch  die  Entdeckung 
der  Tabula  Peutingeriana,  jener  merkwürdigen  römischen  Strafsenkarte 
des  dritten  Jahrhunderts,  mit  späteren  Zusätzen  erhalten  in  einer 
Copie  des  dreizehnten  Jahrhunderts,  welche  sich  jetzt  in  der  Wiener 
Hofbibliothek  befindet2).  Ihren  Namen  führt  sie  davon,  dafs  Celtis 
sie  in  seinem  Testamente  dem  gelehrten  Augsburger  Patricier  Con- 
rad Peutinger3)  vermachte.  Dieser,  der  ebenfalls  von  Maximilian 
zu  seinem  Rath  erhoben  war  und  fortwährend  für  künstlerische  und 
gelehrte  Zwecke  in  Anspruch  genommen  wurde,  war  1506  beim 
Kaiser  in  Klosterneuburg,  um  die  alten  Briefe  des  Hauses  Oesterreich 
zu  besichtigen,  und  erhielt  ein  eigen  Gemach  in  der  Wiener  Burg, 
wohin  „S.  Mt.  von  allen  orten  Cronica  und  historien  bringen  lassen". 
Er  selbst  besafs  die  werthvollsten  deutschen  Geschichtsquellen  und 
beabsichtigte  eine  umfassende  Sammlung  derselben  herauszugeben; 
leider  kam  dies  Vorhaben  nicht  in  seinem  ganzen  Umfange  zur 
Ausführung,  doch  verdanken  wir  ihm  mehrere  vortreffliche  Ausgaben, 
die  aber  Peutingers  Namen  nicht  auf  dem  Titel  tragen.  Nachdem 
er  1507  bei  der  Herausgabe  des  Ligurinus  geholfen,  erschien  1515 
aus  der  in  seinem   Besitz    befindlichen   Abschrift   die  erste  Ausgabe 

:)  Engelb.  Klüpfcl  de  vita  et  scriptis  Conradi  Celtis  Protucii,  Frib.  1827. 
Erhard,  Geschichte  des  Wiederaufblühens  wissenschaftlicher  Bildung  (1830) 
II,  1 — 146  und  in  der  Encyklop.  von  Ersch  und  Gruber  21,  135.  Kink  a. 
a.  0.  S.  201  f.  Aschbach  II,  189—270.  Joh.  Huemer  in  d.  Allg.  D.  Biogr. 
IV,  82—88.  Ueber  die  Angriffe  auf  die  Echtheit  der  von  ihm  entdeckten 
Werke  s.  unten  bei  Hrotsuit  und  Ligurinus. 

2)  Die  ältere  Ansicht,  welche  sie  dem  Verfasser  der  Annalen  von 
Colmar  zuschrieb,  bekämpft  Jaffe,  MG.  SS.  XVII,  187.  Vgl.  Frid.  Philipp! 
de  tab.  Peuting.  Diss.  Bonn  1876.  Die  neue  Pariser  Ausgabe  von  Des 
Jardins  ist  unvollendet  geblieben.  Konr.  Miller,  Die  Weltkarte  des  Castorius, 
gen.  die  Peut.  Tafel.  In  den  Farben  d.  Orig.  u.  mit  einleit.  Text  (mangel- 
haft). Eavensb.  1888.  Rec.  v.  G.  Hirschfeldt,  Berl.  philo!.  Wochenschrift  VIII, 
20  u.  a.  besonders  auch   gegen  die  Heranziehung  des  Namens  Castorius. 

3)  Ueber  ihn  s.  Th.  Herberger,  Conrad  Peutinger  in  seinem  Verhält- 
nisse zum  Kaiser  Maximilian.  Augsburg  1851.  4.  H.  A.  Lier,  Allg.  D.  Biogr. 
XXV  561—568. 


Peutinger.     Die  Protestanten.  5 

■des  Chronicon  Urspergense,  besorgt  von  Joh.  Mader1);  gleichzeitig 
erschienen,  von  Peutinger  bearbeitet,  Jordanis  de  Rebus  Geticis  und 
Pauli  Diaconi  historia  Langobardorum'2),  eine  sehr  gute  Ausgabe, 
gegen  welche  die  1514  zu  Paris  von  Guillaume  Petit  besorgte 
Ausgabe  des  Paulus  weit  zurücksteht.  Doch  verdienen  auch  die 
Bestrebungen  dieses  Buchhändlers,  bei  welchem  1512  Gregor  von 
Tours,  1513  Sigebert,  1514  aufser  Paulus  noch  Liudprand  und 
Aimoin  erschienen,  unsere  Anerkennung. 

Ebenfalls  im  Jahre  1515  besorgte  der  schon  erwähnte  Cuspinian, 
zusammen  mit  dem  kaiserlichen  Historiographen  Stabius,  in  Strafs- 
burg eine  vortreffliche  Ausgabe  des  Otto  von  Freising  mit  der  Fort- 
setzung des  Ragewin.  Ebenda  waren  bereits  im  Jahre  1508  von 
dem  Breisgauer  Gervasius  Soup  her  die  Gesta  Heinrici  IV  her- 
ausgegeben, mit  einem  Vorwort,  welches  von  stolzem  Selbstgefühl 
den  Franzosen  gegenüber  erfüllt  ist.  Von  ähnlicher  Denkungsart 
zur  Ehrenrettung  dieses  vielgeschmähten  Kaisers  getrieben,  gab 
Aventin  1518  in  Augsburg  die  schöne  prosaische  Lebensbeschreibung 
desselben  heraus;  er  war  ein  Schüler  von  Celtis  und  hatte  sich  nach 
dessen  Vorbild  der  deutschen  Geschichte  schon  früh  eifrig  zugewandt3). 
So  traten  nach  einander  die  vorzüglichsten  Geschichtschreiber  des 
deutschen  Mittelalters  ans  Licht;  1521  erschienen  in  Cöln  auch  die 
Werke  Einhards,  herausgegeben  von  dem  Grafen  Hermann 
von  Nuenar4);  in  Mainz  die  Chronik  des  Regino  von  Sebastian 
von  Rotenhan5). 

Besonders  eifrig  aber  nahmen  die  Protestanten  diese  Bestrebungen 
auf;  sie  fanden  bald  auch  unter  diesen  Schriften  Waffen  gegen  die 
päbstlichen  Ansprüche,  und  die  Streitschriften  des  elften  Jahrhunderts 
erschienen  auch  für  den  veränderten  Standpunkt  des  sechzehnten 
noch  verwendbar.  Hatte  man  doch  schon  lange  im  Einklang  mit  der 
wachsenden  Erbitterung  gegen  den  entarteten  Clerus  die  scharfen 
Satiren  des  früheren    Mittelalters    hervorgezogen,    so    in    Cöln    bald 

*)  0.  Abel  im  Archiv  XI,  79,  berichtigt  von  Giesebrecht  in  d.  SB.  d. 
Münch.  Akad.  1881,  I,  208-210. 

2)  Archiv  VII,  814. 

3)  Ueber  Aventin  s.  Wegele,  Allg.  D.  Biogr.  I,  700 — 704,  u.  Bayer. 
Bibl.  X  (1890).  Ausgabe  seiner  Werke  Ton  Riezler.  Vgl.  W.  Meyer, 
Philol.  Bemerkungen  zu  Aventins  Annalen,  u.  Aventins  Lobgedicht  auf 
Albrecht  IV.  von  1507,  Abh.  d.  Münch.  Ak.  I.  Cl.  XVII.  3.  Abth.  1886. 
Riezlers  Entgegnung  ebend.  III.  Cl. 

4)  Ueber  den  Codex  Steinveldensis,  durch  dessen  Auffindung  Nuenar 
gegen  den  Vorwurf  willkürlicher  Aenderungen  gerechtfertigt  ist,  s.  Archiv 
VII,  364. 

5)  Ueber  ihn  s.  Wegele,  Allg.  D.  Biogr.  XXIX,  299. 


6  Einleitung.     §  1. 

nach  1470  und  mehrmals  wiederholt  den  'Pseudo-Ovidius  de  Vetida 
mit  seinen  Ausfällen  gegen  sittenlose  Prälaten,  und  den  Brunellus 
mit  der  schonungslosen  Verspottung  der  Mönche.  Die  Schrift  des 
Spaniers  Alvarus  Pelagius  De  planctu  ecclesiae,  in  welcher  er  unter 
dem  Eindruck  seiner  Erfahrungen  an  der  Curie  in  Avignon  den 
verderbten  Zustand  der  Kirche  beklagt,  1340  in  Portugal  zuletzt 
überarbeitet,  erschien  schon  1474  in  Ulm  bei  Johann  Zainer  von 
Reutlingen,  und  wurde  1517  in  Lyon  wiederholt.  Lupolds  von 
Bebenburg  Schrift  Germanorum  principum  zelus  in  christianam  religionem 
erschien  1497  in  Basel.  Die  Epistola  Luciferi  ad  malos  principes  ec- 
clesiasticos,  eine  sehr  bittere  Satire,  welche  1351  in  Avignon  zum 
Vorschein  kam  und  in  vielen  Abschriften  verbreitet  war,  wurde 
nach  einer  nicht  mehr  bekannten  Pariser  Ausgabe  1507  in  Strafsburg 
gedruckt,  um  1530  in  einem  Einzeldruck  o.  J.  wiederholt  und  1549  in 
Magdeburg  von  Flacius  Illyricus  herausgegeben1).  Derselbe  wieder- 
holte 1550  die  deutsche  Uebersetzung  des  Briefes,  welche  schon  1521 
o.  0.  erschienen  war2).  Ulrich  von  Hütten  gab  1520  die  Schrift 
Walrains  von  Naumburg  gegen  Gregor  VII,  De  unitate  ecclesiae  con- 
servanda,  heraus,  welcher  bald  noch  mehrere  Schriften  verwandten 
Geistes  aus  der  Zeit  des  Schisma  und  der  Reformbewegung  des  vier- 
zehnten und  fünfzehnten  Jahrhunderts  folgten3).  So  erschien  1521 
in  Wittenberg  der  dem  Bischof  Ulrich  von  Augsburg  untergeschobene 
Brief  unter  dem  Titel:  Hulderichi  Aug.  ep.  epistola  adversus  constitu- 
tionem  de  cleri  coelibatu.  Der  Cölner  Humanist  Jacob  Sobius  gab 
1521  in  Basel  die  Commentare  des  Aeneas  Silvius  nebst  anderen 
Stücken  von  verwandtem  Inhalt  heraus,  eine  Sammlung,  welche  1535 
in  Cöln  mit  neuen  Zuthaten  von  Ortwrinus  Gratius  wiederholt 
wurde,  dessen  Standpunkt  in  seinem  späteren  Leben  ein  von  dem 
früheren  sehr  verschiedener  wurde4).  Im  Jahre  1529  wurden  zu 
Hagenau  die  ersten  Briefe  Peters  de  Vinea  gedruckt,  weil  sie  auch 
für  die  Gegenwart  zutreffend  zu  sein  schienen.  Unbefangener  liefs 
Melanchthon  es  sich  angelegen  sein,  den  Schulunterricht  in  der 
Geschichte  zu  fordern.  Sehr  nachdrücklich  spricht  er  sich  über  den 
hohen  Werth  der  Geschichte  aus  in  der  an  Sigismund  von  Branden- 

*)  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XVI  (1869),  Sp.  9.  Ueber  diesen  u.  andere 
Teufelsbriefe   s.  Wattenbach,  SB.  d.  Berl.  Ak.  Febr.  1892. 

2)  E.  Weller,  Die  ersten  deutschen  Zeitungen,  S.  90. 

3)  Straufs,  Ulrich  von  Hütten  II,  47.  55.  166.  320.  358. 

4)  David  Clement,  Bibliotheque  curieuse  (1759)  VIII,  241  weist  dieAutor- 
schaft  des  Jacobus  Sobius  nach,  S.  243  die  des  Ortw.  Gratius,  welcher  sie 
nie  geleugnet  hat.  S.  auch  Ennen,  Gesch.  d.  Stadt  Cöln,  IV,  87 — 92: 
L.  Geiger,  Allg.  D.  Biogr.  IX,  600—602.  Reichling,  Ortwin  Gratius,  Heiligen- 
stadt 1884. 


Ausgaben  der  Protestanten.  7 

bürg,  Erzbischof  von  Magdeburg,  gerichteten  Widmung  des  von  ihm 
1558  für  die  Schulen  bearbeiteten  Chronicon  Carionis1).  Schon 
1525  gab  Caspar  Churrer  in  Tübingen  die  Chronik  Lamberts 
nach  einer  Abschrift  heraus,  welche  Melanchthon  ihm  geschickt 
hatte,  und  1556  begleitete  dieser  Siegmund  Schorkels  Ausgabe 
des  Helmold  mit  einem  Brief  an  den  Herzog  yon  Stettin. 

In  Basel,  wo  schon  1529  Sichardus  die  Chroniken  des  Hierony- 
mus,  Prosper,  Cassiodor,  Hermannus  Contractus  mit  einer  Widmung 
an  den  Cardinal  Albrecht  von  Brandenburg  herausgegeben  hatte,  be- 
sorgten die  Buchhändler  Heerwagen,  die  auch  Melanchthons  Ver- 
leger waren,  1531  eine  Sammlung,  welche  den  Prokop,  Agathias 
und  Jordanis  enthält,  mit  einer  Vorrede  von  Beatus  Rhenanus  aus 
Schlettstadt.  Dieser  hatte  auch  zum  Otto  von  Freising  das  Titelblatt 
entworfen  und  ist  dadurch  zu  dem  unverdienten  Ruhme  gekommen, 
als  ob  er  der  erste  Herausgeber  deutscher  Geschichtsquellen  gewesen 
wäre.  Die  Handschriften  aber  zu  jener  Sammlung  hatte  Conrad 
Peutinger  aus  Augsburg  geschickt2). 

Im  Jahre  1532  erschien  in  demselben  Verlage  eine  zweite  Samm- 
lung, welche  den  Widukind,  Einhard  und  Liudprand  enthält,  heraus- 
gegeben von  dem  Professor  Martin  Frecht  zu  Tübingen. 

Es  würde  uns  zu  weit  führen,  wenn  wir  fortfahren  wollten,  die 
Ausgaben  des  sechzehnten  Jahrhunderts  aufzuzählen,  denn  ihre  Zahl 
ist  nicht  gering;  besonders  die  Wechelsche  Buchhandlung  in 
Frankfurt  verlegte  eine  ganze  Reihe  von  Sammlungen  dieser  Art. 
Unsere  Absicht  war  nur,  zu  zeigen,  mit  welchem  Eifer  man  damals 
bestrebt  war,  die  echten  Quellen  der  Geschichte  wieder  ans  Licht 
zu  ziehen;  mit  richtiger  Auswahl  wurden  die  besten  derselben  zuerst 
herausgegeben  und  mit  derselben  Sorgfalt  behandelt,  welche  die 
ersten  Ausgaben  der  alten  Classiker  auszeichnet.  Es  war  ein  treff- 
licher Anfang   gemacht,   hinter    dem   der   gröfste  Theil  der  späteren 

x)  Zuletzt  bei  Bretschneider,  Corpus  Reformatorum  XII,  707.  Vgl.  G. 
D.  Hoffmann,  Abhandlung  von  Philipp  Melanchthons  Verdiensten  um  die 
teutsche  Reichs-  und  Staatsgeschichte,  Tübingen  1760.  Schon  1532  schreibt 
er:  Misit  Carion  ad  me  farraginem  quandam  negligentia  coacervatam, 
quae  a  me  disposita  est.  Ueber  Carions  Leben  und  Schriften  Strobels 
Miscell.  Lit.  Inhalt,  6.  Samml.  S.  139  ff.  A.  Stern  in  d.  Allg.  D.  Biogr.  III, 
781.  Dafs  Melanchthon  auch  die  Ausgabe  des  Nauclerus  1516  besorgt 
habe,  bestreiten  Herrn.  Müller,  Forsch.  XXIII,  595,  u.  M.  Spiels  ib.  XXVI, 
138  — 140:  Winsheim  verwechselte  in  seiner  GedächtnifsredeCarion  u. 
Nauclerus. 

2)  Ueber  B.  Rhenanus  s.  A.  Horawitz  in  d.  Wiener  SB.  LXX,  189  bis 
244.  LXXII,  323  —  376.  LXXVIII,  313  —  340.  Horawitz  u.  Hartfelder, 
Briefwechsel  des  B.  Rh.  Leipz.  1886.  Geny  u.  Knod,  Die  Stadtbibl.  zu 
Schlettstadt,  1889. 


8  Einleitung.     §  1.  2. 

Leistungen  weit  zurückblieb,  und  an  die  Ausgaben  schlofs  sich  so- 
gleich auch  die  geschichtliche  Verwerthung,  getragen  von  demselben 
Geiste  wahrheitsuchender  Kritik,  die  sich  vorzüglich  der  Prüfung 
der  kirchlichen  Ueberlieferung  zuwandte.  Hervorzuheben  ist  unter 
diesen  Werken  die  nach  Jahrhunderten  eingetheilte  Kirchengeschichte 
der  sogenannten  Magdeburger  Centuriatoren,  Mathias  Flacius, 
Wigand  u.  a.  (Basil.  1559 — 1574,  13  Voll,  fol.),  weil  sie  durch  scharfe 
Kritik  und  umfassende  Forschung  geradezu  epochemachend  wirkte, 
und  durch  Mittheilungen  aus  einem  reichen  handschriftlichen  Material 
noch  jetzt  schätzbar  ist1). 

Freilich  waren  nicht  alle  gleich  bereit,  die  geschichtliche  Wahr- 
heit anzunehmen,  und  unter  die  Ausgaben  der  echten  Quellen 
mischten  sich  bald  auch  falsche.  Schon  1498  erschien  in  Rom  der 
nachgemachte  Berosus  und  anderes  Machwerk  des  berüchtigten 
Annius  von  Viterbo.  Nicht  ganz  so  plump  erfunden  waren  die 
Megenfrid,  Benno  und  andere  Schriftsteller,  auf  welche  Trithemius 
sich  in  seiner  Hirschauer  Chronik  (1514)  berief,  und  seine  Angaben 
führen  deshalb  noch  jetzt  nicht  selten  irre;  hat  doch  sogar  sein 
Hunibald,  dessen  lächerliche  Larve  schon  der  Graf  von  Nuenar 
durchschaute,  noch  im  neunzehnten  Jahrhundert  Vertheidiger  ge- 
funden! Zum  ärgsten  Unfug  dieser  Art  aber  gehört  das  1530  er- 
schienene Turnierbuch  von  Rüxner2),  dessen  freche  Lügen  von  den 
ahnensüchtigen  Herren  begierig  aufgenommen  wurden  und  noch 
heutiges  Tages  hin  und  wieder  gespensterhaft  erscheinen. 


§  2.    Die  katholische  Kirche.     Die  Heiligenleben. 

Während  einerseits  die  neu  erwachende  kritische  Richtung  will- 
kommene Waffen  in  der  Litteratur  des  früheren  Mittelalters  fand, 
bot  sich  andererseits  hierin  auch  der  katholischen  Kirche  ein  schöner 
Schatz    ascetischer  Schriften    dar,    und   die  Briefe   der  alten  Päbste, 

J)  Vgl.  Rinck  in  Pertz  Archiv  III,  52—56.  W.  Preger,  M.  Fl.  111.  u. 
seine  Zeit,  2  Bde.  Erl.  1859—1861;  Allg.  D.  Biogr.  VII,  95.  W.  Schulte, 
Beitr.  z.  Entstehungsgesch.  d.  Magdeb.  Cent.  Neisse  1877.  Flacius  gab  auch 
nach  dem  Vorgang  des  Engländers  Bale  und  von  ihm  unterstützt  die 
Satiren  des  12.  und  13.  Jahrhunderts  gegen  Pabst  und  Clerus  heraus  unter 
dem  Titel:  Carmiua  vetusta  ante  trecentos  annos  scripta,  quae  deplorant 
inscitiam  evangelii  etc.  Viteb.  1548,  vermehrt  1557  als:  Varia  doctorum 
piorumque  virorum  de  corrupto  ecclesiae  statu  poemata. 

2)  S.  darüber  Waitz,  Heinrich  I,  3.  Ausg.  S.  265— 272.  Ein  Theil  der 
Fabeln  ist  älteren  Ursprungs,  schon  1518  in  Baiern  ein  Werk  der  Art 
entstanden,  aber  Rüxnern  bleibt  doch  eine  ansehnliche  Vermehrung  der- 
selben. 


Die  katholische  Kirche.     Heiligenleben.  9 

wie  die  alten  Vorkämpfer  ihrer  Ansprüche,  waren  noch  immer  zu 
brauchen.  So  finden  wir  denn,  nachdem  die  katholische  Kirche 
sich  wieder  ermannt  und  auch  wissenschaftlich  neue  Kraft  gewonnen 
hat,  auch  von  dieser  Seite  viele  Publicationen;  der  Cardinal  Caesar 
Baronius  setzte  den  Magdeburger  Centuriatoren  seine  Annales 
ecclesiastici  entgegen,  welchen  die  aus '  dem  Vaticanischen  Archiv  und 
anderen  Quellen  mitgetheilten  Actenstücke  hohen  Werth  verleihen1). 
Durch  gute  Ausgaben  wichtiger  neu  entdeckter  Quellen  machten 
sich  besonders  Heinrich  Canisius2),  Brouwer3),  Sirmond, 
Tengnagel,  Gretser4)  verdient.  Auf  einzelnes  einzugehen,  würde 
hier  zu  weit  führen;  nur  einen  besonderen  Zweig  der  Litteratur 
scheint  es  erforderlich  hier  näher  zu  betrachten. 

Schon  unter  den  ältesten  Incunabeln  finden  sich  Legendarien 
und  einzelne  Heiligenleben,  zur  Erbauung  bestimmt.  Hin  und  wieder 
bieten  sie  ein  brauchbares  Körnchen  dar;  im  ganzen  aber  erscheinen 
die  Legenden  in  solcher  Weise  überarbeitet,  dafs  das  Triviale,  allen 
Gemeinsame,  überhand  genommen  hat,  das  Geschichtliche  oft  ganz 
verschwunden  oder  doch  verdunkelt  ist.  Die  zahlreichen  Wunder, 
die  vielen  Fabeln  und  Albernheiten  machten  diese  Litteratur  gerade 
ganz  besonders  zum  Gegenstand  lebhafter  Angriffe,  und  bald  empfand 
man,  dafs  sie  allen  Werth  und  Nutzen  verlieren  werde,  wenn  man 
sich  nicht  zu  einer  Sichtung  des  überkommenen  Stoffes  entschliefsen 
werde.  Nachdem  schon  der  Mailänder  Boninus  Mombritius  auf 
alte  Handschriften  zurückgegangen  war,  die  er  mühsam  aufsuchte, 
und  durch  deren  unveränderten  Abdruck5)  er  sich  verdient  gemacht 
hatte,  ohne  Nachfolger  zu  finden,  erschien  ein  Jahrhundert  später 
die  Sammlung  des  Cölner  Karthäusers  Laur.  Surius  (f  1578): 
Vitae  Probatorum  Sanctorum,  die  viel  brauchbaren  geschichtlichen 
Stoff  zuerst  ans  Licht  brachte,  und  wenn  auch  der  lateinische  Stil 
etwas  überarbeitet  ist,  so  berührt  das  doch  kaum  den  Inhalt.  Yon 
Kritik   aber  ist  in  diesem  Werke  keine  Rede,   und  die  herrschende 


1)  Bis  1198  in  12  Folianten  1588—1607  erschienen.  Die  Fortsetzung 
von  Raynaldus  in  9  Folianten  bis  1565  erschien  von  1646  —  1677.  Aus- 
gabe von  Mansi  mit  Pagi's  Kritik,  Lucae  1738 — 1759. 

2)  Neffe  des  berühmteren  Petrus,  s.  v.  Schulte  in  d.  Allg.  D.  Biogr. 
III,  749. 

3)  Kraus  in  d.  Allg.  D.  Biogr.  III,  368. 

4)  Werner  in  d.  Allg.  D.  Biogr.  IX,  645. 

5)  Sanctuarium,  in  2grofsen  Folianten  o.  J.  (um  1475).  Vgl.  Tiraboschi, 
Tomo  VI,  1.  II,  c.  32.  Von  demselben  rührt  die  erste  Ausgabe  des  Prosper 
her,  welche  Holder-Egger  im  NA.  I,  22  erwähnt,  nach  J.  A.  Saxii  Hist. 
litter.  typogr.  Mediol.  p.  146. 


10  Einleitung.     §  2. 

Meinung    der   Gebildeten    verwarf  alle   diese   Mönchsgeschichten   als 
leere  Fabeln. 

Diesen  Angriffen  gegenüber  fafste  nun  der  Jesuit  Heribert  van 
Roswey  der  Plan,  durch  strenge  Sichtung  des  ganzen  vorhandenen 
Materials  und  Aufopferung  des  falschen  das  echte  zu  retten  und  zu 
sichern.  Er  selbst  gab  u.  a.  das  Martyrologium  Romanum  heraus; 
besonders  aber  veranlafste  er  seinen  Ordensbruder  Johann  Bolland 
in  Antwerpen  zu  dem  grofsartigen  Unternehmen  der  Acta  Sanctorum, 
wovon  1643  der  erste  Band  erschien.  Noch  5  Bände  gab  Bolland 
selbst  heraus;  dann  hinterliefs  er  die  Fortsetzung  Daniel  Papebroch 
und  Gotfried  Henschen,  von  welchen  der  gediegenste  Theil  des 
Werkes  gearbeitet  ist.  Sie  gewannen  bei  ihrer  Arbeit  eine  solche 
Sicherheit  der  historischen  Kritik  und  verfuhren  mit  so  wenig  Scho- 
nung, dafs  sie  bald  vielfache  Angriffe  erfuhren  und  die  spanische 
Inquisition  sogar  im  J.  1695  die  bis  dahin  erschienenen  14  Bände 
verbot.  Man  versuchte  auch  den  Pabst  zu  einem  Verbote  desselben 
zu  bewegen,  aber  vergeblich;  nur  Papebrochs  Chronologia  Pontificum 
Romanorum  wurde  wirklich  verboten1).  Mit  dem  unermüdlichsten, 
mühsamsten  Fleifse  setzten  auch  später  die  Antwerpener  Jesuiten, 
welche  man  gewöhnlich  als  Bollandisten  bezeichnet,  das  begonnene 
Werk  fort;  ihre  Abhandlungen  wurden  immer  weitschichtiger  und 
verloren  an  innerem  Werthe,  während  das  ganze  immer  langsamer 
vorrückte.  Doch  sind  noch  viele  sehr  tüchtige  Arbeiten  und  uner- 
mefsliches  historisches  Material  darin.  Durch  die  Aufhebung  des 
Ordens  wurde  das  Unternehmen  gestört;  andere  führten  es  weiter, 
dann  aber  machte  ihm  die  Occupation  Belgiens  durch  die  Franzosen 
ein  Ende.  In  neuester  Zeit  hat  man  es  wieder  aufgenommen,  aber 
mit  der  übertriebensten  Weitschweifigkeit.  Bis  jetzt  sind  mehr  als 
60  Folianten  erschienen,  welche  bis  in  den  November  reichen,  denn 
das  ganze  Werk  folgt  der  Ordnung  des  Kalenders.  Die  Auffindung 
eines  bestimmten  Heiligen  war  früher  nicht  leicht;  man  bedurfte 
dazu  der  Kenntnifs  seines  Tages,  wozu  das  Heiligenlexicon  (von 
Schmaufs)  Gott.  1719,  8,  brauchbar  ist,  welches  zugleich  zur  vor- 
läufigen Orientirung  dienen  kann.  Gegenwärtig  aber  bietet  Pott- 
hasts  Bibliotheca  historica  in  dem  Artikel  Vita  S.  575  —  940  ein 
nicht  allein  auf  den  Umfang  des  Mittelalters  beschränktes  Reper- 
torium    sämmtlicher    von    den    Bollandisten    besprochener  Personen, 

*)  S.  Rettberg,  Art.  Papebroch  in  der  Encyklopädie  von  Ersch  und 
Gruber.'  A.  Scheler,  Zur  Geschichte  des  Werkes  Acta  Sanctorum,  Sera- 
peum  VII.  305  ff.  Potthast,  Bibl.  historica,  p.  23—25.  Baehr,  Gesch.  d. 
Rom.  Litt.'  IV,  227. 


Mauriner.     Landesgeschichte.  H 

dem  ein  Register  der  übrigen  in  jenem  Riesenwerke  enthaltenen 
Abhandlungen  beigefügt  ist.  Aufserdem  aber  enthält  jetzt  ein 
Supplementband  der  Acta  Sanctorum  zum  October  Generalregister 
über  das  ganze  Werk  von  Rigollot. 

Neben  den  Jesuiten  begannen  auch  die  französischen  Benedi c- 
tiner  ein  ähnliches  Werk,  nachdem  ihr  Orden  in  der  Congregation 
de  Saint-Maur  einen  neuen,  aufserordentlich  kräftigen  Aufschwung 
genommen  hatte.  Die  Erforschung  der  Geschichte  ihres  Ordens 
wurde  bald  ein  Hauptgesichtspunkt  der  Congregation  und  ihr  Biblio- 
thekar Dom  Luc  d'Achery  sammelte  dafür  viele  Jahre  mit  Unter- 
stützung der  ganzen  Genossenschaft  unschätzbares  Material.  Zur 
Bearbeitung  desselben  wurde  ihm  1664  Dom  Jean  Mabillon  bei- 
gegeben, den  dann  wieder  Germain  und  Ruinart  unterstützten. 
Yon  ihnen  erschienen  1668 — 1701  die  Acta  Sanctorum  Ordinis  S. 
Benedicti  in  9  Folianten,  welche  bis  zum  Jahre  1100  reichen  und 
vom  gröfsten  Werthe  für  die  Geschichte  sind.  Abweichend  von  der 
Anordnung  der  Bollandisten  ist  diese  Sammlung  nach  der  Zeitfolge 
geordnet;  sie  beginnt  natürlicher  Weise  erst  mit  der  Entstehung  des 
Ordens  der  Benedictiner,  die  ersten  Jahrhunderte  der  Kirche  aber 
behandelte  Ruinart  selbständig  in  seinem  trefflichen  Werke :  Acta 
primorum  martyrum  sincera,  1689,  4. 


§  3.    Sammlungen  für  Landesgeschichte. 

In  viele  einzelne  Staaten  zerspalten  hatte  Italien  keine  um- 
fassende Sammlung  von  Geschichtsquellen  erhalten;  auch  ging  hier 
der  Patriotismus  gerne  gleich  über  die  Zeiten  des  Mittelalters  hinaus 
in  die  antike  Welt  hinüber.  Die  römische  Kirche  aber  konnte 
vom  Mittelalter  nicht  lassen  und  noch  weniger  ihren  Gesichtspunkt 
durch  enge  Grenzen  beschränken  lassen.  Ihre  Geschichte,  vom 
Cardinal  Baronius  geschrieben,  umfafste  die  ganze  christliche  Welt, 
und  jedes  Volk  fand  hier  die  wichtigsten  Aufschlüsse  über  seine 
Vergangenheit  aus  den  Schätzen  des  Vaticanischen  Archivs.  Viele 
Geschichtsquellen  Italiens  zog  Ughelli  zuerst  ans  Licht  in  dem 
grofsen  Werk  der  Italia  Sacra,  welches  später  von  Coleti  um- 
gearbeitet und  sehr  vermehrt  wurde1).  Gleichzeitig  mit  diesem 
wirkte  Ludwig  Anton  Muratori,  der  mit  der  umfassendsten  Ge- 
lehrsamkeit,    rastlosem    Fleifse    und    unermüdlicher    Thatkraft    die 

])   Ughelli,  Italia  Sacra,  9  Bände  f.  1644—1662.    Neue  Ausg.  v.  Coleti 
in  10  Bänden,  1717—1721. 


12  Einleitung.     §  3. 

Grundlagen  der  italienischen  Geschichte  legte,  auf  denen  noch  heute 
fortgebaut  wird.  Seine  Scriptores  Herum  Italicarum  in  21  Folianten, 
1723 — 1751,  sind  die  erste  umfassende  planmäfsig  angelegte  Samm- 
lung der  Geschichtsquellen  eines  ganzen  Landes,  und  bis  jetzt  die 
einzige,  welche  ihre  Vollendung  erreicht  hat;  das  grofse  Verdienst, 
durch  eifrige  Unterstützung  der  Sache,  auch  durch  wissenschaftliche 
Mitwirkung  die  Ausführung  möglich  gemacht  zu  haben,  gebührt  den 
bescheiden  im  Hintergrund  gebliebenen  Socii  Palatini1).  Neuestens 
hat  auch  Italien  eine  Darstellung  seiner  Chronistik  erhalten  durch 
Ugo  Balzani2). 

Erstrebt  war  freilich  schon  früher  ähnliches  in  Frankreich 
durch  die  Sammlung  von  Duchesne  in  5  Folianten  (1636  —  49); 
doch  genügte  diese  nicht,  so  werthvoll  auch  ihr  Inhalt  ist.  Colbert 
fafste  bereits  1676  den  Plan  einer  neuen  umfassenderen  Sammlung, 
der  jedoch  erst  später  zur  Ausführung  kam,  als  die  Congregation 
der  Maurin  er  auch  diese  Aufgabe  übernommen  hatte.  Nachdem 
diese  iieifsigen  und  gelehrten  Mönche  bereits  für  die  Geschichte 
ihres  Ordens  und  der  Kirche  das  aufserordentlichste  geleistet,  und 
in  verschiedenen  Sammlungen  unendliches  Material  zugänglich  ge- 
macht hatten,  erschien  von  1738  an  der  JRecueil  des  Historiens  des 
Gaules  et  de  Ja  France  von  Dom  Bouquet  und  seinen  Nachfolgern, 
eine  Sammlung,  deren  Fortführung  in  neuester  Zeit  wieder  aufge- 
nommen ist,  und  die  bis  jetzt  aus  23  Folianten  besteht. 

In  Deutschland  waren  die  vielversprechenden  Anfänge  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  durch  die  inneren  Spaltungen  gehemmt 
und  endlich  durch  den  dreifsigj ährigen  Krieg  fast  gänzlich  erstickt 
worden.  Die  folgende  Zeit  des  Reichthums  und  der  fürstlichen 
Stellung  der  Geistlichkeit  brachte  wohl  einige  Stiftshistorien,  aber 
nichts,  das  sich  mit  dem  Wirken  der  Mauriner  in  Frankreich  irgend 
vergleichen  liefse.  Wohl  reizte  das  Beispiel  zur  Nachahmung,  aber 
alle  Versuche  scheiterten  theils  an  der  Trägheit  der  in  Reichthum 
und  Ueppigkeit  versunkenen  Stifter,  theils  an  der  Eifersucht  der 
Landesfürsten,  welchen  es  bedenklich  erschien,  die  Geistlichkeit  ihrer 
Territorien  in  nähere  Verbindung  mit  den  Ordensbrüdern  anderer 
Gebiete   treten   zu   lassen.     Und   geradezu  unmöglich  war  es  für  die 

*)  S.  über  diese  L.  Vischi  im  Arch.  stör.  Lombardo  1880,  S.  391 — 566. 

2)  Ein  Band  der  durch  die  Society  for  promoting  Christian  Knowledge 
veranlafsten  Sammlung:  Early  chronicles  of  Europe,  1883;  auch  ins  Ital. 
übersetzt.  Anderer  Art,  auch  die  Byzantiner,  die  Gesetze  und  Urkunden 
umfassend,  ist  die  Schrift  von  Costanzo  Rinaudo:  Le  Fonti  della  storia 
dTtalia  dalla  caduta  dell'  imperio  Romano  d'Occidente  all1  invasione  dei 
Longobardi  (476—568).     Torino  1883. 


Leibniz.     Das  Collegium  historicum.  \Q 

Reichsabteien,  selbst  wenn  sie  es  gewollt  hätten,  sich  einer  gemein- 
samen Leitung  und  wechselnden  Aebten  unterzuordnen.  Das  er- 
fuhren namentlich  die  Gebrüder  Bernhard  und  Hieronymus  Pez1)  in 
Melk  bei  ihren  Bemühungen,  neues  Leben  in  den  alten  Orden 
der  Benedictiner  zu  bringen,  und  die  Stiftung  einer  Congregation, 
welche  es  möglich  gemacht  hätte,  die  vorhandenen  Kräfte  zu  ver- 
einigen und,  wie  in  Frankreich,  planmäfsig  für  gemeinsame  Zwecke 
zu  verwenden,  scheiterte  an  solchen  Hindernissen. 

Material  war  freilich  in  grofsen  Massen  zu  Tage  gefördert,  aber 
ohne  Auswahl,  ohne  Kritik;  die  neuen  Publicationen  fügten  nur  immer 
mehr  rohe  Masse  hinzu,  in  noch  mangelhafterer  Weise,  und  niemand 
verstand  es,  den  Stoff  zu  bearbeiten.  Im  siebzehnten  Jahrhundert 
erschienen  bei  dem  Uebergewicht  des  Partiknlarismus  fast  nur  noch 
Sammlungen  für  die  Geschichte  einzelner  Reichslande.  Eine  neue 
Epoche  beginnt  dann  mit  Leibniz,  dem  Zeitgenossen  Muratori's, 
und  in  noch  viel  höherem  Grade  würde  dies  der  Fall  gewesen  sein, 
wenn  nicht  seine  Forschungen  unvollendet  und  grofsentheils  unbe- 
kannt geblieben  wären.  Wie  Muratori  von  der  Geschichte  des 
Hauses  Este,  so  ging  Leibniz  von  den  Weifen  aus,  und  wie  Muratori 
wurde  er  durch  diese  Untersuchungen  immer  weiter  geführt  zu  den 
ausgedehntesten  Quellenforschungen,  welche  die  ganze  Reichsge- 
schichte umfafsten,  Forschungen,  die  sich  andererseits  an  seine 
philosophischen  sowohl  wie  an  seine  staatsrechtlichen  Studien  an- 
schlössen. Er  durchsuchte  alle  ihm  zugänglichen  Archive  und  Bi- 
bliotheken, und  ergriff  mit  dem  lebhaftesten  Eifer  den  Plan  einer 
systematischen  Sammlung  und  Ausgabe  aller  vorhandenen  Quellen 
für  die  politische  und  die  Rechts-  und  Kirchengeschichte,  auf  deren 
Wichtigkeit  und  die  Notwendigkeit  ihrer  gründlichen  Erforschung 
zuerst  Conring  energisch  hingewiesen  hatte. 

Wohl  einsehend,  dafs  die  Aufgabe  die  Kräfte  eines  Einzelnen 
übersteige,  versuchte  man  wiederholt,  Gesellschaften  zu  diesem  Zwecke 
zusammenzubringen.  Schon  Johann  Christian  von  Boineburg, 
der  Rathgeber  des  Churfürsten  Johann  Philipp  von  Mainz,  der  Freund 
Conrings,  Leibnizens  und  Forsters,  entwarf  den  Plan,  ein  Collegium 
universale  Eruditorum  in  Imjjerio  Bomano  mit  vorzüglicher  Rücksicht 
auf  Geschichte  zu  stiften,  und  theilte  denselben  1670  mehreren 
Gelehrten  mit.  Mainz,  wo  das  Reichsarchiv  sich  befand,  war  zum 
Sitz  desselben  bestimmt,  allein  es  blieb  bei  diesen  Anfängen  und 
hatte  keinen  weiteren  Erfolg.    Neue  Anregungen  zu  Versuchen  dieser 

2)  S.  Krones,  Allg.  D.  Biogr.  XXV,  569—575. 


14  Einleitung.     §  3. 

Art  gab  bald  darauf  die  kräftige  Entwickelung  der  schon  1651  ge- 
stifteten, 1677  vom  Kaiser  privilegirten  Academia  Leopoldina  Naturae 
Curiosorum.  Pauliini  in  Eisenach  fafste  die  Idee  einer  ähnlichen 
historischen  Gesellschaft;  er  liefs  1687  eine  Delineatio  Collegii  Im- 
perialis Mstorici  gloriose  et  feliciter  fundandi  drucken  und  vertheilen. 
Mit  vorzüglichem  Eifer  gingen  Hiob  Ludolf  und  Tentzel  auf 
diesen  Gedanken  ein;  Ludolf  theilte  Pauliini  seine  unmafsgeblichen 
Bedenken  mit  und  von  ihm  ging  die  förmliche  Aufforderung  zur 
Theilnahme  aus,  welche  1688  versandt  wurde.  Er  war  der  Präses 
der  neuen  Gesellschaft,  welcher  mehrere  namhafte  Gelehrte  sich 
anschlössen.  Vor  allem  aber  bedurfte  man  materieller  Unterstützung, 
ohne  die  sich  wenig  ausrichten  liefs;  man  wünschte  den  Kaiser,  den 
Reichstag  dafür  zu  gewinnen,  man  suchte  nach  vornehmen  Patronen, 
aber  man  fand,  wie  Ludolf  1695  an  Leibniz  schrieb,  keinen  einzigen, 
welcher  einen  Pfennig  daran  wenden  wollte1).  Nur  der  Herzog  von 
Würtemberg  gewährte  Pregitzer  die  Kosten  zu  einer  Reise  durch 
Schwaben,  die  Schweiz,  Burgund  und  Frankreich,  um  die  Archive 
zu  durchforschen;  seine  Reiseberichte  befinden  sich  auf  der  Göttinger 
Bibliothek.  Erfolg  hatte  also  auch  dieser  Versuch  nicht,  und  er 
konnte  kaum  Erfolg  haben  zu  einer  Zeit,  wo  die  höheren  Stände 
ganz  der  französischen  Bildung  hingegeben,  und  die  Gelehrten 
gröfstentheils  von  geistloser  Pedanterie  erfüllt  waren,  wo  lebhafte 
Theilnahme  für  die  Erforschung  der  vaterländischen  Geschichte  eben 
so  selten  zu  finden  war,  wie  die  Fähigkeit  zum  richtigen  Verständnifs 
der  Quellen. 

Leibniz  hatte  diesen  Bestrebungen  von  Anfang  an  grofse  Theil- 
nahme zugewandt;  er  wies  vornehmlich  auf  den  unveränderten  Ab- 
druck der  reinen  Quellenschriften  hin,  während  Ludolf  mehr  eine 
Bearbeitung  der  Reichsgeschichte  ins  Auge  fafste.  Leibnizen  dagegen 
war  um  fremde  Darstellungen  wenig  zu  thun;  er  wufste  wohl,  dafs 
Urkunden,  in  denen  ein  Anderer  nichts  finden  konnte,  ihm  die  be- 
deutendsten Aufschlüsse  gewährten,  und  rieth  deshalb  ernstlich,  dafs 
man  sich  nicht  bemühen  solle,  um  eine  Geschichte  stylo  florido  et 
eleganti  zu  schreiben,  sondern  man  solle  die  Documenta  und  Urkunden 
geben,  ut  praesens  aetas  thesaurum  quendam  relinquat.  Er  zuerst  erhob 
sich  über  den  Dilettantismus  und  die  Yielwisserei  und  verband  die 
ausgebreitetsten  Kenntnisse   mit   staatsmännischem  Blick  und  histo- 

*)  De  Collegio  nostro  historico  quod  dicam  vix  habeo,  adeo  omnia  frigent. 
Scilicet  nemo  de  magnatibus  nostris  est  qui  urgeat,  multo  minus  qui  obolum 
impendat.  Qui  ad  nutum  alienum  laborare  debent  sine  magno  autore,  sine 
praemio,  sunt  difficillimi.     1695,  Dec.  9. 


Leibniz  und  seine  Nachfolger.  15 

rischer  Einsicht.  Und  so  leistete  denn  dieser  aufserordentliche 
Mann  allein  einen  grofsen  Theil  desjenigen,  was  jene  gutgemeinten 
Unternehmungen  bezweckt  hatten,  ohne  zur  Ausführung  kommen  zu 
können. 

Schon  1693  gab  Leibniz  seinen  Codex  juris  gentium  heraus,  dem 
1700  die  zwei  Folianten  der  Mantissa  Documentorum  folgten.  Von 
1707—1711  erschienen  dann  die  Scriptores  Herum  Brunsvicensium, 
welche  theils  die  niedersächsische  Landesgeschichte,  theils  die  wei- 
fische Hausgeschichte  erläutern  sollten,  und  durch  die  grofsartige 
Stellung  des  weifischen  Hauses,  durch  die  Verflechtung  desselben 
in  alle  wichtigsten  Angelegenheiten  des  Reiches  einen  universellen 
Charakter  erhielten,  der  sie  von  allen  anderen  Sammlungen  für  spe- 
cielle  Landesgeschichte  unterscheidet.  Eine  Anzahl  anderer  wichtiger 
Schriftsteller  war  schon  1698  in  den  Accessiones  historicae  zuerst 
ans  Licht  gebracht.  Aber  von  den  überreichen  Sammlungen  Leib- 
nizens  war  dadurch  nur  ein  kleiner  Theil  erschöpft;  nachdem  er 
selbst  vom  Schauplatze  abgetreten  war,  brachten  seine  Nachfolger 
Eckhart,  S.  Fr.  Hahn,  Jung,  Gruber,  Scheidt  aus  seinem  Nachlafs 
das  grofsartige  Werk  der  Origines  Guelficae  zu  Stande,  welches  noch 
jetzt  einen  ehrenvollen  Namen  behauptet,  in  Form  und  Inhalt  aber 
ganz  auf  den  Vorarbeiten  von  Leibniz  ruht1). 

Aber  Leibniz  hinterliefs  auch  noch  ein  anderes  Werk,  welches 
allein  ausgereicht  hätte,  um  einen  gewöhnlichen  Menschen  berühmt 
zu  machen,  die  Annetten  des  abendländischen  Reiches,  zu  welchen 
ihn  seine  Forschungen  über  die  Weifen  ebenso  hinführten,  wie  Mu- 
ratori  die  Geschichte  des  Hauses  Este  zur  Verfassung  der  Annalen 
Italiens  veranlafste.  Dieses  Werk,  welches  Leibniz  viele  Jahre  lang 
vorzüglich  beschäftigte,  reicht  von  768 — 1005,  denn  weiter  ist  er 
leider  nicht  damit  gekommen.  Es  ist  durchaus  ein  Meisterwerk, 
welches  alle  früheren  Leistungen  weit  hinter  sich  läfst;  auch  hegten 
die  Zeitgenossen  grofse  Erwartungen  davon,  und  lange  war  von  dem 
Druck  desselben  die  Rede,  der  aber  dennoch  zum  grofsen  Schaden 
der  Wissenschaft    unterblieb,    bis    in    neuester  Zeit  Pertz    das    fast 

x)  Die  vorstehenden  Angaben  sind  aus  den  Mittheilungen  meines  1863 
verstorbenen  Freundes  Röfsler  entnommen,  welcher  sie  aus  dem  in  Göt- 
tingen und  Hannover  verwahrten  handschriftlichen  Material  geschöpft  hatte, 
mit  Benutzung  der  Nachrichten  über  Paullini's  Briefwechsel  im  Serapeum 
1856,  S.  65.  367,  der  Schriften  Guhrauers  u.  a.  Vgl.  auch  Lucä,  der 
Chronist  Friedr.  Lucä  (Frankfurt  1854),  S.  279— 344;  Pfleiderer,  Leibniz 
als  Patriot  etc.  S.  632  ff.  Mit  Benutzung  von  Paullini's  Nachlafs  in  Jena 
ist  der  Aufsatz  von  Wegele  gearbeitet:  Das  historische  Reichscolleg,  Im 
neuen  Reich  1881,  N.  25.  Ueber  Leibniz'  Reise  nach  Wien  1708  s.  Wilh. 
Guerrier,  Leibniz  in  seinen  Beziehungen  zu  Rufsland  (1873)  S.  67. 


16  Einleitung.     §  3. 

schon  in  Vergessenheit  gerathene  Werk  herausgab l),  nachdem  ein 
grofser  Theil  der  darin  enthaltenen  Forschungen  von  neuem  gemacht 
worden  war.  Aber  noch  immer  ist  das  Werk  sehr  brauchbar,  da 
es  mit  der  vollständigen  Uebersicht  und  Benutzung  des  bis  dahin 
bekaunt  gewordenen  Stoffes  gearbeitet  ist,  während  die  sichere  Me- 
thode, der  durchdringende  Scharfsinn  und  die  geistvolle  Behandlung 
des  grofsen  Verfassers  den  Leser  durchgehends  fesseln  und  zur  Be- 
wunderung fortreifsen. 

Die  Fehler  der  früheren  Sammlungen,  von  denen  auch  die  Leib- 
nizsche  nicht  ganz  frei  ist,  den  Mangel  an  kritischer  Sichtung  des 
Stoffes,  an  systematischer  Auswahl  und  Zusammenstellung,  die  Un- 
zuverlässigkeit  der  Abdrücke,  schilderte  niemand  schärfer  und  ein- 
dringlicher als  Joh.  G.  Eckhart2),  Leibnizens  Gehülfe,  dann  Con- 
vertit  und  fürstlich  Würzburgischer  Rath.  Dennoch  vermied  er  in 
seiner  eigenen  Sammlung,  dem  Corpus  historicorum  medii  aevi  (1723) 
keinen  jener  Fehler,  vermehrte  aber  das  vorhandene  Material  durch 
sehr  werthvolle  Beiträge. 

J.  B.  Mencke  veröffentlichte  1728  und  1730  noch  eine  sehr 
schätzbare  Sammlung,  B.  G.  Struve  gab  1717  und  1726  die  älteren 
Sammlungen  von  Pistorius  und  Freher  neu  heraus;  immer  mehr 
wuchs  die  Masse  des  gröfstentheils  rohen,  ungeordneten,  ungesichteten 
Materials;  immer  schwieriger  wurde  es,  eine  Uebersicht  über  dasselbe 
zu  gewinnen.  Dieser  Uebelstand  veranlafste  das  Erscheinen  von 
Schriften,  die  als  Wegweiser  dienen  sollten:  J.  P.  Fincke's  Index 
in  Collectiones  Scriptorum  Herum  Germanicarum,  Lips.  1737,  4  und  das 
vielgebrauchte  Directorium  von  Freher,  zuletzt  1772  von  Ham- 
b erger  neu  herausgegeben.  Desselben  Hambergers  Nachrichten 
von  den  vornehmsten  Schriftstellern,  Bd.  3.  4.  1760,  sind  von  gerin- 
ger Brauchbarkeit,  dagegen  des  trefflichen  Joh.  Alb.  Fabricius 
Bibliotlieca  Mediae  et  Infimae  Latinitatis  1734 — 1746,  8,  und  ed.  Mansi 
1754,  4  noch  jetzt  unentbehrlich  und  von  grofsem  Nutzen.  Eine 
neue  vermehrte  Ausgabe  derselben  mit  Berücksichtigung  der  seitdem 
erschienenen   Sammlungen  und  Ausgaben  wäre  sehr  wünschenswerth 

x)  G.  W.  Leibnitii  Annales  Imperii  Occidentis  Brunsvicenses,  ed.  G. 
H.  Pertz.  3  Tomi.  Hannov.  1843—1846.  Mit  einer  sehr  lehrreichen  Vor- 
rede des  Herausgebers.  Vgl.  Giesebrecht  I,  797.  Viele  Nachrichten  über 
die  Geschichte  dieses  Werkes,  über  die  schlechte  Behandlung,  welche 
Leibniz  zu  erfahren  hatte,  und  die  Intriguen  Eckharts,  welche  dieselbe 
hauptsächlich  veranlafsten ,  enthält:  Leibnizens  Briefwechsel  mit  dem  Mi- 
nister v.  Bernstorff  etc.  von  R.  Doebner.  Hann.  1882,  und  in  d.  Zeitschr.  d. 
hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1881. 

2)  Wegele  in  d.  Allg.  D.  Biogr.  V,  627—631;  zu  ergänzen  aus  der  eben 
erwähnten  Publication  von  Doebner. 


Die  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde.  17 

und  würde  einem  dringenden  Bedürfnifs  entgegenkommen.  Zurecht- 
finden aber  können  wir  uns  jetzt  in  der  historischen  Litteratur  des 
Mittelalters  mit  grofser  Leichtigkeit,  seitdem  Potthasts  Bibliotheca 
historica  medii  aevi  (Berlin  1862,  Supplement  1868)  erschienen  ist, 
ein  höchst  dankenswerthes  Werk,  das  Product  des  angestrengtesten 
und  mühsamsten  Sammelfleifses,  welches,  obschon  nicht  frei  von 
manchen  Schwächen  und  Mängeln,  doch  als  ein  ungemein  nützliches 
Hülfsmittel  allgemeine  Verbreitung  und  Anerkennung  gefunden  hat. 

§  4.     Die  Monumenta  Germaniae  historica. 

Immer  lebhafter  empfand  man  in  Deutschland  während  des 
18.  Jahrhunderts  das  Bedürfnifs  einer  planmäfsig  geordneten,  kriti- 
schen Sammlung  der  echten  und  ursprünglichen  Geschichtsquellen; 
das  Beispiel  von  Muratori  in  Italien  und  den  Maurinern  in  Frank- 
reich reizte  zur  Nachfolge,  aber  alle  Wünsche  und  Versuche  schei- 
terten, wie  jene  eben  erwähnten  ersten  Anfänge,  an  der  Zerstückelung 
Deutschlands,  an  der  Unmöglichkeit,  ein  Zusammenwirken  vieler 
Gelehrten  herbeizuführen,  an  dem  Mangel  ausreichender  Geldmittel. 
Die  Nachrichten  über  diese  Bestrebungen  findet  man  gesammelt  im 
ersten  Bande  des  Archivs  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Ge- 
schichtskunde. Namentlich  hatte  der  Hallische  Theologe  Semler 
einen  solchen  Plan,  und  bezeichnet  in  seinem  „Versuch  den  Gebrauch 
der  Quellen  in  der  Staats-  und  Kirchengeschichte  der  mittleren  Zeiten 
zu  erleichtern"  (1761)  scharf  und  treffend  die  Mängel  der  vorhan- 
denen Sammlungen,  die  Notwendigkeit,  Originalquellen  von  Aus- 
schreibern zu  sondern,  mit  Sorgfalt  und  gesunder  Kritik  eine  Reihe 
der  bedeutendsten  Autoren  durchnehmend.  Durch  ihn  angeregt  gab 
1797  sein  College  Krause  den  Lambert  heraus  als  Anfang  und 
Specimen  einer  solchen  Sammlung;  aber  er  starb  bald  nachher  und 
es  blieb  bei  diesem  ersten  Bande.  Im  folgenden  Jahre  1798  gab 
Rösler  in  Tübingen  eine  kritische  Bearbeitung  der  ältesten  Chro- 
niken des  Mittelalters,  allein  die  Aufgabe  einer  umfassenden  Samm- 
lung war  für  die  Kräfte  einzelner  Männer  viel  zu  grofs,  als  dafs 
etwas  genügendes  hätte  zu  Stande  kommen  können. 

Die  lange  Fremdherrschaft  in  Deutschland  und  die  Befreiung 
davon  durch  die  vereinten  Anstrengungen  des  ganzen  Volkes  weckten 
endlich  in  höherem  Grade  das  Bewufstsein  eines  gemeinschaftlichen 
Vaterlandes.  Mit  neuer  Liebe  wandte  man  sich  der  Erforschung  der 
Vorzeit  zu;  E.  M.  Arndt,  die  Gebrüder  Grimm  bestärkten  in  dieser 
Richtung  durch  die  kräftigste  Anregung.  Eifrig  und  dringend  wies 
Johannes  von  Müller  auf  die  Notwendigkeit  des  Quellenstudiums 

Wattenbach,   Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  2 


18  Einleitung.     §  4. 

bin.  Auch  der  Freiherr  vom  Stein  empfand  das  lebhafte  Be- 
dürfnis, eine  genügende  Anschauung  der  deutschen  Geschichte  sich 
zu  verschaffen.  Die  vorhandenen  Darstellungen  reichten  dazu  nicht 
aus ;  er  suchte  die  Kenntnifs  aus  den  Quellen  selbst  zu  schöpfen, 
stiefs  aber  dabei  auf  unüberwindliche  Schwierigkeiten  wegen  des 
verwahrlosten  Zustandes  derselben.  Es  war  nicht  seine  Art,  wegen 
solcher  Hindernisse  einen  Gedanken  aufzugeben,  und  seine  Entfernung 
von  den  Staatsgeschäften  trug  dazu  bei,  dafs  er  ihn  um  so  ent- 
schiedener festhielt  und  verfolgte.  Der  Gedanke  an  sich  selbst, 
seinen  eigenen  Yortheil  und  Genufs,  trat  dabei  bald  völlig  zurück; 
er  hatte  nur  noch  sein  Volk  im  Auge,  der  Wunsch  erfüllte  ihn, 
„den  Geschmack  an  deutscher  Geschichte  zu  beleben,  ihr  gründ- 
liches Studium  zu  erleichtern  und  hierdurch  zur  Erhaltung  der 
Liebe  zum  gemeinsamen  Yaterland  und  dem  Gedächtnifs  unserer 
grofsen  Vorfahren  beizutragen".  Mit  der  ganzen  Energie  seines  ge- 
waltigen Geistes  fafste  er  den  Plan,  eine  umfassende  und  kritisch 
bearbeitete  Sammlung  der  deutschen  Geschichtsquellen  zu  veran- 
stalten, und  er  liefs  nicht  ab,  bis  er  denselben  zur  Ausführung  gebracht 
hatte1).  Im  Februar  1818  brachte  er  ihn  zuerst  zur  Sprache;  es 
gelang  ihm,  mehrere  seiner  westfälischen  Freunde  zu  bedeutenden 
Geldbeiträgen  zu  bewegen;  er  selbst  hat  nach  und  nach  an  10,000  Fl. 
darauf  verwandt.  Mehrere  der  damaligen  Bundestagsgesandten  gingen 
auf  Steins  Vorschläge  ein,  und  am  20.  Januar  1819  trat  zu  Frankfurt 
die  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  zu- 
sammen. Der  badische  Legationsrath  Büchler  wurde  zum  Secretär, 
der  Archivrath  Dümge  zum  Redacteur  bestimmt;  beide  begannen 
sogleich  die  Herausgabe  der  Zeitschrift,  welche  vom  wesentlichsten 
Nutzen  für  das  Unternehmen  gewesen  ist.  Sie  heifst  das  Archiv 
der  Gesellschaft  und  führt  mit  Recht  diesen  Namen,  weil  darin  alle 
Vorarbeiten  für  das  grofse  Unternehmen,  Nachrichten  über  Hand- 
schriften, Untersuchungen  über  die  einzelnen  Quellenschriften  nieder- 
gelegt wurden2). 

Der  ungeheuere  Umfang  des  Unternehmens,  die  Notwendigkeit 
vieler  und  ausgedehnter  Reisen,  zeigten  sich  erst  während  der  Arbeit 
in   zunehmendem  Mafse;  bald  sah  man,  dafs  Privatmittel,   so  bedeu- 

J)  Vgl.  Archiv  I.  VI,  294.  MG.  SS.  I,  Praefatio.  Stein  und  die  Monu- 
menta  Germaniae  Antrittsrede  von  Pertz  6.  Aug.  (rect.  6.  Juli)  1843,  gedr. 
in  d.  Allg.  Preufs.  Zeitung  1843  N.  53  vom  22.  August.  Steins  Leben  von 
Pertz  V,  57.  264ff.  u.  s.  w.  an  vielen  Steilen.  E.Dümmler:  Ueber  die  Ent- 
stehung der  MG.  Im  neuen  Reich  1876,  II,  201  ff.  Alfred  Stern,  Briefe 
des  Freih.  vom  Stein  an  N.  F.  von  Mülinen,  NA.  IX,  257—268. 

2)  Eine  sehr  nützliche  Arbeit  ist  das  Register  über  alle  darin  be- 
sprochene Bibliotheken  von  Dr.  H.  Kohl  im  NA.  II,  629—634. 


Die  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde.  19 

tend  auch  die  Beiträge  der  Gründer  waren,  doch  nicht  weit  genug 
reichten.  Die  Bundesversammlung  war  gleich  anfangs  um  Unter- 
stützung ersucht  worden  und  hatte  in  Ermangelung  eigener  Geld- 
mittel zu  solchem  Zwecke  das  Werk  den  einzelnen  Regierungen 
zur  Förderung  empfohlen,  allein  fast  ohne  Erfolg.  Man  befürchtete 
von  der  einen  Seite  Mifsbrauch  des  Unternehmens  für  revolutionäre 
Zwecke  —  denn  die  Geschichte  könne  ebensogut  zum  Umsturz  der 
Monarchie,  wie  zu  ihrer  Erhaltung  verwerthet  werden  —  von  anderer 
witterte  man  etwas  Serviles  darin,  und  der  alte  Vofs  sah  darin 
eine  grofse  Verschwörung,  die  Geschichte  für  oligarchische  und  katho- 
lische Zwecke  auszubeuten1).  In  Oesterreich  galt  das  Unternehmen 
als  revolutionär,  und  nachdem  eine  anfänglich  beabsichtigte  besondere 
Direction  für  Oesterreich  fallen  gelassen  war,  blieb  für  die  einhei- 
mischen Gelehrten  eine  förmliche  Betheiligung  an  der  Gesellschaft 
unmöglich2).  1828  hatte  man  sogar  Bedenken,  den  fertig  gewordenen 
ersten  Band  der  Bundesversammlung  zu  überreichen3).  Der  König 
von  Baiern  hatte  noch  1829  gar  nichts  dafür  gethan4),  während 
doch  Baden  die  Dienste  des  Archivraths  Dümge  gleich  anfangs 
auf  einige  Jahre  der  Gesellschaft  überliefs,  und  der  König  von 
Preufsen  von  1821  an  einigemal  einen  Beitrag  von  1000  Thalern 
bewilligte5).  Mit  Bitterkeit  gedachte  Stein  daran,  dafs  er  schon  im 
Herbst  1818  eine  vom  russischen  Kaiser  angebotene  Unterstützung 
abgelehnt  hatte6),  und  erst  nach  des  Stifters  Tode  (29.  Juni  1831) 
scheinen  die  verschiedenen  Regierungen  sich  nach  und  nach  zu  den 
Beiträgen  entschlossen  zu  haben,  welche  den  Bestand  der  Sache 
sicherten;  auf  einer  Ministerconferenz  in  Wien  1834  hatte  der  Fürst 
Metternich  sich  dem  Unternehmen  günstig  erwiesen. 

In  den  gelehrten  Kreisen  fand  das  Unternehmen  gleich  anfangs 
lebhafte  Theilnahme,  aber  lange  dauerte  es,  bis  ein  ausführbarer 
Plan  zu  Stande  kam.  Ein  Vorschlag  nach  dem  andern  wurde  im 
Archiv  veröffentlicht;  während  man  sich  zu  orientiren  suchte,  fing 
man  erst  an,  den  Umfang  der  Arbeit  zu  übersehen,  die  Masse  des 
Stoffes,  die  Schwierigkeit  ihn  zu  bearbeiten,  namentlich  wegen  der 
in  so  vielen  Bibliotheken  und  Archiven  zerstreuten  Handschriften 
und  Urkunden,  welche  sich  viel  zahlreicher  erwiesen,  als  man  an- 
fänglich geglaubt  hatte. 

Nach  dem  ursprünglichen  Plan  vertheilte  man  die  einzelnen 
Schriftsteller  an  verschiedene  Gelehrte  zur  Bearbeitung,  aber  es  zeigte 

*)  A.  Stern  im  NA.  IX,  265. 

2)  Steins  Leben  V,  580  ff.  Vgl.  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XXII  (1875)  S.  31. 

3)  VI,  499.    4)  VI,  751.     5)  V,  567.  790.    VI,  954.    6)  VI,  779. 

2* 


20  Einleitung.     §  4. 

sich  bald,  dafs  auf  diese  Weise  weder  Einheit  in  Plan  und  Methode, 
noch  ein  rascher  Fortschritt  in  der  Ausführung  zu  erreichen  war. 
Die  ersten  Bände  des  Archivs  sind  voll  von  Versprechungen  und 
Anerbietungen,  von  denen  aber  die  meisten  ohne  Resultat  blieben. 
Von  entscheidender  Bedeutung  für  die  ganze  Zukunft  des  Unter- 
nehmens war  deshalb  der  Zutritt  des  Mannes,  unter  dessen  Leitung 
es  bald  den  kräftigsten  Aufschwung  nehmen  sollte.  G.  H.  Pertz 
aus  Hannover  hatte  im  Jahre  1818  in  Göttingen  seine  Studien  voll- 
endet und  1819  die  Geschichte  der  Merowingischen  Hausmeier  mit 
einer  Vorrede  und  lebhaften  Empfehlung  seines  Lehrers  Heeren 
vom  4.  September  1818  veröffentlicht.  Eine  Aufforderung  Büchlers 
zur  Theilnahme  an  den  Arbeiten  der  Gesellschaft  erwiederte  er  am 
5.  Juli  1819  mit  freudiger  Zustimmung  und  dem  Erbieten  zur 
Bearbeitung  der  wichtigsten  Quellenschriften  aus  der  karolingischen 
Periode1).  Auf  Büchlers  Mittheilung  nahm  Stein  dieses  Anerbieten 
bereitwillig  an,  und  forderte  am  21.  December  Pertz  nicht  nur  zur 
Uebernahme  der  Schriftsteller  aus  der  karolingischen  Periode,  son- 
dern auch  zu  einer  Reise  nach  Wien  auf,  weil  die  Benutzung  der 
auf  der  Hofbibliothek  befindlichen  Handschriften  zunächst  noth- 
wendig  war2).  Diese  Reise,  welche  den  reichsten  Ertrag  gewährte, 
wurde  nicht  nur  auf  andere  österreichische  Bibliotheken,  sondern 
auch  auf  Italien  ausgedehnt.  Hier  war  der  Freiherr  vom  Stein 
bereits  selbst  gewesen,  hatte  von  den  Schätzen  des  Vatican  vor- 
läufige Kunde  verschafft  und  Mitarbeiter  zu  gewinnen  gesucht,  auf 
deren  Unterstützung  damals  noch  stark  gerechnet  wurde.  Diese 
Theilnahme  der  Italiener  erwies  sich  indessen  später  als  gänzlich 
illusorisch,  und  nicht  viel  mehr  Erfolg  hatten  die  Zusagen,  welche 
Pertz  in  Oesterreich  gemacht  wurden.  Seine  Reise  aber  gewährte 
die  erste  feste  Grundlage  für  das  Unternehmen;  allein  aus  den  päbst- 
lichen  Regesten  gewann  er  1800  ungedruckte  Briefe3).  Seine  Reise- 
berichte zeigten  so  entschieden  eine  meisterhafte  Handhabung  der 
Kritik  in  scharfem  Gegensatze  zu  den  vielen  dilettantischen  Bei- 
trägen anderer,  dafs  ihm  nach  seiner  Rückkehr  die  Redaction  sowohl 
des  Hauptwerks  als  auch  der  Zeitschrift  übertragen  wurde,  da  Büchler 
und  Dümge  beide  von  ihrem  Grofsherzog  abberufen  waren4). 

*)  Steins  Leben  V,  364.  Vgl.  über  Pertz:  W.Arndt,  Im  neuen  Reich 
1876,  II,  651—657.  G.  Waitz  im  N.  Archiv  II,  454—473,  vorzüglich  zur 
Charakteristik  seiner  Thätigkeit  als  Herausgeber.  Necrolog  von  Giesebrecht, 
Münch.  SB.  1877,  S.  65—74.    Wattenbach,  Allg.  D.  Biogr.  XXV,  406—410. 

2)  Steins  Leben  V,  412.  416.  478—483. 

3)  Archiv  V,  352. 

4)  Eine  aufserord entlich  warme  und  lebhafte  Darstellung  von  Pertzens 


Pertz.     Die  Monumenta  Germaniae.  21 

Im  Jahre  1824  wurde  der  definitive  Plan  des  Werkes  veröffent- 
licht, und  1826  erschien  der  erste  Band  desselben.  Aus  5  Abthei- 
lungen soll  die  ganze  Sammlung  bestehen,  nämlich  I.  Schriftsteller, 
II.  Gesetze,  III.  Kaiserurkunden,  IV.  Briefe,  Y.  Antiquitäten.  Für  alle 
sind  bedeutende  Vorarbeiten  gemacht  worden,  und  während  Pertz 
nur  die  beiden  ersten  Abtheilungen  wirklich  begonnen  hatte,  sind 
sie  seit  der  neuen  Organisation  jetzt  alle  in  der  Ausführung  be- 
griffen. 

Eigentlich  hätten  die  ältesten  Annalen  des  Mittelalters  und  die 
Geschichtschreiber  der  Gothen,  Merowinger  und  Langobarden  das 
Werk  eröffnen  sollen;  die  Vorarbeiten  dazu  waren  aber  so  schwierig, 
und  die  Benutzung  so  unentbehrlicher  Handschriften  noch  nachzu- 
holen, dafs  diese  ganze  Abtheilung  einstweilen  übergangen  wurde, 
um  nicht  zu  lange  mit  dem  wirklichen  Beginn  der  Publicationen 
zögern  zu  müssen.  Jetzt  erst,  nach  wiederholten  Reisen  durch 
Frankreich,  Belgien,  England,  Spanien,  Italien,  Rufsland,  sind  die 
Vorbereitungen  der  Vollendung  nahe  gerückt,  und  die  Herausgabe 
dieser  sehnlich  erwarteten  Quellen  ist  ernstlich  in  Angriff  genommen, 
gröfstentheils  schon  erfolgt. 

Den  Anfang  machten  also  aus  diesen  Gründen  die  karolin- 
gischen  Annalen1),  welche  mit  ihren  Anfängen  noch  in  die  mero- 
wingische  Zeit  hinaufreichen  und  mit  den  Fortsetzungen  zum  Theil 
durch  das  ganze  Mittelalter  sich  erstrecken.  Nur  wer  die  Verwir- 
rung, den  verwahrlosten  Zustand  kennt,  in  welchem  sich  früher  diese 
Annalen  befanden,  an  verschiedenen  Orten  und  gröfstentheils  in  sehr 
fehlerhafter  Gestalt  gedruckt,  ohne  Unterscheidung  ihres  echten, 
gleichzeitig  niedergeschriebenen  Gehaltes  und  der  späteren  Zusätze, 
nur  der  kann  sich  eine  richtige  Vorstellung  machen  von  dem  aufser- 
ordentlichen  Gewinn,  welcher  der  Geschichtsforschung  daraus  er- 
wuchs, dafs  nun  alle  jene  Annalen  in  einem  Bande  vereinigt,  kritisch 
gesichtet  und  durch  neue  Entdeckungen  bereichert,  zur  ungehin- 
derten Benutzung  bereitet  vorlagen.  Dafs  eben  hierdurch  auch  die 
Möglichkeit  gegeben  wurde,  über  die  ursprüngliche  Arbeit  hinaus- 
zugehen und  die  Kritik  weiter  zu  führen,  liegt  in  der  Natur  der 
Dinge. 

Verdiensten  um  das  Unternehmen  findet  sich  in  einem  Briefe  Boehmers 
an  Gfroerer  bei  Janssen,  Boehmers  Briefe,  450.  Nach  dem  Necrolog  des 
Raths  Schlosser  ib.  II,  480,  war  dieser  Mitstifter  und  bewirkte  durch  sei- 
nen Einfluss  vorzüglich,  dafs  Pertz  bei  der  Ausführung  an  die  Spitze  kam. 
*)  S.  darüber  Archiv  VI,  251 — 373.  Ausführliche  Recension  der  bei- 
den ersten  Bände,  von  Waitz,  in  den  Jahrbüchern  f.  wiss.  Kritik  1837, 
S.  694—731. 


22  Einleitung.     §  4. 

Nach  einer  neuen  Reise  des  Herausgebers  nach  den  Nieder- 
landen, Paris  und  England  erschien  1829  der  zweite  Band1),  welcher 
die  Chroniken  und  Biographieen  der  karolingischen  Periode  enthält. 
Den  Anfang  aber  bilden  die  Geschichtsquellen  des  Klosters  St.  Gallen, 
bearbeitet  von  Ildefons  von  Arx2),  welche  mit  dem  alten  Leben 
des  Stifters  beginnen  und  bis  zum  Jahre  1233  unzertheilt  beisammen 
gelassen  wurden.  Das  Leben  des  heiligen  Ansgar  bearbeitete  für 
diesen  Band  Dahlmann. 

Einen  neuen  sehr  bedeutenden  Fortschritt  brachten  die  beiden 
Bände  Leges  1835  und  1837.  Auch  hier  wurden  einstweilen  die 
alten  Volksrechte  noch  bei  Seite  gelassen;  erst  1863  erschien  der 
dritte  Band,  welcher  die  Gesetze  der  Alamannen  und  Baiern  von 
Joh.  Merkel,  der  Burgunden  von  Bluhme,  der  Friesen  von  Richt- 
hofe n  bearbeitet  enthält;  1868  im  vierten  Band  das  von  Fr.  Bluhme 
und  Alfred  Boretius  bearbeitete  Recht  der  Langobarden;  von  diesen 
Yolksrechten  aber  erscheinen  jetzt  neue  Bearbeitungen  in  der  Quart- 
Ausgabe.  Die  jüngeren  Rechtsbücher  blieben  der  Thätigkeit  der 
Rechtshistoriker  überlassen,  während  die  Reichstagsacten  seit  König 
Wenzels  Wahl  von  der  historischen  Commission  übernommen  sind. 
Von  jenen  beiden  Bänden  aber  umfafst  der  erste  die  Capitularien 
bis  921,  der  zweite  aufser  neu  aufgefundenen  Supplementen  Reichs- 
gesetze, kaiserliche  Verordnungen,  Rechtsprüche,  Verträge  und  andere 
wichtige  Urkunden  bis  1313;  hier  ist  namentlich  aus  den  Vaticanischen 
Regesten  viel  neues  von  erheblicher  Bedeutung  mitgetheilt.  Ein  An- 
hang enthält  in  völlig  principloser  Mischung  unechte  Capitularien, 
Synodalbeschlüsse  und  einige  päbstliche  Bullen.  Die  verfälschte 
Capitularien -Sammlung  des  Benedict  us  levita  ist  hier  von  dem 
leider  zu  früh  der  Wissenschaft  entrissenen  Dr.  Knust  herausge- 
geben, welcher  auf  der  Heimkehr  aus  Spanien  in  Paris  am  9.  October 
1841  verstarb3).  Seine  Ausgabe  wird  ihren  kritischen  Werth  be- 
haupten, aber  die  in  der  vorausgeschickten  Abhandlung  niederge- 
legten Untersuchungen  sind  von  Paul  Hinschius  in  seiner  Ausgabe 
der  Decretales  Pseudo-Isidorianae  (1863)  zum  Theil  widerlegt  und 
berichtigt.     Diese    beiden   ersten  Bände   der  Leges   sind   längst  ver- 

*)  S.  Archiv  VI,  274 — 294.  Der  Plan  des  Unternehmens  war  in  dieser 
Zeit  noch  nicht  so  ausgedehnt  wie  später,  weshalb  hier  noch  sehr  wichtige 
Stücke,  wie  die  V.  Eigilis,  fehlen.  Diese  sind  jetzt  in  den  Ergänzungs- 
bänden nachgetragen. 

2)  Vgl.  (Gerold  Meyer  von  Knonau)  P.  Ildefons  von  Arx,  St.  Gallen 
1874,  4,  u.  dess.  Art.  in  d.  Allg.  D.  Biogr.  I,  6*5. 

3)  Seine  sehr  reichhaltigen  und  anziehenden  Reisebriefe  sind  im  Archiv 
VIII,  S.  102—252,  gedruckt. 


Die  Monumenta  Germaniae.  23 

griffen  und  eine  neue  Ausgabe  war  um  so  notwendiger,  da  die 
ursprüngliche  Arbeit  in  hohem  Grade  durch  Flüchtigkeitsfehler  ent- 
stellt ist.  Alfred  Boretius,  welcher  in  seiner  Schrift:  Die  Capi- 
tularien  im  Langobardenreich  (Halle  1864)  diese  Mängel  nachge- 
wiesen hatte,  hat  auch  die  neue  Ausgabe  der  Capitularien  besorgt; 
nach  seiner  schweren  Erkrankung  trat  für  ihn  Dr.  Krause  ein.  Mit 
der  Bearbeitung  der  Reichsgesetze  ist  L.  Weiland  beschäftigt.  Als 
eine  überaus  werthvolle  Ergänzung  ist  die  Ausgabe  der  Formeln  von 
K.  Zeumer  hinzugetreten. 

In  besserer  Weise  wurde  mit  Benutzung  tüchtiger  jüngerer 
Kräfte  die  Reihe  der  Scriptores  fortgeführt;  in  rascher  Folge  er- 
schienen 1839  und  1841  der  dritte  und  vierte  Band,  welche  die 
Periode  der  sächsischen  Kaiser  enthalten.  Bei  diesen  trat 
G.  Waitz  als  Mitarbeiter  ein,  während  Lappenberg,  der  die  Ge- 
schichtsquellen der  niederelbischen  Lande  übernommen  hatte,  hier 
als  Erstling  den  Thietmar  von  Merseburg  bearbeitete,  dem  später 
Adam  von  Bremen  u.  a.  folgten.  Für  die  Zeit  der  Karolinger  hatten 
zwei  Bände  genügt  und  ebenso  noch  für  die  Zeit  der  Ottonen  zwei 
von  etwas  stärkerem  Umfange;  die  Salier  dagegen,  mit  Lothar,  er- 
forderten acht  Bände,  die  von  1844  bis  1856  erschienen;  so  sehr 
wächst  um  diese  Zeit  die  Masse  des  Stoffes.  Neben  Waitz  finden 
wir  hier  auch  C.  L.  Bethmann  thätig,  der  schon  längere  Zeit  an 
den  Vorarbeiten  Theil  genommen  und  namentlich  in  den  Bibliotheken 
Frankreichs  und  Belgiens  gearbeitet  hatte;  es  gelang  ihm  u.  a.  die 
Urschrift  der  Chronik  des  Sigebert  zu  entdecken,  welche  mit  allen 
ihren  Fortsetzungen  im  6.  Bande  erschien.  Eine  längere  Reihe  jüngerer 
Mitarbeiter  hat  sich  den  schon  genannten  angeschlossen,  in  den 
letzten  Jahren  häufiger  wechselnd;  von  der  ersten  Generation  ist 
nur  G.  Waitz  fortwährend  noch  als  Herausgeber  einzelner  Werke 
betheiligt  geblieben.  So  erspriefslich  nun  auch  für  die  rasche  Aus- 
führung des  Unternehmens  sich  die  thatsächlich  durchaus  monar- 
chische Leitung  anfänglich  erwiesen  hatte,  so  zeigte  sich  im  Ver- 
laufe desselben  immer  deutlicher,  dafs  seine  grofse  Ausdehnung  die 
Kräfte  eines  Mannes  überstieg1),  wie  denn  auch  die  ursprünglichen 
Statuten  eine  ganz  andere  Form  vorgeschrieben  hatten.  Nachdem 
schon  am  Bundestage  nach  dem  Referate  Roberts  von  Mohl  eine 
Aenderung  der  Leitung  in  Angriff  genommen  war,  nahm  nach  den 
Kriegsjahren  der  neue  Bundesrath  sich  der  Sache  an,  und  im  Januar 
1875  ist  unter  der  Vermittelung  der  Berliner  Akademie  der  Wissen- 

*)    Vgl.  darüber    die    Anzeige    von    SS.  XXIII.  und  Arch.  XII.    von 
L.  Weiland,  GGA.  1877,  S.  769-796. 


24  Einleitung.     §  4. 

Schäften  eine  neue  Organisation  ins  Leben  gerufen.  Die  Leitung 
des  ganzen  Unternehmens  hat  jetzt  eine  Centraldirection,  deren  Vor- 
sitzender bis  an  seinen  Tod  G.  Waitz  war,  jetzt  E.  Du  mm  ler;  die 
einzelnen  Abtheilungen  sind  besonderen  Leitern  selbständig  über- 
geben. Waitz  selbst  übernahm  die  Scriptores  und  provisorisch  die 
Leges,  Th.  Mommsen  die  'Auetores  antiquissimi'  der  Uebergangs- 
zeit  als  eigene  Abtheilung,  Sickel  die  Diplomata,  Wattenbach  die 
Briefe,  Dumm  ler  die  Antiquitates.  Als  beschlossen  war,  auch  die 
Concilien  der  Merowingerzeit  aufzunehmen,  übernahm  Maafsen  die 
Vorbereitung  der  Ausgabe.  Für  solche  Serien,  welche  neu  begonnen 
werden,  ist  ein  bequemeres  Quartformat  eingeführt.  Als  Fortsetzung 
des  Archivs  der  Gesellschaft  erscheint  das  Neue  Archiv,  von 
welchem  jährlich  ein  Band  ausgegeben  wird;  dasselbe  beginnt  mit 
einem  Bericht  über  die  Neugestaltung  der  Direction  und  bringt 
regelmäfsig  Berichte  über  die  jährlichen  Versammlungen  der  Central- 
direction und  den  Stand  der  Arbeiten. 

Von  dem  Deutschen  Reich  und  Oesterreich  sind  bedeutende 
Geldmittel  bewilligt,  welche  eine  gesteigerte  Betreibung  der  Arbeiten 
durch  zahlreiche  Gelehrte  ermöglichen. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  Art  der  Ausführung,  so 
treten  uns  besonders  zwei  Hauptpriocipien  entgegen,  welche  im  Ver- 
gleich mit  den  älteren  Sammlungen  einen  bedeutenden  Fortschritt 
bezeugen:  die  genaue  Wortkritik  und  die  strenge  Sichtung  des 
Inhalts  mit  Bezug  auf  die  Herkunft  und  Glaubwürdigkeit  der  Nach- 
richten. 

Zum  ersten  Male  sind  hier  die  mittelalterlichen  Schriftsteller  mit 
einer  Genauigkeit  behandelt,  wie  sie  früher  nur  classischen  Autoren 
zugewandt  wurde.  Von  Anfang  an  wurde  der  Grundsatz  aufgestellt 
und  in  der  Regel  auch  befolgt,  für  jeden  Schriftsteller  alle  erreich- 
baren handschriftlichen  Hülfsmittel  zusammenzubringen,  ohne  Rück- 
sicht auf  frühere  Drucke  nur  die  beste  Handschrift  zu  Grunde  zu 
legen,  und  durch  Vergleichung  der  übrigen  die  möglichste  Reinheit 
und  Sicherheit  des  Textes  zu  erstreben. 

Wenn  auch  durch  frühere  Sorglosigkeit,  durch  die  Verwüstungen 
der  Bauernkriege  und  die  stürmischen  Zeiten  am  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  viel  zu  Grunde  gegangen  ist,  so  hat  sich  doch,  wie 
die  unternommenen  Reisen  nach  und  nach  ergaben,  mehr  erhalten, 
als  man  irgend  erwartet  hatte.  Und  wenn  auch  jetzt  manche  Hand- 
schrift vermisst  wird,  welche  den  Maurinern  noch  vorlag,  so  bietet 
dagegen  unsere  Zeit  den  Vortheil,  dafs  fast  alle  Bibliotheken  und 
Archive  der  wissenschaftlichen  Forschung  zugänglich  sind,   während 


Die  Monumenta  Germaniae.  25 

jene  noch  häufig  über  die  eifersüchtige  Verweigerung  des  Eintritts 
Klage  führten.  Hat  doch  selbst  Mabillon  in  Salzburg,  so  festlich  er 
auch  dort  empfangen  wurde,  keine  Handschrift  zu  sehen  bekommen1). 

Yon  nicht  geringerer  Wichtigkeit  als  die  Correctheit  der  Texte 
ist  aber  zweitens  die  genaue  kritische  Analyse  der  Quellen.  Nicht 
nur  sind  dadurch  mehrere  früher  allgemein  benutzte  Schriften  als 
untergeschoben  gänzlich  ausgeschieden  worden,  sondern  auch  die 
echten  Chronisten  werden  erst  dadurch  dem  Geschichtsforscher 
recht  brauchbar,  dafs  ihm  auf  den  ersten  Blick  entgegentritt,  was 
jedem  eigenthümlich,  was  von  anderen  entlehnt  ist,  und  woher  er 
es  entnommen  hat.  Zuerst  in  der  Ausgabe  des  Regino,  und  seit 
dem  vierten  Bande  der  Scriptores  in  consequenter  Durchführung, 
wird  alles  von  anderen  unmittelbar  entlehnte  auch  durch  Petitdruck 
kenntlich  gemacht,  was  die  Benutzung  ungemein  erleichtert.  Das 
wird  jeder  zu  würdigen  wissen,  welcher  irgend  Gelegenheit  gehabt 
hat,  andere  Sammlungen  und  Ausgaben  zu  benutzen,  wo  der  ge- 
wissenhafte Forscher  diese  Arbeit  stets  von  neuem  vornehmen  mufs, 
während  freilich  viele  es  sich  leichter  machen  und  ohne  Unterschei- 
dung gleichzeitige,  spätere  und  abgeleitete  Nachrichten  benutzen. 

Die  Reihenfolge  der  Quellen  ist  chronologisch,  und  zwar 
in  zweifacher  Weise,  zuerst  nach  den  angegebenen  gröfseren  Perioden 
und  dann  wieder  innerhalb  der  kleineren  Abtheilungen.  In  einer 
solchen  Periode  werden  nämlich  zuerst  die  Annalen  gegeben,  streng 
nach  Jahren  geordnete,  oft  gleichzeitige,  in  der  Regel  kurze  Auf- 
zeichnungen2). Darauf  folgen  die  Chroniken  und  Geschichten,  welche 
zum  Theil  noch  die  annalistische  Form  beibehalten ,  doch  nur  als 
äufsere  Gestalt,  denn  sie  sind  meistens  nicht  gleichzeitig  und  unter- 
brochen, sondern  zusammenhängend,  im  Rückblick  auf  einen  gröfse- 
ren Zeitraum  aufgezeichnet,  und  versuchen,  über  die  blofse  Auf- 
zeichnung der  Thatsachen  hinausgehend,  deren  pragmatische  Ver- 
bindung und  innere  Entwicklung  nachzuweisen.  Den  allgemeineren 
Werken  dieser  Art  schliefsen  sich  die  Localchroniken  an,  deren  wir 
aus  der  älteren  Zeit  manche  von  Klöstern  und  Bisthümern  besitzen, 
während  später  die  Chroniken  der  Länder  und  Städte  beginnen, 
und  allmählich  ganz  das  Uebergewicht  gewinnen.  Den  Schlufs  bil- 
den die  Biographieen  und  kleineren  Erzählungen  verschiedener  Art, 
welche  nebst  den  Localchroniken  in  das  lebendige  Treiben  der  Zeit 

*)  Vgl.  darüber  B.  Pez,  Thes.  I.  Diss.  Isagog.  p.  V. 

2)  In  den  letzten  Bänden  ist  unter  der  Leitung  von  Pertz  der  Begriff 
der  Annalen  immer  weiter  und,  wie  mir  scheint,  übermäfsig  ausgedehnt, 
z.  B.  auf  Albert  von  Stade,  Vincenz  von  Prag. 


26  Einleitung.     §  4. 

einführen,   und   denen   wir    gröfstentheils    das   Fleisch  und   Blut   zu 
dem  chronologischen  Gerüste  der  Annalen  verdanken. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  diese  Gattungen  durch  keine 
scharfe  Grenzen  gesondert  sind,  und  manches  Stück  so  sehr  in  der 
Mitte  steht,  dafs  es  nur  nach  zufälligen  Umständen  hier  oder  dort 
seine  Stelle  findet. 

Innerhalb  dieser  Kategorieen  ist  die  Anordnung  wiederum  chro- 
nologisch, nach  dem  Endjahr,  doch  wird  dieser  Grundsatz  nicht 
pedantisch  durchgeführt,  sondern  durch  mancherlei  Rücksichten  be- 
einträchtigt. Nicht  nur  wird  nachträglich  mitgetheilt,  was  während 
der  Arbeit  neu  entdeckt  wird,  sondern  es  bleibt  auch  oft  das  gleich- 
artige zusammen.  Namentlich  wird  die  Fortsetzung  nicht  vom 
Hauptwerk  getrennt,  wenn  sie  nicht  ganz  selbständiger  Art  ist.  So 
sind  die  Casus  S.  Galli  bis  1233  beisammen  geblieben,  und  Sigebert 
mit  seinen  Fortsetzern,  so  auch  Cosmas  und  die  österreichischen 
wie  die  schwäbischen  Annalen. 

Dom  Bouquet  und  seine  ersten  Fortsetzer  haben  das  entgegen- 
gesetzte Princip  verfolgt.  Sie  gaben  zu  jeder  Periode  alles  darauf 
bezügliche  aus  allen  Schriftstellern,  wodurch  scheinbar  ein  grofser 
Vortheil  für  den  Geschichtschreiber  erreicht  wird,  da  er  seinen 
ganzen  Stoff  übersichtlich  vor  Augen  hat.  Dagegen  aber  wird  es 
ihm  aufserordentlich  schwer,  ein  kritisches  Urtheil  über  die  Quellen 
zu  gewinnen,  weil  er  sie  nirgends  vollständig  beisammen  hat;  und 
doch  kommt  bei  der  geschichtlichen  Forschung  gerade  darauf  so 
viel  an:  es  ist  wenig  damit  gewonnen,  die  Worte  einer  historischen 
Nachricht  zu  haben,  wenn  man  nicht  weifs,  wie  viel  Glauben  der 
Schriftsteller  verdient,  und  wie  die  ganze  Art  und  Weise  seiner  Auf- 
fassung und  Darstellung  beschaffen  ist. 

Während  nun  bei  Bouquet  z.  B.  der  Sigebert  in  viele  Bände 
vertheilt  ist,  bleibt  in  den  Mon.  Germ,  jeder  Schriftsteller  so  viel 
wie  möglich  in  seiner  Integrität;  man  hat  auch  nicht,  wie  Stenzel 
früher  vorschlug,  dasjenige  weggelassen,  was  der  Verfasser  nur  aus 
anderen  bekannten  Quellen  entlehnt  hat ;  sondern  man  hat  es  we- 
nigstens bei  den  bedeutenderen  Schriftstellern  vorgezogen,  diese  Theile 
nur  durch  kleineren  Druck  kenntlich  zu  machen,  weil  es  für  uns 
auch  von  Wichtigkeit  ist  zu  wissen,  wie  die  Schriftsteller  der  Zeit 
die  Vergangenheit  behandelten,  aus  welchen  abgeleiteten  Quellen  die 
Folgezeit  ihre  Kenntnifs  schöpfte,  und  wie  auf  diese  Weise  die 
Kunde  der  Geschichte  allmählich  verengt  und  entstellt  wurde.  So 
liat  z.  B.  die  Chronik  des  Martin  von  Troppau  fast  gar  keinen  eige- 
nen Werth,  aber  sein  Compendium  der  Pabst-  und  Kaisergeschichte 


Die  Monumenta  Germaniae.  27 

ist  nichtsdestoweniger  sehr  wichtig,  weil  es  Jahrhunderte  lang  die 
Hauptquelle  der  Geschichtskenntnifs  blieb. 

In  manchen  Fällen  jedoch  war  es  nicht  rathsain  oder  thunlich, 
die  ganzen  "Werke  aufzunehmen,  und  dann  hat  man  sich  auf  Aus- 
züge beschränkt;  wenn  nämlich  die  Hauptmasse  der  deutschen  Ge- 
schichte fern  liegt,  fremde  Länder  oder  zu  entlegene  Zeiten  betrifft, 
wenn  zwischen  theologischen  und  anderen  Betrachtungen  sich  nur 
vereinzelt  geschichtliche  Nachrichten  finden ,  oder  wenn  eine  wüste 
Compilation  vorlag,  welche  keinen  Anspruch  darauf  machen  kann, 
als  litterarisches  Erzeugnifs  behandelt  zu  werden.  Deutsche  Haupt- 
schriftsteller dagegen,  welche  durch  ihre  ganze  Persönlichkeit  be- 
deutend sind,  haben  ein  wohlbegründetes  Recht  darauf,  in  ihrer 
ganzen  Individualität  aufgefafst  zu  werden,  und  Männern  wie  Otto 
von  Freising  darf  man  ihre  Werke  nicht  verstümmeln1). 

Von  auswärtigen  Geschichtsquellen  sind  von  Anfang  an  nicht 
selten  Auszüge  mitgetheilt;  in  der  Periode  der  Staufer  haben  diese 
einen  sehr  grofsen  Umfang  gewonnen.  Es  bedarf  zu  ihrer  Bear- 
beitung einer  sehr  grofsen  Arbeit  voll  Selbstverleugnung,  da  ge- 
wöhnlich zur  Gewinnung  der  Auszüge  das  ganze  Werk  kritisch  unter- 
sucht werden  mufste.  Für  die  Benutzung  aber  ist  bei  der  oft 
schwierigen  Zugänglichkeit  der  Ausgaben  diese  Zusammenstellung 
eine  grofse  Wohlthat,  und  ein  gegen  dieses  ganze  Verfahren  gerich- 
teter Angriff  hat  deshalb  von  vielen  Seiten  eine  scharfe  Zurück- 
weisung hervorgerufen;  es  genügt  hier,  auf  die  Schrift  von  0.  Holder- 
Egger  zu  verweisen:  „Die  Monumenta  Germaniae  und  ihr  neuester 
Kritiker"   (Hann.  1888). 

Von  manchen  der  bedeutenderen  Quellen  sind  nun  neben  der 
grofsen  Sammlung  auch  Octavausgab  en  veranstaltet,  ursprünglich 
ohne  den  kritischen  Apparat,  jetzt  aber  mit  demselben.  Auch 
Werden  in  dieser  Form  neue  Ausgaben  veranstaltet  und  einzelne 
ferner  liegende  Quellen  vorläufig  mitgetheilt. 

Ueber  diesen  ganzen  reichhaltigen,  aber  wegen  verschiedener 
Umstände  nicht  systematisch  geordneten  und  schwer  zu  übersehen- 
den Inhalt  gewährt  jetzt  ein  ungemein  danken swerthes  Repertorium 
die  vortrefflichste  Uebersicht,  gemeinschaftlich  verfasst  von  0.  Holder- 
Egger  und  K.  Zeumer2). 

*)  Sehr  verständig  äufsert  sich  darüber  am  21.  Jan.  1821  Herr  von 
Buchholz  in  Wien,  der  mit  lebhafter  Theilnahme  dem  Unternehmen  zuge- 
wandt war,  Archiv  III,  327,  und  schon  früher  E.  M.  Arndt  in  Steins  Leben 
VI,  2,  129;  vgl.  V,  273.  366.     Ebenso  auch  Niebuhr,  Arch.  V,  729. 

2)  Indices  eorum  quae  in  Monumentorum  Germaniae  historicorum 
tomis  huiusque  editis  continentur.     Han»Dv.  et  Berol.  1890.  4. 


28  Einleitung.     §  4.    5. 

Sehr  zu  rathen  ist,  die  wichtigeren,  jetzt  so  leicht  zugänglich 
gemachten  Quellenschriften  auch  wirklich  zu  lesen,  weil  das  blofse 
Nachschlagen  und  Benutzen  einzelner  Stellen  zu  so  vielen  Irr- 
thümern  und  Mifsverständnissen  Anlafs  giebt,  und  nur  das  Lesen 
im  Zusammenhang  die  richtige  Anschauung  gewährt;  nur  dadurch 
gewinnt  man  ein  lebendiges  Bild  von  den  einzelnen  Schriftstellern, 
wie  von  der  ganzen  Zeit  und  der  damals  herrschenden  Art  der  An- 
schauung und  Auffassung. 

Noch  besser  wird  vielleicht  in  manchen  Fällen  dieser  Zweck  er- 
reicht durch  die  schon  von  Stein  gewünschten1)  Ueb  ersetzungen 
aus  denen  uns  der  Inhalt  der  Schriften  weit  reiner  entgegentritt, 
indem  der  Leser  hier  nicht  durch  die  einzelnen  Schwierigkeiten  be- 
schäftigt wird,  die  sonst  leicht  seine  Aufmerksamkeit  zerstreuen. 
Auch  wird  man  durch  die  Uebersetzungen  nicht  selten  auf  Stellen 
aufmerksam  gemacht,  die  man  früher  übersah,  und  wenn  die  Ueber- 
setzung  gelungen  ist,  bietet  sie  kein  unbedeutendes  Hülfsmittel  dar 
zum  richtigen  Verständnifs  des  Textes,  welches  häufig  gar  nicht  so 
leicht  ist,  wie  der  erste  Anschein  glauben  läfst.  Denn  das  mittel- 
alterliche Latein  hat  viel  eigenthümliches,  und  nicht  nur  in  diese 
Sprache  überhaupt,  auch  in  den  Sprachgebrauch  der  einzelnen 
Schriftsteller  mufs  man  sich  erst  mit  Sorgfalt  hineinlesen,  um  ihn 
ganz  zu  verstehen. 

Die  Wichtigkeit  dieser  seit  1849  unter  dem  Titel  der  Geschicht- 
schreiber  der  d  eutschen  Vorzeit  erscheinenden  Sammlung  von 
Uebersetzungen  ist  deshalb  unverkennbar,  aber  die  Ausführung  Hess 
viel  zu  wünschen  übrig.  Die  Ungleichartigkeit  der  einzelnen  Arbeiten 
liefs  den  Mangel  einer  eigentlichen  Leitung  sehr  empfinden,  und 
manche  Uebersetzung  war  voll  von  Fehlern.  Von  den  auf  dem 
Titel  genannten  berühmten  Namen  hat  nur  Pertz  sich  der  Sache 
wirklich  angenommen,  doch  begreiflicher  Weise  nur  als  Nebensache. 
Jahrelang  hat  dann  dieses  Unternehmen  gänzlich  geruht,  ist  jedoch 
seit  einigen  Jahren  wieder  in  Angriff  genommen.  Die  Nützlichkeit 
desselben  bewährt  sich  auch  dadurch,  dafs  von  vielen  einzelnen 
Bänden  neue  Auflagen  nöthig  geworden  sind,  und  gegenwärtig  er- 
scheint, von  Wattenbach  geleitet,  eine  chronologisch  fortschreitende 
neubearbeitete  Auflage  der  ganzen  Sammlung. 


a)  In  einem  Brief  an  Büchler  vom  23.  Juli  1827.  Steins  Leben  VI, 
1,  415.  Böhmer  legte  der  Centraldirection  den  Plan  zu  ceiner  solchen 
Sammlung  vor,  s.  Janssen,  Böhmers  Leben  S.  129. 


Uebersetzungen.     Locale  Sammlungen.  29 


§  5.     Andere  Arbeiten  des  neunzehnten  Jahrhunderts. 

In  weiten  Kreisen  hat  das  Unternehmen  der  Monumenta  Ger- 
maniae  anregend  gewirkt,  es  hat  als  Vorbild  gedient  in  Turin  und 
in  England;  aber  andererseits  wurde  es  auch  befördert  durch  man- 
cherlei Bestrebungen  verwandter  Art,  und  durch  die  lebhafte  Auf- 
merksamkeit, welche  überhaupt  für  das  Mittelalter  einmal  erweckt 
war  und  bald  zu  den  gediegensten  Untersuchungen  führte.  Raum  er, 
Ranke,  Stenzel  wirkten  in  anregendster  Weise  sowohl  mündlich 
wie  schriftlich.  Schon  1813  erschien  von  Fr.  v.  Raumer  das  Hand- 
buch merkwürdiger  Stellen  aus  den  lateinischen  Geschichtschreibern 
des  Mittelalters,  und  die  Geschichte  der  Hohenstaufen  (1824)  gab 
das  Beispiel  einer  lebendigen  Benutzung  der  Quellen,  einer  auf 
Leben,  Verfassung,  Sitte  eingehenden  Darstellung,  welche  nicht  für 
den  Gelehrten  allein  geschrieben  ist.  Ranke  stellte  in  seiner  Schrift 
Zur  Kritik  neuerer  Geschichtschreiber,  welche  1824  als  Beilage  zu 
seinen  Romanischen  und  Germanischen  Geschichten  erschien,  das 
trefflichste  Muster  der  Quellenkritik  auf1),  während  seine  praktischen 
Uebungen,  aus  denen  die  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs  unter 
den  sächsischen  Kaisern  hervorgegangen  sind,  die  Mehrzahl  der 
älteren  Mitarbeiter  an  den  Monumenten  ausgebildet  haben. 

Stenzel  gab  in  seiner  Geschichte  der  fränkischen  Kaiser  1828 
eine  rein  nach  Originalquellen  gearbeitete  Darstellung,  welche  um 
so  bewundernswerther  erscheint,  wenn  man  den  damaligen  Zustand 
der  Quellen  und  den  Mangel  an  guten  Hülfsmitteln  und  Vorarbeiten 
bedenkt.  Vorzüglich  aber  enthält  der  zweite  Band  treffliche  Unter- 
suchungen über  einzelne  Geschichtsquellen  dieser  Zeit,  und  eine 
ausgezeichnete  Abhandlung  über  die  bei  ihrer  Behandlung  festzu- 
haltenden Grundsätze. 

Seitdem  haben  sich  diese  Bestrebungen  in  immer  weiteren 
Kreisen  verbreitet;  aller  Orten  sind  historische  Vereine  thätig  für 
die  Bearbeitung  der  vorherrschend  localen  Quellen.  Eine  Zeit  lang 
war  man  vielfach  geneigt,  alles  von  den  Herausgebern  der  Monumenta 
zu  erwarten,  allein  bald  erkannte  man  doch,  dafs  diese  die  späteren 
Zeiten  noch  lange  nicht  erreichen  werden,  und  dafs  auch,  je  mehr 
mit  der  Zeit  der  Stoff  anwächst  und  sich  zersplittert,  desto  weniger 
alles  ohne  Ausnahme  Aufnahme  finden  kann.     Sehr  zweckmäfsig  ist 

l)  Neue  Ausgabe  1874:  Ges.  Werke  XXXIV.     Vgl.  G.  Waitz  in  den 
Nachrichten  von  der  G.  A.  Universität  1855,  N.  14. 


30  Einleitung.     §  5. 

es  daher,  dafs  man  angefangen  hat,  die  Quellen  einzelner  Gegenden 
selbständig  herauszugeben,  wobei  dann  auch  das  spätere  Mittelalter 
und  das  sechzehnte  Jahrhundert  mehr  Berücksichtigung  gefunden 
haben.  So  erschienen  von  Mone  die  badischen  Geschichtsquellen, 
von  Grautoff  die  lübischen,  von  Lappenberg  die  bremischen, 
hamburgischen,  holsteinischen,  von  Stenzel  die  schlesischen,  von 
der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Görlitz  die  Lausitzer1),  von 
Ficker,  Cornelius,  Janssen,  Diekamp  die  münsterischen,  von 
Endlicher  die  ungrischen,  und  vielfach  sind  einzelne  Quellenschrif- 
ten abgesondert  herausgegeben.  In  Böhmen,  wo  schon  früher  eine 
rege  Thätigkeit  auf  diesem  Felde  entfaltet  war,  legte  Palacky 
durch  seine  Würdigung  der  böhmischen  Geschichtschreiber  den 
Grund  zu  einer  erneuten  kritischen  Bearbeitung,  und  1853  erschien 
von  M.  Toppen  die  Geschichte  der  preufsischen  Historiographie, 
als  Vorläufer  und  Keim  der  ausgezeichneten  Sammlung  der  Scrip- 
tores  Rerum  Prussicarum,  welche  jetzt  in  fünf  Bänden  vollendet  vor- 
liegt. Die  Städtechroniken,  ein  ebenso  wichtiges  wie  schwieriges 
Gebiet,  hat  die  Münchener  historische  Commission  unter  ihre  Auf- 
gaben aufgenommen  und  unter  Karl  Hegels  Leitung  sind  bereits 
zwanzig  Bände  erschienen. 

Ueber  das  viele  Material,  welches  in  periodischen  Schriften,  be- 
sonders in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  niedergelegt  ist, 
orientirt  das  Repertorium  von  Walther  1845  und  das  neuere  und 
zugleich  umfassendere  von  Koner  (1856).  Eine  weitere  Fortsetzung 
fehlt  leider. 

Doch  noch  eines  Mannes  haben  wir  zu  gedenken,  der  allein 
mehr  gewirkt  hat,  als  die  meisten  Vereine,  und  von  dem  sich  der 
anregendste  lebendigste  Einflufs  nach  allen  Seiten  verbreitete.  J.  F. 
Böhmer,  Bibliothekar  in  Frankfurt  a.  M.  und  mit  Pertz  Director 
der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde2),  hatte  anfangs 
die  Redaction  der  Abtheilung  der  Kaiserurkunden  übernommen,  diese 
aber  später  wieder  aufgegeben,    und    sich   auf    die   ursprünglich   als 


*)  Da  gegenwärtig  die  Schreibart  solcher  Formen  mit  kleinem  An- 
fangsbuchstaben durchaus  herrschend  ist,  so  scheint  es  nicht  überflüssig, 
auf  J.Grimms  Kl.  Schriften  V,  380  zu  verweisen:  „Ein  grobes  versehn, 
dessen  sich  heutzutage  fast  alle  .  .  .  schuldig  machen,  ist  es  in  den 
redensarten  Pariser  vertrag,  Berliner  belagerungszustand  und  zahllosen 
andern  den  vorausgesetzten,  freilich  ungefühlten  gen.  pl.  für  ein  adjectiv 
zu  halten  ....  Wenn  doch  einmal  grosze  Buchstaben  gelten  sollen,  dürfen 
am  allerwenigsten  sie  solchen  appellativen  fehlen." 

2)  Ueber  seinen  Antheil  s.  Janssen,  Böhmers  Leben  I,  122  ff.  Allg.  D. 
Biogr.  III,  76—78,  von  Wattenbach. 


Johann  Friedrich  Böhmer.     Jaffe.  31 

Vorarbeit  dafür  begonnenen  Regesten  beschränkt.  Diese  haben  in 
den  neueren  Bearbeitungen  immer  weitere  Ausdehnung  erhalten; 
die  kurzen  Urkundenauszüge  sind  vollständiger  geworden  und  durch 
Auszüge  aus  den  Geschichtschreibern  und  Annalen  in  Verbindung 
gebracht;  das  ganze  historische  Material  einer  Periode  wird  dem 
Geschichtsforscher  geordnet  vor  Augen  gelegt  und  in  den  Einleitun- 
gen die  Quellen  besprochen  und  gewürdigt.  Der  zuerst  erschienene 
Theil,  von  919  bis  1197,  bedurfte  begreiflicher  Weise  auch  zuerst 
der  Berichtigung  und  Ergänzung.  Diese  Aufgabe  stellte  sich  K.  F. 
Stumpf  in  seinem  Werke:  „Die  Reichskanzler  vornehmlich  des  X. 
XI.  u.  XII.  Jahrhunderts",  dessen  Abschluss  J.  Ficker  nach  dem 
frühen  Tode  des  Verfassers  in  der  Weise  besorgte,  dafs  durch  Auf- 
nahme von  Böhmers  Citaten  das  Buch  selbständig  geworden  ist 
und  man  der  alten  Regesten  nicht  mehr  bedarf.  Aufserdem  aber 
ist  eine  Neubearbeitung  des  ganzen  Regestenwerkes  in  erweiterter 
Form  in  Angriff  genommen,  wovon  die  Regesten  der  Karolinger  von 
Engelbert  Mühlbacher,  und  die  der  Staufer  von  1198  bis  1272, 
von  Ficker,  ihrer  Vollendung  entgegen  gehen. 

Neben  dieser,  für  die  historischen  Studien  unendlich  frucht- 
reichen Arbeit  wurde  Böhmer  durch  die  Verwahrlosung  der  spä- 
teren Chroniken  und  den  Besitz  an  reichem,  aus  Handschriften  ge- 
wonnenem Stoff  veranlafst,  in  den  drei  Bänden  seiner  Fontes  Berum 
Germanicarum  auch  eine  eigene  Quellensammlung  erscheinen  zu 
lassen,  welche  für  das  zwölfte  bis  vierzehnte  Jahrhundert  vom  aus- 
gezeichnetsten Werthe  ist.  Mit  mannigfachen  Entwürfen  beschäftigt, 
die  nicht  mehr  zur  Ausführung  kamen,  ist  Böhmer  am  22.  October 
1863  in  Frankfurt  gestorben;  in  seinem  letzten  Willen  hat  er  für 
die  geeignete  Verwerthung  seines  handschriftlichen  Nachlasses  und 
die  Fortführung  seiner  Arbeiten  Fürsorge  getroffen.  Auch  ist  bereits 
durch  Alfons  Hub  er  der  vierte  Band  der  Fontes  herausgegeben, 
während  eine  grofse  Fülle  von  werth vollem,  urkundlichem  Material 
durch  Julius  Ficker  in  den  Acta  Imperü  Selecta  verwerthet  ist. 
Aufser  der  schon  erwähnten  Neubearbeitung  der  Kaiser-Regesten 
aber  sind  von  A.  Hub  er  die  Regesten  Karls  IV,  von  C.  Will  die 
Regesten  der  Mainzer  Erzbischöfe  als  Theile  dieses  grofsen  Corpus 
erschienen. 

Eine    umfassendere    Quellensammlung    von    strengerem    wissen- 
schaftlichen  Charakter  und   mehr   methodischer   Art  verdanken   wir 
Philipp  Jaffe,  lange  Zeit  dem  vorzüglichsten  Mitarbeiter  der  Mo 
numenta.  ,  Von  diesen  zurücktretend,  begann  Jaffe  ein  selbständiges 
Unternehmen  unter  dem  Titel  Bibliotheca  Berum  Germanicarum.     Hin- 


32  Einleitung.     §  5. 

weisend  auf  den  langsamen  Fortgang  der  Monumenta  Germaniae, 
auf  die  nach  40  Jahren  noch  gänzlich  fehlenden  drei  Abtheilungen 
der  Urkunden,  Briefe  und  Alterthümer,  gab  der  Herausgeber  als 
seinen  Zweck  an,  Quellen  verschiedener  Art,  vorzüglich  solche, 
welche  in  den  Monumenten  fehlen,  zu  einzelnen  auch  in  sich  abge- 
rundeten Gruppen  zu  vereinigen,  so  dafs  ein  Ort,  eine  bedeutende 
Persönlichkeit  oder  ein  wichtiger  Zeitraum  den  Mittelpunkt  bilde. 
So  sind  zuerst  1864  Monumenta  Corbeiensia  erschienen,  welche  mit 
einer  berichtigten  Ausgabe  der  Annalen  und  anderer  kleinerer  Stücke 
die  lange  begehrten  Briefe  Wibalds  verbinden,  und  schon  1865  folg- 
ten Monumenta  Gregoriana,  die  erste  kritische  Ausgabe  der  Briefe 
Gregors  YII  nebst  Bonitho's  v.  Sutri  über  ad  amicum.  Trefflichkeit 
der  Arbeit  mit  sauberer  Ausstattung  und  handlichem  Format  ver- 
bindend, hat  dieses  neue  Unternehmen  überall  freudige  Aufnahme 
gefunden.  Iq  rascher  Folge  erschienen  noch  drei  Bände,  welche  als 
Hauptstücke  die  Bonifazische  Briefsammlung,  den  Codex  Carolinus 
nebst  Einhards  Briefen  und  den  Codex  Udalrici  brachten ,  bis  ein 
plötzlicher  Tod  am  3.  April  1870  der  rastlosen  Arbeit  des  Heraus- 
gebers ein  Ziel  setzte.  Wie  gewaltig  diese  Arbeit  gewesen  war, 
das  wissen  am  besten  diejenigen  zu  schätzen,  welche  den  begonne- 
nen sechsten  Band  vollendet  haben,  dessen  Hauptinhalt  die  Briefe 
Alcuins  bilden. 

Nicht  unerwähnt  darf  hier  auch  Jaffe's  älteres  Werk  bleiben,  die 
Begesta  Pontificum  Romanorum  bis  zum  Jahr  1198.  Im  Jahr  1851 
erschienen,  ist  es  seitdem  als  unentbehrliches  Hülfsmittel  überall 
verbreitet  und  in  seinem  hohen  Werthe  anerkannt.  Was  bis  dahin 
wohl  lebhaft  gewünscht  war,  aber  nur  durch  gemeinschaftliche  Arbeit 
einer  gelehrten  Körperschaft  erreichbar  schien,  gewährt  hier  der 
eiserne  Fleifs  und  die  umfassende  Gelehrsamkeit  des  einzelnen  Mannes. 
Für  den  uns  zunächst  vorliegenden  Zweck  ist  dieses  Werk  insofern 
von  Bedeutung,  als  es  wegen  der  Berücksichtigung  von  Chronisten 
und  Biographieen  auch  einen  Wegweiser  durch  die  Litteratur  der 
Pabstgeschichte  darbietet.  Diese  ist  in  neuester  Zeit  noch  durch 
eine  umfassende  Sammlung  bereichert  worden,  durch  Watterichs 
Ausgabe  der  Pontificum  Bomanorum  Vitae  von  872  bis  1198;  der  ver- 
sprochene dritte  Band  bis  auf  Gregor  X  fehlt  noch.  Nicht  eben 
einverstanden  mit  der  Zusammenhäufung  abgerissener  Bruchstücke, 
verkennen  wir  doch  nicht  die  Yerdienstlichkeit  dieser  mühsamen 
Arbeit,  und  werden  sie  bei  den  einzelnen  Abschnitten  noch  häufig 
zu  erwähnen  haben.  Die  weitere  Fortführung  der  Regesten  bis 
1304  verdanken  wir  August  Potthast. 


Bearbeitungen  der  Quellenkunde.  33 

Von  Jaffe's  Regesten  aber  ist  unter  Wattenbachs  Leitung  eine 
neue  sehr  vermehrte  Ausgabe  erschienen,  von  welcher  der  erste  Theil 
bis  590  von  F.  Kaltenbrunner,  der  zweite  bis  882  von  P.  Ewald, 
der  Haupttheil  von  882  bis  1198  von  S.  Löwenfeld  bearbeitet  sind. 


Es  bleibt  noch  übrig,  einige  Worte  über  ältere  Arbeiten  auf 
dem  uns  vorliegenden  Gebiete  hinzuzufügen.  Das  Bedürfnifs  einer 
Darstellung  der  historiographischen  Entwicklung  des  deutschen 
Mittelalters  machte  sich  seit  der  immer  wachsenden  Beschäftigung 
mit  diesem  Zeitraum  stets  dringender  geltend.  Ludwig  Wachlers 
kurze  Skizze  im  Eingange  seiner  „Geschichte  der  historischen  For- 
schung und  Kunst"  (Gott.  1812)  verdient  als  erster  Versuch  Er- 
wähnung, kann  aber  doch  jetzt  nur  noch  dazu  dienen,  die  seitdem 
gemachten  Fortschritte  recht  lebhaft  empfinden  zu  lassen,  während 
das  eigentliche  Hauptwerk  auch  jetzt  noch  brauchbar  ist.  Will- 
kommen als  Hülfsmittel  war  Dahlmanns  „Quellenkunde  der  deut- 
schen Geschichte  nach  Folge  der  Begebenheiten",  zuerst  1830,  dann 
1838  in  zweiter  Ausgabe  erschienen;  1869  in  dritter,  1875  in  vier- 
ter, 1883  in  fünfter  Ausgabe  durch  G.  Waitz  neu  bearbeitet  und 
bedeutend  vermehrt,  ist  diese  Quellenkunde  als  eine  überaus  dan- 
kenswerthe  und  werthvolle  Gabe  zu  betrachten,  aber  Darstellung 
liegt  dem  Plane  des  Buches  fern. 

Ungemein  verdienstlich  war  es,  dafs  F.  Baehr  seine  Geschichte 
der  römischen  Litteratur  über  die  gewöhnliche  Grenze  fortführend, 
1836  die  christlichen  Dichter  und  Geschichtschreiber  Roms,  1837 
die  theologische  Litteratur  hinzufügte,  1840  die  Geschichte  der  rö- 
mischen Litteratur  im  karolingischen  Zeitalter  folgen  liefs,  mit  der- 
selben umfassenden  Gelehrsamkeit,  derselben  Sorgfalt  und  Genauigkeit 
gearbeitet,  welche  das  ganze  Werk  auszeichnet.  Die  neue  Ausgabe 
wurde  leider  durch  den  Tod  des  Verfassers  unterbrochen  und  nur 
die  erste  Abtheilung  des  vierten  Bandes  (Die  christlichen  Dichter 
und  Geschichtschreiber  bis  auf  Paulus  Diaconus)  ist  1872  in  zweiter 
Ausgabe  erschienen.  Nicht  minder  umfassend  ist  die  jetzt  schon 
in  fünfter  Auflage  (1890)  vorliegende  Geschichte  der  römischen  Lit- 
teratur von  W.  S.  Teuffei  (besorgt  von  L.  Schwabe).  1837  er- 
schienen „Die  Geschichtschreiber  der  sächsischen  Kaiserzeit"  von 
Contzen,  der  sich  durch  die  falschen  Corvey er  Quellen  irre  führen 
liefs;  was  sonst  etwa  für  jene  Zeit  brauchbares  in  der  Schrift  ent- 
halten war,  ist  durch  die  inzwischen  erschienenen  neuen  Ausgaben 
der  betreffenden   Schriftsteller   vollkommen  veraltet.     Auf  einen  an- 

Wattenbach,  Geschichtsquellen.  I.  6.  Aufl.  3 


34  Einleitung.     §  5. 

deren  Abweg  war  L.  Haeusser  gerathen,  indem  er  durch  die  von 
Schlosser  ihm  mitgetheilten  Briefe  des  Herrn  Galiffe  in  Genf1)  sich 
verleiten  liefs,  auf  dessen  wunderliche  Ideen  von  systematischer 
Fälschung  der  Quellen  in  grofsem  Umfange  einzugehen.  Freilich 
bewahrte  ihn  sein  richtiger  kritischer  Sinn  vor  völliger  Zustimmung; 
vielmehr  widerspricht  er  häufig  den  Behauptungen  Galiffe's,  doch 
ist  er  noch  immer  geneigt,  ihnen  zu  grofse  Bedeutung  beizulegen. 
Uebrigens  enthält  diese  Schrift  „Ueber  die Teutschen Geschichtschreiber 
vom  Anfang  des  Frankenreichs  bis  auf  die  Hohenstaufen"  (Heid.  1839) 
manche  treffende  Bemerkung,  beruht  aber  noch  auf  zu  ungenügenden 
Studien,  um  das  vorgesteckte  Ziel  erreichen  zu  können.  Haeusser 
war  damals  noch  Lehrer  in  Wertheim;  er  hat  sich  später  anderen 
Gebieten  zugewandt  und  diesen  Gegenstand  nicht  wieder  berührt. 
Noch  war  auch  die  Lage  der  Dinge  so,  dafs  fast  nur  in  dem  Kreise 
der  Mitarbeiter  an  den  Monumenta  Germaniae  die  hinlängliche  Ver- 
trautheit mit  dem  ganzen  Quellengebiet  erreichbar  war,  welche  die 
Lösung  der  vorliegenden  Aufgabe  möglich  machte.  Von  hier  aus 
trat  nun  G.  Waitz  mit  einer  Arbeit  auf,  welche  zuerst  einen  bleiben- 
den Werth  in  Anspruch  nehmen  kann.  In  Kiel  gehaltene  Vorträge 
wreiter  ausführend,  gab  er  1844  und  1845  in  "W.  A.  Schmidts  Zeit- 
schrift für  Geschichtswissenschaft  II,  39—58,  97—114,  IV,  97—112 
„Ueber  die  Entwickelung  der  deutschen  Historiographie  im  Mittel- 
alter" eine  Darstellung,  welche  als  grundlegend  auf  diesem  Gebiet 
betrachtet  werden  mufs,  und  lange  Zeit  für  diese  Studien  das  vor- 
züglichste Hülfsmittel  blieb.  Die  Absicht,  den  Gegenstand  in  einem 
gröfseren  Werke  eingehender  zu  behandeln,  brachte  Waitz  jedoch 
nicht  zur  Ausführung  und  suchte  dagegen  durch  eine  von  der  Göt- 
tinger Gesellschaft  der  Wissenschaften  gestellte  Preisfrage  eine  Be- 
arbeitung von  anderer  Hand  hervorzurufen.  Schon  früher  mit  dem 
Plane  eines  solchen  Werkes  beschäftigt,  nahm  ich  hiervon  Veran- 
lassung zu  der  1858  erschienenen  ersten  Auflage  des  hier  vorliegen- 
den Buches,  welchem  1866  die  zweite,  1873  die  dritte,  1877  die 
vierte,  1885  die  fünfte  folgten.  Eine  sehr  nützliche  und  willkommene 
Ergänzung  desselben  gewähren  die  von  W.  v.  Giesebrecht  in 
seiner  „Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit"  mit  den  einzelnen  Ab- 
schnitten verbundenen  Uebersichten  der  Quellen  und  Hülfsmittel, 
welche  von  anderem  Gesichtspunkt  ausgehen  und  über  manche 
Quellenschriften     sehr    lehrreiche    Bemerkungen     enthalten.     Unter- 

x)  Diese  Briefe  sind  nur  autographirt  vorhanden;  vgl.  die  Lobpreisung: 
Notice  sur  la  vie  et  les  travaux  de  J.  A.  Galiffe  (Geneve  1856)  S.  56. 


Bearbeitungen  der  Quellenkunde.  35 

suchungen  über  einzelne  Geschichtsquellen  sind  in  reicher  Fülle  er- 
schienen; sie  werden  in  dieser  neuen  Ausgabe  berücksichtigt  werden, 
soweit  sie  in  den  betreffenden  Zeitraum  gehören.  Ueber  diese  hin- 
auszugehen, war  meine  Absicht  nie  gewesen,  weil  dazu  ein  Studium 
der  Quellen  allein  kaum  ausreicht;  es  ist  fast  unerläfslich,  dafs,  wer 
eine  solche  Aufgabe  lösen  will,  selbständig  innerhalb  dieses  Zeit- 
raums gearbeitet  habe.  Um  so  erfreulicher  war  es,  dass  Ottokar 
Lorenz,  der  Verfasser  der  freilich  leider  unvollendeten  „Deutschen 
Geschichte  im  13.  und  14.  Jahrhundert",  sich  entschlofs,  diese  ge- 
rade ihm  so  nahe  liegende  Arbeit  zu  unternehmen.  Zuerst  1870 
im  Anschlufs  an  mein  Werk  erschienen,  ist  auch  dieses  Werk  1876 
in  zweiter  Auflage  erschienen,  in  welcher  es  durchgängig  vermehrt, 
verbessert,  und  auch  bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters  fortgeführt 
ist.  1886  erschien  die  dritte  Auflage  in  Verbindung  mit  Dr.  Arthur 
Goldmann. 


I.  Die  Vorzeit. 

Von  den  ersten  Anfängen  bis  zur  Herrschaft  der  Karolinger. 


§  1.     Die  Römerzeit.     Legenden. 

Xacitus  berichtet  uns,  dafs  noch  zu  seiner  Zeit  die  Germanen  in 
ihren  Liedern  die  Thaten  des  Arminius  feierten1).  Nicht  unmög- 
lich ist,  dafs  noch  in  den  Dichtungen  der  deutschen  Heldensage, 
welche  Karl  der  Grofse  sammeln  und  aufschreiben  liefs2),  dieser 
uralten  Kämpfe  gedacht  wurde:  was  uns  von  einheimischer  Sage 
erhalten  ist,  reicht  nicht  weit  über  die  Zeiten  Attila's  hinauf,  dessen 
gewaltige  Hand  mit  so  übermächtiger  Kraft  alles  zerschmetterte, 
was  ihm  entgegentrat,  dafs  auch  das  Gedächtnifs  der  früheren  Zeit 
erlosch.  Yon  den  Völkerschaften,  deren  Tacitus  gedenkt,  weifs  die 
Sage  nichts;  auch  die  gothischen  und  langobardischen  Heldenlieder, 
deren  Inhalt  uns  zum  Theil  erhalten  ist,  sind  früh  verklungen. 
Etzel  aber  und  Dietrich  von  Bern  und  die  Könige  der  Burgunden 
lebten  fort  in  der  Erinnerung  des  Volks;  wir  haben  die  Lieder, 
welche  von  ihnen  reden,  aber  wie  unbestimmt  und  nebelhaft  sind 
ihre  Gestalten  geworden:  kaum  erkennt  man  noch,  ob  es  Menschen 
sind  oder  Götter.  Das  ist  die  Natur  der  mündlichen  Ueberlieferung, 
in  der  es  nichts  festes  und  stätiges  giebt,  und  schlimm  würde  es 
um  unsere  Kenntnifs  der  Geschichte  stehen,  wenn  wir  auf  jene  allein 
angewiesen  wären. 

Kaiser  Ludwig  hatte  keine  Freude  an  den  Liedern  der  Heimath, 
welche  er  in  seiner  Kindheit  erlernt  hatte3);  mit  heidnischen  Vor- 
stellungen und  Anschauungen  durchwebt,  widerstrebten  sie  seinem 
kirchlichen  Sinne,   und  wie  dieser  Kaiser,  so  verhielt  sich  auch  die 

a)  Ann.  II,  88.     Vgl.  Wackernagel,  Geschichte  der  deutschen  Littera- 
tur,  S.  8  ff. 

2)  Einh.  V.  Karoli  c.  29. 

3)  Thegani  V.  Lud.  c.  19. 


Lieder.     Das  römische  Deutschland.  37 

ganze  Kirche  feindlich  gegen  diese  Sagendichtung,  so  grofse  Freude 
auch  einzelne  ihrer  Diener  daran  haben  mochten.  Die  Kirche  aber 
führte  damals,  und  bald  für  lange  Zeit  ausschliefslich  und  allein, 
den  Griffel  und  die  Feder,  welche  sie  nicht  entweihen  wollte  durch 
die  Aufzeichnungen  halb  heidnischer  Gesänge;  sie  strebte  vielmehr 
dahin,  auch  auf  dem  Felde  der  Dichtkunst  das  Christenthum  zum 
Siege  zu  führen.  Wir  gedenken  jetzt  mit  vergeblicher  Sehnsucht 
der  verlorenen  Sammlung  Karls  des  Grofsen;  allein  die  Kirche,  in 
welcher  sich  Jahrhunderte  lang  fast  das  ganze  geistige  Leben  des 
Volkes  uns  darstellt,  hat  für  diesen  Verlust  auch  reichen  Ersatz  ge- 
boten, indem  sie  die  wirkliche  Geschichte  der  Zeit  in  fester,  zuver- 
lässiger Aufzeichnung  überlieferte,  freilich  oft  in  dürrer  und  reiz- 
loser Form,  aber  um  so  treuer  und  wahrhaftiger. 

Vor  der  Bekehrung  zum  Christenthum  kann  daher  von  einheimi- 
schen Geschichtsquellen  nicht  die  Rede  sein;  von  dem  Deutschland, 
welches  Arminius'  Heldenkampf  dem  römischen  Einflüsse  entzogen 
hat,  bringen  uns  nur  die  Werke  der  Römer  und  Griechen  spärliche 
Kunde,  und  diese  zu  berühren,  liegt  aufserhalb  der  Grenzen  der 
vorliegenden  Aufgabe.  Aber  auch  westlich  vom  Rheine,  südlich  von 
der  Donau  und  der  Teufelsmauer  liegt  gegenwärtig  viel  deutsches 
Land,  wohnte  auch  unter  der  Römerherrschaft  manch  deutscher 
Stamm,  und  nicht  ganz  ist  der  Faden  zerrissen,  welcher  in  diese 
Zeiten  hinüberführt.  Der  Boden  selber  redet  zu  uns  in  vernehm- 
licher Weise.  Noch  stehen  in  Trier  die  gewaltigen  Bauten  der 
Römer;  ihre  Thürme  und  Wälle,  ihre  Landstrafsen  und  Gräber,  die 
zahlreichen  Inschriften,  welche  die  verschiedensten  Verhältnisse  des 
Lebens  berühren,  entrollen  vor  unsern  Augen  ein  Bild  jener  Zeit, 
da  das  weltbeherrschende  Volk  sich  auch  hier  häuslich  niederge- 
lassen hatte  und  manche  blühende  Stadt  ein  kleines  Abbild  der 
«wigen  Roma  darbot.  Wir  erkennen  noch  ihre  Capitole,  ihre  Tempel, 
Theater  und  Gerichtshallen,  ihre  Bäder  und  Villen,  ihre  Fabriken, 
deren  Stempel  auf  den  Trümmern  der  Geräthe  deutlich  zu  lesen 
sind.  Allein  das  alles  liegt  wie  eine  fremde  Welt  hinter  uns,  eine 
gewaltige  Kluft  trennt  uns  von  jener  Zeit,  erfüllt  von  allem  Greuel 
der  Verwüstung  und  vernichtenden  Kriegszügen.  Der  bebaute  Acker 
birgt  Reste  von  Gebäuden,  die  mit  der  sinnvollsten  Technik  dem 
Klima  gemäfs  zu  behaglicher  Bewohnung  eingerichtet  und  mit  rei- 
chem Schmuck  der  Kunst  ausgestattet  waren;  aber  was  blieb  aufser 
diesen  schwachen  Spuren  übrig  von  dem  einst  so  volkreichen  und 
betriebsamen  Virunum?  In  Salzburg  fand  Sanct  Rupert  nur  wald- 
bewachsene Ruinen  des  alten  Juvavum,  wilde  Thiere  hausten  in  den 


38  !•    Vorzeit.     §  1.    Römerzeit. 

Räumen  der  Prachtgebäude.  Andere  Städte,  wie  Regensburg  und 
Augsburg,  wie  Trier,  Com  und  Mainz,  sind  bewohnt  geblieben,  ja 
man  hat  geglaubt,  dafs  ganze  römische  Stadtgemeinden  mit  ihrer 
Verfassung  und  ihren  Obrigkeiten  sich  hier  erhalten  hätten.  Eitler 
Traum!  Zu  gründlich  haben  unsere  Vorfahren  hier  aufgeräumt;  wer 
durch  Reichthum  und  ansehnliche  Stellung  hervorragte,  fiel  als  Opfer 
oder  entwich  bei  Zeiten  der  Gefahr:  einzelne  fanden  bei  den  ger- 
manischen Fürsten  als  Tischgenossen  des  Königs  Aufnahme,  aber 
nur  indem  sie  den  alten  Verhältnissen  gänzlich  entsagten  und  sich 
dem  Gefolge  des  neuen  Herrschers  anschlössen.  Und  so  wurden  auch 
die  übrigen  Romanen,  so  viele  ihrer  am  Leben  und  im  Lande  blie- 
ben, als  Hörige,  einzelne  hin  und  wieder  auch  als  Volksgenossen, 
in  die  Gemeinschaft  der  Einwanderer  aufgenommen. 

In  den  Grenzlanden,  welche  schon  durch  den  langen  Kampf 
verödet  waren,  welche  dann  die  ganze  Wucht  der  hereinbrechenden 
beutelustigen  Heerschaaren  traf,  mag  kaum  ein  römisch  redender 
Bauer  übrig  geblieben  sein;  die  Eroberer  stürmten  mit  ihren  Ge- 
fangenen weiter  und  liefsen  das  Land  verödet  hinter  sich.  Auch 
war  hier  schon  lange  die  Bevölkerung  grofsentheils  germanisch.  Aber 
n  den  Gebirgen  des  Südrandes1)  finden  wir  noch  nach  Jahrhunderten 
wälsche  Bauern  erwähnt;  wo  der  überfluthende  Strom  seine  Dämme 
fand,  blieb  unter  der  Herrschaft  des  deutschen  Kriegers  auch  die 
gewonnene  Beute  der  unterworfenen  Bevölkerung.  Sie  mufste  dem 
neuen  Herrn  das  Feld  bauen  und  ihm  dienen  mit  der  sehr  will- 
kommenen und  geschätzten  Arbeit  ihrer  kunstfertigen  Hände2). 

Aber  wo  der  Knecht  den  Herrn  an  geistiger  Bildung  übertrifft, 
da  bleibt  auch  die  Rückwirkung  nicht  aus,  dafs  dieser  von  seinem 
Diener  lernt  und  manches  von  ihm  annimmt.  In  Hauswirthschaft 
und  Ackerbau  wie  im  Handwerk  haben  sicher  die  Deutschen  viel 
von  den  Wälschen  gelernt;  vorzüglich  aber  zeigt  sich  die  Einwirkung 
der  besiegten  Bevölkerung  in  der  raschen  Annahme  des  Christen- 
tums durch  die  Eroberer.  In  den  Städten  des  Niederrheins  und 
Lothringens  scheint  die  Reihe  der  Bischöfe  kaum  unterbrochen  zu 
sein,  obgleich  sich  von  der  Fortdauer  römischer  Bevölkerung,  so 
weit  noch  jetzt  die  Sprachgrenze  reicht,  keine  Spur  nachweisen 
läfst.     In  Noricum    und  Pannonien   sind   die   alten   Bischofsitze   fast 


*)  Auch  in  der  Ortenau,  s.  Aloys  Schulte,  Zts.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  N. 
F.  IV,  300— 314. 

2)  Vgl.  Julius  Jung,  Römer  und  Romanen  in  den  Douauländern,  Innsbr. 
1877,  und  die  Ergebnisse  der  durch  Virchow  veranlafsten  Ermittelungen 
über  Farbe  der  Haut  und  der  Augen. 


Christliche  Legenden.  39 

gänzlich  yon  der  Erde  verschwunden;  dagegen  hat  sich  aber  die 
Verehrung  eines  Märtyrers,  des  heiligen  Florian,  wie  es  scheint  durch 
blofse  Tradition,  unmittelbar  an  der  alten  Grenze  erhalten. 

Denn  mit  den  römischen  Legionen  und  Handelsleuten  war  auch 
in  diese  Gegenden  schon  frühzeitig  das  Christenthum  eingedrungen, 
und  als  das  alte  Reich  endlich  den  stets  wiederholten  Angriffen 
erlag,  hatte  die  christliche  Kirche  bereits  in  allen  Provinzen  die  un- 
bestrittene Herrschaft  errungen.  Ueber  diese  frühesten  Zeiten  der 
Kirche  in  Deutschland,  über  ihre  Glaubensboten  und  Blutzeugen, 
wufste  das  Mittelalter  gar  vieles  zu  erzählen;  unmittelbar  von  den 
Aposteln  und  ihren  ersten  Schülern  sollte  die  Predigt  und  die  Stif- 
tung der  Bisthümer  ausgegangen  sein1).  Es  ist  darüber  eine  so 
reiche  Litteratur  vorhanden,  und  diese  Erzählungen  nehmen  in  den 
Chroniken  des  Mittelalters  eine  so  bedeutende  Stelle  ein,  dafs 
wir  sie  hier  nicht  ganz  übergehen  dürfen,  wenngleich  diese  kirch- 
liche Sage  in  noch  weit  höherem  Grade  als  die  weltliche,  jedes 
festen  Bodens  entbehrt.  Die  Phantasie  der  Geistlichkeit,  der  Helden- 
sage abgewandt,  ergriff  mit  um  so  gröfserem  Eifer  die  kirchliche, 
und  aus  den  unscheinbarsten  Anfängen  erwuchsen  da  die  wunder- 
barsten Gebilde:  weit  verzweigte,  mit  allen  Einzelheiten  ausgeführte 
Geschichten,  welche  sich  immer  üppiger  entwickelten  und  auf  die 
ganze  Denkweise  der  Menschen  den  gröfsten  Einflufs  gewannen.  Den 
reichsten  Baum  der  Dichtung  trieb  die  Legende  von  der  thebäischen 
Legion,  von  deren  Führern  Gereon  in  Cöln  mit  der  heiligen  Ursula 
und  ihren  11,000  Jungfrauen  zusammentrifft.  Cöln  wird  nun  vor- 
zugsweise die  heilige  Stadt  durch  die  Menge  der  Heiligenleiber, 
welche  sie  bewahrt,  aber  fast  jeder  Ort  im  Rheinthale  hat  seinen 
Antheil  an  dieser  Geschichte  und  erhält  dadurch  eine  geheimnifsvolle 
Weihe.  In  anderen  Gegenden  sind  mehr  vereinzelte  Legenden  dieser 
Art,  doch  fehlen  sie  auf  dem  einst  römischen  Boden  nirgends. 

Der  leider  zu  früh  verstorbene  F.  W.  Bettberg  hat  das  grofse 
Verdienst,  zum  ersten  Male  alle  diese  Erzählungen  einer  zusammen- 
hängenden, systematischen,   strengen  Kritik   unterzogen  zu  haben2). 

1)  Die  Kritik  der  gleichen  Nachrichten  in  Frankreich  und  Nachweis 
des  allmählichen  Auswachsens  der  Legenden,  in:  Origines  de  l'Eglise  de 
Tours,  par  M.  Fabbe  C.  Chevalier  (T.  XXI  des  Memoires  de  la  Societe 
archeologique  de  Touraine)  Tours  1871.  Vgl.  die  Anzeige  von  Monod, 
Revue  crit.  1872.  Tome  II,  p.  84—88.  Ferner  die  Kritik  von  Aube  über 
das  Buch  von  Dom  Chamard:  Les  eglises  du  monde  Romain.  Revue  hist. 
VII,  152 — 164,  u.  jetzt  vorzüglich:  Memoire  sur  l'origine  des  dioceses 
episcopaux  daus  l'ancienne  Gaule,  par  M.  l'abbe  Duchesne,  Paris  1890. 
(Mem.  de  la  Soc.  nat.  des  Antiquaires  de  France,  Tome  L). 

2)  Kirchengeschichte  Deutschlands,    2  Bde.  8.  1848,    bis    zum  Tode 


40  I-    Vorzeit.     §  1.    Römerzeit. 

Den  einzig  richtigen  Weg  einschlagend,  hat  er  das  ganze  ungeheuere 
Material  kritisch  untersucht,  der  Herkunft  und  Entstehung  jeder  ein- 
zelnen Nachricht  nachgeforscht.  "Wohl  hatte  man  schon  früher  ein- 
zelnes als  unhaltbar  aufgegeben,  aber  immer  suchte  man  doch  wieder 
historisches  Material  aus  dem  Wüste  der  Fabeln  zu  gewinnen ;  man 
konnte  sich  nicht  entschliefsen  auf  dasjenige,  dessen  späte  betrüg- 
liche  Entstehung  einmal  nachgewiesen  wrar,  nun  auch  gänzlich  zu 
verzichten,  und  auch  jetzt  noch  ist  für  viele  dieser  Entschlufs  zu 
schwer:  man  will  doch  nicht  alle  scheinbare  Ausbeute  aufgeben  für 
Zeiten  und  Gegenstände,  von  denen  man  sonst  gar  nichts  weifs. 
So  ist  es  nur  zu  gewöhnlich,  dafs  man  das  gänzlich  unhaltbare 
fortwirft,  aber  dasjenige,  wras  nicht  in  sich  unmöglich  ist,  behält  — 
ein  durchaus  unhistorisches  Verfahren1). 

Wenn  es  z.  B.  feststeht,  dafs  man  von  S.  Dysibod  im  zwölften 
Jahrhundert  noch  nichts  als  den  Namen  wufste,  dafs  dann  die  Nonne 
Hildegard  nach  angeblichen  Visionen  seine  Geschichte  schrieb,  die 
von  chronologischen  Widersprüchen  strotzt,  so  sollte  man  doch 
denken,  dafs  niemand  dieses  Märchen  ferner  als  Geschichtsquelle 
benutzen  werde.  Und  dennoch  machte  Remling  in  seiner  Geschichte 
der  Bischöfe  von  Speier  davon  Gebrauch,  obgleich  ihm  Rettbergs 
Werk  nicht  unbekannt  war.  Jedem  besonnenen  und  gewissenhaften 
Forscher  aber  gewährt  die  „Kirchengeschichte  Deutschlands"  eine 
feste  Grundlage  für  die  Beurtheilung  dieser  Zeiten.  Das  Verfahren 
Rettbergs  besteht  darin,  dafs  er  die  Entstehung  der  Legenden  genau 
untersucht  und  nachweist,  wie  sie  allmählich  gewachsen  sind,  wie 
anfangs  nur  die  Namen  der  Heiligen  vorkommen,  von  denen  einige 
wenige  auf  wirklich  alter  localer  Verehrung  beruhen;  wie  dann  zuerst 
einzelne  Umstände,  dann  allmählich  mehr  hinzugesetzt  wird,  bis  die 
ganze  Geschichte  fertig  ist.  Die  Legenden  selbst  sind  grofsentheils 
ohne  Zeitangaben  über  ihre  Abfassung;  einen  ganz  bestimmten  Anhalt 
aber  gewähren  die  Martyrologien2),  deren  Verfasser  bekannt  sind, 
und  die  uns  daher  das  allmähliche  Anwachsen  der  Legenden  auf 
das  deutlichste  und  bestimmteste  erkennen  lassen.    Dafs  aber  solche 

Karls  des  Grofsen.  Vgl.  jetzt  auch  Hauck,  Kirchenges  eh.  Deutschlands  bis 
Bonifaz.     Leipz.  1887. 

J)  Vgl.  die  Worte  von  Waitz  in  den  Gott.  G.  A.  1855,  S.  274:  Es 
ist  hier  geschehen,  was  manchmal  geschieht  und  die  Leute  beruhigt:  man 
hat  zeitig  die  besonders  groben  und  anstöfsigen  Behauptungen  entfernt, 
und  dann  gemeint,  dafs  das,  was  allenfalls  wahr  sein  könnte,  nun  auch 
Anspruch  habe,  wirklich  dafür  zu  gelten,  während  die  wahre  Kritik  aner- 
kennt, dafs  ein  solches  Abhandeln  bei  Sage  und  Erdichtung  meist  gerade 
am  allerwenigsten  zur  historischen  Gewifsheit  führt. 

2)  S.  über  diese  §  3. 


Rettberg's  Kritik.     Friedrich.  41 

spätere  Zusätze  nicht  etwa  auf  wirklicher,  durch  mündliche  Ueber- 
lieferung  bewahrter  Kenntnifs  beruhen,  das  zeigt  uns,  aufser  den 
inneren  Widersprüchen,  besonders  die  Vergleichung  mit  den  späteren 
echten  Legenden,  mit  den  Lebensbeschreibungen  der  Heiligen  aus 
geschichtlich  bekannter  Zeit,  welche  in  den  Legendarien  ebenfalls 
fortwährend  sich  verändern  und  mit  allerlei  fabelhaften  Zuthaten 
vermehrt  werden. 

Man  hat  freilich  Rettbergs  Verfahren  als  zu  negativ  angegriffen 
und  es  wird  zuzugeben  sein,  dafs  er  in  einzelnen  Fällen  zu  weit  ge- 
gangen ist.  Auch  ist  hin  und  wieder  etwas  aufgefunden,  wodurch 
auf  einzelne  Fragen  neues  Licht  fällt.  Es  war  deshalb  ganz  gerecht- 
fertigt und  angemessen,  dafs  Prof.  J.  Friedrich  den  Versuch 
machte,  jenem  Werke  eine  „Kirchengeschichte  Deutschlands"  (I.  Die 
Römerzeit  1867,  II.  Die  Merovinger  1869)  von  mehr  conservativer 
Richtung  entgegen  zu  setzen.  Allein  es  fehlt  darin  leider  an  jener 
strengen  wissenschaftlichen  Methode,  durch  welche  Rettberg  sich  so 
sehr  auszeichnet,  und  in  Folge  der  übermäfsigen  Weitschweifigkeit 
ist  von  der  Zeit  der  Merovinger  nur  der  Anfang  berührt.  Eine 
weitere  Fortsetzung  ist  nicht  erschienen. 

Das  Ergebnifs  von  Rettbergs  Kritik  aller  jener  Legenden  über 
die  Zeit  der  ersten  Einführung  des  Christenthums  in  das  römische 
Deutschland  ist,  dafs  sie  alle  späteren  Ursprungs  sind,  dafs  für  die 
wirkliche  Geschichte  jener  Zeit  nichts  daraus  zu  lernen  ist.  Auch 
was  Friedrich  nachträglich  zu  retten  versucht,  ist  nur  sehr  wenig, 
und  es  trägt  für  diesen  Gegenstand  wenig  aus,  ob  in  der  Geschichte 
von  dem  Märtyrertode  der  Thebäer  in  Agaunum  ein  historischer 
Kern  sich  nachweisen  läfst1),  ob  das  Martyrium  einiger  christlicher 
Jungfrauen  zu  Cöln   glaubhaft   bezeugt  ist2).     Etwas   erheblicher  ist 

*)  S.  darüber  Franz  Stolle,  Das  Martyrium  der  thebaischen  Legion, 
Breslau  1891;  vgl.  NA.  XVH,  223. 

2)  Ist  der  Einfall  0.  Schade's  (Die  Sage  von  der  heiligen  Ursula, 
1854),  für  die  Ursulalegende  eine  mythologische  Begründung  nachzuweisen, 
ohne  Zweifel  verfehlt,  so  ist  dagegen  der  Versuch  Joh.  Hubert  Kessels 
(S.  Ursula  und  ihre  Gesellschaft,  Cöln  1863),  durch  rationalistische  Deu- 
tung, mit  Verwerfung  der  abgeschmackten  Visionen ,  die  ältere  Legende 
zu  retten,  nicht  minder  abzuweisen.  Sein  Verfahren  widerspricht  jeder 
gesunden  historischen  Kritik,  er  benutzt  allerlei  späte  Legenden  in  unzu- 
lässiger Weise  als  Quelle  für  die  Hunnenzeit;  seine  Hauptstütze  aber  ist 
die  Predigt  In  natali,  welche  er  ins  achte  Jahrhundert  setzt.  Diese  ist 
v.  Klinkenberg  aus  einer  Hs.  saec.  XII.  herausg.  u.  in  Karol.  Zeit  gesetzt 
(Kl.  u.  Düntzer  in  d.  Jahrbb.  d.  V.  v.  Alt.  im  Rheinland,  Heft  88.  89). 
Friedrich  giebt  die  Legende  auf.  Vgl.  auch  Annalen  des  Niederrheins  1874, 
Heft  26  u.  27,  S.  116  bis  176,  G.  Stein:  Ursula,  S.  177  bis  196,  Flofs: 
Die  Clematianische  Inschrift.  Facs.  ders.  bei  F.  X.  Kraus :  Die  christl. 
Inss.  d.  Rheinlande  (1890)  S.  143.     In    den  Anal.  Bolland.  III,  1—20,    ist 


42  L    Vorzeit.     §  1.    Kömerzeit. 

die  wohl  nicht  imbegründete  Verteidigung  der  Legende  von  dem 
Martyrium  der  h.  Afra  zu  Augsburg1).  Rettberg  fällt  ein  günstige- 
res Urtheil  nur  über  die  Leidensgeschichte  des  heiligen  Florian2). 
Dieser,  ein  entlassener  Veteran,  soll  in  Folge  der  Verfolgungsedicte 
von  Diocletian  und  Maximian  (304)  auf  Befehl  des  Aquilinus,  Präses 
von  Ufernoricum,  zu  Lorch  in  die  Ens  gestürzt  sein.  Ungeachtet 
eines  schweren  Steins,  der  an  seinen  Hals  gebunden  ist,  trägt  ihn 
der  Flufs  auf  einen  hervorragenden  Fels,  von  wo  eine  fromme  christ- 
liche Frau  ihn  in  Folge  einer  Vision  zur  Bestattung  abholt.  Diese 
Erzählung  aber  ist  eine  so  deutliche  Nachahmung  dessen,  was  Hie- 
ronymus  in  seiner  Chronik  vom  Bischof  Quirin  von  Sissek  erzählt, 
dafs  sich  die  absichtliche  Erdichtung  darin  kaum  verkennen  läfst. 
Denn  es  ist  eben  eine  Eigenthümlichkeit  dieser  späteren  Legenden- 
fabrikation, dafs  sich  in  benachbarten  Gegenden  immer  dieselben 
Todesarten  und  Wunder  wiederholen;  die  Phantasie  des  Mittelalters 
erscheint  darin  arm  und  dürftig.  Auch  finden  sich  diese  Angaben 
über  Sanct  Florians  Ende  erst  in  Martyrologien  des  neunten  Jahr- 
hunderts, die  Handschriften  der  Legende  reichen  nicht  höher  hinauf3), 
und  nichts  weist  darauf  hin,  dafs  sie  etwa,  wie  das  Leben  Severins, 
in  Italien  aufbewahrt,  und  von  dort  zurückgebracht  wäre. 

Um  so  wahrscheinlicher  ist  es,  dafs  wirklich  eine  ununterbrochene 
örtliche  Ueberlieferung  das  Andenken  dieses  Märtyrers  bewahrt  habe. 
Denn  wo  sich  jetzt  mächtig  und  gebietend  das  schöne  Chorherrnstift 
St.  Florian  erhebt,  da  galt  schon  vor  mehr  als  tausend   Jahren  der 

die  Legende  Fuit  tempore  pervetusto  herausgegeben  mit  einer  früher  unbe- 
kannten Widmung  an  Erzb.  Gero,  wie  es  scheint  die  älteste  Form,  die 
hiernach  durch  einen  Grafen  Hoolf  vom  Erzb.  Dunstan  v.  Canterbury 
stammte.  An  die  Thatsache  des  Martyriums  einiger  Christinnen  und  deren 
Cult  hat  phantastische  Sage  sich  angeschlossen,  welche  schon  Wandalbert 
von  Prüm  bekannt  war,  in  jener  alten  Legende  noch  in  einfacherer  Form 
erscheint,  später  auch  absichtlich  erweitert  ist. 

a)  Passio  S.  Afrae,  wieder  abgedruckt  von  Friedrich  I,  427 — 430. 

2)  I,  157.  Passio  S.  Floriani,  aus  einer  St.  Emmerammer  Handschrift 
saec.  X,  bei  Pez  SS.  I,  36.  Vgl.  dazu  Glück,  die  Bisthümer  Noricums,  be- 
sonders das  Lorchische,  zur  Zeit  der  römischen  Herrschaft,  Wiener  SB. 
XVII,  60.  Ueber  den  Grabstein  der  Valeria,  die  ihn  begrub,  Kenner  im 
Archiv  d.  W.  A.  XXXVIII,  174.  In  das  CIL.  ist  er  nicht  aufgenommen, 
Th.  Mommsen  glaubt  nicht,  ihn  als  römischer  Zeit  entstammend  anerkennen 
zu  können. 

3)  Eine  Handschrift  in  Lambach  (nicht  Linz)  wird  ins  9.  Jahrh.  ge- 
setzt, aber  der  Wiener  Cod.  650,  in  welchem  sich  die  zweite  Bearbeitung 
findet,  ist  nicht,  wie  Tabb.  I,  112  gesagt  ist,  saec.  IX,  sondern  saec.  XII. 
Der  St.  Florianer  Chorherr  E.  Mühlbacher,  welchem  ich  diese  Nachricht 
verdanke,  ist  geneigt,  jene  erste  Bearbeitung  schon  dem  7.  Jahrh.  zuzu- 
schreiben, das  bereits  Schenkungen  zum  Grabe  des  Märtyrers  aufweist,  und 
bezieht  sich  auf  einen  Aufsatz  in  der  Linzer  theol.  prakt.  Quartalschrift  1868 
S.  437  ff. 


Sanct  Florian.     Die  vier  Gekrönten.  43 

Boden  für  heilig,  weil  hier  „der  kostbare  Märtyrer  Sanct  Florianus" 
ruhe,  lange  bevor  die  Verfasser  der  Martyrologien  den  Ort  seines 
Leidens  kannten.  Also  selbst  im  Flachlande,  vielleicht  in  den  Resten 
der  einst  bischöflichen  Stadt  Lorch,  haben  Christen  durch  alle  Stürme 
der  Völkerwanderung  das  Andenken  Sanct  Florians  bewahrt,  und 
vielleicht  die  Kunde  von  seinem  Stande  und  der  Zeit  seines  Todes, 
während  weiter  oben  im  Gebirge  von  Maximilian  nur  der  Name 
und  der  Ort  seines  Begräbnisses  im  Gedächtnifs  blieb,  Severin 
aber  gänzlich  vergessen  zu  sein  scheint,  bis  aus  Italien  Handschriften 
seiner  Lebensbeschreibung  nach  Deutschland  kamen  und  sein  An- 
denken erneuten.  Denn  am  festesten  haftete  immer  die  Erinnerung 
am  Grabe  der  Heiligen. 

Diesem  Umstände  verdanken  wir  auch  die  Erhaltung  einer  an- 
deren Legende,  der  Leidensgeschichte  der  heiligen  Vier 
Gekrönten,  welche  Rettberg  unbekannt  geblieben  ist1).  Sie  be- 
richtet uns  von  vier  christlichen  Arbeitern  in  den  Steinbrüchen  Pan- 
noniens,  welche  noch  einen  ihrer  Genossen  bekehren;  ihn  tauft  der 
in  Ketten  dorthin  verbannte  Bischof  Cyrill  von  Antiochien.  Das  ist 
ein  merkwürdiger  Fingerzeig  für  die  Ausbreitung  des  Christenthums. 
Rettberg,  der  nicht  nur  das  spätere  Fabelwerk  mit  schonungsloser 
Kritik  zerstört,  sondern  auch  den  wirklichen  Verlauf  der  Bekehrung 
dieser  Lande  mit  gröfster  Sorgfalt  aus  den  einzelnen  Anhaltpunkten 
nachgewiesen  hat,  ist  zu  dem  Resultat  gekommen,  dafs  für  dieselbe 
nicht  sowohl  eigentliche  Missionare  thätig  waren,  als  vielmehr  die 
christlichen  Soldaten2),    Handelsleute    und    Arbeiter,   welche  hierher 

*)  Passio  Sanctorum  Quatuor  Coronatorum,  herausgegeben  von  Watten- 
bach, mit  einem  Nachwort  von  Karajan,  in  den  Wiener  SB.  X,  115 — 137. 
Sie  findet  sich  auch  schon  in  dem  Sanctuarium  des  Mombritius  I,  fol.  160. 
Neue  Ausgabe  in  Büdingers  Untersuchungen  zur  Rom.  Kaisergesch.  III, 
321—338.  Vgl.  dazu  S.  1  —  11  Untersuchung  von  0.  Hunziker,  S.  339  bis 
356  Archäologische  Bemerkungen  von  0.  Benndorf,  S.357 — 379  Chronolog. 
Bern,  von  M.  Büdinger.  Vgl.  den  Bericht  von  A.  Hg  in  d.  Mittheilungen 
der  Centralcommission  XVII  p.  XLVII — LI.  A.  Duncker  im  Rhein.  Mus. 
f.  Philol.  XXXI,  440—445.  Edm.  Meyer,  Forsch.  XVIII  (1878)  577  bis  603. 
Giov.  Batt.  de  Rossi:  I  santi  Quattro  Coronati  e  la  loro  chiesa  sul  Celio, 
im  Bull,  di  Archeol.  crist.  1879,  mit  Benutzung  der  ältesten  Hs.  in  Paris, 
vgl.  NA.  V,  227.  Petschenig,  SB.  d.  Wiener  Akad.  XCVII,  761  bis  779, 
vgl.  NA.  VII,  226.  C.  Erbes  in  d.  Zeitschr.  f.  Kirchengesch.  V,  466—487. 
Ed.  Meyer  im  Progr.  d.  Kgl.  Louisengymn.  in  Berlin  1886,  vgl.  NA.  XII, 
426.  602.  —  J.  Jung  a.  a.  0.  hat  die  Legende  benutzt,  und  verweist  auch 
S.  132.  159  auf  die  Geschichte  der  Nonsb erger  Märtyrer  Sisinnius, 
Martyrius  und  Alexander  (f  397)  Acta  SS.  Mai.  VII,  38—44.  Gar  wenig 
Inhalt  hat  die  chronologisch  ganz  unbestimmte  Vita  S.  Florini,  aus  dem 
Vintschgau,  Anal.  Boll.  III,  App.  p.  122—127. 

2)  Vgl.  die  Verschleppung  des  Dolichenoscult  durch  römische  Soldaten; 
G.  Seidl  in  den  Wiener  Sitzungsberichten  XII,  4—90.     XIII,  233—260. 


44  I.    Vorzeit.     §  2.    S.  Severin. 

kamen,  während  die  späteren  Legenden  durchgehends  die  Gründung 
der  Kirchen  durch  die  Apostel  und  ihre  ersten  Schüler  behaupten. 
Die  Verbannung  gefangener  Christen  in  die  Steinbrüche  Pannoniens, 
und  wohl  auch  anderer  Lande,  wird  das  ihrige  dazu  beigetragen 
haben.  Es  erklärt  sich  aber  aus  dieser  unmerklichen  und  unschein- 
baren Verbreitung  auch  zur  Genüge,  warum  keine  Schriftsteller  das 
Andenken  derselben  aufbewahrt  haben.  Jene  Arbeiter  nun  fielen 
dem  Neide  ihrer  Gesellen  durch  Diocletians  Spruch  zum  Opfer,  so 
gerne  dieser  auch  anfangs  seine  geschicktesten  Arbeiter  sich  erhalten 
wollte  (307?).  Die  Reliquien  der  fünf  Arbeiter  finden  sich  später 
zu  Rom  in  der  Kirche  der  heiligen  Vier  Gekrönten1),  mit  denen 
sie  nur  hierdurch  in  zufällige  Verbindung  gebracht  sind,  und  dies 
hat  auch  eine  Verschmelzung  ihrer  Legenden  zur  Folge  gehabt. 
Vielleicht  erst  hierdurch  sind  auch  chronologische  Widersprüche 
hineingekommen,  aber  alt  ist  die  Legende  sicher;  sie  mufs  geschrieben 
sein,  bevor  Pannonien  von  den  Barbaren  überschwemmt  war,  und 
das  Treiben  in  den  Steinbrüchen  ist  mit  solcher  Anschaulichkeit 
und  auch  mit  so  durchgängiger  Beibehaltung  der  technischen  Aus- 
drücke geschildert,  dafs  der  Verfasser  selbst  noch  persönliche  Kunde 
davon  gehabt  zu  haben  scheint.  Als  solchen  nennt  die  alte  Pariser 
Handschrift  den  Schatzungsbeamten  Porphyrius,  welchen  De  Rossi 
auch  aus  anderen  Erwähnungen  nachgewiesen  hat2).  Aber  nur  die 
ursprüngliche  pannonische  Legende  können  wir  ihm  zuschreiben. 

Während  nun  also  diese  Legende  noch  die  ungestörte  Römer- 
herrschaft in  diesen  Gegenden  voraussetzt,  führt  uns  eine  andere  so 
recht  mitten  hinein  in  die  Stürme  der  Völkerwanderung,  und  wir 
können  es  uns  daher  nicht  versagen ,  bei  dieser  etwas  länger  zu 
verweilen. 

§  2.     Das  Leben  des  heiligen  Severin. 

Ausgabe  von  Weiser  in  Augsburg  1595,  4.  (Opera  p.  635)  aus  einer  HS.  des  zehnten 
Jahrh.  in  St.  Emmeram,  der  ältesten  in  Deutschland.  Den  hier  fehlenden  Brief  Eugipps 
an  Paschasius  gab  Canisius,  Antiquae  Lect.  VI,  53,  I,  411.  Danach  vollständig  in 
der  zweiten  Ausgabe  des  Surius  und  Acta  SS.  Jan.  I,  484  mit  Commentar  von  Bolland. 
Nach  den  minder  guten,  wie  es  scheint  überarbeiteten,  östr.  Handschriften  in  H.  Pez 
SS.  I,  64,  und  daraus  bei  Muchar,  Das  römische  Noricum,  II,  152—239,  mit  Com- 
mentar. Ausgabe  von  Ant.  Kerschbaumer,  Scaphus.  1862  nach  dem  angeblich  äl- 
testen   und   besten  Lateran.  Codex,    unkritisch  und  wegen  vieler  Druckfehler  unzu- 

2)  0.  Hirschfeld  (Archäolog.  u.  epigr.  Mitth.  aus  Oesterr.  IX,  21)  er- 
innert anläfslich  einer  Inschrift,  worin  von  capitella  columnarum  die  Rede 
ist,  welche  bei  Sirmium  für  die  Thermae  Licinianae  verfertigt  worden ,  an 
unsere  Passio,  u.  weist  dabei  den  Gebrauch  des  Ausdrucks  coronati  für 
höhere  Beamte  nächst  dem  Cornicularius  nach. 

2)  Censualis  a  yleba  actuarius  nomine  Porfyreus  haue  gestam  scripsit. 


Leben  des  h.  Severin.  45 

verlässig;  Rec  von  Sauppe,  Gott.  Gel.  Anz.  1862  S.  1544  —  1552.  Nach  Münchener 
Handschriften  bei  Friedrich,  I,  431—489.  Ausg.  von  Sauppe,  MG.  Auctt.  antt.  I,  2. 
1877;  vgl.  NA.  IV,  407,  Waitz,  GGA.  1879,  S.  581.  Gegen  Sauppe's  krit.  Grundlage 
u.  für  d.  Cod.  Taurin.  P.  Knöll,  Wiener  SB.  XCV,  445-498.  Ausg.  von  Knöll  im 
Wiener  Corpus  SS.  eccl.  VIII,  2.  Uebers.  v.  C.  Ritter,  Linz  1853,  v.  K.  Rodenberg, 
Berlin  1878  (Urzeit  Bd.  4),  v.  S.  Brunner,  Wien  1879.  —  Eugippii  opera, 
Migne  62.  —  Rinaudo  p.  14  —  19.  Vgl.  Rettberg  1,  226.  Büdinger,  Oesterr.  Gesch. 
I,  47  ff.  Pallmann  II,  393  —  401.  J.  Jung,  Römer  und  Romanen  S.  132  und  an 
vielen  Orten.     Hauck  I,  328-332. 

Die  Lebensbeschreibung  des  heiligen  Severin,  von  seinem  Schüler 
Eugippius  verfafst,  ist  für  uns  von  ganz  unschätzbarem  Werthe,  in- 
dem sie  einen  hellen  Lichtstrahl  wirft  in  Zeiten  und  Zustände,  von 
denen  wir  sonst  gar  nichts  wissen  würden ,  wie  denn  auch  vorher 
und  nachher  tiefe  Finsternifs  diese  Donauländer  bedeckt.  Keine 
andere  Quelle  giebt  uns  in  so  reichhaltiger  Weise  ein  Bild  des 
christlich  gewordenen  und  bereits  mit  vollständiger  kirchlicher  Ein- 
richtung versehenen  Römerlandes  im  Süden  der  Donau;  unmittelbar 
vor  der  Vernichtung  zeigt  ein  günstiges  Geschick  uns  das  Bild  dieser 
Gegenden  und  ihrer  Bevölkerung  in  scharfen  und  lebensvollen  Umrissen. 

Attila  war  gestorben,  und  die  frei  gewordenen  Völker  wenden 
nun  ihre  Waffen  gegen  einander  und  gegen  die  kläglichen  Ueber- 
bleibsel  des  römischen  Reiches.  Alamannen  und  Thüringer  hatten 
den  Grenzwall  durchbrochen  und  drangen  in  Rätien  immer  weiter 
gegen  Süden  und  Osten  vor.  In  Noricum  hielt  sich  noch  die 
römische  Bevölkerung,  aber  in  welchem  Zustand!  Von  allen  Seiten 
wurde  sie  schwer  bedrängt  durch  die  vorrückenden  Barbaren  — 
denn  so  nannten  damals  und  noch  lange  nachher  nicht  nur  die 
Römer,  sondern  auch  die  Deutschen  selbst  alle  Nichtrömer.  Jenseits 
der  Donau  schalteten  die  Rugier,  durch  häufige  Streifzüge  das  Land 
bedrängend  und  bald  auch  diesseits  festen  Fufs  fassend.  Sie  sowohl 
wie  die  Gothen  in  Pannonien  waren  Arianer,  den  katholischen  Ro- 
manen fast  noch  verhafster  als  die  Heiden.  In  Commagena,  einer 
bald  darauf  völlig  verschwundenen  Römerstadt  unweit  Tuln,  hatten 
bereits  Barbaren  sich  festgesetzt;  unfähig  sie  zu  vertreiben,  schlössen 
die  Römer  ein  Bündnifs  mit  ihnen,  und  die  Einwohner  lebten  nun 
wie  Gefangene  in  ihrer  eigenen  Stadt.  Da  tritt  plötzlich,  unge- 
hindert durch  die  Wachen,  Severinus  unter  sie:  eben  war,  wie  er 
vorher  verkündigt  hatte,  die  benachbarte  Stadt  Astura  gänzlich  zer- 
stört worden,  und  gläubig  horchte  man  nun  auf  seine  Worte,  da  er 
Rettung  verhiefs,  fastete  und  betete,  bis  plötzlich  in  der  Nacht  ein 
Erdbeben  die  Barbaren  in  Schrecken  setzt;  voll  Angst  eilen  sie  aus 
den  Thoren  und  morden  sich  gegenseitig  in  der  Finsternifs  und 
Verwirrung.  So  war  die  Stadt  von  ihren  Drängern  befreit,  allein 
was  war  damit  gewonnen ! 


46  I.    Vorzeit.     §  2.    S.  Severin. 

Nur  von  den  Städten  aus  wurde  noch  das  Feld  gebaut,  und 
nur  zu  häufig  fielen  Ernte  und  Schnitter  in  die  Hände  der  Barbaren ; 
Hunger  verwüstete  das  reiche  und  fruchtbare  Land,  wenn  die  Zufuhr 
auf  dem  Inn  ausblieb.  Die  Grenzsoldaten  erhielten  aus  Italien  keinen 
Sold  mehr,  und  in  Folge  davon  lösten  ihre  Schaaren  sich  auf;  nur 
die  batavische  Cohorte  in  Passau  hielt  noch  zusammen,  und  einige 
von  ihnen  machen  sich  auf,  um  den  Sold  über  die  Alpen  zu  holen, 
werden  aber  unterwegs  erschlagen.  Vor  der  Donaustadt  Faviana, 
zwischen  Passau  und  Wien,  erscheinen  plötzlich  Räuber  und  führen 
alles  hinweg,  was  sie  aufserhalb  der  Mauern  finden,  Menschen  und 
Vieh.  Der  Tribun  Mamertinus  hat  so  wenig  Mannschaft,  dafs  er 
keinen  Ausfall  wagen  will,  bis  Severin  ihm  den  göttlichen  Beistand 
verheifst;  da  zieht  er  muthig  hinaus  und  gewinnt  den  Sieg. 

Eine  der  wunderbarsten  Erscheinungen  ist  dieser  Severin.  Nie 
hat  er  sagen  wollen,  wer  er  sei,  woher  er  stamme;  nur  dafs  er  aus 
dem  fernen  Osten  komme,  nahm  man  aus  seinen  Reden  ab,  doch 
erkannte  man  an  der  Sprache  den  geborenen  Lateiner.  Von  vor- 
nehmer Abkunft,  so  schien  es,  hatte  er  sich  in  die  Einsamkeit  zu 
den  heiligen  Vätern,  vermuthlich  in  die  thebaische  Wüste,  zurück- 
gezogen; dann  aber  trieb  ihn,  wie  er  selber  andeutete,  eine  göttliche 
Stimme,  den  bedrängten  Bewohnern  des  Ufernoricum  Trost  und 
Hülfe  zu  bringen.  Seine  Enthaltsamkeit  erschien  übermenschlich; 
bei  der  heftigsten  Kälte  ging  er  barfufs,  und  an  die  strengsten 
Fasten  gewöhnt,  schien  er  Hunger  und  Entbehrung  nur  in  der  Seele 
der  Nothleidenden  zu  empfinden.  So  durchzog  er  das  ganze  Land, 
ermahnend,  Bufse  predigend,  tröstend,  vor  allem  aber  Hülfe  brin- 
gend, so  viel  er  vermochte.  Förmliche  Zehnten  forderte  er  ein,  um 
Gefangene  loszukaufen,  Arme  zu  unterstützen.  Sein  Ansehen  war 
bald  grofs  im  Lande;  unbedingte  Herrschaft  über  die  Natur  mafs 
man  ihm  bei,  und  Gottes  Zorn  traf  jeden,  der  auf  sein  Wort  nicht 
achtete. 

Den  merkwürdigsten  Gegensatz  bildet  dieses  Land,  welches  in 
seiner  Bedrängnifs  sich  willig  der  Leitung  eines  frommen  gottbegei- 
sterten Mönches  hingiebt,  zu  den  sittenlosen  Grenzstädten  Galliens, 
über  deren  Verderbtheit  und  Leichtsinn  Salvian  vergeblich  eiferte, 
zu  Trier,  wo  „selbst  noch  bei  dem  Sturme  der  fränkischen  Sieger 
auf  die  Stadt  Jung  und  Alt  der  zügellosesten  Schlemmerei  und  Aus- 
schweifung sich  ergiebt,  mit  wahrer  Raserei  alles  dem  unaus  weich  - 
baren  Untergang  trunken  und  prassend  entgegenstürzt" !). 


*)  Rettberg  I,  25.     Vgl.  W.  Zschimmer,  Salvian  und  seine  Schriften, 
Halle   1875.   Ebert  I,  452— 454.    Opera  ed.  C.  Halm,  MG.   Auctt.  antt.  I,  1. 


Leben  des  h.  Severin.  47 

Severins  Ansehen  beugten  sich  auch  die  Fürsten  der  Barbaren, 
selbst  jene  böse  Königin  Giso,  welche  rechtgläubige  Katholiken  um- 
taufen wollte;  halb  aus  Wohlwollen,  halb  aus  Furcht  erfüllten  sie 
seine  Bitten,  achteten  sie  auf  seine  Ermahnungen;  seinen  Rath- 
schlägen  dankte  der  Rugierkönig  Flaccitheus  seine  friedliche  Regie- 
rung. Schützte  Severin  die  Römer  manchmal  durch  Ermuthigung 
zu  kräftigem  Widerstand  und  durch  Vorhersagen  feindlicher  Angriffe, 
so  wandte  er  doch  häufiger  durch  seine  Fürbitten  Gefahren  ab  und 
erlangte  die  Freigebung  der  Gefangenen.  An  vielen  Orten  hatte  er 
Klöster  errichtet,  die  nach  der  Weise  des  Morgenlandes  aus  einer 
Vereinigung  einzelner  Hütten  bestanden,  das  gröfste,  in  welchem  er 
sich  am  häufigsten  aufhielt,  bei  Faviana,  einem  jetzt  spurlos  ver- 
schwundenen Orte.  Hier  traten  einst  einige  Barbaren  zu  ihm,  die 
nach  Italien  zogen  und  ihn  um  seinen  Segen  baten;  unter  ihnen 
Odovacar,  damals  noch  ein  gemeiner  Krieger  und  mit  schlechten 
Thierfellen  nothdürftig  bekleidet,  aber  so  hoch  gewachsen,  dafs  er 
sich  bücken  mufste,  um  nicht  die  Decke  der  Zelle  zu  berühren. 
Geh,  sagte  Severin  zu  ihm,  geh  nach  Italien;  jetzt  deckt  dich  noch 
ein  geringes  Gewand,  aber  bald  wirst  du  vielem  Volke  grofse  Gaben 
auszutheilen  haben.  Als  König  gedachte  Odovacar  dieser  Weissagung, 
und  forderte  Severin  auf,  sich  eine  Gnade  auszubitten,  worauf  dieser 
für  einen  Verbannten  Verzeihung  erlangte. 

Severin  konnte  es  doch  nicht  hindern,  dafs  Stadt  auf  Stadt  in 
die  Hände  der  Feinde  fiel.  Die  Rugier  bemächtigten  sich  der  Stadt 
Faviana  und  der  benachbarten  Orte;  ihre  Herrschaft  gewährte  wenig- 
stens Schutz  gegen  die  wilderen  Feinde,  welche  alle  weiter  aufwärts 
gelegenen  Burgen  und  Städte  zerstörten.  Die  geflüchteten  Einwoh- 
ner führte  König  Feva  aus  Lorch,  wo  sie  sich  gesammelt  hatten, 
in  die  ihm  unterthänigen  Städte.  Joviacum  dagegen  wurde  von  den 
Herulern  gänzlich  verheert,  während  Tiburnia  in  Oberkärnten,  an 
dessen  Namen  noch  Debern  im  Lurnfeld  erinnert,  eine  Belagerung 
der  Gothen  glücklich  überstand.  Noch  im  sechsten  Jahrhundert 
waren  hier  christliche  Bischöfe;  dann  aber  unterlag  auch  diese 
uralte  Stiftung,  sowie  die  alte  Bischofstadt  Pettau,  den  Slaven  und 
Avaren. 

Am  8.  Januar  482  starb  Severin.  Feva's  Bruder  Friedrich  plün- 
derte gleich  darauf  sein  Kloster;    innere   Kriege  unter   den  Rugiern 

1877 ;  ed.  Fr.  Pauly  im  Wiener  Corpus  VIII.  1883.  Uebers.  v.  Pet.  Caffer, 
Aachen  1858.  —  G.  Monod  meint  freilich  (Revue  crit.  1879,  N.  24)  dafs 
wir,  wenn  aus  den  Donauländern  Bufspredigten  erhalten  wären,  darin 
ähnliche  Anklagen  finden  würden.  Aber  Eugippius  würde  doch  auch  der- 
gleichen nicht  unterlassen  haben,  wenn  er  Anlafs  dazu  gefunden  hätte. 


48  I.    Vorwort.     §  2.    S.  Severin. 

und  Odovacars  Feldzug  gegen  sie  mehrten  die  Bedrängnifs  der  Römer, 
bis  endlich  sechs  Jahre  nach  Severins  Tod  Odovacar  die  ganze  rö- 
mische Bevölkerung  aus  Noricum  abrief  und  ihr  in  Italien  Land 
anwies.  Dadurch  erklärt  es  sich ,  dafs  gerade  hier  von  den  alten 
und  einst  so  bedeutenden  Römerstädten  fast  jede  Spur  verschwand, 
und  nur  schwache  Reste  einer  unterwürfigen  romanischen  Bevölkerung 
in  den  Gebirgen  zurückblieben.  Damals  scheint  auch  der  heilige 
Antonius  Noricum  verlassen  zu  haben;  er  war  aus  Pannonien  zu 
Severin  noch  kurz  vor  dessen  Tode  gekommen,  wie  Ennodius  in  der 
Lebensbeschreibung  des  Antonius  berichtet1). 

Severins  Mönche  folgten  mit  Freuden  dem  Rufe,  welcher  sie 
aus  der  Knechtschaft  erlöste;  der  Anordnung  ihres  Meisters  gemäfs 
führten  sie  dessen  Leiche  mit  sich  bis  nach  Neapel,  wo  sie  endlich 
Ruhe  fanden.  Hier  richtete  ihnen  eine  vornehme  Frau,  Namens 
Barbaria,  ein  Kloster  ein  im  Castellum  Lucullanum,  dessen  Name 
noch  das  Andenken  der  üppigen  Gärten  Luculis  bewahrte;  ebenda 
war  kurz  zuvor  auch  dem  letzten  römischen  Kaiser  sein  Aufenthalt 
angewiesen  worden2). 

In  diesem  Kloster  nun  war  Eugippius3)  Abt,  ein  Schüler  Se- 
verins, der  nach  Cassiodors  Zeugnifs  von  weltlicher  Gelehrsamkeit 
nicht  gar  viel  wufste,  aber  in  den  heiligen  Schriften  wohl  belesen 
war4),  der  Verfasser  eines  Auszuges  aus  den  Schriften  des  heiligen 
Augustin5).  Mit  bedeutenden  Kirchenschriftstellern  der  Zeit  stand 
er  im  Briefwechsel.  Diesen  Eugippius  nun  forderte  ein  ungenannter 
Laie  auf,  ihm  Materialien  zu  einer  Lebensbeschreibung  Severins  zu 
geben;  er  zeichnete  darauf  auch  wirklich  seine  Erinnerungen  auf, 
sandte  dieselben  aber  (511)  nicht  an  jenen  Laien,  denn  das  erschien 
ihm  unpassend,  sondern  an  den  gelehrten  Diaconus  Paschasius, 
mit  der  Bitte,  sie  zu  einer  förmlichen  Lebensbeschreibung  zu  ver- 
arbeiten.    Zugleich    sandte    er  ihm    in   dem  Boten   einen  Mann,  der 

J)  Vita  S.  Antonii  Lirinensis,  in  den  verschiedenen  Ausgaben  der  Werke 
des  Ennodius,  v.  Fr.  Vogel  Auctt.  ant.  VII,  185—190. 

2)  Nach  Caravita,  I  codici  e  le  arti  a  Monte  Cassino  I,  14  auf  dem 
Pizzofalcone  bei,  jetzt  in  Neapel. 

3)  Andere  Formen,  mit  guter  handschriftl.  Beglaubigung  sind  Eugipius 
und  Eugepius. 

4)  Divin.  Lectionum  c.  23:  quem  nos  quoque  vidimus,  virum  quidem 
non  usque  adeo  saecularibus  literis  eruditum,  sed  scripturarum  divinarum 
lectione  plenissimum.  Ein  dogmatisches  Sendschreiben  an  ihn  von  Fer- 
randus  aus  d.  J.  533  bei  A.  Mai,  Nova  Coli.  III,  2,  168 — 184;  ein  anderes 
mit  Uebersendung  einer  Glocke  für  das  Kloster,  bei  Reifferscheid  in  Ind. 
lectt.  Vrat.  1871  —  72  S.  6.  Vgl.  Büdinger,  Eugipius,  Wiener  SB.  XCI, 
793—814. 

5)  Sehr  gerühmt  von  Notker,  bei  Dümmler,  Formelbuch  Salomons  III, 
S.  65.     Ausg.  v.  Knöll  im  Wiener  Corpus  VIII,  1. 


Severins  Biograph  Eugippius.  49 

als  Augenzeuge  über  die  Wunder  berichten  sollte,  welche  auf  dem 
Zuge  durch  Italien  an  Severins  Sarg  geschehen  waren.  Paschasius 
aber  lehnte  jede  Aenderung  an  Eugipps  Aufzeichnungen  ab,  und 
in  der  That  ist  es  auch  sehr  zweifelhaft,  ob  jene  Bitte  ernsthaft  ge- 
meint war,  da  uns  ähnliche  Aufforderungen,  die  nichts  als  Phrase 
sind,  so  häufig  begegnen.  Eugipps  Aufzeichnungen  sind  durchaus 
nicht  unfertig,  nicht  nachlässig  und  formlos,  und  gerade  aus  jenen 
italischen  Wundern  hebt  er  einige  als  die  wichtigsten  und  statt 
aller  genügend,  sorgsam  hervor.  Auch  giebt  er  als  den  wesent- 
lichsten Grund,  weshalb  er  den  Wunsch  jenes  Laien,  von  dem  eine 
andere  Biographie  ihm  bekannt  war,  nicht  erfüllt,  die  Besorgnifs 
an,  er  möchte  durch  die  Anwendung  der  rhetorischen  Kunst  den 
Gegenstand  verhüllen  und  für  den  einfachen  und  ungebildeten  Gläu- 
bigen geradezu  unverständlich  machen.  Er  war  also  kein  Freund 
von  den  kunstgerechten  Büchern  jener  Zeit,  welche  wie  z.  B.  die 
Schriften  des  Ennodius  und  manche  von  Cassiodor,  durch  eine 
Ueberfülle  gesuchter  Antithesen  und  wortreichen  Phrasenschwall  so 
unerträglich  schwülstig  und  geziert  sind,  dafs  man  oft  nur  mit  Mühe 
den  Sinn  der  Worte  enträthselt.  Das  galt  in  den  Rhetorenschulen 
als  schöner  Stil. 

Eugipps  Aufzeichnungen  dagegen  sind  ganz  einfach  und  schmuck- 
los, ohne  strenge  Reihenfolge  und  Ordnung,  aber  um  so  mehr  der 
treue  Ausdruck  dessen,  was  ihm  in  seiner  Erinnerung  als  das  be- 
merkenswertheste  erschienen  war.  Gerade  darin  liegt  der  Haupt- 
vorzug dieser  Lebensbeschreibung  vor  den  zahlreichen  Legenden, 
aus  deren  salbungsvollem  Wortreichthum  die  wenigen  geschichtlichen 
Nachrichten  mühsam  hervorgesucht  werden  müssen.  Er  selbst  hatte 
Severin  und  den  Schauplatz  seiner  Wirksamkeit  gekannt;  in  den 
letzten  Abschnitten  bezeichnet  er  sich  ausdrücklich  als  Augenzeugen, 
aber  auch  nur  in  diesen,  während  er  sich  übrigens  auf  die  häufig 
gehörten  Erzählungen,  zuweilen  auf  bestimmte  Gewährsmänner  beruft. 

Das  Leben  Severins  finden  wir  schon  bald  nach  seiner  Ent- 
stehung bei  dem  sogenannten  Anonymus  Valesianus1),  im  Anfange 
des  siebenten  Jahrhunderts  von  Isidor  erwähnt,  im  achten  von  Pau- 
lus Diaconus  benutzt;  um  dieselbe  Zeit  verfafste  man  zu  Neapel 
«inen    Hymnus,    dem   dasselbe    zu   Grunde   liegt2).     Bald   wurde    es 


*)  Nachgewiesen  von  Glück,  Die  Bisthümer  Noricums,  Wiener  SB, 
XVII,  77. 

2)  Neapolis  gaude  redimita  festis,  Plaude  caelestem  retinens  patronum 
etc.     Ozanam,  Documents  inedits,  p.  241.  ^^'  \\*x 

Wattenbach,  Geschichtsquellen.   I.  6.  Aufl. 


50  I-  Vorzeit.     §  2.     S.  Severin. 

dann  auch  an  dem  Schauplatz  seiner  Wirksamkeit  bekannt,  denn 
schon  im  Jahre  903  erwarb  die  Passauer  Kirche  eine  Handschrift 
desselben  von  dem  Landbischof  Madalwin 1).  Eigenthümlich  sind  die 
Wirkungen,  welche  hier  von  diesem  Werk  ausgingen.  Man  las  darin 
von  der  grofsen  alten  Stadt  Faviana,  die  man  nirgends  fand,  und 
da  man  nun  bei  Wien  alte  Römersteine  aufgrub,  so  zweifelte  man 
nicht  daran,  dafs  hier  einst  Faviana  gelegen  habe;  Otto  von  Freising 
und  Herzog  Heinrich  von  Oesterreich  nahmen  diese  Meinung  an,  und 
sie  hat  sich  bis  auf  die  neusten  Zeiten  behauptet,  bis  endlich  Blum- 
berger  sie  siegreich  widerlegte2). 

Yiel  schlimmere  Folgen  hatte  es,  dafs  man  in  Passau  nun  er- 
fuhr, Lorch  habe  einst  Bischöfe  gehabt,  lange  bevor  Salzburg  den 
Krummstab  führte.  Es  lag  nahe,  sich  als  Erben  der  benachbarten 
Stadt  zu  betrachten,  welche  jetzt  zum  Passauer  Sprengel  gehörte; 
aber  der  einmal  angefachte  Ehrgeiz  strebte  immer  weiter;  um  dem 
Vorrang  des  jüngeren  Salzburg  nachdrücklicher  entgegentreten  zu 
können,  wurde  ein  Erzbisthum  Lorch  erdacht  und  bald  zu  fabelhaf- 
ter Gröfse  ausgedehnt;  neu  angefertigte  Legenden  von  St.  Quirin  und 
Maximilian  mufsten  die  Beweise  dazu  hergeben,  untergeschobene 
Urkunden  das  Vorgeben  unterstützen,  und  mit  Hülfe  dieser  Waffen 
setzte  Passau  wirklich  bei  dem  in  geschichtlicher  Kritik  wenig  er- 
fahrenen Stuhle  Petri  seine  Ansprüche  durch,  und  wufste  sich  seit 
dem  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  der  rechtmäfsigen  Salzburger 
Metropolitangewalt  zu  entziehen.  Viel  gröfser  aber,  oder  doch  für 
uns  bedeutender,  ist  das  Unheil,  welches  diese  Fälschungen  in  der 
Geschichtsforschung  angerichtet  haben;  noch  Rettbergs  Werk  trägt 
bedeutende  Spuren  davon,  und  es  wird  noch  eine  gute  Weile  dauern, 
bis  es  gelingt,  diesen  häfslichen  Spuk  gänzlich  aus  der  Geschichte 
zu  verbannen.  Aufgedeckt  aber  ist  die  ganze  Sache  jetzt,  und  mit 
ebenso  unermüdlichem  Fleifse  wie  besonnenem  Scharfsinn  nachge- 
wiesen  in   E.  Dümmlers    Werk    über  Piligrim    von   Passau  und   das 

1)  Mon.  Boica  XXVIII,  2,  201. 

2)  Archiv  der  W.  A.  III,  355  (1849,  vor  der  Ausgabe  von  Böckings 
Commentar).  Vgl.  Böcking,  Notitia  Dign.  Occ.  p.  747—750.  Glück,  die 
Bisthümer  Noricums  S.  76.  Aschbach:  Ueber  die  römischen  Militärstatio- 
nen im  Ufer-Noricum  zwischen  Lauriacum  und  Vindobona,  nebst  einer  Un- 
tersuchung über  die  Lage  der  norischen  Stadt  Faviana,  SB.  XXXV,  3 — 32 
für  Traismauer,  Tauschinski  SB.  XXXVIII,  31 — 46  wieder  für  die  Identität 
mit  Wien,  ohne  erhebliche  Gründe.  Kenner  in  d.  Blättern  d.  Vereins  f. 
Landesk.  v.  N.  Oesterr.  N.  F.  XVI  (1882)  S.  3—53,  für  Mautern.  In  Seve- 
rins  Zeit  brauchte  man  den  Abi.  Favianis,  in  der  Notitia  Dign.  Occ.  p.  100 
(ed.  Seeck  p.  198)  steht  Fafianae  (Genetiv).  S.  Corpus  ISS.  Latt.  III,  2,  687 
und  passim  zur  Erklärung  der  Ortsnamen. 


Leben  Severins.     Nachwirkungen.  51 

Erzbistimm  Lorch1).  Nachdem  dann  die  Fälschung  wohl  zugegeben, 
aber  verschiedene  Versuche  gemacht  waren,  Piligrim  von  dem  auf 
ihm  lastenden  Verdachte  zu  befreien,  hat  neuerdings  Karl  Uhlirz 
alle  betreffenden  Urkunden  einer  genauen  Kritik  unterzogen  und  ist 
zu  dem  Ergebnifs  gelangt,  dafs  als  Fälscher  sich  ein  Beamter  aus  der 
Kanzlei  Ottos  II  nachweisen  läfst,  welcher  von  Piligrim  gewonnen 
sein  mufs. 

Severins  Leben  ist  der  letzte  Sonnenblick  vor  einer  Zeit  der 
äufsersten  Finsternifs,  wie  der  Abendstrahl  durch  die  Grotte  des 
Posilipp.  Erst  viel  später,  und  von  der  andern  Seite,  von  Gallien 
aus  werden  wir  Deutschland  wieder  erreichen  können.  Von  dort 
wurde  ihm  aufs  neue  die  litterarische  Cultur  gebracht,  vermittelt 
durch  diejenigen  Stämme  des  deutschen  Volkes,  welche  auf  römi- 
schem Boden  sich  niedergelassen  hatten,  und  hier  die  Schüler  ihrer 
Feinde  geworden  waren.  Die  Geschichtschreibung,  welche  sich  im 
römischen  Reiche  während  der  letzten  Jahrhunderte  entwickelte, 
bildet  die  Grundlage  der  mittelalterlichen,  welche  mit  ihr  im  un- 
mittelbaren Zusammenhange  steht,  und  es  ist  deshalb  nothwendig, 
dafs  wir  sie  auch  hier  etwas  ausführlicher  ins  Auge  fassen,  da  sonst 
die  Entwickelung  der  deutschen  Historiographie  nicht  verständlich 
sein  würde. 


§  3.     Die  Anfänge  und  Gattungen  der  christlichen 
Geschichtschreibung. 

Baehr,  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  Supplementland.  Die  christlich -römische 
Litteratur.  I.  Abtheilung.  Die  christlichen  Dichter  und  Geschichtschreiber.  1836.  In 
der  zweiten  Ausgabe  1872  als  vierter  Band  bezeichnet.  Teuffei,  Gesch.  d.  röm  Litt. 
5.  Aufl.  1890.  Adolf  Ebert,  Allg.  Gesch.  d.  Litt,  des  M.  A.  im  Abendlande.  I.  Gesch. 
d.  christl.  lat.  Litt,  von  ihren  Anfängen  bis  zum  Zeitalter  Karls  d.  Grofsen.  2.  A.  1890. 

Das  Mittelalter  ist  durch  keine  bestimmte  Grenzlinie  vom  Alter- 
thum  geschieden;  lange  Zeit  laufen  beide  gewissermafsen  parallel 
nebeneinander  her.  Das  unterscheidende  Element  ist  das  Christen- 
thum,  welches  das  antike  Wesen  zersetzt,  und  theils  vernichtet, 
theils  umformt;  dann  das  Eintreten  ganz  neuer  Völker  in  die  Ge- 
schichte, welche  nach  und  nach  den  Schwerpunkt  ihrer  Entwickelung 
zu  sich  hinüberziehen.  Die  classisch- heidnische  Litteratur  gehört 
einem  anderen  Gebiete  an,  und  liegt  unserer  Aufgabe  fern;  allmäh- 
lich  erstarb   in   ihr   das   Leben,    und  auch   die   Geschichtschreibung 

*)  Leipzig  1854.     Ueber  die  weitere  Litteratur  K.  Uhlirz :  Die  Urkun- 
denfälschung zu  Passau  im  10.  Jahrh.  Mitth.  d.  Wiener  Inst.  III,  177—228. 

4* 


52  I«    Vorzeit.     §  3.    Anfänge  und  Gattungen. 

beschränkte  sich  immer  mehr  auf  Auszüge  aus  den  älteren  Werken. 
Hieran  konnte  sich  natürlich  keine  weitere  Entwicklung  anknüpfen. 
Den  vorhandenen  Stoff,  wie  ihn  besonders  Eutropius  zubereitet  hatte, 
fafste  zuletzt  noch  einmal  Paulus  Diaconus  in  seiner  römischen 
Geschichte  zusammen,  und  machte  ihn  durch  Verschmelzung  mit 
der  Kirchengeschichte  für  seine  Zeit  brauchbarer.  So  ging  er  in 
das  Mittelalter  hinüber,  und  bildete  hier  die  Grundlage  aller  Kennt- 
nifs  der  römischen  Welt.  Aber  ungeachtet  der  christlichen  Zusätze 
und  Fortsetzungen  blieb  doch  dieses  Werk  nur  eine  todte  Masse; 
die  lebendige  neue  Entwickelung  schlofs  sich  an  die  christliche  Ge- 
schichtschreibung, welche  sich  für  die  veränderte  Auffassung  und 
andere  Bedürfnisse  auch  neue  Formen  erschuf. 

Die  römische  Weltgeschichte  konnte  den  Christen  unmöglich 
genügen,  die  eigene  Geschichte  der  römischen  Republik  sie  nur 
wenig  anziehen.  Ihnen  war  das  Wesentliche  in  der  Weitgeschichte 
die  Geschichte  des  Reiches  Gottes,  der  Mittelpunkt  lag  ihnen  in 
der  jüdischen  Geschichte,  und  davon  meldeten  die  Werke  der  Römer 
nichts.  Daher  fand  auch  des  Königs  Desiderius  Tochter  Adelperga 
den  Eutrop,  welchen  Paulus  Diaconus  ihr  zu  lesen  gegeben,  so  un- 
genügend, und  einige  Zusätze  konnten  hier  nichts  helfen;  es  mufste 
eine  ganz  neue  Weltgeschichte  aufgestellt  werden,  die  mit  dem  ver- 
änderten Standpunkte  im  Einklang  war,  die  namentlich  auch  das 
hohe  Alter  der  jüdischen  Cultur,  die  spätere  Entstehung  der  heid- 
nischen Staaten  nachwies.  Um  dieses  möglich  zu  machen,  kam  es 
vor  allem  darauf  an,  das  chronologische  Verhältnifs  der  heiligen 
und  profanen  Geschichte  zu  bestimmen,  um  dann  eine  Verschmel- 
zung der  beiderseitigen  Nachrichten  vornehmen  zu  können.  Diese 
Aufgabe  löste,  nach  dem  Vorgange  des  Sextus  Julius  Africanus, 
welcher  zuerst  den  Versuch  machte,  chronologisch  das  gesammte 
Alterthum  mit  der  Bibel  zu  vereinigen1),  Eusebius  (264 — 340); 
seine  zwei  Bücher  Allgemeiner  Geschichte  enthielten  zuerst  in  dar- 
stellender Form  die  Chronographie,  dann  tabellarisch  den  synchro- 
nistischen Kanon  bis  325.  Auf  diesem  grofsen  Werke  beruhen  alle 
späteren  Weltchroniken,  der  Byzantiner  sowohl  wie  des  Abendlandes, 
während  zugleich  aus  seiner  Kirchengeschichte  das  Mittelalter  alle 
seine  Kenntnifs  von  den  Anfängen  der  christlichen  Kirche  schöpfte. 
Dieses  letzere  Werk  hatte  für  die  Lateiner  Rufinus  bearbeitet  und 


])  Dr.  Conr.  Trieber,  Die  Chronologie  des  Julius  Africanus,  1879;  vgl. 
Gott.  Nachr.  1880,  Nr.  1.  H.  Geizer,  S.  Jul.  Afr.  u.  die  Byzant.  Chronologie, 
Leipz.  1880. 


Eusebius  und  Hieronymus.  53 

fortgesetzt,   die    Chronik   aber  Hieronymus,    welcher   sie   zugleich 

bis  378  fortsetzte1). 

Diese  Chronik  des  Hieronymus  finden  wir  vollständig  oder  im 
Auszug  an  der  Spitze  aller  umfassenden  Chroniken  des  Mittelalters; 
sie  war  ihre  Grundlage  und  ihr  Vorbild,  und  dadurch  war  die  knappe 
Form  der  annalistischen  Aufzeichnung  gegeben.  Darstellende  Werke 
aller  Art  hatten  daneben  freien  Raum,  aber  um  eine  übersichtliche 
Anschauung  von  dem  chronologischen  Zusammenhange  der  Welt- 
begebenheiten zu  erhalten,  war  diese  Form  unstreitig  die  angemes- 
senste, wie  man  ja  auch  heut  zu  Tage  der  Tabellen  zu  diesem 
Zwecke  nicht  entbehren  kann.  Sehr  dürftig  und  ungenügend  freilich 
erscheint  uns  diese  Form,  wo  sie  fast  allein  und  ausschliefslich  zur 
Ueberlieferung  der  geschichtlichen  Ereignisse  verwandt  wird,  oder 
doch  anderes  uns  nicht  erhalten  ist,  wie  dies  in  den  nächsten  Jahr- 
hunderten nach  Hieronymus  der  Fall  war.  Diese  ersten  mageren 
Fortsetzungen  seiner  Chronik  sind  für  uns  ihres  Inhalts  wegen 
wichtig;  der  Geschichtschreiber  der  auf  römischem  Boden  angesie- 
delten deutschen  Stämme  ist  grofsentheils  auf  diese  dürftigen  Quellen 
angewiesen,  für  die  Entwickelung  der  Historiographie  in  Deutschland 
aber  haben  sie  nur  insofern  Bedeutung,  als  durch  ihre  Vermittelung 
die  unmittelbare  Anknüpfung  der  späteren  Chronisten  an  den  Hiero- 
nymus möglich  wurde2). 

Bemerkenswerth  ist  aber  bei  diesen  Chronisten  der  allen  ge- 
meinsame römische  Standpunkt,  das  ängstliche  Festhalten  am  rö- 
mischen Reich.  Uns  erscheint  gegenwärtig  der  Gedanke,  dafs  in 
den  neuen  Bildungen,  den  romanischen  Staaten,  der  fruchtbare  Keim 
einer  neuen  Zukunft  enthalten  war,  als  natürlich  und  naheliegend; 
damals  aber  fiel  weit  mehr  die  Zerstörung  des  alten  Reiches  ins 
Auge;  man  sah  und  beklagte  überall  nur  den  Verfall,  und  wer  die 
Weltgeschichte  zu  betrachten  versuchte,  sah  fortwährend  nur  in 
dem  römischen  Weltreich  den  Träger  derselben.  Boten  doch  die 
Jahre  seiner  Kaiser  und  seine  Consulate  die  einzige  vorhandene  Zeit- 
rechnung, denn  weder  die  von  Eusebius  eingeführte  Rechnung  nach 
Jahren  Abrahams  noch  auch  die  Jahre  von  Erbauung  der  Stadt  Rom 

»)  Opera  S.  Hier.  ed.  Vallars,  Tom.  VIII.  Baehr  S.  189  —  197.  Vgl. 
Bernays,  Scaliger  S.  92,  217.  Neue  kritische  Ausgabe  von  Alfred  Schoene 
in:  Eusebi  chronicorum  canonum  quae  supersunt.  Vol.  II.  Berl.  1866. 
Nachträge  in  Vol.  I.  (1875)  Eusebi  chronicorum  libri  duo.  Vgl.  Mommsen, 
Die  älteste  Hs.  der  Chronik  des  Hieronymus,  Hermes  XXIV.  Facs.  ders. 
Palaeogr.  Soc.  II,  129.  130. 

2)  Die  neue  Ausgabe  dieser  ältesten  Annalisten  für  die  MG.  ist  jetzt 
von  Th.  Mommsen,  Auctt.  antt.  IX.  zu  erwarten. 


54  I-    Vorzeit.     §  3.    Anfänge  und  Gattungen. 

erscheinen  im  Westreich  je  im  praktischen  Gebrauch,  und  Justinians 
Siege  stellten  noch  einmal  die  Fortdauer  aller  der  neu  entstandenen 
Reiche  in  Frage.  Mochte  aber  auch  das  abendländische  Römerreich 
in  Trümmer  fallen,  das  morgenländische  keinen  Schatten  von  Macht 
über  den  Westen  besitzen,  für  die  Chronisten  ist  und  bleibt  es  das 
Weltreich,  der  Faden,  der  sie  leitet.  Die  in  das  Reich  eindringen- 
den deutschen  Stämme  sind  und  bleiben  Barbaren,  wenn  auch  der 
Schreibende,  welcher  jedoch  immer  der  Kirche  angehört,  selber  ihr 
Landsmann  ist.  Diese  Auffassung  beschränkt  sich  nicht  auf  diese 
Zeit,  sie  bleibt  herrschend  durch  das  ganze  Mittelalter,  denn  sie  war 
bedingt  durch  die  seit  Hieronymus  allgemein  angenommene  Erklä- 
rung von  dem  Traume  des  Nebukadnezar,  bei  dem  Propheten  Daniel, 
nach  welchem  das  römische  Reich,  das  eiserne,  welches  die  früheren 
zermalmt,  bleiben  soll  bis  zum  Eintritt  des  himmlischen  Reiches1). 
Die  Fortdauer  desselben  war  daher  aufser  aller  Frage.  Demgemäfs 
behandeln  auch  die  späteren  Weltchroniken  die  deutsche  Geschichte 
niemals  als  etwas  neues,  selbständiges,  sondern  nur  als  eine  Fort- 
führung des  römischen  Reiches:  sie  führen  nach  dem  Untergange 
des  westlichen  Reiches  die  byzantinischen  Kaiser  fort  bis  auf  Karl 
den  Grofsen  und  bewahren  so  seine  scheinbare  Continuität,  wenn  sie 
auch  dazwischen  die  Yolksgeschichten  episodisch  in  ihr  grofses  Fach- 
werk einschalten,  wie  Ekkehard. 

Neben  der  grofsen  Chronik  des  Hieronymus  gab  es  nun  aber 
auch  noch  eine  andere,  sehr  dürftige  und  compendiarische,  welche 
nur  einige  Anhaltpunkte  zur  chronologischen  Orientirung  gewährte. 
Sie  läfst  sich  zurückführen  auf  ein  älteres  griechisches  Werk  des 
Hippolyt  von  Porto,  das  bis  235  reichte,  ein  Werk,  welches  auch 
dem  Liber  Generationis  des  sogenannten  Fredegar  zu  Grunde  liegt. 
Ueberarbeitet  und  bis  334  fortgesetzt,  bildet  es  einen  Theil  jenes 
merkwürdigen  römischen  Staatskalenders,  den  Th.  Mommsen 
in  seiner  Abhandlung  über  den  Chronographus  von  354  ausführlich 
behandelt  hat2).  Er  hat  nachgewiesen,  dafs  dieser  Kalender  mit 
den  nöthigen  Veränderungen  von  Zeit  zu  Zeit  neu  herausgegeben 
wurde;  doch  war  er  viel  zu  kostbar,  als  dafs  sich,  wer  ihn  einmal 
besafs,  immer  ein  neues  Exemplar  davon  angeschafft  hätte,   und  da 

x)  Dan.  c.  2.  Vgl.  Otto  Fris.  II,  13.  Büdinger  in  der  Hist.  Zeitschrift 
VII,  113. 

2)  Abhandlungen  der  Kgl.  Sachs.  Ges.  der  Wissenschaften  in  Leipzig.  I. 
1850.  S.  547—668.  Neue  Ausg.  des  Textes  Auctt.  antt.  IX,  13—196.  Ein 
mit  jener  Arbeit  verwandter,  von  Pallmann  zuerst  herausgegebener,  ganz 
kurzer  Abrifs  der  Weltgeschichte  bis  452  Auctt.  antt.  IX,  149—153.  Vgl. 
auch  C.  Frick  im  Rh.  Mus.  f.  Philol.  XL  VI,  106  ff. 


Römischer  Staatskalender.  55 

die  ganze  Einrichtung  des  Werkes  zur  Eintragung  geschichtlicher 
Ereignisse  eine  sehr  passende  Gelegenheit  darbot,  so  ist  seine  Form 
nicht  ohne  Einflufs  auf  die  Gestaltung  der  verschiedenen  Gattungen 
geschichtlicher  Aufzeichnungen  geblieben.  Sein  Inhalt  bestand  näm- 
lich aus  folgenden  Stücken,  welche  die  noch  erhaltene  Abschrift  eines 
Exemplars  vom  Jahre  354  uns  kennen  lehrt: 

1.  Der  eigentliche  Kalender  mit  Bildern,  die  noch  völlig  in  heid- 
nisch-antiker Weise  gezeichnet  sind.  Der  Kalender  selbst 
ist  nicht  mehr  heidnisch,  aber  doch  auch  noch  nicht  christlich. 
Die  öffentlichen  Spiele,  die  Senatstage  u.  a.  sind  darin  ver- 
zeichnet und  die  Geburtstage  der  Cäsaren  auch  noch  abgeson- 
dert auf  einem  verzierten  Blatt  vorangestellt1). 

2.  Consularfasten  bis  zum  Jahre  354. 

3.  Ostertafeln  auf  100  Jahre  von  312  an. 

4.  Ein  Verzeichnifs   der  Stadtpräfecten  von  258  bis  354. 

5.  Die  Todestage  (Depositiones)  der  römischen  Bischöfe 
und  der  Märtyrer2). 

6.  Ein  Pabstkatalog  bis  auf  Liberius. 

7.  Die  oben  erwähnte  Weltchronik  bis  334,  verbunden  mit 
einer  Stadtchronik  von  Rom  und  der  Regionenbe- 
schreibung3). 

In  diesen  Stücken  läfst  sich  mehr  als  ein  Keim  erkennen,  der 
später  zu  weiterer  Entwickelung  gelangt  ist.  Während  aus  dem 
letzten  Theile  jene  so  zahlreichen,  immer  neu  aufgelegten  Beschrei- 
bungen von  Rom  entstanden,  hauptsächlich  zum  Wegweiser  für  die 
Pilger  bestimmt,  forderten  die  Consularfasten,  sowie  die  Oster- 
tafeln von  selbst  dazu  auf,  bedeutende  Begebenheiten  bei  den  be- 
treffenden Namen  und  Zahlen  einzutragen,  wie  es  z.  B.  Cassiodor 
gethan  hat,  und  in  vollständigerer  Weise  Prosper.  Ein  solches 
Werk  ist  auch  den  späteren  Exemplaren  jenes  Kalenders  eingefügt; 
Fasten,  die  anfangs  nur  sehr  vereinzelte  Bemerkungen  enthalten, 
für  das  fünfte  Jahrhundert  aber  reichhaltiger,  und  wegen  der  genauen 
chronologischen  Bezeichnung  wichtig  werden,  ohne  Zweifel,  abge- 
sehen   von    dem    früheren  Theil ,   in  Ravenna  geschrieben4).     Und 

J)  Ausg.  v.  Mommsen,  CIL.  I,  332—360. 

2)  Nach  De  Rossi,  La  Roma  sotterranea  I,  116  eigentlich  ein  Fest- 
kalender, feriale,  und  deshalb  nicht  vollständig. 

3)  S.  darüber  und  über  die  im  12.  Jahrh.  daraus  erwachsenen  Mira- 
bilia  Roinae,  H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt  Rom  im  Alterthum  II,  1871. 
Dess.  Forma  urbis  Romae  regionum  XIII.  1875. 

4)  Früher  als  Anonymus  oder  Chronicon  Cuspiniani  bekannt,  zuletzt 
gedr.  bei  Mommsen  a.  a.  0.  S.  656—668,  Auctt.  antt.  IX,  263  ff.  als  Fasti 
Vindobonenses,  mit  d.  Anon.  Vales.  u.  a.  herausgegeben  als  Consularia  Italica. 


56  !•    Vorzeit.     §  3.    Anfänge  und  Gattungen. 

zwar  haben  sie  einen  durchaus  offiziellen  Charakter;  es  sind  bedeu- 
tende Vorfälle  in  Betreff  der  kaiserlichen  Familie,  mit  denen  sie 
sich  beschäftigen,  dazu  wichtige  staatliche  Begebenheiten  und  Natur- 
erscheinungen, mit  ausschliefslicher  Beschränkung  auf  Italien.  Mit 
den  Consullisten  wurden  sie  von  Zeit  zu  Zeit  neu  ausgegeben. 
Durch  sehr  sorgfältige  und  eingehende  Untersuchungen  von  Pall- 
mann,  Waitz,  G.  Kaufmann,  Holder-Egger  ist  die  Benutzung  dieser 
Annalen  bei  immer  zahlreicheren  Schriftstellern  nachgewiesen,  so  dafs 
Holder-Egger  sogar  den  Versuch  machen  konnte,  dieselben  von 
379  bis  572  wieder  herzustellen.  Seine  Untersuchung  ist  so  er- 
schöpfend, dafs  ich  mich  darauf  beschränken  kann,  auf  dieselbe  zu 
verweisen1).  Nach  dem  Ergebnifs  derselben  (S.  344)  sind  diese 
Fasti  consulares  für  uns  für  volle  zwei  Jahrhunderte  in  chrono- 
logischer Beziehung  eine  Quelle  vom  höchsten  Werthe.  „Sie  haben 
ganz  aufserordentliche  Verbreitung  gefunden:  fast  alle  weströmischen 
und  ein  oströmischer2)  Chronist  des  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts 
haben  sie  benutzt,  sie  theilweise  zur  chronologischen  Grundlage 
ihrer  Werke  gemacht.  Zuletzt  sind  sie  noch  im  neunten  Jahrhundert 
von  Theophanes,  Agnellus  und  einem  Mönch  von  St.  Gallen  benutzt. 
Sie  müssen  mehrmals  redigiert  und  jedes  Mal  mit  neuer  Fortsetzung 
herausgegeben  sein.  Die  erste  Redaction  fällt  vor  das  Jahr  445, 
in  welchem  Prosper  sie  bereits  für  die  erste  Ausgabe  seiner  Chronik 
benutzt  hat;  dieselbe  Redaction  wird  auch  dem  Chronicon  imperiale 
vorgelegen  haben.  Eine  zweite  schlofs,  wie  wir  mit  ziemlicher 
Sicherheit  sagen  können,  mit  dem  Jahre  493;  sie  ist  von  Cassiodor 
und  Marcellin  benutzt.  Die  meisten  Chronisten  schöpften  aus  einer 
Vorlage,  welche  über  dieses  Jahr  noch  hinausreichte,  so  der  Anony- 
mus Valesianus3),  Marius,   der  langobardische  Chronist  (Cont.  Pros- 

*)  Die  Ravennater  Annalen,  NA.  I,  215—368.  Eine  Berichtigung  von 
Usener  in  dem  Anecdoton  Holden,  1878.  Benutzung  bei  Beda  nach  L. 
Schmidt,  NA.  IX,  197,  verworfen  v.  Mommsen  a.  a,  0.  S.  253. 

2)  Marcellinus  Comes,  s.  über  diesen  Holder-Egger,  NA.  II,  49 
bis  109.  Sein  Werk  reicht  im  Anschlufs  an  Hieronymus  von  379  bis  518 
und  ist  von  ihm  selbst  bis  534,  weiter  bis  548  fortgesetzt.  Die  weitere 
Forts.  549 — 566  in  den  Ausgaben  ist  aus  Herrn.  Contr.  entlehnt,  wie  Waitz, 
Gott.  Nachr.  1857  S.  38  nachgewiesen  hat.  Jordanis  hat  nach  Mommsen, 
Praef.  Jord.  p.  XXIX.  XXXIX,  das  Werk  in  ausführlicherer  Fassung  oder 
(auch  schon  Cassiodor)  die  darin  excerpirte  Grundlage  benutzt. 

3)  Anonymus  Valesianus,  zuerst  von  H.  Valois  mit  Ammianus 
Marcellinus  herausgegebene  Hauptquelle  für  Odovacar  und  Theodorich. 
Neue  Ausgabe  mit  Benutzung  der  wiedergefundenen  Hs.  hinter  Amm.  Marc, 
ed.  V.  Gardthausen,  Lips.  1875;  Mommsen  a.  a.  0.  S.  314  ff.  Uebers.  v. 
D.  Coste  bei  Procops  Gothenkrieg.  Vgl.  C.  Frick  über  d.  cod.  Pal.  927 
in  d.  Comm.  Wölflin.  (N.  A.  XVI,  642).  Nach  Holder-Egger  im  NA.  I, 
316  —  324   schrieb  er  in  Ravenna  und  benutzte  die  verlorene  Chronik  des 


ConsularfasteD.  57 

peri  Havniensis),  wahrscheinlich  auch  der  Verfasser  der  Continuatio 
und  des  Auctarium  Prosperi1)  in  der  vaticanischen  Handschrift  .  .  . 
Wie  weit  deren  Exemplare  reichten,  läfst  sich  nicht  bestimmen; 
doch  ist  einiger  Grund  zu  der  Annahme  vorhanden,  dafs  im  Jahre 
526  eine  neue  Redaction  abgeschlossen  ist.  Wahrscheinlich  ist 
dann  noch  eine  neue  Fortsetzung  etwa  bis  zum  Jahre  572  in  Ra- 
venna  hinzugefügt;  diese  letztere  hätte  dann  Agnellus,  möglicher 
Weise  auch  der  Mönch  von  St.  Gallen2)  benutzt." 

Leicht  möglich  ist  es,  dafs  Holder-Egger  in  seinen  Folgerungen 
zu  weit  gegangen  ist.  G.  Kaufmann  hat  dieselben  angegriffen3);  er 
bestreitet  die  Ableitung  mancher  Nachrichten  aus  dieser  Quelle, 
beschränkt  die  Ravennater  Fasten  auf  die  Zeit  von  455  bis  493, 
und  bestreitet  ihren  amtlichen  Charakter.  Das  Gewicht  seiner  Gründe 
ist  nicht  zu  verkennen;  ohne  Zweifel  hat  es  damals  noch  vielerlei 
Aufzeichnungen  gegeben,  welche  sich  meistens  an  Consullisten  an- 
geschlossen haben  werden.  Doch  von  allen  unterscheiden  sich  die 
Ravennater  durch  ihre  knappe  Auswahl  und  Fassung,  und  durch 
die  genauen  Tagesdaten4). 

Auch  von  einer  zweiten  Consulliste  mit  stadtrömischen  Nach- 
richten lassen  sich  Spuren  nachweisen.  Ein  Exemplar  der  raven- 
natischen  aber  bis  etwa  456  ist  nach  Holder-Eggers  Vermuthung 
nach  Arles  gekommen,  dort  überarbeitet,  mit  gallischen  Nachrichten 
verbunden  und  fortgesetzt  worden.  Diese  so  neu  entstandenen 
Annalen  sind  von  Gregor  von  Tours  und  dem  sogenannten  Severus 
Sulpitius5)  benutzt. 

Die  ursprünglich  in  Italien  zusammengestellten  und  fortgesetzten 
Fasten  kamen  unter  Constantin  auch  nach  Constantinopel  und  wurden 

Bischofs  Maximian  (546—556);  SS.  Langob.  p.  273  stimmt  H.  E.  der  An- 
sicht bei,  der  Anon.  sei  ein  Fragment  der  Chronik  Maximians. 

*)  Nach  Br.  Krusch  in  NA.  IX,  103  nur  eine  Copie  des  Ostercyclus 
des  Victurius  mit  einigen  hist.  Zusätzen ;  die  doppelten  Osterdaten  hat 
Holder-Egger  irrthümlich  f.  hist.  Daten  gehalten. 

2)  Excerptum  ex  Chronica  Horosü,  mit  gleichzeitiger  Notiz  über  das 
Erdbeben  vom  April  849,  gedr.  e.  cod.  S.  Galli  878  von  De  Rossi,  Bullet- 
tino  di  Archeologia  crist.  1867  S.  17 — 23.  Wiederholt  von  G.  Kaufmann, 
Die  Ravenn.  Fasten,  S.  484.     Auctt.  antt.  IX,  264. 

3)  Die  Fasten  von  Constantinopel  u.  Ravenna,  Philologus  XLII,  471 
bis  510. 

4)  Mommsen,  Praef.  Jord.  p.  XXXIX  sagt  von  den  'Consularia  Ra- 
vennatia' :  'tota  imbuta  spiritu  regni  Theodericiani,  sive  ea  publico  consilio 
edita  sunt,  sive,  quod  prudentiores  praeferent,  a  laudatore  aliquo  status 
praesentis1.     Auch  in  der  neuen  Ausg.  verhält  er  sich  dagegen  ablehnend. 

5)  Holder-Egger:  Ueber  die  Weltchronik  des  sog.  Severus  Sulpi- 
tius und  südgallische  Annalen  des  5.  Jahrhunderts.  Gott.  1875.  Neue  Ausg. 
v.  Mommsen,  Auctt.  antt.  IX,  p.  98  ss.  als  „Chronica  ad  annum  511". 


58  I-    Vorzeit.     §  3.    Anfänge  und  Gattungen. 

hier  fortgeführt;  ein  Exemplar,  welches  bis  zum  Tode  Theodosius  I. 
reichte,  kam  nach  Spanien  und  ist  uns,  jedoch  nur  im  Auszuge,  von 
Hydatius  mit  seiner  Fortsetzung  und  in  engster  Verbindung  mit 
seiner  Chronik  bis  468  erhalten.  Reichlichere  Auszüge  aus  dem 
ursprünglichen  und  in  Constantinopel  fortgeführten  Werk  sind  im 
Chronicon  paschale  bis  630  enthalten.  Aus  beiden  hat  Mommsen  die 
Consularia  Constantinopolitana  (bis  468)  zusammengestellt1). 

In  gleicher  Weise,  wie  diese  Consultafeln  zu  einem  chronolo- 
gischen Anhalt  für  geschichtliche  Notizen  dienten,  benutzte  man 
auch  die  Folge  der  Kaiser,  indem  man  entweder  nur  mit  jedem 
Namen  kurze  Bemerkungen  verband,  oder  auch  die  Regierungsjahre 
der  Kaiser  einzeln  unterschied2).  Weit  zweckmässiger  für  kurze 
annalistische  Aufzeichnungen  waren  aber  nach  dem  Aufhören  der 
Consularfasten  die  Ostertafeln,  welche  sich  ebenfalls  in  jenem  Ka- 
lender fanden  und  auch  ohne  denselben  bald  in  jeder  bedeuten- 
deren Kirche  vorhanden  waren.  Im  Abendlande  fand  nach  manchen 
Versuchen,  unter  denen  die  Ostertafel  des  Aquitaniers  Victurius  eine 
gewisse  Rolle  spielt,  besonders  der  von  Dionysius  Exiguus  angenom- 
mene Kanon  des  Alexandrinischen  Bischofs  Cyrillus  eine  grofse  Ver- 
breitung, welche  noch  zunahm,  als  Beda  die  Tafeln  desselben  über 
die  Cyklen  von  1 — 532  und  von  da  bis  1063  in  sein  Werk  De  ra- 
tione  temporum  aufnahm3). 

Doch  hat  es  längere  Zeit  gedauert,  bis  man  von  der  einmal 
herkömmlichen  Rechnung  nach  Consulaten  und  Jahren  der  Kaiser 
abging;  in  England  zuerst,  wo  man  aufserhalb  des  römischen  Her- 
kommens stand,  sind  Ostertafeln  zu  diesem  Zweck  benutzt,  und  von 
dort  durch  die  Vermittelung  der  irischen  und  englischen  Missionare 
nach  Gallien  und  Deutschland  gekommen4). 

Schon  354  hatte  auch  der  römische  Staatskalender  ein  Ver- 
zeichnifs   der  römischen  Päbste  aufgenommen,    welches  seiner 

*)  MG.  Auctt.  antt.  XIX,  197—247. 

2)  S.  hierüber  Bethraann  im  Archiv  X,  387  und  über  die  Ostertafeln 
S.  279;  vgl.  V,  102  und  Piper,  Karls  des  Grofsen  Kalendarium  und  Oster- 
tafeln, Berlin  1858,  S.  100  ff.  —  Die  Echtheit  der  Briefe  von  Victurius  und 
Pabst  Hilarus  vor  dem  Canon  paschalis  hat  Br.  Krusch  erwiesen,  NA.  IV. 
169-172. 

3)  S.  darüber  Br.  Krusch:  Die  Einführung  des  griech.  Paschalritus 
im  Abendlande,  NA.  IX,  169—172,  vgl.  658.  —  Consulliste  des  Victurius 
mit  Forts,  ib.  S.  269-281. 

4)  Es  kann  ja  auch  einmal  in  Italien  geschehen  sein,  vgl.  NA.  I,  283, 
aber  die  hier  früher  nach  Bethmann  im  Arch.  X,  820  angeführte  Handschrift 
aus  Sant  Andrea  della  Valle  enthält  keine  Annalen.  Es  ist  Christ.  2077, 
gedr.  Roncall.  I,  721;  vgl.  Mommsen  im  Hermes  I,  130  u.  das  Facs.  bei 
Zangemeister  u.  Wattenbach,  Exempla  codicum  Latinorum  Tab.  IV.  NA.  I,  29. 


Pontificale  Romanum.  59 

Anlage  nach  um  230  entstanden  ist.  Dieses  wurde  in  der  Folge 
nicht  allein  immer  weiter  fortgesetzt,  sondern  auch  durch  allerlei 
Zusätze  vermehrt.  Man  fügte  die  Amtsdauer  der  Päbste  hinzu, 
ihre  Bauten  und  andere  Verdienste  um  die  kirchliche  Verwaltung, 
die  von  ihnen  vorgenommenen  "Weihen ,  endlich  auch  geschichtliche 
Vorfälle,  und  so  entstand  das  Pontificale  Romanum,  welches  gewöhn- 
lich nach  dem  päbstlichen  Bibliothekar  Anastasius  benannt  wird. 
Doch  zeigen  weit  ältere  Handschriften,  dafs  schon  im  siebenten 
Jahrhundert  der  Anfang  des  Werkes  vorhanden  war1),  und  auch 
Beda  und  Paulus  Diaconus  haben  diese  Aufzeichnungen  bereits  be- 
nutzen können.  Eine  übersichtliche  Darstellung  der  Entstehung 
dieses  Werkes  und  seiner  Fortsetzungen  hat  Giesebrecht  gegeben  in 
der  Allgemeinen  Monatsschrift  für  1852,  April.  Wie  in  Rom,  so  ent- 
standen ähnliche  Aufzeichnungen  auch  an  anderen  Bischofsitzen  und 
in  manchen  Klöstern,  und  daraus  erwuchsen  später  die  ausführlichen 
Geschichten  der  Bisthümer  und  Klöster,  welche  in  der  geschicht- 
lichen Litteratur  des  Mittelalters  eine  so  bedeutende  Stelle  ein- 
nehmen. 

Endlich  aber  enthält  auch  der  Abschnitt  des  Kalenders,  in  wel- 
chem die  Todestage  der  Märtyrer  und  Päbste  verzeichnet  sind,  den 
Anfang  eines  ganz  eigenthümlichen  Zweiges  der  Litteratur,  nämlich 
der  Martyrologien,  in  welchen  die  dort  verzeichneten  Namen  sich 
immer  als  die  ersten  wiederfinden,  und  gewissermafsen  den  Kern 
der  immer  mehr  anwachsenden  Verzeichnisse  bilden,  welche  zu  dem 
blofsen  Namen  bald  auch  Nachrichten   über  Leiden   und  Leben   der 

])  S.  Pertz  im  Archiv  V,  70—74;  De  Rossi,  La  Roma  sott.  I,  122. 
Ueber  den  ältesten  Theil  des  Werkes  Janus  S.  139  ff.  mit  Beziehung  auf 
die  sorgfältige  Analyse  des  ganzen  Werkes  bei  Piper,  Einl.  in  die  monu- 
mentale Theologie  (Gotha  1867)  S.  315  —  349,  der  auch  bereits  die  Be- 
nutzung durch  Beda  nachgewiesen  und  die  Wichtigkeit  dieses  Verhältnisses 
für  die  Kritik  hervorgehoben  hat,  vgl.  S.  198.  202  Anm.  12.  —  Ganz  neue 
Ansichten  über  diesen  ältesten  Theil,  seine  Entstehung  und  das  Verhältnifs 
der  Handschriften  entwickelt  der  Abbe  L.  Duchesne:  Etüde  sur  le  Liber 
pontificalis,  Paris  1877  (Bibl.  des  ecoles  FranQ.  dAthenes  et  de  Rome,  I). 
Ihm  entgegnete  Waitz,  NA.  IV,  215 — 237:  Ueber  die  verschiedenen  Texte 
des  Liber  pontificalis.  Ders.  V,  229  überLipsius:  Neue  Studien  zur  Pabst- 
chronologie;  VIII,  405  über  eine  neue  Schrift  von  Duchesne;  IX,  457 — 472 
über  den  sog.  Catal.  Cononianus;  X,  453  —  465  über  die  ital.  Hss.;  über 
den  Catal.  Felicianus  XI,  217—229.  Vgl.  auch  Krusch,  XII,  236.  Jetzt  ist 
von  der  Ausgabe  von  Duchesne  Bd.  I.  1886  erschienen,  während  Waitz 
dazu  nicht  mehr  gekommen  ist.  Rec.  v.  Grisar,  Zts.  f.  Kath.  Theol.  1887 
S.  417  —  446.  —  Ein  merkw.  Elogium  Liberii  papae  (-J-  366)  hat  De  Rossi 
herausgegeben,  Bullettino  di  Archeologia  crist.  1883.  Prof.  Funk  im  Hist. 
Jahrb.  V,  424  —  436,  XII,  757  ff.,  bezieht  es  jedoch  auf  Martin  I  (f  655), 
Friederich,  Münch.  SB.  1891  S.  87  — 127  auf  Joh.  I,  De  Rossi  wieder  f. 
Liberius  im  Ball.  1891. 


(30  I-    Vorzeit.     §  3.    Anfänge  und  Gattungen. 

Märtyrer  und  Bekenner  hinzufügen.  Wir  sahen  schon,  wie  lehrreich 
diese  Martyrologien  in  Rettbergs  Händen  für  die  Entstehungsge- 
schichte der  kirchlichen  Sage  geworden  sind;  denn  da  die  Zeit  der 
Verfasser  bekannt  -ist,  so  läfst  sich  darin  die  allmähliche  Erwei- 
terung der  Legenden  urkundlich  nachweisen1).  Die  ältesten  tragen 
den  Namen  des  Hieronymus2),  obwohl  mit  Unrecht;  besonders  ge- 
schätzt ist  das  Martyrologium  Gellonense3).  Die  gröfste  Verbreitung 
fand,  wie  alle  Schriften  Beda's,  auch  dessen  Martyrologium,  das 
wir  jedoch  nicht  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  besitzen,  sondern 
nur  mit  den  Zusätzen  des  Florus,  eines  Subdiaconus  zu  Lyon  im 
neunten  Jahrhundert4).  So  kam  also  auch  dieser  Zweig  der  Litteratur 
über  England  nach  Gallien;  hier  wurde  er  im  neunten  Jahrhundert 
mit  besonderer  Vorliebe  behandelt,  und  aus  der  mündlich  sich  fort- 
bildenden Tradition  kamen  bei  jeder  neuen  Ausgabe  stets  auch  neue 
Zusätze  hinzu.  Ein  Reichenauer,  welches  zwischen  837  und  842 
entstanden  ist,  gab  A.  Holder  kürzlich  heraus5).  Eine  metrische 
Bearbeitung  verfafste  um  850  Wandalbert,  Mönch  zu  Prüm6), 
andere  in  Prosa  Hraban7)  zwischen  842  und  854,  Ado  von  Vienne8) 
(859 — 874)  und  auf  Befehl  Karls  des  Kahlen  Husward9)  (Usuardus) 
im  Jahre  875;  am  Ende  des  Jahrhunderts  schrieben  Notker  der 
Stammler  (896)  auf  der  Basis   des   von   Ado  870  den   Mönchen  von 

J)  Ausführlicheres  darüber  mit  dem  Nachweis  der  Ausgaben  bei 
Rettberg  I,  76.  Vgl.»  Potthast  S.  436.  Das  Hauptwerk  ist  die  Abhandlung 
von  J.  B.  Sollerius  vor  der  Ausg.  des  Martyrol.  Usuardi,  Acta  SS.  Jun.  VI. 
Vgl.  auch  die  oben  S.  41  angef.  Schrift  v.  Fr.  Stolle. 

2)  Mart.  Hieron.  ed.  Fiorentini,  Lucae  1668.  Als  vorzüglichste  Hand- 
schrift rühmt  De  Rossi  die  Berner,  Roma  sotterranea  IL  p.  XII  ss.  Nach 
dieser  ist  es  jetzt  herausgegeben,  Acta  SS.  Oct.  XIII. 

3)  D'Achery  Spicil.  ed.  II.  II,  27.  Geschrieben  ist  es  um  804.  Sickel 
in  d.  Wiener  SB.  XXXVIII,  161  macht  auf  das  noch  nicht  benutzte  Marty- 
rologium aus   derselben  Zeit  im  Wiener  Cod.  387  aus  Salzburg  aufmerksam. 

4)  In  den  Werken  des  Beda  und  Acta  SS.  Mart.  II.  Ueber  ein  ihm 
zugeschriebenes  kurzes  Mart.  in  Hexametern  (ed.  Giles  I,  50  —  53)  vgl. 
Dümmler,  NA.  IV,  516. 

5)  Rom.   Quartalschrift  III,  204—251. 

6)  Erste  krit.  Ausgabe  von  Dümmler.  Poetae  Lat.  aevi  Carolini  IIr 
569-603. 

7)  Canis.  II,  2,  313.  Vgl.  E.  Dümmler,  das  Martyrol.  Notkers  u.  seine 
Verwandten  (Forsch.  XXV)  S.  197 — 200,  mit  Ergänzung  des  Textes. 

8)  Herausgeg.  von  Surius  im  Anhang  der  Vitae  probb.  SS.,  dann  von 
Heribert  van  Roswey  mit  dem  Martyrologium  Romanum.  Ueber  das  vor- 
hergehende, von  Ado  in  Ravenna  abgeschriebene,  Romano  piccolo  s.  De  Rossi, 
La  Roma  sott.  I,  125.     Vgl.  Dümmler  a.  a.  0.  S.  200. 

9)  Ed.  Sollerius,  Acta  SS.  Jun.  VI  und  VII.  A.  Longnon,  Notice  sur 
le  plus  ancien  obituaire  de  l'abbaye  de  St.  Germain- des -pres  (Not.  et 
Doc.  publ.  p.  1.  Sog.  de  l'hist.  de  France  p.  19)  hält  diese  Hs.  für  sein 
Autograph. 


Martyrologien  und  Legenden.  Q\ 

St.  Gallen  geschenkten  Exemplars  seines  Martyrologium1),  und  in 
Versen  Erchempert,  der  Mönch  von  Montecassino2);  noch  im 
elften  Jahrhundert  verfafste  Hermann  von  Reichenau  ein  Mar- 
tyrologium3). Damit  war  nun  aber  auch  dem  Verlangen  nach  Mar- 
tyrologien völlig  genügt;  man  fragte  nicht  mehr  so  viel  nach  diesen 
immer  noch  kurzen  und  dürftigen  Aufzeichnungen,  da  man  bereits 
eine  sehr  grofse  Zahl  ausführlicher  Legenden  besafs ,  theils  aus  der 
Zeit  der  Merowinger,  theils  aber  auch  über  eben  jene  alten  Mär- 
tyrer, von  denen  die  Martyrologien  so  wenig  zu  sagen  wufsten.  Der 
Wunsch  danach  war  zu  dringend,  besonders  in  den  Klöstern,  welche 
Reliquien  von  ihnen  besafsen,  als  dafs  nicht  eine  reiche  Auswahl 
nachgemachter  Legenden  hätte  entstehen  sollen,  welche  leicht  genug 
Glauben  fanden,  oder  doch  in  Ermangelung  anderer  benutzt  wurden, 
wie  z.  ß.  die  Legende  vom  Apostel  Thomas,  deren  Unglaubwürdig- 
keit  wohl  bekannt  war4).  Bald  hatte  man  Legenden  für  jeden  Tag 
im  Jahr,  und  eine  Sammlung  derselben  veranstaltete  schon  im  An- 
fange des  zehnten  Jahrhunderts  Wolfhard,  Mönch  zu  Herrieden5). 
Kleinere,  unvollständige  Legendarien  hatte  man  schon  früher,  und 
sie  finden  sich  in  grofser  Zahl  in  den  folgenden  Jahrhunderten,  bis 
sie  endlich  wiederum  verdrängt  wurden  durch  die  in  zahllosen  Ab- 
schriften verbreitete  Goldene  Legende  des  Jacob  von  Genua6), 
welche  dem  Gebrauch  für  das  Leben  und  für  die  praktische  An- 
wendung auf  der  Kanzel  am  meisten  entsprach  und  in  gedrängter 
Kürze  den  ganzen  Kreis  der  Heiligengeschichte  auf  den  Umfang 
eines  Bandes  beschränkte. 

Geschichtlich    ist  Jacobs   compendiarische   Behandlung   der   Le- 
genden   unbrauchbar;    die    ausführlichen    Lebensbeschreibungen   der 

J)  Canis.  II,  3,  89.  Vgl.  Dümmler,  St.  Gall.  Denkmale,  S.  252.  Scherrer 
S.  149  über  den  cod.  454.  Dümmler,  Forsch.  XXV,  202  ff.  Es  ist  unvoll- 
ständig erhalten. 

2)  NA.  IV,  544.  VI,  285.  Noch  ungedruckt.  Die  nach  der  Vorr.  zur 
Bezeichnung  seiner  Zusätze  gesetzten  obeli  finden  sich  in  der  Hs.  nicht.  —  Ein 
metr.  Martyrologium  (Anf.  Jure  kalendarum)  ist  aus  dem  angels.  Theil  der 
Hs.  Galba  A  18,  die  K.  Aethelstans  Psalter  gewesen  sein  soll,  herausg.  v. 
Hampson,  Medii  Aevi  Kalendarium  (1841)  S.  397—420.  Die  Hs.  ist  be- 
schrieben in  Thompons  Catal.  of  anc.  mss.  Latin  (1884)  S.  12,  Fase.  pl.  28. 

3)  Darüber,  nebst  Zusätzen  einer  späteren  Bearbeitung,  Dümmler  ib. 
S.  208—214. 

4)  Ch.  Schmidt,  Histoire  du  Chapitre  de  Saint-Thomas  de  Strasbourg, 
p.  121.  Auch  in  Handschriften  des  Thomasklosters  zu  Vorau  fand  ich  die 
Klage  über  den  Mangel  an  authentischen  Nachrichten  bei  den  Legenden 
des  Heiligen,  die  man  aus  Noth  benutzte. 

5)  Anon.  Haser.  MG.  SS.  VII,  256.     Vgl.  Archiv  V,  565.  X,  645. 

6)  Jacobi  a  Voragine  Legenda  aurea,  vulgo  Historia  Lombardica  dieta, 
rec.  Th.  Grässe.     Ed.  II.     Lips.  1850.  8. 


62  I-    Vorzeit.     §  3.    Anfänge  und  Gattungen. 

Heiligen  aber  enthalten  für  manche  Zeiträume  die  werthvollsten 
Nachrichten.  Auch  diese  Aufzeichnungen  finden  ihre  Yorbilder 
schon  in  den  früheren  Jahrhunderten  der  römischen  Kaiserzeit.  Die 
christlichen  Gemeinden  theilten  sich  unter  einander  die  Todestage 
der  Märtyrer  mit  nebst  den  Umständen  ihres  Leidens,  und  solche 
Mittheilungen  wurden  bei  ihren  Zusammenkünften  verlesen.  Bald 
fing  man  auch  an,  das  Leben  anderer  frommer  Männer,  der  Bekenner, 
aufzuzeichnen.  Cassians  vielgelesenes  Werk  über  die  Einsiedler  der 
Thebais,  das  Leben  des  Cyprian,  Ambrosius,  Augustin  und  ganz 
besonders  das  um  400  von  Sulpicius  Severus  verfafste  und  durch 
ganz  Gallien  verbreitete  Leben  des  heiligen  Martin  von  Tours1)  reg- 
ten zu  ähnlicher  Thätigkeit  an2).  Benedict  von  Nursia,  der  eigent- 
liche Begründer  des  abendländischen  Mönchthums,  fand  einen  Bio- 
graphen in  dem  Pabste  Gregor  dem  Grofsen,  und  dieses  Werk  fehlte 
natürlich  in  keinem  Kloster  seines  Ordens;  nebst  den  übrigen  Bü- 
chern der  Dialoge  bot  es  der  Wundersucht  des  Mittelalters  reiche 
Nahrung  und  reizte  zur  Nachahmung.  Daran  also  schliefst  sich  nun 
eine  überaus  reiche  Litteratur,  und  wenn  auch  vielfach  der  erbau- 
liche Ton  so  sehr  überwiegt,  dafs  der  geschichtliche  Werth  nur 
gering  ist,  so  ist  doch  keine  der  wirklich  echten  gleichzeitigen 
Biographien  ganz  ohne  Frucht,  und  für  die  Zeiten,  wo  die  Heiligen 
zugleich  Staatsmänner  waren,  gehören  ihre  Lebensbeschreibungen  zu 
den  wichtigsten  Quellen  der  Geschichte.  Mit  dem  dreizehnten  Jahr- 
hundert aber  verlieren  sie  fast  alle  Bedeutung. 

Ganz  vereinzelt  erscheint  daneben  die  weltliche  Biographie;  nur 
einige  Kaiser  haben  Lebensbeschreiber  gefunden,  und  wenn  Einhard 
den  Sueton  zum  Vorbilde  nahm,  so  ist  das  nur  eine  Frucht  der 
durch  Karl  den  Grofsen  erneuten  Einwirkuug  auch  der  heidnischen 
Classiker;  eine  lebendige  Fortentwickelung  knüpfte  sich  nur  an  die 
kirchliche  Litteratur. 

Zu  erwähnen   bleibt   endlich   noch    eine  Art   der    Aufzeichnung, 

J)  Vgl.  Reinkens,  Martin  v.  Tours  (1866)  S.  258—274.  Fast  unbeach- 
tet dagegen  und  ohne  Nachwirkung  blieb  desselben  Sulpicius  Chronik  bis 
403,  welche,  die  jüdische  Geschichte  mit  der  profanen  verarbeitend,  im 
Stil  sich  den  Werken  des  Sallust,  Vellejus,  Tacitus  anschlofs  und  dem 
Geschmack  des  Mittelalters  nicht  zusagte;  s.  die  geistreiche  Würdigung 
dieses  Werkes  von  Jakob  Bernays:  Ueber  die  Chronik  des  Sulpicius  Se- 
verus, Berlin  1861,  4.  u.in  d.  Sammlung  seiner  Kl.  Schriften.  Benutzung  in 
der  V.  Heinr.  IV  sucht  Gundlach  nachzuweisen,  NA.  XI,  299—304.  Neue 
Ausg.  von  C.  Halm:  Sulpicii  Severi  libri  qui  supersunt,  Vindob.  1866.  Ebert 
S.  327—336. 

2)  Wie  sehr  es  bis  ins  13.  Jahrh.  als  Vorbild  diente  und  ausgenutzt 
wurde,  zeigt  Manitius,  NA.  XIV,  165—170.     XV,  194—196. 


Legenden.     Necrologien.  63 

welche  den  Martyrologien  sehr  nahe  steht  und  häufig  damit  ver- 
bunden ist,  die  Necrologien  nämlich,  in  welchen  die  Todestage 
aller  derjenigen  verzeichnet  wurden,  deren  Gedächtnifs  in  der  Kirche 
oder  dem  Kloster,  dem  diese  Aufzeichnungen  angehörten,  gefeiert 
werden  sollte.  Da  jeder  angesehene  Mann  sich  um  seiner  Seligkeit 
willen  eine  solche  Gedächtnifsfeier  zu  sichern  pflegte,  erfahren  wir 
hierdurch  ihre  Todestage,  deren  Kenntnifs  für  manche  Fragen  wichtig 
werden  kann;  auch  für  die  verwandtschaftlichen  Verhältnisse  ist 
manches  daraus  zu  entnehmen,  und  zuweilen  sind  auch  einzelne  ge- 
schichtliche Begebenheiten  anderer  Art  darin  verzeichnet.  Zur  ge- 
schichtlichen Litteratur  kann  man  diese  Namensverzeichnisse  nicht 
rechnen,  und  ich  beschränke  mich  daher  auf  diese  Erwähnung  und 
auf  ein  Verzeichnifs  der  mir  bekannt  gewordenen,  gedruckten  Ne- 
crologien, welches  im  Anhange  zu  finden  ist. 

Eine  Zeitbestimmung  ist  nicht  hinzugefügt,  weil  auch  in  jüngere 
Necrologien  einzelne  ältere  Angaben  herübergenommen  sind,  und 
ältere  durch  die  fortgesetzten  Eintragungen  werthvoller  zu  werden 
pflegen.  Doch  ist  es  nicht  unwichtig,  die  Zeit  der  ersten  Anlage 
zu  erkennen;  bei  dem  lobenswerthen  Versuche,  dahin  zu  gelangen, 
begegnet  aber  stets  wiederholt  ein  Fehler,  vor  dem  ich  deshalb  aus- 
drücklich warnen  möchte.  Die  Herausgeber  glauben  nämlich,  zu 
dieser  Bestimmung  die  Ansetzuug  des  Osterfestes  benutzen  zu  kön- 
nen und  lassen  sich  dabei  auch  durch  den  auffallenden  Umstand 
nicht  stören,  dafs  dieser  überall  derselbe  ist,  nämlich  der  27.  März; 
auch  nicht  dadurch,  dafs  es  ja  gar  keinen  Sinn  haben  würde,  das 
zufällige  Datum  eines  einzelnen  Jahres  einzutragen.  Es  ist  aber 
dieser  27.  März  ein  festes  Datum,  welches  man  für  dasjenige  der 
wirklichen  Auferstehung  hielt. 

Den  vollen  Nutzen  für  geschichtliche  Forschung  werden  diese 
Necrologien  erst  gewähren,  wenn  sie  systematisch  gesammelt,  durch- 
gearbeitet und  zusammengestellt  sind.  Das  ist  jetzt  geleistet  von 
Baumann  für  die  Sprengel  von  Augsburg,  Constanz  und  Chur1), 
von  Herzberg-Fränkel  für  Salzburg2). 

Geschichtlich  noch  wichtiger  sind  die  Todten-Annalen,  in  wel- 
chen Jahr  für  Jahr  die  Todesfälle  eingetragen  sind.  Solche  sind 
aus   Fulda  von  779    bis    1065   erhalten3),    und   an    diese    sich    an- 


1)  MG.  Necrologia    Germaniae  I.  1888;    vgl.  NA.  VII,    19—41.  VIII, 
425—447.    XIII,  409-429. 

2)  Vol.  II,  1.  1890;  vgl.  NA.  XIII,  269-304. 

3)  Erste  vollständige  Ausgabe  aus  den  verschiedenen  Hss.  von  G.  Waitz: 
Annales  necrologici  Fufdenses,  MG.  SS.  XIII,  161 — 215. 


04  I-  Vorzeit.     §  4.    Anfänge  und  Gattungen. 

schliefsend,  aber  weit  weniger  reichhaltig,  aus  Prüm,  von  1039 
bis  1104 l),  aus  St.  Blasien  von  vor  1036  bis  14742). 

Verschieden  davon  sind  die  Verbrüderungsbücher,  in  welche 
Lebende  eingetragen  wurden;  bei  weitern  das  wichtigste  darunter 
ist  das  von  Karajan,  jetzt  aber  mit  wesentlichen  Verbesserungen  von 
Herzberg-Fränkel  herausgegebene  von  Sanct  Peter  in  Salzburg3); 
von  einer  systematischen  Bearbeitung  sind  die  von  Sanct  Gallen, 
Reichenau  und  Pfävers  erschienen4).  Sie  geben  über  die  Ver- 
bindungen der  Klöster  untereinander  Nachricht  und  sind  durch  die 
Fülle  alter  Eigennamen  für  die  Sprachforschung  von  Bedeutung. 
Auch  von  den  Rot  ein  späterer  Zeit,  durch  welche  man  von  den 
Todesfällen  verbundenen  Klöstern  Nachricht  gab,  und  welche  theils 
nur  mit  Empfangsbescheinigung,  theils  sogar  mit  längeren  Gedichten 
versehen  wurden,  hat  sich  namentlich  in  Frankreich  eine  grofse  An- 
zahl, wenn  auch  meistens  nur  fragmentarisch,  erhalten,  welche  von 
L.  Delisle  gesammelt  und  herausgegeben  ist5). 

Eine  besondere  Erwähnung  verdienen  endlich  noch  die  alten 
Diptycha,  in  welche  Namen  ohne  Daten  eingetragen  wurden,  um 
sie  der  Fürbitte  theilhaftig  werden  zu  lassen,  wobei  auf  die  Ordnung 
nichts  ankam;  aus  Fulda,  Trier,  Novara  haben  sich  dergleichen  er- 
halten. In  Ermangelung  anderer  Denkmäler  hat  man  daraus  Bischofs- 
listen entnommen,  deren  Lückenhaftigkeit  und  Umstellungen  sich 
aus  solchem  Ursprung  erklären.  Ein  Liber  vitae  ecclesiae  Dunel- 
mensis  (jetzt  Cott.  Domit.  A.  VII)  aus  der  Mitte  des  neunten  Jahr- 
hunderts und  bis  in  späte  Zeit  fortgeführt,  lag  im  Prachtband  auf 
dem  Altar6),  herausgegeben  von  Stevenson  1841. 

Eine  besondere  Art  von  Namensverzeichnissen  entstand  durch 
die  Sitte,  in  Evangelienbücher  Namen   einzutragen,   wovon    man 

<• 

*)  Ann.  necrol.  Prüm.  ib.  p.  219 — 223. 

2)  Necrol.  I,  329-333.  Die  Weltenburger  1045—1109  (MB.  XIII, 
473 — 498)  werden  auch  wohl  bei  den  Necrol.  gedruckt. 

3)  Necrol.  II,  3—60;  vgl.  NA.  XII,  53-107. 

4)  MG.  Libri  Confraternitatum  S.  Galli,  Augiensis,  Fabariensis,  ed. 
P.  Piper  1884.  Das  Verbrüderungsbuch  von  St.  Gallen  ist,  nebst  dem 
Buch  der  Gelübde,  auch  von  E.  Arbenz  herausgegeben  und  erläutert,  Mitth. 
z.  vaterl.  Gesch.  XIX,  St.  Gallen  1884.  Vgl.  auch  C.  Will,  Monum.  Bli- 
denstatensia,  p.  XX — XXII.  A.  Ebner,  Die  klösterlichen  Gebetsverbrüde- 
rungen.   Regensb.  1890. 

5)  Des  monuments  paleographiques  concernant  l'usage  de  prier  pour 
les  morts,  Bibl.  de  Tecole  des  chartes,  II,  3,  361—411,  und  die  Ausgabe: 
Rouleaux  des  raorts  du  IX.  au  XV.  siecle,  1866.  Vgl.  Wattenbach,  Schrift- 
wesen (2.  Ausg.)  S.  137. 

6)  Genaue  Beschreibung  der  Hs.  von  Thompson  im  Catalogue  of  ancient 
Latin  Mss.  p.  81—84. 


Die  Ostgothen.  (35 

sich  gute  Folgen  für  das  Seelenheil  versprach.  So  schrieb  nach 
einer  Mittheilung  yon  K.  Lamprecht  in  d.  Westd.  Ztschr.  IV,  156 
in  einem  Evangeliar  des  Castorstifts  in  Coblenz  der  Schreiber  selbst 
hinzu:  „Waniggus  peccator  nomen  habeo.  in  vitae  libro  mei  memo- 
riam  condo".  Darauf  folgen  andere  Namen.  Beispiele  davon  kom- 
men auch  sonst  vor1);  geschichtlich  wichtig  sind  die  Eintragungen 
im  Evangeliar  von  Aquileja  für  die  Anfänge  des  Christenthums  unter 
den  Bulgaren ,  während  Theodelinde  und  andere  Namen  später  be- 
trügerisch zugesetzt  sind,  was  Bethmann  entdeckt  und  nachge- 
wiesen hat2). 


§  4.     Die  Ostgothen.     Cassiodor. 

Manso,  Geschichte  des  ostgothischen  Reiches  in  Italien,  Breslau  1824.  Aschbach,  Ge- 
schichte der  Westgothen,  Frankf.  1827.  Waitz,  lieber  das  Leben  und  die  Lehre  des 
Ulfila,  Hannov.  1840,  4.  ßessell,  Ueber  das  Leben  des  Ulfilas  und  die  Bekehrung 
der  Gothen  zum  Christenthum,  Gott.  1860.  Max  Müller,  Lectures  on  the  Science 
of  Language,  2.  ed.  1862,  p.  179  ff.  Bessell,  Art.  Gothen  in  der  Encyklopädie  von 
Ersch  und  Gruber  I,  75.  S.  98  —  242  (1862).  Raszmann,  Goth.  Sprache  und  Littera- 
tur,  ib.  294—348.  Wietersheim,  Geschichte  der  Völkerwanderung,  bes.  II,  137  ff. 
Pallmann,  Die  Geschichte  der  Völkerwanderung,  I,  Gotha  1863.  II,  Weimar  1864. 
F.  Dahn,  Die  Könige  der  Germanen,  Abth.  II.  1861.  Wackernagel,  Geschichte  der 
deutschen  Litteratur,  S.  15  —  22.  Bernhardy,  Grundrifs  der  römischen  Litteratur, 
§  60.  A.  Thorbecke,  C.  Senator,  Progr.  d.  Heidelb.  Lyceums  1867.  Ad.  Franz,  C.  Se- 
nator, ein  Beitr.  z.  Gesch.  d.  theol.  Litt.  Bresl.  1872.  Teuffei  §  475.  Ebert  S.  498 
bis  542.  Balzani  p.  1—19.  Rinaudo  p.  25— 31.  —  Ueber  Cassiodor  und  Jordanis: 
Papencordt,  Geschichte  der  vandal.  Herrschaft  in  Afrika  (1837),  S.  383  —  388. 
Freudensprung,  De  Jornande  sive  Jordane  et  libellorum  eius  natalibus,  Monaci  1837. 
H.  v.  Sybel,  De  fontibus  libri  Jordanis  de  origine  actuque  Getarum,  Berol.  1838; 
Entstehung  d.  D.  Königthums,  2.  Ausg.  (1881)  S.  134-208.  Waitz,  GGA.  1839, 
S.  769  —  781.  Job.  Jordan,  Jordanes  Leben  und  Schriften,  Progr.  des  Gymnasiums 
zu  Ansbach,  1843.  J.Grimm,  Ueber  Jornandes.  Abh.  der  Berliner  Akademie,  1846 
(Kleinere  Schriften  III,  171-235).  Cassel,  Magyarische  Alterthümer,  1848,  S.  293 
bis  310.  Stablberg,  Jornandes,  Programm  der  höheren  Bürgerschule  zu  Mühlheim 
a.  R.  1854.  C.  Schirren,  De  ratione,  quae  inter  Jordanem  et  Cassiodorium  intercedat 
commentatio,  Dorp.  1858;  vgl.  die  Rec.  von  A.  v.  Gutschmid,  Jahrbücher  für  classische 
Philologie,  1862,  S.  124— 151.  R.Köpke,  Deutsche  Forschungen,  Berl.  1859.  Bessell, 
Art.  Gothen,  S.  101  — 116,  recapitulirt  die  ganze  Frage.  Waitz,  Gott.  Nachrichten 
1865  N.  4,  über  das  Verhältnifs  zum  Anon.  Cuspiniani.  Baehr  S.  247— 262.  Momm- 
sen,  Praef.  Jord.  p.  XL.— XLIV.  —  Cassiodori  Opera  ed.  Garet,  Rothomagi  1679.  fol. 
Frammenti  di  orazioni  panegiriche,  raccolti  cd  illustrati  di  Carolo  Baudi  de  Vesme, 
Memorie  della  Real  Acad.  delle  Scienzie,  Serie  II,  Vol.  VIII;  vgl.  Reifferscheid, 
SB.  68,  483,  Fragm.  d.  Lobrede  auf  K.  Theodahat,  viell.  von  Cassiodor  nach  Arbois 
de  Jubainville,  Bibl.  de  l'Ecole  des  chartes,  V,  3,  139,  vgl.  M.  Haupt  in  Hermes 
VII,  377.  H.  Usener,  Festschrift  zur  Philo!.  Vers,  in  Wiesbaden  1877  (Anecdoton 
Holderi,  Excerpt  aus  der  früher  unbekannten  Schrift  C.'s  über  die  Schriftsteller  in 
seiner  Familie);  vgl.  aber  Schepss,  im  NA.  XI,  125  —  128.  F.  Rühl,  Ein  Anecdoton 
zur  Goth.  Urgesch.  im  Jahrb.  f.  class.  Philol.  1880,  S.  549  —  576  (Barbarischer 
Auszug  aus  Cass.  über  Skythen  und  Amazonen). 

Das  ostgothische  Reich,  so  kurz  es  dauerte,  bildete  doch  ein 
sehr  wichtiges  Mittelglied  zwischen  der  antiken  Welt  und  dem  Mittel- 
alter, welche  sich  in  ihm  auf  merkwürdige  Weise  berühren. 

»)  L.  Delisle,  Bibl.  de  l'Ecole  des  eh.  1876,  S.484.  —  2)  NA.  II,  112—128. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  5 


66  I.    Vorzeit.     §  4.    Ostgothen. 

Der  gothische  Stamm  war  einer  der  begabtesten,  bildungsfähig- 
sten deutschen  Stämme.  Er  allein,  nebst  den  Angelsachsen,  hat  von 
Anfang  an  auch  die  Muttersprache  ausgebildet,  nicht  nur  in  Lied 
und  Gesang,  sondern  auch  zu  wissenschaftlichem  Gebrauch;  aufser 
Vulfila's  Bibelübersetzung  haben  sich  auch  Fragmente  einer  Evan- 
gelienharmonie erhalten.  Getrennt  von  der  herrschenden  Kirche, 
feierten  sie  den  Gottesdienst  in  ihrer  eigenen  Sprache1),  und  deren 
Gebrauch  war  dadurch  bei  ihnen,  wie  später  bei  den  Slaven,  besser 
gesichert  als  in  der  römischen  Kirche.  Dennoch  hätten  auch  die 
Ostgothen ,  wäre  ihrem  Reiche  längere  Dauer  beschieden  gewesen, 
sich  der  Uebermacht  römischer  Cultur  wohl  sicher  ebenso  wenig 
zu  erwehren  vermocht,  wie  die  Westgothen  in  Spanien  und  später 
die  Angelsachsen. 

Denn  mit  der  gröfsten  Empfänglichkeit  wandten  die  Gothen 
sich  auch  der  antiken  Bildung  zu;  Theoderichs  Reich  ist  merkwürdig 
als  ein  Versuch,  die  neuen  Elemente  mit  den  alten  zu  vereinen  und 
die  Herrschaft  in  den  alten  Formen  fortzuführen;  an  seinem  Hofe 
hörte  man  noch  die  alten  gothischen  Heldenlieder,  aber  es  sammel- 
ten sich  dort  auch  die  noch  übrigen  Träger  der  alten  Bildung; 
hier  entstanden  mehrere  der  Werke,  welche  die  Elemente  der  alten 
Cultur  dem  Mittelalter  überlieferten,  aus  denen  es  seine  Kenntnifs 
des  Alterthums  schöpfte  und  zugleich  den  gezierten  dunklen  Stil 
lernte,  der  damals  in  den  Schulen  der  Rhetoren  und  Grammatiker 
für  schön  galt. 

Den  Schriftstellern  des  vierten  Jahrhunderts,  Donat,  Macrobius, 
Marcianus  Capella,  reiht  sich  Priscianus  an,  Theoderichs  Zeitgenosse 
und  mit  Cassiodor  bekannt;  doch  lebte  er  in  Constantinopel.  Einer 
der  Hauptlehrer  des  Mittelalters  aber,  dem  es  zunächst  die  Kennt- 
nifs der  Aristotelischen  Philosophie  verdankte,  war  Boethius2),  der 
mit  seinem  gelehrten  Schwiegervater  Symmachus  am  Hofe  zu  Ra- 
venna  lebte.  Die  Familie  der  Syrnmacher,  die  domni  Symmachi, 
werden  uns  ganz  besonders  genannt  unter  den  Männern,  welche  in 
genauer  Verbindung  mit  den  Schulen  der  Grammatiker  und  Rhetoren 
noch  einmal  das  sinkende  Heidenthum  neu  zu  beleben  suchten, 
durch  Auffrischung  der  Mysterien,  der  Philosophie,  und  namentlich 
auch  durch  angelegentliche  Beschäftigung  mit  der  alten  Litteratur, 
deren  Werke  sie  durch  sorgfältige  Verbesserung  der  verwahrlosten 
Handschriften  in  diejenige  Gestalt  brachten,  in  welcher  sie  uns  jetzt 

x)  Papencordt,  Geschichte  der  vandalischen  Herrschaft  in  Afrika,  S.  295. 
2)  So   nach   der  Etymologie,    während   die    handschriftliche   Autorität 
mehr  für  Boetius  spricht. 


Boethius.     Ablavius.  67 

vorliegen1).  Das  Christenthum  war  nun  freilich  bereits  zum  unbe- 
strittenen Siege  durchgedrungen,  dennoch  aber  stehen  diese  Männer 
noch  ganz  auf  dem  Boden  der  alten  heidnischen  Bildung.  Auch 
Cassiodor  gehört  dazu;  erst  in  seinem  Alter  gab  er  sich  immer 
mehr  einer  kirchlich  frommen  Richtung  hin. 

Dieselbe  Mischung  römischer  und  deutscher,  heidnischer  und 
christlicher  Elemente,  wie  an  Theoderichs  Hofe,  finden  wir  nun 
auch  in  der  geschichtlichen  Litteratur,  die  uns  leider  nur  theil- 
weise  erhalten  ist.  Was  es  für  eine  Bewandtnifs  mit  den  gothi- 
schen  Philosophen  habe,  mit  Athanarit,  Hildebald  und  Markomir, 
auf  die  sich  der  Ravennatische  Geograph  beruft,  ob  sie  existirt 
haben  oder  nicht,  ist  bis  jetzt  noch  dunkel2).  Auch  der  von 
Jordanis3)  benutzte  und  gelobte  Ablavius,  der  „treffliche  Ge- 
schichtschreiber des  gothischen  Volks",  bleibt  in  zweifelhaftem 
Dunkel;  Mommsen  vermuthet,  dafs  er  an  Theoderichs  Hofe  nicht 
lange  vor  Cassiodor  geschrieben  und,  der  gothischen  Sprache  kundig, 
ihre  Ueberlieferungen  und  Lieder  mit  den  Nachrichten  des  Priscus  u.  a. 
verbunden  habe.  Er  ist  geneigt,  einen  sehr  wesentlichen  Theil  des 
Cassiodorischen  Werkes  ihm  zuzuschreiben,  aber  Schirren  hat  sich 
mit  guten  Gründen  von  neuem  sehr  nachdrücklich  dagegen  erklärt. 
Der  Name  ist  in  jener  Zeit  häufig  und  lautet  correct  Ablabius, 
doch  folge  ich  lieber  der  damals  üblichen,  durch  Jordanis  bezeugten 
Aussprache. 

Der  rechte  Repräsentant  dieses  Uebergangsreiches  ist  Magnus 
Aurelius  Cassiodorius4)  Senator,   ein  vornehmer  Römer   von  an- 

*)  0.  Jahn:  Ueber  die  Subscriptionen  in  den  Handschriften  römischer 
Classiker.  Berichte  über  die  Verhandlungen  der  königl.  Sachs.  Ges.  der 
W.  Phil.  hist.  Classe,  III,  327.  1851. 

2)  Th.  Mommsen,  Ueber  die  Ravennatische  Kosmographie,  SB.  der  k. 
Sachs.  Ges.  der  W.  Phil.  hist.  Classe,  III,  80  —  117,  1851.  Bock,  Lettre  ä 
Mr.  Bethmann,  Annuaire  de  la  Bibl.  Royale  de  Belgique,  Vol.  XII.  1851. 
Rec.  von  Waitz,  GGA.  185.1,  N.  121.  Ravennatis  Anonymi  Cosmographia 
et  Guidonis  Geographia.  Ex  libris  manuscriptis  edd.  M.  Pinder  et  G.  Par- 
they, Berol.  1860.  —  Guido  Pisanus  excerpirte  das  ältere  Werk  des 
siebenten  Jahrhunderts  um  1119.  Während  Mommsen  und  de  Rossi  (Gior- 
nale  Arcadico  CXXIV  p.  259 — 281,  1851)  sammt  vielen  anderen  seiner 
Autoritäten  auch  die  gothischen  Philosophen  für  erfunden  halten ,  sehen 
Bock  und  Paümann  I,  9 — 12.  II,  139,  in  ihnen  Zeitgenossen  Theoderichs. 

3)  De  orig.  Gett.  c.  4.  14.  23.  Vgl.  Sybel,  De  fontibus  Jord.  p.  34—37. 
Schirren  S.  36—44.  Koepke  S.  80.  Gutschmid  S.  129.  130.  Sybel,  König- 
thum,  S.  193.  Mommsen,  Praef.  Jord.  p.  XXXVII.  —  Dafs  um  1200  je- 
mand Blavius  de  yestis  Gothorum  aus  der  Bibliothek  des  Klosters  Tegernsee 
verlangte  (Pez,  Thes.  VI,  2,  53),  erklärt  sich  wohl  einfach  aus  der  Leetüre 
des  Jordanis.  Die  Meinung  von  P.  Buchholz,  dafs  Flavius  Blondus  den 
A.  gekannt  habe,  widerlegt  Mommsen. 

4)  Diese    Form   wird   man   nach   dem   Veroneser   Cod.  saec.    VII.    der 

5* 


68  I.    Vorzeit.     §4.    Ostgothen. 

gesehener  Familie,  aus  Bruttien,  vielleicht  aus  Squillace  gebürtig. 
Dem  Beispiele  seines  Vaters  folgend ,  stellte  er  sich  der  Herrschaft 
der  Barbaren  nicht  feindselig  oder  schmollend  gegenüber,  sondern 
war  als  Staatsmann  und  als  Gelehrter  aufrichtig  und  unablässig 
bemüht,  die  widerstrebenden  Elemente  friedlich  zu  verbinden  und 
auszugleichen  ;  als  Minister  Theoderichs  und  seiner  Nachfolger  suchte 
er  die  Regierung  in  den  alten  Formen  fortzuführen,  und  als  Ge- 
schichtschreiber verkündete  er  den  erstaunten  Römern,  dafs  das  Yolk 
der  Gothen  und  das  Königsgeschlecht  der  Amaler  ihnen  an  Alter 
und  Adel,  ja  sogar  an  uralter  Cultur  mindestens  ebenbürtig  sei. 

Schon  die  Chronik  Cassiodors1)  dient  der  Verherrlichung 
Theoderichs  und  seines  Eidams  Eutharich,  dem  sie  in  seinem  Con- 
sulatsjahre  überreicht  wurde;  der  Schwall  der  Lobrede  belebt  496 
bis  519  das  dürftig  und  ungeschickt  zusammengestoppelte  chrono- 
logische Gerippe,  dessen  Mangelhaftigkeit  und  willkürlich  leicht- 
sinniges Machwerk  Th.  Mommsen  schonungslos  aufgedeckt  hat.  Auch 
die  wenigen  früheren  historischen  Notizen  zur  Consulartafel,  die  er 
aus  Hieronymus,  Prosper,  Eutrop,  von  456 — 493  aus  den  Ravennater 
Fasten  schöpfte2),  hat  er  in  gothischem  Interesse  verändert3).  Von 
weit  gröfserem  Werth ,  fleifsiger  gearbeitet  und  der  schulmäfsigen 
Gelehrsamkeit  jener  Zeit  entsprechend  waren  Cassiodors  zwölf  Bücher 
Gothischer  Geschichten,  ein  früh  verlorenes  Werk,  über  wel- 
ches jedoch  der  Auszug  des  Jordanis  ein  Urtheil  gestattet,  denn 
nach  den  Untersuchungen  von  Schirren  und  Koepke  kann  man  es 
jetzt  wohl  als  festgestellte  Thatsache  betrachten,  wie  es  denn  auch 
von  Mommsen  angenommen  ist,  dafs  der  ganze  wesentliche  Inhalt 
dieses  Werkes  mit  Einschlufs  des  gelehrten  Apparats  von  Cassiodor 
herrührt4).     Aufserdem   finden    sich   in   der  Sammlung    seiner  Briefe 

Complexiones  vorziehen  müssen,  mit  Maffei  und  Reifferscheid,  SB.  XLIX,  49. 
Auch  Mommsen  braucht  sie  (doch  jetzt  nicht  mehr),  während  F.  Rühl, 
Jahrb.  f.  Philol.  1880,   S.  564,  sich  dagegen  erklärt. 

2)  Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  Jahre  519.  Nach  den 
Handschriften  herausgegeben  von  Th.  Mommsen.  Abhandl.  der  königl. 
Sachs.  Ges.  der  Wiss.  VIII.  1861.  —  Zugesetzt  sind  die  Consuln  520—559. 
Benutzt  ist  die  Chronik  nur  von  Hermanus  Contractus  aus  der  Reichenauer, 
von  Marian  und  den  Ann.  S.  Dysibodi  aus  der  Mainzer  Handschrift. 

2)  Holder-Egger,  NA.  I,  247—250. 

3)  Vgl.  Thorbecke  S.  43.  Ueber  ein  ähnliches  Verfahren  in  der  Gothen- 
geschichte  s.  G.  Kaufmann,  Forschungen  VI,  464. 

4)  Auch  H.  v.  Sybel,  der  in  seiner  Abhandlung  die  entgegengesetzte 
Ansicht  durchgeführt  hatte,  gab  1858  in  der  Hist.  Zeitschr.  II,  515  die 
Wahrscheinlichkeit  der  Beweisführung  von  Schirren  und  Koepke  zu.  Ihm 
folgt  darin  auch  Bessell.  Nur  die  Benutzung  des  Orosius  hält  Mommsen 
für  Eigenthum  des  Jordanis,  während  er  auf  die  von  H.  v.  Sybel  (Königth. 
S.  193)  aufgestellte  Behauptung,  dafs  J.  selbst  die  Reihe  der  Gothenkönige 


Cassiodor.  ß9 

mehrere  Aeufserungen,  welche  sich  aufsein  Geschichtswerk  beziehen; 
so  legt  er  gleich  in  der  Vorrede  einem  Freunde  die  Worte  in  den 
Mund1):  „Du  hast  in  zwölf  Büchern  die  Geschichte  der  Gothen  in 
einer  Blüthenlese  ihrer  glücklichen  Thaten  niedergelegt".  Varr. 
XII,  20  wird  eine  Stelle  über  die  Einnahme  Roms  durch  Alarich 
daraus  angeführt,  welche  beweist,  dafs  auch  die  Geschichte  der 
Westgothen  darin  behandelt  war. 

Wichtiger  aber  und  lehrreicher  sind  die  Worte  des  Königs 
Athalarich  in  dem  Schreiben  (Varr.  IX,  25),  durch  welches  er  dem 
römischen  Senat  Cassiodors  Erhebung  zum  Praefectus  praetorio  für 
das  Jahr  534  anzeigt.  Nicht  damit  habe  er  sich  begnügt,  heifst  es 
da,  die  lebenden  Herren  zu  loben:  „auch  in  das  Alterthum  Unseres 
Geschlechtes  ist  er  hinaufgestiegen  und  hat  durch  Lesen  erkundet, 
was  kaum  noch  in  dem  Gedächtnifs  unserer  Altvorderen  haftete. 
Er  hat  die  Könige  der  Gothen ,  welche  lange  Vergessenheit  barg, 
aus  den  Schlupfwinkeln  der  Urzeit  hervorgezogen.  Er  hat  die  Amaler 
mit  dem  vollen  Ruhm  ihrer  Herkunft  wieder  ans  Licht  gestellt, 
indem  er  klärlich  nachwies,  dafs  Wir  bis  in  die  siebenzehnte  Ge- 
neration von  königlichem  Stamme  sind.  Er  hat  die  Herkunft  der 
Gothen  zu  einer  römischen  Geschichte  gemacht,  und  die  Blüthen- 
keime,  welche  bis  dahin  auf  den  Gefilden  der  Bücher  hier  und  dort 
zerstreut  waren,  in  einen  einzigen  Kranz  gesammelt2).  Bedenkt, 
welche  Liebe  zu  euch  er  durch  Unser  Lob  bewiesen  hat,  da  er 
nachwies,  dafs  eueres  Herrschers  Stamm  von  Uranfang  her  wunder- 
bar gewesen  ist,  so  dafs,  wie  ihr  von  eueren  Vorfahren  her  immer 
für  edeler  Art  gegolten  habt,  so  nun  auch  ein  altes  Königshaus  über 
euch    die   Herrschaft  führt3)."     Und    weiterhin    wird   Cassiodor    ge- 

aus  Ammian  ergänzt  habe,  nicht  Rücksicht  nimmt.  —  Nach  F.  Riihl  kannte 
auch  Aethicus  das  Werk  Cassiodors. 

*)  „XII  libris  Gothorum  historiam  defloratis  prosperitatibus  condi- 
disti."  Bessells  Deutung  (Forschungen  I,  639 — 643)  „mit  auserlesenem  Glück 
geschrieben",  scheint  mir  unhaltbar,  trotz  Thorbecke1s  Zustimmung. 

2)  Gutschmid  S.  140  bemerkt,  dafs  Cassiodor  in  diesen  Worten  Justins 
Vorrede  nachgeahmt  zu  haben  scheine. 

3)  Tetendit  se  etiam  in  antiquam  prosapiam  nostram,  lectione  discens 
quod  vix  majoruin  notitia  cana  retinebat.  Iste  reges  Gothorum  longa  ob- 
livione  celatos  latibulo  vetustatis  eduxit.  Iste  Amalos  cum  generis  sui 
claritate  restituit,  evidenter  ostendens  in  decimam  septimam  progeniem 
stirpem  nos  habere  regalem.  Originem  Gothicam  historiam  fecit  esse  Ro- 
manam,  colligens  quasi  in  unam  coronam  germen  floridum,  quod  per  libro- 
rum  campos  passim  fuerat  ante  dispersum.  Perpendite  quantum  vos  in 
nostra  laude  dilexerit,  qui  vestri  Principis  nationem  docuit  ab  antiquitate 
mirabilem,  ut  sicut  fuistis  a  majoribus  vestris  semper  nobiles  aestimati, 
ita  vobis  regum  (so  statt  verum  zu  schreiben,  scheint  mir  mit  Gutschmid 
selbstverständlich)  antiqua  progenies  imperaret. 


70  I.    Vorzeit.     §  4.    Ostgothen. 

rühmt,  weil  er  gleich  den  Anfang  von  Athalarichs  Herrschaft  gleich- 
mäfsig  mit  den  Waffen  und  mit  gelehrter  Thätigkeit  (litteris)  ge- 
fördert habe;  von  der  tiefen  Ruhe  litterarischer  Beschäftigung  auf- 
gescheucht1), habe  er  ohne  Zaudern  zu  den  Waffen  gegriffen. 

Cassiodor  selbst  ist  es,  der  diesen  Brief  verfafst  hat,  und  klar 
genug  hat  er  darin  Zweck  und  Absicht  seines  Werkes  ausgesprochen. 
Der  übergrofse  Abstand  zwischen  dem  kräftigen,  aber  noch  den 
Römern  als  barbarisch  geltenden  Gothenvolke  und  den  auf  ihre 
Geschichte  und  Bildung  stolzen  Römern  sollte  ausgeglichen  werden, 
das  war  der  leitende  Gedanke  in  Cassiodors  ganzer  Thätigkeit. 
Dazu  mufste  ihm  nun  auch  seine  Gelehrsamkeit  dienen;  dafs  Gothen 
und  Geten  dasselbe  Volk  wären,  war  eine  längst  geläufige  Annahme2), 
aber  noch  hatte  niemand  es  versucht,  den  Zusammenhang  nachzu- 
weisen. Cassiodor  that  es  und  zwar,  wie  jetzt  durch  das  von 
Holder  entdeckte  Fragment  bekannt  geworden  ist,  im  Auftrag  des 
Königs  Theoderich,  doch  erst  nach  dem  Tode  desselben  gelang  ihm 
die  Vollendung3).  Er  verflocht  zu  diesem  Zwecke,  was  er  über 
die  Gothen  wufste  und  bei  Ablavius  las,  mit  dem,  was  er  bei  Rö- 
mern und  Griechen  über  die  Geten  vorfand ,  und  da  diese  wie  jene 
von  den  Griechen  häufig  Skythen  genannt  wurden,  zog  er  auch  die 
ganze  Urgeschichte  der  Skythen  heran,  und  machte  sogar  die  Ama- 
zonen ohne  Bedenken  zu  gothischen  Weibern.  So  erschienen  die 
Amaler,  deren  Glanz  die  gothische  Sage  verkündete,  nun  als  un- 
mittelbare Nachfolger  des  Zamolxis  und  Sitalkes,  und  die  Römer 
konnten  darin  einen  Trost  finden  für  die  Bitterkeit  der  fremden 
Herrschaft4).  Es  war  das  ein  Gedanke,  der  wohl  Anerkennung  ver- 
dient, wenn  auch  der  Zweck  unerreicht  blieb,  die  Grundlage  irrig 
war,    wenn    auch    zur  Verherrlichung   der  Amaler    er  ihren   Stamm- 


1)  A  litterarum  penetralibus  ejectus.  Bessell  S.  115  bemerkt  richtig,  dafs 
damit  seine  Thätigkeit  in  der  k.  Kanzlei  nicht  wohl  bezeichnet  sein  kann. 

2)  S.  Schirren  S.  54.  Koepke  S.  209.  Die  von  J.  Grimm  vertheidigte 
Identität  kann  als  antiquirt  betrachtet  werden ;  ich  begnüge  mich,  auf  die  Anm. 
v.  Waitz  zu  verweisen,  Verfassungsgesch.  II,  S.  XIII,  2.  u.  3.  Ausg.  I,  S.  5. 

3)  Mommsen,  Praef.  Jord.  p.  XLI. 

4)  Diesen  Gedanken  hat  R.  Koepke  lichtvoll  entwickelt,  Forsch.  S.  89  ff. 
Die  Art  der  Verknüpfung,  das  chronologische  System  von  Cassiodors 
Gothengeschichte  weist  Gutschmid  S.  141  ff.  nach,  nachdem  er  S.  133 — 140 
den  Stammbaum  der  Amaler  behandelt  hat.  Er  hält  mit  Schirren  den 
Eutharich  für  keinen  wirklichen  Amaler  und  sieht  in  dessen  Stammbaum 
einen  Hauptzweck  des  Werkes;  aber  weshalb  wurde  dann  Eutharich  aus 
Spanien  geholt,  wenn  nicht,  weil  er  ein  Amaler  war?  Dafür  auch  Thorb. 
S.  18 — 20.  —  Waitz,  Nachrichten  1865  S.  101  vermuthet,  dafs  Cassiodors 
Geschichte  sich  auf  Theoderichs  Regierung  nicht  erstreckte.  Ihm  stimmt 
Thorb.  S.  45  bei. 


Cassiodors  Gothengeschichte  und  Variae.  71 

bäum  selbst  mit  freier  Dichtung  über  alle  Gebühr  verherrlicht 
haben  mag1). 

Als  Cassiodor  oder  Senator,  denn  das  war  sein  eigentlicher 
Name,  alle  seine  Bestrebungen  vereitelt  sah,  als  das  Gothenreich 
dem  Angriff  der  Mächte,  mit  welchen  er  es  hatte  aussöhnen  wollen, 
unterlag,  da  zog  er  sich,  vermuthlich  nach  Vitigis  Sturz  (um  540) 
von  der  Welt  zurück  und  gründete  ein  Kloster  (monasterium  Viva- 
riense)  in  Bruttien,  wo  er  das  Ende  seines  Lebens  in  stiller  Be- 
schaulichkeit und  schriftstellerischer  Thätigkeit  als  hochbetagter 
Greis  erwartete.  Hier  liefs  er  unter  seiner  Aufsicht  die  im  Mittel- 
alter vielgelesene  Kirchengeschichte2)  zusammenstellen  und  über- 
setzen; hier  schrieb  er  in  seinem  93.  Jahre  eine  Abhandlung  über 
die  Orthographie,  zum  Frommen  seiner  Mönche,  denen  er  die  Ver- 
vielfältigung der  Bücher  durch  Abschriften  ganz  besonders  zur  Pflicht 
machte.  Er  zuerst  hat  die  wissenschaftliche  Arbeit  grundsätzlich 
in  die  Klöster  eingeführt  und  dadurch  einen  weitreichenden  segens- 
reichen Anstofs  gegeben3).  Ist  er,  wie  Thorbecke  annimmt,  erst 
um  570  gestorben,  so  erlebte  er  noch  die  neue  Verwüstung  Italiens 
durch  die  Langobarden,  sah  er,  wie  die  blutigen  Lorbern  Justinians 
fruchtlos  hinwelkten. 

Von  vorzüglichem  Werthe  für  uns  sind  unter  seinen  erhaltenen 
Werken4)  die  538  verfafsten  zwölf  Bücher  seiner  Briefe  (Variae), 
in  welchen  er  die  Kanzleiformen  der  Zeit  und  viele  auch  durch 
ihren  Inhalt  wichtige  Briefe  aus  der  königlichen  Kanzlei  der  Gothen 
aufbewahrt  hat.  Das  Zureden  seiner  Freunde,  sagt  er  in  der  Vor- 
rede, habe  ihn  zu  dieser  Sammlung  veranlafst,  welche  einen  Vorrath 
fertiger  Formeln  darbieten  und  zugleich  zur  Bildung  junger  Staats- 
männer dienen  sollte,  während  sie  auch  das  Andenken  der  von  ihm 
gelobten  trefflichen  Männer  der  Nachwelt  erhalte.  Alles  habe  er 
hier  vereinigt,,  was  er  aus  der  Zeit  seiner  Quästur,  seines  Magiste- 
riums  und  seiner  Präfectur  in  den  öffentlichen  Actenstücken  von 
ihm  herrührend  habe  finden  können.  Doch  nicht  selten  sei  es  ihm 
begegnet,    dafs   er   wegen    übergrofser   Eile   bei    der   Ertheilung   von 

1)  Das  hat  vorzüglich  H.  v.  Sybel  nachgewiesen  und  eben  deshalb  an- 
genommen, dafs  die  nicht  als  Amaler  bezeichneten  Gothenkönige  erst  von 
Jordanis  eingeschoben  sind. 

2)  Die  Historia  tripartita,  durch  Epiphanius.  Ueber  dieses  sehr  man- 
gelhafte Werk  s.  Ad.  Franz  S.  104—120. 

3)  Thorb.  S.  29—31.     Sehr  ausführlich  Franz  S.  35  ff. 

4)  Sehr  lehrreich  sind  auch  seine  Institutiones  divinarum  et  saecula- 
rium  litterarum.  Ueber  die  verschiedenen  Texte  des  zweiten  Buches  s. 
Laubmann  in  d.  Münch.  SB.  1878,  II,  S.  71—96. 


72  !•    Vorzeit.     §  4.    Ostgothen.     §  5.    Jordanis. 

Würden  und  Ehren  hastige  und  schmucklose  Schreiben  erlassen 
habe:  davor  wolle  er  nun  andere  bewahren,  und  deshalb  habe  er 
die  im  sechsten  und  siebenten  Buche  enthaltenen  Formulare  für  die 
Verleihung  aller  Würden  nun  mit  Sorgfalt  überarbeitet1).  Denn 
reden  können  wir  alle  ohne  Unterschied;  nur  der  Schmuck  ist  es 
welcher  den  Gelehrten  vom  Ungelehrten  unterscheidet2). 

Das  war  der  Grundsatz  und  die  Richtschnur  der  damaligen 
Schulen,  und  demgemäfs  hat  denn  auch  Cassiodor  den  oft  gering- 
fügigen Inhalt  seiner  Briefe  unter  einem  solchen  Wortschwall  und 
so  vielem  Zierrath  der  gesuchtesten  Phrasen  verborgen,  dafs  es 
häufig  nicht  leicht  ist,  ihn  herauszufinden. 

Im  höchsten  Grade  trifft  dieser  Vorwurf  auch  die  Schriften  des 
Ennodius,  Bischofs  von  Pavia3),  unter  denen  besonders  sein  Pa- 
negyricus  auf  Theoderich  geschichtlich  wichtig  ist4). 

§  5.     Jordanis. 

Baehr  S.  249-260.  Teuffei  §  477.  Ebert  S.  556— 562.  Dahn,  A.D.  B.  XIV,  522-526. 
Rinaudo  p.  31  —  36.  Balzani  p.  19—21.  S.  d.  neuere  Litt,  zu  §  4.  Anstatt  der  äl- 
teren Ausgaben  genügt  es  jetzt,  die  Ausgabe  der  MG.  von  Mommsen  zu  nennen, 
Berl.  1882,  4.    (Auctorum  antiquiss.  V,  1.)     Rec.  von  Schirren,  Deutsche  LZ.   1882, 

*)  Diese  bestimmte  Angabe  macht  es  bedenklich,  Schirrens  Vermuthung 
zu  folgen,  der  auch  in  den  übrigen  Büchern  eine  bedeutende  Ueberar- 
beitung,  zum  Theil  neue  Abfassung  annimmt.  Er  hätte  ja  das  nicht  nöthig 
gehabt  zu  verschweigen. 

2)  „Dictio  semper  agrestis  est,  quae  aut  sensibus  electis  per  moram 
non  comitur  aut  verborum  minime  proprietatibus  explicatur.  Loqui  nobis 
communiter  datum  est:  solus  ornatus  est  qui  discernit  indoctos."  Die  Er- 
lasse in  seinem  eigenen  Namen,  als  Präfect,  aus  den  Jahren  534,  535, 
537,  538  finden  sich  im  elften  und  zwölften  Buche;  in  den  früheren 
schreibt  er  im  Namen  des  Königs.  Vgl.  über  die  Variae  Thorb.  S.  50 — 60. 
Horst  Kohl,  Zehn  Jahre  ostgoth.  Gesch.  (526—536),  Leipzig  1877.  Hasenstab, 
Studien  zur  Variensammlung  des  C.  S.  Progr.  d.  Max.  Gymn.  zu  München 
1883.  Tanzi,  Cronologia  dei  libri  Var.,  Triest  1887.  Ueber  eine  Abh.  v. 
Gaudenzi  s.  Mommsen,  NA.  XIV,  437. 

3)  Ennodii  Opera  ed.  Sirmond,  Paris  1611,  Hartel  im  Wiener  Corpus 
VI,  1882.  Rec.  v.  Krusch,  HZ.  LI,  100—102.  MG.  Auctt.  antt.  VII  von 
Fr.  Vogel  1885.  Fertig,  Magnus  Felix  Ennodius  und  seine  Zeit.  1.  Abth. 
Passau  1855,  4.  Pallmann  II,  190— 192.  Ebert  432— 440.  Rinaudo  p.  19— 24. 
Zur  Chronologie  Hasenstab,  Progr.  d.  Münch.  Luitpoldgymn.  1889/90.  Tanzi, 
s.  NA.  XV,  425.  Auf  die  Bedeutung  seiner  Vita  Epiphanii  ed.  Ticin.  weist 
Binding  hin:  Das  Burgundisch-roman.  Kgr.  I,  97.  Seine  Briefe  sind  cul- 
turgeschichtlich  wichtig.  —  Ueber  die  schon  früh  sagenhaft  entstellte 
Geschichte  Theoderichs,  aus  welcher  geschichtliche  Thatsachen  nicht  zu 
entnehmen  sind,  findet  sich  eine  sorgfältige,  auf  Untersuchung  der  Hand- 
schriften begründete  Abhandlung  bei  A.  Thorbecke:  Ueber  Gesla  Theoderici, 
Herbstprogr.  des  Heidelb.  Gymn.  1875.  Ausg.  v.  Krusch,  SS.  Meroving.  II, 
200-214. 

4)  Dafür  H.  v.  Schubert:   Die  Unterwerfung  der  Alamannen   (Strassb. 


Jordanis  Goth engeschichte.  73 

S.  1420-1424,  von  L.  Erhardt,  GGA.  1886,  S.  669—708.  Bemerkungen  v.  Manitius, 
NA.  XIII,  212.  213.  —  Ausg.  der  Getica  v.  Holder  1882  mit  selbständ.  Benutzung 
d.  Heidelb.  Hs.  1882.  8.  Ausg.  v.  Closs  1889.  Emendationeu  v.  Fröhuer,  Philologus, 
Suppl.  V,  55  (1884).     Uebers.  v.  W.  Martens,  1884,  Gescbicbtschr.  5  (VI,  1). 

An  jene  Yertreter  der  antiken  Bildung,  welche  Theoderich  an 
seinem  Hofe  versammelte,  reiht  sich  nun  der  erste  und  einzige 
gothische  Schriftsteller,  dessen  Werke  wir  besitzen,  Jordanis;  denn 
so  wird  sein  Name  in  den  besten  Handschriften  geschrieben,  mit  so 
überwiegender  Autorität,  dafs  die  durch  Peutingers  Ausgabe  von 
1515  gebräuchlich  gewordene  Form  Jornandes  sich  dagegen  nicht 
behaupten  kann.  Jakob  Grimm  freilich  hat  sie  sehr  nachdrücklich 
in  Schutz  genommen,  und  unmöglich  ist  es  nicht,  dafs  in  der  ent- 
scheidenden Stelle  (Cap.  50)  ursprünglich  gestanden  hat:  Jordanis 
sive  Jornandes.  Dann  wäre  nach  Grimms  Vermuthung  der  kriege- 
rischer lautende  gothische  Name  Jornandes  d.  i.  Eberkühn,  beim 
Eintritt  in  den  geistlichen  Stand  mit  dem  griechisch-römischen 
Namen  Jordanis  vertauscht  worden1).  Wie  dem  nun  auch  sein 
möge,  sicher  gestellt  ist  allein  der  letztere,  durch  das  ganze  Mittel- 
alter gebräuchliche  Name ,  den  wir  deshalb  auch  hier  vorgezogen 
haben. 

Jordanis  rechnet  sich  selbst  zum  gothischen  Volke2).  Er  stammte 
aus  einem  sehr  angesehenen  Geschlechte,  das  mit  den  Amalern  ver- 
schwägert war;  sein  Grofsvater  war  Notar  oder  Kanzler  des  Alanen- 
königs Candac  in  Mösien,  er  selbst  ebenfalls  Notar:  leider  wissen  wir 
nicht  wo  und  unter  welchen  Verhältnissen3);  später  ist  er  in  den 
geistlichen  Stand  eingetreten.  Seiner,  wie  es  scheint,  alanischen 
Abkunft  entsprechend,  zeigt  er  für  dieses  Volk  eine  deutliche  Vor- 
liebe4), während  er  die  Vandalen  nicht  leiden  kann5). 

1874)  S.  67 — 89.     Er  wurde  nach  Cipolla  dem  König  schriftlich  zugesandt; 
s.  darüber  NA.  IX,  244.    XII,  205. 

1)  Für  Jornandes  kämpft  Dietrich ,  Ueber  die  Aussprache  des  Gothi- 
schen, Marburg  1862.  Mommsen  schreibt  Jordanes;  ich  folge  auch  hier 
der  überlieferten  Form,  welche  sich  der  Aussprache  anschliefst. 

2)  De  rebus  Get.  am  Schlufs :  „Nee  me  quis  in  favorem  gentis  prae- 
dietae  quasi  ex  ipsa  trahentem  originem  aliqua  addidisse  credat". 

3)  Ib.  c.  50:  „Scyri  vero  et  Sadagarii  et  certi  Alanorum  cum  duce  suo 
nomine  Candac  Scythiam  minorem  inferioremque  Moesiam  aeeeperunt. 
Cujus  Candacis  Alanovijamuthis  patris  mei  genitor  Paria,  id  est  meus  avus, 
notarius  quousque  Candac  ipse  viveret  fuit,  ejusque  germanae  filio  Gun- 
thicis  (1.  Gunthigis,  p.  150)  qui  et  Baza  dicebatur  mag.  mil.  filio  Andages 
fili  Andele,  de  prosapia  Amalorum  descendente,  ego  item  quam  vis  agra- 
matus  Jordanis  ante  conversionem  meam  notarius  fui."  Die  nach  den  Hss. 
hergestellte  Form  dieser  Stelle  macht  ihre  Bedeutung  noch  unsicherer. 
Ueber  die  Namen  Grienberger,  Germania  XXXIV,  406  (NA.  XV,  615). 

4)  Mommsen,  Praef.  p.  X. 

5)  ib.  p.  VII. 


74  I-    Vorzeit.     §  5.    Jordanis. 

Die  eigentliche  grammatische  Bildung  der  Schule  war  ihm  fremd, 
wie  er  selbst  sagt,  doch  konnte  es  ihm  nicht  schwer  fallen,  grie- 
chische und  lateinische  Schriftsteller  zu  lesen,  und  damit  hat  er  sich 
denn  auch,  wohl  besonders  in  der  späteren  Zeit  seines  Lebens,  eifrig 
beschäftigt,  wenn  gleich  die  umfassende  Belesenheit,  welche  seine 
Gothengeschichte  zu  zeigen  scheint,  nur  als  erborgtes  Gut  gelten 
kann. 

Seine  Schreibweise  ist  entstellt  durch  den  gesuchten,  sententiö- 
sen  Charakter  der  Zeit,  doch  nur  da,  wo  er  seiner  cassiodorischen 
"Vorlage  folgt;  er  selbst  drückt  sich  ungeschickt  und  unbehümich 
aus  und  klammert  sich  ängstlich  an  seine  Quellen ;  die  volle  Barbarei 
der  damals  gewöhnlichen  Schreibweise  einer  Bevölkerung,  welche 
fast  alles  Gefühl  für  grammatische  Formen  verloren  hatte,  bis  dahin 
nur  aus  den  im  Original  uns  erhaltenen  Urkunden  bekannt,  ist  nun 
auch  bei  ihm  nach  den  ältesten  und  besten  Handschriften  herge- 
stellt1). 

Die  Vorrede  seiner  Getica  hat  Jordanis  mit  geringen  Aenderun- 
gen  wörtlich  von  Ruiin  entlehnt2).  Natürlich  eignete  er  sich  auch 
die  römisch  christliche  Weltanschauung  an;  dahin  führte  ihn  sein 
Stand,  dahin  auch  die  ganze  Richtung  seines  Volkes.  Vollkommen 
theilt  er  die  Verehrung  des  Kaiserthums,  und  wenn  er  es  unter- 
nahm, die  Folge  der  Weltreiche  in  gedrängter  Uebersicht  darzu- 
stellen, so  konnte  ihm  doch  der  Gedanke  niemals  nahen,  dafs  etwa 
auch  das  römische  Reich  sein  Ende  erreicht  habe  und  andere  an 
seine  Stelle  treten  würden.  Eben  war  er,  wie  er  uns  berichtet,  mit 
der  Abfassung  eines  solchen  Handbuches  beschäftigt,  als  sein  Freund 
Castalius  oder  Castulus  ihn  aufforderte,  Cassiodors  Geschichte 
der  Gothen  in  einen  Auszug  zu  bringen3).  Diese  Aufgabe,  sagt 
er,  sei  für  ihn  um  so  schwieriger  gewesen,  da  ihm  das  Werk  nicht 
einmal  vorliege,  sondern  er  es  nur  einmal  in  früherer  Zeit  auf  drei 
Tage  zum  Lesen  erhalten  habe.  Doch  glaube  er  sich  des  wesent- 
lichen Inhalts  noch  vollständig  zu   erinnern4).     Damit  habe    er   nun 

T)  Immerhin  giebt  es  zu  denken,  dafs  auch  bei  Orosius,  wenn  der 
cod.  Laurent,  nicht  erhalten  wäre,  aus  der  Donaueschinger  Hs.  dieselbe 
Barbarei  herzustellen  sein  würde. 

2)  Aus   Rufini  presb.  praefatio   in    explanationem   Origenis   super   ep. 
.Pauli  ad  Romanos,  wie  H.  v.  Sybel  nachgewiesen',  in  Schmidts  Zeitschrift 

für  Gesch.  VII,  288.     Ueber  den  am  Eingang  seiner  Rom.  angeführten  Jam- 
blichus  s.  Mommsen,  NA.  VIII,  352. 

3)  Der  Titel  beider  Werke  scheint  gelautet  zuhaben:  De  origine  acti- 
busque  Getarum. 

4)  „Ad  triduanam  lectionem  dispensatoris  eius  beneficio  libros  ipsos 
antehac   relegi,    quorum   quam  vis  verba  non  recolo,   sensus  tarnen   et  res 


Jordanis  Gothengeschichte.  75 

verschiedenes  aus  griechischen  und  lateinischen  Geschichten  verbun- 
den, den  Anfang  und  das  Ende  aber,  wie  auch  mehreres  in  der  Mitte 
von  seinem  Eigenen  dazu  gethan.  Später,  im  Verlauf  der  Geschichte, 
nennt  er  den  Cassiodor  nie,  ebenso  wenig  aber  auch  den  gegen  das 
Ende  benutzten  Marcellinus.  Es  unterliegt  nun  wohl  kaum  noch 
einem  Zweifel,  dafs  er,  wie  schon  Cassel  angenommen  hatte,  bis  auf 
wenige  unbedeutende  Zusätze  eben  nur  den  Cassiodor  ausgezogen 
hat,  was  ihm  ja  auch  aufgetragen  war,  und  die  Ungenauigkeit  der 
gelehrten  Citate  bestätigt,  dafs  auch  sie  mit  herüber  genommen  sind1). 
Man  mufs  also  annehmen,  dafs  er  sich  schon  früher  schriftliche  Aus- 
züge gemacht  hatte,  die  er  jetzt,  ohne  das  Werk  selbst  wieder  ein- 
sehen zu  können,  verarbeitete,  eine  in  der  That  schwierige  Aufgabe, 
welche  wohl  von  einer  zu  harten  Beurtheilung  des  ungeschulten 
Gothen  abhalten  sollte.  Doch  läfst  sich  freilich  nicht  leugnen,  dafs 
seine  Benutzung  der  Annalen  des  gleichzeitigen  Marcellinus  Comes2) 
nicht  befriedigender  ausgefallen  ist.  Denn  nach  diesem  Führer  er- 
zählt er  mit  auffallender  Kürze  von  den  Siegen  Belisars,  und  die 
Yergleichung  mit  den  knappen  aber  genauen  und  zuverlässigen  An- 
gaben dieses  Schriftstellers  fällt  nicht  günstig  für  unseren  Autor 
aus,  der  sich  offenbar  mit  gröfserer  Vorliebe  den  alten  Ueberliefe- 
rungen  zuwendet,  und  wie  das  bei  den  Anfängen  einer  gelehrten 
Geschichtschreibung  so  häufig  ist,  gerne  eine  unverdaute  Gelehr- 
samkeit auskramt,  von  der  sorgsamen  Gewissenhaftigkeit  aber,  welche 
die  Nachwelt  am  höchsten  schätzt,  kaum  einen  Begriff  hat.  Indem 
er  nun  hierin  gegen  gleichzeitige  und  spätere  Annalen  zurücksteht, 
zeichnet  er  sich  dagegen  vor  den  einfachen  Chronisten  aus  durch 
das  Festhalten  eines  leitenden  Gedankens,  welcher  die  Darstellung 
beherrscht.  Man  hat  Jordanis  eine  gänzliche  Entfremdung  von  sei- 
nem Volke  zum  Vorwurf  gemacht.  Nicht  zum  Ruhme  der  Gothen, 
sagt  er  schliefslich,  habe  er  dieses  geschrieben,  sondern  um  den 
Ruhm  des  Siegers  zu  erhöhen.  Allein  darauf  darf  man  nicht  zu 
viel  Gewicht  legen.  Die  Liebe  zu  seinem  Volke,  der  Stolz  auf  die 
Tapferkeit  der  Gothen,  auf  die  Herrlichkeit  der  Amaler,  treten  viel- 
mehr mit  grofser  Lebhaftigkeit    überall    hervor,    und    eben    deshalb 

actas  credo  me  integre  retinere."  —  Zu  den  drei  Tagen  bemerkt  Mommsen 
„si  credis". 

*)  G.  Kaufmann,  Krit.  Unters,  der  Quellen  z.  Gesch.  Ulfilas,  handelt 
von  d.  Gothi  minores  (c.  51)  im  Gegensatz  zu  Bessell,  u.  bemerkt  S.  243, 
dafs,  wenn  auch  Jordanis  den  Orosius  selbständig  benutzt  habe,  doch  im 
Cap.  25  u.  26  die  Vermischung  seiner  Angaben  mit  Amm.  Marc.  31,  3  ihm 
von  Cassiodor  herzurühren  scheine. 

2)  Oder  dessen  Vorlage,  s.  oben  S.  56,  Anm.  2. 


76  !•    Vorzeit.     §  5.    Jordanis. 

hielt  Jordanis  es  für  nÖthig,  durch  eine  solche  Wendung  in  der  da- 
maligen Zeit  des  Krieges  dem  Argwohn  der  Herrscher  zu  begegnen. 
Denn  als  er  dieses  schrieb,  war  der  Krieg  noch  keineswegs  been- 
digt, sondern  vielmehr  mit  neuer  Wuth  entbrannt.  Jordanis  aber 
hatte  allerdings  für  diesen  letzten  Todeskampf  der  Gothen  keine 
Theilnahme;  dem  stand  in  ihm  theils  seine  politische  Ansicht,  theils 
das  Blut  der  Amaler  entgegen,  welches  mächtiger  war  als  das  Volks- 
bewufstsein.  Er  setzte  seine  Hoffnungen  auf  Germanus,  den  Gemahl 
der  Matasuinth,  dem  ja  auch  von  seinen  Landsleuten  so  viele  sich 
zuwandten,  und  nach  dessen  frühem  Tode  auf  den  letzten  Sprossen 
der  Amaler,  auf  das  Kind  Germanus:  der  sollte  sein  Volk  wieder 
sammeln  und  beherrschen,  im  engsten  Anschluss  an  das  Römerreich, 
so  wie  einst  Theoderich.  An  drei  Stellen  gedenkt  er  dieses  Kindes, 
und  an  der  letzten  spricht  er  ausdrücklich  die  Hoffnungen  aus,  welche 
er  an  diesen  Erben  der  vereinigten  Anicier  und  Amaler  knüpft. 

Denn  das  ist  eben,  wie  Sybel  nachgewiesen,  und  Stahlberg 
weiter  ausgeführt  hat,  der  leitende  Gedanke  des  Jordanis,  dafs  er, 
was  ja  auch  richtig  war,  nur  in  der  friedlichen  Einfügung  des  Gothen- 
volkes  in  das  römische  Reich  die  Möglichkeit  und  Hoffnung  einer 
gedeihlichen  Zukunft  für  dasselbe  erkennt.  Ihm  konnte  es  nur  als 
ein  hoffnungsloses  und  frevelhaftes  Unternehmen  erscheinen,  wenn 
die  letzten  Gothenfürsten,  die  dem  Stamm  der  Amaler  fremd  waren, 
sich  dem  letzten  Weltreich  gegenüber  feindlich  behaupten  wollten, 
um  so  mehr,  da  er  katholisch  war,  und  dadurch  im  Gegensatze  zu 
seinen  arianiscben  Volksgenossen  mit  der  Einheit  der  Kirche  auch 
die  Einheit  des  weltlichen  Reiches  erstreben  mufste.  Daher  legt  er 
überall  besonderes  Gewicht  auf  die  friedlichen  Beziehungen  der  Gothen 
zum  Ostreiche,  und  seine  Theilnahme  und  Hoffnung  konnten  sich  nur 
dem  Germanus  zuwenden.  Dieser  Auffassung  konnte  sich  damals 
niemand  entziehen,  der  in  den  Bildungskreis  der  römischen  Kirche 
eingetreten  war,  und  sie  blieb  herrschend,  bis  die  Franken  stark  genug 
waren,  um  sich  selbst  als  die  wahren  Träger  des  erneuten  römischen 
Reiches  betrachten  zu  können.  Vollkommen  zutreffend  bezeichnet 
daher  L.  v.  Ranke1)  sein  Werk  als  eine  „zwar  auf  historische  Vor- 
studien basierte,  aber  zugleich  auf  den  Moment  angelegte  politisch- 
historische Arbeit  über  die  Geschichte  der  Gothen".  Auch  ist  es 
richtig,  dafs  er  ganz  im  Sinne  Cassiodors  geschrieben  hat,  aber 
wenn  dann  die  Vermuthung  hinzugefügt  wird,  dass  Cassiodor  selbst 
als  der  intellektuelle  Urheber  des  Werkes  zu  betrachten  sei,  so  läfst 

l)  Weltgeschichte  IV,  2.  Abth.  S.  313-327. 


Jordanis  Gothengeschichte.  77 

sich  das  weder  mit  den  Verhältnissen  vereinigen,  noch  ist  zu  er- 
klären, weshalb  Jordanis  das  so  sorgfältig  hätte  verbergen  sollen. 

Von  grofser  Wichtigkeit  aber  ist  es,  festzustellen,  wo  und  unter 
welchen  Verhältnissen  Jordanis  sein  Werk  geschrieben  hat.  Da 
finden  wir  nun  bei  Moinmsen  die  Behauptung,  dass  er  als  Mönch 
in  einem  mösischen  oder  thracischen  Kloster  gelebt  und  geschrieben 
habe.  Er  beruft  sich  auf  seine  besonders  genaue  Kenntnifs  des 
unteren  Donaulaufes  und  der  benachbarten  Gegenden,  und  dafs  er 
bei  dem  Auszug  aus  Cassiodor  gerade,  was  sich  auf  Mösien  und 
Thracien  bezog,  bevorzugt  habe,  was  sich  indessen  durch  die  An- 
gaben über  seine  Herkunft  leicht  erklären  läfst.  Weit  wichtiger  ist 
die  Frage,  ob  aus  den  Worten  „ante  conversionem  meam"  mit  Not- 
wendigkeit zu  schliefsen  ist,  dafs  er  Mönch  geworden  sei.  Das  wird 
behauptet,  aber  ich  finde  keinen  Beweis  dafür,  dafs  nicht  auch  der 
Eintritt  in  den  geistlichen  Stand  so  bezeichnet  werden  könne.  Wir 
haben  ja  aus  späterer  Zeit  Mönche  genug,  welche  geschichtliche 
Werke  geschrieben  haben,  aber  aus  diesen  Jahrhunderten  ist  mir 
keiner  bekannt.  Ihre  Stellung  zur  Welt  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit 
und  vorzüglich  durch  die  eigenthümliche  Entwickelung  der  Kirche 
im  Abendland  völlig  verändert.  Wer  damals  in  ein  Kloster  eintrat, 
zog  sich  in  vollem  Ernst  aus  der  Welt  zurück  und  erfuhr,  wie  noch 
jetzt  orientalische  Mönche,  sehr  wehig  von  ihr.  Cassiodor  zuerst 
scheint  seine  Mönche  überhaupt  auf  litterarische  Beschäftigung  hin- 
gewiesen zu  haben.  Ich  halte  es  für  vollkommen  undenkbar,  dafs 
ein  Mönch  in  einem  Kloster  in  Mösien  ein  solches  Werk  hätte  zu 
Stande  bringen,  dafs  er  das  neueste  Annalenwerk  hätte  erhalten  und 
über  die  politischen  Angelegenheiten  der  Gegenwart  hätte  schreiben 
können. 

Deshalb  halte  ich  fest  an  der  Entdeckung  Jakob  Grimms,  der 
in  dem  Vigilius,  welchem  Jordanis  sein  zweites  Werk  gewidmet  hat, 
den  damaligen  römischen  Pabst  erkannt  und  mit  überzeugenden 
Gründen  nachgewiesen  hat1).  Schon  früher  hatte  Cassel  auf  einen 
Jordanis,  Bischof  von  Kroton,  aufmerksam  gemacht,  welcher  in 
einem  Schreiben  des  Pabstes  Vigilius   erwähnt   wird ;    seine  Vermu- 

*)  Ueber  Jornandes  S.  12.  Ebert  S.  535  bekämpft  die  Annahme,  weil 
die  Sprache  des  Schreibers  nicht  hinlänglich  respectvoll  sei.  Mir  scheint 
das  bei  der  damaligen  Sachlage  und  der  durchaus  nicht  imposanten  Per- 
sönlichkeit des  Pabstes  unerheblich.  Noch  weniger  kann  ich  in  den  Wor- 
ten: „  quatinus  diversarum  gentium  calamitate  comperta  ab  omni  aerumna 
liberum  te  fieri  cupias  et  ad  Deum  convertas,  qui  est  vera  libertas"  eine 
Aufforderung  sehen,  Mönch  zu  werden,  wie  sich  dagegen  auch  Schirren 
erklärt.  —  In  der  2.  Ausg.  S.  561,  Anm.  3,  ist  Ebert  dabei  geblieben. 


78  I-    Vorzeit.     §  5.    Jordanis. 

thung,  dafs  er  mit  unserm  Autor  identisch  sei,  fand  Zustimmung. 
Es  erklärt  sich  nun  dadurch  leicht,  dafs  er  von  dem  Verwalter  der 
unfern  gelegenen  Güter  Cassiodors  dessen  Werk  auf  kurze  Zeit  er- 
hielt, auch  dafs  er  sich  nicht  selbst  im  Gothenreiche  befand,  als  er 
schrieb.  Schirren  freilich  hat  einen  anderen  Jordanis  vorgezogen, 
den  Pabst  Pelagius  in  einem  Schreiben  vom  Jahre  556  als  Defensor 
der  römischen  Kirche  erwähnt;  allein  mit  Recht  hat  Bessell  hervor- 
gehoben, dafs  doch  nur  ein  Bischof  den  römischen  Pabst  frater  an- 
reden könne,  und  dafs  auch  der  ganze  Inhalt  des  Trostschreibens 
nur  für  einen  Amtsbruder  angemessen  sei.  Auch  bezeichnen  ihn 
als  solchen  nicht  geringe  Handschriften1).  Noch  erheblicher  aber 
ist  der  Umstand,  dafs  nach  jenem  Schreiben  des  Vigilius  Jordanis 
von  Kroton  sich  im  Jahre  551  mit  ihm  in  Constantinopel  befand, 
dafs  er  also  zu  denjenigen  gehörte,  welche  ihn  in  seinem  Exil  (547 
bis  554)  begleiteten.  Dasselbe  nimmt  auch  Schirren  von  dem 
Defensor  Jordanis  an,  und  hat  deshalb  die  Vermuthung,  welche 
auch  Stahlberg  wahrscheinlich  fand,  ausführlich  begründet,  dafs 
nämlich  Jordanis  seine  Gothengeschichte  551  in  Constantinopel  ver- 
fafst  habe2);  darin  stimmen  Bessell  und  Gutschmid  mit  ihm  überein, 
und  in  der  That  ist  die  Wahrscheinlichkeit  dafür  so  grofs,  dafs  sie 
fast  zur  Gewifsheit  wird.  Nun  erklärt  es  sich  sehr  einfach,  weshalb 
Jordanis  sich  Cassiodors  Buch  nicht  wieder  verschaffen  konnte, 
während  Marcellins  Annalen  ihm  zugänglich  waren;  man  begreift, 
dafs  Vigilius  und  seine  Anhänger  eines  Buches  bedurften,  welches 
ihnen  die  gothische  Geschichte  kurz  und  übersichtlich  vorführte,  die 
ältere  vorzüglich,  weil  die  Ereignisse  der  letzten  Jahrzehnte  noch 
in  frischem  Gedächtnifs  waren.  Die  Worte  Jordanis,  in  welchen 
er  seinen  Freund  Castalius  als  Nachbar  der  Gothen  (vicinus  genti) 
im  Gegensatz  zu  seiner  eigenen  Lage  bezeichnet,  sind  nun  nicht 
mehr  auffallend,  und  der  politische  Standpunkt,  die  ängstliche  Be- 
hutsamkeit des  Verfassers,  seine  geringe  Kermtnifs  der  Kämpfe  in 
Italien,  der  Mangel  an  Theilnahme  für  die  neue  Erhebung  unter 
Totila,  die  lebhafte  Hoffnung,  welche  er  an  den  Spröfsling  der  Anicier 
und  Amaler  knüpft,  so  wie  die  Vertrautheit  mit  den  in  Byzanz  ge- 
troffenen Mafsregeln  und  erst  begonnenen  Unternehmungen,  alles  das 
tritt  in  ein  helleres  Licht,  so  dafs  an  der  Richtigkeit  dieser  Annahme 
kaum  zu  zweifeln   ist. 

1)  „episcopum  eum  dicit  librorum  ordo  primus  in  titulo  Romanorum". 
Mommsen  p.  XIII. 

2)  Oder  in  Chalcedon,  wohin  Vigilius  um  Weihnachten  550  flüchtete, 
und  wo  er  bis  zum  Frühjahr  553  blieb. 


Jordanis.     Isidor.  79 

Bald  nach  der  Vollendung  der  Gothengeschichte  konnte  Jor- 
danis auch  dem  Yigilius  seine  Chronik  überreichen,  die,  wie  er  selbst 
sagt,  im  24.  Jahre  Justinians  (welches  am  1.  April  551  begann)1), 
beendigt  war.  Die  erneuten  Kämpfe  der  Gothen  sind  hier  mit 
sichtlicher  Abneigung  gegen  Totila  berührt,  die  letzte  Katastrophe 
aber  war  noch  nicht  zur  Keuntnifs  des  Verfassers  gekommen.  Uebri- 
gens  ist  dieses  Werk,  welches  gewöhnlich  De  regnorum  successione 
genannt  wird,  richtiger  (nach  Mommsen)  De  summa  temporum  vel 
origine  actibusque  gentis  Romanorum  betitelt  wird,  eine  unbedeutende 
und  ungeschickte  Compilation;  es  ist  grofsentheils  aus  Florus  ent- 
lehnt, so  wörtlich,  dafs  die  neuesten  Herausgeber  desselben,  Jahn 
und  Halm,  aus  Jordanis  den  Text  des  Florus  bedeutend  berichtigen 
konnten ;  später  benutzt  er  den  Eutrop,  Orosius  und  andere,  welche 
in  der  Ausgabe  von  Mommsen  nachgewiesen  sind.  Wichtig  ist  diese 
Schrift  fast  nur  als  höchst  charakteristisch  für  den  Standpunkt  des 
Verfassers,  denn  die  Weltgeschichte  ist  ihm  eben  nur  die  römische, 
angeknüpft  an  die  aus  der  Chronik  des  Hieronymus  entlehnten 
Generationen  des  alten  Testaments  und  die  Regentenreihen  der 
früheren  Weltreiche;  er  beruft  sich  ausdrücklich  auf  die  Prophe- 
zeiung des  Daniel,  dafs  diesem  Reich  die  Herrschaft  bis  ans  Ende 
der  Welt  beschieden  sei. 


§  6.     Die  Westgothen.     Isidor. 

Aschbach,  Geschichte  der  Westgothen,  Frankf.  1827.     Lembke,  Geschichte  von  Spanien, 
Hamb.  1831.     F.  Dahn,  die  Könige  der  Germanen,  Abth.  V.  1870.     Teuffei  §  487. 

Spanien  gehörte,  wie  Gallien,  in  den  letzten  Zeiten  des  römi- 
schen Reiches  zu  den  blühendsten  Provinzen  und  war  von  der 
römischen  Bildung  der  damaligen  Zeit  vollkommen  durchdrungen. 
Unendlich  viel  ging  hier  zu  Grunde  in  den  verheerenden  Kriegen 
des  fünften  Jahrhunderts,  wo  Spanien  unausgesetzt  der  Kampfplatz 
verschiedener  deutscher  Völkerschaften  war;  die  Westgothen  aber, 
welche  allmählich  ihr  Reich  dort  befestigten,  zeigten  sich  der  rö- 
mischen Bildung  ebenso  wenig  abgeneigt  wie  die  Ostgothen,  und 
während  sie  die  unterworfenen  Romanen  mit  grofser  Milde  behan- 
delten, erhielt  sich  auch  unter  ihnen  noch  ein  Nachklang  des  wissen- 
schaftlichen Lebens  der  besseren  Zeit;  sie  selbst  jedoch  haben  nicht 
in  namhafter  Weise  an  dieser  Thätigkeit  Theil  genommen. 

l)  Mommsen  p.  XIV. 


80  I.    Vorzeit.     §  6.    Westgothen. 

Den  Anfang  der  barbarischen  Heimsuchung  Spaniens  erlebte 
noch  Orosius,  der  Augustins  Geschichte  des  Reiches  Gottes  auf 
dessen  Wunsch  die  Schilderung  des  Elendes  dieser  Welt  zur  Seite 
stellte.  Er  wollte  darin  nachweisen,  dafs  nicht  das  Christenthum, 
wie  die  Heiden  behaupteten,  das  Elend  über  die  Welt  gebracht 
habe,  sondern  dafs  es  zu  allen  Zeiten  viel  Trübsal  und  Leiden  ge- 
geben :  eine  Auffassung,  welche  in  den  Zeiten  des  Unglücks  und 
der  Verwirrung  überall  Anklang  fand  und  grofsen  Einflufs  auf  die 
Ansichten  der  mittelalterlichen  Geschichtschreiber  geübt  hat,  ganz 
besonders  auf  Otto  von  Freising,  dessen  Chronik  sich  unmittelbar 
an  Augustin  und  Orosius  anschliefst.  Für  uns  mindert  die  unhisto- 
rische Auffassung  des  Orosius,  die  dadurch  bedingte  einseitige  Be- 
nutzung und  Entstellung  seiner  Quellen,  und  sein  ziemlich  leicht- 
fertiges Verfahren,  den  Werth,  welchen  sein  Werk  sonst  durch  die 
Benutzung  jetzt  verlorener  Schriften,  namentlich  des  Livius,  haben 
würde.  Im  Anfang  legt  auch  er  den  Eusebius  in  der  Bearbeitung 
des  Hieronymus  und  des  Rufin  zu  Grunde,  schreibt  dann  vorzüglich 
den  Justin  aus  und  geht  endlich  zu  einer  ganz  überwiegenden 
Darstellung  der  römischen  Geschichte  über.  Das  römische  Reich 
ist  ihm  nach  der  erst  kurz  zuvor,  wenn  auch  nicht  zuerst,  von 
Hieronymus  aufgestellten  Deutung  die  vierte  Weltmonarchie;  als  die 
vorhergehenden  aber  sieht  er,  abweichend  von  den  späteren  Chro- 
nisten, das  babylonische,  maceclonische  und  karthagische  Reich  an. 
Am  Schlüsse  seines  Werkes  giebt  Orosius  die  Geschichte  seiner 
Zeit  bis  417,  in  welchem  Jahre  er  seine  Geschichte  schrieb,  und 
dieser  Abschnitt  hat,  obschon  dürftig  und  ganz  erfüllt  von  dem 
engherzigen  Geiste  der  pfäffischen  Hofpartei,  welcher  so  eben  der 
Sturz  des  grofsen  Stilico  gelungen  war,  doch  selbständigen  Werth, 
und  enthält  namentlich  gute  Nachrichten  über  Spanien  und  die 
Geschichte  der  Westgothen1). 

Unter  der  westgothischen  Herrschaft  entstanden  ferner  mehrere 
jener  wortkargen  annalistischen  Aufzeichnungen,  wrelche  sich  an  die 
Chronik  des  Hieronymus  anschlössen,  und  in  den  späteren  Welt- 
chroniken   regelmäfsig    den  Uebergang    vom  Hieronymus    zum  Beda 

l)  Th.  de  Mörner,  De  Orosii  vita  eiusque  Historiarum  libris  VII  ad- 
versus  paganos.  Berol.  1844.  8.  Vgl.  Papencordt,  Geschichte  der  Vand. 
337—340.  365.  Büdinger  in  Sybels  Zeitschrift  VII,  113.  Pallmann  II, 
236 — 245.  (Gegen  dessen  Vermuthung  einer  Fortsetzung  unter  dem  Titel 
De  Placidia  et  moribus  ejus,  Waitz,  Gott.  Nachr.  1865,  S.  113,  Zangemeister 
in  der  kl.  Ausg.  v.  1890  Praef.  p.  XXI.)  Ebert  S.  337—344.  Ausgabe 
von  Zangemeister  im  Wiener  Corpus  V,  1882.  Rec.  von  Krusch,  HZ.  L, 
472—476,  darin  S.  475  über  das  Jahr  417,  nach  Orosius  Rechnung  419. 


Die  Chronik  des  Prosper.  81 

bilden,  weshalb  eine  Zeit  lang  westgothische,  später  angelsächsische 
Namen  vorherrschen.  Die  wichtigste  dieser  Chroniken,  für  viele 
Begebenheiten  unsere  einzige  Quelle,  ist  das  Werk  des  Aquitaniers 
Tiro  Prosper,  wie  er  an  einigen  Stellen  genannt  wird,  oder  kurz- 
weg Prosper,  wie  er  gewöhnlich  heifst1).  Um  400  geboren,  hat 
Prosper  sich  eine  für  jene  Zeit  hervorragende  Bildung  erworben, 
und  zwar  haben  ihn,  obgleich  er  Laie  war  und  blieb2),  ganz  vor- 
züglich theologische  Studien  beschäftigt.  Als  eifriger  Verehrer  und 
Bewunderer  Augustins  kämpfte  er  wacker  gegen  Pelagianer  und 
andere  Ketzer,  und  erwarb  sich  als  Schriftsteller  einen  angesehenen 
Namen.  Im  Jahre  440  scheint  er  den  Pabst  Leo  nach  Rom  begleitet 
zu  haben;  er  wird  als  Verfasser  von  Briefen  genannt,  welche  Leo's 
Namen  tragen,  und  blieb  fortan,  vermuthlich  als  Notar,  am  römi- 
schen Hofe,  wo  er  die  Angst  vor  Attila  und  den  Schrecken  der 
vandalischen  Eroberung  erlebte.  Hier,  wie  es  scheint,  hat  er  sein 
Chronicon  geschrieben,  oder  doch  vollendet,  welches  in  erster  Re- 
daction  bis  445  reicht3),  in  zweiter  bis  455  fortgeführt  ist4).  Er 
beginnt  mit  der  Erschaffung  der  Welt,  beschränkt  sich,  aber  im  ersten 
Theile  ganz  auf  einen  grundschlechten  Auszug  aus  Hieronymus, 
welcher  dessen  eigenthümlichen  Vorzug,  die  chronologische  Bestimmt- 
heit und  Uebersichtlichkeit,  ganz  zerstört.  Von  Christi  Tod  an  be- 
ginnt bei  ihm  das  Verzeichnifs  der  Consuln,  welches  er  einem  Exem- 
plare der  Ravennatischen  Fasten  entlehnte.  Auch  finden  sich  Zu- 
sätze, welche  sich  vorzüglich  auf  die  verschiedenen  Ketzereien  be- 
ziehen und  aus  Augustins  Schriften  entlehnt  sind.  Weiterhin  sind 
auch  andere  Quellen  benutzt,  darunter  die  Geschichte  des  ihm  geistes- 
verwandten Orosius.  Spätestens  von  425  an  berichtet  er  als  Zeit- 
genosse, und  zwar  über  einen  Zeitraum,  aus  welchem  andere  Quellen 

1)  S.  über  ihn  die  Abhandlang  von  Holder-Egger  im  NA.  I,  13 — 90, 
welche  ich  hier  zu  Grunde  lege. 

2)  Holder-Egger  S.  55,  bes.  auf  Gennadius  gestützt.  Mommsen  frei- 
lich nimmt  geistlichen  Stand  an,  weil  er  in  dem  Schreiben  an  Augustin 
einen  Diaconus  seinen  frater  nennt.  Das  ist  jedoch  schon  von  den  alten 
geistlichen  Herausgebern  als  irrelevant  zurückgewiesen. 

3)  Chronicon  vulgatum  genannt,  weil  es  zuerst,  als  Fortsetzung  des 
Hieronymus,  bekannt  wurde,  in  allen  Drucken  mit  Interpolationen.  Ueber 
die  älteste  Ausgabe  s.  oben  S.  9  Anm.  5.  Erste  und  beste  kritische  von 
Pontacus:  Chronica  trium  illustrium  auctorum,  Burdigalae  1604.  Mommsen 
nimmt  wegen  der  abschliessenden  Berechnung  eine  erste  Ausgabe  bis  433 
an,  eine  zweite  bis  443,  an  welche  Victor  Tonnenensis  (so  schreibt  M.)  sich 
anschloss. 

4)  Chronicum  integrum  ed.  Labbe,  Bibl.  nova  Manuscriptorum,  Paris 
1657,  I,  16 — 55.  Jetzt  allein  brauchbar  die  Ausgabe  von  Mommsen  u.  d. 
T.  Epitoma  chronicon,  Auctt.  antt.  I,  341 — 485,  woran  sich  verschiedene 
Additamente  schliessen.     (So  weit  konnte  ich  diesen  Band  benutzen.) 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  Q 


82  !•    Vorzeit.     §  6.    Westgothen. 

fast  ganz  mangeln.  Flüchtig  und  nachlässig,  in  dürftiger  Kürze  be- 
richtet er  auch  hier,  aber  werthyoll  ist  in  hohem  Grade,  was  er  mit- 
theilt. Dem  Interesse  des  römischen  Stuhles  zeigt  er  sich  überall 
eifrig  ergeben,  und  verändert  sogar  Nachrichten  des  Hieronymus  in 
solcher  Tendenz. 

Verständiger  Weise  hat  man  schon  früh  den  ersten  Theil  bis 
378  als  werthlos  fortgelassen,  und  nur  den  zweiten  als  Fortsetzung 
mit  der  Chronik  des  Hieronymus  verbunden.  In  dieser  Gestalt 
wurde  die  Chronik  als  bequemstes  Handbuch  der  Weltgeschichte 
schon  sehr  früh  allgemein  benutzt,  und  noch  im  16.  Jahrhundert 
häufig  gedruckt,  jedoch  mit  Zusätzen,  welche  den  ursprünglichen 
Text  verdunkeln.  Man  verband  damit  die  Fortsetzung  des  Matthaeus 
Palmerius  bis  1449,  die  weitere  des  Matthias  Palmerius  bis  1482, 
und  fügte  noch  eine  Fortführung  bis  zum  Druckjahre  hinzu,  weil 
man  den  praktischen  Gebrauch  im  Auge  hatte. 

Eine  Ueberarbeitung  der  Chronik  des  Prosper  bis  445,  mit  einer 
römischen  Fortsetzung  bis  451,  die  noch  Verwandtschaft  mit  dem 
Text  des  Prosper  zeigt,  ist  in  Afrika,  wahrscheinlich  in  Karthago, 
verfafst  und  bis  457  fortgeführt,  mit  Benutzung  der  Consularfasten. 
Hinzugefügt  ist  eine  Uebersicht  der  Geschichte  des  vandalischen 
Reiches  von  der  Einnahme  von  Karthago  bis  zum  Untergang  des 
Reichs  533  l). 

Irrthümlich  Prosper  zugeschrieben  ist  das  Chronicon  imperiale 
oder  Pithoeanum  (379 — 455),  welches  am  Anfang  und  am  Ende  mit 
Prosper  übereinstimmt,  übrigens  aber  in  Form  und  Inhalt  ganz 
verschieden  ist.  Als  Zeitrechnung  dienen  hier  die  Regierungsjahre 
der  Kaiser.  Verfafst  ist  es,  wahrscheinlich  vom  Autor  selbst,  als 
Fortsetzung  des  Hieronymus;  wenigstens  findet  es  sich  nur  mit 
diesem  verbunden.  Geschrieben  ist  es  auf  Grundlage  der  Consular- 
fasten mit  Benutzung  des  Rufinus  und  anderer  unbekannter  Quellen 
im  südlichen  Gallien,  vielleicht  in  Marseille,  mit  besonderer  Ver- 
ehrung des  Klosters  Lerins.  In  scharfem  Gegensatz  zu  Prosper  er- 
scheint der  Verfasser  zwar  auch  von  lebhaftem  kirchlichen  Interesse 
erfüllt,  aber  Augustin  abgeneigt  und  semipelagianistisch  gesinnt. 
Holder-Egger    vermuthet,    dafs    die    Chronik    vielleicht    unvollendet 

l)  Das  sog.  Chronicon  Canisianum,  auch  Ulricianum  und  Augustanum 
nach  dem  Fundort  der  HS.  in  St.  Ulrich  u.  Afra.  Diese  und  die  zweite 
Pariser  HS.  stammen  aus  der  Sammlung  des  Reichenauer  Reginbert.  Ausg. 
Canis.  I,  148  u.  306  ed.  IL  Bibl.  Max.  Patr.  Col.  V  pars  III.  Lugd.  VIII. 
Rone.  I,  677—704.  S.  Holder-Egger  im  NA.  I,  24.  37—47.  278  u.  S.  280 
bis  291  über  den  vat.  Auszug  mit  Forts,  bis  466  u.  Auctarium  Prosperi  e 
cod.  Vat.  Christ.  2077. 


Die  Fortsetzer  des  Prosper.     Idatius.  83 

blieb  und  von  anderer  Hand  aus  Prosper  ergänzt  wurde,  um  den 
Uebergang  zum  Marius  zu  bilden.  Benutzt  ist  es  nur  von  dem  sog. 
Severus  Sulpicius  und  später  von  Sigebert,  durch  den  es  allgemein 
bekannt  und  verbreitet  wurde.  Es  ist  voll  von  chronologischen  Irr- 
thümern,  aber  enthält  wichtige  Nachrichten  über  die  Geschicke  der 
germanischen  Völker  in  Gallien1). 

Von  erheblichem  Werthe  und  namentlich  durch  gute  Nach- 
richten über  die  Sueven  und  Westgothen  sehr  schätzbar  ist  die 
Chronik  des  galizischen  Bischofs  Tdatius  oder  Hyclatius  (gebürtig 
aus  Lamego,  daher  Lemicensis),  welcher  den  Hieronymus  fort- 
setzte, und  nach  seiner  eigenen  Angabe  bis  427,  in  welchem  Jahre 
er  Bischof  wurde,  aus  Büchern  und  den  Berichten  der  Zeitgenossen 
schöpfte,  von  da  an  bis  467  aus  eigener  Erfahrung  von  den  Begeben- 
heiten berichtete,  in  welchen  er  als  angesehener  Bischof  eine  nicht 
unbedeutende  Rolle  spielte2). 

Eine  grundschlechte,  doch  durch  ihren  Inhalt  wichtige  Chronik 
schrieb  Victor,  Bischof  der  unbekannten  Stadt  Tunnuna  in  der 
afrikanischen  Proconsularprovinz.  Er  scheint  von  der  Schöpfung 
begonnen  zu  haben,  aber  erhalten  ist  sein  Werk  nur  als  Fortsetzung 
des  Prosper  (444 — 566) 3).  An  dasselbe  schliefst  sich  die  Fort- 
setzung eines  Gothen,  Johannes  von  Biclaro,  der  aber  in  Con- 
stantinopel  seine  Bildung  erhalten  hatte,  bis  zum  Jahre  590.  Er 
stiftete  586  das  Kloster  Biclaro  am  Fufse  der  Pyrenäen,  wo  er 
auch  seine  Chronik  geschrieben  hat;  591  ist  er  Bischof  von  Gerona 
geworden 4). 

Eine  Fortsetzung  des  Prosper  bis  581  schrieb  in  Burgund  der 
Bischof  Marius  von  Avenches,  auf  welchen  wir  noch  zurück- 
kommen. Eine  eigenthümliche  Umgestaltung  des  Textes  mit  werth- 
vollen  Zusätzen  und  Fortsetzung  bis  641  bietet  uns  der  Continua- 

x)  Holder-Egger  im  NA.  I,  91—120.  Ausg.  von  Pithou  1588  etc. 
Roncall.  I,  739—760. 

2)  Rone.  II,  1 — 54.  Sirmondi  opera  varia  II.  Ausg.  von  De  Ram, 
Brux.  1845.  Migne  LI.  Vgl.  Baehr  S.  208—212.  Papencordt,  Gesch.  d. 
Vandalen  S.  352—355.  Ebert  S.  443.  Krusch,  NA.  VII,  475—478.  Ueber 
sein  Verhältnifs  zu  den  Consularfasten.  Mommsen,  Auctt.  antt.  IX,  201 
(oben  S.  58). 

3)  Rone.  II,  337.  Migne  LXVIII.  Vgl.  Baehr  S.  217.  Papencordt 
S.  359—365.  Ebert  S.  586.  Holder-Egger  im  NA.  I,  298-300.  Scaliger 
benutzte  dieselbe  Abschrift  Schotts,  s.  darüber  C.  Frick,  Rhein.  Mus.  f. 
Philol.  N.  F.  XLIV,  369—373. 

4)  Ausg.  von  Canisius  mit  Victor  Tunnunensis  1600  etc.  Baehr  S.  218. 
Ebert  S.  587.  Zu  warnen  ist  vor  den  von  Papencordt  benutzten  und 
durch  ihn  weiter  gelangten,  gefälschten  Fragmenten  des  angeblichen  Victor 
Cartenensis. 

6* 


g4  I«    Vorzeit.     §  6.    Westgothen. 

tor  Prosperi  Havniensis,  so  genannt,  weil  die  Handschrift  1836 
yon  G.  Waitz  in  Kopenhagen  entdeckt  wurde.  Lange  nur  durch 
spärliche  Mittheilungen  bekannt,  wurde  sie  endlich  von  G.  Hille  ab- 
geschrieben und  1866  in  einer  Berliner  Dissertation  herausgegeben. 
Der  Verfasser  schrieb  im  Langobardenreich,  vielleicht  in  Mailand, 
gehörte  aber  der  romanischen  Bevölkerung  an.  Er  versah  schon 
Hieronymus  und  Prosper  mit  Zusätzen  aus  Isidor,  einem  Pabstkata- 
log  und  den  Consularfasten ;  auch  hat  er  gallische  Annalen  benutzt. 
Der  Fortsetzung  fehlen  die  Jahre  458 — 474.  Beim  Jahre  523  hört 
die  Rechnung  nach  Consuln  auf,  und  die  Regierungen  der  Kaiser 
treten  an  die  Stelle,  wie  bei  Isidor,  welcher  von  nun  an  dem  Ver- 
fasser als  Leitfaden  dient1). 

Näher  auf  diese  Werke  einzugehen,  deren  Werth  nur  in  ihrem 
materiellen  Inhalt  besteht,  würde  hier  nicht  am  Orte  sein;  sie  durf- 
ten nicht  ganz  übergangen  werden,  weil  sie  den  Uebergang  zu  den 
späteren  Chronisten  bildeten,  denen  vorzüglich  Prosper  und  Idatius 
ganz  allgemein  als  Grundlage  für  diese  Zeiten  dienten:  die  weiteren 
Quellen  der  westgothischen  Geschichte  aber  dürfen  wir  hier  wohl 
unbedenklich  bei  Seite  lassen2).  Dagegen  haben  wir  noch  eines 
Mannes  zu  gedenken,  der,  wie  jene  Vertreter  der  alten  gramma- 
tischen Bildung  am  Hofe  von  Ravenna,  alles  was  von  der  über- 
lieferten Schulbildung  noch  übrig  war,  in  sich  aufgenommen  hatte, 
und  durch  seine  Schriften  einer  der  einflufsreichsten  Lehrer  des 
Mittelalters  geworden  ist,  nämlich  Isidor  von  Sevilla3). 

Isidor  war  der  Sohn  des  Severian,  eines  Provinzialen  aus  dem 
District  von  Karthagena.  Er  folgte  seinem  Bruder  Leander  auf 
dem  bischöflichen  Stuhle  von  Sevilla,  und  starb  636.  Aufser  vielen 
anderen  Werken,  brachte  er  die  Summe  aller  Kenntnisse,  welche  er 
sich  vermittelst  der  damals  noch  vorhandenen  Hülfsmittel   erworben 

J)  Bethmann  im  Arch.  X,  380.  Waitz,  Nachr.  1865  N.  4.  Holder- 
Egger  im  NA.  I,  259 — 268.  Theilweise  Auctt.  antt.  IX  in  den  Consularia 
Ital.  herausgegeben. 

2)  Hervorzuheben  ist  noch  des  B.  Julian  von  Toledo  Historia 
Wambae  regis  über  den  Aufstand  des  Herzogs  Paulus  von  Narbonne  und 
den  Sieg  des  Königs  674.  Duchesne  I,  821  etc.  Migne  XCVI.  Ebert 
S.  604.  Ein  gefeierter  Schriftsteller,  Apostel  der  Sueven  in  Gallicien,  war 
der  Pannonier  Martin,  gest.  580  als  Bischof  von  Bracara  (Braga).  Seine 
culturhistorisch  wichtige  Schrift  De  correctione  rusticorum  hat  1883  Caspari 
mit  gründlicher  Einleitung  über  sein  Leben  herausgegeben.  Vgl.  Krusch, 
HZ.  LH,  128 — 130.  Ueber  die  neue  Ausg.  und  die  Hss.  der  Chronik  des 
Isidorus  Pacensis  aus  dem  8.  Jahrh.  s.  P.  Ewald,  NA.  X,  604. 

3)  lsidori  Hispalensis  Opera  ed.  Arevalo,  1790—1803.  7  Bände  in 
quarto.  Vol.  VII  enthält  die  historischen  Schriften.  Migne  LXXXI  bis 
LXXXIV.     Baehr,  S.  221.     Ebert  S.  588-602. 


Isidor  von  Sevilla,  §5 

hatte,  in  ein  Compendium,  die  20  Bücher  Originum  sive  Etymologiarum, 
welche  eine  aufserordentliche  Verbreitung  erlangten  und  allgemein 
gelesen  und  benutzt  wurden1).  Heut  zu  Tage  ist  man  geneigt  diese 
Bestrebungen  gering  zu  schätzen,  ja  ihnen  zu  zürnen,  weil  dadurch 
die  älteren  und  besseren  Werke  verdrängt  wurden.  Allein  es  war 
damals  schwer  sich  eine  Bibliothek  zu  sammeln;  nur  wenige  von 
denen ,  welche  sich  mit  Wissenschaften  überhaupt  beschäftigten, 
konnten  sich  die  umfangreichen  Handschriften  der  alten  Classiker 
verschaffen,  und  deshalb  gewannen  die  leicht  zugänglichen  Auszüge 
eine  so  rasche  Verbreitung.  Es  ist  sehr  fraglich,  ob  sich  die  reineren 
Quellen  besser  erhalten  haben  würden,  wenn  auch  niemand  Auszüge 
daraus  verfafst  hätte;  diese  dagegen  setzten  auch  unbemittelte  Schüler 
in  den  Stand,  wenigstens  etwas  zu  lernen. 

In  jenem  umfassenden  Werke,  welches  freilich  auch  die  mäfsig- 
sten  Ansprüche  unbefriedigt  läfst,  ist  nun  auch  eine  kurze  Chronik 
oder  chronologische  Uebersicht,  liber  de  discretione  temporum,  ent- 
halten, ein  Auszug  aus  der  zwölf  Jahre  früher  verfafsten  Chronik, 
Avelche  in  gedrängtester  Kürze  eine  Uebersicht  der  Begebenheiten 
von  der  Erschaffung  der  Welt  bis  zum  fünften  Jahre  des  Heraklius, 
dem  vierten  des  Sisebut  (615)  giebt2).  Eigentümlich  ist  Isidor 
die  Eintheilung  nach  den  sechs  Weltaltern,  entsprechend  den 
sechs  Schöpfungstagen;  das  letzte  beginnt  mit  Christi  Geburt  und 
Augusti  Kaiserthum.  Es  ist  das  ein  bei  Augustin  wiederholt  vor- 
kommender Gedanke3),  welcher  hier  zuerst  chronistisch  verwerthet 
wurde  und  später  durch  Beda  allgemeine  Verbreitung  fand. 

So  sehr  nun  auch  Isidor  von  der  kirchlichen  Auffassung  der 
Geschichte  erfüllt  war,  so  hatte  er  doch  auch  ein  lebhaftes  Gefühl 
für  sein  Land  und  für  das  Volk  der  Westgothen,  von  deren  Milde 
und  Menschenfreundlichkeit  er  ein  schönes  Zeugnifs  ablegt.  Denn 
nachdem  er  die  Einnahme  Roms  durch  Alarich  und  die  dabei  ge- 
übte Schonung  beschrieben  hat,  fügt  er  hinzu:   „Deshalb  lieben  auch 

1)  Ausg.  von  Arevalo,  Vol.  III.  IV,  von  Otto  in  Lindemanns  Corpus 
Grammatt.  Vol.  III.  1833.  Migne  LXXXII.  Ueber  die  Quellen  eine  Gott. 
Diss.  von  Dressel,  1875.  Die  Benutzung  der  Prata  Suetons  (Suetonii  Reli- 
quiae  ed.  Reifferscheid  1860)  ist  stark  überschätzt.  Vgl.  L.  Traube,  Com- 
mentationes  Wölfflin.    p.  198  ss. 

2)  Bis  era  654.  Den  Ursprung  dieser  spanischen,  38  a.  C.  beginnen- 
den Zeitrechnung  findet  Joh.  Heller  in  dem  Anfangsjahr  der  Ostercyclen, 
Hist.  Zeitschr.  XXXI,  13  —  32.  —  Kurze  Fortsetzung  bis  877  MG.  SS. 
XIII,  725. 

3)  Gegen  Büdinger,  welcher  Isidor  für  den  Urheber  derselben  hielt, 
nachgewiesen  von  Ebert  S.  233  u.  599,  u.  von  H.  Hertzberg  in  seiner  Abh. 
über  die  Chroniken  des  Isidor,  Forsch.  XV,  289 — 360,  wo  auch  die  Quellen 
derselben  nachgewiesen  sind. 


86  I.    Vorzeit.     §  6.    Westgothen. 

bis  auf  den  heutigen  Tag  die  Römer,  welche  im  Reiche  der  Gothen 
leben,  die  Herrschaft  derselben  so  sehr,  dafs  sie  es  für  besser  hal- 
ten, mit  den  Gothen  in  Armuth  zu  leben,  als  unter  den  Römern 
mächtig  zu  sein  und  die  schwere  Last  der  Abgaben  zu  tragen." 
Das  steht  in  der  Volksgeschichte  der  Westgothen,  welche  er  verfafst 
hat,  kurz  zwar  und  dürftig  für  uns,  die  wir  nach  eingehenderer 
Darstellung  verlangen,  aber  doch  nicht  ohne  Geschick  zusammen- 
gefafst  und  mit  Wärme  erzählt.  Kurze  Geschichten  der  Yandalen 
und  der  Sueven  schliefsen  sich  daran.  Vorangeschickt  aber  ist  ein 
überschwengliches  Lob  Spaniens,  das  jetzt  von  dem  blühenden  Volke 
der  Gothen  in  Reichthum  und  glücklicher  Sicherheit  beherrscht 
werde.  Dieses  Stück  fehlt  jedoch  in  den  meisten  Handschriften  und 
ist  nicht  von  Isidor1). 

Aufserdem  aber  haben  wir  endlich  noch  ein  Werk  des  Isidor 
zu  erwähnen,  welches  ebenfalls  grofse  Verbreitung  gefunden  und 
manchen  zur  Nachahmung  gereizt  hat.  Das  ist  sein  literarhisto- 
risches Buch  De  scriptoribus  ecclesiasticis.  Er  selbst  folgte  darin 
dem  Vorgange  des  Hieronymus  und  des  Gennadius,  eines  Marseiller 
Priesters  im  fünften  Jahrhundert.  Ihm  schlofs  sich  dann  zunächst 
Ildefons  von  Toledo  an  und  darauf  nach  langem  Zwischenräume 
im  zwölften  Jahrhundert  Sigebert,  Honorius,  Petrus  Dia- 
conus  und  der  ungenannte  Mönch,  welcher  nach  dem  Fundort  der 
Handschrift  von  Melk  (Anonymus  Mellicensis)  genannt  wird2),  aber 
dem  Inhalt  nach  vielmehr  nach  Regensburg  gehört,  alle  dürftig 
und  mager,  aber  schätzbar  durch  einige  nur  von  ihnen  aufbewahrte 
Nachrichten.  Im  dreizehnten  Jahrhundert  folgte  ihnen  Heinrich 
von  Gent3)  und  endlich  am  Schlüsse  des  Mittelalters  der  vielbe- 
lesene,   aber    unzuverlässige    Johann    von    Trittenheim4).     Den- 

*)  Auch  nicht  die  Recapitulatio,  nach  Hugo  Hertzberg:  Die  Historien 
des  Is.  (Gott.  Diss.  1874)  mit  genauer  Analyse  der  Quellen,  zu  welchen 
vorzüglich  auch  die  verlorene  Geschichte  des  Bisch.  Maximus  von  Za- 
ragoza bis  c.  620  gehört,  aus  welcher  auch  die  Randglossen  zum  Victor 
Tunnunensis  stammen  (S.  65—72).  Vgl.  NA.  IX,  244.  Uebers.  d.  Volks- 
geschichten von  D.  Coste  1887,  Geschichtschr.  10  (VII,  I). 

2)  Ueber  die  viel  bessere  gleichzeitige  Handschrift  in  Admunt  s.  NA. 
II,  421. 

3)  Der  Name  beruht  nur  auf  der  Ausgabe  von  Suffridus  Petri  1580. 
Sicher  ist  er  verschieden  von  dem  bekannten  Philosophen  des  Namens, 
s.  Haureau,  Mem.  de  l'Acad.  des  Inscriptions  XXX,  II,  349—357. 

4)  Alle  zusammen  gedruckt  in  J.  A.  Fabricius  Bibliotheca  ecclesiastica. 
Vgl.  Baehr  S.  228 — 245.  Die  gänzlich  unzuverlässigen,  zum  Theil  geradezu 
erfundenen  Angaben  des  Trithemius  sind  lange  Zeit  ohne  Prüfung  ange- 
nommen und  werden  noch  jetzt  häufig  unvorsichtig  nachgeschrieben.  Adolf 
Helmsdörffer  in  seinen  Forschungen  zur  Geschichte  Wilhelms  v.  Hirschau 
(Gott.  1874)   S.  35  ff.  weist   sehr  gut  nach,   wie  Trithemius  in  seinen  eige- 


Literarhistorische  Werke.  87 

selben  Gegenstand  behandelte  im  12.  Jahrhundert  Conrad  von 
Hirschau  in  seinem  Dialogus  super  auctores1),  und  im  Jahre  1380 
Hugo  von  Trimberg,  Lehrer  zu  St.  Gangolf  in  Bamberg,  in  Versen, 
in  seinem  Registrum  multorum  auctorum,  dessen  nicht  eben  reicher 
Ertrag  von  M.  Haupt  geprüft  ist,  in  den  Sitzungsberichten  der  Ber- 
liner Akademie  1854,  S.  142  ff.;  vollständig  herausgegeben  von  Joh. 
Huemer2). 


§  7.     Die  Franken. 

Histoire  Litteraire  de  Ja  France,  1733  ff.  Guizot,  Histoire  de  la  Civilisation  en  France 
depuis  la  chute  de  l'Erapire  Romain,  zuerst  1830  erschienen.  Ampere,  Histoire  Lit- 
teraire de  la  France  avant  le  douzieme  siecle.  3  Vol.  1839.  1840.  Aug.  Thierry, 
Recits  des  temps  Merovingiens,  1840.  Löbell,  Gregor  von  Tours  und  seine  Zeit, 
1839.  Zweite  Ausg.  1869.  Ozanam.  Etudes  Germaniques,  1845  1849;  3.  Ausg.  1861. 
Junghans,  Die  Gesch.  d.  Frank.  Könige  Childerich  u.  Chlodevech,  1857.  Diss.  tra- 
duite  par  M.  Gabriel  Monod,  augmentee  d'une  introduction  et  de  notes  nouvelles, 
1879.     G.  Monod,  Bibliographie  de  l'histoire  de  France,  1888. 

Die  Gothen  waren  ohne  Zweifel  ein  wohlbegabter,  bildungs- 
fähiger Stamm  und  ihre  Anfänge  vielversprechend;  aber  die  West- 
gothen  zeigen  nacli  Isidor  keine  fortschreitende  Entwicklung  in 
der  Litteratur,  und  der  Ostgothen  Reich  war  in  vollster  Auflösung 
begriffen,  als  es  den  Feldherren  Justinians  erlag.  Keines  der  deut- 
schen Reiche,  welche  auf  römischem  Boden  errichtet  wurden,  ver- 
mochte die  innere  Festigkeit  und  Ordnung  zu  gewinnen,  welche 
allein  die  Grundlage  einer  dauernden  und  fortschreitenden  Geistes- 
bildung und  litterarischen  Entwickelung  darbieten  kann.  Einen 
ganz  ähnlichen  Verlauf  der  Dinge  sehen  wir  auch  bei  den  Franken: 
auch  sie  finden  einige  Reste  der  alten  Bildung  vor,  welche  sich  eine 

nen  Schriften  sich  nicht  gleich  bleibt,  die  erfundenen  Schriftsteller  seiner 
Annales  Hirsaug.  in  den  älteren  Verzeichnissen  selbst  nicht  kennt.  (Vgl. 
auch  Silbernagel,  Trith.  1885,  über  die  Zusätze  der  Würzb.  Hs.  zu  seinem 
Catalogus  illustrium  virorum.)  Er  verweist  auf  ein  ungedrucktes  Werk  des 
Abts  Andreas  von  Michelsberg  Opus  canonisatum  de  Ordine  S.  Benedict^ 
welches  in  Verbindung  mit  ihm  steht  (s.  Arch.  XI,  421 — 424).  Nicolaus 
de  Siegen  in  Erfurt  in  seinem  Chronicon  ecclesiasticum  (ed.  Wegele,  Thür. 
Geschichtsquellen  II,  1855)  scheint  ihn  schon  benatzt  zu  haben.  Ein  Con- 
gestus  virorum  illustrium  Ordinis  S.  Benedicts  von  Petrus  Gallus  Wagner 
1487  in  St.  Ulrich  und  Afra  verfafst,  ist  noch  ungedruckt  und  scheint  un- 
abhängig zu  sein.  Das  (werthlose)  von  Radulfus  de  Diceto  seiner 
Chronik  vorausgeschickte  Verzeichnifs  seiner  Gewährsmänner  s.  in  der  Ausg. 
von  W.  Stubbs,  Lond.  1876,  NA.  III,  208. 

*)  Entdeckt  und  herausgegeben  von  G.  Schepss  im  Progr.  des  alten 
Gymn.  in  Würzburg  1889. 

2)  Wiener  SB.  CXVI,  145—190.  Ueber  eine  zweite  von  A.  Ebner 
gefundene  Hs.  NA.  XVI,  203. 


88  I.    Vorzeit.     §  7.    Die  Franken. 

Zeit  lang  kümmerlich  erhalten;  in  der  Kirche  regt  sich  dann  einige 
litterarische  Thätigkeit,  aber  zuletzt  droht  doch  alles  in  der  allge- 
meinen Aullösung  und  Verwirrung  rettungslos  unterzugehen,  und  es 
bedarf  einer  Neubelebung  der  fast  ganz  erstorbenen  Keime,  um  ein 
besseres  Zeitalter  herbeizuführen  auf  der  Grundlage  festerer  staat- 
licher Bildungen. 

Hochberühmt  waren  in  den  letzten  Jahrhunderten  der  Kaiser- 
herrschaft die  Schulen  der  Grammatiker  und  Rhetoren  in  Gallien, 
die  französischen  Schriftsteller  gefallen  sich  darin,  das  Bild  dieser 
Zeiten  auszumalen,  und  es  tritt  uns  in  den  Werken  von  Guizot  und 
Ampere  lebendig  entgegen.  Diese  Studien,  welche  noch  in  den 
letzten  Jahrzehnten  des  Reiches  so  eifrig  betrieben  wurden,  waren 
aber,  wie  sich  das  bei  dem  Charakter  dieser  Zeiten  nicht  anders 
erwarten  läfst,  dem  wirklichen  Leben  gänzlich  entfremdet,  und  be- 
wegten sich  nur  auf  dem  Boden  der  Schule.  Die  Prosa  war  bis 
auf  einen  unerträglichen  Grad  verkünstelt;  die  gesuchte,  kaum  ver- 
ständliche Schreibart,  deren  wir  schon  bei  Enuodius  und  Cassiodor 
gedachten,  ist  hier  auf  die  Spitze  getrieben.  Die  Poesie  war  vor- 
herrschend epigrammatisch  und  diente  fast  nur  dem  Zeitvertreib 
der  vornehmen  Welt;  durch  Gelegenheitsgedichte  suchten  die  Poeten 
die  Gunst  hoher  Gönner,  oder  diese  griffen  auch  selbst  zur  Feder, 
und  bewiesen  ihre  feine  Bildung  durch  allerhand  poetisches  Spiel- 
werk, wie  Ausonius  aus  Bordeaux,  der  nach  der  Verwaltung  be- 
deutender Staatsämter  in  Mufse  der  Litteratur  lebte  und  bald  nach 
392  gestorben  ist1).  Weniger  glücklich  als  dieser,  sah  sich  Apolli- 
naris  Sidonius  schon  verdammt,  unter  den  Barbaren  zu  leben, 
und  deshalb  sind  seine  Gedichte  und  Briefe  von  um  so  gröfserem 
Werthe  für  uns:  sie  zeigen  uns  nicht  nur  den  damaligen  Zustand 
der  Schulen  und  des  Lebens  in  Gallien,  sondern  gewähren  auch 
manche  Kunde  von  den  Burgunden  und  Westgothen,  denen  er  mit 
seiner  Kunst  dienen  mufste.  Innigst  verabscheut  er  diese  Barbaren, 
und  bei  mancher  Gelegenheit  spricht  er  das  unverhohlen  aus,  aber 
bewundern  und  feiern  liefs  er  sich  doch  recht  gerne  von  ihnen.  Auch 
das  grofse  Hochzeitsfest  der  Franken,  bei  welchem  diese  von  Aetius 
überfallen  wurden,  hat  Sidonius  zum  Preise  des  Siegers  geschildert. 
Zuletzt    wandte    er    sich    der  Kirche    zu,    welche   allein   noch    einen 

J)  Neue  Ausg.  v.  C.  Schenkl,  MG.  Auctt.  antiquiss.  V,  2.  1883;  von 
Peiper  1886,  Leipz.  Teubner.  Mosella  mit  frz.  Uebers.  und  Anm.  von  H. 
de  la  Ville  de  Mirmont,  Bordeaux  1889.  Manitius.  Gesch.  d.  christl.  lat. 
Poesie  (1891),  S.  105-111. 


Ausonius.     Apollinaris  Sidonius.  89 

sicheren    Hafen    darbot,    wurde   471  Bischof    von   Clermont    in    der 
Auvergne  und  starb  bald  nach  484 1). 

Einst  hatte  Constantin  die  fränkischen  Gefangenen  den  wilden 
Thieren  vorwerfen  lassen,  weil  sie  ihm  zu  wild  und  treulos  erschie- 
nen, um  sich  wie  andere  Barbaren  zum  Anbau  des  Landes,  zum 
Kriegsdienst  oder  als  Sclaven  verwenden  zu  lassen  :  nur  der  Schrecken, 
meinte  er,  vermöge  sie  zu  bändigen.  Aber  die  vielfache,  wenn  auch 
feindliche  Berührung  mit  den  Römern  milderte  allmählich  ihre  Wild- 
heit; bald  finden  wir  Franken  in  ansehnlichen  Aemtern  bei  den 
Römern,  und  schon  am  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  war  der 
Franke  Arbogast  Befehlshaber  der  Heeresmacht  im  westlichen  Reiche. 
In  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  sind  die  salischen  Franken 
von  den  Römern  abhängig,  sie  führen  ihre  Kriege  und  schlagen 
ihre  Schlachten.  Mit  den  Römern  verbündet,  durchzieht  der  König 
Childerich  ganz  Gallien  nach  allen  Seiten;  er  besiegt  mit  ihnen  die 
ketzerischen  Westgothen,  die  britischen  und  sächsischen  Seeräuber, 
die  plündernden  Alamannen.  Obgleich  noch  Heide,  ist  Childerich 
mit  seinen  Franken  doch  bereits  dem  ganzen  Lande  wohlbekannt, 
aber  nicht  mehr  als  der  wildeste  aller  Feinde,  sondern  als  Retter 
und  Beschützer.  Man  freute  sich  des  alten  Hünen,  wo  man  ihn  sah, 
hoch  zu  Rofs,  in  reicher  und  prächtiger  Rüstung:  der  Königsmantel, 
in  welchem  seine  Getreuen  ihn  zu  Tournay  bestattet  haben,  bestand 
aus  purpurner  golddurchwirkter  Seide,  wahrscheinlich  besetzt  mit 
den  goldenen  Bienen,  die  man  in  so  grofser  Zahl  in  seinem  Grabe 
fand  und  die  Napoleon  von  ihm  entlehnt  hat.  Natürlich  war  das 
alles  von  römischer  Arbeit,  auch  sein  Siegelring  führte  die  lateinische 
Inschrift:   CHILDIRICI  REGIS2). 

*)  Teuffei  §  460.  Fertig,  Apollinaris  Sidonius  und  seine  Zeit,  in  3 
Würzburger  und  Passauer  Programmen  1845.  46.  48.  Georg  Kaufmann, 
Die  Werke  des  C.  Sollius  Apollinaris  Sidonius,  Gott.  Diss.  1864.  Derselbe, 
Ueber  Leben  und  Charakter  des  Sidonius,  im  Neuen  Schweizer  Museum, 
1865.  Von  demselben:  Rhetorenschulen  und  Klosterschulen  oder  heid- 
nische und  christliche  Cultur  in  Gallien  während  des  5.  und  6.  Jahrhun- 
derts, in  Raumers  hist.  Taschenbuch  IV,  10  (1869)  S.  1—94.  St.  Sidoine 
Apollinaire  et  son  siecle  par  l'abbe  Chaix,  1867;  besser  als  das  Buch  ist 
die  Recension  von  G.  Kaufmann,  GGA.  1868,  S.  1001—1021.  Ebert  I, 
419  ff.  Manitius  a.  a.  O.  S.  218—224.  Mommsen,  S.  A.  am  westgoth. 
Hof,  Berl.  SB.  1885,  S.  215—223.  Büdinger,  A.  S.  als  Politiker,  Wiener 
SB.  XCVII,  915 — 954.  Aufsatz  von  Sandret  über  ihn  als  Historiker  in  d. 
Revue  des  questions  hist.  LXIII,  210  (Juli  1882).  Ausg.  von  Gregoire 
und  Collombet  in  3  Bänden,  Lyon  1836;  v.  Baret,  Paris  1879;  v.  Luetjo- 
hann  MG.  Auctt.  antt.  VIII.  Migne  LVIII.  E.  Chatelain  über  den  cod. 
Vat.  3421,  Melanges  Graux,  S.  321—327. 

2)  J.  J.  Chifflet,  Anastasis  Childerici  I  illustrata,  Antv.  1655,  4.  L'abbe 
Cochet,  Le  Tombeau  de  Childeric  I.     Paris  1859. 


90  I.    Vorzeit.     §  7.    Die  Franken. 

,  Da  ist  es  denn  nicht  zu  verwundern,  dafs  auch  daheim  im 
Salierlande  schon  Römer  wohnen  konnten,  als  Gäste  und  Hausge- 
nossen des  Königs,  ja  dafs  auch  die  Salier  selbst  ihr  eigenes  Volks- 
recht in  lateinischer  Sprache  aufzeichneten  —  denn  noch  wagte 
oder  verstand  man  es  nicht,  die  fränkische  zur  Schriftsprache  zu 
machen,  und  erst  an  eben  dieses  Rechtsbuch  lehnten  die  ersten 
noch  unbeholfenen  Versuche  sich  an1)  —  und  andererseits  erklärt 
es  sich  auch,  wie  bald  darauf  die  Vermischung  der  Franken  mit 
den  schon  halb  barbarisch  gewordenen  Provinzialen  so  leicht  und 
rasch  von  Statten  gehen  konnte;  war  man  doch  beiderseitig  schon 
längst  daran  gewöhnt,  mit  einander  zu  leben  und  zu  verkehren. 

In  lateinischer  Sprache  ist  auch  das  älteste  uns  erhaltene  Denk- 
mal einheimischer  Poesie  der  Franken  verfafst,  der  Prolog  zum 
Volksrecht  der  Salier,  wo  das  Volk  der  Franken  hoch  geprie- 
sen wird,  das  schöne,  kluge,  tapfere  und  treue,  das  jetzt  auch  den 
katholischen  Glauben  empfangen  habe  und  von  jeder  Ketzerei  rein 
sei.  Die  frühere  Abhängigkeit  von  den  Römern  erschien  ihnen  in 
der  Erinnerung  als  die  härteste  Knechtschaft,  deren  Joch  sie  mit 
ihrer  gewaltigen  Kraft  abgeworfen  hätten,  und  voll  Stolzes  rühmen 
sie  sich  der  reichen  Gaben  an  die  Kirchen  der  heiligen  Märtyrer, 
gegen  welche  die  Römer  einst  mit  Feuer  und  Schwert  gewüthet 
hätten. 

Dieser  letzte  Satz,  welcher  erst  lange  nach  der  Bekehrung  ge- 
schrieben sein  kann,  hat  aber  nicht  mehr  die  rhythmische  Form, 
welche  für  den  Anfang  dieses  Prologs  zuerst  von  Bethmann-Holl- 
weg  nachgewiesen  hat2),  und  dieser  erste  Theil,  in  welchem  die 
neulich  geschehene  Bekehrung  des  Volkes  erwähnt  wird,  scheint 
älterer  Zeit  anzugehören.  Doch  ist  das  sehr  unsicher  und  die  ge- 
nauere Zeitbestimmung  des  Prologs  viel  umstritten. 

So  wie  die  Franken  das  Christenthum  sogleich  mit  dem  ortho- 
doxen Eifer  ergriffen,  welcher  sich  in  jenen  Worten  ausspricht,  so 
waren  sie  auch  der  übrigen  römischen  Bildung  durchaus  nicht  feind; 
ja  Chlodovechs  Enkel  Chilperich,  der  auch  für  byzantinischen  Hof- 
staat und  römische  Staatseinrichtung  grofse  Vorliebe  zeigte,  ver- 
suchte sogar  das  lateinische  Alphabet  durch  Erfindung  neuer  Buch- 

*)  Ungeachtet  anderer  entgegengesetzter  Ansichten  scheint  mir  diese 
Auffassung  dem  ganzen  Bildungsgang  der  Franken  nicht  nur,  sondern  auch 
anderer  Völker  in  gleicher  Lage  besser  zu  entsprechen. 

2)  Schmidts  Zeitschrift  für  Geschichte  IX,  49.  Vgl.  Waitz,  Das  alte 
Recht  der  salischen  Franken,  S.  36  ff.  und  jetzt  ausführlicher  in  d.  3.  Aufl. 
d.  Verfassungsgesch.  II,  1,  122  ff.  Der  Schluss  des  Prol.  aus  d.  Pariser 
Hs.  Lat.  2294  bei  L.  Delisle,  Sacramentaires  p.  187. 


Lex  Salica.     Venantius  Fortunatus.  91 

staben  zu  verbessern,  und  machte  selbst  lateinische  Verse  nach  dem 
Vorbilde  des  Sedulius,  aber  wie  Gregor  von  Tours  berichtet,  wollte 
es  ihm  mit  der  Metrik  nicht  recht  gelingen1). 

Höchst  charakteristisch  für  diese  erste  Zeit  der  Vermischung 
des  Alten  und  Neuen  ist  die  Persönlichkeit  des  Venantius  For- 
tunatus2). Noch  in  den  alten  Rhetorenschulen  gebildet,  ist  er 
einer  der  letzten  Repräsentanten  jener  verkünstelten  Schulgelehr- 
samkeit. Er  stammte  aus  Italien  und  kam  um  das  Jahr  565  nach 
Gallien,  an  König  Sigiberts  Hof,  wo  man  viel  Gefallen  an  dieser 
Poesie  fand.  Ueberall  bei  den  fränkischen  wie  bei  den  römischen 
vornehmen  Herren  und  Bischöfen  war  er  ein  gern  gesehener  Gast 
und  auf  ein  Lobgedicht  von  ihm  legte  man  den  gröfsten  Werth. 
Aber  mehr  als  alles  dieses  fesselte  ihu  die  Freundschaft  der  heiligen 
Radegunde,  die  ihn  zuletzt  bewog,  in  den  geistlichen  Stand  einzu- 
treten und  sich  ganz  nach  Poitiers  zurückzuziehen.  Hierhin  hatte 
Radegunde,  aller  Herrlichkeit  der  Welt  entsagend,  sich  begeben, 
um  ihr  Leben  in  dem  von  ihr  gestifteten  Kloster  bei  den  Werken 
der  Frömmigkeit  und  Demuth  zu  beschliefsen,  sie,  einst  die  Ge- 
mahlin Chlothars,  den  sie  aber  nach  der  Ermordung  ihres  Bruders, 
des  letzten  Sprossen  der  thüringischen  Königsfamilie,  verlassen  hatte. 
Nur  ein  Vetter  von  ihr  war  noch  übrig,  der  in  Constantinopel  lebte, 
und  an  diesen  schrieb  nun  Fortunat  in  ihrem  Namen  eine  wahrhaft 
schöne  poetische  Epistel,  in  welcher  er  den  Untergang  des  thürin- 
gischen Reiches  in  ergreifender  Weise  schildert.  Ebenso  schön  ist 
ein  zweites  langes  Gedicht  über  das  traurige  Geschick  der  Galswin- 
tha,  Tochter  des  Westgothenkönigs  Athanagild,  der  Schwester  der 
Königin  Brunhilde,  die  mit  König  Chilperich  vermählt,  aber  bald 
nach  der  Hochzeit  auf  Anstiften  der  Fredegunde  ermordet  wurde3). 

Wo  Fortunat  in  solcher  Weise  einen  bedeutenden  Gegenstand 
aus  dem  wirklichen  Leben  zu  behandeln  unternimmt,  zeigt  er  wahres 

*)  S.  darüber  Gregor  von  Tours  V,  45,  und  die  Uebersetzung  Giese- 
brechts  I,  287.  Das  ihm  zugeschriebene  Epitaphium  S.  Germani  bei  Aimoin 
III,  16  scheint  nicht  wirklich  von  ihm  zu  sein. 

2)  Baehr  S.  145—161.  Teuffei  §  483.  Ebert  I,  518  ff.  Manitius 
S.  438 — 470.  Vgl.  über  ihn  besonders  die  Werke  von  Guizot  und  Ampere. 
Opera  poetica  ed.  Fr.  Leo,  MG.  Auctt.  antiquiss.  IV,  1.  1881 ;  Op.  pedestria 
ed.  Krusch  ib.  2.  1886.  Vgl.  auch  Böcking:  Moselgedichte  des  Ausonius 
u.  Ven.  Fortunatus,  Bonn  1845  (Jahrbuch  der  Alterthumsfreunde  im  Rhein- 
land, Band  VII).  Fr.  Leo,  V.  F.  der  letzte  röm.  Dichter,  Deutsche  Rund- 
schau XXXII,  414—426.  Sehr  häufige  Benutzung  im  MA.  hat  Manitius 
nachgewiesen. 

3)  Beide  Gedichte  schreibt  Ch.  Nisard  der  Radegunde,  Ven.  nur  Re- 
touche  zu,  hat  aber  nur  Widerspruch  gefunden,  s.  NA.  XIV  437.  W.  Lip- 
pert,  Zts.  f.  Thür.  Gesch.  N.  F.  VII,  16—38. 


92  I.    Vorzeit.     §  7.    Die  Franken. 

Gefühl  und  ungewöhnliches  Talent.  Aber  bei  weitem  die  Mehrzahl 
seiner  Gedichte  bewegt  sich  ganz  in  der  spielenden  Weise  seiner 
Zeit;  er  bedichtet  jede  gute  Mahlzeit,  die  Radegunde  ihm  zukommen 
läfst,  und  widmet  jedem  kleinen  Vorfall  ein  Epigramm.  Vollends 
unerträglich  ist  seine  Prosa,  schwülstig,  geziert,  kaum  verständlich; 
nur  in  den  von  ihm  verfafsten  Heiligenleben  redet  er  einfach  und 
natürlich.  Das  findet  sich  überhaupt  fast  durchgehends,  nur  wenige 
derselben  sind  in  dem  gesuchten  Stil  der  Schule  geschrieben,  und 
zwar  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  sie  zur  Erbauung,  zum 
Vorlesen  bestimmt  waren,  und  deshalb  allgemein  verständlich  sein 
mufsten. 

In  den  Heiligenleben,  die  Fortunat  verfafste,  herrscht  übrigens 
der  moralisch-theologische  Zweck  und  Standpunkt  zu  sehr  vor,  als 
dafs  sie  einen  bedeutenden  historischen  Werth  haben  könnten;  am 
anziehendsten  und  am  lehrreichsten  ist  das  Leben  der  Radegunde 
(f  13.  Aug.  587),  worin  das  Klosterleben  der  damaligen  Zeit  an- 
schaulich geschildert  wird,  doch  waren  auch  hier  so  bedeutende  und 
für  das  Kloster  wichtige  geschichtliche  Vorgänge  ganz  übergangen, 
dafs  schon  von  der  damaligen  Aebtissin  Dedimia  der  Nonne  Baudo- 
nivia  die  Abfassung  einer  zweiten  Biographie  aufgetragen  wurde, 
was  sie  gewissenhaft,  wenn  auch  in  ungeschickter  Weise,  bald  nach 
600  ausgeführt  hat1). 

Wie  nun  die  Legenden  sich  schon  durch  ihre  einfache  Sprache 
als  dem  Leben  näherstehend  bewähren,  so  zeigt  es  sich  überhaupt 
bald,  dafs  die  kirchliche  Litteratur  die  einzige  wahrhaft  lebensfähige 
war.  In  die  Kirche  flüchteten  sich  alle,  welche  noch  Sinn  und 
Neigung  für  litterarische  Bildung  hatten,  die  in  dem  wilden  Ge- 
tümmel des  weltlichen  Lebens  keine  Stätte  mehr  fand.  Das  sahen 
wir  an  Ennodius,  der  auch  im  südlichen  Gallien  geboren  und  in  den 
dortigen  Rhetorenschulen  gebildet  war,  an  Cassiodor,  Jordanis,  Apol- 
linaris  Sidonius,  und  auch  Fortunat  wurde  in  seinem  hohen  Alter 
noch  Bischof  von  Poitiers,  wo  er  zu  Anfang  des  siebenten  Jahr- 
hunderts gestorben  ist. 

Jene  innerlich  leblose  gekünstelte  Litteratur  der  Grammatiker 
starb  mit  ihren  letzten,  von  den  Franken  noch  vorgefundenen  Re- 
präsentanten ab,  und  nur  die  Kirche  bewahrte  von  nun  an  die 
Keime  des  geistigen  Lebens,  welche  sie  naturgemäfs  für  ihren  Dienst 

J)  De  vita  S.  Radegundis  libri  II,  ed.  Krusch,  SS.  Meroviüg.  11,^358—395. 
Vgl.  Dümmler:  Radegunde  von  Thüringen  (Im  neuen  Reich  1871,  S.  641 
bis  656).  Die  Kehrseite  zeigen  die  höchst  ärgerlichen  und  anstöfsigen 
Zustände  im.  Kloster  gleich  nach  Radegundens  Tod,  Greg.  Tur.  IX,  39 — 43. 
X,  15-17. 


Heiligenleben.  93 

verwandte.  Freilich  konnte  auch  sie  dem  Druck  dieser  Zeiten  nicht 
unversehrt  widerstehen;  die  früher  in  Gallien  sehr  bedeutende  spe- 
culativ-theologische  Thätigkeit  hörte  gänzlich  auf,  da  man  zu  ge- 
waltsam vom  Drange  des  praktischen  Lebens  ergriffen  wurde;  aber 
in  diesem  bewahrte  die  Kirche  eine  bedeutende  Stellung.  Politisch 
war  die  Macht  der  Bischöfe  im  fränkischen  Reiche  bald  gröfser,  als 
sie  je  gewesen  war,  und  wenn  sie  auch  von  der  immer  mehr  über- 
hand nehmenden  Verwilderung  stark  ergriffen  wurden,  so  ging  der 
tiefere  sittliche  Gehalt  in  der  Kirche  doch  niemals  völlig  verloren, 
und  mitten  in  dem  allgemeinen  Yerderben  erschienen  immer  aufs 
neue  einzelne  Männer,  welche  durch  Reinheit  der  Gesinnung  und 
durch  rückhaltlose  Hingabe  ihrer  eigenen  Person  für  die  Gebote 
des  Evangeliums  die  Verehrung  ihrer  Zeitgenossen  und  die  Bewun- 
derung der  Nachwelt  erzwangen.  Zu  keiner  Zeit  nach  den  ersten 
Jahrhunderten  der  christlichen  Kirche  finden  wir  eine  gröfsere  Zahl 
von  Heiligen  als  gerade  damals,  Männer  und  Frauen,  grofsentheils 
von  hervorragender  äufserer  Stellung,  die  durch  Entsagungen  aller 
Art,  durch  aufopfernde  "Wohlthätigkeit,  durch  unerschrockenes  Auf- 
treten gegen  die  Verbrechen  der  Grofsen  und  Mächtigen,  sich  die 
dankbare  Verehrung  des  Volkes  erwarben.  Das  äufsere  Leben  nahm 
gebieterisch  alle  ihre  Kräfte  in  Anspruch;  für  wissenschaftliche  Be- 
strebungen war  kein  Raum  in  dieser  Zeit,  und  die  geringe  littera- 
rische Thätigkeit,  welche  noch  Statt  findet,  beschränkt  sich  auf 
Predigten,  moralische  Schriften  und  Legenden,  die  ebenfalls  als  Vor- 
bilder zum  Zweck  der  unmittelbaren  Einwirkung  auf  die  Zeitgenossen 
verfafst  wurden. 

Auf  diesem  Felde  schlofs  sich  an  Sulpicius  Severus  eine  reiche 
Litteratur  an,  und  auch  der  Mann,  mit  dem  wir  uns  zunächst  zu 
beschäftigen  haben,  der  bedeutendste  Schriftsteller  der  merowin- 
gischen  Zeit,  Gregor  von  Tours,  wandte  der  Legende  seine  Thätig- 
keit hauptsächlich  zu. 


§.   8.      Gregor    von    Tours. 

Opera  ed.  Ruinart,  Paris  1699,  fol.  Migne  LXXI.  SS.  Meroving.  I.  1885  (Hist.  Fr.  ed. 
W.  Arndt,  de  miraculis  S.  Andreae  ed.  M.  Bonnet,  die  übr.  Schriften  v.  ßr.  Krusch). 
Rec.  v.  Bonnet,  Revue  crit.  1885  N.  9  (vgl.  NA.  X,  603),  1886  N.  8  (vgl.  NA.  XI, 
632).  Differenzen  zw.  Krusch  u.  Bonnet  NA.  XII,  309-314.  XVI,  432.  XVII,  199-203. 
Krusch:  Chlod.  Sieg  über  die  Alamannen,  gegen  Vogel,  NA.  XII,  289  —  302;  zu 
Greg,  de  cursu  stell.  NA.  XII,  303  —  314. 

In  Not.  et  Doc.  publ.  p.  la  Soc.  de  l'hist.  de  France  (1884)  giebt  H.  Omont  S.  1— 18  Nach- 
richt von  einem  durch  L.  Delisle  in  Kopenhagen  entdeckten  Fragment  e.  Hs.  d.  Hist. 
in  Uncialen  u.  einer  zweiten  saec.  IX.  Auch  sind  die  Leid.  u.  Vat.  Fragmente  (A2 
bei  Arndt)    abgedruckt.  —   L.  I  —  VI  e  cod.  Corb.  mit   den   Zusätzen  d.  2.  Ausg.  v. 


94  I-    Vorzeit.     §  8.    Gregor  von  Tours. 

H.  Omont  1886.  Album  pal.  pl.  12  codd.  Belvac.  Corb.  pl.  13  Caraerac.  mit  von 
Bethmann  übersehenen  Correcturen. 
UebersetzuDg  der  Gesch.  mit  vortrefflicher  Einleitung  von  W.  Giesebrecht.  Berlin  1851, 
2.  Aufl.  1878  (Geschichtschr.  8.  9.  VI,  4.  5).  Kries,  De  Greg.  Tur.  vita  et  scriptis, 
Vratisl.  1838.  Löbell,  Gregor  von  Tours  und  seine  Zeit,  Leipzig  1839,  1869. 
Haeusser  S.  8  — 17.  R.  Koepke  in  der  Allg.  Monatsschrift,  1852  Sept.  S.  775  — 800. 
Kl.  Sehr.  S.  289  ff.  Waitz  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1839,  S.  781  -793,  in  Schmidts 
Zeitschrift  für  Geschichte  II,  44.  Dazu  jetzt  die  vortreffl.  Monographie  von  G.  Mo- 
nod:  Etudes  critiques  sur  les  sources  de  l'hist.  Merovingienne  (Bibl.de  l'Ecol.  des 
hautes  etudes,  8  Fase.  1872)  p.  21  — 146  (vgl.  seine  oben  S.  39  angeführte  Recen- 
sion),  rec.  v.  Dümmler,  Lit.  Centr.  1872,  819  ;  v.  Waitz,  GGA.  1872,  903-909;  v.  W. 
Arndt,  Hist.  Zeitschr.  23,  415-422.  Ebert  S.  566-579.  Alfred  Jacobs,  Geographie 
de  Gregoire  de  Tours  et  de  Fredegaire,  Paris  1861,  u.  bei  der  Ausg.  von  Guizots 
Uebersetzung.  Longnon,  Geographie  de  la  Gaule  ä  l'epoque  de  Gr.  de  T.  1878. 
Le  Mire,  Etudes  archeolog.  sur  Gr.  de  T.  Lons-le  Saulnier  1879.  Bonnet,  Le  Latin  de 
G.  de  T.  Paris  1890. 

Gregor  von  Tours  stammte  aus  einer  sehr  vornehmen  römischen 
Familie,  der  fast  alle  Bischöfe  von  Tours  und  viele  Heilige  ange- 
hörten. Um  das  Jahr  540  in  Clermont-Ferrand  (Arverni)  geboren, 
erhielt  er  nach  seinem  Vater  und  seinem  Grofsvater  die  Namen 
Georgius  Florentius;  Gregor  hat  er  sich  erst  später  genannt,  nach 
seinem  mütterlichen  Ahnherrn,  dem  heiligen  Gregorius,  Bischof  von 
Langres.  Seinen  Vater  scheint  er  früh  verloren  zu  haben;  erzogen 
wurde  er  an  seinem  Geburtsort  von  seinem  Oheim,  dem  heiligen 
Bischof  Gallus,  und  nach  dessen  Tode  von  dem  Priester  Avitus,  der 
im  Jahre  571  ebenfalls  Bischof  von  Clermont  wurde.  Er  selbst  nennt 
nur  diesen,  der  ihn  nicht  in  weltlicher,  sondern  in  kirchlicher 
Wissenschaft  unterwiesen  habe.  Doch  hat  er  natürlich  in  der  Schule 
einige  Kenntnifs  des  Vergil  und  Sallust  bekommen,  weifs  auch  von 
Marcianus  Capeila,  aber  seine  Citate  beschränken  sich  auf  das  erste 
Buch  der  Aeneide  und  den  Prolog  des  Catilina,  wie  G.  Kurth  nach- 
gewiesen hat,  welcher  daraus  den  Schlufs  zieht,  dafs  eine  Chresto- 
mathie dieser  Art  damals  im  Schulgebrauch  gewesen  sei1). 

Im  Jahr  573  erhielt  Gregor  von  König  Sigebert  das  Bisthum 
Tours,  und  Fortunat  versäumte  nicht,  sein  Gedicht  dazu  zu  machen; 
Gregor,  der  ihm  nahe  befreundet  war,  hat  ihn  später  sogar  mit  einem 
Landgütchen  beschenkt. 

Der  Bischof  von  Tours,  der  Nachfolger  des  heiligen  Martin, 
war  eine  der  ansehnlichsten  Personen  im  fränkischen  Reiche,  ein 
Kirchenfürst  von  bedeutender  Macht,  und  mehr  noch  wegen  der 
ungemeinen  Verehrung  des  heiligen  Martin  ein  Mann,  auf  den  die 
Blicke  vieler  Menschen  gerichtet  waren  und  dessen  Stimme  bei  allen 
Staatshändeln  von  Gewicht  war.  Bei  den  inneren  Kriegen  unter 
den   Merowingern   konnte   es    daher   nicht  fehlen,    dafs   Gregor    sehr 

*)  Godefroy  Kurth:  Saint  Gregoire  de  Tours  et  les  etudes  classiques 
au  VI.  siecle.     Revue  des  questions  historiques,  Oct.  1878. 


Gregor  von  Tours.  95 

bald  in  schwierige  Verwickelungen  hineingezogen  wurde,  und  gleich 
anfangs  sah  er  sich  in  sehr  gefährdeter  Lage,  als  Chilperich  die 
Stadt  Tours  seiner  Herrschaft  unterwarf.  Er  benahm  sich  aber 
stets  mit  Klugheit  und  Festigkeit,  und  wufste  sich  selbst  gegen 
erbitterte  und  mächtige  Feinde  zu  behaupten.  Nach  Chilperichs 
Tode  (584)  stieg  sein  Ansehen,  und  yon  nun  an  war  er  einer  der 
einilufsreichsten  Männer  im  Reiche.  Allgemein  geachtet  starb  er 
am  17.  Nov.  594,  und  hinterliefs  ein  dankbares  Andenken  in  seinem 
Sprengel,  für  den  er  in  jeder  Beziehung  mit  unermüdlichem  Eifer 
thätig  gewesen  war;  man  verehrte  ihn  sogar  als  einen  Heiligen. 
Seine  im  zehnten  Jahrhundert  in  Tours  verfafste  Biographie  hebt 
nur  diese  Seite  hervor,  und  gewährt  fast  keine  neue  Belehrung 
über  ihn1). 

Vieles  hatte  Gregor  erlebt  und  gesehen,  von  seiner  Kindheit 
an,  wo  die  Auvergne  der  Schauplatz  des  Kampfes  zwischen  Chlothar 
und  Childebert  war,  bis  zu  dem  blutigen  Streite  der  Königinnen 
Brunhilde  und  Fredegunde;  seitdem  er  zu  den  Bischöfen  des  Reichs 
gehörte,  konnte  kein  bedeutendes  Ereignifs  eintreten,  ohne  ihn  un- 
mittelbar zu  berühren;  von  allem  erfuhr  er,  und  an  vielen  wichti- 
gen Staatsgeschäften  nahm  er  persönlich  Theil;  einen  grofsen  Theil 
des  Reiches  kannte  er  aus  persönlicher  Anschauung.  Da  erwachte 
in  ihm  der  Wunsch,  die  Kunde  dieser  Dinge  auch  der  Nachwelt 
zu  überliefern,  und  während  er  das  Leben  der  Heiligen  beschrieb 
und  reiche  Sammlungen  von  Wundergeschichten  verzeichnete,  ar- 
beitete er  zugleich  unablässig  an  dem  Geschichtswerke,  welchem 
wir  fast  allein  unsere  Kenntnifs  von  dem  Reiche  der  Merowinger 
verdanken.  Noch  trägt  es  die  Spuren  seiner  allmählichen  Entste- 
hung, man  erkennt  spätere  Nachträge,  und  es  fehlt  ihm  die  letzte 
Vollendung.  Um  so  gröfser  ist  deshalb  die  Glaubwürdigkeit  der 
letzten  Bücher,  in  welche  er  den  Ereignissen  gleichzeitig  die  Zeit- 
geschichte eintrug. 

Häufig  nennt  man  dieses  Werk  die  Kirchengeschichte  der  Fran- 
ken, und  in  manchen  Handschriften  trägt  es  nach  dem  Vorbild  des 
Beda  diesen  Titel  (Historia  ecclesiastica  Francorum).  Allein  so  sehr 
auch  dem  Charakter  der  Zeit  entsprechend  das  kirchliche  Element 
vorwiegt,  der  Inhalt  zeigt  doch,  dafs  jene  Ueberschrift  den  Grund- 
gedanken   des  Werkes   nicht   ausdrückt  und   also   nicht  von   Gregor 


J)  Die  darin  von  ihm  erzählte  Reise  nach  Rom  ist  erfunden,  s.  Monod 
p.  37.  Als  Verfasser  ist  von  Ruinart  ohne  Grund  der  Abt  Odo  von  Cluny 
genannt,  ib.  p.  25. 


96  I-    Vorzeit.     §  7.    Gregor  von  Tours. 

herrühren  kann.  Richtiger  nennt  man  es:  Zehn  Bücher  fränkischer 
Geschichten. 

Gregor  hatte  bereits  Vorgänger  gehabt;  er  selbst,  und  nur  er 
allein,  hat  uns  (II,  8.  9)  Namen  und  Bruchstücke  von  zwei  ver- 
lorenen Historikern  aufbewahrt,  von  Renatus  Profuturus  Fri- 
geridus  *),  dessen  zwölftes  Buch  der  Geschichten  er  anführt,  und 
Sulpicius  Alexander.  Aber  diese  scheinen  beide  noch  den 
Zeiten  der  letzten  Kaiser  angehört  zu  haben,  und  niemand  ver- 
suchte mehr  das  Andenken  dieser  trüben  Zeiten  aufzuzeichnen.  Mit 
der  Klage  darüber  beginnt  Gregor  sein  Werk.  Jetzt,  da  die  Pflege 
der  schönen  Wissenschaften  in  den  Städten  Galliens  vernachlässigt, 
ja  sogar  gänzlich  in  Verfall  gerathen  sei2),  so  lauten  die  inhalts- 
schweren Worte,  jetzt  finde  sich  kein  Gelehrter,  dem  die  Kunst  der 
Rede  zu  Gebote  stände3),  der  in  Prosa  oder  Versen  die  Begeben- 
heiten der  Gegenwart  der  Nachwelt  aufbewahre.  Laut  klage  das 
Volk:  Wehe  über  unsere  Tage,  dafs  die  Pflege  der  Wissenschaften 
bei  uns  untergegangen  ist  und  niemand  sich  findet,  der,  was  zu  un- 
sern  Zeiten  geschehen,  berichten  könnte!  Deshalb  also,  weil  kein 
anderer  auftrete,  habe  er  es  auf  sich  genommen,  das  Gedächtnifs 
dieser  Tage  den  Nachkommen  zu  überliefern. 

Die  Geschichte  seiner  Zeit  also  ist  sein  Gegenstand;  aber  um 
dafür  eine  chronologische  Grundlage  zu  gewinnen,  schickt  er  im 
ersten  Buche  eine  Uebersicht  der  Weltgeschichte,  hauptsächlich  der 
biblischen,  seit  der  Schöpfung  voran4);  die  Erzählung  von  der  Stif- 
tung der  gallischen  Kirchen,  zuletzt  von  seinem  Schutzheiligen  Sanct 
Martin,  giebt  dann  den  Uebergang  zur  fränkischen  Geschichte. 
Allein  er  führt  doch  auch  noch  einen  anderen  Grund  an  für  die 
Berechnungen,  mit  denen  er  sein  Werk  beschliefst,  nämlich  damit 
diejenigen,  welche  wegen  des  herannahenden  Endes  der  Welt  in  Sor- 
gen sind,  genau  wissen  möchten,  wie  viele  Jahre  seit  der  Erschaf- 
fung der  Welt  verflossen  wären.  Denn  diese  Vorstellung  beherrschte 
auch  ihn,  so  wie  alle,  die  auf  das  untergehende  römische  Reich,  das 
letzte  Weltreich,    ihre    Blicke   gerichtet  hatten.      Und   in   der    That 


1)  J.  Grimm,  Ueber  Jornandes  S.  17,  erklärt  den  letzten  Namen  für 
gothisch.  Beide  Namen  kommen  bei  Ammian  XXXI,  7  vor.  Schirren, 
De  Jord.  p.  7,  vermuthet  in  dem  Profuturus  ep.  Braccarensis,  an  welchen 
Pabst  Vigilius  538  schreibt,  den  Autor. 

2)  Decedente  atque  immo  pötius  pereunte  ab  urbibus  Gallicanis  libe- 
ralium  cultura  litterarum. 

3)  Peritus  dialectica  in  arte  grammaticus. 

4)  Libuit  etiam  animo,  ut  pro  supputatione  annorum  ab  ipso  mundi 
principio  libri  primi  poneretur  initium. 


Gregor  von  Tours.  97 

bot  diese  Zeit  kaum  etwas  anderes  dar,  als  Zeichen  des  Verfalles 
und  des  Unterganges;  Keime  neuen  Lebens  mufsten  dem  Franken- 
reiche  in  Gallien  erst  von  aufsen  wieder  zugetragen  werden,  für  die 
Neugestaltung  des  Staates  von  Austrasien,  für  die  Kirche  von  den 
britischen  Inseln. 

Vor  allem  findet  nun  Gregor  es  durchaus  nothwendig,  sein 
Glaubensbekenntnifs  an  die  Spitze  des  Buches  zu  stellen,  damit  kein 
Leser  an  seiner  Rechtgläubigkeit  zweifeln  könne;  denn  ein  Haupt- 
gegenstand seines  Werkes  würden  die  Kämpfe  der  Kirche  mit  den 
Ketzern  sein.  Höchst  charakteristisch  ist  dies  für  eine  Zeit,  die 
seit  Jahrhunderten  von  dem  Gegensatze  der  Katholiken  und  Arianer 
erfüllt  war,  wo  der  Name  des  Orthodoxen  der  höchste  Ehrentitel 
der  Fürsten  war,  und  die  Franken  ihren  gröfsten  Stolz  darin  fan- 
den, von  jeder  Ketzerei  frei  zu  sein.  Das  gesteht  ihnen  auch  der 
Mönch  Jonas  im  Leben  des  Columban  zu;  den  katholischen  Glau- 
ben finde  man  bei  ihnen,  nur  leider  von  den  Werken  auch  gar 
keine  Spur. 

Es  ist  aber  dieser  Standpunkt  für  die  Beurtheilung  von  Gregors 
Werk  sehr  wichtig;  seine  ganze  Auffassung  Chlodovechs  beruht 
darauf.  Nicht  nach  schriftlichen  Aufzeichnungen  schildert  ihn  Gre- 
gor; für  die  ersten  Zeiten  hat  er  wohl  die  schon  erwähnten  Autoren 
und  den  Orosius  benutzt,  auch  einzelne  annalistische  Notizen  und 
Heiligenleben,  vorzüglich  das  Leben  des  Remigius,  nebst  Briefen 
und  Aktenstücken1);  aber  seine  Hauptquelle  für  die  Urgeschichte 
der  Franken,  und  bald  seine  einzige,  ist  doch  die  lebendige  Ueber- 
lieferung,  und  die  Darstellung  Chlodovechs  sowie  seiner  nächsten 
Nachfolger  ist  darum  schon  durchaus  sagenhaft;  in  diesem  Ab- 
schnitt hat  man  sich  sehr  zu  hüten,  Gregors  Autorität  nicht  zu 
überschätzen  2). 

1)  s.  Monod  S.  81  ff.  und  über  die  Vita  Aniani  G.  Kaufmann,  Forsch. 
VIII,  130  ff.  Dazu  jetzt  die  Vorrede  von  Arndt.  G.  Kurth,  Revue  des 
Questions  hist.  XXIII,  S.  385  ff.  untersucht  seine  Quellen  für  die  Gesch. 
Chlodwigs,  nimmt  Ann.  Turonenses  an  und  eine  verlorene  Vita  Remigii. 
Letzteres  bekämpft  Hans  v.  Schubart:  Die  Unterwerfung  der  Alamannen 
unter  die  Franken  (Strassb.  1884)  und  macht  dagegen  aus  einer  freilich 
fehlervollen  Hs.  in  Montpellier  eine  bald  nach  Vedasts  Tod  (um  540)  ge- 
schriebene Vita  Vedasti  bekannt,  welche  in  Betreff  der  Bekehrung  Chlod- 
wigs Gregor  benutzt  hat,  wenn  er  nicht  aus  derselben  Quelle  mit  ihr 
schöpfte.  —  Die  von  Gr.  benutzte,  später  von  Hincmar  interpolierte,  Ven. 
Fort,  mit  Unrecht  zugeschriebene,  sehr  magere  Vita  Remedii  (=  Remigii) 
Auctt.  antt.  VI,  2,  64—67. 

2)  Neuerdings  sind  seine  Nachrichten  in  diesem  Sinne  geprüft  von 
Junghans,  Die  Geschichte  der  fränkischen  Könige  Childerich  und  Chlodo- 
vech  kritisch  untersucht,    Gott.  1857,   u.   in    der  Bearbeitung  von  Monod; 

Wattenbach,  Geschichtsquellen.  I.  6.  Aufl.  7 


98  I.    Vorzeit.     §  8.    Gregor  von  Tours. 

Chloclovech  ist  ihm  der  Streiter  der  Kirche,  ihr  Vorkämpfer 
gegen  die  Arianer;  als  solchen  fafst  er  ihn  vorzugsweise  auf,  und 
deshalb  kann  er  auch  (11,40)  von  ihm  sagen:  „Gott  aber  warf  Tag 
für  Tag  seine  Feinde  vor  ihm  zu  Boden  und  vermehrte  sein  Reich, 
darum,  dafs  er  rechten  Herzens  vor  ihm  wandelte,  und  that  was 
seinen  Augen  wohlgefällig  war". 

Unmittelbar  vorher  hat  Gregor  erzählt,  wie  sich  Chlodovech 
durch  Mord  und  Verrath  des  ripuarischen  Reiches  bemächtigte,  und 
man  hat  ihm  daher  jenen  Ausspruch  sehr  zum  Vorwurf  gemacht. 
Diese  Worte  fassen  aber  den  Inhalt  nicht  des  einen  Capitels  allein, 
sondern  auch  der  vorhergehenden  zusammen,  in  welchen  die  Be- 
kämpfung der  arianischen  Westgothen  erzählt  ist,  der  Kreuzzug, 
welchen  die  Kirche  als  Chlodovechs  gröfstes  Verdienst  betrachtete. 
Ein  feines  Gefühl  für  Recht  und  Unrecht  darf  man  freilich  bei  den 
Schriftstellern  dieser  Zeit  nicht  suchen;  wie  bei  den  Italienern  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  war  durch  die  täglich  sich  wiederholenden 
Greuelthaten  das  Gefühl  dafür  abgestumpft  worden.  Mord  und 
Hinterlist  waren  so  gewöhnliche  Werkzeuge  geworden,  dafs  wer  sie 
nicht  selber  anwandte,  ihnen  zum  Opfer  fiel;  es  kam  daher  für  die 
Beurtheilung  nur  noch  darauf  an,  ob  sich  ein  lobenswerther  Zweck 
damit  verband,  oder  ob  sie  blofs  der  Selbstsucht  und  anderen 
schlechten  Leidenschaften  dienten.  So  erzählt  denn  auch  Gregor 
zahlreiche  Geschichten  derart  mit  einer  Kälte,  die  uns  unheimlich 
berührt,  ohne  irgend  etwas  von  dem  Abscheu  zu  äufsern,  welcher 
den  heutigen  Leser  dabei  ergreift.  Eben  dadurch  aber  gewinnt  er 
um  so  mehr  an  Glaubwürdigkeit;  ganz  in  seiner  Zeit  stehend,  ge- 
währt er  uns  das  treueste  Bild  derselben,  und  indem  er  nur  einfach 
berichtet,  was  geschehen  war,  verdient  er  ohne  Zweifel  vollen  Glau- 
ben, so  weit  seine  eigene  Kenntnifs  der  Begebenheiten  reicht,  und 
so  weit  nicht  etwa  leidenschaftliche  Erregung,  so  weit  nicht  seine 
eifrig  kirchliche  Denkungsart,  sein  Hafs  gegen  die  Ketzer,  sein  Ur- 
theil  trüben,  oder  seine  übergrofse  Leichtgläubigkeit  ihn  irre  führt. 
Sehr  mit  Unrecht  hat  man  ihm  absichtliche  Entstellung  Schuld  geben 


und  von  Ad.  Gloel,  Zur  Geschichte  der  alten  Thüringer,  Forsch.  IV,  195—240; 
dagegen  L.  Hoffmann,  Zur  Geschichte  des  alten  Thüringerreiches,  im  Jahres- 
ber.  d.  höh.  Bürgerschule  zu  Rathenow  1872,  4.  —  Die  Vita  Basini  regis, 
ed.  Guil.  Cuper,  Acta  SS.  Jul.  III,  701,  des  Gründers  von  Trunchinium  oder 
Dronghen  bei  Gent  (vgl.  Herrn.  Müller,  Lex  Salica,  S.  128.  Holtzmann, 
Ueber  das  Verhältniss  der  Malb.  Glosse,  S.  22)  ist  geschichtlich  ganz  un- 
brauchbar; erst  sehr  spät  ist  von  ihm,  u.  als  König  noch  später  die  Rede, 
s.  H.  W.  Lippert,  Beiträge  zur  ältesten  Gesch.  d.  Thüringer,  Zeitschr.  d. 
Vereins  f.  thür.  Gesch.  XI,  S.  292—302.  XII,  S.  91—96. 


Gregor  von  Tours.  99 

wollen;  von  Flüchtigkeit  und  Ungenauigkeit  dagegen  ist  er  im  ersten 
Theile  seines  Werkes  nicht  frei,  und  daran  wird  es  auch  wohl  in 
den  späteren  Abschnitten,  wo  es  unsere  einzige  Quelle  ist,  nicht 
fehlen. 

Die  Darstellung  Gregors  ist  einfach  und  kunstlos;  er  selbst 
bittet  um  Entschuldigung  deshalb :  „Ich  bitte  die  Leser  vorher  um 
Verzeihung,  sagt  er,  wenn  ich  im  grofsen  oder  geringen  gegen  die 
Grammatik  fehlen  sollte,  denn  ich  bin  nicht  recht  bewandert  in 
dieser  Wissenschaft."  Die  Schulgelehrsamkeit  der  Zeit  mangelte 
ihm,  und  das  ist  ein  Glück  für  uns,  ebenso  wie  bei  Eugippius. 
Gregor  selbst  sagt  darüber  nicht  ohne  Ironie,  dafs  er  sich  zu  dieser 
Arbeit  entschlossen  habe,  weil  kein  Gelehrter  sie  auf  sich  nehme, 
und  weii  er  häufig  verwundert  habe  vernehmen  müssen,  dafs  einen 
Schriftsteller  von  gelehrter  Bildung  nur  wenige  verständen,  des 
schlichten  Mannes  Rede  aber  viele1).  Einige  Stellen  seines  Werkes, 
wo  er  sich  in  dieser  Schreibart  versucht  hat,  zeigen  uns  die  Gefahr, 
vor  welcher  sein  Mangel  an  Schulbildung  uns  bewahrt  hat.  In  der 
Regel  aber  ist  seine  Schreibart  diejenige,  welche  sich  damals  für 
die  Legende  ausgebildet  hatte,  und  nach  und  nach  allgemein  herr- 
schend wurde;  schlicht  und  einfach,  weil  sie  allgemein  verständlich 
sein  mufste,  und  erfüllt  von  biblischen  Ausdrücken  und  Anspielun- 
gen, dem  Standpunkt  der  Verfasser  und  dem  Zweck  ihrer  Werke 
angemessen,  da  sie  ja  sämmtlich  Geistliche  sind  und  auch  in  der 
Darstellung  der  Geschichte  die  kirchliche  Bedeutung  derselben  fast 
überall  vorherrscht;  dabei  dem  verfallenen  Zustand  der  damaligen 
Umgangsprache  entsprechend,  erfüllt  von  den  ärgsten  grammatischen 
Verstöfsen;  das  Gefühl  für  die  Bedeutung  der  Flexionsendungen 
hatte  sich  fast  ganz  verloren2). 

Die  kunstlose,  einfache  Sprache  Gregors,  seine  behagliche,  me- 
moirenartige Erzählung,  welche  Geschichten  aller  Art,  die  gröfsten 
Staatsbegebenheiten    und    unbedeutende    Vorfälle    des   gewöhnlichen 

*)  „Quia  philosophanteni  rhetorem  intelligunt  pauci,  loquentem  rusti- 
cum  multi."  Auch  bei  den  Griechen  war  eine  rhetorische  Kunstsprache 
üblich;  im  Anfang  des  siebenten  Jahrb.  drang  die  vulgärgriechische  Um- 
gangsprache durch  kirchlichen  Einfluss  in  die  Litteratur  ein.  Geizer, 
HZ.  LXI,  9. 

2)  Ueber  seine  Bildung  und  Sprache  vgl.  Monod  S.  110  ff.  u.  Bonnet.  Die 
neue  Ausgabe  von  W.  Arndt  läfst  mit  grösserer  Sicherheit  seine  Sprache  er- 
kennen, obgleich  leider  die  ältesten  Hs.  nicht  vollständig  sind.  Diese  zeigen 
einen  hohen  Grad  von  Barbarei,  welche  sowohl  alte  Abschreiber  als  neuere 
Herausgeber  bei  Gregor  und  in  den  Heiligenleben  fortwährend  abgeglättet 
haben.  Es  mag  noch  in  Betracht  kommen,  dafs  der  Frankengeschichte 
die  letzte  Hand  fehlt;  doch  bleibt  es  andererseits  auch  immer  noch  zwei- 
felhaft, was  gerade  die  ältesten  Abschreiber  schon  angerichtet  haben  mögen. 

7* 


100  I-    Vorzeit.     §  8.    Gregor  von  Tours. 

Lebens  bunt  durch  einander  mischt,  das  ist  es  eben,  was  seinem 
Werke  einen  so  grofsen  Reiz  verleiht,  und  es  zu  einem  so  treuen 
Spiegel  seiner  Zeit  macht,  dafs  ihm  in  dieser  Hinsicht  kein  zweites 
zu  vergleichen  ist. 

Vorzüglich  zeigt  uns  Gregors  Werk  auch,  wie  besonders  Loebell 
schlagend  nachgewiesen  hat,  die  völlige  Verschmelzung  der  fränki- 
schen und  der  romanischen  Bevölkerung ;  von  einem  feindlichen 
Gegensatze  beider  Elemente  ist  nichts  darin  wahrzunehmen,  und  die 
römische  Abkunft  des  Verfassers  hat  durchaus  keinen  Einflufs  auf 
seine  Darstellung  ausgeübt. 

Was  er  hörte,  was  er  sah,  das  erzählte  er,  ohne  weiteren  Zweck, 
als  das  Andenken  der  Dinge  zu  erhalten ;  er  dachte  keineswegs  ge- 
ring von  dieser  Aufgabe  und  dem  Werthe  derselben,  denn  ausdrück- 
lich beschwört  er  am  Ende  des  letzten  Buches  seine  Nachfolger  auf 
dem  Stuhle  des  heiligen  Martin,  sie  unverkürzt  und  unversehrt  der 
Nachwelt  aufzubewahren,  und  nichts  daran  zu  ändern.  Und  wenn 
auch  nicht  durch  ihr  Verdienst,  so  ist  uns  doch  wirklich  Gregors 
Werk  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  überliefert  worden,  und  seit 
Jahrhunderten  hat  man  diese  ungeschminkte  Darstellung  einer  fernen 
Zeit  hoch  geschätzt  und  in  Ehren  gehalten.  Wir  können  ihm  keine 
hohe  Stelle  unter  den  Geschichtschreibern  einräumen,  denn  ihm 
fehlen  die  wesentlichsten  Eigenschaften,  welche  dazu  gehören,  die 
Beherrschung  des  Stoffes,  das  tiefere  Eindringen  in  den  Zusammen- 
hang der  Dinge;  aber  um  so  mehr  ist  es  auch  dankbar  anzuerken- 
nen, dafs  er  nicht  versucht  hat,  was  ihm  nicht  gelingen  konnte, 
sondern  sich  in  Bescheidenheit  begnügte,  eine  reiche  Fülle  des 
mannigfaltigen  Stoffes  in  seinen  Werken  zusammenzufassen.  Von 
vorzüglichstem  Werthe  ist  darunter  für  uns  seine  Geschichte  der 
Franken,  doch  enthalten  auch  seine  Wundergeschichten  und  Heiligen- 
leben viele  für  die  Charakteristik  der  Zeit  wichtige  Züge. 

In  seinen  letzten  Jahren,  als  die  blutigen  Stürme,  die  das  Fran- 
kenreich zerrissen  hatten,  eine  Weile  ruhten,  als  Childebert  und 
König  Gunthram  den  Frieden  aufrecht  hielten,  hat  Gregor  seine  Er- 
zählung fortgeführt  bis  zum  Jahre  591;  am  Ende  fügte  er  noch  eine 
kurze  Geschichte  der  Bischöfe  von  Tours  *),  und  zuletzt  einen  Abrifs 
seines  eigenen  Lebens  hinzu:  ein  Schlufswort,  welches  Monod  als 
Epilog  zu  allen  seinen  Werken,  nicht  zur  Geschichte  allein  betrach- 
tet.     Dann    begann   er,   wie   es   scheint,   sein  Werk  noch   einmal  zu 

J)  Die  Grabschrift  eines  sonst  unbekannten  „Ebracharius  heros",  der 
zur  Zeit  des  etwas  späteren  Bischofs  Chrodobertus  4  Klöster  stiftete,  bei 
De  Kossi,  Inscriptt.  urbis  Rcyaaa&  minist. „IL,  1,  69. 

Ä  \ 

8T.    MICHAEL  '8 
COLLEGE 


Gregor  von  Tours.     Annalen.  101 

überarbeiten;  die  sechs  ersten  Bücher  enthalten  Einschiebungen, 
welche  um  diese  Zeit  geschrieben  sind,  und  diese  sechs  Bücher  sind 
denn  auch,  so  scheint  es,  zuerst  allein  bekannt  geworden;  nur  sie 
finden  sich  in  der  ältesten  Handschrift,  und  sie  allein  wurden  später 
in  einen  Auszug  gebracht. 

Bei  weitem  nicht  mehr  in  dem  Grade  wie  Isidor,  hatte  Gregor 
in  sich  aufgenommen,  was  von  der  alten  Bildung  noch  übrig  war; 
doch  war  sie  auch  auf  ihn  nicht  ohne  Einflufs  geblieben;  hoch 
überragt  er  die  nun  folgende  Zeit  der  tiefsten  Barbarei,  wo  kaum 
noch  einzelne  Funken  litterarischen  Lebens  zu  finden  sind,  wo  die 
aus  der  alten  Welt  herübergenommeue  Bildung  fast  vollständig  ab- 
starb, während  zugleich  politisch  die  ärgste  Verwilderung  und  Auf- 
lösung eintrat:  im  siebenten  Jahrhundert,  sagt  0.  Abel,  nach  Brun- 
hilde  und  Fredegunde  verliert  im  merowingischen  Königshause  auch 
das  Laster  seine  Gröfse,  in  wachsender  Jämmerlichkeit  schleppt 
sich  das  entartete  Geschlecht  noch  anderthalb  Jahrhunderte  durch 
die  Geschichte. 

Erwähnt  habe  ich  vorher  (S.  97),  dafs  Gregor  auch  annalistische 
^Notizen  benutzt  habe,  welche  im  Anfang  seiner  Geschichte  sehr  deut- 
lich zu  erkennen  sind.  Mit  diesen  hat  man  sich  neuerdings  sehr 
eingehend  beschäftigt1).  Schon  oben  S.  57  ist  der  Annalen  von 
Arles  gedacht  worden,  welche  mit  Consularfasten  verbunden  sind. 
Holder-Egger  hat  ihre  Benutzung  nachgewiesen  in  einer  Weltchronik, 
welche  fälschlich  den  Namen  des  Severus  Sulpicius  trägt 2), 
und  bis  511  reicht,  nach  seiner  Ansicht  aber  wahrscheinlich  erst  733 
in  Südgallien  verfafst  ist;  nicht  unwichtig  für  die  westgothische  Ge- 
schichte von  450  bis  500.  Er  findet  aufserdem  ihre  Spuren  bei 
Isidor,  Marius,  Jordanis,  und  in  Verbindung  mit  den  Ravennater 
Fasten  bei  Gregor3)  und  in  der  Fortsetzung  des  Prosper  bis  641. 
Gregor  hat  aufserdem  noch  Annalen  benutzt,  welche  wahrscheinlich 
aus  Angers  stammen,  und  burgundische,  welche  auch  Marius  hatte, 
und  deren  Verwerthung  bei  beiden  ihre  Uebereinstimmung  erklärt, 
wie  W.  Arndt  nachgewiesen,  und  Monod,  welcher  früher  Benutzung 
des   Marius   bei    Gregor   angenommen    hatte,    ihm    zugegeben  hat. 

J)  W.  Arndt  HZ.  XXVIII.  0.  Holder-Egger  in  der  S.  57  angeführten 
Schrift.  Rec.  von  J.  J.  M.  im  Lit.  Centralbl.  1875  Sp.  1380,  von  W. 
Arndt,  Jen.  LZ.  1875  N.  48.  Arndts  Vorr.  S.  22,  wo  auch  noch  annali- 
stische Notizen  aus  der  Auvergne  und  aus  Poitiers  vermutriet  werden.  Ueber 
Annalen  von  Tours  s.  oben  S.  97. 

2)  Florez,  Esp.  sagr.  IV,  430 — 456;  vom  J.  379  an  wieder  abgedruckt 
bei  Holder-Egger. 

3)  Vgl.  Holder-Egger  im  NA.  I,  288-276.  <„. 


3> 


102  !•    Vorzeit.     §  8.    Gregor  von  Tours. 

Der  Bischof  Marius  von  Avenches,  ein  Zeitgenosse  Gregors, 
ist  zu  erwähnen,  als  Verfasser  einer  Fortsetzung  des  Prosper,  oder 
vielmehr  des  Chronicon  imperiale  (oben  S.  82)  bis  581.  Marius 
scheint  ein  vortrefflicher  Mann  und  exemplarischer  Bischof  gewesen 
zu  sein,  dazu  ein  geschickter  Goldschmidt,  welcher  kunstreiche  Ge- 
räthe  für  seine  Kirche  selbst  verfertigte.  Im  Jahre  530  oder  531 
aus  edlem  Geschlecht  im  Sprengel  von  Autun  geboren,  wurde  er 
574  Bischof  der  alten  Römerstadt  Avenches,  welche  sich  von  der 
Zerstörung  durch  die  Alamannen  niemals  recht  erholt  hatte,  und 
deshalb  verlegte  er  den  Sitz  des  Bischofs  nach  Lausanne,  wo  er 
am  31.  Deceniber  594  gestorben  ist1). 

In  seiner  Schulbildung  stand  er  nicht  höher  als  Gregor.  Es 
verdient  Anerkennung,  dafs  er  in  dieser  Zeit  den  Versuch  machte, 
die  Weltchronik  fortzusetzen,  aber  dürftig  genug  ist  der  Versuch 
ausgefallen.  Er  besafs  ein  Exemplar  der  Ravennater  Fasten,  mit 
annalistischen  Notizen  aus  Arles  vermehrt,  und  benutzt,  ihnen  folgend, 
die  Consulreihe,  zu  welcher  er  die  Indictionen  hinzufügt,  später  die 
Jahre  p.  c.  Basilii  und  die  Regierungsjahre  Justins  II  und  Tiberius  II, 
als  einzige  brauchbare  Chronologie;  inmitten  der  vorübergehenden 
und  durch  innere  Kriege  erschütterten  neuen  Reiche  ist  ihm  die 
„res  publica"  das  einzig  bleibende,  und  ganz  aufserhalb  ihres  Be- 
reiches, scheint  er  doch  die  Kaiser  als  die  wahren  Herren  der 
Christenheit  zu  betrachten.  Uebrigens  berichtet  er  doch  vorzüglich 
die  ihn  näher  berührenden  Vorgänge  des  burgundischen  und  des 
fränkischen  Reiches,  und  was  er  mittheilt,  hat  für  uns  grofsen 
"Werth.  Bis  467  lassen  sich  bei  ihm  (nach  W.  Arndt)  die  Annalen 
von  Arles,  bis  526  die  Ravennater  verfolgen.  Vom  Jahre  500  an 
schöpft  er  aus  burgundisch-fränkischen  Annalen,  vielleicht  bis  570 
oder  571.  Endlich  nimmt  Arndt  noch  „byzantinische,  wohl  in 
Mailand  verfafste  Annalen"  an,  welche  bis  568  nachweisbar  wären, 
und  auch  von  Marcellin  benutzt. 

Verbunden  mit  diesen  Annalen  ist  ein  Anhang  von  581  bis 
624,  welcher  mit  Unrecht  von  Brosien  verdächtigt2),  von  G.  Monod 


*)  W.  Arndt,  Bischof  Marius  von  Aventicum.  Sein  Leben  und  seine 
Chronik.  Nebst  einem  Anhang  über  die  Consulreihe  der  Chronik.  Leipz. 
Habilitationsschrift  1875.  Die  falsche  Jahreszahl  593  auf  S.  13  hat  der 
Verfasser  selbst  berichtigt.  —  Hierin  ist  die  jetzt  allein  brauchbare  Text- 
ausgabe nach  der  einzigen  HS.  enthalten,  welche  einst  in  St.  Trond  war, 
jetzt  Brit.  Mus.  16,974.     Facs.  in  Arndts  Schrifttafeln  16. 

2)  Krit.  Untersuchung  der  Quellen  zur  Geschichte  Dagoberts  I  (Gott. 
1868)  S.  5. 


Marius  Aventicensis.     Legenden.  103 

in  Schutz  genommen  ist1),  in  Uebereinstininmng  mit  G.  Kaufmann2) 
und  H.  Hertzberg3).  Nach  letzterem  ist  der  erste  Theil  desselben 
aus  Isidor  entnommen;  der  zweite  ist  original,  erzählt  in  fliefsender 
Darstellung,  und  geht  bald  völlig  in  die  fränkische  Geschichte  über. 
Dieser  Anhang  wäre  benutzt  in  der  Fortsetzung  des  Isidor  bis  636 
im  Cod.  Urbinas,  und  diese  wieder  in  der  Fortsetzung  des  Prosper 
bis  641.  Vollständig  aufgenommen  ist  er  in  der  Fortsetzung  des 
Isidor  von  1017  (MG.  SS.  XIII,  261). 

Im  burgundischen  Reiche  ist  ebenfalls  schon  in  der  ersten 
Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts  die  Vita  sanctorum  abbatum 
Agaunensium  (von  St.  Maurice  im  Wallis)  geschrieben,  welche 
W.  Arndt  nach  einer  Abschrift  des  Jesuiten  P.  Fr.  Chiiflet  heraus- 
gegeben hat4).  Ist  hier  nun  auch  der  Text  vielleicht  etwas  ge- 
glättet, so  zeigt  doch  der  ganze  Periodenbau  noch  eine  anspruchs- 
volle Schulbildung,  und  sowohl  die  halb  in  Prosa  aufgelöste  Grab- 
schrift des  Tranquillus  c.  10,  wie  die  Distichen  auf  Ambrosius  c.  12 
zeigen  metrisches  Verständnifs5),  während  die  Verse  auf  Probus  S.  3 
geradezu  jeder  Metrik  hohnsprechen.  Demselben  Jahrhundert  gehört 
das  Leben  eines  Einsiedlers  an,  des  Hostianus,  welcher  ein  Ver- 
wandter des  Königs  Sigismund  war;  geschichtliche  Thatsachen  sind 
aber  nicht  daraus  zu  entnehmen6). 

Nach  Gregor  versiecht  im  Frankenreich  die  geschichtliche  Auf- 
zeichnung der  Begebenheit  fast  völlig,  und  nur  in  Burgund  ent- 
stehen noch  Schriften,  welche  uns  über  die  folgenden  Zeiten  dürftige 
Kunde  gewähren7). 

*)  Revue  Critique  1873  N.  42. 

2)  Forsch.  XIII,  418—424. 

3)  Forsch.  XV,  317—324.    Vgl.  das  Facs.  bei  Arndt,  Schriftt.  16. 

4)  Kleine  Denkmäler  aus  der  Merovingerzeit,  Hann.  1874.  Acta  SS. 
Nov.  I  mit  neuen  Hülfsmitteln  verbesserte  Ausgabe  von  De  Smedt,  auch 
mit  der  vorher  noch  fehlenden  Chronologica  Series,  vgl.  Krusch,  HZ. 
LXIII,  102.  A.  Jahn,  Gesch.  der  Burgundionen  (1874)  II,  504—512  giebt 
den  ältesten  Text  der  ebenfalls  in  Agaunum  im  Anf.  d.  8.  Jahrh.  geschriebenen 
Passio  Sigismundi  regis  und  erweist  S.  513 — 518  den  Unwerth  der  von  Lütolf, 
Glaubensboten  der  Schweiz  S.  172  mitgetheilten  Passio  SS.  Victor is  et  Ursi 
nebst  der  Translatio.  Die  Passio  Sigism.,  welche  einige  Umstände  aus  der 
Tradition  und  die  Translationsgesch.  bietet,  ed.  Krusch,  SS.  Meroving.  II, 
329-340. 

5)  Das  c.  13  über  Probus  besteht  aus  rhythmischen  Versen. 

6)  Analecta  Bolland.  II,  355—358;  vgl.  NA.  IX,  444. 

7)  Völlig  unbekannt  sind  die  „regnorum  libri  diversarum  gentium, 
quos  pretiosissimo  dictamine  et  in  luculento  sermone  insignis  historio- 
graphus  edidit  Roterius",  angeführt  in  der  Vita  Severi  (Agath.  Acta  SS. 
Aug.  25).  Er  soll  zu  Zeiten  K.  Reccareds,  also  gegen  600,  geschrieben 
und  über  die  Verheerung  gallischer  Städte,  spec.  Agde,  durch  Attila  be- 
richtet haben. 


104  I.    Vorzeit.     §  9.    Fredegar. 


§  9.     Fredegar. 

Ausgabe  v.  Br.  Krusch,  MG.  SS.  Rer.  Merov.  IL  1888,  vgl.  Br.  Krusch,  Die  Chronicae 
des  sog.  Fredegar,  NA.  VII,  247  —  351.  421—516-  Auszug  des  fünften  Buches  in 
Giesebrechts  Uebersetzung  des  Gregor.  II,  265—281.  Die  Chronik  Fredegars  (Buch 
6)  und  der  Frankenkönige  übersetzt  von  Otto  Abel,  Berl.  1849.  1876.  1888  mit  d. 
Forts.  (Geschichtschr.il.  VII,  2).  Ebert  S.  606.  Palacky,  Ueber  den  Chronisten 
Fredegar  und  seine  Nachrichten  von  Samo,  Jahrb.  des  Böhm.  Museums  I,  387—413. 
Herrn.  Brosien,  Kritische  Untersuchung  der  Quellen  zur  Gesch.  Dagoberts  I,  Gott. 
1868.  Alfr.  Jacobs,  Geographie  de  Fredegaire,  de  ses  Continuateurs  et  des  Gesta 
Francorum,  Paris  1859.  G.  Monod,  Revue  Crit.  1873  N.  42.  Ders.  Du  lieu  d'origine 
de  la  chronique  dite  de  Fredegaire,  im  3.  Bd.  d.  Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  1878. 
Ders.  Sur  un  texte  de  la  compilation  dite  de  Fr.  relatif  ä  letablissement  des  Burgun- 
dions dans  lempire  Romain,  in :  Melanges  publies  par  l'Ecole  des  hautes  etudes, 
1878  (NA.  IV,  418),  Abdr.  des  cod.  10910,  von  Monod  besorgt,  Bibl.  de  l'Ecole 
des  hautes  etudes,  fasc.  63,  Paris  1885.  Facs.  v.  Harl.  5251  im  Catal.  of  anc. 
Mss.  pl.  52;  des  cod.  Ciarom.  im  Album  pal.  pl.  13,  wo  H.  Omont  678  berechnet. 

Das  einzige  Geschichtswerk,  welches  uns  aus  dem  siebenten 
Jahrhundert  aufbewahrt  ist,  trägt  den  Namen  des  Scholasticus 
Fredegar;  aber  dieser  Name  findet  sich  nur  bei  J.  Scaiiger  im 
Jahre  1598  und  in  den  Antiquites  Gauloises  et  Francoises  von  Claude 
Fauchet  1599,  in  den  uns  erhaltenen  Handschriften  dagegen  nirgends1). 
Doch  ist  es  zweckmäfsig  ihn  beizubehalten,  wie  ja  auch  allgemein 
üblich  ist.  Allein  durch  die  scharfsinnigsten  Untersuchungen  hat 
Bruno  Krusch,  gestützt  auf  die  früher  noch  nicht  bekannt  geworde- 
nen Kapitel  des  Liber  generationum,  der  ganzen  Untersuchung  über 
den  räthselhaften  Schulmeister  eine  neue  Wendung  gegeben,  und 
unter  seinem  kritischen  Messer  hat  das  scheinbar  einheitliche  Werk 
sich  in  ganz  verschiedene  Bestandteile  aufgelöst. 

Zunächst  treten  uns  Annalen  entgegen,  die  in  Burgund,  im 
„pagus  Ultrajoranus",  vielleicht  in  Avenches,  von  wo  Marius  nach 
Lausanne  fortgezogen  war,  bis  in  den  Anfang  des  7.  Jahrh.  fortge- 
führt wurden,  und  deutlich  zu  erkennen  sind  in  der  Compilation 
eines  Aventicensers,  welcher  im  J.  613  dieselben  bis  auf  seine  Zeit 
fortsetzte2),  und  um  den  Zusammenhang  der  Weltgeschichte  zu  ge- 
winnen, den  im  J.  235  von  Hippolyt  verfafsten  Liber  gener  ationis3) 
und  einen  Auszug  aus  Hieronymus  und  Idacius  voranstellte4).    Seine 

*)  Vgl.  über  den  Namen  G.  Monod,  Etudes  crit.  p.  256. 

2)  Dieser  ist  nach  Krusch  der  im  Prolog  als  quidam  sapiens  bezeichnete. 

3)  Darüber  s.  Krusch,  NA.  VII,  456 ;  vgl.  oben  S.  54. 

4)  G.  Kurth,  welcher  in  der  Revue  des  Questions  hist.  1890,  S.  60  ff. 
die  Geschichte  Chlodwigs  nach  Fredegar  behandelt,  weist  den  Theil  der 
Chronik  von  Chilpericbs  Tod  bis  613  dem  zweiten  Compilator  zu,  indem 
er  bestreitet,  dass  der  erste  überhaupt  etwas  originales  geschrieben  habe 
(NA.  XV,  615). 


Die  Fredegarische  Chronik.  105 

Arbeit  reicht  bis  zum  39.  Cap.  des  sog.  Fredegar,  und  dieser  Anfang 
gewinnt  also  durch  diese  Entdeckung  bedeutend  an  Gewicht.  Der 
eigentliche  Fredegar  aber,  von  welchem  man  bisher  allgemein  an- 
nahm, dafs  er  yor  dem  J.  660  nicht  geschrieben  haben  könne,  nahm, 
wie  Krusch  jetzt  das  ganz  überzeugend  nachgewiesen  hat,  im  J.  642, 
bis  wohin  er  seine  Arbeit  geführt  hat,  das  ältere  Werk  vor;  auch 
er  war  in  derselben  Gegend  heimisch.  Er  versah  die  beiden  ersten 
Bücher  mit  Anhängen,  und  fügte  einen  Auszug  aus  den,  ihm  allein 
bekannt  gewordenen,  sechs  ersten  Büchern  des  Gregor  von  Tours 
hinzu  *),  nicht  ohne  Einmischung  von  allerlei  Fabeln,  namentlich  im 
dritten  Buche  nach  dem  wirklichen  Idatius  jene  über  die  Vorzeit 
der  Franken,  von  welchen  Gregor  noch  frei  ist,  die  uns  aber  von 
nun  an  aller  Orten  begegnen,  und  bald  weiter  ausgesponnen  wurden: 
Erzeugnisse  einer  kindischen  Gelehrsamkeit  und  kecker  Erfindung, 
echter  Sage  völlig  fremd,  die  aber  nach  und  nach  bei  Halbgelehrten 
und  Ungelehrten  Eingang  fanden2). 

Für  die  Fortführung  der  Geschichte  benutzte  Fredegar  eine 
Relation  über  das  inhaltreiche  Jahr  613,  wie  man  wegen  des  genauen 
Berichtes  Cap.  40 — 44  annehmen  mufs,  und  erzählte  treu,  wenn  auch 
mit  geringem  Geschick,  was  er  erlebt  hatte. 

Dasselbe  nun,  was  Fredegar,  für  seine  Zeit  und  Bildung  gut 
genug,  geleistet  hatte,  versuchte  um  658  ein  dritter  Bearbeiter,  ein 
Austrasier,  den  Krusch  vermuthungsweise  nach  Metz  setzt;  er  er- 
gänzte das  Werk  durch  einen  Auszug  der  Yita  Columbani,  und 
fügte  verschiedene  Supplemente  über  austrasische,  westgothische, 
oströmische  Geschichte,  auch  über  Samo  hinzu;  von  ihm  mufs  auch 
der  Absatz  vom  Schluss  des  Cap.  84 — 88  mit  entschieden  austra- 
sischem  Charakter  herrühren.  Seine  Zuthaten  sind  es,  welche  früher 
zu  der  Annahme  führten,  das  ganze  Werk  könne  nicht  vor  660  ge- 


*)  Die  auch  abgesondert  vorkommende  sog.  Historia  epitomata  in  93 
Kapiteln.  Gegen  L.  v.  Ranke's  Ansicht  (Weltgesch.  IV,  2,  328-368),  dafs 
sie  nicht  als  Auszug  aus  Gregor  zu  betrachten  sei,  hat  sich  Waitz  sehr 
entschieden  erklärt,  Praef.  Greg.  Tur.  p.  VIII.    NA.  IX,  650. 

2)  Vgl.  hierüber  Zarncke,  Ueber  die  Trojanersage  der  Franken,  in 
den  Berichten  der  k.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1866  S.  257 — 285,  nebst  dessen 
Anzeige  der  Schrift  von  Wormstall:  Die  Herkunft  der  Franken  von  Troja, 
Münster  1869,  im  Lit.  Centr.  1869,  381,  und  G.  Waitz  zu  Jord.  Osnabrug. 
S.  13.  A.  Dederich,  Der  Frankenbund,  Hann.  1873.  A.  Thorbecke:  Ueber 
Gesta  Theoderici  (1875)  S.  9—13.  Lüthgen:  Die  Quellen  u.  der  hist.  Werth 
der  fränk.  Trojasage,  Diss.  Bonn.  1875.  Die  Entstehung  der  Fabelei  ist 
jetzt  lichtvoll  nachgewiesen  von  Krusch,  NA.  VII,  473.  Die  in  den  mit 
Fortsetzungen  versehenen  Hss.  eingeschobene  Historia  Daretis  Frigii  de 
origine  Francorum  ist  nach  Fred.  S.  194 — 200  von  Krusch   herausgegeben. 


106  I-    Vorzeit.     §  9.    Fredegar. 

schrieben  sein.  Eine  weitere  Fortsetzung  aber  hat  er  nicht  zu 
Stande  gebracht. 

Wie  nun  später  diese  Sammlung  fortgesetzt,  vermehrt  und  um- 
gestaltet ist,  werden  wir  noch  zu  betrachten  haben.  Unbehülflich 
und  dürftig  war  diese  Schriftstellerei ,  aber  es  kommt  auch  Fredegar 
gar  nicht  in  den  Sinn,  grofse  Ansprüche  zu  machen;  er  empfindet 
lebhaft  den  traurigen  Zustand  der  Zeit,  und  sieht  nach  der  damals 
herrschenden  Vorstellung  das  Ende  der  Welt  als  nahe  bevorstehend 
an.  „Wir  stehen  jetzt  im  Greisenalter  der  Welt,  sagt  er;  darum 
hat  die  Schärfe  des  Geistes  nachgelassen,  und  niemand  vermag  es 
in  dieser  Zeit  den  früheren  Schriftstellern  gleichzukommen."  Sich 
selbst  legte  er  nur  einen  bäurischen  und  ganz  beschränkten  Sinn 
bei1),  und  diese  rührende  Bescheidenheit  sollte  wohl  den  Spott  über 
den  ehrlichen  Mann  entwaffnen,  welcher  mit  aller  Anstrengung  ge- 
leistet hat,  was  er  vermochte,  und  der  sich  dadurch  um  die  Nach- 
welt ein  unsterbliches  Verdienst  erworben  hat. 

Merkwürdig  wäre  es  allerdings,  wenn  Fredegar  wirklich  einer 
Schule  vorgestanden  hätte;  denn  seine  und  seiner  Genossen  Kennt- 
nifs  des  Lateinischen  war  unglaublich  gering,  seine  Sprache  ist  über 
die  Mafsen  barbarisch,  aber  freilich  nicht  verschieden  von  derjenigen, 
welche  wir  auch  in  den  Urkunden  der  Zeit,  und  in  Italien  bis  ins 
elfte  Jahrhundert  finden.  Entschieden  falsch  ist  es,  wenn  man  diese 
Sprache  als  die  des  romanischen  Volkes  bezeichnet,  sie  kann  nie 
gesprochen  worden  sein.  Alle  Flexionsendungen  sind  nämlich  darin 
vorhanden,  sie  werden  aber  nur  noch  aus  Convenienz  gebraucht, 
da  das  Gefühl  für  ihre  Bedeutung  sich  fast  ganz  verloren  hat'2). 
Das  Volk  wirft  in  solchem  Falle  die  Endungen  ab,  und  bildet  sich 
neue;  nur  wer  gelehrt  scheinen  will,  braucht  sie  noch,  ohne  aber 
ihre  Bedeutung  recht  zu  kennen.  Treffend  vergleicht  einmal  Kausler 
diese  Schreibart  mit  schriftlichen  Aufsätzen,  die  einer  aus  der  nie- 
deren Klasse  in  der  Sprache  der  Gebildeten,  welcher  er  nicht  recht 
mächtig  ist,  niedergeschrieben  hat.     Wir  finden  sie  deshalb  nur  da, 

1)  Rusticitas  et  extremitas  sensus  mei. 

2)  Krusch  hat  die  Eigentümlichkeiten  dieser  Sprache  sorgfältig  zu- 
sammengestellt, S.  486 — 494.  Ganz  ungrammatisch  sind  auch  die  Reli- 
quienzeugnisse: 'Authentiques  de  Reliques  de  l'Epoque  Merov.  decouvertes 
ä  Vergy.  Par  L.  Delisle'  (Ecole  de  Rome  1884).  Welches  entsetzliche 
Latein, man  noch  754  schrieb,  zeigt  die  Unterschrift  des  Gundohin,  Bibl. 
de  l'Ecole  des  Chartes  VI,  4,  217.  Vgl.  auch  Sickel,  Urkk.  der  Karolinger 
I,  137  ff.,  dem  ich  aber  darin  nicht  beistimmen  kann,  wenn  er  dieses  Kau- 
derwelsch als  sermo  plebejus  bezeichnet.  Eine  ähnliche  Erscheinung  bietet 
das  ausgehende  15.  Jahrh.  in  dem  Diarium  Nepesinum,  Arch.  della  Soc. 
Rom.  di  Storia  patria,  Vol.  VII. 


Fredegar  und  seine  Sprache.  107 

wo  die  Volksprache  der  lateinischen  noch  nahe  genug  stand,  dafs 
man  lateinisch  schreiben  konnte,  ohne  es  schulgemäfs  erlernt  zu 
haben,  besonders  in  Italien^  wo  sich  ein  solches  Kauderwelsch  bei 
den  Notaren  am  längsten  erhielt.  Dort  zeigt  es  sich  auch  deutlich, 
dafs  die  Schreiber  weit  davon  entfernt  waren,  in  der  Volksprache 
schreiben  zu  wollen,  denn  mitten  in  solchen  Urkunden  kommen 
Zeugenaussagen  in  ausgebildetem  Italienisch  vor. 

Fredegar  stand  übrigens  mit  seinem  Latein  durchaus  nicht 
allein  unter  der  fränkischen  Geistlichkeit  des  siebenten  Jahrhunderts; 
das  zeigt  uns  das  Leben  des  um  665  verstorbenen  Wandregisil, 
des  Stifters  von  Fontenelle,  welches  W.  Arndt  genau  nach  der  schönen 
Uncialhandschrift  hat  abdrucken  lassen,  die  der  Abfassung  sehr  nahe 
stehen  mufs  und  gewifs  mit  aller  Sorgfalt  geschrieben  ist1).  Hat 
doch  jetzt  G.  Waitz  nachgewiesen,  dafs  auch  noch  Paulus  Diaconus 
nicht  viel  anders  schrieb,  und  Jordanis  und  Gregor  von  Tours 
scheinen  ebenfalls  schon  auf  diesen  Weg  geführt  zu  haben. 

Wiederum  verging  nach  Fredegar  mehr  als  ein  halbes  Jahr- 
hundert, in  dem,  aufser  einigen  Heiligenleben,  unter  denen  jedoch 
mehrere  nicht  gering  anzuschlagen  sind,  das  ganze  Frankenreich 
keine  Spur  von  Geschichtschreibung  darbietet.  Erst  in  den  letzten 
Zeiten  der  Merovinger,  als  in  Austrasien  schon  die  ganze  littera- 
rische Thätigkeit  dem  aufstrebenden  Geschlecht  der  Hausmeier  sich 
zugewandt  hatte,  wurde  in  Neustrien  ein  Werk  verfafst,  welches 
sich  Gregor  und  Fredegar  anschliefst,  und  in  seiner  Armseligkeit 
dem  Zustande  des  absterbenden  Reiches  vollkommen  entspricht.  Es 
ist  daher  auch  kaum  möglich  anzunehmen,  dafs  bei  den  darin  Cap.  44 
angeführten  scriptores,  wie  Krusch  S.  217  annimmt,  an  wirkliche 
Geschichtschreiber  zu  denken  ist;  mit  Recht  hebt  Kurth  hervor,  dafs 
mit  dem  ganz  unbedeutenden  Chlodwig  II  sich  nicht  mehrere  Ge- 
schichtschreiber beschäftigt  haben  werden,  dagegen  in  Saint-Denis, 
wo  er  ihrem  Heiligen  einen  Arm  genommen  hatte,  verschiedentlich 
über  ihn  geschrieben  sein  mag. 


§.    10.     Hie    Thaten    der    Frankenkönige. 

Gesta  Francorum,  Bouquet  II,  580.  Migne  XCVI,  1421  aus  Duchesue.  Neue  Ausg.  unter 
dem  Titel  Liber  historiae  Francorum  von  Br.  Krusch,  SS.  Merov.  II,  215  —  328. 
Vgl.  Cauer,  De  Karolo  Martello,  Berol.  1841,  p.  11—28.  Brosieu  p.  41— 44.  Breysig, 
Karl  Martell  S.  112.  G.  Monod,  Les  Origines  de  lhistoriographie  ä  Paris  (Memoires 
de  la  Societe  de  l'histoire  de  Paris  et  de  lTIe  de  France,  Tome  III,  p. 219  —240).  G.  Kurth, 
Etüde  crit.    sur   le    Gesta  Rerum  Francorum,    Bull,  de    l'Acad.  r.  de  Belg.  3  ser.  t. 

*)  Kleine  Denkmäler  aus  der  Merovingerzeit,  Hann.  1874. 


108  I-    Vorzeit.     §  10.    Die  Thaten  der  Frankenkönige. 

XVIII  (1889)  p.  261—291.  Auszugsweise  Uebersetzung  des  ersten  Theils  von 
W.  Giesebrecht,  hinter  Gregor  von  Tours  II,  282 — 302.  Vollständig  von  639  an,  von 
Abel,  hinter  Fredegar,  s.  oben  S.  104. 

Die  Anfänge,  die  Herkunft  und  die  Thaten  des  Frankenvolkes 
und  seiner  Könige  will  ich  erzählen  —  so  beginnt  nicht  ohne  Kühn- 
heit der  Verfasser  sein  Werk,  aber  genannt  hat  er  sich  nicht,  und 
obgleich  er  für  seine  Zeit  aufserordentliches  leistete  und  im  ganzen 
Mittelalter  sein  Buch  viel  gelesen  wurde,  so  hat  doch  niemand  seinen 
Namen  uds  überliefert.  Ohne  Zweifel  war  er  ein  Neustrier.  E.  Cauer 
glaubte,  wegen  der  besonderen  Verehrung,  mit  welcher  er  des  heiligen 
Bischofs  Audoenus  gedenkt,  dafs  er  der  Kirche  zu  Rouen  angehört 
habe1),  und  dieser  Ansicht  hat  auch  Krusch  sich  angeschlossen,  und 
einige  Stellen  für  seinen  Aufenthalt  in  dieser  Gegend  geltend  gemacht. 
Die  von  G.  Monod  aufgestellte  Vermuthuog,  dafs  der  Verfasser  ein 
aus  Spanien  geflüchteter  westgothischer  Mönch  in  Paris  gewesen  sei, 
kann  wohl  als  ausreichend  widerlegt  betrachtet  werden,  aber  seine 
Beziehungen  zu  Paris  sind  auch  von  Kurth  wieder  schärfer  betont; 
er  hält  ihn  für  einen  Mönch  von  Saint-Denis.  Seine  Heimath  ver- 
muthet  er  in  der  Gegend  von  Laon  und  Soissons,  von  wo  er  allerlei 
zu  berichten  und  Oertlichkeiten  zu  nennen  weifs. 

Neustrien  ist  das  Land,  von  dem  der  Verfasser  des  Über  his- 
toriae  berichtet;  Austrasien  erwähnt  er  nur  gelegentlich,  er  liebt  es 
nicht,  und  von  dem  Neuen,  was  sich  dort  bildet,  ist  er  unberührt; 
während  man  in  Austrasien  wenig  mehr  von  den  Merovingern  weifs, 
sie  in  den  Annalen  kaum  noch  nennt,  stehen  sie  bei  ihm  überall  im 
Vordergrunde.  Er  gehört  ganz  der  alten  Zeit  an,  und  bezeichnet 
durch  seine  den  Fredegar  weit  übertreffende  Dürftigkeit  und  Armuth 
den  fortgehenden  Verfall,  wenn  auch  sein  Latein  weniger  barbarisch 
ist.  Dafür  aber  fehlt  ihm  auch  die  gelehrte  Belesenheit  Fredegars. 
Er  hat  für  die  alte  Zeit,  aufser  dem  Prologus  legis  Salicae2),  nur 
eine  Quelle,  die  ersten  sechs  Bücher  Gregors,  und  hierauf  gestützt 
unternahm  er  es  im  sechsten  Jahre  Theuderichs  IV  d.  i.  im  Jahre  727 3), 
die  Geschichte  seines  Volkes  zu  schreiben.  Mit  mageren  Auszügen 
aus  Gregor  verbindet  er  wie  Fredegar  die  halb  volksthümlichen,  halb 
gelehrten  Sagen  über  die  Anfänge  der  Franken;  dann  fährt  er  selb- 
ständig fort,  nicht  Jahr  für  Jahr  berichtend,  sondern  in  kurzen  Um- 

!)  1.  c.  p.  14. 

2)  Was  Kurth,  der  vielmehr  den  Prolog  für  jünger  hält,  m.  E.  ohne 
Grund  bekämpft.  Ausserdem  hat  Monod  in  c.  38  u.  40  eine  Verwandt- 
schaft mit  dem  Anhang  zu  Marius  Avent.  nachgewiesen. 

3)  Nicht  725,  wie  man  früher  annahm,  s.  Br.  Krusch,  NA.  X,  94,  wo 
die  Chronologie  der  letzten  Merovinger  berichtigt  ist. 


Die  Gesta  Francorum.     Gesta  Dagoberti.  109 

rissen,  wie  sie  sich  allenfalls  durch  mündliche  Ueberlieferung  er- 
halten konnten.  Fredegars  Chronik  war  ihm  nicht  bekannt,  und 
soweit  diese  reicht,  ist  sein  Werk  kaum  zu  benutzen;  dann  aber  ist 
es  für  lange  Zeit  die  einzige  zusammenhängende  Erzählung,  welche 
wir  besitzen,  und  wie  er  seiner  eigenen  Zeit  näher  kommt,  wird 
seine  Darstellung,  wenn  sie  gleich  immer  dürftig  bleibt,  doch  zu- 
verlässig. Die  besseren  Heiligenleben,  aus  denen  einzelne  Abschnitte 
sich  ergänzen  lassen,  bestätigen  seine  Angaben. 

Wenige  Jahre  nachher,  noch  bei  Lebzeiten  Theuderichs  IV,  der 
737  gestorben  ist,  hat  ein  Austrasier  eine  neue  Bearbeitung  dieses 
Buches  (B)  unternommen,  welches  er  für  ein  Werk  Gregors  von 
Tours  hielt  und  dem  er  daher  den  Titel  gab  „Liber  sancti  Gregorii 
Toronis  episcopi  gesta  regum  Francorum".  Daher  der  gewöhnliche 
Titel,  an  welchem  man  als  an  einem  gewohnten  und  allgemein  ver- 
ständlichen wohl  auch  ferner  festhalten  wird.  Der  Verfasser  ergänzte 
einiges  aus  Gregors  Geschichte,  auch  aus  Isidor;  schon  736  wurde 
dazu  eine  Fortsetzung  geschrieben,  welche  wir  nur  in  überarbeiteter 
Gestalt  als  erste  Fortsetzung  des  Fredegar  kennen. 

Damit  ist  nun  die  Zahl  der  merovingischen  Historiker  erschöpft, 
denn  die  Thaten  Dagoberts1)  sind  eine  unzuverlässige  Compilation 
aus  dem  neunten  Jahrhundert,  von  einem  Mönch  zu  Saint-Denis 
verfafst,  um  das  Kloster  und  seinen  Stifter  zu  verherrlichen,  mit  Be- 
nutzung sowohl  mündlicher  Tradition  als  auch  der  vorhandenen  Ur- 
kunden, unter  welchen  schon  falsche  sich  befanden.  Hat  man  früher 
sie  in  das  Ende  des  neunten  Jahrhunderts  gesetzt2),  so  weist  da- 
gegen Krusch  (S.  396)  nach,  dass  sie  835  schon  vorhanden  war. 
Entschiedener  hat  Julien  Havet  ihre  Glaubwürdigkeit  in  Schutz  ge- 
nommen, natürlich  abgesehen  von  den  nur  wiedererzählten  Fabeln, 
vorzüglich  in  Bezug  auf  die  Thatsache,  dafs  wirklich  Dagobert  I, 
wenn  auch  bei  Lebzeiten  seines  Vaters,  das  Kloster  gestiftet  hat, 
während  Mabillon  eine  viel  frühere  Stiftung  annahm3). 

Der   so  viel  benutzte   und  oft  angeführte  Aimoin   aber  ist  gar 

J)  Gesta  Dagoberti,  Ausg.  Bouquet  II,  580.  Migne  XCVI,  1395  aus 
Duchesne.     Krusch,  SS.  Merov.  II,  396— 425,  vgl.  Forsch.  XXVI,  161  —  191. 

2)  So  Monod,  Rev.  crit.  1873,  II,  S.  258,  welcher  die  Verinuthung 
ausspricht,  dafs  die  Flucht  der  Mönche  vor  den  Normannen  nach  Reims, 
die  wahrscheinlich  mit  dem  Verlust  von  Urkunden  verbunden  war,  nach 
ihrer  Rückkehr  888  zu  dieser  trügerischen  Arbeit  den  Anlafs  gegeben  habe. 

3)  Questions  Merov.  V.  Les  origines  de  Saint-Denis  (Bibl.  de  Tlilcole 
des  Chartes  LI  (1890)  p.  5—62.  Derselben  Zeit  schreibt  Havet  S.  38  die 
Pazsio  SS.  Dionysii,  Rustici  et  Eleutlterü  zu,  die  aber  nach  seiner  Ansicht 
in  Aquitanien  geschrieben  ist.  Sie  ist  gedr.  Auctt.  antt.  IV,  2,  101 — 105, 
als  fälschlich  Venantius  Fortunatus  zugeschrieben. 


110  !•    Vorzeit.     §  10.    Die  Thaten  der  Frankenkönige. 

erst  aus  dem  Anfange  des  elften  Jahrhunderts  und  ohne  allen  Werth. 
Es  war  die  Roheit  der  Form,  welche  zur  neuen  Bearbeitung  trieb, 
wie  Aimoin  ausdrücklich  sagt,  und  aus  demselben  Grunde  zog  man 
später  diese  Bearbeitungen  vor.  Für  geschichtliche  Untersuchungen 
aber  darf  man  sich  auf  Aimoin  so  wenig  wie  auf  den  noch  späteren 
Rorico   berufen1). 

Actenstücke,  Gesetzbücher  und  Formeln2)  liegen  unserer  Auf- 
gabe fern,  aber  gedenken  müssen  wir  doch  der  Briefe,  welche 
theils  einzeln  und  ihrer  besonderen  Wichtigkeit  wegen,  theils,  und 
vorzüglich,  in  Sammlungen,  die  als  Muster  gebraucht  wurden,  sich 
erhalten  haben.  Für  diesen  Zeitraum  schliefsen  sie  sich  an  die  be- 
rühmten Namen  der  Bischöfe  Avitus  von  Vienne,  Remigius  von 
Reims,  Desiderius  von  Cahors3).  Yon  besonderer  Wichtigkeit  ist  die 
Sammlung  der  JEpistolae  Austrasicae,  welche,  mit  einigen  Schreiben 
des  Remigius  beginnend,  in  grofser  Zahl  amtliche  Correspondenzen 
der  Könige  Sigebert  und  Childebert  II  (bis  585)  enthält,  und  zwar 
nach  Concepten,  so  dafs  die  Entstehung  nothwendig  in  der  könig- 
lichen Kanzlei  zu  suchen  ist.  Hier  hatte  der  von  Fortunat  besungene 
Gogo  gewirkt,  gefeiert  als  ein  neuer  Cicero  wegen  seiner  Bered- 
samkeit, Vorsteher  der  Hofschule  und  aus  weiter  Ferne  aufgesuchter 
Lehrer;  zweimal  wird  er  als  Concipient  genannt.  In  der  kritisch 
gereinigten  Ausgabe  von  Gundlach,  der  ersten  seit  Freher,  werden 
diese  Briefe  erst  recht  benutzbar  sein4). 

x)  Aimoin,  von  dem  noch  unter  III  §  10  die  Rede  sein  wird,  war 
Mönch  von  Fleury  und  widmete  sein  Werk  dem  Abt  Abbo  (f  1004).  Er 
wollte  die  Geschichte  bis  auf  Karls  des  Grofsen  Vater  Pippin  beschreiben, 
sein  Werk  reicht  aber  nur  bis  653.  Rorico  schrieb  in  sehr  geziertem  Stil 
und  reicht  bis  511.  Ueber  seine  Person  ist  nichts  bekannt,  nur  weisen 
einige  Umstände  nach  Amiens;  mit  Unrecht  hat  man  aus  der  idyllischen 
Einkleidung  geschlossen,  dafs  er  die  Schafe  gehütet  habe.  Vgl.  A.  Thor- 
becke  über  Gesta  Theodorici  (Heidelb.  Progr.  1875)  S.  13 — 18.  In  der 
Chronikensammlung  von  St.  Denis,  welche  man  der  Veranlassung  Sugers 
zuschreibt,  wurde  Aimoin  mit  den  Gesta  Dagoberti,  Gesta  Francorum,  den 
Fortsetzern  des  Fredegar  etc.  verbunden,  später  die  Chronik  amtlich  fort- 
geführt und  im  dreizehnten  Jahrhundert  alles  ins  Französische  übersetzt. 
Ausgabe  bei  Bouquet  III.  Die  darin  benutzte  Forts,  aus  Saint-Germain- 
des-pres  1125—1167  (=  Hist.  Lud.  VII)  theilweise  MG.  SS.  XXVI,  151.  — 
Den  Anfang  einer  eigentümlichen  Ueberarbeitung  der  Gesta  Francorum, 
welchen  Ekkehard  benutzt  hat,  theilt  Waitz  aus  einer  Bamberger  Hand- 
schrift mit,  Forschungen  HI,  145 — 147;  vgl.  607. 

2)  Ueber  diese  genügt  es,  auf  die  Abh.  v.  Zeumer,  NA.  VI,  9 — 115  u. 
die  Ausg.  MG.  Legum  Sectio  V  zu  verweisen.  Den  Bischof  Landerich, 
welcher  Marculfs  Sammlung  veranlafste,  hält  Z.  für  den  Bischof  von  Meaux, 
c.  700. 

3)  Gesammelt   bei  Duchesne  I,  Bouq.  IV.  u.  jetzt  MG.  Epp.  Tom.  III. 


4)  Gundlach,  NA.  XIII,  365-387. 


Formeln,  Briefe  und  Verse.  XI 1 

Sehr  eigenthümlicher  Art  ist  die  Correspondenz  zwischen  einem 
Bischof  Frodebert,  vermuthlich  yon  Tours,  und  Importunus  von  Paris 
(um  666),  welcher  jenem  u.  a.  vorwirft,  dafs  er  des  Hausmeiers 
Grimoald  Frau  entführt  habe.  In  höchst  barbarischem  Latein  ver- 
fafst,  aber  durchgehends  gereimt,  können  diese  Schmähschriften  un- 
möglich als  wirkliche  Briefe  betrachtet  werden,  sind  aber  um  so 
merkwürdiger  als  ein  boshaftes  Pasquill  des  7.  Jahrhunderts1). 

Von  jenen  halb  verklungenen,  halb  durch  Zuthaten  der  Schul- 
gelehrsamkeit entstellten  Stammsagen  der  Franken  finden  sich  Spuren 
auch  in  dem  schon  früher  (S.  90)  erwähnten  Prolog  des  Salischen 
Gesetzes,  und  an  diesen  erinnert  ein  seltsames  Werk  des  siebenten 
Jahrhunderts,  die  poetische  Weltbeschreibung  eines  ungenann- 
ten Verfassers,  der  in  ganz  ähnlicher  Sprache  und  Weise  einige  Ca- 
pitel  des  Isidor  in  Verse  brachte,  und  nur  über  die  Franken  einige 
selbständige  Zusätze  anbrachte,  in  denen  sich  das  stolze  Selbstgefühl 
jenes  Prologs  wieder  erkennen  läfst2).  Es  sind  dreizeilige  Strophen 
mit  sehr  ungenauen  Endreimen,  rhythmische  Langzeilen  von  15  Silben 
mit  einer  Caesur  nach  der  achten  Silbe,  eine  in  jener  Zeit  häufige 
Form.  Für  den  Verfasser  dieses  Kunstwerkes  hält  Dümmler  den- 
selben Theodofridus,  welcher  ein  anderes,  nicht  minder  rohes 
Gedicht  über  die  6  Weltalter  verfafst  hat;  beide  sind  von  demselben 
Winitharius  abgeschrieben ;  auch  einen  dritten,  chronologischen  Rhyth- 
mus vom  J.  718  fügt  er  hinzu.  In  Theodofrid  aber  erkennt  er  den 
ersten ,  bald  nach  657  aus  Luxeuil  gekommenen  Abt  von  Corbie, 
welcher  um  681  Bischof  wurde,  wahrscheinlich  von  Amiens3). 

x)  S.  Zeumer  im  NA.  VI,  75  u.  die  Ausg.  Formulae  p.  220—226. 

2)  Versus  de  rota  mundi,  ed.  Pertz:  Ueber  eine  fränkische  Kosmogra- 
phie  des  siebenten  Jahrhunderts,  Abh.  der  Berl.  Ak.  1845,  S.  253.  Wright, 
Anecd.  p.  101 — 104  aus  Clm.  903.  Dazu  kommen  noch  die  Handschriften 
Cod.  S.  Galli  213  u.  Vat.  Pal.  1357,  Arch.  XII,  354.  Vgl.  Huemer,  Unter- 
suchungen über  die  ältesten  lat.  christ.  Rhythmen  (Wien  1879)  S.  63 — 65. 
Manitius,  Gesch.  d.  christl.  lat.  Poesie  S.  474.  —  Ueber  eine  alte  fränk. 
Völkertafel,  die  er  um  520  ansetzt,  Müllenhoff,  Abh.  d.  Berl.  Akad.  1863, 
S.  520.  Für  erheblich  jüngeren  Ursprang  Ad.  Bachmann,  Wiener  SB. 
XCI,  864.  In  welche  Zeit  und  Verbindung  die  fabelhafte  Kosmographie 
des  Aethicus  gehört,  welche  bei  der  Trojanersage  eine  Rolle  spielt, 
ist  noch  dunkel;  Krusch  bemerkt,  „dass  darin  die  Fassung  der  Gesta 
Francorum  von  736  benutzt  und  er  also  erheblich  jünger  ist,  als  man  ihn 
gewöhnlich  ansetzt.  Auf  die  erste  Hälfte  des  9.  Jahrh.  weist  auch  seine 
Verwandtschaft  mit  der  Hist.  Daretis,  welche  der  erste  Fortsetzer  des 
Fredegar  in  den  Hieronymus  einschob:  beide  haben  die  Fabel  von  Francus 
u.  Vassus,  beide  gleichen  sich  im  Stil  (z.  B.  gignarus  für  gnarus)."  Das 
Gegentheil  behauptet  freilich  K.  Plath,  Die  Königspfalzen  (Berl.  Diss. 
1892)  These  2. 

3)  Zeitschr.  f.  D.  Alterth.  XXII,  423.  XXIII,  280.     Manitius  S.  476. 


112  I-    Vorzeit.     §  10.    Die  Thaten  der  Frankenkönige. 

Höchst  eigenthüinlich  ist  eine  andere  Dichtung,  die  vielleicht 
ebenfalls  noch  dem  siebenten  Jahrhundert  augehört,  nämlich  ein 
Lied,  welches  sich  auf  Chlothars  II  Sieg  über  die  Sachsen 
i.  J.  622  (?)  bezog,  wovon  uns  aber  leider  nur  ein  kleines  Bruchstück 
erhalten  ist.  Es  bestand  ebenfalls  aus  je  drei  gereimten  Zeilen,  die 
aber  iambischen  Rhythmus  haben  und  je  vier  Hebungen  enthalten. 
Der  eigentliche  Held  des  Liedes  ist  der  heilige  Faro,  Bischof  von 
Meaux,  welcher  die  Gesandten  der  Sachsen  gegen  die  beabsichtigte 
Ermordung  von  Seiten  des  Königs  beschützt  hatte,  und  ihm  zu 
Ehren  wurde  nach  dem  Zeugnifs  des  Biographen  des  h.  Faro, 
Bischof  Hildegars,  der  zu  Karls  des  Kahlen  Zeit  schrieb,  dieses 
Lied  allgemein  von  Männern  und  Frauen  zum  Tanze  gesungen  *). 

Ein  anderes,  noch  weit  merkwürdigeres  Lied  glaubte  Lenormaut 
entdeckt  zu  haben2),  ein  historisches  Volkslied  des  sechsten 
Jahrhunderts  zur  Feier  von  Childeberts  I  Feldzug  gegen  Sa- 
ragossa i.  J.  542.  Dieses  sollte  nämlich  paraphrasiert  sein  in  dem 
Leben  des  h.  Droctoveus,  ersten  Abtes  von  St.  Germain-des-Pres, 
einer  Stiftung  jenes  Childebert,  und  sich  daraus  zum  Theil  wieder 
herstellen  lassen.  In  der  That  erinnern  Ausdrücke  darin,  wie  torrens 
pulchritudinis 3) ,  an  jene  alte  fränkische  Poesie,  und  es  ist  nicht  un- 
möglich, dafs  wirklich  die  Spur  eines  alten  Liedes  darin  zu  erkennen 
ist;  im  übrigen  aber  ist  die  Erzählung  von  der  angeblichen  Erwer- 
bung der  Stola  des  h.  Vincenz  auf  jenem  Feldzuge  ganz  den  „Thaten 
der  Franken"  entnommen,  und  deshalb  die  Herstellung  jenes  Liedes 
aus  den  Worten  der  Lebensbeschreibung  ein  verfehltes  Unter- 
nehmen. 


§  11.     Fränkische    Heiligenleben. 

Aufs  er  den  bis  jetzt  erwähnten  Geschichtswerken  ist  uns  aus 
der  Zeit  der  Merowinger  noch  eine  bedeutende  Menge  von  geschicht- 
lichem Material  erhalten  in  den  Legenden  der  Heiligen,  deren  Zahl 
in  diesen  Zeiten  aufserordentlich  grofs  ist.  Die  meisten  von  ihnen 
sind  kirchliche  Würdenträger  und  dadurch  auch  in  die  weltlichen 
Händel  verflochten;  ihre  Lebensbeschreibungen  würden  unschätzbar 
sein,    wenn    sie    nicht    erstlich    zu    ausschliefslich    blofse    Lobreden 

1)  Mab.  Acta  SS.  0.  S.  B.  II,  617.  Hildegar  war  aus  dem  Kloster 
St.  Denis.  Brosien  S.  53  schlägt  die  Glaubwürdigkeit  dieser  Vita  sehr 
genüg  an.  Manititis,  S.  474  hält  das  Lied  für  Uebersetzung  eines  fränkischen. 

2)  Bibliotheque  de  TEcole  des  Chartes  I,  1,  321. 

3)  Vgl.  V.  Eligii  auct.  Audoeno  I,  14:  rex  Dagobertus  torrens  pulcher 
et  inclytus. 


Fränkische  Heiligenleben.  113 

wären,  und  namentlich  die  weltlichen  Beziehungen  der  Heiligen  nur 
ganz  oberflächlich  berührten,  zweitens  auch  zum  gröfsten  Theile  in 
späterer  Zeit  verfafst  wären1).  Auch  wo  eine  wirklich  gleichzeitige 
Aufzeichnung  vorhanden  war,  besitzen  wir  doch  häufig  nur  eine 
spätere  Ueberarbeitung;  noch  weit  häufiger  aber  hat  man  das  Leben 
des  Heiligen  erst  später  nach  unsicherer  Ueb erlief erung  beschrieben 
und  wenige  bekannte  Züge  zu  einer  ausführlichen  Geschichte  aus- 
gemalt. Natürlich  wurden  dann  die  Vorstellungen  der  späteren  Zeit 
auf  diese  schon  weit  entlegene  Vergangenheit  übertragen,  und  die 
unkritische  Benutzung  solcher  Quellen  trägt  einen  grofsen  Theil  der 
Schuld  an  den  falschen  Ansichten,  welche  bis  auf  die  jüngste  Zeit 
über  die  Zeit  der  Merowinger  herrschend  waren. 

Der  5.  Ausgabe  dieses  Buches  war  ein  alphabetisches  Verzeich- 
nifs  aller  dieser  Legenden  mit  möglichst  vollständigem  Nachweis  der 
Litteratur,  von  Br.  Krusch,  beigegeben;  schon  ein  Blick  darauf  genügt, 
um  zu  zeigen,  wie  fern  die  grofse  Mehrzahl  unserm  Zwecke  liegt, 
während  allerdings  für  vollständige  Durchforschung  der  Merowinger- 
zeit  alle  wenigstens  geprüft  werden  müssen.  Auch  für  die  MG.  kann 
nur  eine  Auswahl  in  Betracht  kommen,  und  jede  Berührung  zeigt, 
wie  viel  hier  noch  für  die  Kritik  zu  thun  ist.  Br.  Krusch  hat  die 
von  Venantius  Fortunatus  herrührenden  Legenden  herausgegeben 
und  die  ihm  fälschlich  zugeschriebenen  damit  verbunden;  SS. 
Meroving.  II  blieb  noch  Raum  für  die  Heiligen,  welche  der  könig- 
lichen Familie  angehören.  Derselbe  ist  gegenwärtig  mit  systematischer 
Durchforschung  des  übrigen  Vorraths  beschäftigt,  und  bevor  die  Er- 
gebnisse dieser  aufserordentlich  grofsen  und  mühsamen  Arbeit  bekannt 
werden,  ist  es  besser,  sich  auf  die  Hervorhebung  einiger  der  wich- 
tigsten Heiligenleben  zu  beschränken. 

Eine  der  geschichtlich  wichtigsten,  die  Vita  Vedasti  (f  540) 
ist  schon  oben  S.  97  erwähnt;  das  Leben  von  Chlodwigs  Gemahlin 
Chrothildis2)  (f  548)  ist  aus  den  Gestis  Francorum  geschöpft,  kaum 
vor  dem  zehnten  Jahrhundert  geschrieben  und  geschichtlich  un- 
brauchbar. Von  Chlodovald  (Saint  Cloud,  f  c.  550),  einem  Sohne 
Chlodomirs,  den  seine  Grofsmutter  vor  dem  Schicksal  seiner  gemor- 
deten Brüder  bewahrte  und  der  dann  ein  frommer  Priester  wurde, 
giebt  es  eine  ganz  aus  Gregor  geschöpfte  Lebensbeschreibung; 
eine  zweite,  im  zehnten  Jahrhundert  in  St.  Cloud  verfafste3)  ist 
werthlos.      Nicht    so    inhaltlos,   wenn    auch    hauptsächlich    Wunder- 

J)  Vgl.  Brosien,  Quellen  Dagoberts  S.  47  ff. 

2)  SS.  Meroving.  II,  341—348. 

3)  ib.  349—357. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen.    I.  6.  Aufl.  g 


114  I-    Vorzeit.     §  11.    Fränkische  Heiligenleben. 

geschienten  berichtend,  ist  das  von  Fortunat  beschriebene  Leben 
des  Bischofs  Germanus  von  Paris1)  (f  576).  Des  Lebens  der 
h.  Radegunde  (f  587)  wurde  schon  oben  S.  92  gedacht.  Von 
der  Passio  des  Bischofs  Desiderius  von  Vienne  (f  608)  ist  erst 
kürzlich  die  älteste  Fassung  aus  dem  siebenten  Jahrhundert  be- 
kannt geworden2).  Durch  ziemlich  gleichzeitige  Entstehung  und 
noch  unverfälschte  Ueberlieferung  ausgezeichnet  ist  die  erst  kürzlich 
wieder  aufgefundene  älteste  Lebensbeschreibung  des  Bischofs  Gau- 
gerich  von  Cambrai  (f  zw.  623  u.  629),  welche  manche  cultur- 
geschichtlich  wichtige  Züge  und  auch  geschichtlich  brauchbare  Nach- 
richten bietet3).  Arnulf  und  Gertrud  werden  weiter  unten  noch 
zu  erwähnen  sein.  Zu  den  geschichtlich  wichtigsten  gehört  wegen 
der  Gleichzeitigkeit  und  der  hervorragenden  Bedeutung  des  Mannes 
das  Leben  des  Bischofs  Desiderius  von  Cahors  (f  654)4). 

Yon  ausgezeichnetem  Werth  sind  die  Lebensbeschreibungen  von 
drei  Männern,  welche  in  der  zweiten  Hälfte  des  siebenten  Jahrhun- 
derts auch  politisch  bedeutend  hervortreten,  Eligius  (St.  Eloy, 
f  zw.  659  und  665),  zuletzt  Bischof  von  Noyon,  besonders  hervor- 
ragend als  kunstreicher  Goldschmidt,  und  deshalb  auch  Schutzpatron 
dieser  Künstler5),  Audoenus  (St.  Ouen,  f  683),  Bischof  von  Rouen, 
sein  Freund  und  Biograph6),  Leodegar  (St.  Leger,  f  678),  Bischof 
von  Autun7),  nur  ist  der  kritische  Zustand  dieser  Werke  bis  jetzt 
noch  ein  wenig  befriedigender.  Zu  diesen  nicht  gering  zu  schätzenden 
Leistungen  des  siebenten  Jahrhunderts  gehört  auch  noch  das  Leben 
der  Balthildis,  der  Gemahlin  Chlodwigs  II8)  (f  c.  680),  der  Stif- 
terin von  Corbie  an  der  Somme  und  von  Chelles,  wo  wahrscheinlich 
diese  Schrift  zur  Feier  ihres  Andenkens  verfafst  ist.  Wie  elend  da- 
gegen das  in  viel  späterer  Zeit  im  Kloster  Sathona)r  geschriebene 
Leben   Dagoberts   III9)    (f  716),   den   aber   der  Verfasser  für  den 

J)  Auctt.  antt.  IV,  2,  11—27. 

2)  Anal.  Bolland.  IX.  fasc.  3. 

3)  Analecta  Bolland.  VII,  387,   vgl.  Krusch,  NA.  XVI,  225—234. 

4)  Labbe,  Bibl.  nova  I,  699  u.  App.  vgl.  Krusch,   Forsch.  XXII,   466. 

5)  D'Achery  Spicil.  V,  156.  Hall.  Diss.  v.  0.  Reich,  1872.  Uebers. 
im  Auszug  Geschichtschr.  XI  (VII,  2)  S.  160—173. 

6)  Acta  SS.  Aug.  IV,  805,  vgl.  NA.  XII,  603.  Verse  zu  einem  Lobe 
von  seinem  Nachfolger  Ansibert  NA.  XIV,  171. 

7)  Ueber  das  Bruchstück  einer  gleichzeitigen  Vita,  die  Fälschungen  des 
Ursmus,  die  Compilation  des  Anonymus  aus  beiden,  Krusch,  NA.  XVI, 
563—596.  Die  Vita  metrica  (nicht  von  Walahfrid)  Poet.  Lat.  III,  1—37. 
Uebers.  des  Anon.  Geschichtschr.  XI  (VII,2)  S.  141—156. 

8)  SS.  Meroving.  II,  475—508.  Auszug  Geschichtschr.  XI  (VII,  2) 
S.  157—159. 

9)  ib.  S.  509—524. 


Heiligenleben.     Schottenmönche.  115 

Zweiten  hält,  ausgefallen  ist,  das  möge  man  in  dem  Vorwort  von 
Krusch  nachlesen.  Es  hat  nur  dadurch  eine  relative  Bedeutung, 
dass  es  von  Theofrid  von  Echternach  und  von  Alberich  als  Quelle 
benutzt  worden  ist.  In  Betreff  des  Lebens  der  h.  Odilia  (f  c.  720) 
ist  nur  zu  warnen  vor  den  als  Fragmente  eines  angeblich  ältesten 
Lebens  veröffentlichten  Fragmenten,  welche  eine  Fälschung  Vigniers 
sind,  während  die  echte  Yita  doch  auch  nicht  älter  als  das  zehnte 
Jahrhundert  ist  und  geringen  Werth  hat1).  Von  den  Lütticher 
Heiligen  Hubert  und  Lambert  wird  weiter  unten  die  Rede  sein. 

Zunächst  aber  wollen  wir  uns  hier  noch  einer  Betrachtung  der- 
jenigen Legenden  zuwenden,  welche  eine  nähere  Beziehung  auf 
Deutschland  haben  und  die  erneute  Pflanzung  des  Christenthums 
auf  deutschem  Boden  berühren. 

Die  Frauken  haben  sich  damit  nicht  viel  befafst;  es  kümmerte 
sie  wenig,  dafs  so  viele  ihrer  Landsleute  noch  Heiden  waren;  im 
alten  Frankenlande  an  der  Scheide  fand  noch  im  siebenten  Jahr- 
hundert Amandus  viel  Heidenthum  auszurotten2).  War  doch  bei 
den  christlichen  Franken  selbst  nicht  viel  mehr  als  die  äufsere  Form 
der  Rechtgläubigkeit  übrig  geblieben;  fromme  Männer  fanden  zu 
Hause  Spielraum  genug  für  ihre  Thätigkeit.  Die  Mission  finden 
wir  daher  in  diesen  Jahrhunderten  fast  ausschliefslich  in  den  Hän- 
den Schottischer,  d.  h.  nach  dem  Sprachgebrauch  des  früheren 
Mittelalters  Irländischer  Mönche,  welche  damals  alle  Länder  durch- 
zogen. In  dieser  Insel,  welche  allein  ihre  keltische  Bevölkerung 
ungemischt  bewahrt  hatte,  die  allen  fremden  Welthändeln  ferne  lag, 
war  das  Christenthum  mit  dem  hingebendsten  Eifer  aufgenommen 
worden,  und  hier  war  bald  nicht  nur  die  strengste,  mönchische 
Frömmigkeit,  sondern  auch  eine  ernstliche  wissenschaftliche  Thätig- 
keit zu  Hause;  während  im  ganzen  Abendland  die  gelehrte  Bildung 
unterzugehen  und  zu  verschwinden  drohte,  fand  sie  hier  sorgsame 
Pflege3)  freilich  nur  im  Dienste  der  Kirche.  Man  schrieb  die  hei- 
ligen Schriften  ab,  man  lernte,  um  sie  zu  verstehen,  lateinisch  und 
griechisch,  man  beobachtete  die  Sterne,  um  die  kirchlichen  Feste 
berechnen  zu  können,  man  übte  die  Musik  für  den  Gottesdienst, 
baute  Kirchen  und  Glockentürme,  man  schmückte  die  Bücher  der 
Kirchen    mit   kunstreicher  Malerei    und   ihre    Altäre   mit    köstlichen 

*)  Vgl.  NA.  XVII,  223. 

2)  Ueber  ihn  und  seine  Biographen  Baudemund  und  Milo  s.  Rettberg 
I,  554.     Brosien  S.  49. 

3)  Eine  seltsam  sagenhafte  Aufzeichnung  in  einem  Leidener  Cod.  s.  XII 
läfst  die  röm.  Lehrer  vor  den  Hunnen  und  andern  Barbaren  nach  Irland 
flüchten,  mitgeth.  v.  Luc.  Müller,  Neue  Jahrbb.  f.  Philol.  XCIII,  389. 

8* 


Hß  I.    Vorzeit.     §  11.    Fränkische  Heiligenleben. 

Gefäfsen.  Doch  auch  die  profanen  Schriftsteller  erschienen  hier 
nicht,  wie  in  Italien,  gefährlich;  freilich  sind  die  Columban  zuge- 
schriebenen Gedichte,  worin  die  alten  Dichter  viel  benutzt  und 
angeführt  werden,  von  zweifelhafter  Echtheit.  Vorzugsweise  aber 
äufserte  sich  die  Frömmigkeit  dieser  Mönche  in  weiten  Pilger- 
fahrten, in  dem  Verlassen  der  Heimath,  um  in  entlegener  Fremde 
als  Einsiedler  zu  leben  oder  Klöster  zu  gründen,  um  unter  Christen 
und  Heiden  das  Evangelium  zu  predigen 1).  Das  Frankenreich  war 
erfüllt  von  ihnen:  was  gäben  wir  darum,  wenn  sie  aufgeschrieben 
hätten,  was  sie  sahen;  wenn  sie  uns  über  ihre  Thätigkeit  und  ihre 
Schicksale  zuverlässige  Berichte  hinterlassen  hätten!  Allein  das  lag 
ihnen  ferne;  sie,  die  Meister  im  Schreiben,  hatten  für  geschichtliche 
Aufzeichnungen  keinen  Sinn,  und  nur  wo  sie  so  bedeutend  wirkten, 
dafs  dauernde  Gründungen  ihr  Gedächtnifs  bewahrten,  hat  ihr  An- 
denken sich  erhalten.  Aber  in  völlig  nebelhaften  Umrissen  würde 
ihr  Bild  uns  verschwimmen,  wenn  nicht  glücklicher  Weise  einer 
von  ihnen,  und  wohl  von  allen  der  hervorragendste,  in  Italien  einen 
Biographen  gefunden  hätte.  Das  ist  S.  Columban,  der  Stifter 
von  Bobio2). 

*)  Vgl.  F.  Keller,  Bilder  und  Schriftzüge  in  den  irischen  Manuscripten 
der  schweizerischen  Bibliotheken  (Mittheilungen  der  Antiquarischen  Gesellsch. 
in  Zürich  VII,  3)  1851.  Wattenbach,  die  Congregation  der  Schottenklöster 
in  Deutschland,  in  der  Archäologischen  Zeitschrift  von  Otte  und  von  Quast,. 
Heft  1  und  2.  Haureau.  Ecoles  d'Irlande,  Singularites  hist.  (1861)  p.  1 
bis  36.  Arbois  de  Jubainville,  Introduction  a  l'etude  de  la  litt.  Celtique. 
Die  seltsamen  Ansichten  Ebrards  über  die  Culdeer  in  der  Zeitschr.  f.  hist. 
Theol.  XXXII  u.  XXXIII  (Die  Irische  Missionskirche  1873.  Bonifatius,  der 
Zerstörer  des  Columbanischen  Kirchenthums  auf  dem  Festlande,  1882) 
kann  ich  nur  erwähnen,  um  davor  zu  warnen.  Hier  ist  Friedrichs  Polemik 
durchaus  zutreffend.  Auch  0.  Reich  bekämpft  sie.  Jetzt  kann  verwiesen 
werden  auf  Loofs,  Antiquae  Britonum  Scotorumque  ecclesiae  quales  fuerint 
mores  etc.  Lips.  1882.  Keledei,  verheirathete  Anachoreten,  kommen  erst 
im  8.  Jahrh.  auf,  nach  R.  Pauli's  Anz.  von  Skene,  Celtic  Scotland  11,  GGA. 
1878,  S.  1015  ff. 

2)  Vgl.  Rettberg  II,  35.  G.  Hertel,  Ueber  des  h.  Columba  (so  schrieb 
er  selbst  seinen  Namen)  Leben  u.  Schriften,  bes.  über  seine  Klosterregel, 
Zeitschr.  f.  hist.  Theol.  1875.  III,  396—454.  Hauck  I,  240—276.  Vita  S. 
Columbani  auct.  Jona  abb.  Bobiensi,  Mab.  Actt.  II,  5.  Im  Ausz.  übers,  von  Abel, 
hinter  Fredegar.  Daran  schliefst  sich  als  zweites  Buch  die  V.Attalae  abb.Bob. 
(Mab.  II,  123)  und  Eustasii  (S.  116);  die  Vita  Burgundofarae  oder  Gesta  in 
coenobio  Ebroicensi  (S.  439)  und  V.  Bertulfi  abb.  Bob.  (S.  160).  Ueber  die 
aus  der  Vita  Eustasii  schöpfenden  Biographen  des  Agilus  und  der  Sala- 
berga  s.  Büdinger,  SB.  der  Wiener  Akad.  XXIII,  372—383.  Brosien  S.  51. 
Columbans  Schüler,  der  Ire  Deicolus,  stiftete  Lutra  (Lure  oder  Saint-Diey), 
welches  nach  gänzlichem  Verfall  mit  Otto's  I  Hülfe  hergestellt  wurde  durch 
Baltram,  dem  sein  Neffe  Werdolf  folgte  (Dümmler  Otto  I  S.  309).  Dieser 
veranlafste  die  Aufzeichnung  der  Vita  S.  Deicoli,  Acta  SS.  Jan.  II,  199  bis 
210.    Mab.  II,  102 — 116.     Weil  Lutra  an  Waldrada  gekommen  war,  finden 


Sanct  Columban.  117 

Nach  der  Gewohnheit  dieser  Schottenmönche  zog  Columban, 
gebürtig  aus  Leinster,  gegen  das  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts1) 
mit  zwölf  Gefährten  aus  von  dem  Kloster  Benchuir  oder  Bangor; 
staunend  und  tief  ergriffen  lauschte  das  Volk  im  Frankenreiche 
ihrer  feurigen  Beredsamkeit,  die  entartete  Geistlichkeit  aber  scheute 
die  strengen  Bufsprediger  und  fürchtete  ihren  Einflufs  auf  die  Menge. 
Die  Könige  dagegen  nahmen  sie  willig  auf,  ihr  Eifern  gegen  die 
ganz  verfallene  Kirchenzucht  war  ihnen  willkommen  und  auf  Chil- 
deberts  Wunsch  liefs  Columban  sich  mit  seinen  Begleitern  in  den 
Vogesen  nieder;  zahlreiche  Schüler  strömten  ihnen  zu,  und  bald  er- 
hoben sich  Klöster  in  der  Wildnifs,  vor  allem  Luxeuil.  Es  waren 
dies  nicht  grofsartige  Gebäude,  wie  in  der  späteren  Zeit,  sondern 
wie  einst  S.  Severins  Ansiedelungen  Haufen  unscheinbarer  Hütten, 
in  deren  Mitte  eine  kleine  Kirche  sich  erhob;  neben  ihr  der  runde 
Thurm,  der  die  Glocken  trug,  und  im  unteren  Geschofs,  von  der 
Erde  nur  auf  Leitern  zugänglich,  eine  Zuflucht  in  Zeiten  der  Gefahr 
darbot. 

Aber  Columbans  Feuereifer  schonte  auch  der  Könige  nicht; 
keine  menschliche  Rücksicht  konnte  ihn  bestimmen,  zu  dem  sitten- 
losen Treiben  des  burgundischen  Hofes  zu  schweigen,  und  furchtlos 
trat  er  den  Ausschweifungen  Theuderichs  entgegen.  Den  Bischöfen 
war  er  längst  zuwider;  schon  die  blofse  Anwesenheit  dieser  Mönche 
im  Lande  veranlafste  zu  Vergleichungen  ihres  ascetisch  strengen 
Lebens  mit  dem  lockeren  Wandel  der  merowingischen  Prälaten. 
Die  Abweichung  der  irischen  Kirchengewohnheiten  von  den  gallischen 
und  die  Unabhängigkeit  der  Klöster  von  bischöflicher  Aufsicht, 
welche  nach  irischer  Weise  in  Anspruch  genommen  wurde,  boten  eine 
Waffe  dar;  man  erklärte  sie  für  ketzerisch,  und  so  vertrieb  denn 
endlich  um  610  Brunhilde,  deren  Zorn  er  verachtet  hatte,  den  Co- 
lumban sammt  seinen  Genossen.  Ueber  Nantes  sollten  sie  nach 
Irland  geschafft  werden,  aber  ein  Sturm  warf  sie  wieder  an  die  Küste; 
Chlotar  II  und  Theudebert  nahmen  sie  ehrfurchtsvoll  auf;  hier  wählte 

sich  darin  sagenhafte  Nachrichten  über  Lothar  II.  —  Versus  de  Bobuleno 
abbate,  einen  alphabetischen  Rhythmus  auf  Bertulfs  Nachfolger  in  Bobio, 
nicht  gleichzeitig  u.  ohne  viel  Inhalt,  hat  Dümmler  herausgegeben,  NA. 
X,  334. 

2)  Im  J.  590  nach  G.  Hertel,  Anm.  z.  Gesch.  Columba's,  Zeitschr.  f. 
Kirchengesch.  III,  145-150.  —  Ueber  C.  Briefe  s.  Krusch,  NA.  X,  84—88; 
Gundlach  ib.  XV,  497—526;  Seebass  ib.  XVII,  243—259  u.  Entgegnung 
v.  Gundlach  S.  425—429.  —  E.  Dümmler,  NA.  X,  190,  wo  er  das  Ruder- 
lied En  silvis  caesa  herausgiebt,  vermuthet  einen  jüngeren  irischen  Dichter 
Columban,  spätestens  aus  der  ersten  karoling.  Zeit,  der  mit  Horaz  und 
Vergil  vertraut  war.  Manitius,  Gesch.  d.  christl.  lat.  Poesie,  S.  390  für 
unsern  Columban. 


118  I.    Vorzeit.     §  11.    Fränkische  Heiligenleben. 

er  zu  seinem  Aufenthalt  Bregenz  in  Alamannien,  wo  ungeachtet  der 
Frankenherrschaft  und  der  Bestimmungen  des  Volksrechts  doch  das 
Heidenthum  noch  stark  war.  Drei  Jahre  lang  blieb  Columban  zur 
Bekämpfung  desselben  in  Bregenz.  Dann  aber  verliefs  er  das  Franken- 
reich gänzlich  und  wanderte  in  das  Langobardenreich,  wo  Theudelinde, 
die  Freundin  Gregors  des  Grofsen,  ihn  mit  Freuden  aufnahm.  Hier  stif- 
tete er  nun  das  Kloster  Bobio  zur  Vertilgung  der  Reste  arianischer 
Ketzerei,  und  noch  jetzt  zeigen  die  zerstreuten  Handschriften  dieses 
Klosters  die  alten  irischen  Schriftzüge  und  Erinnerungen  an  die 
Heimath  wie  die  Versiculi  familiae  Benchuir1).  Mit  vollem  Eifer 
überliefsen  sie  sich  hier  ihrer  Lieblingsneigung  zum  Schreiben,  die 
unverständlich  gewordenen  Ueberbleibsel  der  gothischen  Litteratur 
und  Fragmente  von  alten  Prachthandschriften  der  Klassiker  benutzten 
sie,  um  auf  das  reingewaschene  Pergament  die  Werke  der  recht- 
gläubigen Kirchenväter  zu  schreiben2).  Sie  retteten  jene  Pergament- 
blätter dadurch  vom  Untergang,  und  es  war  auch  nicht  etwa  ein 
fanatischer  Hafs  gegen  die  heidnischen  Schriftsteller,  welcher  sie  zur 
Vertilgung  derselben  antrieb.  An  Handschriften  derselben  war  da- 
mals noch  kein  Mangel,  und  sie  selber  benutzten  dergleichen  zur 
Erlernung  der  Sprache;  finden  wir  doch  unter  den  Schulbüchern  zu 
Bobio  auch  den  Ovid. 

Am  21.  November,  wahrscheinlich  im  J.  615,  ist  Columban  ge- 
storben. Drei  Jahre  nach  seinem  Tode  kam  Jonas  aus  Susa  in 
das  Kloster  Bobio.  Dieser  beschrieb  zuerst,  noch  auf  Veranlassung 
des  Abtes  Bertulf,  das  Leben  des  Columban,  welchem  er  das  Leben 
seiner  Schüler  Eustasius  und  Attala,  die  ebenfalls  als  Missionare 
von  Luxeuil  ausgingen,  folgen  liefs;  dann  des  Bertulf,  Abtes  von 
Bobio,  und  der  Burgundofara,   welche  Columban   zur  Nonne  ge- 

1)  In  dem  Antiphonarium  monasterii  Benchorensis,  ed.  Muratori,  Anec- 
dota  Bibl.  Ambros.  IV,  121 — 159  (Verbesserungen  von  A.  Peyron,  Ciceronis 
Orationum  Fragmenta,  1824,  Anhang  S.  224—226.  Vgl.  Manitius  S.  482. 
Bei  demselben  Antt.  III,  817  der  wichtige  Catalog  der  Bob.  Bibliothek 
saec.  X.  Sacramentarium  Gallicanum  aus  Bobio  in  Halbuncialschrift  saec. 
VII,  ed.  Mabillon,  Mus.  Ital.  I,  2,  273—397.  Von  Luxeuil  aus  ist  c.  657 
Corbie  durch  die  Königin  Balthilde  gestiftet,  daher  Notizen  von  dort 
im  Calend.  Corbeiense,  gedr.  NA.  X,  91. 

2)  Möglich,  dafs  Columban  selbst  noch  die  arianischen  Schriften  sam- 
melte, um  sie  zu  widerlegen,  wie  Krafft,  De  fontibus  Ulfilae  Arianismi 
p.  18 — 20  annimmt,  weil  alle  gothischen  Reste  von  da  stammen.  Ob  man 
sie  aber  damals  noch  verstand?  Nicht  lange  nachher  begann  man  sicher 
zu  rescribiren.  Ebrard  in  der  Zeitschr.  f.  hist.  Theol.  XXXII,  403  giebt 
die  merkwürdige  Inschrift  des  Cod.  Erlang,  von  Hieron.  de  viris  ill.  (mit 
dem  üblichen  Lesefehler  quum  st.  quoniam),  wonach  es  scheint,  als  sei  unser 
Text  durch  Columban  aus  einer  beschädigten  Handschrift  auszugsweise 
hergestellt. 


Columban.     Gallus.  119 

weiht  hatte.  Jonas  verräth  seine  italische  Herkunft  und  den  Unter- 
richt der  Grammatiker  durch  seine  unerträglich  schwülstige  Schreib- 
art, aber  er  hat  uns  aufserordentlich  schätzbare  Nachrichten  auf- 
bewahrt. Auf  den  "Wunsch  der  Königin  Balthilde  ist  er,  der  in- 
zwischen irgendwo  Abt  geworden  war,  auch  nach  Chalon-sur-Saone 
gekommen,  und  hat  im  Nov.  659  im  Reomaenser  Kloster  auf  Ver- 
langen des  Abts  das  Leben  des  540  gestorbenen  Gründers  des 
Klosters  Johannes  beschrieben1). 

Einer  von  jenen  ursprünglichen  zwölf  Gefährten,  die  mit  Co- 
lumban von  Bangor  auszogen,  war  Gallus,  in  älterer  Form  Callo, 
Gallunus,  der  in  Alamannien  zurückblieb,  als  sein  Meister  über  die 
Alpen  zog,  und  zuerst  die  Bekämpfung  des  Heidenthums  am  Boden- 
see fortsetzte,  später  aber  als  Einsiedler  in  das  wildeste  Gebirge 
sich  zurückzog,  wo  er  um  die  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts 
gestorben  ist.  Als  dann  nach  seinem  Tode  das  Grab  des  Heiligen 
immer  häufiger  von  irischen  Pilgern  aufgesucht  wurde  und  immer 
mehrere  von  ihnen,  sowie  auch  von  den  Alamannen,  sich  hier 
niederliefsen,  erwuchs  aus  dem  unscheinbarsten  Anfang  das  Kloster 
St.  Gallen,  und  so  wie  die  kleine  Zelle  des  Gottesmannes  der  Kern 
und  Anfang  dieser  reichen  Stiftung  ist,  so  schlofs  sich  in  gleicher 
Weise  an  die  Lebensbeschreibung  des  Stifters2)  die  später  so  be- 
deutende Litteratur  von  St.  Gallen.  In  ihrer  ursprünglichen  Form 
ist  uns  diese  aber  nicht  erhalten;  sie  war  nach  einer  alten  Aufzeich- 
nung a  Scotis  semilatinis  corruptius  scripta,  und  enthielt  nach  Walah- 
frids  Zeugnifs  häufig  die  Form  Altimannia,  welche  in  der  uns  er- 
haltenen ältesten  nicht  vorkommt3).  Der  Verfasser  dieser  Biographie 
war  ein  Alamanne,  welcher  die  alte  barbarisch  geschriebene  über- 
arbeitet hat;  sein  Name  ist  uns  aber  erst  jetzt  bekannt  geworden4), 

*)  Vita  S.  Johannis  Reomensis.  Nach  Fr.  Stöber,  Wiener  SB.  CIX, 
319 — 398  ist  es  die  unvollständig  erhaltene  des  cod.  Fossatensis,  die  an- 
deren Versionen  jüngere  Bearbeitungen.  Das.  S.  330  (gegen  A.  Jahn)  der 
Nachweis,  dass  die  V.  Romani  abb.  Jur.  keine  Fälschung,  sondern  echt 
und  alt  ist. 

2)  MG.  SS.  11,  1 — 21  von  Ild.  v.  Arx  nach  der  von  ihm  wieder  aufge- 
fundenen Handschrift  zuerst  herausgegeben.  Daraus  Acta  SS.  Oct.  VII,  860. 
Vgl.  Stalins  Wirt.  Gesch.  II,  167,  Kettberg  II,  40.  Uebersetzung  von  Pott- 
hast, Geschichtschr.  12  (VIII,  1)  1888.  Neue  Ausg.  von  G.  Meyer  v.  Knonau, 
in  den  Mitth.  z.  vaterl.  Gesch.  (S.  Gallen  1870)  XII,  1—61.  Nach  einem 
älteren  Irrthum  von  Arx  ist  S.  16  die  Feldflasche  ascopa  mit  der  Reliquien- 
capsel  verwechselt.  Der  metr.  Prolog  bei  Dümmler,  Poet.  Carol.  II,  476, 
cf.  701. 

3)  S.  Weidmann,  Gesch.  d.  Stiftsbibl.  S.  485.  Gust.  Scherer,  Verzeich- 
nifs  der  Handschriften  S.  172—175. 

4)  Schon  Jodocus  Metzler  vermuthete  ihn,  doch  ohne  einen  Beweis  da- 
für zu  geben;  vgl.  auch  Mab.  Anal.  IV,  640. 


120  I-    Vorzeit.     §  11.    Fränkische  Heiligenleben. 

indem  Fr.  Bücheier  in  dem  unglaublich  barbarischen  metrischen 
Prolog  das  Acrostichon  erkannte:  Cozberto  patri  Wettinus  verba  salutis. 
Wetti  also  ist  es,  der  824  nach  seiner  bekannten  Vision  gestorben 
ist,  und  dem  Abt  Gozbert  (816 — 837)  sein  Werk  widmete.  Es  ist 
daher  noch  bedeutend  jünger  als  man  früher  annahm,  wenn  man 
auch  schon  erkannt  hatte,  dafs  es  erst  nach  771  geschrieben  war. 
Mancher  merkwürdige,  namentlich  culturgeschichtlich  bedeutende 
Zug  ist  darin  aufbewahrt,  aber  erst  fast  zwei  Jahrhunderte  nach 
dem  Tode  ihres  Helden  geschrieben,  darf  diese  Biographie,  wenn 
auch  eine  alte  Grundlage  vorhanden  war,  doch  nur  mit  Vorsicht  be- 
nutzt werden.  Vorzüglich  auf  die  Wunder,  überhaupt  aber  auf  Ver- 
herrlichung des  Stifters  ist  das  Bestreben  des  Verfassers  gerichtet; 
im  Anfang  benutzt  er  das  Leben  Columbans,  später  nur  die  Tra- 
dition nicht  ohne  erhebliche  chronologische  Verstöfse.  Seine  Sprache 
zeigt  gegen  die  frühere  Zeit  einen  erheblichen  Fortschritt,  doch  ist 
sie  für  karolingische  Zeit  recht  roh  und  fehlerhaft;  hin  und  wieder 
fällt  rhythmischer  Klang  mit  Reimen  auf. 

Von  Columbans  Stiftung  Luxeuil  ging  auch  das  Kloster  Granval 
im  Baseler  Sprengel  aus,  und  das  Leben  des  ersten  Abtes  Ger- 
manus1), der  um  die  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  erschlagen 
ist,  wurde  bald  nachher  von   Bob  ölen   beschrieben. 

Noch  andere  Klöster  Alamanniens  und  des  Elsasses  führten 
ihren  Ursprung  auf  irische  Mönche  zurück  und  haben  es  auch  nicht 
an  Lebensbeschreibungen  ihrer  Stifter  fehlen  lassen,  die  aber  erst 
später  entstanden  und  völlig  unbrauchbar  sind.  Merkwürdig  ist,  dafs 
man  in  späterer  Zeit  in  diesen  Gegenden  so  gewohnt  war,  die  Be- 
gründer der  Klöster  aus  der  merowingischen  Zeit  als  Schotten  zu 
betrachten,  dafs  man  sie  in  den  Legenden  unbedenklich  dafür  aus- 
gab, wenn  auch  gar  kein  Grund  dazu  vorhanden  war;  auch  Franken, 
wie   Arbogast2),    Trudpert    und   Landelin3),    erscheinen   da  als 

1)  Mabülon,  Acta  SS.  II,  511  aus  Acta  SS.  Feb.  III,  263. 

2)  Mit  Arbogast,  Theodat  und  Hildulf  soll  Floren tius  zu  Dagoberts 
Zeit  aus  Irland  gekommen  und  Bischof  von  Strafsburg  geworden  sein,  das 
J^loster  Haslach  gegründet  haben.  Die  Namen  sind  nichts  weniger  als 
irisch,  die  Legende,  deren  Wunder  von  anderen  bekannten  copirt  sind, 
sehr  jung  und  völlig  unbrauchbar.  Neue  Ausgabe  der  Vita  Florentii  bei 
Ch.  Schmidt,  Histoire  du  Chapitre  de  Saint-Thomas  de  Strasbourg  (1860), 
p.  283.  Vgl.  Rettberg  II,  65.  —  Ueber  das  ganz  unbrauchbare  Leben  Trud- 
perts  s.  Anm.  2  auf  S.  122. 

3)  Ich  rechnete  hierhin  früher  auch  Fridolin,  glaube  aber  jetzt,  dafs 
dies  ein  fränkisch  umgemodelter  Schottenname  ist,  da  es  von  Columban 
Verse  an  einen  Fedolius  giebt,  und  auch  Petrus  Damiani  Opp.  II,  9  den 
Fredelinus  in  Poitiers  als  Schotten  bezeichnet.  Die  Legende  (Mone, 
Quellens.  I,  1 — 16,  alte  Uebers.  99 — 111)  aber  gewinnt  dadurch  wenig,  sie 


Schottenmönche  im  Elsass.     Baiern.  121 

Schotten,  und  sogar  S.  Rupert,  der  Apostel  der  Baiern,  wird  ihnen 
zugezählt. 

Freilich  sind  in  Baiern  ebenfalls  Schotten  thätig  gewesen,  ob- 
wohl hier  die  namhaftesten  Missionare  Franken  waren.  Die  Kirchen- 
gründungen aber  entstanden  nach  irischer  Weise  in  der  Form  von 
Klöstern,  deren  Aebte  auch  zugleich  das  bischöfliche  Amt  verwal- 
teten. So  war  es  in  Salzburg,  Regensburg  und  Freising,  und  die 
Rivalität  zwischen  den  Bischöfen  und  den  Klöstern  von  St.  Emmeram 
und  St.  Peter  zieht  sich  fort  bis  in  die  neueste  Zeit. 

Es  ist  kaum  glaublich,  dafs  nicht  im  Laufe  des  siebenten  Jahr- 
hunderts einzelne  Missionare,  Franken  und  Iren,  in  Baiern  sollten 
thätig  gewesen  sein;  das  Christenthum  war  äufserlich  durch  die 
Frankenkönige  eingeführt,  aber  wenig  ins  Volk  eingedrungen  und 
nach  der  Lockerung  des  staatlichen  Bandes  völlig  verfallen,  die 
Herzogsfamilie  selbst,  heifst  es,  ungetauft1).  Da  berief  der  Herzog 
Theodo  i.  J.  696  den  Bischof  Rupert  von  Worms  zu  sich,  um  das 
kirchliche  Wesen  einzurichten2).  Er  wurde  der  Begründer  des  nun 
fest  und  bleibend  gepflanzten  Christenthums  in  Baiern,  der  Stifter 
von  St.  Peter  in  Salzburg,  von  wo  sein  Nachfolger  Virgil  (743  als 
Abt,  als  Bischof  767  bis  784),  ein  Irländer,  das  Evangelium  auch  zu 
den  karantanischen  Slaven  trug3). 

soll  von  Balther,  einem  Seckinger  Mönch  in  einem  unfindbaren  Kloster 
Helera  ad  Musellam,  auch  einer  Stiftung  Fridolins  zu  Ehren  des  h.  Hilarius, 
entdeckt  und  wegen  Mangels  an  Pergament  und  Dinte  auswendig  gelernt, 
dann  in  Seckingen  aufgeschrieben  und  mit  einem  zweiten  Theil  aus  localer 
Tradition  versehen  sein.  Ich  kann  darin  nur  eine  Erfindung  sehen,  wie 
sie  ähnlich  auch  sonst  zur  Einführung  erdichteter  Legenden  vorkommen, 
und  halte  auch  Balthers  Namen  und  die  Widmung  an  einen  Notker  für 
Fiction.  Vgl.  Rettberg  II,  29.  Stalin  I,  166.  —  Von  den  Versuchen,  die 
Legende  ganz  oder  theilweise  zu  retten,  erwähne  ich  Lütolf :  Die  Glaubens- 
boten der  Schweiz  vor  Gallus  (Luc.  1871),  S.  267  ff.  Die  Erwähnung  einer 
Vita  Fredelini  in  Poitiers  bei  Petrus  Dam.  Opp.  II,  9,  worauf  hier  Ge- 
wicht gelegt  wird,  ist  merkwürdig;  aber  was  von  diesem  gesagt  wird, 
stimmt  wenig  zu  unserer  Legende.  Seine  Existenz  und  Herkunft  sind  aller- 
dings jetzt  besser  festgestellt.  Gegen  G.  Heer,  der  einen  hist.  Kern  retten 
will  (NA.  XIV,  627),  G.  Meyer  v.  Knonau  im  Anz.  f.  Schw.  Gesch.  1889, 
S.  377. 

*)  Vgl.  S.  Riezler:  Ueber  die  Entstehungszeit  der  Lex  Bajuwariorum, 
Forsch.  XVI,  409—446. 

2)  Vgl.  die  Abhandlung  von  Blumberger:  Ueber  die  Frage  vom  Zeit- 
alter des  heiligen  Rupert,  im  Archiv  der  W.  Ak.  X,  329—368.  Gegen  die 
immer  wiederholten  Bemühungen,  Rupert  dem  6.  Jahrh.  zuzuweisen,  habe 
ich  mich  in  den  Heidelb.  Jahrbb.  1&70  S.  24  ausgesprochen;  mir  zustimmend 
Riezler  a.  a.  0.  S.  418;  auch  Zillner,  Streifzüge,  in  den  Mitth.  d.  Ges.  f. 
Salzb.  Landeskunde  1878.     Vgl.  auch  Hauck  I,  337—342. 

3)  Die  Nachricht  aus  irl.  Anualen  von  einem  Fergil  oder  Feirgil,  ge- 
nannt der  Geometer,  der  Abt  von  Aghaboe  gewesen  war,  und  im  30.  Jahre 


122  I-    Vorzeit.     §  11.    Fränkische  Heiligenleben. 

Auch  ein  fränkischer  Bischof,  E  mm  er  am  von  Poitiers,  verliefs, 
veramthlich  im  Anfang  des  achten  Jahrhunderts,  seine  Heimath,  um 
auf  diesem  Felde  zu  wirken,  und  sein  Grab  wurde  der  Grundstein 
der  Regensburger  Kirche;  Corbinian,  ebenfalls  ein  Franke,  legte 
den  Grund  zu  der  Freisinger  Kirche. 

Unsere  Nachrichten  über  diese  Begebenheiten  sind  aber  leider 
sehr  unzulänglich;  für  den  zuverlässigsten  galt  der  kurze  Bericht 
über  S.  Rupert,  welcher  den  Eingang  der  Schrift  über  die  Bekehrung 
der  Baiern  bildet,  ihm  schienen  alte  Aufzeichnungen  zu  Grunde  zu 
liegen1).  Und  diese,  nämlich  die  ursprüngliche  Form  der  Yita,  glaubte 
Franz  Martin  Mayer  in  einer  Grazer  Hs.  gefunden  zu  haben,  worin 
freilich  von  Sprache  und  Stil  des  8.  Jahrh.  nichts  zu  spüren  ist2). 
Hiergegen  aber  hat  sich  J.  Friedrich  erhoben3),  und  aus  alten  Salz- 
burger liturgischen  Büchern  nachgewiesen,  dafs  man  noch  lange  im 
9.  Jahrh.  kein  Leben  Ruperts  besafs  und  dafs  man  den  24.  Sept. 
als  seinen  Todestag  feierte4).  Nur  durch  ein  Mifsverständnifs  hielt 
man  später  den  Sonntag,  an  welchem  er  gestorben,  für  den  Auf- 
erstehungstag. Die  Grazer  Vita  erklärt  Friedrich  für  die  aus  der 
Conversio  entnommenen  Lectionen,  beiden  aber  spricht  er  allen 
historischen  Werth  ab,  worin  er  denn  doch  wohl  etwas  zu  weit 
gehen  möchte.  Denn  so  frei  man  auch  in  der  Ausschmückung,  ja 
Erfindung  von  Legenden  verfuhr,  man  machte  doch  nicht  leicht 
seinen  Heiligen  zum  Bischof  von  Worms  und  setzte  seine  Ankunft 
in  ein  bestimmtes  Jahr  eines  ganz  verschollenen  Königs,  wenn  dafür 
nicht  Notizen  vorlagen. 


seiner  Bischofswürde  in  Deutschland  789  gestorben,  ist  ungenau.    Zimmer, 
NA.  XVII,  211. 

x)  MG.  SS.  XI,  4.  5.  Doch  konnte  ich  dem  von  Büdinger  Oest.  Gesch. 
I,  101  geltend  gemachten  Grunde  für  die  Abfassung  des  ersten  Theils 
unter  Virgil  nicht  beistimmen.  Auch  hat  Blumberger:  Ueber  die  Frage, 
ob  der  heilige  Rupert  das  Apostelamt  in  Baiern  bis  an  sein  Lebensende 
geführt  habe,  im  Archiv  der  Wiener  Akademie  XVI,  225 — 238,  mich  nicht 
von  Ruperts  Rückkehr  nach  Worms  überzeugt,  da  es  mir  unglaublich  ist, 
dafs  die  Translation  der  Gebeine  vergessen  oder  unerwähnt  geblieben  sein 
könnte.  Andere  Gründe  dagegen  bei  AI.  Huber:  Das  Grab  des  h.  Rupert, 
Arch.  d.  W.  A.  XL,  275—321.  —  Unbrauchbar  ist  das  nach  der  Elevation 
von  816  geschriebene  Leben  Trudperts,  den  man  wohl  nur  wegen  der 
Aehnlichkeit  des  Namens  zu  einem  Bruder  Ruperts  machte,  bei  Mone, 
Quellens.  I,  19.  Vgl.  Stalin  I,  167.  Rettberg  II,  48.  Potthast  S.  913.  Facs. 
aus  den  Actis  bei  Herrgott,  Geneal.  I,  p.  XVIII. 

2)  Die  Vita  S.  Hrodberti  in  älterer  Gestalt.  Arch.  d.  W.  Ak.  LXI1I, 
595  bis  608.     Hauck  II,  380  für  Veranlassung  dieser  Vita  durch  Virgil. 

3)  Münch.  SB.  1883.  S.  509—547. 

4)  So  auch  in  dem  aus  Regensburg  stammenden  Veroneser  Sacra 
mentar  (Saltisburgo).     Delisle,  Sacram.  p.  194. 


Emmeram  und  Corbinian.     Rupert.  123 

Die  Legenden  von  Emmeram1)  und  Corbinian2)  sind  zuerst  vom 
Bischof  Aribo  von  Freising3)  (764 — 783),  letztere  auf  Ansuchen 
des  Bischofs  Virgil  von  Salzburg,  nach  der  mündlichen  Ueberlieferung 
verfafst  und  von  sehr  geringem  Werthe.  Ein  anstöfsiger  Umstand 
darin  ist  die  Reise  der  beiden  Missionare  nach  Rom;  denn  erst  die 
Angelsachsen  hielten  es  für  nothwendig,  sich  von  dort  die  Vollmacht 
zur  Missionsthätigkeit  zu  holen,  während  vorher  den  Franken  wie 
den  Iren  ein  solcher  Gedanke  ganz  fern  lag,  ja  selbst  Bonifaz  noch 
zu  seiner  ersten  Mission  unter  den  Friesen  eine  solche  Vollmacht 
nicht  eingeholt  hat.  Später  aber  galt  diese  Erlaubnifs  für  so  un- 
erläfslich,  dafs  die  Legendenschreiber  sie  auch  für  die  ältere  Zeit 
ganz  unbedenklich  als  selbstverständlich  annahmen.  Sie  erzählen 
daher  eine  solche  Reise  als  Thatsache,  und  nennen  den  Pabst,  der 
nach  ihrer  Berechnung  der  Zeitverhältnisse  damals  regiert  hatte. 
Die  neueren  Gelehrten  haben  dann  wieder  umgekehrt  nach  dem 
Namen  des  Pabstes  die  Zeit  des  Heiligen  bestimmt  und  dadurch 
die  Verwirrung  vollständig  gemacht;  ein  Fehler,  von  dem  auch 
Rettberg  nicht  frei  ist.  Dafs  die  Sache  sich  aber  wirklich  so  ver- 
hielt, zeigt  sich  deutlich  an  den  Legenden,  die  in  ihrer  älteren  noch 
erhaltenen  Form  nichts  von  einer  solchen  Reise  nach  Rom  wissen, 
während  sie  in  den  späteren  Bearbeitungen  eingeschoben  ist.  Das 
ist  der  Fall  bei  dem  heiligen  Patricius,  bei  S.  Rupert;  auch  Gregor 
von  Tours  läfst  sein  späterer  Biograph  nach  Rom  reisen. 

Denselben    Umstand    finden    wir    auch    im   Leben    des    heiligen 


J)  Acta  SS.  Sept.  VI,  474.  Vgl.  Rettberg  II,  189.  Hauck  I,  342.  Nach 
Hugo  Graf  Walderdorff,  Regensburg  (3.  Aufl.)  S.  137,  ist  die  ursprüngliche 
Form  Heimraban,  in  einem  Kalend.  saec.  VIII.  Emhram.  Vgl.  Riezler,  Forsch. 
XVIII,  528,  über  den  Ort  seines  Todes.  Neue  Ausg.  v.  B.  Sepp,  Anal. 
Bolland.  VIII,  211—240  u.  Sep.  Ausg.  1890.  Nach  Riezler  muss  es  eine 
Ueberarbeitung  sein. 

2)  MeichelbeckHist.Fris.I,  2  p.  3.  Acta  SS.  Sept.  III,  281.  Vgl.  Rettberg 
II,  213,  Hauck  I,  345,  und  über  beide  M.  Büdinger,  Zur  Kritik  altbaier. 
Geschichte,  Wiener  SB.  XXIII.  Darin  wird  auch  die  früher  herrschende 
Ansicht  von  der  Anwesenheit  des  Eustasius  und  Agilus  in  Baiern  bekämpft, 
welche  jetzt  G.  Waitz,  Gott.  Nachr.  1869  S.  136,  Friedrich,  Münch.  SB.  1874, 
I,  358,  Riezler,  Forsch.  XVI,  417,  wieder  in  Schutz  nehmen.  Büd.  Oest. 
Gesch.  I,  85,  94,  und  über  Aribo  S.  141.  Aelteste  Form  der  V.  Corbiniani 
im  Cod.  Mus.  Brit.  11880,  her.  von  Riezler,  Abh.  d.  Münch.  Akad.  III.  Cl. 
XVIII,  1  (1888).  Die  Bearbeitung  ist  nach  ihm  wahrscheinlich  von  Hrotrohc, 
einem  Mönch  von  Tegernsee,  dem  eine  V.  Corb.  zugeschrieben  wird,  saec. 
IX.  X.  Vgl.  auch  Dr.  David  Schonherr:  Ueber  die  Lage  der  angeblich 
verschütteten  Römerstadt  Maja,  Innsbr.  1873.  Corpus  Inscr.  Lat.  III,  707. 
V,  543. 

3)  Er  nennt  sich  auch  Cyrinus  Dach  der  Deutung  des  Namen  Cyrus 
als  haeres  bei  Hieronymus  de  nominibus  Hebraeorum. 


124  !•    Vorzeit.     §  11.    Fränkische  Heiligenleben. 

Kilian1),  des  ersten  bekannten  Missionars  unter  den  Ostfranken. 
Auch  er  war  gegen  das  Ende  des  siebenten  Jahrhunderts  mit  mehreren 
Begleitern  aus  Irland  gekommen,  und  seine  Wirksamkeit  ist  bezeugt 
durch  die  hohe  Verehrung  seines  Namens;  wie  an  S.  Gallus  Grabe, 
so  scheinen  sich  auch  in  Würzburg  seine  Landsleute  zahlreich  ein- 
gefunden zu  haben,  und  noch  jetzt  finden  wir  ihre  Spuren  in  den 
irischen  Schriftzügen  der  dortigen  Handschriften.  Die  Lebensbeschrei- 
bung aber  ist  erst  im  zehnten  Jahrhundert  verfafst  und  fast  ganz 
werthlos. 

Diese  irischen  und  fränkischen  Missionare  bereiteten  den  Boden 
vor  für  die  Angelsachsen,  mit  deren  Auftreten  ihr  Stern  erlischt. 
Ihre  Pflanzungen  waren  zu  vereinzelt,  um  sich  erhalten  zu  können, 
es  fehlte  ihnen  die  feste  Organisation,  durch  welche  jene  so  stark 
waren,  und  die  vereinzelten  Mönche  konnten  sich  von  Entartung 
und  Verwilderung  nicht  freihalten.  Ihre  Eigenthümlichkeiten  in  Lehre 
und  Gebräuchen  brachten  sie  bald  in  Streit  mit  den  Angelsachsen, 
und  es  ist  ferner  nicht  mehr  die  Rede  von  ihnen.  Nur  als  Pilger 
erscheinen  sie  noch,  geschätzt  wegen  ihrer  strengen  Entsagung, 
wegen  ihrer  Fertigkeit  im  Schreiben,  und  häufig  auch  noch  wegen 
ihrer  Gelehrsamkeit;  aber  als  Missionare  finden  wir  sie  nur  zur  Zeit 
der  Merowinger  genannt. 

Geschichtliche  Nachrichten  aus  dieser  Zeit  haben  sie  selbst  uns 
durchaus  nicht  überliefert;  man  sollte  meinen,  dafs  ihnen  der  Sinn 
für  historische  Aufzeichnung  der  Begebenheiten  gänzlich  fehlte.  In 
der  Heimath  aber  verfafsten  sie  doch  Jahrbücher,  deren  Anfänge  sehr 
alten  Zeiten  zugeschrieben  werden,  und  sie  mögen  wohl  nicht  ganz 
ohne  Einfluss  auf  die  Entstehung  der  jetzt  im  Frankenreiche  auf- 
kommenden Klosterannalen  gewesen  sein,  da  wir  an  der  Spitze  der- 
selben hin  und  wieder  irische  Namen  finden,  doch  ist  eine  irgend 
erhebliche  Betheiligung  von  Schottenmönchen  an  den  weiteren  Auf- 
zeichnungen nicht  nachweisbar.  Andere  Annalen  gehen  auf  Lindis- 
farne  zurück,  eine  britische  Stiftung  in  England;  aber  diese  sind  nicht 
unmittelbar,   sondern   über  Canterbury  ins   Frankenreich  gekommen, 

*)  Canis  III,  1,  180.  Mab.  II,  991.  Acta  SS.  Jul.  II,  612.  Vgl.  Stalin 
I,  167.  Rettberg  II,  303.  Das  älteste  Zeugnifs  für  Kilians  Martyrium  ist 
im  Necrolog.  Wirzib.  s.  IX.  bei  Eckhardt,  Comm.  de  or.  Francia  I,  831. 
Dümmler,  Forsch.  VI,  116.  118.  Piper,  Karls  d.  Gr.  Kalend.  S.  26.  Ueber 
die  in  Kilians  Grab  gefundene  Bibel  in  Uncialschrift  Eckhardt  Franc. 
Or.  I,  451,  Schepss,  Die  ältesten  Evangelienhss.  der  Univ.-Bibl.  (1887)  S.  6. 
Facsim.  bei  Zangemeister  u.  Wattenbach,  Exempla  tab.  LVIII.  Irische 
Handschriften  in  Würzburg:  Archiv  VII,  106;  Catalogue  of  Manuscripts 
in  the  British  Museum,  New  Series  I.  1843  fol.  Tab.  1,  3;  Zeufs,  Gram- 
matica  Celtica,  p.  XX. 


San  et  Kilian  in  Würzt» urg.  125 

wie  denn  überhaupt  diese  Annalen  von  den  Angelsachsen,  nicht  von 
den  Irländern  ihren  Anfang  nehmen. 

Die  Schotten  stehen  in  der  genauesten  Beziehung  zu  der  alten 
fränkischen  Kirche,  und  gehören  mit  dieser  wesentlich  der  merowin- 
gischen  Periode  an;  sie  haben  manche  Keime  gelegt  und  anregend 
gewirkt,  aber  eine  neue  frische  Entwicklung  war  im  merowingischen 
Reiche  und  auf  dem  alten  Boden  nicht  mehr  möglich ;  schon  in  den 
letzten  Zeiten  der  Merowinger  knüpft  sich  alles  wirklich  lebensfähige 
an  das  neue  Geschlecht  der  Arnulfinger,  und  wir  beginnen  deshalb 
mit  seinem  Auftreten  einen  neuen  Zeitraum. 


IL    Die  Karolinger. 

Vom  Anfang  des  achten  bis  zum  Anfang  des  zehnten 

Jahrhunderts. 


§  1.     Neue  Anfänge  der  Geschichtschreibung. 
Fredegars  Fortsetzer. 

Ausgaben  mit  Fredegars  Chronik.  Uebersetzung  von  0.  Abel  ebend.  und  von  735  an  bei 
Einhards  Annalen;  vereinigt  u.  nach  der  neuen  Ausg.  v.  Krusch  berichtigt  1888.  — 
Cauer,  De  Carolo  Martello,  Berl.  1846.  Breysig,  De  continuato  Fredegarii  scholastici 
chronico,  Berl.  1849.  Oelsner,  De  Pippino  rege,  Vratisl.  1853.  p.  24 — 34  De  Chronico 
Fredegarii  continuato.  Breysig,  Karl  Martell  S.  112.  Hahn,  Einige  Bemerkungen 
über  Fredegar,  Arch.  XI,  805-840.  G.  Monod,  Revue  crit.  1873,  I,  153.  Br.  Krusch, 
NA.  VIII,  495-515. 

JJas  Haus  der  Karolinger  bewies  von  Anfang  an  seine  Berechti- 
gung zur  Herrschaft  dadurch,  dafs  es  allein  im  Stande  war,  das 
Reich  herzustellen,  dem  weit  vorgeschrittenen  Verfall  Einhalt  zu 
thun  und  auf  neuen  Grundlagen  ein  neues  Zeitalter  zu  begründen. 
Auch  das  Wiedererwachen  der  Geschichtschreibung  knüpft  sich  an 
sein  Auftreten:  mit  dem  Jahre  687,  mit  dem  entscheidenden  Siege 
Pippins,  beginnen  die  Annalen  von  St.  Amand. 

Fredegars  Chronik  war  in  Burgund,  das  Buch  von  den  Thaten 
der  Franken  in  Neustrien  geschrieben,  in  Austrasien  fanden  beide 
ihre  letzte  Bearbeitung  und  Fortsetzung.  Viel  ist  über  die  Beschaffen- 
heit dieser,  über  die  Arbeit  der  verschiedenen  dabei  thätigen  Per- 
sonen geschrieben  worden;  ich  halte  mich  jetzt  an  die  Resultate  von 
Br.  Krusch,  welcher  genauer,  als  zuvor  geschehen  war,  namentlich 
auch  in  Bezug  auf  die  Sprache,  die  Prüfung  durchgeführt  hat. 

Als  unter  Pippin  das  Frankenreich  in  seiner  neuen  Gestaltung 
glänzend  befestigt  war,  unternahm  es  sein  Oheim  Childebrand, 
auch  für  das  dauernde  Andenken  dieser  merkwürdigen  Begebenheiten 
zu  sorgen.  Er  liefs  ein  Exemplar  der  alten  Chronik  des  Fredegar 
sorgfältig  abschreiben,  aber  er  oder  der  von  ihm  Beauftragte  begnügte 
sich  nicht  mit  einfacher  Abschrift:  er  liefs  den  Liber  generationis 
weg,  und  setzte  an  dessen  Stelle  den  Hilarianus  de  cursu  temporum 


Fredegars  Fortsetzer.  127 

ein,  welchen  er  in  seiner  Vorlage  an  anderm  Orte  fand,  und  erwei- 
terte die  Stammsage  im  Hieronymus  durch  ein  Excerpt  aus  Dares 
Phrygius.  An  den  Fredegar  knüpfte  er  einen  Auszug  von  cap.  43 
bis  52  der  Gesta  Francorum  nebst  ihrer  736  geschriebenen  Fort- 
setzung; recht  mangelhaft  gearbeitet  und  voll  chronologischer  Ver- 
wirrung, aber  bereichert  mit  Zusätzen,  welche  das  Haus  der  Arnul- 
finger  hervorheben,  während  er  manches  wegliefs,  was  das  Haus  der 
Merowinger  betraf,  das  ihn  nicht  mehr  kümmerte;  anfangs  dürftig, 
dann  von  erheblichem  Werthe.  Das  ist  die  sog.  erste  Fortsetzung 
(cap.  1 — 17)  bis  zur  Mitte  von  cap.  109,  an  welche  bis  cap.  117 
incl.  die  zweite  (cap.  18 — 33)  sich  reiht,  innerhalb  welcher  stilistische 
Gründe  einen  Wechsel  des  Schreibers  (nach  cap.  109)  annehmen 
lassen.  So  weit,  bis  752,  war  unter  Childebrands  Leitung  das  Werk 
geführt,  da  übernahm  dessen  Sohn  Nibelung1)  die  weitere  Fort- 
setzung (cap.  34 — 54),  welche  uns  in  noch  schlechterem  Latein  einen 
schon  ausführlicheren,  nach  Jahren  genau  geordneten  und  wohl  theil- 
weise  gleichzeitig  aufgezeichneten  Bericht  über  die  königliche  Herr- 
schaft Pippins  darbietet. 

Als  vereinzelte  sehr  schätzbare  Notiz  reiht  sich  an  diese  Fort- 
setzer des  Fredegar  eine  Aufzeichnung  aus  Saint- Denis  über  die 
Königsweihe  Pippins  und  seiner  Söhne  (754)  durch  Pabst  Stephan  II2), 
welche  sich  am  Schlufs  einer  Handschrift  von  Werken  Gregors  von 
Tours  befindet,  von  anderer  Hand  mit  blasserer  Dinte  geschrieben 
und  offenbar  aus  einer  älteren  Handschrift  herübergenommen,  und 
Clausula  de  Pippino  genannt  wird3). 

1)  Cap.  117  (34):  „Usque  nunc  inluster  vir  Childebrandus  comes,  avun- 
culus  praedicto  rege  Pippino,  hanc  historiam  vel  gesta  Francorum  diligen- 
tissime  scribere  procuravit.  Abhinc  ab  inlustre  viro  Nibelungo,  filium 
ipsius  Childebrando  iteraque  comite,  succedat  auctoritas." 

2)  Auf  dessen  Reise  „Roma  salvanda"  starb  m.  Dec.  ind.  VII  (753) 
der  primicerius  notariorum  Ambrosius  in  Saint-Maurice;  er  wurde  nach 
6  Jahren  in  St.  Peter  bestattet  mit  einem  rühmenden  rhythmischen  Epitaph. 
Rossi,  L'inscription  du  tombeau  d'Hadr.  I  (Mel.  d'Archeol.  et  d'hist. 
VIII)  p.  20. 

3)  Mab.  Dipl.  p.  384.  SS.  Meroving.  I,  465  mit  Schriftprobe.  MG.  SS. 
XV,  1  (vgl.  p.  57 4 a)  als  De  unctione  Pippiniregis  nota.  Diese  Nachricht  wurde 
später  mit  der  fabelhaften  Revelatio  facta  S.  Stephano  papae  verbunden,  mit 
welcher  sie  von  Regino  abgeschrieben,  und  bei  Sur.  V.  p.  658  (740  ed.  II) 
zuerst  gedruckt  ist.  Hierdurch  habe  ich  mich  früher  verleiten  lassen,  die 
Clausula  als  unglaubwürdig  zu  bezeichnen.  Vgl.  Oelsner,  K.  Pippin  S.  155. 
Das  Schreiben  Stephans  II,  welches  B.  Simson,  Forsch.  XIX,  180,  als  die 
Quelle  betrachtet,  ist  in  der  neuen  Ausg.  von  Jaffas  Reg.  Pont.  n.  2316 
von  P.  Ewald  mit  Recht  als  unecht  bezeichnet.  Ebenso  in  der  Ausgabe 
jenes,  von  Hilduin  seinen  Acta  Dionysii  angehängten  Stückes  von  Waitz, 
SS.  XV,  2.  —  Benutzt  ist  die  Clausula  in  einem  (unechten?)  Breve  Cle- 
mens II  für  Romainmotier,  NA.  XI,  590. 


128  II-    Karolinger.     §  1.    Fredegars  Fortsetzer. 

So  wie  das  ganze  Reich  von  den  Merowingern  an  die  Karolinger 
überging,  so  wurde  auch  die  einzige  Chronik  der  Franken  zu  einer 
Familienchronik  des  karolingischen  Hauses.  Sie  gewinnt  dadurch 
gewissermafsen  einen  officiellen  Charakter  und  damit  eine  gewisse 
Glaubwürdigkeit;  andererseits  leidet  sie  aber  auch  an  den  Mängeln 
solcher  amtlicher  Aufzeichnungen.  Je  näher  die  Yerfasser  den  Ka- 
rolingern standen,  je  besser  sie  unterrichtet  waren,  um  so  mehr 
hüteten  sie  sich  auch  etwas  aufzunehmen,  was  den  Machthabern 
unangenehm  war.  Es  genügt  in  dieser  Beziehung  den  einen  Umstand 
hervorzuheben,  dafs  die  bedeutenden  und  gefährlichen  Unruhen, 
welche  Grifo,  Karl  Martels  Sohn  von  der  Swanhilde,  nach  des  Vaters 
Tod  erregte,  und  welche  dem  Verfasser  doch  unmöglich  unbekannt 
geblieben  sein  konnten,  hier  mit  gänzlichem  Stillschweigen  über- 
gangen werden.  Ebensowenig  ist  andererseits  von  der  ganzen  Wirk- 
samkeit des  Bonifatius  und  überhaupt  von  den  kirchlichen  Angelegen- 
heiten die  Rede.  Eine  vollständige  und  unparteiische  Uebersicht  der 
Begebenheiten  darf  man  daher  bei  diesen  Fortsetzern  des  Fredegar 
nicht  suchen1). 

Ebenso  wenig  unparteiisch,  zur  Verherrlichung  der  Arnulfinger 
geschrieben  und  namentlich  in  den  ältesten  Theilen  irreführend, 
übrigens  aber  aus  guten  Quellen  geschöpft,  reichhaltig  auch  über 
Grifo,  ist  die  Geschichte  von  687  bis  692,  welche  den  Anfang  der 
Annales  Mettenses  bildet2),  wo  bis  768  eine  Compilation  aus  Fre- 
degar u.  a.  Annalen  sich  anschliefst.  Früher  gering  geschätzt,  ist 
sie  von  L.  Ranke  nachdrücklich  in  Schutz  genommen  und  ihr  Werth 
ins  Licht  gestellt3).  Es  kommt  hinzu,  dafs  das  Fragmentum  de 
Pippino  duce4),  welches  Bonnell  für  ein  schlechtes  Excerpt  aus 
den  Mettenser   Annalen    erklärt    hatte,    in    dem    Cod.  Arundel.   375 

*)  Zu  vergleichen  ist  für  diese  Zeit  noch  der  Libellus  de  Majoribus 
domus,  Bouq.  II,  699  aus  Du  Chesne  SS.  II,  1,  der  nicht  vor  dem  neunten 
Jahrhundert  geschrieben  ist,  wie  B.  Simson  bemerkt,  nahe  verwandt  dem 
Chron.  Adonis,  vielleicht  ein  Auszug.  Ferner  das  von  Wilthem  excerpirte 
Fragmentum  historicum  ex  libro  aureo  Epternacensi  über  die  Jahre  714  u. 
715,  aus  unbekannter  Quelle,  herausgegeben  von  Reiffenberg  im  Bulletin 
de  TAcademie  de  Bruxelles  (1843)  X,  2,  264,  und  Monuments  de  Namur 
etc.  VII,  209;  jetzt  MG.  SS.  XXIII,  59.  Räthselhaft  ist  der  Dionysius,  wel- 
chen Gobelinus  Persona  als  Chronisten  von  Prosper  bis  Einhard  (455 — 741) 
anführt,  vgl.  Hagemann:  Ueber  die  Quellen  des  G.  P.  (Diss.  Hai.  1874) 
S.  32.  Er  ist  aber  nicht  zusammenzubringen  mit  der  Erwähnung  der  Cyclen 
des  Dionysius  Exiguus  bei  Regino  z.  J.  741,  wo  er  nur  von  der  Incon- 
gruenz  der  verschiedenen  Berechnungen  spricht;  allerdings  scheint  er  in 
seinem  Exemplar  eine  annalistische  Bemerkung  zu  741  gehabt  zu  haben. 

2)  MG.  SS.  I,  316—321. 

3)  Weltgesch.  V,  2,  S.  294  ff. 

4)  Freher,  Corpus  SS.  Franc,  p.  168—170;   am  Schluss  unvollständig. 


Fredegars  Fortsetzer.     Heiligenleben.  2  29 

saec.  XL  des  Brit.  Museum   aufgefunden   ist1)   und,    da   es    nun    als 
Quelle  anerkannt  ist,   ein  höheres  Alter  dieser  Darstellung  verbürgt. 

Natürlich  ist  es,  dafs  man  bei  fortschreitender  litterarischer 
Bildung  bald  sowohl  an  der  rohen  Form  des  Fredegar  und  seiner 
Fortsetzer,  als  auch  an  dem  dürftigen  Inhalt  dieser  Aufzeichnungen 
Anstofs  nahm.  Zu  Karls  d.  Gr.  Zeit  entstand  eine  Compilation,  iu 
welcher  die  Chronik  des  Beda  verbunden  ist  mit  Zusätzen  aus 
Hieronymus,  Orosius,  Fredegar  und  seinen  Fortsetzen],  den  Gestis 
Francorum  und  Jahrbüchern,  die  mit  den  Lorscher  grofse  Aehnlich- 
keit  haben,  bis  741.  Wir  werden  auf  dieses  sowie  auf  andere  ähn- 
liche Arbeiten  später  zurückzukommen  haben. 

Mit  dem  kriegerischen  Ruhme  vereinigte  das  karolingische  Haus, 
wie  es  zu  einer  hervorragenden  Stellung  damals  fast  unerläfslich 
war,  auch  den  kirchlichen.  Klosterstiftungen  und  klösterlich  frommer 
Lebenswandel  schmücken  ihren  Stammbaum  mit  Heiligen,  wie  Gertrud 
und  Begga,  und  auch  dem  Ahnherrn,  Bischof  Arnulf  von  Metz, 
wurde  mit  gutem  Recht  die  dankbare  Verehrung  der  Nachkommen 
zu  Theil.  Sein  Leben  ist  auch  von  einem  Zeitgenossen  beschrieben 
worden,  und  was  hier  über  ihn  berichtet  wird,  ist  werthvoll,  aber 
dem  Verfasser2),  einem  der  Mönche,  welche  den  h.  Romarich  nach 
Metz  begleiteten,  als  er  den  weltmüden  Bischof  629  nach  seiner 
Einsiedelei  in  Remiremont  abholte,  hatte  begreiflicher  Weise  wesent- 
lich den  Zweck  und  Gesichtspunkt,  seine  kirchlichen  Tugenden  zu 
preisen3). 

Als  Werk  eines  Zeitgenossen  und  Augenzeugen  schätzbar  ist 
auch  das  Leben  der  h.  Gertrud,  Pippins  I  Tochter,  der  Stifterin 
des  Klosters  Nivelle,  wo  sie  am  17.  März  659  starb.  Ganz  ohne 
Grund  von  Bonnell  verdächtigt,  ist  ihre  Lebensbeschreibung  von 
Friedrich  in  ihrem  Werth  erkannt,  und  von  Krusch  nach  einer  Hand- 
schrift des  achten  Jahrhunderts  herausgegeben4). 

Einige  gute  Nachrichten  enthält  auch  das  noch  zu  König  Pippins 
Lebzeiten    geschriebene   Leben    des   Stifters    des    Klosters    Laubach 


*)  Arch.  VIII,  759. 

-)  Ueber  die  4  von  ihm  verfafsten  Vitae  s.  die  Diss.  von  Dony  in  den 
von  G.  Kurth  1888  herausg.  Dissertations  academiques. 

3)  Neue  Ausg.  v.  Krusch,  SS.  Merov.  II,  426—446.  Die  Hs.  schrieb 
Karl  Martels  neunjähr.  Sohn  Hieronymus  ab.  Uebers.  Geschichtschr.  XI 
(VII,  2)  S.  131  —  140,  nach  Fredegar.  Der  angebl.  Name  des  Vfs.  der  wert- 
losen 2.  Vita  Umno  ist  ein  Lesefehler:  „Exhortatione  plurimorum  com- 
monitus  Umno  Dei  gratia  praeventus"  statt  immo. 

4)  Vita  S.  Gerctrudis,  SS.  Meroving.  II,  447—74  mit  den  noch  im 
8.  Jh.  hinzugefügten   Wundern. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  9 


130  II-    Karolinger.     §  2.    Angelsachsen. 

oder  Lobbes,  Ermino  (f  737)  vom  Abt  Anso1).  Die  schon  für 
diese  Zeit  nicht  unwichtige  Lütticher  Litteratur  werden  wir  später 
noch  zu  berühren  Anlafs  haben. 

Ganz  unverändert  werden  uns  ausser  diesen  sehr  wenige  Legenden 
erhalten  sein;  dafür  ist  ihre  Form  zu  glatt,  zu  abweichend  von  den 
authentischen  Denkmälern.  Zum  Yorlesen  bestimmt  und  gebraucht, 
mufsten  sie  der  zunehmenden  Bildung  angepafst  werden,  und  leicht 
verbanden  sich  damit  Zusätze  und  Aenderungen,  welche  auch  den 
Inhalt  berührten. 


§  2.     Die  Angelsachsen. 

Die  zahlreichen  Missionen  der  irischen  Mönche  vermochten  doch 
nichts  dauerndes  zu  schaffen,  und  auch  in  der  Heimath  konnte  diese 
alte  vereinzelte  Kirche  sich  der  römisch-englischen  Uebermacht  nicht 
erwehren.  Sie  unterlag  überall,  aber  nicht  etwa  der  äufsern  Ueber- 
macht allein;  in  jeder  Weise  wurden  die  Angelsachsen  ihrer  alten 
Lehrer  Meister.  In  den  grofsen  Weltchroniken  des  Mittelalters  finden 
wir  kaum  eine  Erwähnung  von  Irland ;  die  Reiche  der  Angelsachsen 
aber  treten  auffallend  in  den  Vordergrund  für  lange  Zeit.  Das  ist 
der  Einflufs  des  Beda  (f  735),  dessen  Schriften  diese  Angaben  ent- 
nommen wurden.  Einen  Mann  wie  diesen  Beda  hat  die  gesammte 
irische  Kirche  nicht  hervorgebracht;  er  war  der  Lehrer  des  ganzen 
Mittelalters.  Durch  mathematische  Kenntnisse  haben  gerade  die 
Schottenmönche  sich  ausgezeichnet,  auf  ihren  Unterricht  mag  ein 
bedeutender  Theil  der  Gelehrsamkeit  Beda's  sich,  wenn  auch  nur 
mittelbar,  zurückführen  lassen,  ihm  aber  war  es  vorbehalten,  durch 
die  Gediegenheit  und  Fafslichkeit  seiner  Lehrbücher  für  Jahrhunderte 
in  jedem  Kloster  die  Anleitung  zu  den  nöthigen  astronomischen 
Kenntnissen  zu  geben;  wo  man  es  verschmähte,  tiefer  einzudringen, 
benutzte  man  wenigstens  seine  Ostertafeln  als  unentbehrliches  Hülfs- 
mittel  der  kirchlichen  Zeitrechnung,  in  welcher  durch  ihn  die  für 
leicht  übersichtliche  Chronologie  so  förderliche  dionysische  Era  üblich 
wurde.  Sein  Martyrologium  ist  die  Grundlage  aller  späteren  Um- 
arbeitungen; seine  kleine  Chronik  von  den  sechs  Weltaltern  (bis  726) 
war  überall  bekannt,  und  die  Kirchengeschichte  Englands  (bis  731) 
wurde  um  so  eifriger  gelesen,  weil  man  hierin  den  Ursprung  der 
eigenen  Kirche  erkannte,  sowie  sie  andererseits  das  Bewufstsein  dieser 

*)  Mab.  III,  1,  564. 


Beda.     Vita  Gregorii  I.  131 

Verbindung  wach  erhielt1).  Hatten  die  irischen  Missionare  nicht  durch 
Frömmigkeit  allein,  sondern  auch  durch  mancherlei  Kenntnisse  und 
Gelehrsamkeit  die  Bewunderung  der  Franken  erregt,  so  überragten 
doch  nun  die  Angelsachsen  noch  in  weit  höherem  Mafse  alles,  was 
man  bis  dahin  gekannt  hatte. 

Ein  älterer  Zeitgenosse  des  Beda,  ein  Northumbrier  aus  dem 
Kloster  Streoneshalch  (Whitby),  an  Bildung  und  Wissen  ihm  weit 
nachstehend,  hat  seiner  Verehrung  für  den  Begründer  des  Christen- 
thums  in  England,  Pabst  Gregor  den  Grofsen,  ein  merkwürdiges 
Denkmal  gestiftet,  indem  er,  so  gut  er  es  vermochte,  eine  Lebens- 
beschreibung desselben  verfafste,  mit  nicht  unwichtigen  Nachrichten 
über  die  Bekehrung  seiner  Heimath  Wundergeschichten  und  den 
Preis  der  Werke  Gregors  verbindend.  Dieses  merkwürdige  Werkchen 
ist  erst  durch  P.  Ewald  in  einer  alten  Sanctgaller  Handschrift  ent- 
deckt, der  wesentliche  Inhalt  mitgetheilt,  und  mit  grossem  Scharf- 
sinn nachgewiesen,  dass  dieses  die  von  Beda,  Paulus  Diaconus  und 
Johannes  Diaconus  benutzte  angelsächsische  Legende  ist2). 

Schon  vor  Beda  hatte  auch  die  angelsächsische  Mission  begonnen, 
welche  sich  hauptsächlich  den  stammverwandten  Sachsen  und  Friesen 
zuwandte.  Ein  charakteristischer  Unterschied  dieser  Mission  von 
der  irischen  liegt  in  ihrem  Verhältnifs  zum  römischen  Stuhl:  seitdem 
S.  Augustin,  von  Gregor  dem  Grofsen  gesendet,  die  englische  Kirche 
begründet  hatte,  war  diese  in  der  engsten  Verbindung  mit  Rom 
geblieben,  und  von  da  aus  geleitet,  wurde  die  Kirchenverfassung  fest 
und  sicher  organisirt.  Dadurch  gewann  diese  Mission  einen  ganz 
anderen  Boden,  und  war  nicht  der  Vereinzelung  und  der  daraus 
folgenden  Verwilderung  ausgesetzt,  welche  den  Erfolg  der  Schotten- 
predigt auf  einzelne  Klosterstiftungen  beschränkte. 

An  zuverlässigen  Lebensbeschreibungen  der  älteren  unter  diesen 

1)  Ueber  die  Schreibart  Baeda  (die  eben  damals  veraltende)  s.  H. 
Zimmer,  NA.  XVI,  599—601.  Vgl.  über  ihn  Ebert  S.  634—650.  Karl  Werner, 
Beda  der  Ehrwürdige  und  seine  Zeit,  Wien  1875.  Cantor,  Gesch.  d.  Mathe- 
matik I,  707 — 712.  Scholl  in  Herzogs  Real-Encyclopädie.  —  Opera  ed. 
Giles,  Lond.  1843  ff.  12  Bände.  Bd.  1 — 4  die  historischen  Schriften.  Chron. 
VI,  270  als  c.  66.  67.  von  De  temporum  ratione.  Opera  historica  ed.  Ste- 
venson, 1841,  2  Bände;  cura  R.  Hussey,  Ox.  1846.  Mon.  hist.  Brit.  (1848) 
p.  83—102  (Sexta  aetas),  p.  103—289  (Hist.  eccl.).  Migne  XC— XCV. 
Hist.  eccl.  ed.  Holder  1882.  Auszüge,  Geschichtschr.  VII,  1  bei  Isidor, 
von  Coste.  G.  Wetzel,  Die  Chroniken  des  Beda  (über  seine  Quellen  und 
die  Art  ihrer  Benutzung),  Diss.  Hai.  1878.  Ueber  die  Continuatio  Bedae 
von  731  bis  766,  H.  Hahn,  Forsch.  XX,  553—569.  Die  Annaks  chrono- 
graphi  vetussi,  SS.  XIII,  716,  schreibt  Krusch  ihm  zu,  NA.  XI,  633. 

2)  P.  Ewald,  Die  älteste  Biographic  Gregors  I.  Hist.  Aufsätze  dem 
Andenken  an  G.  Waitz  gewidmet  (1886),  S.  17—54. 

9* 


132  H-    Karolinger.     §  2.    Angelsachsen. 

Glaubensboten  fehlt  es  freilich  auch,  und  ihre  Wirksamkeit  würde 
uns  in  nicht  minder  zweifelhaftem  Dämmerlichte  erscheinen,  als  die 
der  Schottenmönche,  wenn  nicht  die  englische  Kirche,  von  der  sie 
ausgingen,  in  helleren  Umrissen  vor  uns  stände,  und  vor  allem  Beda 
uns  so  manche  sichere  Nachricht  aufbewahrt  hätte. 

Augustin,  der  erste  Erzbischof  von  Canterbury,  starb  um  das 
Jahr  604.  Schon  sein  Schüler  Livin  soll  in  Friesland  gepredigt 
haben,  seine  Lebensbeschreibung  aber  ist  ein  späteres  betrügliches 
Machwerk.  Da  sie  fälschlich  dem  Bonifatius  zugeschrieben  wird, 
findet  sie  sich  in  der  Sammlung  seiner  Schriften1). 

Auch  Wilfrid,  Erzbischof  von  York,  der  im  J.  709  gestorben 
ist,  hat  unter  den  Friesen  gepredigt,  als  er  auf  einer  Reise  nach 
Rom  678  an  ihrer  Küste  landete,  um  den  Nachstellungen  des  Haus- 
meiers Ebroin  zu  entgehen 2).  Besonderes  Verdienst  um  die  Mission 
erwarb  sich  aber  Egbert,  der  Abt  des  Klosters  Hy,  in  welchem 
er  die  bis  dahin  dort  herrschende  irische  Weise  durch  die  siegreiche 
römisch-englische  verdrängte.  Er  entsandte  zum  Friesenfürsten  Radbod 
den  Wigbert3),  und  nach  dessen  Heimkehr  im  Jahre  690  Willi- 
brord  mit  elf  Gefährten.  Dieser,  695  in  Rom  zum  Bischof  geweiht, 
begründete  698  das  Kloster  Echternach,  aber  nicht  allein  als  Stätte 
eines  stillen  beschaulichen  Lebens,  sondern  als  Ausgangspunkt  für 
seine  Thätigkeit,  und  mit  Karl  Martels  Hülfe  gelang  ihm  sodann 
auch  die  Stiftung  des  Bisthums  Utrecht,  wo  er  im  Jahre  738  als 
erster  Bischof  verstorben  ist.  Sein  Leben  ist  erst  lange  nach  seinem 
Tode  von  Alcuin  aus  fast  ausschliefslich  erbaulichem  Gesichtspunkt 
beschrieben    worden4);    die    ältere   Lebensbeschreibung,    welcher    er 

1)  Vgl.  Rettberg  II,  509.  Die  Unechtheit  der  ihm  zugeschriebenen 
Verse  an  den  Genter  Abt  Florbertus  mit  dem  Epitaphium  S.  Bavonis, 
mit  Anklängen  an  Boethius,  hat  Holder-Egger  nachgewiesen,  Waitz-  Aufsätze 
S.  623-665.    NA.  XVI,  623. 

2)  Rettberg  II,  511.  Dafs  jedoch  Wilfrid  nicht  wider  Willen  an  diese 
Küste  verschlagen  wurde,  bezeugt  sein  Schüler  und  Biograph  Aedde,  ge- 
nannt Stephanus,  bei  Mab.  IV,  1,  671.  Wenn  aber  Alberdingk  Thijni. 
H.  Wülibrordus  S.  84  (deutsch  S.  57)  auch  in  der  Missionspredigt  unter 
den  Friesen  einen  tief  angelegten  Plan  sieht,  so  findet  das  in  den  Quellen 
keine  Bestätigung.  Dagegen  auch  Moll,  Kerkgeschiedenis  van  Neder- 
land,  I,  87. 

3)  Rettberg  II,  513. 

4)  Alcuini  Vita  S.  Willibrordi  ed.  Wattenbach,  nach  Jaffe's  Vorarbeit 
den  älteren,  früher  nicht  benutzten  Handschriften  folgend,  Bibl.  VI,  32 — 79. 
Das  metr.  2.  Buch  auch  bei  Dümmler,  Poet.  Carol.  I,  197—220.  Ebert  II, 
25  bemerkt,  dafs  das  hexametr.  Gedicht  über  Willibrord  nach  XXXIII,  3 
u.  XXXIV,  32  schon  früher  verfafst  war.  Die  eigenhändige  Aufzeichnung 
Willibrords  vom  J.  728  über  seine  Weihe  (ib.  p.  46)  ist  im  Pariser  cod. 
Lat.  10837   (Suppl.  1680).     NA.  II,  293.    Facs.  einer  Schriftseite  des  Mar- 


Angelsächsische  Mission.  133 

gewiss  wesentlich  folgte,  von  einem  Schottenmönch  rustico  stilo  ver- 
fafst,  wie  die  älteste  Vita  des  h.  Gallus,  ist  leider,  wie  diese  ver- 
loren, aber  sie  wurde  noch  benutzt  von  Thiofrid,  Abt  von  Echter- 
nach  (1083 — 1110),  dessen  Werk  deshalb  nicht  ohne  Werth  ist1). 

Gleichzeitig  mit  ihm  predigte  auch  Suitbert,  der  Stifter  von 
Kaiserswerth,  von  dem  jedoch  nur  wenig  bekannt  ist.  Als  das  merk- 
würdigste Andenken,  welches  er  uns  hinterlassen  hat,  sehr  bezeichnend 
für  die  höhere  und  feinere  Bildung,  welche  diese  Angelsachsen  in  der 
Heimath  pflegten  und  von  da  ins  Frankenreich  verpflanzten,  galt 
bisher  die  schöne  Handschrift  des  Livius,  welche  er  mitgebracht 
haben  sollte,  und  die  jetzt  zu  den  kostbarsten  Schätzen  der  Wiener 
Hofbibliothek  gehört.  Doch  wird  die  Inschrift  jetzt  richtiger  anders 
gelesen,  die  Bedeutung  der  Handschrift  aber  ist  nicht  geringer,  wenn 
sie  aus  der  Utrechter  Schule  stammt2).  Suitberts  Biographie  dagegen, 
angeblich  von  Liudgers  Genossen  Marchelm  oder  Marcellinus  verfafst, 
ist  ein  grober  Betrug  späterer  Zeit3). 

Unter  den  Sachsen  predigten  der  weifse  und  der  schwarze 
Ewald,  deren  Lebensbeschreibung  aus  Beda  entnommen,  aber  völlig 
sagenhaft  ist4).  Später  folgte  ihnen  Liafwin,  jedoch  erst  um  770, 
nachdem  vielleicht  schon  mancher  Glaubensbote  vergeblich,  und 
ohne  das  Andenken  seines  Namens  zu  hinterlassen,  versucht  hatte,  das 
starre   Heidenthum   der  alten   Sachsen   zu  überwinden.     Das   Leben 


tyrol.  Acta  SS.  Apr.  II,  Propyl.  Tab.  II.  Auch  das  Evangeliar  Suppl. 
lat.  693  soll  von  ihm  mitgebracht  sein,  Waagen,  Kunstwerke  in  Paris  S.  241, 
Facs.  Hist.  de  l'lmprimerie  (Livre  d'or  des  metiers)  p.  12.  Alberdingk 
Thijm,  H.  Willibrordus,  Apostel  der  Nederlanden,  Amsterd.  und  Brüssel 
1861  (Deutsch  mit  Zusätzen  von  Dr.  Trofs  in  Hamm,  Münster  1863)  sucht 
einen  Gegensatz  zwischen  Willibrord  als  Vorkämpfer  der  auf  Errichtung 
einer  unabhängigen  deutschen  Kirche  gerichteten  Politik  der  Päbsfce,  und 
den  egoistischen  fränkischen  Missionsbestrebungen  nachzuweisen  im  An- 
schlufs  an  Gfrörer,  wofür  ich  in  den  Quellen  keine  Begründung  finden 
kann.     Vgl.  Moll  I,  95—118.     Hauck  I,  396—409. 

1)  MG.  SS.  XXIII,  30 — 38,  Auszüge  aus  dem  prächtigen,  dem  Erzb. 
Bruno  von  Trier  (1102 — 1124)  gewidmeten  Codex,  jetzt  in  Gotha  (diese 
Stelle  S.  11).  Die  metr.  Bearbeitung  ist  von  R.  Decker  im  Progr.  d.  k. 
Gymn.  zu  Trier  1880/1,  und  mit  Benutzung  d.  Goth.  Hs.  von  K.  Rofsberg, 
L.  83  herausgegeben. 

2)  Mommsen  et  Studemund,  Analecta  Liviana  (1873)  p.  7  et  tab.  IV. 
Gitlbauer  de  cod.  Liv.  Vindobonensi,  Vind.  1876. 

3)  S.  Rettberg  II,  396.  Bouterwek,  Swidbert  der  Apostel  des  Bergi- 
schen Landes,  Elberf.  1859. 

4)  Rettberg  II,  397.  Ueber  den  Ort  des  Todes  Dr.  Trol's  bei  Alber- 
dingk Thijm,  S.  217—223.  Lohoff,  Krit.  Untersuchungen  der  Geschichte 
der  beiden  Ewalde  unter  bes.  Berücksichtigung  der  Aplenbecker  Tradition 
(Beiträge  z.  Gesch.  Dortmunds,  I,  1875). 


134  H-    Karolinger.     §  2.    Angelsachsen. 

Liafwins,  von  Hucbald  von  St.  Amand,  ist  nicht  ohne  Werth,  aber 
doch  erst  in   viel   späterer  Zeit,    im   zehnten  Jahrhundert   verfafst1). 

In  Franken  finden  wir  Burchard,  den  Bonifaz  zum  ersten 
Bischof  von  Würzburg  weihte,  wo  S.  Kilian  mit  seinen  Genossen 
den  Boden  bereitet  hatte.  Auch  seine  Lebensbeschreibung  aber  ist 
erst  im  9.  Jahrh.  von  einem  Würzburger  Cleriker  verfafst  und  völlig 
werthlos;  die  wenigen  Thatsachen,  welche  darin  berichtet  werden, 
sind  theis  entstellt,  theils  mit  oder  ohne  Absicht  erfunden2). 

Die  erste  wirklich  gleichzeitige  Lebensbeschreibung  besitzen  wir 
von  Winfrid,  dem  Stifter  der  neuen  fränkischen  Kirche,  der  alle 
die  einzelnen  Pflanzungen  seiner  Vorgänger  zusammenfafste  in  eine 
mächtige  Organisation,  und  ihnen  dadurch  die  Kraft  zum  dauernden 
Bestehen  gab,  der  zugleich  die  alte  verfallene  fränkische  Landeskirche 
emporrichtete,  und  so  im  Verein  mit  den  karolingischen  Herrschern 
das  gewaltige  Gebäude  aufführte,  in  dem  die  neu  hervorspriefsende 
geistige  Bildung  für  viele  Jahrhunderte  eine  gesicherte  Stätte  finden 
sollte,  mitten  unter  allen  Stürmen  und  Drangsalen  der  kampferfüllten 
Zeiten.  Allein  die  Schilderung  seines  Lebens  und  seiner  Wirksam- 
keit liegt  unserer  Aufgabe  fern;  wir  müssen  uns  hier  begnügen, 
auf  die  ausführliche  Darstellung  Rettbergs  I,  331  ff.  zu  verweisen, 
wo  auch  genauere  Nachweisungen  über  seine  Biographen  zu  finden 
sind3). 

Sein  kirchlicher  Name  war  Bonifatius,  ohne  Zweifel  von  bo- 
num  fatum  abzuleiten,  aber  nach  einer  richtigen  Bemerkung  von 
Loofs  scheinen  die  Zeitgenossen  den  Namen  vielmehr  von  bonum  fari 
hergeleitet  zu  haben4).     Er  besafs  eine  für  jene  Zeit  hervorragende 

*)  Rettberg  II,  405;  vgl.  unten  §  15.  III,  §  10. 

2)  Rettberg  II,  314.  Ausg.  Mab.  III,  1,  700.  Acta  SS.  Oct.  VI,  573. 
MG.  SS.  XV,  43—50  mit  Auszügen  aus  der  jüngeren  Vita,  von  Holder- 
Egger. 

3)  Dazu  kommen  nun  u.  a.  die  Jahrbücher  des  frank.  Reichs  unter 
Pippin  v.  Hahn  u.  Oelsner.  Vgl.  C.  Will,  Regesten  d.  Mainzer  Erzbb.  I. 
Ebert  S.  650—659.  Hauck  I,  410—546.  Die  schöne  Charakteristik  bei  Moll  I, 
141  berührt  wohlthuend,  gegenüber  den  zur  Mode  gewordenen  unwürdigen 
und  unhistorischen  Angriffen  auf  ihn.  —  Opera  ed.  Giles,  Lond.  1844,  2  Bde. 
Külb,  Sämmtl.  Schriften  übers,  u.  erl.  1859.  2  Bde.  Nürnberger,  Zur  handschr. 
Ueberlieferung  d.  Werke,  NA.  VIII,  299—325.  Aus  der  litt.  Hinterlassen- 
schaft des  h.  Bon.  u.  des  h.  Burchard.  24.  Bericht  d.  Philomathie  in 
Neisse,  1888.  Beitr.  zu  d.  Schriften  des  h.  Bon.  Rom.  Quartalschrift  V, 
28  ff.  Vielleicht  von  Bonif.  Hand  sind  die  Glossen  zur  Ep.  Jacobi  im  Cod. 
Fuld.  ed.  E.  Ranke  1868,  cf.  dess.  Specimen  Cod.  Fuld.  zum  Berl.  Jubil. 
1860.  (Facs.  der  Glossen).  Gegen  die  Echtheit  der  Sermones  Scherer,  Denk- 
mäler (1864)  S.  144.  H.  Hahn,  Forsch.  XXIV,  583—625;  für  dieselbe  Nürn- 
berger, NA.  XIV,  109—134.    Steinmeyer,  3.  Ausg.  II,  328,  f.  d.  Unechtheit. 

4)  C.  Will,  Hist.  pol.  Bl.  LXXVIII,  Heft  4.    Regesten  S.  V.  W.  Schmitz, 


Bonifatius.  1 35 

Bildung,  und  wir  besitzen  noch  von  ihm  eine  Grammatik  und  Metrik1), 
und  nicht  ohne  Geschick  und  Gewandtheit  verfafste  Gedichte  mit 
der  Vorliebe  für  Akrostichen  und  andere  Spielereien,  welche  der  Zeit 
und  besonders  seinen  Landsleuten  eigen  ist2). 

Von  weit  gröfserem  Werthe  für  uns  ist  die  Sammlung  von 
Bonifazens  eigenen  Briefen  und  den  päbstlichen  Schreiben  an  ihn3); 
aber  auch  die  bald  nach  seinem  Tode,  vielleicht  noch  zu  Pippins 
Lebzeiten4),  sicher  vor  786  verfafste  Biographie  enthält  schätzbare 
Nachrichten,  und  erhebt  sich  weit  über  die  früheren  Leistungen  der 
Art.  Der  Verfasser  war  ein  Priester  Namens  Willibald,  wohl  ein 
Landsmann,  der  bei  der  Kirche  St.  Victor  bei  Mainz  lebte,  und  auf 
Veranlassung  der  Bischöfe  Lullus  von  Mainz  und  Megingoz  von 
Würzburg  seine  Arbeit  unternahm.  Lullus  besonders  versah  ihn  mit 
Nachrichten,  so  wie  auch  andere  Schüler  Winfrids,  den  Willibald 
selbst  nicht  gekannt  hatte.  Dieser  ist  freilich  hinter  einer  genügenden 
Behandlung  seiner  grofsen  Aufgabe  zurückgeblieben;  anfangs  sorg- 
fältig und  genau,  scheint  er  bei  der  grofsartigen  Entfaltung  der 
Wirksamkeit  seines  Helden,  bei  den  verwickeiteren  politischen  Ver- 
hältnissen unter  Pippins  Regierung  zu  ermatten,  er  wird  verwirrt 
und  ungenau,  übergeht  gänzlich  die  wichtigsten  Vorfälle  und  eilt 
weiter    zu    dem    Märtyrertode    des    Bonifaz5),    bei    welchem    er    in 

Beitr.  z.  Lat.  Sprach-  u.  Litt.-Kunde  (1877)  S.  141.  Loofs,  Zeitschr.  f. 
Kirchengesch.  V,  Heft  4. 

J)  Ars  gramm.  bei  A.  Mai,  Auctt.  class.  VII,  475 — 548;  vgl.  Bursian 
in  d.  Münch.  SB.    1873  S.  457—460. 

2)  Hierüber  s.  Dümmler,  NA.  IV,  98 — 101,  und  die  Ausg.  Poet.  Carol. 
I,  1—19,  vgl.  II,  687. 

3)  Diese  überaus  wichtige,  auch  über  B.'s  Zeit  hinausreichende  Samm- 
lung liegt  jetzt  in  der  ersten  kritischen  Ausgabe  von  Jaffe  vor,  Bibl.  III, 
8 — 315;  eine  neue  von  Dümmler  ist  bald  zu  erwarten.  Vgl.  Forsch.  X, 
397 — 426  gegen  die  chronolog.  Behauptungen  Dünzelmanns  in  seiner  Gott. 
Diss.  von  1869.  Dieser  hält  jedoch  einen  Theil  derselben,  und  vorzüglich 
die  grundsätzliche  Annahme  willkürlicher  Zufügung  der  Daten,  aufrecht, 
und  erklärt  einige  der  Briefe  für  Stilübungen,  Forsch.  XIII,  1 — 32.  H.  Hahn, 
Noch  einmal  die  Briefe  und  Synoden  des  Bonifaz,  Forsch.  XV,  43 — 124. 
Ein  übersehener  Brief  des  P.  Zacharias,  NA.  I,  580 — 583,  berichtigt  von 
Loewenfeld,  ib.  IV,  173 — 175.  Hahn,  Ueber  einige  Briefe  d.  Bonif.  Samm- 
lung mit  unbest.  Adr.  Forsch.  XXI,  383—400.  Hahn,  Bonifaz  u.  Lul. 
Ihre  angels.  Correspondenten,  1883.  Loofs,  Zur  Chronol.  der  auf  d.  fränk. 
Synoden  bezügl.  Briefe,  Leipz.  Diss.  1881,  vgl.  NA.  VII,  418.  P.Ewald 
üb.  die  Fragmente  in  d.  Brit.  u.  a.  Canonensammlungen,  NA.  V,  284 — 295. 
Nürnberger,  Verlorene  Hss.  der  Briefe,  NA.  VII,  353 — 381.  Die  Bonif. 
Litt,  der  Magdeb.  Centuriatoren  ib.  XI,  9—41.  P.  Ewald,  Susanna  u.  Brann- 
linde, Deutung  der  chiffrirten  Namen,  NA.  VII,  196 — 198.  Dagegen  Die- 
kamp  in  d.  Beschr.  d.  Wiener  Hs.  ib.  IX,  9 — 28.  Hahn,  Die  Namen  der 
Briefe  im  Liber  eccl.  Dunelm.  NA.  XII,  109—127. 

4)  Dagegen  L.  Oelsner,  Jahrb.  S.  490. 

5)  Nach   der  seit  Rettberg  herkömmlichen   Annahme  am  5.  Juni   755. 


136  II.    Karolinger.     §  2.    Angelsachsen. 

fronirnem  Phrasenschwall  verweilt.  Aehnliche  Erscheinungen  sind 
auch  in  Biographien  der  späteren  Zeit  häufig;  wo  ein  Bischof  aus 
dem  engen  Kreise  der  Ascetik  und  bescheidener  Pastoraltugenden 
heraustritt,  wo  er  als  Staatsmann  zu  schildern  war,  entzieht  er  sich 
dem  Gesichtskreis  seines  Biographen.  Hier  aber  ist  der  Abstand 
der  §§  30 — 32  von  Anfang  und  Ende  so  auffallend,  namentlich  auch 
der  Mangel  aller  bestimmten  Angaben  über  Bonifatius  Erhebung  auf 
den  Mainzer  Stuhl,  die  plötzlich  als  fertige  Thatsache  erwähnt  wird, 
sowie  über  die  Stiftung  des  Klosters  zu  Fulda  so  unerklärlich,  dafs 
der  Verdacht,  Lullus  Ceüsurstriche  möchten  hier  verwirrend  und 
verstümmelnd  eingewirkt  haben,  kaum  abzuweisen  ist1).  Auch  der 
Streit  über  die  Beerdigung  des  Märtyrers  in  Mainz  oder  in  Fulda 
ist  mit  keinem  Wort  berührt.  Willibalds  Sprache  ist  noch  weit 
entfernt  von  der  Reinheit  der  karolingischen  Latinität,  aber  er  be- 
zeichnet doch  schon  den  Anfang  einer  besseren  Zeit;  er  hat  in  der 
Schule  seine  Classiker  gelesen,  und  sein  Hauptfehler  besteht  darin, 
dafs  er  es  zu  gut  machen  will,  dafs  er  im  Streben  nach  einem 
gewählten  Stil  in  Yerkünstelung  verfällt,  während  er  doch  in  den 
Grundregeln  der  Grammatik  noch  keineswegs  sicher  ist2). 

Sickels  und  Oelsners  Meinung,  dafs  754  das  richtige  Jahr  sei,  wird  mit 
sehr  erheblichen  Gründen  bekämpft  von  C.  Will  in  d.  Tüb.  theol.  Quartal- 
schrift 1873  S.  510—533,  worauf  er  auch  in  den  Regesten  der  Mainzer 
Erzbischöfe  S.  30  verweist. 

*)  Vgl.  die  Einleitung  B.  Simsons  zur  Uebersetzung.  Die  Feindschaft 
zwischen  den  Fuldern  und  Lull,  dem  Gründer  von  Hersfeld,  ist  bekannt; 
bei  Arndt,  zur  Uebersetzung  der  V.  Bonif.  S.  130,  ist  das  Privilegium  des 
Pabstes  Zacharias  für  Fulda  aus  der  Bonifazischen  Briefsammlung  mitge- 
theilt  und  wahrscheinlich  gemacht,  dafs  aus  dem  Mainzer  Exemplar  das- 
selbe ausgeschnitten  ist.  Ohne  Kenntnifs  hiervon  erweist  Th.  Sickel  die 
Echtheit  jener  Bulle  in  den  Beiträgen  zur  Diplomatik  IV,  47 — 73.  Vgl. 
Bibl.  III,  228.  Oelsner,  Jahrbb.  S.  487.  Hahn,  Forsch.  XV,  87.  Ewald, 
Regesta  Pontiff.  2293.  —  Im  Prolog  hat  Willibald  die  Epistola  Victurii 
benutzt  nach  Br.  Krusch,  NA.  IV,  171. 

2)  Ausgabe  von  Pertz,  MG.  SS.  II,  331 — 353.  Uebersetzungen  von 
H.  E.  Bonnell,  Berl.  1856.  8.  Külb,  Sämmtliche  Schriften  des  heiligen  Bo- 
nifacius  übersetzt,  Regensb.  1859;  von  B.  Simson  und  von  W.  Arndt,  1863 
(diese  Geschichtschr.  13.  VIII,  2.  in  neuer  Ausgabe),  beide  mit  berichtigter 
Abtheilung  der  Capitel,  jene  mit  sorgfältigem  Commentar,  Arndt  mit  Be- 
nutzung der  ältesten  Münchener  (Freisinger)  Handschrift.  Nach  dieser, 
grammatisch  fehlerhaftesten,  und  der  einsichtig  corrigirten  Reichenauer  von 
Reginbert,  hat  Jaffe  seine  neue  Ausgabe  gemacht,  Bibl.  III,  422 — 471.  Es 
folgen  hier  noch  die  Mainzer  Passio  und  Auszüge  aus  Othloh  und  dem 
Presb.  Ultraiectinus.  Eine  verkürzte  Ueberarbeitung,  irrig  für  älter  ge- 
halten, ist  in  den  Analecta  Bollandiana  abgedruckt,  s.  Waitz,  NA.  VIII, 
169 — 171.  Eine  interpolierte  Legende,  deren  Angabe  über  die  Stiftung  der 
Kirche  zu  Hameln  mit  neuen  Erweiterungen  in  die  Hämelsche  Chronik  des 
Johann  von  Pohle  übergegangen  ist,  hat  0.  Meinardus  in  der  Zeitschr.  d. 
hist.  V.  f.  Niedersachsen  1882  herausgegeben.  Nürnberger,  Disquisitt.  crit. 
im  Progr.  d.  Bresl.  Matthias-Gymn.   1892. 


Bonifatius.     Willibald  und  Wynnebald.  137 

Yon  Lullus,  Bonifatius  Schüler  und  Nachfolger,  besitzen  wir 
ebenfalls  eine  Biographie,  in  welcher  kürzlich  Holder-Egger  ein  Werk 
Lamberts  erkannt  hat,  und  welche  deshalb  als  solche  später  zu 
erwähnen   sein   wird.     Ihr  geschichtlicher  Werth   ist  unbedeutend1). 

Dagegen  ist  als  ein  merkwürdiges  Denkmal  dieser  Zeit  noch  das 
Leben  der  beiden  Brüder  Willibald  und  Wynnebald  zu  nennen2), 
verfafst  von  einer  Nonne  des  Klosters  Heidenheim,  welches  Wynne- 
bald um  751  gestiftet  hatte  und  bis  zu  seinem  Tode  (19.  Dec.  761) 
leitete,  während  Willibald  741  von  Bonifaz  zum  ersten  Bischof  von 
Eichstedt  geweiht  war.  Wie  diese  Brüder,  so  stammte  auch  die 
Verfasserin,  welche  mit  ihnen  verwandt  war,  aus  England,  von  wo 
sie  erst  nach  Wynnebalds  Tod  nach  Heidenheim  kam.  Ihr  Werk 
zeigt  uns,  was  auch  aus  Bonifatius  Briefsammlung  hervorgeht,  wie 
sehr  lebhaft  dort  auch  die  Nonnen  an  den  gelehrten  Studien  Antheil 
nahmen.  Freilich  wurde  auch  sie ,  wie  es  leider  so  häufig  vorkam, 
durch  ihre  Gelehrsamkeit  zu  einer  sehr  gezierten  und  schwülstigen 
Schreibart  verleitet  und  vor  fehlerhaftem  Ausdruck  nicht  bewahrt; 
ja  der  Ausdruck  ist,  wie  er  in  der  neuen  Ausgabe  nach  der  äl- 
testen Handschrift  hergestellt  ist,  sogar  in  unglaublichem  Maafse  bar- 
barisch, aber  gelehrt  barbarisch,  d.  h.  mit  griechischen  und  anderen 
seltsamen  Worten  beladen.  Den  Hauptinhalt  und  den  wTerthvollsten 
Theil  bildet  in  dem  Leben  Willibalds  der  Bericht  über  seine  Pilger- 
fahrt nach  dem  gelobten  Lande,  welcher  darin  besonders  hervortritt 
und  den  gröfsten  Raum  einnimmt.  Er  ist  offenbar  nach  den  Mit- 
theilungen Willibalds  am  23.  Juni  778  über  seine  Pilgerfahrten  und 
die  daran  sich  schliefsenden  Umstände  aufgezeichnet. 

Nach  Wynnebalds  Tod  übernahm  seine  Schwester  Waldburga 
die  Leitung  des  Klosters  zu  Heidenheim,  von  welcher  nur  im  neunten 
Jahrhundert  Wolfhard  von  Herrieden  in  dem  Werk  über  ihre 
Wunder  etwas  berichtet3). 

Zu  diesem  Kreise  gehören  ferner  noch  Wigbert,  den  Bonifaz 
in  Fritzlar  als  Abt  einsetzte,  Sualo  oder  Solus,  und  Leobgyth  oder 
Lioba,  die  Aebtissin  von  Bischofsheim4),  deren  Biographen  Lupus 
von  Ferneres  und  Rudolf  von  Fulda  später  zu  erwähnen  sein  werden. 

*)  S.  über  ihn  vorzüglich  das  oben  angeführte  Werk  von  Hahn,  Bonif. 
u.  Lull,  1883.  Ueber  ein  vielleicht  von  ihm  selbst  verfafstes  Epitaphium 
Forsch.  XXII,  423;  NA.  VIII,  225.  Ein  nach  der  in  Marburg  wiederge- 
fundenen Hs.  wesentlich  verbesserter  Text  Forsch.  XXV,  177. 

*2)  So  die  authentische  Form.  Die  älteren  Ausgaben  sind  unbrauchbar 
neben  der  neuen  von  Holder-Egger,  SS.  XV,  80 — 117. 

3)  Excerpta  ed.  Holder-Egger,  SS.  XV,  535-555. 

4)  Nach  Link  im  Klosterbuch  der  Diöcese  Würzburg  (1876)  II,  538 
bis  545  unzweifelhaft  Tauberbischofsheim. 


138  H-    Karolinger.     §  3.    Annalen. 


§  3.    Die  Annalen. 

In  dem  Abschnitte,  bei  welchem  wir  jetzt  verweilen,  in  den 
Anfängen  der  karolingischen  Periode,  beginnt  zuerst  ein  Zweig  der 
Geschichtschreibung  ans  Licht  zu  treten,  welcher  sich  aus  den  un- 
scheinbarsten Anfängen  zu  einer  wahren  Kunstform  entwickelte,  und 
dem  wir  grofsentheils  die  festen  Grundlagen  der  älteren  Geschichte 
des  Mittelalters  verdanken,  nämlich  die  Jahrzeitbücher  oder  Annalen. 
Augenscheinlich  durch  die  Mission  veranlafst,  kommen  sie  jetzt  an 
verschiedenen  Orten  zum  Vorschein.  Es  bedurfte  eben  keiner  neuen 
Erfindung,  um  Jahr  für  Jahr  die  wichtigsten  Ereignisse  gleichzeitig 
mit  wenigen  Worten  aufzuzeichnen;  wir  haben  ähnliches  schon  aus 
der  römischen  Zeit  zu  erwähnen  gehabt,  und  es  mag  auch  hin  und 
wieder  im  merowingischen  Reiche  geschehen  sein,  aber  erhalten 
haben  sich  keine  Beispiele  davon.  Einst  hatten  die  Verzeichnisse 
der  Consuln  den  passendsten  Raum  dazu  dargeboten,  jetzt  waren 
es  die  überall  verbreiteten  Ostertafeln,  deren  Rand  schon  von  selbst 
dazu  aufforderte,  neben  der  Jahreszahl  kurze  Nachrichten  einzu- 
tragen. Wir  finden  diese  Aufzeichnungen  zuerst  in  England,  und 
die  Missionare,  denen  Beda's  Ostertafeln  wohl  selten  fehlten,  behielten 
die  heimische  Sitte  bei.  Mit  den  Ostertafeln  selbst  wurden  nun 
auch  die  Randbemerkungen  abgeschrieben,  und  gingen  so  von  einem 
Kloster  ins  andere  über;  bald  fing  man  an  darauf  Werth  zu  legen, 
schrieb  die  noch  ganz  kurzen  und  mageren,  völlig  formlosen  Anna- 
len auch  abgesondert  ab,  setzte  sie  fort,  verband  sie  mit  anderen, 
und  machte  sich  endlich  auch  an  die  Arbeit,  die  dürftige  Kunde 
über  die  frühere  Vorzeit  durch  Benutzung  anderer  Quellen,  aus 
Schriftstellern  aller  Art,  aus  der  Sage  und  gelehrter  Berechnung  zu 
ergänzen. 

Daraus  ergiebt  sich  nun,  wie  verschiedenartig,  von  wie  un- 
gleichem Werthe  der  Stoff  ist,  welchen  diese  Jahrbücher  uns  dar- 
bieten. Vielfache  Fehler  konnten  schon  beim  Abschreiben  nicht 
ausbleiben.  Der  Rand  der  Ostertafeln  hatte  häufig  nicht  ausgereicht; 
dann  waren  Bemerkungen  unten,  oben,  an  verschiedenen  Stellen 
nachgetragen1),  durch  Zeichen  auf  das  betreffende  Jahr  bezogen, 
und  oft  ist  es  selbst,  wenn  das  Original  noch  erhalten  ist,  schwer 
sich  darin  zurecht  zu  finden.    Gedankenlose  Abschreiber  haben  dann 

J)  Vgl.  die  Schriftprobe  der  Annales  Corbejenses,  MG.  SS.  III.  Tab.  1. 
Sickel  in  den  Forschungen  IV,  451  und  ib.  454 — 461  über  die  älteste  im 
Original  enthaltene  Fulder  Ostertafel  mit  Annalen. 


Die  ältesten  Annalen.  139 

nicht  selten  die  allergröfste  Verwirrung  angerichtet,  zuweilen  gar  die 
Jahreszahlen  ganz  fortgelassen1). 

Um  diese  Annalen  also  mit  Sicherheit  benutzen  zu  können,  um 
an  ihnen  wirklich  eine  zuverlässige  Grundlage  für  die  Zeitrechnung 
zu  gewinnen,  kommt  natürlich  alles  darauf  an,  ihre  Herstammung 
und  Abkunft  zu  erforschen,  spätere  Zusätze  auszuscheiden,  ihrem 
Ursprung  so  nahe  wrie  möglich  zu  kommen,  wenn  man  nicht  das 
Original  selbst  noch  aufzufinden  vermag. 

Das  ist  es,  was  für  die  gesammte  Masse  der  Annalen  aus  ka- 
rolingischer  Zeit  zum  ersten  Male  von  Pertz  im  ersten  Bande  der 
Monumenta  geleistet  worden  ist,  und  zwar  in  so  ausgezeichneter 
Weise  und  mit  so  umfassender  Benutzung  des  bis  dahin  bekannt 
gewordenen  handschriftlichen  und  gedruckten  Materials,  dafs  hier  für 
alle  weiteren  Forschungen  die  sicherste  Grundlage  gegeben  ist2). 

Es  ist  jedoch  gleich  hier  auf  eine  Unterscheidung  hinzuweisen, 
welche  erst  durch  die  fortgesetzte  Beschäftigung  mit  dieser  eigen- 
thümlichen  Form  der  Geschichtschreibung  sich  immer  deutlicher 
herausgestellt  hat.  Zu  allgemein  hat  man  anfangs,  von  späteren  Zu- 
ständen rückschliefsend,  die  Klöster  für  die  Ursprungstätte  dieser 
Aufzeichnungen  angesehen;  man  suchte  in  allen  Annalen  nach  lo- 
calen  Andeutungen,  welche  in  irgend  ein  Kloster  führen.  Auch  giebt 
es  wirklich  viele  Annalen,  welche  sich  dazu  eignen;  sie  verbinden 
in  buntem  Gemisch  die  Hausgeschichte  mit  Vorfällen  von  allgemei- 
nerer Bedeutung,  die  aber  in  diesem  Falle  keine  zusammenhängende 
Folge  darstellen.  Findet  sich  dagegen  eine  Reichsgeschichte,  welche, 
wenn  auch  noch  so  dürftig,  doch  das  Bestreben  nach  vollständiger 
Mittheilung  dessen  zeigt,  was  vom  Mittelpunkt  aus  gesehen  das 
ganze  Reich  betrifft,  so  wrird  man  den  Ursprung  schwerlich  in  einem 
Kloster  zu  suchen  haben,  und  wenn  hin  und  wieder  eine  locale 
Notiz  sich  findet,  ist  sie  wahrscheinlich,  oft  nachweisbar,  einer  Ab- 
schrift zugesetzt.  Den  Klöstern  lag  ein  solcher  Gesichtspunkt  ur- 
sprünglich ganz  fern,  während  der  Hof  damals  noch  wirklich  den 
lebendigen  Mittelpunkt  des  Reiches  bildete,  an  dessen  Bewegungen 
und  Heerfahrten  auch  die  Bischöfe  mit  ihren  Caplänen  fortwährend 
sich  betheiligen  mufsten.  Die  Aebte  aber,  welche  in  denselben 
Strudel  hineingezogen  wurden,  waren  entweder  geradezu  Laien- 
äbte, oder  sie  entfremdeten  sich  doch  durch  solch  unklösterliches 
Leben  der  Genossenschaft  der  Mönche.  Es  hat  freilich  neuerdings 
H.  v.  Sybel    für   die  klösterliche  Herkunft  von    neuem  das  Wort  er- 

J)  So  bei  den  Ann.  Ottenb.  MG.  SS.  V,  1. 

2)  S.  den  Bericht  von  Pertz  im  Archiv  VT,  258  ff. 


140  H.    Karolinger.     §  3.    Annalen. 

griffen1),  und  namentlich  behauptet,  dafs  man,  was  in  den  sog. 
Königsannalen  steht,  im  Kloster  Lorsch  recht  gut  in  Erfahrung  brin- 
gen konnte.  Ich  gebe  das  gerne  zu,  kann  mir  aber  nicht  vorstellen, 
dafs  schon  im  achten  Jahrhundert  der  Sinn  der  Mönche  in  so  hohem 
Grade  den  weltlichen  Dingen  zugewandt  war,  was  doch  auch  später 
nur  ausnahmsweise  der  Fall  gewesen  ist.  Nur  für  wenige  Klöster 
hatten  die  jährlichen  Feldzüge  ein  unmittelbares  Interesse. 

Es  hatte  nun  wohl  den  Anschein,  als  ob  man  die  allmähliche 
Entstehung  der  geschichtlichen  Ueberliefernug  aus  den  unschein- 
barsten Anfängen,  die  Verbindung  verschiedener  Aufzeichnungen  und 
ihre  nun  schon  besser  gelungene  Fortführung  deutlich  vor  Augen 
habe;  man  glaubte  eben  jene  ersten  Anfänge  in  ursprünglicher  Ge- 
stalt zu  besitzen,  und  bezweifelte,  dafs  es  in  jener  Zeit  des  wenig 
federfertigen  achten  Jahrhunderts  viel  mehr  und  bessere  Aufzeich- 
nungen gegeben  habe,  als  uns  noch  jetzt  vorliegen.  Allein  die  fort- 
gesetzte Beschäftigung  mit  diesen  Annalen  zeigt  in  so  hohem  Grade 
UebereinstimmuDg  derselben  in  vielen  Notizen,  während  doch  andere 
Sätze  sich  nur  in  dem  einen  Exemplar,  zugleich  jedoch  in  anderen 
ganz  entlegenen  Annalen  finden,  auch  Spuren  alter  guter  Ueber- 
lieferung,  die  plötzlich  in  jüngeren  Compilationen  auftauchen,  dafs 
hier,  wie  in  manchen  Fällen  aus  späterer  Zeit,  kein  anderer  Ausweg 
möglich  zu  bleiben  scheint,  als  die  Annahme  verlorener  Aufzeich- 
nungen, aus  welchen  nur  Excerpte  uns  vorliegen;  wir  besitzen 
nur  Bruchstücke  einer  einst  vorhanden  gewesenen  reicheren  Litte- 
ratur,  die  wir  uns  aber  doch  hüten  müssen,  uns  zu  bedeutend  vor- 
zustellen. Grofse  Vorsicht  ist  hier  nothwendig,  und  eben  diese 
Vorsicht  vermisse  ich  bei  Is.  Bernays2),  dessen  Zusammenstellungen 
häufig  gerade  den  entgegengesetzten  Eindruck  machen,  indem  nur 
die  notorischen  Thatsachen  übereinstimmen,  im  Ausdruck  aber  die 
gröfstmögliche  Verschiedenheit  geradezu  aufgesucht  sein  müfste. 
Weit  vorsichtiger  dagegen  ist  R.  Arnold3)  verfahren,  und  doch 
scheint  auch  dessen  Annahme  von  Hofannalen  von  771  oder  772  an 
eine  unbegründete  zu  sein,  indem   ihr  von  Waitz4)    die  erheblichsten 

')  Hist.  Zeitschr.  XLII,  265.     Kleine  bist.  Schriften  III,  1  ff. 

2)  Zur  Kritik  Karolingischer  Annalen,  Strafsb.  1883.  In  einem  dadurch 
veranlafsten  Aufsatz  HZ.  LIV  (1885)  S.  55—70  bestreitet  G.  Kaufmann 
überhaupt  den  Nutzen  solcher  Untersuchungen  und  die  Möglichkeit  ge- 
sicherter Erfolge. 

3)  Beiträge  zur  Kritik  Karolingischer  Annalen,  Diss.  Lips.  1878.  Für 
Hofannalen  von  785 — 803  ist  E.  Seraphim  eingetreten.  Quellenkritische 
Untersuchungen  der  kleineren  Karol.  Annalen.  Progr.  d.  livländ.  Landes- 
gymn.     Fellin  1887. 

4)  Neues  Archiv  V,  497  ff. 


Annalen  von  St.  Amand.  141 

Gründe  entgegengestellt  sind.  Ein  solches  Werk  müfste  deutlichere 
Spuren  hinterlassen  haben,  und  als  Regel  werden  wir  doch  festzu- 
halten haben,  dafs  man  mühsam  die  dürftigen  Aufzeichnungen  zu- 
sammen arbeitete,  und  mit  einer  uns  oft  unbegreiflichen  Sorglosig- 
keit häufig  einzelne  Sätze  aus  einer  zugänglich  gewordenen  Quelle 
herübernahm,  andere  bedeutendere  Nachrichten  aber  unberührt  liefs. 

Als  erste  Quellen  dieser  Art  können  wir  zwar  nicht  mehr  die 
Ann.  S.  Amandi  und  Ann.  Mosellani,  wie  sie  uns  vorliegen,  betrach- 
ten, aber  doch  die  etwas  reichere  Quelle  der  Ann.  S.  Amandi  bis 
769  und  die  Aufzeichnungen,  welche  den  wesentlichen  Inhalt  der 
Mosellani  ausmachen,  bis  764  (oder  760?)  annehmen.  Nach  Arnolds 
Ansicht  wären  diese  in  oder  bei  Metz  (Gorze?)  compiliert  und  im 
siebenten  Jahrzehnt  des  achten  Jahrhunderts  mit  eigenen,  ziemlich 
reichhaltigen  Zusätzen  vermehrt,  die  bis  c.  771  reichten.  Dieses 
nicht  mehr  vorhandene  Werk  betrachtet  Arnold  als  die  gemeinsame 
Quelle  der  Annales  Petaviani,  die  nebenbei  bis  737  noch  ein  Exem- 
plar der  Ann.  S.  Amandi  oder  ihrer  Quelle  benutzten,  und  seit  760 
einen  officiellen  Charakter  tragen,  der  Annales  Maximiniani,  die 
nebenher  noch  andere  Quellen  benutzten,  und  wieder  eines  verlore- 
nen Werkes,  das  im  ersten  Theile  durch  Notizen  über  Angelsachsen 
vermehrt  war,  und  fast  ganz  rein  vorliegt  in  den  Ann.  Mosellani 
und  den  Ann.  Laureshamenses.  Doch  hat  in  Betreff  der  Annales 
Maximiani  G.  Waitz  dieser  Annahme  sehr  entschieden  widersprochen 
und  dadurch  das  ganze  künstliche  Gebäude  erschüttert. 

Die  Annales  S.  Amandi1)  haben  diese  Benennung  von  Pertz 

*)  Annales  Sancti  Amandi  a.  687 — 810,  MG.  I,  6—11.  Die  nach  dem 
Besitzer  der  Handschrift  genannten  Ann.  Tiliani  (ib.  p.  6 — 8)  sind  von  708 
bis  737  nach  Arnold,  S.  53 — 55,  aus  der  Quelle  der  Ann.  S.  Amandi  ge- 
flossen, in  ihrem  zweiten  Theil  741  bis  807  (S.  219—224)  aus  den  Ann. 
Lauriss.  entnommen.  Zu  erkennen  sind  die  Notizen  bis  771  auch  in  den 
dürftigen  Ann.  Sangallenses  Baluzii  p.  63,  e  cod.  124,  welche  nach  Arnold, 
S.  42 — 47,  aus  der  von  ihm  angenommenen  Compilation  stammen,  weiter- 
hin aus  den  Hofannalen.  Ausg.  v.  Henking,  Sanctgaller  Mitth.  XIX, 
224—265;  nach  S.  340  stammen  sie  bis  764  aus  gleicher  Quelle  mit  d. 
Ann.  S.  Amandi  u.  sind  auch  weiterhin  ein  Auszug,  nicht  Original.  Die 
Ann.  Laubac.  SS.  I,  p.  7 — 12.  15.  52,  und  ihre  Gruppe  behandelt  Arnold, 
S.  55  —  61.  Er  erkennt  in  den  Laubac.  bis  814  eine  mit  einigen  Zusätzen 
versehene  Umarbeitung  der  Ann.  S.  Amandi,  welche  kürzer  in  den  Ann. 
Auscienses,  Augienses  brevissimi,  S.  Germani  minores,  vielleicht  ebenso  in 
den  Ann.  S.  Amandi  breves  (SS.  II,  184,  von  742  —  855)  und  Ann.  Bawarici 
breves  benutzt,  auch  im  Chron.  Lausonense  nicht  zu  verkennen  sei.  Ver- 
wandt, aber  ganz  unbedeutend,  sind  die  Ann.  S.  Amandi  brevissimi,  760 
bis  796,  SS.  XIII,  38,  und  Ann.  Regum  Sangallenses,  687—855,  SS.  XIII, 
717  u.  NA.  V,  428.  Vgl.  über  die  Laubac.  auch  B.  Simson,  Forsch.  XXV, 
375 — 377.  Seraphim  S.  8 — 12,  der  sie  von  ursprünglich  reicheren  Ann. 
S.  Amandi  ableitet.  —  Ann.  759-805  im  Cod.  Vat.  Christ.  213,  Arch.  XII, 


142  H.    Karolinger.     §  3.    Annalen. 

erhalten,  weil  782  und  809  Beziehungen  auf  das  Kloster  Saint-Amand 
vorkommen;  dem  früheren  Theile  fehlen  sie  und  der  Inhalt  ist  durch- 
aus reichsgeschichtlich.  Die  Ursprünglichkeit  ihrer  jetzt  vorliegenden 
Form  ist  angegriffen,  eine  verlorene  Quelle  oder  etwas  reichere  Form 
angenommen,  aber  als  ein  ziemlich  treues  Abbild  dieser  eben  be- 
ginnenden Annalistik  werden  wir  sie  doch  betrachten  dürfen. 

Yom  ersten  Anfang  an  sind  diese  Annalen  karolingisch.  Sie 
beginnen  mit  der  dauernden  Festsetzung  dieses  Hauses  im  Besitz 
der  Macht,  mit  der  Begründung  einer  neuen  Ordnung  der  Dinge, 
der  Morgendämmerung  einer  besseren  Zeit,  welche  wieder  Hoffnungen 
erweckte  und  die  Seelen  nicht  mehr  mit  dem  trostlosen  Gedanken 
von  dem  nahe  bevorstehenden  Untergange  der  Welt  erfüllte. 

Die  am  Eingang  stehende  Nachricht  von  der  Schlacht  bei  Tertri 
687  ist  nachträglich  zugesetzt;  die  regelmäfsig  fortgesetzten  Auf- 
zeichnungen beginnen  erst  708,  und  auch  von  da  an  möchte  ich 
noch  nicht  behaupten,  dafs  gleich  von  Anfang  an  alles  gleichzeitig 
eingetragen  wäre;  die  Form  der  kurzen  und  noch  sehr  dürftigen 
Bemerkungen,  wenn  man  z.  B.  zu  dem  Jahr  708,  wo  Ostern  auf 
den  15.  April  fiel,  an  den  Rand  schrieb :  (Das  war  damals)  als  Drogo 
im  Frühjahr  starb l)  —  deutet  eher  auf  ein  späteres  Besinnen  und 
Ueberdenken  der  Vergangenheit.  Auch  ist  das  ganz  natürlich;  so 
lange  der  Eindruck  noch  frisch  ist,  fühlt  man  kein  Bedürfnifs  ihn 
künstlich  festzuhalten,  und  erst  später  macht  sich  das  Verlangen 
geltend,  die  verschiedenen  Erinnerungen  aus  einander  zu  halten  und 
zu  ordnen.  Wenn  aber  nun  eine  Reihe  solcher  Aufzeichnungen  bei- 
sammen ist,  dann  ändert  sich  der  Gesichtspunkt,  man  legt  Werth 
auf  diese  Zusammenstellung  und  setzt  sie  um  ihrer  selbst  willen 
fort,  trägt  Jahr  für  Jahr  die  wichtigsten  Begebenheiten  ein,  um  für 
spätere  Zeiten  ein  Denkmal  zu  hinterlassen.  Jene  Annalen  nun, 
welche  in  ihrer  Fortsetzung  bis  810  deutliche  Beziehungen  zu  Saint- 
Amand  enthalten,  entbehren  in  ihrem  früheren  Theile  bis  771  und 
noch  darüber  hinaus  jeder  Hinweisung  auf  dieses  Kloster  oder  dessen 
Umgegend;  sie  verzeichnen  nur  die  grofsen  Reichsbegebenheiten, 
die  Feldzüge  jedes  Jahres  und  zuweilen  einen  Todesfall  oder  einen 
anderen  merkwürdigen  Vorfall,  so  kurz,  dafs  die  eigentliche  Kennt- 
nifs  von  den  Dingen  vorausgesetzt  wird;  an  Erzählung  ist  kein  Ge- 
danke, nur  an  chronologische  Ordnung  der  Erinnerungen.  Giesebrecht 
hält  die  Aufzeichnung  dieser  Notizen   im  Cölnischen  für  sehr  wahr- 

270,  vgl.  Waitz,  HZ.  XXVIII,  200,  sind  das  Fragm.  Chesnianum  der  Ann. 
Laureshamenses,  NA.  II,  329. 

l)  Quando  Droco  mortuus  fnit  in  vernale  tempore. 


Annales  Mosellani.  143 

scheinlich  und  möchte  den  Schottenmönchen  zu  St.  Martin,  Pippins 
von  Heristal  Stiftung  in  Cöln,  dieses  Verdienst  zuschreiben.  Allein 
dafs  713  Suitberts  Tod,  716  Radbots  Vordringen  bis  nach  Cöln  er- 
wähnt wird,  dafs  753  gerade  wie  in  den  Annales  Mosellani  der 
Tod  des  Bischofs  Hildegar  von  Cöln,  auf  dem  Feldzug  gegen  die 
Sachsen  angemerkt  wird,  das  berechtigt  uns  noch  nicht  zu  einer 
bestimmteren  Annahme  über  die  Herkunft  dieser  Jahrbücher.  Vor- 
züglich in  den  Klöstern  Belgiens  weit  verbreitet,  sind  sie  durch 
Zusätze  und  Fortsetzungen  immer  mehr  angewachsen,  bis  sie  endlich 
Sigebert  von  Gembloux  zur  Grundlage  seiner  gewaltigen  Chronik 
dienten,  aber  in  ihren  Anfängen  weist  nichts  nach  einer  bestimmten 
Gegend.  Nichts  tritt  dagegen  so  sehr  in  den  Vordergrund,  wie  die 
Familie  der  Hausmeier,  und  man  kann  sie  daher  wohl  mit  besserem 
Rechte,  als  irgend  einem  Kloster,  einem  Mitglied  der  Hofgeistlichkeit 
zuschreiben. 

Ganz  denselben  Charakter  tragen  auch  die  gleichzeitigen  An- 
nales Mosellani1),  deren  Entdeckung  in  Petersburg  durch  Lappen- 
berg ein  unerwartetes  Licht  auf  das  Verhältnifs  der  ältesten  Annalen 
zu  einander  geworfen  hat,  vorzüglich  nachdem  Giesebrecht  in  seiner 
scharfsinnigen  Abhandlung  über  die  fränkischen  Königsannalen 2)  die 
Folgerungen,  welche  dem  ersten  Herausgeber  noch  entgangen  waren, 
daraus  gezogen  hat.  Weiter  ist  dann,  wie  schon  oben  erwähnt, 
durch  R.  Arnold  das  gegenseitige  Verhältnifs  der  Annalen  eingehend 
untersucht. 

An  der  Spitze  der  Annales  Mosellani  (welche  nach  Arnold,  wie 
sie  uns  vorliegen,  schon  aus  einer  Vermischung  mit  denen  von 
St.  Amand  hervorgegangen  sind)  stehen  von  704  bis  707  irische 
Namen.  Diese  bilden  den  Uebergang  von  Bedas  kleiner  Chronik 
in  der  Schrift  de  temporibus,  an  welche  sie  sich  anschlössen,  zu  der 
Nachricht  von  Drogo's  Tod  708,  die  auch  hier  die  fränkischen  Ein- 
tragungen eröffnet.  713  ist  der  Tod  einer  englischen  Prinzessin, 
eines  Königs  von  Ostangeln  bemerkt,  726  und  729  unbekannte  irische 
Namen.  Erwähnt  wird  ferner  726  der  Tod  Martins,  welcher  nach 
den  Ann.  Petav.  ein  Mönch  von  Corbie  und  Karls  Beichtvater  war, 
736  Audoins  des  Bischofs  von  Constanz,  dessen  Name  so  wenig 
etwas  für   die   Herkunft    der   Annalen   beweisen   kann,   wie   728   die 

1)  Von  703  bis  797,  SS.  XVI,  491—499.  Den  Namen  wählte  Lappen- 
berg wegen  der  Beziehungen  zu  Klöstern  an  der  oberen  Mosel,  welche 
sich  darin  finden. 

2)  Münch.  Hist.  Jahrb.  (1865)  S.  185-238;  vgl.  hier  vorzüglich  S.  224 
bis  226. 


144  H.    Karolinger.     §  3.    Annaion. 

Erwähnung  Haldulfs  von  Cambrai,  der  zugleich  Abt  von  St.  Vaast 
war.  Dagegen  finden  sich  von  761  an  Beziehungen  zu  Chrodegang 
von  Metz,  dessen  hervorragende  Stellung  im  Reiche  ganz  geeignet 
war,  die  Abschrift  solcher,  vielleicht  in  Metz  ursprünglich  entstan- 
dener Aufzeichnungen  und  ihre  Fortführung  zu  veranlassen,  war  er 
doch  am  Hofe  Karl  Martels  aufgewachsen  und  hatte  742  von  Pippin 
das  Bisthum  erhalten1).  Puckert  hat  darauf  hingewiesen,  dafs  sein 
Bruder  Gundeland  Abt  von  Lorsch  war,  was  auf  das  in  Lorsch  so 
früh  hervortretende  Interesse  für  Geschichte  eingewirkt  haben  mag. 
Kaum  waren  diese  ersten  Versuche  geschichtlicher  Thätigkeit 
gewagt,  so  begann  man  auch  schon  ihren  Werth  sowohl  wie  ihre 
Unvollkommenheit  zu  empfinden;  man  copirte  sie  und  bereicherte 
sie  zugleich  durch  Verbindung  der  verschiedenen  Exemplare,  ohne 
sich  jedoch  noch  eine  redigirende  Thätigkeit  zu  erlauben,  welche 
das  nothdürftigste  Mafs  überschritten  hätte.  Diese  Gewissenhaftigkeit 
sowohl  wie  die  ersten  Regungen  einer  combinierenden  wissenschaft- 
lichen Thätigkeit  liegen  uns,  wenn  wir  Arnold  glauben  dürfen,  nicht 
mehr  in  dem  ursprünglichen  Product  vor,  wohl  aber  in  verschie- 
denen Ableitungen,  vorzüglich  in  den  Annales  Petaviani,  welche 
von  dem  früheren  Besitzer  der  Handschrift  ihren  Namen  haben2). 
Sie  verbinden  nämlich  bis  771  die  beiden  bisher  betrachteten  An- 
nalen,  an  welche  sich  von  da  an  eine  schon  wirklich  erzählende, 
völlig  gleichzeitige  und  zuverlässige3)  Fortsetzung  bis  799  anschliefst, 
die  bei  dem  Mangel  aller  localen  Färbung  wiederum  nur  für  den 
Königshof,  den  Mittelpunkt  aller  Unternehmungen,  in  Anspruch  ge- 
nommen werden  kann.  Eine  Abschrift,  welche  nur  bis  796  reicht 
(Cod.  Masciacensis),  gewährt  Zusätze,  welche  aus  dem  Martinskloster 
zu  Tours  zu  stammen  scheinen,  während  die  beiden  anderen  specielle 
Angaben  über  die  karolingische  Familie  hinzufügen4).  Arnold  freilich 
(S.  28)  bestreitet  die  Richtigkeit  jener  Bezeichnung  als  gleichzeitig 
und  zuverlässig,  weil  der  Verfasser  schlechtes  Latein  schrieb,  worin 

1)  Seine  Regula  Canonicorum  hat  W.  Schmitz  herausgegeben  mit  Facs. 
der  zum  Theil  in  tironischen  Noten  geschriebenen  Handschrift,  Hann.  1889. 

2)  Ann.  Petav.  (697)  708-799,  MG.  SS.  I,  7—18;  cf.  III,  170.  Arch. 
VII,  271.  Ohne  Zusätze,  ex  codice  Vat.  Christ.  520,  olim  Corbejensi,  deinde 
Petri  Danielis,  in  A.  Mai's  Spicil.  Rom.  VI,  181—190.  Auch  die  Angabe 
über  Karls  Geburt  747  (==  Laubac.)  fehlt  hier. 

3)  Diese  Ausdrücke  sind  natürlich  nur  relativ  gemeint.  Seraphim, 
S.  26—31,  sieht  in  diesen  Ann.  nur  ein  „schlechtes  Excerpt  der  Hof- 
annalen". 

4)  S.  Hahn,  Sur  le  lieu  de  naissance  de  Charlemagne  p.  76.  Da  Re- 
medius  Pippins  Halbbruder  war,  ist  kein  Grund,  mit  Giesebrecht  wegen 
(3er  Notiz  über  ihn  an  eine  Aufzeichnung  in  Rouen  zu  denken. 


Annales  Petaviani.     Hofannalen.  145 

ich  einen  Gegengrund  nicht  zu  erkennen  vermag.  Erheblicher  sind 
einige  Ungenauigkeiten ,  welche  er  nachweist,  und  mehr  noch  die 
Uebereinstimmung  in  manchen  Angaben  und  Ausdrücken  mit  den 
Ann.  Laureshamenses.  Aehnliche  Spuren  in  anderen  Annalen  führen 
ihn  zu  der  Annahme  von  verlorenen  Hofannalen  (S.  52),  welche 
771  oder  772  nach  dem  Beginn  der  Alleinherrschaft  Karls  ange- 
fangen, etwa  bis  803  (Ende  der  Lauresham.)  oder  801  (Ende  der 
Guelferbyt.)  fortgeführt  wurden,  ziemlich  umfangreich  waren,  und 
deshalb  in  sehr  verschiedener  Weise  ausgenutzt  wurden,  ihre  Spuren 
aber  in  vielen  Annalen  hinterlassen  haben.  Vielleicht  durch  die 
überwiegende  Autorität  und  Verbreitung  der  sog.  Königsannalen 
(Laurissenses)  wäre  das  ältere  Werk  in  den  Hintergrund  gedrängt 
und  endlich  verloren.  Einen  geradezu  officiellen  Charakter  und  Ur- 
sprung will  Arnold  nicht  annehmen,  wohl  aber  Entstehung  am  Hofe, 
welche  auch  mir  unzweifelhaft  ist.  Als  Auszug  aus  diesen  Annalen 
hätten  wir  also  auch  den  letzten  Theil  der  Petaviani  zu  betrachten, 
welcher  durch  ceremonielle  Ausdrucksweise  deutlich  höfischen  Ur- 
sprung zeigt.  Beginnt  diese  schon  760,  so  kann  sie  auf  diese  Strecke 
durch  Ueberarbeitung  übertragen  sein.  Doch  wird,  wie  schon  er- 
wähnt, von  Waitz  die  Existenz  solcher  Hofannalen  bestritten,  und 
wir  werden  wenigstens  nur  mit  grofser  Vorsicht  von  einem  solchen 
Werke  reden  dürfen. 

Neben  dieser  Fortführung  der  Annales  Petaviani  wurden  nun 
auch  jene  Ann.  Mosellani  in  gleicher  Weise  fortgesetzt,  ebenfalls 
schon  von  dem  ersten  Hauch  der  karolingischen  Zeit  berührt  und 
von  räthselhaften  Notizen  zur  Erzählung  übergehend;  doch  lassen 
auch  hier  auffallende  Uebereinstimmungen  anstatt  ganz  selbständiger 
gleichzeitiger  Aufzeichnung  vielmehr  Benutzung  einer  gemeinsamen 
Quelle  voraussetzen.  Wenn  nun  in  diesem  Theile  zweimal  der  Tod 
eines  Abtes  von  Lorsch  erwähnt  wird,  so  darf  das  nicht  auffallen 
bei  einem  Kleriker,  der  etwa  im  Gefolge  des  Bischofs  von  Metz 
dem  Hoflager  folgte;  ein  Mönch  aber  hätte  wohl  schwerlich  so  aus- 
schliefslich  seinen  Blick  auf  den  König  und  die  allgemeinen  Reichs- 
begebenheiten richten  können.  Nach  dem  Jahre  785  sind  diese 
Annalen  wiederum  durch  Abschriften  verbreitet;  diejenigen,  welche 
Pertz  wegen  einiger  localer  Zusätze  Annales  Laureshamenses 
genannt  hat1),    eine  aus    gemeinsamer  Quelle  stammende  Nebenform 

J)  Annales    Laureshamenses  MG.   I,   22 — 39,    bis   768  neben   den  Ann. 

Alam.  Guelferbyt.  und  Nazar.  gedruckt.    Die  damals  in  St.  Paul  vergeblich 

gesuchte  Hs.  ist  von  Dr.  Holder  gefunden,  und  von  Katz  im  Jahresbericht 

des  Stifts  1889  herausgegeben,  vgl.  NA.  XV,  425.    Ueber  das  Fragmentum 

Watten  bach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  10 


146  II-    Karolinger.     §  3.    Annalen. 

der  Mosellani,  erhielten  von  da  ab  zwei  verschiedene  ausführliche 
Fortsetzungen  bis  803  und  806;  in  den  Annales  Mosellani  aber  fehlen 
die  Jahre  786  und  787,  und  die  weitere  Fortsetzung  bis  798  ist  um 
ein  Jahr  verschoben,  also  da  sie  doch  offenbar  gleichzeitig  verfafst 
ist,  erst  nachträglich  hier  eingetragen. 

Eine  andere  Fortsetzung  von  786  bis  796  hat  G.  Waitz  nach- 
gewiesen in  den  Annalen  von  741  bis  811,  welche  nach  dem  Fund- 
ort der  Handschrift  von  dem  ersten  Herausgeber,  Baron  von  Reiffen- 
berg,  Maximiniani  genannt  sind1). 

Auch  diese  hat  Arnold  als  Auszug  aus  den  von  ihm  angenom- 
menen Hofannalen  in  Anspruch  genommen  und  gerade  auf  sie  grofses 
Gewicht  gelegt;  er  glaubte  nicht,  dafs  dieser  Annalist  so  viele  ver- 
schiedene Annalen,  wie  Waitz  annahm,  benutzt  und  doch  wieder  so 
viele  wichtige  Dinge,  die  auch  darin  standen,  übergangen  haben 
könne.  Allein  hier  ist  ihm  Waitz  scharf  entgegengetreten,  indem 
er  nachwies,  dafs  die  Ableitung  aus  verschiedenen  Elementen  sich 
durch  das  Verhältnifs  zu  anderen  Quellengruppen  mit  voller  Sicher- 
heit darthun  läfst.  Aufgeklärt  wurde  die  ganze  Sachlage  freilich 
erst  durch  die  neue  von  Waitz  gegebene  Ausgabe  und  die  Sonderung 
der  Annalen  von  der  Chronik  bis  741,  an  welche  sie  sich  anschliefsen 
und  zu  deren  Fortsetzung  sie  bestimmt  zu  sein  scheinen.  Diese, 
schon  oben  S.  129  kurz  erwähnt,  wird  später  zu  besprechen  sein. 
Die  Annalen  sind  eine  um  oder  bald  nach  811  verfafste  Compilation, 
zu  welcher  die  Gesta  Pontificum  Romanorum  (doch  noch  nicht  die 
Vita  Leonis  III)  mit  verschiedenen  Annalen  in  ziemlich  freier  Weise, 
mit  einigen  willkürlichen  Zusätzen,  verbunden  sind.    Als  solche  hier 

Chesnianum,  eine  abweichende  Form  dieser  Annalen  s.  Dünzelmann,  NA.  II, 
511,  u.  Katz.  Die  zweite  Fortsetzung  ist  791 — 806  identisch  mit  den  Lan- 
rissenses.  Ueber  eine  weitere  Fortsetzung  803 — 818  s.  unten  §  10  zum 
Chron.  Moissiacense.  Gerade  bis  785  (731 — 753  mit  Verschiebung  der 
Jahreszahlen)  finden  sich  die  Ann.  Mosell.  auch  excerpirt  in  den  Annales 
Flaviniacenses,  einer  chronologischen  Compilation  von  816  (doch  vgl.  Waitz 
im  NA.  V,  484)  und  von  da  an  gleichzeitig  fortgesetzt  bis  879.  Dazu  ge- 
schrieben sind  die  Annales  Lausonenses,  Lausanner  Notizen  bis  968.  985. 
MG.  SS.  III,  150;  neue  berichtigte  Ausg.  von  Jaffe  in  Mommsens  Cassiodor 
p.  684—689;  vgl.  dazu  Waitz,  NA.  V,  484.  Vollständiger  finden  sich  die 
Ann.  Laus,  in  dem  sog.  Chronicon  Laus.  Chartularii  (ed.  Gingins,  Mem.  et 
Doc.  de  la  Suisse  Romande  (1851)  VI,  5 — 10;  Cibrario  e  Promis,  Docu- 
menti  p.  326—331;  Waitz,  SS.  XXIV,  774—810),  in  dem  sich  vorher  die 
Ann.  Weifsenburgenses  benutzt  finden,  nebst  Spuren  gleichzeitiger  Annalen 
saec.  IX.  Einzelne  ältere  Notizen  592.  688  ff.  sind  vorgesetzt,  eine  Fort- 
setzung bis  1056  enthält  fast  nur  die  Folge  der  Bischöfe. 

a)  Compte-rendu  des  seances  de  la  Commission  roy.  d'histoire,  VIII 
(1844)  307—322;  vgl.  Gott.  Nachrichten  1871,  S.  307—322.  Ausg.  von 
Waitz  SS.  XIII,  19-25,  und  Abhandlung  darüber  im  NA.  V,  475—501. 


Annales  Maximiniani,  Murbacenses.  147 

benutzte  Annalen  sind  nachgewiesen  die  Mosellano-Laureshamenses, 
d.  h.  die  gemeinsame  Quelle  beider,  und  die  Petaviani  noch  778, 
vielleicht  779,  dann  die  Laurissenses  mit  Zusätzen  aus  einer  unbe- 
kannten Quelle,  bis  811,  wo  ein  Abschnitt  derselben,  das  Ende  einer 
Bearbeitung,  wahrscheinlich  ist.  Eigenthümlich  aber  ist  von  786  bis 
796  die  Benutzung  von  Annalen,  welche  wegen  besonders  hervor- 
tretender Berücksichtigung  von  Baiern  dort  geschrieben  zu  sein 
scheinen,  und  welche  wie  B.  Simson  zuerst  bemerkt,  ebenfalls  und 
ebensoweit  in  den  Annales  Xantenses  benutzt  sind.  Ebensoweit 
reicht  auch  die  von  Arnold  nachgewiesene  Verwandtschaft  mit  den 
Juvavenses  minores,  welchen  die  Mos.  Laur.  fremd  sind;  sie  tritt 
aber  auch  schon  früher,  schon  743,  und  überall  da  hervor,  wo  nicht 
die  Mos.  Laur.  Quelle  sind,  so  dafs  also  die  Existenz  einer  anderen, 
den  Laurissenses  majores  verwandten  Redaction  fränkischer  Annalen 
anzunehmen  ist,  an  welche  die  Fortsetzung  von  786  bis  796  sich 
anschlofs.  Berührung  ist  auch  mit  den  Ann.  Juvav.  maj.  und 
S.  Emmerammi  maj.  vorhanden,  welche  nach  Waitz  von  den  Maxi- 
miniani direct  oder  mittelbar  abhängig  sind1).  Wir  werden  auf  dieses 
Werk  noch  zurückkommen. 

Andere  gleichzeitige  Aufzeichnungen,  welche  nach  dem  Fundort 
der  Handschrift  Guelferbytani  genannt  werden,  beginnen  erst  mit 
Pippins  Regierung  741.  Sie  weisen  durch  die  Folge  der  Aebte 
deutlich  auf  das  727  gegründete  Kloster  Murbach  in  den  Vogesen, 
und  verfolgen  die  Reichsbegebenheiten  nicht  so  gleichmäfsig  wie  jene 
anderen  Annalen,  welche  wir  mit  ihnen  gemischt  bis  768  in  den 
Annales  Alamannici  und  Nazariani  wiederfinden,  deren  Anfang 
von  708  an  ebenfalls  den  Annales  Mosellani  entnommen  ist.  Von 
771  bis  790  folgt  hier  eine  weitere  Fortsetzung,  von  ganz  allgemeinem 
Charakter,  welche  in  den  Annales  Nazariani  am  vollständigsten  er- 
halten, im  Wolfenbüttler  Codex  allein  noch  bis  805  weitergeführt 
ist2),  während  die  Annales  Alamannici  eine  selbständige  Fortsetzung 

1)  Diese  Ansicht  bekämpft  wieder  Seraphim,  S.  Q6,  indem  er  S.  61 
bis  73  ausführlich  von  den  kleinen  bair.  Ann.  handelt. 

2)  Für  die  Jahre  802 — 805  nach  Heigel  Auszug  einer  ausführlicheren 
Version  der  Königsannalen,  welche  in  den  Ann.  Mett.  erhalten  ist.  S.  Heigel: 
Ueber  die  aus  den  alten  Murbacher  Annalen  abgeleiteten  Quellen,  Forsch. 
V,  397 — 403;  zustimmend,  gegen  Arnold,  Waitz,  Forsch.  XX,  391.  Sera- 
phim S.  32—61.  —  Der  von  Pertz  im  Arch.  VII,  1018  angeführte  Mur- 
bacher  Bibliothekskatalog  saec.  IX  vel  X  ist  gedruckt  bei  Senebier,  Cat. 
de  la  bibl.  de  Geneve  S.  77;  vollständig  von  H.  Hagen,  Neue  Jahrbb.  f. 
Philol.  CXVI  (1877),  865-871.  Doch  bemerkt  schon  Pertz,  Arch.  VIII, 
257,  dafs  er  nach  Reichenau  zu  gehören  scheine.  Geschichtlich  ist  darin 
nur  Greg.  Turon.  und  Vita  et  gesta  Caroli. 

10* 


148  II-    Karolinger.     §  3.    Annalen. 

790  bis  799  erhielten1).  Diese  Annalen  verbreiteten  sich  weithin 
durch  die  Klöster  Schwabens  und  gelangten  auch  nach  Hersfeld,  wo 
an  diesen  Anfang  Lamberts  Geschichtswerk  sich  anlehnte,  während 
auf  den  aus  gleicher  Quelle  stammenden  Reichenauer  Annalen  Her- 
mann der  Lahme  seine  Chronik  erbaute. 

Besonders  merkwürdig  sind  die  von  Pertz  in  einer  Handschrift 
des  Klosters  St.  Germain-des-Pres  entdeckten  Annalen2),  welche 
im  Anfang  des  neunten  Jahrhunderts  aus  einer  älteren  Handschrift 
abgeschrieben  sind,  und  wie  gewöhnlich  zur  Eintragung  der  dortigen 
Annalen  benutzt  wurden.  An  der  Spitze  stehen  hier  ganz  kurze 
Annalen  von  Lindisfarne  (643 — 664),  einem  Bisthum  auf  einer 
der  kleinen  Inseln  an  der  Ostküste  von  Northuroberland,  jetzt  Holy- 
island  bei  Berwick,  welches  von  Hy  aus  begründet  war.  Darauf 
folgen  von  673  bis  690  Notizen  aus  Canterbury.  Nach  Pertz'  Ver- 
muthung  war  es  Alcuin,  welcher  diese  Handschrift  mit  sich  an 
Karls  Hof  brachte,  wo  er  von  782  bis  787  (792)  die  Namen  der 
Orte  eintrug,  an  welchen  Karl  in  diesen  Jahren  das  Osterfest  feierte. 
Daran  haben  nun  die  Mönche  von  St.  Germain  ihre  eigenen  Annalen 
gefügt3),    als  deren  Grundlage  jetzt  Annalen  von   Saint-Denis   bis 

J)  Ann.  ßuelferbyt.  741—790,  MG.  I,  22—31;  40-44  neben  den  Alam. 
und  Nazariani;  dann  folgen  die  weiteren  Fortsetzungen  der  Guelf.  und 
Alamannici.  Neue  Ausg.  der  Alam.  nach  dem  in  Zürich  wiedergefundenen 
Original  von  Henking,  Mitth.  z.  vateri.  Gesch.  XIX,  S.  224—265.  Ar- 
nold, S.  37—42,  leitet  die  Forts.  771—790  und  790—799  von  den  Hof- 
annalen  ab;  desgl.  Seraphim  S.  32 — 39.  Nach  Dünzelmann  wären  die 
Alam.  erst  um  800  compilirt  u.  schöpften  aus  den  Lauresh.  u.  Guelferby- 
tanis,  NA.  II,  511.  Untersuchung  von  Henking  a.  a.  0.  S.  347  ff.  Danach 
ist  bis  799  noch  eine  gemeinsame  Quelle  kenntlich,  Fortsetzung  der  vor- 
hergehenden, welche  theils  in  Gorze,  theils  in  Murbach  überarbeitet  wurde. 
Vgl.  über  die  weitere  Verbreitung  dieser  Annalen  Waitz  in  Schmidts  Zeit- 
schrift II,  51. 

2)  MG.  SS.  IV,  2,  Ann.  Alcuini.  Ein  ähnliches  Exemplar  bis  792,  mit 
Verbesserungen,  aus  Saint-Benoit  sur  Loire,  bei  Delisle,  Catal.  du  Fonds 
Libri,  p.  70. 

3)  Ann.  S.  Germani  minores  642 — 919,  im  Anfang  des  zehnten  Jahr- 
hunderts geschrieben,  den  Murbacher  und  besonders  den  Ann.  Aug.  bre- 
vissimi  (SS.  III,  136)  verwandt  (vgl.  Seraphim  S.  73 — 75),  von  geringer 
Bedeutung;  die  Fortsetzung  923 — 1146  sehr  dürftig.  Die  Annales  S.  Ger- 
mani Parisiensis  466 — 1061,  III,  166 — 168,  sind  im  elften  Jahrhundert  ge- 
schrieben und  meist  localen  Inhalts,  a.  987  ist,  wie  Dümmler  bemerkt, 
eaptum  irrig  in  Capetus  verändert.  Die  Translatio  S.  Germani  (755)  bei 
Mab.  III,  2,  104—118,  Acta  SS.  Mai.  VI,  788—796,  beschreibt  die  Trans- 
lation, bei  welcher  Pippin  geholfen  und  Palaiseau  geschenkt  haben  soll. 
Dafs  die  Erzählung  Karl  dem  Gr.  in  den  Mund  gelegt  wird,  hielt  ich  für 
Fiction,  sie  wird  in  Schutz  genommen  von  Oelsner,  Pippin  S.  501,  und 
jetzt  auch  von  Waitz,  Ex  translationibus  et  miraculis  S.  Germani  Excerpta, 
SS.  XV,  5—9.  B.  Simson,  Jahrb.  Karls  I,  9,  verhält  sich  skeptisch,  um 
so  mehr,  da  Aimoin  die  Schrift  nicht  kennt. 


Salzburger  Annalen.  149 

887,  mit  einer  Fortsetzung  919 — 997  erkannt  sind1).  Jene  Notizen 
über  die  Osterfeier  von  782  bis  787  aber  finden  wir  auch  in  einer 
anderen  Handschrift  wieder,  jedoch  ohne  die  Bemerkungen  aus 
Canterbury.  Dieses  Exemplar  nämlich  hat  Arn,  der  Freund  Alcuins, 
nach  Salzburg  mitgenommen;  die  Orte  der  Osterfeier  sind  hier  bis 
797  genannt,  und  dann  schliefsen  sich  Salzburger  Nachrichten  daran2). 
In  Salzburg  selbst  hatte  man  damals  aber  bereits  einheimische  ältere 
Annalen,  deren  Spuren  sich  in  den  späteren  Jahrbüchern  vorfinden3). 
Scheinbar  bieten  sich  uns  in  diesen  viel  reichere  und  vollständigere 
Aufzeichnungen  dar,  allein  es  läfst  sich  mit  Bestimmtheit  nachweisen, 
dafs  diese  erst  im  zwölften  Jahrhundert  nach  Yermuthungen  und 
gelehrter  Berechnung  zusammengestellt  wurden,  um  die  Dürftigkeit 
der  alten  Annalen  zu  ergänzen.  Wie  bedeutende  alte  Quellen  aber 
verloren,  und  so  lange  sie  noch  vorhanden  waren,  unbeachtet  ge- 
blieben sind,  zeigen  uns  die  von  Riezler  nachgewiesenen,  sehr 
wichtigen  Fragmente,  welche  Aventin  aus  einem  Buch  von  „Herzog 
Thesseis  Kanzler  mit  Namen    Crantz"    gerettet  hat4). 

Namen  aus  Lindisfarne  finden  wir  auch  an  der  Spitze  der  Jahr- 

*)  Annales  S.  Dionysii,  ed.  E.  Berger,  Bibl.  de  FEcole  des  chartes  XL 
(1879),  261—295;  SS.  XIII,  718—721  von  Waitz  die  Annalen  mit  der  in 
die  Ann.  S.  Germ.  min.  übergegangenen  Fortsetzung;  aus  den  weiteren 
Fortsetzungen  nur  Auszüge. 

2)  Ann.  Juvavenses  majores  550 — 855,  976,  leider  mit  einer  grofsen 
Lücke  in  der  wichtigsten  Zeit,  MG.  I,  87  nach  Eckhardt.  Benutzung  der 
Ann.  S.  Amandi,  wie  Giesebrecht  a.  a.  0.  S.  228  meint,  scheint  mir  zweifel- 
haft. Ann.  Juvavenses  minores  742 — 814  (1,88)  sind  816  geschrieben ;  über 
eine  darin  benutzte  Quelle  s.  oben  S.  147.  Nach  Auffindung  der  Hand- 
schrift in  Würzburg  sind  diese  beiden  Annalen  leider  nicht  neu  abgedruckt, 
sondern  SS.  III,  122  mit  keineswegs  erschöpfenden  Berichtigungen  und 
Supplementen  versehen.  —  Ann.  Salisb.  499 — 1049  (I,  89)  von  784  an 
gleichzeitig,  der  Anfang  saec.  XII  ergänzt,  vorherrschend  local.  —  Annales 
S.  Emmcrammi  majores  748—823.  minores  732—1062,  MG.  I,  92  bis  94. 
Wiederholt  bei  Karl  Roth,  Verzeichnifs  der  Freisinger  Urkk.  von  Corb. 
bis  Egilbert  (München  1855)  S.  89 — 92  nach  der  Handschrift;  minores  jetzt 
auch  SS.  XIII,  47.  Ann.  Bawarici  breves  684—811,  MG.  SS.  XX,  8, 
ohne  Grund  in  zwei  Stücke  getheilt,  zu  derselben  Gruppe  gehörig;  vgl. 
Arnold  S.  50. 

3)  Den  Ann.  S.  Rudberti,  MG.  SS.  IX,  758. 

4)  Ein  verlorenes  baierisches  Geschichtswerk  des  8.  Jahrhunderts, 
Münch.  SB.  1881,  I,  247  —  291,  vgl.  S.  389.  Einige  Verbesserungen  von 
W.  Meyer:  Piniol.  Bemerkungen  zu  Aventins  Annalen  (Abh.  d.  Münch. 
Ak.  I.  Cl.  XVII,  III)  S.  762.  Ders.  weist  S.  752  den  Titel  nach:  „Vita 
Thessaloni  III  scripta  a  Creontio,  qui  Thessalono  fuit  ab  epistolis,  ine.  ab 
a.  Chr.  771  usque  ad  a.  796"  unter  den  von  Aventin  benutzten  Quellen. 
—  Spuren  davon  in  den  Annales  Salisb.  cod.  Monac.  SS.  XIII,  237.  Die 
Möglichkeit  eines  in  der  Form  von  „Crantz"  wenig  verschiedenen  Namens 
zeigt  v.  Oefele,  HZ.  LT,  154.  Zustimmend  Riezler  im  Nachwort  zur  Aus- 
gabe von  Aventins   Werken  III,  577. 


150  H.    Karolinger.     §  4.    Karl  der  Grofse. 

bücher  von  Fulda  und  von  Corvey;  letztere  stammen  aus  der 
angelsächsischen  Stiftung  Werden  oder  aus  Münster,  aber  die  809 
beginnenden  Notizen  reihen  sich  den  alten  Namen  des  siebenten 
Jahrhunderts  nur  ganz  äufserlich  an1).  Anders  in  Fulda,  wo  diese 
irischen  und  angelsächsischen  Namen  nur  in  zwei  Abschriften  an  die 
Spitze  gestellt  sind,  im  Original  aber  schon  um  760  der  Rand  der 
Ostertafel  mit  den  leider  fast  ganz  erloschenen  Notizen  von  angel- 
sächsischer Hand  versehen  wurde,  welche  seit  790  von  anderen 
Händen  fortgeführt  von  742 — 822  reichen.  In  einer  anderen,  jetzt 
Casseler  Handschrift,  finden  sich  diese  Annalen  bis  814  angereiht 
an  einen  Kaiserkatalog,  dem  auch  jene  altenglischen  Annalen  einge- 
fügt sind;  diese,  ohne  die  Kaiser,  und  eine  Fortführung  bis  833  hat 
auch  die  dritte,  jetzt  Münchener  Handschrift  aus  St.Emmeram2).  Hier 
also,  wie  in  so  vielen  ähnlichen  Fällen,  sehen  wir  recht  deutlich, 
wie  auch  die  mangelhaftesten  Aufzeichnungen  sich  verbreiteten  und 
als  werthvoll  betrachtet  wurden,  bessere  also,  auch  nachdem  sie 
schon  in  gröfserer  Anzahl  vorhanden  waren,  doch  wenig  Verbrei- 
tung gefunden  haben  müssen. 

Die  weitere  Entwickelung  dieser  Annalen  gehört  einem  späteren 
Abschnitte  an;  hier  waren,  wenn  auch  manchmal  schon  vorgegriffen 
wurde,  vorzüglich  nur  die  ersten  Anfänge  zu  betrachten,  welche  noch 
im  höchsten  Grade  dürftig  und  armselig  sind,  wie  sie  denn  auch  in 
ihrer  ursprünglichen  Gestalt  als  Randbemerkungen  zu  Ostertafeln 
durchaus  nicht  den  Anspruch  machen  für  litterarische  Erzeugnisse 
zu  gelten.  Erst  der  lichteren  Zeit  des  grofsen  Karl  gehört  der  Ge- 
danke an,  diese  Notizen  mit  anderen  Nachrichten  zu  einem  Ganzen 
zu  verbinden,  und  sie  dann  mit  Absicht  und  Bewufstsein  als  gleich- 
zeitige Aufzeichnung  der  Geschichte  weiter  zu  führen. 


§  4.    Karl  der  Grofse.     Allgemeines. 

Bethmann,  Paulus  Diaconus  Leben  und  Schriften,  Arch.  X,  247—334.  C.  F.  Baehr,  De 
litterarum  studiis  a  Carolo  Magno  revocatis  ac  schola  palatina  instaurata,  Heidelb. 
1855,  4.  Desselben  Geschichte  der  römischen  Litteratur  im  Karol.  Zeitalter,  Carlsr. 
1840.  Phillips,  Karl  der  Grosse  im  Kreise  der  Gelehrten,  im  Almanach  der  Kais. 
Akad.  d.  Wiss.  1856-  S.  173-221.  (Vermischte  Schriften  III,  93ff.  415 ff.)  F.  Dahn, 
Urgeschichte  der  germ.  u.  rom.  Völker  IV  (1889).  Litteratur  unter  Karl  d.  Grofsen. 
Dümmler,  Gedichte  aus  dem  Hofkreise  Karls  des  Grofsen  in  Haupts  Zeitschrift  XII, 
446  bis  460.  S.  auch  Waitz  in  Schmidts  Zeitschrift  für  Geschichte  II,  48  ff.  Bern- 
hardy,  Grundrifs  der  römischen  Litteratur  §  61.    Wilh.  Scherer,  Ueber  den  Ursprung 

*)  S.  die  Ausgabe  von  Jane,  Bibl.  I,  32. 

2)  Annales  Fuldenses  antiqui,  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III,  116,  in  Verbin- 
dung mit  Siokels  Untersuchung  der  Wiener  Handschrift,  Forschungen  IV, 
454—461.     Neue  Ausgabe  von  Fr.  Kurze,  Ann.  Fuld.  p.  136—138. 


Karl  der  Grofse.  151 

der  deutschen  Litteratur,  Berl.  1864,  vgl.  Centralblatt  Sp.  572.  M.  Büdinger,  Von 
den  Anfängen  des  Schulzwanges,  Zur.  1865.  Ger.  Meyer  von  Knonau,  lieber  die 
Bedeutung  Karls  d.  Gr.  f.  d.  Entwicklung  der  Geschichtschreibung  im  9.  Jahrb. 
Züricher  Probevorlesung  1867.  —  Jahrbücher  des  Frank.  Reichs  unter  Karl  d.  Gr. 
I.  v.  S.  Abel  1866  (2.  Ausg.  v.  Simson  1888).  II.  von  B.  Simson  1883.  Dümniler, 
Poetae  Latini  aevi  Carolini,  I.  1881,  II.  1884. 

Eine  lange  Zeit  der  Finsternifs  liegt  hinter  uns.  Nur  geringe 
und  dürftige  Spuren  haben  uns  Zeugnifs  gegeben,  dafs  auch  in 
diesen  traurigen  Jahrhunderten  das  Bedürfnifs  historischer  Aufzeich- 
nungen nicht  ganz  erstorben  war;  wir  haben  gesehen,  dafs  mit  der 
beginnenden  besseren  Ordnung  der  Dinge,  der  Herstellung  des 
Reiches  durch  die  karolingischen  Hausmeier,  auch  einiges  Leben 
auf  diesem  Felde  sich  regte,  dafs  lebensfähige  Keime  zum  Vorschein 
kamen.  Aber  noch  ist  fast  alles  namenlos;  seit  Venantius  Fortu- 
natus  und  Gregor  von  Tours  ist  uns  nirgends  eine  bedeutende  Per- 
sönlichkeit entgegengetreten.  Das  Frankenreich  stand  noch  immer 
an  Bildung  weit  zurück  hinter  seinen  Nachbarn,  als  Karl  der 
Grofse  zum  Throne  gelangte,  und  die  erste  Hälfte  seiner  Regie- 
rung war  auch  noch  viel  zu  sehr  vom  Kriegeslärm  erfüllt,  als  dafs 
er  seine  Aufmerksamkeit  viel  nach  dieser  Seite  hin  hätte  wenden 
können.  Doch  hat  er  in  Italien  schon  im  Jahre  776  den  Gramma- 
tiker Paulinus1)  mit  einem  Landgut  beschenkt,  und  wir  linden 
diesen  an  seinem  Hofe  in  Gemeinschaft  mit  Petrus  von  Pisa,  be- 
freundet mit  Alcuin ,  der  Angilbert  als  ihren  gemeinsamen  Zögling 
bezeichnet.  Wahrscheinlich  787  wurde  er  zum  Patriarchen  von  Aqui- 
leja  erhoben.  Verschiedene  Gedichte  kirchlichen  Inhalts  haben  sich 
von  ihm  erhalten  und  ein  Buch  der  Ermahnung,  das  er  an  den 
trefflichen  Herzog  Herich  von  Friaul  richtete ,  welcher  mit  ihm  in 
treuer  Freundschaft  verbunden  war  und  dessen  Tod  799  er  eine  tief- 
gefühlte Todtenklage  widmete.  Am  11.  Januar  802  ist  er  selbst 
gestorben. 

Ohne  Zweifel  hat  der  Aufenthalt  in  Italien  die  Veranlassung 
gegeben,  dafs  Karl  aufmerksam  wurde  auf  die  unverkennbare  Ueber- 
legenheit,  welche  den  Italienern  ihre  höhere  geistige  Bildung  verlieh; 
er  fafste  den  Entschlufs  seine  Franken  von  dem  Joche  der  Unwissen- 
heit zu  befreien ,  und  von  da  ab  finden  wir  ihn  unablässig  bemüht, 
mit  allen  Mitteln  nach  diesem  Ziele  zu  streben2).     Der  feste  Grund 

')  „Venerabilis  artis  grammaticae  magister."  Er  schrieb  später  gegen 
Felix,  nahm  an  den  verschiedenen  Synoden  dieser  Zeit  Theil,  und  starb 
am  11.  Jan.  802.  Opera  ed.  Madrisi  1737.  Mignc  XCIX.  Vgl.  Ebert  II, 
87—91.  Dümmler,  NA.  IV,  113—118;  Poetae  I,  123—148,  darunter  der 
Rhythmus  de  Herico  duce  Forojul.  S.  131,  und  die  wohl  nicht  von  ihm 
herrührende  Klage  um  Aquileja  S.  142. 

2)  Einen  vermehrten  Eifer,  neue  umfassende  Mafsregcln  weist  Scherer 


152  II-    Karolinger.     §  4.    Karl  der  Grofse. 

geordneter  äufserlicker  Verhältnisse  und  einer  neu  gekräftigten,  von 
sittlichem  Eifer  erfüllten  Kirche  war  bereits  vorhanden,  und  auf 
diesem  Boden  gediehen  die  Pflanzungen  Karls  mit  dem  überraschend- 
sten Erfolge. 

Schon  regte  sichs  auch  im  Frankenreich.  Adam,  Haynhards 
Sohn  aus  dem  weinreichen  Elsafs,  Abt  von  Masmünster,  copirte 
780  zu  Worms  des  alten  Grammatikers  Diomedes  Werk  de  oratione 
et  partibus  orationis,  und  widmete  es  dem  Könige  in  Versen,  die 
metrisch  freilich  mangelhaft,  übrigens  aber  leidlich  sind1).  Im  fol- 
genden Jahre  781,  als  Karl  das  Osterfest  in  Rom  feierte,  und  Pabst 
Hadrian  seinen  Sohn  Pippin  aus  der  Taufe  hob,  begann  Godesscalc 
jenes  Wunderwerk  der  Kalligraphie,  das  auf  Purpurpergament  mit 
Uncialschrift  ganz  in  Gold  und  Silber  geschriebene  Evangeliarium, 
welches  Karl  und  Hildegard  zum  dauernden  Andenken  dieser  Feier 
anfertigen  liefsen.  Providus  ac  sapiens,  Studiosus  in  arte  librorum 
heifst  Karl  in  den  Versen,  durch  welche  Godesscalc  seinen  Namen 
verewigt  hat2). 

In  diesem  denkwürdigen  Jahre  traf  auch  Karl  in  Parma  mit 
Alcuin  zusammen,  den  er  schon  früher  als  Boten  des  Yorker  Erz- 
bischofs kennen  gelernt  hatte,  und  veranlafste  ihn  an  seinen  Hof 
zu  kommen;  von  demselben  Heereszuge  brachte  er  Paulus  Dia- 
conus  und  den  Grammatiker  Peter  von  Pisa  mit  nach  Frank- 
reich3); er  lehrte  am   Hofe  Grammatik,    unter  welcher  Bezeichnung 

nach  dem  folgenden  italienischen  Feldzug  787  nach.  Ueber  die  Zusendun- 
gen von  Werken  Gregors  I  durch  Hadrian  zu  kirchlichem  Zweck,  aber 
doch  auch  litterarisch  anregend,  s.  P.  Ewald  im  NA.  III,  440. 

*)  Keil,  Grammatici  Latini  I,  p.  XXIX;  Delisle,  Cabinet  des  Manu- 
scrits  I,  3.  Dümmler,  NA.  IV,  147;Poetae  I,  93.  Erst  30  Jahre  alt,  hatte 
er  durch  Karls  Güte  die  Abtei  Masmünster  (Masunuilare)  erhalten,  doch 
wohl  zur  Belohnung  und  Förderung  seiner  Studien. 

2)  Früher  in  Saint-Sernin  de  Toulouse,  jetzt  Bibl.  Nat.  s.  Bibl.  de  TEcole 
des  Chartes  XXXV,  85.  Die  Gemälde  sind  nach  antiken  Mustern,  die 
Randverzierungen  jedes  Blattes  theils  ebenfalls  römischen,  theils  irisch- 
englischen  Ursprungs.  Vgl.  Piper,  Karls  des  Grofsen  Kalendarium  S.  36. 
Bastard,  pl.  81 — 86.  Dümmler,  Poet.  I,  94.  Benutzung  der  Schreiberverse 
der  Mensuratio  orbis  nachgewiesen  von  Traube,  Münch.  SB.  1891,  S.  406. 

3)  Diesen  Petrus  horte  Alcuin  schon  vor  Karls  Zeit  in  Pavia  mit  einem 
Juden  disputiren:  „Idem  Petrus  fuit  qui  in  palatio  vestro  grammaticam 
docens  damit."  Ale.  ep.  ap.  Jaffe,  Bibl.  VI,  548;  cf:  Einh.  V,  Caroli  c.  25. 
Damals  (799)  war  er  schon  todt.  Gedichte  von  Angilbert  u.  Karl  an  ihn 
nach  seiner  Heimkehr  nach  Italien  hat  Dümmler  herausgegeben,  Zeitschr. 
f.  D.  Alt.  XVII,  141.  146;  Poet.  I,  75.  76.  Wohl  von  ihm  ist  die  lat. 
Grammatik  eines  Petrus  Grammaticus  bei  H.  Hagen,  Anecdota  Helvetica 
(Suppl.  ad  Keilii  Gramm,  lat.)  S.  159—171.  vgl.  XCVI-XCVIII;  Dümmler, 
Poet.  I,  73.  Seine  Gedichte  sind  bei  Dümmler  S.  48 — 56  mit  denen  des 
Paulus  üiac.  verbunden,  vgl.  S.  29. 


Fremde  Gelehrte.  153 

die  ganze  Beschäftigung  mit  der  lateinischen  Litteratur  verstanden 
wurde.  In  Freundschaft  mit  Paulus  wechselte  er  scherzhafte  Verse 
mit  ihm,  und  Karl  selbst  genofs  seinen  Unterricht  und  bediente 
sich  seiner,  wenn  er  an  diesem  poetischen  Verkehr  theilnahm. 
Aus  Spanien  flüchtig,  wie  es  scheint,  kam  Theodulf  zu  Kar], 
dessen  geistreiche  und  formgewandte  Dichtungen  das  lebhafteste 
Bild  von  Karls  Hof  gewähren,  während  er  als  Staatsmann  und 
Bischof  von  Orleans  eine  bedeutende  Wirksamkeit  entfaltete.  Sein 
Gedicht  an  Karl  nach  dem  Sieg  über  die  Avaren  796  gewährt  uns 
die  eingehendste  Schilderung  des  Hofes1),  während  das  lange  und 
ausführliche  Gedicht  an  die  Richter2)  für  die  Zustände  der  Zeit  un- 
gemein lehrreich  ist,  und  sein  Capitulare  3)  die  Ermahnungen  und 
Vorschriften  für  die  Geistlichkeit  seines  Sprengeis  enthält,  welche 
uns  die  reformatorischen  Bestrebungen  dieser  Zeit  zeigen.  Unter 
Ludwig  in  Ungnade  gefallen  und  der  Theilnahme  an  Bernhards 
Aufstand  beschuldigt,  verlor  er  sein  Bisthum  und  ist  um  821  ge- 
storben. 

Eine  etwas  sagenhafte  Nachricht  über  Computisten  und  Gram- 
matiker, welche  Karl  aus  Rom  in  sein  Reich  berief,  giebt  Ademar 
von  Chabanne  (SS.  IV,  118).  Schotten  aus  Irland  hat  er,  wenn 
wir  dem  Mönch  von  St.  Gallen  glauben  dürfen,  schon  früher  an  sich 
gezogen4);  hervorragend  unter  ihnen  istDungal,  der  unter  Waldo's 
Obhut  zu  Saint-Denis  lebte,  und  810  an  den  Kaiser  über  die 
Sonnenfinsternifs  dieses  Jahres  schrieb,  vielleicht  derselbe,  welcher 
825  in  Pavia  lehrte  und  827  gegen  Claudius  schrieb5);  einer  von 
ihnen  lebte  am  Hofe  in  heftiger  Feindschaft  mit  Theodulf  und  An- 
gilbert.       Joseph,     schon    in    England    Alcuins    Schüler    und    mit 

a)  Dümmler,  Poet.  I,  483;  II,  694 — G97.  Ich  begnüge  mich  jetzt,  auf 
diese  so  lange  schmerzlich  vermifste  neue  Ausgabe  seiner  Gedichte,  mit 
dem  Vorwort,  zu  verweisen,  S.  437—581;  ein  Nachtrag  NA.  VII,  401. 
Vgl.  Ebert  II,  70—84,  Traube,  Karol.  Dichtungen  (1888)  S.  66.  67.  De 
Rossi  bemerkt,  dafs  I,  557  das  Epit.  Damasi  papae,  von  ihm  selbst  ver- 
fafst,  irrthümlich  unter  Th's  Gedichte  gerathen  ist.  (NA.  XI,  213).  An- 
klänge an  ältere  Dichter  bei  ihm,  Manitius,  NA.  XI,  561.  Ein  franz.  Werk 
von  Cuissard  über  ihn  war  mir  nicht  zugänglich. 

2)  Poet.  I,  493.  Neue  Ausg.  v.  H.  Hagen  in  einem  Berner  Univ.-Progr. 
v.  1882,  vgl.  NA.  VIII,  422. 

3)  Theodulfi.  Opera  ed.  Sirmond,  p.  1 — 28. 

4)  Cap.  1.  Ueber  Donat,  816  Bischof  von  Fiesole,  nachdem  er  vor- 
her als  Lehrer  gewirkt  hatte,  s.  Ozanam,  Documents  inedits  p.  48 — 57. 
Seine  Vita  vollständig  Acta  SS.  Oct.  IX,  655—662. 

3)  Ueber  ihn  und  den  Hibernicus  exul,  welcher  ein  leider  sehr  frag- 
mentarisch erhaltenes  Gedicht  auf  Tassilo's  Abfall  an  Karl  richtete,  s. 
Dümmler,  NA.  IV,  142.  254—256;  Poet.  I,  393-413.  II,  664.  Traube, 
„0  Roma  nobilis"   (Abh.  d.  Münch.  Ak.   I   CJ.  XIX,  2,  S.  332-337). 


154  II«    Karolinger.     §  4.    Karl  der  Grofse. 

Liudger  befreundet,  richtete  an  Karl  als  König  einige  sehr  ge- 
künstelte Verse  mit  Akrostichen1).  Er  ist  vor  Alcuin,  also  vor  804, 
gestorben. 

Vielleicht  gehört  zu  ihnen  auch  Dicuil,  in  dessen  825  ver- 
fafster  Schrift  de  mensura  orbis  terrae1*)  der  von  Harun  an  Karl  ge- 
schenkte Elephant  erwähnt  wird.  Er  verfertigte  auch  Verse  gram- 
matischen Inhalts  und  ein  poetisches  Handbuch  der  Astronomie  in 
4  Büchern,  welches  er  in  den  Jahren  814  bis  816  vollendete  und 
Kaiser  Ludwig  überreichte.  Dieses  ist  bis  jetzt  noch  ungedruckt 
geblieben. 

Auch  Baiern  hatte  unter  den  Agilolfingern ,  in  enger  Verbin- 
dung mit  Italien,  bereits  einen  höheren  Grad  der  Bildung  erreicht. 
Herzog  Odilo  hatte  Cassinenser  Mönche  nach  Mondsee  berufen, 
und  Reichenauer  nach  Nieder-Altaich;  von  hier  entnahm  Tassilo 
den  ersten  Vorsteher  seiner  herrlichen  Stiftung  Kremsmünster. 
Vor  allem  aber  glänzte  Freising  unter  seinem  Bischof  Arbeo  oder 
Aribo  (764  bis  783)  durch  die  Pflege  der  Wissenschaft3).  Aribo 
selbst  verfafste  in  ungelenker  und  schwülstiger,  aber  von  ange- 
strengtem Studium  zeugender  Schreibart  die  Lebensbeschreibungen 
der  alten  Glaubensboten  Emmeram  und  Corbinian,  deren  wir  oben 
(S.  123)  schon  gedachten;  als  Diaconen  aber  finden  wir  an  seiner 
Kirche  Arn  und  Leidrad,  und  auch  diese  folgten  einem  Rufe  des 
grofsen  Frankenkönigs.  Arn  erscheint  in  den  Freisinger  Urkunden 
zuletzt  778;  782  erhielt  er  die  Abtei  von  St.  Amand.  Leidrad 
schrieb  noch  782  eine  Urkunde  für  Tassilo4),  dann  finden  wir  auch 


J)  Zuerst  in  H.  Hagen's  Carmina  Medii  Aevi  (Bernae  1877)  p.  116  bis 
124;  jetzt  bei  Dümmler,  Poet.  I,  149 — 159.  Einige  Anklänge  nachgewiesen 
von  Manitius,  NA.  XI,  558. 

2)  Ausg.  von  G.  Parthey,  Berl.  1870.  Benutzung  der  Mensuratio  orbis, 
Traube,  Münch.  SB.  1891  S.  407.  Vgl.  Dümmler,  NA.  IV,  256  u.  Poet.  I, 
666;  auch  Zimmer:  Ueber  die  frühesten  Berührungen  der  Iren  mit  den 
Nordgermanen,  Berl.  SB.  1891  S.  279  ff. 

3)  Er  erscheint  von  754 — 760  als  Schreiber  in  der  bischöflichen  Kanzlei; 
als  Freund  der  Franken  fiel  er  gegen  das  Ende  der  Regierung  Tassilo's 
bei  ihm  und  Liutbirg  in  Ungnade,  s.  Graf  Hundt,  Ueber  die  Bayr.  Ur- 
kunden aus  der  Zeit  der  Agilolfinger,  Abh.  d.  Ak.  III.  Cl.  XII,  182.  186, 
und  was  aus  seinem  Nachlafs  im  44.  u.  45.  Jahresbericht  des  hist.  Vereins 
von  Oberbayern  (1883)  S.  VII — XVII  aus  einer  unvollendeten  Abhandlung 
über  Arbeo  mitgetheilt  ist.  —  Fabelhaft  und  von  dürftigem  Inhalt  ist  die 
Vita  Gamulberti,  eines  Gutsherren  und  Pfarrers  aus  Pippins  Zeit  in  Michels- 
buch, unweit  des  Einflusses  der  Isar  in  die  Donau,  Acta  SS.  Jan.  II, 
591 — 595,  doch  dürfte  vielleicht  aus  den  alten  Hss.  in  München  und  Ad- 
munt  eine  bessere  Form  zu  gewinnen  sein. 

4)  Ueber  beide  s.  Meichelbecks  Historia  Frisingensis;  über  Leidrad 
Baehr  S.  361,  Graf  Hundt  a.  a.  0.  S.  181;    seine  Schriften  gesammelt  bei 


Schotten  und  Baiern.  155 

ihn  im  Fraukenreiche  wieder,  wo  er  neben  Theodulf  das  Amt  eines 
königlichen  Sendboten  verwaltete,  und  von  799  bis  813  dem  Bis- 
thum  zu  Lyon  vorstand,  welches  er  dann  seinem  Schüler  Agobard 
überliefs,  um  sich  in  das  Kloster  des  h.  Medardus  zurückzuziehen, 
wo  er  am  28.  Dec.  816  gestorben  ist.  In  Lyon  war  Claudius  bei 
ihm  und  begann  seinen  Commentar  zur  Genesis,  den  er  an  des 
jungen  Ludwigs  Hof  in  Aquitanien  vollendete,  in  Casanolio  palatio 
bei  Poitiers,  wo  811  Faustinus  das  Buch  abschrieb1). 

So  zog  also  Karl  um  das  Jahr  782  von  allen  Seiten  die  Träger 
wissenschaftlicher  Bildung  an  sich  und  arbeitete  von  nun  an  unab- 
lässig und  unverwandt  hin  auf  eine  Wiederherstellung  der  antiken 
Cultur,  deren  Herrlichkeit  seinen  Geist  erfüllte2).  Wie  er  die  alten 
Kunstwerke  nach  Aachen  führte  und  seine  Bauten  nach  den  Regeln 
des  Vitruv  und  den  Mustern  der  Kirchen  zu  Ravenna  und  Rom 
aufführen  liefs,  so  liefs  er  auch  die  alten  Schriftsteller  nach  den 
alten  Handschriften  mit  der  sorgsamsten  Genauigkeit  abschreiben. 
Staunend  bewundern  wir  die  Prachtwerke  seiner  Kalligraphen,  und 
nichts  ist  vielleicht  so  charakteristisch  für  das  was  man  damals  er- 
strebte, wie  diese  Handschriften3)  mit  ihrer  Uncialschrift,  ihren  voll- 
kommen nach  antiken  Mustern  nachgeahmten  Verzierungen  und  Bil- 
dern.    Ja  so  wie  Eigil   von   Fulda  Modelle  der  antiken  Säulen   sich 

Migne  XCIX,  853—886.  Giesebrecht  erinnert  dabei  auch  an  jenen  alten 
Agilolfinger  Wicterb,  Bischof  und  Abt  von  St.  Martin  zu  Tours,  der  754 
jam  senex,  puto  nonagenarius  aut  supra,  dolentibus  membris  et  caliginantibus 
oculis  ein  geistliches  Werk  für  einen  Regenten,  doch  wohl  Tassilo,  ab- 
schrieb und  unermüdet  weiter  schrieb,  bis  er  756  starb.  Rettberg  II,  269. 
Dafs  er  Abt  zu  Tours  war,  darf  nach  der  Notiz  im  Cod.  Masciac.  der  Ann. 
Petav.  (MG.  SS.  III,  170)  nicht  bezweifelt  werden;  auch  hatte  damals  dieses 
Kloster  seinen  eigenen  Bischof  (Gallia  christ.  XIV,  153),  so  dafs  er  unter 
die  Regensburger  Bischöfe  wohl  nur  durch  Mifsverständnifs  gerathen  ist, 
und  durch  ein  ähnliches  Mifsverständnifs  auch  an  die  Spitze  des  erst  spät 
zusammengestellten  Verzeichnisses  der  Aebte  von  Grofs  Sanct  Martin  in 
Coeln.  —  Ein  merkwürdiges  Schreiben  eines  (Irländers?)  Clemens  an  Tas- 
silo, den  bair.  Episcopat  u.  Adel  in  Bezug  auf  die  Eroberung  und  Be- 
kehrung der  Carantanen  hat  Zierngibl  in  d.  Neuen  hist.  Abh.  d.  baier. 
Akad.  I,  246  herausgegeben,  und  Riezler,  Gesch.  Baierns  I,  155,  zuerst 
benutzt. 

*)  Epistola  ad  Dructeramnum  abb.  (von  St.  Chaffre)  als  Vorrede.  De- 
lisle,  Cab.  des  Manuscrits  I,  4,  Anm.   11. 

2)  „Quippe  qui  omnium  regum  avidissimus  erat  sapientes  diligenter  in- 
quirere,  et  ut  cum  omni  delectatione  philosopharentur  excolere.  Ideo  regni 
a  Deo  sibi  commissi  nebulosam,  et  ut  ita  dicam  paene  caecam  latitudincm, 
tocius  scientiae  nova  irradiatione  et  huic  barbariei  ante  partim  incognita 
luminosam  reddidit  Deo  illustrante."  Walafridi  Praef.  ad  Einhardi  Vitain 
Karoli,  Jaffe  Bibl.  IV,  507. 

3)  Ohne  Zweifel  auch  profane,  die  sich  aber  aus  Karls  Zeit  nicht  er- 
halten haben. 


156  II.    Karolinger.     §  4.    Karl  der  Grofse. 

verschafft  hatte,  welche  Einhard  benutzte,  so  wurden  auch  Samm- 
lungen alter  Inschriften  mit  gröfster  Sorgfalt  zusammengestellt  und 
die  Siglen  der  Juristen  gesammelt  und  erklärt1). 

Am  Hofe  hatte  sich  aus  alter  Zeit  immer  eine  Hofschule  er- 
halten2). Diese  wurde  durch  Karl  neu  belebt;  er  selbst,  seine 
Kinder,  seine  Hofleute,  nahmen  an  dem  Unterrichte  und  den  Uebun- 
gen  Theil.  Es  erwuchs  daraus  neben  der  eigentlichen  Schule  eine 
förmliche  Akademie,  welche  Karl  und  seine  vertrauteren  wissen- 
schaftlichen Freunde  zu  regelmäfsigen  Sitzungen  vereinigte3).  In 
ähnlicher  Weise  wie  an  den  arabischen  Höfen  dieser  Zeit,  wurden 
hier  poetische  Episteln  gewechselt,  wissenschaftliche  Aufgaben  ge- 
stellt und  beantwortet,  Räthsel  aufgegeben  und  gelöst.  Alle  führten 
hier  Namen  aus  der  Vorzeit,  in  denen  heidnische  und  christliche 
Erinnerungen  in  seltsamer  Mischung  erscheinen.  So  hiefs  Karl  selbst 
David,  Alcuin  Flaccus,  Einhard  Beseleel  nach  dem  kunstreichen 
Erbauer  der  Stiftshütte,  Riculf  Damoetas,  Beornrad  von  Sens  Samuel, 
Angilbert  Homer;  Audulf  der  Seneschalk  und  der  Kämmerer  Megin- 
frid  führten  die  idyllischen  Namen  Menalcas  und  Thyrsis.  Naso 
nannte  sich  selbst  ein  Dichter  Modoin  oder  Muadwin,  der  von  815 
bis  nach  840  Bischof  von  Autun  gewesen  ist.  In  sehr  ungelenken 
Idyllen  feierte  er  David ,  den  Kaiser,  als  Friedensfürsten  und  be- 
warb sich  um  dessen  Gunst4).  Die  Standesverschiedenheiten  der 
Gegenwart   wurden   durch  solche  Verhüllung   auf  diesem  Gebiete  in 

*)  Notae  juris  aus  Probus  und  einer  jüngeren  Sammlung  sind  im  Cod. 
Einsidlensis.  Schon  Karl  dem  Grofsen  selbst  aber  überreichte  Magno, 
Erzbischof  von  Sens  (801 — 818),  eine  Zusammenstellung  der  bei  den  Alten 
in  juristischen  Schriften  gebräuchlichen  Abkürzungen,  zusammengestellt  aus 
zwei  anderen,  die  ihm  in  die  Hände  gekommen  waren.  Mommsen,  Later- 
culus  notarum  in  Gramm.  Latt.  ed.  Keil  IV,  285,  315.  Ueber  eine  durch 
ihn  veranlafste  Formelsammlung  Zeumer,  NA.  VL  79.  Karls  Sorgfalt  für 
die  Berichtigung  verderbter  Abschriften  preist  der  Schreiber  Winidharius 
im  Wiener  Codex  743: 

Qui  sternit  per  bella  truces  fortissimus  heros, 

Rex  Carolus  nulli  cordis  fulgore  secundus, 

Non  passus  sentes  mendarum  serpere  libris. 

Et  bene  correxit  studio  sublimis  in  omni. 

(Dummler,  Poet.  I,  89.) 

2)  Für  Pippins  Zeit  nachgewiesen  von  Leon  Maitre,  Les  ecoles  epi- 
scopales  (Paris  1866)  S.  34 — 37.  Vgl.  Rud.  Sohm:  Die  fränkische  Reichs- 
u.  Gerichtsverfassung  S.  342  über  das  commendare  ad  regem.  Simson  II,  570  ff. 

3)  Oebeke,  De  Acaclemia  Caroli  Magni.    Aachener  Gymn.-Progr.  1847. 

4)  Diese  früher  ganz  unbekannten  Dichtungen  sind  durch  E.  Dümmler 
zuerst  bekannt  geworden,  Poet.  I,  382—392,  und  nach  Entdeckung  der 
Darmst.  Hs.  wieder  NA.  XI,  75—91  herausgegeben;  vgl.  Ebert  II,  64 — 68. 
Trotz  der  sehr  fehlerhaften  Form  sind  die  Gedichte  nicht  unbeachtet  ge- 
blieben, und  wurden  von  Ermanrich  stark  ausgebeutet. 


Karls  Akademie.  157 

den  Hintergrund  gestellt.  Nicht  zu  bezweifeln  ist,  clafs  Karl  selbst 
eine  für  jene  Zeit  nicht  unbedeutende  Bildung  sich  angeeignet  hatte, 
aber  Einhards  ausdrückliches  Zeugnifs,  dafs  es  ihm  nicht  mehr  ge- 
lingen wollte,  schreiben  zu  lernen,  dürfen  wir  doch  auch  nicht 
unterschätzen.  Seine  gelehrten  Briefe  an  Alcuin  schrieben,  gewifs 
nach  seiner  Anweisung,  die  palatini  pneri1). 

Man  wird  durch  dieses  Treiben  erinnert  an  die  platonische 
Akademie  zu  Florenz,  allein  es  ist  zwischen  beiden  doch  ein  grofser 
Unterschied.  Karl  lag  der  Gedanke  fern,  die  Litteratur  nur  wie 
einen  Gegenstand  des  Luxus  zu  seinem  Vergnügen  zu  pflegen;  sein 
Briefwechsel  mit  Alcuin  zeigt  uns,  dafs  seine  Akademie  auch  prak- 
tisch wichtige  Fragen  behandelte,  und  oft  einem  Ministerium  der 
geistlichen  Angelegenheiten  ähnlich  wird.  Der  Herstellung  des  alten 
Glanzes  und  der  Reinheit  der  Kirche  mufsten  alle  seine  gelehrten 
Freunde  mit  ernstlicher  Arbeit  dienen2).  Allein  das  war  doch  auch 
wieder  nur  eine  Seite  der  Bestrebungen  des  Königs ;  ihm  war  es 
voller  Ernst,  sein  ganzes  Volk  auf  eine  höhere  Stufe  der  Bildung 
zu  heben,  und  deshalb  legte  er  überall  Schulen  an,  und  sorgte  un- 
ermüdlich für  die  Pflege  und  Hebung  derselben3).  Sogar  von 
Alcuin  trennte  er  sich  aus  diesem  Grunde,  und  verlieh  ihm  796 
die  Abtei  des  heiligen  Martin  zu  Tours,  wo  er  von  nun  an  als 
Leiter  einer  blühenden  Schule  wirkte.  Fast  alle  bedeutenderen  Bis- 
thümer  und  Abteien  des  Frankenreiches  erhielten  von  hier  aus  ihre 
Vorsteher,  und  wo  in  der  nächsten  Folgezeit  von  litterarischer 
Thätigkeit  etwas  zu  melden  ist,  da  können  wir  mit  Sicherheit 
darauf  rechnen,  einen  Schüler  Alcuins  zu  finden.  Weit  genug  er- 
streckte sich  der  Wirkungskreis  dieser  Schule;  doch  errichtete  Karl 
für  die  entfernteren  Theile  seines  Reiches  auch  eigene  Mittelpunkte, 
welche  von  seinem  Scharfblick  Kunde  geben ,  wie  alles  was  er 
gethan.  In  Italien  besafs  Pavia  schon  von  Alters  her  gefeierte 
Lehrer,  und  diese  Schule  erhielt  jetzt  neuen  Glanz  durch  den 
Schotten    Dungal4);    ihr    Fortleben    und    bleibendes   Gedeihen    be- 

J)  Ep.  Alcuini,  Jaffe  Bibl.  VI,  459. 

2)  Ueber  die  Libri  Carolin^  welche  uns  ferner  liegen,  bemerke  ich  nur, 
dafs  ihre  Echtheit  durch  Auffindung  des  Cod.  Vat.  festgestellt  ist,  s.  Reiffer- 
scheid  im  Ind.  lectt.  Vrat.  hib.  a.  1873.  Vgl.  Leibn.  Ann.  Imp.  Occ.  ad.  a. 
794.  H.  Reuter,  Gesch.  d.  relig.  Aufklärung  im  Mittelalter  I  (1875)  S.  10 
bis  13.     Abdr.  Migne  XCVIII. 

3)  Ebert  II,  8  über  Karls  Verordnungen.  Simson  II,  567  über  das 
Sendschreiben  an  Baugulf.  Diekamp  im  Hist.  Jahrb.  V,  259  gegen  die  un- 
begründete Verdächtigung  desselben  durch  Harttung,  Dipl.  hist.  Studien. 
S.  319.  338  ff. 

4)  S.  oben  S.  153  Anm.  5. 


158  n.    Karolinger.    §  4.    Karl  der  Grofse. 

zeugt  der  erst  später  durch  Bologna  verdunkelte  Ruhm  der  Recht- 
schule von  Pavia. 

Ein  echt  karlischer  Gedanke  war  die  Stiftung  des  Erzbisthums 
Hamburg  an  der  Nordgrenze  seines  Reiches,  die  jedoch  erst  unter 
seinem  Nachfolger  zu  Stande  kam ;  aber  gerade  in  den  fernsten  Osten 
liefs  er  Alcuins  ebenbürtigen  Freund ,  Arn ,  den  Abt  von  St.  Amand, 
ziehen,  dem  Tassilo  785  das  Bisthum  Salzburg  verlieh1).  798  er- 
richtete er  hier  dann  ein  Erzbisthum,  welches  bestimmt  war,  ein 
fester  und  segensreicher  Mittelpunkt  in  politischer,  kirchlicher  und 
litterarischer  Beziehung  zu  werden.  Arn  erfüllte  seine  Mission  in 
vollem  Mafse;  aus  den  Urkunden  wie  aus  den  Briefen  Alcuins  an 
ihn2)  tritt  uns  das  Bild  des  bedeutenden,  nach  allen  Richtungen 
thätigen  Staatsmannes  und  Kirchenfürsten  klar  entgegen,  und  wenn 
ihm  auch  zu  schriftstellerischer  Thätigkeit  kaum  Zeit  blieb,  so  zeugen 
doch  seine  Bemühungen  für  die  Sammlung  eines  Bücherschatzes 
durch  Abschriften  von  seiner  Sorge  für  Schule  und  Lehre3)1,  wobei 
ihm  von  797  bis  801  Alcuins  Schüler  Wizo  hülfreich  zur  Seite 
stand.  Die  feindliche  Erhebung  des  mährischen,  dann  des  ungrischen 
Reiches,  die  Errichtung  selbständiger  Metropolen  im  Osten,  haben 
Salzburg  nicht  zu  seiner  vollen  Entwickelung  gelangen  lassen,  doch 
auch  in  dieser  Beschränkung  ist  die  Stiftung  des  bairischen  Erz- 
bisthums von  den  bedeutendsten  Folgen  gewesen. 

Ein  wunderbarer  Erfolg  krönte   diese  Bemühungen  Karls,  und 

*)  Karls  Zustimmung  war  ohne  Zweifel  erforderlich,  um  so  mehr,  da 
Arn  die  Abtei  Saint-Amand  behielt.  Zu  A.  Huber:  Ueber  das  Vorleben 
Arno's  im  Arch.  d.  W.  Akad.  XLVII,  197 — 217,  ist  zu  bemerken,  dafs  in 
der  Urk.  v.  779  (Meich.  n.  57)  dd  David  und  nicht  archidiaconus  bedeutet, 
der  Diakon  Arn  ein  anderer  ist,  und  dafs  in  d.  Urk.  v.  776  (Meich.  n.  48) 
nobis  auf  den  Aussteller  Bisch.  Aribo  geht,  und  also  für  die  Verwandtschaft 
Arns  nichts  austrägt.     Vgl.  auch  Graf  Hundt  a.  a.  0.  S.  187. 

2)  Leider  sind  uns  keine  Briefe  von  Arn  an  Alcuin  erhalten,  Bibl.  VI, 
870  ein  hübscher  Brief  von  ihm  an  Cuculus,  wie  ein  leichtfertiger  Schüler 
Alcuins,  wahrscheinlich  Dodo,  genannt  wurde.  Wichtige  urkundliche  Quellen 
aus  seiner  Zeit  sind  lndiculus  Arnonis  und  Breves  notitiae  Salzburg enses ,  nach 
den  bekannten  und  bisher  unbenutzten  Handschriften  herausgegeben  und 
mit  Erläuterungen  versehen  von  Friedrich  Keinz,  München  1869;  vgl. 
meine  Anzeige  in  d.  Heidelb.  Jahrbb.  1870  S.  20 — 25. 

3)  Mehr  als  150  Bücher  liefs  er  nach  Angabe  des  Necrologs  schreiben, 
MG.  SS.  IX,  770;  vgl.  Alcuins  Brief  Frob.  76.  Bibl.  VI,  525.  Darunter 
ein  Formelbuch,  herausgegeben  von  Rockinger,  Quellen  zur  bayerschen 
Geschichte,  Bd.  VII,  von  De  Roziere,  Revue  hist.  de  droit  francais  et 
ctranger,  1859,  nach  der  Münchener  und  Kopenhagener  Handschrift.  Ueber 
Arn  Büdingers  Oesterreichische  Geschichte  I,  147  ff.,  über  Wizo  149;  Allg. 
D.  Biogr.  I,  573.  Zeifsberg,  Alcuin  und  Arno,  Zeitschrift  für  österreichische 
Gymnasien,  1862,  S.  85 — 98.  Derselbe,  Arno,  erster  Erzbischof  von  Salz- 
burg, Wiener  SB.  (1863)  XLIII,  305-381.  W.  Giesebrecht,  Königsannalen 
S.  199—202:  vgl.  unten  §  9. 


Alcuin.  ^59 

er  hatte  das  Glück,  die  Früchte  seiner  Mühen  noch  selbst  zu  er- 
leben. Wie  ein  Phänomen  in  dunkelster  Nacht  erscheint  plötzlich 
die  Litteratur  des  neunten  Jahrhunderts;  nicht  nur  Geistliche,  auch 
Laien  schrieben  Bücher,  was  seit  Jahrhunderten  nicht  vorgekommen 
war,  und  Jahrhunderte  lang  nicht  wieder  vorkommt1). 

Denn  von  Dauer  war  dieser  Glanz  nicht;  er  verschwand  fast 
eben  so  plötzlich  wie  er  gekommen  war,  aufs  neue  bedeckte  Finster - 
nifs  das  Land,  aber  gerade  in  dieser  Finsternifs  bewährte  sich  die 
feste  Begründung  von  Karls  Schöpfungen.  So  viel  auch  wieder  ver- 
loren ging,  es  blieb  noch  immer  genug  übrig,  um  als  Grundlage  für 
alle  Folgezeit  zu  dienen.  Wir  haben  schon  oben  bemerkt,  dafs 
Karl  sein  Werk  nicht  erst  begann,  dafs  er  den  Boden  vorbereitet 
fand  durch  die  Befestigung  und  Ordnung  des  Staates,  durch  die 
Herstellung  der  Kirchenzucht,  und  dafs  er  nur  dadurch  im  Stande 
war,  so  fest  zu  bauen.  Es  regten  sich  auch  bereits  einige  Keime 
litterarischer  Thätigkeit,  als  er  auftrat,  aber  ihre  rasche  und  glän- 
zende Entfaltung  ist  doch  ganz  sein  Werk,  und  nicht  mit  Unrecht 
sagte  man  im  Mittelalter  von  ihm,  dafs  er  den  Sitz  der  Studien 
von  Rom  nach  Paris  verpflanzt  habe2).  Zu  einer  Zeit,  wo  die  Pa- 
riser Universität  als  der  Mittelpunkt  der  Wissenschaft  betrachtet 
wurde,  galt  er  für  den  Stifter  derselben.  In  dieser  Form  sprach 
sich  der  richtige  Gedanke  aus,  dafs  Karl  der  Stifter  einer  neuen 
Culturperiode  gewesen  war. 

§  5.    Alcuin. 

Alcuini  Opera  ed.  Frobenius  (Proben  Forster,  Fürst-Abt  zu  St.  Emmerain),  4  Bände,  fol. 
Ratisb.  1777.  Danacb  bei  Migne,  C.  CI.  Neue  Ausgabe  der  Briefe  u.  hist.  Schriften 
nach  Jaffe's  Vorarbeit  von  Dümmler  und  Wattenbach,  Bibl.  VI.  1873.  AIcuins  Leben 
von  F.  Lorentz,  Halle  1829.  Monnier,  Alcuin  et  Charlemagne,  Paris  1853.  1863. 
.7,  Bass  Mullinger,  The  schools  of  Charles  the  Great  and  the  restoration  of  education 
in  the  ninth  Century,  London  1877.  A.  F.  Thery,  l'Ecole  et  l'Academie  Palatines. 
Alcuin,  Amiens  1878.  Dümmler,  Art.  Alcuin,  Allg.  D.  Biogr.  I,  343  —  348.  K.Werner, 
Alcuin  u.  sein  Jahrh.  2.  Ausg.  1881.  Ganz  fabelhafter  Brief  über  die  Herkunft  der 
Beneveutaner  unter  AIcuins  Namen  NA.  I,  169  —  172.  —  Vgl.  Ebert  II,  12—36.  Cantor, 
Gesch.  f.  Mathematik  I,  712—721.     Hauck  II,  119-145. 

*)  Zu  warnen  ist  vor  dem  immer  wieder  (noch  von  Prantl  und 
L.  Maitre)  angeführten  unechten  Diplom  über  die  Errichtung  griechischer 
und  lateinischer  Schulen  in  Osnabrück,  dessen  Unechtheit  zuletzt  wieder 
von  R.  Wilmans,  Kaiserurkunden  d.  Provinz  Westfalen,  s.  besonders  S.  368, 
und  Sickel,  Acta  Carol.  II,  428  nachgewiesen  ist.  Auch  Bass  Mullinger 
wiederholte  S.  70  unbekümmert  die  alte  Fabel,  hat  sich  aber  in  der  Revue 
hist.  X,  183  selbst  berichtigt. 

2)  Zuerst  bei  Jordanus  de  praerogativa  Romani  imperii,  ed.  Waitz  p.  70. 
In  Vincentii  Bellovac.  Speculo  hist.  XXIII,  173  und  daraus  bei  Mart.  Oppav. 
wird  Alcuin  die  Verlegung  des  Studiums  von  Rom  nach  Paris  beigelegt. 
Vgl.  auch  G.  Paris,  Hist.  poetique  de  Charlemagne  p.  66. 


160  II.    Karolinger.     §5.    Alcuin. 

Alchuine,  wie  die  ursprüngliche  Form  lautete,  oder  Alcuin, 
nannte  sich  gern  in  mehr  lateinisch  klingender  Form  Albinus.  Ver- 
wandt mit  Willibrord,  dessen  Leben  er  auch  beschrieben  hat,  wurde 
er  um  das  Jahr  735  in  York  geboren.  Seine  Bildung  verdankte  er 
der  ausgezeichneten  Domschule  in  seiner  Yaterstadt  unter  der  Lei- 
tung Egberts,  der  seit  732  Erzbischof  war,  und  Aelberts,  der  Alcuin 
mit  sich  nach  Rom  nahm,  als  er  nach  der  Sitte  dieser  Angelsachsen 
dahin  reiste,  um  Handschriften  auf  dem  dortigen  Markte  zu  erwer- 
ben, der  noch  immer  bedeutend  und  damals  wohl  der  einzige  im 
Abendland  war.  Im  Jahre  766  wurde  Aelbert  zum  Erzbischof  er- 
hoben, und  Alcuin  folgte  ihm  in  der  Leitung  der  Domschule.  Der 
Auftrag,  für  Eanbald  das  erzbischöfliche  Pallium  vom  päbstlichen 
Hofe  zu  holen,  führte  ihn  781  wieder  nach  Rom,  und  auf  dieser 
Reise  war  es,  wo  er  zu  Parma  mit  Karl  zusammentraf,  an  den  er 
schon  früher  einmal  eine  Botschaft  gebracht  hatte1),  und  von  ihm 
die  Einladung  erhielt,  welche  ihn  vermochte,  im  folgenden  Jahre 
mit  seinen  Schülern   Wizo2),   Fridugis3)   und   Sigulf4)   an  Karls  Hof 


!)  Vita  c.  6.  Dass  der  773  von  Karl  an  den  Pabst  geschickte  Albi- 
nus Alcuin  gewesen  wäre,  wie  Jaffe  p.  144  n.  1  annimmt,  scheint  mir  un- 
möglich. Leibniz  Ann.  Imp.  I,  40  hält  ihn  nach  Albericus  für  den  Bischof 
von  Angers. 

?)  Genannt  Candidus,  von  797—801  bei  Arn  in  Salzburg. 

3)  Genannt  Nathanael,  von  819 — 832  Kanzler;  wahrscheinlich  führte 
er  das  bessere  Latein  in  die  Kanzlei  ein  und  veranlafste  vielleicht  die 
Sammlung  der  Carpentierschen  Formeln  in  tiron.  Noten,  jetzt  MG.  Formu- 
lae  p.  285  als  Formulae  imperiales  e  curia  Lud.  Pii;  vgl.  Sickel  Acta  Kar. 
I,  89—95  u.  160,  B.  Simson,  Ludw.  d.  Fr.  II,  235—238.  Max  Ahner,  Fre- 
degis  von  Tours,  Leipz.  1878.  Ueber  seine  Schrift  de  nihüo  et  de  tenebris 
Prantl,  Gesch.  d.  Logik  im  Abendland  II,  17 — 19:  Reuter,  Gesch.  d.  relig. 
Aufklärung  im  Mittelalter  I,  274;  Ebert  II,  221.  Er  war  Alcuins  Nachfolger 
als  Abt  von  St.  Martin,  wo  Canoniker  an  die  Stelle  der  Mönche  traten  und  die 
Schule  verfiel;  wenigstens  ist  in  schroffem  Gegensatz  gegen  Alcuins  Zeit  kein 
Schüler  bekannt.  Bei  Herolds  Taufe  in  Mainz  erscheint  er  mit  seinen 
Schülern.  Bücher  schrieb  unter  ihm  und  für  ihn  Adalbaldus  presb.,  der 
sich  arlifex  nannte,  Delisle,  Notice  des  Mss.  de  Tours,  p.  81 — 83;  L'ecole 
calligr.  de  Tours  p.  20.  Desnoyers  u.  Delisle  in  Comptes  rendus  des 
Seances  de  TAcad.  des  Inscr.  1886  mit  Monogramm.  Album  pal.  pl.  21. 
Ein  sehr  schlechtes  Andenken  hinterliefs  er  in  St.  Bertin,  wo  er  gleichfalls 
Abt  war,  s.  Folcwini  Gesta  abb.  S.  Bert.  MG.  SS.  XIII,  614,  und  daraus 
in  Folcards  V.  S.  Bertini  und  bei  Bovo,  De  elevatione  S.  Bertini.  Nach 
seinem  Tode  834  folgte  in  St.  Martin  Adelard,  unter  dem  durch  Amalrich, 
der  849  Erzb.  v.  Tours  wurde,  die  Schule  wieder  aufblühte  (vgl.  unten 
§  20).     Dann  folgt  845  Graf  Vivian  als  erster  Laienabt. 

4)  Genannt  Vetulus,  später  als  Alcuins  Nachfolger  Abt  von  Ferneres 
und  Stifter  der  dortigen  Schule.  Er  räumte  seinen  Platz  Adalbert,  der 
die  Bened.  Regel  einführte,  und  wurde  selbst  unter  ihm  Mönch;  dann 
folgt  Alderich  bis  829,  Odo,  der  abgesetzt  wird,  an  dessen  Stelle  22.  Nov. 
842  Lupus  tritt. 


Alcuin  im  Frankenreich.  1(31 

zu  kommen;  die  Einkünfte  der  Abteien  zu  Ferneres  und  des  heiligen 
Lupus  zu  Troyes  sicherten  ihm  hier  eine  ansehnliche  Stellung,  wäh- 
rend er  in  der  Hofschule  vor  alten  und  jungen  Zuhörern  seine  Vor- 
träge hielt.  Auch  hier  war  es  durchaus  nicht  allein  auf  dilettan- 
tische Belehrung  der  Hofleute  abgesehen,  sondern  die  vielen  Söhne 
vornehmer  Franken,  welche  nach  alter  Sitte  zur  Erziehung  an  den 
Hof  gebracht  wurden,  erhielten  hier  alles  Ernstes  ihre  Ausbildung 
zu  Staatsmännern  und  Bischöfen.  Nach  Alcuins  eigener  Angabe  war 
sein  vorzüglichster  Beweggrund  nicht  etwa  wissenschaftlicher  Eifer, 
sondern  die  Sorge  für  Aufrechterhaltung  der  kirchlichen  Orthodoxie 
im  Frankenreiche1),  wie  denn  überhaupt  der  kirchliche  Standpunkt 
bei  ihm  durchaus  mafsgebend  ist. 

Im  Jahre  789  kehrte  Alcuin  nach  England  zurück;  aber  die 
heftigen  Streitigkeiten  über  Adoptianismus  und  Bilderverehrung  ver- 
anlafsten  Karl,  ihn  von  neuem  dringend  einzuladen,  und  die  inneren 
Unruhen,  welche  England  zerrissen  und  Alcuin  sogleich  wieder  in 
die  ihm  verhafsten  politischen  Händel  verflochten  hatten,  machten 
diesen  geneigt,  seine  Heimath  zu  verlassen.  Er  erschien  794  auf 
dem  zu  Frankfurt  gegen  Felix  und  Elipand  versammelten  Concil 
als  Abgesandter  der  englischen  Kirche  und  bewährte  sich  durch 
mehrere  Schriften  als  tapferer  Streiter  gegen  die  Irrlehren2);  noch 
zog  es  ihn  zurück  in  sein  Vaterland,  aber  die  Ermordung  Ethelreds 
796  verleidete  ihm  die  Heimkehr,  und  von  nun  an  widmete  er  sich 
ganz  dem  Frankenreiche.  Nach  Iterius  Tod  erhielt  er  796  die  Abtei 
des  heiligen  Martin  zu  Tours,  der  er  bis  zu  seinem  Tode,  am 
19.  Mai  804,  vorstand.  Dem  unruhigen  Getreibe  des  Hofes  fern, 
entfaltete  er  hier  die  segensreichste  Thätigkeit  und  bildete  eine 
aufserordentliche  Zahl  von  Zöglingen ,  welche  im  ganzen  weiten 
Reiche  Karls  neue  Stätten  wissenschaftlicher  Thätigkeit  begründeten. 
Seinen  Schüler  Wizo  schickte  er  nach  England,  um  Bücher  zu 
holen,  die  er  zu  Tours  durch  zahlreiche  und  sorgfältige  Abschriften 
vervielfältigen  liefs.  Zugleich  aber  blieb  er  in  fortwährender  Ver- 
bindung mit  Karl,  der  ihm  das  gröfste  Vertrauen  schenkte.  Als 
unschätzbares  Denkmal  ist  uns  seine  Brief  Sammlung  erhalten, 
welche    zu   den   wichtigsten  Quellen    für   die  Geschichte   dieser  Zeit 

2)  Ep.  35  u.  140  bei  Jaffe,  Bibl.  VI,  255  u.  541,  u.  daraus  Vita 
c.  5,  p.  16. 

2)  Ueber  seine  Bekämpfung  des  Adoptianismus  s.  Gröfsler,  Die  Aus- 
rottung des  Adopt.  im  Reiche  Karls  d.  Grofscn,  Progr.  d.  Gymn.  zu  Eis- 
leben 1879.  Ob  die  libri  Carolini  (oben  S.  157)  von  ihm  verfafst  sind,  ist 
zweifelhaft;  vgl.  die  Anm.  von  Dümmler,  Bibl.  VI,  222.  Ueber  den  ganzen 
Gegenstand  Hauck  II,  283—299. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  11 


]62  II-    Karolinger.     §  5.    Alcuin. 

gehört,  wenn  gleich  der  stoffliche  Inhalt  geringer  ist,  als  wir  wün- 
schen möchten.  Die  gröfste  Masse  ist  ans  den  letzten  Jahren,  in 
welchen  Alcuins  Frömmigkeit  immer  mehr  überhand  nahm,  und 
fromme  Ermahnungen  sind  in  hohem  Grade  vorherrschend.  Eben 
diese  gaben  in  jenen  Zeiten  Anlafs,  sie  als  Vorbilder  zu  sammeln 
und  abzuschreiben;  es  zeugt  aber  von  der  hohen  Bedeutung  des 
Mannes,  dafs  nicht  wie  bei  anderen  Briefsammlungen,  die  Haupt- 
inasse einem  Conceptbuch  des  Verfassers  entstammt,  sondern  wie 
Sickel  nachgewiesen  hat,  seine  Schüler  und  Verehrer,  ein  Arno, 
Adalhard,  Angilbert,  dazu  Angelsachsen  es  gewesen  sind,  welche 
die  ihnen  zugänglichen  Briefe  sammelten  und  dadurch  vor  dem 
Untergang  bewahrten1). 

Viel  und  gern  versuchte  Alcuin  sich  auch  in  Gedichten,  welche 
freilich  sehr  incorrect,  aber  doch  nicht  ohne  Leichtigkeit  im  Aus- 
druck und  gefällige  Anmuth  sind2).  Sie  bieten  uns  manchen  Einblick 
in  die  Zustände  der  Zeit,  und  das  umfangreichste  darunter,  über 
die  Bischöfe  der  Kirche  zu  York,  reich  an  schönen  Stellen  und  be- 
lebt durch  die  warme  Liebe  zur  Heimath,  gewährt  mannigfache 
Belehrung  über  die  Stiftschule  zu  York  und  Alcuins  Leben  vor 
seiner  Berufung  nach  Frankreich3).  Seine  übrige  schriftstellerische 
Thätigkeit  dagegen  war  mehr  auf  Theologie,  Philosophie4)  und  Gram- 
matik5) gerichtet  als  auf  Geschichte.  Sein  lateinischer  Stil,  der 
noch  sehr  fehlerhaft  ist  und  von  seinen  eigenen  Schülern  bald 
übertroffen  wurde,  fand  bei  seinen  Zeitgenossen  hohe  Bewunderung; 

*)  Neue  Ausgabe  Bibl.  VI,  132  ff.  Vgl.  Sickel,  Hist.  Zeitschr.  XXXII, 
355—365,  u.  Alcuinstudien  I,  Wiener  SB.  LXXIX,  461  ff.  Ein  Facs.  aus 
Harl.  208  in  Thompson's  Catal.  of  ancient  Lat.  mss.  (1884)  pl.  51,  Beschr. 
S.  86;  S.  87  von  Reg.  8.  E.  XV.  Einen  Brief  über  Felix,  vermuthlieh  an 
Theodulf  gerichtet,  hat  Loewenfeld  gefunden  und  Bibl.  de  FEcole  des 
Chartes  XLII  herausgegeben  (s.  NA.  VII,  242).  —  Dümmler,  Alchvin- 
studien,  Berl.  SB.  1891,  S.  495 — 523  als  Vorbereitung  der  neuen  Ausgabe. 

2)  Ausg.  von  Dümmler,  Poet.  Lat.  I,  160—351,  cf.  II,  690—693.  Die 
S.  692  nachgetragenen  sind  aber  von  Prosper,  s.  Manitius.  NA.  XI,  553; 
von  dems.  ib.  S.  558  Anklänge  in  Alcuins  Gedichten.  Vgl.  Traube,  Karol. 
Dichtungen,  S.  47 — 51,  61 — 110.  A.  Largeault,  Inscriptions  metr.  coni- 
posees  par  et  pour  les  monasteres  de  St.  Hilaire  de  Poitiers  et  de  Nouaille 
(Poitiers,  Guillois  1885);  darüber  u.  dazu  Traube,  NA.  XIX,  447.  J.  B.  de 
Rossi:  L'inscription  du  tombeau,  d'Hadrien  I  (von  Alcuin)  Extr.  des  Mel. 
d'archeol.  et  d'hist.  publ.  par  l'Ecole  franc.  de  Rome,  1888,  mit  Berichti- 
gungen zu  A.'s  Gedichten.     Vgl.  NA.  XIV,  447. 

3)  Bibl.  VI,  80—131;  Poet.  Lat.  I,  169—206. 

4)  Vgl.  Prantl,  Gesch.  d.  Logik  II,  14-17. 

5)  Jos.  Zechmeister:  Scholia  Vindobonensia  ad  Horatii  Artem,  Vind. 
1877,  glaubt  diese  Alcuin  oder  seiner  Schule  zuschreiben  zu  können,  aber 
der  Stil  erscheint  mir  sehr  verschieden.  S.  15,  23  1.  colantes  culices,  nicht 
volantes. 


Alcuins  Schriften.  Jß3 


und  auf  Bitten  Angilberts  bearbeitete  er  das  Leben  des  h.  Richarius, 
auf  den  Wunsch  des  Abtes  Rado1)  das  Leben  des  h.  Vedastus. 
Bei  beiden  beschränkte  er  sich  auf  Glättung  und  Ausschmückung 
der  überlieferten  Darstellungen,  und  der  erbauliche  Zweck  ist  die 
Hauptsache,  wie  nicht  minder  auch  in  dem  schon  oben  (S.  132) 
erwähnten  Leben  des  h.  Willibrord.  Dafs  man  ihm  auch  ein  Leben 
Kaiser  Karls  zugeschrieben  hat,  beruht  auf  einer  Verwechselung  mit 
Einhard. 

In  seinen  alten  Tagen  versank  Alcuin  mehr  und  mehr  in  Fröm- 
melei, und  das  Studium  Vergils,  den  er  selbst  einst  eifrig  nachzu- 
ahmen gestrebt  hatte,  verwarf  er  später  als  höchst  gefährlich,  we- 
nigstens für  Mönche2). 

Fast  zwanzig  Jahre  waren  schon  seit  Alcuins  Tod  vergangen, 
als  auf  den  Wunsch  eines  Abtes,  wahrscheinlich  des  Abtes  Alderich 
von  Ferneres,  der  unter  Alcuin  dort  Mönch  geworden  war,  und  829 
das  Erzbisthum  Sens  erhielt,  nach  Benedicts  von  Aniane  Tod 
(11.  Feb.  821),  ein  Schüler  Sigulfs,  dem  nach  Alcuins  Tod  die  Abtei 
zugefallen  war,  es  unternahm,  das  Leben  Alcuins  zu  beschreiben. 
Gesehen  hatte  er  selbst  ihn  nicht  mehr,  aber  Sigulf  hatte  ihm  viel 
erzählt,  und  das  ist,  aufser  dem  Briefwechsel  über  den  Adoptianis- 
mus,  seine  einzige  Quelle.  Daher  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dafs 
wir  hier  viel  von  Alcuins  Frömmigkeit,  von  Askese  und  von  Wun- 
dern finden,  keineswegs  aber  ein  Bild  seiner  fruchtreichen  Thätigkeit 
in  den  Jahren  seiner  Kraft.  Erbauung  für  Mönche  ist  der  Zweck 
des  Büchleins,  und  dem  entspricht  es  leider  nur  zu  sehr.  Doch 
finden  sich  darin  auch  manche  nicht  unwichtige  Nachrichten  vor- 
züglich über  seine  Jugendzeit,  welche  wir  dankbar  annehmen 
müssen.  Die  Sprache  ist  im  damaligen  Schulgeschmack  gesucht 
und  mit  frommem  Schmuck  überladen3). 

§  6.    Paulus  Diaconus. 

Sein  Leben  ist  erst  genauer  bekannt  geworden  durch  die  von  Lebeuf  entdeckten  und  in 
der  Dissertation  sur  l'lüstoire  de  Paris  1739  herausgegebeneu  Gedichte,  ßethmann, 
Paulus  Diaconus  Leben  und  Schriften,  Archiv  X,  247—334.  Bethmann,  Die  Ge- 
schichtschreibung der  Langobarden,  ib.  335—414.  Langob.  Regesten,  nach  Beth- 
manns  Nachlafs  bearb.  v.  Holder-Egger,  NA.  III,  225-318.  L.Ranke,  P.  D.  Ges. 
Werke  LI,  77-92.     F.  Dann,  Des  Paulus  D.  Leben  u.  Schriften,   1876  (die  Gedichte 

!)  Für  diesen,  Karls  Kanzler  (Sickel  I,  80),  ist  auch  die  jetzt  in  Wien 
verwahrte  Biblia  Radonis  geschrieben. 

2)  Diese  Ansicht  bekämpft  Ebert  II,  345,  allein  mir  erscheinen  die  An- 
gaben der  Vita  c.  10  zu  bestimmt  und  zuverlässig  überliefert,  als  dafs  wir 
sie  verwerfen  dürften. 

3)  Neue  Ausg.  Bibl.  VI,  1-34.    MG.  SS.  XV,  I,  182-197,  von  Arndt. 

11* 


Iß4  II-    Karolinger.     §  G.    Paulus  Diacorms. 

in  sehr  schlechten  Texten).  Vgl.  die  Anz.  von  G.  Waitz,  GGA.  1876  S.  1513—1523. 
Ebert  II,  36-56.  Bursian,  Gesch.  d.  Philol.  I,  19.  Balzani  S.  66-90.  Pasq.  Del. 
Giudice  1880,  wiederholt  in:  Studi  di  storia  e  diritto  (1890)  S.  1-43.  -  Die  Ge- 
dichte Poet  Lat.  I,  27-86,  vgl.  NA.  IV,  102-112.  573.  X,  165.  XVII,  397-401. 
Traube,  Karol.  Dicht.  S.  62.  63.  NA.  XV,  199  (Die  Verse  „Multa  legit"  zu  streichen). 
Ein  grammat.  Gedicht  Poet.  lat.  I,  625  —  628,  vgl.  II,  698.  Der  Lobgesang  auf  den 
h.  Mercur  kann  nach  Dümmler  nicht  von  P.  D.  herrühren,  vgl.  Dahn  S.  17. 

Wie  die  Gothen,  so  bewahrten  auch  die  Langobarden  ihres 
Volkes  Urgeschichte,  die  alten  Sagen,  die  Grofsthaten  der  Väter, 
besonders  aber,  worauf  sie  den  gröfsten  Werth  legten,  die  Folge 
und  Verwandtschaft  der  Geschlechter,  in  ihren  Liedern,  die  sich 
mündlich  vom  Vater  auf  den  Sohn  vererbten.  Sie  aufzuzeichnen, 
keine  leichte  Arbeit,  mochte  überflüssig  erscheinen,  so  lange  sie 
noch  irn  Volke  lebten;  doch  gegen  das  Ende  des  siebenten  Jahr- 
hunderts, um  670  hat  ein  Langobarde  aus  ihnen  die  Geschichte 
seines  Volkes  entnommen,  und  der  Langobarden  Herkunft,  wie 
man  davon  sagte  und  sang,  in  kurzen  und  schlichten  Worten  be- 
richtet; in  Umrissen  nur,  nicht  in  ausführlicher  Erzählung,  aber 
was  er  uns  giebt,  ist  unberührt  von  der  fremden  Gelehrsamkeit, 
welche  die  gothischen  und  fränkischen  Sagen  entstellt  hat1).  Man 
hatte  darin  doch  etwas  mehr  als  in  dem  kahlen  Königsverzeichnifs, 
welches  König  Rothar  643  seinem  Gesetzbuch  vorangestellt  hatte; 
des  Volkes  Aelteste,  welche  das  Recht  sprachen  und  das  Andenken 
der  Vergangenheit  festhielten ,  trugen  darum  auch  dieses  Schriftchen 
in  ihr  Rechtsbuch  ein,  wie  wir  das  so  häufig  wiederfinden  in  den 
Handschriften  des  Mittelalters,  bei  den  Gesetzen  der  Westgothen 
und  Franken  so  gut  wie  beim  Sachsenspiegel. 

Es  gab  freilich  damals  bereits  auch  eine  andere  Geschichte  der 

r)  Origo  Genua  Langobardorum,  zuerst  in:  Edicta  regum  Langobardo- 
rurn  ed.  opera  et  studio  Caroli  Baudi  di  Vesme,  Aug.  Taur.  1855,  vgl. 
p.  LXXI  bis  LXXX1I.  Ausg.  v.  F.  Bluhme  mit  Chron.  Goth.  1868  in  MG. 
Legg.  IV,  641 — 647.  Ausg.  v.  Waitz,  SS.  Lang  1 — 6  (verwirft  die  früher 
mit  Baudi  de  Vesme  angenommene  erste  Abfassung  unter  Rothari).  — 
Uebersetzung  von  Abel  bei  P.  D.  S.  1—8;  vgl.  Bethmann  S.  351—365 
und  über  die  Sagen  im  Allgemeinen  S.  335—349.  Hieraus  geschöpft,  aber 
erweitert  auch  mit  Benutzung  des  Isidor,  und  mit  einer  Lobrede  auf  Karl 
und  Pippin  versehen  ist  das  c.  810  geschriebene  sog.  Chron.  Gotlianum, 
d.  h.  aus  der  einst  Fulder,  jetzt  Gothaer  Handschr.  der  Volksrechte,  in 
sehr  barbarischer  Form  und  Sprache;  als  Histona  Langobardorum  codicis 
Gothani  bei  Waitz  S.  7 — 11.  Fragm.  aus  einer  and.  Hs.  bei  Calligaris,  s. 
unten.  Platner,  Forsch.  XX,  172,  vermuthet  erste  Abfassung  der  Origo 
im  6.  Jahr  Agilulfs  (597),  weil  nur  so  weit  im  Chron.  Goth.  benutzt. 
Mommsen,  NA.  X,  74  ff.  sieht  in  der  Origo  einen  Auszug  aus  dem  Werke 
des  Secundus  mit  einer  Fortsetzung,  aus  diesem  habe  auch  Paulus  geschöpft; 
aber  mir  erscheinen  die  Gegengründe  von  Waitz  ib.  S.  421  überwiegend. 
Für  Mommsen  L.  Schmidt,  Zur  Gesch.  d.  Langobarden  (Diss.  Lips.  1885), 
NA.  XIII,  236.  391—394. 


Litteratur  der  Langobarden.  165 

Langobarden,  verfafst  von  dem  Knechte  Gottes  Secundus,  Abt 
in  Trient  (f  612),  aller  Wahrscheinlichkeit  nach,  wie  R.  Jacobi  be- 
merkt, demselben,  welcher  in  Pabst  Gregors  I  Briefe  vorkommt1); 
wir  kennen  sie  aber  nur,  weil  Paulus  ihrer  gedenkt,  und  sie  scheint 
wenig  Verbreitung  gefunden  zu  haben.  Ein  so  frommer  Mann  rö- 
mischer Abkunft  erzählte  schwerlich  von  Wodan  und  Freia,  und  mit 
der  römischen  Bildung  haben  die  Langobarden  sich  nur  sehr  lang- 
sam befreundet.  Ein  Römer  scheint  es  auch  gewesen  zu  sein,  der 
im  Jahre  641  die  oben  S.  84  erwähnte  Fortsetzung  des  Prosper 
verfafste.  Von  litterarischer  Thätigkeit  im  langobardischen  Reiche 
finden  sich  weiter  keine  Spuren,  man  müfste  denn  etwa  des  Abtes 
Jonas  von  Susa  Schriften,  deren  wir  schon  oben  (S.  118)  gedachten, 
dazu  rechnen,  der  aber  auch  ein  Romane  war.  Sonst  liegt  noch 
ein  um  698  verfafstes  rhythmisches  Gedicht  in  rohester  Form  vor, 
in  welchem  ein  Magister  Steffan  den  König  Kunincpert  feiert,  der 
das  Schisma  von  Aquilegia  beendigt  hatte;  auch  seiner  Vorfahren, 
die  Arianer  und  Juden  verfolgten,  wird  rühmend  gedacht2).  Nicht 
minder  roh  in  der  Form  ist  eine  bald  nach  738  verfafste  rhyth- 
mische Beschreibung  von  Mailand,  worin  König  Liutprand  und 
Bischof  Theodor  gepriesen  werden3). 

Die  Grammatiker  jedoch,  welche  trotz  aller  Ungunst  der  Zeiten 
ihre  Thätigkeit  in  Italien  immer  fortgesetzt  hatten,  fanden  allmäh- 
lich auch  unter  den  Langobarden  Schüler,  und  als  deren  Herrschaft 
sich  ihrem  Ende  nahte,  da  hatten  sie  dem  fremden  Volke  bereits 
seinen  Geschichtschreiber  erzogen,  der,  wie  Jordanis,  nach  dem 
Sturze  des  Reiches  wenigstens  das  Andenken  desselben  für  die  Nach- 
welt bewahrte. 

Paulus,  des  Warnefrid  Sohn,  aus  einem  edlen  Langobarden- 
geschlechte,  das  im  Friaul  begütert  war,  um  720  geboren,  wurde 
wahrscheinlich  nach  alter  deutscher  Sitte  am  Hofe  des  Ratchis 
(744 — 749)  zu  Pavia  erzogen;  als  seinen  Lehrer  nennt  er  den  Gram- 
matiker Flavianus ,  dessen  er  noch  in  seinem  hohen  Alter  mit  Liebe 


x)  R.  Jacobi,  Quellen  der  Langobardengeschichte,  S.  63 — 84,  stellt  zu- 
sammen, "was  er  von  Paulus  Werk  für  Secundus  in  Anspruch  nehmen  zu 
können  glaubt,  und  bekämpft  Bethmanns  Meinung,  dafs  der  Contin.  Pros- 
peri  Havn.  ihn  gekannt  habe.  L.  Schmidt  hält  sein  Werk  für  eine  annali- 
stische Fortsetzung  des  Prosper. 

2)  Aus  2  Hss.  aus  Bobio  bei  Oltrocchi,  Eccl.  Medol.  hist.  Ligustica 
(1795)  II,  536.  579.  624  mit  ausführlichem  Commentar.  Waitz,  SS.  Lang, 
p.  189—191.     Paulus  D.  hat  es  nicht  gekannt.     Manitius  S.  397. 

3)  Neu  herausgeg.  v.  L.  Traube,  Karol.  Dicht.  S.  119 — 122.  Manitius 
S.  398. 


166  II.    Karolinger.     §  6.    Paulus  Diaconus. 

gedenkt1).  Auch  dein  König  Desiderius  soll  Paulus  lieb  und  werth 
gewesen  sein ,  und  wenn  auch  die  Zeugnisse  dafür  unzuverlässig 
sind,  so  ist  es  doch  an  sich  sehr  wahrscheinlich,  dafs  er  in  der 
königlichen  Kanzlei  Beschäftigung  fand  und  eben  dadurch  in  ein 
so  nahes  Verhältnifs  zu  der  Herrscherfamilie  trat.  Im  J.  763  ver- 
fafste  er  rhythmische  Verse  über  die  sechs  Weltalter,  welche  akro- 
stichisch die  Worte  Adelperga  pia  enthalten2),  den  Namen  der 
Tochter  des  Desiderius,  welche  seine  Schülerin  war;  dieser  und 
ihrem  Gemahl  Arichis  war  er  mit  der  wärmsten  Anhänglichkeit  und 
Freundschaft  ergeben ,  und  an  ihrem  Hofe  zu  Benevent  fand  er  eine 
Zuflucht  nach  dem  Falle  des  Reiches  von  Pavia,  wenn  er  nicht 
schon  früher  die  Königstochter  dahin  begleitet  hatte.  Für  sie  ver- 
fafste  er  hier  seine  Römische  Geschichte  bis  auf  Justinian, 
deren  wir  schon  oben  (S.  52)  gedachten3).  Er  hatte  der  wifs- 
begierigen  Königstochter  den  Eutrop  zu  lesen  gegeben,  in  welchem 
sie  aber  jede  Erwähnung  der  jüdischen  und  christlichen  Geschichte 
vermifste.  Deshalb  versah  er  das  Werk  mit  Zusätzen  und  mit  einer 
Fortsetzung  aus  verschiedenen  Quellen,  und  das  Geschick  nebst  der 
umfassenden  Litteraturkenntnifs ,  womit  er  diese  Arbeit  ausführte, 
hat  lebhafte  Anerkennung  bei  Th.  Mommsen  gefunden,  auf  dessen 
Anordnung  die  Ausgabe  von  H.  Droysen  die  Gestalt  von  Zusätzen 
zum  Eutrop  erhalten  hat4).  Den  zusammenhängenden  Text  des 
Paulus  dagegen  finden  wir  in  der  Octavausgabe. 

Um  diese  Zeit  dichtete  Paulus  auch  für  Arichis  die  Inschriften, 
womit  dieser  seine  glänzenden  Bauten  zu  Salerno  schmückte,  und 
die    Grabschrift    auf    die   Königin  Ansa5),    welche   774  nach  Frank- 


J)  Diesen  vermuthet  Luc.  Müller  in  einem  oft  angeführten  Grammatiker, 
Neue  Jahrbb.  f.  Philol.  XCIII  (1866),  561.  Dem  aber  widerspricht  sehr 
entschieden  H.  Hagen,  Anecdota  Helv.  p.  CLXIII. 

2)  Waitz  1.  1.  p.  13.     Poet.  Lat.  I,  35. 

3)  Wie  Del  Giudice  S.  25  f.  nachzuweisen  sucht,  war  er  schon  Mönch 
und  das  Langobardenreich  gefallen. 

4)  Von  geringem  Werth  ist  die  Bearbeitung  und  Fortführung  bis  813 
von  einem  unbekannten  Landulfus  Sagax  um  das  Jahr  [1000,  für  die 
spätere  Zeit  fast  ausschliefslich  aus  der  Kirchengeschichte  des  Anastasius 
geschöpft,  bekannt  als  Historia  miscella.  (Ausg.  v.  Fr.  Eyssenbardt,  Berl. 
1869).  Seine  Originalhs.  hat  Heinrich  II  dem  Kl.  Corvey  geschenkt  (Cod. 
Vat.  pal.  909).  —  Eutropi  Breviarium  ab  U.  C.  cum  versionibus  Graecis 
et  Pauli  Landolfique  additamentis,  rec.  H.  Droysen,  MG.  Auctt.  antiq.  II. 
1878,  4.  Pauli  Historia  Romana  in  usum  schol.  recusa,  Berl.  1879,  8.  Vgl. 
Waitz,  GGA.  1879,  S.  583-602.  H.  Droysen,  Zusammensetzung  der  H.  R., 
Forsch.  XV,  167—180.     Mommsen,  NA.   V,  53. 

5)  Neue  Ausgabe  von  Waitz,  SS.  Lang.  S.  191;  Dümmler,  Poet. 
Lat.  I,  45. 


LebeD  des  Paulus  Diaconus.  1(57 

reich    abgeführt    war,    und    deren    Todesjahr   unbekannt    ist.     Noch 
feiert  er  darin  Adelchis  als  die  Hoffnung  der  Langobarden. 

Wann  Paulus  in  den  geistlichen  Stand  eingetreten  ist,  dem  er 
seinen  Beinamen  Diaconus  verdankt,  wissen  wir  nicht;  ebenso  wenig, 
wann  er  in  dem  grofsen  Mutterkloster  des  Abendlandes  zu  Monte- 
cassino  das  Mönchsgelübde  abgelegt  hat;  vielleicht  führte  ihn  dorthin 
die  Anhänglichkeit  an  König  Ratchis,  der  hier  als  Mönch  seinen 
Weinberg  baute,  vielleicht  die  Noth  nach  der  Confiscation  der  Güter 
seiner  Familie.  Das  stille  Klosterleben  aber  gewann  bald  einen 
solchen  Reiz  für  Paulus  nach  den  traurigen  Zeiten,  die  er  durchlebt 
hatte,  dafs  er  die  heilige  Stätte  wohl  nicht  wieder  verlassen  haben 
würde,  wenn  nicht  die  politischen  Ereignisse  ihm  auch  hier  keine 
Ruhe  gelassen  hätten. 

Im  Jahre  776  nämlich  war  im  Friaul  ein  Aufstand  gegen  die 
Franken  ausgebrochen,  dem  vielleicht  Paulus  selbst  nicht  fremd  war, 
und  wohl  ohne  Zweifel  war  dies  die  Veranlassung ,  weshalb  sein 
Bruder  Arichis  gefangen  fortgeführt  wurde  und  sein  Vermögen  verlor. 
Lange  scheint  sich  Paulus  jeder  Annäherung  an  die  Franken  ent- 
halten zu  haben;  als  aber  Karl  781  nach  Rom  gekommen  war,  und 
in  der  Ordnung  der  italischen  Verhältnisse  seine  Mäfsiguug  und 
Milde  bewährt  hatte1),  da  richtete  Paulus,  sechs  Jahre  nach  jenem 
Ereignifs,  eine  Elegie  an  den  König,  worin  er  ihn  um  Gnade  für 
seinen  Bruder  bat2).  Damit  begab  er  selbst  sich  zum  Könige,  und 
schrieb  am  10.  Januar  783  von  den  Ufern  der  Mosel  einen  Brief  an 
seinen  Abt  Theudemar3),  worin  er  noch  den  festen  Entschlufs  aus- 
spricht, in  sein  Kloster,  nach  welchem  lebhafte  Sehnsucht  ihn  erfüllte, 
heimzukehren,  sobald  er  den  Zweck  seiner  Fürbitte  erreicht  habe. 
Er  rühmt  aber  sehr  die  gute  Aufnahme,  welche  er  gefunden  habe. 
Es  war  gerade  die  Zeit,  in  welcher  Karl  die  Gelehrten  aller  Länder 
an  seinem  Hofe  versammelte,  und  Paulus  liefs  sich  doch  bestimmen, 
einige  Jahre  an  dieser  ersten  frischen  Entfaltung  litterarischer  Thätig- 
keit  sich  zu  betheiligen.  Noch  haben  sich  Verse  erhalten,  welche  in 
Karls  Namen  Peter  von  Pisa  an  ihn  richtete4),  wo  in  scherzhafter 
Uebertreibung  seine  Gaben  und  Kenntnisse  gefeiert  werden.  Eben 
wolle  er  seine  Tochter  nach  Griechenland  verheirathen,  sagt  Karl, 
und  Paulus  solle  ihre  Begleiter  in  dieser  Sprache  unterweisen.     Be- 

1)  „Quod  raro  fieri  adsolet,  clementi  moderatione  victoriam  tempera- 
vit."     Pauli  Gesta  epp.  Mett.  p.  268. 

2)  Versus  ad  regem  precando,  wiederholt  bei  Waitz,  S.  15;  Poet. 
Lat.  I,  47. 

3)  Wiederholt  bei  Waitz,  S.  16. 

4)  Bei  Waitz  S.  17;  Poet.  Lat.  I,  48. 


168  II.    Karolinger.     §  6.  Paulus  Diaconus. 

scheiden  und  aufrichtig  lehnt  Paulus  die  Lobsprüche  und  den  Auf 
trag  ab,  und  ebenso  wenig  wird  er,  was  ihm  in  ähnlicher  Weise  zu- 
gemuthet  wurde,  die  Bekehrung  des  Dänenkönigs  Siegfried  versucht 
haben.  Einige  Kenntnifs  der  griechischen  Sprache,  welche  man  bei 
der  Nachbarschaft  nicht  gut  entbehren  konnte,  hatte  er,  wie  er 
selbst  sagt,  in  der  Schule  erworben,  aber  weit  wird  dieselbe  nicht 
gereicht  haben.  Er  dichtete  aber  Grabschriften  für  die  Königin 
Hildegard  (f  783)  und  für  deren  so  wie  für  Pippins  Töchter,  und 
verfafste  auf  Karls  Befehl  die  Homiliensammlung,  welche  der  Un- 
wissenheit der  Geistlichen  in  wirksamer  Weise  zu  Hülfe  kam1). 
Diese  wird  er  jedoch,  wie  Dahn  nachgewiesen  hat,  erst  in  Monte- 
cassino  ausgearbeitet  haben. 

In  eben  dieser  Zeit  schrieb  Paulus  auch  auf  Bitten  des  Bischofs 
Angilram  von  Metz  die  Geschichte  von  dessen  Vorfahren  auf  dem 
Stuhl  des  heiligen  Clemens2).  „Mit  besonderer  Ausführlichkeit  be- 
handelte er  darin*  die  Familie  und  die  Ahnen  Karls  des  Grofsen, 
vielleicht,"  wie  Bethmann  sagt,  „auf  dessen  eigenen  Wunsch  oder 
wenigstens  ihm  zu  Gefallen,  und  nicht  undeutlich  blickt  die  Absicht 

*)  Bethmann,  Arch.  X,  296  u.  301 ;  Poet.  Lat.  I,  68,  und  die  schönen 
Widmungsverse  eines  Exemplars  von  Ebrard  an  den  h.  Germanus,  Poet. 
Lat.  I,  432.  G.  Loeck:  Die  Homiliensammlung  des  P.  D.  als  unmittel- 
bare Vorlage  des  Otfridischen  Evangelienbuches,  Kieler  Diss.  1890. 

2)  Gesta  episcoporum  Mettensium  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  260 — 270.  Im 
Auszuge  übersetzt  bei  0.  Abel,  Einhards  Jahrbücher  S.  1 — 8.  Ueber  die  von 
Freher  benutzte  Hs.  (jetzt  in  Bremen)  Dümmler,  NA.  III,  187.  Andere 
nachgewiesen  im  Catal.  des  Mss.  des  Depart.  V,  p.  LXII.  Die  nach  Beth- 
manns  Vermuthung  im  Arch.  X,  294  von  ihm  herrührenden  Versus  de 
episcopis  Mettensibus  bis  auf  Angilram,  Poet.  Lat.  I,  60.  SS.  XIII,  303 — 305. 
—  Durch  weitere  Ausführung  mifs  verstanden  er  Worte  des  Paulus  entstand 
aus  den  Gesten  mit  Benutzung  des  Fredegar  und  seiner  Fortsetzer  unter 
Ludwig  dem  Frommen  die  Domus  Carolingicae  genealogia,  MG.  SS.  II,  308, 
XIII,  243  von  Waitz  als  Genealogia  regum  Francorum,  welche  nach  Bonnell, 
Die  Anfänge  S.  6  ff.  mit  Ludwigs  aquitanischem  Königreich  in  Verbindung 
steht,  indem  sie  ihm  romanische  Ahnen  giebt  und  an  südfranzösische 
Heilige  anknüpft.  Ueber  die  Leipz.  Hs.  Rethfeld,  NA.  XIII,  243.  Die 
Genealogia  S.  Amulß  ib.  ist  eine  Fälschung  von  Yignier,  NA.  XI,  631. 
Waitz  hat  ausser  dieser  andere  ähnliche  Stücke  hinzugefügt,  welche  in 
Geneal.  d.  franz.  Könige  u.  Grafen  von  Flandern  übergehen.  S.  726  —  729 
Historiae  Francorum  Steinveldenses.  SS.  XXV,  381 — 384  Genealogia  Caro- 
lorum  Mettensis  von  1164  ed.  Heller;  daran  anschliessend  Geneal.  ducum 
Brabantiae,  p.  385 — 413.  Durch  dieselbe  Genealogie  ist  als  später  ent- 
standen kenntlich  der  Libellus  de  Maioribus  domus.  Mit  der  Gen.  sind  in 
der  Ausgabe  von  Pertz  verbunden  die  Versificirung  derselben  zu  Ehren 
Karls  des  Kahlen:  Origo  et  exordium  gentis  Francorum  (wiederholt  Poet. 
Lat.  II,  141)  und  Regum  Merowingorum  genealogia  et  catalogus,  p.  307; 
cfr.  III,  19.  214.  X,  138,  und  dazu  die  Bemerkung  von  Ermisch,  Die 
Chronik  des  Regino  S.  22;  weitere  Catalogi  regum  et  imperatorum  SS.  XIII, 
264—271.  742. 


Geschichte  der  Bischöfe  von  Metz.  169 

durch,  die  Thronbesteigung  der  Karolinger  zu  rechtfertigen  und  sie 
als  ein  durch  Heilige  gleichsam  legitimes  Herrscherhaus  darzustellen." 
Doch  hat  gegen  diese  Auffassung  Bonneil l)  nicht  unerhebliche 
Gründe  geltend  gemacht,  und  nur  die  Verherrlichung  des  Ahnherrn 
Arnulf  im  Anschlufs  an  dessen  ältere  Lebensbeschreibung  bestehen 
lassen. 

Paulus  gab  in  diesem  Werke  das  erste  Beispiel  und  Vorbild 
der  Bisthumsgeschichten.  Auch  eine  Biographie  Gregors  des  Grofsen 
hat  Paulus  nach  seiner  eigenen  Angabe  geschrieben2);  dafs  er  aber 
auch  derjenige  Paulus  gewesen  wäre,  welcher  eine  kritisch  verbesserte 
Auswahl  aus  Gregors  Briefen  an  Adalhard  schickte,  ist  mindestens  sehr 
unsicher3).  Dagegen  bemerkt  Dümmler,  dafs  er  wohl  der  in  einem 
Schreiben  Hadrians  I  (Bibl.  IV,  274)  erwähnte  Paulus  grammaticus 
sein  könne,  welcher  Gregors  I  Sacramentar  für  Karl  von  ihm  er- 
beten hatte. 

So  wahrhaft  und  innig  auch  die  Liebe  gewesen  zu  sein  scheint, 
welche  den  langobardischen  Mönch  mit  dem  Besieger  seines  Volkes 
verband,  auf  immer  liefs  er  sich  doch  nicht  am  Hofe  fesseln.  Die 
immer  zunehmende,  endlich  bis  zum  Kriege  gesteigerte  Feindschaft 
zwischen  Arichis  und  Karl  mag  ihm  wohl  zuletzt  den  Aufenthalt 
daselbst  vollends  verleidet  haben,  obwohl  sein  persönliches  Verhält- 
nifs  zum  Könige  auch  durch  diese  Vorfälle  nicht  gestört  wurde. 
Doch  finden  wir  ihn  787  wieder  in  Montecassino,  wo  er  die  schöne 
Grabschrift  für  den  am  25.  August  verstorbenen  Fürsten  Arichis 
verfafste4).  Den  Abend  seines  Lebens  widmete  er  von  nun  an  in 
ungestörter  Buhe  frommen  Betrachtungen  und  der  Geschichte  seines 
Volkes.  Er  schrieb  eine  ausführliche  Erläuterung  der  Klosterregel5) 
und  verfafste  die  sechs  Bücher  seiner  Geschichte  der  Lango 
barden6),   tlie   er   leider   unvollendet   hinterlassen   hat.      Er    erfüllte 

1)  Die  Anfänge  des  Karolingischen  Hauses,  S.  45. 

2)  S.  darüber  Bethmann  im  Arch.  X,  303;  NA.  XII,  603  über  die 
neue  Ausgabe  von  Grisar,  Zts.  f.  katb.  Theol.  XI,  162 — 172,  worin  mit 
den  Interpolationen  auch  alle  Andeutungen  auf  den  Aufenthalt  des  Vfs.  in 
Rom  fortgefallen  sind.     Die  Autorschaft  des  P.  D.  ist  ganz  ungewiss. 

3)  S.  Ewald,  NA.  111,  472  ff.  484.  624.  u.  NA.  VI,  246  über  die  in  Pe- 
tersburg wiedergefundene  Handschrift. 

4)  Poet.  Lat.  I,  66. 

5)  Gedr.  Bibl.  Casin.  IV.  Floril.  p.  1-178.  Der  Brief  an  Karl  im 
Namen  des  Abts  Theudemar  ist  facs.  bei  der  Beschreibung  des  cod.  179 
p.  39 — 41.  Ueber  diesen  Commentar  u.  die  Epit.  Festi  s.  K.  Neff:  De 
Paulo  D.  Festi  epitomatore.     Diss.  Erl.  1891. 

6)  Die  lange  erwartete  neue  Ausgabe  ist  von  Waitz  vollendet:  SS.  Rer. 
Langob.  et  Ital.  saec.  VI-1X.  ed.  G.  Waitz  1877.  4;  S.  193—197  Epi- 
tomae,  S.  198—220  Continuationes,  von  geringer  Bedeutung.  Anz.  v.  Bishop 
im  Dublin  Review,  Apr.  1879,  vou  Monod,  Revue  crit.  1879,  I,  272—276. 


170  IL    Karolinger.     §  6.    Paulus  Diaconus. 

damit  das  schon  in  der  Widmung  der  Römischen  Geschichte  der 
Adelperga  gegebene  Versprechen,  sie  bis  auf  seine  Zeit  fortzu- 
setzen. 

Als  einen  bedeutenden  Historiker  können  wir  Paulus  freilich 
nicht  betrachten.  Die  Sprache  weifs  er  in  seinen  Gedichten  mit 
Leichtigkeit  und  Anmuth,  wenn  auch  nicht  fehlerfrei,  zu  behandeln1) 
und  in  der  Erzählung  zieht  uns  ihre  schmucklose  Einfachheit  an. 
Von  der  gesuchten  Gelehrsamkeit  und  Ueberkünstelung  so  wie  von 
der  barbarischen  Rohheit  des  siebenten  Jahrhunderts  ist  er  frei,  und 
für  sein  Zeitalter  ist  seine  gelehrte  und  sprachliche  Bildung  aufser- 
ordentlich  hoch  anzuschlagen2).  Allein  historische  Kunst  oder  tiefere 
Auffassung  dürfen  wir  bei  ihm  nicht  suchen.  In  der  Geschichte 
der  Bischöfe  von  Metz  berichtet  er  anfangs  die  fabelhafte  Local- 
tradition,  ohne  ein  Urtheil  darüber  auszusprechen,  als  Sage,  dann 
schöpfte  er  seine  Nachrichten  aus  Gregor,  Fredegar  und  dem  Leben 
Arnulfs;  was  er  aus  der  neueren  Zeit  hinzufügt,  ist  wenig  bedeutend, 
wie  denn  auch  dieses  ganze  Werk  über  einen  ihm  fernliegenden 
Gegenstand,  auf  den  Wunsch  seines  Gönners  verfafst,  zu  keinen 
höheren  Ansprüchen  berechtigt. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Geschichte  der  Langobarden. 
Leider  reicht  sie  nur  bis  zum  Tode  Liutprands  (744),  und  es  fehlt 
uns  also  die  Darstellung  der  Zeit,  wrelche  der  Verfasser  selbst  durch- 
lebt hat.  So  weit  er  aber  mit  seiner  Arbeit  gekommen  ist,  finden 
wir  auch  hier  nur  einfache  Erzählung,  zusammengesetzt  aus  der 
mündlichen  Ueberlieferung  und  schriftlichen  Quellen,  wie  der  Origo, 


Uebersehene  Hs.  der  Classe  D.  Christ.  597,  NA.  X,  165.  231.  Cod.  96  =  105 
ist  jetzt  in  Paris  Nouv.  acquis.  lat.  1602.  Ueber  die  umgearbeitete  Bam- 
berger  Hs.,  welche  Spruners  Uebersetzung  zu  Grunde  liegt,  s.  Waitz  im 
Aren.  IX,  673—703,  über  eine  verwaudte  in  Oxford  R.  Pauli  im  NA.  II, 
161 — 168.  G.  Calligaris  über  eine  Hs.  in  Turin  im  Bull.  dellTstituto  stör. 
Ital.  n.  10,  S.  31  ff.  u.  Studien  zur  Kritik  des  Paulus  in  Mem.  della  R. 
Deputazione  di  storia  patria  per  la  Venezia  1890  (NA.  XVII,  224).  — 
üebers.  v.  O.  Abel  1849,  2.  A.  v.  Reiuh.  Jacobi  1878,  Geschichtschr.  15 
(VIII,  4).  —  Ueber  den  Weg,  auf  welchem  die  Lang,  gekommen,  Virchow 
in  Verh.  d.  Berl.  Anthropol.  Ges.  v.  17.  Nov.  1888,  S.  508-532  (NA.  XV, 
211).    Chroust,  Ortsbestimmung,  nach  Pogatschnigg,  NA.  XV,  585. 

1)  Die  von  Dümmler  NA.  X,  165  nachgetragenen  Verse  sind  in  scherz- 
hafter Absicht,  im  Anschlufs  an  vorhergehende  ähnlicher  Art,  mit  Vernach- 
lässigung aller  metrischen  Regeln  gemacht. 

2)  Waitz:  Ueber  die  handschriftliche  Ueberlieferung  und  die  Sprache 
der  H.  Langobardorum,  NA.  I,  533—566.  Die  Ausgabe  bietet  doch  nicht 
die  barbarische  Sprache,  welche  die  ältesten  Handschriften  enthalten.  Es 
kommen  allerdings  grobe  grammatische  Fehler  vor,  und  zwar  in  den  letz- 
ten Büchern  zunehmend.  Da  ist  in  Anschlag  zu  bringen,  dafs  das  Werk 
unvollendet  blieb. 


Die  Longobardengeschichte.  171 

Gregor  von  Tours,  Beda,  den  Leben  der  Päbste  u.  a.  m.1).  Aus 
diesen  nimmt  er  ganze  Stücke  auf,  ohne  sie  eigentlich  zu  einem 
Ganzen  zu  verarbeiten;  in  der  Kritik,  sogar  in  der  Sorgfalt  und 
Genauigkeit  bei  Benutzung  seiner  Gewährsmänner  erscheint  er 
schwach,  höchst  verwirrt  in  der  Chronologie,  und  obwohl  seine 
eigentliche  Aufgabe  die  Volksgeschichte  der  Langobarden  ist,  nimmt 
er  ohne  rechtes  Mafs  doch  auch  fernerliegendes  auf.  Läfst  er  aber 
demnach  als  gelehrter  Geschichtschreiber  viel  zu  wünschen  übrig, 
so  entschädigen  uns  doch  dafür  andere  sehr  wesentliche  Vorzüge, 
die  einfache  Klarheit  seiner  Darstellung,  die  lautere  Wahrheitsliebe, 
die  ihn  von  allem  in  ungeschminkter  Geradheit  berichten  läfst,  die 
Wärme  des  Gefühls  für  sein  Volk,  welche  sich  auch  ohne  ruhm- 
redige Verherrlichung  besonders  in  der  Aufzeichnung  der  alten  Sagen 
kundgiebt.  Sehen  wir  nun  aber  vollends  auf  den  materiellen  Werth 
seiner  Geschichte,  so  ist  derselbe  unbedenklich  als  ganz  unschätzbar 
anzuerkennen,  wir  verdanken  ihm  eben  die  Bewahrung  jenes  reichen, 
durch  keine  spätere  Gelehrsamkeit  verfälschten  Sagenschatzes,  und 
über  die  Geschichte  der  Langobarden,  was  er  aus  dem  Secundus 
von  Trident  und  anderen  verlorenen  Quellen  schöpfte  sowohl  wie  die 
Aufzeichnung  mündlicher  Ueberlieferung:  rettungslos  würde  alles 
dieses  nach  dem  Sturze  des  Reiches  dem  Untergang  verfallen  sein, 
wenn  nicht  des  alten  Mönches  Hand  es  mit  treuer  Liebe  auf- 
gezeichnet hätte. 

§  7.     Angilbert. 

Angilberti  Carmina  ed.  Dümraler,  Poet.  Lat.  I,  355—381;  vgl.  NA.  IV,  140-142.  Die 
älteren  Drucke,  gesammelt  bei  Migne  XCIX,  849  —  854,  dadurch  veraltet.  Herrn. 
Althof:  Angilberts  Leben  und  Dichtungen  (übersetzt).  Wiss.  Beilage  z.  Progr.  des 
Realprogymn.  u.  Progymn.  zu  Münden.  Bes.  Abdr.  Hann.  Münden  1888.  Traube, 
0  Roma  nobilis  (Abh.  d.  Münch.  Akad.  I.  Cl.  XIX,  2)  S.  326-331.  Verz.  seiner  Ge- 
dichte. Ein  Abt  Angilbert  von  Corbie  zugeschriebenes  Gedicht  ihm  zugesprochen. 
Ders.,  Karol.  Dicht.  I,  51—60  gewinnt  Gedichte  Angilberts  aus  denen  des  Bernowin 
(Poet.  Lat.  I,   413 — 425),  der  sich  als  Plagiator  A.'s  Gedichte  angeeignet  hat. 

!)  Bethmann,  Archiv  X,  314.  R.  Jacobi:  Die  Quellen  der  Langobar- 
dengeschichte  des  P.  Diaconus,  Halle  1877.  Controverse  über  den  von 
ihm  benutzten  Catalogus  provinciarum  und  verlorene  annalistische  Quellen, 
auch  im  Cont.  Havniensis,  zwischen  Mommsen  u.  Waitz,  NA.  V,  51 — 103  u. 
417-424.  XI,  633.  K.  Neff,  NA.  XVII,  204-208  gegen  Waitz.  Mommsen 
Auctt.  antt.  IX,  527.  —  Die  auch  von  P.  benutzten  bist.  Stellen  aus  Gregors 
Dial.  SS.  Lang.  p.  524—540.  —  Benutzung  des  Fredegar,  von  Waitz  ge- 
leugnet, behauptet  Monod,  Revue  crit.  1879,  I,  276.  Ueber  die  Quelle  von 
HL.  I,  25  über  Justinians  Gesetzgebung  s.  Th.  Mommsen  u.  Fitting,  NA.  111, 
185.  399—402.  Zu  III,  9.  31.  Malfatti  im  Arch.  stör,  per  Trieste,  l'Istria 
e  il  Trentino  II,  fasc.  4,  1883.  Zu  VI,  54  W.  Härtens  Polit.  Gesch. 
d.  Langobardenreichs  unter  K.  Liutprand,  Heidelb.  Diss.  1880,  Excurs 
S.  66-71. 


172  II«    Karolinger.     §7.    Angilbert. 

Wie  Paulus  am  langobardischen,  so  war  Angilbert,  der  ebenfalls 
aus  vornehmem  Geschlechte  stammte,  am  fränkischen  Hofe  aufge- 
wachsen1). Wohl  wenig  jünger  als  Karl  selbst,  war  er  mit  diesem 
durch  innige  Freundschaft  verbunden  und  stand  zu  der  ganzen 
königlichen  Familie  im  vertraulichsten  Yerhältnifs.  Er  scheint  sich 
schon  früh  mit  wissenschaftlichen  Studien  beschäftigt  und  eine  an- 
sehnliche Stellung  in  Karls  Kapelle  erlangt  zu  haben.  Als  Alcuin 
an  den  Hof  kam,  ergriff  er  mit  demselben  Eifer,  wie  sein  könig- 
licher Freund,  die  Gelegenheit  zu  höherer  Ausbildung;  er  wurde  ein 
Schüler  Alcuins,  des  Paulinus  und  Peters  von  Pisa,  und  nahm  an 
der  Akademie  den  lebhaftesten  Antheil;  hier  erhielt  er  wegen  seiner 
poetischen  Begabung  den  Namen  Homer.  Aus  dieser  frühen  Zeit 
der  achtziger  Jahre  haben  sich  einige,  in  der  Form  zum  Theil  noch 
sehr  unvollkommene  Gedichte  erhalten,  welche  Dümmler  kürzlich 
aus  einer  gleichzeitigen  Handschrift  herausgegeben  hat2).  In  dem 
einen,  welches  aus  versus  serpentini  besteht,  grüfst  Angilbert  mit 
seinen  Genossen  Angelram  und  Riculf  den  nach  Italien  heimge- 
kehrten Lehrer  Peter  von  Pisa,  und  sendet  zugleich  ein  von  ihm 
erbetenes  Gedicht  Karls  des  Grofsen  an  ihn.  In  dem  Gedicht  eines 
räthselhaften  Fiducia  an  Angelram  werden  Angilbert  und  Theodulf 
als  divini  poetae  erwähnt.  Diese  Verse  scheinen  früher  angesetzt 
werden  zu  müssen,  als  Angilberts  Sendung  nach  Italien,  wo  ihm, 
gewifs  ein  Zeichen  hohen  Vertrauens,  eine  bedeutende  Stellung  am 
Hofe  des  Kindes  Pippin  in  dem  neugewonnenen  italienischen  König- 
reiche anvertraut  wurde.  Auch  war  er  mit  Alcuin  schon  vorher 
befreundet3). 

Zurückgekehrt  trat  Angilbert  wieder  in  den  Kreis  seiner  alten 
Freunde  ein,  und  genofs  in  hohem  Grade  Karls  Vertrauen,  der  ihn 
796  in  einem  Briefe  an  Leo  III  manualem  nostrae  familiaritatis  auri- 
cularium,  in  dem  an  ihn  selbst  gerichteten  Brief  seinen  auricularius 
nennt4).    Er  gehörte  zur  königlichen  Kapelle,  und  auch  seine  Würde 

1)  Qui  paene  ab  ipsis  infantiae  rudimentis  in  palatio  vestro  enutritus  est, 
schreibt  Pabst  Hadrian  794  an  Karl  (Bibl.  VI,  245).  Er  mufs  aber  als 
primicerius  palatii  bei  dem  unmündigen  Pippin  schon  in  reifem  Alter  ge- 
wesen sein.  Doch  nennt  Alcuin  ihn  wiederholt  filius  und  in  dem  Briefe 
n.  82  bei  Jaffe,  Bibl.  VI,  358  vom  J.  797  genauer:  filius  eruditionis  meae; 
Karl  noch  796:    Homeriane  puer.  Bibl.  IV,  354. 

2)  Zeitschrift  f.  Deutsches  Alterthum  XVII,  141—146.    Poet,  Lat.  I,  75. 

3)  Alcuini  ep.  22  Frob.  5  Jaffe,  Bibl.  VI,  149,  von  Jaffe  783—785  an- 
gesetzt. In  der  Anrede  heifst  er  venerabilis  u.  primicerius-,  in  der  Aufschrift 
in  2  Handschriften  'primicerius  palatii  Pipi/ri  regis.  B.  Simson,  Karl  d.  Gr.  II, 
435,  Anm.  6,  verwirft  diese  Angabe  gänzlich;  ich  sehe  den  Grund  nicht 
recht  ein,  wenn  auch  die  Unsicherheit  zuzugeben  ist. 

4)  Bibl.  IV,  353  u.  355. 


Angilberts  LebeD  und  Schriften.  173 

am  italienischen  Hofe  war  vielleicht  schon  eine  geistliche l).  Wie 
bedeutend  und  einflufsreich  seine  Stellung  gewesen  ist,  zeigen  die 
wichtigen  Gesandtschaften  an  den  römischen  Pabst,  welche  ihn  noch 
dreimal  (792,  794,  796)  nach  Italien  führten;  auch  soll  er  im 
Jahre  800  den  König  nach  Rom  geleitet  haben,  und  im  Jahre  811 
unterzeichnete  er  Karls  Verfügung  über  seinen  Schatz  zu  Gunsten 
der  Kirchen  seines  Reiches. 

Noch  hatte  sich  am  fränkischen  Hofe  aus  Karl  Martels  Zeit 
die  Sitte  erhalten,  dafs  die  Einkünfte  reicher  Abteien  zum  Unter- 
halt der  Hofleute  verwandt  wurden,  und  auch  Angilbert  war  790 
Abt  von  Centula  oder  Saint-Riquier  in  der  Picardie  geworden2). 
Er  betrachtete  aber  diese  Würde  nicht  als  eine  blofse  Pfründe, 
sondern  stellte  es  sich  vielmehr  zur  Aufgabe,  dieses  Kloster  so  herrlich 
wie  möglich  auszustatten.  Unterstützt  durch  Karls  fürstliche  Frei- 
giebigkeit,  mit  Hülfe  königlicher  Baumeister  und  Künstler,  baute  er 
es  von  Grund  aus  neu,  und  auch  hierher  kamen  antike  Säulen  und 
Marmorstücke  aus  Italien.  Angilbert  selbst  hat  darüber  einen  Be- 
richt geschrieben,  der  fast  vollständig  in  Hariulfs  Chronik  aufge- 
nommen ist3).  Die  vollendete  Kirche  schmückte  er  in  glänzendster 
Weise  mit  jedem  Zubehör  des  prachtvollen  Kirchendienstes;  nament- 
lich liefs  er  sich,  wie  Arn,  die  Pflege  der  Bibliothek  angelegen  sein 
und  bereicherte  diese  mit  200  Büchern.  Vielleicht  das  köstlichste 
unter  diesen  für  die  Mönche  von  Centula  war  das  Leben  ihres  Stifters, 
des  h.  Richarius,  welches  auf  Angilberts  Bitten  sein  Freund  Alcuiu 
nach  den  gesteigerten  Anforderungen  der  Zeit  neu  bearbeitete4). 
Im  Jahre  800  hatte  Angilbert  die  Freude,  seinen  königlichen  Freund 
in  den  Mauern  seines  Klosters  als  Gast  zu  empfangen,  der  bei  ihm 
am  19.  April  das  Osterfest  feierte,  und  wie  er  diesem  Zeit  seines 
Lebens  in  treuester  Freundschaft  zugethan  war,  so  folgte  er  ihm  auch 
am  18.  Februar  814  im  Tode  nach. 

*)  Ministrum  capellae  nennt  ihn  tladrian  794.  Docen  macht  darauf 
aufmerksam,  dafs  in  seinem  Gedichte  an  Karl  primicerius  aulae  der  Erz- 
kaplan ist.     Vgl.  auch  Leibniz,  Ann.  Imp.  I,  168. 

2)  Jaffe  Bibl.  VI,  173. 

3)  Angilberti  abbatis  de  ecclesia  Centulensi  libellus,  MG.  SS.  XV, 
173 — 179.     In  ders.  Hs.  ist  von  ihm  eine  Institutio  de  diversitate  ofjkiorum. 

4)  Gedruckt  Mabillon  II,  189;  die  ältere  ist  verloren.  Daran  schliefsen 
sich  Miracula  von  814—865  (Auszug  SS.  XV,  2,  915—919),  Historia  relationis 
S.  Richarü  a.  981  ib.  p.  696 — 698,  viell.  aus  Hariulf),  die  Vita  metr.  vom 
Abt  Angelram  oder  lngelram,  einem  Schüler  Fulberts  von  Chartres 
(-J-  1045),  weitere  Mirakel  von  Hariulf,  dem  Verfasser  der  Chronik  (Aus- 
zug ib.  919.  920).  Ein  Rhythmus  mit  den  Namen  der  Aebte,  von  Angel- 
ram, SS.  XV,  181.  Dieser  hatte  das  Leben  und  die  Wunder  metrisch  in 
4  Büchern  bearbeitet. 


174  II-    Karolinger.     §  7.    Angilbert. 

Dafs  Angilbert  nach  solchen  Verdiensten  um  das  Kloster  später 
daselbst  als  Heiliger  verehrt  ward,  versteht  sich  von  selbst1); 
An  scher,  sein  Biograph  im  zwölften  Jahrhundert,  weifs  auch  viel 
von  seinem  strengen  und  erbaulichen  "Wandel  zu  erzählen,  allein  das 
war  gleichfalls  so  unvermeidlich,  wenn  man  nach  Jahrhunderten  über 
das  Leben  des  Stifters  berichtete,  dafs  darauf  durchaus  kein  Gewicht 
zu  legen  ist.  Einem  Staatsmanne  Karls  des  Grofsen  stand  mönchische 
Askese  übel  an,  und  Angilberts  Thätigkeit  scheint  mehr  auf  eine 
tüchtige  praktische  Wirksamkeit  gerichtet  gewesen  zu  sein;  unmöglich 
ist  es  aber  nicht,  dafs  er  in  seinen  alten  Tagen  sich  getrieben  fühlte, 
für  ein  früher  allzu  freies  Leben  Bufse  zu  thun.  Hatte  er  sich  doch 
schon  von  Alcuin  einreden  lassen,  dafs  die  Schauspiele,  an  denen 
er  so  viele  Freude  hatte,  sündlich  wären,  und  wenn  auch  Alcuin 
seinen  Wandel  im  übrigen  würdig  und  angemessen  nennt2),  so 
wissen  wir  doch  von  einem  Verhältnifs,  welches  den  mönchischen 
Sittenpredigern  nicht  gefallen  konnte,  so  wenig  es  auch  an  Karls 
Hofe  auffallen  und  Anstofs  erregen  mochte.  Denn  Angilbert  war 
der  glückliche  Geliebte  von  Karls  schöner  Tochter  Bertha,  die  ihm 
zwei  Söhne,  Nithard  und  Hamid,  geboren  hat:  ein  Verhältnifs, 
welches  vielleicht  durch  eine  naheliegende  Verwechselung  Anlafs 
gegeben  hat  zu  der  bekannten  Sage  von  Eginhard  und  Emma3).   Die 

*)  So  in  seiner  Stiftung  Cysoing  bei  Tournai  Markgraf  Eberhard  von 
Friaul,  Gemahl  von  Ludw.  d.  Fr.  Tochter  Gisla,  einer  der  litterarisch  ge- 
bildeten Laien  dieser  Zeit,  s.  Dümmler  im  Jahrbuch  für  vaterländische 
Geschichte  (Wien  1861)  S.  171 — 179,  Gesta  Berengarii  p.  17  und  die  in  der 
Translatio  S.  Callisti  Cisonium  a.  854  durch  Eberhard,  Acta  SS.  Oct.  VI, 
444,  ausgelassenen  Stellen  NA.  114,  405 — 407.  Vollst.  Ausgabe  dieser  von 
Holder-Egger  SS.  XV,  1,  418 — 422.  Zu  solcher  Verehrung  genügte  die 
blofse  Existenz  des  Grabes  eines  vornehmen  oder  bekannten  Mannes  aus 
alter  Zeit,  wie  recht  deutlich  die  Verehrung  Zwentibolds  in  Süstern  zeigt, 
und  die  des  Meingold  in  Huy;  über  dessen  ganz  fabelhafte  und  historisch 
unbrauchbare  Vita  (Acta  SS.  Feb.  II,  191—196,  MG.  SS.  XV,  556-563) 
s.  Dümmler,  De  Arnulfo  p.  201 — 204.  Von  den  Helden  der  Sage  wurden 
Waltharius  in  Novalese,  Otger  in  St.  Faron-les-Meaux,  Tegernsee  und 
Grofs  St.  Martin  zu  Cöln  verehrt  und  ihre  Geschichte  mönchisch  gestaltet. 
Gar  wunderbar  ist  die  Geschichte  von  dem  Haimonskinde  Reinold  {Vita 
S.  Reinoldi,  Acta  SS.  Jan.  I,  385 — 387  und  in  lateinischen  Versen  im  An- 
nuaire  de  la  Bibliotheque  Royale  de  Bruxelles  XU,  239 — 281),  der  in  Cöln, 
für  seine  Sünden  büssend,  als  Steinträger  bei  einem  Kirchenbau  arbeitete 
u.  von  seinen  mifsgünstigen  Genossen  erschlagen  wurde;  seine  angeblich 
von  dort  geholten  Knochen  thaten  in  Dortmund  Wunder.  Abh.  darüber 
nebst  Abdr.  v.  Floss,  Niederrhein.  Ann.  XXX  (1876)  S.  174-203.  Gleicher 
Art  ist  die  von  Giesebrecht  zur  Passio  Adalberti  beschriebene  V.  Hugonis 
aus  Jumieges,  über  die  auch  schon  Ravaisson,  Rapports  p.  125,  Mittheilung 
gemacht  hat;  vgl.  Gesch.  d.  Kaiserzeit  II,  601. 

2)  Alcuini  epp.  144  et  213  Froben,  116  u.   177  Jaffe. 

3)  S.  0.  Abel,  Kaiser  Karls  Leben  von  Einhard,  S.  56—62;  vgl. 
Lorentz,  Alcuins  Leben,  S.  183,  A.  32. 


Angilbert  und  Bertha.  175 

Thatsache  ist  unzweifelhaft;  Nithard,  der  eigene  Sohn,  erzählt  sie, 
und  wir  haben  Einhards  ausdrückliches  Zeugnifs  dafür,  dafs  Karl 
sich  nicht  entschliefsen  konnte,  eine  von  seinen  Töchtern  zu  ver- 
heirathen.  Dafs  er  ihnen  dafür  um  so  gröfsere  Freiheit  gestattete 
und  dafs  manches  anstöfsige  Verhältnifs  an  seinem  Hofe  geduldet 
wurde,  ist  ebenfalls  bekannt  genug.  Wie  Hariulf,  der  1088  seine 
lehrreiche  Chronik  von  Centula  vollendete,  diesen  Umstand  behandelt 
hat,  wissen  wir  nicht,  da  gerade  hier  zwei  Blätter  aus  der  Hand- 
schrift ausgeschnitten  sind;  der  Interpolator  sagt  kurz,  dafs  Angilbert 
die  Bertha  zur  Ehe  erhalten  habe  und  mit  ihr  den  Ducat  des  Küsten- 
landes1). Wahrscheinlich  aber  war  die  Darstellung  hier  ähnlich  wie 
in  der  zweiten  Biographie,  welche  nebst  drei  Büchern  Mirakel  von 
dem  Abt  An  seh  er  verfafst  ist,  um  die  Canonisation  Angilberts  zu 
erwirken.  Im  Jahr  1110  hatten  die  Wunder  an  dem  vergessenen 
Grabe  Angilberts  neu  begonnen,  und  Anscher  überreichte  das  Werk 
dem  Erzbischof  Radulf  von  Reims,  vielleicht  auch  dem  Pabste,  um 
die  Heiligsprechung  zu  erreichen.  Ungeachtet  dieses  Zweckes  aber 
erzählt  er  unbefangen,  gewifs  alter  Ueberlieferung  folgend,  dafs  Bertha 
in  heifser  Liebe  zu  Angilbert,  der  schon  zum  Priester  geweiht  war 
und  ein  Bisthum  erhalten  sollte,  entbrannte;  ungern  habe  Karl  nach- 
gegeben. Angilbert  aber,  ausgestattet  mit  dem  Ducat,  den  Anscher 
schon  nach  den  Begriffen  seiner  Zeit  als  ein  Herzogthum  auffafst, 
schlägt  die  Dänen2)  mit  S.  Richarius  Hülfe,  wird  dann  Mönch  und 
führt  zur  Bufse  das  strengste  Mönchsleben,  während  Bertha  eben- 
falls zu  Saint-Riquier  den  Schleier  nimmt.  Das  ist  nicht  richtig, 
noch  bei  der  Zusammenkunft  Karls  mit  Pabst  Leo  zu  Paderborn  799 
erscheint  Bertha  in  voller  weltlicher  Herrlichkeit,  und  hat  nach  Ein- 
hards Zeugnifs  bis  zu  des  Kaisers  Tod  den  Vater  nicht  verlassen; 
auch  826  bei  der  Ankunft  des  h.  Sebastian  finden  wir  sie  bei  ihrem 
Bruder  in  Soissons.  Da  sie  ferner  erst  um  780  geboren  ist3),  war 
Angilbert  schon  Abt,  als  sie  sich  in  ihn  verliebte,  und  dafs  er  auch 
noch  viel  später,  noch  im  J.  800  nach  Karls  Osterfeier  in  St.  Riquier, 
sein  Familienleben    am  Hofe   nicht   aufgegeben  hatte,    zeigt  uns  das 

*)  „Cui  etiam  ad  augmentum  palatini  honoris  totius  maritimae  terrae 
ducatus  commissus  est."  Hariulfi  Chron.  Ceütul.  in  d'Achery's  Spicil. 
ed.  II.  II,  291  sq.  Vgl.  das  daraus  mit  Benutzung  der  Handschrift  gegebene 
Leben  Angilberts  bei  Mab.  IV,  1,  108 — 122,  worauf  Anschers  Werk  folgt. 
Hier  fehlt  der  Eingang,  weshalb  es  zweifelhaft  ist,  ob  Anscher  auch  diese 
Vita  verfafste.     Ein  Fragment  ders.  SS.  XV,  180. 

2)  Auch  das  ist  wohl  Anticipation  späterer  Zustände.  Nach  Hariulf 
III,  9  wurde  Rudolf,  der  Bruder  der  Kaiserin  Judith,  unter  Karl  dem  Kahlen 
zugleich  Laienabt  und  comes  maritimae  provinciae. 

3)  S.  Leibniz,  Ann.  Imp.  I,  107. 


176  H.    Karolinger.     §  7.    Angilbert. 

anmuthige  Gedicht,  welches  zuerst  von  Docen  an  dem  Dichternamen 
Homer  als  ein  Werk  Angilberts  erkannt  ist1),  ein  Grufs  an  Karl 
und  den  engeren  Kreis  der  Seinen  aus  der  Ferne.  Hier  gedenkt 
er  nach  der  Schilderung  der  königlichen  Pfalz  und  ihrer  Bewohner, 
zuletzt  auch  seines  nahe  gelegenen  Hauses  mit  dem  Garten,  in  welchem 
seine  Knaben  spielen;  die  zärtlichste  Liebe  und  Sorge  spricht  sich 
darin  aus,  aber  von  der  Mutter  ist  keine  Rede.  Dagegen  begrüfst 
er  unter  Karls  Töchtern  Bertha  mit  besonderer  Verehrung2),  und 
die  Weise,  wie  er  den  König  als  seinen  süfsen  David,  dessen  Kinder 
als  seine  Lieben  grüfst,  deutet  auf  ein  sehr  vertrauliches  Ver- 
hältnifs. 

Aehnlicher  Art  wie  dieses  ist  ein  anderes  Gedicht  Angilberts, 
verfafst  als  er  796  nach  Italien  eilend,  dem  siegreichen  jungen  Könige 
Pippin  in  Langres  begegnete;  er  schildert  die  Freude  des  Wieder- 
sehens, die  ungeduldige  Erwartung  am  Hofe,  und  voraus  schauend 
die  zärtliche  Begrüfsung  des  jungen  Helden  im  Kreise  der  Seinen3). 

Geglaubt  hat  man,  dafs  uns  auch  noch  aus  einem  gröfseren 
Werke  Angilberts  ein  Bruchstück  erhalten  sei.  Sein  Dichtername 
Homer,  den  ihm  Karl  selbst  796  beilegt,  in  dem  Briefe,  welcher  die 
wichtigsten  Aufträge  für  seine  römische  Gesandtschaft  enthält4), 
deutet  auf  grofse  Erwartungen,  die  sich  an  ihn  knüpften,  die  Er- 
wartung, dafs  er  Karls  Thaten  in  einem  Epos  feiern  werde.  Wenn 
wir  daher  einem  solchen  Epos  wirklich  begegnen,  so  ist  wohl  die 
Vermuthung  gerechtfertigt,  dafs  kein  anderer  als  Angilbert  der  Ver- 
fasser sein  könne.  Hegewisch  hat  deshalb  bereits  diese  Vermuthung 
ausgesprochen,  und  Pertz  das  Gedicht  unter  Angilberts  Namen  heraus- 
gegeben5).    Allein   der  Abstand  von  Angilberts  Werken   in   der  Be- 

1)  Neuer  litterarischer  Anzeiger  1807  N.  6.  Dafs  dieses  Gedicht  schon 
unter  Alcuins  Namen  bei  Froben  II,  614  gedruckt  ist,  fand  Docen  selbst 
später,  Aretins  Beiträge  VII,  523.     Poet.  Lat.  I,  360. 

2)  „Virginis  egregiae  Bertae  nunc  dicite  laudes,  Pierides,  mecum,  pla- 
ceant  cui  carmina  nostra.  Carminibus  (cunctis)  Musarum  digna  puella  est." 
Da  hier  nicht,  wie  in  dem  sonst  sehr  ähnlichen  Gedichte  Theodulfs ,  die 
Königin  Liudgard  erwähnt  wird,  so  ist  dieses  wohl  erst  nach  deren  Tod, 
4.  Juni  800,  geschrieben.  Althof  a.  a.  0.  S.  14  bemerkt,  dass  hier  noch 
Thyrsis  (der  Kämmerer  Meginfrid)  als  lebend  erwähnt  wird,  der  damals  auf 
einem  Zug  Pippins  gegen  Benevent  starb. 

3)  Poet.  Lat.  I,  358.  lieber  die  chronologischen  Schwierigkeiten  Sim- 
son,  Karl  d.  Gr.  II,  126. 

4)  Bibl.  IV,  353. 

5)  MG.  II,  391—403.  Orelli,  Helperici  sive  ut  alii  arbitrantur  Angil- 
berti  Carolas  magnus  et  Leo  III,  1832,  nach  der  von  ihm  wiederaufgefun- 
denen Handschrift.  Dagegen  Pertz  im  Archiv  VII,  363.  —  Poet.  Lat.  1, 
366—381.  M.  Manitius,  NA.  VIII,  9—45  für  Angilbert  als  Autor.  Da- 
gegen Ausfeld,  Forsch.  XXIII,   609—615.     Die  Unsicherheit  anerkennend 


Carolus  Magnus  et  Leo  IIL  177 

herrschung  der  Sprache  und  der  Behandlung  des  Verses  zu  Gunsten 
dieser  Dichtung  ist  doch  zu  grofs,  um  beide  demselben  Verfasser 
zuschreiben  zu  können.  Auffallend  ist  es,  da  wir  doch  im  Ganzen 
über  diese  Zeit  so  genau  unterrichtet  sind,  von  einem  so  bedeutenden 
Werke  gar  keine  Erwähnung  zu  finden.  Vermuthlich  ist  es  un- 
vollendet geblieben,  und  deshalb  weder  vollständig  erhalten,  noch 
hinlänglich  beachtet,  um  von  anderen  genannt  zu  werden.  Doch 
würde  Aligilberts  Dichtername  Homer  wenigstens  eine  Hindeutung 
enthalten,  die  für  andere,  wie  Theodulf,  den  Dümmler  vermuthungs- 
weise  genannt  hat,  gänzlich  fehlt.  Ein  Citat  freilich  ist  uns  jetzt 
bekannt  geworden:  in  der  oben  S.  156  angeführten  Ecloge  des  Naso 
wird  ein  Dichtergreis  eingeführt,  den  er  Micon  nennt,  und  dieser 
verwendet  einen  Vers  aus  jenem  Epos  zum  Preise  des  Kaisers 
(p.  389,  v.  74).  Doch  kann  er  ihn  sich  ebenso  wie  so  manchen 
Vergilvers  angeeignet  haben.  Vorher  spricht  Naso  von  dem  Dichter- 
ruhm des  Alcuin,  Theodulf,  Einhard,  und  setzt  hinzu:  „Nam  meus 
ecce  solet  magno  facundus  Homerus  Carminibus  Carolo  studiosis 
saepe  placere."  Dafs  aber  nun  dieser  Homer  eben  der  Micon  sei, 
darauf  deutet  nichts,  und  wir  dürfen  es  kaum  annehmen.  Wir 
ersehen  hieraus  nur,  dafs  schon  wenige  Jahre  nach  der  Kaiserkrönung 
das  Gedicht  vorhanden  war.  Sicher  war  der  Verfasser  ein  Mann 
von  ungewöhnlichem  Geiste  und  grofser  dichterischer  Begabung,  der 
sich  den  Unterricht  der  Hofschule  mit  bestem  Erfolge  zu  Nutze 
gemacht  hat.  Dafür  zeugt  die  fleifsige,  man  mufs  wohl  sagen  über- 
mäfsige,  Benutzung  des  Vergil,  Ovid,  Lucan,  und  wie  B.  Simson 
nachgewiesen  hat1),  Venantius  Fortunatus,  zu  denen  Manitius  noch 
mehrere  hinzugefügt  hat,  welche  ihm  an  sich  so  wenig  zum  Vorwurf 
gemacht  werden  kann,  wie  Einhard  die  Nachahmung  des  Sueton, 
und  bei  seinen  Zeitgenossen  gewifs  eher  Bewunderung  als  Tadel 
erregte,  wenn  er  auch  in  übergrofsem  Eifer  nach  dem  Vorbild  von 
Karthago  sogar  von  Hafenbauten  bei  Aachen  dichtete.  Auch  zu  Karls 
Akademie  mufs  der  Dichter  gehört  haben,  da  er  ihn  immer  David 
nennt,  was  ein  anderer  sich  gewifs  nicht  hätte  erlauben  dürfen,  und 
die  lebendige  Schilderung  verräth  sowohl  den  Augenzeugen  als  auch 
einen  Mann,  der  Karls  Hofe  nicht  fern  stand,  was  freilich  bei  einem 
so  ausgezeichneten  Dichter  ohnehin  mit  voller  Sicherheit  anzu- 
nehmen ist. 

Manitius,  NA.  IX,  614—617;  XI,  555.  556  über  Benutzung  älterer  Dichter 
bei  ihm.     Traube  verwirft  seine  Autorschaft. 

!)  Forsch.  XII,  567-590,  vgl.  XIV,  623—626,  sehr  ungünstig  über  den 
Vf.  urtheilend,  den  dagegen   Ebert,  Deutsche  Rundschau  III,  9,  407  (vgl. 
Lit.  des  MA.  II,  58 — 63)  lebhaft  anerkennt.     Aehnlich  auch  Althof. 
Wattenbach,  Geschichtsquellen.  I.  6.  Aull.  12 


178  II.    Karolinger.     §8.    Einhard. 

Erhalten  ist  uns  der  Anfang  des  dritten  Buches  oder  vielleicht 
das  ganze,  536  Verse,  vermuthlich  ein  Stück,  welches  seiner  beson- 
deren Schönheit  wegen  einzeln  in  eine  Blumenlese  aufgenommen 
war,  denn  es  steht  mitten  zwischen  anderen  Bruchstücken.  Die 
Geschichte  der  Gegenwart  episch  zu  behandeln,  ist  stets  ein  Mifs- 
griff,  und  immer  werden  es  die  einzelnen  Schilderungen  sein,  welche 
einem  solchen  Werke  seinen  Reiz  verleihen.  Aber  auch  die  Anlage 
ist  hier  doch  sehr  geschickt  entworfen.  In  voller  Pracht  wird  Karls 
Hofhaltung  uns  vor  Augen  geführt;  eine  Lobrede  auf  den  grofsen 
König  eröffnet  das  Buch,  dann  werden  die  Bauten  zu  Aachen  und 
eine  grofse  Jagd  mit  reichen  Farben  und  lebendiger  Anschaulichkeit 
geschildert:  mit  besonderer  Vorliebe  verweilt  der  Dichter  bei  den 
Töchtern  Karls,  zu  denen  wohl  kein  anderer  Dichter  der  Zeit  in  so 
nahem  Verhältnifs  stand  wie  Angilbcrt.  In  der  Nacht  läfst  dann 
der  Dichter  den  König  im  Traume  die  Mifshandlung  erblicken, 
welche  der  Pabst  Leo  799  in  Rom  erfuhr;  er  weicht  darin  von  der 
Wirklichkeit  ab,  aber  wenn  man  einmal  die  Geschichte  episch  be- 
handeln will,  so  ist  eine  solche  Wendung  geschickt  genug,  um  ohne 
lange  Vorbereitungen  die  Hauptereignisse  einander  nahe  zu  rücken1). 
Ohne  von  den  umständlichen  Gesandtschaften,  welche  in  der  Wirk- 
lichkeit dazwischen  lagen,  berichten  zu  müssen,  gelangt  so  der 
Dichter  sogleich  zu  der  Zusammenkunft  Karls  mit  dem  Pabste  im 
Lager  bei  Paderborn,  welche  den  eigentlichen  Gegenstand  seiner 
Darstellung  bildet. 

Niemand  wird  dieses  Fragment  aus  der  Hand  legen,  ohne  zu 
bedauern,  dafs  uns  von  diesem  Werke  nicht  mehr  erhalten  ist;  es 
weht  uns  darin  gleichsam  die  frische  Luft  jenes  kraftvollen  Lebens 
an,  und  wir  fühlen  uns  auf  einen  Augenblick  entrückt  aus  der  ein- 
förmigen Atmosphäre  der  geistlichen  Chronisten,  ja  selbst  der  seelen- 
losen Schulpoesie.  Ueber  den  Verfasser  aber  werden  wir  uns  be- 
scheiden müssen,  unsere  Unwissenheit  zu  bekennen. 

§  8.     Einhard. 

Pertz,  MG.  SS.  II,  426-430.  Baehr  S.  200-216.  0.  Abel,  Kaiser  Karls  Leben  von 
Einhard,  S.  1 — 18.  Eug.  Bacba  bei  Kurth:  Dissertations  acad.  Liege  1888.  Opera 
ed.  Teulet,  Par.  1840,  1843,  8.  2  Bände.  Jaffe,  Bibl.  IV,  487-506;  vgl.  die  zweite 
Ausgabe  der  Vita  Caroli  M.  cur.  W.  Wattenbach,  1876.  Vita  Caroli  ed.  Waitz, 
1880.  Ebert  II,  92-104.  Bursian,  Gesch.  d.  Philol.  S.  21.  M.  Manitius,  Einharts 
Werke  und  ihr  Stil,  NA.  VII,  517-568.     Nachtrag  VIII,  193.  XI,  64-73. 

!)  Dieser  dem  Vergil  entlehnte  Kunstgriff  ist  freilich  nicht  selten, 
sonst  würde  es  für  Angilberts  Autorschaft  sprechen,  dafs  auch  in  seinem 
Gedichte  auf  Pippins  Ankunft  ein  Traum  auf  ähnliche  Weise  angewandt 
wird. 


Einhards  Leben.  179 

Dem  Kaiser  Karl  wurde  das  Glück  zu  Theil,  so  lange  die  Herr- 
schaft zu  führen,  dafs  er  noch  selbst  den  Erfolg  seiner  Bestrebungen 
und  Einrichtungen  erlebte.  Haben  wir  bisher  mit  den  Männern  uns 
beschäftigt,  welche  er  als  Gehülfen  seiner  Thätigkeit  an  sich  zog, 
seinen  gleichaltrigen  Zeitgenossen,  so  haben  wir  dagegen  jetzt  in 
Einhard  den  ersten  der  jüngeren  Generation  zu  betrachten,  der 
schon  ganz  unter  dem  Einflufs  von  Karls  Zeitalter  erwachsen  war, 
und  selbst  den  schönsten  Beweis  gab  für  den  gesegneten  Erfolg 
dieses  Strebens.  Kein  mittelalterlicher  Schriftsteller  ist  den  classi- 
schen  Vorbildern,  welchen  sie  nacheiferten,  so  nahe  gekommen;  er 
erfreut  sich  deshalb  eines  guten  Namens  und  findet  selbst  vor  philo- 
logischen Augen  Gnade. 

Und  doch  zeigt  sich  auch  gerade  darin  wieder  eine  Gefahr 
der  damaligen  Richtung;  so  viel  anziehendes  Einhard  auch  hat, 
es  fehlt  ihm  die  frische  Natürlichkeit  anderer,  er  schreibt  fast  wie 
Sueton,  aber  es  war  nicht  das  richtige  Ziel  des  Mittelalters,  zu 
schreiben  wie  Sueton,  so  wenig  wie  am  Beginn  der  neueren  Zeit 
diejenigen  das  Höchste  erreicht  haben,  welche  fast  wie  Cicero 
schrieben. 

Man  hätte  in  die  Gefahr  kommen  können,  nichts  als  ein  mattes 
Abbild  der  römischen  Kaiserzeit  darzustellen,  wenn  nicht  doch  da- 
gegen das  widerstrebende  Element  der  Kirche  immer  geschützt 
hätte,  welches  sich  in  dieser  Form  nicht  fesseln  lassen  konnte,  und 
das  unvertilgbare  frische  Leben  der  Völker,  welches  nicht  ruhte,  bis 
es  sich  seine  eigenen  neuen  Formen  geschaffen  hatte. 

Für  das  Leben  Einhards  haben  wir  die  werthvollste  Bereiche- 
rung unserer  Kenntnifs  dem  Prologe  Walahfrids  zu  Kaiser  Karls 
Leben  zu  danken,  dessen  früher  bezweifelte  Echtheit  durch  die  Auf- 
findung der  Kopenhagener,  einst  Kirschgarter  Handschrift  gesichert 
ist;  daraus  ist  er  fehlervoll  Arch.  VII,  372,  correcter  von  Jaffe  heraus- 
gegeben1), und  mit  Benutzung  desselben  hat  Jaffe  in  sorgfältigster 
Weise  Einhards  Leben  neu  bearbeitet.  Eine  zweite  Handschrift  in 
Freiburg  i.  Br.  hat  B.  Simson  entdeckt  und  die  Varianten  mit- 
getheilt2). 

Einhard  —  denn  so,  nicht  Eginhard,  wird  der  Name  von  seinen 
Zeitgenossen  urkundlich   geschrieben3)    —   ist   um   das   Jahr  770  in 


l)  Bibl.  IV,  507—508,  doch  ist  S.  508  n.  b  wohl  mit  Unrecht  debere 
in  prebere  geändert.     In  der  4.  Ausg.  von  Waitz  p,  XX. 

3)  Zts.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  N.  F.  VII,  314—319. 

3)  Er  selbst  schrieb  Ein  hart,  Zeitgenossen  wechseln,  und  neben  Bern- 
hard erscheint  Einhard  für  uns  als  die  natürlichere  Schreibart. 

12* 


180  II-    Karolinger.     §  8.    Einhard. 

Ostfranken  im  Maingau  von  edlen  Eltern x)  geboren,  und  erhielt  seine 
früheste  Erziehung  im  Kloster  Fulda2),  zu  dem  er  auch  immer  in 
freundschaftlicher  Beziehung  blieb:  noch  bewahren  sechs  von  ihm 
unter  Abt  Baugulf  (779 — 802)  geschriebene  Urkunden,  wenn  gleich 
nicht  im  Original  erhalten,  das  Andenken  an  jene  Zeit.  Darunter 
ist  eine  Schenkung  der  Ehegatten  Einhart  und  Engilfrit,  höchst 
wahrscheinlich  seiner  Eltern;  zwei  vom  19.  April  788  und  vom 
12.  September  791  dienen  zur  Zeitbestimmung3).  So  sehr  zeichnete 
er  sich  durch  seine  Fähigkeiten  und  Fortschritte  aus,  dass  Abt 
Baugulf  ihn  an  den  Hof  des  Königs  schickte,  denn  dieser,  das 
wufste  Baugulf,  trachtete  eifrigst  danach,  die  fähigsten  und  gelehr- 
testen Männer  aus  dem  ganzen  Reiche  um  sich  zu  versammeln.  In 
der  Hofschule  also  vollendete  er  seine  Ausbildung,  und  erwarb  sich 
bald  die  Anerkennung,  welcher  beim  ersten  Anblick  seine  kleine 
Gestalt  hinderlich  war.  Homuncio  nennt  ihn  deshalb  Walahfrid,  nam 
statura  despicabilis  videbatur.  Und  Theodulf  sagt  796  in  dem  oben 
erwähnten  Gedicht  an  Karl  v.  155  ff.  von  ihm: 

Nardulus  huc  illuc  discurrat  perpete  gressu: 

Ut  formica  tuus  pes  redit  itque  frequens, 
Cujus  parva  domus  habitatur  hospite  magno, 

Res  magna  et  parvi  pectoris  antra  colit. 
Et  nunc  ille  libros  operosus4),  nunc  ferat  et  res, 

Spiculaque  ad  Scotti  nunc  paret  apta  necem. 

Denn  von  der  Bissigkeit  dieses  Schottenmönchs  (vgl.  oben  S.  153) 
hatte  er  nicht  minder  als  Alcuin  und  Theodulf  selbst  zu  leiden. 
Alcuin  aber  verfafste  folgende  scherzhafte  Yerse  als  Inschrift  auf 
Einhards  Haus: 

Parva  quidem  res  est  oculorum  cerne  pupilla, 
Sed  regit  imperio  vivacis  corporis  actus. 
Sic  regit  ipse  domum  totam  sibi  Nardulus  istam: 
Nardule,  die  lector  pergens,  tu  parvule  salve! 

Und  für  seine  Hausthür: 

Janua  parva  quidem  et  parvus  habitator  in  aede  est. 

*)  Wegen  der  falschen  Lesart  minus  statt  munus  nahm  man  früher  das 
Gegentheil  an. 

2)  Irrthümlich  sah  0.  Abel  in  den  Worten  Walahfrids  sub  pedagogio 
saneti  Bonifaeii  martiris  einen  Anachronismus;  nicht  der  lebende  Bonifaz, 
sondern  der  Schutzpatron  ist  gemeint. 

3)  S.  Jaffe  S.  488,  der  diese  Urkunden  aus  Dronke's  C.  D.  Fuld.  zuerst 
verwerthet  hat. 

4)  Jaffe's  Conjectur  operosas  mit  vorhergehendem  Komma  kann  ich 
nicht  billigen. 


Einhard  am  Hofe.  181 

Seine  volle  Anerkennung  für  Einhard  aber  spricht  er  in  diesem 
hübschen  Epigramm  aus: 

Non  spernas  Nardum,  lector,  in  corpore  parvum, 
Nam1)  redolet  nardus  spicato  gramine  multum: 
Mel  apis  egregrium  portat  tibi  corpore  parvo. 

Als  schon  in  späteren  Jahren  829  Walahfrid  Kaiser  Ludwigs 
Hof  schilderte,  schrieb  er  von  Einhard  (mit  dem  Lemma  de  Ein- 
liarto  magno)2): 

Nee  minor  est  magni  reverentia  patris  habenda 

Beseleel,  fabre3)  primum  qui  pereipit  omne 

Artificum  praecautus  opus :  sie  denique  summus 

Ipse  legens  infirma  dens,  sie  fortia  temnit.     (I.  Cor.  1,  27.) 

Magnorum  quis  enim  majora  reeeperat  umquam, 

Quam  radiäre  brevi  nimium  miramur  homullo? 

Dafs  aber  auch  Einhard  zu  den  Dichtern  des  Hofes  gehörte, 
erfahren  wir  erst  aus  jenem  Gedicht  des  Naso,  wo  es  zugleich 
mit  hoher  Anerkennung  seiner  hervorragenden  Stellung  von  ihm 
heifst: 

Aonias  avide  solitus  recitare  Camenas 
Nardus  ovans  summo  praesenti  pollet  honore. 

Durch  seine  Klugheit  und  Gelehrsamkeit,  sowie  durch  seine 
Rechtlichkeit  und  Treue  erwarb  sich  Einhard  das  vollste  Vertrauen 
Karls,  der  fast  keinem  seiner  Räthe  so  rücksichtslos  seine  geheimsten 
Gedanken  mittheilte;  den  jüngeren  Mann  liebte  er  wie  einen  Sohn, 
und  Einhard  erwiederte  diese  Zuneigung  mit  der  hingebendsten 
Verehrung4).  Ganz  besonders  zeichnete  sich  Einhard  auch  durch 
seine  Kunstfertigkeit  aus,  durch  seine  Kunde  der  Baukunst,  welche 
er  durch  eifriges  Studium  des  Vitruv  und  der  alten  Denkmäler  aus- 
zubilden suchte,  und  durch  Geschicklichkeit  in  mancherlei  Arbeit. 
Er  erhielt  deshalb  unter  den  Hofgelehrten  den  Beinamen  Beseleel, 
nach  dem  kunstreichen  Werkmeister  der  Stiftshütte,  und  wurde  vom 
Kaiser  zum  Aufseher  seiner  grofsartigen  Bauten  ernannt5).     Auch  in 

*)  Nam  statt  Jam,  und  im  folg.  Vers  Mel  apis  statt  Me  lapis  sind  Ver- 
besserungen von  Jaffe.  Diese  Verse  sind  als  n.  242  bei  Frob.  II,  231  un- 
passend mit  den  vorhergehenden  verbunden.     Poet.  Lat.  I,  248. 

2)  Poet.  Lat.  II,  377. 

3)  Diesen  Ausdruck  (ich  vermuthete  fahrt)  rechtfertigt  Dümmler  a.  a.  0. 
durch  Hinweis  auf  Exod.  31,  4.  35,  33.  36,  1. 

4)  Dass  er  auch  als  Geheimschreiber  thätig  gewesen  sei,  was  nicht 
unwahrscheinlich  ist,  sucht  E.  Bacha  nachzuweisen. 

5)  Nach  einer  von  Pertz  in  d.  3.  Sep.  Ausg.  d.  V.  Caroli,  von  Jaffe,  Bibl. 
IV,  536  mitgetheilten  Notiz  war  Meister  Odo  der  Architekt  des  Aachener 
Münsters;    Einhard    scheint    die    oberste  Leitung    aller  Bauten   gehabt  zu 


182  H.    Karolinger.     §  8.    Einhard. 

anderen  wichtigen  Angelegenheiten  bewies  ihm  der  Kaiser  sein  Ver- 
trauen; er  sandte  ihn  irn  Jahre  806  an  den  Pabst,  um  dessen  Zu- 
stimmung zu  seiner  Anordnung  über  die  Reichstheilung  zu  erlangen, 
und  813  war  es  Einhard,  dessen  Rath  und  Bitte  Karl  bestimmt 
haben  soll,  seinen  Sohn  Ludwig  zum  Kaiser  zu  ernennen.  Da  ist 
es  denn  nicht  zu  verwundern,  dafs  er  auch  bei  diesem  sehr  in 
Gunst  stand;  die  grofsen  Bauten  hörten  auf,  aber  nun  wurde  dem 
kunstreichen  und  gelehrten  Manne  eine  ganze  Reihe  der  ansehn- 
lichsten Abteien  übertragen.  Allein  mehr  als  diese  zog  ihn  der  ab- 
gelegene und  einsame  Fleck  Landes  zu  Michelstadt  im  Odenwald 
an,  den  er  815  für  sich  und  seine  Gemahlin  Imma  vom  Kaiser  zum 
Geschenk  erbat.  Mehr  und  mehr  zog  er  sich  hierin  zurück,  und 
nachdem  er  sich  im  Jahre  827  den  nach  den  Begriffen  der  Zeit 
unschätzbaren  Besitz  der  Gebeine  der  heiligen  Märtyrer  Marcellinus 
und  Petrus  verschafft  hatte,  gedachte  er  hier  ein  Kloster  zu  gründen; 
doch  veranlafste  eine  Vision  ihn,  die  Reliquien  nach  Mühlheim  am 
Main  zu  führen,  wo  er  ihnen  eine  stattliche  Kirche  erbaute,  und  die 
Abtei  stiftete,  welche  den  Namen  des  Ortes  allmählich  in  Seligen- 
stadt  verwandelte. 

Noch  konnte  Einhard  sich  nicht  ganz  den  Staatsgeschäften 
entziehen,  deren  unruhiges  und  kriegerisches  Getreibe  allen  denen, 
welche  sich  zu  litterarischer  Beschäftigung  hingezogen  fühlten,  un- 
erträglich war1).  Im  Jahr  817  gab  ihn  Ludwig  dem  jungen  Kaiser 
Lothar  als  Rathgeber,  und  830  finden  wir  ihn  eifrig  bemüht,  den 
Ausbruch  der  Empörung  zu  verhindern,  die  Aussöhnung  zwischen 
Vater  und  Sohn  zu  bewirken;  Walahfrid  rühmt  ganz  vorzüglich  die 
Klugheit,  mit  welcher  Einhard  weder  vorzeitig  den  alten  Kaiser 
verlassen,  noch  auch  sich  ohne  Nutzen  ins  Verderben  gestürzt  habe. 
Als  aber  die  inneren  Zustände  des  Reichs  immer  unheilbarer  wurden, 
auch  niemand  mehr  auf  seinen  weisen  Rath  achtete,  da  zog  er  sich 
ganz  in  seine  Waldeinsamkeit  zurück.     Noch  war  ein   harter  Schlag 

haben.  Wenigstens  heifst  es  in  der  Chronik  von  St.  Wandrille  vom  Abt 
Ansegis:  „exactor  operuni  regalium  in  Aquisgrani  palatio  regio  sub  Hein- 
hardo  abbate,  viro  undecunque  doctissirao,  a  domno  rege  constitutus  est." 
Und  Hraban  sagt  in  der  Grabschrift: 

Quem  Carolus  princeps  propria  nutrivit  in  aula, 
Per  quem  et  confecit  multa  satis  opera. 
Waitz    fügt    dazu    die   Stelle    des    Odilo  in  der  Transl.  S.  Tiburtii,   wo  E. 
„palatii  regalis  domesticus"  genannt  wird.     Verfassungsgesch.  III  (2.  Aufl.) 
S.  528  Anm.  1. 

*)  In  einer,  wie  es  scheint,  an  Ludw.  d.  Fr.  gerichteten  theol.  Abhand- 
lung heifst  es:  „Einharde,  si  haec  legas,  non  mireris,  si  forte  invenias 
errantem."     Forsch.   VI,  122. 


Einhards  Leben.     Seine  Briefe.  183 

des  Schicksals  ihm  vorbehalten,  der  Tod  seiner  innig  geliebten 
Gemahlin  Imma,  die  nach  Jaffe's  scharfsinniger  Vermuthung  eine 
Schwester  des  Bischofs  Bernhar  von  Worms  war1).  Sie  starb  im 
Jahre  836;  der  alte  Kaiser  hat  ihn  damals  in  seiner  Zurückgezogen- 
heit  aufgesucht,  um  ihm  seine  Theilnahme  zu  bezeugen,  und  Lupus, 
der  sich  gerade  seiner  Studien  wegen  in  Fulda  aufhielt,  wo  er  eben 
mit  lebhafter  Bewunderung  die  Vita  Caroli  gelesen  hatte,  schrieb 
ihm  in  herzlichem  Mitgefühl  einen  Trostbrief2).  Nicht  lange  darnach, 
am  14.  März  840,  starb  er  selbst3);  eine  schöne  Grabschrift  von 
Hrabans  Hand  zierte  seine  Ruhestätte4).  In  der  Abts  würde  folgte 
ihm  sein  Schüler  Ratleik,  einst  sein  Schreiber,  jetzt  Ludwigs  des 
Deutschen  Kanzler5). 

Eine  reiche  Quelle  für  die  Geschichte  des  letzten  Jahrzehnts 
von  Ludwigs  des  Frommen  Regierung,  leider  nicht  für  die  frühere 
Zeit,  bieten  uns  die  Briefe  Einhards  und  anderer  an  ihn,  oder  die 
auf  irgend  eine  Weise  in  seinen  Besitz  gekommen  waren6),  welche 
in  seinem  Genter  Kloster  als  Muster  gesammelt  wurden;  die  Eigen- 
namen wurden  als  überflüssig  meistens  beseitigt.  Die  Handschrift 
kam  mit  den  vor  den  Normannen  flüchtenden  Mönchen  nach  Laon, 
wo  sie  in  stark  beschädigtem  Zustande  geblieben  ist,  bis  Pertz  sie 
1827  dort  entdeckte,  worauf  sie  wenig  später  nach  Paris  gebracht 
wurde.  Nachdem  zuerst  Teulet  die  Handschrift  wieder  benutzt 
hatte,  liegt  nun  von  Jaffe  eine  zu  bequemem  Gebrauche  kritisch 
bearbeitete  Ausgabe  vor7). 

')  Das  bezweifelt  B.  Simson,  Ludw.  d.  Fr.  II,  160  Anm.  2,  und  es  ist 
zuzugeben,  dafs  die  Vermuthung  unsicher  ist. 

2)  Lupi  epp.  1  u.  4  ed.  Baluze.  Diese  Briefe  sind  wiederholt  bei  Ideler, 
Leben  Karls  d.  Gr.  II,  138  ff.  Einhard  widmete  ihm  eine  Schrift  de  ado- 
randa  cruce,  welche  E.  Dümmler,  NA.  XI,  231 — 238  herausgegeben  hat. 

3)  Das  Jahr  840  hat  Jaffe  den  Fulder  Todtenannalen  (Dronke  Traditt. 
p.  168,  jetzt  SS.  XIII,  174)  entnommen,  und  da  er  darin  billig  vorkommen 
mufs,  dürfen  wir  den  ohne  jede  nähere  Bezeichnung  gesetzten  Namen  wohl 
auf  ihn  beziehen.  Die  Ann.  S.  Bavonis  (MG.  II,  187),  welche  844  (Chron. 
S.  Bavonis  bei  De  Smet,  Corp.  I,  483  auch  d.  25.  Juli)  geben,  sind  eine  ganz 
unzuverlässige  späte  Compilation.  Den  14.  März  geben  die  Necrologien 
von  Lorsch  u.  Fulda  (Leibn.  SS.  III,  762;  bei  Schannat  u.  Boehmer  fehlt 
Einhards  Name)  u.  eine  Aufzeichnung  saec.  IX  im  Cod.  Vat.  Pal.  1448  bei 
Dümmler,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XXI,  76;  den  21.  März  das  Würzburger  bei 
Eckhardt,  Comm.  II,  320,  u.  Dümmler,  Forsch.  VI,  116. 

4)  Poet.  Lat.  II,  237.  Einige  Bücher  aus  seinem  Besitz,  wie  es  scheint, 
Vergil,  Persius,  Arator,  Boethius,  befanden  sich  im  11.  Jahrh.  in  St.  Evre 
zu  Toul,  Becker,  Catal.  S.  152,  worauf  mich  Manitius  aufmerksam  machte. 

5)  S.  über  ihn  Dümmler  Ostfr.  II,  432. 

G)  Der  Brief  an  den  Kaiser  über  den  Kometen  von  837  (Bibl.  IV,  459) 
ist  einzeln  vollständiger  erhalten,  NA.  I,  585,  vgl.  II,  450. 

')  Bibl.  IV,  437—486;  vgl.  Dümmler  im  Lit.  Centralbl.  1867  Sp.  1268. 


184  H.    Karolinger.     §  8.    Einhard. 

Einhards  berühmtestes  und  vollendetstes  Werk  ist: 
Das  Leben  Karls. 

Ausgabe  von  Pertz  MG.  SS.  II,  426-463.  Besonderer  Abdruck,  3.  Ausgabe  1863,  mit 
einem  Anhang  von  Gedichten.  Ueber  später  gefundene  Handschriften  NA.  VI,  195. 
Cod.  Monac.  17134  aus  Scheftlarn  mit  Interpolationen  aus  den  Annalen  über  Tassilo, 
s.  Graf  Hundt  in  d.  S.  154  angef.  Abb.  S.  191.  Cod.  Paris  4937  ist  mit  dem  Fonds 
Barrois  wieder  erworben.  Eine  Hds.  im  Catalog  von  1412  des  Kl.  Amelungsborn, 
Dürre  im  Progr.  d.  Gymn.  zu  Holzminden  1876  S.  22.  Ideler:  Leben  und  Wandel 
Karls  des  Grofsen  von  Einhard  (Text  mit  Commentar  und  Beilagen),  2  Bde.  1839. 
Ausg.  von  Jaffe,  Bibl.  IV,  487-581,  und  bes.  Abdruck,  1867;  1876  cur.  W.  Watten- 
bach. Ed.  Waitz.  1880;  A.  Holder  1881.  Uebers.  v.  0.  Abel,  Geschichtschr.  16 
(IX,  1)  1850,  1880.  Verbesserungen  von  Fröhner,  Krit.  Analecten,  Philologus,  Suppl. 
Bd.  V,  S.  93.  Fr.  Schmidt  De  Einhardo  Suet.  imitatore,  Progr.  1880.  Manitius,  An- 
klänge an  Vergil,  NA.  IX,  617,  an  Sulpicius  Severus,  Vellejus  u.  Curtius  ib.  XII,  205. 
206;  an  Justin  XIII,  213.  E.  Bernheim,  Waitz  -  Aufsätze  S.  73-96,  über  das  Verhält- 
niss  zu  Sueton  und  zu  den  Ann.  Einhardi,   die  er  benutzt  habe,   vgl.  NA.  XII,  427. 

„Einhard",  sagt  Ranke  zur  Kritik  fränkisch-deutscher  Reichs- 
annalisten S.  416 *),  „hatte  das  unschätzbare  Glück,  in  seinem  grofsen 
Zeitgenossen  den  würdigsten  Gegenstand  historischer  Arbeit  zu  finden; 
indem  er  ihm,  und  zwar  aus  persönlicher  Dankbarkeit  für  die  geistige 
Pflege,  die  er  in  seiner  Jugend  von  ihm  genossen,  ein  Denkmal 
stiftete,   machte  er  sich  selbst  für  alle  Jahrhunderte   unvergefslich." 

„Vielleicht  in  keinem  neueren  Werke  tritt  nun  aber  die  Nach- 
ahmung der  Antike  stärker  hervor,  als  in  Einhards  Lebensbeschrei- 
bung Karls  des  Grofsen.  Sie  ist  nicht  allein  in  einzelnen  Ausdrücken 
und  der  Phraseologie,  sondern  in  der  Anordnung  des  Stoffes,  der 
Reihenfolge  der  Capitel,  eine  Nachahmung  Suetons.  Wie  auffallend, 
dafs  ein  Schriftsteller,  der  eine  der  gröfsten  und  seltensten  Gestalten 
aller  Jahrhunderte  darzustellen  hat,  sich  dennoch  nach  Worten  um- 
sieht, wie  sie  schon  einmal  von  einem  oder  dem  anderen  Imperator 
gebraucht  worden  sind.  Einhard  gefällt  sich  darin,  die  individuellsten 
Eigenheiten  der  Persönlichkeit  seines  Helden  mit  den  Redensarten 
zu  schildern,  die  Sueton  von  Augustus,  oder  Vespasian,  oder  Titus, 
oder  auch  hie  und  da  von  Tiberius  gebrauchte.  Er  hat  gleichsam 
die  Mafse  und  Verhältnisse  nach  dem  Muster  der  Antike  ein- 
gerichtet, wie  in  seinen  Bauwerken:  aber  damit  noch  nicht  zu- 
frieden, wendet  er  wie  in  diesen,  auch  sogar  antike  Werkstücke  an. 
Wenn   wir   auch    überzeugt    sind,    dafs    hiebei    die    Wahrheit    nicht 

Es  fehlen  ein  Brief  der  Gemeinde  von  Sens  an  E.  s.  Simson  I,  302  Anm.  2, 
und  ein  nicht  unwichtiger,  doch  nicht  von  E.  kommender  Brief  an  Lothars 
Gemahlin  Hermengard,  Teulet  II,  146  (Du  Chesne  II,  710.  Mab.  Ann.  1. 
28  n.  48). 

l)  Ges.  Werke  LI.  LH,  S.  96.  S.  121  —  124  sind  hier  weitere  Be- 
merkungen hinzugefügt  über  die  Ungenauigkeit  im  ersten  Theil,  während 
für  die  zweite  Hälfte  werthvolle  Nachrichten  gegeben  werden. 


Das  Leben  Karls  des  Grofsen.  185 

verletzt  wurde,  so  konnte  doch  die  ganze  Originalität  der  Erscheinung 
auf  diese  Art  nicht  wiedergegeben  werden.  Ueberhaupt  suchen  wir 
in  der  Geschichte  nicht  allein  Schönheit  und  Form,  sondern  die 
exacte  Wahrheit,  deren  Ausdruck  die  freieste  Bewegung  fordert  und 
dadurch  eher  erschwert  wird,  dafs  man  sich  ein  bestimmtes  Muster 
vor  Augen  stellt." 

„Ohne  Zweifel  war  die  Absicht  Einhards  mehr  auf  eine  ange- 
nehm zusammenfassende  Darstellung,  als  auf  strenge  Genauigkeit  in 
den  Thatsachen  gerichtet.  Das  kleine  Buch  ist  voll  von  historischen 
Fehlern." 

„Nicht  selten  sind  die  Regierungsjahre  falsch  angegeben,  z.  B. 
bei  Karlmann,  der  nur  zwei  Jahre  regiert  haben  soll,  während  er 
doch  über  drei  Jahre  als  König  neben  Karl  dem  Grofsen  lebte; 
über  die  Theilung  des  Reiches  zwischen  den  beiden  Brüdern  wird 
eben  das  Gegentheil  von  dem  behauptet,  was  wirklich  stattgefunden 
hat:  Schlachten,  die  ohne  besondere  Wirkung  vorübergingen  wie 
die  an  der  Berre,  werden  als  entscheidend  bezeichnet;  Namen  der 
Päbste  werden  verwechselt,  die  Gemahlinnen  sowohl,  wie  die  Kinder 
Karls  des  Grofsen  nicht  richtig  aufgeführt;  es  sind  so  viele  Ver- 
stöfse  zu  bemerken,  dafs  man  oft  an  der  Aechtheit  des  Buches  ge- 
zweifelt hat,  obwohl  sie  über  allen  Zweifel  erhaben  ist." 

So  weit  Ranke,  zu  dessen  scharfer  Charakteristik  ich  nur  wenig 
hinzuzufügen  habe.  Gerade  in  diesem  Werke  tritt  die  Eigenthüm- 
lichkeit  der  karolingischen  Bildung  am  deutlichsten  hervor;  unmög- 
lich kann  der  fränkische  Volkskönig  in  diesen  suetonischen  Aus- 
drücken zur  vollen  Erscheinung  kommen.  Nur  darf  man  auch 
nicht  vergessen,  dass  Einhard  eben  den  Volkskönig  kaum  noch 
kannte,  sondern  hauptsächlich  nur  den  alternden  Kaiser,  der  selber 
nach  der  Wiederbelebung  des  antiken  Wesens  trachtete,  desseu 
Streben  in  vieler  Hinsicht  auf  die  Herstellung  des  alten  Imperatoren- 
reiches gerichtet  war,  und  der,  wenn  ihm  auch  die  Einführung  der 
staatlichen  Formen  jener  Zeit  fern  lag,  doch  durch  seine  grofse 
persönliche  Ueberlegenheit  so  ehrfurchtgebietend  dastand,  und  so 
sehr  die  Seele  der  ganzen  Herrschaft  war,  dafs  es  nicht  so  ganz 
unpassend  war,  ihn  dem  Augustus  zu  vergleichen  und  die  Farben 
des  Bildes  von  dem  Biographen  der  Imperatoren  zu  borgen.  Auch 
dankt  er,  und  wir  mit  ihm,  dem  Sueton  mehr  als  nur  die  Ausdrücke. 
Keine  Biographie  des  Mittelalters  stellt  uns  ihren  Helden  so  voll- 
ständig und  plastisch  nach  allen  Seiten  seines  Wesens  dar.  Das 
ist  die  Frucht  der  Kategorien,  welche  Einhard  bei  seinem  Vorbilde 
fand.      Indem    er    diesen    gewissenhaft   folgte,    wurde  er,    wie   Jaffe 


186  II.    Karolinger.     §  8.    Einhard. 

(S.  501)  richtig  bemerkt,  veranlafst  viele  Umstände  zu  erwähnen, 
welche  er  sonst  wahrscheinlich  übersehen  haben  würde. 

Dafs  Einhard  sich  bei  diesem  Werke  nicht  eine  eigentliche  ge- 
schichtliche Darstellung  zur  Aufgabe  gewählt  hatte ,  bemerkt  auch 
Ranke;  er  wollte  ein  Lebensbild  entwerfen,  eben  nach  der  Weise 
des  Sueton,  und  diesen  Zweck  hat  er  vollständig  erreicht.  Er  ver- 
fafste  dieses  Werk  unmittelbar  nach  des  Kaisers  Tod;  schon  821 
finden  wir  es  im  Reichenauer  Bibliothekskatalog  genannt1),  um  830 
von  einem  Zeitgenossen  erwähut  und  benutzt.  Noch  stand  das  Bild 
seines  väterlichen  Freundes  in  voller  Frische  vor  seinem  Geiste,  und 
die  etwas  kalte  Eleganz  der  Form  wird  durchwärmt  von  der  kind- 
lichen Verehrung  und  Anhänglichkeit,  von  welcher  der  Verfasser 
ganz  erfüllt  ist,  und  die  sich  überall  ausspricht,  ohne  dafs  doch 
das  Lebensbild  in  eine  Lobrede  ausartete.  Vielmehr  tritt  die  ruhige 
Mäfsigung,  welche  Einhards  Charakter  eigen  ist,  auch  hierin  deut- 
lich hervor,  und  seine  reine  Wahrheitsliebe  ist  unverkennbar,  wenn 
er  auch  die  Schwächen  seines  Helden  mit  leichter  Hand  berührt. 

Ein  Werk,  welches  diesem  an  Vollendung  der  Form,  wie  an 
ansprechendem  Inhalte  zu  vergleichen  wäre,  hatten  die  germanischen 
Nationen  noch  nicht  hervorgebracht,  und  so  ist  es  denn  auch  nicht 
zu  verwundern,  dafs  es  rasch  die  gröfste  Verbreitung  fand  und 
Jahrhunderte  lang  zu  den  beliebtesten  und  gelesensten  Büchern  ge- 
hörte; bald  nach  seiner  Vollendung  wird  es  von  dem  jungen  Lupus, 
der  es  in  Fulda  gelesen  hatte,  mit  warmer  Begeisterung  gepriesen 
(oben  S.  183);  Walahfrid  theilte  es  in  Capitel  und  schrieb  dazu 
jenen  so  werthvollen  Prolog,  dem  wir  die  wichtigsten  Lebensnach- 
richten über  Einhard  verdanken.  Noch  jetzt  sind  mehr  als  80 
Handschriften  davon  uns  bekannt,  und  seit  den  Biographen  Ludwigs 
des  Frommen  sind  die  Chronisten  nicht  müde  geworden ,  es  auszu- 
schreiben. 

Nachdem  die  Vita  Caroli  schon  1521  (oben  S.  5)  und  dann  sehr 
häufig  gedruckt  war,  hat  Pertz  1829  mit  übergrofser  Fülle  von  Va- 
rianten eine  Ausgabe  gegeben ,  deren  Text  nicht  überall  den  Vorzug 
vor  den  älteren  Ausgaben  verdient2).  Jaffe  hat  in  seiner  neuen 
Ausgabe  1867  eine  früher  übersehene  Pariser  Handschrift  zu  Grunde 
gelegt,  und  endlich  Walahfrids  Prolog  damit  verbunden,  welchen 
Pertz  mit  der  ihm  eigenen  Starrheit  auch  noch  in  der  neuesten 
Ausgabe    unberücksichtigt    gelassen    hatte3).     Doch    hat   auch  diese 

*)  Neugart,  Ep.  Constant.  I,  1,  540. 

2)  S.  Jaffe  in  der  Bibl.  IV,  504. 

3)  Beigegeben   ist   dagegen    hier   eine   schlecht   gezeichnete   Abbildung 


Der  Mönch  von  Sanct  Gallen.  187 

Grundlage  sich  nicht  zu  bewähren  vermocht.  Waitz  hat  die  Ueber- 
schätzung  der  nicht  mustergültigen  Pariser  Hs.  nachgewiesen,  und 
endlich  mit  Benutzung  neuer  Hülfsmittel ,  und  Unterscheidung  ver- 
schiedener Recensionen,  die  vielleicht  an  Einhard  selbst  hinanreichen, 
einen  neuen  besser  gesicherten  Text  hergestellt. 


Häufig  finden  sich  in  Handschriften  das  Leben  Karls  und  die 
Reichsannalen  als  erstes  und  zweites  Buch  mit  einander  verbunden; 
als  drittes  tritt  dann  die  Schrift  des  Mönches  von  St.  Gallen1) 
hinzu,  in  welchem  man  jetzt  Notker  den  Stammeier  erkannt  hat2), 
der  im  Jahre  883 ,  veranlafst  durch  Kaiser  Karl  III ,  den  reichen 
Schatz  von  Erzählungen  und  Sagen  aufzeichnete,  welche  sich  im 
Munde  des  Volkes  an  Karl,  an  seinen  Sohn  und  den  Enkel,  Ludwig 
den  Deutschen,  knüpften.  Da  ist  nun  nichts  mehr  von  Einhards 
klassischer  Form  zu  finden,  die  Sprache  ist  roh  und  unbehülflich 
und  der  Inhalt  keine  Geschichte;  nur  selten  und  mit  grofser  Vor- 
sicht ist  ein  Vorfall,  der  hier  erzählt  wird,  als  wirkliche  Thatsache 
hinzunehmen. 

Aber  um  keinen  Preis  möchten  wir  doch  diese  Sammlung  ent- 
behren. Sie  zeigt  uns  das  Bild  des  grofsen  Kaisers,  wie  es  im  Volke 
lebte  und  bis  dahin  sich  gestaltet  hatte,  und  mancher  höchst  cha- 
rakteristische Zug  hat  sich  nur  hier  erhalten.  Der  gute  alte  Mönch, 
der  uns  so  lebendig  mitten  unter  das  Volk  und  seine  Erzählungen 
führt,  hat  deshalb  den  gröfsten  Anspruch  auf  unsere  Dankbarkeit, 
und  wir  müssen  sehr  bedauern ,  dafs  er  sein  Werk ,  wie  es  scheint, 
nicht  vollendet  hat. 

Der  Uebersetzer   dieser   Schrift   hat    sich  bemüht,    die    Anfänge 

des  Commoduskopfes,  mit  welchem  Karl  siegelte,  die  Pertz  irrig  für  Karls 
Porträt  hielt. 

*)  Monachus  Sangallensis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  726—763.  Neue  Ausg. 
von  Jaffe,  Bibl.  IV,  619 — 700  mit  Benutzung  der  abweichenden  Zwifalter 
(Stuttg.)  und  Wiblinger  (St.  Flor.)  Handschriften,  weiche  jedoch,  wie  Gerold 
Meyer  von  Knonau  zu  Ratperti  Casus  S.  Galli  S.  255  nachgewiesen  hat, 
durch  spätere  Ueberarbeitung  und  Interpolation  verändert  sind,  weshalb 
der  Text  nicht  nach  ihnen  hätte  gestaltet  werden  sollen.  Auch  Zeumers 
entgegengesetzter  Ansicht  kann  ich  mich  nicht  anschliefsen.  Eine  aus 
Tegernsee  stammende  unvollst.  Hs.  ist  für  die  Pariser  Bibl.  erworben, 
Nouv.  acq.  lat.  310.  Uebersetzung  von  W.  Wattenbach,  Berlin  1850,  1877, 
1890  (Geschichtschr.  26.  IX,  11).  Zu  dem  Spielmannsrcim  auf  Udalrich  I, 
13,  vgl.  Steinmeyer,  Zeitschr.  f.  D.  Alt  XX.  Anz.  S.  147.  Ueber  benutzte 
Schriften  Simson,  Karl  d.  Gr.  II,  S.  612—615. 

8)  Zeumer  in  den  Waitz-Aufsätzen,  S.  97—118.  Zu  demselben  Re- 
sultat kam  Graf  Zeppelin:  Wer  ist  d.  Mon.  Sangallensis?  Schriften  d.  Ver- 
eins f.  Gesch.  d.  Bodensees  XIX,  S.  33  fi". 


188  II.    Karolinger.     §  8.    Einhard. 

karolingischer  Sage  weiter  zu  verfolgen,  und  die  Spuren  davon  zu 
sammeln;  ihm  war  dabei  in  der  ersten  Ausgabe  eine  merkwürdige 
Stelle  entgangen,  die  Angabe  in  dem  Leben  der  Königin  Mabthild, 
dafs  der  Krieg  zwischen  Karl  und  Widukind  durch  einen  Zweikampf 
beider  entschieden  sei:  nach  langem  Widerstand  besiegt,  habe  Widu- 
kind sich  taufen  lassen  *). 

Mit  den  Kreuzzügen  artete  die  Karlssage  aus  und  verlor  allen 
geschichtlichen  Inhalt;  besonders  die  Aachener  Reliquien  brachten 
die  Erzählung  von  Karls  Kreuzfahrt  zu  allgemeiner  Geltung,  und 
fortan  treten  die  Lügen  des  falschen  Turpin  an  die  Stelle  von  Ein- 
hards  treuer  Schilderung.  Wie  daneben  im  Munde  der  fahrenden 
Sänger  das  Andenken  Karls  sich  erhielt  und  umwandelte,  darüber 
genügt  es,  auf  das  schöne  Werk  von  Gaston  Paris  Histoire  poetique 
de  Charlemagne  (Paris  1865)  zu  verweisen. 

Eine  Schrift  Einhards  bleibt  uns  noch  zu  erwähnen,  sein  Be- 
richt nämlich  von  der  Uebertragung  der  Gebeine  der  heiligen  Mär- 
tyrer Marcellinus  und  Petrus  von  Rom  nach  Seligenstadt2).  Im 
Jahr  827  geschah  die  Ueberbringung,  und  830  verfafste  Einhard 
die  sehr  auziehend   geschriebene  Darstellung    derselben.     Wir  sehen 

!)  MG.  SS.  X,  576.  Zu  erwähnen  ist  noch  die  nach  der  Mitte  des 
neunten  Jahrhunderts  in  Mainz  aufgezeichnete  Visio  domni  Caroli,  gegen 
die  Ausbeutung  der  Kirchengüter  durch  seine  Nachfolger  gerichtet,  bei  Graff, 
Althochdeutscher  Sprachschatz  III,  855,  übersetzt  bei  Abel,  Kaiser  Karls 
Leben  S.  63;  jetzt  auch  Bibl.  IV,  701;  Gengier,  Germ.  Rechtsdenkmäler 
(1875)  S.  237.  Vgl.  Falk,  NA.  XI,  617.  Eine  ganz  andere  aus  einer 
Londoner  Hs.  erwähnt  NA.  IV,  379.  Ferner  das  von  Pertz  SS.  III,  708 
mitgetheilte  Haager  Fragment  über  Karls  Expeditio  Hispanica  (wiederholt 
bei  G.  Paris,  Hist.  poet.  de  Charlemagne,  S.  465,  vgl.  50  und  89,  und 
gröfstentheils  in  Hexameter  zurückgeführt  in  den  Münch.  SB.  1871  S.  328 
bis  342  von  Hofmann,  der  es  dem  Sagenkreise  von  Wilh.  von  Orense  zu- 
weist) und  die  Sagen  des  Chron.  Novaliciense.  Auch  die  Vita  S.  Arnoldi, 
Acta  SS.  Jul.  IV,  449 — 452,  ist  geschichtlich  unbrauchbar,  enthält  aber  eine 
sagenhafte  Geschichte  von  einem  Leierspieler,  der  sich  von  Kaiser  Karl 
den  Wald  bei  Arnsweiler  im  Jülichschen  für  die  umliegenden  Dörfer  erbittet; 
vgl.  Rettberg  I,  548.  Die  aus  Petrus  Damiani  zum  Mon.  Sangall.  S.  101 
mitgetheilte  Geschichte  findet  sich,  auf  den  Maurenkönig  übertragen,  bei 
Turpin  wieder.  Ein  wirkliches  Denkmal  der  Schlacht  bei  Roncevaux,  deren 
Tag  (15.  Aug.  778)  allein  dadurch  bekannt  wird,  ist  das  Epitaphium 
Aggiardi  (Karls  Truchsefs  Eggihard),  von  Dümmler  mitgetheilt  in  Haupts 
Zeitschr.  XVI,  279;  vgl.  S.  436,  u.  Gaston  Paris  in  der  Zeitschrift  Ro- 
mania  II,  146 — 148,  der  im  Anschlufs  daran  im  Turpin  ein  vielleicht 
echtes  Epitaphium  Rutlandi  nachweist.  Beide  jetzt  Poet.  Lat.  I,  109;  doch 
bemerkt  Dümmler  S.  110,  Anm.  2,  dass  letzteres  aus  Venantius  Fortunatus 
zusammengestoppelt  und  schwerlich  alt  ist. 

2)  Translatio  et  Miracula  SS.  Marcellini  et  Petri  ed.  G.  Waitz,  SS.  XV, 
238—264.  Ib.  p.  265—273  Ex  Miraculis  S.  Quintini  ed.  0.  Holder-Egger, 
nebst  einer  Translationsgesch.  s.  XI,  worin  verlorene  Annalen  von  Saint- 
Quentin  benutzt  sind. 


Translatio  SS.  Marcellini  et  Petri.  189 

darin,  wie  er  sich  mehr  und  mehr  von  dem  weltlichen  Leben  ab- 
wandte und  der  kirchlichen  Richtung  hingab,  wundergläubig  in 
hohem  Grade  und  ganz  mit  der  Pflege  seiner  Pflanzung  im  Oden- 
wald beschäftigt;  ganz  vorzüglich  betrübte  ihn,  dafs  bei  der  Krank- 
heit seiner  geliebten  Tmma  die  Zuversicht  auf  die  Wunderkraft  der 
Reliquien  ihn  so  völlig  getäuscht  hatte.  Diese  hohe  Verehrung 
der  Reliquien  theilte  er  mit  allen  seinen  Zeitgenossen,  und  eben 
wegen  dieser  Verehrung  haben  die  zahlreichen  Uebertragungen  sol- 
cher Gebeine  für  uns  auch  geschichtlichen  Werth.  Auf  ihnen  be- 
ruhte grofsentheils  der  Einflufs  der  Kirchen;  besonders  verehrte 
Reliquien  verschafften  ihnen  unermefslichen  Zulauf:  der  Ruf  von  ge- 
schehenen Wundern  verbreitete  sich  weithin,  und  ohne  Zweifel 
wurde  dadurch  die  Ausbreitung  des  Christenthums,  z.  B.  in  Sachsen, 
sehr  wesentlich  befördert.  Aus  den  genauen  Beschreibungen  der 
Reise,  wie  aus  den  Erzählungen  von  den  Wundern,  ist  zugleich 
vieles  für  die  Sittengeschichte  wie  für  die  Topographie  nicht  un- 
wichtige zu  entnehmen,  wie  das  namentlich  in  Bezug  auf  die  da- 
malige Art  zu  reisen,  aus  Einhards  Werk  kürzlich  von  W.  Matthaei 
nachgewiesen  ist1).  Merkwürdig  ist  auch  die  Unverschämtheit,  womit 
man  im  11.  Jahrh.  im  Medarduskloster  versucht  hat,  mit  ent- 
sprechender Verfälschung  von  Einhards  Schrift  sich  die  Leiber  der 
hh.  Tiburtius,  Marcellinus  und  Petrus  anzueignen2). 

Ob  nun  auch  die  in  rhythmischer  Form  bearbeitete  Passio  der 
Märtyrer  Einhard  zuzuschreiben  sei,  wie  Teulet  meint,  und  wie 
eine  aus  Fleury  stammende  Handschrift  angiebt,  ist  zweifelhaft,  da 
seine  ganze  Richtung  der  antiken  Form  zugewandt  war.  Es  wäre 
jedoch  nicht  gerade  unmöglich,  und  Dümmler  hält  es  für  wahr- 
scheinlich ,  dafs  er  für  diesen  Gegenstand  die  mehr  populäre  Form 
vorgezogen  hätte3). 

Es  bleibt  uns  nun  noch  die  Besprechung  der  Annalen  übrig, 
wobei  zu  bemerken  ist,  dafs  F.  Kurze,  während  er  die  Autorschaft  der 
grofsen  Reichsannalen  Einhard  entschieden  abspricht,  dagegen  der 
Meinung  ist,  er  habe  für  sein  Genter  Kloster  die  sog.  Annales  Si- 
thienses,  für  Fulda  die  Fuldenses  verfafst. 

1)  Translatio  SS.  M.  et.  P.  in  kulturgeschichtlicher  Beziehung.  Pro- 
gramm. 

2)  Translatio  SS.  Tiburtii,  Marcellini  et  Petri  ad  S.  Medardum  ed. 
Holder-Egger  SS.  XV,  391—395. 

3)  Neue  Ausg.  mit  Eintheilung  in  dreizeilige  Strophen,  von  Dümmler, 
Poet.  Lat.  II,  125-135. 


190  II-    Karolinger.     §  9.    Reichsarmalen. 


§  9.    Die  Reichsannalen. 

MG.  SS.  I,  124-218;  besonderer  Abdruck  1845.  Cod.  Steinveld.  (9)  ist  jetzt  Brit. Mus. 
Add.  21109.  Frese,  De  Einhardi  Vita  et  Scriptis  Specimen,  Diss.  Berol.  1845  (ge- 
gen die  Autorschaft  Einhards).  0.  Abel,  Einhards  Jahrbücher,  Berl.  1850.  1880 
(Geschichtschr.  17,  IX,  2).  L.  Ranke,  Zur  Kritik  fränkisch-deutscher  Reichsannalisten, 
Abh.  der  Berliner  Akademie  1854  S.  415—435;  vermehrt  Ges.  Werke  LI— LH. 
G.  Waitz,  Zu  den  Lorscher  und  Einhards  Annalen,  Goett.  Nachrichten  1857  S.  46  —  52. 
B.  Simson,  De  statu  questionis:  sintne  Einhardi  necne  sint  quos  ei  ascribunt,  Annales 
Imperii,  Diss.  Regiom.  1860.  W.  Giesebrecht,  Die  fränkischen  Königsannalen  und 
ihr  Ursprung,  im  Münchener  Hist.  Jahrb.  (1864)  S.  186-238.  G.  Monod,  Revue 
Crit.  1873  N.  42.  Fr.  Ebrard,  Reichsannalen  741  —  829  u.  ihre  Umarbeitung,  Forsch. 
XIII,  425—472.  E.  Dünzelmann,  Beiträge  zur  Kritik  der  Karol.  Annalen,  NA.  II, 
475—537.  H.v.  Sybel,  HZ.  XLII,  260-288  (Kl.  Sehr.  III,  1  ff).  Entgegnung  Simsons, 
Forsch.  XX,  205—214.  Replik  von  Sybel,  HZ.  XLIII,  410.  Duplik  v.  Simson,  Karl 
d.  Gr.  II,  S.  604-611.  Harnack,  Das  Karol.  u.  das  byz.  Reich  (1880),  Excurs. 
Manitius,  Die  Ann.  Sithienses,  Lauriss.  min.  u.  Enharti  Fuld.  (Diss.  Lips.  1881). 
Manitius,  Einhards  Werke  u.  ibr  Stil,  NA.  VII,  517  —  568.  Is.  Bernays,  Zur  Kritik 
Karol.  Annalen,  Strafsb.  1883.  Dorr,  NA.  X,  241-305.  Nachwort  v.  Sybel  S.  305 
bis  307.  Dorr,  (Ann.  Laur.  796-829  doch  von  E.)  XI,  475-488.  Sybel  dagegen 
S.  489.  Horst  Kohl  (Ueberblick)  in  G.  Richters  Ann.  d.  Deutschen  Gesch.  II.  Abth. 
S.  697-714  (1887).  B.  Simson,  Karl  d.  Gr,  I  (1888)  S.  1-5,  657-664.  Progr.  v. 
Seraphim,  Fellin  1887  s.  NA.  XIII,  654.  Bemerkungen  von  Manitius,  Mitth.  d.  Inst. 
X,  417 ff.  (NA.  XV,  211);  ib.  XIII,  225-238.  Facs.  d.  Wiener  Hs.  v.  Ann.  Einh. 
in  E.  Berners  Gesch.  d.  pr.  Staats,  I.  1890. 

Die  Bestrebungen  der  gelehrten  Männer  an  Karls  Hofe  richteten 
sich  vorzugsweise  theils  auf  das  Studiuni  der  älteren  Litteratur  und 
die  formelle  Ausbildung,  theils  auf  theologische  und  philosophische 
Probleme;  mit  geschichtlichen  Forschungen  beschäftigten  sie  sich 
wenig.  Dem  Kaiser  jedoch  entging  die  Wichtigkeit  derselben  nicht, 
er  sorgte  wenigstens  dafür,  das  Andenken  seiner  eigenen  Zeit  zu 
erhalten.  Er  verordnete,  dafs  die  Gesetze  und  die  Beschlüsse  der 
Reichstage  seiner  Zeit  in  mehreren  Exemplaren  an  verschiedenen 
Orten  sorgfältig  aufbewahrt  werden  sollten;  die  Schreiben  der  Päbste 
und  der  griechischen  Kaiser  an  ihn,  seinen  Vater  und  Grofsvater 
liefs  er,  im  vollen  Bewufstsein  der  überwiegenden  Wichtigkeit  dieser 
Verhältnisse,  in  einem  eigenen  Buche  zusammenfassen,  dem  Codex 
Carolinus,  dessen  erster  Theil  uns  noch  erhalten,  und  eine  der  wich- 
tigsten Geschichtsquellen  ist1).  Aufserdem  aber  vergafs  er  auch  nicht 
die  Fürsorge,  welche,  wie  wir  oben  (S.  126)  sahen,  das  karolingi- 
sche  Haus  schon  in  früherer  Zeit  der  Aufzeichnung  seiner  Haus- 
und Landesgeschichte  gewidmet  hatte.  Wie  Paulus  Diaconus  in 
seiner  Geschichte    der  Bischöfe   von  Metz    den  Ahnhern  der  Arnul- 


l)  Sehr  verdienstliche  Ausgabe  von  Jaffe,  Bibl.  IV,  1 — 306,  mit  den 
Briefen  Leo's  III  S.  307 — 334.  Es  folgt  noch  eine  Sammlung  Karolinischer 
Briefe  S.  335 — 436.  Phototypie  einer  Seite  des  Cod.  bei  O.  v.  Heinemann, 
Wolfenb.  Hss.  I,  S.  214.  Neue  Ausg.  von  Gundlach  MG.  Epp.  III,  469 
bis  657,  vgl.  NA.  XVII,  526—566. 


Annales  Laurissenses.  191 

finger  verherrlichte,  ist  schon  erwähnt.  Dagegen  finden  wir  keine 
Spur  davon ,  dafs  etwa  die  Fredegarische  Chronik  weitere  Fort- 
setzungen erhalten  hätte,  sie  scheint  vielmehr  damals  fast  vergessen 
zu  sein.  Es  hatte  aber  inzwischen  die  anfangs  so  gar  dürftige  an- 
nalistische Aufzeichnung  schon  begonnen,  sich  zu  einer  Art  von 
Reichsgeschichte  auszubilden;  es  waren  nach  der  §  3  entwickelten 
Ansicht  hauptsächlich  die  Bischöfe,  vielleicht  auch  weltliche  Grofse, 
welche  bei  der  Pflicht  regelmässiger  Theilnahme  an  den  Reichstagen 
und  Heereszügen  das  Bedürfnifs  empfanden,  die  Reihefolge  der  Be- 
gebenheiten übersehen  zu  können ,  und  deshalb  ihre  Kleriker  zu 
Aufzeichnungen  veranlafsten,  die  nach  und  nach  zusammenhängende 
Gestalt  gewannen  und  aus  anderen  Annalen  auch  in  ihrem  älteren 
Theile  ergänzt  wurden.  Vorzüglich  Chrodegang  von  Metz  (742  bis 
766)  scheint  zu  solcher  Thätigkeit  angeregt  zu  haben.  Unter  den 
Annalen  dieser  Art  zeichnen  sich  aber  iu  ganz  besonderer  Weise 
die  sogenannten  Annales  Laurissenses  majores1)  aus,  welche 
in  gedrängter  Kürze  freilich,  aber  doch  mit  vollständiger  Uebersicht 
aller  Begebenheiten  die  ganze  Regierung  Karls  begleiten ;  schrieb 
man  früher  ihren  Ursprung  dem  Kloster  Lorsch  zu,  wo  die  älteste 
Handschrift  gefunden  ist,  so  können  sie  doch  unmöglich  dort  oder 
überhaupt  in  der  stillen  Zurückgezogenheit  eines  Klosters  entstanden 
sein.  L.  Ranke  ist  es,  welcher  zuerst  mit  sicherem  Scharfblick 
dieses  Verhältnifs  erkannte,  und  jene  Annalen  zum  Gegenstand  einer 
eindringenden  Untersuchung  machte,  deren  Resultate  seitdem  nicht 
nur  fast  allgemeine  Zustimmung  gefunden,  sondern  auch  in  hohem 
Grade  anregend  auf  die  weitere  Forschung  gewirkt  haben.  Aus  der 
Abhandlung,  welche  einen  wichtigen  Fortschritt  für  unsere  Kenntnifs 
der  mittelalterlichen  Geschichtschreibung  bezeichnet,  erlaube  ich  mir 
die  betreffende  Stelle  wörtlich  auszuheben2).  Ranke  sagt  nämlich 
in  Bezug  auf  diese  Jahrbücher:  „Bei  dem  alten  Annalisten  fällt  nun 
zweierlei  auf,  einmal,  was  wir  eben  berührten,  dafs  er  grofse  Un- 
glücksfälle verschweigt;  auch  von  den  inneren  Stürmen,  den  dann 
und  wann  auftauchenden  Verschwörungen  giebt  er  keine  oder  nur 
ungenügende  Nachricht,  —  sodann  aber,  dafs  er  über  das,  was  er 
berührt,  ausnehmend  gut  unterrichtet  ist.  Ein  Mönch  in  seinem 
Kloster    konnte    unmöglich    die  Dinge    so  genau  erkunden,    wie   sie 

x)  Früher  auch  plebei  und  Loiseliani  genannt,  741—829,  ed.  Pertz 
SS.  I,  134—218.  Hs.  7,  von  Pertz  nicht  benutzt,  ist  Paris.  5941  A  (NA. 
IV,  244);  Hs.  8,  früher  dem  Baron  de  Grassier  gehörig,  ist  jetzt  Paris. 
10  911;  nahe  verwandt  damit  eine  Petersburger,  Lat.  F.  Otd.  IV,  4.  NA. 
VII,  228. 

2)  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  aus  dem  Jahre  1854,  S.  434. 


192  H«    Karolinger.     §  9.    Reichsannalen. 

hier  beschrieben  sind;  wir  haben  Kloster-Annalen  dieses  Landes, 
aus  derselben  Zeit,  allein  wie  sehr  sind  sie  verschieden!  Sie  be- 
richten nur  das  ganz  Allgemeine  der  auffallendsten  Thatsachen. 
Hier  aber  haben  wir  einen  Autor  vor  uns,  der  die  Züge  der  Heere, 
ihre  Zusammensetzung  und  Führung,  die  einzelnen  Waffenthaten 
kurz  aber  sicher  angiebt,  und  der  auch  von  den  Unterhandlungen 
bis  auf  einen  gewissen  Grad  zuverlässige  Kenntnifs  hat.  Niemand 
konnte  über  die  Unternehmungen  gegen  Benevent  und  Baiern  so 
gute  Nachrichten  mittheilen,  der  nicht  dem  Rath  des  Kaisers  nahe- 
stand. Diese  beiden  Eigenschaften  zusammen,  gute  Kunde  und 
grofse  Zurückhaltung,  scheinen  fast  auf  eine  officielle  Abfassung  zu 
deuten,  die  aber  freilich  von  einem  Geistlichen  herrühren  müsste: 
jede  Phrase  bezeichnet  einen  solchen.  Es  würde  ein  in  den  Welt- 
geschäften erfahrener,  und  mit  dieser  Thätigkeit  vielleicht  speciell 
beauftragter  Geistlicher  gewesen  sein,  der  diese  Notizen  am  Hofe 
selbst  aufgesetzt  hätte;  in  rohem  Stil,  wie  ihn  die  Zeit,  welche  der 
Einrichtung  der  Hofschule  voranging,  wohl  erlaubte;  ein  Mann  der 
alten  Art  und  Weise,  die  sich  hier  durch  die  Nachwirkung  der  Er- 
eignisse allein  höher  erhob  als  je  zuvor." 

Ranke  hat  in  diesen  Worten  eine  Ansicht,  die  er  mündlich  be- 
reits weiter  ausgeführt  hatte,  nur  leicht  angedeutet;  die  Ansicht, 
dafs  nicht  nur  diese,  sondern  auch  ein  Theil  der  späteren  Reichs- 
annalen amtlicher  Natur  waren,  dafs  auf  Veranlassung  des  Hofes 
die  Zeitgeschichte  officiell  verzeichnet  wurde,  und  daraus  die  un- 
gemein rasche  und  bedeutende  Entwickelung  der  Annalistik  sich 
erklärt,  welche  später  auch  anderen  zum  Vorbild  diente,  die  nur 
aus  eigenem  Antrieb  die  Ereignisse,  welche  sie  erlebten,  darzustellen 
versuchten. 

Diese  Thatsache  selbst  in  ihrer  Allgemeinheit,  die  Thatsache, 
dafs  nach  dem  Vorgange  Childebrands  und  Nibelungs  auch  Karl 
für  eine  zuverlässige  Aufzeichnung  der  Begebenheiten  Sorge  trug, 
dafs  daraus  die  Jahrbücher  entstanden,  welche  wie  die  Vorzüge,  so 
auch  die  Fehler  und  Schwächen  aller  offiziellen  Geschichtschreibung 
aufweisen,  habe  ich  früher  geglaubt  als  erwiesen  und  anerkannt  be- 
trachten zu  dürfen,  allein  diese  Auffassung  hat  seitdem  in  H. v. Sybel 
einen  gefährlichen  Gegner  gefunden.  Er  leugnet  die  Bedeutung  der 
Reticenzen,  die  man  auch  ebenso  gut  nur  einem  allzu  lebhaften 
und  loyalen  Patriotismus  zuschreiben  könne,  und  findet,  dafs  der 
Verfasser  doch  nur  sehr  oberflächlich  unterrichtet  gewesen  ist.  Er 
findet  eben  nichts  darin ,  was  nicht  ein  Mönch  des  Klosters  Lorsch 
mit  Leichtigkeit  habe   in   Erfahrung    bringen    können.     Das  möchte 


Amtliche  Geschichtschreibung.  293 

auch  ich  nicht  gerade  leugnen,  nur  habe  ich  von  dem  Klosterleben 
der  damaligen  Zeit  eine  andere  Vorstellung  und  kann  nicht  glauben, 
dafs   ein  Mönch  so  anhaltend   und  in  so  gleichmäfsiger  Weise  durch 
viele  Jahre  hindurch  der  Erforschung  und  Darstellung  der  weltlichen 
Vorgänge   seine  Aufmerksamkeit  zugewandt  haben  sollte.      Und  mit 
Recht  bemerkt  Bernays,  dafs  er  ja  für  diese  Annalen  eine  gleichzeitige 
Aufzeichnung  vor  788  nicht  annehme,  und  dafs  für  die  vergangenen 
Jahrzehnte   besagter   Mönch    doch   schwer   die  Kunde   der  Begeben- 
heiten sich   habe  verschaffen   können1).     Am   Hofe,    das  möchte  ich 
auch  jetzt   zuversichtlich   behaupten,   müssen   die  Annalen  geschrie- 
ben sein;    was   aber   den  amtlichen  Charakter   betrifft,   so  mufs  vor 
allen  Dingen  betont   werden,    dafs    wir  durchaus   den   unwillkürlich 
stets    sich    einschleichenden    Gedanken    an    Zustände    und  Verhält- 
nisse   unserer  Zeit    zu  verbannen    haben,    wo    jedes  officielle    Wort 
sorgsam  geprüft  und  gesichet  wird.     In  solcher  Weise  amtlich  sind 
die  Lorscher  Annalen  gewifs  nicht  gewesen,  und  in  dieser  Beziehung 
kann   ich  H.  v.  Sybel  u.  Bernays2)   vollkommen  zustimmen.     Wenn 
wir  aber  doch  wissen,  dafs  Pippins  nächste  Angehörige  dergleichen 
Aufzeichnungen    veranlafsten ,    und    dafs   eine   Annalistik    dieser  Art 
im  Westfrankenreiche  unzweifelhaft  bestand,   wenn   wir  lesen,    dafs 
Smaragd,  der  843  gestorben  ist,   von   der  uralten  und  bis  auf  seine 
Zeit  bestehenden  Sitte   der  Könige    redet,    die    Begebenheiten  ihrer 
Zeit  aufzeichnen  zu  lassen3),  so  kann  ich  mir  nicht  vorstellen,  dafs 
Karl  nicht  ebenfalls  dafür  Sorge  getragen  habe.     Darunter  verstehe 
ich  aber  nur,  dafs  er  einen  solchen  Auftrag  ertheilte,  und  dafs  man 
nun  ein  Buch  hatte,  welches  in  der  Kanzlei  verwahrt  und  gelegent- 
lich vom  Könige  selbst  angesehen  wurde,  wie  wir  durch  einen  Brief 
Hinkmars  wissen,  dafs  Karl  der  Kahle   die  Annalen  des  Prudentius 
bei    sich   hatte,    wie    später    auch   Friedrich  I    die   ihm   übersandte 
Chronik v  des    Otto   von   Freising   benutzte.     Es    ist   dabei   durchaus 
nicht  ausgeschlossen,  dafs  nicht  einmal  Jahre  lang  die  Arbeit  liegen 
blieb   und    der  betreffende    Autor    auch    manchmal    nachlässig    und 
flüchtig    arbeitete.     Eine    amtliche   Nachprüfung    seiner  Arbeit  wird 

*)  Zur  Kritik  karol.  Annalen  S.  171.  Waitz  machte  gegen  den  Lorscher 
Ursprung  auch  geltend,  dass  der  dort  schreibende  Vf.  der  Laur.  min.  sie 
nicht  gekannt  habe,  aber  das  bestreitet  wieder  Puckert. 

2)  S.  169  ff. 

3)  Smaragdi  Praef.  V.  S.  Bened.  Anian.  angeführt  von  Dümmler,  Ostfr. 
I,  877:  „Perantiquam  siquidem  fore  consuetudinem  hactenus  regibus  usita- 
tam,  quaequae  geruntur  aeeiduntve  annalibus  tradi  posteris  cognoscenda, 
nemo  ut  reor  ambigit  doctus."  Ueber  Eckharts  verfehlte  Vermuthung,  dafs 
die  Annalen  von  den  Kanzlern  verfafst  wären,  während  er  den  offieiösen 
Ursprung  richtig  erkannte,  s.  Sickel  Acta  Karol.  p.  83. 

Wattenbach,  Geschichtsquelleii.   I.  6.  Aufl.  13 


194  U-  Karolinger.     §  9.    Reichsannalen. 

nicht  stattgefunden  haben.  Hinkmar  sagt  ausdrücklich,  dafs  die 
Jahrbücher  des  Prudentius  schon  in  vieler  Menschen  Hände  ge- 
kommen seien,  und  da  eine  Einwirkung  auf  die  öffentliche  Meinung 
beabsichtigt  war,  wird  an  Geheimhaltung  nicht  zu  denken  sein. 

Sicher  ist  es  nicht  dieses  Buch  gewesen,  welches  der  Verfasser 
der  Vita  Rigoberti  meinte,  als  er  über  Karl  Martell  schrieb:  „De 
hoc  etenim,  non  rege  sed  tyranno,  ita  legitur  ad  locum  in  Annalibus 
diversorum  regum :  Iste  Karlus  omnibus  audacior  episcopatus  regni 
Francorum  laicis  hominibus  et  comitibus  primum  dedit,  ita  ut  epis- 
copis  nihil  potestatis  in  rebus  ecclesiarum  permitteret1)".  Diese 
Stelle  ist  bisher  nur  nach  dem  Auszug  in  Flodoards  Hist.  Rem.  II,  12 
angeführt  und  deshalb  gänzlich  mifsverstanden  worden.  Der  Ver- 
fasser stand  der  Zeit,  über  welche  er  schrieb,  schon  sehr  fern,  und 
kann  nicht  sehr  viel  älter  sein,  als  Flodoard  selbst;  er  wird  ver- 
muthlich  eine  jüngere  Compilation  benutzt  haben. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  von  Simson  (S.  33)  aus  Hincmar 
de  villa  Novilliaco  angeführten  Stelle  über  den  Beginn  der  Regierung 
Karls  und  Karlmanns  „sicut  in  annali  regum  scriptum  habemus". 
Sie  findet  sich  wörtlich  in  den  Ann.  Lauriss.  mit  Ausnahme  eines 
Satzes,  der  aus  der  Cont.  Fred,  mit  Leichtigkeit  zu  entnehmen  war. 
Hincmar  kann  also  eine  der  Bearbeitungen  der  Lauriss.  vor  sich 
gehabt  haben,  und  ob  er  hier  eine  amtliche  Quelle  hat  bezeichnen 
wollen,  ist  ganz  zweifelhaft.  Abgesehen  also  von  der  Frage,  ob 
und  wie  weit  den  Ann.  Lauriss.  ein  amtlicher  Charakter  beizulegen 
ist,  bleibt  die  Frage,  ob  es  noch  aufserdem,  wie  Bernays  behauptet, 
Hofannalen,  ein  Werk  von  viel  gröfserer  Bedeutung  und  Zuverlässig- 
keit, gegeben  habe,  eine  ungelöste  und  vermuthlich  unlösbare;  mir 
wenigstens  scheint  der  Beweis  der  Existenz  nicht  geführt,  wenn  ich 
auch  nicht  mit  H.  v.  Sybel  den  bekannten  "Worten  Einhards  am 
Eingang  seiner  Biographie  über  den  Mangel  einer  Aufzeichnung  der 
Thaten  Karls  ein  solches  Gewicht  beilegen  möchte,  dafs  er  nicht 
einmal  die  Ann.  Lauriss.  gekannt  haben  dürfte.  Dem  Versuch  aber, 
die  in  ihnen  nicht  enthaltenen  Nachrichten,  welche  hier  oder  da 
einmal  auftauchen,  für  dergleichen  Hofannalen  in  Anspruch  zu  nehmen, 
vermag  ich  eine  ernsthafte  Bedeutung  nicht  beizumessen;  meiner 
Meinung  nach  hätte  ein  solches  Werk,  wenn  es  wirklich  vorhanden 
war,  deutlichere  Spuren  hinterlassen  müssen. 

Indem  ich  nun  also  an  einer  gewissen  Beziehung  der  Lauriss. 
oder  Königsannalen   zum   Hofe   festhalte,   habe   ich  jetzt    der   Frage 

>)  Acta  SS.  Jan.  I,  177. 


Ursprung  der  Annales  Laurissenses.  195 

über  ihre  Abfassung  näher  zu  treten.  Schon  L.  Giesebrecht1),  dann 
B.  Sinison  haben  den  Beweis  geführt,  dafs  die  Annales  Laurissenses, 
wie  sie  uns  jetzt  vorliegen,  nicht  gleichzeitig  Jahr  für  Jahr  entstanden 
sind,  was  Pertz  nur  für  den  ersten  Theil  bis  768  zugab,  und 
W.  Giesebrecht  hat  in  der  angeführten  Abhandlung  diesen  Punkt  als 
sichergestellt  angenommen,  die  Abfassung  des  ganzen  zusammen- 
hängenden ersten  Theils  um  das  Jahr  788  behauptet  und  dafür 
allgemeine  Zustimmung  gefunden2).  Er  knüpft  daran  die  Frage  nach 
der  Veranlassung  zu  einem  solchen  Werke,  und  findet  dieselbe  in 
dem  eben  damals  eingetretenen,  für  Karls  Reich  hochwichtigen 
Ereignifs,  der  Entsetzung  des  Baiernherzogs  Tassilo,  dessen  Ver- 
halten gegen  die  Franken  durchweg  mit  auffallender  Ausführlichkeit 
behandelt  ist;  er  glaubt  deshalb  auch  die  Entstehung  des  Werkes 
in  Baiern  suchen  zu  müssen  und  erkennt  den  Urheber  in  dem 
Bischof  Arn  von  Salzburg,  dem  am  meisten  daran  gelegen  sein 
mufste,  diese  Vorfälle  aufzuklären  und  sein  früheres  Verhalten,  sowie 
seinen  Anschlufs  an  die  Franken  zu  rechtfertigen,  während  kaum  ein 
anderer  so  vollständig  in  diese  Verhältnisse  eingeweiht  war.  Auch 
die  noch  rohe  und  fehlerhafte  Sprache  kann  bei  ihm  oder  bei  einem 
Geistlichen  seiner  Umgebung  nicht  auffallen,  während  sie  am  Hofe 
auch  damals  schon  befremdlich  wäre. 

Diese  Beweisführung  Giesebrechts  ist  allerdings  sehr  gewinnend, 
und  dafs  der  Sturz  des  bairischen  Herzogs  zu  dieser  ofiiciösen  Dar- 
stellung der  Reichsgeschichte  den  Anstofs,  einem  guten  Theil  der- 
selben die  Färbung  gegeben,  scheint  einzuleuchten;  auch  ist  die 
dienstbeflissene  Gesinnung  des  Schreibers,  seine  durchgängige  Ver- 
herrlichung des  Königs  augenscheinlich.  Allein  die  Autorschaft  Arns 
vermag  ich  weder  mit  dem  Bericht  über  seine  Sendung  nach  Rom 
787  zu  vereinigen,  noch  kann  ich  glauben,-  dafs  jemand,  der  auch 
über  lange  vergangene  Dinge  so  gut  unterrichtet  war,  nicht  zu  den 
älteren  Räthen  des  Königs  gehört  haben  sollte.  An  solchen  Ma- 
terialien, wie  Giesebrecht  sie  für  Arn  nachzuweisen  sucht,  den 
Ann.  S.  Amandi  und  Petaviani  nebst  dem  Verzeichnifs  der  Orte, 
wo  Karl  Ostern  gefeiert,  hätte  Arn  wenig  Anhalt  gefunden;  ein  alter 
Hofbeamter  aber,  dessen  Gedächtnifs  noch  in  Pippins  Zeit  reichte, 
konnte  dergleichen  zum  chronologischen  Leitfaden  benutzen,  und 
daneben  verwerthen  was  von  allerhand  Aufzeichnungen  in  der  Kanzlei 
doch   vorhanden   gewesen    sein    mufs;    denn   das    Gedächtnifs    allein 

1)  Wendische  Geschichten  III,  283. 

2)  Doch  behauptet  Manitius,  Mitth.  d.  Inst.  XIII,  225—232,  die  Ab- 
fassung im  J.  795. 

13* 


196  ü-    Karolinger.     §  9.    Reich  sann alen. 

wird  kaum  ausgereicht  haben.  Mit  Recht  hebt  M.  Manitius1)  die 
Vertrautheit  des  Autors  mit  der  Rechts-  und  Urkundensprache,  die 
vielen  romanischen  Wörter,  die  Benutzung  von  Actenstücken  hervor, 
wodurch  sich  auch  irrige  Angaben  über  angesagte,  später  aber  ver- 
legte Festfeiern  erklären.  Denken  könnte  man  z.  B.  an  Angilram 
von  Metz  (769 — 791),  welcher  Paulus  Diaconus  zur  Bischofsgeschichte 
von  Metz,  den  Diacon  Donatus  zur  Abfassung  der  Lebensbeschreibung 
des  h.  Trudo  veranlafste  und  jetzt  Erzkaplan  des  Königs  war2). 
Ihn  könnte  man  sich  in  ähnlicher  Stellung  zu  dem  gewifs  nicht 
leichten  Unternehmen  vorstellen,  wie  einst  Childebrand  und  Nibelung. 
Dafs  ihm  dabei  die  Fortsetzungen  Fredegars  fehlten,  ist  auffallend, 
wäre  es  aber  für  Arn,  wenn  ihm  doch  sonst  so  gute  Quellen  zu 
Gebote  standen,  nicht  minder.  Auch  fällt  das  Hauptgewicht  bei 
diesen  Annalen  offenbar  auf  Karls  eigene  Regierung.  Ihm  also  glaube 
ich  die  Anregung  zu  diesem  Werke,  welchem  wir  die  eingehende 
Kunde  von  seiner  Thätigkeit  wesentlich  verdanken,  nach  Ranke's 
Vorgang  vindiciren  zu  müssen;  als  Privatarbeit  in  Salzburg  kann  es 
nicht  entstanden  sein.  Das  ältere  Material  aber,  was  hier  verarbeitet 
ist,  wird  eben  durch  diese  bequeme  Zusammenfassung,  die  späterhin 
auch  sprachlich  und  stilistisch  noch  zeitgemäfs  überarbeitet  wurde, 
bald  verdrängt  und  in  Vergessenheit  gebracht  sein,  besonders  wenn 
es  nur  in  der  königlichen  Kanzlei  vorhanden  war,  während  sich  hin 
und  wieder  in  Domstiftern  und  Klöstern  zufällig  auch  viel  unbedeu- 
tendere Sachen  erhielten. 

Abweichend  hiervon  hat  Dünzelmann  versucht  nachzuweisen, 
dass  um  das  Jahr  780  eine  Compilation  entstanden  sei,  welche  auf 
einer  Combination  Fredegars  mit  eigenartigen  Nachrichten  beruhe, 
und  für  die  Zeit  Pippins  von  nicht  unbedeutendem  Werthe  sei; 
diese  verlorene  Quelle  sei  uns  in  den  Annales  Mettenses  zum  grofsen 
Theil  erhalten,  und  in  den  Ann.  Lauriss.  majores  und  minores 
benutzt3).  Indem  er  vorzugweise  nach  sprachlichen  Gesichtspunkten 
die  Annalen  untersucht,  findet  er,  dafs  der  erste  Abschnitt  derselben 
von  741 — 791  reiche,  der  zweite  von  792 — 796,  wo  in  fast  all- 
gemeiner Uebereinstimmung    ein   Abschnitt    angesetzt    wird.      Doch 

!)  Mitth.  d.  Inst.  X,  417  ff,  vgl.  Bresslau,  NA.  XV,  211.  Auch  Mitth. 
XIII,  225—232. 

2)  Ueber  ihn  vgl.  L.  Oelsner  in  der  Deutschen  Allg.  Biogr.  I,  460. 
Nimmt  man  die  Abfassung  erst  795  an,  so  ist  natürlich  diese  Vermuthung 
hinfällig. 

3)  Diese  Annahme  ist  von  Waitz  gebilligt,  aber  mit  der  wichtigen 
Modification,  dafs  es  bis  805  reichte  und  aus  den  Lauriss.  maj.  geschöpft 
war,  s.  unten. 


Einhards  Antheil.  197 

behauptet  wieder  Bernays,    dafs   nur  bei  789  und   801    ein  Wechsel 
der  Verfasser  anzunehmen  sei. 

In  der  leider  verlorenen  Lorscher  Handschrift  schlofs  sich  nun 
eine  Fortsetzung  bis  793  an,  die  nur  ein  Bruchstück  aus  den  Ann. 
Laureshamenses  ist.  In  den  übrigen  Handschriften  sind  die  nächsten 
Jahre  zum  Theil  auffallend  kurz,  übrigens  aber  in  wenig  veränderter 
Weise  und  vermuthlich  von  demselben  Autor  behandelt1),  die  Ver- 
schwörung Pippins  792  ist  in  derselben  höfischen  Weise,  die  wir 
aus  dem  ersten  Theile  kennen,  ganz  verschwiegen.  Manitius  findet 
hier  noch  dieselbe  Ausdrucksweise,  wie  im  früheren  Theile,  und  auch 
noch  Spuren  derselben  compilatorischen  Thätigkeit,  welche  er  für 
den  Anfang  nachweist.  Dann  tritt  mit  dem  Jahre  796  ein  völlig 
veränderter  Stil,  eine  neue  Art  der  Auffassung  ein,  und  diese  Fort- 
setzung fliefst  nach  der  Ansicht  von  Pertz  allmählich  so  vollständig 
zusammen  mit  Einhards  Werk,  dafs  seine  Hand  auch  im  Anfang 
nicht  zu  verkennen  sei.  „Nachher,  sagt  auch  Ranke,  mufste  die 
Historiographie  in  litterarisch  geschicktere  Hände  kommen,  wie  die 
Einhards  waren,  der  die  alten  Anualen  überarbeitete  und  neue  ab- 
fafste,  wie  es  scheint  im  Palast  zu  Aachen  in  eben  den  Jahren,  von 
denen  er  handelte."  Während  der  Arbeit  selbst  schritt  er  an  Bil- 
dung und  namentlich  an  Gewandtheit  in  der  Sprache  und  Darstellung 
weiter  vor,  und  fand  zuletzt  die  alten  rohen  Jahrbücher  und  seine 
eigene  Arbeit  so  ungenügend,  dafs  er  sie  noch  einmal  überarbeitete. 
Ueber  die  Art  wie  dies  geschah,  genügt  es,  auf  Ranke's  Untersuchung 
zu  verweisen.  Nicht  die  tief  eindringende  Kenntnifs  der  früheren 
Geschichte  war  es,  die  ihn  auszeichnete,  oder  die  ihn  zu  dieser 
Arbeit  veranlafste;  seine  Arbeit  war  vorzugsweise  stilistisch,  und 
nicht  selten  hat  er  dadurch  auch  beachtenswerthe  Züge  des  älteren 
Annalisten  verwischt:  ja  er  hat  an  einigen  Stellen  eine  unrichtige 
Auffassung  der  Ereignisse  hineingetragen,  weil  er  die  ihn  erfüllende 
Vorstellung  von  der  alles  andere  überragenden  Hoheit  des  Kaisers 
unwillkürlich  auch  schon  auf  die  früheren  Zeiten  übertrug.  Wichtig 
aber  ist  uns  dennoch  auch  seine  Ueberarbeitung  nicht  nur  wegen 
einzelner  Zusätze,  und  weil  es  für  uns  Werth  hat,  auch  seine  Auf- 
fassung kennen  zu  lernen,  sondern  auch  deshalb,  weil  er  so  wenig 
zu  ändern  fand;  die  alten  Lorscher  Annalen,  sagt  Ranke,  erhalten 
dadurch   eine   nicht    geringe    Beglaubigung,    dafs    Einhard,   was    die 

])  So  Waitz  und  W.  Giesebrecht,  während  Pertz  schon  788  die  Fort- 
setzung Einhards  beginnen  läfst,  Dünzclmann  eine  zweite  Fortsetzung  792 
bis  796  annimmt.  Gegen  Giesebrecht  bemerke  ich,  dafs  792  nicht  von 
einer  Brücke  über  die  Donau,  sondern  von  beweglichen  Pontons  für  den 
Feldzug  die  Rede  ist. 


198  II-    Karolinger.     §  9.    Reichsannalen. 

Sache  anbelangt,  nur  eine  und  die  andere  Einschaltung  über  ein 
Paar  einzelne  merkwürdige  Begebenheiten  beizubringen  hatte. 

Einhards  eigene  selbständige  Arbeit  reicht  nach  Ranke  bis  zum 
Jahre  829,  bis  zu  der  Zeit,  wo  er  sich  vom  Hofe  zurückzog,  voll 
Trauer  über  die  zunehmende  Verwirrung  und  Auflösung  des  Reiches. 
Für  solche  Zeiten  war  weder  er  selbst  noch  seine  Feder  geeignet. 
Mit  ruhiger  Würde  hatte  er,  so  lange  das  Reich  nach  den  kriege- 
rischen Zeiten  des  achten  Jahrhunderts  für  immer  befestigt  schien, 
und  durch  den  gewaltigen  Kaiser  auch  noch  von  seinem  Grabe  aus 
zusammengehalten  wurde,  Jahr  für  Jahr  die  Ereignisse  registrirt: 
den  helleren  feiner  gebildeten  Zeiten  verlieh  sein  reines  fehlerfreies 
Latein  den  angemessenen  Ausdruck,  und  kurz  und  gedrängt  zwar, 
aber  doch  vollständig  in  allem  wesentlichen  liegt  die  Reichsgeschichte 
in  seinen  Jahrbüchern  vor  uns,  in  edler  Einfachheit,  frei  von  aller 
Leidenschaft  und  Parteilichkeit.  Als  es  unmöglich  wurde,  inmitten 
der  heftig  erbitterten  Feinde  in  solcher  Weise  fortzufahren,  da  über- 
liefs  er  anderen  die  Fortsetzung  seines  Werkes. 

Ich  habe  diese  Stelle  aus  der  ersten  Ausgabe  unverändert 
gelassen,  weil  sie  die  durch  Pertz  herrschend  gewordene  Ansicht 
ausdrückt,  und  weil  die  Autorschaft  Einhards,  wenn  auch  nicht 
gesichert  und  durch  wiederholte  Angriffe  zweifelhaft  gemacht,  doch 
nicht  mit  Sicherheit  widerlegt  ist,  wie  denn  auch  Ebrard  es  nicht 
unwahrscheinlich  findet,  dafs  Einhard  die  Fortsetzung  verfafst  habe. 
Neuestens  haben  Monod  und  Dünzelmann,  H.  v.  Sybel  und  Bernays 
in  entschiedenster  Weise  die  Möglichkeit  von  Einhards  Autorschaft 
geleugnet,  während  Manitius  und  Dorr  auf  sprachliche  Untersuchung 
gestützt  sich  dafür  aussprechen.  Dabei  fällt  vorzüglich  die  Frage 
ins  Gewicht,  ob  der  nach  dem  Muster  der  Alten  gebildete  Stil  und 
der  im  Verhältnifs  zum  achten  Jahrhundert  so  sehr  viel  reichere 
Wortschatz  ausschliefslich  für  Einhard  Zeugnifs  ablegen  und  als  sein 
besonderes  Werk  zu  betrachten  sind,  und  ich  kann  mich  der  Ueber- 
zeugung  nicht  verschliefsen,  dafs  durch  die  Untersuchungen  von  Dorr 
und  Manitius  fast  bis  zu  voller  Evidenz  nachgewiesen  ist,  nur  in 
diesen  Annalen  und  im  Leben  Karls  finde  sich  dieser,  aus  einer 
grofsen  Anzahl  alter  Autoren  mit  unvergleichlicher  Sorgfalt  gesammelte 
Wortschatz,  diese  Mannigfaltigkeit  der  Satzbildung.  Es  ist  aber  auch 
bei  dieser  Untersuchung  niemals  aufser  Acht  zu  lassen,  dafs  Einhard 
nicht  eigentlich  Historiker,  seine  Aufmerksamkeit  in  weit  höherem 
Grade  der  Formvollendung,  als  der  geschichtlichen  Bedeutung  der 
Thatsachen  zugewendet  war,  wie  wir  es  ähnlich  auch  bei  Lambert 
beobachten  können. 


Autorschaft  Einhards.  199 

Dafs  Einhard  der  Verfasser  dieser  Annalen  sei,  hatte  zuerst 
Du  Chesne  behauptet,  gestützt  auf  eine  Stelle  in  der  Translatio  S. 
Sebastiani,  wo  Einhard  ausdrücklich  als  Verfasser  eines  Annalen- 
werks  unter  dem  Titel:  Gesta  Caesarum  Caroli  Magni  et  filii  ipsius 
Hludowici  genannt  und  eine  Stelle  daraus  angeführt  wird,  welche 
sich  in  unseren  Annalen  beim  Jahre  826  wiederfindet1).  Dieses 
Zeugnifs  aus  dem  zehnten  Jahrhundert  schien  bedeutend  genug,  um 
die  dagegen  geltend  gemachten  kleinen  Widersprüche  zwischen  den 
Annalen  und  Einhards  Vita  Caroli  übersehen  zu  können:  man  darf 
von  jener  Zeit  nicht  die  Genauigkeit  der  Arbeit  und  des  Ausdrucks 
verlangen  und  findet  sie  auch  nicht,  welche  heutiges  Tages  gefordert 
wird.  Auch  wurde  für  keinen  anderen  Namen  auf  dieses  bedeutende, 
seit  alter  Zeit  bekannte  und  viel  benutzte  Werk  Anspruch  gemacht; 
Stil  und  Auffassung  schienen  für  Einhard  wohl  zu  passen.  Auch  in 
der  neuesten  Untersuchung  von  W.  Giesebrecht  ist  dieses  zugegeben; 
die  ruhige  völlig  objectiv  gehaltene  Darstellung,  in  welcher  die  bis 
dahin  stets  wiederholten  preisenden  Beiwörter  Karls  verschwinden, 
die  an  Einhards  Werke  erinnernde  Reinheit  der  Sprache,  scheinen 
auch  ihm  die  Autorschaft  desselben  wahrscheinlich  zu  machen,  allein 
bei  dem  Tode  des  Kaisers  ist  nach  seiner  Ansicht  eine  Unterbrechung 
eingetreten,  die  weitere  Fortsetzung  von  der  vorhergehenden  zu 
scheiden.  Fragen  wir  nach  der  Begründung  dieser  Behauptung,  so 
beschränkt  sich  dieselbe  wesentlich  darauf,  dafs  die  fragmentarische 
Handschrift   Christ.    617   mitten   in    der   Erzählung    des   Jahres   813 


')  „Agenardus  cognomento  Sapiens,  ea  qui  tempestate  habebatur  in- 
signis,  huius  reverentissimi  coelicolae  mentionem  in  Gestis  Caesarum  Caroli 
Magni  et  filii  ipsius  Hludowici  faciens,  inter  alia  quae  annotino  cursu  dic- 
tabat,  non  inoperosum  duxit  mortalia  acta  immortali  astipulatione  roborare 
ita  dicens"  etc.  —  Diese  bestimmte  Angabe  gerade  aus  dem  Medardus- 
kloster  darf  man  doch  nicht  zu  gering  anschlagen,  sie  kann  recht  wohl 
auf  wirklicher  Tradition  beruhen.  Der  Verfasser  Odilo  widmet  sein  Werk 
(Mab.  Actt.  IV,  1,  383 — 410),  welches  freilich  schwülstig  und  nicht  allzu 
zuverlässig,  aber  doch  für  die  Zeit  Ludwigs  des  Frommen  nicht  unwichtig 
ist  und  auf  der  älteren  Schrift  des  Probstes  Rodoin  beruht,  dem  Decan 
Ingramnus,  der  nach  Flod.  932  Bischof  von  Laon  wurde.  Ein  Brief  von 
ihm  an  Hucbald,  worin  er  der  Mir.  S.  Seb.  gedenkt,  bei  Mart.  Coli.  I, 
266.  Auch  die  Autorschaft  des  Prudentius  und  Hincmar  für  die  späteren 
Annalen  beruht  auf  je  einem  Zeugnifs,  womit  ich  nicht,  wie  man  mich 
mifsverstanden  hat,  sagen  will,  dafs  sie  zweifelhaft  sei,  sondern  dafs  auch 
hier  nur  ein  ausdrückliches  Zeugnifs  sich  erhalten  hat.  Auszüge  aus  der 
Translatio  S.  Sebastiani  von  Odilo  giebt  Holder-Egger,  SS.  XV,  377 — 391 ; 
dann  S.  391 — 395  aus  der  früher  irrig  ebenfalls  dem  Odilo  zugeschriebenen 
Translatio  SS.  Tiburtii,  Marcellini  et  Petri,  die  er  als  bezügliches  Mach- 
werk des  11.  Jh.  nachweist.  —  Annales  S.  Medardi  a.  497 — 987  und  Aus- 
züge aus  der  Fortsetzung  bis  1249  ed.  Waitz,  SS.  XXYI,  518—522. 


200  ü-    Karolinger.     §  9.    Reichsannalen. 

abbricht1)  und  in  dieser  unfertigen  Gestalt  einmal  abgeschrieben 
worden  ist,  während  ein  anderer  Schreiber  sich  auf  das  Leben  Karls 
des  Grofsen  beschränkte,  gerade  so  wie  Pithou  das  zweite  Buch  von 
Ademars  Chronik  abgesondert  vorfand  und  als  Leben  Karls  vom 
Monachus  Engolismensis  herausgab.  Allerdings  soll  auch  im  Aus- 
druck eine  Verschiedenheit  bemerklich  sein,  die  aber  wenig  bedeutend 
ist;  es  fällt  ferner  auf,  dafs  die  Wunder  des  h.  Sebastianus  im 
Medarduskloster  zu  Soissons  sehr  gepriesen,  die  von  Einhard  so  hoch 
geschätzten  Reliquien  seiner  Heiligen  kaum  genannt  werden.  Die 
chronologischen  Schwierigkeiten  jedoch,  welche  sich  an  diese  Ueber- 
tragung  der  hh.  Marcellinus  und  Petrus  anknüpfen,  hat  Giesebrecht 
selbst  zu  beseitigen  versucht,  und  der  Bescheidenheit  Einhards, 
vielleicht  auch  seiner  so  gerühmten  Klugheit  gegenüber  dem  mäch- 
tigen Hilduin,  mochte  jene  kurze  und  doch  immer  rühmende  Er- 
wähnung um  so  eher  genügen,  da  er  gerade  mit  einer  besonderen 
Schrift  über  diesen  Gegenstand  beschäftigt  war. 

Auch  jetzt  kann  ich,  wie  gesagt,  nicht  umhin,  die  Gründe  für 
Einhards  Autorschaft  als  überwiegend  anzusehen;  die  Verschiedenheit 
einzelner  Theile  kann  durch  eingetretene  Unterbrechung  und  flüch- 
tigere Arbeit  Erklärung  finden.  Dünzelmann  meint,  dafs  die  vor- 
treffliche Darstellung  von  797  bis  zur  Mitte  des  Jahres  801  von 
Einhard  herrühren,  die  Ueberarbeitung  der  Annalen  bis  dahin  in  den 
ersten  Jahren  des  neunten  Jahrhunderts  von  ihm  verfafst  sein  müsse, 
weil  nur  er  so  habe  schreiben  können  und  wir  von  ihm  kein  anderes 
Werk  vor  der  Vita  Caroli  kennen,  die  nicht  sein  Erstlingswerk  sein 
könne. 

In  der  Mitte  des  Jahres  801  aber  setzt  er,  und  hierin  hat  er 
allgemeine  Zustimmung  gefunden,  einen  Abschnitt  an2);  nur  so  weit 
waren  die  Annalen  dem  Poeta  Saxo  bekannt,  und  nur  so  weit  reicht 
auch  die  Ueberarbeitung.  Die  folgende  dritte,  erheblich  schlechtere 
Fortsetzung  reicht  nach  Dünzelmann  bis  806,  eine  vierte  bis  815, 
die  fünfte  bis  820,  worauf  der  Schlufs  bis  829  wieder  von  anderer 
Hand  sei;  Bernays  dagegen  will  zwischen  801  und  829  keinen 
Wechsel  zugeben.  Müfsten  wir  in  der  That  auf  die  Kenntnifs  der 
Persönlichkeit  verzichten  und  andererseits  doch  den  höfischen  Ur- 
sprung festhalten,  so  scheint  mir  mit  dieser  Unterscheidung  sehr 
wenig  gewonnen  zu  sein. 

*)  Nach  der  Beschreibung  MG.  I,  129  scheint  es,  dafs  die  Handschrift 
am  Schlufs  wie  am  Anfang  unvollständig  ist  und  einst  weiter  reichte. 

2)  Monod  läfst  hier  überhaupt  erst  einen  neuen  Autor  eintreten  und 
ist  nicht  abgeneigt,  Angilbert  darin,  etwa  bis  813,  zu  erkennen,  da  dessen 
Name  wiederholt  genannt  werde. 


Annales  Einhardi.     Chronik  bis  741.  201 

Yon  der  Ueberarbeitung,  den  sogenannten  Annales  Einhardi, 
war  schon  oben  S.  197  die  Rede;  es  konnte  nicht  anders  sein,  als 
dafs  der  Anfang  der  alten  Annalen  dem  feiner  entwickelten  Sprach- 
sinn  geradezu  unerträglich  erschien.  Es  hat  aber  Dünzelmann  wohl 
richtig  bemerkt,  dafs  diese  Bearbeitung  nur  bis  801  reicht  und  auch 
damals  ausgeführt  sein  wird;  die  Uebereinstimmung  mit  einzelnen 
Stellen  in  Einhards  Vita  Caroli  wird  dann  einfach  durch  Benutzung 
der  Annalen  in  dieser  zu  erklären  sein1).  Bei  dieser  Bearbeitung 
haben  sich  einige  Mifsverständnisse  eingeschlichen,  es  sind  aber  auch 
nicht  unbedeutende  neue  Thatsachen  hinzugekommen  und  es  ist  wahr- 
scheinlich, dafs  hierfür  auch  schriftliches  Material  benutzt  ist2),  wozu 
Puckert  (S.  157  ff.)  das  gleich  zu  erwähnende  verlorene  Werk  bis  805, 
Kurze  die  bis  796  reichende  Quelle  desselben  rechnet.  Puckert 
(S.  167  ff.)  hebt  die  seltsame  Eigenheit  des  Verfassers  hervor,  die 
Ereignisse  in  ganz  unzulässiger  Weise  als  übermäfsig  beschleunigt 
darzustellen,  und  ferner,  dafs  in  höherem  Maafse,  als  es  den  That- 
sachen entspricht,  Karl  als  der  stets  allein  wissende  und  handelnde 
hervortritt. 

Wir  sehen  also  hier,  wTie  man  schon  von  der  einfachen  und 
schmucklosen,  nur  auf  den  sachlichen  Inhalt  gerichteten  Aufzeichnung 
der  Zeitbegebenheiten  f ortschritt  zu  litterarischer  Bearbeitung.  Natür- 
lich mufste,  da  die  Reichsannalen  erst  mit  741  begannen,  der  Wunsch 
lebendig  werden,  auch  für  die  vorhergehende  Zeit,  über  welche  nur 
ein  sehr  ungenügendes  und  schwer  geniefsbares  Material  vorlag,  ein 
Handbuch  zu  gewinnen,  welches  den  Zusammenhang  mit  der  Welt- 
geschichte herstellte.  Gerade  auch  um  das  Jahr  801  ist  ein  solches 
verfafst3),  und  da  es  nur  bis  741  reicht,  liegt  die  von  Waitz  aus- 
gesprochene Vermuthung  nahe,  dafs  es  zur  Ergänzung  der  Reichs- 
annalen bestimmt  war.  Doch  finden  wir  es  handschriftlich  nicht  mit 
ihnen  verbunden;  es  scheint  keine  grofse  Verbreitung  gefunden  zu 
haben,  da  das  schwierige  Unternehmen  doch  nur  sehr  unvollkommen 
gelang  und   die  Sprache   des  Verfassers   durch  ihre  Unbehülflichkeit 

J)  S.  die  Zusammenstellung  bei  B.  Simson,  De  statu  etc.  p.  44 — 52. 
Derselbe  weist  Forsch.  XTV,  136  Benutzung  des  Livius  nach.  Er.  Kurze, 
NA.  XVII,  125,  nimmt  Bearbeitung  erst  um  820  u.  also  Benutzung  der  Vita 
in  den  Annalen  an. 

2)  W.  Giesebrecht  a.  a.  0.  S.  216.  Die  Benutzung  des  fortgesetzten 
Eredegar  759,  760  vermag  ich  aber  nicht  zu  erkennen.  Vgl.  auch  Bernavs 
S.  151.  —  Manitius,  Mitth.  XIII,  232—238,  unterwirft  einige  Stellen  einer 
für  Einhard  ungünstigen   Kritik. 

*)  Chronicon  universale  bis  741,  ed.  Waitz,  MG.  SS.  XIII,  1  —  19.  Vgl. 
B.  Simson:  Die  überarbeitete  und  bis  741  fortgesetzte  Chronik  des  Beda, 
Forsch.  XIX,  97—135.     Waitz,  Wcltchrouik  bis  741,  NA.  V,  475-491. 


202  II-    Karolinger.     §  9.    Reichsannalen. 

und  Fehlerhaftigkeit  verräth,  dafs  er  der  früheren  Barbarei  wohl  ent- 
wachsen, aber  doch  von  der  höheren  Bildung  eines  Einhard  noch 
weit  entfernt  war.  Doch  verdient  er  ohne  Zweifel  Beachtung  und 
Anerkennung:  es  ist,  wie  Waitz  bemerkt,  die  erste  Weltchronik,  die 
seit  Fredegar  im  fränkischen  Reich  geschrieben  wurde.  Dieses  Werk, 
dessen  wir  oben  (S.  129)  schon  kurz  gedachten,  ist  in  zwei  Hand- 
schriften erhalten,  welche  stark  von  einander  abweichen,  und  es  scheint, 
dafs  der  Verfasser  selbst  sein  Werk  überarbeitet  und  mit  weiteren 
Zusätzen  aus  seinen  Quellen  vermehrt  hat.  Er  legte  die  kurze 
Chronik  des  Beda  zu  Grunde,  in  welche  er  Auszüge  aus  Hieronymus, 
Orosius,  Fredegar  mit  den  Fortsetzungen  und  den  Gesta  Francorum 
einschob,  weiterhin  benutzte  er  auch  Isidor,  den  Liber  pontificalis, 
und  die  Annales  Mosellani  et  Laureshamenses.  Die  wenigen  ihm 
eigenthümlichen  Stellen  zeigen  Verwandtschaft  mit  den  Annales 
Flaviniacenses,  welche  sich  in  derselben  Hs.  befinden,  und  da  hierzu 
auch  die  Nachricht  von  der  Zerstörung  der  Stadt  Autun  durch 
die  Sarracenen  725  gehört,  so  ist  die  Vermuthung  gerechtfertigt, 
dafs  der  Verfasser  im  Sprengel  von  Autun,  vielleicht  eben  in 
Flavigny,  lebte. 

Diese  Chronik  bildet  in  einer  Hs.  den  Anfang  der  schon  oben 
S.  146  erwähnten  Annales  Maximiani,  welche  jedoch  keine  innerliche 
Verbindung  mit  ihr  haben,  und  ist  in  ihrer  älteren  Form  grofsen- 
theils  aufgenommen  in  das  Chronicon  Moissiacense. 

Eine  andere,  im  J.  805  oder  vielleicht  806  abgeschlossene  Com- 
pilation  ist  uns  nicht  im  Original  erhalten,  aber  aus  verschiedenen 
Ableitungen  nach  und  nach  mit  wachsender  Sicherheit  kenntlich 
geworden.  In  Beziehung  dazu  stehen  verschiedene,  erst  in  neuerer 
Zeit  zum  Vorschein  gekommene  Bruchstücke  von  Bearbeitungen  der 
Reichsannalen.  Dazu  gehören  die  Wiener  Blätter  von  784  und  785 !), 
welche  nebst  einem  aus  Werden  stammenden  Fragment  in  Düsseldorf 
von  759  bis  762,  von  Pertz,  der  sie  irrig  für  ursprüngliche  Auf- 
zeichnungen hielt,  SS.  XX,  1  — 15  als  Fragmenta  Werthinensia  gedruckt 
sind.  Hiermit  verwandt  ist  ein  anderes  in  Bern  von  Gerold  Meyer 
von  Knonau  gefundenes  Fragment  von  783  bis  785 2).  Diesen  beiden 
Versionen  mufs  schon  eine  ältere  zu  Grunde  gelegen  haben,  und 
diese  glaubt  Giesebrecht  (Forsch.  XIII,  627  bis  633)  gefunden  zu 
haben  in  einem  Bruchstück   von   769    bis  772,   welches   J.  Bächtold 

1)  Cod.  334,  zuerst  in  der  zweiten  Ausgabe  dieses  Buches  S.  540  gedruckt. 

2)  Forsch.  VIII,  631—633.  Dagegen  sind  die  6  Blätter  des  Cod.  Vat. 
Christ.  263  (Arch.  XII,  272)  irrthümlich  hierher  gezogen,  sie  gehören  zu 
Ademar,  s.  NA.  II,  330. 


Compilation  bis  805.  20 


9 


im  Anzeiger  für  Schweizerische  Geschichte  1872  S.  245 — 246  ver- 
öffentlicht hat.  Es  enthält  die  Capitelzahlen  56  bis  59,  woraus 
Giesebrecht  auf  ein  gröfseres  Werk  schlofs,  welches  bis  714  rück- 
greifend, mit  Benutzung  des  Fredegar  im  J.  802  ausgearbeitet,  auch 
in  den  Annales  Mettenses  benutzt  wurde,  und  mit  einer  in  diesen 
erhaltenen  eigenthümlichen  Fortsetzung  von  803  bis  805  versehen 
war.  Wegen  einiger  Beziehungen  auf  Reichenau  vermuthete  Giese- 
brecht in  Haito  den  Verfasser  dieses  Werkes,  aber  diese  Stellen 
gehören  nur  den  Annales  Mettenses  an  und  sind  aus  Regino  entlehnt. 
Dagegen  ist  durch  weitere  Untersuchung  festgestellt,  dafs  dieses 
Werk,  in  seinen  älteren  Theilen  auf  den  Fortsetzungen  des  Fredegar 
beruhend,  weiterhin  aus  den  Reichsannalen  geschöpft  ist,  aber  durch 
einige  Zusätze  und  namentlich  durch  die  Fortsetzung  sehr  werthvoll. 
Puckert1),  welcher  sich  sehr  eingehend  damit  beschäftigt  hat,  hebt 
namentlich  (S.  165)  die  Nachrichten  über  Grifo  hervor,  welche  seiner 
Ansicht  nach  von  hier  in  die  Annales  Einhardi  übergegangen  sind. 
Er  sucht  den  Ursprung  in  Saint-Denis  nachzuweisen,  und  nimmt  eine 
Ueberarbeitung  in  Metz  um  900  mit  Zuziehung  der  Yita  Caroli  an, 
welche  den  Ann.  Mett.  und  auch  dem  Poeta  Saxo  zu  Grunde  liege. 
Benutzung  dieses  Werkes  ist  aufser  in  den  Mettenses  nachgewiesen 
in  den  Ann.  Lauriss.  minores,  Lobienses,  Guelferbytani,  im  Chron. 
Yedastinum  und  Moissiacense,  Fontanellense,  und  Waitz  hat  SS.  XIII, 
26 — 33,  die  erwähnten  Fragmente  nebst  dem  betreffenden  Abschnitt 
der  Annales  Mettenses  herausgegeben2). 

Neuestens  hat  nun  Fr.  Kurze3),  an  diese  Ergebnisse  an- 
schliefsend,  hervorgehoben,  dafs  aus  den  uns  bekannten  Bruchstücken 
dieser   Compilation   sich    doch    nicht    alle   Nachrichten    in    den   Ab- 

*)  Ueber  die  kleine  Lorscher  Frankenchronik,  ihre  verlorene  Grund- 
lage u.  d.  Ann.  Einh.  (Ber.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1884). 

2)  AnnaUum  veterum  fragmenta,  partim  ex  Mettensibus  desumpta,  769 
bis  805.  Früher  waren  von  Pertz  nur  Stücke  der  Mett.  als  Zusätze  zum 
Text  der  Laur.  maj.  abgedruckt,  irreführend,  weil  dort  auch  schon  Regino 
benutzt  ist.  Vgl.  lleigel:  Ueber  die  aus  den  alten  Murbacher  Ann.  abge- 
leiteten Quellen,  Forsch.  V,  397 — 403.  Waitz :  Ueber  das  Verhältnis  der 
Ann.  Mett.  zu  anderen  Annalen,  Forsch.  XX,  385 — 394.  Simson :  Ueber 
die  verlorene  Quelle  der  Ann.  Mettenses,  ib.  S.  395—400,  nebst  der  gleich 
anzuführenden  Abhandlung  von  Waitz.  Bernays,  S.  69  ff.,  der  auch  den 
Poeta  Saxo  und  natürlich  die  Hofannalen  heranzieht,  und  weitere  Fort- 
setzung vermuthet.  Waitz  nahm  SS.  XIII,  26,  Anm.  6,  Benutzung  der 
Lauriss.  nur  bis  788  an,  erstreckt  sie  aber  in  der  Abh.  über  die  Lauriss. 
min.  S.  408,  mindestens  auf  789.  Ranke,  Weltgesch.  V,  2,  292—306,  hebt 
sehr  nachdrücklich  den  Werth  der  in  den  Ann.  Mett.  enthaltenen  Nach- 
richten über  die  Arnulfinger  hervor,  wenn  sie  auch  für  die  älteste  Zeit 
sagenhaft  gefärbt  sind. 

3;  Ueber  die  Ann.  Fuldenses,  NA.  XVII,  117  ff. 


204  II.    Karolinger.     §  9.    Reichsannalen. 

lcitungen  belegen  lassen,  namentlich  nicht  in  den  Fulder  Annalen, 
weshalb  man  genöthigt  war,  eine  unwahrscheinliche  Heranziehung 
verschiedener  Quellen  anzunehmen.  Er  kommt  dadurch  zu  der 
Schlufsfolgerung,  dafs  schon  um  796  aus  den  Fortsetzungen  des 
Fredegar,  den  Reichsannalen  und  anderen  Quellen,  der  Vita  ßonifatii, 
dem  Pabstbuch,  ein  ausführlicheres  werth volles  Werk  zusammen- 
gestellt sei,  welches  in  der  Compilation  von  Saint-Denis  nur  auszugs- 
weise enthalten  sei.  Es  ist  nach  Kurze  kein  anderes,  als  das  schon 
S.  146  erwähnte,  in  den  Ann.  Maximiani  kenntliche,  welches  auch 
den  Ann.  Sithienses  zu  Grunde  liegt.  Als  ein  Stück  dieses  ver- 
lorenen Werkes  betrachtet  er  auch  das  Fragmentum  Chesnii,  als  eine 
Ableitung  die  Continuatio  Romana  der  Langobardengeschichte  des 
Paulus  Diaconus.  Indem  wir  nun  den  Scharfsinn  des  Verfassers 
dieser  Untersuchungen  vollkommen  anerkennen,  können  wir  ihm  doch 
durchaus  nicht  folgen,  wenn  er  (S.  128)  in  diesem,  seiner  Ansicht 
nach  sehr  bedeutenden  Geschichtswerk  das  oben  (S.  149)  erwähnte 
verlorene  Werk  des  Crantz  erkennen  will,  da  Aventins  Angabe  über 
den  Inhalt  desselben  durchaus  nicht  dazu  palst. 

Vermissen  wir  nun  hier  irgend  eine  gesicherte  locale  Anknüpfung, 
so  werden  wir  dagegen  bestimmt  nach  Lorsch  gewiesen  durch  die 
Annales  Laurissen ses  minores,  welche  jedoch  Waitz  jetzt  als 
die  kleine  Lorscher  Franken chronik  bezeichnet  hat1),  ein  mageres, 
nach  Regentenjahren  geordnetes  Compendium  der  Geschichte  des 
Frankenreiches,  an  Beda  sich  anlehnend  und  ganz  aus  der  oben 
erwähnten  Compilation  bis  805  geschöpft,  mit  Ergänzungen  aus  den 
Ann.  Laureshamenses  und  einigen  Erweiterungen  und  Zusätzen;  nach 
Kurze  bis  789  aus  der  von  ihm  angenommenen  Quelle.  Nur  das 
Jahr  806  gehört  nach  Waitz  dem  Verfasser,  wenn  er  nicht  doch 
vielleicht  auch  dieses  schon  in  der  Compilation  fand.  Die  als  Re- 
gierungsjahre betrachteten,  überaus  ungenauen  Zahlen  hält  Puckert 
für  Abschnitte,  die  vielleicht  schon  in  der  Vorlage  gewesen,  wodurch 
der  Vorwurf  grofser  chronologischer  Verwirrung  beseitigt  Avürde2). 
Er  hebt  ferner  die  ausserordentlich  starke,  gegen  die  Vorlage  noch 
sehr    verstärkte    kirchliche   Färbung,    die  Betonung    der   geistlichen 

J)  Ueber  die  kleine  Lorscher  Frankenchronik,  SB.  d.  Berl.  Akad.  1882, 
S.  399—415,  mit  Ausgabe  des  Textes  bis  806.  Bernays,  der  auch  Be- 
nutzung der  Lauriss.  und  Hofannalen  nachzuweisen  sucht,  berichtigt  S.  74, 
dafs  die  Berner  Hs.  für  St.  Remigius  (in  Hautvillers  nach  Puckert)  ge- 
schrieben ist,  aber  aus  einer  Vedaster  Hs.  (mit  der  Abtsreihe)  entnommen. 
Eine  ganz  magere  Regentenfolge  bis  auf  Karl  u.  Karlmann,  und  fortgeführt 
bis  auf  Ludwig  d.  Fr.  hat  aus  Sanctgaller  u.  a.  Hss.  Waitz  als  Chronicön 
breve  Alamannicum  herausgegeben,  SS.  XIII,  260  u.  724. 

2)  Sie  fehlen  ganz  im  Pal.  243  aus  Lorsch,  s.  NA.  X,  232. 


Verschiedene  Chroniken.  205 

Autorität  und  Leitung  hervor,  was  der  Strömung  der  Zeit  entspricht.  — 
Von  807  an  beginnt  eine  sehr  magere  Fortsetzung  bis  817,  während 
ein  anderes  nach  Fulda  gekommenes  Exemplar  dort  eine  andere 
mit  deutlich  localer  Färbung,  ebenfalls  bis  817,  erhielt1). 

Die  lebhaft  erwachende  Thätigkeit  in  dieser  Richtung  bezeugen 
ferner  die  Chronik  der  sechs  Weltalter,  welche  bis  810  reicht,  von 
einem  ungenannten  Verfasser2),  ein  mageres  chronologisches  Gerippe, 
ohne  selbständigen  Werth,  die  oben  S.  146  erwähnten  Ann.  Maxi- 
miani  von  710  bis  811,  die  Fulder  bis  814  (S.  150)  und  die  Fla- 
viniacenses  von  816  (S.  146). 

Bis  818  reicht  das  Chronicon  Moissiacense3),  eine  grofse 
unverarbeitete  Compilation,  welche  aus  der  vorher  erwähnten  Chro- 
nik bis  741,  der  Compilation  bis  805,  den  Reichsannalen  und  an- 
deren bekannten  Werken  geschöpft  ist,  deren  Bekanntschaft,  wie 
Puckert  bemerkt,  Abt  Benedict  von  Aniane  vermittelt  haben  kann, 
aber  doch  hin  und  wieder  auch  eigentümliches  aus  jetzt  verlorenen 
Quellen  hat;  darunter  hat  Dorr4)  Aquitanische  Annalen  und  ein 
Chronicon  Aquitanicum  ohne  genaue  Chronologie  auszuscheiden  und 
zu  sammeln  versucht.  Der  Verfasser  ist  so  unselbständig  und  schreibt 
so  gewissenhaft  seine  Vorlagen  wörtlich  ab,  dafs  ihm  auch  der 
werthvolle  letzte  Theil  der  Chronik  von  813  bis  818  nicht  zuzu- 
trauen ist.  Dieser  schliefst  sich  vielmehr  in  der  ganzen  Weise  der 
Erzählung  so  genau  den  bis  dahin  benutzten  Ann.  Laureshamenses 
(s.  oben  S.  145)  an,  dafs  wir  mit  L.  Giesebrecht  annehmen  müssen, 
es  habe  dem  Schreiber  der  Handschrift  ein  vollständigeres  Exemplar 

J)  MG.  I,  121—123.  Vgl.  SS.  III,  18  über  die  Münchener  Handschrift, 
NA.  X,  232  über  die  Vaticanische  Hs.  Pal.  243  aus  Lorsch. 

2)  Chronica  de  sex  aetatibus  mundi,  bei  Kollar,  Anal.  Vindob.  p.  602. 
Das  Ende  allein  MG.  SS.  II,  256,  vgl.  Arch.  VII,  272.  Die  unter  Ludwig 
d.  Fr.  verfafste,  unter  dem  falschen  Namen  des  Claudius  Taurin.  bei  Labbe, 
Bibl.  nova  I,  309 — 315  gedruckte  Chronik  ist  vollends  mir  ein  chronolo- 
gischer Versuch. 

3)  Bis  auf  Honorius  ungedruckt;  von  da  an  MG.  I,  280 — 313;  vgl.  II, 
257,  wo  die  Jahre  801  bis  813  nach  einer  neugefundenen  Hs.  verbessert 
sind.  Pückerts  oben  erwähnte  Abh.  enthält  viele  beachtungswerthe  Be- 
merkungen darüber. 

4)  De  bellis  Francorum  cum  Arabibus  gestis  (Diss.  Regiom.  1861)  p. 
39 — 48.  Die  von  ihm  hier  zuerst  nachgewiesene  Compilation  von  805  ist 
seitdem  genauer  bestimmt,  s.  oben  S.  202.  Herstellung  des  Chron.  Aquit. 
von  Witiza  bis  812,  S.  43—48.  Vgl.  Waitz,  NA.  V,  483,  über  die  Zu- 
sammensetzung des  Berichts  von  725  aus  2  Quellen;  711,  737,  752  sind 
jener  Compil.  zu  überweisen,  Forsch.  XX,  393.  Nach  B.  Simson,  Forsch. 
XIV,  134,  sind  verwandte  Nachrichten  in  Labbe's  Chron.  S.  Victoris,  jetzt 
als  Ann.  S.  Victoris  Massil.  gedr.  SS.  XXIII,  1—7.  Er  vermuthet  Benutzung 
des  Chron.  Moissiac.  in  diesen.  Ein  späteres  kurzes  Chron.  Aquitanicum 
(eigentlich  Annales)  830—886.  930.  1025,  MG.  II,  252. 


206  II-    Karolinger.     §  10.    Ludwig  des  Frommen  Zeit. 

vorgelegen,  dessen  Schlufs  uns  nur  hier  erhalten  ist.  Die  Herkunft 
der  Chronik  ist  südfranzösisch,  es  sind  aber,  wie  G.  Monod1)  bemerkt, 
von  ihr  zwei  ganz  verschiedene  Bearbeitungen  vorhanden,  von  denen 
die  eine  aus  Moissac  stammt,  ihr  fehlen  die  Jahre  716 — 777.  Die 
andere  stammt  aus  Aniane  und  hat  Zusätze,  in  denen  die  Geschichte 
ganz  willkürlich  behandelt  wird,  z.  B.  779  und  780  spanische  Namen 
an  die  Stelle  der  sächsischen  gesetzt  sind.  Zu  einer  mit  diesen 
verwandten  Chronik  gehört  nach  der  wichtigen  Entdeckung  von 
Puckert2)  die  sog.  Notitia  de  servitio  monasteriorum ,  welche  überall 
arglos  benutzt  ist,  hier  aber  als  eine  spätere  Fälschung,  vermuthlich 
aus  Aniane,  nachgewiesen  wird. 

So  stellt  sich  uns  also  eine  lebhafte  litterarische  Thätigkeit  dar, 
bei  welcher  zunächst  die  Sorge  für  die  bis  dahin  in  so  hohem 
Grade  vernachlässigte  Form  der  Darstellung  in  den  Vordergrund 
tritt,  mit  welcher  sich  aber  nicht  minder  auch  das  Streben  nach 
Ergänzung  der  geschichtlichen  Thatsachen  verbindet.  Am  Ende  des 
Jahrhunderts  werden  die  Annalen  bis  801  von  dem  sog.  Poeta  Saxo 
sogar  in  Yerse  gebracht. 

Die  Fortführung  der  Annalen  bis  829  ist  vom  höchsten  Werthe 
und  gewährte  ein  noch  lange  befolgtes  klassisches  Vorbild  der 
gleichmäfsigen  Darstellung  der  Zeitgeschichte.  Hatte  schon  Einhard 
den  früheren  Theil  der  Annalen  für  sein  Leben  Karls  zu  Rathe  ge- 
zogen, so  finden  wir  den  folgenden  Abschnitt  von  814  an  zu  einer 
Biographie  Ludwigs  verwandt,  nicht  unbedeutend  verändert,  aber 
nicht  verbessert,  mit  Einhards  Werk  gar  nicht  zu  vergleichen3). 

§  10.     Ludwig  des  Frommen  Zeit. 

Funck,  Ludwig  der  Fromme,  Frankfurt  a.  M.  1832.    B.  Simson,  Jahrbücher  des  Fränkischen 
Reichs  unter  Ludwig  dem  Frommen.    2  Bde.  Leipz.  1874.    1876. 

Ein  Jahrhundert  lang  hatte  das  karolingische  Haus  daran  arbeiten 
müssen,  das  zerfallende  merowingische  Reich  wieder  zur  Ordnung 
und  Festigkeit  zu  bringen,  bevor  Karl  daran  denken  konnte,  auch 
den  Wissenschaften  hier  eine  neue  Heimath  anzuweisen.  Als  dann 
Ludwigs  ungeschickte  Hände  den  stolzen  Bau  im  Laufe  weniger 
Jahre  in  seinen  Grundfesten  erschütterten,  als  von  neuem  Raub  und 
Gewaltsamkeit  aller  Art  ungehindert  geübt  wurden,   da   wurde  auch 

J)  Revue  critique  1873,  II,  262. 

2)  Bericht  der  K.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1890,  S.  45—74. 

3)  Der  Einsiedler  Codex  einer  Compilation  über  Karls  Leben  ist 
nach  B.  Simson,  Forsch.  XIV,  135  auf  eine  Benutzung  des  Regino  zurück- 
zuführen. 


Annales  Bertiniani.  207 

diese  zarte  Blüthe  geknickt.  Es  half  nichts,  dafs  Ludwig  persönlich 
litterarischen  Bestrebungen  geneigt  war1),  dafs  er  die  Klosterzucht 
herstellen  half,  was  auch  den  Schulen  zu  Gute  kam;  wir  wollen  ihm 
nicht  den  Ruhm  schmälern,  das  schöne  altsächsische  Gedicht  des 
Heliand  veranlafst  zu  haben,  aber  unter  dem  Waffenlärm  konnte 
die  Wissenschaft  nicht  gedeihen,  und  über  ihre  Mifsachtung  wird 
schon  bald  nach  Karls  Tod  geklagt2).  Schon  829  baten  die  zu 
Worms  versammelten  Bischöfe  dringend  um  die  Errichtung  von 
mindestens  drei  öffentlichen  Schulen,  um  dem  Verfall  Einhalt  zu 
thun:  die  Ausführung  wird  bei  der  wachsenden  Zerrüttung  des 
Reiches  unterblieben  sein3). 

Die  Hofschule  blieb  jedoch  bestehen,  der  Ire  Clemens  und 
andere  Lehrer  wirkten  daran,  und  unter  Karl  dem  Kahlen  gewann 
sie  noch  einmal  einen  glänzenden  Aufschwung.  Auch  die  Reichs- 
annalen  wurden  nicht  unterbrochen,  sondern  in  gleichmäfsiger 
Weise  weiter  fortgeführt.  Es  sind  die  nach  ihrem  Fundort  genannten 
Bertinianischen  Annalen,  eieren  Schreibart  den  amtlichen  Charakter 
nicht  verkennen  läfst;  wir  werden  auf  dieselben  noch  später  zurück- 
zukommen haben.  Alle  die  traurigen  Vorfälle  der  Zeit  werden 
hier  mit  möglichster  Schonung  berührt;  der  Herr  Kaiser  erscheint 
stets  in  seinem  Rechte,  aber  auch  gegen  die  Gegner,  welche  ja  eben- 
falls seinem  Hause  angehörten,  wird  anständige  Mäfsigung  beobachtet. 
Im  Jahre  835  übernahm  der  Bischof  Prudentius  von  Troyes 
die  Fortsetzung,  und  führte  sie  bis  zum  Jahre  861,  wo  der  Erz- 
bischof Hinkmar  die  Arbeit  aufnahm;  schon  war  nicht  mehr  der 
königliche,  sondern  der  erzbischöfliche  Hof  zu  Reims  der  wahre 
Mittelpunkt  des  Reiches.  Der  genaue  Zusammenhang  der  karolin- 
gischen  Reiche  aber  tritt  in  diesen  Jahrbüchern  noch  deutlich  hervor, 

1)  Aus  den  Kanzleiformeln  der  Urkunden  verschwanden  unter  ihm  die 
herkömmlichen  Barbarismen,  oben  S.  160. 

2)  Walahfridi  Praef.  ad  Einh.  V.  Caroli:  „Nunc  relabentibus  in  con- 
traria studiis,  lumen  sapientiae  quod  minus  diligitur,  rarescit  in  plurimis." 
Lupus  anEinhard:  ,.Nunc  oneri  sunt,  qui  aliquid  discere  affeetant."  Ep.  1 
ed.  Baluze.  Auch  bei  Ideler,  Leben  Karls  d.  Gr.  II,  138.  Die  ganze  Stelle 
ist  lesenswerth.  Aehnliche  Stellen  von  Claudius  Taurinensis  (über  ihn  s. 
Ebert  II,  222 — 224;  Laville,  Claude  de  Turin.  Essai  sur  le  protestantisme 
du  IX.  siecle  (These).  Toulouse,  Chauvin.)  giebt  Reuter,  Gesch.  d.  Aufkl. 
1,  267.  Dümmler,  Ostfr.  III,  649—652,  wo  die  Hofschule  ausführlich  be- 
handelt ist.     Ueber  diese  auch  B.  Simson  II,  255 — 260. 

3)  „Similiter  etiam  obnixe  et  suppliciter  vestrae  cclsitudini  suggerimus, 
ut  morem  paternum  sequentes,  saltim  in  tribus  congruentissimis  imperii 
vestri  locis  scholae  publicae  ex  vestra  auetoritate  fiant,  ut  labor  patris 
vestri  et  vester  per  ineuriam  quod  absit  labefaetando  non  depereat."  MC 
Legg.  I,  339.     Der  Vorschlag  kam  von  der  Pariser  Synode, 


208  II.    Karolinger.     §  10.    Ludwig  des  Frommen  Zeit. 

indem  auch  die  italienischen  und  die  deutschen  Begebenheiten  sorg- 
fältig berücksichtigt  werden. 

Der  vornehmen  Kürze  der  Reichsannalen  treten  für  die  frühere 
Zeit  Ludwigs  die  Gedichte  des  Ermoldus  Nigellus1)  zur  Seite; 
schmeichlerische  Lobgedichte,  die  zwar  als  solche  kaum  zu  den 
eigentlichen  Geschichtsquellen  gerechnet  werden  können,  aber  doch 
von  mancher  Einzelheit  uns  Kunde  geben,  und  durch  ihre  Schilde- 
rungen vielerlei  Aufschlufs  gewähren  über  Zustände  und  Personen 
der  Zeit.  Aquitane  von  Geburt,  war  Ermold  ein  Günstling  des 
Königs  Pippin;  er  geleitete  ihn,  obwohl  Mönch,  auf  der  Heerfahrt 
des  Jahres  824  gegen  die  Bretonen  mit  Schild  und  Speer:  doch 
scherzt  er  darüber  selbst,  und  sein  Herr  lachte  ihn  aus.  Der  Kaiser 
aber  gab  ihm  Schuld,  dafs  er  Pippin  verführe,  und  verbannte  ihn 
deshalb  nach  Strafsburg,  wo  Bischof  Bernald  ihn  unter  seine  Auf- 
sicht nahm.  Hier  nun  schrieb  er  seine  vier  Bücher,  in  Distichen, 
über  die  Thaten  des  Kaisers,  mit  Ludwigs  aquitanischem  Königthum 
beginnend  bis  auf  Heriolds  Taufe  826,  und  es  liegt  in  der  Natur 
der  Dinge,  dafs  er  ihm  sowohl  wie  der  Kaiserin  Judith  um  so  ärger 
schmeichelte,  je  mehr  er  sich  seiner  Verbindung  mit  ihren  Gegnern 
bewufst  sein  mochte;  er  erreichte  jedoch  seinen  Zweck  nicht,  und 
sandte  deshalb  noch  zwei  Elegien  an  König  Pippin,  deutlich  Ovid 
nachahmend,  hinter  dem  er  doch  in  Sprache  und  Versbau  unendlich 
weit  zurückbleibt2).  Seine  Befreiung  aber  mag  er  wohl  dem  Siege 
der  Verschworenen  im  Jahre  830  verdankt  haben3). 

Kaum  minder  lobrednerisch  für  Ludwig,  als  die  Verse  Ermolds, 
sind  die  beiden  Lebensbeschreibungen,  welche  wir  von  ihm  besitzen- 
Die  eine,  welche  nur  bis  835  reicht,  ist  schon  zu  seinen  Lebzeiten 
verfafst,  von  Thegan  oder  Degan,  einem  vornehmen  Franken  und 
Landbischof  der  Trierer  Kirche,  auch  Probst  des  Cassiusstifts  in 
Bonn,  von  welchem  sonst  nichts  bekannt  ist,   als   sein   freundschaft- 

!)  Ausgabe  von  Pertz,  MG.  SS.  II,  464-523.  Migne  CV,  551—640 
nach  Bouquet.  Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  1 — 92.  Verbesserungen  von  Traube, 
Karol.  Dicht.  S.  65  Uebersetzung  von  Pfund,  Berl.  1856.  1889  (Ge- 
schichtschr.  18.  IX,  3).  Henkel:  Ueber  den  hist.  Werth  der  Gedichte  des 
Ermoldus  Nigellus,  Progr.  der  höheren  Bürgerschule  zu  Eilenburg  1876. 
Ebert  II,  170—178.  Simson,  Karl  d.  Gr.  II,  258  ff.  Theilw.  übers,  v.  Th. 
Reinhart  im  Jahrb.  f.  Gesch.,  Sprache  u.  Litt.  Elsass-Lothr.  II.  1886. 

2)  Anklänge  an  VergiJ,  das  allgemeine  Schulbuch,  fehlen  natürlich  auch 
nicht,  zuerst  gesammelt  von  Dorr,  De  bellis  Francorum  cum  Arabibus 
gestis,  Diss.  Regim.  1861,  p.  53—55,  dann  vollständiger  bei  Dümmler, 
nebst  anderen,  besonders  auch  an  Theodulf  u.  Naso,  vgl.  NA.  XI,  80.  554. 

3)  Die  früher  vermuthete  Identität  mit  einem  Abt  Hermold  834  u.  dem 
Abt  Ermenald  von  Aniane  kann  als  beseitigt  gelten :  vielleicht  aber  war  er 
der  Hermold,  der  838  als  Pippins  Kanzler  erscheint. 


Ermoldus  Nigellus.     Thegan.  209 

licher  Verkehr  mit  Walahfrid  und  einigen  anderen,  den  ein  Paar 
noch  erhaltener  Briefe  und  Verse  bezeugen.  Er  ist  von  ganz  beson- 
derem Eifer  gegen  die  aus  unfreiem  Stande  erhobenen  und  dann 
überm üthig  gewordenen  Bischöfe  erfüllt,  von  denen  er  jedoch  nur 
Ebo  von  Reims  nennt;  man  vermuthet  deshalb,  dafs  er  vielleicht  in 
dessen  Sprengel  ansäfsig  war  und  persönlich  von  ihm  zu  leiden  ge- 
habt hat.  Walahfrid  rühmt  (um  825)  seine  stattliche  Erscheinung, 
seine  gigantische  Statur,  und  seine  Gelehrsamkeit.  Jene  Schrift  nun 
ist  vielleicht  durch  Einhards  Werk  über  Karl  angeregt,  verfolgt  aber, 
wie  es  B.  Simson  wahrscheinlich  macht,  einen  bestimmten  politischen 
Zweck,  indem  wohl  nicht  ohne  Absicht  neben  scharfem  Tadel  Lothars 
und  seiner  Anhänger  die  Verdienste  Ludwigs  des  Deutschen  sehr 
hervorgehoben  werden.  In  der  Form  sehr  unvollkommen,  und 
gröfstentheils  in  magerer  annalistischer  Weise  verfafst,  gewährt  sie 
uns  doch  einige  gute  Nachrichten;  der  Aufgabe  einer  wirklichen 
Biographie  aber  konnte  der  Verfasser  schon  deshalb  nicht  genügen, 
weil  er  von  Leidenschaftlichkeit  gegen  Ludwigs  Gegner,  vorzüglich 
gegen  Ebo  von  Reims,  erfüllt  war,  und  die  wahren  Ursachen  der 
Unruhen  und  inneren  Kriege  verschweigt1).  Walahfrid  freilich,  ein 
ebenso  eifriger  Anhänger  Ludwigs,  lobt,  indem  er  die  Mängel  des 
Ausdrucks  mit  der  seelsorgerischen  Thätigkeit  des  Mannes  entschul- 
digt, gerade  die  Wahrhaftigkeit  desselben;  er  theilte  das  Büchlein 
in  Capitel  und  versah  diese  mit  Ueb  er  Schriften,  um  sich  und  andere 
an  den  Thaten  des  Kaisers  Ludwig,  heiligen  Andenkens,  um  so 
besser  und  häufiger  erbauen  zu  können. 

Mit  geringerer  Heftigkeit,  doch  mit  nicht  minderer  Parteilich- 
keit für  Ludwig,  ist  die  zweite  gröfsere  Lebensbeschreibung  dessel- 
ben2)   geschrieben,    welche    ein    unbekannter   Geistlicher   vom   Hofe 

J)  Am  Schlufs  folgen  noch  Nachrichten  über  die  Jahre  836  n.  837,  in 
welchen  die  Uebertragung  des  h.  Castor  nach  Coblenz  (daraus  entnommen, 
doch  mit  richtigem  Datum,  Anal.  Boll.  I,  119,  vgl.  NA.  XII,  603)  auffallend 
hervortritt.  Ausgabe  von  Pertz,  MG.  SS.  II,  585 — 604.  Uebersetzung  von 
Jasmund,  1850.  1889  (Geschichtschr.  19.  IX,  4).  Ebert  II,  359—361.  Eine 
Erwähnung  unter  dem  Namen  Theganbert  in  der  Transl.  Chrysanti  et 
Dariae  a.  844;  Urkk.  v.  842  u.  847  NA.  XIII,  154,  157,  wo  er  Theigen- 
bert  heisst.  Obitus  Thegani  ep.  im  Necrol.  S.  Maximini  zum  20.  März. 
Ueber  Walahfrids  Vorrede  in  derselben  Kopenhagener  Handschrift,  welche 
auch  dessen  Vorrede  zu  Einhards  Vita  erhalten  hat,  s.  Archiv  VII,  373; 
im  St.  Galler  Catal.  s.  IX.  erscheint  das  Buch  als  'De  bonitate  Hludouuici 
imp.  in  quaternulis'.  Weidm.  S.  400.  Vgl.  B.  Simson:  Ueber  Thegan, 
Forsch.  X,  325—352.  Benutzt  ist  die  Vita  in  der  Domus  Carolingicae 
Genealogia  (SS.  II,  309,  vgl.  Forsch.  X,  338),  den  Ann.  Lobienses  und  Flo- 
doardi  Hist.  Remensis. 

2)  Mg.  SS.  II,  604—648.  Uebers.  mit  Thegan.  Ebert  II,  361—364. 
Ueber  die  Steinfelder  Handschrift,  jetzt  Mus.  Brit.  21109,  Archiv  VII,  365: 

Wattenbach,  Geschicht6quellcn  I.  6.  Aufl.  14 


210  H.    Karolinger.     §  10.    Ludwig  des  Frommen  Zeit. 

bald  nach  dem  Tode  des  Kaisers  verfafst  hat;  man  pflegt  ihn  den 
Astronomen  zu  nennen,  wegen  einiger  Bemerkungen,  welche  sich 
auf  diese  Wissenschaft  beziehen.  Tiefere  geschichtliche  Einsicht 
dürfen  wir  bei  einem  Anhänger  Ludwigs  überhaupt  nicht  suchen, 
und  auch  der  Stil  dieses  Biographen  ist  entstellt  durch  übertriebenes 
Streben  nach  phrasenhaftem  Schmuck.  So  hat  er  in  dem  mittleren 
Theile  seines  Werkes  von  814  bis  829  fast  nur  die  Reichsannalen 
ausgemalt  und  durch  seine  Schönrednerei  entstellt1).  Schätzbarer 
ist  der  erste  Abschnitt,  wo  Ludwigs  Jugendzeit  nach  den  Erzäh- 
lungen oder,  wie  Ebert  vermuthet,  nach  einer  schriftlichen  Aufzeich- 
nung des  Mönches  Adhemar  geschildert  ist,  der  mit  dem  Kaiser 
auferzogen  war.  Im  letzten  Theile  endlich  giebt  der  Verfasser  aus 
eigener  Kenntnifs  Nachricht  yon  dem  was  er  erlebt,  und  wenn  auch 
seine  Darstellung  wenig  zu  loben,  die  Chronologie  sehr  verwirrt  ist, 
so  ist  doch  der  Inhalt  von  grofsem  Werthe  für  uns. 

Diesen  Schriften  reihen  wir  noch  das  Leben  des  Abtes  Bene- 
dict an,  des  Stifters  des  Klosters  Aniane  (f  821),  der  das  Ver- 
trauen des  Kaisers  in  so  hohem  Grade  besafs;  zuletzt  Abt  des  für 
ihn  erbauten  Klosters  luden  oder  Cornelimünster,  wurde  er  zugleich 
Obervorsteher  aller  Klöster  im  Frankenreich,  und  entfaltete  eine 
grofse  Wirksamkeit  für  die  Reform  des  Mönchswesens  und  Her- 
stellung der  Schulen.  Sein  Leben  wurde  ein  Jahr  nach  seinem  Tode 
(821)  von  Ardo,  genannt  Smaragdus,  seinem  Nachfolger  als  Abt 
von  Aniane,  in  anschaulicher  Weise  liebevoll  geschildert,  mit  be- 
sonders genauer  Kenntnifs  der  früheren  Zeit,  wie  er,  damals  Witiza 
genannt,  ein  edler  Gothe,  Sohn  des  Grafen  von  Maguelonne,  ein 
tapferer  Kriegsmann,  Mönch  wurde  und  sich  zuerst  einer  ganz  über- 
triebenen Askese  hingab,   bis   das  Leben   ihn    erzog,   und   nun    seine 

über  die  Petersburger  NA.  V,  221.     Ueber  stilistische  Anklänge  Manitius, 
NA.  XI,  70—73. 

a)  Zuletzt  hat  G.  Meyer  von  Knonau  in  d.  Abh.  über  Nithard  ausführ- 
lich nachgewiesen,  S.  132 — 135,  wie  der  Astr.  c.  23 — 43  die  Ann.  Lauriss. 
814—829  benutzend  sie  entstellt;  S.  129—132.  135,  wie  er  c.  59—62 
Nithard  c.  6 — 8  in  ähnlicher  Weise  behandelt  hat,  dessen  Benutzung  mir 
jedoch  zweifelhaft  ist;  S.  129 — 132  ist  die  Verwirrung  der  Chronologie 
c.  54 — 61  beleuchtet.  Für  den  hohen  Werth  des  ersten  Theils  ist  daher 
das  Hauptverdienst  Adhemar  zuzuschreiben.  Diesen  hält  Dorr,  De  bellis 
Francorum  cum  Arabibus  gestis  (Diss.  Regim.  1861)  p.  51,  nach  einer  Ver- 
muthung  Giesebrechts  für  den  wiederholt  genannten  Heerführer  Hadhemar, 
der  im  Alter  Mönch  geworden  sei.  Allein  die  verschiedene  Schreibart  in 
demselben  Bach,  der  Mangel  jeder  Hindeutung  darauf  und  die  Häufigkeit 
des  Namens  in  Aquitanien  sprechen  dagegen.  B.  Simson,  Lud.  d.  Fr.  II, 
294 — 301  behandelt  das  Werk  ausführlich  und  vermuthet,  dafs  es  unvoll- 
ständig überliefert  sei.  Benutzte  Verse  von  Vergil  weist  Manitius  nach, 
NA.  IX,  618,  andere  Anklänge  XI,  70—73. 


Benedict  v.  Aniane.     Doda.     Streitschriften.  211 

reformatorische  Thätigkeit  weithin  wirksam  wurde.  Auch  die  Be- 
kehrung des  Grafen  Wilhelm  yon  Toulouse  wird  darin  berichtet, 
dessen  Leben  später  fabelhaft  ausgeschmückt  ist1). 

Ein  merkwürdiges  Denkmal  aus  dieser  Zeit  ist  der  über  manu- 
alis  Dodanae,  die  von  Dhuoda,  der  "Witwe  des  Grafen  Bernhard  von 
Septimanien,  im  J.  841  für  ihren  Sohn  Wilhelm  verfafsten  Rath- 
schläge  und  Unterweisungen,  woraus  einst  Mabillon  und  Baluze  Aus- 
züge gegeben  haben,  welche  jetzt  mit  Benutzung  einiger  neugefun- 
denen Fragmente  von  E.  Bondurand  neu  herausgegeben  sind2). 

In  einer  Zeit  der  erbittertsten  Parteiungen  konnte  die  Geschicht- 
schreibung nicht  den  Charakter  ruhiger,  unparteilicher  Schilderung 
bewahren,  den  wir  in  den  Reichsannalen  wahrnehmen;  jede  Erzählung 
nimmt  eine  bestimmte  Farbe  an  nach  dem  Standpunkt  des  Verfassers, 
und  es  treten  nun  auch  die  politischen  Streitschriften  hinzu,  in 
welchen  die  Gegner  ihr  Verfahren  zu  rechtfertigen,  die  Widersacher 
anzuschuldigen  sich  bemühen.  Dahin  gehört  aus  dieser  Zeit  nament- 
lich das  beredte  Manifest  des  Erzbischofs  Agobard  von  Lyon,  wel- 
ches das  Auftreten  der  Söhne  gegen  ihren  Vater  rechtfertigen  sollte3), 
und  von  der  anderen  Seite  die  Klage  des  Herrn  Kaiser  Lud- 
wig, angeblich  von  ihm  selbst  verfafst,  in  Wahrheit  aber  doch  wohl 
nur  eine  Stilübung  aus  dem  Kloster  des  h.  Medardus4). 

Den  Tod  des  Kaisers  und  die  darauf  folgende  Zwietracht  be- 
klagte in  einer  Elegie  Florus,    der  bekannte  Diakonus  von  Lyon5). 

*)  Mab.  IV,  1,  191.  S.  XV,  198—220  von  Waitz,  mit  Exe.  der  Vita 
Willelmi  monachi  Gellonensis.  Ebert  II,  346 — 348.  Hauck  II,  528 — 545. 
Ueber  das   Leben  des  Adalhard  und  Wala  s.  unten  §  16. 

2)  L'Education  Caroline.     Le  manuel  de  Dhuoda.     Paris  1887. 

3)  Apologetieus  pro  filiis  Ludovici  Pii  imp.  adv.  patrein,  Bouq.  VI,  248 
u.  a.  m.  Eigentlich  zwei  verschiedene  Schriften,  s.  B.  Simson  I,  398.  II,  67, 
u.  als  solche  SS.  XV,  274 — 279  ed.  Waitz  als:  Libri  duo  pro  filiis  et  contra 
Judith  vxorem  Lud.  Pii.  Er  war  einer  der  bedeutendsten  theologisch-po- 
litischen Schriftsteller,  und  seine  Schriften  (ed.  Baluze  1666,  Migne  CIV) 
berühren  vielfach  die  Zeitverhältnisse.  S.  über  ihn  Baehr  S.  98.  383 — 388. 
C.  v.  Noorden,  Hinkmar  S.  39.  B.  Simson  I,  397—399.  Reuter,  Gesch. 
d.  Aufklärung  I,  24—41.  Ebert  II,  209—222.  Dümmler ,  NA.  IV,  263, 
und  die  Gedichte  an  ihn,  Poet.  Lat.  II,  118.  356.  J.  F.  Marcks,  Die  po- 
litisch-kirchliche Wirksamkeit  A.  Progr.  d.  Realprogym.  zu  Viersen  1888. 
Enge,  De  Agobardi  cum  Judaeis  contentione,  Lips.  1888.  Er  starb  840 
Juni  6,  Ann.  Lugdun.  MG.  I,  110. 

4)  Sie  findet  sich  in  der  Translatio  S.  Sebastiani  (oben  S.  199),  ist  aber 
auch  unter  dem  Titel  Con questio  domni  Chludovici  imperatoris  et  avgusti  piis- 
siini  de  erudelitate  et  defectione  et  fidei  ruptione  mditum,  suorum  et  horrendo 
seelere  ßliorum  suorum  in  sui  dejeetione  et  depositione  patrato  abgesondert 
überliefert.  Ausg.  v.  Holder-Egger  SS.  XV,  388.  —  Dahin  gehört  auch  die 
gegen  Ebo  gerichtete,  von  Flodoard  aufgenommene  Visio  Raduini,  NA. 
XI,  262. 

5)  Querela  de  divisione  imperii  post  mortem  Ludovici  Pii\  bei  Mab.  Anal. 

14* 


212  IL    Karolinger.     §  11.    Nithard. 


§  11.     Der  Streit  der  Söhne.     Nithard. 

Nithardi  Historiarum  libri  IV.  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  649—672.  Besonderer  Abdruck 
Hann.  1839;  2.  Ausg.  mit  neuer  Benutzung  der  Pariser  Handschrift,  sonst  ohne  Zu- 
satz, 1870;  von  Holder  mit  wiederholter  Benutzung  derselben  1880.  Uebersetzung 
von  Jasmund,  Berl.  1851.  1889  (Geschichtschr.  20.  IX,  5;  S.  67  1.  fünften  statt  15). 
—  Die  Eidesformeln  jetzt  auch  bei  Müllenhoff  und  Scherer  S.  197  (3.  Ausg.  I,  231), 
vgl.  S.479  (II,  365).  Brakelrnann  in  Hoepfners  und  Zachers  Zeitschr.  f.  d.  Philol.  III, 
85  —  95.  Arbois  de  Jubainville :  Le  Text  Franc  etc.  Bibl.  de  l'Ecole  de  Chartes 
XXXII,  321  —340.  Facs.  bei  G.  Paris:  Les  plus  anciens  Monuments  de  la  langue 
Franchise  (1875)  pl.  1.  Chr.  Pätz,  De  vita  et  fide  Nithardi,  Diss.  Hai.  1865.  Gerold 
Meyer  von  Knonau,  Ueber  Nithards  4  Bücher  Geschichten,  Leipz.  1866,  4.  0.  Kuntze- 
müller,  Nitbard  u.  sein  Gescbicbtswerk,  Diss.  Jen.  1873.  Ebert  II,  370—374.  Die 
Handschrift  stammt  aus  Saint-Magloire  in  Paris,  Hist.  Zeitschr.  XXXI,  220.  Delisle, 
Note  sur  le  Catalogue  general  p.  37.  Manitius,  Parallelstellen,  NA.  IX,  618.  XI, 
69-73. 

Wir  haben  schon  früher  gesehen,  wie  am  Anfang  des  Mittelalters 
diejenigen  Männer,  welche  sich  durch  litterarische  Bildung  auszeich- 
neten, wenn  sie  auch  ihre  Bildung  noch  nicht  der  Kirche  verdankten, 
doch  zuletzt  dieser  sich  zuwandten,  und  dasselbe  wiederholt  sich 
auch  in  Karls  Zeit.  Die  fränkischen  Ritter  verschmähten  jede  ge- 
lehrte Bildung,  und  die  Bemühungen  Karls  in  dieser  Beziehung 
blieben  ohne  dauernde  Wirkung.  Die  Kirche  war  gar  bald  wieder 
alleinige  Hüterin  des  Griffels  und  der  Feder.  Auch  Einhard  hatte 
sich  klösterlichem  Leben  zugewandt,  wenn  er  auch  nicht  in  den 
geistlichen  Stand  getreten  war,  und  kriegerische  Waffen  hatte  er  nie 
geführt.  Auch  Angilbert,  wenn  er  jemals,  wie  man  später  erzählte, 
ein  Kriegsheld  gewesen  war,  zog  doch  die  Kutte  an;  sein  Sohn 
Nithard  aber  bietet  uns  das  einzige  Beispiel  eines  vornehmen  und 
tapferen  Streiters,  der  wirklich  das  Schwert  aus  der  Hand  legte,  um 
auch  mit  der  Feder  die  Sache  seines  Herrn  zu  vertheidigen.  Freilich 
hat  seine  Bede  nicht  mehr  den  Wohlklang  von  Angilberts  Muse; 
man  fühlt  ihr  die  Zeit  an,  wo  schon  über  den  Verfall  der  Schulen 
geklagt  wird,  sie  ist  rauh  und  hart,  aber  dafür  entschädigt  der  tüch- 
tige Sinn  des  Mannes,  seine  Einsicht  und  Kenntnifs  der  Dinge.  Dafs 
auch  seine  Schrift  durchaus  parteiisch  ist,  versteht  sich  von  einem 
Manne,  der  mitten  in  den  heftigsten  Kämpfen  stand,  von  selbst;  es 
konnte  nicht  anders  sein1). 

I,  388,  ed.  II  p.  413.  Bonq.  VII,  301.  Poet.  Lat.  II,  559-564.  Vgl.  über 
ihn  Ebert  II,  268—272.  Dümmler,  NA.  IV,  296—301.  581.  630.  Poet. 
Lat.  II,  507 — 566.  Ueber  seine  CaDonensammlung  M.  Conrat,  Gesch.  d. 
Quellen  u.  Litt.  d.  Rom.  Rechts  (1889)  I,  253;  vgl.  auch  NA.  XI,  436. 

*)  Kuntzemüller  bekämpft  diese  Auffassung,  allein  es  war  gar  nicht 
anders  möglich  und  ist,  da  seine  Wahrheitsliebe  allgemein  anerkannt  ist, 
auch  kein  Vorwurf. 


Nithards  Leben  und  Geschichtswerk.  213 

Nithard  war  ein  eifriger  Anhänger  Karls  des  Kahlen,  und  theilte 
mit  ihm  alle  Wechselfälle  des  Kriegs.  Im  Jahre  840  übernahm  er 
eine  Gesandtschaft  an  Lothar,  und  als  diese  vergeblich  blieb,  zog  er 
mit  Karl  dem  Heere  Lothars  entgegen;  da,  als  sie  eben  im  Begriff 
waren,  in  Chälons-sur-Marne  einzureiten,  gab  Karl  ihm  den  Auftrag, 
die  Geschichte  seiner  Zeit  zu  schreiben,  um  sein  Recht  aller  Welt 
darzulegen.  Doch  war  ihm  zunächst  noch  Nithards  Schwert  wich- 
tiger, als  seine  Feder;  am  25.  Juni  841  wurde  die  Entscheidungs- 
schlacht bei  Fontenoy  geschlagen,  wo  auch  Nithard,  wie  er  selbst 
erzählt,  tapfer  kämpfte.  Dann  griff  er  wieder  zur  Feder;  im  ersten 
Buch  stellte  er  einleitend  die  Ereignisse  dar,  welche  zu  diesen 
Kämpfen  geführt  hatten,  die  Reichstheilungen,  und  die  Verwirrung, 
welche  daraus  entstanden  war,  zweckmäfsig  und  übersichtlich  erzählt1). 
Mit  Ludwigs  Tode  hebt  im  zweiten  Buch  die  ausführliche  Darstellung 
an;  das  Unrecht  Lothars  und  die  Verwerflichkeit  seines  Benehmens 
gegen  die  Brüder  sind  der  vorzügliche,  auch  in  dem  an  Karl  gerich- 
teten Vorwort  ausdrücklich  bezeichnete  Gegenstand.  Die  Schilderung 
des  entscheidenden  Kampfes,  mit  dem  das  Buch  schliefst,  unterbricht 
Nithard  durch  die  Bemerkung,  dafs  eben  jetzt,  während  er  schreibe2), 
am  18.  October  desselben  Jahres,  die  Sonne  sich  verfinstere.  Das 
dritte  beginnt  er  voll  Unmuth:  er  habe  gar  nicht  weiter  schreiben 
wollen,  weil  es  ihn  schmerze  und  ihm  zuwider  sei,  von  seinem  Volke 
schmähliches  zu  berichten;  doch  damit  nicht  etwa  jemand  sich  er- 
kühne, die  Sachen  anders  zu  berichten  als  sie  sich  ereignet  hätten, 
habe  er  sich  entschlossen,  noch  ein  drittes  Buch  hinzuzufügen  über 
dasjenige,  woran  er  selber  Theil  genommen,  die  Verhandlungen  näm- 
lich, die  ihn  fortwährend  in  Anspruch  nahmen.  Mit  ähnlichen  Wor- 
ten beginnt  er  auch  das  vierte  Buch,  das  letzte,  welches  leider  nur 
bis  zum  Anfange  des  Jahres  843  reicht;  dann  scheint  er  in  sein 
Kloster  zurückgekehrt  zu  sein,  vermuthlich  eben  deshalb,  weil  es 
ihm  als  Laienabt  verliehen  war.  Ich  hatte  früher  ganz  bezweifelt, 
dafs  er  Abt  gewesen  sei,  allein  da  die  Grabschrift  wirklich  von  dem 
Zeitgenossen  Mico  zu  sein  scheint,  so  müssen  wir  ihm  glauben,  dafs 
Nithard  kurze  Zeit  (paiicissimis  diebus  sagt  Hariulf)  Abt  gewesen 
und  als  solcher  im  Kampf  gefallen  sei.  Da  schon  im  Sept.  844 
Ludwig  Abt  ist,   so    mufs  er  vor  diesem  eingeschoben  werden,    und 

!)  Gegen  Pertz  haben  Pütz  und  G.  Meyer  v.  Knonau  Benutzung  des 
Nithard  beim  Astronomus  nachzuweisen  gesucht,  die  mir  doch  noch  zweifel- 
haft ist. 

2)  Wahrscheinlich  im  Lager  Karls  zu  St.  Cloud,  s.  Fimck  S.  274, 
Dümmler,  Ostfr.  I,  169. 


214  n.    Karolinger.     §11.    Nithard. 

es  mag  die  Vermuthung  von  Traube  richtig  sein,  dafs  Richbod, 
nachdem  er  noch  842  *)  die  feierliche  Erhebung  Angilberts  besorgt 
hatte,  ihm  den  Platz  bat  räumen  müssen,  was  in  diesem  Kloster 
mehrmals  vorkam.  Wir  hören  nichts  weiter  von  ihm,  als  dafs  im 
elften  Jahrhundert,  als  Angilberts  Grab  in  St.  Riquier  eröffnet  wurde, 
man  darin  die  Leiche  Nithards  fand,  in  Salz  gelegt,  in  dem  hölzernen, 
mit  Leder  bedeckten  Sarge,  worin  er  einst  vom  Schlachtfelde  heim- 
getragen war,  an  seinem  Haupt  die  Wunde,  welche  ihm  den  Tod 
gegeben.  Damals  hat  man  ihn  als  Abt  gemalt,  und  der  Kloster- 
dichter Mico  verfafste  dazu  ein  Epitaph2).  Als  Todestag  wird 
XVIII.  Kai.  Jun.  angegeben,  was  richtiger  durch  Id.  Mai  bezeichnet 
wäre.  Dümmler  schlägt  deshalb  vor,  Jul.  zu  setzen,  und  so  kämen 
wir  auf  den  14.  Juni.  Merkwürdiger  Weise  aber  ist  nach  Prudentius 
der  Abt  Richbodo  von  St.  Riquier  am  14.  Juni  844  am  Agout  ge- 
fallen, und  ist  auch  dieser  ein  Enkel  Karls  des  Grofsen  gewesen. 
Leider  fehlt  es  uns  an  jeder  zuverlässigen  Nachricht  zur  Aufklärung 
dieser  Yerhältnisse ;  wenn  Nithard  mit  ihm  zugleich  gefallen  wäre, 
so  mufs  man  doch  annehmen,  dafs  er  sicherlich  auch  hätte  erwähnt 
werden  müssen.  Wir  beschränken  uns  also  darauf,  das  Epitaph  hier 
mitzutheilen.     Es  lautet: 

EPYTAFIUM. 

Hie  rutilat  species  Nithardi  pieta  sagacis, 

Nomen  rectoris  qui  modico  tenuit, 
Eheu!  quod  subito  in  bello  rapuit  gemebundo 

Mors  inimica  satis  seu  furibunda  nimis: 
Invidia  siquidem  multatus  hostis  iniqui, 

Qui  prinius  noeuus  perstitit  innoeuis. 
Astu  nam  belli  viguit  quasi  fortis  Asilas3), 

Nee  non  ex  sophia  floruit  ipse  sacra. 
Extitit  elatos  rigidus  mites  humilisque 

Contra  commissum  paeificusque  gregem. 
Cujus  de  Caroli  genio4)  processit  origo 

Nobilis  ac  celsa  caesaris  egregii. 
Occubuit  Junii  oetavo  deeimoque  Kalendas 

Hostili  gladio:   hac  requiescit  humo. 
Hos  quicumque  legis  versus,  miserere  suique 

Die:  Animae  ipsius  det  veniam  Dominus, 
Jam  quia  sublatus  terris  regione  locatus 

Sit,  preeibus,  saneta,  hoeque  frequens  rogita. 

*)  Am  24.  Oct.  nach  Meyer  v.  Knonau,  Anm.  292,   dem   Traube   (für 
den  5.  Nov.)  ohne  Angabe  von  Gründen  widerspricht. 

2)  Jetzt  auch  Poet.  Lat.  III,  310  von  Traube  herausgegeben. 

3)  Der  in  Verg.  Aen.  IX,  571  u.  X,  175  gefeierte  Held  und  Weissager. 

4)  Diese  Correctur  von  Dümmler  statt  gemino  hat  Traube  angenommen 
mit  Hinweis  auf  den  ähnlichen  Ausdruck  im  Carm.  CL,  2. 


Nithard.     Rhythmische  Dichtungen.  215 

Donec  e  tumulo  salient  cineres  quoque  vivi, 

Corpore  suscepto  quo  reparatus  eat 
Ad  loca  sanctorum,  fultus  hinc  inde  maniplis 

Angelicis  sanctis  cum  patribus  reliquis. 

Ungern  trennen  wir  uns  von  diesem  Büchlein,  dem  Werke  eines 
wackern  Kriegshelden  und  einsichtigen  Staatsmannes,  welcher  so 
recht  aus  der  Mitte  der  Begebenheiten  mit  Ernst  und  Wahrheitsliebe 
berichtet,  was  er  selbst  durchlebt,  woran  er  selbst  den  bedeutendsten 
Antheil  genommen  hat.  Unwillkürlich  knüpft  sich  daran  der  Ge- 
danke, wie  ganz  anders  die  Geschichtschreibung  sich  hätte  entwickeln 
können,  wenn  die  Laien  der  folgenden  Jahrhunderte  es  nicht  ver- 
schmäht hätten  zu  schreiben,  wenn  nicht  die  Feder  ausschliefslich 
der  Geistlichkeit  überlassen  wäre,  der  wir  zwar  viel  schöne  und 
treffliche  Werke  zu  danken  haben,  die  aber  mit  Notwendigkeit  ihre 
kirchliche  Auffassung  in  alle  Yerhältnisse  übertrug.  Wir  möchten 
ihre  Werke  nicht  missen,  aber  gar  gerne  hätten  wir  daneben  auch 
die  Stimmen  einsichtiger  Laien. 

Doch  ist  Nithard  nicht  der  einzige  von  den  Kämpfern  in  der 
Schlacht  bei  Fontenoy,  dessen  Worte  uns  vorliegen ;  auch  von  Lothars 
Seite  ist  uns  eine  Schilderung  der  Schlacht  erhalten  in  dem  Klagelied 
jenes  Angilbert,  der,  im  ersten  Treffen  kämpfend,  von  Vielen  allein 
übrig  geblieben  war.  Voll  tiefen  Grames  sind  seine  Worte,  nirgends 
tritt  uns  so  lebendig  der  bittere  Schmerz  entgegen  über  diese  allzu 
harte  Nacht,  in  welcher  die  Tapfersten  gefallen  sind,  die  Kundigsten 
des  Krieges1).  Die  Form  dieser  Verse  ist  rhythmisch,  die  Sprache 
diejenige,  welche  uns  schon  aus  der  merowingischen  Zeit  bekannt 
ist,  lateinisch  wie  es  ein  Romane  sprechen  und  schreiben  konnte, 
ohne  es  schulmäfsig  erlernt  zu  haben.  Daher  haben  wir  auch  der- 
gleichen Dichtungen  nur  aus  Frankreich2)  und  Italien3),  aus  Deutsch- 

')  „Ubi  fortes  ceciderunt,  proelio  doctissimi."  Anf.  Aurora  cum.  Ge- 
druckt in  der  Octavausgabe  des  Nithard  S.  55  f.  und  sonst  häufig.  Cousse- 
maker,  Hist.  de  Fharmonie  (1852)  86  u.  Facs.  pl.  I,  3.  Erste  vollständige 
Ausg.  (2  neue  Strophen)  bei  Dümmler  in  den  philol.  Abh.  zu  Ehren  Th. 
Mommsens,  1877.  Poet.  Lat.  II,  138.  Die  Verse  fangen  nach  der  Reihe 
mit  den  Buchstaben  des  Alphabets  an,  reichen  aber  nur  bis  P.  Eine 
Uebersetzung  mit  Erläuterungen  bei  Meyer  von  Knonau  S.  139,  und  nebst 
anderen  im  Anhang  zu  dessen  Schrift:  Die  schweizerischen  hist.  Volks- 
lieder des  15.  Jahrh.  (Zürich  1870)  S.  66.     Ebert  II,  313. 

2)  Bei  Dumeril,  Poesies  populaires  Latines  anterieures  au  douzieme 
siecle  finden  sich  S.  251  ein  Klagelied  um  den  Tod  des  Abtes  Hugo  844 
Hug  dulce  nomen  (auch  bei  Coussemaker  92  mit  Facs.  pl.  II,  2,  Poet.  Lat. 
II,  139;  s.  über  ihn  Sickel,  Acta  Karol.  I,  96),  S.  253  eine  Klage  Got- 
schalks  in  seiner  Verbannung  (846  oder  847  0  quid  jubes,  Couss.  49  u.  pl. 
II,  3:  vgl.  Dümmler,  NA.  IV,  320.  Ebert  II,  166),  S.  255  Verse  auf  die 
Zerstörung  des  Klosters  Montglonne   oder  Saint-Florent-le-Vieil  durch   die 


216 


II.    Karolinger.     §  11.    Nithard. 


land  nur  Kunstpoesie  gelehrter  Geistlicher1).  Daneben  sang  das  Volk 
seine  deutschen  Lieder,  die  wohl  gelegentlich  erwähnt  werden,  die 
aber  niemand  aufschrieb.  Nur  der  Ludwig sleich,  gedichtet  auf 
die  Norniannenschlacht  bei  Saucourt  (881),  bildet  davon  eine  Aus- 
nahme2). 

Ein  höchst  eigenthümliches  Product  jener  traurigen  Zeiten, 
wo  durch  die  Zwietracht  der  Brüder  alle  Ordnung  gestört  war  und 
besonders  die  Kirchen  fortwährender  Beraubung  und  Mifshandlung 
ausgesetzt  waren,  wo  dann  auch  Karl  der  Kahle  die  anfangs  noch 
an  ihn  geknüpften  Hoffnungen  in  zunehmender  Weise  täuschte,  sind 
die  Schriften  und  vorzüglich  die  Revelationen  des  Audradus 
Modicus  aus  dem  Martinskloster  zu  Tours,  der  847  vom  Erzbischof 
Wanilo    zum  Landbischof   von  Sens  eingesetzt  wurde,  im  Nov.  849 


Bretonen  853,  Dulces  modos  (neue  Ausgabe  nach  dem  MS.  von  Midlehill 
von  Dom  Pitra,  Archives  des  Missions  scientifiques  IV,  182  a.  1856;  Poet. 
Lat.  II,  147),  S.  266  Sigloards  Klagelied  um  Fulko  von  Reims  0  Fulco 
(900).  Anderer  Art  sind  Theodulfs  Oden  auf  Ludwig  des  Frommen  An- 
kunft in  Orleans  und  in  Tours,  Poet.  Lat.  I,  529.  578. 

3)  Rhythmische  Beschreibung  von  Verona  aus  Pippins  Zeit,  von  Rather 
mitgebracht  und  nebst  einem  Stadtplan  von  Verona  in  eine  (verschollene) 
Handschrift  des  Klosters  Lobbes  eingetragen,  Magna  et  praeclara,  Poet. 
Lat.  I,  119.  Traube,  Karol.  Dicht.  S.  122—129.  Verse  auf  K.  Pippins 
Sieg  über  die  Avaren  796  (Omnes  gentes)  in  Pertz'  Octav-Ausgabe  von 
Einhards  V.  Caroli  p.  35,  Poet.  Lat.  I,  116.  Paulinus  Klage  über  Herzog 
Erichs  Tod  (799  Mecum  Timavi)  ib.  p.  37,  Dumeril  S.  241,  Coussemaker, 
S.  87  u.  Facs.  pl.  I,  4.  Sinner,  Catal.  Bern.  I,  148 — 157  mit  Erläuterungen, 
Poet.  Lat.  I,  131.  Planctus  Caroli  (814,  A  solis  ortu)  vermuthlich  aus 
Bobio,  bei  Einhard  S.  41,  Dumeril  S.  245,  Coussemaker  S.  91  mit  Facs. 
pl.  II,  1,  Poet.  Lat.  I,  435;  darauf  bezieht  sich,  wie  Dümmler  bemerkt, 
Thietm.  VIII,  15,  indem  er  den  darin  als  Patron  des  Klosters  angeredeten 
Columban  für  den  lebenden  Abt  zu  halten  scheint.  Ganz  verschieden  da- 
von ist  das  viel  jüngere  oft  gedr.  Kirchenlied  Urbs  Aguensis,  welches  auch 
auf  Zürich  und  Frankfurt  angewandt  ist.  —  Klage  um  Aquileja,  Ad  flendos, 
Paulinus  zugeschrieben,  Poet.  Lat.  I,  142.  Spottverse  auf  dasselbe,  Aqui- 
legia  gloriosa,  ib.  II,  150.  Ueber  Ludwigs  II  Gefangenschaft  (871,  Audite 
omnes)  Dumeril  S.  264.  Poet.  Lat.  III,  404;  ib.  p.  405  sein  Epitaph  Hie 
cubat.  Das  Wächterlied  aus  Modena  während  der  Belagerung  durch  die 
Ungarn  904  O  tu  qui  bei  Dumeril  S.  268;  vgl.  Dümmler,  NA.  IV,  559; 
Joh.  Merkel  NA.  I,  572  hält  es  für  älter.  —  Das  vou  Baronius  auf  Lothar 
(855)  bezogene  Epitaphium  Caesar  tantus  eras  ist  von  Dümmler  NA.  I,  179 
auf  Heinrich  III  bezogen,  auf  Lothar  wieder  von  De  Rossi,  Inscriptt.  christ. 
II,  1,  302,  u.  von  Traube,  der  den  Vf.  für  einen  Nachahmer  des  Sedulius 
hält,  mit  Beziehung  auf  Poet.  Lat.  III,  158  u.  234. 

*)  Ueber  diese  rhythmische  Poesie  überhaupt  s.  Ebert  II,  311 — 328. 

2)  Müllenhoff  und  Scherer  I,  24,  vgl.  II,  71  ed.  III,  übersetzt  bei  Dümm- 
ler, Ostfr.  III,  155.  Denselben  Ludwig  feierte  nach  Mabillon  in  lateinischen 
Versen  Abt  Angilbert  von  Corbie  bei  Uebersendung  einer  Abschrift  von 
Augustin  de  doctrina  christiana,  aber  Traube  hat  dieselben  für  Angilbert 
von  St.  Riquier  u.  Ludwig  d.  Fr.  in  Anspruch  genommen,  O  Roma  nobilis, 
S.  322  ff. 


Audradus  Modicus.     Frechulf.  217 

aber  mit  seinen  meisten  Collegen  diese  Stelle  wieder  verlor.  Im 
März  849  überreichte  er  seine  gesammelten  Schriften  in  Rom  dem 
Pabst  Leo  IV,  welcher  sie  im  Archiv  von  St.  Peter  niederlegte; 
die  angeblichen  Yisionen  aber  setzte  er  noch  bis  853  fort.  Diese 
nur  fragmentarisch  erhaltenen  Schriften  sind  kürzlich  durch  neuge- 
fundene  Fragmente  verständlicher  geworden  und  von  L.  Traube  in 
scharfsinniger  Weise  erläutert;  sie  enthalten  nicht  unbedeutende 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Zeit1). 


§  12.     Frechulfs  "Weltchronik. 

Wir  haben  oben  §  10  die  ersten,  noch  recht  unvollkommenen 
Versuche  betrachtet,  die  fast  verlorene  Verbindung  mit  der  Vergan- 
genheit herzustellen.  Die  Ereignisse  der  Gegenwart  nahmen  zunächst 
die  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  und  mit  ihrer  Aufzeichnung  begann 
man;  doch  regte  sich  auch  bald  das  Bedürfnifs  in  den  gröfseren 
Zusammenhang  einzutreten  und  einen  Ueberblick  über  die  Welt- 
geschichte zu  gewinnen.  Bei  der  raschen  Ausbildung  formaler  Ge- 
wandtheit konnten  die  in  der  Form  noch  halb  barbarischen  und  inner- 
lich unverarbeiteten  Compilationen  sehr  bald  nicht  mehr  genügen, 
und  es  ist  begreiflich,  dafs  man  sich  dieser  grofsen  und  schwierigen 
Aufgabe  von  neuem  und  mit  besserem  Erfolge  zuwandte. 

Ganz  anderer  Art  nun,  als  jene  Compilationen,  und  das  Werk 
eines  wirklich  bedeutenden  Mannes  ist  die  Weltchronik  des  Bischofs 
Frechulf  von  Lisieux.  Unbekannter  Herkunft  nennt  er  Helisachar, 
den  vielvermögenden  Kanzler  Kaiser  Ludwigs2),  seinen  Lehrer,  und 
die  Freundschaft,  welche  ihn  mit  Hraban  verband,  wird  wohl  schon 
damals  geschlossen  sein,  als  dieser  zu  Alcuins  Füfsen  safs3).  Ver- 
muthlich  aus  dem  Kreise  der  Hofgeistlichkeit  wurde  Frechulf  auf 
den  Bischofstuhl  erhoben;  in  Lisieux  fand  er  eine  in  tiefe  Unwissen- 
heit versunkene  Herde  zu  weiden,  und  einen  solchen  Büchermangel, 
dafs  nicht  einmal  die  Bibel  vorhanden  war.     Er  wandte  sich  deshalb 


*)  Audradi  Modici  Carmina  ed.  Traube,  Poet.  Lat.  III,  G7  — 122.  Ders. 
0  Roma  nobilis,  p.  374 — 391,  wo  die  Revel.  gesammelt  u.  erläutert  sind. 
Bedeutende  Fragmente  hat  Albricus  gerettet.  S.  377,  1  1.  judicat  statt 
indicat. 

2)  Ueber  diesen  s.  Siekel,  Acta  Karol.  I,  8G — 88.  Simson  IT,  234. 
Ein  Brief  von  ihm  über  Verbesserung  des  Antiphonars  NA.  XI,  564 — 568. 

3)  Dafs  Frechulf  ein  Sachse  und  Mönch  in  Fulda  gewesen  sei,  beruht 
allein  auf  dem  Trithemischen  Meginfrid  von  Fulda,  und  ist,  da  dieser  er- 
dichtet ist,  wohl  nur  ein  Schlufs  aus  dem  Freundschaftsbund  mit  Hraban. 
Die  Briefe  beider  enthalten  aber  nicht  die  geringste  Hindeutung  darauf. 


218  IL    Karolinger.     §  12.    Frechulfs  Weltchronik. 

an  seinen  Freund  Hraban,  seit  822  Abt  "von  Fulda,  mit  der  Bitte 
um  einen  Commentar  zum  Pentateuch,  der  die  Erklärungen  der  alten 
Kirchenlehrer  mit  Beifügung  ihrer  Namen  enthalten  sollte,  und 
Hraban  erfüllte  seine  Bitte.  Wohl  bald  nacher  sandte  der  Kaiser 
ihn  824  an  den  Pabst  Eugen  II  wegen  des  damals  lebhaft  geführten 
Streites  über  den  Bilderdienst;  bis  852  wird  noch  seine  Theilnahme 
an  verschiedenen  Synoden  erwähnt1),  853  aber  erscheint  sein  Nach- 
folger Eirard. 

Ohne  Zweifel  hat  Frechulf  seine  Verbindungen  und  wohl  auch 
die  Reise  nach  Rom  benutzt,  um  dem  Büchermangel  abzuhelfen,  so 
dafs  er  bald  im  Stande  war,  auf  Helisachars  Wunsch  und  Antrieb 
mit  einer  für  die  damalige  Zeit  nicht  unbedeutenden  Gelehrsamkeit 
und  Kunst  ein  Werk  über  die  alte  Geschichte  zu  Stande  zu  bringen, 
in  welchem  die  ausgehobenen  Stellen  der  benutzten  Autoren  zu  einer 
ausführlichen  Darstellung  nicht  ungeschickt  verbunden  sind.  Zu 
diesem  ersten  Theile  fügte  er  bald  noch  einen  zweiten,  welcher  die 
Geschichte  des  römischen  Reiches  von  Christi  Geburt  bis  zur  Ver- 
treibung der  römischen  und  gothischen  Obrigkeiten  aus  Gallien  und 
Italien  und  der  Aufrichtung  völlig  selbständiger  Reiche  durch  die 
Franken  und  Langobarden  fortführt;  die  Geschichte  der  christlichen 
Kirche  fand  ihren  Abschlufs  durch  Gregors  des  Grofsen  Pontificat. 
Diese  zweite  Abtheilung  seines  Werkes  überreichte  er  830  oder 
etwas  früher  der  Kaiserin  Judith,  deren  Gelehrsamkeit  auch  von 
Hraban  und  Walahfrid  gepriesen  wird2),  um  davon  für  den  Unter- 
richt des  noch  zarten  Knaben  Karl  Gebrauch  zu  machen.  Ueberaus 
merkwürdig  ist  es,  dafs  Frechulf  hierdurch  die  sonst  so  ängstlich 
festgehaltene  Continuität  des  römischen  Reiches  gänzlich  aufgab,  dafs 
er  es  wagte,  die  neuen  Reiche  auf  römischem  Boden  als  etwas  wirk- 
lich neues,  ihre  Stiftung  als  den  Beginn  einer  neuen  Zeit  zu  be- 
trachten3).   Nachfolger  hat  diese  Abweichung  von  dem  herrschenden 

*)  852  erwähnt  bei  Quantin,  Cartulaire  de  FYonne  I,  64. 

2)  Dümmler,  Ostfr.  I,  41.  Acrostichische  Verse  ihr  zu  Ehren  bei  H. 
Hagen,  Carmina  Medii  Aevi  p.  126—128,  Poet.  Lat.  II,  165,  von  Hraban. 

3)  Vgl.  Büdinger,  Hist.  Zeitschrift  VII,  115.  Ebert  II,  381—384.  Die 
gründlichste  Untersuchung  über  Frechulfs  Werk  mit  genauer  Analyse  des- 
selben nach  den  von  ihm  benutzten  Quellen  hat  Emil  Grünauer  aus  Win- 
terthur  gegeben  in  seiner  Diss.  de  fontibus  historiae  Frechulphi  ep.  Lixo- 
viensis,  1864.  Frechulph  und  Frechulf  ist  die  Schreibart  der  ältesten  und 
besten  (St.  Galler)  Handschrift,  aus  welcher  hier  nebst  Facs.  die  in  den 
Ausgaben  fehlenden  Capitel  mitgetheilt  sind.  Sein  Todestag  (October  8. 
Frehholfi  ep.)  im  Würzb.  Necrol.  ed.  Dümmler,  Forsch.  VI,  117.  Eine  un- 
vollständige und  dem  Julius  Florus  zugeschriebene  Hs.  in  Avranches  2428, 
s.  Ravaisson,  Rapport  sur  les  bibl.  de  l'Ouest  (1841)  p.  20;  die  Widmung 
an  Judith  S.  361.    Vgl.    unten  §.  20  über    die   Translatio    Ragnoberti.  — 


Frechulf.     Ado.  219 

Systeme  nicht  gefunden ;  nur  Notker,  der  Mönch  von  St.  Gallen  (I,  1) 
ist  kühn  genug,  die  Bildsäule  als  zertrümmert,  das  römische  Reich 
als  vergangen  zu  betrachten,  und  Kaiser  Karl  als  den  Herrscher  eines 
neuen  Weltreichs  hinzustellen. 

In  dem  herkömmlichen  Geleise  blieb  auch  Ado,  Erzbischof  von 
Vienne  (f  874),  der  Verfasser  des  Martyrologiums,  welcher  sich  auch 
an  einer  Weltchronik  versuchte *).  Er  verband  zu  diesem  Zwecke 
mit  der  Chronik  des  Beda  Auszüge  der  gewöhnlichen  Quellen,  die 
er  jedoch  stilistisch  zu  einer  zusammenhängenden  Erzählung  über- 
arbeitete. Den  Faden  für  die  Verbindung  des  Ganzen  gab  ihm  die 
Folge  der  Kaiser;  an  Constantin  und  Irene  knüpft  sich  unmittelbar 
Karl  der  Grofse,  dann  Ludwig,  Lothar,  Ludwig  II :  so  wird  der  Ge- 
danke der  Einheit  des  römischen  Reiches  durchaus  festgehalten. 
Die  Erhebungen  der  Söhne  gegen  Ludwig  den  Frommen  erscheinen 
nur  als  unberechtigte  Revolutionen;  dann  wird  Karl  der  Kahle  als 
trefflicher  und  weiser  Regent  gepriesen,  alle  aber  überstrahlt  die 
Hoheit  des  Pabstes  Nikolaus.  Es  ist  die  Geschichte  vom  Stand- 
punkte der  Autorität  und  der  vorgefafsten  Meinungen,  der  sie  so 
lange  beherrscht  hat  und  eine  unbefangene  Auffassung  der  Ereignisse 
unmöglich  machte. 

Auch  eine  Volksgeschichte  der  Franken  liegt  uns  vor,  wahr- 
scheinlich aus  dem  Jahre  816,  die  einem  übrigens  unbekannten 
Erchanbert,  doch  ohne  genügende  Sicherheit,  zugeschrieben  wird2). 

Die  von  Fr.  Haase  im  Breslauer  Ind.  lectt.  hiem.  1860  gedruckte  Widmung 
einer  Abschrift  des  Vegetius  an  einen  König  (wiederholt  Veget.  ed.  Lang 
p.  XXIII)  kann  doch  wohl  nur  von  Frechulf  sein,  nach  den  Worten:  post 
Ubros  ab  inicio  mundi  usque  ad  regna  Francorum  in  Gallia  a  parvitate  mea 
congestos  ex  hagiographorum  sive  gentilium  Iristoriis,  und  das  wird,  wie 
Dümmler  bemerkt ,  durch  übereinstimmende  Ausdrücke  bestätigt.  Der 
König  ist  dann  Karl  der  Kahle.  Vgl.  auch  Dümmler,  Ostfr.  I,  404,  und 
in  Haupts  Zeitschr.  XV,  451,  wo  443  bis  450  ein  von  Hraban  für  Lothar, 
wahrscheinlich  II,  im  J.  855  verfafster  Auszug  aus  Vegetius,  mit  einigen  Notizen 
über  fränkische  Sitten,  mitgetheilt  ist.  Den  lebhaften  praktischen  Gebrauch 
des  Vegetius  bezeugt  auch  Salimbene  S.  197. 

1)  Auszüge,  und  von  814  an  vollständig  MG.  SS.  II,  315—323;  die 
beiden  unbedeutenden  Fortsetzungen  S.  324.  325.  Eine  weitere,  ebenfalls 
unbedeutende  Fortsetzung  ans  dem  elften  Jahrhundert  S.  326.  Die  erste 
Fortsetzung  ist  grofsentheils  entnommen  aus  der  kurzen  Francorum  Reguni 
Iristoria  840—869,  fortgesetzt  bis  885  (gedr.  MG.  II,  324.  325)  u.  aus  den 
Ann.  Floriacenses ;  benutzt  von  Folcuin  im  Chartul.  Sith.  nach  B.  Simson, 
Ludw.  d.  Fr.  I,  192  Anm.  8.  Series  episcoporum  Vienn.  ed.  Waitz,  SS. 
XXIV,  811,  wo  auch  die  früher  ausgelassenen  Stellen  aus  Ado  über  die 
ältesten  Vienner  Bischöfe  nachgetragen  sind.  —  Ebert  II,  384. 

2)  Erchanberti  Breviarium  Regum  Francorum  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  327; 
nur  der  letzte  Theil  ist  abgedruckt  nach  Ussermann.  Uebers.  bei  dem 
Mönch  von  St.  Gallen.    Die  Handschrift  (MG.  Legg.  I,  267.  III,  9)  ist  jetzt 


220       II«    Karolinger.     §  13.    Deutschland  unter  den  Karolingern. 

Doch  ist  kein  grofser  schriftstellerischer  Ruhm  daran  zu  verlieren 
oder  zu  gewinnen ;  sie  beruht  ganz  und  gar  auf  den  Gesta  Francorum, 
und  der  angehängte  Schlufs  ist  über  alle  Mafsen  dürftig;  nur  die 
sagenhafte  Erzählung  über  die  Beseitigung  des  letzten  Merowingers 
zieht  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich,  weil  sie  uns  zeigt,  wie  früh 
sich  eine,  der  Wirklichkeit  nicht  entsprechende,  stark  kirchlich  ge- 
färbte Auffassung  ausbildete. 

Die  Localgeschichten,  welche  später  zu  so  bedeutender 
Entwickelung  gelangten,  zeigen  sich  in  dieser  Zeit  noch  kaum  in 
ihren  ersten  Anfängen.  Wir  erwähnten  schon  des  Paulus  Diakonus 
Geschichte  der  Bischöfe  von  Metz;  aufserdem  ist  nur  noch  die  Ge- 
schichte der  Aebte  von  St.  Wandrille  zu  nennen1),  bis  zum 
Jahre  833,  mit  einer  Fortsetzung  bis  zum  Jahre  850.  Sie  enthält 
mancherlei  merkwürdiges,  z.  B.  über  Einhards  Stellung  als  Aufseher 
der  königlichen  Bauten,  und  ist  besonders  ausführlich  über  die 
Thätigkeit  des  Abtes  Ansegis,  jenes  bedeutenden  Mannes,  dessen 
Capitulariensammlung  so  grofses  Ansehen  gewann. 


§  13.     Deutschland  unter  den  Karolingern. 
Reich  sannalen. 

Mit  dem  äufsersten  Widerstreben  hatten  die  deutschen  Stämme 
sich  der  Herrschaft  der  Franken  unterworfen ,  welche  von  ihrer 
niederrheinischen  Heimath  aus  sowohl  am  Oberrhein  wie  am  Main 
festen  Fufs  fafsten  und  in  gröfseren  Massen  sich  ansiedelten,  während 
einzelne  Herren  dieses  herrschenden  Stammes  überall  im  ganzen 
Lande  zu  finden  waren.  Mit  ihnen  kam  die  fremde,  römische  Kirche, 
und  die  rein  deutsche,  ureigne  Entwickelung  wurde  durch  das 
Uebergewicht  der  fremden  Bildung  erdrückt.     Doch  ist  es    fraglich, 

in  Stuttgart  Cod.  Jur.  qu.  134,  s.  Haenel  in  den  Berichten  der  K.  Sachs. 
Ges.  d.  Wiss.  1865. 

!)  Gesta  abbatum  Fontanellensium,  ed.  Pertz  (nach  Dachery)  MG.  SS. 
II,  270—301,  nebst  einem  Fragmentum  Chronici  Font.  841—859  S.  301  bis 
304.  Ebert  II,  377.  Nach  der  lange  vermifsten  Hs.  im  Hävre  neue  Ausg. 
von  S.  Loewenfeld,  Hann.  1886;  vgl.  dens.  Forsch.  XXVI,  193—215,  u. 
über  die  Mängel  der  Ausg.  Holder-Egger,  NA.  XVI,  602—606.  Ueber 
das  Verhalten  zu  Fredegars  Fortsetzern  Breysig,  Karl  Martell,  S.  114  u. 
oben  S.  203.  Im  Münchener  historischen  Jahrbuch  1865  von  P.  Roth  be- 
nutzt, um  seine  Ansicht  über  die  Säcularisation  unter  den  Karolingern  zu 
unterstützen.  Auch  die  der  Vita  S.  Wandregisili  (oben  S.  107)  angehängten 
Miracula  (Mab.  II,  547.  Acta  SS.  Jul.  V,  281)  von  verschiedenen  Ver- 
fassern bis  nach  895  fortgeführt,  sind  nicht  unwichtig;  Ausz.  SS.  XV,  1, 
406-409. 


Gesta  abb.  Fontanellenium.     Ludwig  der  Deutsche.  221 

ob  wir  überhaupt  berechtigt  sind,  hier  von  einer  Entwicklung  zu 
sprechen;  so  lange  wir  von  den  Deutschen  Nachricht  haben,  ist  eine 
solche,  wo  sie  unberührt  blieben,  kaum  wahrzunehmen,  und  gerade 
das  am  spätesten  unterworfene  sächsische  Heidenthum  ist  völlig  starr 
und  jeder  Veränderung  widerstrebend;  das  waren  Zustände,  die  un- 
gestört viele  Jahrhunderte  ohne  merkliche  Entwicklung  fortbestehen 
konnten. 

Gewaltsam  wurden  die  Schwaben,  Baiern,  Sachsen  dem  Franken- 
reiche einverleibt;  aber  nachdem  bei  ihnen  die  Kirche  durch 
Bonifatius  sicher  gegründet  und  durch  Karls  feste  Hand  auch  über 
Sachsen  ausgebreitet  war,  nahmen  sie  nun  auch  an  dem  Leben 
innerhalb  derselben,  an  der  Entwicklung  aller  der  durch  Karl  ge- 
legten und  gepflegten  Keime,  den  lebhaftesten  selbstthätigsten  An- 
theil.  Als  das  grofse  Reich  zerfiel,  hatte  diese  Pflanzung  bereits  so 
tiefe  Wurzeln  bei  ihnen  geschlagen,  dafs  die  Trennung  keinen  nach- 
theiligen Einflufs  darauf  äufserte;  auch  blieb  ja  die  Einheit  der 
Kirche,  welche  die  einzelnen  Glieder  schützte  gegen  das  Schicksal 
jener  alten,  in  ihrer  Vereinzelung  verkommenden  Gemeinden  der 
irischen  Glaubensboten. 

Ludwig  dem  Deutschen  fehlte  es  nicht  an  Bildung1);  er  fand 
Freude  und  Geschmack  daran  und  scheint  namentlich  auch,  wie  sein 
Vater,  den  Wunsch  gehabt  zu  haben,  den  Deutschen  das  Christen- 
thum  durch  Werke  in  der  Volkssprache  näher  zu  bringen.  Ihm 
selber  glaubt  man  die  Aufzeichnung  des  deutschen  Gedichtes  vom 
Jüngsten  Tage  in  einer  ihm  gewidmeten  Handschrift  zuschreiben  zu 
dürfen2);  ihm  übersandte  auch  Otfrid  um  865  sein  Evangelienbuch. 
Nicht  minder  nahm  aber  auch  Ludwig,  wie  sein  Vater  und  seine 
Brüder,  lebhaften  Antheil  an  den  Fragen  und  Untersuchungen, 
welche  die  gelehrten  Theologen  seiner  Zeit  beschäftigten,  in  so  ein- 
gehender Weise,  wie  es  nur  bei  der  gründlichen  Schulbildung  der 
Karolinger  möglich  war.  Der  Erzbischof  Adalram  von  Salzburg 
(821 — 836)  übersandte  ihm  die  Abschrift  einer  Predigt  des  heiligen 
Augustin,  dieselbe,  welcher  die  eben  erwähnten  deutschen  Verse 
beigefügt  sind;  ein  Priester  Regimar  mehrere  Schriften  des  h.  Am- 
brosius3).    Besonders  aber  stand  er  in  lebhaftem  Verkehr  mit  Hraban, 

*)  S.  Dümmler,  Ostfr.  II,  417  ff. 

2)  Schmeller,  Muspilli,  München  1832.  Wackernagel,  Litteraturgesch. 
S.  56.  Vgl.  über  die  vermuthlich  auch  ihm  gewidmete  Wiener  Hand- 
schrift 552  von  Karajan  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie 
XXVIII,  311.  Ein  wahrscheinlich  850  an  ihn  gerichtetes  theol.  Gutachten 
NA.  XI,  457. 

3)  Cod.  S.   Galli  98.     S.  Dümmler,  Ostfr.  II,  418.  Poet.  Lat.  II,  480. 


222       II-    Karolinger.     §  13.    Deutschland  unter  den  Karolingern. 

der  ihm  mehrere  seiner  Werke  theils  aus  eigenem  Antriebe,  theils 
auf  ausdrückliche  Aufforderung  des  Königs  überreicht  hat ;  im 
Prolog  zum  Daniel  erwähnt  er  peritissimos  lectores  an  seinem  Hofe1). 
Auch  zu  der  Unterredung  mit  seinem  Bruder  Karl  im  Jahre  865 
führte  Ludwig  den  Bischof  Altfrid  von  Hildesheim  mit  sich  und 
benutzte  die  Anwesenheit  des  gelehrten  Hinkmar,  um  diesen  beiden 
Männern  einige  schwierige  Stellen  der  heiligen  Schrift  zur  Erklärung 
vorzulegen.  Dadurch  veranlafst,  verfafste  Hinkmar  seine  Auslegung 
des  17.  Verses  des  103.  Psalmes,  welche  er  dem  Könige  übersandte2). 
Auch  fehlte  es  am  ostfränkischen  Hofe  wohl  nicht  ganz  an  einer 
Hofschule  für  die  vornehmen  Jünglinge,  welche  nach  alter  Sitte  dort 
sich  auszubilden  suchten.  Erzkanzler  war  von  829 — 833  der  ge- 
lehrte Abt  Gozbald  von  Nieder-Altaich,  welcher  später  (841 — 855) 
das  Bisthum  Würzburg  erhielt.  Ihn  nennt  Ermanrich  von  Ellwangen 
seinen  Lehrer,  vorzüglich  aber  kann  er  nicht  Worte  genug  finden 
zum  Preise  des  weisesten  der  Lehrer,  des  Erzkaplans  Grimald,  der 
noch  an  Karls  Hofe  gebildet  war,  man  sagte  sogar,  dafs  er  noch 
Alcuins  Unterricht  genossen  habe,  dann  in  der  Reichenau  höhere 
Ausbildung  suchte,  und  von  833  bis  870,  wenngleich  nicht  ohne 
Unterbrechung,  der  Kanzlei,  bald  auch  der  Kapelle  Ludwigs  vorstand. 
Mit  drei  Abteien,  Weissenburg,  St.  Gallen  und  Ellwangen3)  bedacht, 
hielt  er  sich  doch  noch  immer  vorzüglich  am  Hofe  auf,  wo  die 
wichtigsten  Geschäfte  ihm  anvertraut  wurden.  Er  war  ein  Neffe 
des  Erzbischofs  Hetti  von  Trier,  und  der  Bruder  von  dessen  Nach- 
folger Thietgaud4).  Zu  den  bedeutendsten  Gelehrten  der  Zeit  stand 
er  in  freundschaftlichen  Beziehungen;  so  übersandte  Hraban  ihm 
sein  Martyrologium  mit  einer  poetischen  Widmung5),  und  nie  ver- 
säumte Grimald  über  den  Staatsgeschäften  die  Pflege  der  Wissen- 
schaft.   Veranlafst  war  Hraban  zu  jenem  Werke  durch  Batleik,  einst 

x)  Kunstmann,  Hrabanus  Maurus,  S.  212. 

2)  Dümmler  II,  418.  Wenn  dieser  S.  434  die  Existenz  einer  Hofschule 
für  Laien  schon  unter  Ludwig  bestreitet,  so  ist  zuzugeben,  dass  kein  Zeug- 
niss  davon  vorhanden  ist;  doch  möchte  ich  glauben,  dass  für  die  dem 
König  commendierten  Jünglinge  einiger  Unterricht  nicht  gefehlt  haben  wird. 

3)  Fast  zweifellos  nach  Bossert,  Württemb.  Vierteljahrshefte  1889, 
S.  142—144. 

4)  In  der  Grabschrift  seiner  Tante  Warentrudis,  Aebtissin  von  Pfalzel, 
Schwester  Hetti's,  heifst  es  von  Thietgaud:  „Cujus  germanus  vir  clarus  in 
omnibus  extat,  Nomine  Grimaldus,  ore  et  honore  potens."    Poet.  Lat.  II,  661. 

5)  Dumm  er,  Poet.  Lat.  II,  169;  St.  Gall.  Denkmale  (Mitth.  der  Antiqu. 
Ges.  XII,  6)  S.  215;  S.  248—250  über  Gozbald  und  Grimald  oder  Gri- 
mold,  und  über  diesen  Ostfr.  I,  92.  II,  434—438.  Die  Bedenken  von  L.  De- 
lisle,  Sacram.  p.  258,  gegen  die  ihm  beigemessene  Fortführung  des  Sacram. 
scheinen  mir  nicht  begründet. 


Gelehrte  bei  Ludwig  dem  Deutseben.  223 

Einhards  Schreiber,  dann  dessen  Nachfolger  als  Abt  von  Seligenstadt 
und  von  839  bis  853  Kanzler  an  Grimalds  Stelle 1).  Auch  Witgar, 
Abt  von  Ottobeuern,  der  von  858 — 860  Kanzler  war,  dann  Bischof 
von  Augsburg  wurde,  zeichnete  sich  durch  Liebe  zu  gelehrten 
Studien  aus;  nicht  minder  auch  Grimalds  Nachfolger  Liutbert,  der 
Erzbischof  von  Mainz2). 

Allein  der  Königshof  war  doch  nicht  mehr  wie  in  Karls  Zeit 
der  Mittelpunkt  aller  litterarischen  Bestrebungen,  welche  sich  nun 
vielmehr  an  die  Orte  anschlössen,  wo  die  bedeutendsten  Lehrer  der 
Zeit  wirkten,  und  namentlich  bei  dem  bald  nachher  eintretenden 
Verfall  des  Reiches  kann  man  es  nur  als  eine  glückliche  Entwicke- 
lung  betrachten,  dass  diese  Studien  in  voller  Unabhängigkeit  an  den 
verschiedensten  Orten  feste  Wurzeln  getrieben  hatten.  Naturgemäfs 
verbreiteten  sie  sich  im  ganzen  Reiche,  erblühten  bald  hier  bald  da 
zu  reicher  Entfaltung,  und  folgten  so  derselben  Richtung  der  Ver- 
einzelung und  Absonderung,  welche  im  deutschen  Reiche  sich  überall 
und  immer  von  neuem  geltend  macht.  Daher  ergiebt  sich  denn 
auch  die  Betrachtung  nach  landschaftlichen  Gruppen  als  die  einzige 
für  die  deutsche  historische  Litteratur  anwendbare. 

Aber  wie  überhaupt  die  Zeit  der  deutschen  Karolinger  sich  aufs 
genaueste  den  Zuständen  des  Frankenreichs  anschliefst,  so  finden 
wir  auch  unter  Ludwig  und  seinen  Söhnen  noch  eine  Fortsetzung 
der  alten  Reichsannalen.  Denn  wenn  auch  die  Annalen  von 
Fulda3)  aus  einem  Kloster  hervorgegangen  sind  und  diesen  localen 
Ursprung  nicht  verleugnen,  so  umfafst  doch  auch  ihr  Gesichtskreis 
das  ganze  Reich,  und  die  Klostergeschichte  erscheint  ganz  als  Neben- 

1)  An  ihn  ist  eine  zweite  Widmung  gerichtet,  verbess.  Abdr.  Forsch. 
XXV,  198,  vgl.  Düramler,  Ostfr.  II,  432.  Auch  Lupus  von  Ferneres  war 
mit  ihm  in  litterarischem  Verkehr,  ep.  60  ed.  Bai.  und  sein  Epitaph  von 
Hraban  (ib.  p.  398;  Poet.  Lat.  II,  240)  erwähnt,  dafs  er  die  Schreiber 
unterwiefs  und  dafs  er  jung  starb. 

2)  Dumm ler,  Ostfr.  II,  438.     Rethfeld,  Urspr.  d.  Fuld.  Ann.  S.  36. 

:i)  Annales  Fuldenses  ed.  Pertz  MG.  SS.  I,  337—415.  Neue  Ausg. 
von  Fr.  Kurze,  Hann.  1891,  vgl.  dessen  Abh.  NA.  XVII,  83—158.  Ueber- 
setzt  von  Rehdantz,  Berl.  1852;  1889  (Geschichtschr.  23.  IX,  8).  Spuren 
von  Benutzung  der  Ann.  Fuld.  769  bis  814  im  Cod.  E  der  angelsächs. 
Chronik  nachgewiesen  von  R.  Pauli,  GGA.  1866,  S.  1416.  Zum  Sprach- 
gebrauch M.  Manitius,  NA.  XI,  68.  73.  Die  Fulder  Fortsetzung  der  Laur. 
min.  bis  817  ist  oben  S.  205  erwähnt,  die  Ann.  Fuldenses  antiqui  S.  150. 
Eine  schon  um  830  in  Fulda  entstandene  Compilation,  welche  im  Anschluss 
an  eine  Vermuthung  von  Waitz  H.  Lorenz  wegen  der  Uebereinstimmung 
der  Ann.  Hersfeld,  mit  Marianus  Sc.  annimmt,  ist,  wie  G.  Buchholtz,  HZ. 
LXV,  141,  bemerkt,  unwahrscheinlich,  weil  sich  in  d.  Ann.  Fuld.  keine 
Spur  davon  findet,  und  deshalb  eher  mit  Kurze  eine  Arbeit  des  10.  Jh. 
anzunehmen. 


224       H«    Karolinger.     §  13.    Deutschland  unter  den  Karolingern. 

sache.  Die  Verfasser  müssen  in  naher  Verbindung  mit  dem  Hofe 
gestanden,  unter  dem  Einflufs  desselben  geschrieben  haben,  wenn 
sich  auch  kein  Zeugnifs  dafür  beibringen  läfst;  sie  zeigen  sich  aufser- 
ordentlich  gut  unterrichtet  und  beobachten  auch  als  officielle  Reichs- 
historiographen  dieselben  Rücksichten,  welche  schon  in  den  Fort- 
setzungen des  Fredegar  und  in  den  Lorscher  Annalen  wahrzunehmen 
sind.  Uebrigens  haben  sie  vortrefflich  geschrieben  in  jener  schon 
an  Karls  Hofe  festgestellten  Weise;  dieselbe,  in  ruhiger  Würde  völlig 
objectiv  gehaltene  Darstellung,  von  Jahr  zu  Jahr  fortschreitend,  mit 
der  deutlichen  Absicht,  der  Nachwelt  Kunde  von  den  Ereignissen 
zu  hinterlassen  und  zugleich  ihr  Urtheil  zu  bestimmen.  Nicht  jedes 
Jahr  ist  daran  geschrieben,  aber  doch  immer  ziemlich  bald  nach 
den  Ereignissen,  und  deshalb  haben  wir  an  ihnen  eine  unschätzbare 
Quelle  ersten  Ranges,  bei  der  wir  nur  die  Absichtlichkeit  der  Dar- 
stellung nicht  aufser  Acht  lassen  dürfen.  Die  Form  ist  anspruchs- 
los, und  doch  mufs  mau  bei  näherer  Betrachtung  die  Kunst  aner- 
kennen, welche  dazu  gehörte,  in  diesen  wirren  Zeiten  alles  im  Auge 
zu  behalten,  sich  durch  Nebensachen  nicht  abwenden  zu  lassen,  und 
mit  knapper  Beschränkung  das  Wichtigste  übersichtlich  zusammen 
zu  stellen. 

Ein  allem  Anschein  nach  fuldischer  Mönch  war  es,  der  zuerst 
die  Aufgabe  übernahm,  die  829  abgebrochenen  Königsannalen  für 
Ludwigs  Reich  weiter  zu  führen.  Er  besafs  jedoch  dieselben,  wie 
es  scheint,  nicht  vollständig,  sondern  wie  in  der  Wiener  Handschrift 
612  (hist.  prof.  989,  cod.  6  bei  Pertz)  nur  von  771  an;  dazu  die 
Laurissenses  minores  von  714  an  und  die  Sithienses  741  bis  823. 
Gewifs  war  es  wünschenswerth,  hieraus  ein  übersichtliches  Handbuch 
zusammen  zu  stellen,  und  zu  diesem  Zwecke  empfahlen  sich  ihm 
vorzüglich  die  Sithienses  durch  ihre  knappe  und  nicht  incorrecte 
Form:  die  für  ihn  noth wendige  Aufgabe,  die  alten  Lorscher  Annalen 
zugleich  zusammen  zu  ziehen  und  ihrer  rohen  Gestalt  zu  entkleiden, 
war  hier  bereits  erfüllt;  nur  für  den  Anfang  hatte  er  es  noch  nach- 
zuholen. Der  übergrofsen  Kürze  und  Dürftigkeit  wurde  durch  Zu- 
sätze aus  der  kleinen  Lorscher  Frankenchronik,  von  771  an  über- 
wiegend und  bald  ausschliefslich  aus  den  Reichsannalen  abgeholfen; 
diesen  vertraut  er  sich  nun  ganz  an,  ohne  doch  bis  823  die  Führung 
der  Sithienses  völlig  zu  verlassen.  Als  weitere  Quellen  weist  Kurze 
sowohl  die  von  ihm  construirte  Chronik  bis  796,  wie  die  nach  Saint- 
Denis  benannte  Compilation  bis  805  nach,  der  vielleicht  schon  eine 
Fortsetzung  sich  anschlofs;  auch  die  Annales  Bertiniani  zieht  er 
heran.     Aus    der   Translatio    SS.  Marcellini   et  Petri  (826  und  828) 


Annales  Fuldenses  et  Sithienses.  225 

ist  einiges  zugesetzt1);  vorzüglich  aber  verfehlte  er  nicht,  die  Haus- 
geschichte seines  Klosters  mit  Hülfe  der  alten  Annalen  in  die  Reichs- 
geschichte zu  verflechten.  Die  wenig  reichhaltige  Fortsetzung  bis 
838  berührt  jedoch  nur  die  allgemeinen  Angelegenheiten,  aber  von 
einer  Einwirkung  des  Hofes  ist  noch  nichts  zu  spüren,  ein  eigenes 
Urtheil  nur  leise  angedeutet.  Der  Verfasser  hatte  wohl  nur  die 
Belehrung  seiner  Klosterbrüder  im  Auge,  und  nachdem  einmal  die 
völlig  ausgebildeten  Annalen  vorlagen,  mufste  auch  ohne  einen 
äufseren  Antrieb  überall,  wo  man  eine  Abschrift  besafs,  der  Wunsch 
sich  geltend  machen,  diese  werthvolle  Quelle  wichtiger  Belehrung- 
weiter  zu  führen.  Für  diese  Zeit  und  in  einem  Kloster  von  hervor- 
ragender Bedeutung  war  eine  solche  Arbeit  auch  für  Mönche  nicht 
mehr  zu  schwierig. 

Das  Verhältnifs  zu  den  Annales  Sithienses,  wie  es  hier  ange- 
nommen ist,  beruht  auf  dem  von  B.  Simson  gegebenen  Nachweis, 
dafs  den  Annales  Sithienses  gerade  alles  dasjenige  fehlt,  was  die 
Annales  Fuldenses  wörtlich  den  Laurissenses  minores  entnommen 
haben,  da  doch  unmöglich  angenommen  werden  kann,  dafs  gerade 
alle  diese  Zusätze  bei  einem  Auszuge  weggelassen  wären;  zugleich 
weist  der  Zusatz  zu  der  Notiz  über  die  Rinderpest  810  auf  einen 
Zeitgenossen  im  letzten  Theile2). 

Ich  sehe  mich  hier  leider  wieder  genöthigt,  wie  schon  in  den 
früheren  Ausgaben,  von  dem  sonst  immer  so  schwerwiegenden 
Urtheil  von  Waitz  abzuweichen,  obgleich  sich  derselbe  Forsch.  XVIII, 
354  ff.  speciell  an  mich  gewandt  hat,  um  mich  von  der  entgegen- 
gesetzten Sachlage  zu  überzeugen.  Es  war  auch  bei  mir  nicht  etwa 
eine  aus  Simsons  Paralleldruck  hervorgegangene  „Täuschung  des 
Auges" ;  ich  hatte  mir  vielmehr  selbst  den  Text  der  Fulder  Annalen 
für  diesen  ganzen  Abschnitt  in  seine  Elemente  zerlegt,  und  war 
dadurch  zu  demselben  Resultate  gekommen,  welches  Simson  gewonnen 
hat,  und  welches  durch  Is.  Bernays  von  neuem  mit  grofser  Schärfe 
begründet  ist.    Die  Ueberspringung  so  vieler  sicher  aus  den  Lauriss. 

*)  B.  Simson  bemerkt  Ludw.  d.  Fr.  II,  300  mit  Recht,  dafs  die  vorhan- 
denen Anklänge  an  den  sog.  Astronomus  nicht  auf  Benutzung  desselben 
beruhen  können,  weil  er  jünger  ist. 

3)  Vgl.  Waitz  in  Pertz  Archiv  VI,  739.  Simson,  lieber  die  Ann.  En- 
hardi  Fuld.  und  Ann.  Sithienses,  Jenaer  Habilitationsschrift  1863.  Waitz, 
Gott.  Nachr.  1864,  N.  3.  Simson,  Forschungen  IV,  575.  Waitz,  Forsch. 
VI,  653.  Nachr.  1873,  S.  587—599.  Simson,  Ludw.  d.  Fr.  I,  400—404. 
Waitz,  Forsch.  XVIII,  354—361.  Simson  ib.  S.  607—611.  Bernays,  Zur 
Kritik  karol.  Ann.  S.  109  ff.  Simson,  Karl  d.  Gr.  I,  655.  Holder-Egger 
NA.  XIV,  206.  Eine  Anzahl  abgerissener  Sätze  ist  wörtlich  wiederholt  in 
den  Ann.  Blandinienses. 

Wattenbach,  Geschichtsnuellen  I.  G.  Aufl.  15 


226  ü*    Karolinger.     §  13.    Reichsannalen. 

min.  entnommener  Stellen  in  den  Sithienses  scheint  mir  unleugbar, 
und  mit  der  Annahme,  dafs  diese  aus  den  Fuldenses  excerpirt 
wären,  unvereinbar.  Die  vorhandenen  Schwierigkeiten  müssen  des- 
halb auf  andere  Weise  erklärt  werden,  wie  es  in  mehreren  Fällen 
Bernays  mit  Erfolg  versucht  hat.  Fr.  Kurze,  welcher  sich  diesem 
Standpunkt  durchaus  angeschlossen  hat,  vermuthet  die  Benutzung 
einer  besseren  und  vielleicht  etwas  reichhaltigeren  Handschrift, 
welche  auch  weiter  fortgesetzt  sein  konnte.  Uebrigens  ist  die  ganze 
Frage  sachlich  ohne  Bedeutung. 

Die  Annales  Sithienses  haben  diesen  Namen  nur  deshalb  er- 
halten, weil  sie  von  Mone  in  einer  Handschrift  des  Klosters  Sithiu 
oder  Saint-Bertin  entdeckt  und  daraus  veröffentlicht  sind1).  Locale 
Beziehungen  aber  fehlen  durchaus.  Sie  beginnen  mit  Königsnamen 
von  548  bis  726;  von  741  bis  823  liegen  fortlaufende  Reichs- 
annalen vor,  von  welchen  schon  Mone  richtig  bemerkte,  dafs  sie  an- 
fangs zum  Theil  auf  den  Ann.  Petav.  beruhen,  übrigens  aber  durch- 
gehende Verwandtschaft  mit  den  Ann.  Lauriss.  und  Einhardi  zeigen. 
Der  Text'  schwankt  zwischen  beiden  Texten.  Das  aber,  und  der 
Anklang  an  verschiedene  andere  Quellen  wird  von  Kurze  zurückge- 
führt auf  die  Benutzung  der  oft  erwähnten  Compilation  bis  796. 
Der  Auszug  ist  nicht  ohne  Geschick  gemacht,  aber  sehr  dürftig,  so 
dafs  der  Fulder  Annalist,  wie  bereits  erwähnt,  aus  anderen  Quellen 
sich  reicheren  Stoff  verschaffte. 

Ueber  die  kühnen  Hypothesen  Dünzelmanns  glaube  ich  jetzt 
weggehen  zu  dürfen,  da  seine  Ansicht  von  einer  Theilung  der  An- 
nales Fuldenses  in  einen  schon  um  793  verfafsten  und  einen  späte- 
ren Theil  widerlegt  wird  durch  die  zweifellose  Benutzung  der  Lau- 
riss. min.  und  den  von  Waitz  geführten  Beweis,  dafs  diese  erst  um 
806  verfafst  sind. 

Ueber  den  Verfasser  dieser  Annalen  nun  werden  wir  belehrt 
durch  eine  Randnote  in  dem  um  900  geschriebenen  Schlettstadter 
Codex  zum  Jahre  838:  hucusque  Enhardus..  Dafs  hiermit  kein 
anderer  gemeint  ist,  als  der  berühmte  Einhard,  können  wir  als 
sichergestellt  betrachten;  ein  Mönch  Enhard  ist  weder  in  den  Fulder 
Todtenannalen  noch  im  Reichenauer  Nekrolog  zu  finden.  Für  seine 
Autorschaft  hat  sich  nun  in  bestimmtester  Weise  Kurze  erklärt2), 
indem  er  sich  besonders  darauf  stützt,  dafs  zum  Jahre  836  in  das 
Itinerar  des  Kaisers  die  Angabe  eingeschoben  ist,    derselbe  sei    „ad 

J)  Anzeiger  für   Kunde  der  teutschen  Vorzeit  (1836)  V,  5 — 11.     Neue 
Ausg.  von  Waitz  SS.  XIII,  34—38. 
2)  NA.  XVII,  133-138. 


Annales  Fuldenses.     Rudolf.  227 

sanctos  Marcellinum  et  Petrum"  gekommen.  Darum  müfsten  die 
Annalen  in  Seligenstadt  geschrieben  sein.  Allein  ich  denke,  der  Ruf 
dieser  Heiligen  und  ihrer  Wunderthaten  müfste  damals  weit  ver- 
breitet und  auch  in  Fulda  wohlbekannt  gewesen,  der  Besuch  des 
Kaisers  auch  da  als  sehr  denkwürdig  erschienen  sein.  Deshalb  er- 
scheinen mir  Pückerts  (S.  158)  Gegengründe  gegen  die  Fulder  Ueber- 
lieferung  doch  überwiegend,  die  Abfassung  nur  in  Fulda  selbst  an- 
zunehmen. Und  dafs  derselbe  Mann  nun  auch  noch  die  Ann.  Sithienses 
für  seine  Genter  Mönche  verfafst  haben  sollte,  damit  scheint  mir 
ihm  wirklich  zu  viel  zugemuthet  zu  werden.  Sieht  man  in  ihm  den 
Verfasser  der  grofsen  Reichsannalen,  so  kann  man  vollends  diese 
annalistische  Vielgeschäftigkeit  nicht  glaubhaft  finden. 

Von  der  Fortsetzung  der  Annalen  war  schon  längst  erkannt 
worden,  dafs  sie  nicht  aus  dem  Kloster  Fulda  herstammen  können, 
obgleich  der  Verfasser  der  ersten  Fortsetzung  (838 — 863)  Rudolf 
uns  als  Mönch  des  Klosters  bekannt  ist;  wir  werden  noch  auf  ihn 
zurückkommen.  Er  ist  aber  so  sehr  in  die  Denkweise,  die  Gesichts- 
punkte und  Absichten  des  Hofes  eingeweiht,  so  gleichmäfsig  unter- 
richtet über  die  wichtigeren  Begebenheiten  in  allen  Theilen  des 
Reiches,  dafs  ein  näheres  Verhältnifs  zum  König  nicht  zu  verkennen 
ist;  er  stellt  denselben  stets  in  das  günstigste  Licht,  und  zählt 
z.  J.  858  sich  selbst  zu  den  „consiliorum  regis  conscii".  Aber  an- 
dererseits findet  sich  doch  keine  Spur  eines  Aufenthaltes  am  Hofe, 
etwa  der  Zugehörigkeit  zur  Kanzlei,  und  wir  finden  ihn  auch  später 
wieder  im  Kloster.  Hatte  nun  schon  Duchesne  bemerkt,  dafs  Einige 
den  Mainzer  Ursprung  dieser  Annalen  behaupten,  und  in  der  That 
tritt  die  Beziehung  zu  Mainz  oft  sehr  stark  hervor,  so  hat  doch  erst 
A.  Rethfelcl  in  seiner  scharfsinnigen  Abhandlung1)  die  richtige 
Lösung  gefunden.  Nachdem  eine  Urkunde  vom  27.  Jan.  849 
(Mühlb.  1350) ,  worin  Rudolf  vom  König  als  sein  Beichtvater,  zu- 
gleich aber  auch  als  Vorsteher  der  Schule  zu  Fulda  bezeichnet  ist, 
schon  längst  als  unecht  beseitigt  war,  zeigen  uns  die  Urkunden  des 
Klosters,  dafs  Rudolf  in  denselben  zwar  häufig  vorkommt,  aber  nur 
bis  841.  Unzweifelhaft,  dürfen  wir  wohl  sagen,  hat  er  in  der  Folge- 
zeit sich  lange  auswärts  aufgehalten,  und  es  ist  höchst  wahrschein- 
lich, dafs  Hraban  847  bei  seiner  Erhebung  zum  Erzbischof  ihn  nach 
Mainz  mit  sich  nahm.  Aber  für  die  Zwischenzeit  fehlt  jeder  An- 
halt. Kurze  hat  jedoch  auf  den  Bericht  der  Annalen  von  dem  Aufent- 

*)  Ueber  den  Ursprung  des  2.,  3.  u.  4.  Theiles  der  sog.  fuldischeu 
Annalen  v.  838—887,  Hall.  Diss.  1886.  Vgl.  dazu  Fr.  Kurze,  NA.  XVII, 
138-146. 

15* 


228  II«    Karolinger.     §  13.    Reichsannalen. 

halt  K.  Ludwigs  838  in  Frankfurt  hingewiesen,  welcher  schon 
auf  eine  vertrauliche  Beziehung  hindeutet:  es  scheint,  dafs  Rudolf 
selbst  anwesend  war,  und  schon  damals  nach  der  löblichen  Sitte  der 
älteren  Könige  den  Auftrag  erhielt,  Reichsannalen  zu  schreiben. 
Durch  seine  gelehrte  Bildung,  einen  lateinischen  Stil,  der  sich  mit 
Einhard  wohl  vergleichen  läfst,  und  eine  besonnene  und  billige 
Denkweise  war  er  dazu  besonders  geeignet;  möchten  wir  allerdings 
gern  sehr  viel  mehr  von  ihm  erfahren,  so  darf  man  nicht  vergessen, 
dafs  seine  Aufgabe  eine  knappe  und  übersichtliche  Darstellung,  ver- 
bunden mit  vorsichtiger  Discretion  erforderte.  Setzte  nun  sein 
Aufenthalt  am  erzbischöflichen  und  öftere  Berührung  mit  dem  könig- 
lichen Hofe  ihn  in  den  Stand,  vielerlei  Nachrichten  zu  erfahren,  so 
mag  ihm  doch  oft  auch  die  Ruhe  zur  Ausarbeitung  gefehlt  haben, 
denn  man  brauchte  seine  Feder  auch  für  andere  Aufgaben;  nicht 
jedes  Jahr  schrieb  er  seine  Fortsetzung,  und  Kurze  hat  wahrschein- 
lich gemacht,  dafs  er  gerade,  wenn  er  sich  einmal  wieder  in  Fulda 
aufhielt,  seine  Notizen  sorgfältig  ausgearbeitet  hat,  so  853,  wo  er 
die  seit  849  gelassene  Lücke  ausfüllte.  Zuletzt  860  zog  er  sich, 
wohl  durch  seine  Kränklichkeit  veranlafst,  ganz  nach  Fulda  zurück. 
Yermuthlich  von  dem  Fortsetzer  rühren  die  Randnoten  her, 
welche  Enhard  und  Rudolf  als  Verfasser  der  früheren  Theile  nennen; 
ihn  selbst  kennen  wir  nicht,  aber  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dafs 
es  Meginhard  war,  der  auch  Rudolfs  anderes  unvollendetes  Werk 
vollendete  und  mit  einer  gleichlautenden  Randbemerkung  versah. 
Die  Gegengründe  von  Pertz  sind  durch  Rethfeld  und  Kurze  wider- 
legt. Er  schrieb  ganz  in  derselben  Weise  und  in  demselben  Geiste, 
wie  sein  Vorgänger,  wenn  auch  mit  geringerer  Kunst  des  Ausdrucks, 
gleichmäfsig  die  Reichsgeschichte  nach  allen  Richtungen  verfolgend, 
auch  nicht  minder  beflissen ,  die  Könige  in  günstigem  Lichte  er- 
scheinen zu  lassen.  Einen  merkwürdigen  Gegensatz  bildet  daher 
eine,  wie  es  scheint,  besondere  Aufzeichnung,  nicht  das  Fragment 
eines  gröfseren  Werkes,  über  Ludwigs  des  Jüngeren  Krieg  gegen 
die  Söhne  Ludwigs  des  Stammlers,  welches  Boehmer  auf  dem  letzten 
Blatt  einer  aus  Augsburg  stammenden  Handschrift  saec.  IX.  in 
München  fand1).  Dafs  Meginhard  in  Mainz  seine  Annalen  geschrie- 
ben hat,  ist  vollkommen  klar;  869  erscheint  er  zuletzt  in  den  Urkunden 
von  Fulda;  870  wurde  der  Erzbischof  Liutbert  Erzkaplan,  und  damals 
wird  er  Meginhard  den  Auftrag  gegeben  haben,  die  Annalen,  welche 
seit  Rudolfs  Tod  liegen  geblieben  waren,  fortzusetzen.  Er  besorgte 
zu  dem  Zweck  eine  Abschrift  von  Rudolfs  Werk,  worin  drei  Stellen 

')  Cod.  lat.  Monac.  3851.    Gedr.  MG.  SS.  III,  159. 


Die  Fortsetzungen  der  Annalen  von  Fulda.  229 

geändert,  die  nach  Rudolfs  Tod  864  und  865  in  Fulda  gemachten 
Zusätze  freier  überarbeitet  sind,  und  verfafste  nun  den  Bericht  über 
die  Zwischenzeit,  welcher  dürftig  und  lückenhaft,  auch  nicht  fehler- 
frei ausgefallen  ist;  dann  aber  schrieb  er  von  Jahr  zu  Jahr  und 
zeigt  sich  vollkommen  gut  unterrichtet.  Liutberts  Persönlichkeit 
steht  durchaus  im  Vordergründe,  allein  als  882  Ludwig  der  Jüngere 
starb,  behielt  Karl  III  seinen  früheren  Erzkaplan  Liutward,  und 
Liutbert  mufste  zurücktreten;  das  Original  der  noch  immer  als 
königlich  betrachteten  Reichsannalen  wird  abgegeben  sein.  Nun 
besorgte  sich  Meginhard,  von  dem  wir  wohl  als  erwiesen  ansehen 
können,  dafs  auch  die  weitere  Fortsetzung  von  ihm  ist,  eine  Abschrift, 
in  welcher  fünf  gröfsere  Stellen  geändert  sind  (Red.  IL  bei  Kurze), 
und  schrieb  weiter,  jetzt  aber  ohne  alle  höfische  Rücksicht,  mit 
scharfem  Tadel  des  Königs  und  seiner  Räthe,  vorzüglich  Liutwards. 
Im  Jahre  887  wurde  dieser  gestürzt,  aber  auch  Arnulf  hatte  schon 
seinen  Erzkaplan,  den  Erzbischof  Theotmar  von  Salzburg,  und  Liut- 
bert wurde  wieder  in  den  Hintergrund  gedrängt.  Da  ist  die  Mainzer 
Annalistik  erlahmt;  Meginhard  selbst  starb  888  und  im  folgenden 
Jahr  auch  Liutbert. 

Aber  auch  Karl  blieb  bei  dem  alten  Herkommen ,  und  auch  er 
fand  einen  Historiographen,  der  sich  kein  tadelndes  Wort  über  den 
Kaiser  entschlüpfen  läfst,  und  ihm  schliefslich  seine  Belohnung  im 
Himmel  anweist.  Auch  die  Absetzung  des  Kaisers  Avird  von  ihm 
noch  mit  loyalem  Unwillen  berichtet,  Arnulf  jedoch  mit  grofsem  Ge- 
schick geschont,  und  von  dem  Augenblicke  seiner  Erhebung  an 
tritt  dieser  in  die  gebührende  Stellung  des  rechtmäfsigen  Königs 
ein.  Der  Verfasser,  dem  bei  dem  raschen  Verfall  der  Schulen  be- 
reits alles  Gefühl  für  grammatische  Correctheit  abhanden  gekommen 
ist,  mufs  dem  Hofe  nahe  gestanden  haben,  seine  Heimath  aber 
scheint  Baiern  zu  sein.  Ueber  dieses  Land  sind  seiue  Nachrichten 
ausführlich  und  genau,  die  Mährer  trifft  sein  leidenschaftlichster  Hafs. 
Ungeachtet  der  rohen  Sprache,  der  Mangelhaftigkeit  der  Darstellung, 
wird  doch  von  ihm,  und  den  897  eintretenden  Fortsetzern,  so  lange 
Arnulf  lebt,  die  Würde  der  Reichshistoriographie  ungemindert  auf- 
recht gehalten.  Man  versuchte  sogar  auch  unter  dem  Kinde  Lud- 
wig in  alter  Weise  fortzufahren,  allein  bei  der  rasch  überhand  neh- 
menden Zerrüttung  verschwand  auch  diese  Erbschaft  aus  dem  Reiche 
des  grofsen  Karl ,  und  mit  dem  Jahre  901  erlischt  die  Fackel,  welche 
bis  dahin  unserem  Wege  so  treulich  leuchtete.  Adam  von  Bremen 
hatte  eine  bis  911  reichende  Handschrift,  führt  jedoch  aus  dem 
letzten  Theile  nichts  mehr  an.  ^> — *     ^^~^7^^^,,*^ 


ST.     MICHAIL':; 


itGE 


230  Hl    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

Dieser  letzte  Theil  ist  uns  nur  in  einer  aus  dem  Kloster  Nieder- 
altaich  stammenden  Handschrift  erhalten,  welche  von  897  ab  Auto- 
graph zu  sein  scheint.  Hier  hat  merkwürdigerweise  der  ältere  Theil 
eine  ganz  besondere  Beschaffenheit  (Red.  III),  indem  die  ursprüng- 
liche Aufzeichnung  Rudolfs,  welche  vielleicht  nach  Kurze's  Vermu- 
thung  bei  einem  Besuch  des  Klosters  Fulda  im  August  897  dem 
Hofe  bekannt  geworden  war,  mit  der  2.  Redaction  verbunden  ist,  so 
dafs  wir  an  einigen  Stellen  nur  hieraus  den  alten  Text  erkennen 
können.  Da  diese  Handschrift  Pertz  noch  unbekannt  war,  konnte 
mit  Hülfe  derselben  Fr.  Kurze  seine  Ausgabe  auf  einer  besser  ge- 
sicherten Grundlage  ausarbeiten. 

§  14.    Fulda,  Hersfeld,  Mainz. 
Kunstmann,  Hrabanus  Magnentius  Maurus,  Mainz  1841.  Rettberg  1,  370—374.  605  —  633. 

Die  litterarische  Thätigkeit  der  Mönche  zu  Fulda  beschränkte 
sich  nicht  auf  die  Reichsannalen;  sie  ist  umfangreich  genug,  um 
einen  eigenen  Abschnitt  in  Anspruch  zu  nehmen,  und  die  Bedeutung 
des  Klosters  für  die  Anfänge  gelehrter  Bildung  auf  deutschem  Boden 
ist  so  grofs,  dafs  wir  auch  seiner  Geschichte  eine  etwras  umständ- 
lichere Betrachtung  widmen  müssen. 

Die  Gründung  Fuldas  wurde  veranlagst  durch  Bonifaz,  welcher 
sich  seine  Ruhestätte  dort  erwählte,  und  wohl  auch  noch  bei  Leb- 
zeiten sich  dahin  zurückgezogen  hätte,  wenn  nicht  schon  früher  die 
Märtyrerkrone  ihm  zu  Theil  geworden  wäre.  In  schmuckloser,  aber 
ausführlicher  Erzählung  wird  uns  mit  anmuthiger  Schlichtheit  die 
Geschichte  der  ersten  Gründung  berichtet  in  dem  Leben  des  ersten 
Abtes  Sturmi,  der,  von  Geburt  ein  Baier,  schon  als  Jüngling  Boni- 
faz übergeben,  in  Fritzlar  von  Wigbert  unterwiesen  war,  und  nach 
dreijähriger  Wirksamkeit  als  Pfarrer,  von  der  Sehnsucht  nach  dem 
klösterlichen  Leben  in  der  Einsamkeit  ergriffen  wurde.  Bereitwillig 
förderte  Bonifaz  sein  Streben,  und  sandte  ihn,  nachdem  in  Fulda 
die  neue  Stiftung  begründet  war,  nach  Italien,  um  an  der  Quelle 
die  rechte  Einrichtung  des  Klosterlebens  kennen  zu  lernen;  er  hielt 
sich  deshalb  längere  Zeit  in  Montecassino  auf1),  welches  als  des 
Abendlandes  Mutterkloster  von  fränkischen  Pilgern  häufig  aufgesucht 
wurde.  Unter  königlichen  und  päbstlichen  Schutz  gestellt  und  bald 
auch  durch  den  Leib  des  hochverehrten  Apostels  der  Deutschen  ge- 
heiligt, gewann  das  Kloster  Fulda  rasch   eine  kräftige  Entwickeluug 

x)  Ruodolfi  V.  Liobae  c.  10.     Libellus  supplex  §  10. 


Die  Aebte  Sturm,  Baugulf,  Ratgar.  231 

und  nahm  zu  an  Glanz  und  Reich thum.  Sturm  vertheidigte,  nach 
manchen  Wechselfällen  doch  zuletzt  mit  glücklichem  Erfolge,  die 
Freiheit  und  Unabhängigkeit  des  Stiftes  gegen  den  Erzbischof  Lull; 
sein  Nachfolger  Baugulf  (779 — 802)  schmückte  es  mit  Bauwerken, 
und  erst  jetzt  begann  auch  das  wissenschaftliche  Leben  in  seinen 
Mauern  sich  zu  entwickeln,  obwohl  es  an  einer  Schule  von  Anfang 
an  nicht  gefehlt  hatte.  Alcuin  hat  damals  Fulda  besucht,  und 
Karls  berühmtes  Rundschreiben  über  die  Notwendigkeit  gelehrter 
Bildung  für  die  Geistlichen  ist  uns  gerade  in  der  an  Baugulf  ge- 
richteten Ausfertigung  erhalten;  er  ist  es  auch,  der  Einhards  glück- 
liche Anlagen  früh  erkannte,  und  ihn  deshalb  an  des  Königs  Hof 
sandte.  Die  ältesten  Fulder  Annalen  (oben  S.  150)  beginnen  mit 
angelsächsischen  Namen  und  in  ihren  Handschriften  begegnen  uns 
die  Schriftzüge  der  Angelsachsen;  es  kann  nicht  ohne  günstigen 
Einflufs  geblieben  sein ,  dafs  diese  höher  gebildeten  Mönche  gerne 
bei  den  Reliquien  ihres  gefeiertsten  Landsmanns  weilten,  und  auch 
gelehrte  Schotten  fanden  sich  schon  bald,  des  alten  Gegensatzes 
ihrer  Kirche  vergessend,  an  Winfrids  Grabe  ein,  wie  Probus,  der 
Freund  des  Lupus  und  Walahfrids.  Baugulfs  Nachfolger  Ratgar 
(802 — 817)  sandte  die  fähigsten  Mönche  seines  Stiftes  zu  den  be- 
rühmtesten Lehrern  der  Zeit,  Hraban  und  Hatto  nach  Tours  zu 
Alcuin,  Brun  zu  Einhard,  Modestus  nebst  mehreren  anderen  zu  dem 
Schotten  Clemens1).  Vielleicht  schon  dieser  Zeit  gehört  der  Jo- 
hannes Foldensis  didasculus  an,  welcher  in  ungeschickten 
Versen  als  grämlicher  Alter  gegen  den  Heiden  Vergil  eiferte  und 
dagegen   des  Arator  christliches  Gedicht  pries2). 

Es  zeigt  sich  uns  hier  der  Gegensatz,  in  welche  die  der  Geist- 
lichkeit zu  ausschliefslicher  Pflege  überwiesene  Gelehrsamkeit  zu  dem 
ursprünglichen  Zweck  des  Klosterlebens  trat,    und  nicht  minder  litt 

1)  Catalogus  abbatum  in  Böhmers  Fontes  III,  162;  MG.  SS.  XIII,  272. 
Clemens  wird  als  Lehrer  an  Ludwigs  des  Frommen  Hofe  erwähnt,  er  wid- 
mete in  recht  guten  Versen  dem  jungen  Lothar  ein  grammatisches  Werk, 
Grammatici  Lat.  ed.  Keil  I  p.  XXI;  cf.  Dümmler,  Ostfr.  II,  649,  Haureau, 
Singularites  p,  23.  Keil,  de  grammaticis  quibusdam  latinis  inf.  aet.  (Erlanger 
Univ.-Progr.  1868),  p.  9—17.     Dümmler,  NA.  IV,  258;  Poet.  Lat.  II,  670. 

2)  MG.  Poet.  Lat.  I,  392.  Trithemius  nennt  als  Schüler  Hrabans  (Vita  I, 
cap.  3):  „Joannes  monachus  Fuldensis,  patria  Francus  orientalis,  poeta  et 
musicus  insignis;  qui  et  plura  scripsit  et  cantum  ecclesiasticum  primus  apud 
Germanos  varia  modulatione  composuit."  Angef.  v.  Gerbert,  De  cantu  et 
musica  sacra  I,  282.  Leider  eine  ganz  unzuverlässige  Quelle.  —  Caspar 
Barth,  Advers.  1.  XXXII,  c.  12,  col.  1486,  führt  die  Verse  an:  „Felicitatis 
regula  Hac  fine  semper  constitit"  von  einem  Fulder  Mönch  Eriufrid 
„a.  806  ut  vita  ejus  testatur".  Die  Hs.  „e  bibl.  Martispurg."  enthielt 
„alia  talia"  u.  Briefe.  Leider  habe  ich  keine  weitere  Spur  davon  finden 
können. 


232  H.    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

die  stille  Beschaulichkeit  desselben  durch  den  fürstlichen  Hofhalt, 
den  Fremdenverkehr,  die  Unruhe  und  den  Lärm  der  Bauten.  Ratgar 
warf  man  ungemessene  Baulust,  Härte  und  Hoffart  vor;  heftige  innere 
Zerwürfnisse  waren  die  Folge1),  und  der  Frieden  kehrte  erst  wieder, 
als  817  Katgar  abgesetzt  wurde.  Es  war  das  Jahr,  in  welchem  der 
Kaiser  sich  ernstlich  der  Reform  der  Klöster  annahm  und  auf  der 
Aachener  Versammlung  die  Kapitel  verordnete,  welche  lange  Zeit 
fast  gleiches  Ansehen  mit  der  Regel  selber  genossen.  Zwei  west- 
fränkische Mönche,  Aaron  und  Adalfrid,  führten  diese  Reform  auch 
in  Fulda  ein;  als  sie  sich  hinlänglich  befestigt  hatte,  erlaubte  der 
Kaiser  eine  neue  Wahl,  und  Eigil  übernahm  die  Leitung  des  Stiftes. 
Dieser,  den  wir  aus  Einhards  Briefen  als  dessen  Freund  kennen 
lernen,  war  noch  ein  Schüler  Sturms;  ein  Baier,  wie  er,  und  sein 
Verwandter,  war  er  schon  als  Kind  nach  Fulda  gebracht  und  der 
Klosterschule  übergeben:  über  20  Jahre  hatte  er  unter  Sturms  Zucht 
gelebt,  und  in  dankbarer  Erinnerung  schrieb  er  das  Leben  seines 
Meisters2),  auf  Bitten  der  Angilclruth,  vielleicht  einer  Nonne  von 
Bischofsheim,  dem  ebenfalls  von  Bonifaz  gestifteten  grofsen  Nonnen- 
kloster. Die  Sprache  Eigils  ist  nicht  frei  von  Germanismen,  sie 
trägt  noch  den  Stempel  der  älteren,  vor  Alcuins  Wirksamkeit 
liegenden  Zeit.  Doch  verletzt  sie  nicht  mehr  durch  die  groben 
Fehler  der  merowingischen  Zeit,  und  reichlich  entschädigt  für  die 
Mängel  des  Stils  der  einfach  fromme  Sinn  des  Mannes ,  seine  an- 
sprechende und  ungesuchte  Erzählung  dieser  Begebenheiten,  welche 
er  theils  noch  selbst  erlebt,  theils  aus  dem  Munde  der  älteren  Brü- 
der und  seines  Meisters  erfahren  hatte.  Nach  seiner  Anordnung 
wurde  diese  Legende  jährlich  an  Sturms  Gedenktage  (17.  Dec.)  wäh- 
rend der  Mahlzeit  den  Mönchen  vorgelesen. 

Das  Leben  des  zweiten  Abtes  Baugulf  schrieb,  durch  Eigil 
veranlafst,  Bruun,    mit   dem  Beinamen  Candidus,  wohl  derselbe, 

J)  Libellus  supplex  Monachorum  Fuldensium,  Carola  Magno  Imperatori 
porrectus.  Broweri  Antt.  Fuld.  p.  212.  Schannat,  Cod.  Probb.  p.  84.  Mab. 
IV,  I,  260—262.  Vgl.  über  diese  Vorgänge  B.  Simson,  Lud.  d.  Fr.  I,  371 
bis  374.  Die  S.  373  Anm.  9  angef.  Stelle  des  Libellus  kann  ich  aber  nur 
darauf  beziehen,  dafs  keine  Acte  weltlicher  Gerichtsbarkeit  und  kein 
Marktverkehr  auf  dem  Klosterplatz  stattfinden  sollen.  Die  Worte  des 
Cod.  Fuld.  Ann.  Lauriss.  min.  a.  807 :  'Aufugiunt  pueri  puerorum  et  pessime 
custos  Consiliis  pravis'  sind,  wie  Simson  bemerkt,  vielleicht  aus  einem 
verlorenen  Gedicht. 

2)  Vita  S.  Sturmi  ed.  Pertz  MG.  SS.  II,  365—377.  Bei  Migne  CV, 
421—444  nach  Mabillon.  Uebersetzt  von  W.  Arndt  mit  dem  Leben  des 
heiligen  Bonifatius;  von  K.  Schwartz  mit  beachtenswerthen  Erläuterungen 
in  2  Fulder  Programmen,  1856  und  1858.  Ebert  II,  104—106.  Die  ver- 
mifste  Bamberger  Hs.  ist  in  Würzburg,  Arch.  VII,  109. 


Leben  Sturras  und  Eigils.  233 

den  Ratgar  zu  Einhard  gesandt  hatte,  noch  in  seiner  ersten,  guten 
Zeit,  als  er  erst  kürzlich  in  wunderbarer  Einigkeit  von  den  Brüdern 
zum  Abt  erwählt  war,  wie  Bruun  berichtet.  Leider  ist  dieses  Leben 
Baugulfs  verloren1);  erhalten  aber  ist  uns  das  Leben  Eigils2),  von 
demselben  Verfasser  auf  Hrabans  Veranlassung  geschrieben,  als 
dieser  noch  Abt  war,  also  vor  842.  Der  Verfasser  war  schon  hoch- 
betagt, 845  ist  er  gestorben.  Er  befand  sich  auf  einer  einsamen 
Pfarre,  und  Hraban  hatte  ihn  ermahnt,  sich  im  Lesen  zu  üben  und 
etwas  Nützliches  zu  schreiben.  Die  Lebensbeschreibung  ist  nicht 
ohne  Geschick  verfafst,  und  wenn  auch  nicht  fehlerfrei,  lässt  sie 
doch  in  der  anspruchsvolleren  Form  den  Schüler  Einhards  wohl  er- 
kennen. Besonders  gelungen  ist  die  sehr  lebensvolle  Schilderung 
der  Bewegung,  welche  die  Abtswahl  im  Kloster  hervorruft;  die  An- 
sichten und  Aeufserungen  der  verschiedenen  Wortführer  werden  in 
der  gewöhnlichen  Umgangsprache  wiedergegeben ,  und  ein  Kampf 
der  Meinungen  und  Wünsche,  wie  er  sich  ohne  grofse  Veränderungen 
noch  heutiges  Tages  bei  solcher  Gelegenheit  beobachten  läfst,  stellt 
sich  uns  mit  grofser  Lebendigkeit  dar.  Darauf  versucht  sich  der 
Verfasser  in  langen  Reden,  die  man  nun  einmal  nach  dem  Vorbilde 
des  Alterthums  als  nothwendig  betrachtete,  wenn  man  schön  schreiben 
wollte,  Reden  des  Kaisers  und  des  Erzbischofs  von  Mainz,  in  denen 
Bruun  die  Betrachtungen  niedergelegt  hat,  zu  welchen  ihn  Ratgars 
Amtsführung  und  die  dadurch  hervorgerufenen  Wirren  veranlafsten. 
Zu  Grunde  gelegt  sind  hier  nach  Eberts  Ansicht  wirkliche  An- 
sprachen des  Kaisers.  Der  Verfasser  sagt  es  im  Vorwort,  und  auch, 
dafs  er  sie  so,  wie  sie  gehalten  wurden,  doch  nicht  wiederzugeben 
vermöge.  Vollkommen  zutreffend  hat  aber  dagegen  Waitz  bemerkt, 
dafs  eine  solche  Rede  voll  gelehrter  Citate  der  Kaiser  nicht  halten 
konnte,  dafs  ferner  Bruun  nicht  zugegen  und  Jahrzehnte  seitdem 
vergangen  waren.  Den  Hauptinhalt  dessen,  was  er  dann  von  Eigils 
eigener  Thätigkeit  berichtet,  bilden  wiederum  dessen  Bauten, 
namentlich  die  noch  jetzt  stehende  achteckige  Rotunde,  die  uns 
wieder  an  die  Freundschaft  mit  Einhard   erinnert;   Bruun,  Einhards 

*)  Waitz  bezweifelt,  ob  es  überhaupt  vollendet  war.  Vgl.  0.  Cl.  Th. 
Richter:  Wizo  u.  Bruun,  2  Gelehrte  im  Zeitalter  Karls  d.  Gr.  und  die 
ihren  gemeinsamen  Namen  Candidus  tragenden  Schriften,  Progr.  d.  Leipz. 
städt.  Realgymn.  1890. 

2)  Vita  Eigilis,  Broweri  Sidera  Germaniae,  Schannat,  Cod.  Probb.  88 
bis  114.  Daraus  Mab.  IV,  1,  217—246:  Migne  CV,  381—422.  Waitz  (nur 
die  Prosa)  SS.  XV,  221 — 233,  aber  auch  ohne  handschriftliche  Hülfsmittel. 
Uebers.  v.  Grandaur  1888,  Geschichtschr.  25  (IX,  10).  Ebert  II,  330.  In 
der  Würzb.  Bibliothek  ist  eine  von  Bruun  geschriebene  Regula  S.  Bene- 
dict, Forsch.  VI,  119. 


234  H.    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

Schüler,  nahm  selbst  an  diesen  Arbeiten  Theil:  die  Apsis  über  dem 
Grabe  des  h.  Bonifaz   hatte   seine  Hand  mit  Gemälden  geschmückt. 

Der  prosaischen  Biographie  schliefst  sich  eine  zweite  in  Hexa- 
metern an,  welche  früher  geschrieben  zu  sein  scheint1);  der  Inhalt 
ist  fast  ganz  derselbe,  und  die  Form  giebt  ein  neues  Zeugnifs  von 
der  im  früheren  Mittelalter  so  sehr  verbreiteten  Fertigkeit  in  dieser 
Kunst,  deren  wir  schon  bei  Karls  Zeitgenossen  häufig  zu  gedenken 
hatten.  In  jeder  Schule  bildete  die  Uebung  im  Versemacben  einen 
stehenden  Theil  des  Unterrichts,  und  dadurch  entstand  die  Vorliebe 
für  die  poetische  Einkleidung,  die  so  oft  dem  inneren  Gehalte  nach- 
theilig geworden  ist. 

Zugeeignet  hat  Candidus  oder  Bruun  sein  Werk  dem  Modestus, 
oder  mit  deutschem  Namen  Reccheo,  der  die  Unthaten  des  Ratgar, 
des  Einhorns,  welches  in  die  fromme  Herde  eingebrochen  war, 
durch  beigefügte  Zeichnungen  noch  anschaulicher  machte;  leider  ist 
die  Handschrift  verloren  und  wir  kennen  nur  die  Abbildungen  in 
Brauers  sehr  dankenswerthem  Buch2). 

Am  15.  Juni  822  starb  Eigil;  ihm  folgte  sein  Freund  Hraban, 
der  bis  dahin  der  Klosterschule  vorgestanden  hatte,  einer  der  gröfs- 
ten  Gelehrten  seiner  Zeit3),  dessen  Ruhm  sich  schon  durch  das 
ganze  Frankenreich  verbreitet  hatte.  Man  bewunderte  namentlich 
auch  seine  Verse,  obgleich  sie  gegen  diejenigen  mancher  Zeitgenossen 
sehr  zurückstehen,  arm  an  Inhalt  sind,  und  voll  von  grammatischen 
und  metrischen  Fehlern ,  wie  man  sie  bei  ihm  nicht  erwarten  sollte, 
voll  auch  von  Plagiaten,  die  er  u.  a.  auch  an  seinem  Lehrer  Alcuin 
verübt  hat.     Er    war    ein  Schüler  Alcuins;    Ratgar    hatte    ihn,    wie 

2)  Auch  bei  Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  94—117. 

2)  Daraus  wiederholt  bei  Jul.  v.  Schlosser:  Eine  Fulder  Miniat.  Hs.  d. 
Hofbibl.  Jahrb.  d.  kunsthist.  Sammlungen  d.  A.  H.  Kaisern.  XIII.  mit 
Studien  über  die  Fulder  Kunstschule. 

3)  Kunstmann  1.  1.  Wackernagels  Litteraturgescbichte  S.  52.  Bach, 
Hrabanus  Maurus  der  Schöpfer  deutschen  Schulwesens,  Zimmermanns  Zeit- 
schrift für  Alt.  II,  636.  Ebert  II,  120—146.  Hauck  II,  562  ff.  Will,  Re- 
gesten d.  Mainzer  Erzbb.  I,  p.  XIX— XXIV.  Opera  ed.  Colvener.  1627. 
Migne  CVII — CXII.  Seine  Gedichte,  unter  denen  manche  von  geschicht- 
licher Bedeutung,  gab  Chr.  Brower  1617  als  Anhang  zum  Venantius  Fortu- 
natus;  daraus  schöpften  die  Späteren;  jetzt  Poet.  Lat.  II,  154 — 258.  Vgl. 
NA.  IV,  286—294.  581.  Dümmler,  Ostfr.  I,  315—320.  404—410.  Allg. 
D.  Biogr.  XXVII,  66 — 74.  Derselbe  über  eine  verschollene  Fuld.  Brief- 
sammlung des  neunten  Jahrhunderts,  Forsch.  V,  369 — 395  (Nachtr.  XXIV, 
421 — 425),  eine  Sammlung  der  von  den  Magd.  Centuriatoren  erhaltenen 
Fragmente  einer  wichtigen  Fuldischen  Briefsammlung  von  c.  818  bis  870. 
S.  auch  oben  S.  219  über  Vegetius.  —  Ueber  die  von  Koeberlin  bekannt 
gemachte  Würzb.  Hs.  seines  Comm.  zum  Matthaeus  s.  L.  Traube,  NA.  XVII, 
458.     Ueber  seine  Briefe  an  Hinkmar  Schepss,  NA.  XI,  130. 


Hrabanus  Maurus.  235 

oben  erwähnt,  nach  Tours  gesandt,  nachdem  er  im  Jahre  801  zum 
Diaconus  geweiht  war x) ;  und  kurze  Zeit  genügte,  um  ein  warmes 
Freundschaftsband  zwischen  ihm  und  dem  allverehrten  Lehrer  zu 
knüpfen.  Alcuin  nannte  ihn  Maurus  nach  dem  Lieblingsjünger  des 
heiligen  Benedict,  und  nach  seiner  Heimkehr  schrieb  er  ihm  einen 
Brief,  in  welchem  er  erwähnt,  dass  er  einst  (olim)  eine  Schrift  unter 
seinem  und  seines  Mitschülers  Samuel  Namen  verfafst  habe2):  sehr 
bald  darauf  (19.  Mai  804)  mufs  Alcuin  gestorben  sein.  Mit  Hatto, 
seinem  Nachfolger  als  Abt,  damals  seinem  Mitschüler  in  Tours,  noch 
erfüllt  von  Verehrung  gegen  Alcuin,  der  auf  dem  Widmungsbild  für 
den  h.  Martin  segnend  neben  ihm  steht,  yerfafste  Hraban  in  seinem 
dreifsigsten  Jahr  sein  Werk  zum  Preise  des  h.  Kreuzes,  dessen  vers- 
bildliche Spielereien  im  Mittelalter  viel  bewundert  wurden.  In 
Prachthandschriften  schickte  er  es  dem  Pabste,  Erzbischof  Otgar 
u.  a.  und  es  haben  sich  deren  mehrere  erhalten3).  Als  Alcuin  ihm 
zuletzt  schrieb,  stand  Hraban  bereits  der  Klosterschule  in  Fulda 
vor,  welche  nun  eine  Pflanzstätte  gelehrter  Bildung  für  ganz  Deutsch- 
land wurde,  denn  ungestört  durch  die  Bedenklichkeiten  seines 
alternden  Lehrers  erklärt  Hraban  in  seiner  Schrift  de  institutione 
cleiicorum  auch  das  Studium  der  heidnischen  Autoren  für  unent- 
behrlich zum  Verständnifs  der  heiligen  Schrift;  bei  Lupus  und  in 
den  Annalen  von  Fulda  findet  sich  nach  Vogel  zuerst  wieder  nach 
langer  Zeit  Bekanntschaft  mit  den  Schriften  Sallusts,    welche    jetzt 

v)  Dieses  Datum  der  Ann.  Laur.  min.  in  der  Fulder  Handschrift  stimmt 
gut  zu  seiner  Absendung  durch  Ratgar,  denn  dafs  dieser  schon  802  Abt 
wurde,  müssen  wir  doch  wohl  den  Ann.  Fuld.  und  ant.  Fuld.  glauben,  und 
also  in  den  Urkunden  bei  Dronke  S.  100.  101  vom  1.  und  5.  Mai  803, 
welche  noch  Baugulf  nennen,  einen  Fehler  annehmen;  sie  sind  aus  dem 
Elsafs,  wo  man  vielleicht  den  Wechsel  noch  nicht  erfahren  hatte.  Ebert 
glaubt  annehmen  zu  müssen,  dafs  er  schon  vorher  lange  Zeit  bei  Alcuin 
gewesen  sei. 

2)  Dafs  dieser  Brief  an  Hraban  gerichtet  sei,  beruht  freilich  auf  Ver- 
muthung,  s.  Bibl.  VI,  876.  Sicher  an  ihn  ist  gerichtet  der  Brief  Frob.  111, 
Bibl.  VI,  801,  mit  Jaffe's  Anmerkung.  Samuel  wird,  was  Dümmler  jetzt 
selbst  vorzieht,  der  unter  diesem  Namen  vorkommende  Erzbischof  Beorn- 
rad  von  Sens  ein.  Hraban  richtet  (Poet.  Lat.  II,  188)  mehrere  Gedichte 
an  den  Presb.  Samuel,  seinen  sodalis.  Das  mag  der  Abt  von  Lorsch,  841 
Bischof  von  Worms  sein,  der,  wie  Pf.  Falk  bemerkt,  im  Chron.  Lauresh. 
„a  puero  ibidem  educatus"  heifst,  und  ohne  Grund  für  Fulda  in  Anspruch 
genommen  ist.  Er  starb  nicht  859,  wie  Schannat  nach  den  Urkunden 
Reg.  Kar.  773,  774,  777  annahm,  aber  die  Urkk.  sind  unecht,  s.  Sickel, 
Wiener  SB.  XXXVI,  396.  Das  Chron.  Lauresh.  hat  855,  Ann.  Fuld.  steht 
die  Notiz  am  Rande  bei  856  am  Ende  des  Jahres,  Ann.  necrol.  cod.  2 
(SS.  XIII,  177)  856.     Als  Todestag  wird  der  6.  u.  7.  Feb.  bezeichnet. 

3)  S.  die  oben  angef.  Abh.  von  J.  v.  Schlosser,  mit  schönen  Abbil- 
dungen.    Er  hält  Hatto  für  den  auschmückenden  Künstler. 


236  II.    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

einen  rasch  wachsenden  Einflufs  auf  den  Stil  gewannen1).  Auch 
durch  die  Ungunst  der  Zeiten  unter  Ratgar  wurde  die  Schule  nur 
teihlweise  in  ihrer  segensreichen  Wirksamkeit  gehemmt.  Fuldische 
Mönche  finden  wir  bald  in  den  angesehensten  Stellungen;  so  wurde 
Baturich  (817 — 848)  Bischof  von  Eegensburg  und  Erzcaplan,  Haimo 
(840 — 853)  Bischof  von  Halberstadt;  Hrabans  Schüler  war  Otfrid, 
der  Mönch  von  Weifsenburg,  mit  seinen  Gefährden  Werinbert  und 
Hartmut  aus  St.  Gallen2).  Einhard  sandte  ihm  den  Vussinus,  den 
er  seinen  Sohn  nennt,  doch  vielleicht  nur  in  kirchlichem  Sinn; 
Alderich,  Abt  von  Ferneres,  später  (829 — 841)  Erzbischof  von  Sens3), 
den  Lupus,  der  später  als  Abt  von  Ferneres  im  Sprengel  von 
Sens  einen  grofsen  Namen  gewann,  und  von  dem  eine  Briefsamm- 
lung4) voll  reicher  Belehrung  sich  erhalten  hat;  auf  seine  Bitte 
schrieb  Hraban  ein  Colhctarium  in  epistolas  Pauli.  Auch  Frechulf 
von  Lisieux  war  mit  Hraban  befreundet,  doch  vermutblich  schon 
seit  seiner  Lehrzeit  in  Tours  (oben  S.  217).  Ermanrich  von  Ell- 
wangen übersandte  seinem  Lehrer  Rudolf,  der  Hraban  zur  Seite 
stand,  das  von  ihm  verfafste  Leben  des  heiligen  Solus.  Vor  allem 
aber  glänzt  unter  Hrabans  Schülern  Walahfrid,  der  Abt  von  Reichenau, 
der  bald  selbst  das  Haupt  einer  neuen  Schule   wurde.     Auch  Bern- 


J)  Fr.  Vogel,  Acta  sem.  Erlang.  II,  416.  Manitius,  NA.  VII,  197,  sucht 
auch  bei  Einhard  die  Bekanntschaft  nachzuweisen. 

2)  Von  den  beiden  letzteren  ist  es  freilich  zweifelhaft,  ob  sie  auch  in 
Fulda  waren.  Otfrid  bezeichnet  als  seinen  Lehrer,  vielleicht  in  Fulda, 
auch  Salomon  I  von  Constanz,  s.  Düramler,  Formelbuch  Salomons  III, 
S.  138.  Vgl.  auch  Meyer  v.  Knonau,  Die  Beziehungen  O.'s  zu  St.  Gallen, 
Forsch.  XIX,  187—191. 

3)  Er  war  Lehrer  der  Hofschule  unter  Ludwig  dem  Frommen  nach 
seiner  Vita,  Mab.  IV,  1,  568—575.  Acta  SS.  Jun.  I,  753—758.  Vgl.  oben 
S.   154  und  Sickel,  Acta  Kar.  I,  84. 

4)  Servati  Lupi  Opera  ed.  Baluzius,  Par.  1664,  Antv.  1710.  Lettres 
de  Servat  Loup.  Texte,  notes  et  introd.  par  Desdevises  du  Dezert,  Paris 
1888  (Bibl.  de  TEcole  des  hautes  et.  T.  77).  Er  verfafste  836  auf  den 
Wunsch  des  Abts  Bun  von  Hersfeld  die  Vita  Wigberti  (s.  unten).  Ferner 
839  auf  Bitten  des  Abts  Waldo  (wahrsch.  von  Schwarzach  im  Strafsb. 
Sprengel,  der  861  entsetzt  wurde,  869  als  Abt  von  St.  Maximin  vorkommt) 
die  Vita  S.  Maximini.  Er  war  Jugendfreund  des  Abts  Hilduin  von  Saint- 
Denis,  ep.  97  (über  dessen  V.  Dionysii  s.  Ebert  II,  348).  Nach  der  Rück- 
kehr aus  Deutschland  wurde  er  837  Sept.  22  durch  die  Kaiserin  Judith 
dem  Kaiser  vorgestellt,  842  erhielt  er  nach  Odo's  Absetzung  die  Abtei 
Ferneres  und  ist  nach  861  gestorben.  Nach  ep.  93  hat  er  K.  Karl  Impera- 
torum  gesta  brevissime  comprehensa  überreicht,  wobei  er  vorzüglich  auf 
Trajan  und  Theodosius  hinweist.  Vgl.  Dümmler,  NA.  IV,  314.  Ebert  II, 
203—209.  Sprotte,  Biographie  des  S.  L.  Regensb.  1880.  Ueber  die  Ver- 
muthung  Langens,  der  ihm  den  Ps.  Isidor  zuschreibt,  s.  NA.  VIII,  412. 
Ueber  seine  philologischen  Studien  L.  Traube,  Münch.  SB.  1891,  S.  389  ff. 
Sein  und  Haimons  Schüler  war  Herich  von  Auxerre. 


Hraban.     Die  Fulder  Schule.  237 

hard,  der  unglückliche  König  von  Italien,  war  ihm  zur  Erziehung 
übersandt  worden.  Nicht  zu  den  unbedeutendsten  Schülern  des 
Hraban  gehört  endlich  auch  der  Mann,  der  ihm  und  der  ganzen 
Reichsgeistlichkeit  in  der  Folge  so  viel  zu  schaffen  machte,  der 
Mönch  Godschalk,  der  ungeachtet  seines  Standes  den  Muth  hatte, 
eine  unabhängige  Ueberzeugung  auszusprechen  und  zu  verfechten1). 

Wie  glückliche  Erfolge  für  das  eigene  Kloster  Hrabans  Wirk- 
samkeit hatte,  haben  wir  schon  an  den  Verfassern  der  Annalen  ge- 
sehen. Unter  seinen  eigenen  Werken  sind  keine  geschichtliche, 
wenn  man  nicht  etwa  das  schon  früher  erwähnte  Martyrologium  so 
bezeichnen  will;  wohl  aber  enthalten  seine  Vorreden,  Widmungen2) 
und  Gedichte  viele  schätzbare  Nachrichten  über  sein  Kloster  und 
über  seine  mitstrebenden  Zeitgenossen,  und  mehrere  seiner  Schriften 
stehen  in  Verbindung  mit  den  Zerwürfnissen  der  kaiserlichen  Familie. 
Nach  Eigil  wurde  er  Abt  des  Stifts;  da  er  aber  dem  Kaiser  Ludwig 
treu  ergeben,  Lothar  befreundet  war3),  verliefs  er  842  sein  Kloster, 
wo  statt  seiner  Hatto,  genannt  Bonosus,  einst  sein  Mitschüler  in 
Tours,  erwählt  wurde,  und  widmete  sich  nun  ungestört  seinen 
wissenschaftlichen  Arbeiten,  die  ihm  ohnehin  mehr  zusagten.  Mit 
den  Fuldern  blieb  er  in  freundschaftlichem  Verkehr,  und  söhnte 
sich  bald  auch  mit  König  Ludwig  aus,  der  ihn  gegen  seine  Neigung 
nach  Otgars  Tod  zum  Erzbischof  von  Mainz  (847 — 856)  erhob.  Wie 
diese  Beförderung  den  Reichsannalen  zugute  gekommen  ist,  haben 
wir  oben  schon  gesehen. 

In  hohem  Grade  theilte  Hraban  das  eifrige  Streben  der  deut- 
schen Geistlichkeit,  den  an  solchen  Schätzen  noch  armen  Boden 
dieses  Landes  mit  Gebeinen  der  Heiligen  zu  bereichern;  die  italie- 
nischen Reliquienkrämer  hatten  an  ihm  ihren  besten  Kunden.  Seit 
alter  Zeit  bewahrte  Fulda  den  Leib  der  heiligen  Lioba  oder  Leob- 

»)  S.  über  ihn  Dümmler,  Ostfr.  I,  327—336.  405—409.  NA.  IV,  320. 
Ebert  II,  166—169. 

2)  Ein  Bericht  von  ihm  über  die  am  1.  Nov.  819  vollzogene  Einweihung 
der  Fulder  Kirche  steht  in  Broweri  Antiq.  Fuld.  p.  110—112;  vgl.  NA.  IV, 
260,  290. 

3)  Ihm  widmete  er  sein  Werk  über  Jeremias;  ein  auf  Anordnung  des 
Abts  Majolus  von  Cluni  geschriebenes  Exemplar  ist  im  Brit.  Mus.  Add. 
22,820,  nach  Zangemeister,  Wiener  SB.  LXXXIV,  530.  Catal.  p.  739.  Facs. 
in  Libri's  Mon.  inedits  pl.  XVI.  Verse  an  die  Kaiserin  Irmingard  vor  dem 
Commentar  zu  Judith  u.  Esther  u.  Begleitbrief  des  letzteren  e  cod.  Darmst. 
749,  Poet.  Lat.  II,  167.  Lothar  II  widmete  er  ein  Gegenstück  gegen  die 
'Coena  Cypriani'  zur  Uebung  für  Schulzwocke,  wo  alle  Anspielungen  auf 
den  Kreis  der  h.  Schrift  beschränkt  sind,  ed.  H.  Hagen  1884  in  Hilgenfelds 
Zts.  f.  wiss.  Theol.  XXVII,  164—187;  vgl.  NA.  IX,  657.  Auch  der  Verf. 
der  Visio  Caroli  (oben  S.  188)  beruft  sich  auf  eine  Mittheilung  Hrabans. 


238  H.    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

gyth;  diesen  liefs  Hraban  nach  dem  Petersberge  bringen,  und  ver- 
anlafste  schon  vorher  Rudolf,  ihr  Leben  zu  beschreiben1).  Ihm 
standen  dazu  die  Aufzeichnungen  des  fünf  Jahre  vorher  (831)  ver- 
storbenen Priesters  Mago  zu  Gebote,  welche  die  Erzählungen  von 
Schülerinnen  der  Heiligen  enthielten.  Anderes  hatte  sich  noch  in 
mündlicher  Tradition  erhalten.  Leobgyth  war  eine  Verwandte  des 
Bonifaz,  und  von  ihm  aus  England  berufen,  um  in  dem  Kloster 
Bischofsheim  (oben  S.  137)  einen  Mittelpunkt  geistlicher  Belehrung 
für  Nonnen  zu  errichten;  auch  ihnen  waren  die  lateinische  Sprache 
und  mancherlei  andere  Kenntnisse  unentbehrlich  zum  Verständnifs 
der  heiligen  Schriften  und  des  Gottesdienstes.  Rudolfs  Nachrichten 
geben  daher  eine  erwünschte  Ergänzung  für  die  Kenntnifs  von  der 
Wirksamkeit  des  Bonifaz;  später  war  Leobgyth  auch  mit  der  Köni- 
gin Hildegard  befreundet.  Diese  Nachrichten  sind  nun  verbunden 
mit  einer  Fülle  von  Wundergeschichten;  so  wenig  in  Rudolfs  Anna- 
Jen  der  kirchliche  Standpunkt  hervortritt,  so  sehr  zeigt  er  sich  hier 
von  de^  die  Zeit  beherrschenden  Richtung  erfüllt.  In  noch  höherem 
Grade  tritt  das  hervor  in  seiner  Schrift  über  die  Wunder  der  unter 
Hraban  nach  Fulda  gebrachten  Reliquien2),  welche  auch  einige  ge- 
schichtliche Nachrichten  enthält,  übrigens  aber  eine  Fülle  jener  sich 
immer  und  überall  in  ermüdendster  Eintönigkeit  wiederholenden 
Wundergeschichten,  welche  nur  durch  die  Namen  der  Personen  und 
Ortschaften  und  gelegentliche  Angaben  über  Sitten  und  Gebräuche 
der  Zeit  einigen  Werth  erhalten.  Die  Zeit  der  berichteten  Ge- 
schichten fällt  in  die  Jahre  835  bis  838;  geschrieben  ist  das  Buch 
zwischen  842  und  847,  als  Hraban  in  seiner  Zelle  auf  dem  Peters- 
berge lebte;  vielleicht  jedoch  etwas  später,  da  die  Schilderung  von 
Hrabans  litterarischer  Thätigkeit  daselbst  im  letzten  Capitel  im  Prae- 
teritum  gehalten  ist,  und  der  letzte  Schlufs  fehlt. 

Dieses  Werk  Rudolfs  war  es  wohl,  welches  Waltbraht,  den 
Enkel  Widukinds,  der  im  Jahre  851  den  Leib  des  h.  Alexander 
von  Rom  nach  Wildeshausen  brachte,  zu  dem  Wunsche  und  der 
Bitte    veranlafste,   dafs  Rudolf  auch   diesen   Gebeinen    eine    ähnliche 

J)  Rudolfi  Vita  S.  Leobae,  ed.  Waitz,  SS.  XV,  118—131.  Sie  starb 
nach  dem  Necrol.  Fuld.  (SS.  XIII,  167)  am  23.  Sept.  780,  nach  d.  Vita 
am  28.  Sept.  u.  wird  urkundlich  noch  782  als  lebend  erwähnt.  Im  Aus- 
zug übersetzt  von  W.  Arndt  hinter  der  V.  Bonifatii.  Zell,  Lioba  u.  die 
frommen  angels.  Frauen,  Freib.  1860.     Hahn,   Bonifaz  u.  Lull,   S.  131  ff. 

2)  Schannat,  Cod.  Probb.  p.  117 — 132  aus  Browers  Antiquitates  Ful- 
denses,  der  einzigen  Originalausgabe,  da  die  Handschrift  verloren  ist. 
Unter  dem  falschen  Titel  V.  Rabani  auch  bei  Mab.  IV,  2,  1.  Acta  SS.  Feb. 
I,  500.  SS.  XV,  328—341,  von  Waitz,  als  Miracula  Sanctorum  in  Fuldemes 
ecclesias  translatorum . 


Vita  Liobae.     Trauslatio  Alexandri.  239 

Schrift  widmen  möchte1).  Aber  erst,  als  er  im  Alter  sich  wieder 
in  sein  Kloster  zurückzog,  kam  er  zur  Ausführung.  Die  Art,  wie 
er  diese  Aufgabe  erfafste,  zeigt  seinen  geschichtlichen  Sinn;  erfüllt 
davon,  dafs  hauptsächlich  diese  Uebertragungen  von  Reliquien  das 
Christenthum  unter  den  Sachsen  ausbreiteten  und  befestigten,  ging 
er  zurück  auf  die  alte  Heidenzeit,  um  zu  zeigen,  von  welchen  Irr- 
thümern  das  Volk  durch  die  Einführung  des  Christenthums  befreit 
sei.  Er  begann  mit  einem  kurzen  Abrifs  der  Stammsage,  die  Widu- 
kind  von  Corvey  ausführlicher  erhalten  hat;  dann  aber  entlehnt  er 
die  näheren  Angaben  über  Glauben  und  Sitten  der  Sachsen  aus  der 
Germania  des  Tacitus2).  Das  ist  ein  guter  Beweis  für  die  gelehrten 
Studien  der  Fuldischen  Klosterschule;  zugleich  aber  ist  es  auch 
charakteristisch  für  Rudolf  nicht  allein,  sondern  für  die  mittelalter- 
lichen Gelehrten  überhaupt,  dafs  er  in  Fulda,  wo  doch  noch  kürz- 
lich das  Hildebrandslied  aufgeschrieben  war,  über  das  sächsische 
Heidenthum  nichts  aus  eigener  Kunde  und  Beobachtung  mittheilt, 
sondern  sich  genau  an  die  Worte  des  Tacitus  hält. 

Rudolf  fügte  noch  eine  kurze  Uebersicht  der  Bezwingung  der 
Sachsen  durch  Karl  den  Grofsen  nach  Einhard  hinzu;  dann  rief  ihn 
der  Tod  am  8.  März  865  ab  von  dem  wohlangelegten  Werke.  In 
den  Annalen  ist  ihm  ein  kurzer  Nachruf  gewidmet,  wo  er  als  Histo- 
riker und  Dichter  gefeiert  wird,  und  man  vermuthet,  dafs  auch  der 
Maler  Rudolf,  dessen  Werk  Hraban  in  einem  Epigramm  rühmt,  kein 
anderer  gewesen  ist.  Die  Fortsetzung  des  begonnenen  Werkes  über- 
nahm sein  Schüler  Meginhard.  Die  Taufe  Widukinds,  mit  der 
Rudolfs  Erzählung  abbricht,  gab  diesem  den  Uebergang  auf  dessen 
Enkel  Waltbraht,  der,  an  Lothars  Hofe  erzogen,  sich  mit  vollem 
Eifer  dem  Christenthume  zuwandte,  und  um  das  Christenthum  in 
Sachsen  besser  zu  befestigen,  auszog,  um  aus  Rom  Reliquien  zu 
holen.  Die  Empfehlungsbriefe,  welche  ihm  Kaiser  Lothar  mitgab, 
hat  Meginhard  vollständig  aufgenommen,  hält  sich  dann  aber  bei 
den  Vorfällen  der  Reise  nicht  lange  auf,  sondern  geht  bald  zu  seinem 
eigentlichen  Gegenstande,  den  Wundern,  über.  Eine  zweite  Schrift 
ähnlicher    Art,    über    den    heiligen   Ferrutius    und    dessen    Ueber- 

*)  Trauslatio  S.  Alexandri  ed.  Pertz,  SS.  II,  673 — 681.  Uebers.  von 
Richter,  1856,  2.  Ausg.  1889  (Geschichtschr.  21.  IX,  6).  Vgl.  dazu  R. 
Wilmans,  Kaiserurkunden  der  Prov.  Westf.  I,  388  ff.  Ohne  Grund  ver- 
dächtigt von  Wetzel:  Die  Tr.  AI.  Kiel  1881,  aber  mit  einem  wichtigen 
Nachtrag  zum  Text;  vgl.  NA.  VII,  228  u.  Waitz,  GGA.  1881,  Juni.  — 
Ein  Brevier  saec.  XV.  viell.  aus  Wildeshausen,  NA.  XV,  208. 

2)  Die  einzige  nachweisbare  Benutzung  derselben  im  Mittelalter,  nach 
Waitz,  Forsch.  X,  602. 


240  II.    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

tragung  von  Castel  nach  Bleidenstadt,  nördlich  von  Wiesbaden,  durch 
den  Erzbischof  Lull1),  ist  eine  Predigt  und  hat  deshalb  einen  ganz 
überwiegend  erbaulichen  Charakter;  eine  grofse  Fülle  von  Phrasen 
verdeckt  den  Mangel  an  geschichtlichem  Inhalt,  der  nur  aus  den 
Inschriften  von  Bleidenstadt  stammt, 

Meginhard,  der  sich  in  der  Widmung  einer  theologischen  Ab- 
handlung an  den  Erzbischof  Günther  von  Coeln  als  Schulmeister 
bezeichnet2),  ist,  wie  wir  schon  oben  sahen,  ohne  Zweifel  auch  der 
Fortsetzer  der  Reichsannalen  gewesen.  Nur  aus  diesen  sehen  wir, 
dafs  die  litterarische  Thätigkeit  in  diesem  Kloster  noch  nicht  ganz 
erstarb.  Nur  aus  dem  Anfange  des  folgenden  Jahrhunderts  haben 
wir  noch  eine  kurze  Geschichte  der  Aebte  von  Fulda3),  einen 
sehr  kurzen  und  gedrängten,  aber  recht  hübsch  geschriebenen  Be- 
richt, der  jedoch  nur  mit  Vorsicht  zu  benutzen  ist,  da  er  durchaus 
panegyrischer  Natur  und  keineswegs  geschichtlich  wahrhaftig  ist* 
Der  Abt  Huoggi  (891 — 915)  erlangte  von  Kaiser  Arnulf  die  berühmte, 
noch  jetzt  erhaltene  Evangelienhandschrift,  deren  Randglossen  Boni- 
fatius  zugeschrieben  werden4).  Sonst  aber  ist  von  litterarischer 
Thätigkeit  in  diesem  Kloster  nichts  auf  uns  gekommen.  Es  hat 
jedoch  schon  Waitz5)  erkannt,  dafs  den  Hersfelder  Annalen  bis  in 
die  Mitte  des  neunten  Jahrhunderts  eine  in  Fulda  verfafste  Compi- 
lation  zu  Grunde  liegt,  welche  aus  den  ältesten  Lorscher  Annalen, 
der  kleinen  Frankenchronik  (Lauriss.  min.)  und  einheimischen  Auf- 
zeichnungen zusammengesetzt  war,  und  auch  von  Marianus  Scotus 
benutzt  wurde.  H.  Lorenz  hat  das  weiter  ausgeführt  und  glaubte 
das  Endjahr  zwischen  830  und  840  ansetzen  zu  können6),  wogegen 
G.  Buchholz7)  geltend  machte,  dafs  dann  der  Mangel  einer  Verwandt- 
schaft mit  dem  älteren  Theil  der  sog.  Ann.  Fuld.  nicht  zu  erklären 
sei.     Fr.  Kurze  bemerkte,   dafs   die  Uebereinstimmung  mit  Marianus 

J)  Sermo  de  S.  Ferrutio,  bei  Surius  zum  28.  October,  Acta  SS.  Oct. 
XII,  538-542.  Exe.  ed.  Holder-Egger,  MG.  SS.  XV,  148—150.  Vgl. 
C.  Will,  Mon.  Blidenstat.  Innsbr.  1874,  4.  Dümmler,  Poet,  Lat.  I,  431. 
II   225. 

3)  in  Caspari's  Kirchenhist.  Anecd.  (1883),  S.  251. 

3)  Acta  vetusta  Abbat  um  Fuldensium  a.  744 — 916.  Schannat,  Cod.  Probb. 
1—3.  Böhmers  Fontes  III,  XXVIII  und  161—164  aus  Dronke,  Traditt. 
Fuld.  p.  162—164.  MG.  SS.  XIII,  272  als  Catalogus  abb.  Fuldensium.  Das 
kurze  Verzeichnifs  SS.  III,  117  n.  ist  berichtigt  XIII,  340.  —  Acta  abb.  bis 
ins  15.  Jahrh.  und  auch  annal.  Aufzeichuungen  bei  Brouwer  sind  nachge- 
wiesen von  Pflugk-Harttung,  Forsch.  XIX,  397—442. 

4)  Schannat,  Vind.  lit.  I,  226.  Codex  Fuld.  ed.  E.  Ranke,  Marb.  et 
Lips.  1868. 

5)  Archiv  VI,  681. 

6)  Die  Annalen  von  Hersfeld,  S.  70. 

7)  HZ.  65,  141. 


Fulder  Compilation.     Hersfeld.  241 

sich  noch  weiter  erstrecke,  und  andererseits,  dafs  für  die  erste  Hälfte 
des  zehnten  Jahrhunderts  dem  Fortsetzer  des  Regino  eine  Fulder 
Quelle  vorgelegen  habe;  beide  schienen  zusammen  zu  gehören1). 
So  kommen  wir  auf  eine  Fulder  Compilation  des  ausgehenden  neunten 
oder  des  zehnten  Jahrhunderts  mit  annalistischer  Fortsetzung,  Kloster- 
annalen,  in  denen,  wie  es  bei  diesen  Jahrbüchern  der  Fall  zu  sein 
pflegt,  einzelne  geschichtliche  Nachrichten  mit  Begebenheiten  aus  der 
Hausgeschichte  verbunden  waren.  Dafür  wird  der  erste  Theil  der 
Annales  S.  Bonifacü  von  716  bis  830  in  Anspruch  genommen2). 
Eine  ausführlichere  Geschichte  des  Klosters,  die  spurlos  verschwunden 
ist,  erwähnt  und  lobt  Lambert  in  der  Vorrede  zu  seiner  Hersfelder 
Geschichte,  SS.  V,  137. 

Litterarische  Thätigkeit  finden  wir  auch  in  dem  nahe  gelegenen, 
ebenfalls  hessischen  Kloster  Hersfeld,  welches  um  770  von  Lullus 
begründet  wurde,  als  Fulda  mit  Erfolg  seine  Selbständigkeit  gegen 
ihn  behauptete,  und  bald  zu  kräftiger  Entwickelung  gelangte3).  Auch 
von  seiner  Schule,  seinen  gelehrten  Mönchen  würde  wohl  manches 
zu  berichten  sein,  wenn  nicht  die  Ueberlieferungen  dieses  Klosters 
ein  besonders  angünstiges  Geschick  betroffen  hätte;  die  Hersfelder 
Annalen,  Lamberts  Geschichte  von  Hersfeld,  sind  verloren,  und  auch 
von  Lamberts  Jahrbüchern  ist  keine  alte  Handschrift  vorhanden; 
da  mag  noch  anderes  spurlos  für  uns  verschwunden  sein.  Der  Abt 
Balthard  (f  796)  kann  vielleicht  derselbe  sein,  an  welchen  zwei 
Briefe  seiner  Schwester  Berthgyth  in  der  Bonifazischen  Sammlung 
sich  erhalten  haben4).  Abt  Bun  bewog  836  den  gelehrten  Lupus, 
ein  Leben  "Wigberts  zu  schreiben5),  den  Bonifaz  als  Abt  von  Fritzlar 
eingesetzt  hatte;  seine  Gebeine  waren  nach  Hersfeld  übertragen,  und 
in  den  Wundergeschichten  finden  sich  einige  geschichtliche  Nach- 
richten. Eine  Handschrift,  welche  leider  verschollen  ist,  enthielt 
auch  eine  poetische  Bearbeitung  dieser  Vita  in  sehr  barbarischer 
Sprache,  von  einem  Hersfelder  Mönch,  welcher  sie  Buns  Nachfolger 
Brunwart  (843 — 875)  gewidmet  hatte6).  Dieser  Brunwart  war  be- 
freundet mit  Hraban,    welcher    an    ihn,    als    er  noch  Chorepiscopus 

*)  Die  Hersfelder  u.  die  gröfseren  Hildesh.   Jahrbücher   bis  984,  S.  8. 

2)  MG.  SS.  III,  117;  der  zweite  Theil  910—1024  ist  fast  ganz  identisch 
mit  den  Ann.  Lobienses.  Berichtigungen  e  cod.  Lugd.  Bat.  von  Dümmler, 
Forsch.  XVI,  169.  —  Ann.  S.  Bon.  brevissimi  936—1011  ib.  S.  118.  Notae 
dedicationum  Fuldenses  812—1168,  SS.  XV,  2,  1287. 

3)  Rettberg  I,  602-605.     Hafner,  Die  Reichsabtei  Hersfeld,  1889. 

4)  Bibl.  III,  312. 

5)  Vita  Wtaberti,  ed.  Holder-Egger,  MG.  SS.  XV,  36—43. 

6)  So  berichtet  der  Jesuit  Busaeus,  erster  Herausgeber  der  V.  Wigberti, 
s.  Hincmari  epp.  ed.  Busaeus,  Mog.  1602.     NA.  IV,  314. 

Watten ba ch,  Geschichtsquellen.    I.  6.  Aufl.  \Q 


242  H.    Karolinger.     §  14.    Fulda  und  Hersfeld. 

war,  Verse  richtete *).     Die  Annalen,   welche   von  besonderer  Wich- 
tigkeit für  uns  sind,  gehören  erst  der  folgenden  Periode  an. 

Beide  Klöster,  Fulda  und  Hersfeld,  blieben  in  engster  Verbin- 
dung mit  dem  Erzbisthum  Mainz;  ihr  Theil  war  die  Pflege  der 
Wissenschaft,  während  die  Metropole  zu  sehr  in  die  politischen 
Händel  verwickelt  wurde,  um  in  litterarischer  Beziehung  eine  her- 
vorragende Stelle  einzunehmen,  wenn  wir  von  den  Reichsannalen 
absehen.  Auf  Lulls  Nachfolger  Riculf  (786  bis  813),  den  der  Mönch 
von  St.  Gallen  als  dumm  und  hochmüthig  schildert,  wohl  über- 
treibend, da  er  unter  dem  Namen  Damoetas  zu  Karls  Hofgelehrten 
gehörte2),  folgte  zuerst  Lulls  Schüler  Haistulf  (813 — 825),  dann  bis 
847  Otgar,  ein  Verwandter  Riculfs  und  eifriger  Parteimann.  Er 
ist  es,  welcher  den  Diaconus  Benedict  zur  Ergänzung  der  Capitularien- 
sammlung  des  Ansegis  veranlafst  haben  soll,  und  man  hat  ihn  des- 
halb für  den  Mitschuldigen  der  hierin  ^enthaltenen  Fälschungen  ge- 
halten, eine  Ansicht,  welche  jetzt  von  P.  Hinschius  als  unbegründet 
widerlegt  ist,  da  Benedicts  Werk  erst  nach  Otgars  Tod  vollendet 
worden  ist,  und  die  ganze  Notiz  ist  vielleicht  nur  betrüglich  erfunden. 
Zu  verdanken  haben  wir  ihm  wahrscheinlich  den  Abschlufs  der 
Mainzer  Briefsammlung,  in  welcher  der  Correspondenz  des  Bonifatius 
Briefe  von  Lull  und  Otgar  sich  anschliefsen3).  Für  seine  Metropole 
brachte  Otgar  von  seiner  Gesandtschaft  an  Lothar  nach  Pavia  836 
die  Reliquien  des  h.  Severus,  Bischofs  von  Ravenna,  nebst  Frau 
und  Tochter  heim;  ein  französischer  Speculant,  der  solch  kostbare 
Waare  durch  Lug  und  Trug  sich  diebischer  Weise  zu  verschaffen 
und  dann  theuer  zu  verkaufen  pflegte,  fand  an  Otgar  einen  Kunden, 
denn  um  so  heiligen  Besitz  zu  gewinnen,  galt  auch  den  frömmsten 
Männern  Meineid  und  Diebstahl  für  zulässig4).  Grofs  war  die  Freude 
in  Mainz  und  in  Erfurt,  wohin  zur  Beförderung  des  Christenthums 
in  Thüringen  S.  Severus  abgelassen  wurde,  allein  man  hatte  noch 
keine  Kunde  von  dem  Leben  des  Heiligen,  bis  der  Priester  Liudulf 
eine  Pilgerfahrt  nach  Rom  mit  einem  Besuche  in  Ravenna  verband, 
und  die  dort  gewonnene  Auskunft  mittheilte;  hinzugefügt  ist  von 
ihm  die  geschichtlich  nicht  ganz  unwichtige  Erzählung  von  der 
Erwerbung  der  Reliquien  durch  Otgar5).     Er  schrieb  unter  Hrabans 

!)  Poet.  Lat.  II,  184;  vgl.  p.  111. 

2)  Vgl.  Dümmler  NA.  IV,  150.     Poet.  Lat.  I,  431.  432  u.  II,  694. 

3)  H.  Hahn,  Forsch.  XV,  113. 

4)  Diese  Aeufsenmg  ist  wiederholt  gerügt  worden,  zuletzt  Katholik 
1875  S.  443,  aber  sie  ist  wahr;  ich  habe  einige  Beispiele  in  d.  SB.  d. 
Berl.  Akad.  vom  4.  Dec.  1884  zusammengestellt. 

5)  Vita  et  Translatio  S.  Severi  auct.  Liudulfo  presbytero,  Acta  SS.  Feb. 


Mainz.     Translatio  Severi.  243 

Nachfolger  Karl  (856 — 863),  dem  aquitanischen  Prinzen,  von  dessen 
gelehrten  Studien  nichts  bekannt  ist.  Die  Bedrängnifs  der  Kirchen 
durch  die  Vertheilung  ihrer  Güter  an  Kriegsleute  veranlafste  einen 
Mainzer  Geistlichen  zur  Aufzeichnung  der  Visio  Caroli  (S.  188), 
welche  er  noch  mündlich  von  Hraban  erfahren  haben  wollte.  Nach 
Karl  verwaltete  Liutbert  26  Jahre  lang  das  Erzbisthum,  ein  wohl- 
gesinnter und  nicht  ungelehrter  Herr,  der  sich  auch  der  Reichs- 
aunalen  wieder  annahm,  aber  die  wirren  Zeiten,  die  immer  schreck- 
licheren Einfälle  der  Normannen,  drängten  alle  wissenschaftliche 
Beschäftigung  in  den  Hintergrund:  im  Kampfe  gegen  diese  Unholde 
verlor  891  Liutberts  Nachfolger  Sunderold  oder  Sunzo  nach  kurzer 
Amtsdauer  das  Leben,  ein  Fulder  Mönch,  dem  einst,  da  er  noch 
einfacher  Priester  war,  Meginhard  die  Erzählung  von  der  Ueber- 
tragung  des  h.  Alexander  gewidmet  hatte.  An  seiner  Statt  erhob 
Kaiser  Arnulf  Hatto,  den  Abt  von  Reichenau,  berühmt  durch  seine 
Klugheit  und  Thatkraft,  auch  wegen  seiner  kirchlichen  Gelehrsamkeit 
hoch  gefeiert,  aber  die  äusseren  Sorgen  für  Kirchenzucht  und  Reichs- 
regierung nahmen  ihn  vollständig  in  Anspruch;  diesen  Zwecken 
diente  auch  das  Werk  de  synodalibus  causis,  welches  Regino  ihm 
gewidmet  hatte1). 


§  15.     Sachsen.     Münster,   Bremen,    Hamburg. 

Als  Sturm  zuerst  in  Hersfeld  sein  neues  Kloster  gründen  wollte, 
verwarf  Bonifaz  diesen  Vorschlag  wegen  der  Nähe  der  heidnischen 
Sachsen.  Karl  aber  zog  auch  dieses  Volk  in  den  Kreis  der  christ- 
lichen Bildung,  und  so  gewaltsam  auch  die  neue  Pflanzung  begründet 
wurde,  sie  schlug  doch  bald  kräftige  Wurzeln,  und  die  Söhne  der 
Bekehrten  gaben  sich  bereits  mit  regem  Eifer  der  neuen  Lebens- 
richtung hin.  Lange  schon  hatten  die  Angelsachsen  sich  danach 
gesehnt,  hin  und  wieder  auch  versucht,  ihren  alten  Stammesbrüdern 
das  Evangelium  zu  bringen;  jetzt  drangen  sie  unter  dem  Schutze 
Karls  vor,  und  pflanzten  den  Baum  der  neuen  Lehre,  der  in  dem 
frischen  Erdreich  bald  kräftig  und  segensvoll  gedieh. 

Einer    der    hervorragendsten    unter    ihnen    war    Liudger,    von 

I,  88—91.     Jaffe,  Bibl.  III,   507-517.     MG.   SS.  XV,  289—293,   ed.  L. 
v.  Heinemann. 

x)  S.  über  Liutbert  und  Sunzo  Dümmler,  Ostfr.  III,  328 — 331;  über 
Hatto  S.  352.  497.  Vgl.  auch  desselben  S.  234  angeführte  Abhandlung 
über  die  Fulder  Briefsammlung ,  und  die  betr.  Abschnitte  in  Will's 
Regesten. 

16* 


244  EL    Karolinger.     §  15.    Sachsen. 

Geburt  zwar  ein  Friese,  aber  ein  Schüler  der  angelsächsischen 
Glaubensboten.  Er  selbst  hat  uns  in  dem  Leben  seines  Lehrers, 
Gregor  von  Utrecht1),  die  Werkstatt  geschildert,  wo  ein  grofser 
Theil  der  Lehrer  für  das  Sachsenvolk  ausgebildet  wurde;  ergänzt 
werden  seine  Nachrichten  durch  seine  eigene  Lebensbeschreibung 
von  Altfrid. 

Liudgers  Grofsvater  Wursing,  ein  reicher  und  vornehmer  Friese, 
hatte  sich,  von  Radbod  vertrieben,  zu  den  Franken  geflüchtet  und 
die  Taufe  angenommen;  als  dann  Karl  Martell  nach  der  Besiegung 
des  Landes  das  Bisthum  Utrecht  begründete,  siedelte  er  auch  Wur- 
sing mit  den  Seinen  dort  an,  und  an  ihnen  fand  Willibrord  die 
kräftigste  Stütze.  Nach  Willibrords  Tode  nahm  Bonifaz  sich  des 
verwaisten  Bisthums  an;  dann  ward  es  der  Pflege  Gregors  übergeben, 
der  lange  Zeit  ein  treuer  Begleiter  und  Gehülfe  seines  Lehrers 
Bonifaz  gewesen  war  und  nun  als  Abt  dem  Martinstifte  vorstand. 
Die  bischöflichen  Geschäfte  versah  neben  ihm  der  Angelsachse 
Aluberht.  Dieser  war  wie  so  viele  seiner  Landsleute  zur  Mission 
gekommen,  und  kehrte  auf  Gregors  Wunsch  mit  Utrechter  Geist- 
lichen heim  nach  York,  wo  er  767  vom  Erzbischof  Aethelberht  ad 
Ealdsexos  zum  Bischof  geweiht  wurde,  mit  ihm  Liudger  zum  Dia- 
conus.  Durch  diese  Verbindung  sind,  wie  R.  Pauli  nachgewiesen 
hat,  Nachrichten  über  Karls  des  Grofsen  Sachsenkriege,  dann  auch 
durch  Alcuin  andere  nicht  unwichtige  Angaben,  in  die  nordenglischen 
Annalen  gekommen2). 

Liudger  hatte  sich,  wie  mehrere  von  Wursings  Nachkommen, 
der  Kirche  gewidmet,  er  genofs  schon  damals  Alcuins  Unterweisung, 
und  kehrte  später  dieses  Unterrichtes  wregen  noch  einmal  nach  York 
zurück,  bis  ihn  nach  drei  Jahren  und  sechs  Monaten  ein  Streit 
zwischen  den  Friesen  und  Angeln  nöthigte,  nach  Utrecht  heimzu- 
kehren, wo  Gregor  zahlreiche  Schüler  aus  allen  deutschen  Stämmen, 
nach  Liudgers  Angabe  auch  Sachsen,   um   sich  versammelte.     Unter 

1)  Erste  kritische  Ausgabe  von  Holder-Egger,  SS.  XV,  63 — 79.  Uebers. 
v.  Grandaur,  Geschichtschr.  14,  nach  V.  Willibrordi.  —  Vgl.  Ebert  II,  106 
bis  108.  Hauck  II,  313—315.  —  Die  Liudger  bei  Rettberg  I,  333  zuge- 
geschriebene  V.  Bonifacii  ist  Mifsverständnifs  der  Stelle  V.  Liudg.  II,  6 
über  die  in  der  V.  Gregorii  enthaltenen  Nachrichten  von  Bonifaz. 

2)  S.  R.  Pauli:  Karl  d.  Grofse  in  northumbrischen  Annalen,  Forsch. 
XII,  137—166.  441.  Vgl.  L.  Theopold,  Krit.  Untersuchungen  über  die 
Quellen  zur  angels.  Gesch.  d.  8.  Jahrh.  (Lemgo  1872)  S.  102.  R.  Pauli  hat 
in  d.  Gott.  Nachr.  1878,  S.  1 — 15,  neben  den  nordengl.  Nachrichten  andere 
aus  Winchester  nachgewiesen;  nach  der  Eroberung  sind  auch  die  Sanct- 
gallisch-Cölner  Annalen  über  die  Normandie  nach  England  gekommen.  — 
Gegen  Hahns  Hypothesen,  Forsch.  XX,  553 — 569,  W.  Diekamp,  ib.  XXII, 
425—432. 


Das  Bisthum  Utrecht.     Liudger.  245 

Gregors  Neffen  und  Nachfolger  Alberich  war  die  Leitung  dieser 
Schule  in  solcher  Weise  vertheilt,  dafs  abwechselnd  Alberich  selbst, 
Liudger,  Adalgar  und  Thiatbrat1),  jeder  ein  Vierteljahr,  derselben 
vorstanden.  Die  übrige  Zeit  verwandten  sie  auf  die  Seelsorge  und 
die  weitere  Ausbildung  des  Volkes.  Der  Aufstand  der  Sachsen 
unter  Widukind  782  brachte  auch  in  Friesland  das  Heidenthum 
wieder  zum  Siege,  und  Liudger  begab  sich  damals  nach  Monte- 
cassino,  dessen  klösterliche  Einrichtung  er  später  auf  seine  Stiftung 
Werden  übertrug.  Karl  der  Grofse  aber  vertraute  ihm  die  geist- 
liche Leitung  von  fünf  friesischen  Gauen  an  und  verband  damit  im 
Anfange  des  neunten  Jahrhunderts  das  neu  errichtete  Bisthum 
Mimigardeford  in  Westfalen,  für  welches  seit  dem  11.  Jahrh.  der 
Name  Münster  üblich  wurde.  Am  30.  März  804  geweiht2),  wirkte 
er  hier  für  die  Befestigung  der  neuen  Lehre  bis  zu  seinem  Tode 
am  26.  März  809. 

Die  von  ihm  verfafste  Biographie  Gregors  ist  in  dem  gewöhn- 
lichen Legendenstil  geschrieben,  aber  die  stereotypen  Phrasen  sind 
hier  von  wirklicher  Wärme  erfüllt,  von  inniger  Liebe  zu  seinem 
Lehrer  und  einer  kindlichen  Demuth,  wo  er  seines  eigenen  Wirkens 
gedenkt.  Es  finden  sich  darin  einige  schätzbare  Nachrichten  über 
Bonifaz  sowie  über  das  Bisthum  Utrecht;  geschichtlicher  Sinn  zeigt 
sich  jedoch  wenig,  es  kommen  arge  Fehler  vor,  und  auch  die  Sprache 
ist  schwerfällig  und  gesucht.  Als  Geschichtsquelle  ist  Liudgers 
eigenes  Leben  von  Altfrid3)  weit  vorzuziehen,  obgleich  auch  dieses 
von  dem  Verfasser,  Liudgers  Verwandtem  und  zweitem  Nachfolger 
(839 — 849),  auf  Bitten  der  Mönche  von  Werden  zunächst  zum  Zweck 
der  Erbauung  geschrieben  wurde.  Die  Darstellung  ist  einfach  und 
ansprechend,  und  die  ganze  Missionsthätigkeit   tritt  hier  mit  beson- 


1)  Dieser  scheint  der  Besitzer  des  später  nach  Lorsch  gekommenen 
Wiener  Livius  gewesen  zu  sein,  nach  der  Inschrift:  „Iste  codex  est  Theat- 
berti  episcopi  de  Dorostat".  Nach  Gitlbauer  wäre  er  Vorsteher  der  Kirche 
zu  D.  gewesen  und  nach  dem  damals  noch  schwankenden  Gebrauch  Bischof 
genannt,  weil  er  bischöfliche  Rechte  übte.  Denselben  hält  G.  für  den 
Nachfolger  Alberichs ,  der  Theodard  genannt  wird.  Gitlbauer  de  cod.  Liv. 
(Vind.  1876)  p.  2—21. 

2)  Diekamp  im  Hist.  Jahrbuch  V,  257.  Ueber  Liudger  vgl.  Hauck  II, 
317  ff. 

3)  V.  Liudgeri  auct.  Altfrido  ed.  Pertz,  MG.  II,  403 — 425  mit  Zusätzen 
und  Mirakeln  aus  den  späteren  Biographieen.  Vitae  S.  Liudgeri  ed. 
Diekamp,  4  Bd.  der  Geschichtsquellen  d.  Bisth.  Münster,  1881,  mit  Be- 
nutzung des  von  Pertz  nicht  verglichenen  Cod.  Vossianus.  Uebersetzung 
in:  Hüsing,  Der  h.  Liudger,  Münster  1878,  S.  174 — 200,  und  Pingsmann, 
Der  h.  Ludgerus,  Freiburg  1879,  S.  199—228;  von  Grandaur  bei  V.  Willi- 
brordi.     Vgl.  Ebert  II,  338.  —  Catal.  abb.  SS.  XIII,  288. 


246  II.    Karolinger.     §  15.    Sachsen. 

derer  Anschaulichkeit  uns  entgegen.  Noch  in  demselben  Jahrhundert 
wurden  in  Werden  zwei  neue  Bearbeitungen  derselben  verfafst. 
Auch  von  Altfrids  Vorgänger  Gerfrid  hat  man  eine  Biographie 
gehabt,  von  welcher  aber  eine  Erwähnung  in  der  Bisthumschronik 
die  einzige  Spur  ist1).  Altfrids  Nachfolger  Liutbert,  ein  geborner 
Lothringer  (f  871),  war  vielleicht  der  Bischof  Leutbert,  welchem 
Sedulius  eine  sapphische  Ode  gewidmet  hat2). 

Dem  Kreise  dieser  Männer  gehört  auch  Liafwin  oder  Lebuin 
an,  ein  Angelsachse,  der  zu  Gregor  nach  Utrecht  kam  und  sich, 
nachdem  er  eine  Zeit  lang  an  der  Yssel  gewirkt  hatte,  nach  Sachsen 
begab,  wo  er  auf  dem  Landtage  zu  Marklo  unerschrocken  das 
Christenthum  verkündete.  Seine  Legende,  welche  besonders  durch 
die  Nachricht  über  diese  Landtage  und  die  Verfassung  der  Sachsen 
merkwürdig  ist,  wurde  jedoch  erst  am  Anfange  des  zehnten  Jahr- 
hunderts von  Hu c bald  von  St.  Amand  verfafst,  nicht  in  Münster, 
dessen  wir  nach  diesen  so  viel  versprechenden  Anfängen  nicht  wieder 
zu  gedenken  haben  werden3). 

Ueber  die  Stiftung  des  Klosters  Werden  an  der  Ruhr  ist 
eine  eigenthümliche  Aufzeichnung  vorhanden,  welche  trügerisch  zwei 
Begleitern  Liudgers  in  den  Mund  gelegt,  in  den  wesentlichen  That- 
sachen  aber  richtig,  und  in  ihrem  ältesten  Theil  vielleicht  schon  um 
die  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  geschrieben  ist,  als  nach  Altfrids  Tod 
die  Familie  des  Stifters  vom  Bisthum  abkam  und  die  Unabhängigkeit 
des  Klosters  bedroht  war4). 

Ein  anderer  Angelsachse  war  Will  eh  ad  aus  Northumberland, 
der  ebenfalls  seine  Missionsthätigkeit  in  Friesland  begann  und  780 
von  Karl  dem  Grofsen  über  den  Gau  Wihmodia  gesetzt  wurde. 
Auch   ihn    vertrieb    der  Aufstand  Widukinds   782,    dem    ein    grofser 

*)  Diekamp.  Vitae  Liudgeri,  p.  XXI.  Anm.  1.  Zu  unterscheiden  ist 
ein  älterer  Gerfrid,  welcher  eine  Bibel  schreiben  liefs,  deren  Widmungs- 
verse  sich  erhalten  haben,  Poet.  Lat.  I,  285. 

2)  Dümmler,  Sedulii  Scotti  Carmina  XL  p.  28.     Poet.  Lat,  III,  219. 

3)  Zu  diesem  Kreise  gehört  auch  die  Legende  über  die  Stiftung  des 
Klosters  Freckenhorst  oder  Vita  S.  Thiadildis,  ed.  Jo.  Gamans,  Acta 
SS.  Jan.  II,  1156—1160  (Kindlinger,  Mimst.  Beitr.  II,  9;  deutsch  in  Dorows 
Denkm.),  welche  aber  erst  im  15.  Jahrh.  aufgezeichnet  und  von  geringem 
Werth  ist.  Vgl.  Wilmans,  Kaiserurkunden  der  Provinz  Westfalen  I,  416. 
W.  Diekamp,  Forsch.  XXIV,  629—653. 

4)  Fundatio  monasterä  Wertlänensis  bei  Ficker,  Die  Münsterischen  Chro- 
niken (1851)  S.  352—355.  Diekamp,  Vitae  Liudgeri,  p.  286—294,  mit  neuen 
Hülfsmitteln;  vgl.  AI.  Schulte,  Mittheil.  II,  637.  Diekamp  in  d.  Zts.  f.  Westf. 
Gesch.  u.  Alt.  XLI,  148— 164,  u.  Erläuterung  einer  Urk.  K.  Arnulfs,  Mitth. 
d.  Inst.  V,  622.  Ausg.  v.  Waitz  MG.  SS.  XV,  164—168.  —  Eine  von 
Liudgers  Neffen  Hildegrimus  diaconus,  853—888  Bischof  von  Halberstadt, 
geschriebene  Hs.  NA.  X,  336. 


Willehad.     Anskar.  247 

Tlieil  seiner  Schüler  und  Gehülfen  zum  Opfer  fiel.  Er  selbst  flüch- 
tete nach  Friesland  und  pilgerte  nach  Rom;  dann  lebte  er  eine  Zeit 
lang  in  stiller  Zurückgezogenheit  in  Echternach;  Karl  aber  rief  ihn 
nach  der  Besiegung  der  Sachsen  zu  seiner  früheren  Thätigkeit  zu- 
rück, and  erhob  ihn  787  zum  Bischof  von  Bremen,  wo  er  am 
8.  November  789  gestorben  ist.  Sein  Leben l)  ist  in  einer  kurzen 
und  einfachen  Darstellung  beschrieben,  welche  von  seinem  berühm- 
teren Nachfolger  Anskarius,  dem  Apostel  des  Nordens,  verfafst 
sein  soll,  wie  Adam  von  Bremen  berichtet.  Doch  hat  G.  Dehio2) 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  die  beiden  Bücher  (Vita  und 
Miracula)  nicht  von  einem  Verfasser  sein  können,  und  nur  das  zweite 
von  Anskar  sein  wird.  Er  hat  ferner  nachgewiesen,  dafs  die  ein- 
zigen chronologisch  bestimmten  Nachrichten  787  und  789  wörtlich 
ebenso  im  Chron.  Moissiacense  stehen,  einige  Worte  über  Widukind 
aber  nicht  nur  da,  sondern  auch  in  den  Ann.  Laureshamenses.  So 
ergiebt  sich  auch  hieraus,  dafs  dem  Chron.  Moissiac.  ein  vollstän- 
digerer Text  der  Ann.  Lauresham.  vorgelegen  hat;  die  Herkunft  der 
speciellen  sächsischen  Nachrichten  aber  vermuthet  Dehio  in  einer 
Aufzeichnung,  welche  auch  in  den  von  Adam  angeführten  liber 
donationum  Bremensis  ecclesiae  aufgenommen  sein  möchte, 
ein  Buch,  welches  nach  V.  Ansk.  c.  41  von  Anskar  angelegt  sein 
dürfte.  Doch  vermuthet  Simson,  Forsch.  XIX,  134,  einfach  die 
Lauresham.  in  vollständigerer  Form  als  Quelle. 

Wir  gedachten  schon  oben  der  grofsartigen  Idee  Kaiser  Karls, 
an  den  äufsersten  Grenzen  seines  Reiches  Metropolen  zu  errichten, 
welche  das  Christenthum  weit  über  die  Marken  hinaus  tragen  und 
den  geistlichen  Einflufs  des  Kaiserthums  dahin  erstrecken  sollten, 
wo  man  seine  Waffen  nicht  mehr  fürchtete.  Das  Heidenthum  war 
der  christlichen  Kirche  unversöhnlicher  Feind,  es  hing  genau  zu- 
sammen mit  der  alten  freien  Gemeiudeverfassung,  und  aus  beiden 
entsprangen  die  unablässigen  Raubzüge,  von  denen  die  germanischen 
Nationen  jetzt  abgelassen  hatten,  vor  denen  sie  nun  aber  in  ihren 
gefährdeten  Grenzen  keine  Ruhe  fanden,  bis  die  Ausbreitung  des 
Christenthums  dem  alten  Unwesen  ein  Ende  machte. 

Hamburg  war  dazu  bestimmt,    der  kirchliche  Mittelpunkt   des 

!)  V.  Willehadi  aucL  Anskario  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  378—390.  Ueber- 
setzt  von  Laurent,  1856.  1888.  Geschichtschr.  14  (VIII,  3).  Hs.  in  einem 
alten  Sanctgaller  Catalog,  NA.  X,  169.  Ebert  II,  340.  Hauck  II,  318 
bis  320. 

2)  G.  Dehio,  Gesch.  des  Erzb.  Hamburg-Bremen  bis  zum  Ausgang  der 
Mission  (Berl.  1877)  Ib  S.  51—53.  Alcuin  läfst  789  „dilectissimum  meum 
Uilhaed  episcopum"  grüfsen,  ep.  13  Jaffe. 


248  II-    Karolinger.     §  15.    Sachsen. 

Nordens  zu  werden1).  Ludwig  achtete  nicht  auf  den  unausgeführt 
gebliebenen  Gedanken  seines  Vaters;  als  aber  der  flüchtige  Dänen- 
könig Harald  die  Taufe  verlangte  und  Anskarius  oder  Ansgarius, 
der  ihn  als  Lehrer  der  Seinen  begleitete,  bald  auch  auf  Schweden 
seine  "Wirksamkeit  ausdehnte,  da  wurde  der  alte  Plan  wieder  auf- 
genommen und  Anskar  831  zum  Erzbischof  von  Hamburg  geweiht. 
Doch  fehlte  Karls  starke  Hand  zum  Schutze  der  neuen  Schöpfung, 
welche  dem  in  Dänemark  und  Schweden  neu  erstarkten  Heiden- 
thume  gegenüber  keine  erhebliche  Wirksamkeit  gewinnen  konnte. 
Die  Reichstheilung  entzog  Anskar  die  Einkünfte  der  ihm  angewie- 
senen Zelle  Turholt  in  Flandern,  und  845  wurde  Hamburg  selbst 
von  den  Dänen  verwüstet.  Da  vereinigte  Ludwig  der  Deutsche 
847  das  erledigte  Bisthum  Bremen  mit  dem  Erzbisthum  und  sicherte 
dadurch  dessen  Bestand.  Anskarius  konnte  nun  mit  ausreichenden 
Mitteln  seine  Wirksamkeit  fortsetzen  und  starb  nach  einem  Leben 
voll  rastloser  Thätigkeit  am  3.  Febr.  865.  Einst  hatte  er  in  seiner 
Zelle  Turholt  in  Flandern  einen  Knaben  bemerkt,  der  ihm  besonders 
hoffnungsreich  erschien:  es  war  Rimbert,  den  er  zum  Geistlichen 
erziehen  liefs,  und  der  dann  bald  als  sein  treuester  und  liebster 
Jünger  sein  unzertrennlicher  Gefährte,  zuletzt  sein  Nachfolger  wurde. 
Dieser  ist  es,  der  mit  einem  andern  Schüler  Anskars  zusammen2) 
in  Hamburg  das  Leben  des  Meisters  bald  nach  dem  Tode  desselben 
geschrieben  hat3),  voll  warmer  und  inniger  Liebe,  zugleich  aber 
reicher  an  Inhalt  als  die  Mehrzahl  der  übrigen  Biographieen  ähn- 
licher Art.  Anskars  Leben  gehört  ohne  Frage  zu  den  bedeutend- 
sten Quellenschriften  des  Mittelalters;  die  ganze  reiche  Wirksamkeit 
des  glaubensstarken  Erzbischofs,    das  volle  Bild  seiner   grofsartigen, 

*)  Rimberts  bestimmte  Angaben  über  Karls  Absicht  zu  bezweifeln,  sehe 
ich  keinen  Grund,  wenn  auch  zuzugeben  ist,  dafs  sie  keine  völlig  genügende 
Sicherheit  gewähren. 

2)  Diese  Angabe  der  V.  Rimb.  c.  9  bekämpft  Koppmann:  Die  mittel- 
alterlichen Geschichtsquellen  in  Bezug  auf  Hamburg  (1868)  S.  25.  36 — 38. 
Doch  scheint  mir  der  Verfasser  jener  Vita  noch  eine  bestimmte  Ueber- 
lieferung  gehabt  zu  haben,  und  eine  Ungleichheit  im  Stil  braucht  deshalb 
nicht  hervorzutreten. 

»)  V.  Rimb.  c.  9.  Adam  Br.  I,  36.  V.  Anskarii,  MG.  II,  683—725, 
herausgegeben  von  Dahlmann,  der  in  den  Anmerkungen  leider  noch  das 
unechte  Chron.  Corbejense  benutzt  hat.  Octavausgabe  v.  Waitz  1884;  vgl. 
die  Bemerkungen  von  Kunik,  Forsch.  XXIV,  191 — 197.  Uebersetzt  von 
Laurent,  1856.  1889.  Geschichtschr.  22  (IX,  7).  Ueber  die  neueren  Bear- 
beitungen s.  H.  A.  Schumacher  im  Brem.  Jahrbuch  II,  444 — 468,  und  jetzt 
ausführlich  über  diese  und  über  A.  überhaupt  G.  Dehio  a.  a.  0.  Ebert  II, 
341 — 343.  Anskars  Pigmenta  (Gebete  zu  den  Psalmen)  hat  Lappenberg 
herausgegeben,  Ztschr.  f.  Hamb.  Gesch.  II,  1  ff.  Vgl.  Koppmann,  Allg.  D. 
Biogr.  I,  480—483.     Hauck  II,  617  ff. 


Anskar.     Rimbert.     Corvey.  249 

kindlich  dernüthigen  und  doch  so  verständigen  Persönlichkeit  tritt 
uns  lebensvoll  darin  entgegen,  und  über  die  Zustände  des  Nordens 
verbreiten  die  einfachen  und  zuverlässigen  Aufzeichnungen  Rimberts 
das  erste  Licht.  Dafs  auch  Träume,  Visionen,  Wunder  einen  grofsen 
Raum  darin  einnehmen,  liegt  in  der  Natur  der  Verhältnisse;  ge- 
schrieben wurde  das  Buch  für  die  Mönche  des  Klosters  Corbie,  aus 
dem  Anskar  hervorgegangen  war,  dessen  Mönche  ihn  begleitet 
hatten,  und  diesen  lag  mehr  daran,  ihren  grofsen  Klosterbruder  als 
einen  Heiligen  geschildert  zu  sehen,  als  von  den  nordischen  Heiden 
genaue  Nachrichten  zu  erhalten.  Man  darf  es  bei  der  Beurtheilung 
dieser  Litteratur  nie  vergessen,  dafs,  was  wir  am  meisten  darin  zu 
finden  wünschen,  gewöhnlich  von  den  Verfassern  wie  von  den  Lesern 
als  Nebensache  betrachtet  wurde. 

Hier  aber  brachte  es  die  ganze  Art  der  Thätigkeit  Anskars  mit 
sich,  dafs  auch  die  äufseren  Verhältnisse,  in  denen  er  sich  bewegte, 
geschildert  werden  mufsten,  und  uns  zum  Glück  hat  Rimbert  vieles 
von  dem,  was  er  berichtet,  selbst  mit  durchlebt  und  gesehen.  Darum 
reiht  sich  dieses  Leben  dem  früheren  Severins,  dem  späteren  des 
Otto  von  Bamberg  an.  Unbedeutend  dagegen  ist  des  wackeren 
Rimbert  eigene  Lebensbeschreibung1),  von  unbekanntem  Verfasser. 
Geschrieben  ist  sie  zu  Lebzeiten  seines  Nachfolgers  Adalgar,  der 
von  888  bis  909  Erzbischof  war. 


§  16.     Fortsetzung.     Corvey.     Gandersheim. 

In  Fulda,  wie  in  Friesland,  in  Münster  und  Bremen,  waren  es 
Angelsachsen,  welchen  die  Grundlagen  der  neuen  Entwicklung  ver- 
dankt wurden;  bei  Anskar  aber  war  ein  solcher  Einflufs  nicht  nach- 
zuweisen. Von  Kindheit  an  im  Kloster  Corbie  an  der  Somme  erzogen, 
übernahm  er  dort  schon  früh  die  Leitung  der  Klosterschule  und 
wurde  dann  der  erste  Vorsteher  der  Schule  in  dem  neu  gegründeten 
Tochterkloster  Corvey  in  Sachsen. 

Diese  Stiftung  war  eine  Frucht  der  nicht  blofs  äufserlich  durch 
Zwang  und  Eroberung,  sondern  auch  innerlich  vollzogenen  Einigung 
des  fränkischen  und  des  sächsischen  Stammes.  Schon  König  Pippins 
Bruder   Bernhard    hatte    eine    sächsische   Gemahlin    und   Bernhards 


])  V.  Rimberti  ed.  Pertz,  MG.  II,  764—775.  Ausg.  von  Waitz  mit  der 
V.  Anskarii.  Uebersctzt  von  Laurent  1856.  1889  mit  Anskars  Leben.  Brief 
von  Ratramnus  an  Rimbert  über  die  Hundsköpfe  in  Hilgenfelds  Zts.  f. 
wiss.  Theol.  1881.     Ein  zweiter  bei  Wilmans  Kaiserurkk.  I,  566. 


250  II«    Karolinger.     §  16.    Corvey.     Gandersheim. 

Söhne,  Adalhard  und  Wala,  nahmen  sich  eifrigst  der  Bekehrung 
und  Belehrung  ihres  Volkes  an. 

Adalhard  hatte  Karls  Hof  verlassen,  als  dieser  die  Tochter 
des  Königs  Desiderius  verstiefs,  war  in  Corbie  Mönch  geworden,  und 
weil  hier  die  Besuche  seiner  vornehmen  Verwandten  die  klösterliche 
Ruhe  störten,  nach  Montecassino  entwichen.  Aber  Karl  rief  ihn  von 
da  zurück;  er  wurde  Abt  von  Corbie  und  mufste  von  neuem  an  den 
Reichsgeschäften  Theil  nehmen.  Namentlich  hat  er  läügere  Zeit  hin- 
durch eine  sehr  bedeutende  Stellung  in  Italien  eingenommen.  Wala 
aber  war,  als  Karl  starb,  über  Sachsen  gesetzt. 

Karl  wünschte  aus  den  Sachsen  selbst  Lehrer  des  Christen- 
thums  zu  erziehen,  und  deshalb  hatte  er  gefangene  und  als  Geiseln 
übergebene  Sachsenknaben  in  verschiedene  Klöster  vertheilt;  viele 
derselben  waren  Adalhards  Obhut  in  Corbie  übergeben,  und  dieser 
gedachte  in  Sachsen  selbst  ein  Kloster  zu  gründen,  aber  seine  Sen- 
dung nach  Italien  verhinderte  die  Ausführung.  Als  Ludwig  zur 
Regierung  kam  und  mit  dem  kleinlichsten  Hasse  die  Staatsmänner 
seines  Vaters  verfolgte,  wurde  Adalhard  nach  Noirmoutiers  ver- 
bannt1), Wala  aber  Mönch  in  Corbie.  Dieser  betrieb  nun  mit  dem 
gröfsten  Eifer  die  Stiftung  eines  Klosters  unter  dem  Volke,  dem  er 
durch  seine  Mutter  angehörte;  schon  815  wurde  zu  Hethis  im  Sol- 
ling2)  eine  Celle  erbaut,  aber  der  Ort  war  ungünstig  und  das  neue 
Kloster  fing  erst  an  zu  gedeihen,  als  Adalhard  wieder  Einflufs  ge- 
wonnen hatte  und  Kaiser  Ludwig  822  die  Stiftung  und  den  Neubau 
auf  dem  Königshofe  Höxter  gestattete3).  Hier  erblühte  nun  die 
neue  Corbeja,  wohin  auch  Ansgar  damals  als  Lehrer  ging,  rasch  und 
kräftig;   nach   Adalhards  Tod   (2.  Januar   826)   wurde   Warin4)   zum 

*)  Dort  liefs  er  die  Historia  tripartita  absehreiben:  „Hie  codex  Hero 
insula  scriptus  fuit  jubente  sancto  patre  Adalhardo  dum  exularet  ibi". 
Mab.  de  re  dipl.  tab.  V.  Jetzt  ist  die  Hs.  in  Petersburg,  NA.  V,  248; 
eine  andere  S.  252.  —  Ein  prächtiges,  auf  Befehl  Rodrads  von  Corbie  853 
für  B.  Hilnierad  von  Amiens  geschriebenes  Sacramentar  beschreibt  Delisle, 
Sacram.  p.  123. 

2)  Dahin  gehört  das  in  Pfeiffers  Germania  e  cod.  Vat.  gedr.  Möncbs- 
verzeichnifs  s.  IX.  nach  Enck  in  der  Zts.  f.  vat.  Gesch.  Bd.  37,  Münster  1879. 

3)  So  Simson,  Ludw.  d.  Fr.  H,  266.  Wilmans  Kaiserurkunden  I,  463  ff., 
scheint  der  V.  Adalhardi  zu  viel  Glauben  geschenkt  zu  haben,  und  über- 
schätzte Alter  und  Autorität  der  Fundatio  Corbejensis,  gedr.  ib.  I,  507. 
Vgl.  Rodenberg,  Die  Vita  Walae,  S.  97 — 104.  Gegen  beide  verwirft 
Holder-Egger  in  der  neuen  Ausg.  SS.  XV,  2,  1043—1045,  die  Annahme 
einer  älteren  Gründungsgeschichte,  er  sieht  in  der  2.  Form  nur  eine  Er- 
weiterung der  ersten.  Diese,  kurz  vor  1158  geschrieben,  wurde  zu  den 
Zusätzen  zu  Thietmar  benutzt,  welche  der  Annalista  Saxo  aufnahm. 

4)  Ihm  widmete  Paschasius  Radbertus  zwei  seiner  Schriften,  Ebert  II, 
232.  235.    NA.  IV,  304. 


Adalhard  und  Wala.  251 

Abt  erwählt.  Auch  er  hatte  bereits  das  Schwert  geführt  und  erst 
im  späteren  Alter  mit  der  Mönchskutte  vertauscht.  Im  Jahre  830 
empfing  er  in  seinem  Kloster  einen  vornehmen  Gast,  Hilduin,  den 
Abt  von  St.  Denis,  der  nach  Corvey  verbannt  war.  Die  liebevolle 
Aufnahme,  welche  dieser  bei  Warin  fand,  dankte  er  ihm  später 
nach  seiner  Rückkehr  durch  ein  kostbares  Geschenk,  den  Leib  des 
heiligen  Veit,  der  836  nach  Corvey  gebracht  und  hinfort  als  der  Hort 
und  Schutz  des  sächsischen   Volkes  betrachtet  wurde. 

Ueber  diese  Ereignisse  berichtet  uns  ein  ungenannter  Möuch  von 
Corvey  in  der  Erzählung  von  der  Uebertragung  des  heiligen 
Veit1),  der  er  selbst  beigewohnt  hatte.  Es  kann  wohl,  obgleich 
Jaffe  es  nicht  gelten  lassen  wollte,  nicht  zweifelhaft  sein,  dafs  dem 
Bericht  von  der  Uebertragung  und  den  Wundern  die  Erzählung  der 
Stiftung  des  Klosters  erst  nachträglich  vorangestellt  ist,  doch  ver- 
muthlich  von  demselben  Verfasser  oder  mindestens  einem  Zeit- 
genossen. In  Corbie  dagegen  schrieb  Radbert,  mit  dem  Beinamen 
Paschasius,  einer  der  bedeutendsten  unter  den  gelehrten  Theologen 
dieser  Zeit2),  das  Leben  der  Brüder  Adalhard  und  Wala,  jedoch  so 
überladen  mit  rednerischem  Schmuck,  dafs  die  Thatsachen  nur  müh- 
sam herauszufinden  sind.  Adalhards  Leben3)  ist  bald  nach  seinem 
Tode,  noch  bei  Lebzeiten  des  Wala  geschrieben;  es  ist  eigentlich 
nur  eine  Todtenklage,  nach  Traube's  Vermuthung  mit  dem  Rotulus 
an  die  verbrüderten  Klöster  versandt,  und  nachträglich,  als  Wala 
nicht,  wie  er  gewünscht,  Abt  von  Corvey  geworden  war,  mit  Zu- 
sätzen versehen.  Die  hinzugefügte  Egloga,  ein  Wechselgesaug  der 
alten  und  der  neuen  Corbeja,  ist  ohne  die  Vita  unverständlich  und 
gehört  nothwendig  dazu.     Schwülstiger  und  sclrwer  verständlich   ist 

1)  Historia  Translationis  S.  Viti  ed.  Papebroch,  Acta  SS.  Jun.  II,  1029  bis 
1037.  Pertz  MG.  II,  576—585  wiederholte  die  ältere  Ausgabe  Mabillons, 
welcher  der  Prolog  fehlt;  Handschriften  fehlen.  Neue  kritische  Ausgabe 
von  Jaffe,  Bibl.  I,  1 — 26.  Uebers.  v.  Grandaur  1888  nach  V.  Eigilis. 
Vgl.  Enck:  De  S.  Adalhardo  abb.  (Diss.  Monast.  1873)  S.  60:  Translatio 
S.  Viti  quo  tempore  scripta  quaeque  ei  fides  tribuenda  esse  videatur. 
Ebert  II,  336 — 338.  Der  Verfasser  hat  die  V.  Adalhardi  schon  benutzt. 
Späten  Ursprungs  und  kaum  brauchbar  ist  S.  Justini  translatio  Roma  Cor- 
bejam  891,  wozu  949  sein  Kopf  von  Magdeburg  kam  ed.  Meibom  SS.  I, 
709;  cfr.  Acta  SS.  Aug.  I,  33. 

2)  Ueber  ein  Citat  aus  Senecas  ludus  de  morte  Claudii  s.  F.  Jonas 
im  Hermes  VI,  126.  Dümmler,  NA.  IV,  301—305.  Ebert  II,  230-244; 
ib.  244—247  über  Ratram,  Mönch  von  Corbie.  Epitaph  des  Abts  Ratold 
(986)  NA.  V,  622.  —  V.  Pascasii  Radberti  aus  d.  12.  od.  13.  Jahrh.  ed. 
Holder-Eggcr,  SS.  XV,  452-454. 

3)  Acta  SS.  Jun.  I,  96—111.  Mab.  IV,  1,  308-344.  Excerpte  MG.  II, 
524—532.  Die  Egloga  mit  anderen  Versen  Radberts  ed.  Traube,  Poet. 
Lat.  III,  38—53;  vgl.  dens.  0.  Roma  nob.  S.  310—312. 


252  H-    Karolinger.     §  16.    Corvey.     Gandersheim. 

das  Leben  des  Wala1)  (f  836),  welches  in  Nachahmung  des  Cicero2) 
in  Gesprächsform  verfafst  und  aus  Furcht  vor  dem  Kaiser  und  Karl 
dem  Kahlen  in  absichtliche  Dunkelheit  gehüllt  ist;  aufserdem  war 
der  Verfasser  nichts  weniger  als  unbefangen  und  folgte  zur  Verherr- 
lichung seines  Helden  und  zur  Erbauung  seiner  Leser,  wie  billig, 
kirchlichen  Gesichtspunkten,  politische  lagen  ihm  fern. 

Natürlich  begannen  schon  unter  Adalhard  Schenkungen  dem 
neuen  Kloster  zuzuströmen;  diejenigen  Traditionen,  über  welche 
eigene  Urkunden  nicht  ausgestellt  waren,  was  damals  noch  selten 
geschah,  wurden  bis  1037  auf  eine  Rolle  geschrieben  und  von  dieser 
durch  den  Bruder  Johannes  abgeschrieben.  Es  begegnete  ihm  aber 
dabei  das  Unglück,  dafs  er  mit  der  Rückseite  anfing,  weshalb  die 
ältesten  Traditionen  unter  Adalhard  erst  §  225  beginnen3). 

Verloren  sind  uns  leider  Adalhards  Briefe,  und  nur  in  einem 
Auszuge  Hinkmars  erhalten  seine  Schrift  über  die  Hofordnung 
Karls  des  Grofsen4),  welche  auch  so  noch  zu  den  lehrreichsten 
Denkmälern  dieser  Zeit  gehört,  deren  Zuverlässigkeit  aber  durch  die 
Ueberarbeitung  ungewifs  geworden  ist.  Hinkmar  war  nämlich  damals 
aus  seiner  einflufsreichen  Stellung  verdrängt  und  sehr  unzufrieden; 
er  kämpfte  vergeblich  für  die  Unabhängigkeit  der  Bischofswahlen 
und  klagte  über  den  ungeordneten  Einflufs  von  Günstlingen.  Deshalb 
stellte  er  hier  Karlmann,  dem  Sohne  Ludwigs  des  Stammlers,  882  ein 
ideales  Bild  der  guten  alten  Zeit  vor  Augen.  Mit  der  Wahrheit 
nimmt  Hinkmar  es  auch  sonst  nicht  eben  genau,  und  Vorsicht  ist 
daher  dringend  geboten.  Im  allgemeinen  aber  entspricht  die  Dar- 
stellung den  wirklichen  Verhältnissen,  wie  sie  uns,  freilich  unvoll- 
kommen genug,  aus  Karls  Zeit  bekannt  sind. 

Das  Andenken  Wala's  hat  sich,  wie  R.  Wilmans  sehr  scharf- 
sinnig nachgewiesen  hat,  in  dem  Nonnenkloster  Herford,  einer  von 

1)  Mab.  IV,  1,  455—522.  Excerpte  MG.  II,  533-569.  Vgl.  Himly, 
Wala  et  Louis  le  Debonnaire,  Paris  1849.  C.  Rodenberg:  Die  Vita  Walae 
als  hist.  Quelle,  Gott.  1877.  Dass  I,  9  unter  „Virgilius  ille  tuus"  Ausonius 
zu  verstehen  sei,  hat  B.  Simson  nachgewiesen,  s.  NA.  XII,  428.  —  Gedichte 
des  Engeknod  von  Corbie  ed.  Traube,  Poet.  Lat.  III,  54—66. 

2)  Nach  Traube,  Poet.  Lat.  III,  42. 

3)  Nachgewiesen  von  H.  Dürre:  Ueber  die  angebliche  Ordnungslosig- 
keit  und  Lückenhaftigkeit  der  Traditiones  Corbejenses,  im  Progr.  d.  Gymn. 
in  Holzminden,  1877,  und  Zts.  f.  Westf.  Gesch.  Bd.  36.  Ausgabe  von 
Wigand  1843. 

4)  Hincmari  epistola  de  ordine  palatii,  gedr.  u.  a.  in  Walters  Corp.  Jur. 
Germ.  III,  761—772.  Gengier,  Germ.  Rechtsdenkmäler,  S.  692.  Migne 
CXXV.  Ausg.  v.  Prou,  Bibl.  de  FEcole  des  hautes  etudes  58.  1884.  Vgl. 
Pernice,  De  Comitibus  palatinis  (1863)  p.  47—50.  C.  v.  Noordeu,  Hink- 
mar S.  385.     Waitz,  Verfassungsgesch.  III,  412. 


Translationen.  253 

derselben  Familie  ausgegangenen  Stiftung,  erhalten.  Man  nannte  ihn 
Wal  der  oder  Waltger,  und  Wigand,  ein  Landpfarrer,  vielleicht 
von  Kirchdornberg,  schrieb  im  13.  Jahrh.  seine  Legende,  in  welcher 
freilich  von  der  wirklichen  Geschichte  nur  noch  schwache  Spuren 
geblieben  sind1). 

Das  Leben  der  Ida,  der  Mutter  Warins  (welche  Verwandtschaft 
aber  sehr  zweifelhaft  ist),  ist  erst  auf  Anlafs  ihrer  Erhebung  980 
durch  den  Bischof  Dodo  von  Münster  unter  Abt  Liudolf  von  Uffing, 
einem  Werdener  Mönche,  geschrieben  und  erscheint  wenig  glaub- 
würdig2). 

Einige  Nachrichten  über  diese  ersten  geistlichen  Stiftungen  im 
Sachsenlande  sind  uns  ferner  noch  erhalten  in  den  Berichten  über 
die  Erwerbung  und  Uebertragung  der  Reliquien,  welche  zu  ihrem 
Gedeihen  nun  einmal  unerläfslich  waren;  so  erhielt  Herford  860 
die  heilige  Pusinna3),  Paderborn  schon  836  aus  Le  Mans  den 
h.  Liborius4);  die  Erzählungen  davon  sind  aber  erst  gegen  das 
Ende  des  neunten  Jahrh.  verfafst,  die  letztere  durch  den  Bischof 
Biso,  einen  Zeitgenossen  des  Kaisers  Arnulf  veranlafst,  während  die 
Uebertragung  ein  Werk  des  Bischofs  Badurad  war.  Ein  gleiches 
Yerhältnifs  beider  Bischöfe  begegnet  uns  darin,  dafs  zu  Badurads 
Zeit  Mainulf,  ein  vornehmer  Sachse,  Canonicus  in  Paderborn  ge- 
worden war  und  das  Nonnenkloster  Boeddeken  gestiftet  hatte, 
Biso  aber  dessen  Leib  feierlich  erheben  liefs,  vermuthlich  auch  eine 
Lebensbeschreibung  veranlafste.  Diese  ist  jedoch  verloren;  wir  be- 
sitzen nur  eine  Ueberarbeitung,  welche  von  dem  Verfasser  Sigeward 
einem  nicht  näher  bezeichneten  Albinus  zugeeignet  ist.  Der  Her- 
ausgeber C.  Byeus  vermuthet  in  jenem  den  Abt  von  Fulda  (1039  bis 
1043)  vor  seiner  Erhebung  zur  Prälatur,  wofür,  wie  Holder-Egger 
bemerkt,  keinerlei  Gründe  vorhanden  sind,  in  Albin  den  berühmten 
Lehrer  Albwin  von  Hersfeld,  welcher  1043  Abt  von  Nienburg  wurde. 
Die  Sprache  ist  jener  Zeit  angemessen,  Reimprosa  mit  übertriebenem 
Streben    nach   Schönrednerei,    mit  Brocken    aus   Horaz    und   Vergil 

J)  Vita  Waltgeri,  im  Auszug  bei  Heinrich  von  Herford.  Neue,  erste  krit. 
Ausg.  bei  R.  Wilmans  Kaiserurkk.  488—501 ;  dazu  S.  275—318  wichtige 
Untersuchungen  über  die  merkwürdige  Familie  und  ihre  Stiftungen. 

3)  Erste  zuverlässige  Ausgabe  von  R.  Wilmans  a.  a.  0.  469  —  488. 
Vgl.  Hüsing,  Genealogie  der  h.  Ida,  Zts.  f.  vaterl.  Gesch.  38,  Münster  1880. 

3)  Translatio  S.  Pusinnae,  in  berichtigtem  Abdruck  bei  Wilmans  a.  a.  0. 
541—546.  Auszug  SS.  II,  681.  Bei  Henr.  de  Hervordia  ed.  Potthast  p.  59 
sind  noch  mehr  Wunder. 

4)  Translatio  S.  Liborii,  MG.  SS.  IV,  149—157.  Uebers.  von  Gran- 
daur  bei  V.  Eigilis.  Vgl.  Conr.  Mertens :  Der  h.  Liborius.  Sein  Leben, 
seine  Verehrung  u.  seine  Reliquien.     Paderborn  1873. 


254  II-    Karolinger.     §  16.    Corvey.     Gandersheim. 

geschmückt;  es  war  nicht  des  Verfassers  Schuld,  dafs  ihm  geschicht- 
liche Thatsachen  fast  gar  nicht  vorlagen,  und  die  Wundergeschichten, 
welche  er  zu  berichten  hatte,  noch  alberner  waren  als  gewöhnlich 1). 
Auch  das  Leben  der  heiligen  Liutbirg2),  einer  Klausnerin  bei 
Halberstadt,  die  bis  zu  den  Zeiten  König  Ludwig  des  Jüngeren 
(876 — 882)  lebte,  giebt  Kunde  von  dem  Eifer,  mit  welchem  die 
Neubekehrten  sich  der  Kirche  zuwandten,  und  ist  merkwürdig  durch 
die  darin  enthaltenen  Angaben  über  die  Nachkommen  jenes  Hessi, 
des  Fürsten  der  Ostfalen,  welcher  sich  775  Karl  dem  Grofsen  unter- 
worfen hatte. 

Aus  Corvey  aber  sind  uns  noch  Ostertafeln  erhalten,  im  achten 
Jahrhundert  von  angelsächsischer  Hand  geschrieben  und  mit  wenigen 
Bemerkungen  versehen,  zu  welchen  die  Mönche  des  Klosters  im 
Laufe  der  Zeiten  andere  hinzugefügt  haben;  als  Geschichtswerk  kann 
man  diese  kurzen  Notizen  nicht  betrachten,  und  auch  der  materielle 
Inhalt  ist  für  die  vorliegende  Periode  fast  ohne  Bedeutung3).  Da- 
gegen hat  der  Abt  Bovo  (879 — 890),  ein  Neffe  "Warins,  oder  nach 
Wilmans'  Vermuthung  vielmehr  Bovo  II  (900 — 916)  ein  "Werk  ge- 
schrieben, aus  welchem  Adam  von  Bremen  (I,  41)  ein  werthvolles 
Bruchstück  über  die  Normannenschlacht  von  884  erhalten  hat4). 
Er  führt  es  ein  mit  den  Worten:  „de  sui  temporis  actis  scribens 
non  reticuit  dicens",  und  danach  möchte  man  an  ein  Werk  über 
die  Geschichte  seiner  Zeit  denken,  doch  fällt  es  auf,  dafs  nirgend 
sonst  sich  eine  Spur  davon  findet,  auch  Adam  nur  diese  eine  An- 
führung hat.  Die  Hauptsache  ist  das  Verdienst  des  Erzbischofs 
Rimbert,  von  welchem  ein  Brief  über  denselben  Vorfall  in  die  Fulder 
Annalen  aufgenommen  war,  aber  leider  in  unserer  Handschrift  aus- 
gelassen ist.  Adam  bezeichnet  den  Vorgang  als  ein  Wunder,  und 
vielleicht  waren  Wundergeschichten  der  Inhalt  des  Werkes.     Derselbe 

2)  Vita  S.  Mainuty  ed.  Corn.  Byeus,  Acta  SS.  Oct.  III,  209—216.  Dann 
folgt  die  neue  Bearbeitung,  welche  von  Gobelinus  Persona  verfafst  ist,  wie 
Holder-Egger  durch  die  Trierer  Hs.  sichert.  Ausg.  d.  älteren  Vita  SS.  XV, 
411—417. 

2)  Bei  A.  Lang,  De  Sanctis  0.  S.  Benedicti.  B.  Pez  Thes.  II,  3,  146. 
MG.  SS.  IV,  158—164  im  Auszuge. 

3)  Annales  Corbejenses,  MG.  SS.  III,  1—18;  berichtigte  Ausgabe  von 
Jaffe,  Bibl.  I,  28—65,  wo  7  Notizen  809—840  als  Ann.  aut  Monasterienses 
aut  Werthinenses  ausgeschieden  sind.  Von  anderer  Hand  sind  Ann.  Corb. 
822—879  eingetragen,  dann  gleichzeitige  Fortsetzungen  880 — 1117.  Vgl. 
oben  S.  150.  Zu  warnen  ist  vor  der  Verwechselung  mit  dem  unechten 
Chron.  Corbejense.  Ueber  die  werthvolle  ausführlichere  Eintragung  zu  1046 
s.  Steindorff,  Heinrich  III,  I,  480.  Gröfseres  Facs.  mit  den  Veränderungen 
der  Schrift  vom  7.  bis  12.  Jahrh.  in  Wigands  Arch.  f.  Gesch.  Westf.  V. 

4)  Abgesondert  als  Bovonis  de  sui  temporis  actis  fragmentum,  herausge- 
geben von  Jaffe,  Bibl.  1,  27,  vgl.  Wilmans  a.  a.  0.  S.  304. 


Corvey.     Gandersheim.  255 

Boyo  II  zeichnete  sich  durch  seine  Kenntnifs  des  Griechischen  aus, 
und  erregte  allgemeines  Erstaunen,  als  er  dem  König  Konrad  ein 
griechisches  Schreiben  auszulegen  vermochte,  vermuthlich  913,  als 
der  König  das  Kloster  besuchte1).  Wir  besitzen  aber  noch  ein 
"Werk  von  ihm,  welches  durch  Gelehrsamkeit  und  vortreffliche  Lati- 
nität  der  besten  karolingischen  Schule  vollkommen  würdig  ist,  und 
auch  griechisch  geschriebene  Wörter  enthält,  welche  Kenntnifs  der 
Sprache  zeigen,  nämlich  einen  Commentar  zu  Boeth.  de  consol.  phil. 
III  metr.  IX.  Diesen  schrieb  er  auf  den  Wunsch  des  Bischofs  Bovo, 
seines  viel  jüngeren  Blutsverwandten,  der  unter  ihm  in  Corvey  Mönch 
geworden2),  und  jetzt  durch  weite  Länderstrecken  (longinqua  nimis 
terrarum  intercapedine)  von  ihm  getrennt  war;  er  schrieb  ihm  trotz 
schwerer  Sorgen,  „inter  miserias  et  aerumnas,  quas  inter  civilia  bella 
et  paganorum,  ut  prophetice  loquar,  velociores  aquilis  incursiones 
sine  cessatione  patimur"3). 

Begreiflich  ist  es,  dafs  bei  noch  wachsender  Bedrängnifs  auch 
hier  die  Feder  ruhen  mufste,  dafs  von  Bovo's  Ruhm  und  seinen 
Werken  nur  eine  dunkle  Erinnerung  blieb,  und  dafs  eine  neue  Zeit 
erst  anbrach,  als  die  Thaten  der  Ottonen  neuen  Anstofs  zu  schrift- 
stellerischer Thätigkeit  gaben. 

Dasselbe  war  der  Fall  in  einem  andern  Kloster,  welches  den 
Ludolfingern  noch  näher  stand  als  Corvey,  in  Gandersheim,  wo 
Graf  Ludolf  selbst  um  850  eine  ältere  Stiftung  erneuert  hatte  und 
Prinzessinnen  seines  Hauses  als  Aebtissinnen  walteten.  Die  erste, 
bis  zum  Jahre  874,  war  Ludolfs  Tochter  Ha thum od,  deren  Leben 
von  ihrem  Bruder  Agius  beschrieben  wurde,  der  nach  einer  Ver- 
muthung  von  Pertz  wahrscheinlich  Mönch  in  dem  nahe  gelegenen 
Kloster  Lammspring  war,  aber,  wie  Dümmler  bemerkt,  ebenso  gut 
Corvey  angehört  haben  kann.  In  der  Form  ahmte  er,  wie  Traube 
bemerkt4),  das  Vorbild  des  Paschasius  Radbertus  nach,  indem  er 
zu  der   in  Prosa  geschriebenen  Biographie  Elegieen   hinzufügte,    die 


1)  „Qui  Graecas  litteras  coram  Cuonrado  rege  legendo  factus  est  clarus." 
Cod.  Steinveld.  ad  Widuk.  III,  2. 

2)  Nach  dem  sehr  werthvollen,  vom  Beginn  des  Klosters  bis  1146  fort- 
geführten Verzeichnifs  der  Aebte  und  der  unter  jedem  aufgenommenen 
Mönche,  neu  herausgegeben  bei  Jaffe,  Bibl.  I,  66—72,  MG.  SS.  XIII,  274. 
Bovo  war  wahrscheinlich  Bischof  von  Chalons-sur-Marne,  f  947,  Bruder 
der  Königin  Frideruna,  Oheim  des  B.  Berengar  von  Cambrai,  s.  MG.  SS. 
VII,  431,  im  Necr.  Merseb.  zu  Dec.  20,  Neue  Mitth.  XI,  250. 

3)  Herausgegeben  von  A.  Mai,  Class.  Auct.  III,  332 — 342.  Der  Abt  ist 
nur  durch  B.  bezeichnet,  kann  aber  kaum  ein  anderer  sein. 

4)  0  Roma  nobilis,  S.  310. 


256  U*    Karolinger.     §  16.    Corvey.     Gandersheim. 

eine  tiefgefühlte  rührende  Todtenklage  enthalten1).  Sowohl  die  reine 
und  fehlerfreie  Sprache,  die  gewandte  Ausdrucksweise,  der  fliefsende, 
wenn  auch  nicht  ganz  correcte  Versbau,  wie  das  zarte  und  sinnige 
Gemüth  des  Verfassers,  den  die  innigste  Liebesgemeinschaft  mit 
seiner  Schwester  verbunden  hatte,  verleihen  diesen  Schriften  einen 
ganz  besonderen  Reiz;  die  mancherlei  Nachrichten  über  die  ver- 
schiedenen Mitglieder  dieser  zahlreichen  und  ausgezeichneten  Fürsten- 
familie geben  ihnen  aufserdem  noch  einen  gröfseren  Werth  für  den 
Geschichtsforscher. 

Pertz  hat  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dafs  wohl  derselbe 
Agius  jener  sächsische  Dichter  sein  möge,  welcher  Einhards  Jahr- 
bücher metrisch  bearbeitete.  Dieselben  Vorzüge  des  Ausdruckes 
finden  sich  darin  wieder,  und  die  einzige  vorhandene  Handschrift 
stammt  aus  dem  Kloster  Lammspring2).  Doch  ist  sie  kein  Original, 
und  jene  Annahme  nicht  ohne  Bedenken.  Deutlich  aber  bezeichnet 
der  ungenannte  Dichter  sich  als  einen  Sachsen,  den  in  den  ersten 
Jahren  der  Regierung  Königs  Arnulfs  die  Dankbarkeit  gegen  den 
grofsen  Sachsenbekehrer,  welchem  er  nicht  allein  den  Glauben,  son- 
dern auch  die  litterarische  Bildung  allein  verdankte,  zu  dem  Unter- 
nehmen getrieben  habe,  Karls  Leben  und  Thaten  in  Versen  zu  ver- 
herrlichen. Er  hält  sich  dabei  ganz  genau  an  die  Einhardischen 
Annalen  und  an  das  ausdrücklich  citirte  Leben  Karls  von  Einhard, 
welchem  das  letzte,  in  Distichen  verfafste  Buch  entnommen  ist;  nur 
wenige  Schilderungen  aus  eigener  Kenntnifs  beleben  die  reizlose 
Paraphrase.  Von  801  an  haben  ihm  jedoch,  wie  Bernhard  Simson 
nachgewiesen  hat,  jene  Annalen  nicht  mehr  vorgelegen,  sondern 
dürftigere,  den  Hersfelder  verwandte,  vermuthlich  Halberstädter  An- 
nalen, aus  welchen  die  falsche  Angabe  über  den  803  zu  Salz  mit 
den  Sachsen  abgeschlossenen  Frieden  sich  erklärt3).    Puckert  (S.  172 

J)  Agil  Vita  Hatkumodae  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  165—189.  Ueber- 
setzung  von  Rückert,  Stuttg.  1845,  von  Grandaur  bei  Vita  Eigilis.  Be- 
nutzung des  Fortunat,  NA.  IV,  527;  in  der  Prosa  der  V.  Martini  ib.  XIV, 
166.  —  Ausg.  des  Dial.  von  Traube,  Poet.  Lat.  III,  2,  369—388. 

2)  Die  nachträglich  gefundene  Brüsseler  Handschrift  (Archiv  III,  379) 
scheint  der  Lammspringer  zu  entstammen,  wenigstens  hat  sie  dieselben 
Lücken.  Zur  Zeit  des  Probstes  Gerhard  u.  der  Aebt.  Judith  (1178 — 1191) 
schrieb  hier  die  Nonne  Ermengarde  einige  Schriften  des  h.  Augustin  ab, 
Cod.  Heimst.  204,  s.  0.  v.  Heinemanns  Wolfenb.  Catalog  I,  S.   185. 

3)  Poetae  Saxonis  Annales  de  Gestis  Caroli  magni  imperatoris,  ed.  Pertz, 
MG.  I,  225—379.  Wieder  abgedruckt  bei  Migne  XCIX,  683—736.  Jane, 
Bibl.  IV,  542—627.  Ebert  III,  125—129.  Simson,  Der  Poeta  Saxo  und 
der  Friede  zu  Salz,  Forschungen  I,  301 — 326.  Pannenborg  vermuthet,  dafs 
der  Verfasser  der  Gesta  Heinrici  IV  dieses  Werk  gekannt  und  nachgeahmt 
habe.  Brieden,  Geschichtl.  Werth  des  Poeta  Saxo.  Progr.  d.  Laurentia- 
nums  zu  Arnsberg,  1878. 


Agius.     Poeta  Saxo.     Regino.  257 

bis  180)  nimmt  Benutzung  des  verlorenen  Werkes  (oben  S.  226)  in 
einer  Metzer  Bearbeitung  und  Angehörigkeit  des  Verfassers  zu  St. 
Arnulf  in  Metz  an. 


§  17.     Lothringen. 

Richbod  von  Trier  (795 — 804)  ist  als  Schüler  Alcuins  bekannt, 
und  wird  als  ein  Mann  von  gründlicher  Gelehrsamkeit  und  Bildung 
gerühmt;  Alcuin  warf  ihm  vor,  dafs  er  die  Aeneide  besser  kenne, 
als  die  Evangelien.  Ohne  Zweifel  wird  er  sich  um  die  Schulen  in 
seinem  Sprengel  verdient  gemacht  haben.  Auch  Amalarius  (809  bis 
814)  machte  sich  als  Schriftsteller  bekannt1);  an  seinen  Nachfolger 
Hetti  (814 — 847)  schickte  Einhard  mit  einem  freundschaftlichen 
Briefe  (ep.  10,  bei  Jaffe  23)  einen  Theil  seiner  kostbaren  Reliquien, 
vermuthlich  für  die  von  ihm  gestiftete  und  836  eingeweihte  Castor- 
kirche  zu  Koblenz.  Von  ihm  hat  sich  eine  Anleitung  zum  kirch- 
lichen Unterricht  in  Gesprächform  erhalten2);  ihm  zur  Seite  stand 
als  Landbischof  Thegan,  der  schon  erwähnte  Biograph  Ludwigs  des 
Frommen.  Sein  Neffe  und  Nachfolger  war  Thietgaud  (847 — 863), 
Grimalds  Bruder,  aber  sehr  unvorth eilhaft  bekannt  durch  seine  Mit- 
schuld an  Lothars  II  Scheidungsgeschichte.  Am  Ende  des  Jahr- 
hunderts, nach  der  entsetzlichen  Verheerung  durch  die  Normanneu 
882,  war  Ratbod  Erzbischof  (883 — 915),  welcher  den  vertriebenen 
Abt  von  Prüm,  Regino3),  zu  gelehrten  Arbeiten  veranlafste. 

Dieser  Regino  war  von  Jugend  auf  im  Kloster  Prüm  erzogen, 
wo  schon  unter  dem  Abte  Mark  ward  (829 — 853)  litterarische  Thä- 
tigkeit  bemerkbar  wird.  Verwandt  mit  Lupus,  war  nämlich  auch 
Markward  in  Ferneres  Mönch  geworden,  wo  damals  Alderich,  später 
Erzbischof  von  Sens,  Abt  war,  und  nach  Markwards  Erhebung  zum 
Abt  von  Prüm  folgte  sein  Klosterbruder  Ado,  der  als  Erzbischof  von 
Vienne  seine  Neigung  zur  Geschichtschreibung  bewährt  hat,  der  Ein- 
ladung,   eine  Zeit    lang    in  Prüm  zu  wirken.     Markward  selbst  war 

!)  Aufser  verschiedenen  Schriften  kirchlichen  Inhalts  (s.  NA.  XIII, 
305 — 323,  XVII,  456)  schrieb  er  nach  der  Gesandtschaftsreise,  die  er  813 
mit  Abt  Peter  von  Nonantula  nach  Constantinopel  unternahm,  die  dunkeln 
und  in  der  Ueberlieferung  verderbten  Versus  marini,  gedruckt  in  Alcuins 
Werken,  ed.  Froben  II,  525;  Jaffe,  Bibl.  IV,  426;  Dümmler,  Poet. 
Lat.  I,  426. 

2)  Herausgegeben  von  Dr.  Nolte  im  Jahresbericht  d.  Ges.  f.  nütz!. 
Forsch,  in  Trier  f.   1872/73  (1874)  S.  50-58. 

3)  Baehr  S.  184 — 186.  535  —  538.  Dümmler  in  der  Vorrede  zur 
Uebersetzung  der  Chronik.  H.  Ermisch,  Die  Chronik  des  Regino  bis  813, 
Gott.  1872.     Vergl.  unten  S.  260. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen.  I.  6.  Anfl.  17 


258  II-    Karolinger.     §  17.    Lothringen. 

Hüter  und  Lehrer  Karls  des  Kahlen  gewesen,  als  dieser  833  nach 
dem  Siege  Lothars  nach  Prüm  verwiesen  war1);  Lupus  (ep.  85) 
sendet  ihm  Grüfse  von  demselben  und  schickte  ihm  Knaben  zur 
Ausbildung.  Schon  bevor  er  Abt  wurde,  hatte  Lupus  839  das  Leben 
des  h.  Maximin  verfafst  und  seinem  Freunde  Waldo  gewidmet,  viel- 
leicht demselben,  welcher  später  Abt  von  St.  Maximin  wurde  (oben 
S.  236). 

In  Prüm  verfafste  auf  Markwards  Veranlassung  Wandalbert 
(geb.  813)  839  die  geschichtlich  nicht  ganz  unwichtigen  Wunder  des 
heiligen  Goar,  welche  er  zu  der  Ueberarbeitung  der  alten  Legende 
hinzufügte;  den  Schlufs  bildet  ein  ausführlicher  Bericht  über  die 
Erwerbung  der  Cella  S.  Goaris  durch  Verleihung  Pippins  und  Be- 
stätigung Karls  des  Grofsen  2).  Auch  besitzen  wir  von  Wandalbert 
das  schon  oben  (S.  60)  erwähnte  metrisch  bearbeitete  Martyrologium, 
welches  er  auf  Antrieb  eines  sonst  nicht  bekannten  Otricus  begann, 
als  er  sich  in  Cöln  aufhielt,  und  nachdem  es  vollendet  war,  mit 
einer  Commendation  an  Lothar  versah,  5  lustra  nachdem  dieser 
Kaiser  geworden,  also  848.  Die  künstlichen  Versmafse  der  dazu 
gehörigen  Gedichte  zeugen  von  seiner  Gelehrsamkeit,  und  während 
die  Hauptmasse  ihrer  Natur  nach  fast  reine  Prosa  ist,  bieten  uns 
namentlich  die  Beschreibungen  der  Monate  anziehende  Schilderungen 
ländlicher  Beschäftigung  in  leicht  fliefsenden  Versen3).  Markward 
aber  übertrug  im  Jahre  844  die  Gebeine  der  heiligen  Chrysanthus 
und  Daria  nach  Münstereifel,  welches  damals  zu  Prüm  gehörte; 
Theganbert  oder  Thegan  war  es,  der  sie  hier  am  25.  October  feierlich 
beisetzte,  und  der  Abt  versäumte  nicht,  für  die  Aufzeichnung  dieser 
Begebenheit  zu  sorgen  oder,  wie  Holder-Egger  vermuthet,  sie  selbst 
aufzuzeichnen4).  Unter  Abt  Eigil  (853 — 860)  brachte  der  Tod  des 
Kaisers  Lothar  in  der  Kutte  eines  Prümer  Mönches  dem  Kloster 
hohen  Ruhm  und  reiches  Gut;  Eigil  selbst,  ein  gelehrter  Mann,  an 
den  Hraban    eine    Abhandlung    gerichtet    hat,    entsagte    860    seiner 

x)  Vgl.  darüber  B.  Simson,  Ludwig  d.  Fr.  II,  63  Anm.  2. 

2)  Die  werthlose  alte  Vita  S.  Goaris  bei  Mab.  II,  276  —  280;  dann  folgt 
die  von  Wandalbert  mit  den  Wundern.  Miracula  S.  Goaris,  ed.  Holder- 
Egger,  SS.  XV,  361-373,  mit  der  Vorrede  der  Vita. 

3)  S.  über  ihn  Dümmler,  NA.  IV,  305—312;  Ebert  II,  185—191;  das 
Martyrol.  Poet.  II,  567 — 622.  Die  von  Rettberg  bezweifelten  Verse  über 
die  Cölner  Märtyrerinnen  sind  sieher  echt.  Uebersetzung  der  Verse  über 
die  Monate  von  Paul  Herzsohn  in  d.  Westd.  Zts.  I,  277 — 290. 

4)  Historia  translationis  Chrisantlri  et  Dariae,  Mab.  IV,  1,  611 — 618. 
Acta  SS.  Oct.  XI,  490—495  ed.  B.  Bossue,  Annalen  f.  d.  Gesch.  d.  Nieder- 
rheins XX,  96—217,  Ausg.  u.  Abhdlg.  von  Flofs.  Auszug  MG.  SS.  XV, 
373.  " 

0F  Mt. 
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MICHAEL'S        N    ^ 
LLEGE  5* 


Prüm.     Wandalbert,     ßegino.  259 

Würde,  vielleicht,  wie  Mabillon  vermuthete,  weil  er  die  Entscheidung 
gegen  Thietberga  unterzeichnet  hatte.  Er  folgte  dann  einer  Ein- 
ladung Karls  des  Kahlen  und  erhielt  die  Abtei  Flavigny,  wohin  er 
864  von  Alise-Sainte-Reine  die  h.  Regina  übertrug;  die  Geschichte 
der  Uebertragung  sammt  den  Wundern  liefs  er  aufzeichnen,  nach- 
dem er  865  Erzbischof  von  Sens  geworden  war1). 

Auch  Annalen  sind  um  diese  Zeit  in  Prüm  geschrieben;  anfangs 
aus  älteren  Annalen  ausgezogen,  bringen  sie  locale  Nachrichten  bis 
860,  bis  zu  welchem  Jahre  sie  in  Stablo  ausgeschrieben  sind,  und 
wurden  dann  in  Prüm  bis  922  fortgeführt;  damals  hat  sie,  wie  es 
scheint,  der  zum  Bischof  von  Lüttich  erhobene  Abt  Richarius  nach 
Lüttich  mitgenommen,  wo  sie  weiter  fortgesetzt  wurden.  Aus  der 
Chronik  des  Regino  sehen  wir,  dafs  es  ein  ausführlicheres  Exemplar 
dieser  Annalen  gegeben  haben  mufs,  welches  Regino  benutzte2). 

Allein  im  Jahre  882  und  noch  einmal  892  erlag  auch  dieses 
herrliche  Kloster  den  räuberischen  Dänen;  der  Abt  Farabert  legte 
nach  der  Zerstörung  desselben  sein  Amt  nieder,  und  zu  seinem 
Nachfolger  wurde  Regino  gewählt.  Aber  die  Parteikämpfe,  welche 
damals  Lothringen  zerrissen,  liefsen  auch  ihm  keine  Ruhe;  er  mufste 
899  seinen  Gegnern  weichen,  und  fand  eine  Zuflucht  in  Trier,  wo 
er  im  Kloster  St.  Maximin  915  bestattet  ist3).  Der  Erzbischof  über- 
gab ihm  das  ebenfalls  von  den  Normannen  verwüstete  Martinskloster, 
welches  unter  seiner  Leitung  hergestellt  sein  soll4);  vorzüglich  aber 
scheint  er  sich  seiner  Gelehrsamkeit  bei  der  Verwaltung  seines 
kirchlichen  Amtes  bedient  zu  haben.  Oft,  sagt  Regino,  habe  er 
gesehen,  wie  der  Erzbischof  sich  erzürnt  habe  über  den  unmelodi- 
schen und  fehlerhaften  Gesang  in  den  Chören  seiner  Sprengel,  zu 
welchen  er  ihn  also  vermuthlich  auf  Visitationsreisen  begleitet  hat. 
Und  wie  er  diesem  Mangel  durch  seine  Schrift  de  harmonica  Insti- 
tutionen) abzuhelfen  suchte,  so  verfafste  er  auf  Ratbods  Wunsch  sein 

*)  Translatio  S.  Reginae  bei  Mab.  IV,  2,  238,  Acta  SS.  Sept.  III,  40, 
nebst  einer  Urk.  Eigils  über  eine  daran  sich  schliefsende  Stiftung  zu  Corbi- 
niacum.     Auszug  v.  Holder-Egger  SS.  XV,  1,  449 — 451. 

2)  Annales  Prumienses  a.  122—1044  ed.  0.  Holder-Egger,  SS.  XV,  2, 
1289—1292.  Es  folgen  noch  Ann.  Prüm,  brevissimi  a.  906—919.  1226  bis 
1238.     Vgl.  F.  Kurze,  NA.  XV,  318. 

3)  Weil  sein  Grabstein  da  gefunden  ist,  hat  man  geglaubt,  dafs  er  in 
diesem  Kloster  Aufnahme  gefunden  habe,  aber  es  lag  damals  nach  der 
Verwüstung  durch  die  Normannen  in  Trümmern. 

4)  Vita  S.  Magnerici,  MG.  SS.  VIII,  208;  vgl.  Archiv  III,  291.  Regino 
soll  nach  späteren  Aufzeichnungen  aus  Altrip  am  Rhein  gebürtig  sein. 

5)  Gedruckt,  doch  ohne  den  tonarius,  bei  Gerbert,  SS.  eccl.  de  musica 
sacra  I,  230 — 247.  Neue  Ausg.  mit  Facs.  des  tonarius  bei  Coussemaker, 
Scriptores  de  Musica  Medii  Aevi  Paris  (1867)  II,  1 — 73.    Hs.  s.  X.  in  Brüssel 

17* 


260  II-    Karolinger.     §  17.    Lothringen. 

umfassendes  und  lehrreiches  Werk  über  die  Kirchenzucht  zu  dem 
praktischen  Zwecke,  bei  Visitationen,  welche  wegen  der  argen  Ver- 
wilderung der  Geistlichkeit  wie  der  Laien  dringend  nothwendig  waren, 
alle  erforderlichen  Vorschriften  des  canonischen  Rechtes  in  mäfsigem 
Umfang  darzubieten  l).  Diese  um  906  unternommene  Schrift  widmete 
er  Hatto  von  Mainz,  dem  damaligen  Regenten  des  Reichs;  an  den 
Erzieher  des  jungen  Königs,  den  gelehrten  Bischof  Adalbero  von 
Augsburg,  sandte  er  908  seine  Chronik  von  Christi  Geburt  bis  zum 
Jahre  906.  Dieses  Werk  verdient  unsere  Beachtung  als  einer  der 
frühesten  Versuche  die  Weltgeschichte  in  einer  ziemlich  ausführlichen 
Erzählung  zusammenzufassen,  eine  Aufgabe,  an  welche  sich  damals 
nicht  leicht  jemand  wagte  und  deren  Schwierigkeiten  aufserordentlich 
grofs  waren.  Die  Ausführung  ist  freilich  auch  sehr  mangelhaft  ge- 
blieben und  namentlich  die  Chronologie  in  der  höchsten  Verwirrung; 
auch  versucht  er  gar  nicht  wie  Frechulf  eine  Verarbeitung  seiner 
Quellen,  sondern  begnügt  sich  mit  wörtlichem  Ausschreiben,  was  von 
nun  an  immer  mehr  üblich  wurde.  Beda,  die  Thaten  der  Franken- 
könige, und  andere  bekannte  Quellen  bilden  die  Grundlage  seines 
Werkes,  welches  anfangs  nach  den  Regierungen  der  Kaiser  ange- 
ordnet ist;  weiterhin  geht  er,  der  Natur  seiner  Quellen  folgend,  in 
die  annalistische  Form  über  und  fährt  auch  selbst  in  dieser  Weise 
fort.  Darin  ist  seine  Chronik  den  auch  von  ihm  benutzten  Reichs- 
annalen  ähnlich,  aber  sie  unterscheidet  sich  sehr  wesentlich  dadurch, 
dafs  er  nicht  gleichzeitig  mit  den  Begebenheiten  schrieb  und  des- 
halb auch  gerade  in  der  chronologischen  Anordnung  derselben  wenig 
zuverlässig  ist2). 

In  dieser  Beziehung  hat  bei  ihm  wie  bei  manchem  anderen  das 
Vorbild  der  Annalen  nachtheilig  gewirkt;  denn  für  die  Aufzeichnung 
unbestimmt  gewordener  Ueberlieferungen  ist  die  annalistische  Form 
nicht  nur  hinderlich,  sondern  die  scheinbare  Bestimmtheit  verleitet 
auch  dazu,    den  Angaben  mehr  Gewicht  beizulegen,    als    ihnen    zu- 

2751,  nach  Dümmler.  Die  Schrift  war  für  den  Erzbischof,  als  gelehrten 
Musiker,  und  für  tüchtige  Sänger  bestimmt,  nicht  für  Walcaud:  frustra 
enim  lyra  asino  canitur.  —  Walcaud  presb.  im  Cal.  S.  Maximini  zum  10. 
August,  Archiv  XI,  290.  Vgl.  W.  Brambach:  Die  Musiklitteratur  des 
Mittelalters  bis  zur  Blüthe  der  Reichenauer  Sängerschule  (500 — 1050)  1883. 

1)  Reginonis  libri  duo  de  synodalibus  causis  et  disciplinis  ecelesiasticis, 
ed.  Wasserschieben,  Lips.  1840. 

2)  Reginonis  Chronicon,  ed.  Pertz,  MG.  I,  536 — 612.  Ausg.  von  Fr. 
Kurze  1890,  8.  Vgl.  von  dems.  Ueb erlief erung  u.  Quellen  der  Chronik 
Regino's  u.  seines  Fortsetzers,  NA.  XV,  293 — 330.  Uebersetzung  von 
Dümmler,  1857.  1890.  Geschichtschr.  IX,  12,  Bd.  27.  Ueber  Benutzung 
des  Justin  s.  Rühl,  Verbreitung  des  Justin  im  Mittelalter,  S.  12 — 14.  Von 
der  Fortsetzung  s.  unten  III,  6. 


Die  Chronik  des  Regino.  261 

kommt.  Bis  zum  Jahre  814  hat  Regino  die  Lorscher  Annalen  be- 
nutzt; von  da  an  aber  fehlten  ihm  aufser  den  oben  erwähnten 
kurzen  Annalen  seines  Klosters  schriftliche  Hülfsmittel,  was  wohl 
nur  durch  die  Verheerungen  der  Normannen  zu  erklären  ist,  und  er 
mufste  sich  zur  Ausfüllung  der  grofsen  Lücke  von  Karls  des  Grofsen 
Tode  bis  auf  seine  Zeit  allein  auf  die  so  unsichere  mündliche  Tra- 
dition verlassen;  nur  über  die  Händel,  welche  Lothars  II  ärgerliche 
eheliche  Verhältnisse  veranlafsten,  standen  ihn  Urkunden  zu  Gebote1). 
Auffallend  und  für  die  Stellung  Lothringens  charakteristisch  ist 
es  dabei,  wie  wenig  Regino  von  dem  Ostfrankenreiche  zu  sagen 
weifs,  während  er  von  den  Westfranken  viel  und  eingehend  erzählt, 
und  namentlich  die  Bretagne  besonders  berücksichtigt,  ein  Umstand, 
den  Dümmler  durch  die  dort  gelegenen  Besitzungen  der  Mönche 
von  Prüm  erklärt.  Ueber  das,  was  er  selbst  mit  erlebt  hat,  giebt 
Regino  sodann  ausführliche  und  schätzbare  Nachrichten.  Dafs  er 
von  den  entfernteren  Ereignissen  nur  unsichere  Kunde  erhalten  hat, 
wird  man  ihm  nicht  zum  Vorwurfe  machen;  über  Lothringen  aber 
war  er  genau  und  zuverlässig  unterrichtet,  und  würde  gewifs  noch 
tiefer  in  die  dortigen  Verhältnisse  blicken  lassen,  wenn  ihn  nicht 
die  Besorgnifs  vor  dem  Zorne  der  Machthaber  verhindert  hätte,  die 
ganze  Wahrheit  zu  sagen.  Als  diesen  Machthaber,  welchen  er  fürchtet, 
hat  Harttung  mit  Wahrscheinlichkeit  Karl  den  Einfältigen  nach- 
gewiesen, der  nach  einer  Angabe  des  Trithemius  seine  Absetzung 
veranlafste,  weil  er  ein  Anhänger  von  K.  Odo's  Bruder  Robert  war. 
Sein  Rival  war  Richar,  der  Bruder  von  Gerhard  und  Matfrid,  später 
Bischof  von  Lüttich;  durch  verleumderische  Angaben  über  schlechte 
Verwaltung  soll  er  ihn  verdrängt  haben,  nach  Inhalt  eines  Briefes 
von  Regino,  der  den  Magdeburger  Centuriatoren  noch  bekannt  und 
wahrscheinlich  in  einem  Exemplar  der  Chronik  abgeschrieben  war. 
Zur  Zeit  aber,  als  Regino  seine  Chronik  schrieb,  gehörte  Lothringen 
zu  Karls  Reich2).  Seine  Zurückhaltung  hat  Regino  jedoch  nicht 
davor  schützen  können,  dafs  aus  seinem  Werke  z.  J.  892  ein  be- 
deutendes Stück,  in  welchem  er  von  seinen  eigenen  Schicksalen  er- 
zählte, ausgeschnitten  und  vernichtet  wurde. 

*)  Die  Actenstücke  hierüber  und  besonders  über  die  nach  Gunthars 
Absetzung  am  7.  Jan.  870  vollzogene  Wahl  Williberts  von  Cöln  sind  ver- 
mehrt durch  die  von  Flofs,  Die  Pabstwahl  unter  den  Ottonen,  Urkunden 
S.  24 — 102  herausgegebenen  Schreiben.  —  Dümmler,  Ostfr.  III,  S.  170,  giebt 
aus  einer  Londoner  Handschrift  der  Chronik  des  Regino  die  von  Lappen- 
berg entdeckte  Grabschrift  des  Grafen  Heinrich  (f  88G):  jetzt  auch  in  d. 
Ausgabe  v.  Kurze,  S.  126. 

2)  Harttung,  Forsch.  XVIII,  362—368. 


262  H.    Karolinger.     §  17.    Lothringen. 

Seine  Schreibart  ist  einfach  und  dem  Gegenstande  angemessen, 
und  wenn  es  ihm  auch  keineswegs  gelungen  ist,  die  Weltgeschichte 
in  wirklich  historischer  Weise  zu  bearbeiten,  so  zeigt  er  doch  für 
die  ihm  näher  liegenden  Zeiten  und  Verhältnisse  einen  freien  Blick 
und  gesundes  Urtheil;  die  eigenen  Erfahrungen  und  die  freundschaft- 
liche Beziehung  zu  einem  hochstehenden  Kirchen fürsten  erhoben  ihn 
über  die  gewöhnlichen  Annalisten,  und  sein  Werk  steht  am  Ende 
der  karolingischen  Zeit  als  eine  bedeutende  Erscheinung  da,  der 
sich  wohl  weitere  Fortschritte  angeschlossen  haben  würden,  wenn 
nicht  gerade  jetzt  die  äufsere  Noth  für  lange  Zeit  alle  wissenschaft- 
lichen Bestrebungen  erdrückt  hätte. 

Als  die  bei  allen  ihren  Mängeln  doch  bei  weitem  beste  um- 
fassende Behandlung  der  Weltgeschichte  ist  Regino's  Chronik  bis 
ins  zwölfte  Jahrhundert  viel  benutzt  worden  und  hat  grofse  Ver- 
breitung gefunden,  wobei  denn  auch  seine  grofsen  chronologischen 
Irrthümer  manchen  irre  geleitet  haben. 

Man  kann  wohl  nicht  bezweifeln,  dafs  Lothringen  mit  seinen 
bedeutenden  Kirchen  und  Klöstern  noch  manches  andere  Geschichts- 
werk hervorgebracht  hat,  welches  in  den  furchtbaren  Verheerungen 
des  Landes  durch  Normannen  und  Ungarn  zu  Grunde  gegangen 
ist;  die  blühendsten  Klöster  verödeten  und  kamen  in  Laienhände, 
so  dafs  eine  Periode  tiefer  Dunkelheit  eintrat,  welche  später  der 
kecken  Erdichtung  freien  Spielraum  darbot.  Merkwürdig  sind  auch 
in  dieser  Beziehung  die  Annalen  von  Xanten1),  weil  sie  nirgends 
erwähnt  oder  benutzt  sind,  und  völlig  spurlos  verschollen  sein 
würden,  wenn  nicht  Pertz  sie  1827  in  einer  angebrannten  Hand- 
schrift der  Cottonschen  Bibliothek  entdeckt  hätte.  So  war  auch 
dieser  vereinzelte  Rest  der  höheren  Ausbildung  jener  Periode  dem 
gänzlichen  Untergange  schon  ganz  nahe  gewesen.  Nach  Xanten 
sind  diese  Annalen  benannt,  weil  die  Zerstörung  des  Stiftes  durch 
die  Normannen  863  ausführlich  erzählt  ist,  aber  sonst  ist  gar  nicht 
von  Xanten  die  Rede,  und  auch  hier  findet  sich  die  falsche  Jahres- 
zahl 864,  wie  überhaupt  eine  Verschiebung  der  Jahreszahlen,  welche 


!)  Annales  Xantemes  ed.  Pertz,  MG.  II,  217—235.  Uebers.  bei  den 
Fulder  Annalen.  Hans  Steffen:  Beiträge  zur  Kritik  d.  X.  Annalen,  NA. 
XIV,  87 — 109.  Der  Anfang  640  bis  789  ist  jüngeren  Ursprungs,  von  einem 
Mönch  des  Klosters  Egmond,  von  wo  die  Hs.  stammt,  und  nach  Bonnell, 
Anfänge  S.  149,  aus  Sigebert  genommen,  mit  Einschaltungen  aus  Regino 
und  Legenden.  Bestätigend  Oelsner,  Pippin  S.  518.  Doch  vgl.  B.  Simson, 
NA.  II,  628;  Waitz  ib.  V,  493.  Ueber  die  Ortsbezeichnung  Gronneomm 
s.  Meyer  von  Knonau  über  Nithard  S.  143.  —  Kirchweihnotizen  aus  Xanten 
1081—1411  als  Notae  S.    Victoris  Xant.  MG.  SS.  XIII,  43-45. 


Cöln.     Die  Annalen  von  Xanten.  263 

annehmen  läfst,  dafs  nur  eine  Coinpilation  uns  vorliegt.  Einem 
Auszug  aus  den  Reichsannalen  schliefst  sich  hier  eine  selbständige 
Fortsetzung  von  831  bis  873  an,  von  verschiedenen  Verfassern 
gleichzeitig  aufgezeichnet,  hin  und  wieder  ziemlich  ausführlich. 
Reichsgeschichte  zu  geben  war  die  Absicht,  aber  es  fehlte  die  Ver- 
bindung mit  dem  Hofe;  Zusammenkünfte  der  Könige  werden  er- 
wähnt, aber  die  Beschlüsse  bleiben  dem  Schreiber  unbekannt;  zu 
gleichmäfsiger  Berichterstattung  fehlen  ihm  die  Hülfsmittel.  Viel 
ist  von  Himmelserscheinungen,  Ueberschwemmungen,  Heuschrecken 
die  Rede,  vom  Elend  der  Zeiten  sind  die  Verfasser  sehr  erfüllt. 
Der  Cölner  Sprengel  wird  vorzüglich  berücksichtigt,  daneben  der 
benachbarte  von  Münster.  Vielleicht  hat  einer  der  vertriebenen 
Xantener  Chorherren,  die  nach  Cöln  flüchteten,  dort  Aufzeichnungen 
vorgefunden  und  fortgesetzt. 

In  Cöln  hat  Karls  des  Grofsen  Erzkaplan  Hildebald1),  der  von 
Theodulf  unter  dem  Namen  Aaron  gefeiert  wird,  wissenschaftliche 
Studien  begründet.  Er  liefs  die  vom  Pabst  an  Karl  geschickten 
Manuscripte  für  seine  Kirche  abschreiben;  viele  davon  sind  noch 
vorhanden  und  jetzt  dem  Cölner  Domcapitel  zurückgegeben2).  Es 
sind  auch  kurze  Annalen  daraus  gewonnen3).  Die  Erzbischöfe  Hil- 
duin  (842  —849)  und  Gunthar  (863  entsetzt)  werden  von  Sedulius 
gepriesen,  Gunthar  machte  selbst  Verse  und  bei  ihm  erhielt  sein 
Neffe  Radbod,  später  Bischof  von  Utrecht,  den  ersten  Unterricht4). 
Willibert  (870 — 889)  liefs  für  sich  den  Codex  Carolinus  abschreiben5), 
und  sorgte  auch  für  die  Aufbewahrung  der  Correspondenz,  welche 
durch  Gunthars  Entsetzung  und  die  folgenden  Ereignisse  veranlafst 
war6).     Aber    von    litterarischen    Erzeugnissen,    wozu    jene    kleinen 

*)  Die  Angaben  über  sein  Sterbejahr  schwanken  zwischen  818  u.  819, 
Sept.  3.     B.  Simson,  Ludw.  d.  Fr.  S.  232  für  818. 

2)  Hartzheim,  Catal.  bibl.  Colon.  (Col.  1752);  cf.  Archiv  VIII,  617  ff. 
Rettberg  I,  540.  Jaffe  et  Wattenbach,  Ecclesiae  Colon.  Codices  manu- 
scripti,  Berol.  1874;  vgl.  das  Verz.  der  „libri  praestiti  de  armario  S.  Petri" 
saec.  XI,  ed.  Dümmler  e  cod.  Ampi.  64,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIX,  466. 

3)  Davon  gehören  hierher  Ann.  S.  Petri  Coloniensis  798.  810—818,  nur 
einzelne  Notizen  e  cod.  83  II,  MG.  SS.  XVI,  730,  Codd.  p.  29.  30,  und  bei 
Krusch,  Studien  zur  christlich-mittelalterlichen  Chronologie  (Leipz.  1880) 
S.  197.  Ann.  Col.  brevissimi  814 — 870,  I,  97  aus  Eckh.  Comm.  de  rebus 
Franciae  orientalis. 

4)  Dümmler,  Ostfr.  II,  10.  Höchst  wahrscheinlich  ist  er  der  Gunthar, 
dem  Meginhard  ein  Werk  widmete,  s.  oben  S.  240.  Ein  gleichzeitiges 
Gedicht  in  roher  Form  zum  Preise  Gunthars  e  cod.  S.  Galli  904  ed.  Dümmler 
im  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XVIII,  10;  vgl.  NA.  IV,  319;  wiederholt  von 
Traube,  Poet.  Lat.  III,  239. 

5)  Jaffe,  Bibl.  IV,  2.  Auch  im  Wiener  Cod.  der  Bonifaz.  Briefe  ist 
eine  auf  Williberts  Weihe  bezügliche  Notiz,  Bibl.  III,  11. 

6j  S.  oben  S.  261  Anm.  1.    Zu  der  bei  Flofs,  Urkk.  S.  124,  erwähnten 


264  II«    Karolinger.     §  17.    Lothringen. 

Annalen  kaum  zu  rechnen  sind,  ist  nichts  auf  uns  gekommen,  wenn 
nicht  vielleicht  die  Xantener  Annalen  hierher  gehören. 

Etwas  mehr  hat  sich  aus  Lüttich  erhalten,  dessen  später  so 
berühmte  Schule  in  ihren  ersten  schwachen  Anfängen  schon  jetzt 
hervortritt.  Noch  war  es  ein  unbedeutender  Ort,  als  ihm  der  Leib 
des  um  672  erschlagenen  Bischofs  Theodard  von  Mastricht,  welchen 
sein  Nachfolger  Landebert  oder  Lambert  dort  bestatten  liefs, 
ein  höheres  Ansehen  gab.  An  seinem  Grabe  wurde  Lambert  selbst 
708  (?)  erschlagen:  er  hatte  Pippin  und  seiner  Concubine  Alpais 
Vorwürfe  gemacht,  Pippin  war  erschüttert  und  dachte  daran,  seine 
rechtmäfsige  Gemahlin  Plectrudis  wieder  zu  sich  zu  nehmen,  da 
vollbrachte  Dodo,  der  Bruder  der  Alpais,  die  Blutthat.  Nachdem 
eine  Kirche  dort  erbaut  und  die  Gebeine  des  Märtyrers  feierlich 
erhoben  waren,  mufste  eine  Legende  geschrieben  werden,  aber  noch 
fehlte  es  an  geeigneten  Kräften.  Der  Autor,  welcher  die  Ausfüh- 
rung nach  dem  Mafse  seiner  schwachen  Kräfte  in  barbarischem  Latein 
unternahm,  griff  zur  Vita  Eligii  und  brachte  mit  starker  wörtlicher 
Ausnutzung  derselben  sein  Werk  zu  Stande1).  Der  erbauliche  Zweck 
ist  durchaus  vorherrschend.  Aber  noch  regierte  Karl  Martell,  der 
Sohn  der  Alpais,  und  aus  Furchtsamkeit  verschwieg  er  den  wahren 
Anlafs  des  Todes.  Auch  Godesscalc,  ein  Lütticher  Domherr,  wel- 
cher auf  Befehl  des  Bischofs  Agilfrid  sein  "Werk  um  770  über- 
arbeitete, folgt  einfach  seiner  Vorlage  und  beschränkt  sich  auf  sti- 
listische Verbesserung.  Aber  im  Volke  erhielt  sich  die  Erinnerung 
der  That,  und  Ado  in  seinem  Martyrologium  hat  sie  kurz  berichtet, 
vielleicht  kannte  er  schon  eine  Aufzeichnung,  deren  später  Anselm 
von  Lüttich  gedenkt,  und  deren  Inhalt  durch  ihn  überliefert,  nun 
auch  in  die  späteren  Bearbeitungen  überging;  auch  schon  der  Ver- 
fasser einer  poetischen  Version  im  Anfang  des  10.  Jahrh.  deutet 
darauf  hin.  Lange  Zeit  ist  der  Hergang  in  entgegengesetzter  Weise 
aufgefafst;    man  glaubte  hier  ein  recht  deutliches  Beispiel  davon  zu 

Verwüstung  durch  die  Normannen  881  ist  zu  bemerken,   dafs   nomina   die 
Reliquien  sind. 

*)  Nachgewiesen  von  Kurth  in  der  gleich  zu  erwähnenden  Schrift, 
S.  102 — 112;  es  ergibt  sich  daraus  auch,  dafs  die  Translation  und  Mirakel 
von  dems.  Vf.  sind.  Als  diese  älteste  Vita  Lamberti  betrachtet  Kurth  die 
bei  Mabillon,  Act.  III,  1,  69 — 76,  gedruckte,  welche  bisher  Godesscalc 
zugeschrieben  wurde.  Vgl.  Fr.  Scheibelberger:  Die  älteste  Vita  S.  Lant- 
perti,  Oest.  Vierteljahrsschrift  f.  Kath.  Theol.  (1871)  X,  222—224,  über 
den  älteren  einfacheren  Text  eines  Linzer  Codex.  NA.  II,  256  über  den 
Brüsseler  Cod.  9368.  —  Ein  Plagiat  der  V.  Lamberti  ist  die  älteste  V.  Re- 
macli,  wie  Kurth  nachgewiesen  hat  im  Bulletin  de  la  Commission  roy. 
d'histoire,  4.  Serie,  tome  III,  n.  3. 


Lambert  von  Lüttich.     Hubertus.  265 

haben,  wie  die  Legenden  mit  der  Zeit  wachsen  und  tendenziös  ent- 
stellt werden,  bis  God.  Kurth  in,  wie  mir  scheint,  durchaus  schla- 
gender Weise,  gestützt  auf  den  aus  einer  neugefundenen  Handschrift 
ergänzten  Text  des  Anselm1),  den  richtigen  Sachverhalt  nachge- 
wiesen hat2).  Dieselbe  Reticenz  finden  wir  auch  in  der  Yita 
Theodardi,  obgleich  sie  erst  um  die  Mitte  des  8.  Jahrhunderts 
geschrieben  wurde3). 

Lambert  aber  wurde  nun  der  Schutzheilige  von  Lüttich,  wohin 
von  Mastricht  der  Sitz  des  Bisthums  verlegt  wurde.  Auch  das 
Leben  seines  Nachfolgers,  des  727  verstorbenen  Bischofs  Hugbert 
oder  Hubert,  ist  von  einem  Zeitgenossen  beschrieben  und  noch  in 
seiner  ursprünglichen,  sehr  barbarischen  Form  vorhanden4),  nebst 
dem  Bericht  über  seine  erste  Translation  743.  Wie  darin  die  Vita 
Arnulfi  und  Vita  Lamberti  ausgeplündert  sind,  haben  Demarteau  und 
Krusch  gezeigt. 

Bischof  Waltcaud  (810 — 831)  übertrug  825  den  h.  Hubert 
nach  dem  neugestifteten  Kloster  Andagium,  später  Saint-Hubert  in 
den  Ardennen,  und  nun  bedurfte  man  einer  Biographie,  welche  den 
gesteigerten  Anforderungen  der  karolingischen  Zeit  genügte.  Dazu 
gelang  es  ihm,  den  Bischof  Jonas  von  Orleans  zu  bewegen,  der 
zugleich  auch  diese  neue  Translation  beschrieb5).  In  der  Widmung 
sagt  Jonas    zu    ihm:    cum  assit  vobis  palatina  scolasticorum  facundia. 


*)  In  Anselms  c.  8,  MG.  SS.  VII,  195,  mufs  es  am  Schlufs  der  aus 
Regino  (der  aus  Ado  schöpfte)  entlehnten  Stelle:  „ab  iniquissimo  Dodone 
et  aliis  viris  de  palatio  missis  improvise  conclusus  intra  domum  ecclesiae 
in  Leodio  vico  occiditur"  heissen:  Qua  vero  de  causa  regiam  domum  in- 
crepaverit,  sie  habet  adhuc  alterius  scripturae  relatio  nobis  a  prioribus 
relicta  u.  s.  w.  Notice  sur  im  manuscrit  d'Hariger  et  d'Anselme  conserve 
ä  Tabbaye  d'Averbode.  Bull,  de  la  Comm.  roy.  4.  Serie,  II,  n.  7.  Kurth 
vermuthet  eine  Aufzeichnung  in  Stablo,  wo  Lambert  früher,  als  er  aus 
Mastricht  vertrieben  war,  eine  Zuflucht  gefunden  hatte;  keine  Vita  Lamberti. 

3)  Etüde  critique  sur  S.  Lambert  et  son  premier  biographe.  Mem. 
couronne.     Anvers   1876. 

3)  Kurth,  Etüde,  p.  67  ff. 

4)  W.  Arndt,  Kleine  Denkmäler  aus  der  Merowingerzeit  (1874)  S.  52 
bis  70.  Ausg.  von  De  Smedt,  Acta  SS.  Nov.  I;  vgl.  Krusch,  HZ.  LXV, 
103-105. 

5)  Translatw  S.  Haberti,  Mab.  IV,  1,  295  (278  ed.  Ven.).  Vorrede  zu 
dem  ganzen  Werk  Forsch.  VI,  126,  und  bei  Arndt  a.  a.  0.  nebst  Inhalts- 
verzeichnis u.  Translatio,  S.  70-82;  Transl.  MG.  SS.  XV,  234—237,  von 
L.  v.  Heinemann.  Ueber  Jonas  s.  Ebert  II,  225 — 230.  Seine  Schriften 
de  institutione  laicali  und  de  institutione  regia  (834  für  K.  Pippin  verfafst) 
sind  sehr  lehrreich  für  die  Kenntnifs  der  damaligen  Zustände;  vgl.  darüber 
B.  Simson,  Ludwig  d.  Fr.  I,  381;  K.  Amelung,  Leben  u.  Schriften  des 
Bisch.  Jonas  v.  Orleans,  Progr.  d.  Vitzthumschen  Gvmn.  zu  Dresden  1888 
(NA.  XIV,  219). 


266  II«    Karolinger.     §  17.    Lothringen. 

Doch  ist  das  vielleicht  nur  Phrase,  oder  bezieht  sich,  wie  Dümrnler, 
Ostfr.  III,  650  annimmt,  auf  die  Hofschule.  Lüttich  war  eine  Station 
für  die  nach  Rom  pilgernden  Irländer,  und  es  haben  sich  noch  Bitt- 
schreiben solcher  Wanderer  erhalten1).  Wenn  aber  in  dem  einen  der 
Bittsteller,  auf  die  Empfehlung  des  Kaisers,  vermuthlich  Karls  des 
Kahlen,  sich  berufend,  mit  bitterer  Klage  über  die  allzu  schmale 
Kost,  den  Brüdern  der  Kirche  gleichgestellt  zu  werden  wünscht,  so 
ist  auf  einen  dauernden  Aufenthalt  und  Verwendung  der  gelehrten 
Fremdlinge  für  den  Unterricht  zu  schliefsen. 

Schon  Bischof  Hartgar  (840 — 854),  der  Erbauer  eines  neuen, 
mit  Gemälden  schön  geschmückten  Bischofshofes,  nahm  in  Lüttich 
den  Iren  Sedulius  und  mehrere  seiner  Landsleute  auf;  wir  werden 
sie  oder  ihre  Genossen  in  Mailand  wiederfinden,  und  vielleicht  machten 
sie  unterwegs  Station  in  Salzburg.  Sedulius,  der  Verfasser  verschie- 
dener theologischer  Werke  und  eines  Fürstenspiegels2),  war  nicht 
ohne  mancherlei  Gelehrsamkeit  und  metrische  Gewandtheit,  des 
Griechischen  kundig,  aber  doch  incorrect,  oft  schwülstig  und  dunkel, 
ein  Freund  willkürlich  neugebildeter  Worte.  Seine  adulatorische 
Hofpoesie,  der  es  zuweilen  nicht  an  ergötzlichem  Humor  fehlt,  feiert 
Hartgar  und  seinen  Nachfolger  Franc  o  (854 — 901),  Günther  von  Cöln, 
bei  dem  er  sich  auch  einige  Zeit  aufgehalten  hat,  Adventius  von 
Metz,  den  gelehrten  Markgrafen  Eberhard  von  Friaul  und  andere 
Zeitgenossen;  auch  Kaiser  Lothar  und  dessen  Familie.  Ohne  Zweifel 
gebührt  ihm  und  seinen  Genossen  ein  Antheil  an  der  späteren  Blüthe 
der  Lütticher  Schule,  aber  auch  an  der  gesuchten  und  verkünstelten 
Schreibart,  welche  dort  lange  herrschend  blieb  3). 

Bischof  Franco  erhob  in  Eika  (Alteneyk  bei  Maaseyk)  die 
ersten  Aebtissinnen  Harlindis  und  Reinila,  welche  angeblich  von 
Willibrord  und  Bonifatius  geweiht  waren,  deren  Leben  bald  darauf, 
noch  vor  der  Verwüstung  durch  die  Normannen,  beschrieben  ist,  und 


x)  Dümrnler,  NA.  XIII,  360—369,  aus  d.  Zeit  d.  Bischofs  Franco. 

2)  Sedulii  über  de  rectoribus  christianis,  ed.  A.  Mai,  Spicil.  Rom.  VIII, 
1 — 69.  Nach  Dümmlers  Vermuthung  vielleicht  für  Lothar  II  bestimmt; 
ältere  Hss.,  welche  die  Entstehung  nach  Ludwigs  d.  Fr.  Tod  bestätigen, 
NA.  III,  188.  Entlehnungen  aus  der  Hist.  Aug.  stammen  nach  Mommsen 
im  Hermes  XIII,  298 — 301,  aus  der  Sammlung  von  Excerpten,  welche  sich 
in  einer  Cusaner  Hs.  erhalten  hat.  —  Vgl.  Ebert  II,  191 — 202;  Dümrnler, 
NA.  IV,  315-320. 

3)  Nachdem  die  Gedichte  des  Sedulius  von  Dümrnler,  Grosse,  Pirenne 
einzeln  herausgegeben  waren,  sind  sie  jetzt  vereinigt  von  Traube,  Poet. 
Lat.  III,  151 — 237,  und  über  die  sehr  merkwürdige  Persönlichkeit  des 
Sedulius  handelt  ders.  in  O.  Roma  nobilis,  S.  338  ff. 


Die  Lütticher  Schule.     Verdun.  267 

für  den  Mangel  an  geschichtlichem  Inhalt  durch  culturhistorische 
Züge  entschädigt1). 

Einen  merkwürdigen  Mann  finden  wir  in  der  zweiten  Hälfte  des 
neunten  Jahrhunderts  in  der  Brüderschaft  der  Klöster  Stablo  und 
Malmedy,  Christian,  nach  Sigebert  aus  Aquitanien  stammend,  einen 
würdigen  Vertreter  karolingischer  Bildung.  Mit  umfassender  Gelehr- 
samkeit, auch  der  griechischen  Sprache  nicht  unkundig,  hat  er  mit 
merkwürdig  freier  Denkweise  und  nüchterner  Verständigkeit  einen 
Commentar  zum  Matthaeus  geschrieben,  aus  welchem  Dümmler  allerlei 
für  die  Zeitgeschichte  lehrreiche  Aeufserungen  zusammengestellt  hat2). 
Ausserdem  besitzen  wir  eine  bald  nach  850  geschriebene  Beschrei- 
bung der  Wunderthaten  des  h.  Remaclus,  zu  welcher,  nachdem  das 
Kloster  von  der  Zerstörung  durch  die  Normannen  881  sich  erholt 
hatte,  weitere  Zusätze  gemacht  sind3). 

Aufser  der  kurzen,  vom  Probst  Liuthard  verfafsten  Erzählung 
von  der  Uebertragung  des  h.  Justus  bald  nach  900  nach  Mal- 
medy4) ist  schliefslich  nur  noch  die  Bisthumsgeschichte  von 
Verdun5)  zu  erwähnen,  von  Berthar,  der  erste  Versuch  einer  Local- 
geschichte,  an  denen  später  Lothringen  so  reich  war,  nach  der  trau- 
rigen Zeit  der  feindlichen  Verwüstungen,  denn  der  Verfasser  schrieb 
erst  nach  dem  Brande  der  Domkirche  im  Jahre  916  oder  917;  sein 
Werk  reicht  aber  nur  bis  in  die  Zeit  des  Kaisers  Arnulf  und  ist 
wegen  des  fast  gänzlichen  Mangels  an  älteren  Quellen  sehr  dürftig6). 
Veranlafst  war  er  zu  seinem  Unternehmen  durch  den  Bischof  Dado 
(880 — 923),  den  Freund  Salomons  III  von  Constanz,  von  dessen 
eigenen  Aufzeichnungen  über  seine  und  seiner  Vorgänger  Geschichte 
ein  Fragment  sich  erhalten  hat.     Aus  Metz  besitzen  wir  Briefe  und 


2)  Acta  SS.  Mart.  III,  386—392,  und  daraus  Mab.  III,  1,  654—663. 
Ueber  die  Bestätigung  der  Nachrichten  durch  Denkmäler  Friedrich,  Kirchen- 
geschichte II,  346. 

2)  Ueber  Chr.  von  Stavelot  u.  seine  Auslegung  zum  Matthaeus,  Berl. 
SB.  1890,  S.  935—952. 

3)  Ex  Miraculü  S.  Remacli  Stabuknsibus,  ed.  0.  Hol  der -Egger,  SS. 
XV,  1,  431—443. 

4)  Martene.  Coli.  VI,  833;  MG.  SS.  XV,  1,  566.  Spät  geschrieben  und 
fabelhaft  ist  die  Translatio  S.  Quirini  Malmundarium,  angeblich  808,  mit 
einem  fingirten  Briefe  Hildebalds  von  Cöln  an  Karl  den  Grofsen.  Mart. 
Thes.  III,  1685—1690. 

5)  Bertharii  Gesta  episcoporum  Virdunensium,  ed.  Waitz,  MG.  SS.  IV,  36. 
Benutzung  von  Fortunats  Gedichten  NA.  XII,  591.  Nomina  epp.  Virdun. 
SS.  XIII,  307. 

6)  Ueber  die  fabelhafte   Vita  S.  Mcnyoldi  s.  oben  S.  174. 


268  H.    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

ein  Epitaphium  des  Bischofs  Aclventius  (858 — 875),  den  auch 
Sedulius  gepriesen  hat1);  aus  Toul  sind  uns  einige  Briefe  des  Bischofs 
Frothar  (813—848)  erhalten2). 

§  18.     Schwaben. 

Stalin  I,  235-240.  Baehr  S.  118-122.  Ild.  v.  Arx,  Geschichte  von  St.  Gallen.  Weid- 
mann, Geschichte  der  Bibliothek  von  St.  Gallen,  1841.  G.  Scherrer,  Verz.  der  Hand- 
schriften d.  Stiftsbibl.  Halle  1875.  F.Keller,  Bilder  uud  Schriftzüge  in  den  irischen 
Manuscripten  der  Schweizer  Bibliotheken,  in  den  Mittheilungen  der  Antiquarischen 
Gesellschaft  in  Zürich  VII,  8.  1851.  Dümmler,  Das  Formelbuch  des  Bischofs  Sa- 
lomo  III  von  Constanz,  1857.  Derselbe,  St.  Gallische  Denkmale  aus  der  Karolinger 
Zeit,  Mittheilungen  der  Antiquarischen  Gesellschaft  XII,  6.  1859.  G.Meier,  Gesch. 
d.  Schule  von  St.  G.  im  Mittelalter,  im  Jahrb.  f.  Schweizer  Gesch.  X.  St.  Gallische 
Geschichtsquellen,  neu  herausgeg.  v.  G.  Meyer  von  Knonau,  1870—1877.  Rec.  von 
Dümmler,  HZ.  XXXVIII,  327-343.  Uebers.  von  Ekk.  Casus  nebst  Proben  aus  den 
übrigen  Theilen,  von  M.  v.  Knonau,  1878,  Geschichtschr.  38  (X,  11).  Ueber  Sanct- 
gall.   Formelsammlungen  Zeumer,  NA.  VIII,  505—553. 

Wenden  wir  unsern  Blick  nach  dem  Süden  Deutschlands,  so 
zieht  vor  allem  St.  Gallen  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich,  nebst 
dem  nahe  gelegenen  Reich enau.  Hatten  wir  früher  schon  in  dem 
alten  Leben  des  heiligen  Gall  wenigstens  einen  ersten  Versuch  litte- 
rarischer Thätigkeit  zu  erwähnen ,  so  finden  wir  nun  auch  hier  einen 
Schüler  Alcuins,  Grimald,  als  Abt  (841 — 872);  Sanctgaller  Mönche, 
wie  Werinbert  und  Hartmut,  Otfrids  Mitschüler,  besuchen,  wie  es 
scheint,  die  berühmte  Schule  des  Klosters  Fulda,  und  Hrabans 
Schüler  Walahfrid  wird  Abt  von  Reichenau  (842 — 849).  Hierzu 
kommt  noch  der  Unterricht  gelehrter  Iren,  welche  auch  die  Kenntnifs 
des  Griechischen  hier  heimisch  machen,  während  der  lebhafte  Ver- 
kehr mit  Italien  nicht  minder  anregend  wirkt.  Die  Sanctgaller  Schule 
war  vielleicht  von  allen  die  bedeutendste,  und  glücklicher  Weise  be- 
sitzen wir  zugleich  von  ihr  das  lebendigste  Bild  in  der  reichhaltigen 
Klosterchronik3),  welche  von  verschiedenen  Verfassern  bis  1330  fort- 

*)  Poet.  Lat.  III,  225.  Ueber  Adventius  s.  Baehr  S.  110;  aus  einer 
Briefsammlung,  die  sich  auf  Lothars  II  Ehehandel  bezieht,  sind  bei  Baronius 
noch  mehr  Briefe,  alle  von  Dümmler  sorgfältig  benutzt  und  angeführt.  — 
NA.  IV,  526. 

2)  Du  Chesne  II,  712—723.  Bouquet  VI,  386—397.  Vgl.  Ch.  Pfister 
in  Annales  de  l'Est  1890,  S.  261  ff. 

3)  Casus  S.  Galli  ed.  Ild.  v.  Arx,  MG.  SS.  II,  59—183  (bis  zum  Jahre 
1233).  Zwischen  833  und  890  ist  ein  Stück  verloren,  auf  welches  sich 
Ekkehard  in  seiner  Fortsetzung  MG.  II,  83  mit  den  Worten  bezieht:  Ker- 
lialdo  (corr.  Bernliardo)  itaque  abbale,  ut  alias  in  alio  libro  relatum  est,  de- 
posito  (890).  In  d.  neuen  Ausg.  c.  11  S.  37  fehlen  die  Worte  in  alio  libro. 
Nach  G.  Scherrer,  Verz.  S.  9  u.  166,  hat  Jod.  Metzler  (f  1639)  noch  eine 
verlorene  Quelle  gehabt.  —  Ratperti  Casus  S.  Galli  nach  obiger  Ausgabe 
bei  Migne  CXXVI,  1055—1080.  Neue  Ausg.  von  G.  Meyer  von  Knonau 
in  den  St.  Galler  Mittheilungen  zur  vaterl.  Gesch.  XIII.  mit  ausführl.  Com- 


Das  Kloster  Sanct  Gallen.  269 

geführt  wurde.  Die  Schule  war  hier  lange  Zeit  der  Mittelpunkt  des 
Klosterlebens,  der  Stolz  und  die  Freude  der  Sanctgaller  Mönche, 
und  die  Lebensnachrichten  von  den  bedeutenderen  Lehrern  nebst 
mannigfachen  Schulgeschichten  verschiedener  Art  nehmen  einen  sehr 
hervorragenden  Raum  in  der  Chronik  ein.  Doch  die  Aufzeichnung 
dieses  Theiles  derselben  gehört  einer  späteren  Zeit  an;  von  Ekke- 
hard  (IV)  im  elften  Jahrhundert  nach  mündlicher  Ueberlieferung 
aufgezeichnet,  ist  er  in  allen  Einzelheiten  unzuverlässig,  giebt  aber 
doch  ein  culturhistorisch  unschätzbares,  im  Gesammteindruck  auch 
sicher  zutreffendes  Bild.  Der  erste  Theil  dagegen  bis  zum  Jahre 
883,  von  Ratpert  verfafst,  ist  erfüllt  von  den  äufseren  Schicksalen 
des  Klosters,  den  langen  Kämpfen  um  seine  Unabhängigkeit  und 
Selbständigkeit,  welche  den  Bischöfen  von  Constanz  nur  mit  Mühe 
abgerungen  war,  und  gegen  verschiedene  Anfechtungen  vertheidigt 
wurde.  Das  Verhältuifs  zu  den  Bischöfen,  welche  formell  völlig  im 
Rechte  waren,  hat  Ratpert,  der  schon  ganz  entstellten  Klostertra- 
dition folgend,  durchaus  umgekehrt  dargestellt,  wie  kürzlich  Sickel 
auf  die  Urkunden  gestützt  nachgewiesen  hat1);  seine  Aufmerksamkeit 
aber  war  diesem  Gegenstand  so  vorwiegend  zugewandt,  dafs  er  auch 
aus  der  späteren  Zeit  der  Blüthe  wenig  über  das  innere  Leben  des 
Klosters  berichtet. 

Die  ersten  Zeiten  des  angestrengten  und  oft  unglücklichen 
Kampfes  waren  der  litterarischen  Entwickelung  nicht  günstig.  Eine 
Zierde  des  Klosters  war  jedoch  schon  damals  Waldo,  der  zum  Abt 
erhoben ,  nach  Ratperts  Darstellung  wegen  der  Bedrängung  durch 
den  Bischof  nach  iy2  Jahren  (784)  die  Abtei  Reichenau  erhielt, 
welcher  er  22  Jahre  vorstand,  endlich  aber  als  Abt  von  Saint-Denis 
bis  an  seinen  Tod  813  an  dem  litterarischen  Treiben  des  Hofes 
Theil  nahm2). 

mentar  u.  Excursen.  Desgleichen  Ekkeharti  (IV)  Casus  S.  Galli  ebenda 
XV.  XVI.  1877.  Mit  den  Vitis  et  iniraculis  Galli  et  Otmari  auch  beson- 
ders ausgegeben  als  St.  Gall.  Geschichtsquellen.  —  Catal.  abb.  S.  Galli, 
Augiensium,  epp.  Constantt.  MG.  II,  34 — 39;  ersterer  neu  herausgegeben  u. 
bearbeitet  von  G.  Meyer  von  Knonau,  Mittheil.  XI,  125 — 138:  v.  Holder- 
Egger  SS.  XIII,  326—330;  Aug.  ib.  p.  331;  Const.  p.  324.  —  Mitth.  XI, 
1 — 124  St.  Galler  Todtenbuch  und  Verbrüderungen,  von  E.  Dümmler  und 
H.  Wartmann;  S.  6  über  das  um  817  angelegte  Verbrüderungsbuch.  Dieses 
ist  jetzt  von  P.  Piper  herausgegeben,  MG.  Libri  Confraternitatum,  1884,  4. 
Verz.  d.  Constanzer  Domgeistlichkeit  s.  XI.  NA.  XI,  408. 

l)  Th.  Sickel,  St.  Gallen  unter  den  ersten  Karolingern,  in  den  Mit- 
theilungen zur  vaterl.  Gesch.  IV.  1865.  Dafs  die  Bischöfe  doch  auch  über 
ihre  formelle  Berechtigung  hinaus  sich,  wie  es  fast  immer  geschah,  Ueber- 
griffe  erlaubt  haben  mögen,  hebt  Monod  zu  Ratperts  Gunsten  hervor,  Revue 
ßrit.  1873,  II,  409—413. 

3)  Verse  von  König  Ludwig  und  von    dem  Schotten  Dungal   an  Baldo 


270  II-    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

Die  neugewonnene  Freiheit  unter  dem  selbständigen  Abte  Goz- 
bert  (816 — 837)  erwies  sich  für  das  Gedeihen  des  Klosters  sehr 
förderlich;  830  begann  Gozbert  den  Bau  der  neuen  Kirche,  zu  wel- 
cher er  den  noch  vorhandenen  Grundrifs1)  entwerfen  liefs;  der  Ur- 
heber desselben,  welcher  den  Musterplan  eines  grofsen  Benedictiner- 
Mosters  darstellt,  ist  unbekannt,  eine  Widmung,  gerichtet,  wie  es 
scheint,  an  den  jüngeren  Gozbert,  des  Abtes  gleichnamigen  Neffen. 
Dieser  beschrieb  um  diese  Zeit  das  Leben  des  ersten  Sanct  Galler 
Abtes  Othmar,  welcher  am  16.  November  759  in  der  Verbannung 
gestorben  war,  und  fügte  auch  zum  Leben  des  heiligen  Gallus, 
welches  der  Reichenauer  Wetti  für  Gozbert  bearbeitet  hatte  (oben 
S.  120),  ein  Buch  über  die  Wunder  desselben  hinzu.  Doch  genügten 
ihm  selber  diese  Arbeiten  nicht,  und  er  bat  den  berühmten  Abt 
von  Reichenau,  Walahfrid,  beide  zu  überarbeiten2).  Uns  liegt  daher 
das  Leben  Othmars  nur  in  Walahfrids  reiner  Sprache  vor;  es  ent- 
hält einige  schätzbare  Nachrichten  über  die  damaligen  Verhältnisse 
von  Alamannien,  doch  tilgte  leider  Walahfrid  die  Namen  der  Ge- 
währsmänner als  zu  barbarisch.  Begreiflich  ist  es,  dafs  man  da- 
neben auch  des  heiligen  Gallus  Leben  in  seiner  schlichten  unsau- 
beren Gestalt  nicht  mehr  ertragen  konnte:  wenn  es  bei  der  Mahlzeit 
oder  am  Gedächtnifstage  des  heiligen  Mannes  verlesen  wurde, 
störten  die  Germanismen  und  Sprachfehler  die  Andacht  der  Zuhörer. 
Walahfrid  mufste  deshalb  auch  dieses  Buch  nebst  den  dazu  gefügten 
Wundergeschichten  in  eine  zeitgemäfse  Form  bringen3);  doch  ha- 
sich  auch  Wettins  Arbeit  erhalten.  Auch  in  Versen  wollte  Walah- 
frid denselben  Gegenstand  behandeln,  ist  aber  nicht  mehr  dazu  get 
kommen.  Dagegen  hat  es  auf  das  ungestüme  Andrängen  des  jün- 
geren Gozbert,  des  Kahlkopfs,  ein  ungenannter  Mönch  unternommen 


hat  Dummler  herausgegeben  im  Arch.  d.  W.  Ak.  XXII,  289,  vgl.  S.  283, 
u.  (mit  Froben)  auf  ihn  bezogen,  folgt  jedoch  Poet.  Lat.  I,  412  Foltz, 
Gesch.  d.  Salzb.  Bibl.  S.  13,  welcher  den  Salzburger  Lehrer  Baldo  unter- 
scheidet; s.  unten  S.  292. 

»)  F.  Keller,  Baurifs  des  Klosters  St.  Gallen  vom  Jahr  820.  Zürich  1844. 
Von  dem  etwas  späteren  Bau  Grimalds  heifst  es  im  cod.  397:  Aula  palatinis 
perfecta  est  ista  magistris,   ]  Insula  pictores  transmiserat  Augia  clara. 

2)  Sie  sind  nur  in  dieser  Form  vorhanden,  V.  S.  Othmari  MG.  II,  41 
bis  47,  und  von  G.  Meyer  von  Knonau  Mitth.  XII,  94—113.  Uebers.  v. 
Potthast  mit  Vita  S.  Galli.     Miramla  S.  Galli  ib.  21—31  u.  62—93. 

3)  Gedruckt  bei  Mabillon  Act.  II,  227—250.  Neue  Ausg.  von  R.  Thuli, 
St.  Gall.  Mitth.  XXIV  (1890)  S.  1—76.  Daran  knüpft  sich  eine  Kritik  in 
dem  wunderlichen  Dialog,  welcher  Notker  u.  Hartmann  in  den  Mund  ge- 
legt, aber  viel  jünger  ist,  höchst  confus  u.  voll  chronolog.  Widersprüche, 
bei  Weidmann,  Gesch.  d.  Stiftsbibl.  S.  483—493  (S.  486  1.  str&pha  statt 
scropha). 


Leben  des  Othmar  und  Gallus.  271 

und  in  der  That  Walahfrids  Werk  im  Jahre  850  in  Hexameter  um- 
gesetzt, doch  stand  sein  Können  bei  weitem  tiefer  und  entsprach 
nicht  seinem  guten  Willen1). 

Nach  dem  Bürgerkriege  verlieb  Ludwig  der  Deutsche  die  Abtei 
seinem  Erzkaplan  Grimald  (841 — 872),  der  sich  das  Wohl  der- 
selben sehr  angelegen  sein  liefs,  so  dafs  jetzt  die  rechte  Blüthezeit 
des  Klosters  und  namentlich  der  Schule  beginnt2).  Da  er  selbst 
nicht  Mönch  war  und  in  der  Regel  am  Hofe  lebte,  vertraute  er 
Hrabans  Schüler  Hartmut  die  unmittelbare  Verwaltung  des  Klosters 
an,  und  nach  Grimalds  Tod  stand  dieser  demselben  bis  883  als 
Abt  vor.  Beide  sorgten  eifrig  für  die  Bereicherung  der  Bibliothek, 
und  als  der  erste  bedeutende  Lehrer  wird  unter  ihnen  Iso  genannt3); 
ihm  zur  Seite  der  Schotte  Moengal,  auch  Marcellus  genannt4), 
welcher  in  der  inneren  Schule  die  für  das  Mönchskleid  bestimmten 
Knaben  unterwies,  während  jener  in.  der  äufseren  Schule  die  Söhne 
des  Adels  für  ihren  Beruf  als  Domherrn   und  Bischöfe  vorbereitete. 

Im  Jahre  864  wurde  Othmars  Leib  erhoben  und  in  der  neuen 
Kirche  des  heiligen  Gallus  feierlich  beigesetzt,  bis  867  die  ihm  be- 
stimmte eigene  Kirche  vollendet  war,  welche  auch  Grimalds  Ruhe- 
stätte wurde,  der  870  zuletzt  als  Kanzler  erscheint,  und  den  Rest 
seiner  Tage  in  St.  Gallen  zubrachte.  Von  jener  Erhebung  Othmars 
mit  den  Wundern,  die  dabei  natürlich  nicht  fehlten,  berichtet  uns 
eine  bald  nachher  verfafste  Schrift  Iso's5).  Später  soll  dieser  je- 
doch das  Kloster  verlassen,  und  als  Lehrer  im  Kloster  Grandval 
eine  grofse  Wirksamkeit  und  aufserordentlichen  Ruf  erlangt  haben, 
bis  er  am   14.  Mai  871  starb. 

Die  volle    geistliche  Bildung    der  inneren  Schule   erhielten  zwei 

*)  Nur  der  Anfang  MG.  II,  31.  Vollständig  zuerst  herausgegeben  von 
Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  428—473,  vgl.  p.  266. 

2)  Vgl.  oben  S.  222.  Gegen  Scherers  einseitige  Hervorhebung  des 
Einflusses  der  Fulder  Schule,  s.  Dümmler  Ostfr.  III,  655.  Ein  für  Grimald 
scotice  geschriebener  Priscian  bei  F.  Keller  1.  c.  tab.  XI,  2.  Libri  quos  Gr. 
de  suo  dedicavit,  bei  Weidmann  S.  396 — 400.  Ein  Recept  de  libro  Grim. 
Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XX,  214. 

3)  Urkundlich  in  St.  Gallen  erwähnt  von  852 — 868. 

4)  Von  848 — 865  urkundlich  erwähnt.  Er  war  vorher  Abt  von  Bangor 
in  Ulster  u.  starb  871.  NA.  XVII,  211.  —  Sehr  barbarische  Verse  von 
Dubduin  zum  Preise  seiner  Landsleute  NA.  X,  341. 

5)  Ysonis  de  miraculis  S.  Othmari  libri  11,  MG.  SS.  II,  47  —  54.  Mittb. 
XII,  114 — 139  im  Auszug.  Ekkehards  Erzählung  von  Iso's  Wirksamkeit 
in  Burgund  bezweifelt  Dümmler  Denk.  S.  260,  weil  er  868  noch  in 
St.  Gallen  war.  M.  v.  Knonau  jedoch,  der  zum  Ekkeh.  S.  116 — 126  über 
Iso  handelt,  hält  seine  Thätigkeit  in  Moutier-Grandval  für  gesichert  durch 
die.  Tradition,  nur  kann  nicht  Rudolf  von  Burgund  ihn  eingeladen  haben, 
sondern  der  Bischof  von  Basel. 


272  II-    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

Schüler  des  Iso,  welche  Marcellus  von  ihm  übernahm,  und  nicht 
minder  als  in  der  Wissenschaft,  auch  in  der  Musik  und  anderen 
Künsten  unterwies,  deren  er  als  Irländer  Meister  war.  Diese  waren 
der  berühmte  Erfinder  der  Sequenzen,  Notker  der  Stammler1),  später 
Marcellus'  Gehülfe ,  Verfasser  des  oben  erwähnten  Martyrologiums 
und  andere  Werke,  die  wir  gleich  zu  erwähnen  haben  werden,  und 
der  kunstreiche  Tutilo2).  Als  dritten  nennt  Ekkehard  auch  Rat- 
pert,  einen  Züricher,  der  aber  vielmehr  sein  Zeitgenosse  war,  und 
bis  an  das  Ende  des  neunten  Jahrhunderts  der  Klosterschule  vorstand. 
Dieser  hat,  wie  schon  erwähnt,  den  ersten  Theil  der  Klosterchronik 
verfafst.  Die  Einweihung  der  von  der  Aebtissin  Bertha,  Ludwig 
des  Deutschen  Tochter ,  neu  erbauten  Fraumünsterkirche  in  Zürich 
verlockte  ihn  zu  einer  Wallfahrt,  die  er  in  Versen  ausführlich  be- 
schrieb3); übrigens  aber  war  er  so  eifrig  in  seinem  Amte,  dafs  er 
jede  Entfernung  vom  Kloster  dem  Tode  gleich  achtete,  und  nicht 
mehr  als  zwei  Schuhe  im  Jahre  verbrauchte;  selbst  die  Messen  und 
Gebete  versäumte  er  darüber,  denn  sagte  er,  wir  hören  die  besten 
Messen,  wenn  wir  andere  lehren  sie  zu  feiern.  Unnachsichtig  hand- 
habte er  den  Stock,  der  überhaupt  in  diesen  Jahrhunderten  eine 
grofse  Rolle  in  der  Erziehung  spielte,  und  doch  wufste  er  sich  durch 
seine  Berufstreue  und  wahres  Wohlwollen  auch  die  Liebe  seiner 
Schüler  zu  gewinnen.  Als  er  auf  seinem  Todbette  lag,  hatte  gerade 
das  Fest  des  heiligen  Gallus  (Oct.  16)  die  Geistlichkeit  Alamanniens 
im  Kloster  versammelt,  und  40  seiner  Schüler  umgaben  das  Sterbe- 
lager ihres  Lehrers4). 

J)  S.  über  ihn  Dümmler  Denkm.  S.  244  ff.  258  ff.  NA.  IV,  546.  Meyer 
v.  Kn.  zu  Ekk.  S.  126 ff.  und  Der  h.  Notker  v.  St.  Gallen,  Neujahrsbl.  1877. 
Er  starb  912.     Autograph  von  ihm  bei  W.  Arndt,  Schrift.  15 b. 

2)  Dessen  berühmtes  Diptychon  abgebildet  in:  Das  Kloster  St. Gallen  I. 
Herausgegeben  vom  historischen  Verein  in  St.  Gallen,  1863,  und  bei  Alwin 
Schultz:  Tuotilo  von  St.  Gallen  in:  R.  Dohme,  Kunst  und  Künstler  des 
Mittelalters  und  der  Neuzeit,  I,  1877;  doch  vgl.  dazu  Rahn:  Nachlese  zur 
Gesch.  der  bildenden  Künste  in  der  Schweiz,  S.  787 — 790,  u.  M.  v.  Knonau 
zu  Ekkeh.  S.  93  u.  129.  Jul.  v.  Schlosser,  Wiener  SB.  CXXIII,  S.  180 
bis  185. 

3)  Erhalten  ist  nur  ein  Bruchstück,  die  Beschreibung  der  neuen  Kirche 
und  der  Uebertragung  von  Reliquien  der  hh.  Felix  et  Regula  vom  Grofs- 
münster  nach  Fraumünster,  herausgegeben  v.  G.  von  Wyfs,  Geschichte 
der  Abtei  Zürich  (Mittheil.  VIII),  Beilagen  S.  11;  vgl.  Dümmler  Denkm. 
S.  255.  Ostfr.  II,  427.  G.  Meyer  von  Knonau  in  d.  Vorrede  der  Casus. 
Sein  Lobgesang  auf  den  heiligen  Gallus  in  Ekkehards  lat.  Uebersetzung 
bei  Müllenhoff  und  Scherer  I,  217.  II,  78.  Vgl.  Dümmler,  NA.  IV,  541. 
G.  R.  Zimmermann,  Ratpert  der  erste  Zürchergel ehrte  (Basel  1878)  ohne 
wissensch.  Werth  nach  Dümmler  im  Centralbl.  Sp.  1314. 

4)  Das  Jahr  des  Todes  ist  wegen  der  vielen  gleichnamigen  Mönche 
ganz  ungewifs. 


Ratpert.     Notker  der  Stammler.  273 

Als  Karl  III  883  das  Kloster  besuchte1),  fand  er  in  St.  Gallen 
einen  alten  Mönch,  dessen  Gedächtnifs  noch  in  die  Zeit  des 
grofsen  Karl  reichte  und  der  die  Geschichten  zu  erzählen  wufste, 
welche  er  einst  von  des  tapferen  Gerolds  "Waffengefährten,  von 
Adalbert  und  dessen  Sohne,  dem  Priester  Werinbert,  gehört  hatte. 
Karl  III,  von  dem  sonst  wenig  löbliches  zu  berichten  ist,  hatte  an 
diesen  Geschichten  solche  Freude,  dafs  er  den  guten  Alten  veran- 
lafste,  sie  aufzuschreiben;  emsig  ging  er  an  die  Arbeit,  scheint  sie 
aber  nicht  vollendet  zu  haben.  In  diesem  Mönche  hat  man  schon 
früh  Notker  den  Stammler  erkannt,  aber  Pertz  widersprach  dieser 
Annahme,  weil  der  Stil  gar  zu  roh  und  grammatisch  fehlerhaft  ist, 
und  weil  Notker  damals  noch  nicht  alt  genug  war,  um  durch  Zahn- 
losigkeit  zum  Stammler  geworden  zu  sein.  Es  scheint  jedoch,  dafs 
er  durch  einen  Naturfehler  gestammelt  hat,  und  die  Vergleichung 
der  Ausdrucksweise  hat  den  vollkommen  überzeugenden  Nachweis 
gestattet,  dafs  wirklich  Notker  der  Verfasser  dieses  anmuthigen 
Buches  gewesen  ist,  an  welchem  man  schon  früh  und  vielfach  Ge- 
fallen gefunden  und  es  trotz  seiner  mangelhaften  Form  mit  Einhards 
Meisterwerk  verbunden  hat. 

Ferner  aber  ist  es  wegen  der  auffallendsten  Uebereinstimmungen 
in  Ausdruck  und  Auffassung  als  vollkommen  sichergestellt  anzusehen, 
dafs  Notker  auch  der  Fortsetzer  der  oben  S.  219  erwähnten  Chronik 
Erchanberts  gewesen  ist2).  Er  fügte  nämlich  eine  kurze  Uebersicht 
über  die  Theilungen  und  die  Regentenfolge  im  karolingischen  Reich 
hinzu,  bald  nach  der  Kaiserkrönung  Karls  III  (881),  von  dem  er 
mit  lebhafter  Verehrung  spricht,  wie  denn  auch  damals  noch  kein 
Grund  war,  an  seinen  guten  Erfolgen  zu  zweifeln. 

Des  Kaisers  Besuch  erschien  als  ein  Höhepunkt  der  Blüthe  des 
Klosters,  und  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  vermuthet  Meyer  von 
Knonau,  dafs  eben  hierdurch  Ratpert  zur  Abfassung  der  Gesta  ver- 
anlafst  sei,  welche  mit  diesem  Besuche  abschliefsen.  Auch  mit  des 
Kaisers  Günstling,   Bischof  Liutward   von  Vercelli,  einem  geborenen 

1)  Hierhin  gehören  wohl  die  Verse  von  Ratpert,  Hartmann,  Notker 
Balbulus  u.  a.,  die  sich  vielleicht  alle  auf  diese  Gelegenheit  beziehen,  neu 
herausgegeben  von  Dümmlcr,  Denkm.  S.  218 — 221,  vgl.  255 ff.  und  ein 
späteres  vielleicht  von  887  S.  221,  vgl.  257.  Das  von  Waldram  ver- 
fafste  Rex  benedicte  S.  220,  ist  aber  Weihn.  911  an  Konrad  gerichtet,  nach 
Heidemann  S.  454,  vgl.  M.  v.  Knonau,  Jahrbuch  1867  S.  129.  Litanei 
aus  König  Konrads  Zeit  bei  Dümmler,  Denkm.  S.  222,  vgl.  258.  NA.  IV, 
510.  551. 

2)  MG.  SS.  II,  329.  Uebers.  bei  dem  Mönch  von  St.  Gallen.  Notkers 
Autorschaft  nachgewiesen  von  B.  Simson  u.  Zeumer,  s.  Waitz-Aufsätze 
S.  113;  NA.  XII,  428. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  18 


274  II.    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

Schwaben,    standen    die  Mönche    in  gutem  Vernehmen    und  Notker 
widmete  ihm  seine  Sequenzen1). 

Am  Schlüsse  dieser  Periode  steht  Notkers  berühmtester  Schüler2) 
Salomo  III,  von  890 — 920  Bischof  von  Constanz  und  zugleich  Abt 
von  St.  Gallen,  ein  Mann  von  den  glänzendsten  Geistesgaben,  der 
kluge  und  gelehrte  Freund  Hatto's  von  Mainz,  der  das  schöne  und 
blühende  Kloster  wie  seineu  Augapfel  liebte  und  hegte.  Mehrere 
uns  erhaltene  Briefe  und  Gedichte  zeugen  von  Notkers  Liebe  zu  ihm 
und  zugleich  von  der  Sorge  des  treuen  Lehrers  um  das  Seelenheil 
seines  Schülers  in  den  Gefahren  der  Welt,  denen  er  am  Königshofe 
ausgesetzt  war.  Eine  Mustersammlung  von  Urkundenformeln  und 
Briefen3),  in  welcher  uns  einige  auch  für  die  Geschichte  der  Zeit 
wichtige  Briefe  aufbewahrt  sind,  während  die  Urkunden  über  man- 
nigfache Verhältnisse  reichen  Aufschlufs  gewähren,  schrieb  Dümmler 
Salomo  um  das  Jahr  896  zu,  während  nach  Zeumers  Ansicht  Waldo 
mit  seinem  Bruder  Salomo  sie  877  und  878  während  ihres  Aufent- 
halts bei  Salomo  II  von  Constanz  und  Liutbert  von  Mainz  zusammen- 
gebracht haben,  Notker  nachträglich  noch   einige  Briefe  hinzugefügt 


!)  Vgl.  Meyer  v.  Knonau,  Mitth.  XIII,  60.  XV,  161. 

2)  Diese  Ansicht  Dümmlers  bekämpft  Dämmert,  Forsch.  VIII,  327  bis 
366  u.  will  vielmehr  Roudker,  den  Ekkehard  als  Mentor  Salomons  bezeich- 
net, auch  die  Briefe  zuschreiben.  Meyer  v.  Knonau  hat  diese  Ansicht  S.  21 
als  chronologisch  unmöglich  widerlegt.  Ebenso  bekämpft  er  S.  4  auch 
Notker,  aber  hier  ist  die  Chronologie  ganz  unsicher,  und  mir  erscheinen 
die  Gründe  für  Notker  auch  jetzt  noch  überwiegend,  u.  so  auch  Zeumer, 
NA.  VIII,  513—517.  —  Ueber  Salomons  Familie  s.  Graf  Zeppelin,  Thur- 
gauische  Beitr.  XXX,  42. 

3)  Früher  Formulae  Alsaticae  genannt.  Zum  ersten  Mal  kritisch  und 
vollständig  herausgegeben  von  Dümmler:  Das  Formelbuch  des  Bischofs 
Salomo  III,  Leipzig  1857.  Verbesserungen  St.  Gallische  Denkm.  S.  261. 
Verse  von  Notker  (?)  an  Salomo  S.  225.  Ueber  Salomo  Formelbuch  103  ff. 
Denkm.  262  ff.  Eine  populäre  Schilderung  in:  Das  Kloster  St.  Gallen,  vom 
historischen  Verein,  II,  1864,  mit  schöner  Abbildung  seines  grossen  C  in 
Sintrams  Evangelium  longum.  Das  Formelbuch  nach  der  Münchener  Hand- 
schrift ed.  Rockinger,  Quellen  zur  bayerischen  und  deutschen  Geschichte 
VII,  und  in  De  Roziere's  Sammlung.  Vgl.  auch  Heidemann,  Salomon  III 
von  Constanz  vor  Antritt  des  Bisthums,  Forsch.  VII,  425 — 462.  Dämmert 
ib.  VHI,  327—366.  Vorzüglich  aber  jetzt  Zeumer,  Formulae  Salomonis, 
NA.  VIII,  506—540,  u.  seine  Ausgabe  MG.  Form.  p.  390—437.  Ein 
merkwürdiges  Denkmal  der  St.  Galler  Gelehrsamkeit  und  Schreibkunst  ist  das 
Psalterium,  welches  Salomo  909  schreiben  liefs,  mit  3  lateinischen  Versionen 
und  dem  griechischen  Text  in  lateinischen  Buchstaben,  mit  einem  einleiten- 
den Gedicht;  dieses  neu  herausgegeben  von  Dümmler,  Ostfr.  (1,  Ausg.)  II, 
681,  von  Hamann:  Canticum  Moysi  ex  psalterio  quadruplici  Salomonis  IH 
(Lips.  1874),  p.  18.  Frühzeitig  ist  eine  um  6  Verse  am  Anfang  verstümmelte 
Abschrift  der  Verse  verbreitet,  s.  Bianchini,  Vindiciae  p.  CCLI,  Codd. 
Colon,  p.  3.  4. 


Salomo  III  von  Constanz.  275 

hat.  Schon  war  man  in  Reichenau1)  und  an  andern  Orten  mit 
ähnlichen  Sammlungen  vorangegangen,  aber  die  Sanctgaller  Samm- 
lung läfst  sie  durch  ihren  Inhalt  wie  durch  ihre  Form  weit  hinter 
sich.  Aus  der  späteren  Zeit  besitzen  wir  von  Salomon  zwei  schöne 
poetische  Episteln  an  den  Bischof  Dado  von  Yerdun,  deren  an- 
sprechender, von  wahrem  Gefühl  getragener  Inhalt  die  ziemlich  in- 
correcte  Form  übersehen  läfst;  die  Ueberschrift  „Versus  Waldram mi 
ad  Dadonem  episcopum  a  Salomone  episcopo  missi"  läfst  jedoch 
vermuthen ,  dafs  sie  nur  im  Auftrag  und  nach  Anweisung  Salomons 
in  dessen  Namen  von  Waldram  verfafst  sind.  In  der  einen2)  be- 
klagt der  Bischof  in  elegischer  Form  voll  tiefer  Trauer  den  Tod 
seines  letzten  Bruders ,  des  Bischofs  Waldo  von  Freising  (906),  an 
den  nach  Zeumer  mehrere  der  Briefe  in  der  Formelsammlung  ge- 
richtet sind;  in  der  anderen3),  schon  früher  geschriebenen,  schildert 
er  mit  den  lebhaftesten  Farben  das  Unglück  des  Vaterlandes,  dessen 
König  ein  Kind  ist,  dessen  Gaue  erfüllt  sind  von  allgemeiner  Zwie- 
tracht, von  innerem  Kampfe  in  allen  Ständen  des  Volkes,  während 
die  Ungern  ungehindert  das  Land  verheerend  durchziehen.  Auch 
St.  Gallen  wurde  von  ihnen  926  verheert. 

Ekkehards  lebendige  Schilderung  hat  die  Sanctgaller  Schule 
unsterblich  gemacht;  ohne  ihn  würden  wir  nicht  so  gar  viel  davon 
wissen,  und  ohne  Zweifel  herrschte  in  manchem  andern  Kloster  ein 
ganz  ähnliches  Treiben,  von  dem  nur  niemand  uns  Nachrichten  auf- 
bewahrt hat.  So  vor  allem  in  Reichenau,  welches  schon  in  hoher 
Blüthe  stand,  als  St.  Gallen  noch  schwach  und  unbedeutend  war4). 

')  Zeumer,  Reichenauer  Formeln,  NA.  VIII,  481—505.  Daselbst  S.  547  ff. 
Nachweis,  dafs  Iso  nur  irrthümlich  Formeln  zugeschrieben  sind. 

2)  Nach  Canis.  (II,  3,  245)  berichtigt  nach  der  Handschrift  von  Dümm- 
ler,  Denkm.  S.  239,  mit  dem  gröfstentheils  aus  Reminiscenzen  von  Venan- 
tius  bestehenden  Trostgedicht  von  Waldram,  und  anderen  Gedichten  des- 
selben.    Vgl.  Scherrers  Verz.  73  über   den  Cod.    197.    NA.  IV,  550—554. 

3)  Bei  Dümmler,  Denkm.  S.  230—239  (v.  9.  1.  iterare,  v.  42:  si  domui 
conjuncta  domus  primordia  sumpsit.);  vgl.  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der 
Kaiserzeit  I,  174,  Dümmler,  Ostfr.  III,  527.  Ueber  die  Salomo  zugeschriebene 
Encyclopädie  (Glossae  Salomonk)  s.  Stalin  I,  404,  Scherrers  Verz.  S.  321  bis 
f>23.  Sie  ist  von  älterem  Ursprung  und  die  Benennung  ungerechtfertigt, 
doch  könnte  S.  vielleicht  diese  Sammlung  veranlafst  haben.  Als  Ableitung 
eines  älteren  Glossars  nachgewiesen  von  G.  Götz:  Der  liber  glossarum, 
Leipz.  1891   (Abh.  d.  philol.-hist.  Cl.  der  K.  Sachs.  G.  d.  W.  XIII). 

4)  Die  älteste  Lebensbeschreibung  des  Stifters,  S.  Pirmin,  mit  der 
Gründungsgeschichte  von  Reichenau  (um  724)  zuerst  gedr.  von  Mone, 
Quellens.  I,  30 — 36,  ist  nach  Mone  im  neunten  Jahrhundert  in  Reichenau 
verfafst;  in  den  Nachträgen  S.  528  verlegt  jedoch  derselbe  den  Ursprung 
nach  Hornbach  und  trifft  darin  zusammen  mit  Rettberg  (II,  51),  welcher 
ihre  geschichtliche  Wertlosigkeit  nachweist.  Dümmler  verweist  auch  auf 
Wal.  Visio  Wett.  v.  30  für  den  Ursprung  in  Hornbach.    Dafür  auch  Holder- 

18* 


276  II-    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

Abt  Waldo  (784 — 806),  ein  vornehmer  Herr,  mit  Grimald  nahe  ver- 
wandt und  vorher  Abt  von  St.  Gallen  (oben  S.  269),  hatte  schon 
den  Mönch  Wadilcoz  nach  dem  Martinskloster  zu  Tours  geschickt, 
der  von  dort  Bücher  für  die  Bibliothek  übersandte,  welche  Waldo 
mit  grofsem  Eifer  zu  bereichern  bestrebt  war1);  unter  ihm  begann 
der  fleifsige  Reginbert  seine  musterhafte  Thätigkeit  für  dieselbe, 
welche  er  bis  an  seinen  Tod  846  rastlos  fortsetzte,  theils  durch 
eigene  Arbeit,  theils  durch  Geschenke  die  Sammlung  zu  sehr  an- 
sehnlichem Umfang  vermehrend2).  Ihm  übersandten  seine  Schüler 
Grimald  und  Tatto  die  Klosterregel  nebst  den  Beschlüssen  des 
Reichstages  von  817,  der  wohl  ihre  Aussendung  veranlafst  hatte3). 
Auf  seinen  Antrieb  schrieb  Walahfrid  das  bedeutende  Werk  de  rebus 
ecclesiasticis ,  wie  dieser  es  in  den  Worten  ausspricht:  Dura  Regin- 
berti  jussio  adegit  eum.  Als  Lehrer  war  neben  ihm  Heito  thätig, 
ein  Bruder  jenes  Wadilcoz,  Waldo's  Nachfolger  als  Abt  und  Bischof 
von  Basel,  welches  Bisthum  Waldo  ebenfalls  verwaltet  hatte.  Karl 
der  Grofse  sandte  ihn  811  nach  Constantinopel,  und  über  diese  Sen- 
dung verfafste  er  eine  Reisebeschreibung4),    die    leider  verloren  ist; 

Egger  in  der  Ausg.  Vita  Pirminii  I.  et  II.  cum  miraculis  MG.  SS.  XV, 
17—35;  vgl.  p.  574°.  Vgl.  0.  Breitenbach  im  NA.  II,  170—174  über  die 
von  Gallus  Oehem  benutzte  Bearbeitung.  Sehr  merkw.  Predigt,  von  ihm 
bei  Caspari,  Kirchenhist.  Anecdota  (1883)  S.  151 — 159  (Dicta  Priminii). 

J)  Neugart  Ep.  Const.  I,  142  aus  Oheims  Chronik,  und  jetzt  Gallus 
Oheims  Chronik  von  Reichenau  ed.  Barack  (1866)  S.  43.  Oheim  mufs 
über  die  Bereicherung  der  Bibliothek  und  eingetretene  Mönche  in  dieser 
Zeit,  von  Waldo  bis  Rudbelm,  eine  jetzt  verlorene  Quelle  gehabt  haben, 
die  bis  c.  840  reichte  und  vielleicht  von  Reginbert  herrührte,  s.  0.  Breiten- 
bach, NA.  II,  201.  Waldo  hat  danach  eine  Zeit  lang  auch  das  Bisthum 
Pavia  verwaltet.  In  der  Visio  Wettini  büfst  er  für  die  Sünde  des  Geizes. 
Das  Diptychon  aus  Erlebalds  Zeit  NA.  IV,  72,  ist  das  vou  Piper  heraus- 
gegebene Verbrüderungsbuch. 

2)  S.  den  821  begonnenen  Catalog  bei  Neugart  I,  536 — 552,  vgl.  S.  152 
und  Mommsen,  Die  Chronik  des  Cass.  Senator  S.  573 — 585  über  die  von 
ihm  angelegte  hist.  mathematische  Sammlung.  Auch  die  Carlsruher  Vita 
Bonif.  stammt  daher,  s.  d.  Inschrift  MG.  II,  332,  Jaffe  Bibl.  III,  425. 
Fragment  des  Liber  sextus  in  Libri's  Auctionscatalog  (1859)  S.  246  mit 
Facsimile.  Die  Verse,  welche  er  in  die  Bücher  eintrug,  Poet.  Lat.  II,  424, 
vgl.  NA.  XIII,  665. 

3)  Baluzii  Capit.  II,  1382.  Reginbert  wird  von  ihnen  flosjuvenum  forma 
speciosus  amoena  genannt.  Das  Buch  nebst  einem  zweiten  von  denselben 
geschenkten  im  Catalog  S.  550.  Das  Martyrologium  ed.  A.  Holder,  Rom. 
Quartalschrift  III,  S.  204-261.  Oben  S.  60. 

4)  Herrn.  Contr.  a.  811,  vgl.  über  ihn  Neugart  I,  142—148,  Rettberg 
II,  93 — 96,  und  die  Reichenauer  Inschriften  bei  Mone,  Quellens.  III,  133. 
Dümmler,  NA.  IV,  284.  Poet.  Lat.  II,  425.  0.  Seebass  vermuthet  in  ihm 
den  Vf.  der  Statuta  Murbacensia,  Zts.  f.  Kirchengesch.  XII,  322  (NA.  XVI, 
645).  —  Gleichzeitige  Aufzeichnung  darüber,  dafs  am  21.  Dez.  823  das 
Bisthum  Basel  Odalrich  commendirt  wurde,  in  Mone's  Zeitschr.  f.  Gesch. 
d.  Oberrheins  II,  384;  MG.  SS.  XIII,  374  cum  catal.  epp.  Basil. 


Reichenau.     Reginbert.     Wetti.  277 

823  entsagte  er  seinem  Bisthum  und  zog  sich  in  sein  altes  Kloster 
zurück,  wo  er  836  gestorben  ist.  Die  Abtei  übergab  er  Erlebold 
(823 — 838),  der  bei  einem  leider  ungenannten  Schotten  grofse  Ge- 
lehrsamkeit erworben,  und  Heito  auf  seiner  Reise  begleitet  hatte. 
Der  Schule  standen  jetzt  Tatto  (f  847j  vor,  den  Walahfrid  seinen 
Lehrer  nennt,  in  dessen  Namen  er  Verse  an  Ebo  von  Reims  und  an 
Thegan  richtete1),  und  Wetti,  ein  naher  Verwandter  Grimalds  und 
Waldo's.  Wie  mangelhaft  jedoch  noch  seine  grammatische  und 
metrische  Bildung  gewesen  ist,  haben  wir  jetzt  erst  mit  Verwunderung 
erfahren,  da  durch  das  von  Bücheier  entdeckte  Akrostichon  (oben 
S.  120)  festgestellt  ist,  dafs  er  der  Verfasser  der  Vita  S.  Galli  und 
ihrer  Widmung  in  ganz  barbarischen  Hexametern  ist,  welche  man 
für  viel  älter  gehalten  hatte.  Wetti  hatte  kurz  vor  seinem  Tode 
am  3.  November  824  eine  Vision,  indem  er,  wie  so  viele  andere 
vor  und  nach  ihm,  Himmel  und  Hölle  zu  durchwandern  glaubte, 
und  was  er  in  diesen  Regionen  gesehen  zu  haben  vermeinte,  den 
gläubigen  Brüdern  berichtete.     Heito  hatte  diese  Vision  in  Prosa2), 

1)  Poet.  Lat.  II,  350.    Ein  Brief  von  Tatto  Bibl.  III,  323. 

2)  Heitonis  Visio  Wettini,  abgedr.  mit  dem  früher  hier  mitgetheilten 
Prolog  bei  Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  267 — 275.  Walahfrids  Bearbeitung 
ist  durch  seine  Zuthaten  besonders  wichtig  für  die  Geschichte  des  Klosters. 
Vgl.  über  die  Anspielungen  auf  Bedränger  desselben,  und  über  die  Nach- 
ahmung des  Prudentius,  Bock  im  Jahrb.  d.  Alterthumsfr.  im  Rheinland  L, 
(1871)  S.  7.  —  Meistens  mit  dieser  Vision  verbunden,  findet  sich  im  Cod. 
S.  Galli  573,  Lambac.  qu.  77,  Monac.  Lat.  536  u.  18  546,  Brux.  10  687, 
Run.  51,  folgende: 

VISIO  CUIUSDAM  PAUPERCULAE  MULIERIS. 

Fuit  namque  in  Laudonico  pago  quaedam  mulier  paupercula,  quae  in  ex- 
tasi  rapta  rediens  multa  ac  miranda  narravit.  Ducebat  autem  Main,  ut  ipsa 
referebat,  quidam  homo  in  monachico  habitu  constituius,  übt  requiem  sanctorum 
et  poenam  iniquorum  cernebat,  talem  qualem  Paulus  apostolus  in  epistola  sua 
scribit:  quod  oculus  non  vidit  nee  auris  audivit  nee  in  cor  hominis  ascendit. 
Ibi  etiam  videbat  quendam  prineipem  ltaliae  {Karl  d.  Gr.  ganz  ähnlich  wie  in 
der  Visio  Wettini)  in  tormentis,  multosque  alios  notos,  quosdam  in  poena, 
quosdam  in  gloria.  Interrogavit  illa  eundem  duetorem  illius,  si  ille  ad  aeter- 
nain  ultra  vitam  redire  debuisset.  Atille:  Utique  debet.  Nam  si  Hlodouuicus, 
inquit,  Imperator,  natus  ejus,  Septem  agapes  pro  Mo  pleniter  dispensat,  reso- 
lutus  est.  Pic  ho  nein  (al.  Picconem)  vero  hujus  regis  qui  quondam  fuit  amicus, 
supinum  jacere  in  tormentis,  taetrosque  spiritus  duos  aurum  liquefacere  et  in 
os  ejus  in f undere  dicentes:  Ilinc  sitisti  in  saeculo  nee  saturari  potuisti;  modo 
bibe  ad  saturitatem!  Irmingartam  namque  reginam  aeque  in  tormentis,  quae 
super  se  habebat  cautes  tres  quasi  molares,  unum  super  caput,  alter  um  super 
pectus,  tertium  super  dorsum,  qui  semper  eam  in  profundum  mergebant.  Mira 
namque  dicturus  sum.  Clamavit  namque  ad  istam  dicendo:  Vade  et  dominum 
meum  roga  imperatorem,  ut  me  misellam  adjuvare  dignetur.  Et  da  ei  Signum 
ut  sciat  a  me  missam  te  fore,  istud  quod  meae  depositionis  (desponsationis?) 
tempestate  sola  cum  ipso  loquebar  in  uno  pomerio,  et  hoc  statim  bene  cognos- 
cet,  quia  adhuc  hodie  eunetos   latet  eadem    lovutio   nisi  nos  tantum.     Curnque 


278  II.    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

Walahfrid  in  Versen  bearbeitet1),  und  der  Eindruck  derselben  auf 
die  Zeitgenossen  war  aufs  erordentlich  grofs;  hatte  er  doch  sogar  den 
grofsen  Kaiser  Karl  im  Fegefeuer  Schlimmes  leiden  gesehen,  auch 
Waldo.  Beide  werden,  nebst  einigen  anderen,  von  Walahfrid  nur 
durch  Acrosticha  bezeichnet.  Unter  den  Märtyrern  dagegen  erscheint 
darin  Gerold,  der  Königin  Hildegard  Bruder,  welcher  im  Kampfe 
gegen  die  Avaren  gefallen  war,  ein  geborner  Alamanne,  und  des 
Klosters  Hort  und  Beschirmer.  Eine  vielleicht  von  Walahfrid  ver- 
fafste  Grabschrift  auf  ihn2)  findet  sich  in  einer  Handschrift  neben 
dem  Epitaph  des  Bernald,  an  den  die  Reichenauer  ebenfalls  mit 
Stolz    zurückdachten.     Dieser    Bernald    war    nämlich    ein    geborner 

inde  pergerent,  ostendit  ei  ductor  illius  murum  cujus  cacumen  coelum  usque 
tendebat,  et  post  eum  alterum  qui  totus  Script us  erat  aureis  caracteribus . 
Interrogavitque  illa  quid  hoc  esset.  Terrestris,  inquit,  paradisus  est,  ubi  nullus 
intrabit  nisi  qui  hie  scriptus  reperitur.  Imperavitque  Uli  ut  leger  et.  At  illa 
ait:  Non  didici  litteras.  Scio  inquit,  sed  tarnen  lege.  Legit  namque  illa,  et 
invenit  nomen  Bernharti  quondam  regis  tarn  luculentis  lilteris  exaratum  sicut 
nullius  ibidem  fuit.  Postea  Hlodouuici  regis  tarn  obscurum  et  oblitteratum,  ut 
vix  agnosci  potuisset.  At  illa:  Quid  est,  inquit,  quod  istud  nomen  tarn  oblitte- 
ratum  est?  Antequam,  ait,  in  Bernhartum  homieidium  perpelrasset,  nullius  ibi 
nomen  clarius  erat.  Illius  interfectio  istius  oblitteratio  fuit.  Vade  et  cave 
diligenter,  ne  horum  quid  regem  celaveris.  Illa  vero  non  ausa  contieuit.  Non 
post  multum  rursum  ammonuit  eam,  que  ut  prius  contieuit.  Tertia  vero  vice 
venit  et  dixit:  Quid  est  quod  non  gestis  obseeundare  verbo  Domini'?  Quae 
respondit:  Domine,  vilis  sum  persona,  et  ista  non  audeo  in  medum  proferre. 
Ex  hoc  ait  Uli:  Luminum  tuorum  non  gaudebis,  donec  ea  coram  rege  exponis. 
Cujus  ilico  pupilla  caligine  obdueta  est.  Post  dies  multos  venit  in  praesentiam 
regis,  euneta  tradidit,  lumenque  reeepit. 

Diese  Visio  ist  wieder  abgedruckt  bei  Malfatti:  Bernardo  re  d'Italia, 
Firenze  1876  (Nuova  Antologia).  Irmgard  st.  den  3.  October  818;  ihr 
schreibt  auch  Andreas  Berg.  c.  8.  Bernhards  Tod  zu,  der  in  den  Ann. 
Aug.  817  und  im  Necrol.  zum  17.  Apr.  verzeichnet  ist.  Dafs  Irmgard  sich 
zur  Zeit  ihres  Todes  mit  Ludwig  gerade  in  einem  Baumgarten  unterhalten 
habe,  scheint  mir  kaum  wahrscheinlich.  Ueber  Picho  oder  Bego  s.  B. 
Simson,  Ludwig  d.  Fr.  I,  11  Anm.  8.  Nach  freundl.  Mittheilung  des  H. 
Prof.  Sievers  in  Jena  steht  die  Visio  auch  im  cod.  Aug.  111  (Carlsr.  185) 
saec.  X  mit  dem  Schlufs:  Hinc  quedam  que  mild  narravit  minus  commoda 
supersedenda  sunt,  ut  ea  introducantur,  unde  tota  oratio  sumpsit  exordium. 
Danach  scheint  es  ein  Bruchstück  aus  einem  unbekannten  Werk  zu  sein. 
Es  folgt  auch  hier  die  Visio  Wettini,  im  cod.  Sangall.  die  Visio  Baronti 
von  680  (Acta  SS.  Martii  III,  570).  Mit  dieser  ist  in  einer  Petersb.  Hs. 
verbunden  die  Visio  Rotcharii,  viell.  aus  Fleury,  worin  Karl  unter  den 
Seligen  erscheint,  s.  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XXII,  73;  Auszug  bei  Mabillon, 
Act.  IV,  1,  667.  Aehnlicber  Art  ist  die  Visio  Bernoldi  von  Hincmar,  s. 
Ebert  II,  256,  der,  wie  Dümmler  bemerkt,  bei  der  Aufzählung  der  Visionen 
Alcuin  de  Sanctis  Euboric.  eccl.  v.  875 — 1006  übersehen  hat.  —  Inhalts- 
angaben bei  C.  Fritzsche,  Die  lat.  Visionen  des  Mittelalters,  in  Vollmöllers 
Roman.  Forsch.  II. 

J)  Poet.  Lat.  II,  301—334. 

2)  Herausgegeben  von  Mommsen  im  Rhein.  Museum  1854,  IX,  299. 
Poet.  Lat.  I,  114. 


Wallahfrid  Strabo.  279 

Sachse,  aber  in  Reichenau  erzogen;  er  kam  dann  in  die  kaiserliche 
Capelle,  und  erhielt  um  das  Jahr  821  das  Bisthum  Strafsburg.  Zu 
den  treuen  Anhängern  des  alten  Kaisers  gehörend,  wurde  er  825 
als  Gewaltbote  nach  Rätien,  832  nach  Rom  gesandt,  und  starb  am 
17.  April  840.  Man  rühmte  ihn  als  einen  klugen  und  gelehrten 
Mann,  der  auch  die  deutsche  Sprache  zur  Unterweisung  des  Volkes 
verwandte *). 

Den  gröfsten  Glanz  aber  verbreitete  über  Reichenau  der  Abt 
Walahfrid,  mit  dem  Beinamen  Strabo  oder  Strabus,  einer  der 
besten  Lateiner  seiner  Zeit,  ein  viel  bewunderter  Gelehrter  und  ge- 
wandter Dichter2).  Ueber  sein  Leben  haben  wir  leider  nur  wenig 
sichere  Nachrichten,  und  so  befreundet  er  auch  mit  den  Sanctgaller 
Gelehrten  war,  wird  er  doch  in  der  Klosterchronik  gar  nicht  genannt; 
doch  ist  nach  und  nach  durch  neugefundene  Verse  mehr  Licht  über 
ihn  gewonnen.  Er  war  ein  Schwabe  von  armer  und  geringer  Her- 
kunft, um  807  geboren;  früh  ins  Kloster  gekommen,  dichtete  er 
schon  mit  15  Jahren  eine  Epistel  an  Ebo  von  Reims  im  Namen 
seines  Lehrers  Tatto3),  aber  dieser  war  hart  und  strenge,  und  auch 
der  Abt  Erlebold  war  ihm  nicht  gewogen.  In  Wetti  verlor  Walah- 
frid seinen  väterlichen  Freund  und  "Wohlthäter;  nach  dessen  Tod 
(824)  litt  er  sogar  an  Nahrung  und  Kleidung  Mangel,  und  hatte 
häufig  Schläge  zu  erdulden.  Er  klagte  seine  Noth  an  Grimald, 
dessen  Wohlwollen  er  schon  früher  gewonnen  hatte,  und  dieser 
forderte  ihn  auf,  die  Vision  Wettins,  welche  wahrscheinlich  er  selbst 
auf  Wachstafeln  aufgezeichnet  hatte,  dichterisch  zu  bearbeiten.  Die- 
selbe Aufforderung  kam  auch  von  dem  Priester  Adalgis,  wie  wir 
wissen,  seitdem  K.  Plath  das  Akrostichon  der  seiner  Antwort4)  zu- 
gefügten Verse :     Adalgiso    danda    erkannt    und   die  ganze  Sachlage 

1)  Vgl.  Dümmler,  Ostfr.  I,  322.     Poet.  Lat.  II,  420. 

2)  S.  über  ihn  Dümmler,  NA.  IV,  270 — 286.  580  und  die  gesammelten 
Gedichte  Poet.  Lat.  II,  259—423.  Ebert  II,  145-166.  Hauck  II,  600  ff. 
Opera  Migne  CXIII.  CXIV.  Eine  Anleitung  zur  Metrik  mit  Beispielen, 
v.  Huemer,  NA.  X,  166 — 169.  Der  von  ihm  besungene  Blaithmaic  st.  827; 
es  kamen  flüchtige  Mönche  von  Hy  nach  Reichenau.  NA.  XVII,  210.  — 
Dümmler,  NA.  VII,  402,  Zeumer  ib.  VIII,  496—507,  über  die  Reichenauer 
Briefformeln,  aus  Erlebolds  u.  Walahfrids  Zeit  mit  geschichtlich  nicht  un- 
wichtigen Briefen.  —  Im  Jahresbericht  über  die  Erziehungsanstalt  des 
Benedictinerstifts  Maria-Einsiedeln  1856/7  ist  ein  Versuch  gemacht,  die 
Jugendgeschichte  Walahfrids  von  ihm  selbst  schildern  zu  lassen,  welcher 
zuweilen  irregeführt  hat,  als  ob  ein  Original  von  ihm  zu  Grunde  liege. 
Eine  angebl.  Urk.  von  W.  von  843  ist  Fälschung  d.  12.  Jhs.  Brandi,  Die 
Reichenauer  Urkundenfälschungen,  Ileidelb.  1890. 

3)  Poet.  Lat.  II,  350;  eine  andere,  auch  in  Tatto's  Namen,  an  den 
Landbischof  Degan,  S.  351. 

4)  Formulae  ed.  Zeumer  p.  376  n.  25. 


280  H.    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

scharfsinnig  entwickelt  hat1).  Walahfrid  bat  ihn  um  bessere  Kleidung 
und  um  Pergament,  da  er  das  Werk  heimlich  ausführen  müsse;  er 
bat  ihn,  selbst  zu  kommen,  und  Adalgis  kam.  Unter  hartem  Drängen 
vollendete  er  sein  Werk2),  in  welchem  er  reichliche  Lobsprüche  auf 
Haito,  Erlebold  und  Tatto  anbrachte,  und  übersandte  es  Grimald. 
Nach  solcher  Leistung  und  mit  solchen  Fürsprechern  wird  er  nun 
auch  im  Kloster,  und  bei  dem  Abt,  obgleich  dieser  kein  Freund 
von  Visionen  war,  mehr  Anerkennung  gefunden  haben.  Grimald 
hat  er  auch  das  anmuthige  Gedicht  de  cultura  hortorum  gewidmet, 
und  in  dem  Gedicht  de  imagine  Tetrici  (v.  228)  feiert  er  ihn  unter 
dem  Namen  Homer.  Später  hat  er  in  Fulda  Hrabans  Unterricht 
genossen.  Im  Sommer  829  finden  wir  ihn  am  Hofe  zu  Aachen; 
von  Kaiser  Ludwig,  sagt  er  einmal,  sei  er  „paupere  de  fovea  pro- 
tractus"3),  mag  sich  das  nun  auf  diese  Zeit  seines  Hof  lebens  oder 
auf  die  Verleihung  der  Abtei  Reichenau  839  beziehen.  In  Aachen 
beschrieb  er  damals  in  einem  merkwürdigen  Gedichte  die  aus  Ra- 
venna  hingeführte  Reiterstatue  Theodorichs4),  der  hier  als  Tyrann 
aufgefafst  wird  im  Gegensatz  zu  Ludwig,  feiert  Hilduin,  Grimald, 
Einhard,  wridmet  aber  vor  allem  dem  Kaiser,  der  Kaiserin  Judith 
und  dem  kleinen  Karl  überschwengliches  Lob;  er  wird  als  Caplan 
der  Kaiserin  und  als  Lehrer  des  kleinen  Karl  bezeichnet.  Den 
Rodbern,  welcher  834  dem  Kaiser  zuerst  Nachricht  von  der  in 
Tortona  gefangenen  Judith  unter  grofsen  Gefahren  brachte,  feierte  er 
in  einem  längeren  Gedicht5).  Mit  Thegan,  dem  Diacon  Florus 
und  anderen  der  classisch  und  kirchlich  gebildeten  Männer  jener 
Zeit    war    er    befreundet,    Prudentius    rühmt    er    als   seinen  Lehrer, 

1)  NA.  XVII,  261—279. 

2)  Poet.  Lat.  II,  301—333. 

3)  Ad.  Loth.  v.  31.  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIX,  463.  Poet.  II,  414,  und 
S.  259  weitere  Belege  für  seine  geringe  Herkunft. 

4)  Versus  de  imagine  Tetrici,  Poet.  Lat.  II,  370 — 378.  Früher  von 
C.  P.  Bock  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im 
Rheinland  V  (1814),  von  Dümmler  in  d.  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XII,  461—470, 
vgl.  XIX,  466.  Sehr  gewagte  Hypothesen  von  H.  Grimm:  Das  Reiter- 
standbild des  Th.  zu  Aachen  und  das  Gedicht  des  W.  darauf,  Berlin  1869. 
Dagegen  die  lehrreiche  Abh.  von  Bock  im  angef.  Jahrbuch  L  (1871) 
S.  1—52.  Wieder  abweichend  Jul.  v.  Schlosser,  Wiener  SB.  CXXIII 
(1891)  S.  164—175. 

5)  Bouq.  VI,  269;  vgl.  B.  Simson,  Lud.  d.  Fr.  II,  99.  Dümmler,  Hist. 
Zeitschr.  XXXVII,  134;  Poet.  II,  388.  Judith,  hier  Ioda  genannt,  schmückte 
für  Ludwig  ein  Prachtgewand,  welches  Karl  der  Kahle  der  Rom.  Paulskirche 
schenkte,  seine  Gemahlin  Irmintrud  vollendete  mit  gepriesener  Kunst- 
fertigkeit dieses  und  andere  Gewänder,  ähnlich  Lothars  Gemahlin  Ermen- 
garde,  s.  die  von  Dümmler  mitgetheilten  Verse,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIX, 
146—148. 


Reichenau.     Walahfrid.  281 

bittet  ihn  aus  der  Ferne  um  Bücher  und  eigene  Gedichte;  zugleich 
übersendet  er  ihm  Gedichte  „Modoini  magni",  den  er  auch  in  andern 
an  ihn  selbst  gerichteten  Versen  feiert1).  Kaum  hatte  er  die  Abtei 
Reichenau  erhalten  —  bei  seiner  geringen  Herkunft  eine  ganz  unge- 
wöhnliche Auszeichnung  — ,  so  wurde  er  auch  in  die  politischen 
Wirren  hineingezogen;  als  eifriger  Anhänger  Lothars  und  der  Reichs- 
einheit, deren  Herstellung  er  noch  von  ihm  hoffte,  flüchtete  er  nach 
Ludwigs  Tod  und  der  Ueberwältigung  Alamanniens  durch  Ludwig 
den  Deutschen  nach  Speier,  wo  er  ein  Gedicht  voll  Lobpreisung  an 
Lothar  richtete,  in  welchem  er  seinen  Klagen  und  seinen  Hoffnungen 
Ausdruck  gab2).  Lothar  hatte  in  früheren  Zeiten  einmal  persönlich 
den  vermeintlichen  Leib  des  h.  Januarius  nach  Reichenau  gebracht, 
was  merkwürdiger  Weise  im  Kloster  ganz  vergessen  wurde  und  nur 
durch    eine    sehr    schöne  Sapphische  Ode  Walahfrids  bekannt  ist3). 

Sehr  bald  hat  sich  Walahfrid  doch  auch  mit  Ludwig  dem  Deut- 
schen ausgesöhnt,  und  vielleicht  durch  Grimalds  Einflufs  erhielt  er 
842  die  Abtei  Reichenau  von  neuem;  im  Jahre  849  wurde  ihm  eine 
Botschaft  des  Königs  an  dessen  Bruder  Karl  anvertraut.  Auf  dieser 
Reise  starb  er,  kaum  vierzigjährig,  am  18.  August  durch  einen  Un- 
fall beim  Ueberschreiten  der  Loire4). 

Die  von  Walahfrid  überarbeiteten  Lebensbeschreibungen  des 
Gallus  und  Othmar,  sein  Vorwort  zu  Einhards  und  zu  Thegans  Werken 
erwähnten  wir  schon;  selbständige  geschichtliche  Werke  hat  er  so 
wenig  wie  Hraban  verfafst,  aber  sein  Buch  über  Ursprung  und  Ent- 
wickelung  der  kirchlichen  Einrichtungen  enthält  viel  beachtenswerthes 
über  die  Verfassung  der  Kirche  in  jenen  Zeiten,  ähnlich  dem  Werke 
Hrabans,  aber  noch  lehrreicher,  weil  er  durchgängig  die  kirchlichen 
Einrichtungen  mit  den  weltlichen  vergleicht5). 

Eines  der  merkwürdigsten  Zeugnisse  für  den  ernstlichen  Eifer, 
mit  welchem  man  in  diesen  Klöstern  damals  das  Studium  des  clas- 
sischen  Alterthums  betrieb,  bietet  uns  die  durch  Mabillon  bekannt 
gewordene  Handschrift  von  Einsiedeln,  deren  Urschrift  aus 
Reichenau  zu  stammen    scheint.     Wohl    ein  Schüler  Walahfrids,  im 

J)  Dümmler  in  d.  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XXI,  82—86.    Poet.  II,  403.  355. 

2)  Dümmler  in  d.  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XXI,  462-466.     Poet.  II,  413. 

3)  Dümmler  im  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XXIII  (1876)  177—188.  Poet. 
II,  415. 

4)  Epitaphium  ed.  Dümmler,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIX,  113.  Poet. 
II,  423. 

5)  Das  sprachlich  interessante  Cap.  7  theilt  Dümmler  in  d.  Zts.  f.  D. 
Alt.  XXV,  99,  berichtigt  mit.  Neue  Ausg.  v.  AI.  Knoepfler,  München  1890, 
vgl.  Dümmler,  NA.  XVII,  224.  Eine  andere  wird  für  MG.  Capitularia  II 
vorbereitet. 


282  II-    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

vollen  Besitz  der  damaligen  Schulbildung  und  auch  des  Griechischen 
kundig,  hat  mit  einer  Beschreibung  des  damaligen  Rom  und  des 
Ceremoniels  der  kirchlichen  Feste  auch  antike  Inschriften  aus  Pavia 
und  Rom  mit  gröfster  Genauigkeit  und  Sorgfalt  nach  älteren  Vor- 
lagen hier  zusammengestellt1). 

Durch  besondere  Lernbegierde  zeichnete  sich  auch  Ermenrich 
aus,  ein  Ellwanger  Mönch,  dessen  Leben  uns  recht  anschaulich  die 
Beweglichkeit  der  jungen  mönchischen  Studenten  in  jener  Zeit  vor 
Augen  führt2).  Wie  Walahfrid,  ging  auch  er  nach  Fulda,  wo  er 
Hrabans  und  Rudolfs  Schüler  wurde.  Besondere  Freundschaft  ver- 
band ihn  mit  Hrabans  Neffen,  dem  Diacon  und  königlichen  Caplan 
Gundram,  welcher  der  fuldischen  Zelle  Solenhofen  an  der  Altmühl 
im  Eichstädter  Sprengel  vorstand,  und  diesem,  der  den  Stifter  seiner 
Kirche,  Sualo,  feierlich  erhoben  hatte,  zu  Liebe,  schrieb  er  das 
Leben  desselben  und  übersandte  es  Hraban  zur  Durchsicht3);  Rudolf, 
den  er  als  seinen  Lehrer  preist,  sollte  die  Fehler  verbessern.  Sualo, 
den  Ermenrich  willkürlich  Solus  nannte,  gest.  3.  Dec.  794,  gehörte 
zu  den  Begleitern  des  h.  Bonifaz;  Ermenrich  standen  aber  nur 
mündliche  Erzählungen  über  ihn  zu  Gebote,  und  der  geschichtliche 
Werth  seiner  Nachrichten  ist  daher  unbedeutend.  Wo  er,  damals 
noch  Diaconus,  dieses  Werk  geschrieben  hat,  wissen  wir  nicht;  es 
ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  er  auch  zu  den  Hofcaplänen  gehört 
hat,  und  von  dieser  Zeit  her  den  Erzkanzler  Gozbald  (829 — 833) 
als  seinen  Lehrer  bezeichnet,  sowie  er  auch  Grimald  als  seinen 
Herrn  und  Meister  verehrt4). 

An  Gozbald,  jetzt  (841 — 855)  Bischof  von  Würzburg,  sandte  er, 
schon  als  Priester,  eine  kleine  Schrift,  in  Form  eines  Dialoges  der 
Consolatio  des  Boethius  nachgebildet,  dem  Inhalt  nach  völlig  sagen- 
haft, über  die  Gründung  seines  Klosters  Ellwangen,  das  Leben  des 

1)  Mab.  Anal.  p.  358.  Hänel  in  Jahn  und  Seebode's  Archiv,  5.  Sup- 
plementbad,  S.  115.  Mommsen  in  den  Berichten  über  die  Verhandlungen 
d.  K.  Sachs.  G.  d.  W.  Phil.  Cl.  1850,  IV,  287.  Rhein.  Museum  1854,  IX, 
296.  Urlichs,  Codex  urbis  Romae  topographicus,  Wirceb.  1871,  S.  59  —  78. 
H.  Jordan,  Topogr.  d.  Stadt  Rom  II  behandelt  den  topographischen  Theil. 
De  Rossi,  Inscriptt.  christt.  II,  1.  1888. 

2)  Vgl.  über  ihn  E.  Dümmler:  Ueber  Ermenrich  von  Ellwangen  u.  seine 
Schriften,  Forsch.  XIII,  473— 485.  XIV,  403.404.  NA.  IV,  321.  Er  schrieb 
den  Stiftungsbrief  Salomons  für  Wiesensteig  nach  Bossert,  Württ.  Viertel- 

jahrshefte  1889,  S.  142. 

3)  Als  Hraban  noch  Abt  war,  also  vor  842.  Erm.  Sermo  de  Vita  S. 
Sualonis,  ed.  Holder-Egger  SS.  XV,  151  —  163.  Im  Anfang  ist  Sedulii  Carmen 
paschale  benutzt,  nach  Manitius,  Wiener  SB.  CXXI,  6. 

4)  Dümmler,  St.  Gall.  Denkm.  S.  248.  Gundram  nennt  er  eximii 
ministerii  conlevita. 


Eraienrich  von  Ellwangen.  283 

Stifters  Hariolf,  König  Pippins  Zeitgenossen,  Bruders  und  später 
Nachfolgers  des  Bischofs  Erlolf  von  Langres,  und  die  Wunder,  welche 
man  ihm  zuschrieb1).     Er  gehörte  nämlich  zu  Gozbalds  Familie. 

Im  Jahre  849  finden  wir  Ermenrich  wieder  im  Kloster  Rei- 
chenau  als  Schüler  Walahfrids;  als  dieser  seine  unglückliche  Reise 
nach  Frankreich  antrat,  schickte  ihn  Grimald  nach  St.  Gallen,  um 
dort  seine  Studien  fortzusetzen.  Hier  verfafste  er  zum  Dank  für  die 
gute  Aufnahme,  die  er  in  beiden  Klöstern  gefunden  und  zum  Preise 
Grimalds  ein  Sendschreiben  an  denselben,  geschrieben  zwischen  850 
und  855,  in  welchem  er  seine  ganze  Gelehrsamkeit,  die  nicht  unbe- 
deutend, aber  schlecht  verarbeitet  war,  zur  Schau  trägt,  von  Philo- 
sophie, Grammatik  und  vielen  anderen  Dingen  handelt,  in  der 
schwülstigen,  gezierten  Weise  vieler  Gelehrten  der  damaligen  Zeit; 
eine  Schreibart,  die  auch  das  Leben  des  h.  Solus  entstellt  und  am 
wenigsten  in  dem  Leben  Hariolfs  hervortritt2).  Er  prahlt  mit  Grie- 
chisch, das  er  aber  offenbar  nicht  versteht,  und  eignet  sich  aus 
Alcuin,  Priscian  und  Ausonius  falsche  Gelehrsamkeit  an,  kennt  aber 
Pindarus  Thebanus  und  Lucretius  nebst  vielen  anderen  Schriften. 
Verse  von  Theodulf  und  Naso  verwendete  er  ohne  Scheu.  Es  ent- 
hält aber  dieser  Brief  auch  einige  wichtige  geschichtliche  Daten  und 
eine  Lobpreisung  Grimalds  und  der  gelehrten  und  kunstreichen 
Sanctgaller  Mönche,  welche  zur  Ergänzung  der  dortigen  Kloster- 
chronik dient.  Am  Schlufs  geht  er  in  Yerse  über,  und  feiert  den 
h.  Gallus,  wozu  auch  ihn  Gozbert,  der  Kahlkopf,  gedrängt  hatte. 
Doch  ist  dieser  Theil  mehr  entworfen  und  begonnen  als  wirklich 
ausgeführt3). 

J)  Vita  Hariolfi  ed.  Pertz,  MG.  SS.  X,  11—15.  Ermanrich  u.  Mahtolf, 
die  Träger  des  Dialogs,  sind  beide  im  St.  G.  Verbrüderungsbuch  ed.  Piper, 
p.  44,  col.  111.  —  Ausg.  v.  Giefel,  Württ.  Geschichtsqu.  II.  1888. 

2)  Dieses  erwähnt  Ermenrich  in  dem  Briefe  mit  folgenden  Worten: 
„Adjunxi  autem  et  huic  operi  breve  opusculum,  quod  de  inceptione  nostri 
coenobii  et  fratrum  ibidem  Deo  famulantium  vita  conscripsi  ipsaque  dicta 
viro  per  omnia  doctissimo  Gozbaldo  episcopo  vel  approbanda  seu  refu- 
tanda  commendavi."  Diese  Worte  lassen  kaum  daran  zweifeln,  dafs  die 
Vita  Hariolfi  gemeint  ist,  obgleich  von  den  Ellwanger  Mönchen  nur  wenig 
darin  vorkommt;  es  spricht  auch,  wie  Dümmler  bemerkt,  dafür  die  Stelle 
der  Vita  1.  c.  p.  11:  „quis  primus  hujus  loci  cum  Deo  inceptor  fuerit,  quan- 
tique  viri  Deo  amabiles  sub  eo  exstiterint".  Dafs  ein  anderer  Ermenrich 
aus  Reichenau  zu  derselben  Zeit  eine  Geschichte  dieses  Klosters  verfafst 
und  ebenfalls  an  Gozbald  gesandt  haben  sollte,  ist  unglaublich. 

3)  Das  Sendschreiben  ist  vollständig  zuerst  herausgegeben  von  Dümm- 
ler im  Haller  Preisvertheilungsprogramm  von  1873,  und  bes.  Abdruck. 
Es  ist  voll  von  grammatischen  Fehlern,  die  zum  Theil  vom  Abschreiber 
herrühren  mögen.  Vgl.  M.  Haupt  im  Hermes  I,  403  und  Dümmler  in  d. 
Forsch,  a.  a.  0. 


284  II.    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

In  der  Aufschrift  dieses  Briefes  hat  eine  etwas  spätere  Hand 
zu  dem  Namen  Ermenrich  das  Wort  Bischof  gesetzt,  und  man  hat 
deshalb  nicht  ohne  "Wahrscheinlichkeit  geschlossen,  dafs  der  Verfasser 
identisch  ist  mit  dem  gleichnamigen  Bischof  von  Passau,  den  Lud- 
wig der  Deutsche  867  zu  den  Bulgaren  sandte,  und  dessen  Tod  am 
26.  Dec.  874  sich  in  alamannischen  Jahrbüchern  und  im  Todtenbuche 
von  Reichenau  verzeichnet  findet1). 

Ermenrichs  Name  ist  auch  gemifsbraucht  in  einer  häfslichen 
Betrügerei,  dem  angeblichen  Leben  des  h.  Magnus,  eines  der 
Genossen  von  Columban  und  Gallus,  von  Theodorus,  das  bei  der 
Uebertragung  der  Gebeine  in  der  Mitte  des  neunten  Jahrhunderts 
in  St.  Magnus  Grab  soll  gefanden  sein.  Der  Bischof  Lanto  von 
Augsburg  soll  dann  den  Ellwanger  Mönch  Ermenrich  veranlafst 
haben,  das  kaum  noch  lesbare  Denkmal  zu  erneuen.  So  wird  dort 
erzählt;  die  Art,  wie  Ermenrichs  Name  erwähnt  wird,  macht  es  aber 
nicht  wahrscheinlich,  dafs  wirklich  er  selbst  zu  dieser  Fälschung 
seine  Hand  geboten  habe.  Dümmler  vermuthet,  Forsch.  XIII,  475, 
dafs  doch  etwas  daran  sei  und  Ermenrich  an  der  formalen  Bearbei- 
tung Theil  habe,  doch  bemerkt  er  selbst,  dafs  die  Legende  nichts 
von  dem  ihm  eigenthümlichen  Gepräge  zeige.  Ich  halte  die  an- 
gebliche ältere  Legende  überhaupt  für  leeres  Vorgeben  des  Fälschers, 
welcher  ein  von  den  gröbsten  chronologischen  Fehlern  erfülltes  Pla- 
giat aus  den  Vitae  Columbani  und  Galli  für  das  Werk  eines  Zeit- 
genossen ausgab2). 

Auch  Reichenau  bezog  wie  Fulda  seine  Reliquien  aus  Italien, 
doch  scheint  man  damit  wenig  Glück  gehabt  zu  haben.  Die  älteste 
dieser  Geschichten  (Miracula  S.  Genesii)  ist  von  Dr.  A.  Holder 
in  Carlsruhe  in  einem  von  Reginbert  herrührenden  Codex  entdeckt, 
und  von  mir  in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  des  Oberrheins  XXIV, 
1 — 21    herausgegeben3).     Sie    berichtet    von    der    Uebertragung   der 

*)    Dümmler,  Piligrim  von  Passau  S.  144. 

2)  Mabillons  treffliche  Kritik  ist  bestätigt  und  ergänzt  durch  Rettberg 
II,  147 — 151,  wo  Plac.  Brauns  Versuch,  den  zweiten  Theil  zu  retten,  wider- 
legt ist.  Für  denselben  sind  neuerdings  eingetreten  Fr.  Pfeiffer,  Freie 
Forschung  S.  295  aus  Germania  I,  und  Friedrich  KG.  II,  354 — 366.  Das 
letzte  Stück  mit  der  Translationsgeschichte  MG.  SS.  IV,  382.  425—427. 
Ueber  eine  jüngere  Bearbeitung  Archiv  XI,  270.  Nach  einer  Mittheilung 
von  Baumann  ist  dessen  Ansicht,  dafs  man  bei  der  Erhebung  der  Magnus- 
reliquien um  851  im  Kloster  Füssen  durch  einen  Ellwanger  Mönch  die 
Volksüberlieferung,  wie  sie  bis  dahin  sich  entwickelt  hatte,  niederschreiben 
liefs;  in  St.  Gallen  wollte  man,  als  die  Magnuskirche  um  890  gebaut  wurde, 
auch  eine  Legende  haben,  verwechselte  ihn  mit  dem  Maginold  der  Vita 
S.  Galli  und  brachte  so  den  Wechselbalg  zu  Stande. 

3)  Im  Sanctgaller  Catalog  saec.  IX  bei  Weidmann  S.  385  erwähnt  als 


Reichenauer  Reliquien.  285 

heiligen  Genesius  und  Eugenius  aus  Jerusalem  durch  den  Grafen 
Gebahard  von  Treviso,  der  798  seine  Boten  aussandte,  aber  vor 
deren  Rückkunft  starb.  Der  heimkehrende  Diacon  fand  in  Porto 
seinen  Bruder,  der  den  Grafen  Scrot  von  Florenz1)  nach  Rom  be- 
gleitet hatte;  mit  Einwilligung  des  Pabstes  Leo  erhält  Graf  Scrot 
den  rechten  Schenkel  des  Genesius,  während  der  Rest  nach  dem 
bei  Treviso  dafür  schon  bereiteten  Kloster  gebracht  wird.  Graf 
Scrot  aber  bringt  seinen  Theil  in  seine  Heimath  am  Bodensee,  und 
stiftet  hier  das  Kloster  Schienen,  welches  durch  Ludwig  das  Kind 
an  Reichenau  gekommen  ist.  Da  Wunder  nicht  ausblieben,  veran- 
lafste  Abt  Erlebold  (822 — 838)  einen  ungenannten  Mönch  zur  Auf- 
zeichnung dieser  denkwürdigen  Begebenheiten.  Während  nun  aber 
von  diesen  Reliquien  weiterhin  nicht  mehr  die  Rede  ist,  behauptete 
man  später  in  Reichenau,  dafs  die  ganzen  Leiber  der  hh.  Senesius 
und  Theopompus,  welche  in  unklarer  Weise  an  die  Stelle  von  Ge- 
nesius und  Eugenius  getreten  sind,  830  durch  Bischof  Ratolf  von 
Verona  nach  Radolfzell  übertragen  seien,  da  doch  ganz  unbekümmert 
darum  dieselben  911  von  Treviso  aus  dem  inzwischen  durch  die 
Ungern  zerstörten  Kloster  nach  Nonantula  übertragen  wurden.  Ebenso 
wenig  wollte  man  ihnen  glauben,  dafs  der  heilige  Valentin,  von  dem 
ihre  alten  Annalen  noch  allein  reden,  der  heilige  Marcus  selber  sei, 
welcher,  wie  sie  behaupteten,  in  demselben  Jahr  830  aus  Venedig 
zu  ihnen  gebracht  sein  sollte;  und  ihre  eigene  Erzählung  läfst  den 
Betrug  deutlich  genug  erkennen2).  Den  h.  Januarius  sollte,  wie 
wir  oben  S.  281  sahen,  Kaiser  Lothar  selbst  gebracht  haben;  davon 
verlautet  weiter  nichts,  dagegen  aber  ein  Bericht,  nach  welchem  ihn 
und  seine  Genossen  im  Jahre  871  ein  wackerer  Reitersmann  aus 
Schwaben  auf  einer  Heerfahrt  unter  Kaiser  Ludwig  II  aus  einer  ver- 
ödeten Kirche  geraubt  und  nach  der  Reichenau  gebracht  haben  sollte. 
Man  traute  ihm  aber  dort  vermuthüch  selbst  nicht,  da  in  jüngeren 
Handschriften  anstatt  ihrer  die  h.  Fortun  ata  mit  ihren  Brüdern  in 
derselben  Erzählung  erscheint.  Aber  auch  diese  waren  bereits  780 
nach  Neapel  in  das  Nonnenkloster  des  h.  Gaudiosus  übertragen,  wo 
sie  fortfuhren  die  schönsten  Wunder   zu  thun3).     Unbestritten  blieb 

Commemoratio    de    miraculis  S.   Genesii.     Als   Ex   Miraculis  S.   Genesii   ed. 
Waitz,  SS.  XV,  169— 172. 

1)  Dieser  wird,  wie  Dümmler  bemerkt,  bei  Herrgott,  Geneal.  III,  832, 
als  Wohlthäter  von  Reichenau  erwähnt.  Er  erscheint  im  Verbrüderungs- 
buch S.  294,  col.  466. 

2)  Miracula  S.  Marc/  bei  Mone,  Quellens.  I,  62—67 :  im  Auszug  MG. 
SS.  IV,  449—452.     Vgl.  auch  Quellens.  III,  135. 

3)  Mone,  Quellens.  I,  232  cf.  Acta  SS.  Sept.  VI,  787.    Auf  Fortunata 


286  n.    Karolinger.     §  18.    Schwaben. 

den  Reichenauern  nur  ein  Krug  von  der  Hochzeit  zu  Cana,  den  ein 
griechischer  Mönch  ihnen  aufgeschwatzt  hatte1). 

Sehr  deutlich  tritt  uns  in  diesen  Geschichten  die  lebhafte  Ver- 
bindung mit  Italien  entgegen,  welche  in  hohem  Grade  anregend 
wirken  mufste2);  Reichenau  lag  gerade  an  einer  der  besuchtesten 
Pilgerstrafsen  nach  Rom,  und  auch  Schottenmönche  werden  nicht 
gefehlt  haben,  wenn  sie  auch  in  Reichenau  selbst  kein  Andenken 
hinterlassen  haben.  Dagegen  wurde  in  Rheinau  gegen  das  Ende 
dieses  Jahrhunderts  das  Leben  eines  Schottenmönches,  des  h.  Findan, 
aufgezeichnet  (f  878),  welches  für  das  Treiben  dieser  fremden  Pilger 
charakteristisch  und  durch  einige  Stellen  in  irischer  Sprache  merk 
würdig,  übrigens  aber  sehr  fabelhaft  und  geschichtlich  wenig  bedeutend 
ist3).  Gröfserer  Ruhm  ist  dem  h.  Meginrat  zu  Theil  geworden, 
dessen  Leben,  wie  aus  dem  Alter  der  Handschriften  hervorgeht,  schon 
im  zehnten  Jahrhundert  ein  Reichenauer  Mönch  beschrieben  hat4). 
Er  wurde  nach  dessen  Bericht  in  Reichenau  von  Erlebold  unterrichtet, 
und  als  dieser  als  Abt  auf  Heito  folgte,  als  Mönch  eingekleidet. 
Der  Abt  schickte  ihn  nach  einer  Reichenauer  Zelle  am  Zürcher 
See,  nach  der  Tradition  Bollingen,  um  da  Schule  zu  halten.  Er 
aber  ging  statt  dessen  als  Eremit  ins  Gebirge,  wo  Räuber  ihn  861 
erschlugen.  Das  noch  jetzt  blühende  Kloster  Meinradszell  oder  Ein- 
siedeln bewahrt  sein  Andenken. 

Fast  überall  finden  wir  theil s  die  ascetische,  theils  die  formale 
Richtung  vorherrschend  in  der  Litteratur  dieser  Zeit,  den  historischen 
Sinn  aber  noch  wenig  entwickelt. 

Doch  fehlte  es  auch  in  St.  Gallen  und  Reichenau  nicht  ganz 
an  Annalen.  Die  in  ihrem  älteren  Theil  aus  Murbach  stammenden 
Annales  Alamannici  (oben  S.  147)  enthalten  802 — 858  dürftige 
Reichenauer  Notizen;  860 — 926  werden  sie  mit  zunehmender  Reich- 
haltigkeit in  St.  Gallen  fortgesetzt.    Die  aus  denselben  Annalen  ent- 

und  das  Jahr  874  angewandt  auch  in  der  ersten  Ausgabe  dieses  Buches 
S.  150  aus  2  München  er  Handschriften,  da  ich  sie  für  ungedruckt  hielt; 
vgl.  Acta  SS.  Oct.    VI,  456.    Beide  MG.  SS.  XV,  473,  v.  Holder-Egger. 

2)  Auszüge  aus  der  gänzlich  fabelhaften  Vita  Simeonis  Achim  ed.  Waitz 
MG.  SS.  IV,  459.  Annales  Aug.  breviss.  541—817  ib.  III,  136  sind  ohne 
Werth. 

2)  Vgl.  darüber  das  schöne  Werk  des  Prof.  F.  Adler:  Baugeschicht- 
liche Forschungen  in  Deutschland.  I.  Die  Kloster-  und  Stiftskirchen  auf 
der  Insel  Reichenau,  Berlin  1870  folio.  Marmor:  Kurze  Geschichte  der 
kirchlichen  Bauten  und  deren  Kunstschätze  auf  der  Insel  Reichenau,  Kon- 
stanz 1873.     Der  Text  ist  selbst  für  einen  praktischen  Arzt  zu  schlecht. 

3)  Vita  Findani  ed.  Holder-Egger,  SS.  XV,  502—506.  Vgl.  Zeuss, 
Gramm.  Celt.  ed.  II,  p.  1003. 

4)  Vita  S.  Meginrati  ed.  Holder-Egger,  SS.  XV,  444—448. 


Annalen  aus  St.  Gallen  und  Reichenau.  287 

nommenen  Annales  Sangallenses  breves  708 — 815  l)  gewährten 
den  Anfang  (bis  791)  der  Annales  Augienses,  welche  bis  939  in 
Reichenau  fortgesetzt  wurden.  Sie  waren  auf  den  Rand  der  Oster- 
tafeln  geschrieben,  welche  Reginbert  in  seine  oben  S.  276  erwähnte 
historisch-mathematische  Sammlung  aufgenommen  hatte,  die  er  von 
820  bis  gegen  sein  Todesjahr  846  zusammengebracht  hat.  Diese 
jetzt  verlorene  Handschrift  benutzte  Hermannus  Contractus.  Für 
Friedrich  von  Mainz  abgeschrieben,  wurde  sie  zu  937  mit  einer 
Notiz  über  Friedrichs  Weihe,  953,  954  mit  Aufzeichnungen  des  Erz- 
bischofs Wilhelm  vermehrt;  benutzt  wurde  diese  Handschrift  vom 
Fortsetzer  des  Regino,  von  Marianus  Scottus,  und  nebst  den  ein- 
gehefteten Annales  S.  Albani  vom  Verfasser  der  Disibodenberger 
Annalen 2).  Wir  finden  ferner  die  Annales  Augienses  bis  939  benutzt 
in  den  Annales  Colonienses,  jedoch  so,  dafs  einzelne  Eintragungen 
vielmehr  auf  die  Ann.  Alamannici,  Sangallenses  und  Hermann  deuten, 
wodurch  die  Vermuthung  entsteht,  dafs  eine  reichhaltigere  Aufzeich- 
nung allen  zu  Grunde  liegt3). 

Auch  in  der  Bischofstadt  Augsburg  war  ein  gelehrter  und  aus- 
gezeichneter Bischof,  Adalbero  (887 — 910),  der  Erzieher  Ludwigs 
des  Kindes,  ein  vertrauter  Freund  der  Sanctgaller  Lehrer,  und  ohne 
Zweifel  derselbe,  welchem  Regino,  der  seiner  mit  grofsem  Lobe  ge- 
denkt, seine  Chronik  widmete;  wir  haben  eine  Biographie  von  ihm, 
sie  ist  aber  erst  im  zwölften  Jahrhundert  von  Udalschalk  geschrieben 
und  gewährt  uns  keine  Belehrung4). 

Im  Elsass  beschrieb  ein  ungenannter  Mönch  von  Neuweiler 
bei  Zabern  die  Uebertragung  des  Bischofs  Adelphus  von  Metz,  den 
ihnen  Erzbischof  Drogo  abgelassen  hatte,  mit  Wundern,  worin  viele 
Ortsnamen  vorkommen5). 

1)  Edd.  Ild.  v.  Arx  et  G.  H.  Pertz,  MG.  I,  63—66:  ed.  Henking,  St. 
Gall.  Mitth.  XIX,  220—223.  Local,  aber  sehr  dürftig  sind  (MG.  I,  G9.  70), 
die  Annales  brevissimi  Sangallenses  768  —  889  (ed.  Henking,  ib.  p.  206 
bis  209;  Vf.  nach  S.  208  '  Albrich)  und  814—961  (ib.  S.  210—212), 
während  die  Fortsetzung  der  Ann.  S.  G.  Baluzii  (oben  S.  141)  768 — 814 
allgemeiner  Art  ist.  Kurze  Aufzeichnungen  an  Ostertafeln  690 — 856  ed. 
Dummler,  NA.  V,  428. 

2)  S.  die  berichtigte  Ausgabe  von  Jaffe,  Bibl.  III,  700 — 706. 

3)  Ecclesiae  Colon.  Codd.  p.  127.  Mit  dieser  beschäftigt  sich  W.  Erben, 
NA.  XVI,  613  ff. 

4)  S.  unten  IV  §  8.  Ueber  Adalbero's  Besuch  in  St.  Gallen  908  und 
seine  reichen  Schenkungen  s.  das  Verbrüderungsbuch  S.  15.  Jul.  Hans, 
Beiträge  zur  Geschichte  des  Augsburger  Schulwesens  in  der  Zeitschrift  des 
hist.  Vereins  f.  Schwaben  u.  Neuburg  II,  1  (1875)  stellt  die  dürftigen  Nach- 
richten darüber  zusammen. 

5)  Translalio   et   Miracula  S.   Adelphi   ed.   L.  v.  Heinemann,   SS.   XV, 


288  ü-    Karolinger.     §  19.    Baiern  und  Franken. 


§  19.     Baiern   und  Franken. 

Baiern,  wo  schon  unter  den  Agilolfingern  eine  rege  litterarische 
Thätigkeit  begonnen  hatte,  zeigt  auch  in  diesem  Abschnitte  Spuren 
derselben,  und  es  wird  an  geschichtlichen  Aufzeichnungen  in  den 
zahlreichen  und  blühenden  Klöstern  des  Landes  nicht  gefehlt  haben, 
obgleich  im  ganzen  die  Bedürfnisse  des  praktischen  Lebens,  der 
Geschäftsthätigkeit  und  des  Schulunterrichts  die  Kräfte  überwiegend 
in  Anspruch  nahmen.  Doch  ist  in  den  Verheerungen  des  Landes 
durch  die  Ungern  ohne  Zweifel  vieles  zu  Grunde  gegangen. 

In  Freising  zeugen  die  zahlreichen  grammatischen  Handschriften 
aus  dem  neunten  und  zehnten  Jahrhundert1)  von  eifrigen  Studien. 
Nach  Aribo,  dessen  wir  schon  früher  gedachten,  machte  sich  hier 
der  Bischof  Hitto  (810 — 835)  sehr  verdient;  er  veranlafste  seinen 
Notar  Cozroh,  das  höchst  schätzbare  Traditionsbuch  der  Kirche  an- 
zulegen, welches  von  demselben  unter  seinem  Nachfolger  Erchanbert 
(bis  853)  fortgesetzt  wurde2).  An  seinem  Bischofsitz  gründete  Hitto 
das  Kloster  Weihen  Stephan,  dem  er  aus  Rom  834  den  h.  Alexander 
zuführte;  die  von  einem  Genossen  dieser  Uebertragung  in  recht 
gutem  Latein  und  nicht  ohne  Kenntnifs  profaner  Autoren  verfafste 
Geschichte  derselben  habe  ich,  von  Dümmler  darauf  aufmerksam 
gemacht,  herausgegeben3).  Wenig  später  hielt  dort  der  Pfalzgraf 
Timo  Gericht,  wobei  sein  Hund  den  Frevel  beging,  aus  dem 
heiligen  Quell  zu  trinken.  Rascher  Tod  war  die  Strafe,  und  dieses 
Wunder  feiert  ein  Gedicht,  welches  merkwürdig  ist  durch  Beschrei- 
bung des  Gerichtsverfahrens,  der  strengen  Justiz,  die  dort  geübt 
ward,  und  durch  sehr  entschiedene  Bekämpfung  der  Ordalien4). 
Als  man  es  im  11.  Jahrhundert  von  der  Rolle,  auf  welche  es 
geschrieben  war,  in  ein  Buch  übertrug,  war  leider  der  Anfang  der- 
selben schon  beschädigt  und  verloren.  Auch  Bischof  Anno  (854  bis 
875)  liefs   ein  Werk   für   die    Bibliothek    abschreiben5);  Waldo  (884 

293 — 296,  mit  einem  Wunder  von  1198  aus  der  Fehde  zwischen  Heinrichs  VI 
Bruder  Otto  u.  B.  Conrad  v.  Strafsburg. 
*)  B.  Pez.  Thes.  I,  Praef.  p.  XXVII. 

2)  Meichelb.  Hist.  Fris.  I,  1,  115.  116.  Jos.  Zahn  im  Archiv  d.  W.  Ak. 
XXVII. ,  200  f.,  wo  auch  K.  Roths  Arbeiten  über  Cozroh  aufgezählt  sind. 
MG.  SS.  XXIV,  314  seine  Vorrede,  p.  316  Notae  de  privilegiis.  Ausser- 
dem liefs  Hitto  viele  theologische  Schriften  für  die  Bibliothek  abschreiben. 

3)  SB.  d.  Berl.  Akad.  1884,  Dec.  4.  MG.  SS.  XV,  286—288.  Andere 
schlechtere  Hs.  NA.  XIII,  584. 

4)  Neue  Ausgabe  von  Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  120—124. 

5)  Cod.  lat.  Mon.  6262,  s.  Catal.  I,  3,  81. 


Freising,  Regensburg,  Würzburg.  289 

bis  906),  ein  Bruder  Salomons  III  von  Constanz,  zeichnete  sich  durch 
seine  wissenschaftliche  Bildung  aus,  und  scheint  auch  als  Bischof 
in  dieser  Richtung  thätig  gewesen   zu  sein1). 

In  Regensburg  war  Baturich  (817 — 848)  Bischof  und  Abt 
zu  St.  Emmeram,  zugleich  Erzcaplan  des  Königs,  ein  geborener 
Baier,  der  in  Fulda  Hrabans  Unterricht  genossen  hatte,  und  durch 
die  Besorgung  von  Abschriften  kirchlicher  Werke  seinen  wissenschaft- 
lichen Eifer  bewies2).  Schon  unter  Ambricho  (864 — 899)  begann 
hier  An  am  od  die  Urkunden  über  Schenkungen  an  das  Kloster 
St.  Emmeram  zu  sammeln,  und  eignete  das  vollendete  Werk  dessen 
Nachfolger  Aspert  (891 — 893)  zu,  welcher  Kaiser  Arnulfs  Kanzler 
gewesen  war3).  Hier  verwahrte  man  auch  jene  merkwürdige  Auf- 
zeichnung über  die  Gaue  der  Slaven,  bekannt  als  Geographus 
Bawarus,  welche  aus  einer  Handschrift  von  St.  Emmeram  durch 
Hormayr  zuerst  bekannt  gemacht  ist4). 

In  Nieder-Altaich  und  Würzburg  wird  Gozbald  (841  bis 
855),  einst  Erzkanzler  Ludwigs  des  Deutschen  und  immer  in  hoher 
Gunst  bei  ihm,  ein  gelehrter  Mann,  den  Ermanrich  von  Ellwangen 
seinen  Lehrer  nennt,  ohne  Zweifel  die  Studien  befördert  haben,  wenn 
uns  auch  nichts  darüber  bekannt  geworden  ist.  Einer  Handschrift 
von  Nieder-Altaich  verdanken  wir  jene  geschichtlich  wichtige,  wenn 
auch  in  der  Form  verwilderte  Fortsetzung  der  Fulder  Annalen  von 
882 — 901,    welche    in    Baiern,    aber    schwerlich    in    einem    Kloster, 


*)  S.  Dümmler,  Formelbuch  Salomons  III,  S.  154.  Müllenhoff  und 
Scherer  S.  297.  451  (3.  Ausg.  II,  90.  335)  und  oben  S.  275.  Der  Priester 
Sigihard  schrieb  für  ihn  den  Otfrid  ab. 

2)  Dümmler,  Ostfr.  II,  433.  Müllenhoff  und  Scherer  S.  448.  460. 
(II,  331.  344.)  Facs.  des  Cod.  lat.  Monac.  14,468  a.  821,  Palaeograph.  Soc. 
122;  von  14,437  a.  823  ib.  123;  14,288  schenkte  ihm  Hiring.  Eine  Bene- 
dictio  Dei  betitelte  Schrift  über  den  Gebrauch  der  Psalmen,  mit  einer 
Vorrede  an  Baturich,  Bibl.  Patr.  Lugd.  XXVII.  Suppl.  Migne  CXXIV, 
1399.  K.  Ludwig  ertauschte  später  für  seine  Kapelle  von  der  Regensburger 
Kirche  den  Cleriker  Gundpert  wegen  seiner  litterarischen  Bildung,  B.  Pez 
Thes.  I,  3,  199.     Die  unbedeutenden  Annalen  s.  oben  S.   149. 

3)  Ueber  ihn  S.  Dümmler,  Ostfr.  III,  482.  Der  Codex  Traditionum  gedr. 
bei  B.  Pez  Thes.  I,  3,  191—286;  Migne  CXXIX,  900.  Vgl.  Bretholz,  Die 
Traditionsbücher  von  St.  Emmeram,  Mitth.  d.  Inst.  XII,  1  ff.  (NA.  XVI, 
648).  S.  auch  Karl  Roth,  Tauschverträge  der  Abtei  Sanctemmeram  (Beitr. 
IV.  1865),  wo  S.  42—46  Cat.  abb.,  S.  47—50  Cat.  epp.  Ratisponensiam',  alii 
SS.  XIII,  359.  Ein  Distichon  mit  Lob  des  Bischofs  Tuto  (894—930) 
NA.  I,  185. 

4)  Archiv  für  österreichische  Geschichte  1827,  S.  282.  Boczek  Cod. 
Dipl.  Moraviae  I,  67.  Zeufs,  die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  S.  600. 
Bielowski's  Monumenta  Poloniae  I,  10.  Die  Hs.  ist  Cod.  lat.  Monac.  560 
saec.  XI.     Facs.  bei  Schiemann,  Rufsland  etc.  (Berl.  1886)  zu  S.  29. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  19 


290  II«    Karolinger.     §  19.    Baiern  und  Franken. 

geschrieben  ist1).  Für  seine  Kirche  in  Isarhofen  bei  Nieder-Altaich 
erbat  Gozbald  von  Gregor  IV  die  Gebeine  der  Märtyrer  Agapitus 
und  Felicissimus,  und  vielleicht  ist  es  ihre  Translation,  wovon  sich 
ein  Fragment  erhalten  hat,  merkwürdig  durch  die  Erwähnung  der 
Aufschriften  des  P.  Damasus  „rotundis  litteris"  und  der  von  Karl 
dem  Grofsen  gestifteten  Schola  Francorum  in  Rom2). 

Zum  Würzburger  Sprengel  gehört  Laufen  am  Neckar,  wo  man 
S.  Reginswind  verehrte,  Tochter  des  Markgrafen  Ernst,  welche 
als  siebenjähriges  Mädchen  837  von  ihrer  Wärterin  aus  Rache  im 
Neckar  ertränkt  sein  soll;  ihre  sagenhafte  Geschichte  ist  aber  erst  im 
zwölften  Jahrhundert  aufgezeichnet3). 

In  Eichstedt  liefs  B.  Erchanbald  (882 — 912)  nicht  nur  viele 
Bücher  abschreiben,  sondern  er  veranlafste  auch  den  Priester  Wolf- 
hard,  das  Leben  der  h.  Walburga4)  zu  schreiben,  deren  Reliquien 
er  893  nach  Monheim  übertragen  hatte,  der  Schwester  Willibalds 
—  eine  der  zahlreichen  Aufzeichnungen  solcher  Art,  welche  diese 
Zeit  mit  ihrer  immer  wachsenden  Heiligenverehrung  hervorbrachte, 
weniger  durch  geschichtlichen  Sinn  als  durch  das  Bedürfnifs  einer 
Legende  veranlafst  und  mit  Wundergeschichten  ausgestattet.  In  aus- 
gedehntestem Mafse  sorgte  aber  Wolf  hard  für  die  Befriedigung  dieses 
Bedürfnisses  durch  das  ebenfalls  auf  Veranlassung  des  Bischofs 
Erchanbald  von  ihm  gesammelte,  schon  früher  (S.  61)  erwähnte 
grofse  Legendarium. 

Die  Pas  sau  er  Kirche  erwarb  904  durch  Tausch  die  ansehnliche 
Bibliothek  des  Landbischofs  Madalwin5);  vielleicht  auf  Ermenrich 
zurückzuführen  ist  das  vorzüglich  aus  Hrabans  Schriften  geschöpfte 
Lehrbuch,   welches   sich    in   einer    Tegernseer    Handschrift     erhalten 


!)  S.  oben  S.  229.  230.  Ueber  Gozbald  Dümmler,  Ostfr.  II,  428. 
Forsch.  VI,  122.  Handschriften,  die  er  für  seine  Kirche  schreiben  liefs, 
sind  jetzt  in  Oxford,  s.  Zangemeister,  Wiener  SB.  LXXXIV,  59.  61;  Facs. 
von  Aug.  de  civ.  Dei  Pal.  Soc.  II,  67.  68.  Eine  andere  in  Würzb.  s. 
Schepss  in  Briegers  Zts.  f.  Kirchengesch.  1886,  S.  458,  Anm.  Seinem  Vor- 
gänger Humbert  von  Würzburg  (832 — 841)  widmete  Hraban  den  Commentar 
zu  den  Büchern  der  Richter  und  Ruth;  auch  er  liefs  eine  Hs.  abschreiben. 
Der  Nachfolger  Arn  wird  Gozbalds  Schüler  genannt;  s.  über  ihn  Dümmler 
Ostfr.  II,  430,  und  denselben  Forsch.  VI,  123  über  die  gelehrten,  aber 
nicht  der  Geschichte  zugewandten  Studien  in  Würzburg. 

2)  NA.  XIII,  295. 

3)  V.  Reginswindis  Acta  SS.  Jul.  IV,  90—96.     MG.  SS.  XV,  359. 

4)  Acta  SS.  Feb.  III,  523.  Mab.  III,  2,  787.  Vgl.  den  Anon.  Haser. 
c.  3.  10,  MG.  SS.  VII,  255.  256.  Rettberg  II,  359.  Die  893  beginnenden 
Mirakel  sind  geschichtlich  nicht  unwichtig.  Ausg.  v.  Holder-Egger,  MG. 
SS.  XV,  535—555. 

5)  Mon.  B.  XXVIII,  2,  200-203. 


Eichstedt,  Passau,  Salzburg.  291 

hat1).  Einern  Abt  Engilmar,  den  er  als  „venerabilis  doctor  et 
grammaticae  rethor"  bezeichnet,  widmete  ein  ungenannter  Verfasser 
in  ziemlich  mangelhaften  Versen  eine  Versification  der  Vita  S.  He- 
rasmi;  vielleicht  könnte  dieser  später  Bischof  von  Passau  geworden 
sein,  wo  wir  von  874 — 899  einen  Engelmar  finden2). 

Aus  Salzburg  endlich  ist  uns,  aufser  urkundlichen  Aufzeich- 
nungen und  der  Erzählung  von  der  Ueb ertragung  des  h.  Her- 
mes3) aus  Rom  vom  Jahre  851,  ein  überaus  werthvolles  Denkmal 
erhalten,  eine  Denkschrift,  welche  durch  die  Errichtung  eines  selb- 
ständigen mährischen  Erzbisthums  veranlafst,  vermuthlich  870  ver- 
fafst  wurde4),  in  demselben  Jahr,  in  welchem  die  Verfolgung  gegen 
Methodius  begann.  Die  Verdienste  und  Berechtigungen  der  Salz- 
burger Kirche  sollten  darin  dargestellt  werden,  und  wie  billig  steht 
an  der  Spitze  das  Leben  des  h.  Rupert  (oben  S.  122).  Die  weitere 
Erzählung  stützt  sich  durchweg  auf  Urkunden  und  andere  Aufzeich- 
nungen der  Kirche,  es  ist  mehr  eine  rechtliche  Deduction,  als  ein 
eigentliches  Geschichtswerk,  und  weil  der  Verfasser  sich  streng  auf 
das  beschränkt,  was  für  seinen  Zweck  von  Wichtigkeit  war,  anderes, 
wie  namentlich  die  ganze  Wirksamkeit  des  Bonifaz,  völlig  mit  Still- 
schweigen übergeht,  genügt  die  Schrift  unseren  Wünschen  nicht, 
aber  was  sie  giebt,  ist  unschätzbar,  und  bei  dem  fast  gänzlichen 
Mangel  anderer  Quellen  über  die  Verhältnisse  dieser  südöstlichen 
Lande,  bei  dem  Verlust  der  Annalen,  von  denen  nur  geringe  Reste 
übrig  geblieben  sind,  ist  jedes  Wort  des  Verfassers  von  hohem  Werth 
für  uns5). 

*)  Einige  Formeln  mit  der  Ueberschrift  Epistolae  Alati  ed.  Rockinger, 
Quellen  zur  baierischen  Geschichte  VII,  169 — 185,  cf.  21 — 29,  und  E.  de 
Roziere,  Revue  hist.  de  droit  francais  et  etranger,  IV;  Zeumer,  Form. 
S.  456  ff.  Nach  Passau  weist  die  bischöfliche  Kirche  des  heiligen  Stephan. 
Vgl.  Müll.  u.  Scherer,  3.  Ausg.  II,  355. 

2)  Dümmler,  NA.  V,  429. 

3)  Translatio  S.  Hermetis,  ed.  Holder-Egger,  MG.  SS.  XV,  410.  Auch 
in  Bamberg  glaubte  man  den  h.  Hermes  zu  besitzen,  V.  Ott.  II,  14  bei 
Jaffe,  Bibl.  V,  639. 

4)  Ich  lasse  dahingestellt,  ob  sie,  wie  ich  annahm,  für  den  König  be- 
stimmt war,  oder  für  den  Pabst,  wie  Dümmler,  Ostfr.  II,  379,  aufrecht 
hält,  ungeachtet  der  gänzlichen  Verschweigung  aller  päbstlichen  Anord- 
nungen.    Sicher  ist  sie  ihrer  Form  nach  nicht  an  den  Pabst  gerichtet. 

5)  Ausgabe  von  Wattenbach,  MG.  SS.  XI,  1 — 17,  mit  den  Computa- 
tiones  saec.  XII.  de  tempore  S.  Rudberti,  auf  welchen  die  fehlerhafte  so- 
genannte Tradition  beruht.  Ueber  das  Fehlen  einer  älteren  Tradition  s. 
auch  Meiller,  Salzb.  Regesten,  S,  439.  Wie  Dümmler  bemerkt,  ist  der 
erste,  von  mir  übersehene  Herausgeber  Flacius  Illyricus,  Catalogi  testium 
veritatis  (1597)  II,  121  — 129  aus  der  Wiener  Handschrift  hist.  eccl.  73. 
Wegen  der  weiteren  Litteratur  begnüge  ich  mich,  auf  die  2.  Aufl.  von 
Dümmlers  Ostfr.  zu  verweisen.     Nach   Jar.  Goll,  Mitth.  d.  Inst.  XI,    443 

19* 


292  IL    Karolinger.     §  19.    Baiern  und  Franken. 

Unter  den  Nachfolgern  des  ersten  Erzbischofs  Arn  wird  Adal- 
ram  (821 — 836)  sehr  gepriesen,  und  Liuphram  (836 — 859)  folgte 
Arns  Vorgang,  indem  er  durch  Abschriften  die  Bibliothek  zu  be- 
reichern bemüht  war1).  Aus  seiner  Zeit  stammt  auch  eine  Samm- 
lung, in  welcher  formelartig  zugerichtete  Briefe  Alcuins ,  die  meistens 
an  Arn  gerichtet  waren,  mit  allerlei  Yersen  verbunden  sind,  nach 
Dümmlers  Ansicht  für  den  Zweck  des  Unterrichts  bestimmt2).  Am 
Anfang  stehen  Yerse  von  Dungal  an  einen  „clarus  magister"  Baldo, 
von  welchem  man  in  Salzburg  auch  eine  Handschrift  hatte  mit  der 
Inschrift:  „Hunc  humilis  librum  fecit  perscribere  Baldo,  Reddat  in 
aeternum  mitis  cui  praemia  Christus".  Aehnliche  Verse  finden  wir 
in  den  Unterschriften  der  von  Liuphram  besorgten  Bücher.  Mit 
Dümmler  hatte  ich  diesen  Baldo  für  den  Abt  Waldo  von  Saint- 
Denis  gehalten,  aber  später  hat  Dümmler  sich  mit  Foltz3)  für  eine 
Unterscheidung  beider  Personen  ausgesprochen,  wofür  sich  auch 
Traube  erklärt4),  und  es  wird,  wenn  Baldo  damals  in  Salzburg 
thätig  war,  vielmehr  anzunehmen  sein,  dafs  wir  unter  Dungal  nicht 
den  alten  berühmten  Lehrer  (oben  S.  153)  verstehen  dürfen.  Auch 
König  Ludwig  dankte  ihm  in  Versen  für  übersandte  Schriften, 
wünschte  aber  über  die  zuletzt  erhaltenen,  die  er  nicht  verstehen 
könne,  Aufschlufs.  Andere  Stücke  jener  Sammlung  verherrlichen  den 
alten  Bischof  Virgilius,  Arn,  Adalram ,  Liuphram;  eine  besondere 
Classe  stellt  sich  uns  dar  als  Inschriften  für  einen  Bischofshof,  der 
vermuthlich  damals  (zwischen  855  u.  859)  in  Salzburg  gebaut  wurde, 
und  erinnert  dadurch  an  die  oben  S.  266  erwähnten  Lütticher  Ge- 
dichte, wie  denn  auch  hier  (III,  11)  der  Dichter  sich  als  einen 
armen  Fremdling  bezeichnet;  es  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dafs 
Genossen  jener  Lütticher  Schottencolonie  auf  ihrer  Reise  nach  Mai- 
land in  Salzburg  einige  Zeit  sich  aufgehalten  haben.  Die  einzelnen 
Suffragane  gaben,  wie  es  scheint,  verschiedenen  Hallen  ihren  Namen, 
deren  Wände  mit  Darstellungen  ihrer  Bischofsitze  geschmückt  sein 
mochten,  und  hier  waren  auch  Verse  über  die  Folge  dieser  Bischöfe 
angebracht,  welche  aber  bei  Passau  und  Saeben  nicht  vollständig 
ausgeführt  sind5). 

bis  446,  hätte  er  seine   Angaben    über  Samo   nur  aus  Fredegar  geschöpft, 
ohne  locale  Tradition. 

1)  S.  darüber  Karl  Foltz,  Geschichte  der  Salzburger  Bibliotheken, 
Wien  1877. 

2)  Beiträge  zur  Geschichte  des  Erzb.  Salzburg,  Archiv  der  Wiener  Ak. 
XXII,  279—304.     Die  Verse  bei  Traube,  Poet.  Lat.  III,  238. 

3)  a.  a.  0.  S.  13;  vgl.  Dümmler,  Poet.  Lat.  I,  412. 

4)  0  Roma  nobilis,  S.  336. 

5)  Versus  de  ordine  comprovincialium  episcoporum  bei  Dümmler  a.  a.  0. 


Salzburger  Gedichte.     Frankreich.  293 


§  20.    Frankreich. 

Der  Vertrag  von  Verdun  besiegelte  die  politische  Theilung  des 
karolingischen  Reiches,  aber  er  zerstörte  nicht  die  Gemeinsamkeit 
der  litterarischen  Entwickelung.  Diese  beruhte,  besonders  in  Deutsch- 
land und  Frankreich,  Jahrhunderte  laug  ausschliefslich  auf  der  Geist- 
lichkeit, die  von  dem  Gefühl  erfüllt  war,  eine  grofse  Corporation  zu 
bilden,  deren  Mitglieder  in  den  verschiedenen  Ländern  sich,  wie  noch 
heute,  einander  näher  verbunden  fühlten  als  mit  den  Laien  ihres 
Volkes.  Dieses  Gefühl  der  Gemeinschaft  tritt  auch  in  späterer  Zeit 
häufig  aufserordentlich  stark  hervor;  ganz  besonders  lebhaft  aber 
war  es,  so  lange  die  Karolinger  herrschten,  nnd  die  Erinnerung  an 
die  Einheit  des  Kaiserreiches  noch  die  Gemüther  erfüllte.  In  der 
Litteratur  sind  es  jedoch  die  kirchlichen  Fragen,  in  denen  die  Ge- 
meinsamkeit der  Bildung  wie  der  Interessen  sich  vornehmlich  zeigt; 
die  überaus  reiche  und  bedeutende  theologische  Litteratur  des  neun- 
ten Jahrhunderts  läfst  sich  gar  nicht  getrennt  behandeln.  In  der 
historischen  dagegen  verhält  es  sich  anders;  diese  wird  naturgemäfs 
von  der  politischen  Trennung  weit  stärker  berührt  und  sondert  sich 
rascher  in  verschiedene  Zweige.  Alles  was  die  Localgeschichte  betrifft, 
gewinnt  nur  noch  in  einzelnen  Fällen  Bedeutung  füs  das  Nachbar- 
land; die  bedeutenderen  Werke  allgemeiner  Art  aber  dürfen  nicht 
aufser  Acht  gelassen  werden,  und  bei  der  engen  Verbindung  der 
karolingischen  Theilreiche  finden  wir  in  diesen  immer  auch  die 
Nachbarländer,  wenn  nicht  gleichmäfsig,  so  doch  mit  wenig  gerin- 
gerer Sorgfalt  berücksichtigt,  als  das  eigene.  Vor  allem  gilt  das 
von  der  Reichshistoriographie  der  Annalen.  Wie  die  Fulder  An- 
nalen  auch  für  Frankreich  von  Wichtigkeit  sind,  so  die  Bertin  iani- 
schen1)  für  Deutschland. 

S.  283— 285.  MG.  SS.  XIII,  341— 343.  Poet.Lat.  II,  637— 648  mit  anderen 
Versen  der  Sammlung.  Vielleicht  rühren  jene  aus  Karls  d.  Gr.  Zeit  her, 
und  wurden  nur  fortgesetzt;  dann  hätten  wir  Erneuerung  älterer  Dar- 
stellungen anzunehmen. 

x)  Annales  Bertiniani  ed.  Pertz,  MG.  SS.  I,  419—515.  Neue  Ausg. 
v.  G.  Waitz,  Hann.  1883,  8;  vgl.  dens.:  Ueber  die  Ueberlieferung  der  Ann. 
Bertiniani,  Berl.  SB.  1883,  S.  113 — 121.  Benutzt  sind  aufser  den  Hss.  das 
Chron.  Vedastinum,  Cont.  Aimoini,  der  einige  Zusätze  von  zweifelhaftem 
Ursprung  hat,  Ann.  Mettenses,  über  deren  jetzt  in  Berlin  befindl.  Hs.  ich 
NA.  XVI,  607  berichtet  habe.  Wenig  Hülfe  bietet  das  fast  ganz  aus 
Ann.  Bertin.  u.  Vedastini  geschöpfte  Chronicon  de  gestis  Normannorum  in 
Francia,  MG.  I,  532 — 536,  in  ganz  unbestimmter  Zeit  in  St.  Omer  verfafst. 
Uebers.  der  Ann.  Bertin.  v.  Jasmund  1857.  1890.  Geschichtschr.  Bd.  24 
(IX,  9). 


294  II.    Karolinger.     §  20.    Frankreich. 

Die  alten  Reichs-Annalen  bilden  für  beide  Reiche  gleichmäfsig 
den  Ausgangspunkt;  während  man  aber  am  ostfränkischen  Hofe  diese 
Aufgabe  erst  nach  einiger  Zeit  wieder  aufnahm,  trat  im  westlichen 
Franken  keine  Unterbrechung  ein,  und  wir  finden  schon  in  den 
Jahren  830 — 835  eine  gleichzeitige  Fortsetzung.  Das  Kloster  St.  Ber- 
tin hat  nur  deshalb  den  Namen  dazu  hergegeben,  weil  diese  Anna- 
len  zuerst  aus  einer  Handschrift  desselben  bekannt  wurden;  sie 
tragen  einen  durchaus  universellen  Charakter  und  haften  an  keinem 
bestimmten  Orte. 

Die  Hofschule  bestand  unter  Ludwig  dem  Frommen,  wie  unter 
seinem  Vater.  Der  Irländer  Clemens  setzte  seine  Wirksamkeit  fort, 
und  von  Alderich  und  einem  sonst  unbekannten  Thomas,  den  Wa- 
lahfrid  preist,  ist  es,  wenn  auch  nicht  sicher,  doch  wahrscheinlich, 
dafs  sie  eine  ähnliche  Stellung  hatten1).  Walahfrids  Berufung  an 
den  Hof  bezeugt  ebenfalls  die  Beachtung  litterarischer  Talente.  Die 
Verdienste  der  Kaiserin  Judith  in  dieser  Beziehung  waren  schon 
wiederholt  zu  erwähnen.  An  Karls  des  Kahlen  Hof  glänzte  Johannes 
Scotus2).  Ihm  widmete  auch  ein  unbekannter  Autor  ein  geogra- 
phisches Werk,  welches  ganz  aus  Stellen  alter  Schriftsteller  zu- 
sammengesetzt, und  ein  Zeugnifs  für  die  eifrig  betriebenen  Studien 
in  jener  Zeit  ist3).  Seine  Sorge  für  wissenschaftliche  Bildung  wird 
gerühmt,  und  zu  seiner  Zeit  wird  Manno  als  Vorsteher  der  Hof- 
schule genannt,  welcher  als  Probst  von  Saint- Oyan  (später  Saint- 
Claude)  im  Jura  am  16.  Aug.  880  gestorben  ist,  nachdem  er  diesem 
Stifte  mehrere  noch  jetzt  erhaltene  Handschriften  dargebracht  hatte4). 

In  dieser  Schule  ist  auch  der  Spanier  Galindo  ausgebildet, 
welcher  den  Namen  Prudentius  annahm5);  ein  vornehmer  Jüng- 
ling, welcher  frühzeitig  ins  Frankenreich  gebracht  war.  Aus  dieser 
Zeit,  noch  vor  817,  haben  sich  an  ihn  gerichtete  Verse  eines  un- 
bekannten Dichters    erhalten,    leider    nur    theilweise    verständlich6). 

1)  Simson,  Ludwig -d.  F.  256—261;  vgl.  Dümmler,  Hi st.  Z.  XXXVII, 
134.  Ostfr.  III,  651.  652. 

2)  Reuter,  Gesch.  d.  Aufklärung  I,  S.  51 — 64. 

3)  Anonymi  de  situ  orbis  libri  duo,  ed.  M.  Manitius,  Stuttg.  1884, 
Der  Prolog  NA.  IV,  176. 

4)  „Voto  bonae  memoriae  Mannonis  liber  ad  sepulcrum  saneti  Augendi 
oblatus."  S.  Dümmler,  Ostfr.  III,  652.  Probst  war  er  schon  870.  Ueber 
seinen  Collegen  Joseph  s.  unten  S.  300.  Merkwürdige  Verse  und  Briefe 
aus  Karls  d.  K.  Zeit,  worin  auch  Manno  erwähnt  wird,  NA.  XIII,  343  bis 
357,  von  Dümmler. 

5)  Ebert  II,  267,  u.  S.  365—368  über  die  Annalen.  Dümmler,  NA. 
IV,  314. 

6)  Poet.  Lat.  I,  579.  Dafs  der  Verf.  Prudens  geheifsen,  widerlegt 
L.  Traube,  Karol.  Dicht.  S.  65,  u.  gibt  Verbesserungen  zum  Text. 


Annales  Bertiniani.  295 

Theodulf,  Clemens  und  Thomas  werden  darin  erwähnt.  Als  die 
Kaiserin  Judith  sich  einst  in  Gefahr  befand,  hat  er  für  sie  auf  ihren 
Wunsch  Flores  psalmorum  zusammengestellt1).  Die  Verse  Walah- 
frids  ad  Prudentium  magistrum  (oben  S.  280)  werden  doch  wohl 
sicher  an  denselben  Galindo  gerichtet  sein ,  welcher  zwischen  843 
und  846  Bischof  von  Troyes  geworden,  am  6.  April  861  gestorben 
ist.  Von  ihm  selbst  haben  wir  Verse  aus  einem  von  ihm  seiner 
Kirche  gewidmeten  Evangelienbuch,  und  kirchliche  Schriften. 

Dieser  Prudentius  wird  von  Hincmar  als  der  Fortsetzer  der 
Annalen  genannt,  auch  861  von  ihm  der  Tod  desselben  mit  scharfem 
Tadel  seiner  in  den  letzten  Jahren  ketzerischen  Haltung  angemerkt. 
J.  Girgensohn2)  hat  sich  bemüht  zu  erweisen,  dafs  der  Inhalt  der 
Annalen  genau  zu  dem  stimmt,  was  wir  von  Prudentius  wissen,  in- 
dem er  835 — 840  dem  alten  Kaiser  treu  ergeben  ist,  bis  853  Karls 
des  Kahlen  Handlungen  bestmöglichst  zu  beschönigen  sucht,  nach 
der  Synode  von  Quierzy  aber,  wo  er  die  seiner  früheren  Lehre 
widerstreitenden  Artikel  unterschreiben  mufste,  auch  rücksichtslosen 
Tadel  nicht  scheut.  Der  Brief  Hincmars,  welcher  allein  uns  die 
Kunde  von  Prudentius  Autorschaft  erhalten  hat,  zeigt  zugleich,  dafs 
die  Urschrift  des  Werkes,  welches  schon  Vielen  bekannt  geworden 
war,  sich  in  des  Königs  Händen  befand,  und  bestätigt  dadurch  den 
officiellen  Charakter  desselben.  Nur  darf  man  nicht  vergessen,  wie 
selbständig  die  Bischöfe  Frankreichs  ihrem  Könige  gegenüber  stan- 
den, und  es  ist  deshalb  nicht  zu  verwundern,  dafs  Prudentius  seine 
eigene  Meinung  mit  einer  Entschiedenheit  ausspricht,  welche  Rudolf 
von  Fulda  ganz  fern  liegt.  Noch  weit  unabhängiger  erscheint  die 
Fortsetzung,  welche  der  Erzbischof  Hincmar  von  Reims  bis  zum 
Jahre  882,  dem  Jahre  seines  Todes,  fortgeführt  hat.  Sie  bietet  uns 
die  Reichsgeschichte  aus  dem  Standpunkte  des  Verfassers,  des  be- 
deutendsten Staatsmannes  im  Reiche  Karls  des  Kahlen,  der  unab- 
lässig bis  an  seinen  Tod  für  das  Wohl  des  Reiches  und  die  Selb- 
ständigkeit der  westfränkischen  Kirche  auch  gegen  König  und  Pabst 
gearbeitet  und  gekämpft  hat,  nicht  immer  mit  redlichen  Mitteln 
allein,  obgleich  freilich  Schrörs  (S.  307,  507 — 512)  ihn  von  dem 
Verdachte  zu  befreien  sucht,  dafs  er  zur  Erreichung  seiner  Zwecke 

*)  Poet.  Lat.  II,  701.  Der  Prolog  gedruckt  bei  A.  Mai,  Nova  Coli. 
IX,  369. 

2)  Prudentius  und  die  Bert.  Annalen,  Riga  1875.  Vgl.  die  Rec.  von 
F.  Dahn  in  Lit.  Centralblatt  1876  S.  848.  Baehr  S.  453—456.  C.  v.  Noor- 
den,  Hincmar  S.  152.  Sein  Latein  ist  mangelhafter,  als  man  von  Pr.  er- 
warten sollte.  Aber  auch  Hincmar  hat  auf  die  Form  wenig  Sorgfalt 
verwandt.  ^--— — 

<tf - 

HAE.LN 


296  H.    Karolinger.     §  20.    Frankreich. 

auch  Fälschungen  und  Erdichtungen  nicht  verschmäht  habe;  ein 
sicheres  Beispiel  kecker  Fälschung  hat  Krusch  in  der  Yita  Remigii 
nachgewiesen1).  Sicher  aber  sind  seine  Annalen  von  solchen  Flecken 
rein,  wenngleich  an  manchen  Stellen  nicht  frei  von  Parteilichkeit, 
und  als  die  hervorragendste  Geschichtsquelle  dieser  Zeit  zu  be- 
trachten2). 

Von  dem  einflufsreichsten,  nur  vorübergehend  bei  Seite  gedräng- 
ten Staatsmanne  herrührend,  unterscheiden  Hincmars  Annalen  sich 
noch  wesentlich  von  einfachen  Privatarbeiten;  mit  seinem  Tode  ver- 
siegte in  Frankreich  noch  früher  als  in  Deutschland  diese  Art  der 
Geschichtschreibung,  wie  denn  auch  der  Verfall  des  Reiches  hier 
noch  rascher  und  unaufhaltsamer  eintrat. 

Allein  in  ganz  ähnlicher  Weise,  wie  wir  in  Deutschland  neben 
den  Reichsannalen  die  Jahrbücher  von  Xanten  finden,  wie  auch  nach 

J)  Auctt.  antt.  IV,  2,  p.  XXII,  anerkannt  v.  Dümmler,  Ostfr.  III,  683. 

2)  Als  Verfasser  der  Annalen  nennt  ihn  Richer  im  Prolog  seiner  Ge- 
schichte. Ueber  deren  Glaubwürdigkeit  v.  Noorden  S.  153.  E.  Buchung, 
Glaubwürdigkeit  Hincmars  v.  R.  im  3.  Theil  der  Ann.  Bert.  Hall.  Diss. 
1887.  —  Hincmari  Opuscula  et  epp.  ed.  Cordesius,  Par.  1615,  4.  Opera 
ed.  Sirmond  1645,  f.  Neuer  Abdruck  bei  Migne  Vol.  CXXV.  CXXVI. 
Seine  Gedichte  Poet.  Lat.  III,  406—420.  Verz.  bei  Schrörs,  S.  512—588. 
Zwei  neue  entdeckte  hat  Gundlach  herausgegeben,  Zts.  f.  Kirchengesch.  X, 
S.  92 — 145.  258 — 310,  das  Gutachten  gegen  Rothad,  Schrörs  n.  134,  und 
die  erste  Schrift  gegen  Gotschalk  (849  od.  850)  an  die  „filii  simplices" 
seiner  Gemeinde.  Vgl.  C.  v.  Noorden,  Hincmar  Erzb.  v.  Rheims  1863, 
rec.  von  Wenck,  Hist.  Zts.  XI,  222,  von  Dümmler  im  Litt.  Centralbl.  1864 
Sp.  1197.  Dümmler,  Ostfr.  III,  210—213;  auch  NA.  IV,  536— 538.  Heller, 
Allg.  D.  Biogr.  XII,  438—456.  Schrörs,  H.  v.  R.  Sein  Leben  u.  seine 
Schriften,  Freib.  1884,  rec.  v.  Dümmler  im  Centralbl.  1884,  Sp.  1197.  In 
diesen  Werken  sind  auch  die  übrigen  geschichtlich  wichtigen  Schriften 
Hincmars  besprochen  und  ausgebeutet.  Seine  für  Karlmann  geschriebene 
Darstellung  der  Regierungsweise  Karls  des  Grofsen  ist  oben  S.  252  er- 
wähnt. Vgl.  Dirksen,  Hinterlassene  Schriften  II,  130 — 841:  H.  als  Kenner 
der  Quellen  des  römischen  Rechts.  Hincmar  befahl  seinem  Clerus  852  §  8, 
den  compotus  d.  h.  die  Osterberechnung  zu  lernen  (Marlot,  Hist.  Rem.  I, 
418).  Damit  verbindet  Bock  bei  Weifs,  K.  Alfred  S.  31,  die  Inschrift  bei 
Varin,  Archives  admin.  de  Reims  I,  334,  wonach  der  Probst  Sicfarius  von 
Saint-Remi,  der  kurz  vor  Hincmar  dem  Kloster  vorstand  und  Gregors 
Moralien  abschreiben  liefs,  eine  Schule  baute:  „Hiric  claustro  pollent  studio 
loca  compotis  apta"  etc.  Compotis  als  Gen.  nach  Traube,  O  Roma  p.  373. 
847  war  Sigloardus  presb.  caput  scholae  S.  Remensis  ecclesiae,  Marlot  I, 
390.  Polyptyque  de  Tabb.  de  St.  Remi  ed.  Guerard  p.  57.  —  Geschichtlich 
wichtig  sind  auch  die  Parteischriften :  Narratio  clericorum  Remensium,  gua- 
liter  Ebbo  Rem.  archiep.  depositus,  mox  restitutus  ac  iterum  dejectus  est,  bei 
Duchesne  II,  340.  Bouquet  VII,  277,  und  Apohgeticon  Ebbonis,  Bouquet 
VII,  281.  —  Die  Translatio  S.  Remigii,  der  882  wegen  der  Normannen 
nach  Epernai,  von  da  nach  Orbais,  883  von  Fulco  zurückgebracht  wurde 
(Acta  SS.  Oct.  I,  170)  enthält  fast  nichts,  was  nicht  auch  bei  Flodoard 
steht.  Die  griech.  Verse  im  cod.  Laudun.  444  sind  an  Hincmar  von  Laon 
gerichtet  nach  L.  Traube,  0  Roma  nob.  p.  363. 


Annalen  von  Saint-Vaast.  297 

dem  Uebergange  der  amtlichen  Geschichtschreibung  an  die  Baiern 
die  Jahrbücher  von  Fulda  unabhängig  aus  freiem  Antriebe  weiter 
fortgesetzt  wurden,  so  stehen  auch  in  Frankreich  den  Annalen  Hinc- 
mars  die  Jahrbücher  von  St.  Vaast1)  bei  Arras  zur  Seite.  Sie 
reichen  von  874 — 900;  vielleicht  ist  aber  was  uns  vorliegt  nur  ein 
Bruchstück.  Auf  das  Kloster  des  heiligen  Vedast  weisen  mehrere 
Stellen  hin,  aber  die  Absicht  des  Verfassers  war,  die  Geschichte  des 
westfränkischen  Reiches  zu  schreiben;  die  Darstellung  ist  ausführlich 
und  umfassend,  und  dabei  frei  von  den  Rücksichten,  welche  in  den 
Bertinianischen  Annalen  unverkennbar  sind.  Die  Zwietracht  im 
Reiche  und  die  Heimsuchungen  durch  die  Normannen  werden  mit 
lebhaften  Farben  geschildert.  Wie  in  Deutschland  die  Xantener 
Annalen,  so  blieben  auch  hier  die  Vedastiner  fast  unbekannt;  in 
Reims  wufste  man  nichts  von  ihnen,  als  Richer  seine  Geschichte 
schrieb,  und  wir  haben  ihre  Erhaltung  als  einen  besonderen  Glücks- 
fall zu  betrachten.  Aufserdem  beschäftigte  man  sich  hier  angelegent- 
lichst mit  dem  Schutzheiligen,  dessen  Wunder  um  850  der  Küster 
und  Schulvorsteher  Hai  min  beschrieb,  ein  gefeierter  Gelehrter, 
welchem  sein  Schüler  Milo  das  metrische  Leben  des  h.  Amandus 
widmete.  Bei  der  wachsenden  Kriegsgefahr  wurde  der  h.  Yedast 
852  feierlich  erhoben  und  wieder  wurde  ein  Buch  über  seine  Wun- 
der geschrieben.  Die  Normannen  jedoch  fürchteten  sich  nicht  vor 
ihm,  880  wurde  er  nach  Beauvais  geflüchtet,  893  heimgeführt,  und 
auch  darüber  von  Ulmar  eine  Schrift  verfafst;  allerlei  für  die  Zeit- 
geschichte nicht  unerhebliche  Nachrichten  hat  daraus  Holder-Egger 
ausgehoben2). 

Die  Annalen  kannte  man  im  eigenen  Kloster  wohl,  und  mufs 
auch  eine  grofse  Fülle  von  historischem  Material  gehabt  haben,  denn 
gegen  das  Ende  des  11.  Jahrhunderts  ist  hier  eine  grofse  welt- 
geschichtliche Compilation  bis  899  aus  vielerlei  Quellen  ohne  viel 
Geschick  zusammengearbeitet,  welche  sich  in  einer  jetzt  in  Douai 
befindlichen  Handschrift  erhalten  hat,  aus  der  sie  erst  kürzlich  be- 
kannt geworden  ist;  jetzt  hat  den  wesentlichen  Inhalt  mit  Fortlassung 
des  Anfangs   und   der  wörtlich   entlehnten  Stellen  Waitz    (SS.  XIII, 

2)  Annales  Vedastini  ed.  Pertz,  MG.  SS.  I,  516 — 531,  und  nach  Auf- 
findung der  Brüsseler  Handschrift  in  verbessertem  Abdruck  IT,  196 — 209; 
Facs.  in  Arndts  Schriftt.  18.  Vgl.  Dümmler,  de  Arnulfo  rege  p.  176.  Ueber- 
setzt  von  Jasmund  bei  den  Ann.  Bert. 

2)  Monumenta  Vedastina  mi/tora,  SS.  XV,  396 — 405:  1.  Ex  Miraculorum 
1.  I.  auct.  Haimino.  II.  Ex  libro  II  auct.  Ulmaro  aliisque  (vgl.  aber  S.  1315). 
III.  Sermo  de  relatione  S.  Vedasti.  IV.  Ex  Apparitione  S.  Vedasti  auctore 
Huberto  presbytero,  Haimin  gewidmet. 


298  IL    Karolinger.     §  20.    Frankreich. 

674 — 709)  als  Chronicon  Vedastinum  herausgegeben1).  Aufser  Hie- 
ronymus,  Orosius,  Beda,  Isidor,  Nennius,  Jordanis,  Gregor  von  Tours 
ist  Fredegar  mit  seinen  Fortsetzungen  benutzt,  und  die  Reichsannalen 
mit  den  Bertin.  und  Vedast.,  welche  fast  ganz  aufgenommen  sind,  so 
dafs  die  Handschrift  zur  Verbesserung  des  Textes  benutzt  werden 
kann.  Von  besonderer  "Wichtigkeit  ist  die  Benutzung  der  oben 
S.  202  erwähnten  Compilation  bis  805,  von  der  Waitz  vermuthet, 
dafs  sie  noch  höher  hinaufgereicht  habe,  da  schon  im  7.  und  8.  Jahr- 
hundert gleiche  Quelle  mit  den  Ann.  Mett.  wahrzunehmen  ist;  doch 
mufs  für  die  Zeit  Karl  Martells  die  Vorlage  eine  Lücke  gehabt  haben. 
Einige  Stellen  stimmen  mit  der  Bisthumsgeschichte  von  Cambrai 
überein,  was  für  die  Zeit  der  Abfassung  entscheidend  sein  würde; 
doch  nennt  er  diese  Quelle  Gesta  Remensium,  und  ganz  sicher  ist 
die  Benutzung  nicht.  Er  giebt  aber  manchmal  seinen  Quellen  falsche 
Benennungen,  weicht  auch  im  Wortlaut  ab,  und  hat  allerlei  Nach- 
richten, deren  Herkunft  nicht  festzustellen  und  deren  Werth  zweifel- 
haft ist.  Guiman  von  St.  Vaast  um  1170,  Hermann  von  Tournai 
und  Andreas  von  Marchiennes  haben  das  Werk  benutzt;  früher  als 
ins  11.  Jahrhundert  kann  es  nach  der  Beschaffenheit  der  allem 
Anschein  nach  erhaltenen  Originalhandschrift  unmöglich  gesetzt 
werden. 

Gehört  nun  diese  Bearbeitung  schon  späterer  Zeit  an,  so  stammen 
dagegen  die  oben  S.  109  erwähnten  Gesta  Dagoberti  aus  dem  Ende 
des  neunten  Jahrhunderts,  und  um  900  war  nach  B.  Krusch  auch 
schon  die  Bearbeitung  vollendet,  welche  aus  Gregor  von  Tours  mit 
der  unter  Fredegars  Namen  bekannten  Sammlung  und  deren  Fort- 
setzern eine  einigermafsen  lesbare  Frankengeschichte  herstellte  (S.  203). 

Wir  finden  also  auch  in  Frankreich  eine  nicht  unbedeutende 
Beschäftigung  mit  der  Geschichte,  und  namentlich  die  annalistische 
Form  der  gleichzeitigen  Geschichtschreibung  reich  entwickelt,  bis 
sie  durch  den  Verfall    des  Reiches    erstickt   wird2).     Von   Aufzeich- 

*)  S.  682,  32  1.  campi  suda;  der  angeführte  Vers  ist,  wie  ich  von 
Dümmler  erfahren,  Prudentii  Psychom.  637.  Die  Ausgabe  von  Dehaisnes, 
Les  Annales  de  Saint-Bertin  et  de  Saint-Vaast,  suivis  de  fragments  d'une 
chronique  inedite,  1871,  war  verfehlt,  s.  Monod,  Revue  crit.  1872, 1,  S.  242 
bis  254;  G.  Waitz,  GGA.  1873,  S.  1—9;  W.  Arndt,  HZ.  XXXI,  167—171. 
Eine  ältere  Compilation  bis  zum  6.  Jahr  des  Heraclius,  welche  hierin  be- 
nutzt scheint,  beschreibt  Mommsen  NA.  XVI,  430.  —  MG.  SS.  XIII,  710: 
Ex  Guimanni  libro  de  possessionibus  S.  Vedasti ;  p.  750:  Catal.  epp.  Atreba- 
tensium;  p.  382:  Series  abbatum  S.  Vedasti,  e  cod.  saec.  IX.  abweichend 
von  der  sonst  überlieferten  Folge. 

2)  Von  den  unbedeutenderen  kleinen  Annalen,  welche  doch  häufig 
einzelne  schätzbare   Nachrichten   enthalten,    erwähne  ich    Ann.  S.  Quintini 


I 


Abbo  von  Saint- Germain.  299 

nungen  anderer  Art  ist  nur  noch  die  poetische  Behandlung  der  Be- 
lagerung der  Stadt  Paris  durch  die  Normannen  vom  November  885 
bis  886  und  der  weiteren  Kämpfe  bis  896  zu  erwähnen,  verfafst 
von  Abbo1),  einem  Mönche  von  St.  Germain-des-Pres,  zur  Verherr- 
lichung seines  Heiligen;  schätzbar  durch  ihren  Inhalt,  da  der  Dichter 
diese  Ereignisse  selbst  mit  durchlebt  hatte,  aber  kaum  als  Geschichts- 
werk zu  rechnen,  in  sehr  gezierter  und  gesuchter,  oft  kaum  ver- 
ständlicher Sprache.  Im  allgemeinen  überwog  in  Frankreich  noch 
mehr  als  in  Deutschland  die  Richtung  auf  theologische  und  philo- 
sophische Gelehrsamkeit;  die  kirchlichen  Fragen  beschäftigten  die 
Geister   im   höchsten   Grade    und    die    wissenschaftliche    Thätigkeit, 

V eromandenses   ed.  Bethmann   SS.  XVI,  507,   von   793 — 994   meist   gleich- 
zeitig, aber  dürftig;  Engölismenses  ed.  Pertz  SS.  XVI,  485,   von   815 — 870 
und  noch  dürftiger  fortgesetzt  886 — 930.     940 — 991    (daraus    mit    einigen 
Zusätzen  Ckroii.  Aguitanicum  SS.  II,  252,  und  Ann.  Engölismenses  SS.  IV,  5); 
Lugdunenses  I,  110  von  769 — 841  (Catal.  archiepp.  Luqd.  s.  IX.  s.  NA.  VIII, 
624);  Masciacenses  SS.  III,  169  von  732— 82  t   und  fortgesetzt   832—1013, 
von  Massai  im  Berry;  Verse  auf  dieses  Kloster   unter  dem  Abt  Odo  (935 
bis  967)  verfafst,    bei  Senebier,   Catal.  des  Manuscrits  de  Geneve  p.  130; 
H.  Hagen,  Carm.  med.  aevi,  p.  112;  Ann.  Floriacenses  II,  254  von  864  bis 
1060;  Nivernenses  a.  509—1188,  SS.  XIII,  88—91;  S.   Victoris  Massilienses 
(darin  Barcinonenses)  538—1542,  SS.  XXIII,  1—7;  vgl.  Arnold  S.  61;  Kritik 
cL,  Ausgabe,  u.  Ausgabe  v.  Albanes,    Melanges   d'Arch.   et   d'hist.  VI.    de 
l'Ecole  fran^.    de  Rome.     Dazu    Todtenklage    um    den    1017    gest.    Grafen 
Raimönd  von  Barcelona,  NA.  III,  407.    Zwischen  1330  und  1338,  angeblich 
nach  einer  verlorenen  Chronik   über  und   aus  Karls   des  Kahlen   Zeit  ver- 
fafst, in   der  That  aber  ganz  fabelhaft,    begründet  auf  ein  zur  Bewirkung 
der  Canonisation  spät  verfafstes  Leben  ist:  Le  roman  en  vers  de  tres  ex- 
cellant,  puissant  et  noble  homrae  Girard  de  Rossillon,  jadis  duc  de  Bour- 
gogne,  publie  par  Mignard,  ä  Paris   1858;  vgl.  Revue  hist.  VIII,  216;  Paul 
Meyer :    La  Legende   de  Girart  de  R.  in  d.  Zts.  Romania,  1879.     Uebers. 
mit  Einl.  von  dems.   1884.    A.  Stimming:  Ueber  d.  provenz.  G.  de  R.  1888. 
x)  Abbonis  de  bellis  Parisiacae  urbis  libri  III  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  776 
bis  805.  Sep.  Abdr.  1871.     Vgl.  E.  A.  Freemann's  Essay:  The  early  sieges 
of  Paris.     Dümmler,  NA.  IV,  556.     Das   dritte  Buch,  hinzugefügt,  um  der 
heiligen  Dreizahl  zu  genügen,   ist  nur  allegorisch   gramm.  Inhalts  und  be- 
steht   fast  ganz  aus  seltenen,   schwer  verständlichen  Worten.     Doch  ist  es 
mit  Glossen  für  den  Unterricht  versehen  u.  auch  abgesondert  abgeschrieben, 
gedr.  in  Mangearts  Catal.  de  Valenc.    S.  656 — 659.     Abbo's  Klosterbruder 
Aimoin   giebt  in  seinen  zwei  Büchern    de  S.  Germani  miraculis    ebenfalls 
Nachrichten    über    frühere  Verheerungen    der   Normannen;    s.    über    seine 
Schriften  Baehr  S.  243:  Ebert  II,  352,  NA.  IV,  543.     Vgl.  NA.  XII,  447, 
über    eine  K.  Odo  gewidmete    poet.  Bearbeitung.     Die  von  Aimoin  aufge- 
nommene Translatio  S.  Germani  a.  845  Anal.  BoJl.  II,  69—98,  MG.  SS.  XV, 
10—16.     Translatio  S.  Mederici  (Mab.  III,   1,  14.     Acta  SS.  Aug.  II,  524) 
in  Paris  884  durch  Bischof  Gauslin,    Abt  von  St.  Germain  und  St.  Denis, 
enthält    sonst    keine    Nachrichten.     Translatio  S.  Bertae    (Mab.  III,  1,  454. 
Acta  SS,  Jul.  II,  54)  von  Blangi  bei  Amiens  895  nach  Erstein  im  Elsafs, 
um  sie  vor  den  Normannen   zu  retten,    gedenkt   einer   Synode   zu    Tribur, 
wo  die  Aebtissin  Rotrudis  von  Erstein  anwesend   war.     Auszug  Ex  Mira- 
culis et  transl.  S.  B.  ed.  L.  de  Heinemann,  SS.  XV,  564. 


300  II-    Karolinger.     §  20.    Frankreich. 

welche  Karl  der  Kahle  bei  aller  Schwäche  seiner  Regierung  lebhaft 
begünstigte1),  kam  der  Geschichte  wenig  zu  Gute.  Denn  die  Ueber- 
arbeitung  oder  auch  neue  Aufzeichnung  älterer  Heiligenleben,  welche 
auch  hier  vielfach  vorkommt,  hatte  mehr  einen  liturgischen  oder  doch 
erbaulichen  Zweck;  die  Form  ist  die  Hauptsache  dabei  und  von  ernst- 
licher geschichtlicher  Forschung  nicht  die  Rede. 

In  C hell  es  liefs  die  Aebtissin  Hegilwich,  die  Mutter  der  Kaiserin 
Judith,  833  den  Leib  der  Königin  Baltechildis  erheben,  worüber 
bald  nach  856  berichtet  wurde2).  Etwas  später  finden  sich  hin  und 
wieder  Nachrichten  über  die  Unthaten  der  Normannen  in  den  Samm- 
lungen von  Wundergeschichten  und  den  Berichten  über  die  Irrfahrten 
der  vor  den  gottlosen  Feinden  geflüchteten  Reliquien.  So  in  des  Abts 
Odo  von  Glanfeuil  Geschichte  der  Uebertragung  des  h.  Maurus 
von  Saint-Maur-sur-Loire  nach  Saint-Maur-des-Fosses  bei  Paris3)  868, 
welche  wohl  etwas,  doch  nicht  viel  mehr  Glauben  verdienen  mag, 
als  desselben  Odo  angeblich  nach  einem  gleichzeitigen  Werk  des 
Faustus  erneuertes  Leben  des  h.  Maurus4),  und  mit  besonderer  Leb- 

1)  Graf  Vi  vi  an  Laienabt  von  St.  Martin  und  Marin  outiers,  widmete  ihm 
die  herrliche  Metzer  Bibel  Lat.  1.  mit  den  Versen  bei  Traube,  Poet.Lat.  III, 
243.  Versus  Johannis  Sapientissimi  (A.  Mai,  Auetores  Class.  V,  426 — 450, 
wiederholt  hinter  Joh.  Scotus  de  divisione  naturae  ed.  Schlüter,  Monast. 
1838  S.  593  — 610  und  Migne  CXXXII  ed.  Flofs  p.  1221—1240  ex.  cod. 
Vat.  Chr.  1587)  voll  Verherrlichung  Karls  und  der  Irmintrud  von  einem 
Iren,  wahrscheinlich  dem  bekannten  Philosophen;  vgl.  NA.  IV,  531,  Ebertll, 
257 — 267.  (Bei  Flofs  S.  1194  die  Spottverse  auf  Rom:  Nobilibus  quondam 
etc.  auch  Murat.  Antt.  II,  147.  Bedae  Opp.  ed.  Col.  I,  449.  Jaffe 
Bibl.  V,  457  im  Cod.  Udalrici,  cit.  schon  in  der  Invectiva,  Dümml.  Gesta 
Bereng.  p.  138).  Joseph,  in  Tours  unter  Erzbischof  Amalrich  (von  vor 
849—855),  der  früher  Vorstand  der  Schule  gewesen  war,  gebildet  mit  Paul, 
849 — 855  Erzbischof  von  Rouen,  war  847  und  848  Kanzler  Pippins  II  von 
Aquitanien,  dann  „inelyti  regis  Ludowici  (des  Stammlers)  liberalium  litte- 
rarum  praeeeptor  atque  ejusdem  sacri  palatii  cancellariorum  ministerio 
funetus".  Er  schrieb  auf  Bitten  jenes  Paul  Translatio  S.  Ragnoberti,  der 
847  von  Bayeux  mit  Frechulfs  Rath  nach  St.  Victor  d.  Lexov.  und  dann 
in  die  neugebaute  Kirche  in  Suiacum,  vermuthlich  Notre-Dame-d'Epines, 
gebracht  wurde,  wo  Frechulf  den  Hauptaltar  weihte;  gedr.  bei  d'Achery 
Spicil.  XII,  600—621.  II,  127  bis  133  ed.  IL  Acta  SS.  Mai  III,  620-624. 
Er  erwähnt  den  Tod  beider  Erzbischöfe  gleich  nach  Beginn  seiner  Arbeit. 
Vermuthlich  schrieb  er  auch  die  betrüglich  dem  Lupus  untergeschobene 
Vita  S.  Ragnoberti,  ein  Plagiat  der  Vita  S.  Reverentii;  ed.  Jules  Lair,  Bibl. 
de  l'Ecole  des  Chartes  V,  3,  89—124. 

2)  Ex  translatione  S.  Baltechildis,  ed.  Holder-Egger ,  SS.  XV,  284. 

3)  Translatio  S.  Mauri.  Mab.  IV,  2,  165 — 183.  Ex  Odonis  miraculis 
S.  Mauri  sive  restauratione  mon.  Glannafoliensis,  SS.  XV,  461 — 472.  Vgl. 
Ebert  II,  351. 

4)  Schon  von  Papebroch  aufgegeben,  doch  noch  häufig  benutzt:  s.  P. 
Roth,  Gesch.  des  Beneficialwesens.  S.  438;  Bonnell,  Die  Anfänge,  S.  200. 
Zeumer,  NA.  XI,  316. 


Saint-Riquier.     Heirich.  301 

haftigkeit  und  Anschaulichkeit  in  den  Wundergeschichten  vom  heil. 
Bertinus1). 

Hierher  gehören  auch  die  schon  oben  S.  164  erwähnten  Auf- 
zeichnungen aus  dem  Kloster  Saint- Riquier  oder  Centulum.  Aus 
diesem  aber  hat  sich  auch  noch  eine  nicht  unwichtige  Sammlung 
von  Gedichten  erhalten,  mit  welchen  ja  die  Mönche  des  neunten 
Jahrhunderts  sich  überaus  gerne  beschäftigten;  sie  beziehen  sich 
grofsentheils  auf  Aebte  des  Klosters,  welche,  ohne  Ausnahme  Laien- 
äbte, der  kaiserlichen  Familie  angehörten,  und  dienen  zur  Berichti- 
gung der  chronologischen  Angaben  Hariulfs.  Die  Hauptmasse  rührt 
von  dem  Diaconus  Mico  her  und  umfafst  die  Jahre  825 — 853;  er 
wirkte  als  Lehrer  und  hat  auch  eine  Zusammenstellung  von  Versen 
älterer  Dichter  zu  prosodischen  Zwecken  auf  überlieferter  Grundlage 
verfafst.  Verbunden  sind  damit  Gedichte  des  Spittlers  Fr  edi- 
gar du s  aus  den  Jahren  861 — 871  und  vermuthlich  auch  seines 
Zeitgenossen,  des  Custos  Odulfus,  welchem  Traube  einen  von 
Hariulf  in  seine  Chronik  (III,  11,  12,  14)  aufgenommenen  Bericht 
über  die  von  ihm  gesammelten  Reliquien  zuschreibt.  Nachdem 
einzelne  dieser  Gedichte  an  verschiedenen  Orten  veröffentlicht  waren, 
die  ganze  Sammlung  vor  50  Jahren  von  Bethmann  abgeschrieben, 
ist  sie  jetzt  von  L.  Traube  vollständig  herausgegeben  und  scharf- 
sinnig erläutert2). 

Zu  den  berühmtesten  Gelehrten  dieser  Zeit  gehörte  Heirich 
aus  Auxerre,  841  geboren  und  seit  850  zum  Diener  des  heiligen 
Germanus  geschoren;  859  wurde  er  zum  Subdiaconus  geweiht,  und 
hat  dann,  nach  der  Sitte  der  lernbegierigen  jungen  Mönche  jener 
Zeit,  verschiedene  Lehrer  aufgesucht,  namentlich  auch  Schotten- 
mönche, nach  Traubes  wahrscheinlicher  Vermuthung  in  Laon.  Eine 
alte  Aufzeichnung  nennt  ihn  einen  Schüler  des  Schotten  Elias, 
Bischofs  von  Angouleme  (f  860)  und  als  seine  Schüler  wieder 
Remigius,  der  die  Reimser  Schule  herstellte3),  und  Hucbald  den 
Kahlkopf  von   St.  Amand4).     Er  selbst   nennt   Lupus,    den  Abt  von 

J)  Miracula  S.  Bertini  bis  891 ,  mit  späteren  Fortsetzungen,  MG.  SS. 
XV,  507 — 534,  von  Holder-Egger.  Daselbst  auch  Ex  miraculis  S.  Martialis, 
S.  280—283. 

2)  Carmina  Centulensia,  Poet.  Lat.  III,  265 — 368. 

3)  Ueber  ihn  s.  Huemer,  Wiener  SB.  XCVI,  505—551. 

4)  Bethmann,  Archiv  X,  333;  ohne  Kenntnifs  dieses  Abdrucks  wieder- 
holt von  Lucian  Müller  im  Rhein.  Mus.  NF.  XXII,  635.  Quelle  des  Ade- 
marusCaban.III,  5.  Der  Codex  stammt  von  einem  Mönch  S.  Martialis  Lemo- 
vicensis,  wo  Ademar  studiert  hat,  Arch.  VIII,  575.  Waitz,  SS.  IV,  110, 
n.  44,  unterscheidet  den  hier  genannten  Ademar;  Dümmler,  Litt.Centralbl. 
1878.  Sp.  940,  hält  beide  für  identisch. 


302  II.    Karolinger.     §  20.    Frankreich. 

Ferneres,  und  Haimo,  veramthlich  in  Auxerre,  seine  Lehrer,  in  den 
Versen,  mit  welchen  er  dem  Bischof  Hildebold  von  Soissons  die 
Collectaneen  überreichte,  die  er  jenen  verdankte,  Auszüge  aus  Yalerius 
Maximus  und  anderen  Schriftstellern x).  Sogar  den  unsauberen  Pe- 
tronius  hat  er  studiert,  und  Verse  von  ihm  zum  Preise  des  heiligen 
Germanus  benutzt2).  Denn  dessen  Legende  in  Verse  zu  bringen, 
das  war  die  grofse  Aufgabe,  welche  ihm  der  jugendliche  und  früh 
(865)  verstorbene  Abt  Lothar,  Karls  des  Kahlen  Sohn,  gestellt  hatte, 
als  er  eben  der  Schule  entwachsen  war.  In  langer  Arbeit  hat  er 
das  Werk  vollführt,  und  dem  Kaiser  Karl  (also  zwischen  875  und 
877)  mit  vielen  Lobsprüchen  überreicht;  hinzugefügt  sind  zwei 
Bücher  in  Prosa  über  die  Wunder  des  heiligen  Germanus,  welche 
auch  geschichtlich  brauchbare  Angaben  enthalten3).  Später  war  er 
selbst  ein  gefeierter  Lehrer,  und  hat  nach  einer  Vermuthung  von 
Traube,  der  ihn  für  den  Verfasser  des  bisher  dem  Helpericus  zuge- 
schriebenen Computus  hält,  eine  Zeit  lang  mit  schlechtem  Erfolg  in 
Granfelden  gelehrt.  Seine  ungewöhnliche  Gelehrsamkeit  hat  Heirich 
auch  durch  seine  in  tironischen  Noten  geschriebenen  Bemerkungen 
zu  astronomisch-chronologischen  Schriften  von  Beda  und  anderen 
bewiesen,  während  die  kurzen  Annalen  von  826 — 875  in  derselben 
Handschrift  wenig  Sinn  für  geschichtliche  Aufzeichnungen  verrathen4). 
Doch  hat  Heirich  sich  auch  an  der  Geschichte  der  Bischöfe  von 
Auxerre  betheiligt,  die  er  in  Gemeinschaft  mit  den  Domherren  Raino- 
gala  und  Alagus  verfafste,  ein  Werk,  das  als  einer  der  frühesten 
Versuche  der  Art  Beachtung  verdient,  übrigens  aber  für  die  ältere 
Zeit  unzuverlässig,  für  die  näher  liegende  dürftig  ist5). 

Eine  zweite  Bisthumsgeschichte  haben  wir  aus  Le  Maus,  wo 
832 — 856  Aldrich  Bischof  war,  von  vornehmer  Herkunft  aus  Sachsen, 

*)  Mab.  Anal.  p.  422.  Commentar  zu  Mart.  Capella,  Bandini  II,  538, 
soll  von  Remigius  sein.  Vgl.  über  Heirichs  Gelehrsamkeit  auch  Prantl, 
Gesch.  d.  Logik  II,  41 — 44,  vorzüglich  aber  L.  Traube  in  der  Einleitung 
zur  Ausgabe  seiner  Gedichte,  Poet.  Lat.  III,  p.  421  ff. 

2)  Petronius  ed.  Buecheler,  p.  XI. 

3)  Labbe,  Bibl.  I,  531—569.  Acta  SS.  Jul.  VII,  221,  die  Wunder 
S.  255  — 283.  Daraus  Dum,  Bibl.  hist.  de  l'Yonne  II  (1863)  S.  1—248. 
Ex  Heirici  Miraculis  S.  Germani,  MG.  SS.  XIII,  401.  Vgl.  Dümmler,  NA. 
IV,  529. 

4)  Sickel,  Lettre  sur  un  Manuscrit  de  Melk,  Bibl.  de  l'Ecole  des  chartes, 
5  Serie,  Tome  III,  p.  35.     MG.  SS.  XIII,  80. 

5)  Gesta  episcoporum  Antisiodorensium  fortgesetzt  bis  1593,  bei  Labbe, 
Bibl.  I,  411  —  526,  neue  Ausgabe  von  Dum,  Bibl.  hist.  de  l'Yonne,  I, 
Auxerre  1850.  Excerpte  MG.  SS.  XIII,  393;  Forts.  XXVI,  584.  Vgl.  P. 
Roth,  Beneficialwesen  S.  444 — 450.  Für  ihren  Werth  als  gleichzeitige 
Quelle  im  10.  Jahrh.  Wold.  Lippert,  König  Rudolf  v.  Frankr.  (Leipzig 
1886)  S.  123. 


Bisthumsgeschichten.  303 

wodurch  es  sich  erklärt,  dafs  er  seinen  Vorgänger,  den  h.  Liborius, 
nach  Paderborn  abliefs.  In  der  Hofschule  und  im  Metzer  Clerus 
hatte  er  seine  gelehrte  Bildung  erhalten,  und  sein  Wirken  in  Le 
Maus,  zu  dessen  Bischof  Ludwig  der  Fromme  ihn  erhoben  hatte, 
wird  sehr  gerühmt,  sowohl  in  Prosa,  wie  in  Versen,  die  ein  eifriger 
Verehrer  mit  fleifsiger  Benutzung  älterer  Dichter  leidlich  correct, 
wenn  auch  nicht  fehlerfrei,  ihm  zu  Ehren  verfafste 1).  Beide  schrieben 
bei  seinen  Lebzeiten  und  überschreiten  nicht  das  Jahr  841.  Ver- 
bunden ist  mit  der  Biographie  die  Geschichte  seiner  Vorgänger;  leider 
steht  dieses  Werk  einzig  in  seiner  Art  da  durch  die  erstaunliche 
Fülle  gefälschter  Urkunden,  welche  es  enthält.  Vorzüglich  gilt  es 
dem  Besitz  der  Abtei  Anisola  oder  Saint-Calais,  welcher  mit  diesen 
Mitteln  erstrebt  wurde;  dann  aber  auch  der  Sicherung  Aldrichs, 
welcher  eine  Zeit  lang  entsetzt  war,  gegen  weitere  Anfechtung.  Aus 
diesen  Verhältnissen  ist  nach  einer  besonders  von  B.  Simson  ver- 
fochtenen  Ansicht  die  pseudo-isidorische  Fälschung  hervorgegangen, 
und  Aldrich  der  Betheiligung  an  dieser  horrenden  Fälscherei  mehr 
als  verdächtig2)  . 

§  21.     Italien. 

W.  Giesebrecht,  De  litterarum  studiis  apud  Italos,  1845,  4.  Kaisergesch.  I,  343—361. 
817.  Ozanam,  Des  ecoles  en  Italie  aux  temps  baibares,  Oeuvres  compl.  II,  353. 
Balzani,  S.  190-221. 

In  auffallendem  Gegensatze  gegen  die  beiden  fränkischen  Reiche 
steht  Italien.  Hier  war  die  Geistlichkeit  unberührt  von  der  Boni- 
fazischen  Reform;  ihr  fehlte  der  wissenschaftliche  Sinn,  welcher  vor- 
nehmlich von  den  Angelsachsen  ausgehend,  die  fränkische  Kirche 
durchdrungen  hatte,  und  an  den  theologischen  Fragen,  die  dort  im 
neunten  Jahrhundert  so  eifrig  erörtert  wurden,  nimmt  sie  keinen 
Antheil.  Eben  so  wenig  übt  der  königliche  Hof  hier  eine  bedeutende 
Einwirkung,  und  niemand  machte  auch  nur  den  Versuch,  die  Reichs- 
gescbichte  in  zusammenhängender  Darstellung  für  die  Nachwelt  auf- 
zuzeichnen. Weit  bedeutender  tritt  der  römische  Hof  hervor,  wo 
die  amtlichen  Aufzeichnungen  über  die  Thätigkeit  der  einzelnen 
Päbste,  deren  wir  schon  früher  gedachten,  immer  fortgesetzt3),   und 

J)  Zuerst  von  D.  Piolin  in  d.  Gesch.  des  Bisthums,  II,  535—546, 
herausgegeben,  dann  von  Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  623 — 636. 

2)  Acta  episcoporuni  Ce/iomanensium;  s.  darüber  P.  Roth,  Gesch.  des 
Beneficialwesens,  S.  451— 461;  Sickel,  Acta  Karol.  II,  286—290.  Ausg. 
der  Gesta  Aldrici,  auszugsweise  von  Waitz.  SS.  XV,  304 — 327:  vollst,  von 
Charles  und  Froger,  Mamers  1890.  B.  Simsons  letzte  Aeusserung  HZ. 
LXVIII,  193-210. 

3)  Oben   S.  59.  [aber  pontificalis   oder  Gesta  pontificum  Romanoruin  bis 


304  EL    Karolinger.     §  21.    Italien. 

gerade  in  diesem  Jahrhundert  ausführlicher  und  reicher  wurden,  so 
dafs  sie  sich  mit  den  Reichsannalen  vergleichen  lassen.  In  Bezug" 
auf  die  Darstellung  und  historische  Kunst  stehen  sie  aber  weit  da- 
gegen zurück;  es  scheint  den  Verfassern  ein  solches  Bestreben  ganz 
fern  gelegen  zu  haben.  Doch  finden  wir  auch  hier  in  der  zweiten 
Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts  eine  nicht  unbedeutende  wissen- 
schaftliche Thätigkeit,  einen  Kreis  von  gelehrten  Geistlichen,  wie  er 
uns  lange  nicht  wieder  begegnet.  Der  Bibliothekar  Anastasius1), 
dem  man  früher  die  ganze  Sammlung  der  Pabstleben  zuschrieb,  ein 
gelehrter  Mann,  der  verschiedene  Werke  aus  dem  Griechischen  über- 
setzt hat,  ist  vielleicht  der  Verfasser  des  Lebens  Nikolaus  I,  jenes 
gewaltigen  Pabstes,  der  den  schwachen  Karolingern  gegenüber  die 
Weltherrschaft  des  römischen  Stuhles  schon  dem  Ziele  nahe  führte. 
Auf  den  Wunsch  eines  Diaconus  Johannes,  der  eine  Kirchen- 
geschichte schreiben  wollte,  stellte  er  nach  dem  Vorgang  des  Cassiodor, 
den  er  jedoch  nicht  nennt,  aus  griechischen  Quellen  eine  neue 
Historia  tripartita  zusammen2).  Dieser  Johannes  ist  vermuthlich  der- 
selbe, welcher  auf  Befehl  Johannes  VIII  mit  Benutzung  der  schon 
früher  gemachten  Auszüge  aus  dem  Registrum  die  Vita  Gregorii 
Magni  verfafste.  Die  von  ihm  begonnenen  Gesta  S.  Clementis  voll- 
endete Bischof  Gauderich  von  Velletri3). 

auf  Hadrian  II  (867 — 872),  nebst  einer  unvollständigen  Vita  Stephani  V 
(885 — 891)  ed.  Bianchini,  Romae  1718,  4  Voll.  fol.  Vignolius,  Romae 
1724,  3  Voll.  4.  unvollendet.  Murat,  SS.  III  nach  BiaDchini:  vgl.  Baelir 
S.  261—271.  Nach  Schürer,  Hist.  Jahrb.  XI,  425 ff.  ist  die  V.  Stephani  II 
von  dem  Primicerius  Christophorus  verfafst,  welcher  den  Pabst  als  Notarius 
regionarius  auf  seiner  Reise  in  Frankreich  begleitet  hat.  Nach  Kr.  in  der 
Rec.  von  Mock  de  donatione  Caroli  Magni  (Centralbl.  1862  Sp.  76)  ist  die 
V.  Hadriani  I  (772—795)  erst  20—30  Jahre  nach  dessen  Tod  abgefafst 
und  scheint  von  demselben  Vf.  wie  die  V.  Leonis  III  (795 — 816);  nach 
F.  0.  Krosta  de  donationibus  a  Pippino  et  Carolo  Magno  sedi  apostolicae 
factis,  Königb.  Diss.  1862  S.  46  erst  nach  829.  Vermuthungen  über  Inter- 
polation der  V.  Hadr.  (c.  41—43)  s.  NA.  VII,  228.  X,  201.  XIII,  236. 
Scheffer-Boichhorst  hält  die  Vita  für  gleichzeitig,  aber  die  Grenzbestimmung 
„id  est  a  Lunis-Beneventanum"  für  Interpolation ;  zustimmend  Diekamp,  Hist. 
Jahrb.  VI,  637.  Stücke  der  verlorenen  V.  Eugenii  II  (824—827)  vielleicht  in 
Pauli  D.  Cont.  Romana  ed.  Waitz  200—203,  vgl.  B.  Simson,  Ludwig  d.  Fr.  I, 
230,  Waitz  S.  200  über  die  in  d.  Cont.  benutzten,  aus  Lauresh.  u.  Lauriss. 
gemischten  Annalen,  ähnlich  denen  im  cod.  Christ.  213.  Die  von  Wido 
von  Osnabrück  im  Cod.  Udalr.  (Bibl.  V,  340)  erwähnte  Scriptum  de 
querimonia  Romanorum  über  Ludwigs  II  Gewaltthaten  864  scheint  verloren 
zu  sein. 

J)  Ueber  ihn  vgl.  Hergenröther,  Photius  II,  230—240. 

2)  Ueber  sein  Verhältnifs   zu  Theophanes    Car.  De  Boor,    Theophanis 
Chronologia  II,  400. 

3)  Mab.  Mus.  Ital.  I,  2,  78.     Acta  SS.  Mart.  II,  p.  *15.  Vorrede  und 
Varianten  im  Floril.  Bibl.  Casin.  IV,  p.  373—390,  e  cod.  Casin.  234. 


Studien  am  römischen  Hof.  305 

Vorzüglich  besafs  man  am  römischen  Hofe,  wo  man  sich  nie 
durch  ideale  Bestrebungen  von  den  praktischen  Zwecken  ablenken 
liefs,  eine  aufserordentliche  Sicherheit  in  der  Behandlung  der  kirchlich- 
politischen Angelegenheiten,  und  der  Geschäftsstil  der  Curie  gewann 
eine  ungemeine  Ausbildung  und  Festigkeit.  Die  Briefe  der  Päbste 
geben  davon  Zeugnifs,  und  die  erhaltenen  gröfseren  Sammlungen 
aus  den  Zeiten  Nikolaus  I  und  Johannes  VIII  sind  in  ihrer  Art 
wahrhaft  bewunderungswürdig.  Davon  erhielt  sich  auch  später  bei 
zunehmender  Barbarei  die  Tradition,  obgleich  mit  dem  Ende  des 
neunten  Jahrhunderts  die  Einwirkung  des  päbstlichen  Hofes  auf  die 
Kirche  diesseit  der  Alpen  fast  ganz  verschwand,  und  wie  hier  die 
Annalen,  so  verstummten  auch  in  Rom  die  Pabstleben  mit  dem 
Jahre  891. 

In  der  nächstfolgenden  Zeit  veranlafsten  noch  die  Streitigkeiten 
über  die  Besetzung  des  päbstlichen  Stuhles  und  die  Geschicke  des 
Pabstes  Formosus,  vornehmlich  über  die  Gültigkeit  der  von  ihm  er- 
theilten  Weihen,  die  höchst  merkwürdigen  Streitschriften  des  Auxi- 
lius  und  Vulgarius.  Sie  berühren  eine  der  dunkelsten  Seiten  der 
Pabstgeschichte,  die  unheilbarsten  Widersprüche  infallibler  Kirchen- 
fürsten1). Auxilius  war  ein  von  Formosus  geweihter  fränkischer 
Priester,  der  in  Neapel  lebte,  vielleicht  als  Mönch  in  Montecassino 
gestorben  ist.  Freimüthig  und  mit  tüchtiger  gelehrter  Bildung  aus- 
gerüstet, vertheidigte  er  ca.  908 — 912  Formosus  und  die  von  ihm 
geweihten  Priester  in  verschiedenen  Schriften.  Eugen ius  Vulga- 
rius hat  in  demselben  Sinn  geschrieben,  später  aber  Sergius  III, 
der  Theodora  u.  a.  kriechend  geschmeichelt,  endlich  in  der  Invectiva 
in  Bomam  (wenn  sie  von  ihm  ist)  unter  Johann  X  (914 — 928)  noch 
einmal  für  Formosus  geeifert.  Er  war  ein  italienischer  Grammatiker, 
der  wahrscheinlich  auch  in  Neapel  lebte;  sein  Latein  und  vorzüglich 
seine  Verse  sind  unerträglich  gesucht  und  verkünstelt. 

Nach  diesen  letzten  Regungen  versinkt  nun  hier,  während  die 
Factionen  der  römischen  Grofsen  über  den  Stuhl  Petri  streiten,  alles 


*)  Volles  Licht  ist  über  diese  schmählichen  Vorgänge  und  die  be- 
treffende Litteratur  verbreitet  durch  die  ausgezeichnete  Schrift:  Auxilius 
und  Vulgarius.  Quellen  und  Forschungen  zur  Geschichte  des  Pabstthums 
im  Anfange  des  10.  Jahrhunderts,  von  E.  Dümmler,  Leipz.  1866,  wo  auch 
aus  der  Bamberger  Handschrift  ungedruckte  Schriften  von  beiden  mitge- 
theilt  sind.  Die  Invectiva  in  Romain  giebt  Dümmler  zu  den  Gesta  Beren- 
garii  S.  137 — 154,  vgl.  66 — 72,  in  neuer  Ausgabe  nach  der  Veroneser  Hand- 
schrift. Ausbeutung  der  Tragödien  des  Seneca  weist  dem  Vulg.  R.  Peiper 
nach,  Rhein.  Mus.  f.  Philol.  N.  F.  XXXII,  536. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.    6.  Aufl.  20 


306  Hi    Karolinger.     §  21.    Italien. 

in  Schweigen,  und  für  lange  Zeit  geht  keine  Erscheinung  der  Litteratur 
von  Rom  aus1). 

Nicht  auf  den  Vorrang  in  wissenschaftlicher  Ausbildung  begrün- 
dete man  in  Rom  den  Anspruch  auf  Beherrschung  der  Kirche;  die 
grammatischen  Studien  betrachtete  man  hier  wegen  ihrer  heidnischen 
Antecedentien  und  der  Beschäftigung  mit  den  heidnischen  Schrift- 
stellern stets  mit  Abneigung,  und  völlig  bewufst  verachtete  man  die 
feinere  litterarische  Bildung.  Es  giebt  nichts  charakteristischeres 
dafür,  als  die  Worte  des  päbstlichen  Legaten  Leo,  mit  denen  er 
bald  nach  991  der  gallischen  Kirche  entgegentrat.  Diese  hatte  durch 
Gerbert  ausgesprochen,  es  sei  in  Rom  niemand,  der  eine  litterarische 
Bildung  empfangen  habe,  und  folglich  auch  niemand,  der  nach  den 
kanonischen  Vorschriften  auch  nur  die  "Weihe  zum  Thürhüter  erhalten 
dürfe.  Leo  erklärt  das  kurzweg  für  Ketzerei;  auch  Petrus  habe  sich 
um  das  Vieh  von  Philosophen  nicht  bekümmert  und  sei  doch  Pförtner 
des  Himmels  geworden2). 

Die  blühendsten  Klöster  Italiens  erlagen  alle  gegen  das  Ende 
des  neunten  Jahrhunderts  den  Sarazenen  oder  verkamen  durch  die 
inneren  Kriege  und  die  allgemeine  Unsicherheit  und  Verwilderung; 
bis  dahin  finden  wir  auch  in  ihnen  einige  Pflege  der  Wissenschaft, 
welche  sich  jedoch  mit  der  litterarischen  Bedeutung  der  transalpi- 
nischen Klöster  nicht  vergleichen  läfst.  Von  einem  angeblich  im 
Mutterkloster  Montecassino  zur  Zeit  des  Fürsten  Sico  (ca.  830 — 833) 
verfafsten  Bericht  über  die  Translation  der  hh.  Benedict  und  Scho- 
lastica  nach  Frankreich3)  hat  0.  Holder-Egger  nachgewiesen,  dafs  er 
eine  Fälschung  des  Ps.  Anastasius  ist4). 

In  der  Folgezeit  wurden  hier  Nachrichten  über   die  Geschichte 

*)  Die  Fortdauer  einer  Rechtsschule  in  Rom  behauptet  Fitting:  Zur 
Geschichte  der  Rechtswissenschaft  am  Anfang  des  Mittelalters,  Halle  1875; 
Juristische  Schriften  des  früheren  Mittelalters,  Halle  1876. 

2)  „Et  quia  vicarii  Petri  et  ejus  discipuli  nolunt  habere  magistrum 
Platonem  neque  Virgilium  neque  Terentium  neque  ceteros  pecudes  philo- 
sophorum,  qui  volando  süperbe  ut  avis  aerem  et  emergentes  in  profundum 
ut  pisces  mare,  et  ut  pecora  gradientes  terram  descripserunt:  dicitis  eos 
nee  hostiarios  debere  esse,  quia  tali  carmine  imbuti  non  sunt.  Pro  qua 
re  sciatis  eos  esse  mentitos,  qui  talia  dixerunt.  Nam  Petrus  non  novit 
talia,  et  hostiarius  coeli  effectus  est."  MG.  SS.  III,  687.  Vgl.  Baxmann, 
Politik  der  Päbste  II,  144.  Aehnlich  schreibt  Alexanders  VIII  Secr.  Ser- 
gardi  1690  an  Mabillon:  „Pauci  sunt,  qui  in  hac  aula  operam  dent  inuti- 
libus,  ut  ajunt,  studiis.  Nostrorum  ingeniorum  occupatio  forum  est  clien- 
tumque  defensio,  quique  ab  infelici  pupillo  plus  auri  corrodit,  litteratior 
habetur."  Valery,  Correspondance  inedite  de  Mabillon  et  de  Montfaucon 
avec  Tltalie  (Paris  1847)  II,  240. 

3)  Translatio  S.  Benedict^  Anal.  Bolland.  I,   75 — 84. 

4)  NA.  XII,  129-141. 


Monte  Cassino.     Neapel.  307 

des  Klosters  und  der  Fürsten  von  Benevent  aufgezeichnet1),  welche 
bis  872  und  in  den  Regententafeln  auch  weiter  reichen,  gesammelt 
vom  Abt  Johannes  (914 — 934)  und  deshalb  auch  von  Leo  nach 
ihm  benannt.  Die  Nachrichten  sind  materiell  für  uns  sehr  wichtig, 
aber  die  Form  ist  in  hohem  Grade  roh  und  mangelhaft2).  Im  Jahre 
883  wurde,  wie  schon  früher  St.  Vincenz  am  Yolturno,  so  auch 
Montecassino  von  den  Sarazenen  verwüstet,  und  die  Cassinesen 
flüchteten  nach  Capua;  hier  schrieb  Erchempert  eine  Geschichte 
der  langobardischen  Fürsten  von  Benevent  seit  Arichis3),  an  das 
Werk  des  Paulus  Diaconus  und  dessen  Cassineser  Fortsetzung4)  an- 
knüpfend, bis  zum  Jahre  889.  Die  weitere  Fortsetzung  ist  verloren. 
In  schlichter  und  zuverlässiger  Erzählung  berichtet  er  von  den 
Schicksalen  dieser  Lande,  von  den  Kriegen,  durch  welche  sie  ver- 
heert wurden,  und  den  Verwüstungen  der  Sarazenen;  sein  eigenes 
Urtheil  über  die  Anstifter  des  Uebels  hält  er  nicht  zurück,  sondern 
spricht  es  häufig  mit  biblischen  Worten  aus.  Die  feinere  karolin- 
gische  Bildung  ist  ihm  fremd,  aber  seine  Sprache  ist  doch  reiner, 
als  wir  sie  sonst  bei  den  Italienern  dieser  Zeit  zu  finden  gewohnt 
sind,  und  sein  Werk  zeichnet  sich  daher  sehr  vortheilhaft  aus.  Der 
Salernitaner  Chronist,  Johann  von  St.  Yincenz,  und  Leo  von  Ostia 
haben  ihn  gekannt  und  benutzt. 

In  Neapel  versuchten  sich  verschiedene  Verfasser  an  einer 
Bisthumsgeschichte.  Von  einem  wohlbelesenen  Geistlichen,  der  noch 
dem  achten  Jahrhundert  zugerechnet  werden  kann  —  sein  Werk  ist 
noch  in  Uncialschrift  abgeschrieben  — ,  wurden  die  dürftigen  Notizen 
des  alten  Cataloges  durch  Auszüge  aus  den  römischen  Pabstleben, 
Paulus  Diaconus  u.  a.  angeschwellt;  bis  754  ist  die  Arbeit  erhalten, 
dann  fehlt  ein  Blatt,  und  es  schliefst  sich  von  762  beginnend  die 
Fortsetzung  des  Johannes  Diaconus  bis  872  an,  wrelcher  aus  Tra- 

1)  Nach  Traube,  0.  Roma  nob.  S.  360  im  J.  867  verfafst. 

2)  Nach  früheren  mangelhaften  und  zerstückten  Ausgaben  SS.  III.  u. 
sonst,  als  Chronica  Sancti  Benedicti  Casinensis  bei  Waitz,  SS.  Rer.  Langob. 
et  Ital.  p.  467 — 488.  Beschreibung  der  Hs.  353,  jetzt  175,  Bibl.  Casin. 
IV,  17 — 31,  u.  v.  Bethmann,  Arch.  X,  389  ff.,  wo  auch  von  den  übrigen 
Geschichtsquellen  des  langobardischen  Italiens  aus  dieser  Zeit  Nachricht 
gegeben  ist,  die  sich  jetzt  bei  Waitz  gesammelt  finden. 

3)  Hystoriola  Langobardorum  Beneventum  degentium  ed.  Pertz,  MG.  SS. 
III,  240 — 264.  Vgl.  Bethmann  S.  374.  Als  Erchemperti  historia  Langobar- 
dorum Beneventanorum  bei  Waitz,  S.  231 — 264,  wo  die  Sprache  nach  der 
ursprünglichen  Lesart  der  überarbeiteten  Haudschrift  fehlerhafter  erscheint. 
Er  war  vermuthlich  der  Vf.  des  S.  61  erwähnten  Martyrol.  u.  eines  com- 
putus  von  904  (Arch.  VIII,  768). 

4)  SS.  Langob.  p.  198;  sie  ist  meist  den  Gestis  Pontificum  entnommen 
und  von  Leo  Ost.  und  im  Chron.  Vulturn.  benutzt. 

20* 


308  H-    Karolinger.     §  21.    Italien. 

dition  und  eigener  Kenntnifs  schöpfte;  seine  Darstellung  ist  lebhaft 
und  wahrhaftig,  nicht  ohne  Frehnuth.  Yon  der  weiteren  Fortsetzung 
des  Subdiaconus  Petrus  ist  nur  ein  kleines  Fragment  erhalten,  die 
einzige  Handschrift  auch  vorher  lückenhaft1).  Von  dem  letzten 
Bischof  Athanasius  (850 — 872)  ist  auch  eine  ausführlichere  Biographie2) 
vorhanden,  mit  welcher  die  in  unbestimmter  Zeit  geschehene  Trans- 
lation verbunden  ist,  etwa  im  X.  Jahrhundert  geschrieben;  was  in 
den  Gesten  und  bei  Erchempert  zu  lesen  ist,  wird  hier  rhetorisch 
ausgeschmückt,  zugleich  aber  doch  einige  neue  Umstände  mitgetheilt. 
Jener  Johannes  Diaconus  aber  verfafste  auch  eine  Geschichte 
der  Uebertragung  des  h.  Severin  im  Jahre  902  von  dem  Castrum 
Lucullanum,  welches  aus  Furcht  vor  den  Sarazenen  zerstört  war, 
nach  dem  neuen  Kloster  in  Neapel3),  eine  Schrift,  welche  werthvoll 
ist  durch  ausführliche  Nachrichten  über  den  furchtbaren  Angriff  des 
Emir  Ibrahim,  welcher  Taormina  zerstörte,  wobei  der  Bischof  Procop 
den  Märtyrertod  erlitt;  durch  Ibrahims  plötzlichen  Tod  wurde  von 
Neapel  die  drohende  Gefahr  abgewandt.  Nach  demselben  Kloster 
wurde  auch  aus  dem  von  den  Sarazenen  zerstörten  Misenum  im 
Jahre  910  der  h.  Sossius  gebracht,  wobei  Johannes  zugegen  war, 
und  er  berichtet  darüber  in  seiner  Schrift  über  das  Leben  des  h. 
Januarius4). 

Der  Petrus  subdiaconus,  von  welchem  nur  der  Anfang 
einer  Fortsetzung  der  Gesta  noch  vorhanden  ist,  war  bei  der  Ueber- 
tragung des  Sossius  910  zugegen,  und  erwähnt  in  den  Wundern  des 
h.  Agrippinus  den  Angriff  der  Sarazenen  auf  Neapel  vom  Jahre 
9605).  Auch  verfafste  er  noch  andere  Wundergeschichten.  Sehr 
merkwürdig  ist  der  wissenschaftliche  Eifer  des  Herzogs  Johannes 
(928  ff.),  von  dem  der  Archipresbyter  Leo  im  Vorwort  zu  seiner 
Vita  Alexandri  Magni  berichtet6). 

*)  Gesta  epp.  Neap.  Waitz,  SS.  Langob.  p.  398 — 439.  Capasso,  Monu- 
menta  ad  Neapolitani  ducatus  historiam  pertinentia,  1881. 

2)  Vita  et  Translatio  Athanasii  ep.  Neap.  Waitz,  SS.  Langob.  p.  439  bis 
452.  Ed.  Gu.  Cuper,  Acta  SS.  Jul.  IV,  77—89. 

3)  Translatio  S.  Severini,  ib.  p.  452 — 459. 

4)  Nur  diese  Translatio  S.  Sosii  abgedr.  bei  Waitz,  p.  459 — 463.  Im 
Text  heisst  er  Sossius. 

5)  Ex  Miraculis  S.  Agrippini,  Waitz  p.  463.  Eine  Anzahl  anderer  dort 
und  bei  Capasso  gesammelter  kleinerer  Stücke  zur  Geschichte  von  Unter- 
italien übergehe  ich  hier,  ohne  sie  einzeln  aufzuführen.  —  Zu  unterscheiden 
ist  ein^anderer  Petrus  subdiac.  Neap.,  welcher  für  den  Bischof  Petrus  von 
Neapel  (1094)  u.  dessen  Nachf.  Gregor  (1116)  Legenden  aus  dem  Griechi- 
schen übersetzte  und  bearbeitete,  s.  De  Rossi  zur  Passio  SS.  IV  Coro- 
natorum. 

6)  Arch.   IX,   692.   Die  Vita  selbst  hat  Landgraf  herausgegeben,   Er- 


Agnellus.     Farfa.     Andreas  von  Bergamo.  309 

Auch  in  Ravenna  verfafste  gegen  die  Mitte  des  neunten  Jahr- 
hunderts Agnellus  eine  Bisthumsgeschichte1),  in  welcher  schwülsti- 
ger Bombast  mit  treuherzig  einfältiger  Erzählung  abwechselt;  die 
Sprache  ist  voll  von  Soloecismen.  Der  Inhalt  liegt  der  deutschen 
Geschichte  fern,  doch  sind  über  Kaiser  Karl  und  seine  Nachfolger, 
besonders  über  die  Schlacht  bei  Fontenoy,  einige  merkwürdige  und 
wichtige  Stellen  darin.  Den  römischen  Päbsten  gegenüber  äufsert 
Agnellus  sich  sehr  freimüthig,  was  vielleicht  Anlafs  gegeben  hat,  die 
Chronik  schon  frühzeitig  zu  verstümmeln.  Agnellus  war  um  805 
aus  vornehmer  und  reicher  Familie  geboren,  und  erhielt  schon  mit 
11  Jahren  eine  Abtei;  für  die  frühere  Zeit  benutzte  er,  aufser  vielen 
Inschriften,  Gefäfsen  und  anderen  Denkmälern,  die  er  sorgfältig  be- 
schreibt, der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus  und  den 
Consularfasten  auch  die  oben  S.  57  erwähnte  Chronik  des  Maximian, 
welcher  498  geboren,  durch  Justinian  546  Bischof  von  Ravenna  ge- 
worden war,  und  eine  Chronik  bis  auf  seine  Zeit  schrieb. 

Im  mittleren  Italien  war  im  Anfange  des  neunten  Jahrhunderts 
das  Kloster  Farfa  in  blühendem  Zustande,  bis  auch  hier  die  Sa- 
razenen alles  wüste  legten.  Von  Franken  gestiftet,  hatte  es  auch 
immer  fränkische  Aebte.  Die  Geschichte  der  Gründung  des  Stiftes 
und  seiner  Aebte  bis  zum  Jahre  857  glaubte  Bethmann  gefunden 
zu  haben2),  doch  ist  neuerdings  von  I.  Giorgi  nachgewiesen,  dafs 
diese  einem  Lectionarium  entnommenen  Stücke  wohl  aus  derselben 
herstammen,  unmöglich  aber  das  ursprüngliche  Werk  selbst  sein 
können,  über  dessen  sprachliche  Beschaffenheit  wir  deshalb  nicht 
unterrichtet  sind. 

Ganz  aufs  erordentlich  barbarisch  dagegen  und  an  die  Werke  des 
achten  Jahrhunderts  erinnernd  ist  die  Langobardengeschichte  des 
Priesters  Andreas  von  Bergamo,  welcher  877  einen  Auszug  aus  der 
Geschichte  des  Paulus  Diaconus  machte  und  ihn  bis  auf  seine  Zeit 
fortsetzte3).     Nach   der   Mitte  des   neunten  Jahrhunderts   sind   seine 

langen  1885.    Vgl.  0.  Hartwig:     Die  Uebersetzungslitteratur  Unteritaliens 
(1886)  S.  6. 

1)  Neue  Ausg.  von  Holder-Egger,  SS.  Langob.  265 — 301.     Ueber  die 

besondere    Bedeutung    von    monasterium  bei    ihm    s.  F.  Wickhoff,     Mitth. 

des  Inst.  IX,  34 — 45.     Aus  Ravenna  stammen   auch   die  aus  dem  Rotulus 

gewonnenen  8  Briefe    aus  K.  Berengars  Zeit,   NA.  IX,  513 — 539,  vgl.  XI, 
599 goß 

2)  Constructio  Farfensis,  ed.  Bethmann,  MG.  SS.  XI,  520—530.  Vgl. 
Giorgi  im  Archivio  della  Societa  Romana  di  storia  patria,  II,  409 — 473. 
Von  dem  Registrum  Farfense  ist  in  Rom  eine  Ausgabe  von  I.  Giorgi  und 
U.  Balzani  erschienen. 

3)  Andreae  presb.  Bergomatis  Clironicon,  ed.  Pertz,   MG.  SS.  III,  231. 


310  II.    Karolinger.     §  21.   Italien. 

Nachrichten  durch  Genauigkeit  werthvoll;  das  Ende  ist  leider  un- 
vollständig erhalten.  Und  dieses  ist  fast  das  einzige  litterarische 
Erzeugnifs  der  Lombardei  im  neunten  Jahrhundert,  da  Claudius 
von  Turin  und  Dungal  als  Ausländer  nicht  zu  rechnen  sind1). 
Schottenmönche,  mit  jenen,  die  in  Lüttich  hausten,  gleicher  Art, 
und  mit  des  Sedulius  Gedichten  vertraut,  fanden  auch  in  Mailand 
Aufnahme  und  feierten  ihre  Herren  und  Wohlthäter  in  sapphischen 
Oden  und  in  Distichen  von  ungewöhnlicher  Correctheit.  Yorzüglich 
der  Erzbischof  Tado  (860 — 868)  wird  von  ihnen  verherrlicht  und 
ihm  werden  ihre  Bitten  und  Wünsche  vorgetragen,  dazu  der  Kaiser 
Lothar  und  Herzog  Leodfrid,  ein  Schwager  Lothars.  Diese  einzige 
Spur  ihrer  Existenz  ist  erst  kürzlich  aufgetaucht,  weiteres  nicht  be- 
kannt2). Sehr  gerühmt  wird  in  einem  Epitaphium  der  Abt  Petrus  II 
vom  Ambrosiuskloster3)  (858 — 899),  und  dieser  wird  es  wohl  sein, 
zu  dessen  Zeiten  ein  mit  lateinischen  Buchstaben  geschriebener 
griechischer  Psalter  zu  Stande  gebracht  wurde,  als  dessen  Besitzer 
(oder  Urheber?)  sich  in  höchst  barbarischem  Griechisch  ein  Mönch 
Symeon  nennt4). 

Einige  Verse,  die  zum  Preise  des  Bischofs  Azo  von  Ivrea  um 
876  verfafst  und  im  folgenden  Jahrhundert  einer  Copie  in  Gold- 
schrift würdig  erachtet  wurden,  sind  fast  nur  wegen  der  äufserst 
barbarischen  Form  bemerkenswerth5). 

Es  würde  jedoch  ein  grofser  Irrthum  sein,  wenn  man  nach 
diesen  Proben  arger  Barbarei  den  allgemeinen  Standpunkt  der  Bil- 
dung in  Italien  beurtheilen  wollte.  Gelehrte  Studien  wurden  nament- 
lich in  Verona  gepflegt,  wo  ein  Archidiaconus  Pacificus  (f  844), 
dessen  Gelehrsamkeit  gepriesen  wird,  218  Handschriften  zusammen- 


Bethmann  S.  367  ergänzt  den  Anfang.  Neue  Ausg.  v.  Waitz,  SS.  Langob. 
220  bis  230. 

*)  Ebenso  wenig  kann  man  das  sogenannte  Chronicon  Brixiense,  oder 
wenigstens  was  uns  davon  erbalten  ist,  zu  den  Geschieh tswerken  rechnen, 
MG.  SS.  III,  238;  SS.  Langob.  501—503  als  Catalogus  Brixiensis.  —  Die 
Translatio  S.  Habundli  Mart.  von  Foligno  nach  Berceto  (Mab.  III,  1,  487 
ed.  Ven.)  gedenkt  einer  Synode  zu  Pavia  unter  Lothar. 

2)  Carmina  Medii  Aevi  ed.  H.  Hagen  (Bern  1877)  S.  1  — 10.  Neue 
Ausgabe  von  Traube,  Poet.  Lat.  III,  231—237.  S.  7  (236  Tr.)  Inschrift 
eines  von  Tado's  Vorgänger  Angelbert  erneuten  Kelches.  —  Ueber  Margi- 
nalien mit  Spuren  der  gelehrten  Thätigkeit  dieser  Mönche  in  dem  Cod. 
Bern.  363  s.  Gottlieb,  Wiener  Studien  IX,  S.  151—159.  Traube,  O  Roma 
nob.  S.  348-353. 

3)  Giulini,  Mem.  di  Milano,  II,  76. 

4)  NA.  VIII,  340. 

5)  Dümmler,  Gesta  Berengarii,  S.  75  und  159. 


Panegyricus  Berengarii.  311 

gebracht  hatte1).  Von  dort  besitzen  wir  ein  langes  Gedicht  zum 
Preise  des  Bischofs  Adalhard  in  sapphischem  Versrnafse,  aus  dem 
Ende  des  neunten  Jahrhunderts,  dessen  Correctheit  für  diese  Zeit 
in  Erstaunen  setzt,  wenn  auch  einzelne  Fehler  vorkommen2).  Und 
im  überraschendsten  Gegensatze  zu  der  Barbarei  eines  Andreas  von 
Bergamo  tritt  uns  aus  dem  Anfange  des  zehnten  Jahrhunderts 
(zwischen  916  und  922)  ein  Werk  entgegen,  welches  in  Rücksicht 
der  Form  den  meisten  Dichtungen  karolingischer  Zeit  ebenbürtig 
zur  Seite  steht,  nämlich  das  Lobgedicht  auf  den  Kaiser  Be- 
rengar3),  dessen  ungenannter  Verfasser  die  Sprache  nicht  ohne 
Gewandtheit  behandelt  und  regelrechte  Hexameter  ohne  Anstofs  zu 
fertigen  verstand.  Andere  freilich  finden  sich  darunter,  welche  hol- 
prig genug  sind4),  und  gesuchte  Ausdrücke,  verkünstelte  Construc- 
tionen  verdunkeln  nicht  selten  den  Sinn.  Der  Unterschied  ist  nicht 
schwer  zu  bemerken,  wenn  plötzlich  der  melodische  Wohllaut  Ver- 
gils  oder  die  kunstvollen  Verse  des  Statius  sich  vernehmen  lassen. 
Das  sind  fremde  Federn,  mit  denen  der  Autor  sich  geschmückt  hat; 
Bilder  und  einzelne  Schlachtenscenen  machte  er  sich  auf  solche 
Weise  zu  eigen. 

Die  Thaten  und  Schicksale  Berengars,  seine  Kämpfe  um  die 
Krone  Italiens  sind  es,  welche  er  schildert,  und  allem  Anschein 
nach  schrieb  er  bald  nach  der  Kaiserkrönung  seines  Helden  im 
Nov.  oder  December  915.  Er  war  also  ein  Zeitgenosse,  und  sein 
Werk  ist  in  manchen  Einzelheiten  nicht  ohne  geschichtlichen  Werth. 
Doch  ist  er  zu  sehr  Lobredner  und  zu  ungenau,  um  als  eigentliche 
Geschichtsquelle  gelten  zu  können.  Die  Verhältnisse  sind  nicht  ohne 
Geschick,  aber  mit  arger  Entstellung,  so  gewandt,  dafs  Berengar  als 
der    allein    berechtigte    und    legitime    Herrscher    erscheint.     Es    ist 

*)  Epitaphium  Pacifici,  Poet.  Lat.  II,  655,  vgl.  Traube,  0  Roma  nob. 
S.  309.  Derselbe  setzte  die  antikisierenden  Gedichte  0  Roma  und  0  admi- 
rabile   Veneris  nach  Verona  ins  10.  Jahrhundert. 

2)  Bei  Baronius  ed.  Luc.  XV,  480;  correcter  bei  Biancolini  dei  ves- 
covi  S.  35 — 37,  und  jetzt  bei  Dümniler,  Gesta  Berengarii  S.  134 — 136, 
vgl.  61 — 65,  NA.  IV,  558.     Traube  findet  auch  hier  irischen  Einfluss. 

3)  Carmen  panegyricum  Berengarii,  ed.  Valesius,  cum  Adalberonis  ep. 
Laudun.  carmine  ad  Rotbertum  regem,  Paris  1663.  MG.  SS.  IV,  189  bis 
210.  Jetzt  zuerst  mit  erschöpfender  Benutzung  der  Handschrift  in  Venedig 
mit  der  vollständigen  Glosse,  und  allseitig  erläutert  in:  Gesta  Berengarii 
Imperaturis.  Beiträge  zur  Geschichte  Italiens  im  An  f.  des  10.  Jahrh.  von 
E.  Dümmler,  Halle  1871;  vgl.  NA.  IV,  558.  Benutzung  des  sog.  Pindarus 
Thebanus,  welcher  von  Doering  dem  Silius  Italicus  zugeschrieben  wird  (Progr. 
d.  Lyceums  in  Strafsburg  1884),  weist  Dümmler  nach,  Forsch.  XIII,  415 
bis  417. 

4)  Oft  sind  sie  auch  schon  gereimt;  vgl.  über  seine  Metrik  E.  Bern- 
heim, Forsch.  XIV,  142. 


312  II.    Karolinger.     §  21.   Italien. 

merkwürdig,  dafs,  während  thatsächlich  die  Gewalt  allein  den  Aus- 
schlag gab,  doch  nachträglich  man  ängstlich  bemüht  war,  vor  der 
Welt  den  Anschein  einer  formellen  Berechtigung  zu  gewinnen.  Wir 
haben  ähnliches  schon  in  Bezug  auf  die  Karolinger  gesehen  und 
werden  es  in  noch  auffallenderer  Weise  bei  den  Magyaren  wieder- 
finden. 

In  der  Form  der  Darstellung  schliefst  sich  der  Panegyrist  durch- 
aus den  alten  heidnischen  Mustern  an,  so  gut  er  es  vermochte.  Er 
zeigt  die  genaueste  Bekanntschaft  mit  Yergil,  Statius  und  Juvenal, 
und  hat  unverkennbar  eine  gute  grammatische  Schule  durchgemacht. 
Auch  stand  er  mit  diesen  Kenntnissen  und  dieser  Kunst  keineswegs 
vereinzelt  da:  Niemand,  sagt  er,  sich  selbst  anredend,  kümmert  sich 
jetzt  um  deine  Verse;  dergleichen  wissen  die  Leute  auf  dem  Lande 
wie  in  der  Stadt  zu  machen. 

Ob  der  Verfasser  ein  Geistlicher  oder  ein  Laie  war,  geht  aus 
seinem  Werke  nicht  mit  Sicherheit  hervor;  wahrscheinlich  ist  er 
Schulmeister  in  Verona  gewesen.  Für  die  Schule  ist  auch  dieses 
Werk  bestimmt,  und  ist  deshalb,  wie  das  des  Abbo  mit  einer  er- 
läuternden Glosse  versehen,  welche  derselben  Zeit  angehört1).  Darin 
tritt  eine  ausgebreitete  Gelehrsamkeit,  und  auch  Kenntnifs  der  grie- 
chischen Sprache,  deutlicher  als  im  Gedicht  selbst  hervor.  Einige 
geschichtliche  Erklärungen  werden  gegeben,  vorzüglich  aber  gram- 
matische, bei  denen  Servius  stark  benutzt  ist.  Bei  der  Erläuterung 
der  Mythen,  welche  in  allen  Commentaren  des  früheren  Mittelalters 
eine  Hauptrolle  spielt,  übergeht  der  Glossator  vieles,  weil  das  ja 
allgemein  bekannt  sei. 

Wir  begegnen  hier  einer  Bildung,  die  durchaus  nicht  von  der 
Kirche  herrührt,  sondern  fortgepflanzt  wird  durch  jene  einzeln  ste- 
henden Grammatiker,  deren  Wirksamkeit  in  Italien  niemals  aufge- 
hört hat.  Es  ist  W.  v.  Giesebrechts  Verdienst,  zum  ersten  Male 
nachgewiesen  zu  haben,  dafs  diese  Schulen  in  Italien  immer  fort- 
bestanden haben  und  unter  den  Laien  einen  Grad  der  Bildung  ver- 
breiteten, den  man  diesseit  der  Alpen  nicht  kannte.  In  Italien, 
sagt  Wipo  im  elften  Jahrhundert,  geht  die  ganze  Jugend  ordentlich 
zur  Schule  und  nur  in  Deutschland  hält  man  es  für  überflüssig 
oder  unanständig,   einen  Knaben    unterrichten    zu    lassen,    wenn    er 

J)  Doch  kann  sie  nicht  vom  Vf.  selbst  herrühren,  s.  die  Recension 
von  Pannenborg,  GGA.  1871,  S.  1767—1783,  und  Dümmlers  Nachtr.  zu 
Anseimus  Peripatet.  S.  107.  E.  Bernheim  hat  Forsch.  XIV,  138—154  die 
Glosse  genau  untersucht,  und  besonders  auf  die  alten  Glossarien  als 
Quellen  einer  unfruchtbaren  Gelehrsamkeit  hingewiesen. 


Die  Bildung  in  Italien.  313 

nicht  zum  geistlichen  Stande  bestimmt  ist.  Der  italienische  Laie 
las  seinen  Vergil  und  Horaz,  aber  er  schrieb  keine  Bücher,  während 
die  Geistlichkeit  theils  in  Rohheit  versank,  theils  zu  sehr  in  den 
politischen  Händeln  befangen  war,  um  an  den  wissenschaftlichen 
Bestrebungen  der  Zeit  Theil  zu  nehmen.  Daraus  erklärt  sich  der 
Mangel  litterarischer  Productivität  und  die  Dürftigkeit  der  vorhan- 
denen Litteratur,  während  andererseits  bei  jenem  Panegyristen  und 
etwas  später  bei  Liudprand  plötzlich  eine  überraschende  Fülle  klas- 
sischer Gelehrsamkeit  und  grofse  Gewandtheit  im  Ausdruck  hervor- 
traten, namentlich  im  Versemachen,  welches  ein  Hauptgegenstand  der 
Schulbildung  war.  Denn  einzelne  vom  geistlichen  Stande  naschten 
auch  von  jener  verbotenen  Frucht;  im  allgemeinen  aber  stand  der 
Clerus  im  Gegensatz  zu  diesem  Treiben,  in  dem  er  nicht  mit  Un- 
recht ein  heidnisches  Element  erkannte.  Die  Wissenschaft  war  hier 
nicht  in  den  Dienst  der  Kirche  genommen;  sie  behauptete  einen 
unabhängigen  Standpunkt,  war  aber  fast  ausschliefslich  formaler 
Natur  und  darum  wesentlich  unproductiv. 


III.    Die  Zeit  der  Ottonen. 

Von  Heinrich  I  bis  zum  Tode  Heinrich  II,  919—1024. 


§  1.    Allgemeines. 

Contzen,  Die  Geschichtschreiber  der  sächs.  Kaiserzeit.  Regensburg  1837.  Enstellt 
durch  Benutzung  der  falschen  Corveyer  Chronik,  und  durch  die  neuen  Ausgaben  der 
Quellen  unbrauchbar  gemacht.  —  Stalin  Wirt,  Gesch.  I,  419—426.  L.  Giesebrecht, 
Wendische  Geschichten  III,  294—307.  Waitz,  Ueber  die  Entwickelung  der  deutschen 
Historiographie   im    Mittelalter,   in   Schmidts  Zeitschrift  für  Geschichte  II,   97—103. 

—  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit,  I,  777—790.    II,  557—560. 

—  Guil.  Maurenbrecher   de  historicis  decimi  saeculi  scriptoribus,    qui  res  ab  Ottone 
Magno  gestas  memoriae  tradiderunt,  Bonnae  1861 ;  vgl.  Lit.  Centralblatt  1862,  Sp.  837. 

lVlit  dem  Jahre  906  endigt  Regino's  Chronik,  ein  Jahr,  bevor  Her- 
zog Liutpold  mit  der  Blüthe  des  bairischen  Volkstammes  von  den 
Ungern  erschlagen  wurde.  Ein  schwaches  Kind  safs  auf  dem  Throne 
und  vermochte  nicht  das  Reich  zu  schirmen.  Es  hatte  den  An- 
schein, als  ob  die  ganze  von  Karl  dem  Grofsen  neu  gepflanzte  Kul- 
tur bereits  dahin  sinken  sollte.  Ein  Stift  nach  dem  anderen  wurde 
den  Normannen  zur  Beute,  und  was  übrig  blieb,  rissen  die  räube- 
rischen Grofsen  an  sich,  die  in  ihren  gegenseitigen  Fehden  verheer- 
ten, was  dem  äufseren  Feinde  noch  entgangen  war.  Die  Sitze  der 
Bildung  und  Gelehrsamkeit  verstummten;  auch  wenn  sie  der  gänz- 
lichen Verödung  entgingen,  liefs  doch  die  nagende  Sorge  um  die 
stets  gefährdete  Existenz  keine  wissenschaftliche  Thätigkeit  auf- 
kommen. 

Schlimmer  noch  als  in  Deutschland,  sah  es  in  den  Nachbar- 
ländern aus;  die  Normannen,  aus  Sachsen  zurückgeschlagen,  hausten 
in  Frankreich  und  Lothringen,  ohne  Widerstand  zu  finden,  während 
der  Süden  von  sarazenischen  Seeräubern  verheert  wurde.  Die  Bre- 
tonen  und  Waskonen  schüttelten  das  fränkische  Joch  ab,  und  die 
Ungern  streiften  auf  ihren  schnellen  Rossen  bis  an  den  Ocean.  In 
Italien  begegneten  spanische  und  afrikanische  Sarazenen  den  Ungern, 
und  die  innere  Zwietracht  war  in  beiden  Ländern  noch  ärger  als 
in  Deutschland. 


Berufung  fremder  Gelehrten.  315 

Allein  die  Keime,  welche  einst  Karl  der  Grofse  gelegt  hatte, 
waren  bereits  so  stark  und  kräftig  geworden  und  hatten  so  tiefe 
"Wurzeln  geschlagen,    dafs    sie  auch    diese  Feuerprobe  überdauerten. 

Wie  einst  von  Austrasien,  so  ging  jetzt  von  Sachsen  die  Rettung 
aus.  Hier  hatte  man  zuerst  sich  ermannt  und  unter  den  Ludol- 
fingern  in  festem  Zusammenhalten  die  Kraft  gefunden,  der  Feinde 
Herr  zu  werden.  Reginbern,  aus  Widukinds  Stamm,  der  Bruder 
.der  Königin  Mahthild,  schlug  die  Dänen  so,  dafs  sie  nicht  wieder- 
kamen. Die  Wenden,  welche  die  Ostgrenze  bedrängten,  wurden 
zurückgeworfen.  Heinrich  I  stellte,  wie  einst  Karl  Martell  und 
Pippin,  das  Reich  her  und  wies  die  Ungern  zurück;  was  er  be- 
gonnen, vollendete  sein  Nachfolger,  bis  er  die  inneren  und  äufseren 
Feinde  bezwungen  hatte.  In  dieser  eisernen  Zeit  war  noch  für  die 
Feder  kein  Raum,  aber  nach  dem  Siege  konnte  Otto  an  die  Her- 
stellung der  geistigen  Bildung  denken.  Da  sehen  wir  überall  die 
verödeten  Klöster  aus  der  Asche  erstehen,  sie  werden  den  Händen 
der  Laienäbte  entrissen  und  ihrer  Bestimmung  wiedergegeben.  Bald 
regt  sich  in  ihnen,  zunächst  in  denen,  welche  von  den  Stürmen 
dieser  Zeit  weniger  gelitten  hatten,  von  neuem  wissenschaftliche 
Thätigkeit. 

Wie  Karl,  schätzte  auch  Otto  die  Wissenschaften,  ohne  selbst 
eine  gelehrte  Bildung  erhalten  zu  haben;  seine  Erziehung  war  krie- 
gerisch gewesen,  und  erst  spät,  nach  dem  Tode  der  Königin  Edid 
(26.  Januar  946),  lernte  er  lateinische  Bücher  lesen  und  verstehen1); 
reden  konnte  er  die  Sprache  der  Gelehrten  nicht2).  Auf  der  Synode 
zu  Ingelheim  948  wurden  der  Könige  wegen  die  päbstlichen  Schreiben 
in  deutscher  Sprache  verlesen3),  und  auch  in  seinem  Alter  liefs  er 
sich  einen  lateinisch  geschriebenen  Brief  von  seinem  Sohne  Otto  II 
übersetzen4). 

Wie  Karl,  suchte  auch  Otto  gelehrte  Ausländer  ins  Land  zu 
ziehen.  So  bemühte  er  sich  lange  vergeblich,  den  Gunzo  von 
Novara,  einen  jener  italienischen  Grammatiker,  nach  Deutschland  zu 
bekommen.  Dieser  Gunzo  war  Diaconus  in  seiner  Vaterstadt,  und 
schrieb  hier,    aufgefordert  vom  Bischof  Atto  von  Yercelli  (f  c.  960) 


*)  Widuk.  II,  36.  Vgl.  Dümmler,  Otto  I  S.  515.  Ich  glaube  nicht, 
dafs  man  bei  litteras  discere  und  libros  legere  et  intelliyere  an  andere  als 
lateinische  Bücher  denken  darf. 

2)  Liudpr.  Hist.  Ott.  11. 

3)  Flodoard  h.  a.  MG.  SS.  III,  396. 

4)  Casus  S.  Galli  MG.  SS.  II,  139.  Einen  anderen  übersetzt  die  Kai- 
serin Adelheid,  nam  litteratissima  erat;  ib.  p.  146. 


316  HI.    Ottonen.     §  1.    Allgemeines. 

eine  Schrift  über  Ehehindernisse1).  Bei  seiner  persönlichen  An- 
wesenheit in  Italien  gelang  es  Otto  endlich,  ihn  zu  gewinnen2).  An 
hundert  Bücher  behauptet  Gunzo  mitgebracht  zu  haben,  darunter 
Schriften  von  Plato  und  Aristoteles;  doch  vermuthlich  in  lateinischer 
Uebersetzung.  Trotz  seiner  Gelehrsamkeit  geschah  es  ihm  zuweilen, 
durch  das  Italienische  verleitet,  dafs  er  die  Casus  verwechselte3)  und 
deshalb  wurde  er  in  St.  Gallen  mit  einem  Spottliede  verhöhnt,  denn 
er  hatte  statt  eines  Ablativs  einen  Accusativ  gesetzt.  Dagegen  recht- 
fertigte sich  nun  Gunzo  in  einem  sehr  langen  und  sehr  pedantischen 
Briefe  an  die  Mönche  von  Reichenau,  in  welchem  er  seine  ganze 
gelehrte  Schulweisheit  zur  Schau  stellt. 

Einen  Landsmann  von  ihm  Namens  Stephan,  der  in  Pavia 
gebildet  war,  in  Novara  und  Pavia  gelehrt  hatte,  beriefen  König 
Otto  und  Bischof  Poppo  von  Würzburg  (941 — 961)  aus  Italien,  und 
der  Ruf  seiner  Vorträge  über  Marcianus  Capeila  zog  den  jungen 
Wolfgang  aus  Reichenau  nach  Würzburg4).  Seine  Bücher,  welche 
aber  nicht  zahlreich  waren,    vermachte   er   dem  h.  Kilian5).     Einige 

0  D'Achery,  Spicil.  I,  437. 

2)  So  erzählt  Gunzo  selbst  in  seiner  Epistola  ad  Augiepses  fratres  bei 
Martene,  Coli.  I,  294.  Der  Codex  aus  St.  Amand  ist  jetzt  in  Valenciennes, 
Mangeart  p.  302.  Eine  zweite  Hs.  in  Maihingen,  NA.  IX,  286.  Man  hatte 
ihn  auch  in  Stablo,  Gottlieb,  Mittelalt.  Bibliotheken  S.  440.  Obgleich  er 
Otto  nur  König  nennt,  zieht  doch  M.  v.  Knonau  zu  Ekk.  S.328  das  J.  965 
vor.  Vgl.  Gatterers  Commentatio  de  Gunzone  Italo,  Norimb.  1756;  Bur- 
sian,  Gesch.  d.  Philol.  S.  43.  Dafs  er  der  Ebersberger  Probst  Guntheri 
oder  Gunzo  gewesen  sei  „Graecis  ac  Latinis  litteris  doctus  ,  qui  fuit  con- 
scolasticus  Gerberti  pape"  (Chron.  Ebersp.  MG.  SS.  XX,  18)  scheint  der 
Zeit  nach  kaum  möglich,  da  dieser  nach  Gr.  Hundt  von  1002  bis  1013 
Probst  war. 

3)  „Falso  putavit  S.  Galli  monachus  me  remotum  a  scientia  gramma- 
ticae  artis ,  licet  aliquando  retarder  usu  nostrae  vulgaris  linguae  quae  la- 
tinitati  vicina  est."  M.  v.  Knonau  vermuthet,  dafs  Ekkehard  II  (palatinus) 
sein  Gegner  war. 

4)  V.  Wolfkangi  c.  5. 

5)  Nach  den  Versen  bei  Schannat,  Vind.  litt.  I,  229  u.  Oegg,  Versuch 
einer  Korographie  der  Stadt  Würzburg  I,  542,  die  eine  Art  von  Testament 
enthalten: 

Novaria  genitus prae  moenibus  alta, 

Utraque  ut  patuit,  doctor  in  urbe  fui. 
Ast  Popo  antistes  hanc  me  perduxit  in  urbem, 

Qua  sophiae  studiis  dogmata  crebra  dedi. 
Quos  habui  paucos  decrevi  tradere  libros, 

Martyr  sancte  Dei,  en  Kiliane  tibi. 
Caetera  quae  restat  mihimet  sat  parva  supellex, 

Cedat  fraternis  usibus  apta  nimis. 
Quisquis  ades  nostri,  rogito,  possessor  ovilis, 

Adde  diem  mortis,  quem  deus  ipse  sapit. 

Actum  anno  dorn.  ine.  970.  17  Kai.  Aug. 

Das  fehlerhafte  erste  Distichon  ist  nach  dem  Epit.  zu  verbessern. 


Italiener  in  Deutschland.  317 

Auskunft  über  sein  Leben  und  Wirken  gewährt  die  Grabschrift, 
welche  er  für  sich  selbst  verfafst  hat1).  Sie  steht  in  einer  Hand- 
schrift des  Dorncapitels  zu  Novara,  einer  von  Stephan  geschriebenen 
Canonensammlung;  denn  er  hat  sich  nach  970  wieder  in  seine  Hei- 
math begeben,  wo  er  985  eine  Schenkung  des  Bischofs  Aupald 
unterzeichnete.     Die  Grabschrift  lautet: 

Novariae  natus,  Papiae  moenibus  altus, 

Urbe  velut  potui,  doctor  utraque  fui. 
Me  rex  Otto  potens  Francorum  duxit  in  urbem, 

Qua  legi  mukös  mente  vigente  libros. 
Hinc  me  digressum ,  proprium  suscepit  alumnum 

Virgo  salus  mundi,  mater  et  alma  dei. 
Protinus  amissam  studui  reparare  sophiam, 

Erudiens  pueros  instituensque  viros. 
His  igitur  cunctis  Christo  tribuente  peractis, 

Sum  pulvis  modicus,  jussit  ut  ipse  deus. 
Quisquis  hac  graderis,  Stephani  memor  esto  jacentis, 

Ac  sibi  posce  poli  regna  beata  dari. 
Insuper  adde  diem  quae  contulit  ultima  finem. 

Hanc  si  scruteris,  hinc  mage  cautus  eris. 

Die  politischen  Verwickelungen  führten  auch  den  gelehrten  Bischof 
Rather  von  Verona  und  vor  Berengar  flüchtend  Liudprand.  an 
Otto's  Hof,  wo  sie  gute  Aufnahme  fanden,  und  auch  Gerbert  wurde 
von  Pabst  Johann  XIII  im  Jahre  971  zum  Kaiser  gesandt,  verweilte 
aber  damals  nur  kurze  Zeit  am  Hofe,  weil  er  vorher  noch  in  Reims 
seine  philosophische  Ausbildung  zu  vollenden  wünschte2). 

Gern  gesehen  an  Otto's  Hofe  war  Ekkehard  (II)  von  St.  Gallen, 
den  man  deshalb  im  Kloster  den  Höfling  (palatinus)  nannte;  er  war 
einer  der  Lehrer  Otto's  II3).  Dieser  hatte  unter  der  Leitung  Vol- 
colds,  und  nach  dessen  Beförderung  zum  Bischof  von  Meifsen  des 
Willigis4),  einen  vollständigen  wissenschaftlichen  Unterricht  erhalten; 
er  liebte  und  beförderte  die  Wissenschaften  und  nahm  lebhaften 
Antheil  an  den  gelehrten  Problemen ,    welche   damals  die  Menschen 


x)  Nebst  einem  Epitaph  auf  seinen  Vater  Leo,  bei  Giov.  Andres,  Let- 
tera  al  Sig.  Abbate  Morelli,  Parma  1802,  u.  bei  Reififerscheid,  Wiener  SB. 
LXVIII,  623  mit  Auslassung  des  ersten  Hexameters :  „Prodolor  hoc  parvo 
claudit  sua  membra  locello".  Dagegen  ist  der  Schlufs  von  Stephans  Epi- 
taph fälschlich  dazu  gezogen. 

2)  Rieh  er  III,  44.  45.     Vgl.  Büdingcr  über  Gerbert  S.  44. 

3)  Casus  S.  Galli  p.  126.  Bei  der  Unzuverlässigkeit  derselben  u.  den 
chronol.  Widersprüchen  ist  es  unsicher,  ob  Ekk.  nicht  erst  nach  973  an 
den  Hof  kam;  s.  G.  Meyer  v.  Knonau  zu  seiner  Ausg.  p.  LXXI. 

4)  Tietm.  IV,  5. 


o 


18  HI.    Ottonen.     §  1.    Allgemeines. 


beschäftigten1).  Hrotsuit  feiert  ihn  als  einen  zweiten  Salomo.  Er 
zog  Gerb  er t  wieder  an  sich,  und  noch  ist  uns  ein  Fragment  der 
Disputation  erhalten,  welche  dieser  980  vor  dem  Kaiser  zu  Ravenna 
hielt  gegen  den  berühmten  Magdeburger  Lehrer  Otrich,  den  Otto 
ebenfalls  an  seinen  Hof  berufen  hatte2).  Auch  der  Abt  Adso  von 
Montier-en-Der,  einer  der  berühmtesten  Gelehrten  Frankreichs,  war 
dabei  zugegen,  nebst  einer  grofsen  Menge  von  Scholastern  oder 
Grammatikern3).  Auch  von  S.  Wolfgang  wird  uns  berichtet,  dafs  er 
vor  diesem  Kaiser  gegen  einen  Ketzer  disputierte.  Den  Bischof 
Gumpold  von  Mantua  veranlafste  er,  das  Leben  des  heiligen  Wen- 
zeslaus  zu  beschreiben. 

Kurz  vor  dem  Tode  des  alten  Kaisers,  im  Jahre  972,  besuchten 
Vater  und  Sohn  das  Kloster  St.  Gallen.  Der  Vater  fragte  nach  dem 
alten  Notker,  dem  gelehrten  Maler  und  Arzte,  mit  dem  Beinamen 
Pfefferkorn ;  schwach  und  erblindet  safs  er  auf  einem  Sessel.  Auf 
das  Geheifs  des  Vaters  führte  der  junge  Kaiser  ihn  herbei,  und  der 
Alte  leitete  ihn  nach  zärtlicher  Umarmung  sorgsam  ins  Kloster  und 
setzte  ihn  an  seine  Seite.  Otto  II  aber  liefs  sich  nun  hier  die 
Bibliothek  öffnen  und  nahm,  von  den  reichen  Schätzen  derselben 
gelockt,  eine  Anzahl  der  besten  Bücher  mit  sich  fort;  einige  gab 
er  auf  Ekkehards  Bitte  später  zurück4). 

Otto  III  endlich  wurde  von  seiner  Mutter  Theophano,  von  dem 
Calabresen  Johannes  und  Bernward  von  Hildesheim  auf  das  sorg- 
fältigste erzogen5),  und  sein  wissenschaftlicher  Verkehr  mit  Gerbert 
ist  weltbekannt;  wie  es  nur  zu  leicht  geschah,  wendeten  ihn  diese 
ganz  auf  fremdländischen  Grundlagen  beruhenden  Studien  vom  vater- 
ländischen Wesen  ab,  und  störten  die  harmonische  Entwickelung 
seines  Geistes6). 

1)  Richer  III,  67. 

2)  Richer  III,  55  ff.     Vgl.  Büdinger  S.  52  ff. 

3)  In  Frankreich  soll  um  diese  Zeit  Fulco  bonus  von  Anjou  (938  bis 
958)  vom  König  verlacht  sein,  als  er  in  choro  S.  Martini  mit  den  Cano- 
nikem  sang.  Er  schrieb  darauf  dem  König:  „Noveritis  domine,  quia  rex 
illiteratus  est  asinus  coronatus".  Gesta  consulum  Andegavensium  c.  5; 
vgl.  Doctrina  Abaelardi  bei  Wright  und  Halliwell,  Reliquiae  antt.  I,  16, 
und  das  Schachbuch,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XVII,  204. 

4)  Casus  S.  Galli,  MG.  SS.  II,  147. 

5)  Giesebrecht  Kaiserzeit  I,  670.  846.  Lüntzel,  Bernward  S.  14.  Vgl. 
H.  Düker,  Der  über  mathematicalis  des  h.  Bern  ward  im  Domschatze  zu 
Hildesheim,  Hild.  Progr.  1875.  Dieses  Buch,  welches  B.  für  den  Unter- 
richt gebraucht  haben  soll,  ist  die  Arithmetik  von  Boethius  mit  Glossen. 
Vgl.  die  Verse  bei  Giesebr.  I,  889,  und  über  die  von  Joh.  Calaber  an 
Otto  III  gekommenen  Bücher  Val.  Rose  im  Hermes  VIII,  46:  Giesebr. 
I,  850. 

6)  Ueber  ein  von  Liuthar  ihm  dargebrachtes  Evangeliar,  und  über  die 


Otto  II  und  III.     Heinrich  II.  319 

Heinrich  II  war  in  seiner  Kindheit  zum  geistlichen  Stande 
bestimmt,  und  erhielt  in  Hildesheim,  später  unter  Bischof  Wolfgangs 
Leitung  in  Regensburg  eine  gelehrte  Erziehung1);  wissenschaftliche 
Thätigkeit  förderte  er  nicht  unmittelbar2),  aber  seine  Bestrebungen 
für  die  Reform  verwilderter  Klöster  kamen  auch  den  Schulen  zu 
Gute,  wovon  namentlich  die  Geschichte  des  Bischofs  Godehard  von 
Hildesheim  ein  Beispiel  giebt,  und  die  Stiftung  des  neuen  Bisthums 
zu  Bamberg,  welchem  er  es  auch  an  Büchern  nicht  fehlen  liefs, 
eröffnete  den  gelehrten  Studien  eine  neue  Stätte3).  In  54  schwer- 
fälligen und  schwülstigen  Hexametern  pries  Abt  Gerhard  von  Seon 
zwischen  1012  und  1014  die  neue  Stiftung4),  und  mit  nicht  minder 
gesuchten  und  pedantischen  Anreden  in  Prosa  und  in  Versen  be- 
gleitete der  Bamberger  Diaconus  Bebo  Abschriften  von  Büchern, 
welche  der  Kaiser  hatte  machen  lassen;  er  rühmt  darin  Heinrichs 
Bemühungen,  den  Landfrieden  herzustellen,  und  seine  Schilderung 
von  Benedicts  VIII  Besuch  in  Bamberg  1020  ist  von  Adalbert  in 
seiner  Biographie  Heinrichs  II  benutzt  worden5). 

Auch  in  der  Todtenklage  um  Constantius  den  Scholasticus 
von  Luxeuil  schildert  Gudinus  den  Kummer  des  Kaisers,  dafs 
seines  gleichen  nicht  mehr  zu  finden  sei6).  Dem  Kloster  Corvey 
schenkte  ein  Kaiser  Heinrich,  der  aber  auch  ein  späterer  sein  kann, 
eine  Handschrift  aus  Unteritalien,  welche  das  Autograph  von  Lan- 
dolfs  Historia  miscella  (oben  S.   166)  und  Vegetius  enthielt7). 

Bilder  von  Otto  III  und  Theophano  auf  dem  kostbaren  Einband  des  gold- 
geschriebenen Evangeliar  in  Echternach,  jetzt  in  Gotha,  s.  Lamprecht,  Der 
Bilderschmuck  des  Cod.  Egberti  u.  des  Cod.  Eptern.  im  Jahrbuch  d.  Vereins 
v.  Alterthumsfreunden  im  Rheinland,  LX  (1881)  S.  56 — 112. 

1)  Hirsch,  Heinrich  II,  I,  90—92.     Giesebr.  Kaiserzeit  II,  78,  604. 

2)  Giesebr.  II,  605. 

3)  Ausführlich  handelt  darüber  Giesebrecht,  II,  52 — 65,  vgl.  600,  und 
Hirsch,  Heinrich  II,  Band  IL     Ein  dazu  gehöriger  Catalog  NA.  V,  624. 

4)  Hirsch,  Heinrich  II,  I,  554.     Jaffe,  Bibl.  V,  482. 

5)  Gedr.  v.  Gutenäcker  im  25.  Bericht  d.  hist.  Vereins  zu  Bamberg 
S.  138.  Hirsch  a.  a.  O.  S.  545—554.  Jaffe,  Bibl.  V,  484—497.  Ergänzt 
Giesebr.  II,  581. 

6)  „Heinricus  in  Romano  residens  palatio  et  arcana  sapientum  com- 
probans  ingenio,  dolet  nusquam  inveniri  similem  Constantio."  Mab.  Anal. 
p.  217.  Dumeril  (1843)  S.  280;  vgl.  über  Constantius  die  Unterschrift  des 
Cod.  Bern.  87:  „Ego  Constantius  peccator  et  indignus  sacerdos  S.  Petri 
Luxov.  coenobii  scripsi  ad  serviendum  ei  hos  libros  Boetii  de  geometria 
diebus  tantum  XI  infra  Idus  Jun.  et  VI.  Kai.  Jul.  a.  M.  IUI.  ab  ine.  Domini, 
conversionis  autem  nostrae  IL  praeeepto  pii  patris  Milonis.  Sit  ergo  utenti 
gratia,  scriptori  venia,  fraudatori  anathema."  Cantor,  Mathcm.  Beiträge 
(1863)  S.  404,  und  correcter  bei  Grandidier,  Oeuvres  hist.  (1865)  II,  236, 
Hagen,  Catal.  Bern.  p.  107.  Die  Handschrift  hatte  Bischof  Werinhar  der 
Strafsburger  Kirche  geschenkt. 

7)  Cod.  Pal.  909,  Arch.  XII,  344.    Nach  Bethmann  wäre  die  Inschrift 


III.    Ottonen.     §  1.     Allgemeines. 

fc  Bei  den   Frauen   fand   man   im   früheren  Mittelalter  weit    eher 

als  bei  den  Männern  aus  dem  Laienstande  die  Anfänge  einer  ge- 
lehrten Bildung,  die  schwierige  Kunst  des  Lesens  und  Schreibens, 
riebst  einer  Kenntnifs  der  allgemeinen  Schriftsprache,  welche  zum 
Verständnifs  des  Psalters  ausreichte1).  Leicht  knüpfte  sich  mehr 
daran,  und  auch  der  Einflufs,  welchen  Geistliche  über  weibliche 
Gemüther  so  leicht  erlangen,  begünstigte  ihre  Beschäftigung  mit  dem 
besonderen  Erbtheile  dieses  Standes,  den  Büchern.  Die  Frömmigkeit 
der  Königinnen  Mahthild2)  und  Edid  ist  bekannt;  Heinrichs  I 
Tochter  Gerberga  veranlafste  den  Abt  Adso  zur  Abfassung  seiner 
Schrift  über  den  Antichrist;  Adelheid  aber,  die  Burgunderin,  und 
Theophano,  die  Griechin,  zeichneten  sich  durch  eine  in  Deutsch- 
land seltene  litterarische  Bildung  aus,  die  sich  auch  in  der  sorg- 
samen Erziehung  ihrer  Kinder  erkennen  läfst.  Ganz  besonders  wird 
uns  die  hohe  Bildung  der  schönen  Herzogin  Hedwig  von  Schwaben 
gerühmt,  der  Tochter  von  Otto's  des  Grofsen  Bruder  Heinrich  von 
Baiern.  Wie  man  sich  in  St.  Gallen  erzählte,  war  sie  als  Kind  zur 
Braut  eines  griechischen  Kaisers  bestimmt,  und  wurde  durch  Kämmer- 
linge,  welche  dieser  eigens  deshalb  gesandt  hatte,  im  Griechischen 
unterrichtet,  zerrifs  aber  diese  Verbindung,  welche  ihr  mifsfiel. 
Diese  Geschichte  freilich  ist  so,  wie  sie  erzählt  wird,  nicht  möglich. 
Später  mit  Herzog  Burchard  vermählt  und  früh  (973)  verwittwet, 
waltete  sie  auf  ihrer  Feste  Hohentwiel  mit  männlicher  Festigkeit,  ja 

aus  dem  elften  Jahrhundert,  nach  H.  Droysen  im  Hermes  XII,  387  (Auctt. 
antiquiss.  II,  p.  LXII)  aus  dem  Anf.  des  12.  und  hätte  dieselbe  Hand  den 
Text  mit  Randglossen,  wie  cave  princeps,  attende  princeps,  lämitare  princeps 
versehen,  welche  auf  den  Unterricht  eines  Fürsten  deuten.  Danach  wäre 
ein  späterer  Heinrich  anzunehmen. 

*)  Vgl.  Giesebr.  II,  546.  Weinhold,  Die  deutschen  Frauen  S.  91. 
V.  Bardonis  maj.  c.  1.  Der  Regensburger  Marianus  Scottus  schrieb  „multa 
manualia  psalteria  viduis  indigentibus  ac  clericis  pauperibus  ejusdem  civi- 
tatis". Frau  Ute  in  Lorsch  „las  an  ir  salter  alle  ir  tagezit",  Diu  Klage 
v.  1840.  „Saltere  und  alle  buche,  di  zu  gotis  dinste  hören,  die  vrowen 
phlegen  zu  lesene",  gehören  nach  dem  Sachsenspiegel  I,  24,  3  zur  Gerade. 
Verständnifs  der  Sprache  war  jedoch  mit  dem  Lesen  nicht  nothwendig 
verbunden,  so  verstand  Hildegard  vor  ihrer  Erleuchtung  den  Inhalt  nicht: 
„solum  psalterium  legere  didicerat  more  nobilium  puellarum  a  quadam 
inclusa  in  monte  Dysibodi".  Alberici  Chron.  ad  a.  1141.  Im  13.  Jahrb. 
wird  einem  Scholaren  der  Rath  gegeben:  „Si  vero  grammaticam  nequis 
scire  plene,  Defectu  ingenii,  defectu  crumene,  Horas  et  psalterium  discas 
valde  bene,  Scolas  si  necesse  est  puellarum  tene."  Peiper  in  der  Zeit- 
schrift f.  Deutsche  Philologie  V,  183. 

2)  „Domesticos  omnes  famulos  et  ancillas  variis  artibus,  litteris  quo- 
que  instituit;  nam  et  ipsa  litteras  novit,  quas  post  mortem  regis  lucide 
satis  didicit."  Widuk.  III,  74.  Anskar  schickte  der  Liutbirg  (oben  S.  254) 
junge  Mädchen  zur  Unterweisung  im  Psalmsingen  und  Handarbeit. 


Frauenbildung.  321 

mit  Härte,  und  ihre  wechselnden  Launen  waren  sehr  gefürchtet. 
Ihre  liebste  Beschäftigung  aber  bestand  darin,  mit  dem  Sanctgaller 
Mönche  Ekkehard,  den  sie  sich  dazu  vom  Abte  ausgebeten  hatte, 
die  alten  lateinischen  Dichter  zu  lesen.  Den  jungen  Burchard,  der 
später  Abt  wurde,  lehrte  sie  selbst  griechisch  und  beschenkte  ihn 
zum  Abschied  mit  einem  Horaz1). 

Ihre  Schwester  Gerbirg,  die  Aebtissin  yon  Gandersheim,  war, 
so  sagt  Hrotsuit,  wie  es  der  Nichte  des  Kaisers  gebührte,  von  höherer 
wissenschaftlicher  Bildung  und  unterwies  mich  in  den  Autoren,  welche 
zuvor  die  gelehrtesten  Meister  mit  ihr  gelesen  hatten2). 

Auch  Heinrichs  II  Gemahlin  Kunigunde  zeichnete  sich  durch 
Kenntnifs  und  Verständnifs  der  kirchlichen  nicht  nur,  sondern  auch 
der  weltlichen  Schriftsteller  aus,  und  in  der  späteren  Zeit  betrachtete 
man  die  feine  Bildung  der  vornehmen  Frauen  als  einen  besonderen 
Vorzug  dieses  Zeitalters3).  Aber  auch  über  seine  Standesgenossen 
klagte  Graf  Udalrich  von  Ebersberg  (f  1029)  in  seinen  alten  Tagen: 
in  seiner  Jugend,  sagte  er,  habe  jeder  Edelmann  sich  schämen 
müssen,  wenn  er  die  Rechtsbücher  nicht  zu  lesen  und  anzuwenden 
gelernt  hätte4). 

Finden  wir  also  das  Ottonische  Kaiserhaus  wissenschaftlicher 
Bildung  geneigt  und  günstig,  so  überstrahlt  doch  alle,  sowohl  durch 
seine  eigene  gründliche  Gelehrsamkeit,  wie  durch  seine  fruchtreiche 
Thätigkeit  für  Kirche  und  Schule,  der  grofse  Erzbischof  Brun, 
Otto's  des  Grofsen  jüngster  Bruder5). 

1)  Casus  S.  Galli  MG.  SS.  II,  122—126.  Vgl.  die  Anmerkungen  von 
Meyer  von  Knonau  S.  319  ff.  u.  Allg.  Deutsche  Biogr.  X,  308. 

2)  „Gerberga,  cujus  nunc  subdor  dominio  abbatiae,  aetate  minor  sed 
ut  imperialem  decebat  neptem,  scientia  provectior,  aliquot  auctores  quos 
ipsa  prior  a  sapientissimis  didicit,  ine  admodum  erudivit."  Praef.  ad  vitam 
b.  Mariae. 

3)  Im  Chron.  Gozec.  I,  2  (MG.  SS.  X,  142)  heifst  es  von  der  Agnes 
von  Weimar,  Gemahlin  des  1036  verstorbenen  Pfalzgrafen  Friedrich  von 
Sachsen:  more  antiquorum  tarn  litteris  quam  diversarum  artium  disciplinis 
apud  Quidelingeburg  pulchre  fuit  instructa.  Ueber  Kunigunde  s.  unten  V 
§  15.  Die  Quedlinburger  Schatzmeisterin  Hazecha  verfafste  eine  Schrift  zu 
Ehren  des  h.  Christoph,  welche  sie  Bischof  Balderich  von  Speier  (970  bis 
987)  übergab.     S.  unten  S.  324. 

4)  Chron.  Ebersp.  MG.  SS.  XX,  14.  Aehnlich  heifst  es  in  der  Vita 
S.  Pauli  Virodun.  (aus  dem  7.  Jahrh.),  in  welcher  Berthar  angeführt  wird, 
Hugo  Flavin.  aber  noch  nicht:  „liberalium  studiis  litterarum,  sicut  olim  moris 
erat  nobilibus,  traditur  imbuendus".  Mab.  Act.  II,  268.  Auch  der  Vater 
Odo's  von  Cluny  war  nach  der  Vita  auct.  Joh.  mon.  I,  5  ein  angesehener 
Rechtskundiger  am  Hofe  des  Grafen  Wilhelm  von  Poitiers. 

5)  S.  über  ihn  und  seine  Wirksamkeit  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der 
Kaiserzeit  I,  321-331,  vgl.  817:  401—403.  431—436,  vgl.  826.  829.  Vogel, 
Ratherius   I,   156  ff.     Jasmunds   Vorwort    zur  Uebersetzung    des   Ruotger. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  21 


322  HI-    Ottonen.     §  1.    Allgemeines. 

Nachdem  er  in  Utrecht  unter  der  Aufsicht  des  Bischofs  Balde- 
rich erwachsen  war  und  hier  die  erste  grammatische  Bildung  erhal- 
ten hatte,  wurde  er  noch  in  früher  Jugend  (940)  zum  Kanzler  und 
953,  als  er  Erzbischof  wurde,  auch  zum  Erzcaplan  erhoben;  bald 
lag  in  seinen  Händen  fast  die  ganze  Verwaltung  des  Reiches,  deren 
Fäden  in  der  königlichen  Kanzlei  zusammenliefen,  vor  allem  aber 
die  Leitung  der  kirchlichen  Angelegenheiten.  Mit  Geschäften  aller 
Art  überhäuft,  hat  er  in  den  Aeufserlichkeiten  der  Urkunden,  den 
Daten  namentlich,  eine  arge  Unordnung  einreifsen  lassen1);  dagegen 
fand  er  doch  noch  Zeit  für  seine  geliebten  Bücher,  die  ihn  überall 
hin  begleiteten,  für  den  wissenschaftlichen  Verkehr  mit  den  Meistern 
der  "Wissenschaft,  die,  wie  Ruotger  sagt,  von  allen  Enden  der  Welt 
sich  hier  zusammenfanden.  Ratherius,  Liudprand,  der  Spanier  Rece- 
mund,  Bischof  von  Elvira,  wurden  durch  politische  Ereignisse  diesem 
Kreise  zugeführt,  nahmen  aber  während  ihres  Aufenthaltes  daselbst 
ebenfalls  an  den  wissenschaftlichen  Bestrebungen  Theil.  Die  An- 
wesenheit gelehrter  Griechen  benutzte  Brun,  um  von  ihnen,  deren 
Sprache  ihm  schon  vertraut  war,  zu  lernen ;  besonders  aber  verehrte 
er  als  seinen  Lehrer  einen  irländischen  Bischof  Namens  Israel,  viel- 
leicht denselben,  welcher,  aus  seiner  Heimath  vertrieben,  in  St.  Maxi- 
min Mönch  wurde2). 

Ungeachtet  seiner  hohen  Stellung  verschmähte  Brun  es  nicht, 
auch  selbst  als  Lehrer  zu  wirken;  wieder  gab  es,  wie  zu  Karls 
Zeiten,  eine  Hofschule3),  wenn  auch  in  anderer  Weise,  weil  für  die 
Grundlage  des  Lernens  jetzt  an  vielen  Orten  besser  gesorgt  war. 
Aber  die  Söhne  vornehmer  Familien,  welche  nach  alter  Weise  an 
den  Hof  gebracht  wurden,  werden  schwerlich  ganz  ohne  Unterricht 
gelassen  sein,  und  die  königliche  Kanzlei  wurde  zu  einer  Pflanz- 
schule   trefflicher   Bischöfe,   deren    Wichtigkeit  für  das  Reich  nicht 

Ern.  Meyer  de  Brunone  I,  Diss.  Berol.  1867.  Dümmler,  Otto  I,  S.  396 
bis  399.  Bursian,  Gesch.  d.  Philol.  S.  44.  K.  Martin,  Beiträge  zur  Gesch. 
Bruns,  Diss.  Jen.  1878. 

1)  Sickel,  Wiener  SB.  XCIII,  732. 

2)  Hontheim,  Prodr.  hist.  Trev.  II,  975.  Dümmler  in  d.  Neuen  Mitth. 
XI,  252. 

3)  Mir  scheint  das  aus  Ruotgeri  V.  Brun  c.  5 — 7  hervorzugehen.  Frei- 
lich darf  man  kaum  an  eine  dauernde  geregelte  Organisation  denken,  aber 
E.  Meyer  geht  zu  weit,  wenn  er  sie  ganz  leugnet.  Ihm  stimmt  freilich 
jetzt  auch  Dümmler  bei,  Otto  I,  S.  545,  aber  wenn  Ruotger  sagt:  „Latia- 
lem  eloquentiam  non  in  se  solum,  ubi  excelluit,  set  et  in  multis  aliis  po- 
litam  reddidit  et  inlustrem",  so  mufs  doch  Brun  lat.  Unterricht  gegeben 
haben.  Die  eigentliche  Schule  hatten  die  Hofcapläne  schon  hinter  sich, 
aber  wenn  wir  Ruotger  irgend  glauben  dürfen,  war  doch  am  Hofe  noch 
viel  für  sie   zu  lernen. 


Bruno  von  Cöln.  323 

hoch  genug  anzuschlagen  ist,  denn  mit  diesen  Bischöfen  regierten 
die  Kaiser  von  nun  an  bis  zu  den  Zeiten  Heinrichs  IV  ihr  Reich, 
und  fast  allein  in  ihnen  bildete  sich  ein  Element  der  Stätigkeit  in 
der  Reichsregierung  aus,  welches  von  dem  Wechsel  der  Personen 
unabhängig  war. 

Brun  selbst  wurde  im  Jahre  953  Erzbischof  von  Cöln,  wo  er 
noch  12  Jahre  wirkte,  ohne  doch  darum  der  kaiserlichen  Kanzlei 
fremd  zu  werden,  bis  er  am  11.  Oct.  965  kaum  40  Jahre  alt  starb. 
Die  schwierigsten  Aufgaben  ruhten  auf  ihm,  denn  das  unruhige,  un- 
zuverlässige Lothringen  war  seiner  Leitung  anvertraut,  und  seine 
Schwester,  die  Königin  von  Frankreich,  baute  fast  allein  auf  seine 
Hülfe.  Aber  während  man  nie  in  ihm  die  Thatkraft  seines  grofsen 
Bruders  vermifste,  vergafs  er  doch  über  den  weltlichen  Sorgen  nie 
seines  bischöflichen  Amtes.  Die  ganz  zerrütteten  Kirchen  Lothrin- 
gens richtete  er  aus  ihrer  Versunkenheit  auf;  kirchliche  und  klöster- 
liche Zucht  wurden  erneut,  die  Schulen  mit  gröfster  Sorgfalt  gepflegt, 
und  bald  entfaltete  sich  hier  das  rege  litterarische  Treiben,  welches 
von  nun  an  Lothringen  besonders  auszeichnet. 

Nicht  minder  erblühten  nun  auch  in  den  übrigen  Reichslanden 
unter  so  guter  Pflege  alle  die  Keime,  welche  die  vorhergegangenen 
Stürme  noch  überdauert  hatten;  frisches  Leben  erfüllte  die  alten 
Klöster,  welche  wie  Corvey,  Gandersheim,  St.  Gallen  weniger  gelitten 
hatten,  und  neben  ihnen  erhoben  sich  zahlreiche  neue  Stätten  litte- 
rarischer Bildung1). 

So  verpflanzte  nach  Speier,  wo  schon  Bischof  Godefrid  (950 
bis  961)  seiner  Kirche  ein  Werk  des  Beda  geschenkt  hatte2),  Bischof 
Balderich  (970 — 987),  gebürtig  aus  Säckingen,  die  Studien  der 
Sanctgaller  Schule,  aus  welcher  er  stammte.  Sein  Wohlgefallen  und 
seine  Aufmerksamkeit  erregte  der  Knabe  Walther,  den  er  zu  aller 
heidnischen  und  christlichen  Wissenschaft  anleitete.  „Cum  primum 
regno  successit  tertius  Otto" ,    also  983,    übergab    er  ihm,    der  nun 


2)  Wohl  konnte  deshalb  Brun  zum  König  sagen: 

Deciderat  Studium  veterum  At  tua  dextra  ubi  sceptra  tenet, 

Et  vigilancia  paene  patrum,  Publica  res  sibi  tuta  placet, 

Caecaque  saecula  barbaries  Exacuit  calamos  Studium 

Saeva  premebat  et  error  iners.  Fertque  quod  apparat  ad  solium. 

Verse  hinter  einer  Abschrift  des  Frontin,  bei  Haase,  Ind.  lectt.  Vratisl. 
hiem.  1860,  p.  20.  Leider  bleibt  es  ungewifs,  ob  der  Bruno  tuus  dieser 
Bruno  ist;  der  Caesar  ist  nicht  genannt.  Diese  Anrede  setzt  übrigens  nicht 
nothwendig  die  Kaiserkrönung  voraus. 

2)  Brit.  Mus.  Addit.  23,931,  wo  nach  dem  Catalog  von  3  Widmungs- 
versen der  erste  lautet:   Me  Godefrid   sanctae  praesul   dedit  ecce  Mariae". 

21* 


324  HI.    Ottonen.     §  1.    Allgemeines. 

Subdiaconus  war,  eine  Schrift  zu  Ehren  des  h.  Christoph,  welche 
die  Nonne  Hazecha,  Schatzmeisterin  von  Quedlinburg,  ihm  zur  Cor- 
rectur  überreicht  hatte;  aber  entweder  wurde  sie  wirklich  verloren, 
wie  Walther  an  Hazecha  schrieb,  oder  er  fand  sie  zu  schlecht:  genug, 
Walther  verfafste  ein  eigenes  Werk  über  den  h.  Christoph  in  Prosa 
und  in  Versen,  ganz  in  dem  gespreizten,  mit  Gelehrsamkeit  über- 
ladenen Stil  der  Zeit;  in  zwei  Monaten  behauptet  er  beides  voll- 
endet zu  haben.  Voran  schickte  er  ein  Buch  mit  dem  Titel  Scho- 
lasticus ,  worin  er  seinen  Bildungsgang  schildert,  dunkel  und  oft 
schwer  verständlich,  aber  doch  werthvoll  für  die  Kenntnifs  der  da- 
maligen Schulstudien,  in  welchen  eine  ansehnliche  Zahl  classischer 
Autoren  im  Vordergrunde  steht.  Walther  schickte  später  nach  des 
Bischofs  Tod  sein  Werk  auch  ad  collegas  u?'bis  Salinarum,  d.  h.  doch 
wohl  nach  Salzburg,  an  Liutfred,  Benzo  und  Friedrich1).  Damals 
scheint  er  demnach  die  Speierer  Schule  geleitet  zu  haben ;  1004  ist 
er  selbst  wahrscheinlich  Bischof  von  Speier  geworden. 

In  besonderer  Ausführlichkeit  tritt  uns  hier  eine  Richtung  der 
Studien  entgegen,  welche  wir  noch  an  vielen  Orten,  wie  z.  B.  in 
Lüttich,  zu   berühren  haben  werden. 

Sehr  bald  aber  liefsen  sich  auch  schon  Stimmen  vernehmen, 
welche  die  heidnische  Gelehrsamkeit  als  sündlich  verwarfen  und 
gegen  die  classischen  Studien  eiferten.  Hatte  schon  Hieronymus 
im  Traume  für  die  Vorliebe  büfsen  müssen,  womit  er  Plautus  und 
Cicero  gelesen2),  ein  Geschichtchen,  welches  immer  wieder  benutzt 
wird  und  noch  bei  der  Bekämpfung  der  Humanisten  eine  Rolle 
spielt,  so  finden  wir  in  karolingischer  Zeit  den  alt  gewordenen  Alcuin 
in  gleichem  Sinne  eifernd;  so  auch  jenen  alten  Schulmeister  Jo- 
hannes zu  Fulda  (oben  S.  231).  Ermenrich  sah,  wenn  er  den  Vergil 
unter    sein    Kopfkissen    gelegt    hatte,    im   Traume    den   Dichter   als 

2)  Waltherus  Spirensis  de  passione  S.  Cliristo'phori^  bei  B.  Pez,  Thes.  II, 
3,  29—122.  Prantl,  Gesch.  d.  Logik  II,  52  hat  auf  dieses  Werk  aufmerk- 
sam gemacht;  Remling  in  seiner  Geschichte  der  Bischöfe  von  Speier  er- 
wähnt es  I,  252  unter  Bischof  Walther,  Mabillon  sah  die  Hs.  in  St.  Em- 
meram,  jetzt  Cod.  lat.  Monac.  14,798.  Vgl.  W.  Harster:  Walther  v.  Speier, 
ein  Dichter  des  10.  Jahrhunderts.  Speier  1877.  Beigabe  zum  Jahresbe- 
richt der  K.  Studienanstalt.  Da  ist  nachgewiesen ,  dafs  aus  einer  vielfach 
mifsverständlichen  Bearbeitung  des  griech.  Textes  sich  die  spätere  Form 
der  Legende  entwickelt  hat;  doch  hat  Schönbach,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XXIV, 
Anz.  S.  155 — 172,  Einwendungen  dagegen  erhoben.  Ausgabe  von  Harster 
als  Beigabe  zum  Jahresbericht  1878.  Anz.  v.  Pannenborg,  GGA.  1879, 
No.  20;  von  Nolte,  Zeitschr.  f.  öst.  Gymn.  1879,  XXX,  617  —  629.  Acta 
Graeca,  Anal.  Boll.  I,  121. 

2)  Hieron.  ad  Eustochium,  Opp.  ed.  Vall.  I,  113.  Vgl.  im  allg.  Com- 
paretti,  Virgilio  nel  Medio  Evo  I,  cap.  6. 


Bekämpfung  der  profanen  Studien.  325 

Teufel,  in  der  Hand  ein  Buch,  hinterm  Ohr  die  Feder,  der  ihn 
triumphirend  verhöhnte;  doch  meinte  er,  dafs  man,  wie  für  den 
Ackerbau  den  Dünger,  so  auch  den  Koth  der  heidnischen  Poesie 
mit  Nutzen  verwerthen  könne1).  Notker  dagegen  empfahl  dem 
jungen  Salomo  den  Prudentius:  non  sunt  tibi  necessariae  gentilium 
fabulae2).  Abt  Odo  von  Cluni  wurde  durch  einen  Traum  von  der 
Beschäftigung  mit  Vergil  abgeschreckt3),  und  ebenso  verwarf,  der 
Tendenz  dieser  Congregation  entsprechend,  Majolus  die  einst  auch 
ihm  lieb  gewesenen  Studien4),  und  ähnliches  wird  vom  Abt  Hugo 
berichtet5). 

Auch  Hrotsuit  schrieb  ihre  Dramen  über  Gegenstände  aus  der 
heiligen  Geschichte,  um  den  Terenz  aus  den  Händen  der  Christen 
zu  verdrängen6).  Etwas  später  wurde  der  sterbende  Schüler  Gozo 
von  Dämonen  in  der  Gestalt  des  Turnus  und  Aeneas  beunruhigt7), 
und  als  ein  Mönch  des  Lütticher  Lorenzklosters  mit  seinen  Schülern 
den  Terentius  las,  bemühte  sich  S.  Laurentius  selber,  um  ihn  zu 
züchtigen8). 

Wer  könnte  auch  in  Abrede  stellen,  dafs  in  den  römischen 
Dichtern  vieles  zu  lesen  ist,  was  sich  namentlich  für  Klosterschulen 
nicht  eignet.  Besonders  beliebt  war  Ovid,  und  nach  einigen  Citaten 
könnte  man  sich  versucht  fühlen  anzunehmen,  dafs  seine  Ars  arnandi 
das  gelesenste  Buch  in  den  Klöstern  war,  wobei  jedoch  in  Anschlag 
zu  bringen  ist,  dafs  viele  einzelne  Sentenzen  gelehrt  und  gelernt 
wurden,  ohne  dafs  man  wufste,  woher  sie  stammten.  Doch  war 
auch  die  ganz  übermäfsige  Beschäftigung  mit  der  unübersehlichen 
Fülle  von  Mythen,  um  jede  Anspielung  erklären  zu  können,  für 
Mönche  wenig  förderlich,  und  selbst  Boethius  und  Cicero  stimmten 
nicht  immer  mit  den  Kirchenlehrern  überein.  Sogar  den  Erzbischof 
Bruno    sah     der    Hofcaplan    Poppo    in    einer    Vision    wegen    seiner 


1)  Dümmler,  St.  Gall.  Denkm.  S.  207.     Ermenrici  ep.  p.  29.  31. 

2)  Dümmler,  Formelbuch  S.  73. 

3)  Vita  auct.  Joh.  mon.  I  §  12. 

4)  „Legerat  isdem  vir  Domini  libros  olim  antiquorum  philosophoruin 
Virgiliique  mendacia,  que  nolebat  nee  ipse  jam  audire  nee  alios  legere: 
Sufficiunt,  inquiens,  divini  poetae  vobis,  nee  egetis  luxuriosa  Virgilii  vos 
pollui  faeundia",  Vita  S.  Majori  I,  c.  14. 

5)  R.  Lehmann  über  die  Vitae  Hugonis  S.  48. 

6)  Die  fleifsige  Beschäftigung  mit  Terenz  wird  auch  bezeugt  durch 
das  wunderliche  Gedicht,  welches  Riese  #in  der  Zeitschr.  f.  österr.  Gym- 
nasien 1867,  S.  442 — 446,  e  cod.  saec.  X.  herausgegeben  hat,  und  schon 
1840  Magnin  in  d.  Bibl.  de  FEcole  des  chartes,  I,  524—531. 

7)  Vita  Popponis  c.  32.     MG.  SS.  XT,  314. 

8)  Reineri  Palmarium  Virginale  bei  B.  Pez,  Thes.  IV,  3,  85. 


326  HI-    Ottonen.     §  1.    Allgemeines. 

eifrigen  Beschäftigung  mit  der  Philosophie  verklagt,  aber  S.  Paulus 
trat  für  ihn  ein  *). 

Der  Abt  Smaragdus,  der  819  das  Kloster  Castellio  nach  Saint- 
Mihiel-sur-Meuse  verlegte,  bekämpfte  den  Widerstand  gegen  die 
grammatischen  Studien;  in  seiner  Grammatik  aber  nahm  er  die  Bei- 
spiele aus  kirchlichen  Schriftstellern 2).  Doch  fühlte  man  allgemein, 
dafs  man  die  heidnische  Litteratur  nicht  entbehren  könne,  ohne  in 
Barbarei  zu  verfallen;  Hraban  trat  sehr  entschieden  dafür  ein,  und 
selbst  Anselm  von  Canterbury  (ep.  I,  55)  hat  einem  Mönche  gerathen, 
den  Vergil  zu  lesen.  War  der  geistliche  Stand  einmal  der  allein 
lehrende,  so  mufste  er  auch  diesen  Gefahren  sich  aussetzen.  Nur 
an  einzelnen  Orten  und  bei  einzelnen  Männern  drang  jene  ascetische 
Richtung  durch;  in  den  Schulen  behaupteten  sich  bis  ins  dreizehnte 
Jahrhundert  Vergil  und  Horaz,  Terenz,  Ovid,  Sallust,  und  verlockten 
immer  von  neuem  die  jugendlichen  Gemüther  durch  den  Zauber 
ihrer  Anmuth  von  den  trockneren  Vätern  der  Kirche. 

Die  Gewandtheit  im  Ausdruck,  der  leichte  Flufs  der  lateinischen 
Rede,  im  karolingischen  Jahrhundert  so  allgemein  verbreitet,  waren 
jedoch  in  der  fünfzigjährigen  Unterbrechung  schriftstellerischer  Thä- 
tigkeit  verloren  gegangen;  mit  grofser  Anstrengung  mufste  man 
wieder  von  neuem  beginnen.  Die  mühsam  erworbene  gelehrte  Bil- 
dung ist  fast  überall  kenntlich;  man  war  stolz  auf  die  neue  Kunst 
und  trug  sie  gern  zur  Schau.  Die  schwerfälligen  Phrasen  sind  er- 
füllt von  ungeschickt  eingefügten  Ausdrücken  der  alten  Schriftsteller, 
man  prunkt  gern  mit  Citaten  und  bringt  die  gelehrten  Reminiscenzen 
auch  da  an,  wo  sie  am  wenigsten  passend  sind,  wie  z.  B.  Liud- 
prand  die  Ungern  in  ihrem  Kriegsrath  mit  pedantischer  Affeetation 
griechische  Worte  einmischen  läfst.  Schulmäfsig  gekünstelte  Reden 
sind  besonders  beliebt,  und  nur  zu  häufig  erschwert  der  gesuchte 
Ausdruck  das  Verständnifs  des  Inhaltes.  Aber  die  frische  Lebens- 
kraft, welche  jetzt  wiederum  die  von  jugendlichem  Aufschwung 
erfüllte  Generation  durchdrang,  ist  auch  in  dieser  Vermummung  nicht 
zu  verkennen  3). 

Leicht  genug  scheinen   der  Nonne  Hrotsuit  ihre  Hexameter  ent- 

!)  Thietmari  Chron.  II,  10. 

2)  S.  über  ihn  Haureau,  Smaragdus  (Singularites  p.  100 — 128);  NA. 
IV,  250—253;  Ebert  II,  108—112.  Seine  Gedichte  sind  gedruckt  Poet. 
Lat.  I,  605 — 619;  sie  sind  ausgeschrieben  von  Angelomus,  ib.  II,  675 — 677. 
Die  Vorrede  des  Smaragdus  zu  seiner  Via  regia  ist,  wie  Dümmler  bemerkt, 
gedruckt  bei  Denis,  Codd.  bibl.  pal.  I,  1050. 

3)  Vgl.  über  den  Charakter  der  Litteratur  dieser  Zeit  W.  Giesebrecht, 
Kaiserzeit  I,  309. 


Hof-  und  Klosterpoesie.  327 

strömt  zu  sein,  aber  die  reiche  Fülle  lateinischer  Gelegenheitsdich- 
tung, welche  in  der  karolingischen  Zeit  überall  uns  begegnet,  fehlt 
der  ottonischen.  Wohl  finden  wir  den  Streit  der  Brüder  Otto  I  und 
Heinrich  in  einem  halb  lateinischen,  halb  deutschen  Gedicht  behan- 
delt1), und  auch  die  Schlacht  auf  dem  Lechfeld  verherrlicht2),  beide 
aber  (in  Bezug  auf  das  erste  freilich  jetzt  bezweifelt)  den  Ereig- 
nissen schon  so  fern  stehend,  dafs  wir  hinter  ihnen  uns  eine  Fülle 
deutscher  Lieder  zu  denken  haben,  von  jenen  Mimi  gesungen,  deren 
"Widukind  gedenkt3). 

Wie  nun  unter  den  ersten  Karolingern  die  kräftige  Neugestal- 
tung des  Reiches  naturgemäfs  dahin  geführt  hatte,  die  Begebenheiten 
der  Gegenwart  aufzuzeichnen,  weil  man  wieder  Lust  und  Bedürfnifs 
empfand,  sie  festzuhalten,  so  geschah  es  auch  nach  langer  Pause 
unter  den  Ottonen.  Auch  jetzt  suchte  man  zunächst  die  Zeit- 
geschichte festzuhalten;  die  Weltgeschichte  zu  umfassen,  versuchte 
man  noch  kaum.  Aber  überall  begann  man  um  die  Mitte  des  Jahr- 
hunderts, die  Zeitereignisse  aufzuschreiben.  Beziehungen  zum  kaiser- 
lichen Hofe  wirkten  auch  hier  anregend,  aber  nirgends  erhob  man 
sich  doch  zu  einem  so  klaren  Ueberblicke  der  Verhältnisse,  wie  ihn 
die  karolingischen  Reichsannalen  zeigen;  nur  der  Fortsetzer  des 
Regino  reiht  sich  denselben  an.  Der  Königshof  übte  wieder  einen 
kräftigen  Einflufs,  die  Reichsgeschichte  ist  überall  im  Vordergründe, 
aber  weit  mehr  als  in  karolingischer  Zeit  herrschen  doch  locale  Ge- 
sichtspunkte vor,   und    es  entwickeln    sich  selbständige  Mittelpunkte 


*)  Leich  von  den  beiden  Heinrichen,  ed.  Lachniann  bei  Koepke,  Jahrbb. 
Otto's  I  S.  97.  W.  Wackernagel,  Lesebuch  4.  Aufl.  I,  110.  Müllenhoff  u. 
Scherer  3.  Ausg.  I,  39,  vgl.  II,  99 — 106.  Seelmann  im  Niederd.  Jahrb. 
XII,  75 — 89,  bezieht  es  auf  den  Augsb.  Reichstag  von  952;  Bedenken 
dagegen  von  Steinmeyer  a.  a.  0.  S.  105. 

2)  Modus  Ottinc,  Magnus  caesar,  auch  Otto  II  u.  III  feiernd,  Lachm. 
im  Rhein.  Mus.  III,  432.  Coussemaker,  Hist.  de  l'harm.  106  u.  pl.  VIII,  1. 
Müll.  u.  Scherer  3.  Ausg.  S.  46. 

3)  Ueber  die  lat.  Hof-  u.  Klosterpoesie  vgl.  Wackernagels  LG.  S.  70 
bis  74,  über  "Volkslieder  S.  75.  Ueber  die  modi  des  Cod.  Cantabr.  Bartsch, 
Die  lat.  Sequenzen  des  MA.  S.  145 — 165.  Auf  Heriger  von  Mainz  (913 
bis  926)  Heriger  urbis,  nicht  historisch,  Jaffe  in  d.  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIV, 
455.  Müll.  u.  Scherer,  3.  Aufl.  S.  53.  —  Kirchliche  Lieder  auf  Heinrich  II, 
Lamentemur  u.  Judex  summe,  bei  Jaffe  a.  a.  O.  458 — 461 ;  Summe  Caesar 
NA.  IV,  399.  Anspielungen  auf  Heinrichs  II  Zusammenkunft  mit  K.Robert 
von  Frankreich  im  Ruodlieb,  bei  Grimm  u.  Schm eller,  Lat.  Gedichte 
des  10.  u.  11.  Jahrh.,  vgl.  Giesebr.  II,  624.  Jahrbb.  Heinrichs  II,  II,  225. 
III,  261.  Ausgabe  von  F.  Seiler,  Halle  1882.  Ueber  Ecbasis  captivi 
s.  unten  §  6.  "Verse  auf  Heribert  von  Cöln  zur  kirchlichen  Feier,  doch  noch 
saec.  XI,  Qui  principium  bei  Jaffe  S.  456. 


328  HL    Ottonen.     §  2.    Sachsen. 

gelehrter  Thätigkeit.  Deshalb  betrachten  wir  nach  einander  die 
einzelnen  Reichslande  und  beginnen  mit  demjenigen,  von  welchem 
die  Herrschaft  der  Ottonen  ausging,  mit  Sachsen. 

§  2.     Sachsen.     Corvey. 

Das  Kloster  Corvey,  von  Anfang  an  in  enger  Verbindung  mit 
dem  Hause  der  Ludolfinger  und  ihrer  Gunst  und  ihres  Schutzes  sich 
erfreuend,  hatte  von  der  Ungunst  der  Zeiten  weniger  gelitten  als 
andere  Stifter.  Doch  verschwand  auch  hier  nach  Bovo  II,  mit  Aus- 
nahme der  dürftigen  Annalen1),  jede  Spur  litterarischer  Thätigkeit, 
bis  der  Glanz  von  Otto's  des  Grofsen  Thaten  ein  Geschichtswerk 
aus  diesem  Kloster  hervorrief,  wie  noch  keines  in  Sachsen  ans  Licht 
getreten  war,  dessen  Form  aber  zugleich  einen  bedeutenden  Verfall 
der  grammatischen  Schulbildung  bekundet. 

Widukind. 

Widukindi  Res  gestae  Saxonicae  ed.  Waitz,  MG.  SS.  III,  408  —467.  Bes.  Abdruck,  neue 
Ausg.  1882.  Uebersetzung  von  Schottin,  mit  Einleitung  von  Wattenbach  1852,  1882, 
mit  Nachtr.  1891.  Geschichtschr.  33  (X.  6).  Facs.  d.  Dresd.  Hs.  in  E.  Berners  Gesch. 
d.  Pr.  Staats  I,  1890.  Waitz  in  Schmidts  Zeitschrift  II,  100.  L.  Giesebrecht,  Wend. 
Geschichten  III,  295.  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit  I,  779.  Mauren- 
brecher S.  32—43.  W.  v.  Korvei  (Ottonische  Studien  I)  von  R.  Koepke,  1867.  Vgl. 
Waitz,  GGA.  1867  S.  1429-1438.  Waitz:  Ueber  das  Verhältnis  von  Hrotsuits  Gesta 
Oddonis  zu  Widukind,  Forsch.  IX,  335—342.  Alfred  Kirchhoff:  Ueber  den  Ort  der 
Ungarnschlacht.  Forsch.  XII,  573—592;  Wyneken,  ib.  XXI,  239-250;  Grandaur  zur 
V.  Uldalrici.  Vgl.  auch  Jul.  Voigt,  Die  Pöhlder  Chronik  und  die  in  ihr  enthaltenen 
Kaisersagen,  Diss.  Hai.  1879  (NA.  V.  468).  Zu  I,  12  (Hirmin)  Krause,  NA.  XVI, 
611;  zu  I,  16  O.  v.  Heinemann :  Die  Niederlage  der  Sachsen  durch  die  Normannen 
880,  Mitth.  d.  Vereins  f.  Hamb.  Gesch.  1880,  S.  58-65  (NA.  VI,  203).  Zu  I,  36 
(Lunkini)  Virchow,  Verhandl.  d.  Berl.  Anthropol.  Ges.  1886,  S.  422  ff.  Zu  I,  40 
(Chnuba)  R.  v.  Liliencron,  Der  Runenstein  von  Gottorp,  Kiel  1888  (NA.  XIII,  654). 
Zu  II,  1  (Krönung  Ottos)  Beissel  über  den  Aachener  Königstuhl,  Ann.  d.  Aach.  Ge- 
schichtsvereins, 1888,  S.  14  ff.  Zu  II,  10  (Schöppenkampf)  B.  Simson,  Forsch.  XXV, 
369—373.     Planck,  Münch.  SB.  1886,  S.  155-180. 

Im  Jahre  967,  als  Kaiser  Otto  auf  der  Höhe  seiner  Macht  stand, 
unternahm  es  Widukind,  Mönch  im  Kloster  Corvey,  die  Geschichte 
seines  Volkes  zu  schreiben,  nachdem  er  vorher  sich  mit  der  Be- 
arbeitung von  Heiligenleben  beschäftigt  hatte2).  Dadurch,  so  sagt  er 
selbst,  habe  er  seinem  Berufe  genug  gethan ;  jetzt  erfülle  er  die 
Pflicht  gegen  seinen  Stamm  und  sein  Volk,  indem  er  die  Thaten 
ihrer  Fürsten  niederschreibe.  In  der  Widmung  an  die  Aebtissin  von 
Quedlinburg,  des  Kaisers  Tochter  Mahthild,  bezeichnet  er  genauer 
als  seinen  Gegenstand  die  Thateu  Heinrichs  und  Otto's;  die  Ueber- 

J)  Oben  S.  254.  Durch  ihren  Inhalt  sind  sie  bei  dem  Mangel  anderer 
Nachrichten  wichtig. 

2)  Es  sind  alte  Legenden,  die  er  nur  stilistisch  umformen  konnte.  Er 
muss  sich  also  darin  mehr  zugetraut  haben,  als  wir  ihm  zugestehen  können. 
Leider  sind  sie  nicht  bekannt  und  wir  wissen  also  nicht,  ob  sein  Stil  darin 
nicht  ein  ganz  anderer  war. 


Widukind.  329 

schrift  aber  bezeichnet  sein  Werk  als  die  Geschichte  der  Sachsen. 
Denn  Yolk  und  Herrscher  waren  auf  das  innigste  verbunden,  und 
in  dem  Ruhme  des  Kaisers  fühlte  das  ganze  Yolk  sich  gehoben,  wie 
es  denn  auch  seinen  reichen  Theil  daran  hatte.  Gänzlich  fern  lag 
es  Widukind,  nach  der  Weise  der  Chronisten  an  das  römische  Reich 
anzuknüpfen,  sondern  völlig  dem  Verlaufe  der  geschichtlichen  Ent- 
wicklung entsprechend,  nimmt  er  zum  Ausgangspunkte  seiner  Er- 
zählung die  Urgeschichte  der  Sachsen.  Ihre  alten  Sagen  zeichnet 
er  auf,  und  obgleich  er  es  nicht  lassen  kann,  sie  durch  übel  ange- 
wandte Schulgelehrsamkeit  zu  entstellen,  so  erkennt  man  doch  in 
jedem  Worte  die  Freude  des  Mönches  an  seinen  alten  heidnischen 
Vorfahren,  an  diesem  kraftvollen  Geschlechte,  vor  dem  schon  damals 
die  Franken  sich  fürchteten.  Heiden  freilich  durften  sie  nicht  bleiben, 
und  darum  mufsten  sie  nach  tapferer  Gegenwehr  den  Franken 
unterliegen,  um  durch  die  Taufe  nun  mit  ihnen  ein  Volk  zu  werden. 
Aber  das  Gefühl  der  Unterdrückung  lastet  dennoch  auf  ihnen,  bis 
nun  S.  Veit  zu  ihnen  kommt,  und  mit  ihm  das  Glück,  welches  die 
Westfranken  jetzt  verläfst.  Unter  seinem  Schutze  gedeihen  und 
erstarken  die  Sachsen  und  werden  unter  ihrem  grofsen  König  Heinrich 
aller  übrigen  Völker  und  selbst  der  Franken  Herr;  kein  fremder 
Gebieter  beschränkt  hinfort  ihre  Freiheit. 

Gegen  Otto  erheben  sich  noch  einmal  alle  Stämme,  schon 
schwindet  die  Hoffnung,  dafs  das  Reich  ferner  bei  den  Sachsen 
bleibe,  aber  mit  Gottes  Hülfe  überwindet  Otto  alle  seine  Widersacher, 
er  bändigt  die  Slaven,  die  Ungern,  die  Westfranken,  bringt  auch 
Italien  wieder  ans  Reich,  und  beherrscht  nun,  von  Gott  und  S.  Veit 
beschützt,  mit  seinen  Sachsen  die  Christenheit. 

Durch  diese  durchgehende  Einheit  der  Auffassung  und  durch 
•die  naturfrische  Lebendigkeit  der  Darstellung  hat  das  ganze  Werk 
eine  epische  Färbung;  was  in  der  Ferne  vorgeht,  berührt  Widukind 
nur  kurz,  und  ist  darüber  auch  wenig  genau  unterrichtet,  so  wie 
er  für  die  älteren  Zeiten  freilich  auf  Beda  und  die  Geschichte  der 
Franken  und  Langobarden  hinweist,  auch  Jordanis  über  den  Ur- 
sprung der  Hunnen  ausschreibt,  Einhards  Leben  Karls  benutzt,  aber 
von  ernstlicher  kritischer  Forschung  doch  kaum  eine  Vorstellung 
hat.  Für  näher  liegende  Zeiten  wird  es  ihm  nicht  ganz  an  anna- 
listischen Aufzeichnungen  gefehlt  haben,  an  welche  die  noch  erhal- 
tenen Corveyer  Annalen  anklingen.  Die  Translatio  S.  Viti  kannte 
er,  und  doch  wohl  auch  Bovo's  Werk.  Aber  die  mühsam  und  geist- 
los compilirende  Arbeit  anderer  Chronisten  liegt  seiner  Weise  ganz 
fern.     Dem  Epos  steht   er  auch   darin   nahe,   dafs   er  vorzüglich  bei 


330  HI.    Ottonen.     §  2.    Sachsen. 

der  Schilderung  der  Schlachten  und  anderer  Begebenheiten  verweilt, 
über  ihre  geschichtliche  Verknüpfung  aber  rasch  hinwegeilt.  Die 
Composition  des  Werkes  ist  von  R.  Koepke  genau  untersucht  und 
dargelegt:  recht  deutlich  stellt  sich  daraus  die  ganz  einheitliche 
ursprüngliche  Aufzeichnung  dar,  welche  durch  das  gewissenhafte 
Bestreben,  auch  anderen  Thatsachen  ihre  Stelle  anzuweisen,  zerstückt 
und  oft  unklar  geworden  ist.  Am  auffallendsten  ist  in  solcher  Weise 
die  Schilderung  der  Schlacht  auf  dem  Lechfelde  zerrissen.  In  dem 
Autograph  des  Leo  von  Ostia  sehen  wir  ein  solches  Verfahren  noch 
deutlich  vor  uns,  doch  ist  ohne  Zweifel  Koepke  in  seinen  Folgerungen 
und  Behauptungen  vielfach  zu  weit  gegangen:  an  einen  fertig 
geschriebenen  Entwurf  des  ganzen  Werkes  in  dieser  Weise  ist  gewifs 
nicht  zu  denken.  Eingehend  kritisirt  und  zurückgewiesen  ist  Koepke's 
Hypothese  von  J.  Raase1). 

Einen  seltsamen  Gegensatz  zu  dem  ganz  volksthümlichen  Inhalt 
bildet  der  gesuchte  sallustische  Ausdruck2),  gemischt  mit  den  Worten 
und  Wendungen  der  lateinischen  Bibel.  Mühsam  zieht  er  dem 
widerstrebenden  Gedanken  ein  altrömisches  Kleid  an,  das  oft  nur 
schwer  und  unvollkommen  erkennen  läfst,  was  er  eigentlich  sagen 
will.  Die  Nachahmung  der  antiken  Redeweise  beherrscht  ihn  so 
sehr,  dafs  er  sogar  Heinrich  wie  Otto  nach  dem  Siege  über  die 
Ungern  vom  Heere  als  Imperator  begrüfsen  läfst,  und  Otto  auch  von 
da  an  so  nennt,  die  Kaiserkrönung  in  Rom  aber  ganz  übergeht,  wie 
denn  überhaupt  der  Pabst  in  der  eigentlichen  Geschichtserzählung 
gar  nicht  genannt  wird3). 

Betrachten  wir  Widukinds  Buch  als  eigentliches  Geschichtswerk, 
so  können  wir  nicht  umhin,  es  für  sehr  mangelhaft  zu  erklären; 
seine  Auffassung  der  Dinge  und  namentlich  seines  grofsen  Kaisers 
ist   keineswegs    richtig;    so   wie    der   Kaiser   selbst    den    Standpunkt 

J)  Widukind  von  Korvei,  Rost.  Diss.  1880. 

2)  Dafs  er  auch  Livius  gekannt  habe,  weist  Koepke  S.  175  nach. 
Benutzung  des  Tacitus  u.  a.  sucht  Manitius  nachzuweisen ,  NA.  XI, 
45—90. 

3)  Maurenbrecher  S.  40  bemerkt,  dafs  Widukind  einem  im  Mittelalter 
häufigen  Sprachgebrauch  folgend  unter  Imperator  den  Herrscher  über 
mehrere  Völker  versteht,  weshalb  er  auch  Theuderich  so  nennt,  vgl.  Ann. 
Fuld.  a.  869:  Mon.  Sangall.  II,  11  und  die  Titel  des  angelsächsischen  Königs 
Eadgar,  die  Krönung  Alfons  von  Spanien  1135.  Doch  betrachtet  er  Theu- 
derich ganz  nach  der  Analogie  des  karol.  und  sächs.  Kaiserthums,  und  das 
gänzliche  Schweigen  von  der  Kaiserkrönung  ist  darum  nicht  minder  auf- 
fallend. In  Bezug  auf  sein  Verhalten  zum  Wunderglauben  seiner  Zeit  ist 
zu  bemerken,  dafs  probare  bei  ihm  nicht  billigen,  sondern  erproben 
bedeutet,  und  er  deshalb  über  S.  Wenzels  Wunder  keine  Mifsbilligung, 
sondern  nur  einen  kritischen  Zweifel  ausspricht. 


Widukinds  Sachsengeschichte.  331 

eines  Sachsenfürsten  verliefs,  wurde  er  dadurch  dem  Gesichtskreise 
Widukinds  entrückt.  Obgleich  Mönch,  übersieht  dieser  fast  ganz 
die  so  überaus  wichtige  kirchliche  Wirksamkeit  Otto's,  und  besonders 
auffallend  ist  sein  Schweigen  über  die  Stiftung  des  neuen  Erzbisthums 
in  Magdeburg.  Er  stand  dem  kaiserlichen  Hause  nicht  ganz  ferne, 
wie  seine  Widmung  an  Mahthild  zeigt  —  ein  zwölfjähriges  Mädchen, 
dem  er  fast  ärger  schmeichelt,  als  die  Devotion  gegen  das  Haus  der 
Ottonen  entschuldigen  kann  ' —  und  es  kamen  ihm  gute  Nachrichten 
zu,  aber  er  blieb  doch  als  Mönch  in  seinem  Kloster,  und  war  daher 
nicht  im  Staude,  sich  diejenige  Uebersicht  der  Verhältnisse  zu  ver- 
schaffen, welche  damals  wohl  nur  am  kaiserlichen  Hofe  zu  erlangen 
war.  Deshalb  kann  ich  auch  nicht  der  Auffassung  Koepke's  zu- 
stimmen, welcher  einen  längeren  Aufenthalt  am  Hofe  annimmt,  und 
Erzbischof  Wilhelm  einen  bestimmenden  Einflufs  auf  das  Werk  bei- 
mifst:  wir  müfsten  dann  ganz  andere  Gesichtspunkte  hervortreten 
sehen.  Wohl  hat  er  den  Kaiser  und  seinen  Hof  gesehen,  wenn  sie 
das  heimathliche  Sachsen  aufsuchten,  aber  von  dem,  was  jenseit  der 
sächsischen  Grenze  liegt,  scheint  ihm  aus  eigener  Anschauung  kaum 
etwas  bekannt  zu  sein.  Selbst  in  Magdeburg  mufs  er  ganz  fremd 
gewesen  sein,  da  er  sonst  doch  wohl  nothwendig  für  die  so  wichtige 
Stiftung  der  wendischen  Bisthümer  und  die  viel  bestrittene  Errich- 
tung des  Erzbisthums  einige  Theilnahme  gewonnen  hätte. 

Dafs  Widukind  Hrotsuits  Gedicht  gekannt,  dafs  er  dazu  eine 
Art  von  Ergänzung  hätte  geben  wollen,  ist  ein  Phantasiegebilde  von 
Koepke,  welches  G.  Waitz  hinlänglich  widerlegt  hat. 

Bleibt  nun  auch  Widukind  in  seiner  Darstellung  hinter  dem 
seinem  Gesichtskreis  entrückten  Reich  zurück,  so  verleiht  ihm  da- 
gegen gerade  seine  Einseitigkeit  und  die  lebendige  Wärme  des  Volks- 
bewufstseins  einen  Reiz,  der  den  objectiver  gehaltenen  Annalen  fehlt, 
und  stofflich  betrachtet  sind  seine  Mittheilungen  für  uns  von  dem 
unschätzbarsten  Werthe.  In  allem,  was  ihm  nahe  lag,  zeigt  er  sich 
durchaus  zuverlässig,  unbefangen  und  wahrheitsliebend  in  der  Schil- 
derung der  handelnden  Personen,  und  so  sehr  er  auch  für  das  Otto- 
nische Haus  begeistert  ist,  liegt  eine  absichtliche  Entstellung  der 
Thatsachen  zu  ihren  Gunsten  ihm  jedoch  gänzlich  fern.  Sogar  für 
jene  kühnen  Recken,  die  im  unbändigen  Trotze  lieber  alles  erdulden, 
als  der  Herrschaft  ihres  Vetters  sich  fügen  wollten,  bezeugt  er  eine 
offenbare  Theilnahme,  ja  Vorliebe,  wie  auch  beim  Volke  solche 
Naturen  immer  Anklang  finden;  zuletzt,  wo  er  schon  zum  Schlufs 
eilt  und  selbst  das  Näherliegende  oberflächlich  behandelt,  zieht  ihn 
doch  noch  Wichmanns  Trotz  und  Untergang  übermächtig  an.    Widu- 


332  III.    Ottonen.     §  2.    Sachsen. 

kind  ist  eben  mit  seinen  Vorzügen,  wie  mit  seinen  Mängeln  ein 
ganzer  Sachse  des  zehnten  Jahrhunderts,  und  in  ihm  spiegelt  sich 
die  Natur  seines  Stammes  treu  und  wahr.  Es  konnte  daher  auch 
nicht  fehlen,  dafs  sein  Werk  gern  und  viel  gelesen  wurde;  es  findet 
sich  bei  den  späteren  Schriftstellern  überall  benutzt,  jedoch  seit  dem 
zwölften  Jahrhundert  nicht  mehr  unmittelbar,  sondern  nur  durch  die 
Vermittelung  Ekkehards,  der  es  fast  ganz  in  seine  grofse  Weltchronik 
aufgenommen  hatte1).  Daraus  erklärt  es  sich  wohl,  dafs  uns  nur 
drei  Handschriften  davon  erhalten  sind.  Wie  es  scheint,  enthält 
von  ihnen  die  eine,  jetzt  Dresdener  (A),  das  Werk  in  seiner  ursprüng- 
lichen Gestalt2);  später  hat  Widukind  am  Schlüsse  noch  einiges  in 
loserer  Verknüpfung  hinzugefügt,  den  so  sehr  merkwürdigen  Brief  des 
Kaisers  aus  Capua  und  die  schöne  Schilderung  vom  Tode  der  Königin 
Mahthild  und  von  des  Kaisers  Heimkehr  und  Tod.  Zugleich  ver- 
änderte er  einige  Ausdrücke;  vielleicht  auch  die  Stelle  über  des 
Erzbischofs  Hatto  Nachstellungen  gegen  Heinrich  (I,  22),  in  welcher 
die  Dresdener  Handschrift  von  der  Schuld  des  Erzbischofs  schweigt. 
Doch  ist  auch  möglich,  dafs  vielmehr  in  der  an  Fremde  hinaus- 
gegebenen Abschrift  jene  bedenkliche  Stelle  geändert  war,  denn  sie 
macht  den  Eindruck  einer  Abkürzung,  und  es  sind  Worte  darin, 
welche  nur  durch  die  Vergleichung  mit  Cod.  1  ihre  Erklärung  finden3). 
Die  in  Corvey  gebliebene  Handschrift  wurde  abgeschrieben  (Cod.  1 
in  Montecassino)  und  vielleicht  etwas  später  in  Corvey  interpolirt, 
um  eine  Notiz  über  den  Abt  Bovo  und  eine  ausführliche  Erzählung 
der  beliebten  Volkssage  von  dem  Untergange  des  Grafen  Adalbert 
von  Babenberg  durch  Hatto's  Verrath  anzubringen4).    Doch  schreibt 

x)  Benutzung  durch  Dietrich  von  Niem  zeigt  Lindner,  Forschungen 
XXI,  90. 

2)  Vgl.  über  diese  Handschrift  NA.  II,  450,  und  die  neue  Ausgabe 
von  Waitz. 

3)  Namentlich:  „Hatho  videns  suis  artibus  finem  impositum".  Dafs 
die  Darstellung  der  Dresdener  Handschrift  nicht  in  Widukinds  Stil  ge- 
schrieben wäre,  und  man  deshalb  mit  Waitz  die  Hand  eines  Fremden 
erkennen  müfste,  möchte  ich  nicht  mehr  behaupten.  Auch  Waitz  ist  davon 
zurückgekommen.  Für  die  Halsbandgeschichte  findet  sich  ein  merkwürdiges 
Seitenstück  in  Walkenried,  welches  Leibniz,  Ann.  Imp.  II,  263  erzählt,  und 
in  Konrad  Stolle's  Erfurter  Chronik,  herausgegeben  von  Hesse,  S.  177. 
Zu  I,  12  vgl.  noch  Mich.  Lindener  ed.  Lichtenstein,  S.  130:  „vermeinet 
auch,  unser  Herrgott  hiefs  Herman". 

4)  B.  Simson  bemerkt  hiergegen,  dafs  2  an  mehreren  Stellen  A  näher 
steht,  was  richtig  ist.  Dem  Schreiber  derselben  kann  das  überarbeitete 
Original  selbst  vorgelegen  haben.  Auch  Waitz  bemerkt,  dafs  der  Text  in 
2  besser  sei  als  in  1.  In  der  Oratio  S.  Viti  I,  34  steht  2  dem  Original 
am  nächsten,  3  aber  stimmt  mit  A  und  1.  B.  Simson,  NA.  XII,  597. 
Vgl.  dens.  NA.  XV,  565—575.    Wenn  Giesebrecht  I,  810  Glossen  im  Text 


Herkunft  der  Schwaben.     Ibrahim-ibn-Jaküb.  333 

jetzt  Waitz  auch  diese  Stücke  Widukind  zu.  In  dieser  Gestalt 
findet  sich  das  Werk  in  der  Steinfelder  Handschrift  (Cod.  2,  jetzt 
im  Brit.  Museum  Add.  21109)  und  in  der  Frechtschen  Ausgabe,  und 
so  lag  es  schon  Ekkehard  und  dem  Annalista  Saxo  vor.  Man  möchte 
glauben,  dafs  Widukind  selbst  mancherlei  geändert  und  auf  die 
Ränder  geschrieben  hat,  und  dafs  die  Abschreiber  bald  die  ursprüng- 
liche Schrift  und  bald  die  Aenderungen  und  Zusätze  aufnahmen. 

Die  sagenhafte  Erzählung  Widukinds  von  der  Theilnahme  der 
Sachsen  an  dem  Kampfe  der  Franken  und  Thüringer  ist,  auch  hier 
durch  Ekkehard  vermittelt,  im  zwölften  Jahrhundert  benutzt  worden 
für  die  seltsame  Geschichte  von  der  Herkunft  der  Schwaben, 
in  welcher  an  die  Stelle  der  Sachsen  die  Schwaben  gesetzt  sind, 
die  wegen  Hungersnoth  aus  Schweden  auswanderten.  Diese  von 
Goldast  1604  als  Anonymus  de  Siievorum  origine  zuerst  veröffentlichte 
Fabel,  welche  aber  Spuren  wirklicher  alter  Sage  enthält,  ist  von 
Müllenhoff  nach  einer  ziemlich  gleichzeitigen  Handschrift  neu  heraus- 
gegeben1), der  zugleich  nachgewiesen  hat,  dafs  sie  nur  im  sächsischen 
Schwabengau  an  der  Bode  entstanden  sein  kann,  aber  in  Schwaben 
aufgezeichnet  ist. 

Unerwarteter  Weise  sind  unsere  Nachrichten  über  diese  Zeiten, 
ganz  vorzüglich  aber  über  die  Zustände  der  Wendenländer,  durch 
einen  sehr  werthvollen  Fund  vermehrt  worden,  nämlich  den  in  einem 
arabischen  Sammelwerke  enthaltenen  Bericht  des  Juden  Ibrahim- 
ibn-Jaküb,  d.  i.  auf  deutsch  Abraham  Jakobsen,  über  die 
Slaven.  Er  hat,  wie  er  selbst  erwähnt,  Kaiser  Otto  gesprochen  und 
Gesandte  der  Bulgaren  in  Merseburg  getroffen.  Man  hat  das  auf 
das  Jahr  973  bezogen,  allein  von  Herrn  Kunik  habe  ich  jetzt  erfahren, 
dafs  seiner  Ueberzeugung  nach  Ibrahim  seinen  Bericht  vor  970  abge- 
fafst  hat,  was  allerdings  besser  zu  der  Thatsache  stimmt,  dafs  schon 
971  das  Königthum  der  Bulgaren  sein  Ende  fand.  Eine  Unter- 
suchung über  diesen  Bericht,  in  vielen  Stücken  von  früheren  Deu- 
tungen abweichend,  hat  Fr.  Westberg  verfafst;  dieselbe  ist  aber 
noch  nicht  gedruckt,  und  ich  verdanke  dem  Verf.  die  Mittheilung 
seiner  Resultate  in  der  neuen  Ausgabe  der  Uebersetzung  des  Widu- 
kind2). 

erkennen  will,  so  ist  dagegen  doch  zu  bemerken,  dafs  diese  Stellen  sich 
schon  in  A  finden,  also  älter  sind  als  die  Vollendung  des  Werkes,  und 
deshalb  nur  von  Widukind  selbst  herrühren  könnten. 

1)  Zeitschrift  f.  D.  Alt.  XVII,  57—71  mit  Nachtrag  XIX,  130.  Uebers. 
bei  der  2.  Ausg.  des  Widukind,  S.  131 — 137. 

2)  Da  dieser  Bericht  der  deutschen  Historiographie  fern  liegt,  begnüge 
ich  mich,  auf  meine  Bearbeitung  nach  De  Goeje   zu  verweisen,  hinter  der 


334 


III.    Ottonen.     §  3.    Gandersheim.     Quedlinburg. 


§  3.     Fortsetzung.     Gandersheim.     Quedlinburg. 

Während  die  schwerfällige,  von  Fehlern  keineswegs  freie  Sprache 
Widukinds  von  den  gelehrten  Studien  in  Corvey  eben  kein  günstiges 
Zeugnifs  ablegt,  überrascht  im  Kloster  Gandersheim  die  Nonne 
Hrotsuit,  wie  sie  selbst  übersetzt:  clamor  validus  Gandeshemensis, 
durch  ihre  klassische  Bildung  und  ihre  grofse  Herrschaft  über  die 
Form  des  Ausdruckes;  ihr  bedeutendes  Talent  war  durch  eine  sorg- 
fältige Schulbildung  unter  der  Leitung  der  Rikkardis  entwickelt,  und 
sie  hatte  dann  diese  Studien  unter  der  Leitung  der  Nichte  des 
Kaisers,  Gerberga,  fortgesetzt.  Sie  bearbeitete  verschiedene  Gegen- 
stände aus  der  älteren  Kirchengeschichte  in  metrischer  Form  und 
verfafste  darauf  auch  sechs  Komödien  über  verwandte  Stoffe,  weil 
es  ihr  anstöfsig  war,  dafs  der  leichtfertige  Terenz  überall  mit  so 
grofsem  Vergnügen  gelesen  wurde.  Doch  diese  Seite  ihrer  dich- 
terischen Thätigkeit,  in  anderer  Beziehung  weitaus  die  wichtigste, 
liegt  unserer  Aufgabe  fern. 

In  ähnlicher  Weise  wie  Widukind  wurde  aber  auch  Hrotsuit 
durch  die  glänzenden  Thaten  Otto's  des  Grofsen  der  Geschichte  der 
Gegenwart  zugeführt;  ihre  Aebtissin  Gerberga  (959 — 1001),  Herzog 
Heinrichs  von  Baiern  Tochter,  forderte  sie  auf,  ein  Heldengedicht 
zum  Preise  ihres  Oheims  zu  verfassen1),  welches  dem  Erzbischof  Wil- 
helm von  Mainz,  dem  Sohne   des  Kaisers,  überreicht  werden  sollte. 


Uebersetzung  des  Wid.  (2.  Ausg.)  S.  138 — 147.  Merkwürdig  ist  auch:  Ein 
arabischer  Berichterstatter  aus  dem  10.  oder  11.  Jahrhundert  über  Fulda, 
Schleswig,  Soest,  Paderborn  u.  a.  deutsche  Städte.  Zum  ersten  Mal  aus 
dem  Arab.  übertragen,  komm.  u.  mit  einer  Einleitung  versehen  von  Georg 
Jacob.    Berlin,  Mayer  u.  Müller  1890. 

J)  Hrotsuithae  Carmen  de  gestis  Oddonis  I  imperatoris  ed.  Pertz,  MG. 
SS.  IV,  317 — 335.  Die  Werke  der  Hrotsvitha,  herausgegeben  von  Dr.  K. 
A.  Barack  (mit  Verbesserungen  aus  der  Pommersfelder  Handschrift),  Nürnb. 
1858.  Uebersetzung  der  beiden  historischen  Gedichte  von  Pfund,  1860; 
Geschichtschr.  2.  Ausg.  1888,  Bd.  32  (X,  5).  Vgl.  W.  Giesebrecht,  Gesch. 
d.  Kaiserzeit  I,  780;  Maurenbrecher  S.  57 — 62;  R.  Koepke,  Hrotsuit  von 
Gandersheim,  (Ott.  Studien  II)  1869  mit  Facs.  der  Handschrift.  Auf  der 
Rückseite  des  letzten  Blattes  ist  nach  C.  Hoefler  altglagolitische  Schrift, 
was  in  St.  Emmeram  nicht  auffallen  kann;  Pfeiffers  Germania  XV,  194. 
Vgl.  über  das  Verhältnifs  zu  Widukind  die  oben  S.  328  angeführten  Auf- 
sätze von  Waitz.  Aschbachs  Angriffe  gegen  die  Echtheit  der  Werke 
bedürfen  kaum  der  Erwähnung;  Koepke  hat  endgültig  damit  aufgeräumt, 
wenn  auch  A.  selbst  in  seinem  neuesten  Werke  es  nicht  zugeben  wollte. 
Hugo  Graf  von  Walderdorff  hat  in  den  Verhandlungen  d.  hist.  V.  v.  Ober- 
pfalz u.  Regensb.  XXIX,  16  die  Inhaltsangabe  der  Handschrift  aus  dem 
Catalog  der  Bibl.   v.  St.  Emm.  von  1500  mitgetheilt,   die  wohl   schon  vor 


Hrotsuit  von  Gandersheim.  335 

Im  Jahre  968  war  es  vollendet,  und  die  Dichterin  übersandte  es 
mit  einer  poetischen  Widmung  nicht  nur  dem  jüngeren  Kaiser, 
welcher  ein  Exemplar  davon  verlangt  hatte,  sondern  auch  dem  alten 
Kaiser  selbst.  In  keinem  Buch,  so  sagt  sie,  sei  bisher  derselbe 
Gegenstand  behandelt,  keinem  sei  sie  gefolgt;  es  sind  die  Mitglieder 
der  kaiserlichen  Familie,  welche  ihr  den  Stoff  gegeben  haben,  und 
so  ist  es  denn  nicht  zu  verwundern ,  dafs  verschiedene  Rücksichten 
auf  die  Darstellung  eingewirkt  haben.  Ueber  die  Vergangenheit 
Heinrichs  von  Baiern  konnte  hier  nur  mit  der  äufsersten  Vorsicht 
gesprochen  werden.  Es  war  nur  zu  viel  in  der  kaiserlichen  Familie 
vorgefallen,  dessen  man  ungern  gedachte.  Widukind  hatte  ohne 
Scheu  davon  gesprochen,  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  einige 
ihrer  Aeufserungen  direct  gegen  sein  Geschichtswerk  gerichtet  sind. 
Mit  der  Wahrheit  hat  sie  es  hier  eben  nicht  genau  genommen:  sie 
oder  ihre  Berichterstatter,  deren  abweichenden  Angaben  über  schon 
fernliegende  Dinge  sie  in  gutem  Glauben  trauen  mochte.  Daneben 
aber  gab  es  doch  auch  sonst  des  Stoffes  noch  reichlich  genug,  und 
hier  hat  Hrotsuit  nicht  nur  manches,  wie  namentlich  die  Flucht  der 
Kaiserin  Adelheid,  in  hübscher  und  ansprechender  Weise  behandelt, 
sondern  sie  hat  auch  geschichtlich  wichtige  Thatsachen  und  Um- 
stände aufbewahrt.  Gerade  die  von  Widukind  vernachlässigten  Vor- 
gänge in  Italien  und  die  uns  leider  nicht  erhaltene  Kaiserkrönung 
hat  sie  ausführlich  behandelt.  Die  Familiengeschichte  ist  ihr  die 
Hauptsache,  Schlachten  zu  schildern  weist  sie  ausdrücklich  als  ihr 
nicht  zukommend  ab.  Ausdrücklich  hebt  sie  hervor,  dafs  sie  nur 
wiedergebe,  was  man  ihr  berichtet  habe,  und  wie  in  ihren  übrigen 
Werken,  so  hält  sie  sich  auch  hier  ganz  genau  an  den  ihr  über- 
lieferten Gegenstand,  und  erlaubt  sich  nie,  ihn  der  poetischen  Dar- 
stellung zu  Liebe  umzugestalten.  Die  metrische  Form  bleibt  bei  ihr 
nur  ein  äufserliches  Gewand,  und  wir  können  daher  ihre  Erzählung 
geradezu  als  Geschichtswerk  benutzen.  Um  so  mehr  ist  es  zu 
bedauern,  dafs  etwa  die  Hälfte  ihres  Werkes  verloren  ist,  und  zwar 
gerade  die  so  inhaltreichen  Jahre  953 — 962;  nur  ein  kleines  Bruch- 
stück daraus  ist  vorhanden,  und  keiner  der  uns  bekannten  mittel- 
alterlichen Schriftsteller  hat  ihr  Werk  benutzt. 

Lange  Zeit  hat  Hrotsuit  an  der  Dichtung,  die  ihr  offenbar  grofse 
Mühe   machte,    gearbeitet,    denn   im   Anfang   erwähnt    sie    den    965 

der  Verleihung  an  Celtis  geschrieben  war.  —  M.  Haupt  im  Hermes  VII, 
189  zeigt,  dafs  Hrotsuit  den  Plautus  nicht  gekannt  hat.  Nach  Günther, 
Gesch.  d.  math.  Unterrichts  (1887)  S.  83  ff.  kannte  sie  Boethius  de 
arithmetica. 


336  HI.    Ottoneu.     §  3.    Gandersheim.     Quedlinburg. 

gestorbenen  Erzbischof  Brun  noch  als  lebend.  Bruno  Zint1)  hat  die 
Ansicht  aufgestellt,  dafs  sie,  als  sie  die  Widmungen  an  Gerberga 
und  an  Otto  I  schrieb,  auch  die  Absicht  hatte,  ihr  Werk  in  gleich 
ausführlicher  Weise  bis  zum  Schlufs  zu  führen,  worauf  der  Wortlaut 
allerdings  führt;  später  habe  sie,  als  Otto  II  ein  Exemplar  verlangte, 
die  Darstellung  der  Kaiserzeit  aufgegeben  und  den  summarischen 
Schlufs  hinzugefügt.  In  der  Zwischenzeit  könnte  ihr  Widukind 
bekannt  geworden  sein,  der  bei  der  eigentlichen  Arbeit  ihr  nicht 
vorlag.  Dagegen  tritt  Zint  sehr  bestimmt  für  die  schon  früher  auf- 
gestellte Behauptung  ein,  dafs  Liudprands  Antapodosis  ihr  bekannt 
gewesen  und  von  ihr  benutzt  sei,  und  bringt  dafür  sehr  erhebliche 
Gründe  bei.  Mit  den  von  ihr  in  der  Widmung  gebrauchten  Aus- 
drücken läfst  sich  das  wohl  vereinigen,  da  Liudprands  Werk  doch 
ganz  anderer  Art  war. 

Später  behandelte  Hrotsuit  in  ähnlicher  Weise  auch  die  Anfänge 
ihres  Klosters  und  dessen  Geschichte  bis  zum  Jahre  919,  bis  zum 
Tode  der  Christina,  der  letzten  von  den  drei  Töchtern  Ludolfs, 
welche  nach  einander  dem  Stifte  vorstanden2).  Da  diese  Dichtungen 
sich  von  der  Prosa  fast  nur  durch  die  äufsere  Form  unterscheiden, 
so  lassen  sie  sich  den  später  so  beliebten  Reimchroniken  vergleichen; 
sie  schliefsen  sich  nicht  dem  Epos  Angilberts,  sondern  den  versi- 
ficirten  Annalen  des  sächsischen  Dichters  an. 

Die  Gandersheimer  Nonnen  sind  dem  gewöhnlichen  Geschick 
reicher  und  vornehmer  Stifter  verfallen ;  von  ihren  Studien  ist  nach 
diesen  vielversprechenden  Anfängen  ferner  nicht  die  Rede.  Ueber 
den  Kirchenstreit,  welcher  so  viel  Unruhe  erregte,  haben  wir  der 
Hildesheimer  Darstellung  eine  Gandersheimer  nicht  gegenüber  zu 
stellen.  Yon  der  Aebtissin  Sophie  (1002—1039),  Otto's  II  Tochter, 
heifst  es  zwar  noch : 

Danken,  word  unde  werk  wände  se  all  to  gode, 
Und  er  der  ebtissen  or  nichteln  hode 
Lernde  se  clostertucht  unde  ok  landrecht  darto: 
De  scrift  to  lernde  was  se  vlitich  spade  unde  vro. 
Dat  bok  secht,  dat  se  so  vele  wisheit  konde, 
Dat  se  ok  wolgelarden  meistern  wedderstunde. 


J)  Bruno  Zint:  Ueber  Roswitha's  Carmen  de  gestis  Oddonis,  Königsb. 
Diss.  1875. 

2)  De  primordiis  coenobu  G ander sheimensis.  MG.  SS.  IV,  306 — 317.  Die 
nach  einer  von  Waitz,  Arch.  VIII,  266,  angef.  Notiz  in  Koburg  befindliche 
Copie  habe  ich  dort  vergeblich  gesucht,  dagegen  ein  altes  Verzeichniis 
des  Gandersheimer  Kirchenschatzes  gefunden  und  im  Anz.  d.  Germ.  Mus. 
XX,  345—347  mitgetheilt. 


Eberhart  von  Gandersheim.  337 

Aber  gerade  unter  ihr  scheint  die  Hoffart  dort  eingezogen  zu 
sein.  Das  Buch  war  wohl  sicher  von  keiner  Nonne  verfafst.  Es 
behandelte  die  Stiftung  des  Klosters  und  dessen  Geschichte  bis  zu 
der  Kirchweih  von  1007  und  der  Schenkung  von  Derneburg,  nebst 
der  aufs  engste  damit  verflochtenen,  ja  an  die  Pflege  des  Klosters 
geknüpften  Erhebung  des  Hauses  des  Ludolfinger.  Im  Jahre  993 
war  das  Kloster  abgebrannt;  nach  Beilegung  des  langen  Streites  mit 
dem  Erzbischof  Willegis  wurde  der  Neubau  1007  durch  den  Bischof 
Bernward  von  Hildesheim  eingeweiht,  und  ohne  Zweifel  durch  diese 
Vorgänge  wurde  die  Schrift  veranlafst.  Von  Hrotsuit  scheint  der 
Verfasser  nichts  mehr  gewufst  zu  haben.  Dagegen  benutzte  er 
Widukind,  vorzüglich  für  die  Geschichte  des  Königs  Heinrich ,  und 
verband  damit  eine  schon  sagenhaft  entstellte  Ueberlieferung  vom 
Ungernkrieg.  Die  Aebtissinnen  Gerbirg  und  Sophie  werden  sehr 
verherrlicht,  aber  was  von  ihnen  und  ihrem  Verhältnifs  zum  Kaiser- 
haus berichtet  wird,  trägt  schon  ein  so  sagenhaftes  Gepräge,  dafs 
eine  geraume  Zeit  dazwischen  liegen  mufs.  Erhalten  ist  uns  dieses 
Buch  nicht,  wohl  aber  die  deutsche  Bearbeitung  des  „papen  Eber- 
hart"  von  1216  in  wortreicher  Reimerei1). 

Merkwürdig  ist  vorzüglich,  dafs  uns  hier,  wie  es  nach  der  sorg- 
fältigen Untersuchung  von  Paul  Hasse  scheint,  der  erste  Anfang 
jener  sagenhaften  Ausschmückung  der  Geschichte  entgegentritt,  deren 
wir  noch,  mehrfach  zu  gedenken  haben  werden;  noch  andere  Spuren 
leiten  dabei  gerade  nach  Gandersheim,  und  die  Darstellung  des 
Sieges  über  die  Ungern  in  der  von  Heinrich  von  Herford  benutzten 
Sachsenchronik  ist  mit  dem  Bericht  bei  Eberhart  verwandt2). 

In  der  Zeit  der  Ottonen  scheinen  auch  andere  Frauenklöster 
Sachsens  hinter  Gandersheim  an  gelehrter  Bildung  nicht  zurück- 
geblieben zu  sein,  wenn  auch  gerade  keine  Hrotsuit  ihnen  einen  so 
hohen  Ruhm  vor  der  Welt  verlieh,  wie  Gandersheim.  Der  Hazecha 
von  Quedlinburg  gedachten  wir  schon  oben  (S.  321).  Nicht  leicht 
traten  die  Nonnen  als  Schriftstellerinnen  auf,  aber  auch  die  Bildung 
der  Priester,  welche  wie  Agius  dem  Stifte  nahe  standen  oder  auch 
dem  Kloster  selbst  angehörten,  erlaubt  einen  vortheilhaften  Schlufs 
auf  den  Zustand  der  Klosterschule. 

Herford  hatten  wir  schon  früher  (S.  253)  zu  erwähnen  wegen 

1)  Eberhards  Reimchronik  von  Gandersheim,  neue  Ausg.  von  L.  Weiland, 
MG.  Deutsche  Chroniken  II,  385—429.  Vgl.  P.  Hasse:  Die  Reimchronik 
des  Eberhard  von  Gandersheim,  Diss.  Gott.  1872. 

2)  Nicht  daraus  abzuleiten,  s.  Waitz,  Jahrbb.  unter  Heinrich  I,  3.  Ausg. 
S.  259. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  22 


338  HI«    Ottonen.     §  3.    Gandersheim.    Quedlinburg. 

der  Uebertragung  der  heiligen  Pusinna.  Hier  ward  Hathumod  er- 
zogen, und  es  wird  von  Agius  gerühmt.  Hier  wurde  auch  die  Königin 
Mahthild  unter  der  Aufsicht  ihrer  gleichnamigen  Grofsmutter,  der 
Aebtissin  des  Klosters,  erzogen  und  unterrichtet.  Als  Witwe  stiftete 
die  Königin  das  Kloster  Nordhausen,  und  hier  wurde  im  nächsten 
Jahrzehnt  nach  ihrem  Tode  (28.  Febr.  968)  ihr  Leben  beschrieben, 
entweder  von  einer  Nonne  des  Stiftes  oder  von  einem  Priester,  der 
ihr  nahe  gestanden  hatte  und  von  der  Aebtissin  Ricburg  die  übrigen 
Nachrichten  erfuhr.  An  den  Kaiser  Otto  II  ist  es  gerichtet  und 
natürlich  ganz  panegyrischer  Art.  Auch  die  Form  ist  ungeschickt, 
aber  in  dieser  Zeit  war  es  noch  ein  nicht  häufiges  Verdienst,  über- 
haupt schreiben  zu  können.  Der  Inhalt  genügt  freilich  unseren 
Wünschen  bei  weitem  nicht;  die  gewöhnlichen  Schilderungen  klöster- 
licher Frömmigkeit  nehmen  den  gröfsten  Raum  ein,  und  wie  Einhard 
die  Worte  Suetons  benutzt  hat,  um  den  Kaiser  Karl  zu  schildern, 
so  finden  wir  hier  ganze  Stellen  aus  Sulpicius  Severus  und  aus  dem 
Leben  der  Radegunde  angewandt.  Herzog  Heinrich  ist  von  Jaffe 
entlarvt  als  der  Pamphilus  aus  Terenz  Andria1).  Das  Formelhafte 
dieser  Lobpreisungen  tritt  dadurch  hier  noch  mehr  als  sonst  hervor, 
und  an  einer  Stelle  ist  sogar  die  Geschichte  selbst  dadurch  sehr 
wesentlich  berührt  worden,  indem  Otto  I  eine  gewaltsame  Thron- 
besteigung zum  Vorwurf  gemacht  wird.  Diese  Behauptung,  welche 
früher  einigen  Anstofs  erregt  hatte,  wird  nun  niemand  mehr  irren, 
seitdem  Jaffe,  der  jene  fremden  Federn  überhaupt  zuerst  entdeckte, 
hier  eine  Stelle  des  Sulpicius  Severus  nachgewiesen  hat,  welche  den 
Kaiser  Maximus  angeht.  Seitdem  hat  nun  H.  Heerwagen  auch  noch 
die  Plünderung  der  Vita  S.  Gertrudis  ans  Licht  gebracht,  und  da- 
durch Koepke's  Ansicht  von  einer  Benutzung  des  Widukind  in  dieser 
Biographie  die  letzte  Stütze  entzogen.  Er  hat  zugleich  auf  die  zahl- 
reichen Fragmente  von  Hexametern  hingewiesen,  welche  bedeutende 
Vertrautheit  mit  alten  Dichtern  zeigen,  während  dagegen  der  von 
Loeher  angeregte  Gedanke  an  eine  ursprünglich  metrische  Bearbeitung 
durch  die  musivische  Zusammensetzung  mit  jenen  Plagiaten  un- 
möglich wird2). 

Dennoch  gewährt  uns  diese  Schrift  einige  schätzbare  Nach- 
richten,  und   es   ist  deshalb    sehr   erfreulich ,    dafs  R.  Koepke   sie  in 

1)  Forschungen  IX,  343—345. 

2)  Heerwagen:  Einige  Bemerkungen  zu  den  beiden  Lebensbeschrei- 
bungen der  Königin  Mathilde,  Forschungen  VIII,  367 — 384.  Sehr  beach- 
tenswerth  für  die  schablonenmäfsige  Natur  der  Legenden  überhaupt,  und 
zur  Warnung,  dafs  man  auf  die  stereotypen  Wendungen  derselben  kein 
Gewicht  zu  legen  hat. 


Leben  der  Königin  Mathilde.  339 

einer  Göttinger  Handschrift  entdeckte1).  Früher  kannte  man  nur 
eine  spätere  Ueberarbeitung  derselben,  deren  Verfasser,  ebenfalls 
dem  Kloster  Nordhausen  nahestehend,  das  "Werk  stilistisch  umformte 
und  manches  veränderte,  namentlich  Heinrich  von  Baiern,  Mahthilds 
Lieblingssohn,  ungebührlich  hervorhob,  dem  Enkel  desselben,  Hein- 
rich II,  zu  Liebe,  welcher  ihm  diese  Arbeit  aufgetragen  hatte2). 
Dafs  hierzu  Gumpolds  Wenzellegende  benutzt  war,  hat  zuerst  Loeher 
bemerkt,  der  jedoch  eine  gemeinsame  Quelle  annahm;  R.  Koepke 
hat  das  richtige  Yerhältnifs  festgestellt.  Die  genaueste  und  sehr 
lehrreiche  Analyse  der  ganzen  Vita  hat  aber  Heerwagen  ange- 
stellt. Die  Bildung  ist  inzwischen  schon  bedeutend  mehr  clerical 
geworden;  nicht  mehr  vergilische  Anklänge  herrschen  hier,  sondern 
die  kirchliche  Reimprosa  des  Chorgesangs.  Der  Ausdruck  ist  geglättet, 
und  die  wörtlichen  Entlehnungen  sind  mehr  verwaschen,  dafür  aber 
andere  dazugekommen,  und  wieder  ist  es  derselbe  gelehrte  Apparat, 
vermehrt  jedoch  durch  Sedulius  (ep.  ad  Macedonium),  mit  welchem 
auch  der  Ueberarbeiter  wirthschaftet.  Recht  lebhaft  tritt  uns  hier 
entgegen,  wie  frei  für  kirchliche  Zwecke  und  zur  verzierenden  Aus- 
schmückung die  Ueberlieferung  behandelt  und  wie  bereitwillig  der 
Schmeichelei  für  das  regierende  Haus  die  Wahrheit  geopfert  wird. 
Den  Anspruch  auf  geschichtliche  Glaubwürdigkeit  hat  diese  jüngere 
Vita  vollständig  eingebüfst. 

Bedeutender  als  Herford  und  Nordhausen  tritt  Quedlinburg 
hervor,  ebenfalls  eine  Stiftung  der  Königin  Mahthild;  die  erste  Aeb- 
tissin  (966 — 999)  war  ihre  Enkelin  gleiches  Namens,  die  Tochter 
Otto's  des  Grofsen,  welcher  Widukind  seine  Geschichte  widmete. 
Hier  wurde  die  Pfalzgräfin  Agnes  erzogen,  und  auch  der  Bischof 
Thietmar  von  Merseburg   hat   hier   seine  ersten  Jugendjahre  verlebt, 

1)  Vita  Mahthildis  antiquior  ed.  Koepke,  MG.  SS.  X,  575—582;  vgl. 
G.  Waitz  in  den  Goett.  Nachrichten  1852,  N.  13.  Giesebrecht,  Geschichte 
der  Kaiserzeit,  I,  782 — 784.  835.  Uebersetzung  von  Jaffe  1858,  wo  die 
fremden  Federn  des  Verfassers  zuerst  bemerkt  und  nachgewiesen  sind; 
2.  A.  1891,  Geschichtschr.  Bd.  31  (X,  4).  R.  Koepke,  Forsch.  VI,  147 
bis  171  verficht  seine  Ansicht,  dafs  der  Verf.  unter  Otto  III  schrieb.  Ver- 
besserungen des  Textes  von  Heerwagen,  Forsch.  VIII,  382;  aus  der  Hand- 
schrift von  Jaffe,  Forsch.  IX,  344.  Vgl.  auch  Wilmans,  Kaiserurkk. 
S.  439  ff.  über  das  Stift  Enger. 

2)  Vita  Mahthildis  reginae  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  283—302.  Daraus 
Migne  CXXXV.  Varianten  der  älteren  und  besseren  Düsseldorfer  Hand- 
schrift giebt  B.  Simson  im  Archiv  f.  Gesch.  d.  Niederrheins  VII,  159 — 163. 
R.  Koepke,  Forsch.  VI,  170,  setzt  die  Abfassung  in  das  erste  Jahr  Hein- 
richs II.  Ranke,  Weitgesch.  VIII,  S.  628—634,  legt  den  Angaben  der 
jüngeren  Vita  über  Heinrichs  Anspruch  auf  die  Krone  grössere  Bedeutung 
bei,  als  ihnen  m.  E.  Widukind  gegenüber  zukommt. 

22* 


340  IH-    Ottonen.     §  3.    Gandersheim.    Quedlinburg. 

wie  denn  häufig  in  damaliger  Zeit  zum  geistlichen  Stande  bestimmte 
Knaben  die  Anfänge  des  Unterrichts  von  den  Frauen  ihrer  Familie 
erhielten1).  Wir  haben  schon  oben  (S.  321)  der  gelehrten  Nonne 
Hazecha  gedacht,  von  welcher  es  fast  den  Anschein  hat,  als  ob  sie 
der  Studien  wegen  sich  in  Speier  aufgehalten  habe. 

Die  bedeutende  Stellung,  welche  die  Aebtissin  von  Quedlinburg 
im  Reiche  einnahm,  besonders  als  Otto  III  ihr  während  seines  Römer- 
zuges die  Verwaltung  der  Geschäfte  übertrug,  konnte  nicht  fehlen, 
hier  das  Bedürfnifs  nach  geschichtlichen  Aufzeichnungen  hervorzu- 
rufen, so  wie  an  Nachrichten  hier  kein  Mangel  sein  konnte. 

Verschiedene  Jahrbücher  hatte  man  zu  diesem  Zwecke  zur  Ver- 
fügung; als  bequemste  Grundlage  aber  erwählte  man  die  Hersfelder 
Annalen.  Diese  sind  uns  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  nicht 
erhalten,  aber,  während  locale  Nachrichten  die  Herkunft  feststellen, 
durch  wörtliche  Uebereinstimmung  als  gemeinsame  Quelle  zu  erkennen 
.bei  dem  Hersfelder  Mönch  Lambert,  in  den  Annalen  von  Hildesheim, 
Quedlinburg  und  Weifsenburg,  welche  deshalb  von  Pertz  bis  984 
neben  einander  abgedruckt  sind2).  Als  fünftes  Exemplar  kommen 
die  sog.  Annalen  von  Ottobeuern  hinzu,  welche  hessischer  Herkunft 
sind;  als  sechstes  die  Altaicher.  In  den  Annalen  von  Fulda  (S.  Bonifacii), 
Lobbes,  Ellwangen,  Münster  im  Gregorienthai,  bei  Marianus  Scotus, 
beschränkt  sich  die  Uebereinstimmung  auf  den  fast  werthlosen  älteren 
Theil  und  wird  nur  auf  Benutzung  derselben  Fulder  Grundlage 
beruhen,  deren  wir  oben  (S.  241)  gedachten. 

Wie  man  nun  auf  Grundlage  dieser  Compilation,  nebst  einigen 
Notizen  ans  älterer  Zeit,  die  am  Rande  der  Ostertafel  vorhanden 
sein  mochten,  sie  fortsetzend  das  so  weit  verbreitete  Annalenwerk 
aufgebaut  hat,  das  ist  eine  schwierige  Frage,  welche  den  Scharfsinn 

x)  Auch  der  Pole  Sbignew  wurde  um  1090  (adultus  iam  aetate)  von 
der  Herzogin  Judith,  seiner  Stiefmutter,  nach  Sachsen  geschickt,  um  in 
einem  Nonnenkloster  seinen  Unterricht  zu  erhalten.  Chron.  Pol.  II,  4, 
SS.  IX,  446. 

2)  MG.  SS.  III,  22-66.  Vgl.  Waitz  im  Archiv  VI,  663—688.  In 
Weifsenburg  schliefst  sich  eine  selbständige  locale  Fortsetzung  985—1075. 
1087.  1147.  an,  S.  70—72.  Andere  kurze  Ann.  Wetssenburgenses  763—846, 
MG.  I,  111  aus  dem  Cod.  Weissenb.  81  in  Wolfenbüttel,  aber  ohne  Be- 
ziehung auf  das  Kloster,  dagegen  mit  Hervorhebung  des  B.  Drogo  von 
Metz.  Berichtigungen  von  Mone  nebst  kalendarischen  Weifsenburger 
Nachrichten  aus  derselben  Handschrift  in  der  Zeitschrift  für  Geschichte 
des  Oberrh.  XIII,  492.  Catal.  abb.  SS.  XIII,  319.  Bücherverzeichnifs  unter 
Abt  Folmar  (f  1043)  e  cod.  Weifs.  30  bei  Knittel,  Ulphilae  Fragmenta 
p.  243 — 245;  der  ausgeliehenen  p.  246  e  cod.  35;  dieses  berichtigt  bei 
Kelle,  Otfrid,  II,  p.  XVI.  Becker,  Catalogi  S.  37  u.  133.  Recht  unbe- 
holfene Schulverse  aus  Weifsenburg  saec.  X.  hat  Dümmler  herausgegeben^ 
Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIX,  115-118. 


Annalen  von  Quedlinburg  u.  Hersfeld.  341 

mehrerer  Forscher  beschäftigt  hat,  unter  denen  ich  nur  Ehrenfeuchter 
in  seiner  Dissertation  über  die  Annalen  von  Nieder-Altaich  (1870) 
nenne.  Genaueren  Nachweis  findet  man  in  den  gründlichen  und 
sorgfältigen  Untersuchungen  von  Hermann  Lorenz1)  und  Friedrich 
Kurze2).  Begonnen  sind  sie  nach  diesem  kaum  vor  955  und  im 
Anfang  aus  den  Annalen  von  Corvey,  Regino  und  dessen  Fortsetzung 
geschöpft,  sehr  dürftig,  doch  finden  sich  hin  und  wieder,  und  besonders 
um  die  Mitte  des  zehnten  Jahrhunderts,  neben  localen  Notizen  auch 
nicht  unwichtige  Nachrichten;  von  960  bis  973  ist  die  Erzählung 
gleichzeitig  und  ausführlicher  als  vorher. 

So  weit  stimmen  alle  Ableitungen  überein,  doch  ist  unverkennbar, 
dafs  den  Hildesheimer  und  Quedlinburger  Jahrbüchern  die  vollstän- 
dige Urform,  den  übrigen  Ableitungen  eine  abgekürzte  Form  zu 
Grunde  liegt. 

Von  hier  an  nahm  man  bisher  zwei  ganz  verschiedene  Fort- 
setzungen an,  eine  in  Hersfeld  geschriebene  bis  984,  und  eine  davon 
verschiedene  Hildesheimer,  allein  F.  Kurze  hält  beide  für  identisch 
und  hat  (S.  13 — 25)  den  Versuch  gemacht,  den  gemeinsamen  Ursprung 
der  Nachrichten  nachzuweisen,  welche  in  diesem  Theile  besonders 
ausführlich  und  werthvoll,  auch  in  den  Altaicher  Annalen  am  besten, 
wenn  auch  stilistisch  aufgeputzt,  uns  erhalten  sind.  Hier  endeten 
die  originalen  Hersfelder  Aufzeichnungen,  vielleicht,  wie  Kurze  ver- 
muthet,  in  Folge  von  des  Abtes  Gozbert  (970 — 984)  Rücktritt.  Von 
ihm  rühmt  Lambert  in  seiner  Geschichte  von  Hersfeld,  dafs  er  das 
Stift  mit  vielen  Büchern  bereichert  habe,  und  schildert  dann  die 
Verwilderung  unter  seinem  Nachfolger.  Dagegen  beginnen  jetzt  die 
Hildesheimer  Eintragungen,  welche  um  1040  von  einem  Hersfelder 
Epitomator  in  einen  Auszug  gebracht,  den  originalen  Annalen  an- 
gehängt, und  mit  ihnen  von  Lambert  und  den  Urhebern  der  Alt- 
aicher und  Ottobeuerer  Annalen  benutzt  sind. 

Aufser  diesen  Annalen  sind  in  Hersfeld  auch  im  Anfang  der 
Regierung  Otto's  I  Wunder  des  h.  Wigbert  aufgezeichnet  worden, 
welche  für  Heinrichs  I  Zeit  einige  Bedeutung  haben3). 

Jene  Annalen  nun  wurden  in  Quedlinburg  als  Grundlage  einer 
Compilation  benutzt,  welche  durch  andere  Materialien  aus  den  Ein- 

1)  Die  Annalen  v.  Hersfeld,  Leipz.  Diss.  1885.  S.  83—103  Herstellung 
der  Annalen  von  708—973;  S.  104—105  von  974—984. 

2)  Die  Hersfelder  und  die  gröfseren  Hildesheimer  Jahrbücher.  Progr. 
d.  Gymn.  zu  Stralsund  1892. 

3)  Excerpta  ed.  G.  Waitz,  MG.  SS.  IV,  224—228.  Berichtigung  in 
Bezug  auf  den  Abt  Megingoz,  der  schon  935  sein  Amt  niedergelegt  hat, 
bei  H.  Lorenz  S.  55. 


342  HI.    Ottonen.     §  3.    Gandersheim.    Quedlinburg. 

hardschen  Annalen,  den  Corvever  und  Reichenauer,  Notizen  aus 
Gandersheim  und  von  781  an  aus  einer  verlorenen  Halberstädter 
Chronik  vermehrt  und  bereichert  wurden  !);  den  Eingang  bildete  hier, 
wie  bei  Lambert,  ein  mageres  Excerpt  der  Weltgeschichte,  welche 
am  Anfang  der  Hersfelder  Annalen  stand :  von  708  an  beginnt  erst 
die  annalistische  Form.  So  wurde,  als  Heinrich  II  schon  König  war 
und  Otto's  III  Schwester  Adalheid  dem  Stifte  vorstand,  eine  Com- 
pilation  verfertigt,  welche  unter  dem  Namen  Quedlinburger 
Annalen   noch  zum  Theil  erhalten  ist2). 

Der  Verfasser  wird  einer  der  zahlreichen  Geistlichen  gewesen 
sein,  welche  den  Gottesdienst  versahen  oder  als  Kapläne  der  Aeb- 
tissin  zur  Seite  standen.  Ihm  lagen,  als  er  seine  Arbeit  unternahm, 
die  Thaten  der  Frankenkönige  und  Einhards  Leben  Karls  vor;  auch 
Widukinds  Werk  kann  ihm  nicht  unbekannt  gewesen  sein.  Allein 
er  machte  keinen  Versuch,  nach  der  Weise  dieser  Vorgänger  die 
Geschichte  der  Vorzeit  darzustellen,  sondern  schlofs  sich  einfach  der 
bequemen  Form  der  Hersfelder  Annalen  an,  von  welchen  er  ein 
Exemplar  mit  der  Fortsetzung  bis  990  besafs.  Diese  excerpirte  er 
in  sehr  roher  Weise,  und  vermehrte  sie  wiederum  mit  zahlreichen 
Zusätzen,  aber  es  kam  ihm  doch  nicht  in  den  Sinn,  auch  eine  inner- 
liche  Verknüpfung  zu  erstreben. 

Auch  hier  finden  wir  Stücke  aus  der  alten  Heldensage,  die  zum 
Theil  mit  Widukinds  Erzählung  übereinstimmen,  aber  sie  sind  hier 
nur  ganz  äufserlich  eingeschoben.  Es  fällt  darunter  vorzüglich  (S.  31) 
eine  Bemerkung  über  Dietrich  von  Bern  auf,  de  quo  cantabant  rustici 
olim,  was  zum  elften  Jahrhundert  schlecht  pafst,  und  eine  lange  Er- 
zählung vom  Thüringerkriege,  welche  ganz  aus  dem  Charakter  des 
übrigen  Werkes  heraustritt.  Hiervon  hat  nun  L.  Hoifmann3)  nach- 
gewiesen, dafs  weder  Ekkehard  noch  der  Sächsische  Annalist  und 
Chronograph  sie  in  ihrem  Exemplar  gelesen  haben,  dafs  dagegen  der 
Verfasser  des  Chronicon  ducum  Brunsvicensium  sie  gekannt  hat. 
Wenn  nun,  wie  man  vermuthet,  dieser  sie  aus  den  Nienburger  An- 
nalen  entnommen   hat,   so   mufs    sie   im   12.  Jahrhundert  vorhanden 

0  S.  Lorenz  S.  26—32. 

2)  MG.  SS.  III,  22—90.  Es  gibt  nur  eine  Hs.  aus  dem  16.  Jahrh. 
mit  Lücken  von  875 — 909  u.  von  962 — 983.  Uebersetzt  (von  984  an)  von 
Ed.  Winkelmann,  1862;  2.  Aufl.  1891,  Geschichtschr.  Bd.  36  (X,  9).  Vgl. 
Lappenberg  im  Archiv  VI,  635—653.  Waitz  S.  686—688.  _  W.  v.  Giese- 
brecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit  I,  784.  II,  557.  Sprachliche  Anklänge 
NA.  XII,  592. 

3)  Jahresbericht  über  die  höhere  Bürgerschule  zu  Rathenow  (1872): 
Zur  Geschichte  des  alten  Thüringerreiches.  Von  Dr.  L.  Hoffmann.  Üebers. 
dieses  Stücks  in  der  2.  Ausg.  des  Widukind,  S.  127 — 130. 


Die  Quedlinburger  Annalen.  343 

gewesen  sein.  Aber  zum  ursprünglichen  "Werke  gehört  sie  nicht,  und 
die  Bemerkung  über  Thiderik  von  Berne  ist  ein  noch  viel  späterer 
Zusatz 1). 

Gewifs  fehlte  es  in  Quedlinburg  nicht  an  Hülfsmitteln,  um 
besseres  zu  leisten,  aber  vielleicht  eben  deshalb  und  weil  der  Ver- 
fasser gar  nicht  daran  dachte,  die  ausführlicheren  Werke  über  die  Vor- 
zeit durch  das  seinige  ersetzen  zu  wollen,  begnügte  er  sich  mit  dem 
dürftigsten  annalistischen  Gerippe,  welches  ihm  diente,  um  nach 
Bedürfnifs  hier  und  da  Bemerkungen  und  Zusätze  einzutragen.  Mit 
Heinrichs  I  Zeit  werden  die  selbständigen  Eintragungen  häufiger2), 
durchweg  panegyrisch  für  die  Ludolfinger;  nach  einer  Lücke  von 
961 — 983,  die  sich  aus  dem  späteren  sächsischen  Chronographen 
zum  Theil  ergänzen  läfst,  finden  wir  den  Verfasser  schon  993  als 
Augenzeugen  redend,  und  von  da  an  beginnt  nun  eine  sehr  aus- 
führliche Geschichtserzählung,  die  von  Jahr  zu  Jahr  fortschreitet, 
und  wenn  nicht  immer  gleichzeitig,  so  doch  nicht  sehr  fern  von  den 
Ereignissen  aufgezeichnet  ist.  Von  1004  an  tritt  eine  lebhafte  Ab- 
neigung gegen  Heinrich  II  hervor,  welche  sich  vorzüglich  an  seine 
rücksichtslose  Klosterreform  anknüpft;  noch  bis  in  den  Anfang  von 
1016  scheint  dieselbe  völlig  gleichzeitige  Hand  kenntlich  zu  sein. 
Der  weitere  Fortsetzer  aber  ist  ein  eifriger  Bewunderer  des  Kaisers ; 
die  nächsten  Jahre  sind  weit  kürzer  und  nicht  fehlerfrei,  wohl  nach- 
träglich ergänzt  von  demselben ,  welcher  1020  mit  breitem  pomp- 
haften Redeflufs  fortfährt3). 

Vieles  erinnert  in  diesen  Jahrbüchern  an  die  alten  Reichsanna- 
len,  allein  es  fehlt  doch  die  gleichmäfsige  Einheit,  es  fehlt  auch 
der  umfassende  Ueberblick  über  das  ganze  Reich.  Wenn  man  auch 
die  Beziehung  der  fürstlichen  Aebtissin  zum  Kaiserhofe  wahrnimmt 
an  der  zuverlässigen  Kunde  von  entfernten  Ereignissen,  so  überwiegt 
doch  das  Interesse  für  die  nähere  Umgebung,  namentlich  die  Kämpfe 
mit  den  Slaven,  und  die  unbedeutendsten  localen  Vorfälle  treten 
ohne  Unterscheidung  zwischen  die  grofsen  geschichtlichen  Begeben- 

2)  Gegen  den  Widerspruch  von  H.  Lorenz,  Germania  XIX  (1886) 
S.  137—150,  s.  NA.  XII,  428. 

2)  Nach  H.  Detmer,  Otto  II  bis  zum  Tode  seines  Vaters,  Leipz.  Diss. 
1878,  Excurs,  beginnen  aus  Quedlinburg  selbst  stammende  Notizen  nicht 
vor  913,  und  können  nicht  vor  967  (Kaiserkrönung  Otto's  II)  geschrieben 
sein.     Jahresbericht  f.  Geschichtswissenschaft  I,  138. 

3)  Ich  folge  hier  jetzt  der  gegen  H.  Pabst  zu  Hirsch's  Heinrich  II,  II, 
443 — 449  gerichteten  Ausführung  von  Usinger,  Forsch.  IX,  346 — 360.  Der 
Text  von  1014  und  1015  ist  S.  351  in  Ordnung  gebracht  mit  Hülfe  des 
Chronogr.  Saxo,  und  mit  Hinweis  auf  Zeifsberg:  Die  Kriege  Heinrichs  II 
mit  Bol.  von  Polen,  SB.  LVI1,  397. 


344  HI.    Ottonen.     §  3.    Gandersheim.    Quedlinburg. 

Leiten.  Zugleich  artet  die  Sprache  häufig  in  unerträgliche  Schwül- 
stigkeit aus,  wodurch  vollends  alles  Ebenmafs  verloren  geht.  Doch 
müssen  wir  diese  Jahrbücher  zu  den  bedeutenderen  Erscheinungen 
der  Historiographie  zählen,  und  sachlich  sind  sie  vom  höchsten 
Werthe,  ihr  plötzliches  Abbrechen  mit  dem  Jahre  1025  läfst  eine 
sehr  empfindliche  Lücke  zurück.  Ob  sie  viel  weiter  gereicht  haben, 
ist  sehr  zweifelhaft1);  uns  ist  nur  eine  Abschrift  aus  später  Zeit  er- 
halten, und  der  gänzliche  Verlust,  der  hier  so  leicht  erfolgen  konnte, 
legt  den  Gedanken  nahe,  wie  manche  andere  Aufzeichnung  der 
Art  spurlos  verschwunden  sein  mag.  Namentlich  läfst  sich  das 
mit  Sicherheit  von  Halberstadt  annehmen,  wo  gewifs  auch  ge- 
schichtliches geschrieben  wurde.  Hier  war  840  bis  853  Haimo 
Bischof,  ein  Schüler  Alcuins,  Hrabans  Freund,  ein  sehr  gelehrter 
und  fruchtbarer  theologischer  Schriftsteller,  der  unter  anderm  aus 
Rufins  Kirchengeschichte  einen  Auszug  in  zehn  Büchern  verfafste; 
doch  ist  es  zweifelhaft,  ob  diese  Schriften  ihm  mit  Recht  zuge- 
schrieben werden2).  Von  ihm  gab  es  eine  Biographie,  aber  leider 
ist  nur  ein  kleines  Fragment  davon  erhalten 3).  Der  Verfasser, 
Rochus,  war  jedoch  Mönch  im  Kloster  Ilsenburg,  welches  erst  998 
gegründet  ist,  und  schrieb  also  mindestens  anderthalb  Jahrhunderte 
nach  dem  Tode  des  Bischofs.  Auf  den  wegen  seiner  Frömmigkeit 
sehr  verehrten  Bischof  Bernhard  (924  bis  968)  folgte  (968  bis  996) 
Hildeward,  welcher  in  St.  Gallen  höhere  wissenschaftliche  Aus- 
bildung erhalten  hatte.  Wir  besitzen  von  ihm  einen  Brief  an  den 
Bischof  Adalbero  II  von  Metz  (984  bis  1005)4),  worin  er,  eingedenk 
der  mit  seinem  Vorfahr  Dietrich  geschlossenen  Verbrüderung,  ihm 
ein  Buch,  um  welches  er  gebeten  hatte,  überläfst,  zugleich  aber 
bittet  um  ein  Theilchen  von  dem  Blute  des  h.  Stephan,  und  um 
Reliquien  der  h.  Glodesinde  „quatenus  pietas  divina,  quae  aliis  in 
Gallia  Hunorum  devastatione  pereuntibus  vestram  horum  interventu 
civitatem  protexit,  nos  etiam  eorundem  precibus  a  prevalidis  Scla- 
vorum,  quibus  undique  premimur,  infestationibus  omnibusque  periculis 


x)  H.  Pabst  de  Ariberto  p.  10  suchte  in  Uebereinstimmung  mit  Waitz 
und  Koepke  aus  Annalista  und  Chronographus  Saxo  Forts,  bis  1030  nach- 
zuweisen, aber  diese  Nachrichten  werden  jetzt  für  die  Ann.  Hild.  majores 
in  Anspruch  genommen.  Dafs  1034  nicht  dazu  gehört,  zeigt  Steindorff, 
Forsch.  VI.  493. 

2)  Hauck  II,  597,  Anm.  3.  Traube,  Poet.  Lat.  III,  422,  Anm.  4.  Der 
Lehrer  Heirichs  von  Auxerre  kann  er  nicht  gewesen  sein. 

3)  Archiv  XI,  285.  Schon  Leibniz  hatte  es  Papebroch  mitgetheilt, 
s.  Lucä,  Der  Chronist  Fr.  Lucae,  S.  294. 

4)  Labbe,  Nova  Bibl.  MSS.  I,  682. 


Chronik  von  Halberstadt.  345 

liberare  dignetur".  Beide  Kirchen  verehrten  den  h.  Stephan  als  ihren 
Schutzpatron. 

Unter  diesem  Bischof  nun  ist  nach  Weilands  Forschungen  eine 
Bisthumschronik  geschrieben,  welche  schon  Thietmar  benutzt 
hat,  da  er  vielfach  nach  Jahren  der  Halberstädter  Bischöfe  rechnet; 
auch  in  den  Quedlinburger  Annalen  soll  sie  schon  benutzt  sein. 
Diese  Chronik  wurde  bis  1140  fortgesetzt,  bis  1113  vorn  Annalista 
Saxo  benutzt.  Andere  Fortsetzungen  folgten;  erweitert  durch  Be- 
nutzung von  Thietmar,  Ekkehard  u.  a.  wurde  sie  1209  in  den  Aus- 
zug gebracht,  welcher  allein  uns  erhalten  ist1). 

Hildewards  Nachfolger  Arnold  oder  Arnulf  (996  bis  1023) 
weihte  die  angeblich  von  Heinrich  II  aus  Liebe  zu  dem  Einsiedler 
Wanlef  erbaute  Stephanskirche  zu  Wanlefsrode,  welche  später  als 
Probstei  an  das  nahe  Ilsenburg  kam2).  Von  ihm  besitzen  wir  einen 
ausführlichen,  vortrefflich  geschriebenen  Brief,  durch  welchen  er  im 
J.  1007  den  Bischof  Heinrich  von  Würzburg  zu  bestimmen  suchte, 
sich  die  Stiftung  von  Bamberg  gefallen  zu  lassen3). 

Zu  nennen  ist  von  anderen  sächsischen  Klöstern  nur  noch 
Werden  an  der  Ruhr,  wo  Uffing  aufser  einigen  Versen  zum  Preise 
des  h.  Liudger  und  seines  Klosters  auch  das  schon  oben  (S.  253) 
erwähnte  Leben  der  h.  Ida  zwischen  den  Jahren  980  und  983  ver- 
fafste. 

§  4.    Hildesheim. 

Hildesheim ,  in  der  karolingischen  Periode  noch  nicht  durch 
litterarische  Leistungen  bekannt4),  gewann  in  der  zweiten  Hälfte 
des  zehnten  Jahrhunderts  einen  glänzenden  Namen  unter  den  Pflanz- 
stätten höherer  Bildung,   den  es  dann  lange  behauptete.     Als  erstes 

2)  Gesta  episcoporum  Halberstademium  ed.  Weiland  MG.  SS.  XXIII,  73 
bis  123,  vgl.  p.  VII  u.  GGA.  1877  S.  786.  Scheffer-Boichorst,  Forsch.  XI, 
498 — 506  wies  auf  diese  alten  Halb.  Nachrichten  hin,  die  er  für  Annalen 
hielt.  Vgl.  oben  S.  256  über  vermuthete  Spuren  Halb.  Annalen  beim 
Poeta  Saxo. 

2)  S.  die  merkwürdige  Urk.  des  Erneuerers  der  Kirche,  B.  Reinhard 
von  Halberstadt,  vom  9.  Mai  1110  bei  Delius,  Untersuchungen  über  die 
Gesch.  d.  Harzburg  (1826),  Urkk.  S.  1—5,  vgl.  Text  S.  280—287.  Dieselbe 
jetzt  bei  Jacobs,  Urkundenbuch  v.  Ilsenburg  (Geschichtsquellen  der  Provinz 
Sachsen  VI)  S.  11. 

3)  Ussermann,  Ep.  Bamb.  I1',  S.  8.  Jaffe,  Bibl.  V,  472—479;  vgl.  Giese- 
brecht  II,  59. 

4)  Für  Bischof  Reginbert  (834—835  (?)  Feb.  12)  wurde  eine  canoni- 
stische  Hs.  geschrieben ,  welche  später  Bischof  Biso  von  Paderborn  an 
B.  Sigismund  von  Halberstadt  schenkte.    W.  Arndt,  Schrifttafeln,  t.  41.  42. 


346  HL    Ottonen.     §  4.    Hildesheim. 

Denkmal  ist  uns  die  Geschichte  der  Uebertragung  des  h.  Epi- 
phanius  erhalten1).  Der  Eifer  für  die  Erwerbung  von  Reliquien, 
der  schon  im  neunten  Jahrhundert  so  manche  kleinere  geschicht- 
liche Aufzeichnung  veranlafst  hatte,  gewann  in  der  folgenden  Periode 
einen  neuen  Anstofs  durch  die  Römerzüge  der  Ottonen,  und  der 
an  solchen  Schätzen  reiche  italische  Boden  wurde  mit  allen  Mitteln 
ausgebeutet. 

Otwin,  einst  Mönch  in  Reichenau,  der  zweite  Abt  des  Mau- 
riciusstiftes  zu  Magdeburg,  der  954  den  Hildesheimer  Bischofstuhl 
bestiegen  hatte ,  begleitete  den  Kaiser  auf  seiner  zweiten  Heerfahrt 
nach  Italien  und  benutzte  962  seinen  Aufenthalt  zu  Pavia,  um  sich 
durch  Einbruch  und  Kirchenraub  den  Leib  des  h.  Epiphanius 
zu  verschaffen,    den  er  als  herrlichste  Beute  nach  Sachsen  brachte. 

Allein  nicht  nur  an  Reliquien,  sondern  auch  an  Büchern  war 
Italien  noch  immer  das  reichste  Land ,  und  auch  diesem  Schatze 
stellte  Otwin  eifrig  nach ;  auch  davon  brachte  er  einen  grofsen  Yor- 
rath  mit  nach  dem  bis  dahin  bücherarmen  Hildesheim,  und  dadurch 
legte  er  den  Grund  zu  der  kräftigen  Entwicklung  der  dortigen 
Schulen2).  Die  erste  Frucht  dieser  neuen  Thätigkeit,  welche  uns 
bekannt  geworden  ist,  verherrlicht  eben  jene  Uebertragung;  es  ist 
eine  im  schlichten  kirchlichen  Stil  der  Zeit  geschriebene  Erzählung, 
die  jedoch  erst  nach  Otwins  Tode  (1.  Dec.  984)  verfasst  ist,  viel- 
leicht, wie  Beelte  vermuthet,  von  Thangmar. 

Dieser  stand  damals  der  Schule  vor;  später  wurde  er  Dom- 
dechant  und  nahm  zugleich  als  Bibliothekar  und  Notar  eine  bedeu- 
tende Stellung  ein;  ein  grofser  Theil  der  bischöflichen  Geschäfte 
ging  durch  seine  Hand,  und  namentlich  in  den  Jahren  von  1000 
bis  1002  führten  ihn  wichtige  Aufträge  wiederholt  an  den  päbst- 
lichen  und  kaiserlichen  Hof.  Seiner  besonderen  Leitung  wurde  der 
junge  Bern  ward  anvertraut,  ein  sächsischer  Knabe  von  vornehm- 
ster Herkunft,  der  schon  in  früher  Kindheit  der  Hildesheimer  Kirche 
übergeben  war.  Nicht  allein  in  den  Wissenschaften,  sondern  auch 
in  den  Künsten,  der  Schreibkunst,  Malerei,  Bildhauerei  und  Bau- 
kunst wurde  der  junge  Bernward  unterrichtet,  und  auch  hierin 
zeichnete  er  sich  bald  in  hohem  Grade  aus.  Denn  wie  wir  das 
besonders    auch    in  St.  Gallen   sahen ,    die  Geistlichkeit   pflegte  und 

a)  Translatio  S.  Epiphanii  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  248—251;  vgl.  Dumm- 
ler, Otto  I,  S.  343,  wo  er  sich  mit  Leibniz  und  Brower  gegen  Pertz,  der 
964  vorzog,  für  962  erklärt. 

2)  „Librorum  nihilominus  tarn  divinae  lectionis  quam  philosophicae 
fictionis  tantam  convexit  copiam,  ut  qui  illorum  penuria  inerti  ante  torpe- 
bant  otio,  frequenti  nunc  studii  caleant  negotio."     Transl.  c.  2. 


Translatio  S.  Epiphanii.     Bernward.  347 

bewahrte  in  Deutschland  damals  in  ihrer  Mitte  alles,  was  überhaupt 
von  höherer  Ausbildung  irgend  vorhanden  war;  noch  mufste  sie  fast 
alles,  dessen  sie  bedurfte  um  den  hohen  Anforderungen  ihrer  Stel- 
lung zu  genügen,  selber  leisten. 

Später  hielt  Bernward  sich  einige  Zeit  bei  dem  Erzbischof 
Willigis  auf,  bei  seinem  Grofsvater  dem  Pfalzgrafen  von  Sachsen, 
und  bei  seinem  Oheim,  dem  Bischof  Folkmar  von  Utrecht;  dann 
begab  er  sich  987  an  den  kaiserlichen  Hof,  und  hier  vertraute  ihm 
Theophano  die  Erziehung  des  königlichen  Kindes  Otto  III. 

Am  7.  Dec.  992  starb  in  Como  der  Bischof  Gerdag  von  Hildes- 
heim, und  Bernward  wurde  zu  seinem  Nachfolger  erwählt.  Dreifsig 
Jahre  lang  hat  er  dieses  Amt  verwaltet,  und  nicht  leicht  hat  ein 
Bischof  ein  besseres  Andenken  hinterlassen.  Unter  den  trefflichen 
Bischöfen,  an  welchen  diese  Zeit  so  reich  ist,  war  er  einer  der 
hervorragendsten.  In  ihrer  Hand  waren  zum  grofsen  Theil  die 
Reichsgeschäfte;  Bern  ward  hatte  schon  als  Hofcaplan  an  der  Re- 
gierung Antheil  gehabt,  und  als  Bischof  nahmen  ihn  die  wichtigsten 
Angelegenheiten  vielfach  in  Anspruch.  Dabei  aber  sorgte  er  für 
seinen  Sprengel  mit  unermüdlicher  Sorgfalt.  Noch  war  Sachsen 
nicht  gesichert  gegen  die  Einfälle  der  Wenden  und  der  Normannen, 
welche  grade  damals  mit  verstärkter  Wuth  sich  erneuten,  und  erst 
Bernward  verschaffte  seinem  Gebiete  durch  Befestigungen  und  zweck- 
mäfsige  Einrichtungen  ausreichenden  Schutz,  sowie  er  auch  durch 
vielfache  kaiserliche  Begnadigungen  die  Ausbildung  des  Stiftes  zu 
einem  wirklichen  Fürstenthume  begründete.  Ueberhaupt  liefs  er 
keine  Eigenschaft  eines  tüchtigen  weltlichen  Regenten  an  sich  ver- 
missen und  war  zugleich  ernstlich  bemüht,  Hildesheim  immer  mehr 
zu  einer  Stätte  geistiger  Bildung  zu  machen.  Er  bereicherte  die 
Bibliothek  des  Stiftes  mit  zahlreichen  Handschriften;  leider  wurde 
aber  durch  einen  Brand  1013  der  gröfste  Theil  der  Bibliothek  ver- 
nichtet1). Talentvolle  Knaben  liefs  er  in  Wissenschaft  und  Kunst 
unterweisen;  die  begabtesten  führte  er  mit  sich  an  den  königlichen 
Hof,  um  sie  von  der  vielfachen  hier  gebotenen  Gelegenheit  zu  höherer 
Ausbildung  Nutzen  ziehen  zu  lassen.  Mit  herrlichen  Kunstwerken 
hat  er  seine  Bischofstadt  geziert2)  und  ein  bleibendes  Denkmal  er- 
richtete   er    sich    durch    die   Stiftung   des   Michaelisklosters,    dessen 

*)  Vgl.  darüber  Forsch.  XVI,  184. 

2)  Im  Anschlufs  an  Berthier  „La  Porte  de  Sainte- Sabine  de  Rome" 
(Frib.  Helv.  Ind.  lectt.  1892)  sucht  A.  Bertram  nachzuweisen,  dafs  der  Auf- 
enthalt in  Rom  1001  bei  dem  Kaiser  auf  dem  Aventin  ihn  zu  der  Schöpfung 
der  Bronzethüren  des  Hild.  Doms  angeregt  habe.  Die  Thüren  von  St.  Sa- 
bina  in  Rom  das  Vorbild  der  Bernward-Thüren.     Hild.  1892. 


348  HI.    Ottonen.     §  4.    Hildesheim. 

erster  Abt  Goderamnus,  Probst  von  St.  Pantaleon  in  Coeln,  ein 
Mann  von  wissenschaftlicher  Bildung  war1). 

Tief  betrauert  starb  Bernward  am  20.  November  1022,  und 
seinem  alten  Lehrer  Thangmar,  der  ihn  um  einige  Jahre  überlebte, 
fiel  noch  die  Aufgabe  zu,  ein  Bild  seines  Lebens  zu  entwerfen.  Die 
Absicht  hatte  er  schon  früher  gehabt,  und  nachdem  er  mit  Mühe 
Bernwards  Einwilligung  dazu  erlangt,  die  Materialien  dafür  gesammelt, 
wie  Beelte  nachweist,  auch  die  ersten  10  Capitel  schon  zwischen 
1008  und  1013  geschrieben.  Damit  verband  er  nun  den  Schlufs 
(Cap.  44 — 56)  und  schob  in  die  Mitte  eine  Zusammenstellung  seiner 
gleichzeitig  gemachten  Aufzeichnungen  über  den  Gandersheimer 
Streit,  weniger  deshalb,  weil  sie  für  die  Biographie  nöthig  waren, 
als  zum  Rüstzeug  für  den  Nachfolger.  Einen  grofsen  Theil  dessen, 
was  er  berichtet,  hatte  er  selbst  mit  durchlebt  und  an  allen  Ge- 
schäften thätigen  Antheil  genommen;  Bern  ward  aber  war,  wie  Thang- 
mar selbst  sagt,  von  solchem  Vertrauen  zu  ihm  erfüllt,  wie  ein  Kind 
zu  seinem  Vater,  und  aus  seinem  ganzen  Leben  konnte  auch  nicht 
der  geringste  Umstand  ihm  verborgen  bleiben. 

So  entstand  denn  das  Leben  Bernwards2),  eines  der  schön- 
sten biographischen  Denkmale  des  Mittelalters,  wrelche  wir  besitzen, 
und  eine  der  wichtigsten  Quellen  für  einen  bedeutenden  Zeitraum. 
Die  reichste  Fülle  des  Stoffes  tritt  hier  an  die  Stelle  jener  immer 
wiederkehrenden  Phrasen,  welche  sonst  so  häufig  die  Armuth  des 
Schreibenden  verdecken;  die  Sprache  ist  schlicht  und  einfach,  und 
während  die  wrärmste  Liebe  zu  dem  Verstorbenen  das  ganze  Werk 
erfüllt,  trägt  es  doch  den  Stempel  der  Wahrhaftigkeit.  Bernward 
bedurfte    zu    seinem  Lobe   keiner   Uebertreibungen.     Nur    in  Bezug 

J)  Ihm  gehörte  die  alte  Vitruvhandschrift,  jetzt  im  Brit.  Mus.  Harl.  2767, 
s.  Catal.  of  ancient  Manuscripts  (1884)  S.  72  und  das  Facs.  pl.  55.  Auch 
Thangmar  hinterliefs  dem  Michaelskloster  55  Bücher. 

2)  Thangmari  Vita  Bernwardi  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  754—782;  Mira- 
cula  p.  782—786.  Acta  SS.  Oct.  XI,  996—1024  von  Jos.  van  Hecke,  ohne 
neue  Hülfsmittel,  mit  ausführlichem  Commentarius  praevius.  Uebersetzt 
von  Hüffer  1858.  Einhards  V.  Caroli  benutzt  nach  Manitius,  NA.  XIII, 
208.  Vgl.  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit  I,  786.  Der  heilige 
Bernward,  von  H.  A.  Lüntzel,  Hild.  1856.  Ch.  Beelte,  Thangmar,  sein 
Leben  und  Beurtheilung  seiner  Vita  Bernwardi.  Progr.  d.  Gymn.  Joseph, 
in  Hild.  1881.  Ueber  die  Handschriften  im  Domschatz  Kratz,  Der  Dom 
zu  Hildesheim,  1840;  vgl.  oben  S.  318.  Ueber  eine  in  V.  Bernw.  u.  Godeh. 
benutzte  Urk.  Heinrichs  II  Bayer,  Forsch.  XVI,  178  —  193.  Ueber  B.'s 
kunsthistor.  Bedeutung  Alwin  Schultz  in  dem  Werk  von  R.  Dohme:  Kunst 
u.  Künstler  des  Mittelalters,  I,  1877.  St.  Beissel,  Die  Kunstthätigkeit  des 
h.  B.  (Stimmen  aus  Maria-Laach  XXVIII,  1885)  S.  131  ff.  Ders.  Die  Bilder 
der  Hs.  des  K.  Otto  in  Aachen  (1886)  S.  35—39,  über  das  von  B.  für 
St.  Michael  gestiftete  Evangeliar  Jauitschek,  Gesch.  d.  D.  Kunst  S.  83,  84. 


Leben  Bernwards.     Annalen.  349 

auf  Heinrichs  II  Wahl,  der  Bernward  entgegen  war,  ist  Thangmar 
nicht  aufrichtig,  und  sein  Ansehen  bei  Otto  III  ist,  wie  es  Biogra- 
phen zu  gehen  pflegt,  überschätzt.  Einen  grofsen  Raum  nimmt 
hier,  wie  im  Leben  Godehards,  der  Streit  der  Hildesheimer  mit  den 
Mainzer  Erzbischöfen  wegen  des  Diöcesanrechtes  über  Gandersheim 
in  Anspruch.  Leider  fehlt  es  uns  darüber  ganz  an  einer  Darstellung 
"von  der  anderen  Seite,  aber  eine  gewisse  Einseitigkeit  und  nicht 
gar  zu  offenherzige  Wahrhaftigkeit  werden  wir  dem  Hildesheimer  zu 
gute  halten  müssen. 

Vieles  was  im  Leben  Bernwards  steht,  findet  sich  überein- 
stimmend, aber  kürzer,  auch  in  den  Hildesheimer  Annalen1), 
einer  sehr  schätzbaren  Geschichtsquelle,  welche  wir  vermuthlich  der 
Anregung  Bernwards  verdanken.  Wenigstens  sind  sie  in  der  noch 
erhaltenen  Urschrift  bis  zum  Jahre  994,  wo  sie  mit  einem  unvoll- 
endeten Satze  schliefst,  von  einer  Hand  geschrieben  und  also  wohl 
bald,  nachdem  Bernward  Bischof  geworden  war,  zuerst  verfafst.  Die 
Beschaffenheit  dieses  ersten  Theiles  ist  ganz  dieselbe,  welche  wir 
schon  bei  den  Quedlinburger  Annalen  sahen  und  überall  wieder- 
finden ;  der  Verfasser  hielt  eine  bis  auf  Adam  zurückreichende 
annalistische  Grundlage  für  nothwendig,  ohne  jedoch  darauf  irgend 
welche  Sorgfalt  zu  verwenden;  er  liefs  nur  auf  Rufi  Festi  breviarium 
einen  Auszug  aus  der  Chronik  des  Isidor2)  folgen,  schon  hier  mit 
Benutzung  der  Hersfelder  Annalen ;  sodann  einen  Pabstcatalog. 
Darauf  schrieb  er  die  kleinen  Lorscher  Annalen  ab  und  excerpirte 
von  da  an,  wo  diese  aufhören,  die  Hersfelder  Annalen,  nicht  ohne 
eigene  Zusätze.  Daran  schliefst  sich  dann  die  Fortsetzung,  welche 
den  Werken  dieser  Art  allein  einen  Werth  verleiht,  abgesehen  von 
den  einzelnen  Notizen,  welche  durch  den  Mangel  besserer  Quellen 
zufällig  Bedeutung  erlangen.  Die  Nachrichten  sind  gut  und  zuver- 
lässig, bei  weitem  nicht  so  ausführlich  wie  die  Quedlinburger,  aber 
übrigens  ähnlicher  Art.  Die  Verfasser  haben  die  grofsen  Begeben- 
heiten der  Zeit  im  Auge  und  berichten  darüber,  was  sie  erfahren; 
dazu  setzen  sie  alles,  was  ihnen  merkwürdig  vorkommt,  grofses  und 
kleines;  von  einer  eigentlichen  Verarbeitung,  einer  gleichmäfsig  fort- 
geführten geschichtlichen  Erzählung  ist  nicht  die  Rede. 

*)  Annales  Hildesheimenses  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III,  22 — 116.  Ueber- 
setzt  von  Ed.  Winkelmann  1862.  Vgl.  Waitz  im  Archiv  VI,  663  ff. 
L.  Giesebrecht,  Wendische  Geschichten,  III,  299.  307.  W.  Giesebrecht,  Ge- 
schichte der  Kaiserzeit,  I,  784.  II,  557.  566.  Neue  Ausgabe  von  G.  Waitz, 
1878. 

2)  Ueber  die  hier  benutzte,  von  anderen  abweichende  Form  s.  Waitz 
NA.  IV,  163. 


350  HI-    Ottonen.     §  5.    Magdeburg.     Merseburg. 

Nur  bis  zum  Jahre  1040  stammen  diese  Annalen  aus  Hildes- 
heim und  zwar  aus  dem  von  Bernward  gestifteten  Michaeliskloster ; 
der  Rest  bis  1137  ist  den  Sanct  Albaner  und  Paderborner  Annalen 
entnommen.  Von  jenem  Theile  aber  von  995  bis  1040  nahm  Pertz 
an,  dafs  er  in  dieser  Handschrift  (Paris  6114)  von  verschiedenen 
Händen  den  Ereignissen  gleichzeitig  eingetragen  sei.  Nachdem  jedoch 
mehrere  Bedenken  diese  Annahme  als  unwahrscheinlich  erscheinen 
liefsen,  hat  nun  eine  erneute  Prüfung  der  Handschrift  ergeben,  dafs 
Pertz  sich  geirrt  hat,  und  dafs  vielmehr  das  Stück  von  1000  bis 
1040  von  einem  Copisten  eingetragen  ist1).  Deshalb  steht  nun  kein 
Bedenken  mehr  der  Thatsache  entgegen,  auf  welche  mit  zunehmen- 
der Sicherheit  die  scharfsinnigen  Untersuchungen  von  H.  Pabst2), 
E.  Steindorff3),  W.  v.  Giesebrecht  und  H.  Brefslau  führten,  dafs  es 
nämlich  gröfsere  vollständigere  Hildesheimer  Jahrbücher  gegeben 
hat,  von  welchen  uns  nur  ein  Auszug  erhalten  ist.  Wir  werden 
darauf  später  zurückkommen;  rückwärts  hat  sie  Brefslau  bis  1023 
verfolgt,  H.  Lorenz  aber  und  besonders  Fr.  Kurze,  gestützt  vorzüglich 
auf  die  Annales  Altabenses,  auch  schon  für  die  frühere  Zeit.  Es 
sind  danach  also  die  Hersfelder  Annalen  bis  984  in  Hildesheim  mit 
Zusätzen4)  und  einer  Fortsetzung  bis  994  versehen,  und  dieses  Werk 
ist  in  einen  Auszug  gebracht,  zu  welchem  später  ein  weiterer  Aus- 
zug aus  denselben,  inzwischen  fortgesetzten  gröfseren  Jahrbüchern 
hinzugefügt  ist.  Zweifelhaften  Ursprunges  bleiben  nur  die  Jahre 
995  bis  997,  welche  nach  Waitz  von  einer  zweiten  Hand  geschrie- 
ben sind,  während  eine  dritte  zu  998  eine  kurze  Eintragung  machte, 
Notizen  zu  996  und  999  etwas  später  geschrieben  sind. 

Hildesheim  wurde  das  Glück  zu  Theil,  dafs  auf  Bernward  der 
nicht  minder  ausgezeichnete  Bischof  Godehard  folgte,  und  es  behaup- 
tete auch  in  der  folgenden  Periode  eine  hervorragende  Stellung. 

§  5.    Magdeburg.     Merseburg. 

An  der  Ostgrenze  Sachsens  hatte  Otto,  auch  hierin  Karls  Bei- 
spiel folgend,  Magdeburg  ausersehen  zum  geistigen  Mittelpunkte  für 
die   wendischen   Länder.     In   das  Moritzkloster,  welches  die  Grund- 

*)  S.  H.  Brefslau  im  NA.  II,  563  —  566,  und  die  neue  Ausgabe  von 
Waitz. 

2)  De  Ariberto  (1364)  p.  10—16. 

3)  Jahrbücher  unter  Heinrich  III,  I,  421  ff. 

4)  Merkwürdig  ist  besonders  die  Stelle  über  Bennopolls  NA.  XIII,  623 
(Arch.  VIII,  606),  verglichen  mit  dem  kurzen  Auszug  der  Ann.  Hild.  (mi- 
nores) ad  a.  Tiberii  6.  Ich  hatte  schon  früher  auf  die  offenbar  aus  solchen 
Ann.  Hild.  maj.  stammende  Nachricht  der  Ann.  Quedl.  992  hingewiesen. 


Adalbert  v.  Magdeburg.     Otricb.  351 

läge  dazu  bildete,  berief  er  937  Mönche  aus  St.  Maximin  bei  Trier, 
einem  Kloster,  das  freilich  auch  verweltlicht  und  verwildert,  aber 
schon  934  zur  klösterlichen  Ordnung  zurückgeführt  war.  Auch  der 
erste  Erzbischof  Adalbert  (968 — 981)  war  ein  Mönch  von  St. 
Maximin  und  Abt  von  Weifsenburg;  in  beiden  Klöstern  zeigt  sich 
Sinn  für  Geschichtschreibung,  und  von  Adalbert,  unter  dem  die 
Magdeburger  Schule  einen  hohen  Aufschwung  nahm,  vielleicht  selbst 
Verfasser  eines  ausgezeichneten  Geschichtswerkes,  möchte  man  an- 
nehmen, er  werde  auch  dafür  gesorgt  haben,  dafs  die  merkwürdigen 
Ereignisse,  deren  Mittelpunkt  Magdeburg  war,  nicht  in  Vergessen- 
heit geriethen,  doch  ist  davon  keine  Spur  vorhanden.  Ohtrich  oder 
Otrich,  der  Vorsteher  der  Domschule1),  galt  bei  seinen  Verehrern 
für  den  gröfsten  Gelehrten  seiner  Zeit;  er  wetteiferte  mit  Gerbert 
und  disputirte  mit  ihm  (980)  vor  dem  Kaiser  Otto  II.  Denn  in 
Magdeburg  hatte  er  sich  mit  dem  Erzbischof  nicht  vertragen  können; 
sein  Ehrgeiz,  wie  es  scheint,  trieb  ihn  an  des  Kaisers  Hof,  wo  aufser 
dem  Ruhme  der  Gelehrsamkeit  auch  Bisthümer  zu  erhaschen  waren: 
nach  Adalberts  Tod  traf  ihn  auch  wirklich  die  Wahl,  aber  Gisiler 
von  Merseburg  wufste  ihn  zu  verdrängen,  und  kurz  darauf  starb  er 
in  Benevent  am  7.  October  981.  In  Magdeburg  hatten  bei  seinem 
Abgang  die  vielen  durch  ihn  dahin  gezogenen  Fremden  die  Stadt 
verlassen,  doch  scheint  die  Schule  unter  Ekkehard  dem  Rothen2) 
und  Geddo  immer  eine  achtungswerthe  Wirksamkeit  geübt  zu  haben. 
Nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  ist  vermuthet  worden,  dafs  bald 
nach  dem  Tode  Gisilers  (1004) ,  dessen  Ehrgeiz  die  kirchlichen 
Schöpfungen  Otto's  in  betrübender  Weise  zerrüttet  hatte3),  in  Mag- 
deburg ein  Geschichtswerk  entstanden  sei,  welches  nach  Urkunden 
und  eigener  Kenntnifs  gearbeitet,  über  die  Stiftung  und  die  nächst- 
folgenden Schicksale  des  Stiftes  Auskunft  gab;  dafs  dieses  schon 
Thietmar  vorgelegen  habe,  und  im  Chronographus  und  Annalista  Saxo 


x)  Ueber  ihn  s.  Büdinger,  Ueber  Gerbert  S.  54 — 60.  Oesterreich,  Ge- 
schichte I,  319.  Grosfeld,  Disquisitiones  historicae  de  statu  rerum  eccle- 
siasticarum  in  marcis  Winedis  imp.  Ottone  II,  im  Programm  des  Gymna- 
siums zu  Recklinghausen  1856 — 1857,  S.  10,  macht  es  wahrscheinlich,  dafs 
Otrich  979  an  den  Hof  kam.  Für  978  Uhlirz,  Gesch.  d.  Erzbisth.  Magd, 
unter  den  Kaisern  aus  dem  Sachs.  Hause  (1887)  S.  83. 

2)  Vgl.  Holstein,  Gesch.  d.  Domgymn.  in  Magdeburg  (Magd.  1875)  S.  73. 
Uhlirz  a.  a.  O.  S.  80  ff.  vermuthet  in  Ekkehard  einen  Concipienten  kais.  Pri- 
vilegien für  Magdeburg. 

3)  Vgl.  Fraustadt:  Die  Autlösung  des  Bisthums  Merseburg  u.  dessen 
Wiederherstellung  1004,  Weber's  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  N.  F.  IV  (1878\ 
S.  133—168. 


352  HI«    Ottonen.     §  5.    Magdeburg.     Merseburg. 

so  wie  im  Magdeburger  Chronicon  theihveise  zu  erkennen  sei1). 
Darauf  hat  jedoch  F.  van  Hout  behauptet  und  sehr  wahrscheinlich 
gemacht,  dafs  der  erste,  bis  zu  Gero's  Tod  1023  reichende  Theil 
des  Chronicon  Magdeburgense  unter  dessen  Nachfolger  Hunfrid  im 
ZusammenhaDg  und  mit  Benutzung  der  Chronik  Thietmars  verfafst 
sei,  wie  wir  denn  auch  diesen  Theil  allein  beim  Chronographus  Saxo 
wiederfinden2).  Wird  nun  dadurch  die  Voraussetzung  einer  älteren 
Gründungsgeschichte  nicht  berührt,  und  bleibt  es  zweifelhaft,  wie 
weit  der  Text  der  Chronik  unverändert  geblieben  sei,  so  verlieren 
doch  andererseits  auch  W.  Giesebrechts  Beweise  dadurch  theilweise 
ihre  Kraft.  Wir  werden  zu  der  vorsichtigen  Aeufserung  Lappen- 
bergs zurückgeführt,  dafs  über  die  Thietmar  vorliegenden  Magde- 
burger Aufzeichnungen  ein  sicheres  Urtheil  sich  nicht  gewinnen 
lasse,  weil  in  den  uns  vorliegenden  Quellen  überall  schon  Thietmars 
Chronik  wieder  benutzt  sei.  Auf  die  Existenz  einer  metrischen 
Fundatio  möchte  ich  jedoch  nicht  mit  C.  Günther,  der  auch  selbst 
diese  Vermuthung  wieder  aufgegeben  hat,  aus  den  eingemischten 
Hexametern  schliefsen,  da  dergleichen  im  elften  Jahrhundert  so 
sehr  häufig  ist.  Sie  reichen  nur  bis  zu  Gisilers  Tod,  und  lassen 
sich  daher  als  Argument  für  frühere  Abfassung  verwerthen3). 

Mit  grofser  Bestimmtheit  hat  nun  Fr.  Kurze4)  wiederum  die  Ab- 
fassung der  ältesten  Bisthumschronik  bis  1004  behauptet,  und  zwar 
von  dem  Erzbischof  Tagin o  selbst,  gestützt  auf  die  Worte  bei  Thiet- 
mar V,  44  (26),  dafs  dieser  vom  Pabst  persönlich  hätte  geweiht 
werden  sollen  „ut  scriptum  ejus  testatur".  Es  ist  schwer  zu  glauben, 
dafs  Thietmar,  wenn  ihm  wirklich  eine  von  Tagino  verfafste  Ge- 
schichte als  wichtige  und  vielbenutzte  Quelle  vorlag,  das  nicht 
irgendwo  erwähnt  haben  sollte,  und  jene  „scriptum"  möchte  man 
lieber  auf  ein  Privileg  oder  auch  auf  einen  Brief  deuten,  da  eben 
nur    bei    diesem  einzigen  Umstand  eine  solche  Berufung  vorkommt. 

*)  W.  Giesebrecht  in  den  Rankeschen  Jahrbüchern  II,  1,  157 — 162, 
vgl.  Kaisergesch.  I,   785.     L.  Giesebrecht,  Wendische  Geschichten  III,  304. 

2)  Ferd.  van  Hout:  De  Chronico  Magdeburgensi,  Diss.  Bonn.  1867. 
In  einigen  Punkten,  besonders  über  das  Verhältnis  zum  Chronogr.  Saxo 
abweichend,  C.  Günther:  Die  Chronik  der  Magdeburger  Erzbischöfe,  erster 
Theil  bis  1142.  Diss.  Gott.  1871.  Zweiter  Theil  1142— 1371^  Progr.  der 
Albinus-Schule  in  Lauenburg  a.  d.  Elbe  1877  (S.  5).  Schum,  Vorr.  zu  den 
Gesta  archiepp.  Magd.  SS.  XIV,  363.  Das  angebliche  Epitaphium  Ottonis  I 
ist  entnommen  aus  der  V.  Mahometi  von  Embricho,  nach  0.  Hertel,  Magd. 
Gesch.  Bl.  1889  S.  369  ff. 

3)  Dem  widerspricht  F.  Kurze,  weil  er  in  diesen  Versen  die  sprachliche 
Eigenthümlichkeit  des  jüngeren  Bearbeiters  erkennt. 

4)  Die  älteste  Magdeburger  Bisthumschronik,  Mitth.  d.  Inst.  Ergän- 
zungsband m,  S.  397—450.     Vgl.  NA.  XVII,  631. 


Magdeburger  Bisthumsgeschichte.  353 

Was  aber  die  andere  Stelle  des  Chronogr.  Saxo  zu  981  betrifft,  dafs 
er  sich  scheue,  bei  ausführlicherem  Eingehen  auf  Gisilers  Hand- 
lungen den  Unwillen  derer  zu  erregen,  welche  wegen  durch  ihn 
erhaltener  Lehen1)  ihm  günstig  gesinnt  wären,  so  pafst  das  aller- 
dings nicht  zu  der  Zeit  des  Compilators,  wäre  aber  immerhin  nach 
zwanzig  bis  dreifsig  Jahren  noch  denkbar,  und  vielleicht  damals 
die  Gefahr  gröfser  als  unmittelbar  nach  der  Einsetzung  des  vom 
König  beschützten  neuen  Erzbischofs.  Die  Ueberarbeitung  und 
Fortsetzung  bis  1023  in  blüthenreicher,  oft  gereimter  Schreibweise 
und  mit  eingemischten  Versen  lag  dem  Nienburger  Annalisten  vor, 
und  Kurze  vermuthet  deshalb  als  Verfasser  oder  doch  Veranlasser 
Brun,  den  jüngsten  Bruder  des  Geschichtschreibers  Thietmar, 
Abt  der  Klöster  in  Magdeburg  und  Nienburg  von  1025  bis  1034. 
Den  Beschlufs  der  Abhandlung  macht  ein  Versuch  der  Wiederher- 
stellung dieser  Geschichte  und  der  darin  enthaltenen  ursprünglichen, 
dem  Tagino  zugeschriebenen. 

Einer  von  Otrichs  Schülern  war  Ad  albert,  der  schwärmerisch 
fromme  Freund  Otto's  III,  der  vergeblich  als  Bischof  von  Prag  seine 
Landsleute,  die  Böhmen,  zu  lenken  versuchte  und  zuletzt  997  in 
Preufsen  den  ersehnten  Tod  als  Märtyrer  fand.  Sein  Leib  wurde 
durch  Herzog  Boleslaw  nach  Gnesen  gebracht,  wo  man  nicht  säumte 
das  wunderbare  Ereignifs  aufzuzeichnen ;  ganz  kurz  wird  hier  der 
frühere  Lebenslauf  des  Märtyrers  berichtet,  dann  etwas  ausführlicher 
die  Umstände  seines  Todes  und  die  Erwerbung  der  Reliquien  mit 
den  beginnenden  Wundern.  Kein  Wort  von  des  Kaisers  Pilgerfahrt 
nach  Gnesen,  der  Stiftung  des  Erzbisthums,  so  dafs  die  Abfassung 
dieser  Legende  wohl  noch  vor  das  Jahr  1000  zu  setzen  ist.  Schmuck- 
los geschrieben  und  ungenügend  für  die  Verehrer  des  Heiligen, 
welche  mehr  von  seiner  Person  erfahren  wollten,  verfiel  sie  bald 
der  Vergessenheit,  nachdem  in  Italien  die  ausführliche  Biographie 
geschrieben  war,  deren  wir  später  noch  zu  gedenken  haben  werden. 
Den  Verfasser  hält  Giesebrecht  für  einen  slavischen  Mönch  des 
Klosters  Meseritz,  ich  möchte  Gnesen  vorziehen;  Zeifsberg  ist  ge- 
neigt mit  W.  v.  Kentrzynski  und  Lohmeyer  anzunehmen,  dafs  nur 
der  Auszug  eines  deutschen  Geistlichen  aus  der  gröfseren  Arbeit 
eines  Polen  vorliege,  welche  auch  der  sog.  Martinus  Gallus  benutzt 
haben  könnte.  Die  Handschrift,  welche  nach  Giesebrechts  Ver- 
muthung  1005  durch  Heinrich  II  aus  Meseritz  nach  Tegernsee  ge- 
kommen   sein    könnte,    ist   in  München  zuerst  1857  von  Bielowski, 

J)  Das  ist  doch  wohl  unter  „beneficia  temporalia"  zu  verstehen. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  23 


354  HI«    Ottonen.     §  5.    Magdeburg.     Merseburg. 

dann  unabhängig  davon  von  G.  Voigt  entdeckt,  von  W.  v.  Giese- 
brecht  in  ihrem  Werth  erkannt  und  herausgegeben  worden1).  Durch 
jenes  in  Rom  verfafste  Leben  Adalberts  wurde  aber  auch  einer 
seiner  ehemaligen  Genossen  auf  der  Schule  zu  Magdeburg  angeregt, 
aus  eigener  Erinnerung  und  nach  den  Mittheilungen  von  Adalberts 
Freunden  und  Gefährten  Radla  und  Gaudentius  die  ihm  vorliegenden 
Lebensnachrichten  zu  ergänzen,  und  so  eine  neue  Bearbeitung  zu 
Stande  zu  bringen,  in  welcher  das  Ende  des  Märtyrers  schon  von 
der  einfachen  Wahrheit  sich  weiter  zu  entfernen  scheint.  Der  Ver- 
fasser derselben  war  Brun,  aus  dem  Hause  der  Edelen  von  Querfurt, 
welcher  von  derselben  weltverachtenden  Frömmigkeit  und  derselben 
Sehnsucht  nach  dem  Märtyrertode  beseelt  war.  Er  benutzte  eine 
Aufzeichnung  des  Prager  Domprobstes  Willico,  welche  auch  Johannes 
Canaparius  (unten  §  19)  vorgelegen  hat. 

Dieses  Leben  Adalberts2)  ist  in  einer  widerlich  blumenreichen 
und  salbungsvollen  Sprache  verfafst,  aber  charakteristisch  für  diese 
aufs  äufserste  getriebene  Ascetik  und  in  seinem  Inhalte  lehrreich; 
Brun  verfafste  es  in  Ungern  um  das  Jahr  1004,  als  er  im  Begriffe 
war,  dem  Beispiele  seines  Freundes  zu  folgen.  Zum  Erzbischof  der 
Heiden  geweiht,  ging  er  zuerst  gegen  Ende  des  Jahres  1007  von 
Ungern  aus  durch  Rufsland  zu  den  Petschenegen,  und  nachdem  er 
diese  seiner  Meinung  nach  bekehrt  hatte,  zu  Boleslaw  von  Polen, 
von  dessen  Hofe  aus  er  einen  sehr  merkwürdigen  und  lehrreichen 
Brief  an  Kaiser  Heinrich  II  schrieb3).     Auch  verfafste  er  im  Jahre 

x)  Eine  bisher  unbekannte  Lebensbeschreibung  des  heiligen  Adalbert 
(Passio  S.  Adalberti).  Separatabdruck  aus  den  Neuen  Preufsischen  Provin- 
zialblättern,  3.  Folge,  V.  Band  1.  Heft,  Königsb.  1860.  Wiederholt  im  SS. 
Rer.  Pruss.  I,  235—237;  vgl.  II,  412.  Aus  demselben  Cod.  lat.  Mon.  18897 
in  den  Mon.  Poloniae  hist.  ed.  Bielowski  I,  151 — 156  mit  Facsimile.  Fon- 
tes Rerum  Boh.  (Pragae  1873)  I,  231—234.  Ed.  Waitz,  SS.  XV,  2,  705 
bis  708.  Uebers.  von  Wattenbach,  Geschichtschr.  X,  7  (Bd.  34)  1891.  Vgl. 
Zeifsberg,  Poln.  Geschichtschreibung  S.  19—22.  Giesebr.  I,  789.  Das  erste 
Wunder  der  Passio  wird,  wie  Bielowski  nachgewiesen  hat,  in  der  Chronik 
von  Moyenmoutier  SS.  IV,  92,  doch  nicht  ganz  übereinstimmend,  erwähnt. 

2)  Vita  S.  Adalberti  auct.  Brunone  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  577.  596  bis 
612.  Bielowski  I,  184 — 222  mit  Benutzung  einer  Handschrift  aus  Ochsen- 
hausen in  Koenigswart.  Fontes  Her.  Boh.  I,  266  —  304.  Vgl.  Giesebr.  I, 
789.  —  Miracula  S.  Adalberti  aus  dem  dreizehnten  Jahrhundert,  SS.  IV, 
613 — 616  und  nach  einer  Danziger  Handschrift  verbessert  von  Toppen  SS. 
Rer.  Pruss.  II,  412 — 420,  wo  c.  4  perterriti  statt  pertriti  zu  lesen  ist  und 
perstiterant  statt  des  unsinnigen  prescierant.  Fontes  Boh.  I,  305 — 312  mit 
dens.  Fehlern;  Versus  de  Adalberto  Quattuor  immensi  p.  313 — 334.  Hymnus 
Ländern  dignam  NA.  X,  180 — 185. 

3)  Zuerst  von  Hilferding  in  einer  russischen  Zeitschrift  herausgegeben, 
dann  mit  Emendationen  von  Jaffe  bei  Miklosich  und  Fiedler,  Slav.  Bibl. 
II,   307,   und   endlich   von   demselben    nach   der  Handschrift  berichtigt  in 


Leben  Adalberts.     Brun  von  Querfurt.  355 

1008  eine  ausführliche  Schrift  über  die  fünf  Einsiedler,  welche  am 
11.  Nov.  1003  in  Polen,  vermuthlich  bei  Meseritz,  von  Räubern  er- 
schlagen waren.  Die  inhaltreiche  Schrift,  welche  für  die  Geschichte 
Otto's  III  und  seiner  schwärmerischen  Freunde  mancherlei  enthält, 
ist  von  R.  Kade  entdeckt  und  herausgegeben1). 

Von  hier  aus  begab  sich  Brun  zu  den  Preufsen  und  drang  bis 
zu  deren  östlichen  Grenzen  vor,  wo  er  den  Tod  fand,  den  er  suchte, 
am  14.  Februar  1009.  Ein  kurzer  aber  lügenhafter  Bericht  über 
seine  Predigt,  seine  Wunder  und  sein  Ende,  der  nichts  als  ein 
Bettelbrief  ist,  wie  dergleichen  auch  sonst  vorkommen,  angeblich  von 
seinem  Begleiter  Wipert,  hat  sich  erhalten2);  eine  andere  Schrift 
über  ihn,  die  als  wahrhaft  gerühmt  wird,  kennen  wir  nur  aus  der 
späteren  Magdeburger  Chronik,  wo  sie  benutzt  ist.  Vielleicht  hat 
auch  schon  Thietmar  von  Merseburg  sie  vor  sich  gehabt3),  der  letzte 
Schriftsteller  Sachsens ,  den  wir  in  dieser  Periode  zu  betrachten 
haben,  und  der  erste,  bei  dem  eine  Art  gelehrter  Forschung  vor- 
kommt. Denn  bei  allen  den  Schriftstellern,  die  uns  bis  jetzt  be- 
schäftigt haben,  ist  die  Aufzeichnung  der  Zeitgeschichte  die  Haupt- 
sache, sie  schrieben,  was  sie  erlebt  oder  gehört  hatten.  Die  Zu- 
sammenstoppelung  der  älteren  Theile  der  Annalen,  Widukinds  Be- 
rufung auf  Bücher  am  Anfang  seiner  Geschichte,  lassen  sich  als 
gelehrte  Arbeit  kaum  in  Anschlag  bringen.  Diesen  ganz  unvoll- 
kommenen Anfängen  gegenüber  zeigt  uns  die  Chronik  Thietmars 
schon  einen  bedeutenden  Fortschritt. 

Thietmar  von  Merseburg. 

Ausgabe  seiner  Chronik  von  Wagener,  1807,  4.  mit  guten  Anmerkungen.  Die  einzige 
kritisch  zuverlässige  von  Lappenberg  MG.  SS.  III,  723  —  871  u.  mit  weit  genauerer 
Benutzung   der  Hs.  von  Fr.  Kurze,    Hann.  1889,    8.     Die  Eintheilung  in  Bücher  und 

\V.  Giesebrechts  dritter  Ausgabe  II,  667 — 670,  in  d.  vierten  689 — 692,  vgl. 
S.  104—109.  Bielowski  I,  223—238  mit  Facsimile.  Erzbischof  Brun-Bo- 
nifacius,  der  erste  deutsche  Missionar  in  Preufsen.  Ein  Vortrag  von 
W.  Giesebrecht,  Deutsche  Reden  S.  29  — 54.  Ausführlich  über  Brun,  Zeifs- 
berg:  Die  Kriege  Heinrichs  II  mit  Boleslaw,  SB.  LTVII,  346  ff.,  vgl.  dens.  in 
d.  Zeitschr.  f.  oest.  Gymn.  1867  S.  331  ff.  über  die  von  Bruno  erwähnte  heilige 
Lanze,  u.  1868  S.  89  ff.,  wo  S.  96 — 98  bemerkt  wird,  dafs  der  Bericht  über 
Miseco's  Verheerungen  Ann.  Magd.  1030  eine  direkte  Antwort  auf  den 
Brief  Bruns  enthält. 

2)  Vorläufige  Nachricht  in  R.  Kade's  Leipz.  Diss.  De  Brunonis  Quer- 
furt. Vita  quinque  fratrum  Poloniae  nuper  reperta,  1883.  Ausg.  MG.  SS. 
XV,  2,  *709— 738. 

3)  MG.  SS.  IV,  579.  Bielowski  229.  E.  Kunik  macht  mich  darauf 
aufmerksam,  dafs  der  angebliche  Name  des  Preufsenkönigs  Nethimer  viel- 
mehr slavisch  ist. 

3)  L.  Giesebrecht,  Wendische  Geschichten  III,  303. 

23* 


356  HI-    Ottonen.     §  5.    Magdeburg.     Merseburg. 

Capitel  ist  hier  verändert.  —  Uebersetzung  von  Ursinus,  Dresden  1790,  mit  nütz- 
lichen Anmerkungen  u.  Benutzung  des  Cod.  Dresdensis;  von  Laurent,  mit  Vorwort 
von  Lappenberg,  1848;  2.  Ausgabe  von  Strebitzki  1879;  Berichtigungen  1892,  Ge- 
schichtschr.  XI,  1,  Bd.  39.  Nachträgliche  Bemerkungen  über  Thietmars  Leben,  Ar- 
chiv IX,  438.  Ueber  ein  Mefsbuch  und  Kalender  mit  Eintragungen  von  Thietmars 
Hand,  Hesse  ib.  IV,  276,  und  Ausgabe  von  Hesse  in  Höfers  Zeitschrift  für  Archiv- 
kunde I,  111;  Dümmler,  N.  Mitth.  XI,  223-264.  Ueber  sein  Epitaph  NA.  IX,  246. 
L.  Giesebrecht,  Wendische  Geschichten  III,  305.  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der 
Kaiserzeit  I,  785.  II,  558.  Erklärung  von  Thietm.  Chron.  VII,  20  von  Waitz,  Forsch. 
XIII,  492  —  494.  Strebitzki:  Thietmarus  quibus  fontibus  usus  sit,  Königsb.  Diss. 
1870.  Zur  Kritik  Thietmars,  Forsch.  XIV,  349—366.  Ueber  VII,  5-8,  Zeifsberg 
in  d.  Mitth.  d.  Wiener  Inst.  III,  109  —  115.  —  F.  Kurze,  Abfassungszeit  u.  Entstehungs- 
weise der  Chronik  Thietmars,  NA.  XIV,  59-86.    Nachlese  XVI,  459-472. 

Thietmar,  ein  Sohn  des  Grafen  Sigefrid  von  Walbeck,  am 
25.  Juli  975  geboren,  getauft  vom  Bischof  Hilliward  von  Halber- 
stadt, stammte  aus  einem  der  vornehmsten  Geschlechter  Sachsens; 
er  war  mit  den  bedeutendsten  Fürstenhäusern,  selbst  mit  den 
Ottonen  verwandt,  und  die  wichtigsten  Ereignisse  im  Reiche  hatten 
deshalb  eine  persönliche  Beziehung  zu  ihm,  so  dafs  er  frühzeitig 
von  allen  Kunde  erhielt  und  mit  den  Verhältnissen  des  Reiches 
vertraut  wurde.  Von  Emnilde,  einer  Nichte  der  Königin  Mahthild, 
erhielt  er  als  Knabe  den  ersten  Unterricht  in  dem  kaiserlichen  Stifte 
Quedlinburg;  vom  zwölften  Jahre  an  vollendete  er  seine  Schulbil- 
dung im  Kloster  Bergen  und  in  Magdeburg  selbst.  An  Belesenheit 
in  kirchlichen  und  profanen  Schriftstellern  fehlte  es  ihm  nicht,  einen 
guten  lateinischen  Stil  zu  schreiben  hat  er  aber  nicht  gelernt.  Im 
Jahre  1002  wurde  er  Probst  des  Klosters  Walbeck  an  der  Aller1), 
einer  Stiftung  seines  Grofsvaters,  und  endlich  1009  Bischof  von 
Merseburg;  ein  Amt,  welches  er  löblich,  aber  nur  zehn  Jahre  lang 
verwaltete,  denn  er  starb  schon  am  ersten  December  1018  in  seinem 
dreiundvierzigsten  Lebensjahre.  Vom  König  Heinrich  II  war  er 
schon  1004  in  Allstedt  bei  seiner  Priesterweihe  beschenkt,  von  da 
an  verkehrte  er  viel  am  Hofe  und  empfing  auch  als  Bischof  den 
König  bei  sich  in  Merseburg. 

Das  Bisthum  Merseburg  hatte,  obschon  erst  von  Otto  I  gegrün- 
det, doch  schon  mannich faltige  und  merkwürdige  Schicksale  erlebt; 
zum  Gedächtnifs  der  Ungernschlacht  auf  dem  Lechfelde  dem  h.  Lau- 
rentius    zu    Ehren    gestiftet2),    wurde  es  schon  durch    den    zweiten 

1)  Ein  prachtvolles,  aber  in  den  Bildern  unvollendetes  Evangeliar  aus 
Walbeck  saec.  XI  mit  eingeschriebenen  Statuten  und  Urkunden,  in  Libri's 
Auctionscatalog  (1859)  n.  358,  Facs.  pl.  35.  Ein  schönes  Evangeliar  saec. 
X,  das  zur  Beeidigung  diente,  in  Magdeburg  in  d.  Bibl.  d.  Do-mgymn.  275, 
s.  d.  Progr.  1880,  S.  99—101. 

2)  Nach  Uhlirz,  Gesch.  d.  Erzb.  Magd.  S.  164  DD.  Ott.  II  90,  hat  Thiet- 
mar diese  Urkunde  gefälscht,  um  dem  Bisthum  einen  strittigen  Wald  zu 
erhalten,  was  nach  damaliger  Auffassung  auch  als  löblich  gelten  mochte. 


Thietmar  von  Merseburg.  357 

Bischof  Gisiler  völlig  zerstört,  um  diesem  den  Weg  zum  Erz- 
"bisthum  Magdeburg  zu  bahnen,  und  ungeachtet  vielfacher  Anstren- 
gungen konnte  die  Herstellung  doch  erst  nach  Gisilers  Tode  (1004) 
erlangt  werden. 

Diese  Ereignisse,  so  lange  sie  noch  in  frischer  Erinnerung  haf- 
teten, für  die  Nachkommen  durch  schriftliche  Ueb erlief erung  festzu- 
halten, war  eine  dringende  Pflicht,  die  Thietmar  zu  erfüllen  über- 
nahm. Die  Geschichte  des  Ottonischen  Hauses,  die  verschiedenen 
Wechselfälle  des  stets  fortgesetzten  Kampfes  mit  den  Wenden  ge- 
hörten mit  Notwendigkeit  zu  einer  Geschichte  Merseburgs.  Thiet- 
mar aber  beschränkte  sich  auch  darauf  nicht,  sondern  wie  das  im 
Mittelalter  so  häufig  war,  und  sich,  da  so  wenig  geschrieben  wurde 
und  ein  Buch  schon  ein  Schatz  war,  leicht  erklärt:  da  er  überhaupt 
einmal  ein  Buch  schrieb,  so  legte  er  in  diesem  auch  alles  nieder, 
was  ihm  denkwürdig  schien,  alle  seine  Erlebnisse,  die  kleinsten  wie 
die  gröfsten,  und  was  er  zu  Hause  und  am  Hofe  sah  und  hörte, 
oder  was  er  in  anderen  Büchern  fand.  Noch  hat  sich  seine  eigene 
Handschrift,  wenn  auch  nicht  unversehrt,  erhalten,  und  sie  zeigt 
uns  am  deutlichsten,  wie  er  arbeitete,  wie  er  immer  neue  Zusätze 
und  Nachträge  machte.  Bald  trug  er  am  Rande  nach,  was  ihm 
später  bekannt  wurde,  bald  erzählt  er  rückblickend,  was  eigentlich 
an  eine  frühere  Stelle  gehört.  Manchmal  ist  dadurch  der  Zusammen- 
hang gestört,  es  sind  Widersprüche  entstanden,  und  die  Form  ist 
überall  mangelhaft:  die  letzte  Hand  fehlt,  und  auch  durch  wieder- 
holte Ueberarbeitung  hätte  der  Verfasser  aus  diesem  lose  an  ein- 
ander gereihten  Stoffe  kein  einheitliches  Geschichtswerk  machen 
können.  Aber  die  ihm  vorliegenden  Nachrichten  des  Widukind,  der 
Quedlinburger  Annalen,  allerlei  Notizen  aus  Necrologien,  wahrschein- 
lich auch  eine  Magdeburger  Gründungsgeschichte1)  und  eine  Halber- 
städter Chronik2),  sind  doch  immer  mit  verständiger  Auswahl  in 
einander  gearbeitet,    und   mit   seiner  aus  mündlicher  Ueberlieferung, 


J)  Vgl.  oben  S.  329.  Die  sog.  Erectio  Magdeburgensis  (Stumpf  454. 
Leibn.  Ann.  Imp.  III,  238),  eine  in  die  scheinbare  Form  der  Synodalver- 
handhiDgen  von  Kavenna  968  gebrachte  Erzählung,  ist  von  F.  van  Hout, 
De  chron.  Magd.  p.  28 — 33,  als  in  dieser  Gestalt  unecht  nachgewiesen; 
Dümmler,  Otto  I  S.  445,  legt  die  Entstehung  nach  Halberstadt,  Lindeck, 
Die  Stellung  des  B.  Halberstadt  zur  Gründung  d.  Erzb.  Magdeb.  (Progr.  d. 
Domgymn.  zu  Halb.  1879)  nach  Magdeburg.  —  Ruotgers  Leben  des  Erzb. 
Brun  und  S.  Ulrichs  Leben  kannte  er,  ohne  sie  eigentlich  zu  benutzen. 

2)  Diese,  schon  von  Weiland  vermuthet,  nimmt  auch  Kurze  jetzt  anstatt 
der  früher  von  ihm  angenommenen  Hild.  Ann.  maj.  von  975  an;  Progr.  S.  5, 
und  stellt  eine  Untersuchung  darüber  in  Aussicht. 


358  ni.    Ottonen.     §  5.    Magdeburg.     Merseburg. 

aus  Urkunden  und  späterhin  aus  eigener  Erinnerung  geschöpften 
Kenntnifs  verbunden.  Wenn  man  die  rohen  Excerpte  der  Annalisten 
von  Hildesheim  und  Quedlinburg  dagegen  hält,  so  kann  man  einen 
bedeutenden  Fortschritt  nicht  verkennen,  und  es  hat  noch  lange  ge- 
dauert, bis  man  im  Stande  war  etwas  besseres  zu  leisten. 

Als  Geschichtsquelle  betrachtet  hat  aber  Thietmars  Werk  gerade 
einen  besonderen  Werth  dadurch,  dafs  das  Gefüge  seiner  Bestand- 
theile  so  leicht  zu  erkennen  ist,  wodurch  die  Kritik  wesentlich  er- 
leichtert wird ;  man  bedarf  der  Vorsicht  bei  ihm,  da  er  nicht  selten 
aus  Flüchtigkeit  Versehen  begangen  hat.  Andererseits  kommt  es 
uns  nicht  minder  zu  gut,  dafs  er  auch  geringfügige  Umstände  nicht 
verschmähte  und  deshalb  ein  lebendigeres  Bild  der  damaligen  Zu- 
stände gewährt,  in  dem  wir  dergleichen  kleinere  Züge  nur  ungern 
vermissen  würden. 

Wie  er  nun  eigentlich  gearbeitet  hat,  das  ist  erst  durch  Fr.  Kurze 
mit  grofsem  Scharfsinn  festgestellt  worden  durch  die  genaueste  Unter- 
suchung der  theils  von  ihm  selbst,  theils  von  acht  verschiedenen 
Schreibern  geschriebenen  und  überall  von  ihm  überarbeiteten  und 
vermehrten  Handschrift,  und  dadurch  zugleich  für  die  Entwirrung 
seiner  Chronologie  und  die  Aufklärung  mancher  Schwierigkeiten 
Licht  gewonnen.  Hatte  schon  Bethmann  ausgefunden,  dafs  er  nicht 
vor  1012  sein  Werk  begonnen  habe,  so  hat  doch  jetzt  alles  eine 
ganz  andere  Gestalt  gewonnen  durch  den  Nachweis,  dafs  Thietmar 
mit  VI,  41—46  (VII,  1—15  K.)  begann,  in  demselben  Jahr  1012 
vielleicht  auch  schon  I.  1 — 10  (18  K.)  schrieb.  Im  Jahre  1013 
schrieb  er  das  zweite  und  dritte  Buch,  1014  IV,  1 — 8  (9),  10,  11 
(15  —  17),  16  (23—25),  22—24  (31—37),  26—34  (39-54),  das 
fünfte  Buch  und  vom  siebenten  1 — 4  (VIII,  1 — 3),  im  J.  1015  das 
sechste  Buch  und  VII,  5—13  (VIII,  4—20).  Er  schrieb  gleich- 
zeitig was  er  erlebte,  liefs  aber  Raum  für  Nachträge  und  Zusätze, 
mit  welchen  im  vierten  Buch  eine  ganze  Lage  ausgefüllt  ist;  diese 
entfernen  sich  häufig  ganz  von  der  chronologischen  Folge  und  haben 
dadurch  namentlich  im  vierten  Buch  die  Ordnung  sehr  gestört. 

Zu  solchen  Nachträgen  gab  ihm  vorzüglich  die  Bekanntschaft 
mit  den  Quedlinburger  Annalen  Anlafs,  welche  er  vor  1016  nicht 
gekannt  hat,  weshalb  auch  VII,  1 — 13  (VIII,  1 — 20)  keine  Spur 
davon  zu  finden  ist.  Mit  Benutzung  derselben  schrieb  er  1016  die 
Zusätze  zum  zweiten  und  dritten  Buch,  ferner  VI,  46 — 61  (VII, 
16—41)  und  VII,  13—25  (VIII,  20-35);  im  Jahr  1017  den  Rest 
des  vierten  Buches  bis  auf  die  erst  1018  geschriebenen  Capitel 
47—51  (70—75)    und  VII,  25—50  (VIII,  36—69),   auch  I,  15-17 


Thietmar  von  Merseburg.  359 

(26 — 28);  im  Jahre  1018  endlich,  was  von  der  Fortsetzung  noch 
übrig  war,  wobei  natürlich  die  Annalen  nicht  mehr  zu  gebrauchen 
waren. 

Möglich,  dafs  nicht  alle  Einzelheiten  richtig  sind,  aber  im 
wesentlichen  ist  wohl  an  der  Richtigkeit  dieser  Ergebnisse  nicht  zu 
zweifeln  und  es  lösen  sich  dadurch  viele  Schwierigkeiten,  um  so 
mehr,  da  auch  alle  die  zahlreichen  Nachträge  und  Aenderungen 
zweiter  Hand  genau  verzeichnet  sind.  Etwas  räthselhaft  sind  Zu- 
sätze einer  Hand,  welche  Lappenberg  Thietmar  selbst  zuschrieb, 
während  Kurze  sie  erst  in  die  Zeit  Heinrichs  V  setzt.  Ueberall 
wo  diese  Zusätze  sich  finden,  ist  zugleich  am  Rande  etwas  ausge- 
kratzt und  dem  Inhalt  nach  scheinen  sie  gleichzeitig  zu  sein. 

Für  die  ersten  drei  Bücher  standen  Thietmar  wenig  Quellen 
zu  Gebote,  die  wir  nicht  auch  noch  besäfsen;  aber  von  dem  Anfange 
der  Regierung  Otto's  III  an  werden  seine  eigenen  Mittheilungen 
immer  reichhaltiger.  Er  schrieb  die  Geschichte  dieser  letzten  Jahre 
gleichzeitig  mit  den  Ereignissen  selbst;  sein  "Werk  nimmt  da  fast 
den  Charakter  eines  Tagebuches  an  und  verbindet  deshalb  die  Zu- 
verlässigkeit der  besseren  Annalen  mit  gröfserer  Fülle  und  Reich- 
haltigkeit. 

Dafs  es  ihm,  dem  Bischof,  der  viel  am  Hofe  verkehrte  und 
zum  Rathe  des  Kaisers  gehörte,  dem  nahen  Verwandten  der  be- 
deutendsten Fürsten  nicht  an  Mitteln  fehlte,  sich  über  die  wichtig- 
sten Vorfälle  und  den  ganzen  Gang  der  Begebenheiten  genau  zu 
unterrichten,  erwähnten  wir  schon;  auch  entfernte  Begebenheiten 
bei  anderen  Völkern  und  an  den  fremden  Höfen  verfolgt  er  mit  be- 
merkeuswerther  Aufmerksamkeit  und  Kenntnifs.  Ebensowenig  ist 
aber  auch  ein  Grund  vorhanden,  seine  Wahrheitsliebe  zu  bezweifeln. 
Sich  selbst  schont  er  durchaus  nicht;  mit  der  rührendsten  Beschei- 
denheit deckt  er  seine  eigenen  Fehler  und  Schwächen  auf,  und 
durchgehends  bewährt  er  sich  als  einen  redlichen  Mann  von  biede- 
rer Gesinnung  und  bestem  Willen.  Dafür  können  wir  ihm  denn 
wohl  die  Unbehülflichkeit  der  Darstellung,  die  grofse  Leichtgläubig- 
keit, den  oft  gesuchten  Ausdruck  und  das  gelegentliche  Prunken 
mit  seiner  mühsam  erworbenen  Gelehrsamkeit  verzeihen. 

Wegen  seines  vorherrschend  provinziellen  Charakters  ist  Thiet- 
mars  Werk  zwar  von  sächsischen  Schriftstellern  viel  benutzt  worden, 
hat  aber  eine  weitere  Verbreitung  nicht  gefunden.  Vorzüglich  fleifsig 
wurde  es  vom  Annalista  Saxo  ausgebeutet,  mit  Zusätzen  über  das 
Kloster  Corvey,  die  sich  in  der  Brüsseler  Handschrift  befinden. 
Daraus  ergiebt  sich,  dafs  die  Urschrift  derselben  schon  im  zwölften 


o 


60  III.    Ottonen.     §  6.    Lotbringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 


Jahrhundert  in  Corvey  verfertigt  sein  mufs,   doch,    wie  R.  Wilmans 
nachgewiesen  hat1),  erst  gegen  das  Jahr  1160. 

Wie  viel  des  für  uns  werthvollsten  Materials  aber  alle  diese 
Chronisten  unbeachtet  bei  Seite  gelassen  haben,  davon  giebt  uns 
das  von  Jaffe  entdeckte  Aufgebot  von  981  zur  Heerfahrt  nach  Italien 
eine  Probe2). 

§  6.     Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

Wir  haben  in  Sachsen  die  neue  Entwicklung  litterarischer 
Thätigkeit  unter  der  unmittelbaren  Einwirkung  des  Ottonischen 
Hauses  betrachtet,  und  auch  in  Lothringen  ist  es  ein  Ludolfinger, 
der  Kirche  und  Schule  zu  neuem  Leben  weckt,  unter  dessen  Pflege 
überall  frische  Keime  hervorspringen,  die  bald  zu  reicher  Fülle  sich 
entfalten. 

Noch  mehr  als  Sachsen  war  Lothringen  durch  innere  Zwie- 
tracht zerrüttet  und  durch  äufsere  Feinde  verwüstet.  Die  alten 
Stätten  der  Cultur,  die  reichen  Bischofsitze  und  Klöster  lagen 
grofsentheils  in  Asche,  und  von  den  Einkünften  der  Stiftsgüter 
zehrten  die  Vasallen,  denen  sie  als  Preis  ihrer  Treue  oder  Untreue 
zugefallen  waren;  kaum  bewahrten  ein  Paar  verwilderter  und  un- 
wissender Geistlicher  den  kirchlichen  Charakter  von  Klöstern,  die 
man  früher  weithin  mit  Ehrfurcht  und  Bewunderung  genannt  hatte. 

Durch  Heinrich  und  Otto  wurde  das  fast  verlorene  Land  den 
Westfranken  wieder  entrissen  und  mit  dem  Ostreiche  neu  vereinigt; 
aber  den  innern  Frieden  herzustellen,  Ordnung  zu  schaffen  und  die 
beginnende  Reform  der  verwahrlosten  kirchlichen  Zustände  zu  pfle- 
gen und  zu  befestigen,  das  war  die  schwere  Aufgabe,  welche  dem 
Bruder  Otto's  des  Grofsen,  dem  Erzbischof  Bruno  von  Cöln 
(953 — 965),  zufiel  und  von  diesem  auf  das  gländzendste  gelöst 
wurde. 

Wir  haben  schon  oben  S.  321 — 323  der  Wirksamkeit  dieses 
ausgezeichneten  Mannes  gedacht,  und  können  um  so  weniger  auf 
eine  ausführliche  Schilderung  derselben  eingehen,  da  er  selbst  nicht 
als  Schriftsteller  aufgetreten  ist3).     Sein  Leben  hat  uns  einer  seiner 

*)  Kaiserurkunden  der  Provinz  Westfalen  I,  109  —  112,  zu  MG.  SS. 
III,  840  und  860. 

2)  Bibl.  V,  471 ;  vgl.  Max  Lehmann,  Forsch.  IX,  435—444.  Giesebr.  I, 
842.     G.  Matthaei,  Klosterpolitik  Heinrichs  II  (Diss.  Gott.  1877)  S.  91—95. 

3)  Die  von  Peiffer  aufgewärmte  Nachricht  von  Commentaren  zum 
Pentateuch  und  zu  den  Evangelien,  die  er  verfafst  haben  soll,  ist  unglaub- 
lich.   Man  kann  Ruotger  und  der  Cölner  Kirche  den  Schimpf  nicht  anthun, 


Bruno  von  Cöln.  361 

Schüler  beschrieben,  Ruotger,  der  Bruno  sehr  nahe  gestanden  hatte 
und  die  ihm  von  dessen  Nachfolger  Folkmar  (965 — 969)  übertragene 
Aufgabe  nicht  ohne  Geschick  gelöst  hat *).  Sein  Werk  gehört  zu 
den  besseren  Biographien  des  Mittelalters,  ist  reich  an  Inhalt,  wenn 
auch  für  unsere  Wünsche  viel  zu  kurz  und  gedrängt,  und  fafst  das 
wesentlichste  von  Bruns  Leben  und  Wirken  mit  richtiger  Auffassung 
und  wahrheitsgetreu  zusammen.  Die  Sprache  ist  nicht  eben  gewandt, 
schwülstig  und  von  den  üblichen  Ausdrücken  der  kirchlichen  Rede- 
weise erfüllt,  aber  frei  von  Fehlern ;  man  erkennt  die  gute  Schule 
darin,  von  welcher  auch  die  noch  zahlreich  erhaltenen  Handschriften 
der  Cölner  Dombibliothek  aus  dieser  und  der  nächstfolgenden  Zeit 
Zeugnifs  geben.  Dem  Prudentius  entlehnte  er  einen  Vers  zur  Cha- 
rakteristik Otto's  I,  und  auch  Citate  aus  Vergil  und  Terenz,  aus 
Persius,  Juvenal,  Cicero  und  Sallust  fehlen  nicht2). 

Für  diese  eifrigen  Studien  zeugen  auch  die  libri  iwestiti  de  arma- 
mario  S.  Petri  (oben  S.  263);  unter  den  Entleihern  sind  B.  Adelbold 
(von  Utrecht  1010—1026)  und  Abt  Elias  (von  Grols-Sanct-Martin 
1010  —  1026);  sehr  viele  aber,  darunter  2  Bibeln,  3  Vergile,  2  Lu- 
cane,  3  Prisciane,  hat  ein  Unbekannter,  gewifs  ein  Scholasticus, 
dessen  Name  ausgekratzt  ist.     Eine  sehr  schöne,  reich  geschmückte 

anzunehmen,  dafs  sie  das  gänzlich  vergessen  haben  sollten.  Dagegen  auch 
Cardauns,  Städtechroniken  XII  p.  LV. 

A)  Ruotgeri  Vita  Brunonis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  252 — 275  und  auch 
besonders  abgedruckt.  Varianten  bei  B.  Simson  im  Archiv  f.  Gesch.  d. 
Niederrh.  VII,  167  —  172.  Uebersetzung  von  Jasmund,  1851.  1890.  Ge- 
schichtschr.  Bd.  30  (X,  3).  Ueber  alte  Abschriften  des  Testaments  Bruno's 
NA.  VIII,  191.  —  Vgl.  Giesebr.  I,  781;  Textkritik  S.  826  (vgl.  Dümmler 
Otto  I  S.  220).  830.  Dümmler  S.  372.  Janssen  in  den  Annalen  des 
Niederrhein,  hist.  Vereins  I,  85.  Joh.  Ph.  Peiffer,  Hist.  krit.  Beitr.  z.  Gesch. 
Bruns  I,  Aachen  1870.  Strebitzki,  Quellenkrit.  Untersuchungen  zur  Gesch. 
Erzb.  Br.  im  Progr.  d.  Kath.  Gymn.  v.  Neustadt  in  Westpreussen,  1875. 
Dierauer  in  Büdingers  Untersuchungen  z.  mittl.  Gesch.  II,  1 — 50.  Mauren- 
brecher S.  24 — 27,  dessen  Tadel  die  ganze  Gattung  der  kirchlichen  Bio- 
graphie trifft,  zu  welcher  diese  nun  einmal  gehört.  Seiner  künstlichen 
Deutung  der  Stellen  über  die  Motive  der  Empörer  kann  ich  nicht  bei- 
stimmen; vgl.  Rommels  Aufsatz  in  den  Forsch.  IV,  121 — 158  und  Mauren- 
brechers Entgegnung  ib.  587—598;  Dümmler  Otto  1  S.  212.  —  Ueber  die 
viel  spätere  zweite  Vita  (ib.  275—279)  s.  Vogel ,  Ratherius  II,  14 — 18. 
Peiffer  S.  13.  Varianten  bei  Simson  S.  163 — 165.  Wie  Cardauns,  Städte- 
chron.  XII,  p.  LVI  bemerkt,  mufs  sie  doch  schon  im  12.  Jahrh.  entstanden 
sein,  da  sie  in  den  Ann.  Col.  max.  benutzt  ist.  —  Ein  Epitaphium  Brunonis 
bei  Dümmler,  Otto  I  S.  594.  Damit  verbunden  andere,  mit  griechischen 
Worten  prunkende  Epitaphien  aus  Bruns  Schule,  viell.  von  Ruotger,  NA. 
X,  346:  eines  wahrscheinlich  auf  die  Aebtissin  Hathuwig  von  Essen 
(f  18.  Juli  947),  eines  auf  den  Cölner  Bürger  Wolfrad. 

2)  Dümmler,  Forsch.  XII,  445.  Simson  S.  172.  Manitius,  NA.  XII, 
369.  370. 


362  HI-    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

Evangelienhandschrift,  auch  mit  Versen  über  die  Evangelisten  und 
poetischen  "Widmungen  versehen,  schenkte  der  Domkirche  ein  Diaco- 
nus  Gerhous,  höchst  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  Erzbischof 
Gero  (969 — 976),  dem  Bruder  des  Markgrafen  Thietmar1).  Ihm  als 
Erzbischof  ist  die  oben  S.  42  erwähnte  Ursulalegende  gewidmet. 

Zu  Bruns  Gehülfen  bei  seinen  reformatorischen  Bestrebungen 
gehörte  Christian,  der  erste  Abt  des  von  ihm  gestifteten  Panta- 
leonsklosters2),  der  ihn  bis  1001  überlebte.  Der  erste  eilfertig  er- 
richtete Bau  stürzte  zusammen,  man  grub  zu  Erzbischof  Folkmars 
Zeit  (965 — 969) 3)  ein  tieferes  Fundament  und  fand  dabei  Gebeine, 
die  einem  heiligen  Maurinus  zugeschrieben  wurden.  Niemand  wufste 
etwas  von  ihm,  auch  Stephan  nicht,  der  auf  Abt  Christians  Gebot, 
als  Erzbischof  Gero  schon  todt  war,  sein  Leben  beschrieb;  die  Ge- 
schichte der  Auffindung  aber  mit  den  unvermeidlichen  Wundern 
enthält  einige  geschichtliche  Umstände4).  Ferner  erhielt  das  Kloster 
aus  Rom  durch  die  Kaiserin  Theophano  einen  h.  Albin,  von  dem 
man  gar  nichts  wusste,  auf  ihn  aber  die  fabelhafte  Legende  des 
h.  Albanus  übertrug;  diese  Schrift  ist  aber  erst  aus  dem  elften 
Jahrhundert5).  Erzbischof  Everger  (985  —  999)  widmete  der  Dom- 
kirche einen  mit  besonderer  Pracht  geschriebenen  Lectionar6).  Als  er 
am  10.  Juni  999  gestorben  war,  wurden  Boten  nach  Italien  an  Otto  III 
geschickt,  um  sich  den  Kanzler  Heribert  auszubitten;  von  diesen 
starb  der  Diaconus  Rudolf  in  Rom  und  es  wurde  ihm  zu  Ehren  ein 
Epitaph  gedichtet  (NA.  II,  601). 

Uebrigens  aber  haben  Bruns  Bemühungen  in  Cöln  selbst  am 
wenigsten  Frucht  gebracht;  ausser  den  unbedeutenden  kleinen  Cöl- 
ner   Annalen7)    ist    keine    litterarische   Erscheinung    weiter    anzu- 

!)  K.  Lamprecht  im  NA.  IX,  620—623,  vgl.  S.  669. 

2)  Ruotgeri  Vita  Brun.  c.  28.  „Compertum  quantum  praestitistis  sae- 
culo,  cari  invicem  et  noti,  et  in  verbis  prudentiae  saepe  admirati",  Trans- 
latio  S.  Maurini. 

3)  Peiffer  hat  darauf  hingewiesen,  dafs  Poppo-Folkmar  in  den  Fulder 
Todtenannalen  zu  969  eingetragen  ist,  wie  schon  Leibniz  erkannte.  Auch 
der  alte  Catalog  giebt  ihm  4  Jahre.  Das  Jahr  967  der  Cölner  Annalen 
wird  also  wohl  falsch  sein.     So  auch  Dümmler,  Otto  I  S.  466. 

4)  Inventio  et  Translatio  S.  Maurini,  Mab.  V,  336—341.  Acta  SS.  Jun. 
II,  279—283.  Ausz.  MG.  SS.  XV,  2,  683—686.  Noch  unbedeutender  und 
später  geschrieben  sind  die  Transl.  S.  Evergisli  von  Tongern  nach  der  Cae- 
cilienkirche  und  Patrocli  von  Troyes  nach  Soest,  MG.  SS.  IV,  279 — 281; 
Varianten  zu  beiden  bei  Simson  1.  c.  p.  173.  In  diesen  Kreis  gehört  auch 
die  oben  S.  174  erwähnte  ganz  fabelhafte  Vita  Reinoldi.  —  Die  Miracula 
S.  Pantaleonis,   Jul.  IV,  421 — 426  sind  späten  Ursprungs  und  unbedeutend. 

5)  Translatio  S.  Albini  ed.  L.  v.  Heinemann,  SS.  XV,  2,  686-688. 

6)  Eccl.  Colon.  Codd.  p.  60. 

7)  Ann.  Colonienses  776  —  1028  e  cod.  CII,   MG.  I,   97  —  99  mit  unzu- 


St.  Pantaleon.     Cölner  Annalen.  363 

führen,  denn  auch  die  kleine  Chronik  des  Schottenklosters  Grofs- 
Sanct-Martin,  so  wie  die  Gründungsgeschichte  von  Gladbach 
und  das  Leben  Heriberts1),  die  ihrem  Inhalte  nach  hierher  ge- 
hören, sind  doch   erst  in  der  folgenden  Periode  verfafst  worden. 

Jene  Annalen  aber,  die  bis  939  auf  gemeinsamer  Grundlage  mit 
den  alamannischen,  Reichenauer  und  St.  Galler  Annalen  beruhen, 
von  da  an  heimischen  Ursprungs  sind ,  haben  merkwürdiger  Weise 
einen  weitreichenden  Einflufs  gehabt,  indem  der  erste,  von  einer 
Hand  aus  einer  älteren  Handschrift  überschriebene  Theil  von  776 
bis  957  in  die  Annalen  von  Dijon,  mit  diesen  dann  in  die  von 
Rouen,  Caen,  und  anderen  Orten  der  Normandie,  und  weiter  in 
die  angelsächsische  Chronik  und  in  die  Annalen  von  Lund  über- 
gegangen ist2). 

In  Cöln  war  wenig  Boden  für  wissenschaftliche,  wenigstens  für 
geschichtliche  Thätigkeit.  Dagegen  regte  sich  in  Trier,  nachdem 
wieder  bessere  Zeiten  gekommen  waren,  der  alte  Geist  aufs  neue. 
Sogar  mitten  unter  den  Stürmen,  welche  das  unglückliche  Land 
verheerten,  hatte  man  im  Kloster  St.  Maximin,  wie  in  Corvey, 
es  nicht  ganz  unterlassen,  einige  geschichtliche  Nachrichten  aufzu- 
zeichnen3). 

Im  Jahre  882  verwüsteten  die  Normannen  das  Stift,  und  auch 
hier  blieben  nur  einige  Weltgeistliche  ohne  klösterliche  Zucht;  im 
Jahre  933  stürzte  die  Kirche  ein.  Aber  schon  934  wurde  die 
Klosterzucht  hergestellt,  und  unter  dem  Abte  Hugo  oder  Ogo4)  ge- 
länglichen Berichtigungen  SS.  XYI,  731.  Neue  Ausg.  im  Verz.  d.  Cölner 
Handschriften  S.  127—131.  Ann.  Colon,  breves  814.  898—964  e  cod.  Vat. 
Urb.  290  aus  Brauweiler,  MG.  SS.  XVI,  730. 

*)  Ihm  widmete  ein  'Albuinus  heremita'  einen  Sammelband,  worin  sich 
u.  a.  Adso  de  antichristo  befand,  s.  Catal.  Monac.  I,  3,  199;  W.  Meyer,  Der 
ludus  de  antichristo,  S.  4;  Schum,  Catal.  bibl.  Amplon.  p.  558.  —  Verse 
an  Heribert,  gekünstelt  und  ohne  Inhalt,  NA.  XVI,  178. 

2)  Theopold,  Kritische  Untersuchungen  über  die  Quellen  der  angel- 
sächsischen Geschichte  (1872)  S.  83  —  87.  Die  betreffenden  Stücke  aus 
Annalen  der  Normandie  nebst  Auszügen  aus  den  Fortsetzungen  bis  ins 
14.  Jahrh.  giebt  Holder-Egger:  Ex  Annalibus  Normannicis,  MG.  SS.  XXVI, 
488—517. 

3)  Annales  S.  Maximini,  von  708—987,  MG.  SS.  IV,  6.  7.  Sie  sind  bis 
840  von  einer  Hand,  und  bis  dahin,  wie  B.  Simson  bemerkt,  aus  den  Ann. 
S.  Columbae  Senon.  abgeschrieben. 

4)  Die  Namen  der  70  Mönche  unter  Ogo  „qui  monasterium  reparavit", 
MG.  SS.  XIII,  301.  Vgl.  Dümmler,  Otto  I,  S.  65.  In  d.  Bibl.  de  l'Ecole 
des  chartes  XLV  (1884),  S.  578  —  580  ist  Nachricht  gegeben  von  einem 
Evang.  mit  Nachrichten  über  Kirchweihen  in  St.  Maximin,  deren  erstes  Blatt 
fehlt.  Weihe  der  Krypte  952  unter  Willer,  einer  Capelle  am  2.  März  1018 
unter  Wmrich.  Ausg.  von  Sauerland  SS.  XV,  2,  1269;  aus  der  einst  von 
Wilthem  benutzten  Hs.  v.  Nick,  Stud.  u.  Mitth.  aus  d.  Bened.  Orden  X,  82 
(NA.  XV,  212). 


364  HI.    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Coln.     Trier.     Metz. 

dieh  das  klösterliche  Leben  so  gut,  dass  schon  937  König  Otto  die 
Mönche  für  seine  neue  Stiftung  in  Magdeburg  von  hier  entnahm. 
Anno,  der  erste  Abt  von  St.  Moritz,  wurde  (950 — 978)  zum  Bischof 
von  Worms  befördert,  der  zweite  Otwin  954  zum  Bischof  von  Hildes- 
heim, während  Abt  Hugo  selbst  945  Bischof  von  Lüttich  wurde. 
Etwas  später  (972)  wurde  Sandrad,  der  erste  Abt  von  Gladbach, 
aus  St.  Maximin  entnommen,  975  Ramwold,  978  Hartwich,  die  Her- 
steller klösterlicher  Zucht  in  St.  Emmeram  und  Tegernsee1).  Unter 
dem  Abte  Wiker  (957 — 966)  verfafste  Sigehard,  ein  Mönch  von 
St.  Maximin,  eine  Schrift  über  die  Wunder  ihres  Heiligen,  welche 
über  den  Verfall  und  die  Herstellung  der  lothringischen  Klöster 
nicht  unwichtige  Nachrichten  enthält2).  Um  965  wurde  daselbst 
eine  Sammlung  für  kanonisches  Recht  zusammengestellt 3).  Damit 
ist  die  litterarische  Thätigkeit  von  St.  Maximin  erschöpft,  wenn  man 
nicht  die  kecke  Urkundenfälschung  in  Heinrichs  V  Zeit  dazu 
rechnen  will. 

Auch  Prüm  erholte  sich  wieder,  doch  scheint  es  in  Regino 
(oben  S.  259)  seinen  einzigen  Historiker  hervorgebracht  zu  haben; 
auch  lag  es  gar  fern  von  der  Strafse.  In  den  letzten  Jahrzehnten 
dieses  Jahrhunderts,  unter  den  Aebten  Hilderich  (f  993)  und 
Stephan  (f  1001),  wurde  hier  auf  Kosten  und  Bitten  des  Mönches 
Wicking  vom  Mönche  Nother  ein  sehr  schönes  Antiphonar  geschrie- 
ben4). Auf  Befehl  des  Abts  Wolfram  schrieb  1084  der  Schüler 
Arnold  die  Chronik  des  Regino,  Einhards  Annalen  und  Leben  Karls 
nebst  Thegan  in  einem  Bande5).  Ein  Verzeichnifs  der  Aebte  ist 
unter  Hizo    (1068 — 1077)    geschrieben   und    weiter  fortgesetzt6),    in 

*)  Notizen  darüber  in  einem  schönen  alten  Evangeliar  aus  Tegernsee, 
NA.  VIII,  377. 

2)  Miracula  S.  Maximini,  Acta  SS.  Mai.  VII,  25  —  33.  Excerpta  ed. 
Waitz,  MG.  SS.  IV,  228 — 234;  in  Verse  gebracht  von  einem  ungenannten 
Scholasticus,  ed.  Kraus  im  Rheinland.  Jahrb.  L,  205 — 210.  Vgl.  auch  Ma- 
billon,  De  restitutione  disciplinae  in  Trevirensibus  Monasteriis,  Act.  V,  341 
bis  344.  Zwischen  963  und  965  wurde  in  St.  Maximin  das  Diptychon  mit 
Namen  der  Ott.  Familie  geschrieben,  facs.  in  Papebr.  Propyl.  Antiq.  Acta 
SS.  Apr.  II;  Ausg.  mit  Facs.  von  Fr.  X.  Kraus,  Westdeutsche  Zts.  IV, 
138—156. 

3)  M.  Sdralek ,  Wolfenb.  Fragmente,  Münster  1891.  —  Ueber  eine 
Urkundenfälschung  aus  dieser  Zeit  Bresslau,  Westd.  Zts.  V,  35;  u.  daselbst 
S.  20—65  über  ihre  ganzen  Urkundeu-Ueberlieferung  u.  Fälschung. 

4)  Paris  Suppl.  Lat.  641  jetzt  Lat.  9448,  ausgelegt  Arm.  XIX  n.  198. 
Zwei  Miniaturen  bei  Jules  Labarte,  Hist.  des  Arts  Industrieis,  Album  II, 
pl.  XC  nebst  der  Inschrift.     Waagen  III,  276. 

5)  MG.  I,  539.  Ermisch,  Die  Chronik  des  Regino  S.  26.  Kurze  den 
Hersfelder  entnommene  Annalen  906 — 919  daraus,  Arch.  XI,  300. 

6)  Fontes  IV,  460,  MG.  SS.  XIII,  302.    Ein  Verz.  Prümer  Mönche  zw. 


St.  Maximin.     Prüm.     Trier.  365 

dein  werthvollen  Chartular,  welches  als  liber  aureus  bekannt  ist.  In 
demselben  sind  die  Todesdaten  der  Könige,  Kaiser  u.  a.  von  768 
bis  1106  zusammengestellt1)  und  am  Schlüsse  finden  sich  sehr 
schätzbare  necrologische  Annalen  von  1039  bis  1102,  wo  sich  noch 
einige  Notizen  anschliefsen.  Der  Anfang  scheint  durch  Ausschneiden 
eines  Blattes  verloren  zu  sein.  Damit  ist  auch  die  historische  Litte- 
ratur  von  Prüm  erschöpft. 

Von  Erzbischof  Rotger  von  Trier  (917 — 930)  ist  eine  Sammlung 
kanonischer  Vorschriften  für  die  Priester  seines  Sprengeis  zusammen- 
gestellt, wovon  sich  leider  nur  der  Anfang  erhalten  hat2).  Irrig  ist 
ihm  auch  eine  etwas  spätere  Mäterialiensammlung  ähnlicher  Art  aus 
Trier  zugeschrieben  worden3). 

Der  Erzbischof  Rodb  er t  (930  bis  956),  ein  Bruder  der  Königin 
Mahthild4),  war  ein  gelehrter  Mann,  der  die  Wissenschaft  liebte;  ein 
Brief  Rathers  an  ihn  zeigt  uns,  dafs  er  diesem  einige  Probleme  vorgelegt 
hatte5),  und  Flodoard  widmete  ihm  sein  grofses  Gedicht  über  die 
römischen  Päbste6).  Unter  seinen  Nachfolgern7)  hat  sich  vorzüglich 
Ekbert  oder  Egbert  (977 — 993),  ein  Sohn  des  Grafen  Dietrich 
von  Holland,  ein  dauerndes  Andenken  geschaffen  und  nachhaltig 
gewirkt.  Sehr  merkwürdige  von  ihm  gestiftete  Weihgeschenke  in 
Trierer  Emailarbeit  verwahren  die  Domschätze  in  Trier  und  Lim- 
burg8). In  der  Trierer  Stadtbibliothek  ist  ein  Fragment  einer  reich- 
verzierten Abschrift  von  Gregors  I  Registrum,  die  er  hat  machen 
lassen,  mit  Versen  zu  Otto's  II  Preise  verziert  (NA.  II,  437).  Ihm 
ist  der  berühmte  Psalter  von  Cividale  gewidmet9).    Reichenau  brachte 


948  u.  971  ex  libro  aureo,  bei  Lamprecht,  Deutsches  Wirthschaftsleben  III, 
319—321. 

*)  Annales  necrologici  Prumienses,  MG.  SS.  XIII,  219 — 223. 

2)  Arch.  VIII,  813. 

3)  0.  v.  Heinemann,  Cat.  d.  Wolfenb.  Hss.  I,  356  nach  Wasserschieben; 
berichtigt  von  L.  Weiland,  Zts.  f.  Kirchenrecht  XX. 

4)  S.  Waitz,  Heinrich  I  (3.  Ausg.)  S.  108  und  138. 

5)  Vogel,  Rather  I,  98. 

6)  Handschriftlich  ist  der  Erzb.  Ruotger  genannt  (-J-  930),  wofür  wegen 
des  chronolog.  Widerspruchs  in  Hist.  litt,  de  la  France  VI,  318  Rodbert 
gesetzt  ist.     Vgl.  Dümmler,  Otto  I  S.  543. 

7)  Erst  Sigebert  V.  Deod.  c.  2  nennt  Heinrich  (956—964)  u.  Ekbert 
Schüler  des  Erzb.  Brun,  was  nach  Dümmler,  Otto  I  S.  399,  grundlos  ist. 

8)  Aus'm  Weerth,  Kunstdenkm.  im  Rheinland  III.  Ders.  Siegeskreuz 
Constantin  VII.  Weih -Inschriften  bei  Brower  et  Masen,  Ann.  Trev.  I,  483. 
St.  Beissel,  Egbert  v.  Trier  u.  die  byzant.  Frage.  Stimmen  aus  Maria- 
Laach  1884,  II,  S.  260  ff.     Janitschek,  Gesch.  d.  deutschen  Kunst  S.  65  ff. 

9)  Piper,  Kai.  u.  Martyrol.  d.  Angelsachsen  S.  20.  Eitclberger,  Jahrb. 
der  Centralcommission  II,  254,  und  daraus  F.  X.  Kraus  im  Rheinl.  Jahrb. 
XLIV,  166.     Archiv  XII,  679. 


366  nI-    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

ihm  das  prachtvolle  Evangelistarium  dar,  welches  sich  jetzt  in  der 
Trierer  Stadtbibliothek  befindet1).  Ekberts  Bedeutung  zeigt  sich 
auch  darin,  dafs  die  ältesten  Bischofskataloge  bis  auf  ihn  reichen2). 
Nach  langer  Zeit  des  schweren  Drucks  und  angestrengter  Kämpfe 
regte  sich  wieder  selbstbewufste  strebsame  Thätigkeit.  Mit  Gerbert 
war  Ekbert  in  Verbindung,  und  überlegte,  ob  er  zu  dem  Kreise 
hervorragender  Männer,  welchen  Otto  II  in  Italien  um  sich  sammelte, 
auch  aus  Trier  Scholastiker  schicken  sollte3).  Sehr  begreiflich  ist 
es  nun,  dafs  man  gerade  hier  vorzüglich  dem  Alterthum  sich  zu- 
wandte. Die  alte  Gröfse  Triers,  welche  aus  den  gewaltigen  Bau- 
werken der  Römerzeit  vernehmlich  redete,  und  die  vielfachen  Ueber- 
lieferungen  aus  der  früheren  Zeit  eines  blühenden  kirchlichen  Lebens, 
forderten  zur  Erforschung  der  Vergangenheit  auf,  für  welche  es  aber, 
nachdem  in  der  normannischen  Verwüstung  vieles  zu  Grunde  ge- 
gangen war,  an  zuverlässigen  Hülfsmitteln  mangelte.  Man  bemühte 
sich,  Biographieen  der  alten  Trierer  Heiligen  zu  schreiben  und  über- 
liefs  sich  aus  Mangel  an  echten  Nachrichten  einer  regellosen  Phantasie, 
die  zu  immer  unsinnigeren  Fabeleien  führte.  So  entstand  in  dieser 
Zeit  jene  märchenhafte  Urgeschichte  Triers,  welche  besonders  aus 
der  späteren  Bisthumsgeschichte  bekannt  ist4).  Nicht  viel  besser 
begründet  ist  auch  das  Leben  des  Diaconus  Ad  albert,  eines 
Gefährten  des  heiligen  Willibrord,  dem  das  Kloster  Egmund  ge- 
widmet ist;  Erzbischof  Ekbert,  der  Sohn  des  Stifters5),  liefs  um 
985  durch  den  Mönch  Ruopert  von  Mettlach  an  der  Saar  diese 
Arbeit  ausführen6);  von  Adalbert  wufste  er  sehr  wenig,  dieser  war 
aber,  wie  Holder-Egger  nachgewiesen  hat,  der  erste  Abt  von  Echter- 
nach.     Die  in   den  Wundergeschichten    gegebenen  Nachrichten   über 

J)  Oberflächl.  Nachricht  bei  Kugler,  Kl.  Sehr.  II,  474.  Die  Inschriften 
in  Mone's  Zeitschr.  III,  11  — 13.  K.  Lamprecht,  Der  Bilderschmuck  des 
Cod.  Egberti  u.  des  Cod.  Epternac.  im  Rheinl.  Jahrb.  LX  (1881)  S.  56—112, 
mit  9  Tafeln.  F.  X.  Kraus,  Die  Miniaturen  des  Cod.  Egberti  in  d.  Stadt- 
bibl.  zu  Trier,  in  unveränderl.  Lichtdruck,  Freiburg  1884,  4.  St.  Beissel, 
Bilder  der  Hs.  des  K.  Otto  in  Aachen  (1886)  S.  9—18;  S.  17  gegen  Lamp- 
rechts Datierung. 

2)  Kraus  im  Jahrb.  d.  Alterthumsfr.  im  Rheinland  XXXVIII,  27  ff. 
XLIV,  163—167.     Vgl.     Boehm.  Fontt.  IV  p.  LHI.     MG.  SS.  XIII,  296. 

3)  Hontheim,  Hist.  Trev.  I,  323  aus  Gerberts  Briefen;  scholasticos  deutet 
er  als  Schüler,  was  mir  zweifelhaft  ist. 

4)  S.  die  Vorrede  zu  den  Gesta  Trevirorum  von  Waitz. 

5)  Ueber  die  von  Kleyn  mitgetheilten  Bücherverzeichnisse,  worin  auch 
die  von  Ekbert  geschenkten,  s.  NA.  XV,  210. 

6)  Acta  SS.  Jun.  V,  97—109.  Mab.  III,  1,  631—646  mit  Weglassung 
der  Vita.  Nach  der  Weihe  der  neuen  Kirche  1143  wurden  viele  Wunder 
hinzugefügt.  Auszug  von  Holder-Egger,  MG.  SS.  XV,  2,  699—704,  vgl. 
S.  1319  u.  NA.  XIII,  29-32. 


Der  Fortsetzer  des  Regino.  3ß7 

die  Klosterstiftung  hat  gleichfalls  Holder-Egger  erläutert  und  als 
zuverlässig  befunden. 

Daneben  aber  wurde  von  einem  Mönche  des  Klosters  St.  Maxi- 
min auch  eine  Geschichte  der  Gegenwart  verfafst,  in  der  Form 
ausführlicher  Jahrbücher,  welche  wir  wohl  unbedenklich  als  die 
beste  Reichsgeschichte  dieser  Zeit  bezeichnen  können,  ohne  damit 
den  eigenthümlichen  Vorzügen  Widukinds  zu  nahe  zu  treten.  Es 
ist  die  Fortsetzung  der  Chronik  des  Regino,  verfafst  um 
das  Jahr  964,  und  bis  967  fortgeführt  von  einem  unbekannten 
Mönche  von  St.  Maximin,  der  sich  nicht  allein  durch  seine  Schreib- 
art als  einen  der  besten  Schriftsteller  seiner  Zeit  zu  erkennen  giebt, 
sondern  der  auch  aufserdem  eine  ungewöhnliche  Stellung  haben 
mufste,  um  einen  so  klaren  Einblick  in  den  Gang  der  Dinge  zu 
erhalten  und  so  zuverlässige  Nachrichten  sammeln  zu  können.  Dem 
Erzbischof  Wilhelm  von  Mainz  mufs  der  Verfasser  nahe  gestanden 
haben,  besonders  aber  Ad  albert,  dem  Mönch  von  St.  Maximin, 
der  961  als  Bischof  nach  Rufsland  geschickt  wurde,  966  die  Abtei 
Weifsenburg  im  Elsafs  erhielt,  und  endlich  968  auf  den  neuen  erz- 
bischöflichen Stuhl  von  Magdeburg  erhoben  wurde,  einem  Manne 
also,  der  kein  gewöhnliches  Mönchsleben  führte1).  Da  nun  gerade 
mit  diesem  Jahre  die  Fortsetzung  abbricht,  so  hat  W.  v.  Giesebrecht2) 
richtig  bemerkt,  dafs  Adalbert  ein  nahes  Verhältnifs  zu  dem  Ver- 
fasser gehabt  haben  müsse,  eine  Ansicht,  welche  nicht  nur  all- 
gemeine Zustimmung  gefunden  hat,  sondern  auch  dahin  erweitert 
ist,  dafs  Adalbert  selbst  als  der  Verfasser  angenommen  ist, 
besonders  wegen  des  Berichts  über  sein  Geschick  in  den 
Jahren  961  und  962,  welchen  kaum  ein  anderer  so  abfassen  konnte. 
Die  Ereignisse  in  Italien  sind  ihm  ebenso  gegenwärtig,  wie  die 
lothringischen;  er  theilt  wie  die  Verfasser  der  alten  Reichsannalen, 
die  Gesichtspunkte  des  Hofes  und  ist  durchaus  nicht  in  provinzieller 
Einseitigkeit  befangen,  was  bei  einem  Mönche  wie  Widukind,  der 
in  seiner  Zelle  blieb,  kaum  anders  möglich  war. 

Adalbert  also  kam  962  von  seiner  gefahrvollen  und  gänzlich 
erfolglosen  Sendung  nach  Rufsland  zurück;  er  fand  jetzt  beim  Erz- 
bischof Wilhelm  eine  sehr  liebevolle  Aufnahme   „w7ie  ein  Bruder  vom 

a)  Sickel  im  1.  Ergänzungsband  der  Mitth.  d.  Inst.  S.  361  hält  ihn  für 
den  Notar  Liutolf  A,  der  953 — 958  in  der  k.  Kanzlei  gearbeitet  hat,  und 
diesen  wieder  der  Schrift  nach  für  identisch  mit  einem  Adalbertus,  der  950 
in  Köln  eine  Urk.  des  Erzb.  Wicfrid  recognoscirt  (Facs.  Kaiserurkunden 
in  Abbildungen,  7.  Lief.  N.  30).  Er  müfste  sich  dann  aus  der  Kanzlei  ins 
Kloster  zurückgezogen  haben. 

2)  Geschichte  der  Kaiserzeit  I,  778. 


368  HI.    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

Bruder",  und  ich  habe  daran  die  Vermuthung  geknüpft1),  dafs  er 
wohl  wirklich  Wilhelms  Bruder  oder  Halbbruder  gewesen  sein  möge,  ein 
Sohn  jener  vornehmen  Wendin,  welche  "Wilhelms  Mutter  war.  Denn 
Männer  geringer  Herkunft  erhielten  damals  nicht  leicht  ein  Bisthum, 
weil  die  stolzen  Vasallen  sich  ihnen  nicht  unterordneten ,  und  wir 
wissen  sonst  gar  nichts  über  Adalberts  Abkunft.  Der  Erzbischof 
befahl  ihm,  die  Ankunft  des  Kaisers  im  Palast  abzuwarten,  und  er 
wird  sich  dort  wohl,  trotz  seiner  Erhebung  zum  Abt  von  Weifsen- 
burg,  viel  aufgehalten  haben,  zuletzt  begleitete  er,  wie  Uhlirz  wahr- 
scheinlich gemacht  hat2),  im  Spätherbst  967  den  jungen  Kaiser 
Otto  II  nach  Italien,  wo  er  zum  ersten  Erzbischof  von  Magdeburg 
erhoben  wurde.  Dadurch  wird  die  weitere  Fortführung  des  Werkes 
verhindert  sein. 

Es  liegt  nun  ferner  die  Yermuthung  nahe,  dafs  der  Erzbischof 
Wilhelm  es  war,  welcher,  dem  Beispiel  seiner  Vorgänger  folgend, 
den  Anlafs  zu  diesen  Aufzeichnungen  gab.  Vor  der  Heimkehr  aus 
Rufsland  können  wir  den  Anfang  nicht  ansetzen,  weil  nirgends  vor- 
her die  Aufzeichnung  als  gleichzeitig  erscheint,  vielmehr  die  Kennt- 
nifs  späterer  Vorgänge  vorausgesetzt  wird;  ja,  wie  Werra3)  bemerkt, 
setzt  sogar  noch,  was  zu  964  über  den  Grafen  Udo  geschrieben  ist, 
dessen  Unternehmen  im  Jahre  966  voraus.  Es  bedurfte  also  zur 
Anknüpfung  an  die  Chronik  des  Regino  schriftlicher  Hülfsmittel 
und  als  solches  diente  vorzüglich  ein  uns  nicht  mehr  erhaltenes 
Exemplar  der  Reichenauer  Annalen,  reichhaltiger  als  das  uns  be- 
kannte, und  kenntlich  durch  die  Benutzung  desselben  Exemplars  in 
Hermanns  Chronik4).  Sonst  ist  aufser  St.  Maximiner  Klosternach- 
richten u.  a.  von  Fr.  Kurze  die  Benutzung  jener  oben  S.  241  er- 
wähnten Fulder  Annalen  nachgewiesen,  die  bis  939  gereicht  zu 
haben  scheinen.  Die  Erzählung  wird  nun  immer  ausführlicher  und 
gestaltet  sich  zu  einer  wirklichen,  wenn  auch  sehr  knapp  gehaltenen 
Reichsgeschichte,  ganz  in  der  Weise  der  alten  Reichsannalen.  Der 
Verfasser  konnte  aus  eigener  Erfahrung  schöpfen,  vielleicht  auch 
frühere  Aufzeichnungen  benutzen.  Mittheilungen  kundiger  Zeitge- 
nossen und  Berichte,  besonders  über  die  Vorgänge  in  Italien  an  den 

2)  Einleitung  zur  Uebersetzung  (1890)  S.  VII. 

2)  Gesch.  d.  Erzbisthums  Magdeburg  S.  56. 

3)  Jos.  Werra,  Ueber  den  Continuator  Reginonis.     Diss.  Lips.  1883. 

4)  So  nach  W.  Erben,  NA.  XVI,  613—622,  der  wohl  mit  Recht  die 
Benutzung  der  Ann.  Laubac.  u.  Sangall.  abweist.  Besonders  beachtens- 
we'rth  ist  die  Bemerkung  zum  J.  938,  wo  nach  Hermann  „Arnulf"  statt 
„Eberhard"  gesetzt  wird,  und  Eberhard  v.  Baiern  ganz  aus  der  Geschichte 
gestrichen. 


Metz.     Das  Kloster  Gorze.  369 

Erzbischof,  werden  ihm  nicht  gefehlt  haben.  Für  den  Zeitraum  von 
960  bis  967  ist  keine  andere  Quelle  damit  zu  vergleichen1). 

Unter  den  Suffraganen  von  Trier  ist  besonders  Metz  ausge- 
zeichnet durch  wissenschaftliche  Thätigkeit  unter  einer  Reihe  treff- 
licher Bischöfe,  welche  den  Glanz  von  Chrodegangs  Zeiten  erneuten. 
Schon  883  April  22  weihte  Erzbischof  Radbod,  ein  Alainanne,  zum 
Bischof  von  Metz  seinen  Landsmann  Ruotpert,  einen  Freund  Notkers, 
also-  vermuthlich  aus  der  Schule  von  St.  Gallen2),  wie  denn  auch 
Radbod  885  das  Fest  des  Schutzheiligen  in  St.  Gallen  feierte,  und 
in  die  Verbrüderung  aufgenommen  wurde3).  Ruotpert  starb  am 
2.  Januar  917.  Nachdem  der  von  König  Heinrich  927  eingesetzte 
Schwabe  Benno  im  folgenden  Jahre  von  seinen  Feinden  geblendet 
war,  gelang  es  Adalbero  (929 — 962),  eine  gesicherte  Wirksamkeit 
zu  gewinnen.  Von  hier  besonders  ging  durch  eigenen  inneren  An- 
trieb die  neue  Klosterreform  aus,  hier  zuerst  fafste  sie  festen  Boden 
und  verbreitete  sich  dann  auch  weiter  zu  entfernteren  Klöstern : 
diese  Erneuerung  von  unten  auf  und  von  innen  heraus,  welche  allein 
für  die  Wirksamkeit  des  Erzbischofs  Brun  eine  dauernde  Grundlage 
gewähren  konnte.  Die  Bischöfe  Adalbero  und  Dietrich  beförderten 
diese  Richtung  und  die  Thätigkeit  der  Männer,  welche  sie  haupt- 
sächlich vertraten,  auf  alle  Weise,  und  bald  sehen  wir  die  loth- 
ringischen Klöster  aus  tiefem  Verfall  sich  zu  einer  neuen  und 
dauernden  Blüthe  erheben. 

Der  Mittelpunkt  dieser  Bestrebungen  war  lange  Zeit  das  Kloster 
Gorze  in  der  Nähe  von  Metz,  wo  der  Abt  Eginold  (933 — 959)  mit 
grofser  Anstrengung  und  Aufopferung  die  Zucht  hergestellt  hatte, 
und  nach  ihm  sein  Freund  und  Genosse  Johannes  als  Abt  (960 
bis  974)  4)  eine  sehr  einflufsreiche  Stellung  einnahm,  und  die  neue 
strenge  Zucht  nach  allen  Seiten  verbreitete.  Schon  941  hatte 
Bischof  Adalbero  mit  König  Otto's  Hülfe  aus  dem  Arnulfskloster 
zu  Metz  die  zuchtlosen  Canoniker  vertrieben,  und  unter  dem  neuen 

*)  Conünuator  Reginonis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  I,  614—629  und  eine  Er- 
gänzung zum  Jahre  967  SS.  VI,  620.  Neue  Ausg.  von  Fr.  Kurze  1890: 
vgl.  NA.  XV,  324—330.  Uebersetzung  von  Büdinger  1857;  2.  Ausg.  1890. 
Geschichtschr.  28  (X,  1).  Zu  Hugo  Isenbart:  Ueber  den  Verfasser  und  die 
Glaubwürdigkeit  des  Cont.  Reg.  (Diss.  KU.  1889)  s.  Kurze,  NA.  XVI,  209. 
—  In  Bern  ist  ein  cod.  s.  XI.  von  Augustin  de  civ.  dei  aus  St.  Maximin 
„quem  Hato  bibliotecharius  fecit".     Catal.  codd.  von  II.  Hagen  S.  9. 

3)  Dümmler,  St.  Gall.  Denkm.  S.  261. 

3)  St.  Galler  Mitth.  XI,  13.  In  dem  oben  S.  270  angef.  Dialog  heilst 
es  S.  489:  „Nobilissimo  atque  scholasticissimo  Ruodperto  nuper  in  Mctensis 
ecclesiae  sede  pontificatus  honore  sublimato." 

4)  Nach  Dümmler,  Otto  I,  S.  280,  starb  er  am  7.  März  974. 

Wattenbach,  Geschichtequellen  I.  6.  Aufl.  24 


370  HI-    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

Abt  Arbert,  einem  Mönche  von  Gorze,  die  Benedictiner- Regel  ein- 
geführt. Dann  war  es  der  Abt  Johannes  von  St.  Arnulf,  welcher 
lange  Zeit  der  Freund  des  Abtes  Johannes  von  Gorze  und  der  Ge- 
nosse seiner  Wirksamkeit  war,  und  dieser  unternahm  es  nach  dem 
Tode  desselben,  sein  Leben  zu  beschreiben,  und  begann  die  Aus- 
führung dieser  Aufgabe  mit  besonderer  Liebe  und  gutem  Erfolge. 
Die  Regeneration  des  Klosterwesens  in  Lothringen  liegt  uns  darin  in 
sehr  ausführlicher  Schilderung  vor;  weiterhin  gewinnt  dieses  Werk 
noch  eine  ganz  eigenthümliche  geschichtliche  Wichtigkeit  dadurch, 
dafs  Johannes  es  war,  welcher  im  Jahre  953  sich  bereit  finden  liefs, 
für  den  König  Otto  als  Gesandter  zum  Kalifen  Abderrahman  III 
nach  Cördova  sich  zu  begeben.  Auch  diese  Reise  ist  hier  sehr  aus- 
führlich beschrieben,  leider  aber  bricht  unser  Text  mitten  in  dieser 
ebenso  merkwürdigen  wie  anziehenden  Darstellung  ab;  das  Uebrige 
ist  verloren,  vielleicht  auch  die  zu  ausführlich  angelegte  Arbeit  nie 
ganz  vollendet  worden.  Schon  einmal,  im  Jahre  978,  als  ein  be- 
deutender Theil  derselben  vollendet  war,  hatte  der  Verfasser  sie 
unterbrochen,  und  es  bedurfte  des  Zuspruches  der  Bischöfe  Dietrich 
von  Metz  und  Folkmar  von  Utrecht,  um  ihn  zur  Fortsetzung  zu 
bewegen;  ob  er  sie  aber  wirklich  zu  Ende  geführt  hat,  ist  zweifel- 
haft und  kaum  wahrscheinlich,  zumal  da  er  vor  984  gestorben  ist1). 
Pertz  hat  dem  Abt  Johannes  von  Gorze  verschiedene  Werke 
zugeschrieben,  die  Miracula  S.  Gorgonii,  Vita  et  Miracula  S.  Glode- 
sindis,  vielleicht  auch  Vita  Chrodegangi,  allein  die  genaue  Unter- 
suchung von  Walther  Schultze2)  hat  ein  ganz  anderes  Verhältnifs 
wahrscheinlich  gemacht.  Zunächst  ist  nachgewiesen,  dafs  es  schon 
eine  ältere  Aufzeichnung  gegeben  hat,  welche  in  den  Miracula  S. 
Gorgonii  benutzt  und  daran  kenntlich  ist,  dafs  einzelne  Erzählungen 
derselben  mit  der  Vita  Johannis  Gorziensis,  andere  mit  der  Vita 
Chrodegangi  so  weit  übereinstimmen,  dafs  eine  gemeinsame  Quelle 
anzunehmen  ist;  vermuthlich  waren  es  ältere  Miracula  S.  Gorgonii. 
Die    uns    erhaltenen    Miracula  S.  Gorgonii3).    die    Wunderthaten 

»)  V.  Johannis  Gorziensis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  337—377.  Vgl. 
W.  Giesebrecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit,  I,  506  ff.  784.  837;  Dümmler, 
Otto  I,  S.  302 — 306,  über  die  Klosterreform.  Matbieu,  De  Joh.  Gorz.  vita, 
Nancy  (82  S.  8).  Dafs  die  Vita  unvollendet  blieb,  sagt  der  Vf.  der  Hist. 
S.  Arnulfi  aus  dem  13.  Jahrh.,  für  dessen  Glaubwürdigkeit  Walther  Schultze 
eintritt,  Forschungen  zur  Gesch.  d.  Klosterreform  (Diss.  Hai.  1883)  S.  40, 
NA.  IX,  507. 

2)  War  Joh.  von  Gorze  hist.  Schriftsteller?  NA.  IX,  495—512. 

3)  MG.  SS.  IV,  235.  238  —  247.  Gegen  diese  Datierung  sind  jedoch 
Zweifel  erhoben  von  H.  Finke,  weil  B.  Milo  v.  Minden  bei  Uebersendung 
der  Passio  S.  Gorgonii  an  Abt  Immo  v.  Gorze,  zw.  987  u.  996,  keine  Mi- 
racula kennt;  s.  NA.  XVI,  209  §26. 


Die  Aebte  Joh.  von  Gorze  u.  Joh.  von  St.  Arnulf.  371 

des  Schutzheiligen,  der  schon  von  Chrodegang  im  J.  765  nach  Gorze 
gebracht  war,  sind  um  das  J.  965  von  einem  Gorzer  Mönch  ver- 
fafst,  der  als  Augenzeuge  von  dem  Aufstand  des  Herzogs  Konrad 
berichtet,  zu  einer  Zeit,  da  der  Abt  Johannes  in  Spanien  war.  Da- 
gegen sind  die  Vita  et  Miracula  S.  Glodesindis1)  von  einem 
Abt  Johannes  verfafst,  der  in  der  Hist.  S.  Arnulfi  als  der  von  St. 
Arnulf  bezeichnet  ist,  und  es  ist  kein  Grund  daran  zu  zweifeln.  In 
der  Yita  Joh.  Gorz.  hat  er  diese  seine  frühere  Schrift  benutzt  und 
die  Erzählung  etwas  erweitert;  ebenso  die  älteren  Miracula  S.  Gor- 
gonii.  In  beiden  finden  sich  mancherlei  historische  Nachrichten, 
namentlich  über  die  Klosterreform  im  Sprengel  von  Metz. 

Was  endlich  die  Yita  Chrodegangi2)  betrifft,  welche  uns  nur 
unvollständig  erhalten  ist,  so  könnte  dieselbe  allenfalls  von  Johannes 
von  Gorze  herrühren;  sie  ist  aber  mit  einem  grofsen  Phrasenschwall 
ausgestattet  und  nach  allen  Regeln  der  Rhetorik  gearbeitet,  was 
nicht  zu  dem  pafst,  was  uns  von  der  mangelhaften  Schulbildung  des 
Abtes  Johannes  mitgetheilt  wird.  Sie  ist  übrigens  nur  aus  densel- 
ben Quellen  geschöpft,  die  auch  uns  zu  Gebote  stehen,  und  reiht 
sich  daher  den  zahlreichen  Paraphrasen  alter  Heiligenleben  an,  welche 
durch  die  höheren  Anforderungen  der  gebildeteren  Nachfolger  her- 
vorgerufen wurden. 

Eine  kräftige  Stütze  hatte  das  Kloster  Gorze  an  seinem  Schirm- 
voigt Sendebai d,  Grafen  von  Toul,  dem  nach  seinem  Tode  eine 
ausführliche  dankerfüllte  Grabschrift  in  ungewöhnlich  guten  Hexa- 
metern gewidmet  wurde3). 


1)  Miracula  bei  Mab.  IV,  1,  436.  Auszug  MG.  SS.  IV,  236  —  238. 
Eine  Stelle  über  Lothar  II  u.  Waldrada  nachgetragen  SS.  XXIV,  506, 
Anmerkung. 

2)  V.  Chrodegangi  ed.  Pertz,  MG.  SS.  X,  552—572.  Pertz,  Uebcr  die 
Vita  Chrodegangi  in  den  Abhandlungen  der  Berliuer  Akademie  1852, 
S.  507  ff.     Epitaphium  Chrod.  Poet.  Lat.  I,  108. 

3)  Herausgegeben  v.  Dümmler,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XVIII,  306.  Nach 
Mittheilung  desselben  ist  v.  23  statt  Ostendit  zu  lesen  Offendit.  Die  Ils. 
aus  dem  Vincenzstift  (Ciarom.  659)  enthält  folgende  Eintragung  zum  Preise 
des  Bischofs  Dietrich:  „Sanctae  matris  aecclesiae  tripudians  auriga  necnon 
summae  religionis  in  omni  mundanac  adversitatis  turbine  triumphans  guber- 
naculum,  domnus  praesul  Deodericus,  dum  divino  adprime  cultui  deditus 
quaeque  ad  honestatem,  augmentum  seu  defensionem  sibi  pastorali  jure 
commissae  sedis  indefesso  nisu  enuclearet  atque  proeul  posita  offensione 
cuncta  votis  ejus  responderent,  inter  multa  insignia,  quae  eonsilio,  aucto- 
ritate,  sententia  ad  gloriam  et  laudem  summae  et  individuae  trinitatis  prae* 
senti  in  coenobio  cum  decreto  imperatorum  et  principum  necnon  totius 
populi  senatu  applaudente  gloriose  gessit,  etiam  hunc  librum  Gesta  sancti 
Martini  continentem,  quo  apud  futuram  postcritatem  serapiternae  memoriae 
immortalitatem  pro  mortali  conditiono  nnncisceretur,  archivis  aegrogii  mar- 

24* 


372  HI.    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

Zu  dem  Kreise  dieser  Reformatoren  gehört  auch  der  Schotten- 
abt Kaddroe,  der  zuerst  in  Waussor  unweit  Diuant  einem  Lands- 
mann als  Abt  folgte,  von  da  aber  durch  Adalbero  an  das  Kloster 
der  heiligen  Felix  und  Clemens  nach  Metz  berufen  wurde.  Sein 
Leben  ist  auf  Veranlassung  des  Abtes  Immo,  vermuthlich  von 
Waussor,  bald  nach  seinem  Tode  beschrieben  worden1).  Ihn  und 
seinen  Nachfolger  Fingen  (f  1003)  und  die  Bischöfe,  welche  die 
Klöster  und  die  Klosterzucht  herstellten,  Adalbero  I  und  Adalbero  II, 
preist  ein  Gedicht  in  noch  recht  roher  und  mangelhafter  Form, 
welches  vorzüglich  dem  Ruhme  des  h.   Clemens  gewidmet  ist2). 

Wir  erwähnten  schon,  dafs  der  Bischof  Dietrich  von  Metz 
(965 — 984),  ein  Schwestersohn  der  Königin  Mahthild,  der  aus  der 
Schule  des  Erzbischofs  Brun  stammte3),  nicht  minder  als  Adalbero 
bemüht  war,  seinen  Sprengel  in  jeder  Beziehung  zu  verherrlichen; 
er  beförderte  eifrigst  die  Klosterreform,  und  seinen  Aufenthalt  mit 
dem  Kaiser  in  Italien  970  benutzte  er,  um  mit  unersättlicher  Gier 
und  in  den  Mitteln  nicht  wählerisch  zahlreiche  Heiligenleiber  für 
Lothringen  zu  erwerben.  Zugleich  nahm  er  auch  in  der  politischen 
Geschichte  der  Zeit  eine  sehr  bedeutende  Stellung  ein;  sein  Ruf 
war  auswärts  nicht  der  beste,  Habsucht  wurde  ihm  vorgeworfen, 
und  seine  Untreue  gegen  Theophano,  sein  Abfall  von  Otto  III,  be- 
fleckten seine  letzten  Jahre  und  gaben  Gerbert,  wenn  er  der  Ver- 
fasser ist,  Anlafs,  sein  Verhältnifs  zu  Carl  von  Lothringen  in  einem 
für  beide  Theile  gleich  anzüglichen  Briefwechsel  zu  behandeln4). 

Seinen  Aufenthalt  in  Italien  scheint  Bischof  Dietrich  aber  auch 
zu  einer  anderen  Erwerbung  benutzt  zu  haben,  nämlich  der  hinter- 
lassenen  Werke  des  Bischofs  Liudprand  von  Cremona.  Dieser  soll, 
was  freilich  unsicher  ist,  an  der  Gesandtschaft  theilgenommen  haben, 
welche  971  die  Kaiserbraut  Theophano  in  Empfang  nahm,  und  auf 
dieser  Reise  gestorben  sein.  Dietrich,  der  griechischen  Sprache 
nicht    unkundig,    war    zum   Empfang    der  Prinzessin  972    entsandt. 

tyris  et  laevitae  Vincentii   in   spem   patrocinii  sibi   electi   sub    anathematis 
vincnlo  votiva  manu  addidit." 

*)  Vita  S.  Cadroae,  ed.  G.  Henschen,  Acta  SS.  Mart.  I,  474.  Mab.  V, 
489.  Auszüge  MG.  SS.  IV,  483  u.  XV,  2,  689.  Sein  Todesjahr  ist  un- 
sicher, 978  nach  Scheffer- Boichorst,  Zts.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  N.  F.  IV, 
286,  Anm.  5.    Vgl.  über  ihn  Sackur,  Die  Cluniacenser,  S.  182  ff. 

2)  Bis  jetzt  ist  nur  das  Ende  gedruckt,  von  Dümmler,  NA.  V,  433 
bis  437. 

3)  Vgl.  über  ihn  Dümmler,  Otto  I  S.  374. 

4)  Olleris,  Oeuvres  de  Gerbert,  p.  19  ff.  u.  S.  25—32  d.  Ausg.  von 
Hawet,  welcher  aber  nicht  an  die  Autorschaft  Gerberts  glaubt.  Sie  linden 
sich  auch  im  Cod.  ep.  Lauresham.  s.  NA.  III,  328.  340. 


Kaddroe.     Dietrich  u.  Adalbero  II  von  Metz.  373 

Nun  enthält,  wie  Fr.  Koehler  nachgewiesen  hat1),  eine  Handschrift 
saec.  X.  aus  St.  Arnulf  Excerpte  griechischer  Stellen  aus  Liudprands 
Schriften  mit  der  Uebersetzung,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dafs  in 
Metz  auch  die  Abschrift  angefertigt  ist,  welche  bisher  als  Autograph 
betrachtet  wurde,  und  in  die  darin  leer  gelassenen  Stellen  hat  viel- 
leicht Dietrich  selbst  die  griechischen  Worte  eingetragen. 

Die  Stiftung  des  Vincenzklosters  trug  Dietrich  auch  eine  Bio- 
graphie ein2),  welche  aber  nicht  von  einem  Zeitgenossen,  sondern 
erst  ein  Jahrhundert  später  von  Sigebert  von  Gembloux  verfafst 
ist.  Aufgenommen  ist  darin  ein  gleichzeitiger  Bericht  über  die 
von  ihm  erworbenen  Reliquien,  welcher  sich  auch  abgesondert  er- 
halten hat. 

Glücklicher  war  sein  nicht  minder  ausgezeichneter  Nachfolger 
Adalbero  II  (984 — 1005),  der  Dietrichs  Wirksamkeit  in  entsprechen- 
der Weise  fortsetzte,  indem  er  einen  ganz  vortrefflichen  Biographen 
fand  an  Constantin,  dem  Abte  des  von  ihm  wiederhergestellten 
Schottenklosters  St.  Symphorian  zu  Metz3).  Ein  poetisches  Epita- 
phium, worin  der  Bischof  gar  sehr  gepriesen  wird,  verfafste  Conrad 
im  Kloster  Saint-Avold  (Sancti  Naboris)  und  überreichte  es  mit 
anderen  Versen  seinem  Abt  Ratram ;  beides  steht  in  einem  Codex 
des  Prudentius,  den  er  schön  eingebunden  und  mit  Randglossen  ver- 
sehen hatte,  wofür  er  dieses  Buch  in  zierlichen  Versen  sich  bedan- 
ken läfst:  so  schön  sei  nicht  einmal  der  Lucan  geziert,  den  Con- 
stantin binden  liefs.  Diesen  Conrad,  von  dem  es  nicht  sicher  ist, 
dafs  er  Mönch  war,  hält  L.  Delisle  für  den  Metzer  Archidiaconus 
des  Namens,  welcher  auf  dem  Wege  nach  Italien  die  eifrigen  Studien 
der  Klosterfrauen  in  Zürich  kennen  gelernt  hatte  und  zugleich  ihren 
Kummer,  dafs  der  erste  Band  von  Gregors  Moralien  ihnen  fehle; 
heimgekehrt  übersandte  er  ihn  mit  einem  artigen  Briefe4).  Doch 
ist  das  sehr  zweifelhaft  und  nicht  wahrscheinlich,  da  jener  Conrad 
allem  Anschein    nach    identisch    ist  mit  Cuono,  Klosterlehrer  in  St. 

1)  Neues  Archiv  VIII,  78. 

2)  Vita  Deoderici  Mettensis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  461.  Vgl.  dazu 
Dümmler  a.  a.  0.  S.  4G6.  483.  491.  Aufser  der  oben  angef.  Inschrift  9  Hexa- 
meter zu  seinem  Preis  im  Cod.  Mett.  215;  Schlufs:  Me  referente  seiet  Fran- 
corum  regia  cortis,  Catal.  des  Bibl.  des  Dep.  V,  95.  Im  Catal.  Ciarom.  p.  173 
(cod.  506)  3  Distichen  zu  seinem  Preis,  gefeiert  als  Verwandter  des  Kaisers 
Otto  „cujus  consiliis  jura  dedit  populis". 

3)  Vita  Adalberonis  II  Mettensis  episcopi  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  658 
bis  672;  geschrieben  um  das  Jahr  1015.  Ueber  ein  Sacramentar  von  dort 
Delisle,  Sacram.  p.  222. 

4)  Die  Verse  bei  Pertz  a.  a.  0.  S.  672;  die  letzten  auch  bei  Delisle, 
Cabinet  des  Manuscrits  II,  401.  Der  Brief  bei  G.  v.  Wyfs,  Gesch.  der 
Abtei  Zürich. 


374  Hl«    Ottoncn.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

Avold,    von  dem    sich  auch  andere  Verse  erhalten  haben1).     Solche 
Schullehrer  wurden  aber  nicht  Archidiaconen. 

Um  dieselbe  Zeit  schrieb  auch  ein  Mönch  im  Kloster  Horn- 
bach  im  Sprengel  von  Metz  ein  Buch  über  das  Leben  des  heiligen 
Pirruin2),  der  im  achten  Jahrhundert  das  Kloster  gestiftet  hatte, 
und  widmete  sein  Werk  dem  Erzbischof  Ludolf  von  Trier  (994  bis 
1008).  Es  ist  nur  eine  stilistische  Bearbeitung  der  älteren,  schon 
oben  S.  275  erwähnten  Vita  ohne  geschichtlichen  Werth,  vielleicht, 
wie  schon  Mone  vermuthete,  von  dem  Abt  Gare  mann  von  Horn- 
bach  (f  1008)  verfafst.  Dagegen  enthalten  die  von  Mone  zuerst 
bekannt  gemachten  Wunder3)  (bis  1012)  einige  geschichtliche  Nach- 
richten, namentlich  über  Heinrichs  II  Zug  nach  Lothringen  im  J. 
1009;  sie  sind  von  einem  Hornbacher  Mönch  hinzugefügt.  Hier 
wurde  auch  zur  Zeit  Otto  II  vom  Schreiber  Eburnant  ein  prächtiges 
Sacramentar  für  den  Abt  Adalbert  geschrieben,  mit  guten  Dedica- 
tionsversen4). 

So  entwickelte  sich  in  Metz  jener  den  Lothringern  besonders 
eigene  Sinn  für  Localgeschichte,  der  sich  in  Biographieen,  Kloster- 
chroniken und  Schriften  zur  Verherrlichung  der  Ortsheiligen  in 
grofser  Fülle  kundgegeben  hat,  aber  erst  im  folgenden  Zeitalter  zu 
voller  Entfaltung  kommt. 

Schliefslich  ist  noch  ein  Mönch  jenes  schon  erwähnten  Klosters 
des  heiligen  Symphorian  zu  nennen,  der  nur  zum  Theil  dem 
Metzer  Sprengel  angehört,  Alpert  nämlich,  der  an  das  Werk  des 
Paulus  Diaconus  anknüpfend,  eine  Geschichte  der  Bischöfe  von 
Metz5)  verfafste,  von  welcher  jedoch  nur  ein  Bruchstück  erhalten 
ist.  Er  widmete  sie  dem  Abte  Constantin.  Später  aber  kam  er 
in  den  Utrechter  Sprengel,  und  zwar  nach  Molls  Vermuthung6)  in 
das  um  diese  Zeit  von  Bischof  Ansfrid  (995 — 1010)  gegründete 
Kloster  bei  Amersfoort.     Es    giebt    nämlich    eine  aus  Alperts  Werk 


x)  S.  NA.  XIII,  666  über  Studemund  in  den  Breslauer  Philolog.  Ab- 
handl.  II,  3. 

3)  Gedruckt  bei  Mab.  III,  2,  140—153.  Vgl.  Mone,  Quellens.  I,  36-38. 
Stalin  I,  168,  Rettberg  II,  52.  Nur  der  Prolog  MG.  SS.  XV,  21.  Ueber 
die  geschichtl.  Verhältnisse  s.  K.  Brandi:  Die  Reickenauer  Urkundenfäl- 
schungen (1890)  S.  102  ff. 

3)  Quellensammlung  I,  45-50.  MG.  SS.  XV,  21—31,  von  Holder- 
Egger;  S.  31 — 35  Miracula  Hornbacenäa. 

4)  Herausgeg.  v.  Dümmler,  NA.  X,  344.     Delisle,  Sacram.  p.  190. 

5)  Alperti  de  episcopis  Mettendbus  libellus  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  697. 
Bischofsverzeichnisse  SS.  XIII,  303.  Ueber  Benutzung  von  Caesars  Bell. 
Gall.  in  seinen  Werken  Manitius,  NA.  XIII,  203. 

f))  Kerkgeschiedenis  II,  2,  343. 


Hornbach.     Alpert  von  Metz.     Utrecht.  375 

geschöpfte  Vita  Ansfridi1),  welche  einem  monachus  Ultrajectinus 
S.  Pauli  zugeschrieben  wird;  dahin  aber  war  jenes  Kloster  verlegt. 
Sehr  möglich  ist  es,  dafs  die  Aussendung  einer  Mönchscolonie  den 
sonst  ungewöhnlichen  Ortswechsel  veranlafste.  Hier  also  schrieb  er 
um  1022  sein  Buch  über  den  Wechsel  der  Zeiten2),  worin  er 
in  bunter  Mannigfaltigkeit  von  allerlei  Vorfällen  aus  diesen  Gegen- 
den erzählt:  ein  Vorrath  geschichtlichen  Stoffes  ohne  bestimmte 
Ordnung,  der  um  so  willkommener  ist,  da  wir  sonst  nur  wenig 
Kunde  von  diesem  entlegeneren  Theile  des  Reiches  besitzen.  Er 
übersandte  es  dem  Bischof  Burchard  von  Worms,  bei  dem  sein 
Bruder  Immo  Diaconus  war.  An  denselben  Immo  schickte  auch 
der  bald  zu  erwähnende  Custos  Tielensis  sein  Werk;  er  scheint 
dann  an  den  Kaiserhof  gekommen  zu  sein  und  wurde  um  1036 
Bischof  von  Arezzo;  in  der  Lorscher  Briefsammlung  sind  Briefe  von 
ihm  und  an  ihn  erhalten3). 

Das  Bisthum  Utrecht  war  von  den  Normannen  gar  arg  heim- 
gesucht und  zeitweise  ganz  zerstört.  Radbod,  von  mütterlicher 
Seite  ein  Abkomme  des  alten  Friesenfürsten  Radbod,  folgte  899  dem 
Bischof  Odilbald,  mufste  aber  vor  den  Dänen  nach  Deventer  ent- 
weichen. Ein  Neffe  des  Erzbischofs  Gunthar  von  Cöln,  war  er  bis 
zu  dessen  Entsetzung  863  bei  ihm,  dann  in  der  Hofschule  Karls 
des  Kahlen  und  seines  Sohnes  Ludwig  gebildet,  ein  Schüler  des 
Manno,  und  hat  einige  Homilieen  und  Verse  zum  Preise  von  Heili- 
gen verfafst4),  auch  über  den  heiligen  Suidbert;  doch  hatte  er  von 
diesem  nur  aus  Beda  Kunde.  Trithemius  schreibt  ihm  auch  Landes 
S.  Bonifacii  zu,  und  eine  Gothaer  Handschrift  (fol.  64)  nennt  ihn  als 
Verfasser  der  Legende  des  sogenannten  Presbyter  Ultrajectensis5), 
was  entschieden  falsch  ist6).     Erhalten    hat    sich    eine  Aufzeichnung 

J)  Acta  SS.  Maj.  I,  428. 

2)  Alperti  de  diversitate  temporum  libri  II  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  700. 
Mit  Uebersetzung  und  Comment.  herausgeg.  v.  Dederich,  Münster  1859. 
Giesebrecht  II,  557.  Hieraus  mit  wenigen  kleinen  Aenderungen,  ist  nach 
Mitth.  v.  Dümmler  das  von  diesem  in  Briegers  Zts.  f.  Kirchengesch.  I, 
446—450  (1877)  abgedr.  Stück:  Jüdische  Proselyten  im  Mittelalter  (I,  c.  7, 
II,  c.  22—24). 

3)  S.  P.  Ewald,  NA.  III,  324.  Als  Bischof  von  Arezzo  wird  er  er- 
wähnt in  der  merkwürdigen  Capitelschronik,  NA.  V,  449.  Vgl.  Brcsslau, 
Konrad  II,  II,  531-536. 

4)  S.  Moll,  Kerkgeschiedenis  I,  370,  Dümmler,  NA.  IV,  549.  Mignc 
CXXXII,  547 — 560.  Recht  schön  sind  seine  Versus  dt  hirundine  im  Pal. 
1564,  ed.  Dümmler,  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XIX,  388.  Nach  der  Hds.  ist,  wie 
ders.  mir  mittheilt,  v.  4  zu  schreiben  Formula  ....  arta,  u.  v.  40  steht 
wirklich  Ne. 

5)  Jacobs  u.  Ukert,  Beiträge  III,  262. 

6)  Da  dieser  Biograph   noch  eine  alte  Frau,    die    bei   Bonifazens   Tod 


376  HI-    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

von  ihm  über  die  Schrecknisse  des  Jahres  900  *),  und  eine  andere 
über  die  Belagerung  der  Stadt  Tours  durch  die  Normannen  903, 
und  ihre  Errettung  durch  ein  Wunder  des  h.  Martin,  des  gemein- 
samen Schutzheiligen2).  Zur  Feier  desselben  Ereignisses  verfafste 
er  auch  einen  cantus  ?iocturnalis,  der  sich  im  Antiphonar  der  Ma- 
rienkirche erhalten  hat3).  Sein  eigenes  Leben  ist  zur  Zeit  seines 
Nachfolgers  beschrieben  worden,  und  wenn  aucli  nicht  eben  reich- 
haltig, doch  nicht  unwichtig4).  Er  starb  917;  sein  Nachfolger  Bal- 
derich ist  der  Hersteller  des  Bisthums  Utrecht5);  ihm  wurde  der 
Königsohn  Brun  zur  Erziehung  anvertraut.  Er  erneute  die  verwü- 
steten Kirchen  und  erhob  viele  Leiber  der  Heiligen,  holte  auch  964 
aus  Veuves  an  der  Loire  Reliquien6);  seine  Grabschrift  in  der  Mar- 
tinskirche rühmte  von  ihm: 

Trajectina  feris  urbs  Denis  versa  latebat, 
Baldricus  priscum  reddidit  ipse  decus, 

Auspicio  cujus  jam  Pontius,  Agna,  Benignus 
Conservant  urbem,  fulget  et  ecclesia7). 

zugegen  gewesen  war,  gesprochen  haben  will,  mufs  er  viel  älter  sein, 
s.  Rettberg  I,  332.  Ausg.  Acta  SS.  Junii  I,  477—481.  Ein  Stückchen  bei 
Jaffe,  Bibl.  III,  506. 

*)  MG.  II,  218  mit  einigen  Versen  von  ihm,  Heda,  Hist.  Ultraj.  p.  71. 
Er  veranlafste  914  zur  Confirmation  der  Privilegien  durch  K.  Konrad  die 
älteste  Copie  der  k.  Privilegien,  s.  S.  Muller,  Het  oudste  Cartularium  van 
het  Sticht  Utrecht,  1892. 

2)  Libellus  cujusdam  ep.  Traject.  Radbodi  nomine  de  quodam  S.  Martini 
miraculo,  bei  Andre  Salmon,  Supplement  aux  Chroniques  de  Touraine 
p.  1—13.  MG.  SS.  XV,  2,  1239—1244.  Vgl.  Em.  Mabille,  Les  invasions 
Normandes  dans  la  Loire  et  les  pe.regrinations  du  Corps  de  S.  Martin, 
Bibl.  de  l'Ecole  des  Chartes  VI,  5,  149—194. 

3)  Entdeckt  und  herausgegeben  von  W.  Moll,  im  Kerkhist.  Archief  v. 
Kist  und  Moll,  III,  213—221.  Ein  Sermo  de  S.  Servatio  von  ihm  Anal. 
Boll.  I,  104—111. 

4)  Vita  S.  Radbodi,  Mab.  V,  25—31  aus  Sur.  Nov.  29.  Ausg.  v.  Holder- 
Egger  (mit  der  Translatio)  SS.  XV,  1,  568 — 571.  Aus  ders.  Hs.  Analecta 
Boll.  VI.     Benutzt  von  Adam  Brem.  I,  40.    Vgl.  Dümmler,  Ostfr.  II,  333. 

5)  Seinen  Brief  von  934  an  den  Erzb.  v.  Cöln  bei  Heda  S.  75  nimmt 
Moll  I,  271  gegen  Zweifel  in  Schutz.  Bei  dems.  S.  530  u.  MG.  SS.  XV, 
571a  die  Grabschrift  seiner  Eltern.  Unechte  Urk.  von  ihm  mit  Aufzählung 
seiner  Verdienste  um  die  Herstellung  des  Stifts  bei  S.  Muller  a.  a.  0. 
S.  222,  vgl.  S.  LI  f.  Von  Waitz,  Heinrich  I  (3.  Ausg.)  S.  94  zu  günstig 
beurtheilt. 

6)  Translatio  Benigni  et  Agnetis,  Acta  SS.  Jan.  II,  357 — 360.  Auszug 
MG.  SS.  XV,  1,  571«. 

7)  Kraus  im  Jahrbuch  d.  Alterthumsfr.  im  Rheinland  L,  201,  wo  v.  2 
illa  steht,  was  nicht  angeht.  Auch  ist  irrig  Agna  in  Agnes  geändert.  Es 
folgt  noch:  „Obiit  a.  977  cum  vixisset  (leg.  rexisset)  59."  Aehnlich  aus 
dem  alten  Catal.  in  Bijdragen  en  Mededeelingen  XI,  490,  wo  auch  S.  489 
das  eben  erwähnte  Epitaph  seines  Vaters  Ricfrid. 


Utrecht.     Verdun.     Toul.  377 

Es  läfst  sich  erwarten,  dafs  er  in  seiner  langen  Amtsführung 
(bis  976)  "wissenschaftliche  Thätigkeit  begünstigt  haben  werde,  wie 
ihm  auch  Hucbald  sein  Leben  S.  Lebuins  widmete;  Wolbodo  stand 
der  Schule  vor,  bis  er  1018  Bischof  von  Lüttich  wurde,  aber  Erzeug- 
nisse von  Utrechter  Gelehrten  aus  dieser  Zeit  haben  sich  nicht  er- 
halten.    Von  Bischof  Adalbold  werden  wir  bald  zu  reden  haben. 

Auch  aus  Verdun  verlautet  aus  dieser  Periode  nichts,  mit  Aus- 
nahme der  Bisthumsgeschichte  von  Berthar,  deren  wir  schon  oben 
(S.  267)  gedachten,  weil  sie  nur  bis  auf  die  Zeit  des  Kaisers  Arnulf 
reicht.  Der  Bischof  Wikfrid  (962 — 984),  ein  geborener  Baier,  war 
zu  Cöln  in  Bruns  Schule  gebildet,  Heimo  (991 — 1024)  unter  Notker 
von  Lüttich.  In  dem  Kloster  St.  Mihiel  an  der  Maas  lehrte  am 
Anfange  dieser  Periode  der  Grammatiker  Hildebold,  ein  Schüler  des 
hochgefeierten  Lehrers  Remigius.  Johannes  von  Gorze  wurde  seiner 
Zucht  anvertraut,  äufserte  sich  aber  ziemlich  ungünstig  über  die 
Verdienste  seines  Lehrers  (Vita  c.   10). 

Auch  Toul  besafs  an  Gerhard  (963 — 994),  einem  Schüler 
Bruns,  einen  jener  ausgezeichneten  Bischöfe,  welche  die  Zeit  der 
Ottonen  zieren;  er  wurde  später  als  Heiliger  verehrt,  und  der  Abt 
Wider  ich  von  St.  Evre  beschrieb  sein  Leben,  jedoch  erst  lange 
nach  seinem  Tode  unter  der  Regierung  Heinrichs  III.  Mit  der 
Klosterreform  hatte  schon  sein  Vorgänger  Gauzlin  (922 — 963)  be- 
gonnen; angeregt  durch  die  vom  Abt  Odo  von  Cluny  zu  Stande 
gebrachte  Reform  des  Klosters  Fleury  hatte  er  936  das  Kloster 
St.  Evre  (S.  Apri)  hergestellt  und  eine  Schule  darin  errichtet,  zu 
deren  Leitung  er  den  noch  jugendlichen  Mönch  Adso  berief,  wel- 
cher in  Luxeuil  seine  Bildung  erhalten,  und  sich  bereits  durch  seine 
Gelehrsamkeit  einen  Namen  gemacht  hatte.  Nicht  ohne  heftige 
Kämpfe  konnte  eine  solche  Reform  durchgeführt  werden,  und  in 
St.  Evre  wurden  dieselben  in  einem  höchst  eigenthümlichen  Ge- 
dichte dargestellt,  der  Ecbasis  captivi  in  einer  der  Thierfabel  ent- 
lehnten Einkleidung1).  Bald  aber  konnten  die  Mönche  von  St.  Evre 
schon  dem  heruntergekommenen  Kloster  Montier-en-Der  (Der- 
vense)  im  benachbarten  Sprengel  von  Chalons-sur-Marne  aufhelfen. 
Dieses  war  schon  einmal  nach  gänzlichem  Verfall  unter  Ludwig 
dem  Frommen  827  durch  den  Abt  Hauto  von  Stablo  hergestellt, 
aber  nach  wiederholter  Verwüstung  durch  Ungern  und  Normannen 
wieder  völlig  verwildert.  Jetzt  sandte  Gauzlin  Mönche  von  St.  Evre 
unter  dem  Abt  Alberich  hin,  und  dieser  nahm  auch  Adso  mit  sich, 

*)  S.  die    neue  Ausgabe    von    E.  Voigt,   Strafsburg   1875.     Ueber  Be- 
nutzung Fortunats  darin  Manitius,  NA.  XII,  592 — 595, 


378  HI.    Ottonen.     §  6.    Lothringen.     Cöln.     Trier.     Metz. 

welcher  ihm  spätestens  968  als  Abt  folgte.  Befreundet  und  im 
regen  Verkehr  mit  Adalbero  von  Reims  und  Gerbert,  mit  Abbo  von 
Fleury  und  anderen  hervorragenden  Männern  der  Zeit,  war  er  für 
Herstellung  kirchlicher  Zucht  mit  Erfolg  thätig,  bis  er  endlich  992 
auf  einer  Pilgerfahrt  nach  Jerusalem  seinen  Tod  fand.  Schon  früh 
(vor  954)  hat  er  auf  den  "Wunsch  der  Königin  Gerberga  eine  Schrift 
über  den  Antichrist  verfafst1);  auf  Bischof  Gerhards  Wunsch  be- 
schrieb er  das  Leben  des  heiligen  Mansuetus,  dessen  Kloster  Ger- 
hard hergestellt  hatte.  Werth  haben  nur  die  hinzugefügten  Wunder 
durch  einige  geschichtliche  Nachrichten.  Dasselbe  gilt  von  dem 
Leben  und  den  Wundern  des  heiligen  Basolus,  welche  Gerbert  und 
Adso,  Abt  von  St.  Basle,  von  ihm  erbeten  hatten,  und  von  einem 
ähnlichen  Werk  über  den  heiligen  Aper,  dessen  Autorschaft  Waitz 
ihm  abspricht,  das  aber  um  dieselbe  Zeit,  nach  der  Translation  von 
978  geschrieben  ist.  Ein  Buch  über  die  Wunder  des  heiligen  Wai- 
debert, Eustasius  Nachfolger,  bezeugte  seine  Anhänglichkeit  an 
Luxeuil.  Zuletzt  nahm  er  noch  den  heiligen  Bercharius  vor,  den 
Stifter  seines  Klosters,  doch  hinterliefs  er  diese  Aufgabe  unvollendet; 
die  Beschreibung  der  Wunder  wurde  auf  Veranlassung  des  vom 
Pabst  Leo  IX  geweihten  Abtes  Bruno  von  einem  ungenannten  Mönche 
hinzugefügt  und  mit  einigen  schätzbaren  Nachrichten  über  Adso 
versehen 2).  Für  die  Klosterschule  von  St.  Evre  verfafste  969  Aynard 
ein  „glosarium  ordine  elementorum  agregatum" 3). 

Im  Anfang  des  elften  Jahrhunderts  wird  die  Schule  des  Bis- 
thums  als  blühend  und  ausgezeichnet  gerühmt;  Brun,  des  elsassi- 
schen Grafen  Hugo  Sohn,  später  als  Pabst  Leo  IX  genannt,  und 
Adalbero  III,  Bischof  von  Metz,  erhielten  hier  ihre  Erziehung.  Wir 
erkennen  darin  wieder  die  Einwirkung  der  beginnenden  Blüthezeit 
Lüttichs,  wo  Bischof  Hermann  oder  Hezelo  (1018 — 1026)  unter 
Notker  gebildet  war. 

*)  Ueber  die  Fortwirkimg  dieser  Schrift,  die  noch  zu  erkennen  ist  in 
der  Sage  von  der  Wiederkunft  Friedrichs  II,  s.  Riezler,  Hist.  Zeitschr. 
XXXII,  67  ff.  Berichtigter  Abdruck  der  Prophezeiung  über  den  Franken- 
könig bei  Haureau,  Notices  et  Extraits  de  quelques  manuscrits  latins 
I,  371. 

2)  Miracula  S.  Bercharii,  Mab.  II,  844—861,  ein  Stück  daraus  MG. 
SS.  IV,  487.  Vgl.  über  Adso  Hist.  litt,  de  la  France  VI,  471—492.  /Den 
Catalog  seiner  Bibliothek  vom  J.  992  hat  Omont  in  d.  Bibl.  de  TEcole 
des  eh.  42  (1881)  herausgegeben.)  Miracula  S.  Mansueti  bei  Calmet,  Hist.  de 
Lorraine  I.  Pr.  p.  86—106.  Acta  SS.  Sept.  I,  637.  Exe.  MG.  SS.  IV,  509 
bis  514.  Miracula  S.  Basoli\  Mab.  IV,  2,  137—142.  Vgl.  MG.  SS.  IV,  517. 
Miracula  S.  Apri  bei  Calmet  1.  c.  p.  107—126.  Sept.  V,  70.  Exe.  MG.  SS. 
IV,  515-520.  Miracula  S.  Waideberti,  Mab.  III,  2,  452-460.  Acta  SS. 
Mai  I,  277—282.     MG.  SS.  XV,  2,  1170-1176. 

3)  Archiv  VII,  1014.     Catal.  des  Depart.  V,  157. 


Tod.     Lüttich.  370 


§  7.     Lüttich. 

In  Lüttich  hatte,  wie  wir  sahen  (S.  266)  die  gelehrte  Thätigkeit 
sich  lange  erhalten;  die  Verwüstung  durch  die  Normannen  881  wird 
aber  auch  hier  die  Musen  zum  Schweigen  gebracht  haben.  Am 
Anfange  dieser  Periode  finden  wir  dort  einen  Bischof,  der  sich  als 
Schriftsteller  versucht  hat  und  durch  gelehrte  Bildung  ausgezeichnet 
war,  Stephan  (901 — 920),  der  in  der  französischen  Hofschule  unter 
Probst  Manno  ein  Mitschüler  Radbods,  dann  Domherr  zu  Metz  ge- 
wesen war.  Er  selbst  hat  das  alte  Leben  des  heiligen  Lambert 
(oben  S.  264)  neu  bearbeitet  und  eine  metrische  Bearbeitung  des- 
selben veranlafst  *) ;  Responsorien  verfafste  er  und  schrieb  darüber 
an  Erzbischof  Herimann  von  Coeln,  und  einen  vollständigen  Band, 
mit  Lectionen  und  was  zum  Kirchendienst  gehört,  übersandte  er 
Bischof  Ruotbert  von  Metz2).  Hucbald,  der  gelehrte  Mönch  von 
St.  Amand,  übersandte  ihm  907  zur  Prüfung  das  Leben  der  heiligen 
Rictrudis.  Nach  Vogels  Vermuthung  war  Stephan  der  Lehrer  des 
Ratherius,  jenes  unstäten  Mönches  des  Klosters  Lobbes,  der  eben  so 
sehr  durch  seine  wechselnden  Schicksale,  wie  durch  seine  umfassende 
Gelehrsamkeit,  aber  auch  durch  seine  seltsam  gesuchte  und  absicht- 
lich dunkle  und  verworrene  Schreibart  merkwürdig  ist.  Sein  Ehr- 
geiz, sein  unverträglicher  Charakter,  sein  beifsender  Witz,  mit  dem 
er  unbarmherzig  die  Fehler  seiner  Zeitgenossen  geifselte,  während 
er  in  seinen  Bekenntnissen  eben  so  schonungslos  seine  eigenen  Sün- 
den beichtete,  liefsen  ihm  nirgends  Ruhe,  und  machten  es  ihm  un- 
möglich, als  Bischof  von  Verona  und  von  Lüttich  den  Widerstand 
seiner  vornehmeren  und  mächtigeren  Gegner  auszuhalten.  Seine 
Schriften,  so  lehrreich  sie  sind,  können  doch  nicht  als  Geschichts- 
werke betrachtet  werden,  und  auch  das  Leben  des  heiligen  Ursmar 
ist  nur  eine  stilistische  Ueberarbeitung  der  älteren  Legende3).  Die 
Beschäftigung  mit  grammatischen,  philosophischen  und  theologischen 
Studien  war  lange  in  Lüttich  vorherrschend,  und  erst  spät  begann 
man    auch    hier    sich    ernstlich  mit  der  Geschichte  zu  beschäftigen, 

!)  S.  über  diese  unten  bei  Hucbald,  dem  sie  zugeschrieben  wird. 

2)  Mabillon  sah  die  Handschrift  in  Bobio,  Mus.  Ital.  I,  218.  Uebrigens 
s.  Ans.  Leod.  c.  20,  21. 

3)  Ueber  Rather  (f  974)  Vogel,  Ratherius  von  Verona  und  das  zehnte 
Jahrhundert,  Jena  1854,  2  Bände.  Opera  edd.  Petrus  et  Hieronymus  fra- 
tres  Ballerini  presbyteri  Veronenses,  Veronae  1765,  fol.  Neuer  Abdruck 
bei  Migne  CXXXV1.  Die  von  Pertz  SS.  111,  451  u.  553  gegebenen  Stellen 
sind  aus  der  Translatio  S.  Metronis. 


380  HI.    Ottonen.     §  7.    Lüttich. 

wenn  man  es  auch  nicht  ganz   unterliefs,    kurze  Notizen   am  Rande 
von  Ostercyklen  einzutragen. 

So  wie  Rather  immer  von  neuem  in  die  politischen  Wirren 
hineingezogen  wurde,  so  liefsen  auch  in  Lüttich  die  lothringischen 
Parteikämpfe  lange  keine  ruhige  Entwickelung  friedlicher  Studien 
aufkommen.  Von  945 — 947  war  ein  gelehrter  Abt  von  St.  Maximin, 
Hugo,  Bischof,  953 — 955  Rather,  aber  dieser  konnte  nicht  zu  irgend 
einer  "Wirksamkeit  gelangen,  und  unter  Balderich,  der  ihn  ver- 
drängte1), fand  die  Wissenschaft  keine  Stätte.  Dann  aber  bestieg 
auch  hier  ein  Schüler  und  begeisterter  Verehrer  Bruns,  Ebrachar 
(959  —  971),  den  Bischofstuhl,  ein  vornehmer  Sachse,  bis  dahin  Decan 
zu  Bonn;  ihn  nennt  als  seinen  Lehrer  ein  sächsischer  Priester,  von 
dessen  Namen  wir  nur  den  Anfangsbuchstaben  B.  kennen ,  der  sich 
nach  Ebrachars  Tod  nach  Canterbury  zum  Erzbischof  Dunstan  be- 
gab, nach  dessen  Tod  (988)  er  der  erste  Biograph  dieses  hervor- 
ragenden Mannes  wurde2).  Nicht  ihm  allein,  sagt  er,  sondern  einer 
grofsen  Anzahl  habe  er  zur  Wissenschaft  verholfen,  und  in  der  Vita 
Balderici  wird  Ebrachar  geradezu  als  der  Begründer  der  Lütticher 
Schule  gepriesen3).  Auf  Ebrachar  folgte  972 — 1008  Notker,  bis 
dahin  Probst  im  Kloster  St.  Gallen,  ein  Mann,  der  in  jeder  Beziehung 
höchst  ausgezeichnet  war4),  und  in  Lüttich  jenen  hohen  Glanz  der 
Schulen  begründete,  dessen  Ruf  sich  bald  durch  die  ganze  Christen- 
heit verbreitete.  Bald  strömten  lernbegierige  Jünglinge  von  allen 
Seiten  her  an  der  Maas  zusammen,  während  ebenso  bedeutende 
Lehrer  von  hier  ausgingen  und  den  Wirkungskreis  der  Lütticher 
Schule  immer  weiter  ausbreiteten;  sogar  in  Paris  bei  St.  Genovefa 
lehrte  der  Lütticher  Hubald  mit  aufserordentlichem  Beifall.  Aufser 
diesem,  den  Notkers  Nachfolger  Balderich  II  auch  auf  einige  Zeit 
nach  Prag  sandte,  nennt  Anselm5)  als  Notkers  Schüler  Günther  von 
Salzburg  (1024—1025),  Ruthard  und  Erluin  von  Cambrai  (979—995 
bis  1012),  Heimo  von  Verdun  (991—1024),  Hezelo  von  Toul  (1018 
bis  1026),  Adalbold  von  Utrecht  (1010—1026).     Eine   Vita  Notkeri 


!)  Ein  merkwürdiges  Fragment  einer  an  Balderich  gerichteten  Schrift 
Rathers  über  seine  Verdrängung  NA.  IV,  177 — 180. 

2)  Nach  den  scharfsinnigen  Untersuchungen  von  W.  Stubbs,  Memorials 
of  St.  Dunstan,  Lond.  1874;  vgl.  R.  Pauli,  Hist.  Zeitschr.  XXXV,  199; 
Gott.  Nachr.  1879,  S.  322—324. 

3)  S.  über  ihn  Dümmler,  Otto  I,  S.  302  Anm.  1,  374  Anm.  1,  397 
Anm.  2,  545  Anm.  2. 

4)  Dafs  er  während  der  Minderjährigkeit  Ottos  III  Italien  als  Regent 
verwaltet    habe,    bestreitet  Kehr,    HZ.   LXVI,    427,   Anm.  2. 

5)  c.  29,  MG.  SS.  VII,  205. 


Bischof  Notker.     Das  Kloster  Lobbes.  381 

aus  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts,  von  welcher  Gilles  d'Orval  an- 
sehnliche Stücke  erhalten  hat,  in  welchen  mehrfach  auch  Hexameter, 
Reste  eines  gleichzeitigen  Lobgedichts1),  erscheinen,  ist  leider  ver- 
loren2). 

Im  Jahre  960  war  im  Kloster  Laubach  oder  Lobbes,  das  bis 
dahin  dem  Bischof  von  Lüttich  untergeben  war  und  das  durch  die 
Kämpfe  der  Parteien  und  die  rechtlosen  Zustände  viel  gelitten 
hatte,  das  regelmäfsige  Klosterleben  unter  einem  eigenen  Abte  wie- 
der hergestellt  worden,  und  bald  darauf  begann  man  auch  hier,  wie 
an  so  vielen  anderen  Orten,  Annalen  zusammen  zu  stellen,  viel- 
leicht aber  auch  nur  eine  in  Lüttich  entstandene  und  fortgesetzte 
Compilation  mit  einheimischen  Notizen  zu  vermehren'3).  An  Beda 
und  andere  alte  Chronisten  reihen  sich  Auszüge  aus  der  S.  202  er- 
wähnten Chronik  bis  805,  verbunden  mit  Stellen  aus  den  Lauriss. 
maj.  und  Laureshamenses ;  dann  ist  Thegan  benutzt  und  von  840 
an  selbständig  fortgearbeitet,  doch  von  874  bis  900  sind  die  Ann. 
Yedastini  vollständig  aufgenommen.  Diese  ziemlich  dürftigen  Anna- 
len wurden  nicht  über  das  Jahr  982  fortgesetzt;  sie  dienten  aber 
in  Verbindung  mit  anderen  Aufzeichnungen  in  Lüttich  im  Jahr 
1000  zur  Abfassung  von  Annalen,  die  von  nun  an  fortgesetzt  wurden. 
Sie  sind  verloren,  aber  wie  Waitz  nachgewiesen  hat4),  bis  108G 
in  den  Annales  S.  Jacobi  und  Fossenses,  bis  1056  auch  in  den 
Annales  Laubienses  kenntlich.  Auf  diese  werden  wir  später  zurück- 
kommen. 

Bedeutender  als  jene  Annalen  von  Lobbes  ist  die  Klosterge- 
schichte des  Abtes  Folcwin5),  die  bis  zum  Jahre  980  reicht. 
Ebrachar  hatte  ihn  965  zum  Abte  erhoben,  und  25  Jahre  lang  ver- 
waltete er  sein  Amt  in  grofsem  Ansehen  bei  den  trefflichen  Männern, 
welche  um  diese  Zeit  die  verschiedenen  Bischofsitze  zierten.  Dafs 
er  nicht,  wie  Mabillon  und  Guerard  meinten,  von  dem  Folcwin  von 
St.  Bertin  zu  unterscheiden  sei,  hat  Holder- Egger  vollkommen 
überzeugend  nachgewiesen  (NA.  VI,  415 — 438),  und  wir  wissen 
daher,   dafs  er  aus  Lothringen  gebürtig,  vornehmer  Abkunft,  selbst 


')  Nach  G.  Kurth,  s.  NA.  XVII,  225. 

2)  L.  Weiland,  HZ.  XLVI,  496. 

3)  Würdtwein,  Nova  Subsidia  dipl.  XIII,  151—214,  cf.  MG.  SS.  II,  192; 
p.  209 — 211  die  hieraus  genommenen  Annales  Lobiense.s  von  900 — 982. 
Neue  Ausgabe  von  Waitz  aus  der  Bamberger  Handschrift  saec.  X,  SS. 
XIII,  224 — 235.  Die  Sammlung  von  J.  Alexandre:  Chronica  Lobbiensia  etc. 
enthält  nur  die  Texte  und  Vorreden  der  Mon.  Germaniae. 

4)  Gott.  Nachrichten  1870,  302—309. 

5)  Folcuini  Gesta  abhatum  Lobiensium  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  52 — 74. 


382  HI.    Ottonen.     §  7.    Lüttich. 

den  Karolingern  verwandt  war,  stolz  auf  den  Bischof  Folcwin  von 
Therouanne  (817 — 855),  dessen  feierliche  Erhebung  sein  Yater  und 
Oheim  bewerkstelligt  haben,  und  dessen  Leben  er  beschrieben1)  und 
dem  Abt  "Walter  von  St.  Bertin  (c.  970 — 984)  gewidmet  hat,  als  er 
schon  Abt  von  Lobbes  war;  damals,  als  er  die  darin  stark  benutzte 
Yita  Brunonis  schon  kannte,  hat  er  den  Entwurf  ausgearbeitet,  wel- 
chen er  schon  viel  früher  gemacht  hatte,  in  St.  Bertin,  wo  er  948 
als  Knabe  eingekleidet  wurde.  Hier  hat  er  auch  bereits  im  Jahre 
961  die  Urkunden  des  Stiftes  gesammelt  und  mit  Lebensnachrichten 
der  Aebte  versehen,  auch  nicht  unwichtige,  geschichtliche  Nach- 
richten allgemeinerer  Art  eingeflochten2),  sehr  mangelhaft  in  der  Form 
und  sogar  mit  groben  grammatischen  Fehlern.  Die  Quellen,  welche 
darin  benutzt  sind,  hat  Holder-Egger  genau  untersucht;  am  wichtig- 
sten darunter  sind  die  Spuren  verlorener  Annalen  von  St.  Bertin, 
welche  auch  in  den  Ann.  Blandin.  zu  erkennen  sind.  In  ähnlicher 
Weise,  aber  grammatisch  jetzt  besser  ausgebildet,  machte  er  sich 
als  Abt  auch  an  die  Geschichte  von  Lobbes,  und  legte  ihr  die  Ur- 
kunden seines  Klosters  nebst  den  ihm  zugänglichen  Werken  Ein- 
hards,  Flodoards,  Ruotgers  und  anderer  zu  Grunde.  Ist  ihm  nun 
auch  die  Verarbeitung  dieses  Stoffes  wenig  gelungen,  so  ist  doch 
schon  das  Streben  nach  einer  urkundlichen  Geschichtschreibung 
bemerkenswert!:! ,  und  für  die  spätere  Zeit,  wo  er  die  eigenen  Er- 
lebnisse zu  schildern  hat,  empfiehlt  er  sich  durch  Wahrheitsliebe 
und  Einfachheit,  wenn  auch  die  Kürze  der  Erzählung  unbefriedigt 
läfst. 

Folcwins  Nachfolger  in  Lobbes  war  Heriger  (990 — 1007),  ein 
vertrauter  Freund  des  Bischofs  Notker,  den  er  im  Jahre  989  nach 
Italien  begleitete  und  für  den  er  mit  seiner  Feder  thätig  war,  während 
Notkers  Name  den  Schriften  gröfsere  Autorität  verlieh.  So  nament- 
lich 980  dem  von  dem  Bavokloster  zu  Gent  erbetenen  Werk  über 
den  h.  Landoald,  auf  welches  wir  zurückkommen,  und  ähnlich  auch 
der  wohl   schon   früher  verfafsten   älteren    Geschichte   des  Lütticher 

!)  Vita  S.  Folquini  ep.  Morinorum,  bei  Mab.  Act.  IV,  1,  624.  Vgl. 
Holder-Egger  a.  a.  0.  S.  422,  und  MG.  SS.  XV,  423—430.  Ein  Catal. 
epp.  Moria.  SS.  XIII,  389.  751;  abbatum  S.  Bertini  p.  389;  praepositorum 
S.  Audomari  p.  389,   u.  epp.  Ambiaii.  p.  752,    von  Lambert  von  St.  Omer. 

2)  Cartulaire  de  l'Abbaye  de  St.  Bertin,  herausgegeben  von  Guerard 
1840  in  der  Collection  des  Cartulaires  de  France,  III,  mit  den  zum  Theil 
reichhaltigen  Fortsetzungen  bis  1187.  Berichtigungen  nach  Auffindung  einer 
alten  Handschrift  in:  Appendice  au  Cartulaire  etc.  publie  par  M.  Francois 
Morand  (Documenta  inedits)  1867.  Vollständig  (ohne  die  Urkunden)  als 
Gesta  abbatum  S.  Bertini  Sithiensium  von  Holder-Egger,  MG.  SS.  XIII,  600 
bis  673.     Verse  aus  St.  Bertin  zu  einer  Krönungsfeier  s.  X.  hat  Dümmler 


Folcwin  von  Lobbes.     Heriger.  383 

Bisttmms1).  Er  gelangte  damit  aber  nicht  weiter  als  bis  zum  Jahre 
667,  so  dafs  das  Buch  als  Geschichtsquelle  kaum  in  Betracht  kommt, 
und  litterarisch  kann  man  es  leider  nur  als  ein  ganz  verfehltes  Werk 
betrachten  wegen  der  unverständigen  Anwendung  der  Gelehrsamkeit, 
welche  dem  Verfasser  allerdings  in  reichem  Mafse  zu  Gebote  stand. 
Aber  kaum  kann  man  einen  übleren  Gebrauch  davon  machen,  als 
wenn  man  lange  Reden  aus  Stellen  der  Classiker  zusammensetzt 
und  diese  dann  alten  Heiligen  der  merowingischen  Zeit  in  den 
Mund  legt. 

Mancherlei  geschichtlicher  Stoff  findet  sich  noch  in  den  Legen- 
den und  Wundergeschichten  dieser  Gegenden  ;  vorzüglich  lernen  wir 
daraus  die  Grafen  von  Flandern  als  eifrige  Heiligenverehrer  kennen. 
So  wurde  der  Leib  des  heiligen  Winnoch  vor  den  Normannen 
von  Wormhout  nach  St.  Bertin  geflüchtet  und  900  durch  Balduin 
den  Kahlen  (879 — 918)  nach  dem  von  ihm  gestifteten  Kloster  Bergh- 
St.-Vinoc  oder  Winnoxbergen  gebracht,  wo  ein  älteres  Leben 
des  Heiligen  gegen  die  Mitte  des  elften  Jahrhunderts  überarbeitet 
und  die  Stiftuugsgeschichte  hinzugefügt  wurde2). 

herausgegeben,  NA.  X,  341.  Ueber  ein  besonders  schönes,  unter  Abt 
Odbert  (989 — 1008)  von  Heriveus  geschriebenes  Psalterium,  s.  Palacogr. 
Soc.  97.     Woltmann,  Gesch.  d.  Malerei  I,  270. 

a)  Gesta  episcoporum  Leodiensium  ed.  Kopke,  MG.  SS.  VII,  134.  Die 
daraus  auch  abgesondert  herausgegebene  Vita  Remacli  kommt  als  Notkers 
Werk  mit  Widmung  an  Abt  Werinfrid  von  Stablo  vor,  ist  aber  nach 
Köpke  S.  140  von  Heriger.  Die  ältere  ist  nach  der  oben  S.  264  angef. 
Untersuchung  von  Kurth  ein  Plagiat  aus  V.  Lamberti  u.  V.  Trudonis,  mit 
Nachrichten  über  die  Stiftung  von  Stablo  u.  Malmedy.  Zugeschrieben 
wird  Heriger  auch  das  Leben  der  heiligen  Berlindis,  die  man  in  Meer- 
becke  in  Brabant  verehrte.  Ueber  die  irrig  von  M.  Haupt  vermuthete 
Benutzung  von  Tac.  Germania  bei  Heriger  s.  Waitz,  Forsch.  X,  602.  Die 
von  ihm  benutzte  V.  Servatii  hat  Kurth  herausgegeben:  Deux  biographies 
inedites  de  Saint  Servais,  Liege  1881,  vgl.  NA.  VII,  409.  Er  bestreitet 
eine  ältere  Quelle  als  Greg.  Tur.  u.  ebenso  W.  Arndt.  Dagegen  Anal. 
Boll.  I,  85  ff.  In  den  Nouvelles  recherches  sur  St.  Servais,  Liege  1884, 
vertheidigt  Kurth  gegen  P.  De  Smedt  seine  Ansicht,  dafs  auch  die  älteste 
V.  Servatii  nur  aus  Gregor  v.  Tours  geschöpft  sei,  dieser  keine  schriftliche 
Vita  gehabt  habe,  und  weist  aus  metrischen  Resten  die  Benutzung  eines 
Epitaphs  nach,  welches  er  der  feierlichen  Erhebung  durch  B.  Monulph  im 
6.  Jh.  zuweist;  Vf.  könne  dann  nur  Venantius  Fortunatus  sein,  und  von 
ihm  werde  Gregor  seine  Nachrichten  erhalten  haben.  —  Vgl.  auch  Prost, 
St.  Servais.  Examen  d'une  correction  introduite  ä  son  sujet  dans  les  der- 
nirres  öditions  de  Gr.  de  Tours  (Nogent-le-Rotrou  1891),  welches  ich  nicht 
gesehen  habe. 

2)  Vita  S.  Winnoci,  Mab.  III,  1,  302-314,  Auszug  MG.  SS.  XV,  2, 
775 — 778.  Nach  der  Translation  von  1058  fügte  ein  Mönch  Drogo  neue 
Wunder  hinzu,  ib.  p.  778 — 782.  Derselbe  beschrieb  in  sehr  anmuthiger, 
romanhafter  Weise  die  Transl.  S.  Lewinnae,  welche  1058  aus  England  ge- 
stohlen war,  Auszug  ib.  p.  782 — 789.  Balduinus  Barbatus  setzte  1022 
Mönche  von  St.   Bertin  an  die  Stelle  der  Canoniker. 


384  HI.    Ottonen.     §  7.    Lüttich. 

Höchst  eigenthümlich  haben  sich  die  Nachrichten  aus  den  beiden 
Gent  er  Klöstern  Saint-Bavon  und  Blandigny,  auf  einem  Hügel 
aufserhalb  der  Stadt,  dadurch  gestaltet,  dafs  jedes  von  ihnen  höheres 
Alter  in  Anspruch  nahm,  und  ein  durch  Jahrhunderte  hindurch  mit 
immer  wachsender  Erbitterung  geführter  Krieg  sich  daraus  entspann. 
Ihre  Waffen  waren  echte  und  falsche  Reliquien  und  Legenden,  Ur- 
kundenfälschungen und  Verfälschung  der  handschriftlichen  Ueber- 
lieferung,  wie  das  0.  Holder-Egger  in  ebenso  ergötzlicher  wie  be- 
lehrender Weise  dargestellt  hat1).  Beide  Klöster  waren  vom  Grafen 
Arnulf  I  im  J.  941  nach  tiefem  Verfall  hergestellt  und  durch  den 
Abt  Gerhard  von  Brogne  mit  Mönchen  neu  besetzt.  Das  veranlafste 
in  Blandigny  schon  bald  nachher  eine  Schrift  über  die  ältere  Ge- 
schichte des  Klosters  bis  auf  den  berühmten  Abt  Einhard2),  worin 
schon  gefälschte  Urkunden  benutzt  sind  und  die  Gründung  durch 
den  h.  Amandus  610,  mit  keckem  Plagiat  aus  der  Vita  Wandregisili. 
Im  J.  944  brachte  Graf  Arnulf  hierher  auch  aus  Boulogne,  wohin  sie 
aus  St.  Wandrille  geflüchtet  waren,  die  hh.  Wandregisil,  Ansbert 
und  Wulfram,  dessen  Besitz  aber  die  Mönche  von  St.  Wandrille 
ihnen  abstritten,  und  darüber  gab  es  eine  Schrift,  von  der  wir  aber 
nur  durch  eine  Predigt  Kunde  haben,  die  nicht  vor  dem  zwölften 
Jahrhundert  verfafst  zu  sein  scheint,  und  von  Feindseligkeit  gegen 
die  Bavonianer  erfüllt  ist3).  Aufser  vielen  anderen  Reliquien  er- 
hielten sie  auch  um  945  aus  Haerlebeke,  der  Heimath  der  Grafen 
von  Flandern,  den  h.  Bertulf  von  Renty  bei  Saint-Omer,  wo  er  in 
merowingischer  Zeit  ein  Kloster  gegründet  hatte.  Sein  Leib  wurde 
1073  durch  den  Abt  Folcard  feierlich  erhoben,  und  nun  nach  einer 
älteren,  jetzt  verlorenen  Vita  das  wenige  berichtet,  was  man  von 
ihm  wufste,  mehr  über  die  Translationen  und  über  die  Grafen  von 
Flandern,  nicht  ohne  Fabeln4).  Und  dazu  wollen  wir  gleich  noch 
hinzufügen,  dafs,  da  beide  Klöster  sich  den  ersten  Abt  Florbert  zu- 
eigneten, beide  sein  Grab  und  seinen  Grabstein  zeigten,  im  J.  1079 
eine  gegen  die  Mönche  von  Saint-Bavon  gerichtete  Schrift  darüber 
verfafst  wurde5). 

1)  Waitz  -  Aufsätze  S.  622-665.  Daselbst  S.  633,  Anm.  3,  wird  die 
Tranäaüo  S.  Amalbergae  im  J.  870  (Acta  SS.  Jul.  III,  103)  für  ein  spätes, 
unglaubwürdiges  Machwerk  erklärt.   Ueber  Graf  Arnulf  Sackur,  Clun.  S.  127  ff. 

2)  Fundatio  mon.  Blandiniensis  ed.  0.  Holder-Egger,  MG.  SS.  XV,  2, 
621—624.  Ich  beschränke  mich  auf  Anführung  dieser  Ausgaben  von  Holder- 
Egger. 

3)  Ex  Sermone  de  adventu  SS.  Wandregisili,  Ansberti  et  Vulfranni  ed. 
Holder-Egger,  SS.  XV,  2,  624—631. 

4)  Ex   Vita  Bertulji  Renticensis,  ib.  p.  631—641. 

5)  Lantberti  über  de  loco  sepulturae  Florberti  abb.,  ib.  p.  641 — 644,  aber 


Der  Streit  der  Klöster  zu  Gent.  385 

Nach  Saint-Bavon  war  940  der  h.  Bavo  aus  Laon,  wohin  er 
geflüchtet  war,  zurückgebracht  und  946  feierlich  bestattet.  Gegen 
das  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  schrieb  ein  Mönch,  schon  im 
Gegensatz  gegen  das  vom  Grafen  Arnulf  bevorzugte  Kloster  Blandigny, 
und  gegen  die  Zweifler,  welche  ihnen  sogar  den  Besitz  des  h.  Bavo 
bestritten,  in  drei  Büchern  eine  Geschichte  des  Klosters  nach  schrift- 
lichen Quellen,  wozu  er  vorzüglich  auch  die  Annalen  von  St.  Bertin 
und  St.  Yaast  benutzte,  die  er  Chronica  post  JBedam  nannte; 
er  scheint  auch  Aufzeichnungen  aus  seinem  Kloster  benutzt  zu 
haben1).  Vielleicht  von  demselben  Verfasser  ist  auch  das  Carmen 
de  S.  Bavone2).  Der  Concurrenz  der  Blandinienser  besser  begegnen 
zu  können,  holten  sie  980  aus  dem  kürzlich  erworbenen  Winters- 
hoven  den  h.  Landoald  mit  seinen  ebenso  unbekannten  Genossen, 
legten  dem  Bischof  Notker  von  Lüttich  den  Bericht  über  die  Trans- 
lation und  die  obligaten  Wunder  vor,  und  zugleich  was  der  Orts- 
pfarrer Sarabert  von  diesen  Heiligen  zu  berichten  wufste.  Der 
gelehrte  Heriger  erfuhr  zu  seinem  Erstaunen  von  dem  ihm  bis 
dahin  unbekannten  Bischof  Landoald  von  Lüttich,  buchte  aber  alles 
getreulich ,  und  zwar  der  gröfseren  Autorität  wegen  unter  dem 
Namen  seines  Bischofs.  So  gewannen  diese  frechen  Lügen  ge- 
schichtlichen Anstrich,  und  haben  viel  Verwirrung  angerichtet3). 
Die  Gegner  behaupteten  zwar,  es  seien  „malorum  defunctorum  ossa", 
aber  die  Bavonianer  veranstalteten  982  eine  neue  feierliche  Erhebung, 
und  es  gelang  ihnen,  die  Autorität  des  Erzbischofs  von  Reims  da- 
für zu  gewinnen4).  Der  Abt  Odwin  oder  Otwin  (982 — 998),  der 
hier  seine  Energie  bewiesen  hatte,  erlangte  auch  aus  Rom  durch 
Vermittelung  der  frommen  Engländerin  Teta  Reliquien  des  h.  Pan- 
cratius,  welche  985  nach  Gent  kamen5).  Bald  darauf  stellte  er 
nachdrücklich  den  Abt  Adalwin  von  Blandigny  zur  Rede,  weil  er 
fortfahre,  gegen  die  getroffene  Uebereinkunft  sein  Kloster  als  „in 
Castro  Gandavo"  gelegen  zu  bezeichnen6).     Ein  neuer  Triumph  war 

nach  S.  1317  ist  der  Autorname  Lantbert  irrig.     S.  644  folgt  ein  Catalogus 
abb.  Blandin.   saec.  XII. 

1)  Ex  Miraculis  et  Tramlationibus  S.  Bavonis,  SS.  XV,  2,  590 — 597 : 
dazu  S.  598  ein  kurzer  Auszug  von  Wundern,  die  gegen  Ende  des  11.  Jahrb. 
beschrieben  sind.  Wie  der  erste  Vf.  berichtet,  sagten  über  den  Ursprung 
von  Gent  Einige,  dafs  Agrippa  es  gegründet,  „alii  Hermenricum  regem  in 
eo  arcem  imperii  sibi  tradunt  instituisse".     Aehnlich  auch  im  Carmen. 

2)  NA.  X,  371  von  Holder-Egger  herausgegeben. 

3)  Translaiio  S.  Landoaldi  et  sociorum  ejus,  SS.  XV,  2,  601  —  607. 

4)  Adventus  et  Elevatio  S.  Landoaldi  et  sociorum  ejus,  ib.   p.  607 — 611. 

5)  S.  den  Brief  des  Abtes  Andreas   von    St.  Pancraz,   NA.   VIII,   376. 

6)  Brief  im  NA.  X,  374. 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.    6.  Aufl.  25 


386  HI-    Ottonen.     §  7.    Lüttich. 

dann  1007  die  Uebertragung  der  hb.  Livin  und  Brictius  aus  Holthera 
nach  Gent,  worauf  1010  unter  Erlembold  der  h.  Bavo  noch  einmal 
feierlich  erhoben  wurde;  der  Verfasser  der  Beschreibung1)  scheint 
derselbe  zu  sein,  welcher  auch  im  J.  1014  über  den  b.  Macharius 
berichtet  hat2),  einen  griechischen  Mönch,  der  1011  in  St.  Bavon 
Aufnahme  fand  und  nach  vielen  Kasteiungen  schon  1012  starb. 
Man  wufste  weiter  nichts  von  ihm,  verehrte  ihn  aber  als  heilig  und 
wufste  von  Wundern  zu  berichten,  die  man  ihm  zuschrieb.  Doch 
half  das  alles  nur  wenig,  und  als  der  Abt  Othelbold  um  1020  der 
Gräfin  Othgive,  Gemahlin  Balduins  des  Bärtigen  von  Flandern,  auf 
ihren  Wunsch  über  die  Reliquien  des  Klosters  schrieb3),  hatte  er 
zugleich  bitter  zu  klagen  über  den  einstigen  Reichthum  und  die 
bedrängte  Lage,  seitdem  Graf  Arnulf  zahlreiche  Besitzungen  des 
Klosters  an  seine  Dienstmannen  vergabt  hatte.  Es  bedurfte  stärkerer 
Heilmittel,  und  zunächst  fand  sich  Stepelin,  ein  aus  St.  Trond  ent- 
laufener Mönch,  bereit,  im  J.  1049  nicht  nur  einen  angeblich  alten 
Grabstein  für  den  Abt  Florbert  anzufertigen,  sondern  auch,  nach 
Holder -Eggers  Vermuthung,  jene  Verse  zu  machen,  in  welchen  der 
h.  Livin  selbst  an  Florbert  ein  Epitaph  des  h.  Bavo  schickt4). 
Weiter  folgte  1058  eine  neue  Erhebung  des  b.  Bavo,  1067  auch 
des  h.  Macharius,  und  mit  kühnerem  Fluge  wurde  nun,  während 
man  früher  aufrichtig  bekannt  hatte,  über  sein  Vorleben  nichts  zu 
wissen,  die  vollste  Schale  abgeschmackter  Verherrlichung  über 
ihn  ergossen5);  zur  Schilderung  seiner  Tugenden  diente,  was  im 
Leben  des  Erzbischofs  Bruno  von  Köln  für  diesen  Zweck  brauchbar 
erschien.  Nach  der  Vermuthung  von  Holder-Egger  war  es  derselbe 
Verfasser,  welcher  schon  um  1050  mit  nicht  minder  frecher  Lüge 
das  Leben  des  bis  dahin  ganz  unbekannten  Livin  beschrieb  (oben 
S.  132);  besonders  wichtig  aber  ist  der  Nachweis,  dafs  fast  zweifel- 
los dieser  Livin  in  Wirklichkeit  kein  anderer  ist,  als  der  wohlbe- 
kannte, in  Deventer  bestattete  Liafwin  oder  Lebuin;  sein  Genosse 
Brictius  scheint  nur  der  Nachbarschaft  im  Kalender  seinen  Namen 
zu  verdanken,  obgleich  hier  der  Bischof  von  Tours,  Nachfolger  des 
h.  Martin,  gemeint  ist.  Nach  solcher  Verherrlichung  aber  war  es 
nun  Zeit,    auch  diese  Heiligen  feierlich  zu  erheben,    was    1083    ge- 


*)  Elevatio  S.  Baronis,  SS.  XV,  2,  597. 

2)  Vita  S.  Macharn  prior,  ib.  p.  615. 

3)  Gedr.  NA.  VIII,  370  ff. 

4)  S.  oben  S.  132. 

5)  Elevatio  S.  Macharn,  SS.  XV,   2,   616—621.     Einzelnes    darin,   wie 
die  Nachrichten  von  der  Pest  des  J.  1012,  ist  historisch  brauchbar. 


Vita  Livini.     Gerhard  von  Brogne.  387 

schab;  aber  erst  um  1200  wurde  über  diese  Vorgänge  eine  Schrift 
verfafst1). 

Diese  ganze  Litteratur  würde  nicht  verdienen ,  so  viel  Auf- 
merksamkeit in  Anspruch  zu  nehmen,  wenn  sie  nicht  theils  für  die 
Zeit  charakteristisch  wäre,  theils  durch  die  Chronisten  des  14.  Jahr- 
hunderts, Johann  von  Thielrode  und  die  Genter  Annalen,  viele  hier- 
aus geschöpfte  Fabeln  in  die  Geschichte  eingedrungen  wären,  welche 
noch  nicht  vollständig  beseitigt  sind. 

Eine  besonders  hervorragende  Stellung  als  Reformator  vieler 
Klöster  nahm  der  oben  erwähnte  Abt  Gerhard  ein,  der  Stifter  des 
Klosters  Brogne  im  Lütticher  Sprengel  zwischen  Maas  und  Sambre. 
Er  gehörte  zur  Sippschaft  des  Hagano  (Austrasiorum  ducis),  jenes 
bekannten  Günstlings  Karls  des  Einfältigen;  seine  Mutter  Plictrudis 
war  eine  Schwester  des  Bischofs  Stephan  von  Lüttich.  Im  Lom- 
matschgau,  wo  er  heimisch  war,  setzte  er  auf  seinem  Erbgut  Brogne 
zuerst  Canoniker  ein;  als  aber  Graf  Berengar  von  Namur,  dessen 
vielvermögender  Rath  er  war,  ihn  zum  Grafen  Robert  nach  Paris 
sandte,  machte  ein  Besuch  im  Kloster  St.  Denis  solchen  Eindruck 
auf  ihn,  dafs  er  seine  Entlassung  erbat  und  zur  grofsen  Verwun- 
derung der  Mönche  von  St.  Denis  bei  ihnen  Unterricht  nahm  und 
Mönch  wurde  (919  oder  920  nach  Sackur).  Es  war  ihnen  ganz  er- 
staunlich, dafs  ein  bärtiger  Mann  noch  die  Buchstaben  lernen  wollte, 
wie  ein  fünfjähriger  Knabe2)  —  eine  Stelle,  die  uns  einmal  recht 
deutlich  zeigt,  wie  unberührt  von  aller  litterarischen  Bildung  die 
Laien  waren,  und  wie  irrig  die  weitverbreitete  Meinung  ist,  als  ob 
die  scholae  exteriores  für  sie  bestimmt  gewesen  wären.  Im 
Jahre  926  zum  Priester  geweiht,  kehrte  Gerhard  zurück,  und  über- 
gab nun  die  Kirche  zu  Brogne  12  Mönchen  aus  St.  Denis.  Die 
Leitung  des  Klosters  war  seinem  auf  stille  Beschaulichkeit  gerich- 
teten Sinn  zuwider,  er  lebte  abgesondert  als  Klausner,  aber  Herzog 
Giselbert  und  Bischof  Fulbert  von  Cambrai  liefsen  ihm  keine  Ruhe. 
In  St.  Ghislain  lebten  nämlich  damals  Cleriker  von  gar  schlechtem 
Wandel,  welche  sich  mit  ihrem  Heiligen  singend  und  bettelnd  her- 
umtrieben, bis  endlich  dieser  des  Treibens  müde  zuliefs ,  dafs  sein 
Leib  gestohlen  wurde.     Da  wurde  das  Kloster  Gerhard  zur  Reform 

1)  Ex  translatione  SS.  Livini  et  Brictii,  ib.  p.  611 — 614.  —  Der  Catal. 
abb.  Gandav.  MG.  SS.  XXV,  570,  ist  nur  Auszug  der  Ann.  Gand.  u.  werth- 
los,  berichtigt  Waitz- Aufsätze  S.  661. 

2)  „Quod  vir  jamdudurn   barbatus  applicari  vellet   ulterius   studiis   lit- 

terarum  puerilibus litteratim   percurrit  prima  elementa  ceu  quin- 

quennis  puerulus."  V.  Gerardi  c.  9.  Die  chronologischen  Bedenken  in  diesen 
Angaben  beseitigt  Sackur,  indem  er  ihn  die  Reliquien  früher  erwerben  läfst. 

25* 


388  HI.    Ottonen.     §7.    Lüttich. 

übergeben;  er  fand  das  Heiligthum  in  Maubeuge,  der  Herzog  gab 
die  Güter  zurück,  und  trotz  des  Widerstandes  der  losen  Brüder, 
stellte  Gerhard  dieses  und  andere  Klöster  her1).  Auch  Arnulf  von 
Flandern,  angeblich  von  einem  Steinleiden  wunderbar  geheilt2),  ent- 
äufserte  sich  seiner  Abteien  Blandigny  (941) 3)  und  St.  Bertin  (944), 
wo  die  regelmäfsige  Zucht  hergestellt  wurde,  und  übergab  Gerhard 
alle  Klöster  seines  Gebietes;  er  soll  deren  18  geleitet  haben,  dar- 
unter auch  Saint-Remi.  Durch  einen  Krieg  über  die  gefährdete 
Lage  seines  eigenen  Klosters  belehrt,  kaufte  Gerhard  Brogne  los 
von  der  Abhängigkeit  von  St.  Denis  und  übergab  es  dem  Bischof 
Farabert  von  Lüttich  (947 — 953);  endlich  starb  er  in  hohen  Ehren 
am  3.  Oct.  959.  Sein  Leben  ist  nicht  lange  nach  seinem  Tode  ausführ- 
lich beschrieben ,  aber  wir  besitzen  nur  eine  Ueberarbeitung  aus 
dem  Anfange  des  elften  Jahrhunderts,  für  den  Abt  Gonter  geschrie- 
ben, geschmacklos  mit  Versen  gemischt.  Dafs  Raginer  von  Henne- 
gau noch  in  der  Verbannung  lebe,  Lietald,  Gerhards  Nachfolger  als 
Vorstand  des  Klosters  zu  Mouson  (f  997),  die  Wahrheit  der  Er- 
zählung bestätigen  könne,  schrieb  er  gedankenlos  nach,  so  wenig  es 
auch    zu    seiner  Zeit    noch   pafste4).     Dafs  die  alte  Biographie  sich 

*)  Es  wurde  931  hergestellt,  verbrannte  938.  Nachrichten  über  die 
Geschichte  des  Klosters  in  der  zu  Gerhards  Zeit  aufgezeichneten  Inventio 
S.  Gisleni,  ed.  Holder-Egger  SS.  XV,  2,  576 — 579,  mit  von  Augenzeugen 
aufgezeichneten  Wundern.  Danach  stand  Gerhard  schon  vorher  mehreren 
anderen  Klöstern  vor. 

2)  Diese  merkwürdige  Geschichte  hat  auch  Folcuinus  ed.  Guerard 
p.  143  aus  der  V.  Gerardi,  c.  19,  doch  nur  in  einer  späten  Ueberarbeitung. 

3)  S.  oben.  Ein  Mönch  Adelard  von  Bland,  schrieb  einen  Brief  an  Erzb. 
Elphegus  von  Canterbury  (1006  —  1012)  über  Dunstan,  der  in  seiner  Verban- 
nung bei  Graf  Arnulf  Schutz  gefunden  hatte,  W.  Stubbs,  Memorials  of 
Saint  Dunstan,  p.  53  (Hist.  Zeitschr.  XXXV,  200).  Die  Historia  Relationis 
S.  Walarici  in  monasterium  Leuconaense,  ed.  Holder-Egger,  SS.  XV,  2, 
693 — 696,  im  elften  Jahrhundert  geschrieben,  berichtet,  wie  dieser  Heilige 
952  durch  Arnulf  von  Flandern  nach  St.  Bertin  gebracht  war  und  981 
durch  Hugo  Capet  nach  St.  Valery-sur-Mer  zurückkam.  Zugleich  kam  auch 
S.  Richarius  von  da  nach  seinem  Kloster  zurück;  s.  oben  S.  173. 

4)  Vita  S.  Gerardi  Broniensis,  ed.  L.  v.  Heinemann,  SS.  XV,  2,  654—673. 
Capitel  14  sind  Stellen  aus  Liudprands  Antapodosis  aufgenommen.  Aus 
Italien  brachte  er  ein  Saumthier  mit  lapidibus  porphyreticis  für  den  Haupt- 
altar mit,  cap.  21.  Die  Geschichte  seiner  Reise  nach  Rom  ist  aber  wegen 
der  Nennung  eines  Pabstes  Stephan  und  der  Existenz  einer  zweifellos  un- 
echten Bulle  von  diesem  bedenklich.  Vgl.  über  ihn  Walther  Schultze, 
Gesch.  v.  Brogne  u.  die  Klosterreform  in  Niederlothringen  u.  Flandern. 
Forsch.  XXV,  221-271.  L.  v.  Heinemann,  Die  älteren  Diplome  f.  d.  Kl. 
Brogne  u.  die  Abfassungszeit  der  V.G.  NA.  XV,  593 — 596.  Sackur,  Die 
Cluniac.  S.  121  ff.  365  ff.  vgl.  NA.  XVIII,  350.  —  Unbedeutende  Notae  Bro- 
nienses  1102—1175,  MG.  SS.  XXIV,  27.  „Cronice  abbatis  Broniensis* 
wurden  1490  an  das  Kloster  Marienstatt  geschenkt,  Anz.  d.  Germ.  Mus. 
XXVII,  143. 


Adalbert  von  Utrecht.     Foecuuda  ratis.  389 

darin  noch  erkennen  lasse,  wie  W.  Schultze  annahm,  leugnet  L.  v. 
Heinemann;  die  geltend,  gemachten  Stellen  sind  entnommen  aus  der 
darin  benutzten  und  angeführten  gleichzeitigen  Schrift  über  die 
Wunder  des  h.  Eugenius  in  Brogne,  wohin  er  von  St.  Denis  ge- 
bracht war,  die  an  den  Abt  Gerhard  gerichtet  ist  und  erst  kürzlich 
von  den  Bollandisten  herausgegeben  wurde;  unter  den  Wundern 
bezieht  sich  eines  auf  den  Einfall  der  Ungern  in  Lothringen1). 

Ein  eifriger  Verehrer  des  Grafen  Arnulf  von  Flandern  war  der 
Priester  Witger,  welcher  zwischen  951  und  959  Arnulfs  Herkunft 
mit  der  Genealogie  der  Karolinger  verband,  und  seine  Verdienste 
um  Kirchen,  namentlich  die  zu  Compiegne,  pries2). 

Ein  Schüler  Notkers  von  Lütticb  war  Adalbold,  der  nach 
dem  vortrefflichen  Ansfrid  1010  Bischof  von  Utrecht  wurde,  wo 
er  am  27.  Nov.  1026  gestorben  ist3).  Seine  grofse  Gelehrsamkeit 
bezeugen  theils  mathematische  Schriften,  theils  ein  Commentar  zu 
derselben  Stelle  des  Boethius,  welche  einst  Bovo  von  Corvey  er- 
läutert hatte4).  Mit  Heriger,  Gerbert,  Berno  war  er  befreundet  und 
in  wissenschaftlichem  Verkehr5);  er  nennt  sich  scholasticus,  vielleicht 
(nach  Moll)  bei  St.  Ursmar  in  Lobach.  Ein  Mitschüler  von  ihm, 
Egebert,  damals  Priester  und  Schulmeister  in  Lüttich  nach  E. 
Voigt,  widmete  ihm  ein  Buch,  das  er  Über  prorae  et  puppis  oder 
Foecunda  ratis  nennt,  Sprichwörter,  Geschichten  und  anderes  in 
recht  schlechten  Hexametern  enthaltend,  voll  gesuchter  und  un- 
geschickter Gelehrsamkeit;  es  fehlt  darin  nicht  die  übliche  und 
immer  wiederkehrende  Klage  über  Verfall  und  Mifsachtung  der  Ge- 
lehrsamkeit. Die  Franzosen,  deren  strengere  mönchische  Askese 
auch  Adalbold  begünstigte,  kann  er  nicht  leiden,  und  seine  Schüler 
machen  ihm  manchen  Kummer6). 

*)  Analecta  Boll.  III,  29—57.  Ex  Virtutibus  S.  Eugenii  Bronii  ostensis 
ed.  L.  v.  Heinemann,  SS.  XV,  2,  646 — 652.  Dazu  S.  653  Wunder,  die  er 
schon  im  9.  Jahrh.  in  Diogilus  (Deuil)  verrichtet  hatte. 

2)  Witger i  Genealog ia  Arnulß  comitis  ed.  Bethmann,  MG.  SS.  IX,  302 
bis  304. 

3)  S.  über  ihn  Moll,  Kerkgeschiedenis  van  Nederland,  II,  50—59; 
Hirsch,  Heinr.  II,  II,  296—301;  Bresslau,  Konrad  II,  I,  204  für  1026  (nicht 
1025).  Vorher  war  er  Cluniac.  Mönch  geworden.  Monographie  von  Van 
der  Aa,  Groningen  1862. 

4)  Oben  S.  255.  Adalbolds  Werk  hat  Moll  entdeckt  und  mit  Ein- 
leitung herausgegeben  im  Kerkhist.  Archief  v.  Kist  u.  Moll  III,  161 — 213. 
Sep.-Abdr.  1862. 

5)  Die  Briefe  führt  Moll  an.  Eine  ,,Epistola  Adalboldi  Ultraj.  ep.  ad 
Erchanboldum  archiep.  Mog."  im  Cod.  lat.  Mon.  2598  f.  80 b  ist  nur  eine 
Salutatio. 

6)  Den  Namen  nennt  Sigebert  de  SS.  eccl.  c.  146.  —  Egberts  von 
Lüttich  Fecunda    ratis   cd.    E.  Voigt,    Halle  1889.     Ueber    die    Bedeutung 


390 


III.    Ottonen.     §  7.    Lüttich. 


Einen  sonst  nicht  bekannten  Odbert  hatte  Adalbold  als  Kna- 
ben mit  nach  Utrecht  genommen;  dieser  sah  in  der  alten  Salvator- 
kirche  das  Grab  des  838  erschlagenen  Bischofs  Friedrich;  er 
hörte,  dafs  durch  die  Dänen  mit  vielen  anderen  Büchern  auch  dessen 
Lebensbeschreibung  verbrannt  sei,  und  beeilte  sich,  wie  er  behaup- 
tet als  zehnjähriger  Knabe,  aufzuzeichnen,  was  man  von  diesem 
Märtyrer  wufste.  Man  erzählte  ihm,  wie  er  angiebt,  dafs  Friedrich, 
von  dem  wir  sonst  nur  wissen,  dafs  er  mit  Hraban  in  freundschaft- 
lichem und  gelehrtem  Verkehr  stand1),  sich  der  Ehe  Ludwigs  des 
Frommen  mit  Judith  wegen  zu  naher  Verwandtschaft  widersetzt 
habe,  und  dafs  ihn  deshalb  Judith  habe  ermorden  lassen :  wohl  ohne 
Zweifel  eine  spätere  Erfindung.  In  lügenhaftester  Weise  hat  der  Vf. 
die  bei  Thegan  und  Regino  gefundenen  Nachrichten  diesem  Stand- 
punkt entsprechend  ausgeschmückt  und  verdreht.  Die  noch  er- 
haltenen Acta  Friderici2)  scheinen  etwas  überarbeitet  zu  sein,  aber 
eine  wesentlich  übereinstimmende  Erzählung  kannte  schon  Wilhelm 
von  Malmesbury.  Von  einem  Priester  Odulf,  der  auf  Friedrichs 
Befehl  den  Friesen  predigte,  giebt  es  eine  lange  nach  seinem  Tode 
verfafste  Lebensbeschreibung  mit  wenig  Inhalt3);  diese  hat  jener 
Otbert  benutzt. 

Zu  Tiel  an  der  Waal  verwandelte  Adalbold  ein  verfallenes 
Kloster  an  der  Kirche  der  h.  Walburga  in  ein  Chorherrenstift,  und 
der  Custos  dieses  Stifts  widmete  ihm  eine  Schilderung  der  dort  vor- 
gekommenen Wunder,  welche  geschichtliche  Beachtung  verdienen. 
Adalbold  preist  er  als  Erbauer  der  neuen  Martinskirche,  und  als 
thätig  auch  in  castris  imperialibus.  Eine  Abschrift,  der  ein  neues 
Wunder  beigefügt  ist,  schickt  er  an  den  oben  S.  375  erwähnten 
Wormser  Diaconen  Immo4). 

Alpert  erwähnt,  dafs  Bischof  Adalbold  über  die  Thaten  Hein- 
richs II    bis    zur  Einnahme    von  Metz  (1012)    ein    so    vortreffliches 

desselben  E.  Voigt:  Das  erste  Lesebuch  des  Triviums,  Mitth.  d.  Ges.  f. 
deutsche  Erzieh,  u.  Schulgeschichte  I  (1891),  S.  42 — 53.  —  Klagen  über 
widerstrebende  Schüler  auch  im  cod.  Col.  188,  Catal.  p.  79,  wo  ludrica 
statt  ludicra  verdruckt  ist. 

*)  Dümmler,  Poet.  Lat.  II,  181. 

2)  Mit  Einleitung  von  Gu.  Cuper  Acta  SS.  Jul.  IV,  452—471;  p.  457 
der  metrische  Prolog  von  Oetbert.  Ausg.  von  Holder-Egger  als  Passio 
Frid.  MG.  SS.  XV,  342—356. 

3)  Vita  Odulfi  presb.  Traj.  Acta  SS.  Jun.  II,  592—595.  Auszug  MG. 
SS.  XV,  356-358,  vgl.  574  \ 

4)  Miracula  S.  Waldburgae  Tielensia  ed.  Holder-Egger  SS.  XV,  2, 
764—766,  vollst,  von  G.  Henschen,  Acta  SS.  Feb.  III,  546—548.  Von 
einem  tobsüchtigen  Engländer  heifst  es:  „in  corium  bovis,  quod  Lingua 
Britanniorum  hudifac  (hudisac?)  vocatur  illigaverunf. 


Friedrich  u.  Adalbold  von  Utrecht.  391 

Werk  verfafst  habe,  dafs  er,  Alpert,  deshalb  von  diesen  Dingen  nicht 
reden  wolle1).  Dieses  Werk  ist  leider  verloren;  erhalten  hat  sich 
der  Anfang  eines  Lebens  Kaiser  Heinrichs  II,  welches  nur  bis 
1004  reicht,  und  Adalbold  zugeschrieben  wird2).  Es  ist  gänzlich 
auf  Thietmars  Chronik  begründet  und  nur  mit  rhetorischem  Schmuck 
überladen,  ein  Verfahren,  welches  von  der  Utrechter  Schule  und 
Adalbolds  gelehrter  Bildung  nicht  befremden  darf,  während  dessen 
eigene  Erfahrung  erst  im  weiteren  Verlaufe  einwirken  konnte.  Doch 
fehlen  auch  hier  schon  nicht  einige  Zusätze,  besonders  über  italische 
Verhältnisse.  Ich  sehe  deshalb  keinen  genügenden  Grund,  das  Werk 
mit  Moll  Adalbold  abzusprechen,  noch  auch  anzunehmen,  dafs  es 
niemals  weiter  gereicht  habe,  als  wir  es  besitzen,  wenn  auch  der 
sächsische  Annalist,  bei  dem  allein  eine  Spur  desselben  sich  findet, 
nach  mehr  als  einem  Jahrhundert  auch  schon  nicht  mehr  als  dieses 
Fragment  gehabt  haben  mag.  Dafs  auch  bedeutende  Werke  geringe 
Verbreitung  fanden  und  frühzeitig  verloren  wurden,  ist  leider  keine 
vereinzelte  Erscheinung. 

Später  übernahm  man  in  dem  von  Heinrich  gestifteten  Bisthum 
Bamberg  die  Bewahrung  seines  Andenkens,  und  machte  hier  aus 
dem  tüchtigen  und  umsichtigen  Kaiser,  dem  wackern  Kriegsmanne, 
der  nur  selten  aus  den  Waffen  kam,  einen  gewöhnlichen  Legenden- 
heiligen; es  bildete  sich  hier  ein  völlig  entstelltes  Bild  aus,  welches 
auf  die  richtige  Erkenntnifs  und  Darstellung  der  Geschichte  einen 
sehr  nachtheiligen  Einflufs  geübt  hat3).  Denn  was  die  geistlichen 
Schriftsteller  des  Mittelalters  gelobt  hatten,  tadelten  die  neueren 
Historiker;  die  thatsächliche  Grundlage  aber  wurde  nirgends  ge- 
nügend untersucht,  bis  in  neuester  Zeit  W.  v.  Giesebrecht  mit  um- 
fassender und  eindringlicher  Benutzung  der  echten  gleichzeitigen 
Quellen  eine  besser  begründete  Schilderung  jenes  Kaisers  in  die 
Geschichte  einführte. 

Notkers  Nachfolger  in  Lüttich,  Balderich  II  (1008—1018), 
früher  Vitzthum  der  Regensburger  Kirche,  wird  als  ein  trefflicher 
Mann  gerühmt;  er  stiftete  das  Kloster  St.  Jacob  und  fand  hier  auch 

')  De  div.  temporum  I,  5:  „quia  domnus  Adelboldus  Traiectensis  epi- 
scopus  haec  omnia  pleniter  in  uno  volumine  luculento  sennone  comprehen- 
dit".  Giesebrecht  II,  560  und  Hirsch,  Heinrich  II,  I,  297  nehmen  es  als 
Praesens,  mir  scheint  es  jedoch  kaum  möglich  anzunehmen,  dafs  nicht 
Alpert  von  einem  ihm  schon  vorliegenden  Buche  rede. 

a)  Vita  Hemrici  II  auct.  Adalboldo  ed.  G.  Waitz,  MG.  SS.  IV,  679-G95. 
Hs.  in  Halle,  NA.  VIII,  382. 

3)  S.  darüber  unten  V  §  14.  —  Eine  von  Giesebrecht  entdeckte,  von 
Jaffe  herausgegebene  Nachricht  über  Dedicatio  ccclesiae  S.  Petri  Babenber- 
(jensis  (1012)  MG.  SS.  XVII,  G35.    Bibl.  V,  479. 


392  HI.    Ottonen.     §  7.    Lüttich.     §  8.    Alamannien. 

einen    Biographen,    der    jedoch  erst  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts 
schrieb  und  den  Bischof  nicht  mehr  persönlich  gekannt  hatte1). 

Ein  ausgezeichneter  Zögling  der  Schule  zu  Lobbes  wurde  von 
Otto  III  im  Jahre  1000  ( — 1025)  zum  Bischof  von  Worms  berufen, 
Burchard,  der  als  der  gelehrteste  Canonist  seiner  Zeit  bekannt 
und  berühmt  ist,  und  der  sein  gänzlich  verfallenes  Bisthum  zu  neuer 
Blüthe  erhob.  Freilich  wird  von  dem  gelehrten  Pabste  Gregor  V 
(096 — 999)  gerühmt,  dafs  er  in  Worms  gebildet  sei2),  doch  fand 
Burchard  nach  seines  Biographen  Schilderung  die  Stadt  noch  in 
Ruinen  nach  der  Verwüstung  durch  die  Ungern,  und  die  Fehden 
des  Adels  hinderten  jeden  Fortschritt  zu  besseren  Zuständen.  Durch 
die  Schilderung  dieser  Verhältnisse  und  der  Art,  wie  es  Burchard 
gelang  den  Uebelständen  abzuhelfen,  ist  dessen  Biographie  sehr  lehr- 
reich, so  wie  andererseits  Burchards  einflufsreiche  und  angesehene 
Stellung  bei  Otto  III  und  Heinrich  II  ihr  auch  für  die  Reichs- 
geschichte Bedeutung  verleiht3).  Sie  ist  von  einem  Zeitgenossen 
verfafst  und  gehört  zu  den  besseren  Werken  dieser  Art;  doch  hat 
Manitius  nachgewiesen,  dafs  in  übermäfsiger  Weise  darin  Alpert 
ausgebeutet,  und  sogar  dessen  Lobpreisung  Ansfrids  auf  Burchard 
angewandt  ist,  so  dafs  nicht  viel  Eigenes  übrig  bleibt4).  Noch  am 
Anfang  des  folgenden  Jahrhunderts  feierte  der  Cleriker  Hermann  in 
seinem  Cartular  der  Wormser  Kirche  Burchard  durch  eine  kurze, 
aber  inhaltreiche  Charakteristik  voll  warmer  Dankbarkeit5). 


§  8.     Alamannien. 
Stalins  Wirtembergische  Geschichte  I,  605  ff. 

Die  Schulen  von  St.  Gallen  und  Reichenau  bewahrten  auch 
in  dieser  Zeit  ihren  alten  Ruhm  und  erhoben  sich  zu  hoher  Blüthe; 
es  wurde  manches  hier  geschrieben,  aber  wie  Schwaben  damals  der 
Reichsgeschichte  ferner  stand,  wie  den  Alamannen  der  sächsische 
Kaiserhof  weit  fremder  war  als  der  karolingische,  so  nahm  auch  das 

1)  Vita  Balderici  ep.  Leocl  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  724—738. 

2)  „Lingua  Teutonicus,  Wangia  doctus  in  urbe."  Epit.  bei  Baronius 
ad  a.  999  §  1.  Die  Form  Wangia  auch  in  einem  Hymnusfragment  saec. 
XII.  Geschichtsbl.  d.  mittelrhein.  Bisth.  S.  23. 

3)  Vita  Burchardi  Wormat.  ed.Waitz,  MG.  SS.  IV,  829—846,  nach  der 
alten  Ausgabe  von  1548.  Cod.  Pal.  851,  Arch.  XII,  344.  Vgl.  W.  Giese- 
brecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit  I,  787.  H.  Grosch,  B.  v.  W.  JeDa  1890. 
M.  Conrat  (Cohn),  Gesch.  d.  Quellen  d.  Rom.  Rechts  im  MA.  I,  261. 

4)  NA.  XIII,  197—202. 

5)  MG.  SS.  IV,  829.  Ueber  die  Wormser  Schule  vgl.  Kehr,  Die  Urkk. 
Ott.  III  (1890). 


Burchard  v.  Worms.     Sanct  Gallen.  393 

ganze  Leben  einen  provinziellen  Charakter  an,  und  während  wir  in 
Sachsen  und  in  Lothringen  Geschichtswerke  von  allgemeinerem  Ge- 
sichtspunkte entstehen  sahen,  beschränkt  sich  hier  die  Litteratur  auf 
Schriften  von  engerem  Gesichtskreise.  Annalen  freilich  sind  auch 
hier  geschrieben  und  darin  auch,  wie  überall,  von  Kaiser  und  Reich 
berichtet;  ihre  Notizen  sind  als  gleichzeitige  Aufzeichnungen  wichtig, 
aber  sie  zeigen  kein  Streben  nach  zusammenhängender  Darstellung, 
wie  die  gröfseren  sächsischen  Jahrbücher  und  der  Fortsetzer  des 
Regino.  So  wurden  in  St.  Gallen  die  alten  Alamannischen  Annalen 
bis  926  fortgesetzt1);  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  entstanden 
dann  die  gröfseren  Annalen  von  St.  Gallen,  bis  955  von  einer 
Hand  geschrieben  und  von  verschiedenen  Schreibern  bis  1044  fort- 
geführt2), die  Sanct  Galler  Gelehrsamkeit  durch  Anwendung  von 
Stellen  alter  Schriftsteller  bekundend3).  Bis  918  sind  sie  ein  Aus- 
zug der  Alamannici  mit  einigen  Zusätzen,  von  919  an  selbständig 
und  von  erheblichem  Werth.  Gleichzeitig  wurde  in  derselben  Hand- 
schrift, welche  verschiedene  Mönchsregeln  u.  a.  enthält,  auch  das 
Necrologium  angelegt4).  Dagegen  liefs  man  in  Reich enau,  wo 
längere  Zeit  hindurch  die  alten  Murbacher  Annalen  fortgesetzt  waren, 
schon  mit  dem  Jahre  939  von  dieser  Thätigkeit  ab;  ein  Exemplar 
dieser  Annalen,  welches  für  den  Erzbischof  Friedrich  von  Mainz 
bald  nach  939  abgeschrieben  war,  ist  merkwürdig  durch  die  von 
Otto's  des  Grofsen  Sohn  Wilhelm  eigenhändig  am  Schlüsse  zugesetzte 
Nachricht  von  seiner  Erhebung  zum  Erzbischof  von  Mainz  (954) 
und  dem  gleichzeitig  zwischen  dem  Kaiser  und  seinem  Sohne  Ludolf 
geschlossenen  Frieden5).  Es  hat  aber  auch  noch  eine  weitere  Fort- 
setzung Alamannischer  Annalen  gegeben,    deren  Spuren  Giesebrecht 


')  Neue  Ausg.  nach  dem  Original  in  Zürich  in  d.  Mitth.  z.  vaterl.  Gesch. 
XIX,  224—265,  von  C.  Henking.  Nach  der  ausführt.  Erörterung  S.  347  bis 
358  ist  das  Stück  800 — 876  von  einer  Hand  geschrieben  und  Reichenauer 
Ursprungs;  877 — 881  zweifelhaft,  882 — 926  in  St.  Gallen  geschrieben. 

2)  Ann.  S.  Galli  majores,  früher  Hepidanni  genannt,  ed.  Pertz,  MG.  SS. 
I,  73—85;  Henking  a.  a.  0.  S.  265-323,  vgl.  S.  358  ff.  (Nach  S.  291 
sind  die  J.  965  u.  966  von  Ekkeh.  IV  geschrieben  u.  also  ohne  Autorität.) 
Ueber  die  Reichsannalen,  welche  dem  Stück  von  1025 — 1040  zu  Grunde 
liegen,  werden  wir  in  der  folgenden  Periode  zu  reden  haben.  Ueber  Zu- 
sätze von  Ekkehards  IV  Hand  s.  Meyer  von  Knouau  S.  338. 

3)  Strehlke,  De  Heinrici  III  bellis  Ungaricis  p.  35. 

4)  S.  die  Ausgabe  von  Dümmler  u.  Wartmann  in  den  St.  Galler  Mit- 
theilungen XI  nebst  den  Historiae  de  fratribus  conscriptis  (885  bis  982) 
S.  13 — 24.  Letztere  als  Confraternitatum  syngraphae  MG.  Libri  Confrat. 
ed.  Piper  p.  136—143. 

5)  Annales  Augienses  MG.  I,  62.  67—69.  Vgl.  II,  238.  Berichtigte  Aus- 
gabe von  Jaffe,  Bibl.  III,  700-706.     Vgl.  oben  S.  287. 


394  III.    Ottonen.     §  8.    Alamannien. 

bis  985  in  den  Altahenses  findet1)  und  die  vielleicht  auch  in  den 
Cölner  Annalen  noch  kenntlich  ist. 

Auch  die  Weingarter  Annalen,  nur  nach  dem  Fundort  be- 
nannt, sind  bis  918  nichts  als  ein  Auszug  der  Alamannici,  bis  936 
fortgeführt2).  In  Einsiedeln  aber  wurden  um  das  Jahr  966  An- 
nalen zusammengestellt,  und  bis  1057,  in  einer  anderen  Handschrift 
bis  1268  gleichzeitig  fortgeführt3).  Im  nahen  Elsafs  wurde  in 
Weifsenburg  ein  Exemplar  der  Hersfelder  Annalen  in  einen  Aus- 
zug gebracht  und  von  985 — 1075  fortgesetzt4). 

Bei  weitem  das  bedeutendste  Werk  für  die  Geschichte  dieser 
Zeit  ist  die  Fortsetzung  der  Klosterchronik  von  St.  Gallen,  deren 
wir  schon  oben  (S.  268)  gedachten,  und  die  uns  das  anschaulichste 
und  lebendigste  Bild  gewährt  von  einem  schön  und  reich  entwickel- 
ten Klosterleben,  dessen  Mittelpunkt  die  Schule  ist.  Hartmann, 
der  gelehrte  Nachfolger  (922—924)  des  Abtbischofs  Salomon,  hat 
über  die  Geschichte  seiner  Zeit  ein  Buch  hinterlassen,  welches  uns 
leider  verloren  ist5).  Ein  Jahrhundert  lang  scheint  darauf  diese 
Aufgabe  unbeachtet  geblieben  zu  sein,  bis  Ekkehard  (IV)  die 
Arbeit  unternahm,  ein  Schüler  Notkers  des  Deutschen,  des  bedeu- 
tendsten Sanctgaller  Lehrers,  an  dessen  Sterbebett  er  am  29.  Juni 
1022  stand;  dann  ging  er,  wohl  von  Aribo  berufen,  nach  Mainz,  wo 
er   der  Schule    vorstand.     Auch   Trier    scheint    er    aus    eigener  An- 


»)  MG.  SS.  XX,  776. 

")  Annales  W eingar  tenses,  MG.  SS.  I,  65 — 67.  Vgl.  Henking  in  den 
Mitth.  z.  vaterl.  Gesch.  XIX,  S.  345.  Die  Sangall.  breves  (ib.  S.  220—227) 
sind  nichts  anderes  als  eine  schlechtere  Copie  desselben  Auszuges. 

3)  Ann.  S.  Meginradi,  Heremi  und  Einsidlenses  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III, 
137 — 149.  .  Von  den  Ann.  Heremi  vermuthet  H.  Bresslau  im  NA.  V,  449, 
dafs  sie  nur  ein  Auszug  d.  Schwäbischen  Reichsannalen  sind.  —  G.  v.  Wyfs: 
„Ueber  die  Antiquitates  monasterii  Einsidlensis  u.  d.  Liber  Heremi  des 
Aegidius  Tschudi"  (Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  X)  behandelt  sehr  eingehend 
diese  Mss.  u.  erweist  ihren  Charakter  als  Arbeiten  von  Tschudi.  Ihr  ge- 
schichtl.  Werth  besteht  in  der  Benutzung  einer  beim  Klosterbrand  1577 
verlorenen  Annalenbs.  u.  des  alten  Liber  vitae,  im  ersten  Theil  des  Liber 
Heremi,  eines  Namens,  der  eigentlich  nur  dem  von  Tschudi  benutzten  Liber 
vitae  zukommt.  Daraus  werden  als  Beilagen  abgedr.  S.  87  kurze  Annalen 
863—996  als  Annales  S.  Meginradi  II,  S.  88—110  Ex  libro  Vitae  Einsidl. 
a.  883 — 1298,  Verz.  d.  Wohlthäter  mit  Angabe  ihrer  Schenkungen,  Necro- 
log  ohne  Tage,  u.  noch  einige  Notizen  aus  d.  14.  Jahrhundert. 

4)  Annales  Weifsenburgenses  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III,  33—65.  70—72. 
Vgl.  oben  S.  340.  * 

5)  Ekkehard  S.  102:  „de  quo  quoniam  proprium  ejus  sui  temporis  li- 
bellum  habemus,  plura  scribere  supersedemus".  Vgl.  über  ihn  Dümmler, 
St.  Gall.  Denkmale  S.  256,  NA.  IV,  556;  Meyers  von  Knonau  Ausg.  S.  165 
bis  168. 


Casus  Sancti  Galli.  395 

schauung  gekannt  zu  haben1).  Nach  Aribo's  Tod  (6.  April  1031) 
scheint  er  heimgekehrt  zu  sein,  und  unter  den  Glossen,  mit  welchen 
er  viele  Handschriften  des  Klosters  versah,  findet  sich  noch  der  Tod 
des  Pabstes  Victor  (28.  Juli  1057)  erwähnt,  den  nach  seiner  Meinung 
ein  Abt  vergiftet  hatte.  Für  seinen  Lehrer  Notker2)  hat  Ekkehard 
eine  grofse  Menge  metrischer  Uebungen  (dictamina)  verfertigt,  die, 
verkünstelt  und  geschmacklos,  wie  sie  meistens  sind,  doch  von  die- 
sem der  Aufbewahrung  werth  erachtet  wurden;  andere  fügte  er 
später  aus  eigenem  Antrieb  hinzu,  die  zum  Theil  an  seinen  Bruder 
Immo,  Abt  von  Münster  im  Gregorienthai,  gerichtet  sind.  Die  im 
Cod.  393  noch  jetzt  erhaltene  Sammlung  unter  dem  Titel  Über  bene- 
dictionum  stellte  er  zusammen  auf  Anregung  des  Staveloter  Mönchs 
Johannes,  Neffen  des  Abtes  Poppo,  der  in  St.  Maximin  Abt  wurde 
und  am  11.  Juli  1035  gestorben  ist3).  Auf  den  Wunsch  des  Abtes 
Purchard  II  (1001 — 1022),  der  ein  eifriger  Beförderer  der  lateinischen 
Dichtkunst  war4),  machte  er  Verse  zu  den  Bildern  aus  dem  Leben 
des  h.  Gallus,  welche  Abt  Immo  (075 — 984)  im  Kloster  hatte  malen 
lassen.  Ebenso  dichtete  er  in  Mainz  auf  Aribo's  Wunsch  Unter- 
schriften zu  den  Gemälden  des  Doms5),  und  überarbeitete  den 
Waltharius  des  älteren  Ekkehard  (I  f  973),  den  dieser  für  seinen 
Lehrer  Gerald  in  Verse  gebracht,  Gerald  dem  Bischof  Erchambold 
von  Strafsburg  gewidmet  hatte6). 


1)  Dümmler,  NA.  XI,  405,  wo  er  weitere  Glossen  von  ihm  zu  Adonis 
Martyrologium  mittheilt. 

2)  Dessen  merkwürdiger  Brief  über  seine  Uebersetzungen  an  Bischof 
Hugo  von  Sitten  bei  J.  Grimm,  Kl.  Sehr.  V,  190. 

3)  S.  vorzüglich  E.  Dümmler,  Ekkehart  IV,  in  Haupts  Zeitschrift  XIV, 
1 — 73,  u.  G.  Meyer  von  Knonau  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe. 
Rythmi  de  S.  Othmaro,  mit  Glossen,  worin  er  dieselben  St.  Galler  Lehrer 
feiert  wie  in  der  Chronik,  MG.  II,  55 — 58.  Verbesserungen  von  Dümmler 
1.  c.  p.  13.  Neue  Ausg.  im  Ekk.  ed.  M.  v.  Knonau  p.  LXXXV— LXXXIX. 
Benedictiones  ad  mensas  ed.  F.  Keller,  Mitth.  d.  Antiqu.  Ges.  in  Zürich,  III, 
97—121. 

4)  An  diesen  Abt  ist,  als  er  sich  am  Hofe  befand,  ein  merkwürdiges 
Schreiben  über  einen  Kirchendiebstahl  und  dessen  Entdeckung  von  seinen 
Mönchen  gerichtet,  gedr.  in  Wartmanns  Urkundenbuch  III,  34.  —  Ein  im 
Anschlufs  an  Marcianus  Capeila  gedichtetes  Lehrgedicht  über  die  7  freien 
Künste,  s.  XI.  aus  St.  Gallen,  NA.  V,  627. 

5)  Fehlerhaft  gedr.  bei  Fr.  Schneider,  der  h.  Bardo,  Mainz  1871;  besser 
von  Jos.  Kiefer  im  Progr.  des  Grofsh.  Gymn.  in  Mainz  1881;  vgl.  NA. 
VII,  419. 

6)  Ekkehardi  I  Waltharius  ed.  Rud.  Peiper,  Berol.  1873.  Waltharius 
nach  der  handschriftl.  Ueberlieferung  berichtigt  mit  deutscher  Uebertragung 
und  Erläuterungen  von  J.  v.  Scheffel  u.  A.  Holder,  Stuttg.  1874.  \V.  Meyer, 
Philolog.  Bemerkungen,  Miinch.  SB.  1873  S.  361.  Ueber  die  versch.  Hy- 
pothesen und  Controversen  s.  M.  v.  Knonau  zu  Ekk.  S.  284 — 287. 


396  HI.    Ottonen.     §  8.    Alamannicn. 

In  St.  Gallen  war  inzwischen  eine  grofse  Veränderung  eingetre- 
ten. Von  Stablo  kam  als  Abt  Norbert  (1034 — 1072),  um  die  stren- 
gere französische  Zucht  des  Abtes  Poppo  einzuführen,  unter  leb- 
haftem Widerstreben  der  alten  Mönche.  Ekkehard  war,  trotz  seiner 
Freundschaft  mit  Johannes,  ebenso  heftig  gegen  diese  Neuerer  er- 
bittert, wie  jener  Priester  Egebert  (oben  S.  389),  und  die  Störung 
der  Verhältnisse,  die  Vernichtung  der  alten  Harmonie  nnd  wohl 
auch  der  alten  mehr  profanen  Studien,  welche  von  nun  an  in  St. 
Gallen  verschwinden,  mögen  ihn  vorzüglich  veranlafst  haben,  die 
Klosterchronik  fortzusetzen  und  das  Andenken  der  guten  alten  Zeit 
zu  retten.  Mit  der  anziehendsten  Ausführlichkeit  erzählt  er  von 
dieser,  mit  einer  reichen  Fülle  von  einzelnen  Zügen,  die  uns  ganz 
in  das  Innerste  des  Klosters  einführen;  er  schildert  die  Schicksale 
desselben,  die  Thätigkeit  der  verschiedenen  Lehrer  und  ihr  Leben 
mit  einander;  aber  freilich  hatte  er  dafür  keine  andere  Quelle  als 
das  Gedächtnifs  an  eine  schon  sehr  fern  liegende  Vergangenheit,  an 
Erzählungen,  die  er  in  seiner  Kindheit  gehört  hatte.  Es  ist  daher 
nicht  zu  verwundern,  dafs  sich  ihm  in  den  Einzelheiten  vielfache 
Irrthümer  nachweisen  lassen;  die  kulturgeschichtliche  Bedeutung  der 
Schilderung  wird  aber  dadurch  wenig  gemindert,  Ton  und  Färbung 
des  Bildes  werden  wir  als  wahrhaft  anerkennen  können,  wenn  auch 
die  Umrisse  einzelner  Gestalten  täuschen,  die  gute  alte  Zeit  zu  sehr 
verherrlicht  ist.  Leider  hat  Ekkehard  sein  Werk  nur  bis  zum  Jahre 
971  geführt,  und  weit  über  ein  Jahrhundert  verging  nach  ihm,  bevor 
man  wieder  an  die  weitere  Fortsetzung  dachte. 

Schätzbar  durch  Nachrichten  über  den  verheerenden  Einfall  der 
Ungern  im  Jahre  926  ist  die  sonst  nicht  bedeutende  Lebensbeschrei- 
bung der  Klausnerin  Wiborada,  von  dem  Sanctgaller  Mönche 
Hartmann  erst  gegen  das  Ende  des  Jahrhunderts  verfafst1). 

Das  Kloster  Reichenau  erhält  eine  besondere  Bedeutung  da- 
durch, dafs  es  an  der  Hauptstrafse  nach  Italien  lag.  Bischöfe  von 
Verona  haben  hier  Kirchen  gestiftet;  griechische  und  italienische 
Pilger  und  Reisende  werden  erwähnt,  und  auch  Irländer  und  Islän- 
der lassen  sich  hier  nachweisen.  Durch  Nachrichten  dieser  Art 
verdienen  die  Wunder  des  h.  Marcus  Berücksichtigung,  dessen 
Reliquien  angeblich  830  von  Venedig  nach  Reichenau  gebracht  sein 
sollten.  Die  schon  damals  vielfach  lautgewordenen  Zweifel  an  der 
Echtheit  der  Reliquien  veranlafsten  natürlich  eine  um  so  viel  gröfsere 

!)  V.  S.  Wiboradae  ed.  Waitz,  MG.  SS.  IV,  446.  452-457.  Vgl.  Stalin 
I,  424.     M.  v.  Knonau  zu  Ekk.  S.  203. 


Reichenau.  397 

Zahl  von  Wundern,  und  auch  die  Abfassuug  eines  apologetischen 
Berichtes  darüber,  welcher  noch  unter  Heinrich  I  oder  gleich  nach 
seinem  Tode  geschrieben  ist1).  Eine  andere  Reliquie,  die  als  eine 
besondere  Kostbarkeit  betrachtet  wurde,  war  ein  Kreuz  mit  dem 
Blute  Christi,  das  durch  einen  Araber  Hassan  an  Karl  gebracht 
sein  sollte  und  925  nach  Reichenau  geschenkt  wurde.  Neben  vielem 
fabelhaften,  das  aber  für  die  Sagengeschichte  nicht  unwichtig  ist, 
enthält  die  darüber  verfafste  Schrift  doch  auch  einige  geschichtliche 
Nachrichten2).  Aehnlicher  Art  sind  auch  die  im  Anfange  des  elften 
Jahrhunderts  in  Zurzach  beschriebenen  Wunder  der  h.  Verena3). 
Den  Abt  Liutharius,  sonst  Liuthard  genannt  (926 — 934),  feiern 
einige  Verse  wegen  runder  Fenster,  durch  welche  er  Licht  in  ein 
dunkles  Gemach  gebracht  hatte4).  Ihm  schreibt  Stephan  Beissel 
das  dem  Augustus  Otto  dargebrachte  schön  geschmückte  Evangeliar 
zu,  welches  später  dem  Dom  zu  Aachen  gewidmet  ist5). 

Von  mehr  geschichtlichem  Inhalt  ist  ein  Gedicht  zu  Ehren  des 
Abtes  Witigowo  (985 — 997),  von  Purchard  im  Jahre  994  nicht 
ohne  Geschmack  und  Kunstfertigkeit  verfafst.  Er  läfst  darin  die 
Augia  selbst  auftreten,  trostlos  über  die  häufige  Abwesenheit  des 
Abtes,  der  bald  am  kaiserlichen  Hofe  weilt,  bald  die  Stiftsgüter  mit 
Kirchen  schmückt;  ausführlich  berichtet  sie  von  seinen  Verdiensten, 
namentlich  dem  Neubau  des  Klosters.  Ein  Nachtrag  vom  Jahre  996 
berührt  die  Theilnahme  des  Abtes  an  Otto's  III  Römerzuge6).  Er 
brachte  Reliquien  und  Privilegien  mit;  dann  aber  scheint  es  ihm 
nicht    anders    ergangen    zu  sein  als  dem  Abt  Ratgar  von  Fulda:    er 


1)  S.  oben  S.  285. 

2)  Historia  Sanguinis  Domini,  gedr.  im  Auszuge  von  Waitz,  MG.  SS. 
IV,  445.  446—449;  vollständig  bei  Mone,  Quellens.  I,  671—676.  Später 
wiederholt  überarbeitet,  auch  in  deutschen  Reimen,  von  Albert,  herausge- 
geben von  Schmeller,  München  1844.  Vgl.  dazu  Aronius  in  d.  Zts.  f.  Gesch. 
d.  Juden  in  Deutschland  II,  76—81  (NA.  XIII,  400). 

3)  Miracula  S.  Vermae  ed.  Waitz,  MG.  SS.  IV,  457—460;  Varianten 
v.  Baumann,  Anz.  f.  Schweiz.  Gesch.  1877,  S.  288.  Stalin  I,  423.  Ihre 
verschiedenen  Vitae  sind  nur  Erweiterungen  aus  Notkers  Martyrologium. 
Eine  in  fliefsenden  Hexametern  im  Cod.  lat.  Mon.  18628  f.  13  aus  Tegernsee. 

4)  Dümmler,  NA.  V,  433. 

5)  Die  Bilder  der  Hs.  des  Kaisers  Otto  im  Münster  zu  Aachen  (1886) 
S.  60. 

6)  Carmen  Purchardi  de  Gestis  Witigowonis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  621 
bis  632;  Berichtigungen  aus  Gallus  Ohem,  von  0.  Breitenbach,  NA.  I,  176 
bis  178.  Copie  des  dazu  gehörigen  Bildes  der  Handschrift  bei  Mone  III, 
Tafel  1.  In  diese  Zeit  fällt  die  Schenkung  des  Evang.  an  Ekbert  von 
Trier,  s.  oben  S.  365.  Aus  seiner  Zeit  theilweise  erhalten :  Die  Wand- 
gemälde der  St.  Georgskirche  zu  Oberzell  auf  der  Reichenau,  aufgen.  durch 
Fr.  Beer,  hcrausg.  v.  Fr.  Kraus,  Freib.  i.  Br.  1884. 


398  III.    Ottonen.     §  8.'  Alamannien. 


wurde  abgesetzt1).  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es,  dafs  durch  die 
Bauten  die  Zucht  gelockert  und  dadurch  die  folgende  Katastrophe 
herbeigeführt  wurde. 

Im  Jahre  1006  nöthigte  nämlich  Heinrich  II  den  Mönchen  wider 
ihren  Willen  den  Abt  Immo  auf,  welcher  schon  den  Klöstern  Gorze 
und  Prüm  vorstand,  und  die  strenge  lothringische  Zucht  mit  grofser 
Härte  den  Mönchen  aufzudrängen  versuchte,  was  viele  von  diesen 
zur  Flucht  veranlafste  und  dem  Kloster  grofsen  Schaden  that.  Da- 
von hat  der  Mönch  Rudpert  in  Prosa  und  in  Versen  berichtet2), 
sein  Werk  ist  aber  verloren.  Nach  zwei  Jahren  erlöste  der  König 
Reichenau  von  seinem  Zuchtmeister  und  gab  ihnen  Bern  aus  dem 
Kloster  Prüm  zum  Abte,  welcher  den  früheren  blühenden  Zustand 
wieder  herstellte3). 

Diese  beiden  grofsen  Klöster  scheinen  alles  an  sich  gezogen  zu 
haben,  was  an  litterarischer  Thätigkeit  noch  vorhanden  war;  Con- 
stanz,  so  sehr  es  durch  bedeutende  Bischöfe  ausgezeichnet  war, 
tritt  litterarisch  gar  nicht  hervor,  denn  Salomo  III,  dessen  Formel- 
buch und  Gedichte  oben  (S.  274)  erwähnt  wurden,  gehört  ganz  dem 
Kloster  St.  Gallen  an,  welchem  er  seine  Bildung  verdankte  und  in 
dem  sein  Andenken  immer  fortlebte.  Von  dem  Bischof  Conrad 
(934 — 976)  giebt  es  freilich  eine  Biographie4);  sie  ist  aber  erst 
150  Jahre  nach  seinem  Tode  geschrieben  und  von  geringem  Werthe. 
Das  Leben  des  Bischofs  Gebehard  II  (980 — 995)  ist  ebenfalls  erst 
viel  später,  im  zwölften  Jahrhundert,  in  seiner  Stiftung  Petershauseu 
verfafst;  es  enthält  einige  merkwürdige  Nachrichten  über  den  Bau 
des  Klosters5). 

Wir  haben  schon  gesehen,  wie  St.  Gallen  auch  in  die  Ferne 
wirkte  durch  seinen  Probst  Notker,  der  972  Bischof  von  Lüttich 
wurde;  zwei  Ekkeharde  gingen  von  dort  nach  Mainz.  Mit  Weifsen- 
burg  im  Elsafs  war  vielfacher  Verkehr  und  auch  mit  Strafsburg, 
besonders  unter  dem  Bischof  Erchenbald  (965  —  991).  Dieser, 
welcher  durch  die  Gunst  des  zweiten  und  dritten  Otto  zuerst  wirk- 
lich   Herr    in    seiner    Stadt    wurde,    war    wissenschaftlich    gebildet, 

!)  Herira.  a.  997:  „Witigowone  abbate  privato  Alawicus  promotus". 
Pertz  vermuthet  sogar  „vita  privato". 

2)  Herim.  Aug.  Chr.  ad  a.  1006.  Bischof  Milo  von  Minden  schrieb 
au  Immo  seinen  Brief  über   die  Acta  S.  Gorgonii,  Mab.  Act.  III,  2,  204. 

3)  S.  unten  IV,  §  5. 

4)  Vita  Cuonradi  Const.  ep.  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  436.  Seine  Ver- 
brüderung mit  St.  Gallen  bei  Dümmler  u.  Wartmann  S.  17;  Piper,  Libri 
Confrat.  p.  188. 

5)  Vita  Oebehardi  ed.  Wattenbach,  MG.  SS.  X,  582:  vgl.  Allg.  D.  Biogr. 
VIII,  453,  v.  G.  Meyer  v.  Knonau. 


Constanz.     Strassburg.  399 

machte  selbst  Verse  und  nahm  sich  eifrigst  der  Bibliothek  an,  für 
welche  er  Abschriften  machen  liefs.  Wimpheling  hat  noch  Aufzeich- 
nungen aus  seiner  Zeit  gehabt,  welche  später  verloren  sind *).  Er 
ist  es  auch  ohne  Zweifel  gewesen,  dem  der  Waltharius  überreicht 
wurde2).  Zur  Zeit  des  Abtes  Burchard  (958  —  971)  berief  er,  wie 
Ekkehard  erzählt,  den  Sanctgaller  Mönch  Victor,  einen  fähigen  und 
gelehrten,  aber  unruhigen  Mann  von  vornehmer  Abkunft  nach  Strafs- 
burg, wo  er  mit  Erfolg  als  Lehrer  wirkte3).  Nach  dem  Tode  des 
Bischofs  zog  der  in  früherer  Zeit  geblendete  Victor  sich  als  Eremit 
in  die  Einsamkeit  zurück.  Erchenbald  aber  hat  auch  selbst  einige 
Verse  über  seine  Vorfahren  im  Bisthum  verfafst4).  Andererseits 
wirkte  auch  Frankreich  auf  Strafsburg  ein;  auch  Constantius,  der 
berühmte  Scholaster  von  Luxeuil,  hat  hier  gelehrt5). 

Aus  der  Klosterschule  von  St.  Gallen  aber,  wo  ein  grofser  Theil 
der  jungen  vornehmen,  zu  hohen  Kirchenämtern  bestimmten  Geist- 
lichkeit erzogen  wurde,  ging  auch  der  ausgezeichnetste  Bischof  her- 
vor, den  Alamannien  in  der  Ottonischen  Zeit  besessen  hat,  Udal- 
rich  aus  dem  Hause  der  Grafen  von  Dilingen6),  der  von  924 — 973 
dem  Sprengel  von  Augsburg  vorstand  und  ein  segensreiches  An- 
denken hinterlassen  hat7).    Ohne  Zweifel  würde  er  hier  eine  reiche 

*)  Catal.  epp.  Argent.  ed.  Moscherosch  Argent.  1651  (hier  nicht  vor- 
handen). Darin  nach  Mitth.  von  Dämmler  S.  32  ein  Gebet,  S.  33 — 34  ein 
Verzeichnifs  von  17  Bischöfen,  bei  deren  Weihe  er  mitwirkte,  nebst  An- 
gabe des  Orts,  wo  sie  geweiht  (abgedr.  MG.  SS.  XIII,  323; ;  S.  35  Verse 
aus  Handschriften  und  von  ihm  geschenkte  Bücher,  die  damals  noch  vor- 
handen waren ;  S.  37  eine  kurze  gleichzeitige  Notiz  über  die  Sarazenen- 
schlacht von  982,  abgedr.  MG.  SS.  XIII,  43,  Anm.  6.  Der  Schlufs  lautet 
„Kalabria  Deo  vincente"  nach  d.  Bibliotheque  A.  Firmin-Didot,  Oatalogue 
des  livres  rares  et  precieux,  Paris,  Juin  1882,  p.  11 — 13  in  d.  Beschreibung 
der  aus  Strafsburg  stammenden  Handschrift.  —  Ueber  die  von  ihm  ge- 
schenkte Hs.  von  Pauli  D.  Gesta  Mett.  NA.  III,  186. 

2)  Oben  S.  395;  summus  pontifex  wird  der  Bischof  von  Worms  ge- 
nannt in  dem  Briefe  bei  A.  Mai,  Spicil.  Va>  147,  Erchanbert  von  Eichstedt 
von  Wolfhard  bei  Pez,  Thes.  VI,  91.  Ueber  ganz  abweichende  Vermuthungen 
von  M.  Grellet-Balguerie  s.  NA.  XVI,  456. 

3)  „Urbem  suam  doctrinis  ejus  floridam  fecit."  MG.  II,  116;  vgl.  Meyer 
v.  Knonau  z.  Ekk.  S.  273—275. 

4)  Böhmers  Fontes  III,  XII  u.  1—4.  Vgl.  Rettberg  I,  214,  II,  61. 
Friedrich,  Drei  uned.  Concilien  S.  54.  M.  v.  Knonau  a.  a.  0.  Ausführlich 
handelt  über  Erch.  mit  viel  Phantasie  Grandidier,  Oeuvres  hist.  incd.  I. 

5)  In  der  schon  oben  S.  319  angeführten  Todtenklage  um  Constantius 
heifst  es,  dafs  Kaiser  Heinrich  und  König  Rotbert,  Frankreich,  Deutsch- 
land und  Langobardien  um  ihn  trauern.  Strafsburg  und  Lyon  werden 
besonders  genannt. 

6)  Ueber  diese  vgl.  Steichele,  Das  Bisth.  Augsburg  III  (1872)  S.  31-55. 

7)  Waagen,  Treasures  of  Art  in  Great-Britain  I,  196,  schreibt  seiner 
Hand  das  Evangeliar  Harl.  2970  und  ein  anderes  in  München  zu,  mit  der 
Inschrift:  „Dens  propitius  esto  Udalrico  peccatori";   dieses  (23,630)   ist  je- 


400  IH«    Ottonen.     §  8.    Alamannien. 

Entfaltung  geistiger  Thätigkeit  hervorgerufen  haben,  wenn  nicht  die 
schweren  Zeiten,  welche  Ludolfs  Aufstand  und  der  Ungernkrieg  über 
Stadt  und  Sprengel  brachten,  seine  Wirksamkeit  gehemmt  hätten. 
Die  Folgen  dieser  Ereignisse  sind  gewifs  noch  lange  fühlbar  gewesen; 
doch  finden  wir  zu  Bischof  Liutolds  Zeit  (989  —  996)  in  einem  Briefe 
des  Wigo  von  Feuchtwangen *)  den  blühenden  Zustand  der  Augs- 
.burger  Schule  gerühmt,  und  zugleich  zeigen  uns  diese  zufällig  er- 
haltenen Briefe  ein  lebhaftes  litterarisches  Streben  in  dem  Kloster 
Feuchtwangen,  im  nördlichsten  Winkel  des  Augsburger  Bisthums. 
Wir  dürfen  daraus  wohl  den  Schlufs  ziehen,  dafs  noch  an  vielen 
Orten  eifrig  gelehrt  und  gelernt  wurde,  ohne  dafs  uns  eine  Nachricht 
aufbewahrt  ist,  dafs  auch  vieles  geschrieben  worden  ist,  was  später 
unbeachtet  zu  Grunde  ging.  Ueber  S.  Ulrichs  segensreiche  Wirk- 
samkeit aber  ist  uns  glücklicherweise  ein  reichhaltiger  und  vortreff- 
licher Bericht  zugekommen,  dessen  Verfasser,  der  Priester  Gerhard, 
ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Bischofs,  zugleich  durch  seine  gute 
Schreibart  und  Darstellung  den  gesegneten  Erfolg  von  Udalrichs  Be- 
strebungen bezeugt.  Die  ausserordentlich  angesehene  Stellung  dieses 
Bischofs,  sein  Einnufs  bei  Hofe,  die  mannhafte  Verteidigung  seiner 
Stadt  und  seines  Sprengeis  gegen  die  Aufrührer  und  gegen  die  Un- 
gern geben  seiner  Biographie  eine  besondere  Wichtigkeit  und  stellen 
sie  dem  Leben  des  Erzbischofs  Brun  zur  Seite;  doch  ist  die  Sprache 
sehr  gesucht  und  oft  ganz  fehlerhaft,  griechische  und  deutsche  Worte 
werden  eingemischt.  Auch  die  Zeit  seines  Nachfolgers  Heinrich 
(973 — 982)  zog  Gerhard  in  seine  Darstellung2).  Liutold  oder 
Ludolf  bewirkte  993  die  Canonisation  S.   Ulrichs,  das  erste  Beispiel 

doch  jünger  und  der  Schreiber  vielleicht  der  Sammler  des  Cod.  Udalrici; 
s.  NA.  X,  410. 

J)  B.  Pez  Thes.  VI,  115.  Vgl.  Hirsch,  Heinrich  II,  I,  127.  Diese  Briefe 
sind,  nebst  einem  neuen,  nach  der  Hds.  wiederholt  bei  Steichele  a.  a.  0. 
S.  341 — 349  mit  Nachrichten  über  das  Kloster,  welches  sich  nicht  halten 
konnte  und  Collegiatstift  wurde.  Ueber  diese  Briefe  handelt  Bessert  in 
d.  Württemberg.  Vierteljahrsheften  IV  (1881),  Heft  1 — 4,  „als  Quelle  für 
die  Geschichte  des  Württ.  Franken". 

3)  Vita  S.  Oudalriä  ed.  Waitz,  MG.  SS.  IV,  377—428.  Migne  CXXXV 
aus  Mabillon.  Uebers.  v.  Grandaur,  Geschichtschr.  31  (X,  4,  2)  1891  mit 
Excurs  über  die  Schlacht  auf  dem  Lechfeld.  Zur  Ergänzung  Ekkehards 
Excurs  MG.  II,  107—109;  bei  M.  v.  Knonau  mit  Comm.  S.  211—224.  Auf 
S.  225  ist  die  Correctur  ultra  in  eis  citraque  nicht  zu  rechtfertigen,  da  diese 
incorrecte  Ausdrucksweise  im  Mittelalter  ganz  gewöhnlich  ist.  —  Vgl.  Stalin 
I,  424.  Giesebrecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit  I,  784.  Ruland  in  Steichele's 
Archiv  für  die  Geschichte  des  Bisthums  Augsburg  I,  7.  K.  Raffler:  Ueber 
den  h.  Ulrich,  Augsb.  1866.  Jul.  Koch:  Gesch.  u.  Cult  des  h.  Ulrich,  Hall. 
Diss.  1875.  Augsburger  Bischofsverz.  SS.  XIII,  333,  und  mit  d.  Aebten 
von  St.  Ulrich  u.  Afra,  S.  278. 


Vita  Udalrici.     Regensburg.  401 

eines  solchen  Actes,  und  von  da  an  wurde  das  Leben  desselben 
immer  von  neuem,  später  auch  in  deutscher  Sprache  überarbeitet; 
schon  Bischof  Gebhard  (996 — 999),  früher  Abt  von  Ellwangen, 
dem  die  Zeitgenossen  hohes  Lob  zollen,  machte  den  Anfang  damit, 
aber  geschichtlichen  Werth  hat  nur  das  ursprüngliche  Werk.  Lehr- 
reich sind  diese  Bearbeitungen  nur,  insofern  man  darin  recht  deut- 
lich sehen  kann,  wie  das  geschichtliche  Element  sich  immer  mehr 
verliert  und  dafür  der  rhetorische  Schmuck,  die  herkömmlichen 
Phrasen  überhand  nehmen,  bis  nur  noch  eine  gewöhnliche  mit  Wun- 
dern überladene  Legende  übrig  bleibt1). 

§  9.     Baiern. 

Ein  Geschichtswerk  aus  Baiern  ist  uns  aus  diesem  Zeiträume 
nicht  aufbewahrt,  wohl  aber  mögen  manche  Aufzeichnungen  vorhan- 
den gewesen  sein,  welche  für  uns  verloren  sind,  wie  die  Salzbur- 
ger Annalen  von  835  an,  und  Regensburger  Annalen,  von 
denen  Spuren  sich  in  späteren  Werken  nachweisen  lassen2).  Doch 
hatte  auch  gerade  dieses  Land  besonders  schwer  durch  die  Ver- 
heerungen der  Ungern  gelitten;  manches  blühende  Kloster  Avar  zer- 
stört, andere  durch  Herzog  Arnulfs  Säcularisationen  kaum  minder 
hart  getroffen,  und  erst  allmählich  begann  eine  neue  Entwickelung 
und  wissenschaftliche  Thätigkeit. 

In  Regensburg  starb  am  23.  Sept.  972  der  Bischof  Michael, 
der  in  seinem  Epitaphium3)  sehr  gepriesen  wird.  Als  sein  Nach- 
folger wirkte  bis  994  der  treffliche  Bischof  Wolf  gang,  ein  Schwabe 
von  Geburt,  der  zuerst  in  Reichenau  die  Schule  besucht  hatte,  wo 
er  mit  Heinrich,  des  Bischofs  Poppo  von  Würzburg  Bruder,  Freund- 
schaft schlofs  und  ihn.  nach  Würzburg  begleitete,  um  die  Vorträge 
des  italienischen  Grammatikers  Stephan  zu  hören.  Als  956  Hein- 
rich Erzbischof  von  Trier  wurde,  mufste  Wolfgang  ihm  auch  dahin 
folgen,  und  theils  als  Lehrer,  theils  als  Decan  für  die  Herstellung 
der  Zucht  thätig  sein.  Allein  nach  Heinrichs  frühem  Tode  964  liofs 
er  sich  durch  nichts,  auch  nicht  durch  die  Bemühungen  des  Cölner 
Erzbischofs  Brun,  ihn  zu  gewinnen,  abhalten  seinem  Herzenswunsch 
zu  folgen  und  im  Kloster  Einsiedeln  Mönch  zu  werden.  Dann  trieb 
es  ihn,  den  Ungern  das  Evangelium  zu  predigen;  hier  aber  trat  ihm 

!)  Eine  sehr  fabelhafte  Version  NA.  VII,  139. 

2)  S.  oben  S.  149.  Ann.  S.  Emm.  brevissimi  792.  817.  930— 10G2  und 
saec.  XI  (103G— 104G)  ed.  Jaffe  SS.  XVII,  571  sind  sehr  anbedeutend. 

3)  Dümmler,  Otto  I  S.  594. 

Wattenb  ach,  freschichtsqucllcn   I.  ß.  Aufl.  26 


402 


III.    Ottonen.     §  9.    Baiern. 


Bischof  Piligrim  von  Passau  entgegen  und  bewirkte  seine  Erhebung 
zum  Bischof  von  Regensburg,  wo  er  nun  zu  thätigem  Wirken  in 
der  Welt  gezwungen  war  und  sich  auch  auf  diesem  Felde  aus- 
gezeichnet bewährte.  Er  hat  einen  Biographen  gefunden,  aber  nicht 
in  Baiern,  sondern  in  Franken,  und  auch  diese  Schrift  ist  uns  leider 
verloren ;  nur  in  der  späteren  Bearbeitung  von  Otloh  sind  Fragmente 
davon  erhalten1).  Wolfgang  war  der  Erzieher  Kaiser  Heinrichs  II, 
und  auch  Poppo,  Markgraf  Liutpolds  Sohn,  der  1016  Erzbischof  von 
Trier  wurde,  war  in  Regensburg  erzogen2).  Auch  Tagino,  1004  bis 
1012  Erzbischof  von  Magdeburg,  war  vorher  Yitzthum  der  Regens- 
burger Kirche,  ein  Zögling  Wolfgangs  und  von  ihm  zu  seinem  Nach- 
folger bestimmt,  aber  damals  vom  Kaiser  nicht  bestätigt3).  Balde- 
rich, nach  ihm  Vitzthum,  wurde  1008  Bischof  von  Lüttich. 

Vorzüglich  machte  Wolfgang  sich  verdient  durch  die  Herstellung 
des  altberühmten  Stiftes  zu  St.  Emmeram,  welches  ganz  unter  der 
Herrschaft  der  Bischöfe  gewesen  war;  jetzt  zuerst  erhielt  es  durch 
ihn  einen  eigenen  Abt  an  Ramwold,  den  er  aus  St.  Maximin 
berief,  und  der  mit  Ernst  und  Eifer  die  klösterliche  Zucht  her- 
stellte4). Er  brachte  Reliquien  mit5),  besorgte  für  seine  Mönche 
eine  Abschrift  oder  Bearbeitung  der  Homiliensammlung  des  Paulus 
Diaconus6),  und  legte  ein  Güterverzeichniss  an,  wovon  sich  nur  die 
Vorrede  mit  frommen  Ermahnungen  erhalten  hat7).  Doch  hatte  auch 
schon  961  Otto  I  in  einer  Urkunde  die  Frömmigkeit  und  die  Stu- 
dien der  Mönche  rühmen  können8).  Ramwold  erlangte,  nachdem  er 
eine  neue  Kirche  erbaut  hatte,  vom  Abt  Winidhar  von  Ellwangen 
(978 — 987)  Reliquien  der  h.  Gemini9).     Er  war  es  auch,   der  durch 


*)  MG.  SS.  IV,  521—542.  Vgl.  über  Wolfgang  Hirsch  Heinrich  II, 
I,  112  f.  In  Verona  ist  ein  schönes  Missale  mit  seinem  Namen,  in  welchem 
mit  Goldschrift  zum  25.  Oct.  992  die  Ordination  des  Bischofs  Otbert  ein- 
getragen ist,  der  es  also  von  ihm  erhalten  zu  haben  scheint.  Arch.  XII, 
660.     NA.  III,  207. 

2)  Thietmar  1.  V,  Prol.  Gesta  Trevirorum,  MG.  SS.  VIII,  175.  Notiz 
über  eine  1017  von  ihm  in  Trier  vollzogene  Altarweihe  in  einem  Missal 
in  Koblenz,  Lamprecht,  Initial-Ornamentik,  S.  29  n.  60.  Gedicht  d.  Cambr. 
Hs.  Sponso  sponsa.  Der  ihm  beigelegte  Brief  an  Bened.  IX  u.  dessen  Ant- 
wort sind  Fiction  nach  Bresslau,  Konr.  II,  II,  514 — 518,  u.  Lesser,  Erzb. 
Poppo.     Leipz.  1888. 

3)  Thietmar  V,   25.     V.  Wolfg.  c.  36.     Vgl.  Hirsch,    1.  c.  I,   172.  275. 

4)  Consuetudines  S.  Emmerammi,  aus  Einsiedeln  stammend  nach  0.  Ring- 
holz, Stud.  u.  Mitth.  a.  d.  Bened.  u.  Cist.  Orden  1886  (NA.  XII,  450). 

5)  MG.  SS.  XV,  2,  1094. 

c)  Zeumer,  NA.  X,  389;  der  Prolog  S.  390. 

7)  Holder-Egger,  NA.  XIII,  562—564. 

8)  Dümmler,  Jahrbücher  unter  Otto  I,  S.  320. 
tJ)  NA.  VII,  620,  vgl.  VIII,  369. 


St.  Emmeram.     Tegernsee.     Froumund.  403 

Aribo  und  Adalpert  den  herrlichen  870  für  Karl  den  Kahlen  ge- 
schriebenen Evangeliencodex  herstellen  liefs1),  der  durch  Kaiser 
Arnulf  aus  Saint-Denis  dorthin  gekommen  war,  und  zu  der  roman- 
haften Translatio  S.  Dionysii  den  Anlafs  gegeben  hat.  In  diesem 
Kloster  hat  sich  in  einer  Handschrift  ein  merkwürdiges  Bruchstück 
über  den  Herzog  Arnulf  erhalten,  merkwürdig  sowohl  als  vereinzelte 
Spur  verlorener  geschichtlicher  Aufzeichnungen,  als  auch  durch  den 
heftigen  Widerwillen  gegen  den  Sachsenkönig,  welcher  sich  darin 
ausspricht,  und  die  Yerherrlichung  des  tapferen  Herzogs,  auf  den  in 
späterer  Zeit  die  Geistlichkeit  so  übel  zu  sprechen  war.  Das  Frag- 
ment ist  in  Regensburg  geschrieben  und  zwar  noch  zu  Lebzeiten 
des  Herzogs  (921 — 937)  oder  doch  sehr  bald  nach  seinem  Tode2). 
In  St.  Emmeram  war  Gozpert  Mönch  geworden,  nachdem  er 
in  der  Augsburger  Kirche  von  früher  Jugend  an  seine  Ausbildung 
erbalten  hatte;  982  wurde  er  (nach  Hartwich,  oben  S.  364)  Abt  von 
Tegernsee  und  veranlafste  hier  zu  eifriger  Beschäftigung  mit  dem 
klassischen  Alterthume.  Statius,  Persius,  Horaz,  Cicero's  Briefe, 
Boethius  wurden  gelesen  und  abgeschrieben;  natürlich  auch  Priscian, 
aus  dem  man  hier  wie  überall  die  lateinische  Grammatik  lernte. 
Boethius  Schrift  vom  Tröste  der  Philosophie  schrieb  Froumund  in 
Cöln  ab  und  sandte  sie  nach  Tegernsee3);  Glossen  zum  Priscian  in 
Feuchtwangen  und  im  Pantaleonkloster4).  Dieser  Froumund  war 
Scholaster  in  Tegernsee  und  sammelte  in  einer  noch  erhaltenen 
Handschrift  eigene  und  fremde  Briefe  und  Gedichte;  daraus  allein 
ist  uns  dieses  eifrige  Studium  in  Tegernsee  und  die  lebhafte  Ver- 
bindung mit  den  gleich  strebsamen  Mönchen  und  Clerikern  in 
St.  Emmeram,  Feuchtwangen,  Augsburg,  Würzburg    bekannt  gewor- 

!)  Sanftl,  Diss.  in  aureum  etc.  codicem,  Ratisb.  1786,  p.  28.  Nach 
Woltmann,  Gesch.  d.  Malerei  I,  260  nachgeahmt  in  einem  Missal  Hein- 
richs II,  Monac.  4456. 

2)  Fragmentum  de  Arnulfo  duce  Bavariae  ed.  Jaffe,  MG.  SS.  XVII,  570. 
cf.  568;  ib.  p.  567  ein  Catalog  der  Bibliothek  von  St.  Emmeram  aus  Ram- 
wolds  Zeit,  ein  anderer  im  Serapeum  II,  260.  —  Vgl.  Giesebrecht  I,  807. 
Die  entgegengesetzte  Auffassung  Arnulfs  bei  Herrn,  von  Altaich  in  Böh- 
mers Fontes  III,  563,  MG.  SS.  XVII,  370.  —  Zwei  Epitaphien  saec.  X. 
aus  St.  Emm.  NA.  V,  432.  Verse  über  die  Reform  von  Niedermünster 
durch  die  Herzogin  Witwe  Judith  und  ihren  Sohn  Heinrich  den  Zänker  bei 
Hirsch  I,  122.  Von  der  Aebtissin  Outa  c.  1002 — 1005  gestiftetes  schönes 
Evangeliar,  Woltmann,  Gesch.  d.  Malerei  I,  258,  NA.  X,  410. 

3)  Pez.  Thes.  I,  Praef.  p.  XV.  Die  Handschrift  ist  jetzt  in  Maihingen, 
und  zeigt  auch  Beziehung  zum  Kl.  Blandigny  bei  Gent,  s.  Schepss,  Hand- 
schriftl.  Studien  zu  Boeth.  de  cons.  im  Progr.  d.  k.  Studienaust.  zu  Würz- 
burg 1881,  S.  6;  NA.  VH,  177.  Vgl.  über  die  Glossen  auch  Schepss, 
NA.  IX,  173-194. 

*)  Wiener  SB.  XCVI,  511.     Zeitschr.  f.  D.  Piniol.  XV,  420. 

26* 


404  HI-    Ottonen.     §  9.    Baiern. 

den I).  Der  gezierte  und  mit  Gelehrsamkeit  prunkende  Stil  der  Zeit, 
auf  den  die  italienischen  Grammatiker  eingewirkt  haben  mögen, 
findet  sich  auch  hier  in  vollem  Maafse.  Als  feingebildeter  Biblio- 
thekar in  St.  Emmeram  erscheint  hier  Reginbald2). 

Schon  früher,  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts  lehrte, 
vielleicht  in  Wessobrunn3),  ein  sehr  gelehrter  Mönch,  Meister  Be- 
nedict, die  Grammatik;  ihm  übergab  S.  Ulrich  seinen  Neffen  Adal- 
bero  zur  Erziehung. 

In  Salzburg  lehrte  ein  hochgefeierter  Mönch  aus  St.  Gallen, 
Chunibert,  den  Herzog  Berthold  (938 — 947  oder  948)  sich  vom 
Abt  Kralo  (942 — 948)  erbeten  hatte;  doch  meldet  davon  nur  der 
Sanctgaller  Ekkeharcl,  welcher  irrig  den  Herzog  Heinrich  nennt. 
Als  Abt  von  Nieder-Altaich,  und  zwar  zu  Herzog  Bertholds  Zeit, 
kennt  ihn  aber  auch  Hermann  von  Altaich4).  Etwas  später,  unter 
Erzbischof  Friedrich  (954 — 990),  versammelte  in  Salzburg  ein  ge- 
wisser Liudfrit  zahlreiche  Schüler5),  und  Erzbischof  Günther  (ord. 
1024  Jan.  26,  f  1025  Nov.  1)  hatte  seine  gelehrte  Ausbildung  unter 
Bischof  Notker  von  Lüttich  erhalten6).  Im  Jahre  987  war  auch 
hier  das  altehrwürdige  Stift  zu  St.  Peter  durch  Erzbischof  Friedrich 
vom  Dom  getrennt  und  als  selbständiges  Kloster  erhielt  es  einen 
Abt  Tito,  der  bis  dahin  Domprobst  gewesen  war.  Sein  Name  findet 
sich  im  Necrologium  von  St.  Emmeram  als  der  dortigen  Congrega- 
tion  angehörig;  vielleicht  machte  er  da  sein  Noviziat7).  Die  Verse 
des  Abtes  Gerhard  von  Seon  wurden  schon  oben  S.  319  erwähnt. 
In  Benedictbeuern    erhielt    im  Anfange    des    elften    Jahrhunderts 

*)  Codex  epistolaris  Froumundi  (Monac.  19412)  von  983  bis  in  Hein- 
richs II  Zeit  bei  Pez  Thes.  VI,  110—199.  Mab.  Anall.  p.  435.  Vgl.  Hein- 
reich II  von  Hirsch  I,  126.  II,  225—230.  Bei  Günthner,  Geschichte  der 
litterarischen  Anstalten  in  Baiern  I,  170  die  Inschrift  eines  Remigius  in 
Sedulii  opus  paschale  (Monac.  19456):  „Ego  Froumundus  cepi  hunc  libel- 
lum  scribere,  sed  pueri  nostri  quos  docui  meo  juvamine  perscripserunt." 
Ueber  den  von  Schmeller  Froumund  zugeschriebenen  Ruodlieb  Giesebr. 
II,  624.  Müll.  u.  Scherer  (3.  A.)  II,  152.  Ausg.  v.  Seiler  1882.  Ders. 
über  den  Cod.  ep.  in  Zachers  Zeits.  f.  D.  Philol.  XIV,  Heft  4.  G.  Schepss: 
Zu  Froumunds  Briefcodex  und  zu  Ruodlieb,  Zeitscbr.  f.  D.  Philol.  XV, 
S.  423  ff. 

2)  Schepss  in  d.  angef.  Programm,  S.  12. 

3)  Nach  der  Vermuthung  Leutners,  Hist.  Wessofont.  I,  63. 

4)  Casus  S.  Galli  ed.  Meyer  v.  Knonau  S.  333  mit  dessen  Anmerkung 
Giesebrecht,  Ann.  Altah.  S.  11.     Abweichend  Hirsch  I,  130. 

5)  V.  Godeh.  ant.  c.  6,  MG.  SS.  XI,  172;  vgl.  oben  S.  324.  In  einer 
später  geänderten  Stelle  spricht  Wolfher  von  einem  celebre  Studium  in 
Passau,  aber  wohl  nur  durch  eine  Verwechselung;  vgl.  Hirsch  I,  132. 

6)  Sermo  in  purificatione  von  ihm,  Cod.  lat.  Monac.  18090  aus  Tegern- 
see,  Catal.  II,  3,  131. 

7)  Heinrich  II  von  Hirsch  I,  129. 


Salzburg.     Benedictbeuern.     Nieder-Altaich.  405 

der  Probst  Adalbero  wegen  seiner  eifrigen  Studien  den  Beinamen 
des  Bücherfasses1).  In  Freising  liefs  Bischof  Abraham2),  von 
957 — 994,  vielleicht  993,  fleifsig  Bücher  abschreiben,  auch  in  weiter 
Ferne.  Sein  Caplan,  später  Erzcaplan  Gotschalk  besorgte  ihm  Ab- 
schriften in  Metz  und  in  Toul;  dann  folgte  er  ihm  bis  1006  selbst 
als  Bischof,  und  nun  war  es  der  Schulmeister  Antrieb,  welcher  mit 
seinen  Schülern  für  ihn  thätig  war3).  Aus  Tegernsee  wandte  man 
sich  an  ihn,  um  ein  Exemplar  der  Historia  tripertita  zur  Abschrift 
zu  erhalten4).  Geschichtliche  Aufzeichnungen  fehlen  aber  leider 
gänzlich;  nur  ein  Martyrologium  mit  nekrologischen  Notizen  hat  sich 
aus  Abrahams  Zeit  erhalten5). 

Jener  Chunibert  aus  St.  Gallen  ist,  wie  erwähnt,  auch  in  Nie- 
der-Altaich  Abt  gewesen,  aber  bald  wieder  fortgegangen;  später 
hausten  hier  nach  dem  Verfall  der  klösterlichen  Zucht  Canoniker. 
Unter  ihnen  war  ein  alter  Priester,  Namens  Udalgis,  der  sich  als 
Lehrer  grofsen  Ruhm  erwarb.  Vornehme  Jünglinge  wurden  ihm 
gern  anvertraut,  um  sich  hier  in  freierer  Weise  ohne  die  strengere 
Ordensregel  in  den  Wissenschaften  auszubilden,  und  mehrere  Bischöfe 
sind  aus  seiner  Schule  hervorgegangen6).  Der  berühmteste  unter 
seinen  Schülern  aber  ist  Godehard  (geb.  961),  der  in  Salzburg 
seine  Studien  fortsetzte,  die  gesunkene  Klosterzucht  in  mehreren 
Klöstern  wieder  herstellte  und  auch  Altaich  zu  neuer  Blüthe  erhob, 
nachdem  dort  im  Jahre  990  wieder  ein  Schwabe,  Erchembert,  nach 
Benedicts  Regel  zum  Abt  erwählt  war. 

Aus  der  Altaicher  Schule  kam  auch  Piligrim,  ein  Neffe  des 
Erzbischofs  Friedrich,  aus  vornehmer  Familie,  welcher  971  in  Pas  sau 
auf  Adalbert  folgte,  wo  er  am  22.  Mai  991  gestorben  ist.    Für  Pas- 


*)  Vas  librorum,  MG.  SS.  IX,  219. 

2)  Er  soll  ein  Slave  gewesen  sein;  die  ihm  zugeschriebenen  Freisinger 
Slovenica  sind  aber  älter,  nach  Miklosich:  Die  christl.  Terminologie  der 
slav.  Sprachen,  Wien  1875. 

3)  ..Abrahamo  episcopo  jubente,  archicapellano  ipsius  Gotesalcho  im- 
petranto  a  Rutberto  probabili  abbatc  Tullensi,  eo  loci  famulitio  sanetae 
Mariae  sanetique  Corbiniani  per  Dnrandum  liber  iste  illustrissimus  scriptus 
est."  Docen  in  Aretin's  Beiträgen  VII,  533.  Jetzt  Cocl.  lat.  Mon.  G294. 
Vgl.  ferner  im  Catal.  I,  3,  80.  82.  84.  91.  100.  105  u.  über  Cod.  lat.  6426 
Gr.  Hundt,  Bayr.  Urkk.  d.  11.  ik  12.  Jahrh.  in  d.  Abh.  d.  Manch.  Akad. 
III.  Cl.  XIV,  2,  S.  49.  Die  früher  hier  angeführte  „Benedictio  in  scripto- 
rio"  ist  aus  Grimalds  Sacramentar,  bei  Günthner  I,  190. 

4)  Meichelbeck,  Hist.  Frising  I1».  p.  472. 

5)  Dümrnler,  Forschungen  XV,  165 ;  Berichtigungen  von  Gr.  Hundt 
a.  a.  O.  S.  47. 

G)  Vita  Godeh.  ant.  c.  2,  MG.  SS.  XI,  171.  In  der  zweiten  Vita  Prol. 
p.  197  wird  aber  Rumold  als  Godchards  erster  Lehrer  genannt. 


406 


III.    Ottonen.     §  9.    Baiern.     §  10.    Frankreich.     Reims. 


sau  eröffneten  sich  nach  der  Ueberwältigung  der  heidnischen  Ungern 
grofse  Aussichten;  schon  Adalbert  hatte  sich  einen  Bischof  von  Lorch 
genannt,  wovon  man  in  der  Vita  Severini  las,  Laurentius  trat  als 
Schutzpatron  dem  h.  Stephan  zur  Seite,  und  dem  viel  jüngeren  Salz- 
burg gegenüber  glaubte  Pilgrim,  der  sich  ebenfalls  Bischof  von  Lorch 
nannte,  die  Errichtung,  oder  wie  er  es  darstellte,  die  Herstellung 
eines  Erzbisthums  Lorch  erreichen  zu  können.  Auch  Fälschungen 
scheute  er  zu  diesem  Zwecke  nicht,  doch  blieben  seine  Bestrebungen 
erfolglos1).  Pilgrims  Name  aber  blieb  gefeiert  in  Passau  und  ist 
sogar  in  die  Nibelungensage  gekommen,  über  welche  er  zuerst  ein 
lateinisches  Epos  durch  seinen  Sänger  Conrad  dichten  liefs. 

In  Eichstedt  liefs  Bischof  Starchand  (933 — 966),  ein  Freund 
Ulrichs  von  Augsburg,  viele  Bücher  abschreiben  und  verfafste  selbst 
Gebete;  sein  Nachfolger  Reginold  (bis  989)  wird  wegen  seiuer 
Beredsamkeit  Chrysostomus  genannt;  er  verstand  griechisch  und 
hebräisch,  besonders  aber  war  er  ein  grofser  Musiker  und  soll  zur 
Uebertragung  des  h.  Willibald  ein  gar  schönes  Gedicht  verfertigt 
haben,  auch  Wunnibald  und  Blasius  hat  er  besungen2). 

Bei  einer  so  lebhaften  litterarischen  Thätigkeit  kann  es  auch 
an  geschichtlichen  Aufzeichnungen  nicht  ganz  gefehlt  haben;  viel  ist 
jedoch  nicht  vorhanden  gewesen,  da  wir  sonst  doch  bei  den  späte- 
ren Schriftstellern  Spuren  davon  antreffen  müfsten,  und  gröfsere  Ge- 
schichtswerke scheinen  hier  nicht  entstanden  zu  sein.  Jene  gram- 
matisch-philosophische Bildung,  welche  vielfach  hochgeschätzt  und 
eifrig  erstrebt  wurde,  befördert  durch  Italiener  wie  Gunzo  und 
Stephan,  führte  zur  Geschichtschreibung  nur,  insofern  sie  zu  dem 
erforderlichen  Bildungsgrade  verbalf;  eine  unmittelbare  Beziehung 
zur  Geschichte  hatte  sie  nicht  und  leitete  eher  ab  von  der  Beschäf- 
tigung mit  der  eigenen  einheimischen  Vorzeit,  wie  wir  denn  auch 
gesehen  haben,  dafs  die  Hauptpunkte  dieser  gelehrten  Studien,  wie 
Reichenau,  St.  Gallen,  Lüttich,  keineswegs  auch  die  productivsten 
für  Geschichtswerke  waren. 


§  10.     Frankreich.     Reims. 

An  gelehrter  Thätigkeit  hat  es  in  dieser  Periode  in  Frankreich 
nicht  gefehlt;  trotz  aller  Verheerungen  und  Unglücksfälle  erhielt  sich 
ein  bedeutender  Grad  von  Bildung,    der  sich  durch  eine  grofse  An- 


J)  Vgl.  oben  S.  51. 

*-')  Anon.  Haser.  MG.  SS.  VII,  255.  257. 


Die  Schulen  in  Reims.     Hucbald  von  St.  Amand.  407 

zahl  von  Lehrern,  Scholastern  fortpflanzte.  Diese  waren  in  Frank- 
reich wie  in  Deutschland  wohl  alle  von  geistlichem  Stande;  es 
scheint  jedoch,  dafs  sie  dort  nicht  so  allgemein  wie  hier  bestimmten 
Stiftern  angehörten,  sondern  mehr  nach  italienischer  Weise  in  un- 
abhängiger Stellung  Schüler  um  sich  sammelten.  Ihre  ganze  Rich- 
tung ging  vorherrschend  auf  Grammatik,  Dialektik  und  Rhetorik, 
und  trug  daher  ebenso  wenig  Frucht  für  die  Geschichte,  wie  die 
verwandten  Bestrebungen  in  deutschen  Klöstern. 

In  Reims  waren  die  beiden  Schulen  der  Domherren  und  der 
Landgeistlichkeit  nach  Flodoards  Angabe  (IV,  9)  gänzlich  verfallen, 
als  Hinkmars  Nachfolger  Fulko  (882 — 900)  zu  ihrer  Herstellung 
zwei  Schüler  Heirichs  von  Auxerre1)  berief,  Meister  Remigius  von 
Auxerre,  der  die  jungen  Cleriker  in  den  freien  Künsten  unterwies, 
während  der  Erzbischof  selbst  mit  ihnen  Theologie  trieb,  und  Huc- 
bald den  Kahlkopf  von  St.  Amand.  Dieser  war  ein  Mönch  in 
jenem  merkwürdigen  Kloster,  welches  auf  der  Grenzscheide  beider 
Sprachen  im  Hennegau  gelegen,  uns  zugleich  das  deutsche  Ludwigs- 
lied und  das  älteste  Denkmal  französischer  Dichtung  aufbewahrt 
hat2).  Ein  Neffe  und  Schüler  des  Milo,  der  zu  Karls  des  Kahlen 
Zeit  als  Schriftsteller  gefeiert  war3),  übersandte  er  diesem  um  876 
seines  Oheims  Werk  de  sobrietate  mit  einer  poetischen  Widmung4) 
und  liefs  bald  ein  eigenes  ebenso  künstliches  wie  geschmackloses 
Gedicht  in  laudem  calvorum  folgen,  in  welchem  jedes  Wort  mit  C 
anfängt5).  Nachdem  Fulko,  Abt  von  St.  Bertin,  zum  Erzbischof  von 
Reims   erhoben    war,    erbat    dessen  Nachfolger  Rodulf  ihn  vom  Abt 

')  Ademari  Chron.  III,  5.  Remigius,  als  theolog.  Schriftsteller  be- 
kannt, (Hist.  litt,  de  la  France  VI,  99  f.,  vgl.  Prantl,  Gesch.  d.  Logik  II,  44) 
ging  nach  Fulko's  Tod  nach  Paris,  wo  Odo  von  Cluny  sein  Schüler  war. 
Andere  Schüler  von  ihm  sind  die  in  Vita  Joh.  Gorz.  erwähnten  Hildebold 
(oben  S.  377)  und  Blidulf,  Archidiaconus  der  Metzer  Kirche;  auch  Erzb. 
Seulf  v.  Reims,  Flod.  IV,  18.  Vgl.  Huemer:  Ueber  ein  Glossenwerk  zum 
Sedulius,  Wiener  SB.  XCVI,  505 — 551.  Von  R.  scheinen,  wie  Dümmler 
mir  mittheilt,  die  2  Briefe  an  Dado  von  Verdun  zu  sein,  worin  von  der 
Herkunft  der  Ungern  die  Rede  ist,  Spicil.  XII,  349,  Mart.  Coli.  I.  320, 
auch  im  Cod.  Vindobon.  156,  f.  110.  Später  lehrte  in  Auxerre  zur  Zeit 
des  gefeierten  Bischofs  Robert  der  ital.  Grammatiker  Wido,  gest.  1095,  s. 
Dümmler  im  NA.  I,  181—183. 

2)  Fragmenta  Elnonensia,  von  Hoffmann,  Gent  1837,  4.  Neue  Aufl. 
1845.  Facs.  bei  G.  Paris,  Les  plus  anciens  Monuments  de  la  langue  Fran- 
caise,  1875. 

»)  S.  über  ihn  Dümmler,  NA.  IV,  521-526.     Ebert  II,  277-285. 

4)  Diese  gedruckt  bei  Mart.  Thes.  T,  45.  Vollständig  herausgegeben 
von  Desplanque,  Etüde  sur  un  poeme  inedit  de  Milon,  moine  de  Saint- 
Amand,  Lille  1871. 

5)  Herausgegeben  von  J.  Desilve,  Valenciennes  1875.  Dess.  Schrift 
De  schola  Elnonensi,  1889,  habe  ich  nicht  gesehen. 


408  HI-    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 

Gauscelin  von  St.  Amand,  um  seine  mangelhaften  Schnlkenntnisse 
zu  ergänzen1);  bald  nachher  aber  mufs  er  jenem  Rufe  nach  Reims 
gefolgt  sein,  wo  er  eine  Zeit  lang  als  Lehrer  wirkte,  bis  sein  Gön- 
ner Fulko  starb.  Heimgekehrt,  hat  er  aufser  anderen  erbaulichen 
Schriften  907  ein  Leben  der  h.  Rictrudis,  der  ersten  Aebtissin  von 
Marchiennes,  verfafst,  welches  er  dem  Bischof  Stephan  von  Lüttich 
übersandte2)  und,  wenn  die  Yermuthung  des  Herausgebers  richtig 
ist,  auf  Veranlassung  desselben  Bischofs,  die  metrische  Vita  S.  Lam- 
berti,  worin  zuerst  die  von  den  früheren  Biographen  verschwiegene 
Ursache  seiner  Ermordung  berührt  wird3).  Aufserdem  verfafste  er 
ein  Leben  des  angelsächsischen  Glaubensboten  Liafwin,  welches 
besonders  durch  die  Erwähnung  der  altsächsischen  Landesversamm- 
lung sehr  merkwürdig  ist4).  Dieses  in  Anlehnung  an  Altfrids  Leben 
Liudgers  mit  grofser  Belesenheit  und  sorgsamem  Fleifse  ausgearbei- 
tete Werk  widmete  er  dem  Bischof  Balderich  von  Utrecht,  und 
theilte  es  aufserdem  dem  Archidiaconus  Peter  von  Cambrai  und 
Odilo,  dem  Mönch  von  St.  Medardus,  zur  Prüfung  mit.  Neunzig- 
jährig soll  er  930  gestorben  sein.  Um  sein  Kloster  machte  er  sich 
auch  dadurch  verdient,  dafs  er  die  Gebeine  des  von  seinem  Vater 
Karl  dem  Kahlen  geblendeten  und  um  876  verstorbenen  Karlmann 
von  Echternach  nach  Saint-Amand  brachte,  was  in  einem  Epitaph 
auf  seine  und  Milo's  gemeinsame  Grabstätte  berichtet  wird5). 

Reims  war  in  diesem  Jahrhundert  auch  der  Mittelpunkt  der 
französischen  Politik  und  namentlich  für  die  lothringischen  Händel 
von  der  gröfsten  Bedeutung.  Hier  konnte  man  unmöglich  ohne  ge- 
schichtliche Aufzeichnungen  auskommen;  hier  bedurfte  man  anderer 

*)  Zur  Sicherung  seines  Unterhaltes  wies  der  Abt  ihm  889  ein  Land- 
gut an,  welches  er  später  den  Mönchen  von  St.  Bertin  überliefs.  Folq. 
ed.  Guerard  p.  131.     MG.  SS.  XIII,  623. 

2)  Vita  S.  Rictrudis,  Mab.  II,  939—950.    Acta  SS.  Mai  III,  81—89. 

3)  Vie  de  S.  Lambert,  ecrite  en  vers  par  Hucbald  de  Saint-Amand, 
et  documents  du  X  siecle,  par  J.  Demarteau,  Liege  1878.  Vgl.  oben  S.  264, 
u.  Dümmler,  NA.  IV,  555. 

4)  Hucbaldi  Vita  S.  Lebuini  ed.  Pertz,  MG.  SS.  II,  360—364  im  Aus- 
zug aus  Sur.  VI,  277 — 286,  doch  nach  der  Handschrift  berichtigt.  Der  Rest 
ist  aus  den  Lebensbeschreibungen  von  Willibrord,  Bonifaz,  Gregor  und 
Liudger  erweitert.  Uebersetzung  des  Auszuges  von  Arndt  hinter  der  Vita 
Bonifacii.  Vgl.  über  seine  Quellen  u.  besonders  die  Versammlung  zu 
Marklo,  W.  Kentzler,  Forsch.  VI,  343—354  u.  Entgegnung  von  S.  Abel 
355.  356.  Eine  Schrift  über  die  Vita  u.  den  Ursprung  von  Deventer  von 
Verloren  wird  Revue  hist.  XXXI,  236  angeführt. 

5)  Acta  SS.  Jim.  III,  36.  S.  über  Hucbald  Hist.  litt,  de  la  France  VI, 
210—221;  Dümmler,  NA.  IV,  560—563.  —  Hans  Müller,  Hucbalds  echte 
und  unechte  Schriften  über  Musik  (Leipz.  1884,  4)  weist  nach,  dafs  die 
Schrift  de  harmonica  institutione,  aber  nicht  die  Musica  enchiriadis,  von 
ihm  ist. 


Yita  Lebuini.     Flodoard.  409 

Werke  als  rhetorisch  ausgeschmückter  Legenden,  und  Hinkmar  selbst 
hatte  das  beste  Beispiel  gegeben.  Er  fand  einen  Nachfolger  an 
Flodoard  (894 — 966),  der  als  Archivar  der  Kirche  sowohl,  wie 
durch  seine  sehr  angesehene  Stellung  ganz  besonders  zu  dieser  Auf- 
gabe befähigt  war.  Begonnen  hatte  auch  er  in  derselben  Weise  wie 
so  viele  seiner  Zeitgenossen.  Unter  Pabst  Leo  VII  (936 — 939)  be- 
suchte er  Rom,  wo  er  vom  Pabste  sehr  gut  aufgenommen  wurde, 
und  als  Denkmal  seiner  Frömmigkeit,  seiner  umfassenden  Gelehr- 
samkeit und  seiner  Dankbarkeit  verfafste  er  in  leidlichen  Hexametern 
ein  gewaltiges  Werk,  dessen  erste  zwei  Theile  die  Thaten  Christi 
und  der  ersten  Heiligen  in  Palästina  und  Antiochien  feiern,  während 
der  dritte  in  14  Büchern  die  Geschichte  der  römischen  Päbste  in 
Verse  bringt,  verbunden  mit  zahlreichen  Legenden  der  Heiligen. 
Noch  bei  Lebzeiten  seines  Gönners  Leo  VII  hat  er  die  Arbeit  voll- 
endet, welche  er  dem  Erzbischof  Rotbert  von  Trier  widmete1);  der 
letzte  Theil  derselben  ist  nicht  ohne  geschichtlichen  Werth2).  Der- 
selbe Erzbischof  von  Trier  war  es  auch,  der  zur  Zeit  des  Concils 
von  Ingelheim  Flodoard  dringend  aufforderte  und  mahnte,  die  Ge- 
schichte der  Reimser  Kirche3)  zu  schreiben,  mit  welcher  Flo- 
doard noch  952  beschäftigt  gewesen  ist.  Schon  in  jenem  Gedicht  hat 
Flodoard  auch  urkundliche  Nachrichten  der  Reimser  Kirche  benutzt, 
deren  Beziehungen  zum  päbstlichen  Stuhl  sorgfältig  hervorgehoben 
werden.  Das  sind  die  Anfänge  der  Studien,  aus  welchen  diese  bis 
948  geführte  Geschichte  der  Reimser  Kirche  hervorging,  ein  Werk, 
in  welchem  die  Rücksicht  auf  die  Form  ganz  zurücktritt  gegen  die 
Vollständigkeit  und  Zuverlässigkeit  des  Inhalts,  denn  diese  Geschichte 

*)  Nach  handschriftlicher  Ueberlieferung  freilich  Rotger,  s.  oben  S.  365. 
Es  mag  ursprünglich,  wie  in  der  Widmung  der  Reimser  Geschichte,  nur  R. 
gestanden  haben. 

2)  Dieser  ist  gedruckt  bei  Mab.  III,  2,  569—608  und  bei  Muratori  III 
wiederholt.  Stücke  bei  Mab.  II,  30.  127.  1095—1100.  Vollst,  jetzt  bei 
Migne  CXXXV,  494-886.  Vgl.  über  das  ganze  Werk  Eist.  litt,  de  la 
France  "VI,  318 — 321.  Entlehnung  der  Characteristiken  aus  den  Epitaphien 
der  Päbste,  NA.  XIII,  236. 

3)  Flodoard i  Historia  Reinen sis  ecclesiae,  mit  Anhang  bis  auf  Adalbero, 
cd.  Sirmond.  1611;  Colvener.  Duaci  1617,  Bibl.  Patrum  Lugd.  XVII,  500; 
Bouquet  VIII,  154-175  unvollständig;  edd.  Heller  et  Waitz,  MG.  SS.  XIII, 
405 — 599  (ohne  den  Anhang).  Kritik  von  Longnon  im  Report,  des  travaux 
historiques.  Die  II,  19  aufgenommene  Visio  Raduini  (oben  S.  211)  kommt 
abgesondert  vor  u.  ist  NA.  XI,  262  gedruckt.  Der  Ausg.  von  Pithou  (1588) 
sind  Visiones  Flotildae  von  940  angehängt.  —  Oeuvres  de  Flodoard  ed. 
Le  Jeune  (Text  mit  Uebersctzung)  Reims  1854.  —  Series  archiepp.  Ron. 
(nur  Namen)  SS.  XIII,  381.  750.  Annales  Remenses  830-999,  nicht  gleich- 
zeitig, ib.  81;  Ann.  S.  Dionysii  Remenses  845  —  1190.  p.  82 — 84;  Ann.  S, 
Nicasii  Rem.  1197  —  1309,  p. '84  bis  86, 


410  HI-    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 


ist  eine  urkundliche  in  so  hohem  Grade,  dafs  sie  für  die  Zeit  der 
Erzbischöfe  Hinkmar  und  Fulko  grofsentheils  geradezu  aus  Regesten 
der  wichtigsten  Urkunden,  besonders  päbstlicher  Schreiben  besteht. 
Auch  für  die  frühere  Zeit  lag  ihm  noch  einiges  urkundliche  Material 
vor,  vorzüglich  war  er  hier  jedoch  auf  Hinkmars  Vita  Remigii  und 
einige  andere  Legenden  angewiesen;  Wundergeschichten  erzählt  er 
gerne  und  mit  grofser  Gläubigkeit.  Die  Verarbeitung  des  Stoffes 
mufs  man  als  mangelhaft  bezeichnen;'  sie  läfst  sich  oft  ganz  ver- 
missen, aber  der  materielle  Werth  seines  Werkes  ist  dadurch  um  so 
gröfser  für  uns.  Derjenige  Theil  desselben,  welcher  die  Geschichte 
seiner  Zeit  behandelt,  findet  sich  grofsentheils  wiederholt  in  seinem 
zweiten  Hauptwerke,  den  Annalen,  welche  von  919 — 966  reichen1). 
Doch  hatte  er  diese,  wie  G.  Monod  (Revue  Crit.  1873,  II,  263)  nach- 
gewiesen hat,  schon  früher  mit  den  Ereignissen  gleichzeitig  begon- 
nen und  darin  Rücksichten  zu  nehmen  gehabt,  welche  für  die  Histo- 
ria  Remensis  nicht  mehr  noth wendig  waren;  er  unterbrach  sie,  um 
die  Historia  zu  schreiben,  und  nur  der  Bericht  über  948  scheint 
dann  umgekehrt  wieder  aus  der  Historia  in  die  Annalen  herüber- 
genommen  zu  sein.  Ob  der  Anfang  der  Annalen  verloren  ist,  ob 
ein  anderes  Werk  vorhanden  war,  welches  die  Geschichte  bis  zum 
Jahre  919  führte,  ist  unbekannt;  unmöglich  wäre  es  ja  nicht,  dafs 
der  Anfang  frühzeitig  zu  Grunde  gegangen  wäre,  und  ohne  die  An- 
nahme einer  bis  dahin  reichenden  Aufzeichnung  ist  gerade  dieser 
Anfangspunkt  unbegreiflich.  Sicher  aber  ist,  dafs  auch  Richer  nicht 
mehr  Hülfsmittel  für  die  Zeit  von  882  an,  wo  Hinkmars  Jahrbücher 
aufhören,  vor  sich  hatte;  nicht  einmal  die  Annalen  von  St.  Vaast 
waren  ihm  bekannt.  Für  jenen  Zeitraum  nun  berichtet  Flodoard 
mit  der  gröfsten  Treue  Jahr  für  Jahr  die  Ereignisse,  wie  er  sie  er- 
fuhr, grosse  und  kleine,  ohne  auf  ihren  inneren  Zusammenhang  ein- 
zugehen, in  derselben  objectiven  Weise,  die  wir  schon  bei  anderen 
ähnlichen  Werken  bezeichneten,  in  einfacher  ungesuchter  Sprache. 
Was  ihn  aber  auszeichnet,  ist  die  Fülle  seiner  Nachrichten,  nicht 
über  Frankreich  allein,  sondern  auch  über  Lothringen  und  das  ost- 
fränkische Reich,  mit  dem  er  manche  Berührung  hatte,  und  ferner 
seine  fleckenlose  Wahrheitsliebe  und  Zuverlässigkeit.  Er  war  in 
höherem  Alter  in  das  Kloster  Saint-Basle  eingetreten,  wo  952  wieder 
Mönche  anstatt  der  Canoniker  eingeführt  wurden  und  legte  963  die 
Prälatur,  wie  er  sagt,  siebenzigj ährig  nieder.     Drei  Jahre  später  ist 

*)  Flodoardi  Annales  ed.  Pertz  MG.  SS.  III,  363-408.  Baehr,  S.  188. 
Giesebr.  I,  779.  Ueber  den  von  Pertz  nicht  benutzten  Cod.  Paris.  Fonds 
latin  9768,  nach  Nithard,  s.  NA.  VI,  482.    Cod.  Christ.  633,  NA.  X,  224. 


Flodoard  von  Reims.     Gerbert.  411 

er  gestorben,  und  fast  bis  an  den  Tag  seines  Todes  hat  er  das 
Werk  fortgesetzt,  dann  ist  noch  ein  Zusatz  über  die  Jahre  von 
976 — 978  nachgetragen  worden:  darauf  aber  verging  lange  Zeit, 
bevor  sich  ein  Nachfolger  fand.  In  den  politischen  Wirren,  von 
welchen  auch  die  Metropole,  lange  Zeit  ein  Zankapfel  der  Parteien, 
viel  zu  leiden  hatte,  gingen  Zucht  und  Lehre  fast  zu  Grunde,  bis 
der  Beginn  einer  besseren  Zeit  in  dem  nahen  Lothringen  auch  hier- 
her seine  Einwirkung  erstreckte.  Zwei  Metzer  Domherren,  welche 
nacheinander  auf  den  erzbischöflichen  Stuhl  erhoben  wurden,  Odel- 
rich,  961 — 969,  und  besonders  Adalbero  von  969 — 988,  ein  Zögling 
der  Klosterschule  zu  Gorze1),  stellten  die  Ordnung  wieder  her,  und 
bald  zog  der  neu  erwachte  Glanz  der  Reimser  Schule  Schaaren  lern- 
begieriger Jünglinge  zu  der  alten  Kathedrale. 

Bald  nach  Flodoards  Tod,  um  das  Jahr  967,  hatte  ein  junger 
Mönch,  Gerbert,  das  Kloster  Aurillac  in  der  Auvergne  verlassen, 
um  in  der  spanischen  Mark  Lehrer  aufzusuchen,  welche  namentlich 
seiner  Liebe  zu  mathematischen  Studien  genügten.  Im  Jahre  970 
folgte  er  dem  Grafen  von  Barcelona  und  dem  Bischof  Hatto  von 
Vieh,  seinem  Lehrer,  nach  Rom  und  wurde  hier  bereits  als  ein  aus- 
gezeichnet begabter  Jüngling  vom  Pabste  dem  Kaiser  Otto  zugesandt. 
Noch  fehlte  es  ihm  aber  an  philosophischer  Ausbildung,  und  deshalb 
begleitete  er  den  Reimser  Archidiaconus  Garamnus2),  einen  berühm- 
ten Lehrer  der  Logik,  nach  Reims,  wo  er  einige  Zeit  seine  Studien 
fortsetzte,  bald  aber  selbst  als  Lehrer  einen  aufserordentlichen  Ruf 
gewann3).  Ganz  Gallien,  sagt  Richer,  erglänzte  von  ihm  durch- 
leuchtet, wie  von  einem  strahlenden  Lichte.  Nachdem  er  sich 
später  einige  Zeit  bei  Otto  II  aufgehalten  und  von  ihm  die  Abtei 
Bobio  erhalten  hatte,  die  er  nicht  behaupten  konnte,  kehrte  er  zu- 
rück4), und  nahm  während  der  Minderjährigkeit  Otto's  III  in  Reims 
eine  sehr  bedeutende  politische  Stellung  ein.  Diese  Periode  ist  es 
besonders,  über  welche  uns  seine  Briefsammlung  die  wichtigsten 
Aufschlüsse  giebt,  obgleich  viele  der  darin  enthaltenen  Anspielungen 
uns  jetzt  unverständlich    sind,    und    durch  die  absichtliche  Duukel- 

*)  Gesta  epp.  Camerac.  I,  102. 

2)  Der  Name  ist  Hypothese,  Richer  hat  nur  den  Anfangsbuchstaben, 
und  in  den  Reimser  Urkunden  der  Zeit  findet  sich  nur  dieser  Name. 

3)  Er  war  auch  Lehrer  des  Königs  Robert  nach  der  Satire  des  Bischofs 
Adalbero  von  LaoD,  wo  er  Neptanebus  genannt  ist,  was  auf  Gerbert  ge- 
deutet wird.  Pechenard  de  schola  Rem.  X  saeculi  Par.  1876  habe  ich 
nicht  sehen  können. 

4)  Vor  Otto's  II  Tod,  nach  D.  J.  Witte,  Lothringen  in  der  zweiten 
Hälfte  des  zehnten  Jahrhunderts  (Diss.  Gott.  1869)  S.  43,  wo  auch  viel 
Widerspruch  gegen  Ollcris  neue  Anordnung  der  Briefe  ist. 


412  HI.    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 

heit  der  Schreibart  die  Benutzung  sehr  erschwert  wird1).  Als  später 
(991)  der  Erzbischof  Arnulf  von  Reims  entsetzt  und  Gerbert  sein 
Nachfolger  wurde,  zeichnete  dieser  selbst  die  Verhandlungen  der 
Synoden  zu  St.  Basle,  Mouson  und  Coucy  auf,  welche  durch  diese 
Verhältnisse  veranlafst  wurden2),  und  die  aufserordentliche  Klarheit, 
Schärfe  und  Gediegenheit  der  Darstellung,  sowie  die  Meisterschaft 
im  Ausdruck  lassen  uns  sehr  bedauern,  dafs  er  uns  aufserdem  keine 
Werke  geschichtlichen  Inhaltes  hinterlassen  hat.  Besonders  merk- 
würdig sind  die  Acten  der  Synode  von  St.  Basle  durch  die  heftige 
und  rücksichtslose  Opposition  gegen  den  römischen  Stuhl,  welche 
sich  darin  ausspricht,  und  die  eine  nicht  minder  heftige  und  cha- 
rakteristische Entgegnung  von  Seiten  des  römischen  Abtes  Leo  her- 
vorrief3). 

Hat  aber  Gerbert  nicht  selbst  Geschichte  geschrieben,  so  ver- 
aulafste  er  doch,  clafs  nach  langer  Unterbrechung  in  Reims  diese 
Thätigkeit  wieder  aufgenommen  wurde.     Er  beauftragte  damit  einen 

')  Gerberti  epistolae  bei  Duchesne  II,  789 — 844.  Opera  ed.  Olleris, 
1867,  4.  Verse  von  ihm  in  N.  Jahrb.  f.  Philol.  1867,  XCV,  708—710. 
Die  Briefsammlung  von  Gerbert  als  eine  Geschichtsquelle.  Krit.  Monogr. 
Nach  den  Hss.  von  N.  Bubnow,  Petersb.  1888  (russisch).  Lettres  publ. 
avec  uue  introd.  et  des  notes  par  Jul.  Havet,  Paris  1889  (NA.  XV,  223). 
Anz.  beider  von  Kehr,  HZ,  LXIV,  274 — 277.  Zur  Zeitbestimmung  der 
Briefe  auch  Sickel,  Mitth.  d.  Inst.  XII,  209  ff.  Vgl.  Wilmans  in  Ranke's 
Jahrbüchern  II,  2,  141—175.  Giesebr.  I,  787.  Hock,  Gerbert  oder  Pabst 
Sylvester  II  und  sein  Jahrhundert,  Wien  1837.  M.  Büdinger,  Ueber  Ger- 
berts wissenschaftliche  und  politische  Stellung,  Cassel  1851.  Cantor,  Mathe- 
matische Beiträge  S.  304  ff.  eingehend  über  seine  mathematischen  Schriften; 
Gesch.  d.  Mathematik  I,  728-751:  Zts.  f.  Math.  u.  Physik,  Hist.  litt.  Abth. 
XXXIII,  3,  101  ff.  gegen  die  Verwerfung  der  Geometria  Gerberti  von  H. 
Weissenborn,  Gerbert.  Beiträge  zur  Kenntnifs  d.  Math.  d.  MA.  Berl.  1888. 
Prantl,  Gesch.  d.  Logik  II,  53—57,  H.  Reuter,  Gesch.  der  relig.  Aufklärung 
im  Mittelalter  (1875)  I,  78—84.  K.  Schultess,  P.  Silv.  II  als  Lehrer  u. 
Staatsmann.  Wiss.  Beil.  zum  Osterprogr.  d.  Wilh.  Gymn.  in  Hamb.  1891. 
Ders.  Die  Sagen  von  P.  Silvester  II,  Hamb.  1893.  A.  Graf,  Die  Quellen 
der  Legenden  von  S.,  Nuova  Antologia  1890  Mz.  16.  Dafs  der  Sermo  de 
<li<)iütate  sacerdotali  nicht  von  ihm  sein  kann,  erweist  Jul.  Harttung,  NA. 
I,  587 — 593.  Ders.  bezweifelt  Forsch.  XVII,  390  seinen  Aufruf  zum  Kreuz- 
zug; dagegen  H.  v.  Sybel,  Gesch.  d.  ersten  Kreuzzuges  (1881)  S.  458. 
Die  Questio  Girberti  papae  im  Pariser  Cod.  10444  enthält  eine  philos.  Unter- 
suchung, NA.  II,  625.  Cod.  Vat.  3101,  Arch.  XII,  232.  Merkwürdige  Sagen 
über  Gerbert  bei  Gualt.  Mapes  de  nugis  curialium  ed.  Wright  (Camden 
Society)  1850.  Vgl.  auch  Döllingers  Pabstfabeln.  Ein  Gedicht  über  seine 
Magie  e  cod.  Salem,  s.  XIII,  Ortus  remensis,  bei  Gerbert,  Iter  Alem.  (1765) 
p.  246.  ed.  II  p.  258.     Mone's  Anz.  II,  188. 

2)  MG.  SS.  III,  658-693. 

3)  MG.  SS.  III,  686-690.  Vgl.  oben  S.  306.  Im  Cod.  Christ.  1283 
(Arch.  XII,  315)  folgen  auf  einen  Bericht  über  Arnulfs  Absetzung  u.  Ger- 
berts Nachfolge  sehr  bittere  Verse  Tres  contra  Dominum,  die  K.  Palm 
Forsch.  XIII,  579  aus  einer  Abschrift  mitgetheilt  hat.    Der  Cod.  hat  nach 


Gerbert.     Richer.  413 

seiner  Schüler,  den  Richer,  einen  Mönch  von  Saint-Remi1),  der 
sich  mit  nicht  gewöhnlichem  Eifer  dem  Studium  der  alten  Lateiner 
und  der  Philosophie,  der  Medicin  und  der  Mathematik  hingab.  Von 
seinen  Vorgängern  wich  Richer  ab,  indem  er  die  schlichte  anna- 
listische Form  verliefs;  ihm  schwebte  das  höhere  Ziel  einer  künst- 
lerisch durchgebildeten  und  das  innere  Wesen  der  Dinge  erfassen- 
den Geschichtschreibung  vor.  Nachdem  er  die  Widmung  an  Gerbert 
und  den  Anfang  seines  Werkes  (bis  II,  78)  geschrieben,  scheint  eine 
Unterbrechung  eingetreten  zu  sein,  worauf  er,  bevor  noch  997  König 
Robert  sich  von  Gerbert  abwandte,  diesen  Anfang  noch  einmal  über- 
arbeitete und  bis  zum  Jahre  995  fortführte;  einige  kurze  Notizen 
über  die  folgenden  Jahre  auf  dem  letzten  Blatte  seiner  Handschrift, 
in  welchen  die  veränderte  Stimmung  gegen  den  König  sich  deutlich 
zeigt,  deuten  die  Absicht  einer  weiteren  Fortsetzung  an,  zu  welcher 
er  aber,  vielleicht  durch  Gerberts  Absetzung  (998)  verhindert,  nicht 
mehr  gekommen  ist.  Nach  Monod's  Vermuthung  hat  er  ihn  zum 
Kaiserhof  begleitet2). 

Zum  Ausgangspunkte  seines  Werkes  nahm  Richer  nach  einer 
kurzen  Einleitung  das  Ende  von  Hinkmars  Werk  (882);  er  ver- 
suchte es,  die  Lücke  zwischen  diesem  Zeitpunkte  und  Flodoards 
Annalen  (919)  auszufüllen,  was  aber  nur  sehr  unvollkommen  gelin- 
gen konnte,  weil  es  ihm  offenbar  an  schriftlichen  Denkmälern  über 
diese  Periode,  aufser  Flodoards  Geschichte  von  Reims,  fast  gänzlich 
fehlte.  Er  hatte,  vermuthlich  in  Chartres,  wohin  ihn  das  Studium 
der  Medicin  führte,  sagenhafte  Nachrichten  über  die  Herkunft  des 
Grafenhauses  von  Blois  erfahren3),    und    sonst  noch  einige  Notizen, 

Mitth.  von  Dümmler  immer  Gilb.  u.  v.  7  cupiere;  aufserdem  vor  v.  10  den 
tautologischen  Vers  „Romam  vexat  adhuc  census  amor  immoderatus.".  Sie 
finden  sich  aber  auch  bei  Giesebr.  III,  1263  (von  v.  7.  an)  auf  Wiebert 
angewandt,  und  scheinen  mir  dahin  besser  zu  passen. 

!)  Hier  war  945  die  Regel  durch  Erzbischof  Hugo  mit  Rath  des  Abts 
Erchambold  von  Fleury  hergestellt  und  Hinkmar  (-f*  967)  als  erster  selb- 
ständiger Abt  eingesetzt.  Gerhard  von  Brogne  (oben  S.  388)  wird  dabei 
von  Flodoard  auffallender  Weise  gar  nicht  erwähnt.  Schon  948  führte 
Berner  Mönche  von  St.  Remi  nach  Homblieres  im  Vermandois,  da  die 
dortigen  Nonnen  zu  liederlich  waren  und  trotz  aller  Mühe  blieben,  s.  In- 
ventio,  translatio  et  miracula  S.  Huhegundis  a.  946  auet.  Bernero,  Mab.  V, 
214—221.  Andere  kamen  952  nach  St.  Basic  und  durch  Erzbischof 
Adalbero  971  unter  Lietald  nach  Mouson,  972  nach  St.  Thierry,  dit  du 
Mont  d'or. 

2)  S.  G.  Monod,  Etudes  sur  l'hist.  de  Hugues  Capet.  Les  sources 
historiques.     Revue  hist.  XXVIII,  241-272. 

3)  Vermuthlich  eine  Gesta.  S.  C.  v.  Kalckstein,  Geschichte  d.  frz. 
Königthums  unter  den  ersten  Capetingern,  1  (1877)  S.  47(5 — 482,  wo  seine 
ganz  entstellten  Nachrichten  von  K.  Odo  besprochen  sind. 


414  HI.    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 

welche  er  mit  äufserster  chronologischer  Verwirrung  ganz  willkürlich 
in  Verbindung  brachte;  wie  sehr  ihm  jede  Entstellung  zuzuschreiben 
ist,  zeigt  der  folgende  Abschnitt,  wo  Flodoards  Annalen  seine  Quelle 
sind,  nebst  einigen  ungeschickt  eingeschobenen  Stellen  der  Geschichte 
von  Reims1).  Wo  diese  enden,  (966),  erreicht  er  die  Zeit,  welche 
er  schon  selbst  mit  durchlebt  hatte,  und  je  mehr  er  sich  der 
Gegenwart  näherte,  desto  mehr  hatte  er  Ereignisse  zu  berühren, 
deren  Mittelpunkt  grofsentheils  der  erzbischöfliche  Stuhl  von  Reims 
gebildet  hatte.  Hier  konnte  es  ihm,  der  im  Auftrage  Gerberts  seine 
Geschichte  schrieb,  an  zuverlässiger  Kunde  nicht  fehlen;  für  die 
frühere  Zeit  kam  es  ihm  auch  zu  statten,  dafs  sein  Vater  Rudolf 
ein  Dienstmann  König  Ludwigs  IV  gewesen  war,  dessen  Gunst  er 
sich  durch  seine  Tapferkeit  und  Klugheit  erworben  hatte. 

Aeufserlich  war  also  Richer  für  diese  Zeit  vortrefflich  ausge- 
rüstet, um  ein  Geschichtswerk  von  nicht  gewöhnlichem  Werthe 
zu  schreiben,  aber  leider  fehlte  es  ihm  gänzlich  an  der  inneren  Be- 
fähigung. Es  fehlte  ihm  vor  allen  Dingen  ganz  an  geschichtlichem 
Sinn.  Nicht  die  Thatsachen,  nicht  die  Wahrheit  sind  ihm  das 
wesentliche,  sondern  mehr  noch  die  Form  der  Darstellung.  Das 
Studium  der  Alten,  vorzüglich  des  sehr  stark  von  ihm  benutzten 
Sallust2),  führte  ihn,  wie  wir  das  im  Mittelalter  nur  zu  häufig  wahr- 
nehmen, blofs  zu  dem  Bestreben,  in  der  äufseren  Form  ihnen  nach- 
zueifern, namentlich  erdichtete  Reden  den  handelnden  Personen  in 
den  Mund  zu  legen  und  alterthümliche  Benennungen  anzuwenden, 
wo  sie  nicht  an  ihrem  Orte  sind,  nämlich  für  die  eigenthümlichen 
Zustände  und  Verhältnisse  der  Gegenwart.  Bei  Richer  aber  geht 
das  Streben  nach  rhetorischem  Schmucke  so  weit,  dafs  die  Darstel- 
lung der  Thatsachen  dadurch  wesentlich  beeinträchtigt  wird.  Schil- 
derungen von  Schlachten  und  Belagerungen,  sowie  besonders  auch 
von  Krankheiten,  bei  denen  er  seine  medicinische  Gelehrsamkeit  zur 
Schau  trägt,  wiederholen  sich  in  übertriebener  Weitschweifigkeit,  und 
bei  genauerer  Untersuchung  findet  man  bald,  dafs  der  Verfasser  sich 
hier  nicht  selten  ganz  seiner  Phantasie  überläfst.  Dieses  führt  uns 
auf  den  zweiten  grofsen  Fehler  Richers,  nämlich  seinen  Mangel  an 
Wahrhaftigkeit  und  Genauigkeit.  Eine  unbefangene  Darstellung  darf 
man  bei  seinem  Standpunkte  überhaupt  nicht  erwarten,  aber  auch 
da,  wo  keine  Parteirücksichten  ihn  verleiteten,  begeht  er  die  gröfs- 

J)  Vgl.  die  Dissertation  von  Reimann,  worin  Richers  Unzuverlässigkeit 
im  einzelnen  nachgewiesen  ist,  namentlich  auch  die  Uneclitheit  seiner  Zu- 
sätze zum  Ingelheimer  Concil. 

2)  F.  Vogel  in  Actis  Sem.  Erlang.  If,  418—421. 


Richers  Geschichtswerk.  415 

ten  Fehler,  welche  besonders  deutlich  hervortreten,  wo  wir  seine 
Quelle,  die  Annalen  Flodoards,  zur  Vergleichung  bei  der  Hand  haben. 
Flüchtig  und  ungenau  erscheint  er  da  im  höchsten  Grade.  Tritt 
nun  aber  gar  noch  ein  bestimmter  Beweggrund  hinzu,  von  der  Wahr- 
heit abzuweichen,  so  sehen  wir  ihn  jedem  Antrieb  der  Art  folgen; 
er  übertreibt  und  vergröfsert,  was  er  bei  Flodoard  vorfindet,  aber 
er  geht  auch  so  weit,  sein  eigenes  Werk  zu  verfälschen,  um  eine 
krankhafte  nationale  Eitelkeit  zu  befriedigen.  Ein  besonders  gün- 
stiges Geschick  hat  uns  seine  eigene  Handschrift  aufbewahrt,  und 
diese  zeigt  uns,  wie  er  im  ersten  Buche  das,  was  er  früher  geschrie- 
ben hatte,  verändert  hat,  um  anstatt  Giselberts  und  der  Lothringer 
den  König  Heinrich  und  die  Deutschen  dem  westfränkischen  Könige 
unterworfen  erscheinen  zu  lassen.  Doch  bleibt  es  zweifelhaft,  ob 
hier  wirklich  eine  absichtliche  Entstellung  anzunehmen  ist,  oder  ob 
er  sich  selbst  durch  seine  ganz  falsche  Auffassung  der  älteren  Ge- 
schichte irre  leiten  liefs;  gewonnen  wird  aber  für  ihn  auch 
dadurch  nicht  viel,  wenn  man  annimmt,  er  habe  einer  oberflächlichen 
Theorie  zu  Liebe  die  überkommenen  Thatsachen  willkürlich  ver- 
ändert1). 

Als  Historiker  können  wir  demnach  Richer  unmöglich  hoch 
stellen;  so  sehr  er  im  einzelnen  nach  rhetorischem  Schmucke  strebt, 
so  wenig  ist  er  doch  auf  ein  richtiges  Yerhältnifs  der  Theile  bedacht 
gewesen,  und  es  wird  durch  ganz  zufällige  Umstände  bestimmt,  wo 
er  auf  alle  Einzelheiten  mit  gröster  Ausführlichkeit  eingeht,  oder 
wiederum  wichtige  Ereignisse  nur  leicht  berührt  oder  ganz  übergeht. 
Dazu  ist  seine  Sprache  gesucht  und  oft  durch  unpassende  Ausdrücke 
kaum  verständlich,  so  dafs  wir  sein  Werk  auch  nicht  in  Rücksicht 
auf  die  Form  loben  können,  wenn  wir  von  der  Wahrhaftigkeit  der 
Darstellung  absehen  wollten.  Demungeachtet  aber  hat  doch  Richers 
Buch  für  uns  einen  hohen  Werth;  er  ist  unser  einziger  Bericht- 
erstatter über  jene  hochwichtige  Zeit,  in  welcher  die  Herrschaft  von 
den  Karolingern  auf  die  Capetinger  überging,  und  seine  ausführliche 
Darstellung  gerade  dieser  letzten  Jahre  enthält  eine  grofse  Fülle 
wichtiger  Nachrichten,  die  wir  ihm  allein  verdanken,  die  freilich  nur 
mit  grofser  Behutsamkeit  zu  gebrauchen  sind,  aber  doch  als  eine 
sehr  wesentliche  Bereicherung  unserer  geschichtlichen  Kenntnifs  be- 


])  Nach  Wittich  in  den  Forschungen  III,  105—141  hätte  Richer  I,  34 
bis  40  eine  lothringische  Quelle  benutzt,  und  weil  er  von  Giselberts  Er- 
hebung erst  bei  dem  Eintritt  dieser  Quelle  berichtet,  die  Stellen,  wo  er 
vorher  erwähnt  wurde,  verändert,  um  oberflächlich  die  Einheit  herzustellen. 
Vgl.  auch  Waitz,  Heinrich  I,  3.  Ausgabe,  S.  2(>  ff. 


416  HI.    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 

trachtet  werden  müssen *).  Denn  bis  auf  unsere  Tage  ist  Richers 
Werk  fast  ganz  verborgen  geblieben;  nur  in  grofsen  Zwischenräumen 
haben  Ekkehard,  Hugo  von  Flavigny,  Trithemius  davon  Gebrauch 
gemacht  und  dadurch  eine  sehr  unbestimmte  Kunde  von  diesem 
Schriftsteller  erhalten;  sein  Werk  aber  galt  für  verloren,  bis  Pertz 
es  1833  in  Bamberg  von  neuem  entdeckte  und  1839  zum  ersten 
Male  bekannt  machte2). 

Schon  früher  als  Saint-Remi  war  das  Kloster  Fleury  oder 
Saint-Benoit-sur-Loire  durch  Odo  von  Cluny  der  strengeren 
Zucht  unterworfen  worden;  von  hier  hatte  St.  Remi  seinen  ersten 
Abt  Hinkmar  erhalten.  In  Fleury  wurde  988  Abbo  Abt,  der,  in 
der  Klosterschule  ausgebildet,  schon  als  Lehrer  gewirkt  hatte,  als 
er  sich  noch  nach  Paris  und  Reims  zu  weiteren  Studien  begab.  In 
der  Astronomie  machte  er  Fortschritte,  fand  aber  übrigens  seine 
Erwartungen  nicht  befriedigt.  In  Orleans  vervollkommnete  er  sich 
in  der  Musik,  und  übernahm  dann  eine  Mission  nach  England,  wo 
Erzbischof  Dunstan  die  klösterliche  Zucht  herstellte.  Heimgekehrt, 
gewann  er  als  Abt  eine  grofse  Wirksamkeit,  und  übernahm  auch  für 
den  König  eine  Gesandtschaft  an  den  Pabst,  deren  er  996  in  einem 
Briefe  an  den  Abt  Hatto  III  von  Fulda3)  gedenkt;  mit  diesem,  der 
um  dieselbe  Zeit  einen  ähnlichen  Auftrag  auszuführen  hatte,  war  er 
in  Reims  bekannt  geworden,  und  hatte  einen  Austausch  von  Reli- 
quien mit  ihm  beredet.  Yor  dem  Tode  des  Königs  Hugo  (996) 
verfafste  er  für  diesen  und  seinen  Sohn  eine  Sammlung  von  kano- 
nischen   und    anderen  Aussprüchen,    mit    besonderer   Betonung    des 


J)  Für  die  Zeit  Otto's  II  wird  seine  Glaubwürdigkeit  vertheidigt  von 
Ad.  Matthaei:  Händel  Otto's  II  mit  Lothringen,  Hall.  Diss.  1882;  für  die 
Erhebung  der  neuen  Könige  (IV,  12.  13)  von  Julien  Havet,  Revue  bist.  XLV, 
S.  290-297,  vgl.  NA.  XVII,  224. 

2)  Richeri  Historiarum  libri  IV  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III,  561—657,  mit 
Schriftprobe.  Zwei  andere  Seiten  in  W.  Arndts  Schrifttafeln,  t.  47,  2.  A.  49. 
Besonderer  Abdruck,  Han.  1839.  Neue  Ausg.  von  Waitz  1877  mit  ge- 
nauerer Beachtung  der  in  der  Handschrift  vorgenommenen  Aenderungen. 
Mit  französischer  Uebersetzung  von  Guadet,  Paris  1845,  und  publiee  par 
l'Acad.  Imp.  de  Reims  avec  traduction,  notes  etc.  par  A.  M.  Poinsignon, 
1856.  Uebersetzung  von  Freiherr  v.  d.  Osten-Sacken,  mit  Einleitung  von 
Wattenbach,  Berlin  1854;  neue  Ausg.  1891,  Geschichtschr.  37  (X,  10). 
Reimann  de  Richeri  vita  et  scriptis,  Olsnae  1845.  Giesebr.  I,  788.  Mauren- 
brecher S.  69 — 74.  Die  Handschrift  wird  schon  in  dem  Catalog  der  Michels- 
berger  Bibliothek  von  Ruotger  zwischen  1112  u.  1113  (Schannat  Vindem. 
I,  52)  erwähnt;  auch  ein  Vegez  kam  dahin  aus  Reims:  Veget.  ed.  Lang 
p.  XXXI.  Ekkehard  hatte  jedoch  eine  von  der  unserigen  verschiedene 
Handschrift. 

3)  Baluzii  Miscell.  I,  409.     Schannat,  Hist.  Fuld.  p.  132. 


Fleury.     Abbo.     Aimoin.  417 

königlichen  Amtes  und  des  den  Mönchen  gebührenden  Schutzes1). 
Endlich  wurde  er  1004  in  dem  Priorat  La  Reole  an  der  Garonne 
in  einem  Tumult  der  Aquitanen  erschlagen.  Sein  Leben  beschrieb 
Aimoin2),  ein  Mönch  seines  Klosters,  der  ihn  auf  seiner  letzten 
Reise  begleitet  hatte,  mit  einem  Briefe  an  Herveus,  Schatzmeister 
von  St.  Martin,  der  unter  Abbo  in  Fleury  gebildet,  die  1001  ver- 
brannte Martinskirche  wieder  herstellte.  Sie  wurde  1008  eingeweiht, 
1012  starb  Herveus3). 

Nach  Fleury  war  aus  Montecassino,  während  es  von  den  Lan- 
gobarden verwüstet  in  Trümmern  lag,  der  Leib  des  heiligen  Bene- 
dict entführt  worden,  eine  Thatsache,  welche  freilich  später  von  den 
Cassinesen  hartnäckig  geleugnet  wurde  (vgl.  oben  S.  306).  Die  Ge- 
schichte dieser  Uebertragung,  welche  einen  grofsen  Aufschwung  des 
Klosters  zur  Folge  hatte,  verfafste  schon  im  neunten  Jahrhundert 
Adrevald  oder  Adalbert4),  und  fügte  ein  Buch  über  die  Wunder  des 
heiligen  Benedict  hinzu,  welches  von  Adelerius  fortgesetzt  wurde. 
Diesen  schloss  sich  nun  auch  Aimoin  an,  indem  er  im  Jahre  1005 
ein  zweites  und  drittes  Buch  der  Wunder  schrieb.  Geschichtliche 
Nachrichten  über  die  Könige  von  Frankreich  kommen  gelegentlich 
darin  vor5)  und  wurden,  obwohl  sie  weder  genau  noch  ausführlich 
sind,  doch  bei  dem  Mangel  an  anderen  Quellen,  besonders  da  auch 
Richers  Werk  nur  wenig  bekannt  geworden  war,  von  Späteren  häufig 
benutzt6). 

a)  Conrat  (Cohn)  Gesch.  d.  Quellen  u.  Litt.  d.  röm.  Rechts  (1889)  I, 
259—261. 

2)  Vita  Abbonis  abb.  Floriacensis  auct.  Aimoino,  Mab.  VI,  1,  37—58. 
Abbo  liefs  des  Josephus  Bell.  Jud.  durch  den  Laien  Rotbert  abschreiben, 
Hagen,  Catal.  Bern.  p.  240.  Ausführl.  handelt  bes.  über  Abbo,  Cuissard- 
Gaucheron:  L'ecole  de  Fleury-sur-Loire  ä  la  fin  du  10.  siecle,  Mem.  de 
la  Soc.  Arch.  de  POrleanais  XIV  (1875)  551—717.  Sackur,  Die  Cluniac. 
I,  274  ff.  Vom  Jahre  626  an  bis  1060  war  auch  in  Fleury  eine  Ostertafel 
mit  Annalen  versehen,  gedruckt  als  Ckron.  Floriacense,  Duchesne  III,  355 
bis  357.  Pertz  giebt  mit  Weglassung  des  aus  der  Hist.  miscella,  den 
Ann.  S.  Amandi  und  S.  Columbae  entnommenen  den  Rest  II,  254  von  853 
an  als  Annales  Floriacenses.  Andere,  gröfstentheils  übereinstimmend,  bis 
1044,  vom  Rande  einer  Ostertafel  in  Bern  als  Ann.  Flor,  brtves  SS.  XIII, 
87.     Catal.  abb.  bis  818  SS.  XV,  1,  500. 

3)  S.  Hugonis  archidiaconi  Tornacensis  dialogus  ad  Fulbertum  (ep. 
Carnot.)  de  quodam  miraculo,  quod  contigit  in  translatione  S.  Martini, 
Mab.  Anall.  ed.  II.  p.  213  seqq. 

4)  Adrevaldus  qui  et  Adalbertus.  Die  von  Mabillon  geleugnete  Iden- 
tität erweist  E.  de  Gertain  in  der  Ausgabe  für  die  Societc  de  l'histoire  de 
France:  Les  Miracles  de  Saint  Benoit,  Paris  1855.  Ex  Adventu  corporis 
S.  Benedicts  in  agrum  Flor.  SS.  XV,  1,  480—482.  574". 

5)  Benutzt  ist  dazu  das  Fraijm.  ex  antiqua  Membrana  Flor,  monasterii, 
s.  J.  Havet,  Revue  hist.  XLV,  290—297. 

fl)  Ex  Miraculis  S.  Bened.  Floriac.  SS.  XV,  1,  474—500.     Ex  Aimoin i 

Wattenbach,  Geschichtsquellen  I.  6.  Aufl.  27 


418  HL    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 

Von  zweifelhaftem  Werthe  ist  der  Bericht  über  die  Illatio 
S.  Benedicti,  d.  h.  die  Uebertragung  in  die  Marienkirche,  und 
nach  der  Flucht  vor  den  Normannen  883,  die  Rückbringung  aus 
Orleans  an  demselben  4.  December,  voll  von  Wundergeschichten,  von 
dem  Hersfelder  Mönch  Diederich  nach  längerem  Aufenthalt  in 
Fleury  verfafst  für  den  Abt  Richard  von  Amorbach,  der  von  1018 
bis  1039  auch  Abt  von  Fulda  gewesen  ist1). 

Die  Aufzeichnung  der  Wunder  des  h.  Benedict  hatte  Aimoin 
nach  dem  4.  Cap.  seines  dritten  Buches  abgebrochen,  um  auf  den 
Wunsch  seiner  Klosterbrüder  eine  Geschichte  der  Aebte  von  Fleury 
zu  schreiben,  wovon  uns  nur  das  Leben  Abbo's  erhalten  ist.  Seine 
Arbeiten  nahm  etwas  später  Andreas  wieder  auf,  indem  er  1041 
das  Leben  des  Abtes  Gauzlin  beschrieb,  Hugo  Capet's  Bastard, 
welcher  auf  Abbo  folgte  und  1030  als  Erzbischof  von  Bourges  ge- 
storben ist2).  Doch  behielt  er  auch  als  Erzbischof  die  Abtei,  welche 
1026  abbrannte  und  unter  seiner  Leitung  neu  gebaut  wurde.  Seine 
Biographie  enthält  viele  für  Kunstgeschichte  und  Litteraturgeschichte 
wichtige  Nachrichten;  auch  von  dem  gefeierten  Scholasticus  Con- 
s tantin,  dem  Freund  Gerberts,  erfahren  wir  hier,  dafs  er  von  dem 
Bischof  Arnulf  von  Orleans  die  Abtei  Saint-Mesmin  de  Micy  erhal- 
ten hat3).  Die  Mirakel  aber  führte  Andreas,  häufig  sich  selbst  wie- 
derholend, fort  bis  1043;  von  anderer  Hand  sind  nach  1056  Zusätze 
dazu  gemacht4).  Endlich  hat  noch  Radulfus  Tortarius,  geb. 
1063,    ein    fruchtbarer    Dichter5),    die  Mirakel    bis  1114   fortgeführt 


Flor.  Mir.  SS.  IX,  374—376.     Vgl.  H.  Hahn:    Ein  übersehener  Brief  des 
Pabstes  Zacharias,  NA.  I,  580—583. 

.  >)  Bei  Mab.  Act.  IV,  2,  50—55.  Vgl.  C.  v.  Kalckstein,  Forsch.  XIV, 
120.  Im  Cod.  Vat.  Christ.  586  f.  71  heifst  der  Verf.  Diedericus  nach  Reiffer- 
scheid,  Wiener  SB.  LIX,  139.  Eine  Hs.,  wo  er  Thiadericus  genannt  wird, 
war  in  der  Klosterbibl.  von  Amelungsborn,  Dürre  im  Progr.  d.  Gymn.  zu 
Holzminden  1876  S.  23. 

2)  Ausg.  von  L.  Delisle  in  den  Memoires  de  la  Societe  archeologique 
de  l'Orleanais,  T.  II,  1853.  Der  Anfang  NA.  II,  605  in  der  irrigen  Mei- 
nung, dafs  es  ungedruckt  sei.  Weil  die  Ausg.  wenig  zugänglich  und  nach 
einer  fehlerhaften  Abschrift  gemacht  war,  ist  im  NA.  III,  S.  349—383, 
eine  Ausgabe  von  P.  Ewald  gedruckt.  Ueber  das  schöne,  ihm  aus  Ramsey 
geschickte  Sacramentar,  Delisle,  Sacram.  p.  216. 

3)  Ein  Gedicht  an  ihn,  ein  zweites  an  einen  unbekannten  Bovo,  ed. 
Dümmler  NA.  II,  222 — 228.  Beide  auch  bei  H.  Hagen,  Carmina  Medü 
Aevi  p.  130 — 136.     Verbesserungen  zum  ersten  Romania  1877  S.  286. 

4)  Dieser  Theil  ist  nur  in  der  Ausg.  von  Certain  gedruckt;  Berichti- 
gungen nach  der  Hs..  Cod.  Vat.  Christ.  592  NA.  III,  344—349,  von  P. 
Ewald. 

5)  Eine  Abhandlung  über  ihn  von  Certain,  Bibl.  de  l'Ecole  des  chavtes 
L  489-521. 


Miracula  S.  Benedicts     Aimoin.  419 

und  das  ganze  Werk  in  Verse  gebracht;  den  Schlufs  bilden  einige 
Aufzeichnungen  von  Hugo  de  Sancta  Maria. 

Doch  von  Aimoin  haben  wir  noch  ein  Werk  anzuführen. 

Noch  bei  Lebzeiten  Abbo's  verfafst  und  diesem  gewidmet  ist 
ein  früheres  Werk  von  ihm,  eine  Geschichte  der  Franken,  welche 
bis  zur  Thronbesteigung  Pippins  reichen  sollte,  die  aber  unvollendet 
blieb  und  nur  bis  in  die  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  geführt 
ist1).  Selbständigen  Werth  hat  sie  deshalb  durchaus  nicht;  sie  gleicht 
vielmehr  den  damals  so  häufigen  Ucberarbeitungen  alter  Legenden, 
und  ist  wie  diese  mehr  eine  sprachliche  und  formale  als  eine  ge- 
schichtliche Leistung.  Eine  später  im  Kloster  St.  Germain-des-Pres 
hinzugefügte  Fortsetzung  bis  1040  ist  aus  bekannten  Quellen  zusam- 
mengesetzt, mit  einigen  Zusätzen  über  die  Geschichte  des  Klosters; 
eine  weitere  Fortsetzung  reicht  bis  1165. 

Schon  frühzeitig,  seit  dem  Anfange  des  neunten  Jahrhunderts, 
wurden  Annalen  im  Kloster  der  heiligen  Columba  zu  Sens  ge- 
schrieben2), und  mit  Hülfe  derselben  in  einer  uns  nicht  erhaltenen 
ausführlicheren  Gestalt  bis  956  verfafste  ein  unbekannter  Geistlicher 
eine  etwas  ausführlichere,  aber  doch  immer  sehr  magere  Chronik  des 
westfränkischen  Reiches  von  der  Schlacht  bei  Tertry,  mit  besonderer 
Beziehung  auf  das  Erzbisthum  Sens,  bis  zum  Ende  des  Jahrhunderts 
nach  mündlicher  Ueberlieferung  und  persönlicher  Erinnerung  fort- 
schreitend; wichtig  ist  dagegen  wieder  der  von  einem  Zeitgenossen 
herrührende  Theil  von  1000  bis  1015 3).  Dieses  Werk  wurde  nicht 
nur    in    der    wenig    späteren    Chronik    des    Odorannus    von   Sens4), 


')  Aimoini  Historia  Francorum  ed.  Breulius,  1603  f.  und  in  Frehers 
Corpus  Franc.  Hist.  mit  den  Fortsetzungen.  Ohne  dieselben  Duchesne  III, 
1—120.  Bouq.  III,  21—139.  Ueber  die  Handschriften  Waitz,  Archiv  XI, 
314.     Vgl.  oben  S.  110. 

2)  Ann.  S.  Columbae  Senonensis  708—1218  ed.  Pertz,  MG.  SS.  I,  102 
bis  109.  Bis  840  in  den  Ann.  S.  Maximini  ausgeschrieben,  oben  S.  363. 
Nach  einem  vollständigeren  Exemplar  bis  922  sind  sie  von  Albricus  be- 
nutzt, s.  MG.  SS.  XXIII,  661.  Verwandte  Notizen  aus  einem  Martyrolo- 
gium  bei  Delisle,  Notice  sur  plus.  Manuscrits  de  la  bibl.  d'Orleans,  Not. 
et  Extr.  XXXI,  1,  68 — 70.     Sacram.  p.  164. 

3)  Nach  Lot,  Les  derniers  Carolingiens,  Paris  1891,  NA.  XVII,  631. 
Das  Buch  selbst  war  mir  nicht  zugänglich. 

4)  Odoranni  monachi  S.  Petri  Vivi  Senonensis  Chronicon  collectum  a.  1045. 
Duchesne  II,  636.  Mit  seinen  übrigen  Schriften  bei  Duru,  Bibl.  hist.  de 
TYonne  II,  187—446.  Daraus  auch  bei  Migne  CXLII.  Eine  Folge  der 
Erzbb.  mit  Notizen  aus  der  Stockh.  Hs.  im  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XXII,  39. 
Delisle,  Sacram.  p.  106  u.  371.  Obedienz-Erklärungen  für  die  Erzbischofc 
von  Sens,  NA.  III,  199—202,  und  von  Besancon  S.  196—198. 

27* 


420  HI.    Ottonen.     §  10.    Frankreich.     Reims. 

sondern  auch  von  Hugo  von  Fleury  und  Anderen  viel  benutzt,    von 
Ordericus  Vitalis  vollständig  in  sein  "Werk  aufgenommen1). 

Von  grösserem  "Werthe,  aber  der  deutschen  Geschichte  und 
unserer  Aufgabe  schon  sehr  fern  liegend,  ist  die  Chronik  der  Nor- 
mannen von  Rollo  bis  auf  den  Tod  Richards  I  (996),  von  Dudo, 
Decan  zu  St.  Quentin,  am  Anfange  des  elften  Jahrhunderts  verfafst. 
Er  schrieb  nach  mündlicher  Ueberlieferung,  hauptsächlich  nach  den 
Erzählungen  des  Grafen  Rudolf  von  Ivri,  des  Bruders  Herzog 
Richards  I,  und  giebt  uns  eine  wahre  Volksgeschichte  in  reichhal- 
tiger lebendiger,  wenn  auch  mit  viel  Schönrednerei  aufgeschmückter 
Erzählung2).  In  dieser  schwülstigen  Ueberladung  und  in  der  Ver- 
zierung mit  inhaltlosen  Versen  in  vielförmigen  Metren  nach  dem 
Vorbild  des  Boethius,  entspricht  Dudo  ganz  dem  Charakter  der 
Schulen  seiner  Zeit,  die  unter  Rollo's  frommen  Nachfolgern  auch  in 
der  Normandie  wieder  auflebten.  Schon  die  Ermordung  des  Her- 
zogs Wilhelm  Langschwert  (942  Dec.  17)  veranlafste  ein  gleichzei- 
tiges, ziemlich  rohes  Gedicht,  welches  Dudo's  Darstellung  bestätigt3). 
Bald  begegneten  sich  am  erzbischöflichen  und  herzoglichen  Hofe, 
wrie  einst  bei  Karl  dem  Grofsen,  Irländer'und  Franken  in  heftiger 
Feindschaft.  Moriuth  gewann  die  Gunst  des  sehr  weltlichen  und 
lebenslustigen  Erzbischofs  Hugo  (942 — 989)  und  der  Fürsten  durch 
seine  Lobverse;  Warnerius  dagegen,  ein  Mönch  von  Saint-Ouen, 
sehr  gelehrt  in  seiner  Weise,  widmete  sich  ganz  dem  Dienste  des 
Erzbischofs  Robert    (989 — 1037),    Herzog  Richards   Sohn,    und    be- 


x)  Historia  Francorum  Senonensis  a.  688 — 1015  (1034)  ed.  Waitz,  MG. 
SS.  IX,  364 — 369.  Simeon  Luce,  La  Continuation  d'Aimoin  et  le  Ms. 
lat.  12711  de  la  Bibl.  Nat.  (Not.  et  Doc.  pour  la  Soc.  d'hist.  de  France), 
Paris  1884,  p.  57 — 70,  über  das  Exemplar  mit  Interpolationen  aus  St.  Ger- 
main-des-pres,  woraus  die  ältesten  Ausgaben  genommen  sind,  vgl.  B.  Krusch, 
HZ.  LVI,  367.  Chronicon  S.  Petri  Vivi  auct.  Clario  monacho  —  1124,  cont. 
—  1179  —  1267  ex  cod.  bei  Duru  II,  449—597;  Excerpte  MG.  SS.  XXVI, 
30—36.  Chronique  de  l'Abbayie  de  Saint-Pierre-le  Vif  de  Sens,  redigee 
vers  la  fin  du  13.  siecle,  par  G.  de  Courlon.  Texte  et  trad.  par  G.  Juilliot. 
Sens  1876. 

2)  Dudonis  libri  III  de  moribus  et  actis  primorum  Normanniae  ducum, 
Duchesne  SS.  Normannici,  Paris,  f.  1619.  Excerpt  bei  Bouq.  X,  141,  MG. 
SS.  IV.  93  —  106.  Neue  Ausg.  in  4  Büchern  von  Jules  Lair,  Caen  1865,  4. 
Migne  CXLI.  —  Unbedeutend,  weil  ganz  aus  den  Bertin.  und  Vedast. 
Annalen  genommen,  ist  das  Chronicon  de  Gestis  Normannorum  in  Fraucia 
820-897.    MG.  SS.  I,  532—536. 

3)  Complainte  sur  l'assassinat  de  Guillaume  Longue-epee,  duc  de  Nor- 
mandie. Poeme  inedit  du  X.  siecle.  „Entdeckt  von  G.  Paris,  herausgegebeu 
von  Jules  Lair  in  der  Bibl.  de  l'Ecole  des  chartes  XXXI,  389 — 406. 
L.  Delisle,  Notice  sur  des  Mss.  du  Fonds  Libri  cons.  ä  la  Laurent,  ä  Flo- 
rence  (1886)  p.  40  über   ein   älteres  u.  besseres  Exemplar,    mit  Facsimile. 


Dudo  von  St.  Quentin.  421 

kämpfte  mit  beifsenden  Versen  den  Gegner,  dem  er  grobe  Unwissen- 
heit vorwarf1). 

Aus  ähnlicher  Schule  war  auch  Dudo  hervorgegangen.  Seine 
Erzählung,  ganz  ohne  schriftliche  Quellen,  ist  natürlich  in  den  An- 
fängen ganz  sagenhaft  und  auch  später  sehr  unzuverlässig,  dabei 
normannisch  ruhmredig  in  hohem  Grade;  den  Charakter  ihres  Ur- 
sprungs verleugnet  sie  nirgends.  Sehr  eingehend  ist  das  mit  schar- 
fer und  besonnener  Kritik  von  E.  Dümmler  nachgewiesen'2);  der 
gleichzeitige  Versuch  von  J.  Lair,  von  Dudo's  Nachrichten  für  die 
Geschichte  etwas  mehr  zu  retten,  steht  dagegen  sehr  zurück. 

Gewidmet  hat  Dudo  sein  Werk  dem  Bischof  Adalbero  von 
Laon  (977 — 1030),  der  wegen  seines  politischen  Verhaltens  übel 
berüchtigt,  in  seinen  alten  Tagen  (nach  Mabillon  um  1006)  ein  lan- 
ges Gedicht  in  der  Form  eines  Gesprächs  mit  König  Rotbert  ver- 
fafste,  worin  er  seinem  ganzen  Groll  gegen  Odilo  und  seine  Clunia- 
censer,  ihre  Begünstigung  durch  den  König  und  die  Erhebung  mön- 
chischer und  niedrig  geborener  Bischöfe  Luft  gemacht  hat.  Für  die 
Kenntnifs  der  Sitten  und  Zustände  ist  es  nicht  unergiebig3). 

§  11.     Cluny. 

Als  die  herrschende  Richtung  in  den  französischen  Schulen  im 
zehnten  Jahrhundert  trat  uns  jene  rhetorisch-philosophische  Bildung 
entgegen,  welche  auf  den  Lehren  der  alten  Grammatiker  beruhte 
und    nicht    auf    kirchlichem   Grunde    erwachsen    war.     In    scharfem 

!)  Warnerii  ad  Robertum  archiep  Rotom,.  satira  in  poetam  Scotum  nomine 
Moriuth,  cod.  Paris.  8121  A.  Jules  Lair,  Et.  hist.  p.  15;  er  verspricht  eine 
Ausgabe.  Ein  zweites  Gedicht  desselben  W.  an  Rob.  ist  NA.  II,  601 
erwähnt. 

2)  Forschungen  VI,  361 — 390,  IX,  651,  vgl.  die  frühere  Untersuchung 
von  Waitz:  Ueber  die  Quellen  zur  Geschichte  der  Begründung  der  nor- 
mannischen Herrschaft  in  Frankreich,  Gott.  Nachr.  1866,  N.  6.  G.  Körting: 
"Wilhelms  von  Poitiers  Gesta  Guilelmi  ducis  Norm,  et  regis  Anglorum, 
Progr.  der  Dresd.  Kreuzschule  1875.  Mit  Dudo  beschäftigt  sich  auch  Joh. 
Steenstrup:  Normannerne,  Kop.  1876:  vgl.  die  Rec.  von  E.  Beauvois,  Revue 
hist.  IV,  426 — 430.  In  dem  an  dieses  Buch  anknüpfenden  Aufsatz  von 
Karl  von  Amira:  Die  Anfänge  des  normannischen  Rechts,  HZ.  XXXIX, 
241 — 268,  wird  S.  245  f.  die  Glaubwürdigkeit  des  Dudo  gegen  Dümmler 
und  Waitz  in  Schutz  genommen  und  die  vermeintliche  altnordische 
Ueberlieferung  über  die  Herkunft  Rollo's  zurückgewiesen.  Vgl.  auch  HZ. 
XLIV,  188. 

3)  Bouq.  X,  64 — 67  mit  ausführlichem  Commentar  von  Adr.  Valesius. 
Ueber  einen  von  ihm  an  Bischof  Fulco  von  Amiens  gerichteten  dialectischen 
Tractat  s.  Prantl,  Gesch.  d.  Logik  II,  58.  HS.  aus  St.  Emm.  in  München, 
lat.  14272;  Frgm.  in  Orleans,  cod.  169,  beschr.  v.  Samuel  Brandt,  Wiener 
SB.  CX,  167-174. 


422  ni-    Ottonen.     §  11.    Cluny. 

Gegensatze  zu  diesem  Treiben  entfaltete  sich  gleichzeitig  in  Cluny 
eine  streng  mönchische  Askese,  welche  das  Studium  des  profanen 
Alterthums  für  sündlich  erklärte,  geistesverwandt  mit  der  auf  glei- 
cher Grundlage  ruhenden  Klosterreform  in  Lothringen,  mit  welcher 
auch  häufige  Berührungen  stattfanden.  Die  Geschichtschreibung 
konnte  nicht  gedeihen,  wo  man  alles  Irdische  verachtete  und  ver- 
warf, aber  indem  man  die  Tugenden  der  gefeierten  Häupter  dieser 
Richtung  anderen  zum  Vorbilde  aufstellte,  entstanden  doch  Lebens- 
beschreibungen, welche  um  so  wichtiger  sind,  je  gröfser  auch  für 
die  weltlichen  Angelegenheiten  damals  die  Bedeutung  jener  Männer 
war.  Aber  auch  die  Kenntnifs  dieser  ganzen  Richtung  und  nament- 
lich die  Entstehung  und  das  Wachsthum  der  Cluniacenser  Congre- 
gation,  welche  bald  eine  so  aufserordentliche  politische  Bedeutung 
gewann,  ist  von  unmittelbarer  Wichtigkeit  für  den  Geschichtsforscher; 
nur  ist  zu  bedauern,  dafs  der  legendenartige,  auf  Erbauung  abzielende 
Ton  der  Biographieen  uns  gerade  über  diejenigen  Umstände,  welche 
geschichtlich  bedeutend  sind,  am  wenigsten  Aufklärung  finden  läfst. 
Ueber  das  Leben  des  ersten  Abtes  Odo  (927 — 942)  besitzen  wir 
eine  Schrift  seines  Schülers  Johannes1).  Das  Leben  des  Abtes 
Majolus  (949 — 994)  beschrieb  bald  nach  seinem  Tode,  nicht  ohne 
gute  Nachrichten  von  ihm  nahestehenden  Zeitgenossen  zu  erhalten, 
in  blüthenreicher  salbungsvoller  Rede  der  Mönch  Syrus2),  dessen 
Schrift  aber  nach  der  Untersuchung  von  L.  Traube3)  unvollendet 
blieb  und  von  Aldebald  aus  Heirici  Vita  et  miracula  S.  Germani 
interpoliert  ist,  welche  Verunstaltung  er  in  einer  zweiten  Bearbei- 
tung noch  vermehrte.  Den  echten  Text  des  Syrus  haben  wir  also 
nicht,  wohl  aber  kannte  ihn  Odilo,  der  in  seinem  Elogium4)  die 
falschen  Zuthaten  des  Aldebald  unbeachtet  gelassen  zu  haben  scheint. 
Dadurch  wird  eine  Revision  der  Untersuchungen  von  W.  Schultze 
und  Sackur  nothwendig5). 

Sein  Nachfolger  Odilo  (994 — 1049)    fand    mehrere   Biographen 

!)  Mab.  V,  150—186.  Excc.  ed.  L.  v.  Heinemann  SS.  XV,  2,  586—588. 
Ueber  die  jüngeren  Bearbeitungen  Sackur,  NA.  XV,  105 — 116.  Ueber 
seine  Wirksamkeit  Sackur,  Die  Cluniacenser  (Halle  1892)  S.  43  ff.  Ueber 
den  Odo  zugeschriebenen  Tractatus  de  reversione  b.  Martini  de  Burgundia 
vgl.  C.  v.  Kalckstein,  Robert  der  Tapfere  (Berl.  1871)  S.  312. 

2)  Mab.  V,  786.     Auszüge  MG.  SS.  IV,  649-655. 

3)  NA.  XVII,  402-407. 

4)  Acta  SS.  Maj.  II,  683. 

5)  W.  Schultze  für  Odilo,  Forsch.  XXIV,  153-172.  Sackur  f.  Syrus 
NA.  XII,  503—516.  Entgegnung  von  Schultze  NA.  XIV,  545-564.  — 
Epistola  de  morte  Maioli  NA.  XVI,  180.  —  Vgl.  Sackur,  Die  Cluniac. 
I,  209  ff. 


Die  Aebto  von  Cluny.  423 

in  ähnlichem  Stile1);  er  selbst  verfafste  aufser  dem  Leben  des  Ma- 
jolus  auch  ein  sogenanntes  Epitaphium  der  Kaiserin  Adalheid2). 
Er  hat  derselben  sehr  nahe  gestanden,  besonders  in  der  letzten  Zeit 
ihres  Lebens,  in  welcher  sie  sich  fast  ganz  frommen  Uebungen  und 
Klosterstiftungen  hingab.  Hierüber  enthält  seine  Schrift  viele  Lob- 
preisungen, über  ihr  Leben  in  der  Welt  ist  sie  sehr  kurz  und  be- 
gnügt sich  mit  den  allgemeinsten  Umrissen;  nur  bei  den  Leiden  und 
Gefahren  ihrer  Gefangenschaft  und  Flucht  verweilt  Odilo  etwas 
länger.  Der  geschichtliche  Gewinn  aus  dieser  Arbeit  ist  daher  nicht 
bedeutend,  und  nur  einige  wenige  brauchbare  Nachrichten  lassen 
sich  daraus  entnehmen. 


§.   12.     Italien.     Liudprand. 

Liudprandi  Opera  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III,  264—363  und  besonderer  Abdruck  in  Octav. 
Neue  Ausg.  v.  Dümmler  1877.  Koepke,  De  vita  et  scriptis  Liudprandi,  Berol.  1842. 
Uebersetzt  (die  Antapodosis  im  Auszug)  von  Freih.  v.  d.  Osten  -  Sacken,  mit  Ein- 
leitung von  Wattenbach,  Berlin  1853;  2.  A.  1889,  Geschichtschr.  29  (X,  2).  Waitz 
in  Schmidts  Zeitschrift  II,  99.  W.  Giesebrecht,  Geschichte  der  Kaiserzeit  l,  779. 
781.  Maurenbrecher  S.  46  —  55.  Peiper,  Forsch.  XII,  443  über  einige  Entlehnungen 
aus  Boethius,  nebst  Emendationen.  Liudprand  von  Cremona  und  seine  Quellen,  von 
C.  Dändliker  u.  J.  J.  Müller,  in  M.  Büdingers  Untersuchungen  zur  Mittl.  Gesch.  I 
(L.  1871),  über  welche  ich  das  ablehnende  Urtheil  E.  Dümmlers,  HZ.  XXVI,  273  bis 
281  theile.  Gegenbemerkungen  von  Büd.  XXVIII,  233—238.  Fr.  Koehler,  Beiträge 
zur  Textkritik  L.  im  NA.  VIII,  47-89.  L.Ranke,  Weltgesch.  VIII,  634-655.  Nicht 
gesehen  habe  ich  Hantsch,  Progr.  d.  Gymn.  zu  Leoben  1888,  Colini  Baldeschi,  Liud- 
prando,  Giarre  1889. 

Auch  Italien  beginnt  in  dieser  Periode  sich  wieder  zu  schrift- 
stellerischer Productivität  zu  erheben,  und  nach  langer  Unterbrechung 
erscheint  hier  wieder  ein  Geschichtschreiber,  welcher  den  bedeutend- 
sten seiner  Zeitgenossen  zur  Seite  tritt.  Es  ist  Liudprand,  der  so 
den  italienischen  Namen  wieder  zu  Ehren  brachte.  Wie  Paulus 
Warnefrids  Sohn,  stammte  auch  er  aus  vornehmem  laugobardischen 
Geschlechte;  auf  die  Römer  sieht  er  als  ganz  entartet  mit  tiefer 
Verachtung  herab.  Aber  ein  Italiener  ist  er  ganz  und  gar,  und  voll- 
ständig   zeigt    sich    in    ihm    jener  Charakter  der  dort  herrschenden 

*)  Jotsaldi  de  vita  et  virtutibus  Odilonis  abb.  libri  111,  Mab.  VI,  1,  679 
bis  710.  Ein  Brief  der  Mönche  von  Souvigny  (Silviniacensium)  über 
Odilo's  letzte  Handlungen  u.  die  Wunder  ib.  p.  673.  Exe.  aus  Jotsald 
SS.  XV,  812.  Vgl.  Sackur,  NA.^  XV,  117-126.  Cluniac.  I,  300  ff.  — 
Widmungsverse  von  Odilo  an  einen  Kaiser  Otto  bei  Jäck,  ßeschr.  d. 
Barab.  Hss.  S.  119. 

2)  Odilonis  Epitaphium  Adelhaidis  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  633—645. 
Uebersetzung  von  Hüffer,  1856;  2.  A.  1891,  Geschichtschr.  35  (X,  8). 
Giesebr.  I,  789.  Das  zweite  Buch  bilden  in  dem  von  ihr  gestifteten  Kloster 
Seltz  zwischen  Strafsburg  und  Speier  aufgezeichnete  Miracula  S.  Adalheidis. 
Vorangeschickt  ist  S.  636  ein  metrisches  Epitaphium  Ottunis  Magni. 


424  HI-    Ottonen.     §  12.    Italien.     Liudprand. 

grammatischen  Ausbildung,  deren  wir  im  vorigen  Abschnitt  gedach- 
ten. Auch  erhielt  er  wie  Paulus  seinen  Unterricht  nicht  in  einer 
Klosterschule,  sondern  am  Hofe  zu  Pavia,  wo  er  früh  die  Aufmerk- 
samkeit des  Königs  Hugo  auf  sich  zog  und  durch  seine  schöne 
Stimme  die  Gunst  4esselben  gewann. 

Obwohl  es  in  seinen  Schriften  nicht  an  Bibelstellen  fehlt  und 
er  den  Griechen  mit  orthodoxem  Eifer  entgegen  tritt,  so  hat  doch 
seine  Gelehrsamkeit,  die  er  nur  gar  zu  gern  zur  Schau  trägt,  einen 
überwiegend  weltlichen  Charakter,  und  Horaz,  Vergil,  Terenz,  Ovid, 
Juvenal,  Cicero  sind  die  Schriftsteller,  deren  Aussprüche  ihm  immer 
gegenwärtig  sind,  die  er  mit  Yorliebe  anführt1).  Nach  dem  Muster 
des  Boethius  schmückt  er  seine  Schriften  gern  mit  Versen  in  viel- 
förmigen  Metren,  und  er  zeigt  darin  eine  solche  Gewandtheit,  dafs 
man  an  jene  früher  erwähnte  Aeufserung  des  Panegyristen  Berengars 
erinnert  wird,  dafs  auf  Verse  jetzt  niemand  Werth  lege,  weil  jeder- 
mann dergleichen  zu  machen  verstehe. 

Schon  Liudprands  Vater  und  Stiefvater  waren  als  Gesandte  in 
Constantinopel  gewesen  und  hatten  dort  mancherlei  Verbindungen 
angeknüpft,  welche  dann  Liudprand,  als  eine  Sendung  des  Königs 
Berengar,  dessen  Kanzler  (V,  30)  er  geworden  war,  ihn  949  nach 
Byzanz  führte2),  erneute  und  benutzte,  um  sich  nicht  nur  mit  der 
griechischen  Sprache,  sondern  auch  mit  der  Geschichte  und  den 
Einrichtungen  des  Reiches  bekannt  zu  machen.  Später  hat  er  sich 
mit  Berengar  und  mehr  noch  mit  der  Königin  Willa  erzürnt;  er 
suchte  und  fand  eine  Zuflucht  am  Hofe  des  Königs  Otto,  und  hier 
traf  er  im  Februar  956  zusammen  mit  dem  spanischen  Bischof  Rece- 
mund  von  Elvira3),  der  ihn  aufforderte,  ein  Werk  über  die  Ge- 
schichte seiner  Zeit  zu  verfassen.  Zwei  Jahre  später  958  machte 
sich  Liudprand  wirklich  an  die  Arbeit  in  Frankfurt,  und  ungeachtet 
eines  vielbewegten  Lebens  und  mancher  Unterbrechungen  arbeitete 
er  daran  fort  bis  zum  Jahre  962,  auch  noch,  als  Otto  schon  zum 
Kaiser  gekrönt  war  und  ihn  zum  Bischof  von  Cremona  erhoben  hatte. 
Bald  darauf  aber,  so  scheint  es,  legte  er  dieses  "Werk  bei  Seite, 
welches  ohnehin  durch  den  grofsen  Umschwung  der  Dinge  in  Italien 
seinen  Zweck  grofsentheils  verloren  hatte.     Denn   dieser   hatte   vor- 

!)  Diese  Nachweise  sind  von  Koehler  in  der  oben  angeführten  Ab- 
handlung bedeutend  vermehrt. 

2)  Aus  seinen  damaligen  Mittheilungen  sind  nach  Dümmlers  Vermu- 
thung  die  Nachrichten  des  Constantinus  Porphyrogenitus  de  admin.  imp. 
c.  26  über  König  Hugo  geschöpft.  Wiener  SB.  XX,  358;  vgl.  Dändliker 
S.  53. 

3)  S.  darüber  Dümmler,  Jahrbb.  unter  Otto  I.  S.  278. 


Liudprands  Antapodosis.  425 

züglich  darin  bestanden,  allen  denen,  welche  ihm  gutes  oder  böses 
erwiesen  hatten,  nach  Verdienst  zu  vergelten,  besonders  aber  seinem 
Hasse  gegen  Berengar  und  Willa  Luft  zu  machen ;  darum  nannte  er 
es  das  Buch  der  Vergeltung,  Antapodosis.  Er  hat  darin  auch 
weidlich  auf  seine  Feinde  gescholten;  was  aber  eigentlich  Berengar 
und  Willa  ihm  angethan  hatten,  erfahren  wir  nicht,  da  er  in  den 
sechs  Büchern  seines  Werkes  nicht  weiter  gelangt  ist,  als  bis  zu 
jener  Gesandtschaftsreise  an  den  griechischen  Hof  im  Jahre  949. 

Als  seine  Absicht  bezeichnet  Liudprand,  alles  zu  berichten,  was 
sich  seit  Kaiser  Karls  des  Dritten1)  Zeit  begeben,  die  Thaten  der 
Kaiser  und  Könige  von  ganz  Europa,  wie  er  selbst  sagt.  Er  erzählt 
von  allem,  was  ihm  bekannt  geworden,  von  Deutschland,  mit  beson- 
derer Vorliebe  vom  griechischen  Reiche,  am  meisten  und  eingehend- 
sten aber  doch  natürlicher  Weise  von  Italien.  Eigentliche  Ordnung 
ist  nicht  darin  zu  finden,  und  auch  die  chronologische  Folge  sehr 
ungenau.  Ueberhaupt  darf  man  sich  nirgends  auf  ihn  verlassen; 
wie  Widukind  schreibt  er  nur  nach  mündlicher  Kunde  und  verfällt 
besonders  über  ferner  liegende  Vorfälle  in  grofse  Irrthümer.  Aber 
Widukind  ist  frei  von  der  Leidenschaft,  welche  den  rachsüchtigen 
Italiener  nur  zu  oft  hinreifst.  In  seinem  Ingrimm  hält  er  sich  bei 
den  einzelnen,  oft  unbedeutenden  Vorfällen  übermäfsig  auf;  er  ge- 
fällt sich  in  der  Mittheilung  von  Anekdoten,  besonders  wenn  sie 
boshaft  und  anstöfsig  sind,  in  der  rhetorischen  Ausmalung  der  Be- 
gebenheiten, in  gezierten,  den  Umständen  wenig  angemessenen  Reden. 
Im  einzelnen  ist  sein  Urtheil  oft  richtig  und  treffend,  seine  Ansicht 
von  den  geschichtlichen  Verhältnissen  wohl  begründet,  wie  er  denn 
auch  in  Otto  dem  Grofsen  sogleich  den  Mann  erkannte,  von  dem 
allein  Italien  Abhülfe  seiner  Leiden  und  Gebrechen,  die  Herstellung 
der  Zucht  und  Ordnung  erwarten  konnte,  und  diesem  ohne  Wanken 
treu  blieb.  Seine  Erwiederungen  auf  die  leeren  Anmafsungen  der 
Griechen  sind  ungemein  treffend.  Aber  von  einer  höheren  Begabung 
zum  Geschichtschreiber  giebt  doch  sein  Werk,  als  Ganzes  betrachtet, 
kein  günstiges  Zeugnifs.  Dafür  gewährt  uns  andererseits  gerade 
seine  behagliche,  memoirenartige  Art  zu  erzählen  einen  Einblick  in 
die  Sitten,  Zustände  und  Denkweise  der  Zeit,  der  vom  höchsten 
Werthe  ist. 

Als  Otto  der  Grofse  sich  dauernd  und  ernstlich  mit  den  ita- 
lienischen Verhältnissen  zu  befassen  begann,    fand  er  die  Hülfe  des 


])  Der  Beiname  des  Dicken  kommt    erst   im   12.  Jahrh.  vor,    und    ist 
deshalb  nach  Dümmler  Ostfr.  It,  292  nicht  mehr  erlaubt. 


426  HI-    Ottonen.     §  12.    Italien.     Liudprand. 

gelehrten  und  in  den  politischen  Verhältnissen  des  Landes  erfahrenen 
Mannes  sehr  schätzbar;  er  verlieh  ihm  schon  961  das  Bisthum  Cre- 
mona1)  und  übertrug  ihm  963  eine  Gesandtschaft  an  den  Pabst 
Johann  XII;  bald  darauf  war  er  zugegen  in  der  Kirchenversammlung, 
durch  welche  dieser  Pabst  entsetzt  wurde,  und  über  diese  Vorgänge 
(960  bis  964)  hat  er  eine  eigene  Schrift  verfafst2).  Hier  versuchte 
er  eine  würdigere  Sprache  anzunehmen,  er  bringt  weder  griechische 
Floskeln  noch  Verse  an  und  mäfsigt  seine  Leidenschaftlichkeit;  doch 
blickt  sein  eigenthümlicher  Stil  überall  durch,  und  der  Anspielungen 
auf  römische  Dichter  hat  er  sich  auch  hier  nicht  enthalten.  Da  er 
in  höherem  Auftrage  oder  doch  für  das  Auge  des  Kaisers  schrieb, 
so  ist  seine  Darstellung  keineswegs  unbefangen;  er  verschweigt 
manches,  und  man  darf  nicht  vergessen,  dafs  diese  scheinbar  so  rein 
objeetive  und  actenmäfsige  Erzählung  doch  nur  eine  Parteischrift  ist, 
dafs  er  es  namentlich  vorzieht,  manche  Vorfälle  und  Umstände  nicht 
zu  erwähnen.  Aber  im  wesentlichen  hat  sich  dennoch,  was  er  mit- 
theilt, als  richtig  bewährt. 

Im  Sommer  968  ging  Liudprand  abermals  nach  Constantinopel 
als  Brautwerber  für  Otto  II,  und  über  diese  Sendung  stattete  er 
dem  Kaiser  einen  Bericht  ab,  der  ebenfalls  erhalten  ist,  aber  wie 
jene  beiden  anderen  Werke,  am  Schlüsse  unvollständig;  der  Gesaudt- 
schaftsbericht  ist  nur  aus  der  Ausgabe  des  Canisius  bekannt  und 
daher  auch  der  Text  unzuverlässig.  In  diesem  Bericht  nun  hat 
sich  Liudprand  wieder  ganz  der  üblen  Laune  überlassen,  welche 
durch  die  schlechte  Behandlung,  die  ihm  in  Constantinopel  wider- 
fuhr, in  ihm  erregt  war,  und  er  strömt  über  von  Spott  und  Hohn. 
Der  Uebermuth  der  Griechen  hatte  ihn  aufs  tiefste  gekränkt,  und  er 
bietet  alle  seine  Beredsamkeit  auf,  um  die  Kaiser  zur  Züchtigung 
derselben  zu  bewegen  und  diese  Aufgabe  als  leicht  und  mühelos 
darzustellen.  Uebertrieben  ist  daher  seine  Schilderung;  das  Bild 
namentlich,  welches  er  vom  Kaiser  Nikephorus  entwirft,  ist  nur  in 
Bezug  auf  seinen  Geiz  zutreffend,  seine  kriegerischen  Eigenschaften 
und  die  Wehrkraft  des  Reiches  unterschätzt  er  durchaus.  Aber  im 
übrigen  ist  seine  Schilderung  wahr,  und  gewährt  uns  ein  so  eigen- 
thümliches  und  lebendiges  Bild  des  griechischen  Reiches,  dafs  Giese- 
brecht  sie  mit  Recht  fast  vollständig  in  seine  Geschichte  der  Kaiser- 

a)  Hierhin  übertrug  Liudprand  den  auf  recht  niederträchtige  Weise 
gestohlenen  S.  Hymerius  aus  Ameria.  Die  später  geschriebene  kurze  Er- 
zählung MG.  SS.  III,  266  aus  Ughelli. 

2)  Wieder  abgedruckt  bei  Watterich,  I,  49—63.  Vgl.  auch  Giesebr. 
I,  830.     Auf  Leo  VIII  bezogene  Spottverse  NA.  VIII,  383. 


Liudprands  Schriften.  427 

zeit  (I,  523 — 546)  aufgenommen  hat,  als  Seiteustück  zu  der  Gesandt- 
schaft des  Abtes  Johannes  von  Gorze  an  den  Kalifen  von  Cordova1). 

Liudprands  Bericht  endet  mit  seiner  Abreise  von  Korfu  am 
siebenten  Januar  969;  im  Sommer  desselben  Jahres  überbrachte  er 
als  Bote  (nuncius)  des  Kaisers  Briefe  von  diesem  und  vom  Pabste, 
die  sich  auf  eine  römische  Synode  vom  26.  Mai  969  beziehen,  an 
eine  Synode  zu  Mailand,  deren  Beschlüsse  Otto  am  9.  Nov.  969  be- 
stätigte2). Ueber  seine  weiteren  Schicksale  ist  nichts  bekannt,  nur 
eine  Nachricht  von  sehr  zweifelhaftem  Werthe  läfst  ihn  an  der 
glänzenden  Gesandtschaft  Theil  nehmen,  welche  endlich  971  die 
kaiserliche  Braut  wirklich  in  Empfang  nahm,  und  auf  dieser  Reise 
sterben. 

Im  Jahre  984  musterte  der  Bischof  Odelrich  von  Cremona  die 
Urkunden  und  Bücher  im  Schatzhaus  seiner  Kirche:  viel  war  malo- 
rum  manibus  entfremdet,  und  geschichtliche  Werke  finden  sich  nicht 
im  Verzeichnifs,  auch  nichts  von  Liudprand,  aber  „turibulum  quod 
Luizonis  fuit,  de  manu  raptorum  liberavimus3)."  Bekanntschaft  mit 
seinen  Schriften  ist  in  Italien  nur  bei  Gregor  von  Farfa  nach- 
gewiesen. 

In  Deutschland  sind  Liudprands  Schriften  frühzeitig  bekannt 
geworden  und  von  den  gelehrteren,  vielbelesenen  Schriftstellern  be- 
nutzt, während  sie  der  gröfseren  Menge  unbekannt  blieben.  Schon 
Hrotsuit  scheint  die  Antapodosis  gekannt  zu  haben ;  dann  haben  der 
Biograph  Gerhards  von  Brogne,  Ekkehard  und  Sigebert,  Ragewin4), 
Magnus  von  Reichersberg,  Alberich  und  Heinrich  von  Herford,  Diet- 
rich von  Niem5)  und  endlich  Trithemius  aus  dieser  und  der  Historia 
Ottonis  geschöpft. 

Für  die  kritische  Bearbeitung  des  Textes,  mit  Ausnahme  der 
Legatio,  von  welcher  keine  Handschrift  sich  erhalten  hat,  glaubte 
Pertz  eine  vollkommen  sichere  Grundlage  gefunden  zu  haben  in  der 
Freisinger  Handschrift,  welche  für  die  griechischen  Stellen  vom 
Schreiber  gelassene  Lücken  zeigt,   die  von  einer  anderen  Hand  aus- 

1)  Aufsatz  von  Zanelli  im  Arch.  stör.  Ital.  XIII  (1884),  2.  Heft,  die 
Richtigkeit  der  Thatsachen  anerkennend.  Erklärung  des  Wortes  „mandro- 
gerontes"  c.  55  als  Gaukler,  aus  der  Com.  Querolus  entnommen,  nachge- 
wiesen von  L.  Havet,  Revue  crit.  1878,  I,  197  (NA.  IV,  210). 

2)  Mitgetheilt  von  C.  Cipolla,  Mem.  Acad.  Taurin.  2  Ser.  42.  Bd.  s. 
NA.  XVII,  450. 

3)  Hist.  patr.  Mon.  XIII.  C.  D.  Langobardiae  p.  1442—1445.  Arch. 
stör.  Lomb.  1880,  fasc.  26,  p.  252—254. 

4)  Die  von  Prutz  über  Radewin,  S.  48,  vermifsten  Stellen  sind  Anta- 
pod.  I,  37  u.  III,  14. 

5)  Nach  Lindner,  Forsch.  XXI,  90.  9J, 


428  III.    Ottoncn.     §  12.    Italien.     Liudprand. 

gefüllt  sind.  Diese  Hand  konnte  nach  der  Ansicht  von  Pertz  nur 
die  Hand  des  Autors  sein,  und  von  derselben  ist  die  Historia  Otto- 
nis  vollständig  geschrieben.  Diese  Meinung  war  allgemein  angenom- 
men und  galt  für  unzweifelhaft,  bis  R.  Koehler  im  NA.  VIII,  S.  47 
bis  89,  vollkommen  schlagend  und  überzeugend  nachwies,  dafs  sie 
durchaus  unhaltbar  sei.  Es  kommen  Fehler  und  Versehen  vor, 
welche  ganz  unmöglich  von  dem  Verfasser  selbst  herrühren  können. 
Da  nun  Koehler  in  Metz  Excerpte  griechischer  Stellen  aus  Liudprand 
gefunden  hatte,  welche  auf  ein  correcteres  Exemplar  zurückgehen, 
und  eine  Beschäftigung  mit  dieser  Schrift  im  zehnten  Jahrhundert 
beweisen,  so  hat  er  daran  die  schon  oben  S.  373  angeführte  Ver- 
muthung  geknüpft,  dafs  Bischof  Dietrich  den  Nachlafs  Liudprands 
gerettet  und  die  Abschrift  besorgt  haben  möge.  Nach  seiner  Mei- 
nung wäre  auch  die  Umschrift  der  griechischen  Worte  nach  der 
Aussprache  mit  lateinischen  Buchstaben  erst  hier  hinzugefügt,  allein 
dieselbe  findet  sich  auch  in  der  aus  anderer  Quelle  stammenden 
Berliner  Handschrift.  Die  Manuscripte  werden  schon  etwas  beschä- 
digt gewesen  sein,  und  dadurch  erklärt  es  sich,  dafs  sowohl  der 
Legatio  wie  der  Historia  Ottonis  der  Schlufs  fehlt,  in  beiden  Fällen 
aber  nur  ein  kleines  Stück. 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs  nun  eine  neue  Ausgabe  ein  drin- 
gendes Bedürfnifs  ist;  die  ganze  Grundlage  der  Kritik  ist  verändert, 
und  wenn  schon  früher  einzelne  Verbesserungen  nicht  zu  umgehen 
waren,  so  werden  nun  überhaupt  die  oft  viel  besseren  Lesarten 
anderer  Handschriften  nicht  mehr  als  willkürliche  Correcturen  eines 
Ueberarbeiters  betrachtet  werden  können.  Eine  Anzahl  einleuchten- 
der Emendationen  hat  schon  R.  Koehler  vorgeschlagen,  viel  mehr 
aber  bleiben  noch  übrig.  Doch  wird  es  immer  schwer  sein,  die 
ursprüngliche  Form    und  alte  Emendationen  zu  unterscheiden1). 

Für  die  Zeit  des  Königs  Hugo  nicht  ohne  Bedeutung  ist  das 
Buch  von  den  Wundern  des  h.  Columban2).  Der  König  Hugo 
verlieh  nämlich  um  das  Jahr  930  die  Abtei  Bobio  seinem  Kanzler 
Gerlannus,  aber  alle  Stiftsgüter  waren  von  räuberischen  Machthabern 
in  Besitz  genommen.  Unfähig,  ihrer  Herr  zu  werden,  rief  Gerlan 
den  Heiligen  selbst  zu  Hülfe  und  brachte  ihn  in  feierlichem  Aufzuge 
nach  Pavia:    er    liefs    sein  Kloster  nicht  im  Stich  und  that  die  ge- 

1)  Die  aus  der  Ashburnhamschen  Bibl.  nach  Florenz  gekommene  Hs. 
ist  eine  Abschrift  der  Freising-Münchener  nach  Holder-Egger,  NA.  XI,  260. 
264.  Von  der  mit  der  Classe  5  verwandten  Berliner  Hs.  1  Seite  in  Arndts 
Schrifttafeln  23;  2.  A.  24. 

2)  Mab.  II,  40—55.  Rosetti,  Bobbio  illustrato  III,  149—181.  Verse 
aus  B.  ohne  geschichtl.  Inhalt  NA.  V,  623. 


Miracula  S.  Columbani.     Rom.  429 

wünschten  Wunder.  Da  entfiel  den  Räubern  der  Muth  und  sie 
steckten  die  Stäbchen  (fustes),  welche  symbolisch  den  Verzicht  be- 
deuteter], in  die  Pilgertasche  (pera)  des  Heiligen,  der  nun  im  Triumph 
wieder  nach  seiner  Ruhestätte  gebracht  wurde.  Von  Dauer  ist  frei- 
lich auch  die  "Wirkung  dieses  Auftrittes  nicht  gewesen. 

§  13.     Italien.     Chroniken. 

Bei  manchen  Schwächen  bewies  doch  Liudprand  einen  tüchtigen 
und  auf  das  wahre  Beste  des  Landes  gerichteten  Sinn,  indem  er 
sich  mit  aller  Entschiedenheit  dem  Manne  anschlofs,  von  welchem 
allein  die  Herstellung  eines  geordneten  Zustandes  in  Italien  sowohl 
wie  in  der  römischen  Kirche  zu  hoffen  war.  In  höchst  merkwür- 
diger Weise  spricht  sich  das  Verlangen  nach  der  alten  kaiserlichen 
Gewalt,  wie  Karl  der  Grofse  und  seine  nächsten  Nachfolger  sie  geübt 
hatten,  auch  in  einer  kleinen  Schrift  aus,  welche  in  Sant  Andrea 
um  die  Mitte  des  zehnten  Jahrhunderts  verfafst  zu  sein  scheint,  ehe 
noch  Otto  eine  neue  Ordnung  der  Dinge  begründet  hatte1).  Er- 
zählt wird  darin  von  der  alten  guten  Zeit,  wo  noch  der  Kaiser  oder 
sein  Stellvertreter  in  Rom  die  übermüthigen  Grofsen  im  Zaum  hielt 
und  jedem  zu  seinem  Rechte  verhalf,  wo  man  sogar  gegen  Verwandte 
des  Pabstes  Recht  bekommen  konnte.  Ueber  die  älteren  Zeiten  ist 
der  Verfasser  schlecht  unterrichtet,  aber  die  Verhältnisse  unter  den 
Karolingern  schildert  er,  als  ob  er  sie  genau  kennte,  mit  eindring- 
licher Einfachheit  bis  zu  dem  unglücklichen  Moment,  wo,  wie  er  es 
darstellt,  durch  Karls  des  Kahlen  Usurpation  die  kaiserliche  Auto- 
rität in  Rom  dahin  gegeben  wurde.  Allein  diese  Preisgebung  hat, 
wie  F.  Hirsch  nachgewiesen  hat,  gar  nicht  stattgefunden,  und  der 
Verfasser  malt  sich  die  alte  Zeit  nur  nach  seinen  Wünschen  aus. 

Ueber  die  Ottonischen  Einrichtungen  in  Rom  belehrt  uns  eine 
Schrift,  welche  unter  Otto  III  entstanden  ist  und  mit  einer  Be- 
schreibung von  Rom  Nachrichten  über  die  damalige  Verfassung  ver- 
bindet2).    Auf    ein    schon    von  Bethmann  im  Arch.  IX,  623  mitge- 

*)  De  imperatoria  potestate  in  vrbe  Roma,  MG.  SS.  III,  719 — 722.  Vgl. 
Wilmans  in  Ranke's  Jahrbüchern  II,  2,  235.  Giesebr.  I,  344.  782.  Be- 
nutzung bei  Bened.  de  S.  Andrea  u.  in  dem  mit  Unrecht  bezweifelten  Priv. 
Otto's  III  für  Silvester  II  ist  erwiesen  in  dem  Aufsatz  von  J.  Jung,  Forsch. 
XIV,  409 — 456,  dessen  Ansichten  aber  in  manchen  Stücken  angegriffen  und 
widerlegt  sind  von  F.  Hirsch,  Forsch.  XX,  127 — 164.  Derselbe  rechtfer- 
tigt HZ.  LVII,  S.  258-261,  seine  Kritik  gegen  A.  Gasquet:  Jean  VIII  et 
la  fin  de  l'empire  Carolingien,  1886.  —  Benutzung  bei  Ekkehard  nachge- 
wiesen von  B.  Simson,  Forsch.  XXV,  374. 

2)  Graphia  aureae  urbis  Romae  hei  Ozanam,   Documents  inedits  p.  155 


430  III.    Ottoncn.     §  13.    Italien.     Chroniken. 

theiltes,  aber  ganz  übersehenes  Fragment  aus  Ivrea  hat  L.  Weiland 
aufmerksam  gemacht1);  es  bezieht  sich  auf  die  Usurpation  des  Franco 
(Bonif.  VII)  und  dessen  Bekämpfung  durch  den  974  von  Otto  II 
abgesandten  Grafen  Sicco,  sowie  die  Yerdrängung  Benedicts  VII 
durch  ihn  im  J.  980. 

Die  eifrig  kaiserliche  Gesinnung  der  lombardischen  Bischöfe, 
welche  durch  die  kirchenfeindlichen  Angriffe  Arduins  von  Ivrea  zu 
gröfster  Lebhaftigkeit  angefacht  wurde,  spricht  sich  in  zwei  rhyth- 
mischen Gedichten  aus,  welche  aus  der  Umgebung  des  Bischofs 
Leo  von  Vercelli  (999 — 1026)  stammen,  eines  auf  Otto  III  und 
den  durch  ihn  erhobenen  Pabst  Gregor  V,  das  andere  eine  Klage 
um  Otto's  III  frühen  Tod2),  nebst  der  Verherrlichung  seines  Nach- 
folgers Heinrichs  II,  von  dem  die  Niederwerfung  Arduins  erhofft 
wird3). 

Während  es  also  in  Italien  durchaus  nicht  an  Männern  fehlte, 
welche  leidlich  zu  schreiben  verstanden,  verfafste  um  das  Jahr  968 
ein  Mönch  des  Klosters  St.  Andrea  am  Berg  Soracte4),  Benedict, 
eine  Chronik,  welche  an  Rohheit  der  Gedanken  wie  der  Sprache 
unübertroffen  ist5).  Wäre  die  Ausführung  nicht  gar  zu  ungeschickt, 
so  könnte    man    in  dem  Versuche,    eine  Weltgeschichte  seit  Christi 

bis  183;  gehört  auch  die  Beschreibung  in  der  vorliegenden  Form  dem 
12.  Jahrhundert,  so  pafst  doch  der  zweite  Theil  nur  in  die  Zeit  Otto's  III 
nach  Giesebr.  I,  866.  Ueber  die  Fortsetzung  der  Pabstgeschichte  ib.  p.  782. 
Watterich  I,  p.  XIV — XXIII.  Wunderliches  Gedicht  aus  Rom  zu  Marie 
Himmelfahrt  viell.  999  Sancta  Maria  quid  est  bei  Gies.  I,  890. 

1)  Nachrichten  von  d.  k.  Ges.  d.  Wiss.  in  Gott.  1885,  S.  69—72,  mit 
Zuziehung  von  Benedicts  VII  Epitaph  bei  Baronius  a.  984,  Watterich  I,  86. 

2)  Hs.  in  Halle,  NA.  VIII,  383. 

3)  Es  genügt  jetzt,  die  kritische  Ausgabe  Dümmlers  anzuführen,  An- 
selm  der  Peripatetiker  S.  72 — 82.  Brief  des  Bischofs  Leo  von  Vercelli  an 
Heinrich  II  nach  Arduins  Tod,  Forsch.  VIII,  387.  Excommunication  des 
Grafen  Ubert  Forsch.  XIII,  600-602.  Vgl.  S.  Löwenfeld:  Leo  von  Ver- 
celli, Gott.  Diss.  1877.  Ueber  die  Zeitbestimmung  zweier  Briefe  von  ihm, 
Schnürer,  Piligrim  v.  Cöln,  Diss.  Monast.  1883.  Hinzuweisen  ist  auch  auf 
die  Schriften  seines  Vorgängers  Atto  von  924  bis  c.  960  (Opera  ed.  Bu- 
rontius,  Verc.  1768  f.)  vorzüglich  de  pressuris  ecclesiasticis  II,  322 — 352. 
Gott.  Diss.  über  ihn  von  J.  Schultz  1886,  vgl.  NA.  XI,  641. 

4)  S.  Andrea  in  flumine,  in  der  Ebene,  nach  Tomasetti,  Arch.  Rom. 
VII,  382. 

5)  Chron.  Benedicti  de  S.  Andrea,  entdeckt  von  Pertz  und  zuerst  ge- 
druckt MG.  SS.  III,  695 — 722  mit  Weglassung  des  Anfanges;  vgl.  Archiv 
V,  146,  X,  381,  Giesebr.  I,  782.  Auszüge  daraus  bei  O.  Abel,  Paulus  Dia- 
conus  S.  203;  Wattenbach,  Der  Mönch  von  St.  Gallen  S.  98.  Benutzt  von 
Martinus  Pol.  nach  Weiland,  Arch.  XII,  33.  Die  Hs.,  welche  Pertz  für 
sein  Autograph  hielt,  ist  in  schöner  regelmässiger  Bücherschrift  geschrieben, 
2  S.  facs.  bei  Ern.  Monaci,  Arch.  paleogr.  Ital.  II,  t.  3.  Das  im  Chron. 
S.  697  enthaltene  Epigramm  des  Pabstes  Damasus  wird  emendirt  von  de 
Rossi,  Bull,  di  Archeol.  Christ.  IV,  3,  1,  S.  30. 


Benedict  von  St.  Andrea.     Chron.  Salernitanum.  431 

Geburt  zusammenzustellen,  einen  Fortschritt  erkennen,  aber  es  ist 
nur  eine  Compilation  der  dürftigsten  Art.  Wie  wenig  geschicht- 
lichen Sinn  der  Verfasser  besafs,  zeigt  sich  auch  darin,  dafs  er  zu- 
erst die  Sage  von  Karls  Zug  nach  dem  Morgenlande  aufnahm; 
mitten  zwischen  Stellen  aus  Einhards  Werken  schiebt  er  sie  ein, 
ohne  einen  Widerspruch  darin  zu  gewahren.  Im  Mittelpunkt  aller 
Dinge  und  Begebenheiten  steht  ihm  einzig  sein  Kloster;  zu  allen 
weifs  er  es  in  Beziehung  zu  bringen.  Gegen  die  fremden  Herr- 
scher, welcher  nach  Italien  kommen,  ist  er  sehr  aufgebracht,  worin 
Maurenbrecher  seinen  Patriotismus  erkennt,  während  J.  Jung  (Forsch. 
XIV,  426)  vielmehr  seinen  klerikalen  Standpunkt  darin  findet:  er 
begeistert  sich  für  den  Pabstkönig,  und  ist  deshalb  auch  gegen  Al- 
berich sehr  eingenommen.  Ueber  seine  eigene  Zeit,  über  Alberich 
und  die  Stadtgeschichte  von  Rom  gewährt  übrigens  Benedict  bei 
dem  Mangel  an  anderen  Quellen  wichtige  Aufschlüsse,  welche  man 
aus  seiner  verworrenen  und  aller  Grammatik  hohnsprechenden 
Schreibart  mit  Vorsicht  und  Mühe  zu  entnehmen  hat. 

Einen  eigenthümlichen  inneren  Gegensatz  zeigt  uns  die  um  die- 
selbe Zeit  geschriebene  Chronik  eines  Salernitaners  bis  zum 
Jahre  974 1).  Der  Verfasser  hat  nämlich  seinen  grammatischen 
Cursus  durchgemacht,  er  ist  sehr  stolz  auf  seine  gelehrte  Bildung 
und  giebt  zuweilen  wunderlich  spitzfindige  sprachliche  Untersuchun- 
gen zum  besten.  Auch  kann  er  ziemlich  fehlerfrei  schreiben,  wenn 
er  sich  Mühe  giebt;  dazwischen  aber  kommen  wieder  Stellen,  wo  er 
alle  seine  Gelehrsamkeit  vergifst  und  mit  allen  Flexionsformen  ein 
leichtsinniges  Spiel  treibt.  Zum  Geschichtschreiber  war  er  wohl 
etwas  besser  befähigt  als  Benedict,  aber  auf  einen  hohen  Standpunkt 
hat  auch  er  keinen  Anspruch.  Er  knüpft  an  Paulus  Geschichte  der 
Langobarden  an  und  erzählt  nun  weiter  von  den  langobardischen 
Fürstenthümern  in  Unteritalien,  was  ihm  gerade  einfällt,  ohne  viel 
Ordnung  und  ohne  alle  Kritik;  Erchempert  hat  er,  wie  Dümmler 
bemerkt,  stark  benutzt  und  was  er  aus  eigener  Kunde  hinzufügt, 
hat  keinen  grossen  Werth.  Trauen  darf  man  ihm  nicht  viel,  aber 
seine  lebendig  vorgetragenen,  oft  ganz  novellenartigen  Erzählungen 
geben  doch  einen  erwünschten  Einblick   in   das  Leben   und  Treiben 


l)  Chron.  Salernitanum  ed.  Pertz,  MG.  SS.  III,  467—571  (S.  548  de  mar- 
tyrio  S.  Procopii  ex  cod.  Bamb.  Wiederholt  SS.  Langob.  p.  457.  Die  Ke- 
gententafeln am  Anfang  ib.  p.  491;  bei  Caravita  II,  36  e  cod.  Cas.  269).  — 
Bruchstücke  übersetzt  in  Abels  Paulus  Diaconus  S.  192 — 202.  Zu  ver- 
gleichen ist:  Schipa,  Storia  del  principato  longob.  di  Salerno,  Nap.  1887. 
Einige  Einwendungen  von  F.  Hirsch,  Hz.  LX1,  S.  188. 


432  HI.    Ottonen.     §  13.    Italien.     Chroniken. 

jener  Länder,  und  für  die  Geschichte  Unteritaliens  sind  wir  oft 
allein  auf  seine  Nachrichten  angewiesen. 

Ungleich  besser  als  diese  Schriften  ist  die  Chronik  Venedig 's 
von  dem  Diaconus  Johannes,  dem  Caplan  und  vielleicht  Verwandten 
des  Dogen  Peters  II  Urseolus  (991 — 1009),  der  wiederholt  als  Ge- 
sandter an  Otto  III  und  Heinrich  II  geschickt  wurde1).  Seine 
Sprache  ist  die  eines  Geschäftsmannes,  ungeschmückt,  auch  nicht 
frei  von  Verstössen  gegen  die  Regeln  der  Grammatik,  aber  leicht 
verständlich  und  dem  Gegenstande  angemessen ;  seine  venetianischen 
Provinzialismen  sind  in  einer  solchen  Schrift  für  seine  Landsleute 
ganz  an  ihrem  Platze  und  unendlich  viel  angenehmer,  als  die  un- 
geschickten Phrasen  der  halbgelehrten  Mönche.  Im  Anfang  auf 
Paulus  Diaconus  und  Legenden  gestützt  und  begreiflicher  Weise 
mangelhaft,  führt  er  seine  Geschichte  fort  bis  1008;  sie  gewinnt  an 
Reichthum  des  Inhalts  mit  dem  Fortschritt  der  Erzählung  und  wird 
besonders  wichtig,  wo  er  von  den  Berührungen  mit  den  Kaisern 
berichtet,  bei  denen  er  selbst  betheiligt  war  Die  treffliche  Regie- 
rung des  Dogen  Peters  II  bildet  den  Hauptgegenstand  seiner  Dar- 
stellung. Ueberhaupt  erkennt  man  hier  gleich,  dafs  der  Verfasser 
das  Leben  nicht  nur  aus  der  Ferne  sah,  sondern  selbst  mitten  darin 
stand. 

In  dem  älteren  Theile  dieser  Chronik  herrscht  eine  grofse  Ver- 
wirrung. Ueber  diese  Vorgeschichte  von  Venedig  vor  der  Wahl 
des  ersten  Dogen  und  die  Chronologie  der  nächsten  zwei  Jahrhun- 
derte hat  Andreas  Dandolo  in  seinen  Annalen  bessere  Nachrichten; 
es  scheint  ihm  ein  altes  Dogenverzeichnifs  vorgelegen  zu  haben,  mit 
den  kurzen  Charakteristiken  der  ersten  Dogen,  welche  bei  Johannes 
fehlen. 

a)  Johannis  diaconi  Chron.  Venetum  et  Gradense  ed.  Pertz,  MG.  SS.  VII, 
4—38.  Vgl.  Giesebr.  I,  790;  Kohlschütter,  Venedig  unter  Peter  II  (Goett. 
Diss.  1868)  S.  61 — 65  gegen. die  von  Pertz  angenommene  successive  gleich- 
zeitige Abfassung;  auch  gegen  die  Annahme,  dafs  das  Chron.  Grad,  von 
demselben  Verfasser  sei.  Zustimmend  Henry  Simonsfeld:  Andreas  Dan- 
dolo u.  seine  Geschichtswerke  (München  1876)  S.  56 — 79.  Monticolo,  La 
cronaca  del  diacono  Giovannino  e  la  storia  politica  di  Venezia  sino  al 
1099,  Pistoja  1882,  4.  Früher  nannte  man  diese  Chronik  das  Chron.  Sa- 
gornini.  Ein  merkwürdiger  Brief  des  Dogen  von  Venedig  an  Heinrich  I 
bei  Dümmler,  Gesta  Berengarii  S.  157.  —  Chronica  patriarcharum  Graden- 
sium  bis  1049,  ed.  Waitz,  SS.  Langob.  p.  392 — 397,  als  die  ursprüngliche 
Fassung,  e  cod.  Barberin.  XI,  145.  Vgl.  auch  G.  Monticolo  im  Arch.  Ve- 
net.  XV,  1  ff.  Derselbe:  I  manoscritti  e  le  fonti  della  cronaca  del  diac. 
Giovanni,  Bull.  delP  Instituto  stör.  Italiano,  N.  9,  S.  37—327.  Von  dems. 
die  Ausgabe:  Fonti  per  la  storia  d'Italia  IX.  Cronache  Veneziane  anti- 
chissime,  1890;  vgl.  NA.  XVI,  210;  Simonsfeld  HZ.  LXVII,  360—365. 


Chron.  Venetum  et  Gradense.  433 

Sehr  alte  Elemente  sind  ferner  in  den  ersten  Büchern  des  sog. 
Chronicon  Altinate1),  die  mit  ihrer  höchst  barbarischen  Sprache  nach 
Simonsfeld  schon  im  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  zusammengestellt, 
später  mit  Zusätzen  vermengt  und  bis  ins  13.  Jahrhundert  fortgeführt 
sind;  die  ursprüngliche  Form  bleibt  häufig  zweifelhaft.  Das  zweite 
Buch  desselben  nach  der  Dresdener  Handschrift  ist  nach  Simonsfeld 
im  ersten  Theil  des  Chronicon  Gradense  im  Cod.  Urbinas  über- 
arbeitet2). Derselbe  hat  werthvolle  Venetianische  Annalen  des 
11.  und  12.  Jahrhunderts  zuerst  veröffentlicht 3)  und  das  Verhältnifs 
aller  dieser  und  anderer  Quellen  zu  den  Annalen  des  Andreas  Dan- 
dolo,  des  Dogen  von  1343 — 1354,  (bis  1280)  so  wie  die  sehr  ver- 
wickelten Fragen  über  die  handschriftliche  Ueberlieferung  der  Werke 
desselben  genau  untersucht. 

Wenig  erfreulich  ist  die  historische  Thätigkeit  im  Kloster  No- 
nantula;  dem  Inhalt  nach  in  frühe  Zeit  hinaufreichend,  hat  sie 
uns  doch  wesentlich  nur  spätere  Aufzeichnungen  verwirrter  und 
fabelreicher  Tradition  hinterlassen.  Ein  Leben  des  ersten  Abtes 
Anselm4)  (f  803)  mit  der  Gründungsgeschichte  aus  der  Zeit  des 
Königs  Aistulf,  aber  erst  im  Anfang  des  elften  Jahrhunderts  mit 
viel  chronologischer  Verwirrung  und  wenig  Inhalt  geschrieben,  und 
Translationsgeschichten  des  h.  Silvester;  dann  will  ihr  Glück,  dafs 
der  Pabst  Adrian  III  885  in  der  Nähe  des  Klosters  stirbt  und  bei 
ihnen  begraben  wird.  Bald  wird  er  als  Heiliger  verehrt  und  thut 
Wunder;  eine  Ueberlieferung  davon  erhält  sich  mündlich  oder  schrift- 
lich, aber  weiter  weifs  man  nichts  von  ihm,  und  da  man  doch  eine 
Legende  von  ihm  haben  will,  wird  im  ausgehenden  elften  Jahrhun- 
dert der  Zeitgenosse  Karls  des  Grofsen  Adrian  I  mit  ihm  zu  einer 
Person  verarbeitet.  Da  hatte  man  Stoff  genug,  und  nahm  zu  Ein- 
hard  u.  a.    noch    den  über  diurnus,    von    dem    vielleicht    bei   jener 

!)  Ausg.  vom  Abb.  Antonio  Rossi  im  Archivio  stör.  Ital.  VIII,  u.  nach 
der  besseren  Dresd.  Hds.  im  Appendice,  Tomo  V,  1847;  jetzt  als  Chron. 
Venetum  vulgo  Altinate  v.  Simonsfeld,  MG.  SS.  XIV,  1 — 97,  nach-=4,  sehr 
von  einander  abweichenden  Handschriften.  Eine  in  Hss.  damit  verbundene 
sagenhafte  Darstellung  der  Troj.  rÖm.  Gesch.  ed.  Simonsfeld,  NA.  XI, 
239—251.  Ders.  gegen  Phantastereien  des  Dott.  Rob.  Galli  im  Arch.  Ven. 
XXXV,  parte  1  (1888). 

2)  Ueber  die  verschiedenen  Bestandtheile,  aus  welchen  dieses  und 
auch  schon  das  Chron.  Altinate  in  dem  betr.  Abschnitt  zusammengesetzt 
ist,  handelt  G.  Waitz,  NA.  II,  375—381. 

3)  NA.  I,  397—410;  vgl.' Dand.  S.  90-96.  Sie  sind  wiederholt  im 
Arch.  Ven.  XII  mit  Abh.  von  R.  Fulin;  MG.  SS.  XIV,  70. 

4)  Vita  Anselmi,  SS.  Langob.  p.  56ß— 570.  Mit  allen  übrigen  Stücken 
gedruckt  bei  Bortolotti,  Vita  di  S.  Anselmo  abb.  di  Nonantula,  con  appen- 
dici  ed  illustrazioni  e  tavole  3,  Modena  1892. 

Wattenbach,  Geschichtsquellcn  I.  6.  Aull.  28 


434 


III.    Ottonen.     §  14.    Italien.     Biographieen. 


Gelegenheit  ein  Exemplar  im  Kloster  geblieben  war,  und  so  kam 
das  Monstrum  zu  Stande,  welches  noch  nie  gedruckt,  aber  in  durch 
Mabillon  bekannt  gewordenen  Auszügen  zu  gläubig  angenommen  ist 
und  Schaden  angerichtet  hat1).  Dann  um  911  die  Translatio 
SS.  Senesii  et  Theopompi  aus  Treviso,  welche  unter  der  Königin 
Adalheid  gegen  die  Pest  nach  Pavia  gebracht  wurden,  aber  erst 
unter  Abt  Rudolf  (1002 — 1035)  geschrieben;  eine  Abtreihe  bis  933 
und  eine  zweite  mit  einigen  geschichtlichen  Nachrichten  bis  auf  den- 
selben Rudolf2),  unter  dem  durch  Erzbischof  Aribert  die  Mönchs- 
regel wieder  hergestellt  wurde.  Damit  beginnt  denn  auch  erst  die 
Zeit,  aus  welcher  schriftliche  Aufzeichnungen  uns  erhalten  sind. 


§.   14.     Italien.     Biographieen. 

Gegen  das  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  verschwindet  in 
Italien  jene  Barbarei,  welche  hier  weit  greller  als  in  den  anderen 
Theilen  des  karolingischen  Reiches  hervorgetreten  war.  Die  bessere 
Ordnung  der  politischen  und  kirchlichen  Verhältnisse  macht  sich 
auch  hier  fühlbar.  Auf  Veranlassung  des  Kaisers  Otto  II  schrieb 
ein  Bischof  Gumpold  von  Mantua,  von  dem  sonst  wenig  bekannt 
ist,  ein  Leben  des  böhmischen  Herzogs  und  Märtyrers  Wenceslaus 
(f  935).  Er  stand  indessen  der  Zeit  wie  den  Ereignissen  zu  fern, 
um  viel  davon  zu  wissen,  und  suchte  die  Dürftigkeit  des  Inhalts 
durch  schwülstige  Phrasen  zu  verdecken.  Hochtrabende  sallustische 
Ausdrücke  paaren  sich  bei  ihm  in  widerlicher  Mischung  mit  der 
kirchlichen  Phraseologie.  Im  Prolog  werden  auf  solche  Weise  die 
Bestrebungen  der  Menschen  geschildert  und  dabei  die  freien  Künste 
mit  Umschreibungen  bezeichnet,  welche  Büdinger  ohne  Grund  auf 
Gerberts  Disputation  mit  Otrich  bezogen  hat3).  Es  ist  deshalb 
auch  nicht  nöthig,  die  Entstehung  der  Schrift  nach  Errichtung  des 
Prager  Bisthums  anzunehmen,  von  welcher  Gumpold  noch  nichts 
weifs  und  von  der  man  doch   kaum    annehmen    kann,    dafs    er    sie, 


1)  S.  Th.  v.  Sickel,  Die  Vita  Hadriani  Nonantulana  und  die  Diurnus- 
Hs.  V.  im  NA.  XVIII,  107-133. 

2)  SS.  Langob.  p.  571—573  als  Nomina  abbatum  Nonantul.,  sonst  Chro- 
nicon  Nonantulanum  genannt.  Bischof  Joh.  von  Arezzo  schenkte  an  Non. 
um  876  ein  prächtiges  Sacramentar,  Delisle,  Sacram.  p.  128.  —  Unbedeu- 
tend und  fabelhaft  ist  das  Leben  des  Johannes,  ersten  Abtes  des  von 
Sigifrid  II  gestifteten  Klosters  zu  Parma,  der  um  990  starb,  erst  gegen  1050 
nach  mündlicher  Ueberlieferung  verfafst,  Mab.  V,  715 — 724. 

3)  Diese,  wie  mir  scheint,  allein  richtige  Deutung  jener  Stelle  verdanke 
ich  freundlicher  Mittheilung  von  Jaffe. 


Vita  Wenceslai,  Adalberti.  435 

wenn  er  später  schrieb,  nicht  sollte  erfahren  oder  berücksichtigt 
haben1). 

Ein  zweites  Leben  desselben  Märtyrers  schrieb  später  im  elften 
Jahrhundert,  doch  unabhängig  von  Gumpold,  Laurentius,  ein  Mönch 
von  Monte  Cassino;  dieser  beruft  sich  auf  die  Erzählungen  eines 
Landsmannes  des  Märtyrers  und  mag  durch  diesen  Kunde  erhalten 
haben  von  einer  schon  früher  in  Böhmen  und  vielleicht  in  slavischer 
Sprache  verfafsten  Legende,  auf  die  wir  später  noch  einmal  zurück- 
kommen werden2). 

Eine  bedeutende  Einwirkung  übte  auf  Italien  die  damals  auch 
hier  eindringende  streng  mönchische  Askese,  welche  theils  von  Cluny 
aus  über  die  Alpen  sich  verbreitete,  theils  unabhängig  davon  und 
in  anderer  Gestalt  in  Italien  selbst  aufkam.  Zu  den  Hauptträgern 
dieser  Richtung  gehört  der  griechische  Calabrese  Nilus,  der  durch 
seine  aufs  äufserste  getriebene  Yerachtung  alles  Irdischen  einen  so 
grofsen  Eindruck  auf  Otto  III  machte.  Sein  Leben  ist  von  einem 
Landsmanne  in  grieschischer  Sprache  geschrieben  und  enthält  einige 
werthvolle  Nachrichten,  vorzüglich  aber  viele  anziehende  Einzelheiten 
zur  Culturgeschichte  Italiens3). 

Von  demselben  Geiste  erfüllt,  aber  ungleich  wichtiger  für  die 
deutsche  Geschichte,  ist  das  Leben  des  heiligen  Adalbert,  des 
Bischofs  von  Prag  und  Apostels  der  Preufsen  (f  997),  auf  den 
Wunsch  seines  schwärmerischen  Freundes,  des  Kaisers  Otto's  III, 
verfafst  von  Johannes  Canaparius,  dem  Abte  des  Alexiusklosters 
in  Rom,  in  welchem  Adalbert  sich  eine  Zeit  lang  aufgehalten  hatte4). 

*)  Gumpoldi  Vita  Vencezlavi  ducis,  von  Pertz  entdeckt  und  herausge- 
geben MG.  SS.  IV,  211—223;  wiederholt  Migne  CXXXV;  Fontes  Rer.  Boh. 
(Pragae  1872)  I,  146—166.  Vgl.  Büdinger,  Zur  Kritik  altböhmischer  Ge- 
schichte, Wien  1857.  Besonders  abgedruckt  aus  der  Zeitschr.  f.  österr. 
Gymnasien  1857.  Heft  VII.  Hierin  ist  Gumpolds  Existenz  urkundlich 
nachgewiesen.  Ueber  die  verschiedenen  späteren  Legenden  vgl.  Friedjung, 
Kaiser  Karl  IV  und  sein  Antheil  am  geistigen  Leben  seiner  Zeit  (Wien  1876) 
S.  150—161. 

2)  Auszugsweise  mitgetheilt  von  Pertz,  Archiv  V,  137 — 143;  vollstän- 
dig von  Dudik,  Iter  Romanum  I,  304—318,  Fontes  Boh.  167—182.  Die 
Legende  Crescente  fide  bei  Dudik,  S.  319—326,  Fontes  183—190.  Ueber 
die  wenig  glaubwürdigen  Legenden  von  Wenzels  Mutter  Ludmila  s.  die 
Vorrede  von  Holder-Egger  zu  der  Ausgabe  der  ältesten,  die  jedoch  auch 
erst  aus  dem  12.  Jh.  ist,  während  diejenige,  welche  bisher  für  die  älteste 
galt,  nur  ein  Theil  von  dem  bezüglichen  Werk  des  Pseudo-Christann  ist, 
MG.  SS.  XV,  1,  572. 

3)  Acta  SS.  Sept.  VII,  336.  Auszüge  MG.  SS.  IV,  615—618.  Giese- 
brecht  I,  788. 

4)  Johannis  Canaparü  Vita  S.  Adalberti  ed.  Pertz,  MG.  SS.  IV,  581  bis 
595.  Ausg.  von  AI.  Batowski  bei  Bielowski  S.  157  — 183  mit  Varianten 
einer  Handschrift  aus  Kielce.     Uebersetzt    von    Hüffer   1857;    2.  A.    1891. 

8T.    MICHAELA 


436  HI-    Ottonen.     §  14.    Italien.     Biographieen. 

Der  Verfasser  hat  Adalbert  selbst  nahe  gestanden,  benutzte  auch 
einen  Aufsatz  des  Domprobsts  Willico  von  Prag,  und  schreibt  da- 
her aus  voller  Kenntnifs  des  Gegenstandes  und  mit  grofser  Wärme, 
in  reiner,  wenn  auch  von  biblischen  Phrasen  erfüllter  Sprache;  über 
die  politischen  Verhältnisse,  welche  der  Wirksamkeit  Adalberts  in 
Böhmen  im  Wege  standen,  darf  man  freilich  bei  ihm  keine  Auf- 
klärung suchen.  Die  wenig  spätere  Ueberarbeitung  dieses  Lebens 
von  Bruno  von  Querfurt  erwähnten  wir  schon  oben  (S.  354).  Bruno 
gehörte  zu  dem  Kreise  jener  Asketen,  welche  in  dem  Kloster  Classe 
bei  Ravenna  lebten,  aus  deren  Mitte  der  Camaldulenser  Orden  seinen 
Ursprung  nahm.  Das  Leben  des  Abtes  Romuald  hat  um  die 
Mitte  des  elften  Jahrhunderts  der  Hauptvertreter  dieser  Richtung, 
Petrus  Damiani,  geschrieben;  aus  den  salbungsvollen  Sentenzen 
lassen  sich  einige  geschichtliche  Nachrichten  auslesen,  welche  in  den 
Mon.  Germ.  SS.  IV,  846—854  mitgetheilt  sind. 

Geschichtsehr.  34  (X,  7).  Vgl.  oben  S.  354  u.  den  böhmischen  Landtags- 
schlufs  von  992  in  Wattenbach's  Beiträgen  S.  51  und  bei  Erben,  Regesta 
Bohemiae  p.  33 ;  diesen  finde  ich  nicht  berücksichtigt  in  dem  sonst  sehr 
hervorragenden  und  scharfsinnigen  Aufsatz  von  Loserth:  Der  Sturz  des 
Hauses  Slawnik,  W.  Arch.  LXV,  19—54,  worin  Adalberts  Mifserfolg  in 
Prag  zurückgeführt  wird  auf  die  Rivalität  seines  Hauses,  eines  fürstlichen 
chorwatischen,  das  mit  Polen  verbündet  war,  mit  den  Przemysliden.  Die 
Miracula  S.  Adalberti  sind  neu  herausgegeben  in  den  Mon.  Pol  IV,  221 
bis  238,  nebst  einer  neuen  Legende. 


BEILAGE. 

Verzeiclmifs  vollständig*  oder  im  Auszug  gedruckter 

Necrologien. 


I.   Deutsches  Reich. 

ERZBISTHUM    MAINZ. 

Sprengel  von  Mainz. 

Mainz,  Dom:  Font.  III,  141  aus  Schannat,  Vind.  I,  1 — 4;  Jaffe,  Bibl.  III, 
721;  C.  Will  im  Correspondenzbl.  d.  Gesammtvereins  1878,  N.  8.  9. 
nach  Abschrift  von  Bodmann.  Fragmente  eines  jüngeren  s.  XII.  cd. 
Schenk  von  Schweinsberg  im  Correspondenzblatt  1876  N.  4;  dass. 
v.  März  bis  Oct.  C.  Will  wie  oben.  Auszüge  aus  St.  Alban  und  Marien- 
greden Falk  im  Correspondenzbl.  XXI,  N.  5;  letzteres  vollständig 
C.  Will  wie  oben.  — Dominicaner:  Bockenheimer,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Stadt 
Mainz  IV.  —  St.  Agnes  ord.  Cist. :  Auszug  bei  Bodmann,  Rheingauer 
Alterth.  S.  134.  130  Note,  sowie  F.  W.E.Roth,  Die  Druckerei  zu 
Eltville  u.  ihre  Erzeugnisse  (1886)  S.  21  Anm.  2.  (Mitth.  v.  F.W.  E.  Roth, 
dem  ich  auch  einige  der  folgenden  Notizen  verdanke.) 

Bleidenstadt:  Font.  III,  152.  C.  Will:  Monumenta  Blidenstat.  (1874)  S.  35 
bis  37  Liber  confraternitatis ;  S.  38 — 42  Necrologium. 

Clarenthal  bei  Wiesbaden:  Kremer,  Origines  Nass.  II,  412 — 422. 

Eberbach  ord.  Cist.  im  Rheingau:  in  2  Fassungen  s.  XVII.  XVIII.  bei 
Roth,  Fontes  rerum  Nass.  I,  3,  1 — 9  u.  9—61. 

Engelport  auf  dem  Hunsrück:  Reisach  u.  Linde,  Archiv  f.  rhein.  Gesch. 
(1835)  II,  3—94,  von  Stramberg. 

Erfurt,  St.  Marien:  Mone,  Anz.  1835  S.  141—146;  vgl.  Mone's  Zeitschr.  f. 
Gesch.  des  Oberrheins  IV,  253;  St.  Peter:  Schannat,  Vind.  II,  17: 
Dominicaner:  A.  Zacke  über  das  Todtenbuch  des  Dominicanerklostcrs 
und  die  Predigerkirche  zu  Erfurt,  1861.  Ein  thüringisches  unbe- 
kannter Herkunft  ed.  Wregele,  Zeitschr.  f.  thür.  Gesch.  II,  118;  Font. 
IV,  457. 


438  Necrologien. 

Fritzlar,   Collegiatkirche :    Zts.  d.  Vereins  f.  hess.  Gesch.  N.  F.  II,   Suppl. 

Kassel  1863. 
Fulda:   Diptychon  Font.  III  p.  X   aus  Schannat,    Vind.  I,    16;  Leibn.  SS. 

III,  761.     Ein  anderes  s.  XI :  Dümmler,  Forsch.  XVI,  171—177.    An- 
nales necrolog.  s.  oben  S.  63.    Liebfrauenkloster:  Font.  IV,  451—455. 
Gottesthal,    Cist.  Nonnen,   im  Rheingau   bei  Winkel:   Bruchstück    in  Bod- 

manns  Rheing.  Alterth.  S.  177  u.  daraus  bei  Roth,  Fontes  rerum  Nass. 

I,  1,  198  n. 
Kaufungen:  MG.  SS.  IV,  791.     Font.  IV,  457. 
Lorsch:  Adonis  Martyrol.  ed.  Rom.  1745  p.  689  e  cod.  Vat.  Pal.  485,  vgl. 

Dümmler  in  d.  Zeitschr.  f.  D.  Alt.  XVIII,  308;  p.  704  e  cod.  Pal.  499. 

Jüngeres    bei   Schannat,    Vind.  I,    23   e   cod.  Wirceburgensi  (Würzb. 

Archiv).     Font.  III,  144  nach  Schannat  und  Pal.  499. 
Nordhausen,  Stift  zum  h.  Kreuz:  G.  Schmidt  in  d.  Festschrift  d.  Harzvereins 

1870. 
Ruppertsberg:  Fragm.  ed.  Sauer,  Nass.  Ann.  XVII,  1. 
Schmerlenbach,  bei  Aschaffenburg:  NA.  IV,  376. 
Seligenstadt:  Stillbauer,  Necr.  u.  kurze  Chronik  der  Abtei  S.  im  Programm 

d.  Realgymn.  1880.  Fragm.  ed.  Falk,  NA.  XIV,  173. 


Bisthum  Worms. 

Worms :  Notizen  aus  Nonnenmünster  bei  dem  Mon.  Kirsgart.  ed.  Ludewig, 

Rell.  II,  29;  vgl.  Falk,  NA.  XIV,  173. 
Rosenthal:  Kremer,  Origines  Nass.  II,  422 — 426.    Adolf  Köllner,  Gesch.  d. 

Herrschaft  Kirchheim-Boland   u.  Stauf  (Wiesb.  1854)  S.  353—357.     In 

diese  Gegend  gehören  auch  die  Notizen  aus  einem  Nonnenkloster  über 

Wildgrafen  und  die  von  Randeck,  Bolanden  und  Stein,  bei  C.  Greith, 

Spicil.  Vat.  p.  96  e  cod.  Vat.  4763. 
Sanct  Jacob  auf  dem  Donnersberge,   vom  Orden  St.  Paul  des  Einsiedlers: 

Köllner  a.  a.  0.  S.  336—340. 
Wimpfen,  Petersstift:  Schannat,   Vind.  II,  64,  Auszug.    Orig.  in  d.  Darmst. 

Hofbibl.  n.  2297. 

Bisthum  Speier. 

Speier,    Dom:   Fragment   eines  älteren,   Font.  IV,  315.     Jüngeres  ib.  317. 

Stücke  daraus  gaben  Mone,  Anz.  1836  S.  98,   Remling,  Geschichte  d. 

Bischöfe  von  Speier  I,  413;  vollständig  v.  Reimer,   Zeitschr.  f.  Gesch. 

d.  Oberrh.  XXVI,  414-444. 
Lichtenthai:  Schannat,  Vind.  litt.  I,  164—172. 
Weifseiiburg:   Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  XIII,  492  e  cod.  Weifs. 

81.     Zwei  andere  ed.  Mooyer  im  Archiv  f.  Unterfranken  XIII,  3,  3  bis 

43.  50—67.     Auszüge  aus  letzteren  Font.  IV,  310—314. 


Neurologien.  439 


Bisthum  Strafsburg. 

Strafsburg:  Mone's  Anz.  1838  S.  9—21;  Font.  III  p.  XV.  Die  Handschrift 
jetzt  in  Donaueschingen  n.  512.  Ein  anderes  ed.  Mooyer  im  Archiv 
f.  Unterfranken  XIII,  8,  69 — 91.  Fragm.  ed.  Koppmann  in  d.  Fest- 
gabe f.  Archivar  Wehrmann,  Hamb.  1879.  Exe.  Font.  IV,  309.  Das 
in  Melk  verwahrte  Memorienbuch  hat  W.  "Wiegand  herausgegeben,  Zts. 
f.  Gesch.  d.  Oberrh.  N.  F.  III.  Daraus  sind  die  von  Liblin,  Revue 
d  'Alsace  mitgetheilten  Auszüge,  s.  NA.  XVII,  242.  Memorienbuch  des 
Frauenhauses  v.  A.  Woltmann,  im  Repertor.  f.  Kunstwissenschaft  I, 
Heft  3  u.  4. 

Gengenbach:  Baumann,  NA.  VII,  32. 

Honau :  Mone,  Zeitschr.  f.  Geschichte  des  Oberrheins  IV,  251. 

Bisthum  Constanz1). 

Constanz:  Auszug  von  J.  F.  Böhmer  im  Geschichtsfreund  XIII,  231 — 233; 

wiederholt   Font.  IV,    138;    vgl.  NA.   VII,    33.     Necrol.  I,  282—296. 

Dominicanerinnen:  Thurg.  Beitr.  III,  45,  vgl.  NA.  VIII,  438. 
Aarau:    Hunziker,   Das  Jahrzeitenbuch   der  Leutkirche  von  Aarau,   Aarau 

1872. 
Adelberg :  Fragm.  Necrol.  I,  143. 
Beromünster:    Herrgott,   Geneal.  Habsb.  III,  850;    Geschichtsfreund  V,  83 

bis  157  ;  Necrol.  I,  345—356. 
Bischofszeil:  Necrol.  I,  382. 
Blaubeuren,   NA.  VII,  30;  Tubingius,  Chron.  Blaub.  in  Sattlers  Grafen  v. 

Wirtemberg,  2.  Aufl.  IV,  281:  Necrol.  I,  166—170.  659. 
Denkendorf:  Necrol.  I,  172. 
Einsiedeln:  Grandidier,  Hist.  d'Alsace,  Pieces  justif.  p.  268;  Font.  IV,  144, 

Herrgott,    Geneal.  Habsb.  III,   833,   u.  Geschichtsfreund  I,   417—419, 

420  —  424,  nach  Tschudi,   unbrauchbar,  s.  NA.  VIII,  429;   Necrol.  I, 

358—363. 
Engelberg:    Geschichtsfreund  XXVI,   245—284   von  Schneller.     Necrol.  I, 

365-382. 
Fahr  (Aargau):  NA.  VIII,  435:  Necrol.  I,  384. 

Feldbach  (Thurgau):   Freiberger  Diöc.  Arch.  VII,  292;  Necrol.  I,  389—397. 
Fraubrunnen:  Schweizerischer  Geschichtsforscher  XI,  313 — 319;  Mohr,  Re- 
gesten d.  Eidgenoss.  II,  105:  Necrol.  I,  405—420. 
Frauenthal:  Necrol.  I,  421. 

Freiburg  im  Breisgau,  Franciscaner:  NA.  VIII,  444. 
Geifs,  Pfarrkirche,  Canton  Luzern:  Geschichtsfreund  XXII,  209—220. 
Günthersthal:  Necrol.  I,  296—309. 

')  Die  Neurologien  von  Constanz,  Cur  u.  Augsburg  hat  L.  Baumann,  MG.Necro- 
logia  Germ.  I  (1888),  herausgegeben,  jedoch  abgekürzt  und  nach  1300  nur  im  Auszug, 
so  dafs  für  Localgeschichte  die  besonderen  Ausgaben  ihren  Werth  behalten. 


440  Necrologien. 

Hermetschwil:    Quellen    z.   Schweiz.   Gesch.  III,    3,   134 — 166;   Necrol.  I, 

423—439. 
Hitzkirch:  Geschichtsfreund  XI,  92—104;  Necrol.  I,  440. 
Höfen:  Hefs,  Monumenta  Guelf.  p.  159—164;  Necrol.  I,  173—176. 
Isny:  NA.  VII,  35;  Necrol.  I,  177-179. 
Kempten:  Necrol.  I,  171. 

Königsfelden:  Argovia  V,  52,  v.  Th.  v.  Liebenau;  Necrol.  I,  357. 
Lindau:    Zts.   f.    Schwaben    u.   Neuburg  IV,    97,    ed.   Primbs;    Necrol.  I, 

179—197. 
Loewenthal,  Dominicanerinnen:  Sambeth  im  Verein  f.  Gesch.  d.  Bodensees, 

Heft  15.  Auszug;  Necrol.  I,  197—201. 
Luzern,  Benedictiner:  Geschichtsfreund  IV,  219 — 245;  Chorherren:  ib.  245 

bis  258;  vgl.  NA.  VIII,  430. 
Magdenau:  Necrol.  I,  445—454. 
Marchthal,  s.  NA.  VII,  25;  Necrol.  I,  201. 
Maria-Hof:   Anniversarienbuch    des  Klosters  Maria-Hof  bei  Neidingen,   ed. 

Fickler,    Schulprogr.  von  Donaueschingen  1845,  1846,  sehr  fehlerhaft; 

Necrol.  I,  309—314. 
Mehrerau  bei  Bregenz:  von  Jos.  Bergmann  in  den  Denkschriften  der  "Wiener 

Akademie  V,  1—72;  Necrol.  I,  145—152. 
Muri:   Herrgott,  Geneal.  Habsb.  III,   839,    ohne  Werth,  s.  NA.  VIII,  434; 

Necrol.  I,  455. 
Petershausen:  Necrol.  I,  315—323.  664—678. 
Reichenau:  Aeltestes  (von  Keller  übersehen)  ex  cod.  Vindob.  Gerbert,  Mon. 

vet.  Liturgiae  I,  482—492,  vgl.  Denis  I,   3030;  Exe.  Font.  IV,  140; 

Saec.  IX.   faesim.    v.  F.  Keller,    Mittheilungen   der  Antiquar.  Ges.   in 

Zürich  (1848)  VI,   2.     Exe.  Font.  IV,   141—144.     Herrgott,   Geneal. 

Habsb.  III,  831,  aus  dem  Verbrüderungsbuch;  Necrol.  I,  271 — 282. 
Rheinau:  Quellen  z.  Schweiz.  Gesch.  III,    2,  72—76;  Necrol.  I,  456—461. 
Roth  in  Oberschwaben:    Stadelhofer,  Hist.  Rothensis  (Aug.   1787)  S.  5—6. 

12—16.  22-24.  27—29.  55,  Auszüge;  Necrol.  I,  202. 
Salem:  Necrol.  I,  323. 
Sanct  Blasien:  Fragment  in  Endlichers  Codd.  philol.  p.  134,  vgl.  Büdinger 

in   den  Wiener  Sylvesterspenden  1858,   und  dazu  Mooyer  im  Anz.  d. 

Germ.  Mus.  1860  Sp.  353,    1861   Sp.  113.     Dasselbe  Font.  IV,   148. 

Mone,   Quellens.  III,   609 — 619   mit   den   Verbrüderungen.     Necrol.  I, 

323.  —  Bernolds  von  St.  Blasien  Necrolog  MG.  SS.  V,  391;  Necrol.  I, 

657. 
Sanct  Gallen:  Sanctgaller  Todtenbuch  und  Verbrüderungen,  herausgegeben 

von  E.  Dümmler  u.  H.  Wartmann  (Mittheilungen  zur  vaterl.  Gesch.  XI. 

St.  Gallen   1869).     Ueber   die  Mittheilungen   einzelner  nekrol.  Notizen 

s.  NA.  VIII,  440;  Necrol.  I,  462—487. 
Sanct  Georgen  im  Schwarzwald:  NA.  VII,  29. 
Sanct  Peter    bei    Freiburg:    Baumann    im    Freib.  Diöc.  Arch.  XIV  (1881) 

S.  63-96;  Necrol.  I,  334-338. 


Neurologien.  441 

Sanct  Urban:  Geschichtsfreund  XVI,  1;  Necrol.  I,  497. 

Schachdorf,  Canton  Uri:  Geschichtsfreund  III,  160 — 169. 

Schaffhausen,    Allerheiligen:    Mone,   Quellens.  III,   620,   vgl.    NA.  VII,  36. 

Necrol.  I,  498—502;  Francisc.  ib.  502— 511. 
Schönenwerd  (Solothurn):  Urkundio  I,  79. 
Schussenried:  Necrol.  I,  205. 

Schwarzenbach,  Canton  Luzern:  Geschichtsfreund  III,  195 — 209. 
Seedorf  (Uri):    Geschichtsfr.  XII,  54,  gefälscht,  s.  NA.  VIII,  431;   Necrol. 

I,  511—521. 
Sindelfingen:  Haug,  Chron.  Sindelfing.  p.  6  —  11;  Necrol.  I,  209—212. 
Sion  bei  Klingnau:  Necrol.  I,  521—526. 
Steinen,  Canton  Schwyz:  Geschichtsfr.  XXIX,  361 — 364. 
Stetten   bei  Hechingen:   Locher,  Mitth.  f.  d.  Gesch.  in  Hohenzoll.  XIX;  Ne- 
crol. I,  212. 
Tennenbach  im  Breisgau:  Necrol.  I,  338  —  342. 
Thännikon:  Geschichtsfreund  III,  116-128;  Necrol.  I,  527—533. 
Tobel:   Pupikofer,   Geschichte   des  Thurgaues  I.Beil.  S.  36— 40;  Necrol.  I, 

537—547. 
Tuggen,  Dorf:  Geschichtsfreund  XXV. 
Urspring  bei  Blaubeuern:  Necrol.  I,  214. 
Wald  bei  Sigmaringen:  Necrol.  I,  218. 

WeiDgarten:  Hefs,  Monumenta  Guelfica  p.  133;  Necrol.  I,  221—238. 
Weifscnau:    Mone's  Zeitschr.  VIII,  317—326;   vgl.  Mooyer  ib.  IX,  65-76; 

vgl.  NA.  VII,  35;  Necrol.  I,  153—165. 
Wettingen:  Herrgott,  Geneal.  Habsb.  III,  839;  Necrol.  I,  588—600. 
Wiblingen:  Necrol.  I,  238. 

Willisau,   Pfarrkirche:  Geschichtsfr.  XXIX,  166—253. 

Wurmsbach  (St.  Gallen):  Herrgott,  Geneal.  Habsb.  III,  848;  Necrol.  I,  600. 
Zürich,    Chorherren:    Grünauer  in:   Aelteste  Denkmale   der  Züricher  Litte- 

ratur,  von  M.  Büdinger  u.  E.  Grünauer,  Zürich  1866.   Necrol.  I,  547 — 588. 

—  Frauenmünster,  Fragmente:  Mitth.  der  Antiq.  Gesellschaft  VIII  Anm. 

S.  12.  13;  Necrol.  I,  537-547. 
Zurzach:  Necrol.  I,  606. 
Zwiefalten:  Hefs,  Monumenta  Guelf.  p.  234;  vgl.  Stalin  II,  22,  NA.  VII.  33: 

Necrol.  I,  240—268. 

Bisthum  Cur. 

Cur:  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  IV,  193 — 216  von  Jos.  Bergmann. 
Necrologium  Curiense  d.  i.  die  Jahrzeitbüchcr  der  Kirche  zu  Cur.  Be- 
arbeitet und  herausgegeben  von  W.  v.  Juvalt.  Mit  11  Tafeln  Facsimile. 
Cur  1867.     Ausg.  von  Baumann,  Necrol.  I,  619—646. 

Marienberg  im  Vintschgau:  Neciol.  I,  649 — 653. 

Münster  in  Graubündten:  Necrol.  I,  648. 

Pfäffers:  A.  Birlinger,  L.  viv.  et  defunetorum.  Alemannia  IX  (1881)  S.  57 
bis  71;  Necrol.  I,  646—648. 


442  Necrologien. 


Bisthum  Augsburg. 

Augsburg,  Dom:  MB.  XXXV,  1,  3— 119; 'Necrol.  I,  55—73;  von  St.  Ulrich 

und  Afra:  Braun,  Notitia  lit.  VI,  48—55;  Necrol.  I,  120—128. 
Benedictbeuern:  Necrol.  I,  3 — 7. 
Deggingen:  Necrol.  I,  73 — 75. 
Diefsen:  Oefele  II,  654.     MB.  VIII,  300.     Notae  Diessenses  ed.  Jaffe,  MG. 

SS.  XVII,  325,  vgl.  NA.  VII,  38;  Necrol.  I,  7—32. 
Donauwörth:  Necrol.  I,  118. 

Ellwangen:  Württemb.  GQ.  II  von  Giefel;  Necrol.  I,  75—78. 
Fuessen:  Necrol.  I,  79—87. 
Fultenbach:  NA.  VII,  31;  Necrol.  I,  87. 
Hohenwart:  Necrol.  I,  33—35. 
Irsee  bei  Kaufbeuern:  Necrol.  I,  139. 
Kaisheim  bei  Donauwörth:  Necrol.  I,  88 — 94. 
Neresheim:  Necrol.  I,  95—98. 

Niederschönefeld:  Oberbayerisches  Archiv  XXI  Heft  3. 
Ottobeuern:   Hefs,  Monumenta  Guelfica  p.  289;  Baumann,  Zts.  f.  Schwaben 

u.  Neuburg  V,  3,  358;  Necrol.  I,  99—118. 
Polling:    benutzt  in   der  Succincta  Informatio   de  Mon.  Pollingano,  Ginzb. 

1760;  wenige  unbrauchbare  Trümmer  nach  Baumann. 
Steingaden :  Necrol.  I,  35. 
Thierhaupten :  MB.  XV,  140—144.    Fragment  im  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XXII, 

8;  Necrol.  I,  38—41. 
Ursberg:  Necrol.  I,  128—138. 
Wessobrunn:  Leutner,  Historia  Wessofontana  II,  1 — 14;  Necrol.  I,  42 — 52. 


Bisthum  Eichstedt. 

Eichstedt:  MG.  SS.  VII,  248. 

Bergen  bei  Neuburg  (?):  Archiv  f.  Unterfranken  XIV,  1.  154 — 158,  Frag- 
ment. 

Nürnberg,  St.  Aegidien:  Würfel,  Diptycha  eccl.  Egyd.  Nur.  1757;  St.  Ca- 
therinen, herausgegeben  von  Würfel,  Altorf  1769;  Franciscaner:  Oetter, 
Hist.  Bibliothek  II,  35—62. 

Bisthum   Würzburg. 

Würzburg,  Dom:  saec.  IX.  Eckhart,  Comm.  de  Orient,  Francia  I,  830; 
Dümmler,  Forsch.  VI,  115—119;  Fragment  im  Archiv  f.  Unterfranken 
XIV,  1,  131—154,  vgl.  XV,  2,  371.  Corpus  Regulae  seu  Kalendarium 
Domus  S.  Kiliani  Wirceburgensis,  saecula  IX— XIV  amplectens.  Her- 
ausgeg.  u.  erläutert  von  F.  X.  Wegele.  Abh.  d.  Münch.  Akad.  III.  Cl. 
XIII.  Bd.  3.  Abth.  1877.  —  Liber  regulae  Haug.  ed.  Emil  Ulrich,  Arch. 
d.  bist.  V.  f.  Unterfr.  u.  Aschaff.  XXX  (1886)  S.  249—335.  —  St.  Stephan: 
Wegele,  Zur  Litteratur  der  Fränkischen  Necrologien  (1864)  S.  45—69. 


Neurologien.  443 

Amorbach:  benutzt  in  Gropps.  Hist.    Amorb.  1736. 

Ansbach:  Jung,  Miscellanea  II,  63. 

Brunnbach:  J.  Kühles,  Liber  mortuorum  monasterii  Brunnbacensis,  im  Ar- 
chiv f.  Unterfranken  u.  Aschaffenburg  XXI,  1.  2.  1871. 

Ebrach:  Gropp,  Monumenta  sepulcralia  Ebracensia,  1730,  4. 

Hailsbronn:  Jung,  Miscell.  II,  32 — 46.  Ausgabe  von  Kerler  im  33.  Jahres- 
bericht des  hist.  Vereins  für  Mittelfranken  (1865)  S.  124—129.  Neue 
Ausg.  v.  Dr.  Scheins  bei  Stillfried,  Kloster  H.  (Berlin  1877)  S.  328 
bis  394.  Sep.-Abdr.  bei  Scheins:  Aus  den  Archivalien  des  Klosters 
Hailsbronn. 

Heidenfeld:  Wegele,  Zur  Litteratur  etc.  S.  1 — 39. 

Mergentheim,  Dominicaner:  Zeitschrift  für  das  Wirtemb.  Franken,  Band  5 
(1861)  von  H.Bauer. 

Oehringen:  Wibel,  Hohenlohische  Kirchen  und  Reform.  Historie  II  (1753), 
134—162. 

Schwarzach:  Wegele,  Zur  Litteratur  etc.  S.  1 — 39. 

Bisthum  Bamberg. 

Bamberg,  Dom:  Aeltestes  bei  Jaffe,  Bibl.  V,  555:  anderes  e  cod.  Vindob. 
1845,  Font.  IV,  507,  vgl.  Hist.  Zeitschr.  XX,  428.  Domcapitel,  bei 
Schweitzer:  Vollständiger  Auszug  aus  den  vorzüglichsten  Calendarien 
des  ehemaligen  Fürstenthums  Bamberg,  im  7.  Bericht  des  hist.  Ver- 
eins zu  Bamberg,  1844.  Exe.  Font.  IV,  505.  Jaffe,  Bibl.  V,  555  bis 
560.  —  Michelsberg,  ältestes:  Hirsch,  Heinr.  II.  I,  556.  Bibl.  V,  560 
bis  563;  jüngeres:  Schannat,  Vind.  II,  47  u.  bei  Schweitzer;  Font.  IV, 
500—504;  Bibl.  V,  563—579.  —  Franciscaner:  36.  Bericht  d.  hist.  V 
f.  1873,  S.  1—83. 

Banz,  Siebenter  Bericht  des  historischen  Vereins  zu  Bamberg,  1844. 

St.  Martin  in  Forchheim  und  Neunkirchen  im  Brand,  s.  den  Auszug  von 
Schweitzer. 

Bisthum  Prag. 

Prag,  Mansionarien:  Dobner,  Mon.  III,  299—316;  Strahof:  Dlabacz,  Chro- 
nologicum  Necrologicum  abbatum  et  canonicorum  Sioneorum,  Prag 
1817;  S.  Annae:  Emier  in  d.  SB.  d.  k.  boehm.  G.  d.  W.  1878. 

Glatz:  Fragmente,  Zts.  f.  Schles.  Gesch.  XXI,  381—388. 

Hohenfurt:  Millauer,  Fragmente  aus  dem  Necrologe  des  Zist.-Stifts  Holicn- 
furt,  Prag  1819. 

Krumau,  Ciarissen:  Höfler  SS.  Ilussitici  II,  78—85  (Fontes  Rer.  Auslr. 
SS.  VI). 

Opatowitz:  Dobner,  Mon.  Hist.  Boh.  III,  9—19. 

Ostrau:  Emier  in  d.  SB.  d.  k.  boehm.  G.  d.   W.  1878. 

Podlasitsch:  Dudik,  Forschungen  in  Schweden  S.  404.  vgl.  S.  228. 

Wittingau:  Mitth.  d.  Vereins  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Bochmen  1878, 
S.  220  ff.  v.  Loserth. 


444  Necrologien. 

Bisthum  Olmüz. 

Olmüz,    Domcapitel:    Arch.  d.  W.  Ak.  LIX,   639—657;    LXV,   231—254; 

Minoriten:  Loserth  ib.  S.  231— 254. 
Hradisch:    Dobner,  Mon.  III,   9—19;   vgl.  Mein ert,  Wiener  Jahrb.  XLVIII, 

Anz.  S.  57. 

Bisthum  Halberstadt. 

Halberstadt,  Dom:  Mooyer  in  d.  N.  Mitth.  d.  thür.-sächs.  Vereins  VIII,  3, 
58;  St.  Bonifaz:  G.  Schmidt  in  d.  Zeitschr.  d.  Harzvereins,  VI  (1873) 
3.  u.  4.  Heft,  aus  d.  13.  u.  14.  Jahrhundert.  St.  Johannis-Kloster, 
Fragment  ed.  0.  v.  Heinemann,    Zeitschr.  d.  Harzvereius  II,  2,  1 — 14. 

Drübeck:  Zeitschrift  des  Harzvereins  III  (1870)  S.  381—392.  453—487. 

Huisburg:  Ed.  Jacobs,  Das  Todtenbuch  des  Kloster  Huisburg,  in  der  Zeit- 
schrift des  Harzvereins  V,  1872. 

Ilsenburg:  Leibn.  SS.  III,  684. 

Quedlinburg:  Mooyer  in  d.  N.  Mittheilungen  VIII,  3,  46.  70.  Dahin  gehört 
vielleicht  auch  das  Fragment  S.  83—87. 

Wienhusen:  Zeitschrift  des  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1855  S.  183, 
vgl.  371,  von  H.  Boettger. 

Bisthum  Verden. 

Verden:  Pratje,  Altes  und  neues  aus  Bremen  u.  Verden  IX,  263;  ed.  Hol- 
stein, Arch.  d.  V.  f.  Gesch.  d.  Herzogth.  Bremen  u.  Verden  zu  Stade, 
XI  (1886)  S.  146-192. 

Lüneburg,  St.  Michaelis:  Wedekind,  Noten  III;  S.  Maria  fratrum  Minorum : 
Gebhardi,  Hist.  geneal.  Abhandlungen  IV,  215. 

Bisthum  Hildesheim. 

Hildesheim,  Dom:  Leibn.  SS.  I,  763;  Vaterl.  Archiv  f. Niedersachsen  (1840) 
I,  67.  St.  Michaelis:  Leibn.  SS.  II,  103;  vgl.  Mooyer,  N.  Mitth.  VIII, 
3,  68;  Archiv  des  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1842.  1843.  Ein 
Fragment  Arch.  VII,  416. 

Amelungsborn:  Arch.  f.  Niedersachsen  1877,  S.  6  ff.  v.  Dürre. 

Braunschweig,  St.  Blasien:  Fragment  bei  Wedekind,  Noten  I,  423;  Dürre, 
Die  beiden  ältesten  Memorienbücher.  Arch.  f.  Niedersachsen  1884. 

Derneburg  (nicht  Dorstadt):  Mooyer  im  Archiv  des  histor.  Vereins  f.  Nieder- 
sachsen 1849,  vgl.  1850  S.  368,  1851  S.  68.  Zeitschrift  des  Harz- 
vereins HI  (1870),  S.  381—392.  Nach  Dürre  ib.  VII  (1874),  S.  178 
bis  188  gehört  es  nach  Derneburg;  so  auch  v.  Heinemann,  Wolfenb. 
Hss.  II,  14. 

Marienberg  bei  Helmstedt:  Zeitschrift  des  Harzvereins  XV,  202—204  von 
0.  v.  Heinemann. 

Woeltingerode:  Mooyer  im  Archiv  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1851 
S.  48—71. 


A4 


K 


Necrologien.  445 


Bisthum  Paderborn. 

Paderborn,  Dom:  Zeitschr.  f.  Gesch.  Westfalens  X,  115 — 167;  vgl.  Scheffer- 
Boichorst,  Annales  Patherbrunnenses  S.  73  Anm.   1. 

Abdinghof:  erwähnt  von  Scheffer-Boichorst  1.  c.  S.  32. 

Geseke:  Seibertz,  Quellen  d.  Westphäl.  Gesch.  III,  298—318. 

Neuenheerse  (Herisi):  Wilmans,  Kaiserurkunden  der  Provinz  Westfalen  I, 
504,  Auszug;  Zeitschr.  f.  Westf.  Gesch.  XXXVI,  2,  29  ff.  von  Evelt. 

ERZBISTHÜM    COELN. 

Sprengel  von  Cöln. 

Cöln,  Dom:  Lacomblet,  Archiv  f.  Gesch.  des  Niederrheins  II,  10—22.  Ein 
anderes  von  Mooyer  ib.  III,  374  ff.  Font.  III,  342.  Nachträge  aus 
einem  dritten  bei  Ennen  u.  Eckertz  II,  604 — 621.  Einige  alte  Notizen 
Forsch.  VI,  123,  vgl.  auch  Ecclesiae  Colon,  codd.  (1874)  cod.  45 
p.  106,  cod.  88  p.  125.  —  St.  Gereon:  Lacomblet,  Arch.  III,  112—117; 
Grofs,  Sanct-Martin:  Font.  III,  347;  vollständig  bei  Jo.  Hub.  Kessel, 
Monumenta  hist.  eccl.  Col.  (1862)  1 — 108,  ohne  Tageszahlen;  Marien- 
greden: Lacomblet,  Archiv  II,  49—65,  vgl.  NA.  XIII,  603—606.;  Pan- 
taleon:  ungedruckt,  im  Berliner  Cod.  Boruss.  qu.  234:  Memorienbuch 
des  Stifts  St.  Ursula  ed.  Dornbusch  in  d.  Annalen  d.  hist.  V.  f.  den 
Niederrhein  28.  29.  (1876)  S.  49—85.  —  Im  9.  Heft  d.  Mitth.  aus  dem 
Stadtarchiv  von  Cöln  verzeichnet  Korth  die  dort  vorhandenen  Necro- 
logien aus  21  Stiftern  der  Stadt;  ib.  X,  91  wird  ein  Necr.  von  St.  Cu- 
nibert  nachgewiesen. 

Brühl,  Franciscaner:  Ann.  f.  d.  Niederrh.  XXXIV  (1879)  S.  105—123,  von 
Virnich. 

Deutz :  Lacomblet,  Archiv  V,  265. 

Düsseldorf:  Lacomblet,  Archiv  III,  126—129. 

Essen:  Archiv  f.  Geschichte  des  Niederrheins  N.  F.  I,  63—84. 

Gerresheim:  Archiv  f.  Geschichte  des  Niederrheins  N.  F.  I,  90 — 102. 

Gladbach:  Font.  III,  357.  Auszug  bei  Eckertz  und  Növer,  Gladbach 
S.  309.  Vollst,  von  G.  Eckertz,  Zts.  d.  Aachener  Geschichtsvereins  II, 
191  ff.  u.  in  bes.  Ausgabe. 

Grafschaft:  Seibertz,  Quellen  d.  Westf.  Gesch.  III,  422—460. 

Kaiserswerth:  Lacomblet,  Arch.  III,  117 — 126. 

Kentrop  bei  Hamm  an  der  Lippe:  Archiv  f.  Geschichte  d.  Niederrheins 
N.  F.  I,  102-110. 

Marienstatt,  Cist.  auf  dem  Westerwald:  Auszug  bei  Lotz,  Die  Baudenkm. 
im  Reg.-Bez.  Wiesbaden  (Berlin  1880)  S.  315  n. 

Rolandswerth:  Auszug  bei  Flofs,  Das  Kloster  Rolandswerth,  1868. 

Siegburg:  Annalen  des  hist.  Vereins  f.  d.  Niederrhein  1860  S.  221 — 225, 
von  Eckertz. 


446  Necrologien. 

Wedinghausen  bei  Arnsberg:  Seibertz,  Landes-  u.  Rechtsgesch.  v.  West- 
falen I,  251—255. 

Werden:  Leibn.  SS.  III,  747.  Daraus  Font.  III,  389,  vgl.  Martene,  Coli. 
VI,  679.     Notizen  aus  einer  Berliner  Handschrift  Arch.  VIII,  842. 

Xanten:  Binterim  und  Mooren,  Die  alte  und  neue  Erzdiöcese  Köln  I,  375; 
Notizen  aus  einem  Necrolog  SS.  XIII,  43 — 45. 


Bisthum  Lüttich. 

Lüttich:   Diptychon  Leodiense  (Verbrüderungsbuch)    ed.  Wilthemius,    1659 

folio.    Schuermans,  Le  diptyque  consulaire  de  Liege,  Bull,  des  Comm. 

roy.  d'art  et  d'archeologie  1884.    Fragment  d'un  obituaire  du  XII.  siecle. 

Bull,  de  Liege  IX,  511. 
Aachen:    Necrologium    b.  Mariae  Virginis  Aquensis    ed.  Quix,  1830,  4.  — 

Windesheimer    Chorherren    in    Aachen:    J.  Greving,   Zts.  d.  Aachener 

G.V.  1891,  S.  61  ff. 
Andennes,    Chapitre  d'Andennes  :    Analectes    pour  servir  ä  l'hist.  eccl.  de 

Belgique  XV. 
Brogne:  Obituaire  de  l'abb.  de  Brogne  ou  de  Samt-Gerard,  ib.  XVIII. 
Burtscheid:    einige    Aebtissinnen    bei    Roth    in    Vollmöllers  Rom.   Forsch. 

VI,  494. 
Floreffe:  Analectes  XIII. 
Heinsberg:    Meyer  u.  Erhard's  Zeitschr.  V  (1842)  134—200,  von  Quix.   Zts. 

d.  Aachener  G.  V.  I,  248-286,  v.  Kessel. 
Münsterbilsen :   Bulletin  de  Tlnstitut  archeologique  Liegeois  XII,  1,  S.  27. 
Namur,  La  Paix-Notre-Dame:  Analectes  XVI,  433. 
Saint-Trond:  Anal.  XVI,  313. 
Wenau:  Zeitschr.  d,  Aachener  Geschichtsvereins  IV,  251 — 317,  von  E.  v. 

Oidtmann. 

Bisthum  Utrecht. 

Utrecht,  Dom:  Einige  sehr  alte  Notizen  NA.  II,  291—293.  Matthaeus, 
Fundationes  et  fata  ecclesiarum  Ultraj.  S.  34  (Fragmente,  spät). 
Todestage  einzelner  Bischöfe  aus  einem  Liber  memor.  eccl.  maj.  bei 
Matthaeus  de  rebus  Ultraj ectinis.  —  St.  Peter:  Matthaeus,  Fundatt. 
p.  116;  Salvator:  ib.  75—108.  Neue  Ausg.  im  Archief  voor  de  Gesch. 
van  het  aartsbisdom  Utrecht,  11  u.  12  deel  (1882,  1883). 

Blumenthal  (Nova  lux)  bei  Utrecht :  Bijdragen  en  Mededeelingen  IX, 
222—353. 

Egmond:  Van  den  Bergh,  Oorkondenbok  van  Holland  I,  332. 

Elten:  Het  necrologium  en  het  tynsboek  van  het  adelyk  Jufferenstift  te 
Hoog-Elten,  ed.  Kist,  Leyden  1853;  vgl.  über  die  Gräfin  Liutgardis 
von  Hamaland  Holder-Egger,  Waitz-Aufsätze  S.  658. 


Necrologien.  447 

Bisthum  Münster. 
Münster:    s.  Ficker,  Die  Münsterischen  Chroniken  S.  XLV.  LH.     Necrolog 

der  Fraterherren,  Zts.  d.  hist.  V.  zu  Münster,  VI. 
Feldwirth  (Filwerth)  in  Friesland:  Acta  SS.  Iul.  VII,  178. 
Marienfeld:    v.  Ledebur  in   Dorows  Denkmälern   alter  Sprache  und  Kunst 

II,  123—232. 
Notteln:    R.    Wilmans    in    der    Zeitschr.  f.  vaterl.  Gesch.     (Münster  1857) 

VIII,  158. 
Vreden :    benutzt   von   F.  Tenhagen  über  die  ältesten  Aebtissinnen,  Zts.  f. 

Gesch.  u.  Alt.  Westf.  XLVIII,  141  ff. 
Unbekanntes  Nonnenkloster:  Bresslau,  NA.  III,  137,  vgl.  S.  102  u.  659. 

Bisthum  Osnabrück. 
Osnabrück:  Mittheilungen  d.  hist.  Vereins  f.  Osnabrück  IV,  1—231. 

Bisthum  Minden. 

Hameln:  Urkundenbuch  von  0.  Meinardus  I  (1887)  S.  609— 632. 

Möllenbeck:  Schannat,  Vind.  I,  138 — 142.  Schrader  in  Wigands  Archiv 
f.  d.  Gesch.  Westfalens  V,  432.  Mooyer  in  Meyer  und  Erhards  Zeit- 
schrift II,  1—105.    III,  89. 

Visbeck :  Font.  IV,  495—500,  vgl.  Scheffer-Boichorst,  Ann.  Patherb.  S.  193. 
Hs.  in  Hannover  n.  190  bei  Bodemann  S.  30. 


ERZBISTHUM  HAMBURG -BREMEN. 

Sprengel  von  Bremen. 
Bremen:  Mooyer  im  Vaterl.  Archiv  f.  Niedersachsen  1835  S.  282—309. 
Hamburg:    Langebek,    SS.  Dan.  V,  387.      Neue  Ausgabe  von  Koppmann, 
Zeitschr.  f.  Hamb.  Gesch.  N.F.  III,  21—183. 

Bisthum  Lübeck. 
Lübeck,  Marienkirche:  Wehrmann,  Zts.  f.  Lüb.  Gesch.  VI  (1890)  S.  49— 160, 

u.  bes.  Ausgabe. 
Cismar:    Quellensammlung  d.  Ges.  f.  Schi.  Holst.  Lauenb.  Gesch.  IV  (1874) 

S.  272—395  von  K.  Kohlmann. 

Bisthum  Schwerin. 
Neuenkamp:    Ledeburs  Archiv  XVI,  33.     Fragment.  Pomm.  ÜB.  I   (1877) 

S.  504-516. 
Rostock,  Dominicaner:  Fragment  ed.  Krause,  Rostocker  Progr.  1875. 

Bisthum  Kammin. 
Kammin:    Ledeburs  Archiv  XVIII,  97 — 117. 
Colbatz:  Pomm.  Urkundenbuch  I  (1877)  S.  493— 496. 
Marienkron,  Kartäuser-Kl.  b.  Rügenwalde:  Balt.  Stud. XXVI  (1876)  Heft  1. 


448 


Neurologien. 


ERZBISTHUM    MAGDEBURG. 


Sprengel  von  Magdeburg. 

Magdeburg:    aus    einer    Handschrift    von    Stablo   (Mart.  Coli.  VI,  668)  N. 

Mitth.  X,  2,  259 — 265  von  Dümmler;    Anniversarien   der  Erzbischöfe 

ib.    265—267    von  Winter.    —    St.  Sebastian:    Magdeb.  Geschichtsbl. 

1874,  2.  Heft,  von  Holstein. 
Halle,  St.  Moritz:  Würdtwein,  Subsidia  dipl.  X,  407—412. 
Neuwerk  bei  Halle:  Geschichtsbl.  f.  Magd.  v.  K.  Janicke  IT,  2  (1867)  S.  154 

bis  178;  von  Ed.  Bodemann. 

Bisthum  Merseburg. 

Merseburg:  Hesse  in  Hoefer's  Zeitschr.  f.  Archivkunde  I,  101;  neue  Aus- 
gabe von  Dümmler,  N.  Mitth.  XI,  223—264.  Ein  jüngeres  N.  Mitth. 
II,  229  von  Förstemann,  vgl.  Mooyer  ib.  V,  1,  49-81.  160.  V,  3,  89 
bis  99.     VI,  2,  83—106.     Wilmans  im  Arch.  XI,  144. 

Pegau:  Mencken,  SS.  II,  118  —  155.  Fragmente  bei  Endlicher,  Codd. 
philol.  p.  148. 

Bisthum  Naumburg. 

Naumburg:    Schöttgen    et    Kreifsig    II,    160.     Lepsius,  Kl.  Schriften  I,  31 

bis  33.     Fragment  ed.  Perlbach,  Neue  Mitth.  XVII,  249—255. 
Zeitz:  Schöttgen  et  Kreifsig  II,  152. 

Bisthum  Meifsen. 

Meifsen:  Schöttgen  et  Kreifsig  II,  97. 

Altenzelle:  Bericht  der  deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  1841  S.  1  ff.,  vgl. 
1844  S.  27.     Archiv  f.  Sachs.  Geschichte  1843  S.  24. 

Chemnitz:  Mencken,  SS.  II,  118;  CD.  Sax.  Reg.  VI.  von  Ermisch. 

Görlitz,  Minoriten:  SS.  Rerum  Lusat.  (1839)  I,  265  von  Köhler.  Verbesse- 
rungen von  E.  Wernicke  im  N.  Laus.  Mag.  L.  (1873)  121  —  128. 

Pirna,  Dominicaner:  Berichte  der  deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  1843 
S.  19  von  Leyser. 


ERZBISTHUM  GNESEN. 

Bisthum  Breslau. 

Breslau,  St.  Vincenz:  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Gesch.  u.  Alterthum  Schlesiens 
X,  411—480  von  Paul  Hein  aus  d.  Berlin.  HS.  theol.  lat.  f.  378  (Arch. 
VIII,  843  irrig  auf  Posen  bezogen);  Kreuzstift:  Zeitschr.  VII,  303  bis 
343  von  Arthur  König. 

Böhmisch-Schlesisches  unbekannter  Herkunft,  Zeitschr.  V,  107 — rl  15. 


Necrologien.  449 

Schlesisches,  aus  verschiedenen  Quellen  gesammelt  von  C.  Grünhagen,  Zeit- 
schrift IX,  182-190. 
Czarnowanz:  Zeitschrift  I,  226. 
Heinrichau:  Zeitschrift  IV,  278—310. 
Kamenz:  Zeitschrift  IV,  311 — 337. 
Leubus:  Wattenbach,  Monumenta  Lubensia  (Bresl.  1861)  S.  35 — 59. 

Bisthum  Krakau. 

Krakau:  Lotowsky,  Katalog  biskupow  Krakowskich   Tom.  IV  Krak.  1853; 
neue  Ausgabe  in  Bielowski's  Monumenta  Poloniae  II,  905  ff. 

Bisthum  Posen. 

Lubin:    Verbrüderungsbuch  bei  Zeifsberg:    Kleinere  Geschichtsquellen  Po- 
lens, 1877. 

Bisthum  Leslau. 
Leslau:  Ephemerides  Wladislavienses  MG.  SS.  XIX,  687—689. 


ERZBISTHUM  RIGA. 

Riga,  Dom:    Notae  necrol.  in  einem  Missale   s.  XV.     G.  Berkholz  in   SB. 

d.  Ges.  f.  Gesch.  d.  Ostseeprovinzen  Russl.  1874,  S.  5. 
Lond,  Oliva:  s.  NA.  XIII,  248. 
Ronneburg:  SS.  Rer.  Pruss.  II,  147  von  Strehlke. 
Deutsch-Ordens-Necrologe:  Perlbach,  Forsch.  XVII,  357—371. 
Pomesanien:  ib.  S.  368. 

Samland,  Todestage  der  Bischöfe,  ib.  S.  370. 
Die    Ermläudischen    Anniversarienbücher    (Frauenburg,    Gutstadt,  Pelplin): 

Monumenta  Warm.  III,  2.  SS.  I,  208—299  von  Woelky.   Pelplin  auch 

Mon.  Pol.  IV. 

ERZBISTHUM  GRAN. 

Jaszö:  Wattenbach,  Bemerkungen  zu  einigen  öst.  Geschichtsquellen,  Archiv 
d.  Wiener  Ak.  XLII,  497-499. 


ERZBISTHUM    SALZBURG. 

Sprengel  von  Salzburg. 

(herausgegeben  von  F.  Herzberg-Fränkel,  M.  G.  Necrologia  II,  1892.) 

Salzburg:    Monumenta  Boica  XIV,  365  —  405.     Ausgabe   von   Wiedemann 

im  Arch.  d.  W.  Ak.  XX VIII,  1  —  286  unbrauchbar,   s.  Lit.    Centralbl. 

1863  S.  292-296.     Auszug  Font.  IV,  576-583;  Fragment  des  Necrol. 

d.  Dombrüderschaft   im   Arch.  d.  W.  Ak.   Llll,  245—258.     Necrol.   II, 

Wattenbach,  Geschichtsqnellcn.    T.  G.  Aufl.  29 


450  Neurologien. 

77—199.  —  St.  Erendrudis   ib.  65—76.  —  St.  Peter:  A.  v.  Meiller  im 

Arch.  d.  W.  Ak.  XIX,   209  —  396.     Vgl.  das    Verbrüderungsbuch    des 

Stiftes  St.  Peter,  mit  Erläuterungen  von  Th.  G.  v.  Karajan,  Wien  1852. 

in  folio.  —  Necrol.  II,  1—64;  NA.  XII,  53—107  (verfasst  784). 
Admunt:  Pez,  SS.  Her.  Austr.  II,  198 — 210.    Ein  anderes  von  A.  v.  Meiller 

im   Arch.  d.  W.  Ak.  XIX,    407-410.      Friefs  ib.  LXVI,   315—506. 

Necrol.  II,  281-309. 
Au,  bei  Gars:  MB.  I,  250.    Fragment,    Necrol.  II,  199. 
Baumburg:  MB.  II,  264—268.     Necrol.  II,  237—255. 
Chiemsee:  Necrol.  II,  203—212. 

Eberndorf  im  Jaunthal:  Schroll  im  Wiener  Archiv  LXVIII  (1886). 
Gars:  Necrol.  II,  201. 
Gurk:    B.  Schroll    im    Wiener    Arch.  LXXV,    237  ff.    (1889).     Necrol.  II. 

448—454. 
Michaelbeuern:   Filz,  Gesch.  v.  M.  S.  860.     Necrol.  II,  212—216.  467. 
Millstatt :     B.  Schroll    im    Wiener    Arch.  LXXXVII   (1891)   S.  265  —  317. 

Necrol.  II,  455-466. 
Ossiach:  B.  Schroll  im  Wiener  Arch.  LXXIII  (1888)  S.  275  ff?  Necrol.  II, 

443-447. 
Raitenhaslach:  Necrol.  II,  255—283. 
Reun :   Pusch  et  Froelich,   Diplomataria  Styriae  II,   333;    Fragmente  eines 

älteren,   Arch.  d.  W.  Ak.  LVIII,   217—229,   v.  Zeifsberg;  Necrol.  II, 

341—356. 
Sanct  Lambrecht:  M.  Pangerl  in  den  Fontes  Rer.  Austr.  Dipll.  XXIX.  1869: 

Necrol.  II,  309-340. 
Sanct  Paul  im  Lavantthal:  B.  Schroll  im  Arch.  f.  Gesch.  v.  Kärnten,  10.  Jahr- 
gang 1886. 
Seckau:     Pusch    et    Froelich,    Diplomataria   Styriae    II,    353;    Necrol.  II, 

356-435. 
Seitz:  Pusch  et  Froelich  p.  329. 
Seon:  MB.  II,  158—162;  Necrol.  II,  217—236. 
Vorau:  Necrol.  II,  436—440. 

Bisthum  Brixen. 

Wüten :  Hefs,  Monumenta  Guelfica  S.  292,  wenige  Excerpte.  Seb.  Brunner 
im  Arch.  d.  W.  Ak.  XLII,  233 — 250,  chronologisch  geordnete  Aus- 
züge 1142—1698  aus  einem  Necrol.  s.  XVIII. 

Bisthum  Freising. 

Freising:    Eckhart,    Comment.    de   Orient.  Francia  1,   835:   Font.  IV,   586. 

Ein   anderes   von   Rudhart,    Quellen  u.  Erörterungen   VIT,   441—481; 

Font.  IV,  586 — 588.    Necrol.  eccl.  cath.  saec.  X.  XL  ed.  Dümmler  e  cod. 

Monac.  6421,  Forsch.  XV,  162—166. 
Ebersberg:    Oefele  II,    15 — 18.     Ausg.  v.  W.  Scherer,    Wiener  SB.  Uli, 

232-238. 


Neurologien.  451 

Fürstenfeld:  MB.  IX,  337,  mangelhafte  Auszüge.  Ueber  das  wiedererwor- 
bene Ms.  M.  Mayer,  Zur  Kritik  der  Fürst.  Geschichtsquellen  S.  5. 

Landshut,  Franciscaner:  Primbs  in  d.  Verhandl.  d.  hist.  Vereins  f.  Nieder- 
bayern XIII,  4.  Heft. 

Raitenbuch:  angeführt  von  Greinwald,  Origg.  Raitenb.  Monachii  1797. 

Tegernsee:  Oefele  I,  G32— 638.  Freyberg,  Gesch.  v.  Tegernsee  S.  203— 220, 
vgl.  Mooyer  in  d.  Westfäl.  Prov.-Blüttern  ITT,   1. 

Undersdorf:  MB.  XIV,  168-170. 


Bisthum  Regensburg. 

Regensburg,  St.  Emmeram :  MB.  XIV,  365,  vgl.  Mooyer  in  d.  Verhandl.  f. 
Oberpfalz  XIII,  275—405  u.  NA.  II,  449;  Niedermünster:  Gerbert,  Mo- 
numenta  Vet.  Liturgiae  I,  492—500;  Font.  III,  483,  vgl.  Archiv  IV, 
315;  Obermünster:  Font.  III,  485;  Minoriten,  Verhandl.  f.  Oberpfalz 
XXV,  von  K.  Primbs;  S.  Jacobi,  in  neuer  Abschrift  benutzt  von  Hugo 
Graf  Walderdorff,  Hist.  V.  v.  Oberpfalz  und  Regensburg  XXXIV. 

Münchsmünster:  A.  Nagel,  Notitiae  origines  domus  Boicae  illustrantes 
(Mon.  1804)  p.  LIII— LVI. 

Oberaltaich:  MB.  XII,  278.  Ein  älteres  in  unbrauchbarer  Ausgabe  von 
Wiedemann  im  Archiv  d.  W.  Ak.  XXVI,  313—354,  vgl.  Lit.  Centralbl. 
1863  S.  174;  Font.  IV,  572-576,  vgl.  p.  LXII. 

Prüfening:  MG.  SS.  XVII,  609. 

Seldenthal:  MB.  XV,  506-550. 

Seligenpforten  im  Nordgau:  Hist.   dipl.  Magazin  fürs  Vaterland  I,  37 — 67. 

Weltenburg:  MB.  XIII,  473—493;  Font.  IV,  568-572. 

Windberg:  MB.  XIV,  90-108. 

Bisthum  Passau. 

Passau:  Fragment  bei  Dümmler,  Piligrim  von  Passau  S.  101. 

Dürrenstein:  Duellii  Miscellanea  I,  164 — 167. 

Gaming:  Zeifsberg,  Zur  Gesch.  d.  Karthause  Gaming,  Arch.  d.  W.  Ak.  LX, 
563-596. 

Heiligenkreuz:  Zeitschr.  f.  Oesterr.  Gym.  XXVIII  (1877)  S.  1—11,  v.  Zeifs- 
berg, Fragmente. 

Klein  Mariazell :  Wiss.  Studien  u.  Mitth.  a.  d.  Bened.  Orden,  Heft  2,  S.  106 
bis  120,  v.  V.  Staufer. 

Klosterneuburg:  Fischer,  Geschichte  von  Klosterneuburg  II,  101.  Zeibig 
im  Arch.  d.  W.  Ak.  VII,  271. 

Lilienfeld:  Hanthaler,  Rccensus  Archivi  Campilil.  II,  423—438,  mit  Fäl- 
schungen.  Neue  Ausg.  von  Zeifsberg,  Fontes  Rer.  Austr.  II,  XLI,  1 
bis  238. 

Melk:  H.  Pez,  SS.  Rer.  Austr.  I,  304.  Zwei  Fragmente  in  Keiblingers  Ge- 
schichte von  Melk  1,  1160     1165. 

29  * 


452  Necrologien. 

Niederaltaich :  Handschriftlich  in  Jena,  Arch.  XI,  509.  Benutzt  von  Jaffe, 
MG.  XVII,  351:  Dümmler,  Otto  I,  S.  160.  Anderes  in  Wien,  Arch. 
X,  488. 

Ranshofen:  MG.  SS.  IV,  791,  vgl.  auch  Pritz,  Geschichte  von  Ranshofen, 
im  Arch.  d.  W.  Ak.  XVII,  377  ff. 

Hetz,  Dominicaner:  Duellii  Miscellanea  II,  169.  Seb.  Brunner,  Der  Pre- 
diger-Orden in  Wien  und  Oesterreich,  Wien  1867. 

Sanct  Andrä  an  der  Traisen:  A.  v.  Meiller,  Arch.  d.  W.  Ak.  XIX,  397 
bis  407. 

Sanct  Florian:  Stülz,  Geschichte  von  St.  Florian  S.  193.  Ein  anderes  im 
Notizenblatt  d.  W.  Ak.  1852  S.  291.  Dahin  gehört  auch  das  Necrol. 
des  Pfarrers  Albert  von  Waldkirchen  MG.  SS.  IX,  754.  Albin  Czerny, 
Das  älteste  Todtenbuch  des  Stiftes  St.  Florian,  Arch.  d.  W.  Ak.  LVI, 
257—368.  Necrol.  Calender  Heinrichs  II,  Probst  von  St.  Florian  1313 
bis  1321,  nebst  3  anderen  Fragmenten,  Beitr.  z.  Landesk.  v.  Ob.-Oest. 
XXX  (1878)  von  Czerny. 

Sanct  Polten:  Duellii  Exe.  geneal.  p.  125 — 166.  Fontes  Rer.  Austr.  Dipl. 
XXI,  441 — 753  von  Wiedemann  vollständig,  aber  unzuverlässig.  Be- 
richtigungen und  Ergänzungen  von  Fr.  Stark  im  Arch.  d.  W.  Ak. 
XXXIV,  371-433;  vgl.  XXXV,  457—462.  XXXVI,  473-483.  Lit. 
Centralbl.  1865  S.  1209-1211. 

Spital  am  Pyrn :  B.  Schroll  im  Arch.  d.  Wiener  Ak.  LXXII  (1888)  S.  201  ff. 

Wien,  Schotten:  H.  Pez,  SS.  Rer.  Austr.  I,  695,  vgl.  SB.  XIII,  107;  Mi- 
noriten  ib.  II,  471 — 519;  Dominicaner  (1309 — 1867)  in  dem  oben  an- 
geführten Buch  von  Seb.  Brunn  er. 

Wilhering:  Stülz,  Geschichte  von  Wilhering,  S.  435 — 445. 


ERZBISTHUM    TRIER. 

Sprengel  von  Trier. 

Trier:  Diptychon  aus  ottonischer  Zeit  ohne  Tage,  nur  Namen,  neue  Ausg. 
mit  Facs.  von  Fr.  X.  Kraus,  Westd.  Zts.  IV,  138—156.  Stellen  aus 
dem  verschollenen  alten  Necrol.  der  Domkirche  in  Browers  Annales 
Treverenses,  s.  Dümmler  in  den  N.  Mitth.  XI,  228,  Anm.  16.  R.  Wil- 
mans,  Kaiserurkunden  S.  432  Anm.  6;  das  von  Sauerland  e  miss.  Bamb. 
im  Hist.  Jahrb.  VIII,  475 — 487  mitgetheilte  gehört  nach  Paderborn.  — 
St.  Maximin:  Hontheim,  Prodr.  II,  p.  966— 994,  vgl.  Arch.  XI,  290. 
Kraus  im  Jahrb.  d.  Alterthumsfreunde  im  Rheinland,  Heft  57 — 58. 

Arnstein:  Auszug  bei  Wenck,  Hist.  Abhandlungen,  1.  Stück,  S.  138  —  140: 
Kremer,  Origines  Nass.  II,  410—412.  Besser  bei  Schliephake,  Gesch. 
von  Nassau  I,  477—481.  Becker,  Nassauische  Annalen,  XVI,  Wiesb. 
1881. 

Dietkirchen  an  der  Lahn:  E.  Joachim,  Nass.  Annalen  XIV,  2.  Heft. 

Echternach:   Reiffenberg,   Monuments  de  Namur  VII,   210—232.     Publica- 


Neurologien.  453 

tions   de   Plnstitut  de  Luxembourg  XXVII   (N.  S.  V)  1873  p.  140  bis 

169,  ein  jüngeres  von  1511.    Ein  anderes  e  cod.  Paris  von  Sackur,  NA. 

XV,  132-136. 
Laach:  Dronke  in  Mone's  Anzeiger  1839  S.  610.    Wegeier,  Geschichte  des 

Klosters  Laach,  Bonn  1854.     Ein  älteres  von  dems.  in  d.  Annalen  d. 

hist.  V.  f.  d.  Niederrhein  1874,  Heft  26.  27.  S.  268—316. 
Limburg  an  der  Lahn,  Franciscaner:  Wenck,  Urkundenbuch  I,  83. 
Prüm:  Annales  necrologici  s.  oben  S.  64.    Bemerkungen  zum  Martyrol.  NA. 

IV,  308. 
Rommersdorf,  Prämonstratenser:  Auszug  bei  Wegeier,  Die  Abtei  R.  (Cobl. 

1882),  Orig.  in  d.  Bibl.  zu  Wiesbaden. 
Schoenau,   Nonnen:    Seelbuch   ed.  F.  W.  E.  Roth  in  Studien  u.  Mitth.  aus 

dem  Bened.  Orden  IV  (1883)  S.  357  ff. 
Wetzlar:  Wigand,  Wetzlarische  Beiträge  I,  65—69. 

Bisthum  Metz1). 

Metz:  Dümmler,  Forsch.  XIII,  596—600  aus  Jaffe's  Nachlafs;  S.  597  ein 
Fragment  s.  IX  mit  Himildruda  comitissa  zum  27.  März.  Auszug  aus 
dem  Necr.  S.  Petri  Mett.  in:  Voyage  lit.  de  deux  Religieux  Bened. 
II,  115. 

Bisthum  Toul. 

Etival:   Auszug  in  Annales   de   l'Est  VI,   27  ff.     Eine  Seite   facs.  in    den 

Schrifttafeln  von  Prou. 
Pont-ä-Mousson :  Auszug  im  Voyage  lit.  de  deux  Religieux  Bened.    (Paris 

1717)  II,  115. 
Remiremont:  Font.  IV,  462. 

Bisthum  Verdun. 

Verdun:  Necrologien  von  Sainte-Croix  und  Saint-Vannes  oft  benutzt  von 
Clouet,  Hist.  de  Verdun,  1867.  Ein  Necrol.  von  St.  Vannes  hat  Sackur 
herausgegeben  NA.  XV,   126—132;  vgl.  W.  Lippert  ib.  S.  608—610. 


II.   Burgund. 

(Vgl.  das  eben  angeführte  Werk  von  A.  Molinier.) 

ERZBIST  H  UM    ARLES. 

Marseille:  Obituaire  de  St.  Victor  im  Repertoire  de  la  Societe  de  statistique 
de  Marseille  XXXV  (1872)  S.  177  ff. 

')  Ueber  diese  drei  Bisthümcr  gibt  A.  Molinier,  Les  Obituaires  Francais  au  Moyen 
Age  (Paris  1890)  S.  213-218  den  Nachweis  der  Handschriften. 


454 


Neurologien. 


ERZBISTHÜM  BESANQON. 

Besancon :  Chifflet,  Vesontio  IT,  157  giebt  ex  vet.  Missali  S.  Stephani,  No- 
mina amicorum  nostrorum  defunctorum ,  bis  auf  Poppo  von  Aquileja 
(•j-  1042);  vgl.  auch  Chifflet,  Lettre  touchant  Beatrice  comtesse  de 
Chalon  (Dijon  1656)  S.  155.  Martyrologium  Vesont.  mit  einigen  Sterbe- 
daten bei  Dunod,  Hist.  de  Besancon  I,  Preuves  p.  XIV  ss.  Saint- Vin- 
cent bei  Dunod,  Hist.  de  Bourgogne  II.  —  Chäteau-Chalon:  Obituarium 
Castri-Caroli,  Mem.  de  la  Soc.  du  Jura,  II.  Serie,  I,  137  ff.  von 
Vayssiere,  1875.  —  Villars:  Sackur,  Cluniac.  I,  383—386. 

Basel:  Font.  IV,  145—147.  —  Pairis:  Citat  aus  d.  Jahr  1168,  Schweiz. 
Geschichtsforscher  X,  45,  Anm. 

Lausanne:  Mem.  et  Doc.  de  la  Suisse  Romande  XVIII,  89 — 246,  vom 
Abbe  Gremaud.  —  La  Chartreuse  de  la  Lance,  von  dems.  ib.  XXXIV 


(1879). 


ERZBISTHÜM  LYON. 


Lyon:  Todestage  der  Erzbischöfe,  Arch.  VII,  213.  Obituarium  Lugdunensis 
ecclesiae,  par  M.  Guigue,  Lyon  1867,  4.  Obituarium  S.  Pauli  Lugd., 
par  M.  Guigue,  Bourg-en-Bresse  1872;  S.  Petri  von  dems.,  Lyon  1880. 

—  Saint-Tbomas  en  Forez:  Lyon  1873  von  Gras. 

Autun :   im    Cartulaire   de  Teglise  d'Autun,   par  M.  de  Cbarmasse,  p.  327. 

—  Hugonis  Flaviniacensis  Necrologium  MG.  SS.  VIII,  285—287. 
Beaune:    Martyrologe   de  l'insigne   collegiale  N.  D.   de  Beaune,  par  l'abbe 

Boudrot.     Mem.  de  la  Soc.  etc.  de  Beaune,  t.  3—5.  Reg.  t.  7. 
Saint-Pierre-hors-les-murs   de  Macon:   Necrol.  eccl.  S.  Petri  Matisc.  publie 

par  M.  Guigue  1874. 
Dijon:  Necrol.   S.  Benigui  in    d.   oben   angef.  Lettre  von  Chifflet,   S.  207. 

Necrol.    S.  Stephani  Divion.   in  Fyot,   Hist.    de  St.  Etienne    de  Dijon 

(Dijon  1696),  Preuves  p.  251. 
Clairvaux :  Le  tresor  de  Clairvaux,  vom  Abbe  Lalore,  S.  174 — 183. 


ERZBISTHÜM  VIENNE. 

Vienne:  Chevalier,  Hagiologium  Viennense,  Documents  inedits  relatifs  au 
Dauphine  II,  Gren.  1868. 

Grenoble:  Necrol.  des  Dominicains  de  Gren.  cd.  Chevalier,  Doc.  ined.  V, 
Romans  1870,  p.  1  —  15.  —  Saint-Robert-de-Cornillon,  Priorat  von  La 
Chaise-Dieu:  Necrologium  prioratus  S.  Roberti  Cormlionis  0.  S.  B.  ex 
cod.  s.  XIII.  Documents  inedits  relatifs  au  Dauphine,  par  M.  i'Abbe 
Chevalier.     2.  Vol.    Gren.  1868. 

Genf:  Obituaire  de  Feglise  cath.  de  St.  Pierre  de  Geneve,  von  A.Sarrasin. 
Mem.  de  la  Soc.  d'hist.  de  Geneve,    N.  S.  I,    1883.     Memorie   estratte 


Neurologien.  455 

del  necrologio    della  chiesa  di  San  Francesco  di  Ginevra,  s.  XVI,  bei 
Cibrario  e  Promis  p.  350.   —  Talloires  bei  Annecy:  NA.  XI,  102. 
Saint- Jean-de-Maurienne:  Auszüge  aus  zwei  Necrologien  vom  Abbe  Albrieux 
in:    Documents    publies    par    PAcad.   de  Savoie  II    (Chambery    1861), 
p.  335—385.     Auszug  bei  Cibrario  e  Promis  p.  332—339. 


ERZBISTHUM  TARENTAISE. 

Tarentaise:  Zwei  Notizen  Arch.  VII,  176.  Schlechte  Ausg.  des  Calenders 
von  Fleury  u.  Million  im  Recueil  de  mem.  et  doc.  de  la  Val  d'Isere, 
Mem.  II,  437—467. 

Sitten:  Memoires  et  Documents  de  la  Suisse  Romande  XVIII,  247 — 293, 
und  von  der  nahen  Pfarrkirche  zu  Granges  S.  294 — 331,  vom  Abbe 
Gremaud.  —  S.  Mariae  de  Abundantia:  Monumenta  Hist.  Patr.  III, 
325—434. 

Aosta,  Dom:  M.  Hist.  Patr.  SS.  III,  545-668;  Petri  et  Ursi  ib.  517— 540. 
Auszug  bei  Cibrario  e  Promis  p.  342 — 349. 

ERZBISTHILM  AIX. 

Saint-Mary  de  Forcalquier  (Sisteron):  ed.  Joseph  Roman,  Digne  1887. 


III.  Italien. 

ERZBISTHUM  TURIN. 

Turin,  Dom:    Monumenta   Hist.  Patr.  SS.  III,  499—608;    von  S.  Solutore 

213—230;  von  S.  Andrea  193-208,  MG.  SS.  VII,  130. 
Ivrea:  Zwei  Notizen  bei  Dümmler,  Anselm  S.  83  Anm.  1. 
Novalese:  MG.  SS.  VII,  130. 

ERZBISTHUM  GENUA. 

Genua:    Necrol.  von    San   Francesco   di  Castelletto,   Atti  della  Societn   Li- 
gure  X,  387.  —  Ventimiglia:  Miscellanea  di  Storia  Italiaua,  Vol.  V,  72. 

ERZBISTHUM  MAILAND. 

Mailand:    Calendarium  Ambrosianum  bei  Muratori  SS.  I,  2,  235;    Cal.  Si- 

tonianum  ib.  II,  2,  1035. 
Monza :  Frisi,  Memorie  di  Monza  III,   100 — 151. 
Vcrcelli:    Necrol.  Euscbianum,    angeführt  von  Mandelli,  Commune    di  Vcr- 

celli  II,  337. 
Casalc  S.  Evasii:  Monumenta  Hist.  Patr.  SS.  III,  453—510. 
Bergamo:  Miscellanea  di  Storia  Italiana,  Vol.  XIII. 


456 


Necrologien. 


Brescia:  Muratori,  Antt.  V,  759 — 761,  Exe.  ex  necrologio  antiquissimo  mo- 
nialium  S.  Juliae  in  civitate  Brixiana  (Verbrüderungsbuch  s.  IX).  Auch. 
bei  Odorici,  Storie  Bresciana  IV,  70—75.  A.  Valentini,  Codice  necrol. 
liturg.  del  mon.  di  S.  Salv.  e  Giulia  in  Brescia,  trascr.  ed.  £11.  (Brescia 
1887);  leider  sehr  mangelhaft,  nach  Mühlbacher,  Mitth.  d.  Inst.  X, 
469-479. 

Cremona:    NA.  III,  136    von    H.  Brefslau.     Arch.  stör 
26  bis  28,  von  Novati. 


Lomb.    1880,  fasc. 


PATRIARCHAT  VON  AQÜILEGIA. 

Udine:  NA.  III,  135  von  Brefslau. 

Cividale:  NA.  III,  135  von  Brefslau. 

Verona :  S.  Vito  e  Modesto,  saec.  XIII  ex.  bei  Biancolini,  Notizie  delle  Chiese 

di   Verona   VII,    147 — 156.     S.  Trinitatis   in   dess.    Serie   de1   vescovi 

p.  66 — 71.    —    San   Michele   di  Campagna  im   Bisthum  Verona,  saec. 

XIII— XVI,  bei  Biancolini  Notizie,  Va,  194—200. 
Trient:  MG.  SS.  XIII,  368. 
Freudenthal:  Wilkowicz,  Die  Necrologe  der  Karthause  Freudenthal.   Mittb. 

des  Museal  Vereins  f.  Krain,  2.  Jahrg. 


ERZBISTHUM  BOLOGNA. 

Bologna:  Sarti  II,  196-200. 

Modena:    Muratori,    Antt.  III,   725  —  727    (ed.  1740  f.)     NA.  III,  137  von 

Brefslau. 
Piacenza,  S.  Sabini:  NA.  V,  438—442  von  Brefslau. 


TOSCANA. 

Lucca:    Baluzii    Miscellenea    ed.    Mansi    I,    431.  432.     NA.  III,    137   von 

H.  Brefslau. 
Siena:    Ozanam,   Documents   inedits    (Paris  1850)  p.  195—200   mit  vielen 

annalistischen  Notizen. 
Pistoja:  Zacharia,  Bibliotheca  Pistoriensis  I,  90. 
Florenz:  Bandini,  Bibl.  Laur.  IV,  546—555.     Aus  dem  Necrol.  der  Cano- 

nica  Frey,  Berl.  SB.  1883,  I,  699-713. 


ROM. 

San  Pietro  in  Vaticano:  Dudik,  Iter  Rom.  I,  79 — 82. 
Sanctae  Mariae  trans  Tiberim:  NA.  XI,  100,  v.  Brefslau. 
San   Ciriaco   in  Via   lata:    Martinelli,   II   primo   trofeo   della  santiss.  Croce 
(Roma  1645)  S.  145,  vgl.  Arch.  paleogr.  Ital.  II,  1,  tav.  5. 


Neurologien.  457 


UNTERITALIEN. 

Monte  Cassino:  Muratori  SS.  VII,  939—948.     Gattula,  Accessiones  ad  Hist. 

Casinensem  p.  839 — 861. 
La  Cava:  Einige  Notizen  bei  Reifferscheid,  Wiener  SB.  LXXI,  38. 
Atri:  Bindi,  Monuraenti  degli  Abruzzi  1889  s.  NA.  XVI,  644. 
S.  Maria  de  Gualdo:  Montfaucon,  Bibl.  MSS.  I,   132. 
Salerno:  Forsch.  XVIII,  475.     Confraternitätsbuch  mit  Necrol.  von  C.  Abig- 

nenti,  Arch.  stör,  per  la  prov.  Napol.  XIII,  449  ff. 
Lecce:  Forsch.  XVIII,  476. 
Palermo:  Forsch.  XVIII,  471—475.     Alle  von  Winkelmann. 


IV.    Frankreich1). 

ERZBISTHUM  REIMS. 

Reims:   Varin,  Arch.  legislat.   de   la  ville  de  Reims  (1844)  II,   1,  62  ff.  — 

Templiers:   E.  de  Barthelemy,  Mel.  hist.  (Doc.  inedits)  IV,  304—336. 
Laon:    Etwas    daraus    angeführt    von   Ravaisson    im   Catal.    des  Bibl.   des 

Dep.  I,  188. 
Saint-Vaast-d'Arras :  Doc.  inedits  publ.  par  l'Acad.  d'Arras,  N.  7,  von  Van 

Drival;   vgl.  Molinier  S.  211.  —  Anchin:  benutzt  von  Bethmann  zu  den 

Ann.  Aquic.  SS.  XVI,  503—506. 
Amiens:  Necrol.  de  l'eglise  d'A.,  par  l'abbe  Roze,  1885.  —  Corbie:  Aebte 

mit  Todestagen  in  der  Ausgabe  des  Polypticon  Irminonis  von  Guerard, 

S.  338. 
Therouanne:  Duchet  et  Giry,  Cartul.  de  l'eglise  de  Th.  (1881)  p.  307— 329. 

—  Guines:  Franks,  Archaeologia  46,  242  e  psalterio. 
Tournai,  St.  Nicolas  des  pres,  später  St.  Medard:  Mein,  de  la  Soc.  hist.  et 

litt,  de  Tournai  XI,  327-429.  —  Brügge,  St.  Donatian:  G.  Gelliordts 

van    Severen,    Comptes    rendus    de    la  Comm.   roy.   IV.    serie,    XVI, 

283—371. 

ERZBISTHUM  SENS. 

Sens:  Einige  Notizen  im  Anz.  d.  Germ.  Mus.  XXII  (1875),  39,  vgl.  Arch. 

XII,  293;  in  Isidori  Opp.  ed.  Arev.  II,  332.     Fragm.  Bouq.  VII,  275. 

Delisle,  Sacram.  p.  164. 
Paris,  Notre-Dame:  Guerard,  Cartulaire  de  l'eglise  de  Notre-Dame  a  Paris 

IV,  1—207;  Delisle,  Sacram.  S.  372—388,  vgl.  S.  149.  150,  Namen  s. 

IX.  X.  —  Saint-Germain-des-pres:  Bouillart,   Hist.  de  Saint-Germain, 

')  Hierfür  ist  A.  Mulinier,    Les  Ühituaires  Francais    p.  157  —  350,    zu  vergleichen, 
wo  auch  die  handschriftlich  vorhandenen  und  irgendwo  henutzten  nachgewiesen  sind. 


458  Necrologien. 

App.  p.  CVII.  A.  Longnon,  Not.  et  Doc.  publ.  par  la  Soc.  de  l'hist. 
de  France  (1884)  p.  19—55,  Notice  sur  le  plus  ancien  obituaire  de 
Fabb.  etc.  geschr.  858/69  mit  dem  Mart.  von  Usuard,  viell.  von  ihm 
selbst:  der  ursprüngl.  Text  S.  41 — 53  abgedruckt;  die  Namen  geordnet 
u.  erklärt;  S.  55  Liste  der  128  Mönche  unter  Ebroin  841—847.  — 
Saint-Denis:  Felibien,  Preuves  p.  207—219.  Delisle,  Sacram,  p.  388 
aus  dem  Sacram.  Lat.  2290.  —  Argenteuil:  Mabillon,  Acta  SS.  0.  S. 
B.  III,  2,  364.  —  St.  Maur  des  fosses,  Fragm.  ed.  Prou,  Mem.  de  la 
Soc.  de  rhist.  de  Paris  XIV  (1887),  p.  209—238.  —  Corbeil,  Saint- 
Spire:  Mem.  de  la  Soc.  de  Rambouillet  VI,  148—173. 

Chartres :  Cartulaire  de  Notre-Dame-de-Chartres  III  (Chartr.  1865),  1 — 226, 
par  MM.  de  Lepinois  et  Merlet. 

Meaux  :  Verschiedene  bei  Toussaint  Duplessis,  Hist.  de  l'eglise  de  Meaux  II. 

Fleury:  Mart,  Coli.  VI,  650—652. 

Orleans,  St.  Avit:  Vignat,  Cartul.  du  Chapitre  etc.  Orl.  1888. 

Auxerre:  Mart.  Coli.  VI,  685.  Vollständiger  bei  Lebeuf,  Memoires  d'Auxerre 
II.  App.  p.  246—259.  Nouvelle  edition  par  MM.  Challe  et  Quentin, 
IV,  8 — 21.  —  La  Charite  sur  Loire  publ.  par  M.  de  TEspinasse,  1887. 

Troyes :  Collection  des  doc.  inedits  relatifs  ä  la  ville  et  la  Champagne 
merid.  publ.  par  la  Soc.  acad.  de  l'Aube,  Voll.  II  (Troyes  1882)  von 
Lalore.  Vgl.  auch  über  andere  dessen  Collection  des  principaux  obi- 
tuaires  du  dioc.  de  Troyes. 

ERZBISTHÜM  ROUEN. 

Rouen:  Recueil  des  Historiens  des  Gaules  XXIII  (1876),  357—370:  Hospit. 
Mariae  Magdalenae  p.  415.  —  Jumieges:  ib.  417—423.  —  Le  Bec: 
Recueil  XXIII,  576—582,  vgl.  L.  Delisle,  Bibl.  de  l'Ecole  des  eh.  1876, 
S.  521.  —  Sainte-Foy  de  Longueville:  Recueil  XXIII,  432-438.  - 
Ea  (Auga):   ib. 449— 451.  —  Le  Trcport  (Ulterior  portus):  ib.  451. 

Evreux:  ib.  460—475.  —  Lyre:  ib.  470—475.  —  La  Croix-Saint-Leufroy: 
ib.  475-480. 

Saint-Evroul  (ütica  d.  Lexov.) :  ib.  484—491. 

Lessay  (S.  Trinit.  de  Exaquio  d.  Const.) :  ib.  546.  —  Hotel-Dieu  de  Saint- 
L6:  ib.  547—549.  —  La  Perine  (Perrinense):  ib.  549—553.  —  Montc- 
bourg:  ib.  553 — 556. 

Mont-Saint-Michel  (d.  Abrinc):  Delisle,  Sacram.  p.  389.  —  Saint-Evroul 
de  Mortaing:  Recueil  XXIII,  582. 

Saint-Martin  de  Seez:  Fragm.  bei  Delisles  Instruct.  p.  82. 

ERZBISTHÜM  TOURS. 

Tours:  Martyrologium  TJsuardi  ad  usum  ecclesiae  Turonensis  cum  obitibus 
et  fundationibus  (saec.  XIII),  par  M.  l'abbc  Bourasse,  in  den  Memoires 
de  la  Societe  Archeologique  de  Touraine  XVII  (Tours  1865),  S.  16—82. 


Necrologien.  459 

—  Necrologium  b.  Martini  Turon.  et  Majoris  monasterii  obituarium, 
publ.  (schlecht)  par  M.  Nobilleau ,  Tours  1875.  —  Necrol.  S.  Juliani 
Turon.  Mem.  etc.  XXIII  (1873),  S.  242  ff.  vod  Quincarlet. 

ERZBISTHUM  BORDEAUX. 

Bordeaux:  Obituaires  de  l'eglise  Saint- Andre  de  Bordeaux  (13.  u.  14.  Jahr- 
hundert), Archives  bist,  de  la  Gironde  XVIII,  1 — 260. 

Fontevraud  (Poitiers):  Pavillou,  Vie  de  Robert  d'Arbrissel,  p.  577;  ib.  p.  563 
ex  martyrol.  prioratus  de  Fontanis  ord.  Fontebraldensis. 

ERZBISTHUM  BOURGES. 

Chateauroux,    Cordeliers  (1213 — 1782):  par  Hubert,  Paris,  Dicard  1886. 
Limoges:  Labbe,  Bibliotheca  nova  II,  759 — 763.     Documents  hist.  concer- 

nant  principaleraent  la  Marche  et  le  Limousin,  par  A.  Leroux,  E.  Mo- 

linier    et   Ant.  Thomas,    Tome  I.    1883.   Duples-Agier,    Chroniques  de 

St.  Martial  de  Limoges. 
Tülle:  Obituaire   de   la  cath.  publ.  par  M.  Clement  Simon,   Bulletin  de  la 

Soc.  scientif.  de  la  Correze  XI  (1889),  p.  478-497. 

ERZBISTHUM  NARBONNE. 

Narbonne:  Neue  Ausgabe  der  Hist.  de  Languedoc  VIII,  251 — 258.  — 
Carcassonne:  Mahul,  Cartulaire  de  Carcassonne. 


V.    England. 

Canterbury:  Wharton,  Anglia  Sacra  I,  52—54.    Stubbs,  Chronicles  11,  557. 
London,  St.  Paul:  Documents  of  St.  Paul,  ed.  Simpson  (Camden  Soc.  1880), 

p.  61  ff. 
Lincoln:  Giraldi  Cambr.  Opera  ed.  Dimock,  VII  (1877). 
Durham:  Publications  of  the  Surtees  Society,  XXXI  (1856). 
Glasgow:  Publ.  of  the  Bannatyne  Club,  vol.  79,  II,  614. 
Aberdeen:    Publ.   of   the  Maitland   Club,    vol.  63,   Registr.  ep.  Abcrd.  II, 

p.  1  u.  207. 
Dublin:  The  book  of  obits,  ed.  Crosthwaite,  Dubl.  1844.  4. 


VI.   Dennemark. 

Fragment  aus  einem  Cistercienserkloster  s.  XII  e  cod.  Berol.  theol.  f.  1  19 
ed.  IL  Wesemann,  Jahrbücher  für  Laudeskunde  von  Schleswig-Holstein 
X  (Kiel  1869),  S.  262—270.  —  Aus  einem  Psalterium  Franks,  Archac- 
ologia  XL  VI,  246. 


460 


Necrologien. 


Kopenhagen:  Langebek,  SS.  Dan.  VIII,  538 — 550. 

Lund:  ib.  III,  434-465.  474—579.  IV,  27—66. 

Lygumkloster :  ib.  IV,  578—587. 

Nestved:  ib.  IV,  298-318. 

Ripen:  ib.  V,  534-570. 

Rothschild:  ib.  III,  266-275. 

Norwegen:  ib.  V,  385.  386. 

Island:  ib.  II,  504—519.  VIII,  552-568. 

Wisby:  ib.  VI,  557—566. 


Aus  einem  Necrolog  von  Barcelona  NA.  VI,  235;  von  Monte  Aragon  ib.  280. 


REGISTER 


Aachen.  280;  Necrol.  446. 

Aaraii,  Necrolog.  439. 

Abbo,  Abt  v.  Fleury.  416.  417. 

—  von  St.  Germain.  299. 
Abdinghof,  Necrol.  445. 
Aberdeen,  Necrol.  459. 
Ablavius.  67. 

Abraham (957— 994)  B.v. Freising. 405. 

—  Jacobson.  333. 

Acta  abb.  Fuld.  240;  epp.Cenom.302; 

Friderici  ep.  Traj.390;  Sanctorum. 

10.  11. 
Adalbaldus  artifex.  160. 
Adalbero  (966—988)  Erzb.  v.  Reims. 

411. 

—  (887—910)  B.  v.  Augsb.  260.  287. 

—  I  (929—962)  B.  v.  Metz.  369.  372. 

—  II  (984—1005)  B.  v.  Metz.  344.  372. 

373.  375. 

—  vas  librorum.  405. 

Adalbert   (968—981)    Erzb.  v.  Magd. 
351.  367.  368. 

—  (982—997)    B.  v.  Prag.    353.    354. 

435.  436. 

—  Abt  v.  Echternach.  366. 
Adalbold  (1010—1026)  B.  v.  Utrecht. 

361.  389-391. 
Adalgis,  Priester.  279.  280. 
Adalhard,  Abt  v.  Corbie.  250. 

—  B.v.  Ivrea.  311. 
Adalheid,  Kaiserin.  320. 

Adalram  (821-836)  Erzb.  v.  Salzburg. 

221.  292. 
Adam,  Abt  v.  Masmünster.  152. 
Adelberg,  Necrol.  439. 
Adelperga.  166. 
Adelerius  von  Fleury.  417. 
Ademar  v.  Chabannes.  303. 
Adhemar,  Aquit.  Mönch.  210. 
Admunt,  Necrolog.  450. 
Ado,  Erzb.  v.  Vienne.  219.  257;  Mar- 

tyrol.  60. 


Adrevald  (Adalbert)  v.  Fleury.  417. 
Adso,   Abt  v.  Montierender.  317.  320. 

377.  378. 
Adventius  (858—875)  B.  v.  Metz.  268. 
Adventus  S.  Benedicti.  417. 

—  S.  Landoaldi.  385. 

—  SS.  Wandregisili,  Ansberti  et  Vul- 

franni.  384. 
Aedde  Stephanus.  132. 
Aeneas  Silvius.  2.  6. 
Aethicus.  111. 
Agius.  255. 
Agnellus.  309. 

Agnes,  Pfalzgr.  v.  Weimar.  321. 
Agobardi  Apologeticus.  211. 
Aimoin    v.   Fleury.     109.     110.    299. 

417—419. 
Albrich,  St.  Galler  Mönch.  287. 
Albuinus  heremita.  363. 
Albwin,  Abt  v.  Nienburg.  253. 
Alcuin.  148.  152  ff.;    V.  Willibr.  132; 

Epp.  161. 
Aldebald  von  Cluny.  422. 
Alderich,  Erzb.  v.  Sens.  163.  236.  257. 

294. 
Aldrich,  B.  von  Le  Maus.  302. 
Alpert  v.  Metz.  374.  375. 
Altenzelle,  Necrolog.  448. 
Altfrid  (839—849)  B.  v.  Münster.  245. 
Aluberht,  Bischof.  244. 
Alvarus  Pelagius.  6. 
Amalarius  (809—814)    Erzb.  v.  Trier. 

257. 
Amalrich.  Erzb.  v.  Tours.  300. 
Ambricho  (864—899)   B.  v.  Regensb. 

289. 
Amelungsborn,  Necrolog.  414. 
Amersfoort.  374. 
Amiens,  Necrolog.  457. 
Amorbach,  Necrolog.  443. 
Anamodus.  289. 
Anastasius  bibliothecarius.  304. 


462 


Register. 


Anchin,  Necrolog.  457. 
Andennes,  Necrolog.  446. 
Andreas,  Abt  v.  Miclielsberg.  87. 

—  presb.  Bergom.  309. 

—  Dandolo.  432.  433. 

—  von  Fleury.  418. 
Angelomus.  326. 
Angelsachsen.  130  ff. 
Angilbert,  Abt  v.  Corbie.  171. 

—  Abt  von  St.  Riquier.  171—178.  216. 
Ritter.  215. 

Angilram  (769—791)  B.  v.  Metz.  168. 
172.  196. 

—  Abt  von  St.  Riquier.  173. 
Aniane.  206.  210. 

Annales  Alamannici.  147.  148.  286.  368 
393;  Alcuini.  148;  Andegav.  101 
Angl.  244;  Aquitan.  205;  Arelat 
57.  101;  Augienses.  287.  393 
Aug.  breviss.  286. 

—  Barcinon.    298 ;     Bavarici    breves 

149;  Bertiniani.  207.  292—296 
Burgund.  101.   104. 

—  chronographi  vet.  131;  Colon.  362 

363;  Colon,  breves.  363;  Colon 
breviss.  263;  Corb.  150.  254.  328 

—  Einhardi.    197.  201;    Einsidl.  394 

Engolism.  299. 

—  Flaviniac.    146;     Flodoardi.    410 

Floriac.  299.  417 ;  Fuld.  223—226 
368;  Fuld.  ant.  150;    necrol.  63 

—  Guelferbytani.  147. 

—  Halb.  345;  Heremi.  394:  Hersfeld. 

340.  341;  Hild.  341.  349.  350. 

—  Juvavenses.  149. 

—  Laubac.  141 :  Lauresham.  145.  205. 

247:  Lauriss.  maj.  191 — 204;  Lau- 
riss.  min.  204;  Lauson.  146:  Leod 
381;    Lindisfarn.  148;   Lob.  381 
Loisel.  191:  Lugdun.  299. 

—  Masciac.     299 :     Maximiani.     146 

Mett.  128.  203;  Monast.  254 
Mosellani.  141.  143.  145:  Murbac 
147. 

—  Nazar.    147.    148;     Nivern.    298: 

Normann.  363. 

—  Petaviaui.    141.    144.    145;    plebei 

191;    Prüm.    259;     breves.    364; 

—  Quedl.  340-344.  358;  Rem.  409. 

—  Salisb.  149. 

—  Sanctae  Columbae  Sen.  419. 

-  Sancti  Amandi.  141  ;  Bertini. 
382;  Blasii  necrol.  63;  Boni- 
fatii.  241 ;  breviss.  241 ;  Dionysii 
Rem.   409:    Emin.   149;    breviss. 


401;  Call.  Bai.  141;  Regum.  141: 
br.  287.  394;  breviss.  287;  maj. 
393;  Germ.  Paris.  148;  Maximini. 
363;  Medardi  Suess.  199;  Megin- 
radi.  394;  Nicasii  Rem.  409;  Petri 
Col.  263;  Quintini.  188.  298: 
Victoris  Massil.  205.  298. 

—  Sith.  224-226;  Tiliani.  141;  Turon. 

97. 

—  Vedastini.297;  Veneti.  433;  Wein- 

gart.  394;  Weissenburg.  340.  394; 

Werthin.  254;  Xant.  262. 
Annalium  veterum  fragmenta.  203. 
Annius  Viterbiensis.  8. 
Anno  (884—916)  ß.  v.  Freising.    288. 

—  (950—978)  B.  v.  Worms.  364. 
Anonymus  Cuspiniani.  55;  de  situ  or- 

bis.  294;  Mellicensis.  86;  Raven- 

nas.  67;  Vales.  56. 
Ansbach,  Necrolog.  443. 
Anscher.  174.   175. 
Ansibert,  B.  v.  Rouen.  114. 
Anskar  (831—865)  Erzb.  v.  Hamburg. 

247-249. 
Anso,  Abt  v.  Lobbes.  130. 
Antrich,  Freisinger  Lehrer.  405. 
Aosta,  Necrolog.  455. 
Apollinarius  Sidonius.  88. 
Aquilegia.  216;  Evang.  65. 
Ardo  Smaragdus.  210. 
Argenteuil,  Necrolog  458. 
Aribo  (764—783)  B.  v.  Freising.  123. 

154. 
Arichis.  166.  169. 
Aiies  57. 
Arn  (785-821)    Erzb.  v.  Salzb.  149. 

154    158.  195 

—  (855—893)    B.'v.  Würzburg.  290. 
Arnstein,  Necrolog.  452. 

Arnulf  (996—1023)  B.  v.  Halb.  345. 

—  Graf  von  Flandern.  384.  386.  388. 

389. 
Arx,  lldefons  von.  22. 
Aspert  (891-893)  B.  v.  Regensb.  289. 
Astronomus.  210. 
Atri,  Necrolog.  457. 
Atto,  B.  v.  Vercelli.  430. 
Au,  Necrolog.  450. 
Auctarium  Prosperi.  82. 
Audoenus.  114. 
Audradus  Modicus  216. 
Augsburg.  287.  399— 401:  Necrol.  442. 
Ausonius.  88. 
Autun,  Necrolog.  454. 
Auxerre.  302;  Necrolog.  458. 
Auxilius.  305. 


Register, 


463 


Aventin.  5. 

Azo,  B.  v.  Ivrea.  310. 

B,  sächsischer  Priester.  380. 
Baehr.  33. 

Balderich  II.  (1008—1018)  B.  v.  Lütt. 
391. 

—  (970—987)  B.  v.  Speier.  323. 

—  (917—976)  B.  v.  Utrecht.  37G.  377. 
Baldo,  Salzburger  Lehrer.  269.  292. 
Balthard,  Abt  v.  Hersfeld.  241. 
Balther.  121. 

Balzani,  Ugo.  12. 

Bamberg.  319.  391:  Necrolog  443. 

Banz,  Necrolog.  443. 

Barcelona,  Necrolog.  460. 

Baronius.  9. 

Basel,  Necrolog.  454. 

Baturich  (817—848)  B.v.Regensb.289. 

Baudonivia.  92. 

Baugulf,  Abt  v.  Fulda.  231. 

Baumburg,  Necrolog.  450. 

Beatus  Rhenanus.  7. 

Beaune,  Necrolog.  454. 

Bebo,  Diaconus.  319. 

Beda.    130.    131;    Chron.   cont.     131; 

de  rat.  temp.  58 ;  Martyrol.  60. 
Benedict,  Abt  v.  Aniane.  205. 

—  Grammatiker.  404. 

—  von  St.  Andrea.  430. 
Benedictbeuern.  404;   Necrol.  442. 
Benedictus  levita.  22.  242. 
Benevent.  307. 

Beornrad,  Erzb.  v.  Sens.  235. 

Bergamo,  Necrolog.  455. 

Bergen,  Necrolog.  442. 

Bergh- Saint- Vinoc.  383. 

Bernardus,  rex  Italiae.  278. 

Berner  von  St.  Remi.  413. 

Bernold  (821—840)  B.  v.  Strassb.  279. 

Bernowin.  171. 

Bernward  (992—1022)  B.  v.  Hildes- 
heim. 318.  346—349. 

Beromünster,  Necrolog.  439. 

Bertharius  Virdun.  267.  377. 

Besan<?on,  Necrolog.  454. 

Bethrnann,  C.  L.  23. 

Bischofsheim.  137.  232. 

Bischofszeil,  Necrolog.  439. 

Biso  (886—908)  B.  v.  Paderborn.  253. 

Blandigny,  Saint-Pierre  au  mont  Blan- 
din  de  Gand.  384—386.  388.  413. 

Blaubeuren,  Necrolog.  439. 

Bleidenstadt.  240:  Necrol.  437. 

Bluhme  22. 

Blumenthal,  Necrolog.  446. 


Bobio.  116.  118.  216.  428. 
Bobolenus.  120. 
Boeddeken.  253. 
Boehmer.  30. 
Boethius.  66. 
Bolland.   10. 
Bologna,  Necrolog.  456. 
Bonifatius.  134—136.  238.  282.  375. 
Bordeaux,  Necrolog.  459. 
Boretius,  Alfred.  22.  23. 
Bouquet.  12.  26. 
Bovo,  Abt  v.  Corvey.  254.  255. 
Boyneburg.  13. 
Braunschweig,  Necrolog.  444. 
Bremen.  247.  248;  Necrolog  447. 
Brescia,  Necrolog.  456. 
Breslau,  Necrolog.  448. 
Breves  notitiae  Salisb.  158. 
Breviarium  historiale.  2. 
Brogne.  387—389:  Necrolog.  446. 
Brouwer.  9. 
Brügge,  Necrolog.  457. 
Brühl,  Necrolog.  445. 
Brun  (940—962)  Erzb.  v.  Cöln.  321— 
323.  360-361. 

—  Abt  v.  Magdeb.  u.  Nienburg.  353. 
Brun-Bonifacius,  Erzb.  354.  355.  436. 
Brunellus.  6. 

Brunwart,  Abt  v.  Hersfeld.  241. 

Brunnbach,  Necrolog.  443. 

Bruun  Candidus.  232—234. 

Büchler.  18. 

Bun,  Abt  v.  Hersfeld.  241. 

Burchard  (1000—1025)  B.  v.  Worms. 

392. 
Burtscheid,  Necrolog.  446. 

Canisius,  Heinrich.  9. 
Canterbury,  Necrolog.  459. 
Carmen  de  S.  Bavone.  385. 
Carmina  Centulensia.  301. 
Caroli  M.  Expeditio  hisp.  188. 
Carolus  Magnus.    150ff.  277.  278;    et 
Leo  III.  176. 

—  II.  Calvus.  294.  300. 

—  III.  273. 

Casale  S.  Evasii,  Necrolog.   455. 
Cassiodor.  65—72  :  Chron.  68:   Getica. 

68—71:  Hist.  trip.  71;  Instit.  71 : 

Variae.  71.  72. 
Casus  S.  Galli.  268.  394. 
Catalogus  Brixiensis  310. 

—  Pontt.  Rom.    55.    58.   59;    provin- 

ciarum.  171:  regum  et  impp.  168. 

—  archiepp.    Lugd.   299:    Rem.  409: 

Senon.  419;  Trev.366:  Vienn.219. 


464 


Register. 


Catal.  epp.  Ambian.  382;  Argent.  399; 
Atreb.  298;  August.  400;  Basil. 
276;  Constant.  269;  Mett.  374; 
Morin.    382;  Rat.  289. 

—  abb.Aug.269;  Blandin.  385;  Corb. 

255;  Floriac.  417;  Fuld.  240; 
Gand.  387;  Nonant.  434;  Prüm. 
364;  S.  Bertini.  382;  S.  Emm. 
289;  S.  Galli.  269;  S.  Vedasti. 
298;  SS.  Udalr.  et  Afrae.  400; 
Weissenb.  340;  Werthin.  245. 

—  praepositorum  S.  Audomari.  382. 
Celtis.  3.  4. 

Centuriatoren.  8. 

Chartres,  Necrolog.  458. 

Chateau-Chalon,  Necrolog.  454. 

Chateauroux,  Necrolog.  459. 

Chelles.  114.  300. 

Chemnitz,  Necrolog.  448. 

Chiemsee,  Necrolog.  450. 

Childebrand.  126. 

Childerich.  89. 

Chilperich.  90. 

Christian,  Abt  v.  St.  Pantaleon.  362. 

—  v.  Stablo.  267. 

Chrodegang    (742—766)    B.   v.   Metz. 

144.  191. 
Chronica  de  sex  aetatibus  mundi.  205. 

—  S.  Benedicti.  307. 

Chronicon  ad  a.  334.  54;    ad  a.  796. 

204.  226;  ad  a.  805.  196.  202.  203. 

298;    univ.  ad  a.   741.    129.  201. 

202;  Altinate.  433;  Aquitan.  205. 

299;  Augustauum.82:  breve  Alam. 

204;  Brix.  310;    Canisianum.  82; 

Cuspiniani.  55;   de  gestis  Norm. 

292.  420;  Floriac.  417;  Fontanell. 

220;  Fuld.  perd.  241;  Gothanum. 

164;    Gradense.    432:    imperiale. 

83;  Lauson.  Chartul.  146;  Moissiac. 

205;   Nonant.  434;    paschale.  58. 

Pithoeanum.  83;    Sagornini.  432; 

Salern.   431;    S.  Petri  vivi.   420; 

S.  Victoris.  205;  Ulricianum.  82; 

Vedast.  298;  Venetum.  432. 
Chunibert,  Lehrer  in  Salzburg.  404. 
Churrer,  Caspar.  7. 
Cismar,  Necrolog.  447. 
Cividale,  Necrolog.  456. 
Clairvaux,  Necrolog.  454. 
Ciarenthal,  Necrolog.  437. 
Clarius,  Mönch  in  Sens.  420. 
Claudius  v.  Turin.  155.  205.  207. 
Clausula  de  Pippino.  127. 
Clemens  Scottus.  155;  alius.  207.  231. 

294. 


Cluny.  421.  422. 

Coblenz,  Castorstift.  65. 

Codex  Carolinus.  190;   Einsidl.  281. 

Einsidl.  Vitae  Caroli.  206. 
Cod.  epistolaris  Fuld.  234. 
Coeln.  263.  360-363;  Necrol.  445. 
Colbatz,  Necrolog.  447. 
Columban.  116—119. 
Compilatio  Fuld.  240.  241.  368. 
Conquestio  dorn.  Chludovici.  211. 
Conrad  I,  König.  273. 

—  (934-976)  B.  v.  Constanz.  398. 

—  von  Hirschau.  87. 

—  von  St.  Avold.  373. 

—  B.  Pilgrims  Sänger.  406. 
Conring.  13. 

Constantin,    Abt  von  St.  Symphorian. 

373.  374. 
Constantinus  scholasticus.  418. 

—  Porphyrogenitus.  424. 
Constantius  Luxoviensis.  319.  399. 
Constanz.  269.  398;  Necrol.  439. 
Constructio  Farfensis.  309. 
Consularia  Constantinop.  58;    Italica. 

55. 
Continuator  Reginonis.  367 — 369. 
Contzen.  33. 

Conversio  Carantanorum.  291. 
Corbeil,  Necrolog.  458. 
Corbie.   114.  118.  249-252;    Necrol. 

457. 
Cornelius.  30. 
Corvey.    249  —  255.    319.    328  —  333. 

359.  360. 
Cosmographia  anon.  Rav.  67. 
Cozroh.  288. 
Crantz.  149.  204. 
Cremona,  Necrolog.  456. 
Cuono  von  St.  Avold.  373. 
Cur,  Necrolog.  441. 
Cuspinian.  3.  5.  55. 
Cysoing.  174. 
Czarnowanz,  Necrolog.  449. 

D'Achery  11. 

Dado  (880-923)  B.  v.  Verdun.  267. 

275. 
Dahlmann.  22.  33. 
Dedicatio  St.  Petri  Bab.  391. 
Deggingen,  Necrolog.  442. 
De  imp.  pot.  in  Urbe  Roma.  429. 
Denkendorf,  Necrolog.  439. 
Derneburg,  Necrolog.  444. 
Deuil.  389. 

Deutscher  Orden,  Necrolog.  449. 
Deutz,  Necrolog.  445. 


Register. 


465 


Dicuil.  154. 

Diederich,  Hersf.  Mönch.  418. 

Diekamp.  30. 

Diessen,  Necrolog.  442. 

Dietkirchen,  Necrolog.  452. 

Dijon,  Necrolog.  454. 

Dionysius  chronographus.  128. 

—  exiguus.  58. 
Diptycha.  64. 

Diptychon  St.  Maximini.  364. 
Dodanae  liber  manualis.  211. 
Domus  Carol.  Genealogia.  168. 
Donat  v.  Fiesole.  153. 
Donauwörth,  Necrolog.  442. 
Dortmund.  174. 

Drogo  von  Bergh-St.  Vinoc.  383. 
Drübeck,  Necrolog.  444. 
Dubduin.  271. 
Dublin,  Necrolog.  459. 
Du  Chesne.  12. 
Dudo  von  St.  Quentin.  420. 
Duemge.  18. 
Duemmler.  24. 
Dürrenstein,  Necrolog.  451. 
Düsseldorf,  Necrolog.  445. 
Dungal.  153.  157.  292. 
Durham,  Necrolog.  459. 
Dysibod.  40. 

Eberbach,  Necrolog.  437. 
Eberhard,  Markgr.  v.  Friaul.  174. 
Eberhart  v.  Gandersheim.  337. 
Eberndorf,  Necrolog.  450. 
Ebersberg,  Necrolog.  450. 
Ebo,  Erzb.  v.  Reims.  296. 
Ebrach,  Necrolog.  443. 
Ebrachar   (959—971)    B.    v.    Lüttich. 

380. 
Ebrardus.  168. 
Eburnant  v.  Hornbach.  374. 
Ecbasis  captivi.  377. 
Echternach.  132;  Necrolog.  452. 
Eckhart.  15.  16. 
Egbert  (977—993)  Erzb.  v.  Trier.  365. 

366. 
Egebert,  Lütticher  Lehrer.  389. 
Eginhard  u.  Emma.  174. 
Eginold,  Abt  v.  Gorze.  369. 
Egmond.  262.  366;  Necrolog.  446. 
Eichstedt.  290.  406;  Necrolog.  442. 
Eigil,  Erzb.  v.  Sens.  258. 

—  Abt  von  Fulda.  232. 
Eika,  Alteneyk.  266. 
Einhard.  178—189.  226.  223;  Ann. 

197—201. 
Einsiedeln.  286;  Necrolog.  439. 

Waftenbach,  Geschichtsquellen.  T.  6. Aufl. 


Ekkehard  d.  Rothe,  Domscholaster 
in  Magdeburg.  351. 

—  I  in  Sanctgallen  395. 

—  II  palatinus.  316.  317. 

—  IV.  269.  393—395. 
Elevatio  S.  Bavonis.  386. 

—  Macharii.  386. 

Elias,  B.  v.  Angouleme.  301. 

—  Abt  v.  Gr.  St.  Martin.  361. 
Ellwangen.  282;  Necrolog.  442. 
Elogium  Liberii  papae.  59. 
Elten,  Necrolog.  446. 
Endlicher.  30. 

Engelberg,  Necrolog.  439. 

Engelmod  v.  Corbie.  252. 

Engelport,  Necrolog.  437. 

Engilmar,  Abt.  291. 

Enhardus.  226. 

Ennodius.  48.  72. 

Epistola  Adelardi  Blandin.  388;  An- 
dreae  abb.  S.  Pancr.  385;  Hulde- 
richi  Aug.  6;  Luciferi.  6;  Milonis 
ep.  Mind.  398;  Notkeri  395;  Othel- 
boldi  abb.  Gand.  386. 

Epistolae  Alati.  291. 

—  Austrasicae.  110. 

Epitaphium  Adalberonis  II.  373;  Adal- 
heidis  imp.  423;  Aggiardi.  188; 
Ansäe  reg.  166;  Bavonis.  132. 
386;  Bened.  VII.  430;  Bernaldi. 
278;  Brun.  Col.  361;  Chrode- 
gangi.  371;  Ebracharii.  100;  Ger- 
mani.  91;  Geroldi.  278;  GregoriiV. 
392;  Heinrici  com.  261;  Lotharii  I. 
216;  Lud.  II.  imp.  216;  Lulli.  137; 
Mich.  Rat.  401;  Ott.  M.  423;  Pa- 
cifici.  311;  Petri  abb.  310;  Ra- 
toldi.  251;  Ricfridi.  376;  Rud. 
diac.  362;  Rutlandi.  188;  Sende- 
baldi.  371;  Walahfr.  281;  Waren- 
trudis. 222. 

Erchanbald  (882—912)  B.  v.  Eich- 
stedt. 290. 

—  (965-991)  B.  v.  Strassb.  398.  399. 
ErchanbertiBreviarium.219;  Cont.273. 
Erchempert  von  Montecassino.  61.  307. 
Erectio  Magdeburg.  357. 

Erfurt,  Necrolog.  437. 

Erich,  Herzog.  216. 

Erinfrid  v.  Fulda.  231. 

Erlebold,    Abt   von    Reichenau.    277. 

279.  280.  283. 
Ermenrichv.Ellwangen.282— 284.  290. 
Ermoldus  Nigellus.  208. 
Erstein  im  Elsass.  299. 
Essen,  Necrolog.  445. 

30 


466 


Register. 


Etival,  Necrolog.  453. 

Eu,  Necrolog.  458. 

Eugenius  Vulgarius.  305. 

Eugippius.  44 — 49. 

Eusebius.  52. 

Everger  (985—999)  Erzb.  v.  Cöln.  362. 

Evreux,  Necrolog.  458. 

Ewald,  Paul.  33. 

Excerptum  ex  Chron.  Orosii.  57. 

Fabricius,  J.  A.  16. 

Fahr,  Necrolog.  439. 

Farfa.  309. 

Fasti  consulares,  Rav.    55—57;    Vin- 

dobon.  55. 
Faustinus.  155. 
Faviana.  50. 

Feldbach,  Necrolog.  439. 
Feldwerth,  Necrolog.  447. 
Feuchtwangen.  400. 
Ficker,  Julius.  30.  31. 
Fiducia.  172. 
Fincke,  J.  P.  16. 
Fingen,  Schottenabt.  372. 
Flacius  Illyricus.  6.  8. 
Flavianus.  165. 
Flavigny.  202.  259. 
Fleury.  416  -418;  Necrolog.  458. 
Flodoardus.  409-411. 
Florbert,  Abt  v.  Gent.  384.  386. 
Florennes,   Necrolog.  446. 
Florenz,  Necrolog.  456. 
Flores  temporum.  2. 
Florus  diac.  Lugdun.  60.  211. 
Foecunda  ratis.  389. 
Folcmar    (965—969)    Erzb.   v.  Coeln. 

361.  362. 
Folcwin,  Abt  v.  Lobbes  u.  St.  Bertin. 

381.  382. 
Fontevraud,  Necrolog.  459. 
Forchheim,  Necrolog  443. 
Formulae.  110;  Alsat.  275;   Aug.  275. 

279;  Salisb.  275. 
Fragmentum  Chesnianum.  145.  204. 

—  de  Arnulfo   duce.   403;   de  Bonif. 

VII.   430;   de  Lud.  jun.  228;   de 
Pippino  duce.  128. 

—  ex    libro    aureo  Eptern.  128;    ex 

membr.  Floriac.  417. 
Franco  (854—901)  B.  v.  Lüttich.  266. 
Francorum  regum  historia.  219. 
Frankenchronik,  Lorscher.  204. 
Fraubrunnen,  Necrolog.  439. 
Frauenbildung.  320.  321. 
Frauenburg,  Necrolog.  449. 
Frauenthal,  Necrolog.  439. 


Frecht,  Martin.  7. 

Frechulf,  B.  v.  Lisieux.  217. 

Freckenhorst.  246. 

Fredegar.  104—107;   Cont.  126— 128. 

Fredigardus.  301. 

Freher.  16. 

Freiburg,  Necrolog.  439. 

Freising.  122.  123.  154.  288.  405; 
Necrolog.  450. 

Freudenthal,  Necrolog.  456. 

Friderich  (954—990)  Erzb.  v.  Salzb. 
404. 

—  (—838)  B.  v.  Utrecht.  390. 

Fridugis.  160. 

Friedrich,  J.  41. 

Fritzlar,  Necrolog.  438. 

Frodebert,  B.  v.  Tours.  111. 

Frothar  (813-848)  B.  v.  Toul  268. 

Froumund.  403.  404. 

Fürstenfeld,  Necrolog.  451. 

Füssen.  284;  Necrolog.  442. 

Fulco  (882—900)  Erzb.  v.  Reims.  216. 
407. 

Fulda.  150.  180.  205.  223—241;  Ne- 
crolog. 438. 

Fultenbach,  Necrolog.  442. 

Fundatio  Blandin.  384;  Corb.  250; 
Werthin.  245. 

Galiffe.  34. 

Gallus.  119.  120. 

Gallus  Ohem.  276. 

Gaming,  Necrolog.  451. 

Gandersheim.  255.  256.  334—337. 

Garemann,  Abt  v.  Hornbach.  374. 

Gars,  Necrolog.  450. 

Gauderich,  B.  v.  Velletri.  303. 

Gauzelin  (922—963)  B.  v.  Toul.  377. 

Gebhard  (996—999)  B.  v.  Augsb.  401. 

Gebehard  II  (980—995)  B.  v.  Constanz. 
398. 

Geddo,  Lehrer  in  Magdeburg.  351. 

Geifs,  Necrolog.  439. 

Genealogia  S.  Arnulfi  168;  Arnulfi 
com.  389;  Carolorum  Mettensis. 
168;  ducum  Brabantiae.  168;  re- 
gum Francorum.  168. 

Genf,  Necrolog.  454. 

Gengenbach,  Necrolog.  439. 

Gent.  384—386. 

Genua,  Necrolog.  455. 

Geographus  Bawarus.  289. 

Gerbert  (Silvester  II).  317.  318.  372. 
411.  412. 

Gerbirg,  Aebt.  v.  Gandersheim.  321. 
334. 


I 


Register. 


467 


Gerfrid  (809—839)  B.  v.  Münster.  246. 
Gerhard  (963—994)  B.  v.  Toul.  377. 

—  Abt  v.  Brogne.  387—389. 

—  Abt  v.  Seon.  319. 

—  Augsburger  Priester.  400. 
Germain.   11. 

Gero   (969—976)  Erzb.  v.  Coeln.  362. 

Gerold,  Graf.  278. 

Gerresheim,  Necrolog.  444. 

Geseke,  Necrolog.  445. 

Gesta  Aldrici  Cenom.  303;  Beringarii 

311;  Dagoberti.  109;  Francorum. 

107—109;  Heinrici  IV.  5;  Oddo- 

nis  I.  334;  Theoderici.  72;  Witi- 

gowonis.  397. 

—  Pontt.  Rom.  59.  303.  430. 

—  archiepp.  Magd.  352.  353. 

—  epp.  Autisiod.    302;    Cenom.   302. 

303;  Halb.  345.  357;  Leod.  383; 
Mett.  168.  374;  Neap.  307.  308; 
Verdun.  267. 

—  abb.  Fontanell.  220;  Lob.  381;  S. 

Bertini.  382. 
Giesebrecht.  34. 
Girard  von  Rossillon.  299. 
Gisiler  (981—1004)  Erzb.  v.  Magd.  351. 
Gladbach,  Necrolog.  445. 
Glanfeuil.  300. 
Glasgow,  Necrolog.  459. 
Glatz,  Necrolog.  443. 
Glossae  Salomonis.  275. 
Gnesen.  353. 

Godefrid  (950—961)  B.  v.  Speier.  323. 
Godehard  (1022—1038)  B.  v.Hild.  405. 
Goderamnus,  Abt  in  Hild.  348. 
Godesscalk    (994  —  1006)    B.  v.  Freis. 

405. 

—  can.  Leod.  264. 

—  Ketzer.  215.  237. 

—  Kalligraph.  152. 
Goerlitz,  Necrolog.  448. 
Gogo.  110. 
Goldmann.  35. 

Gorze.  369—371. 

Gottesthal,  Necrolog.  438. 

Gozbald  (841—855)   B.  v.  Würzburg. 

222.  282.  283.  289.  290. 
Gozbert,  Abt  v.  Hersfeld.  341. 

—  Abt  v.  St.  Gallen.  270. 

—  dessen  Neffe.  270. 

Gozpert,  Abt  von  Tegernsee.  403. 

Grafschaft,  Necrolog.  445. 

Grandval,    Granfelden.  120.  271.  302. 

Graphia  aureae  urbis  Romae.  429. 

Grautoff.  30. 

Gregorii  I.  Dialogi.   171. 


Gregor  V.  392. 

—  Turon.  92—101;  hist.  epit.  105. 

—  v.  Utrecht.  244. 
Grenoble,  Necrolog.  454. 
Gretser.  9. 

Griechen.  322. 

Grimald,  Abt  v.  St.  Gallen.  222.  268. 

271.  279.  280.  282.  283. 
Gudinus.  319. 

Günthersthal,  Necrolog.  439. 
Guido  Pisanus.  67. 
Guimann  von  St.  Vaast.  298. 
Guines,  Necrolog.  457. 
Gumpold,  B.  v.  Mantua.  434. 
Gundram,  k.  Caplan.  282. 
Gunthar  (849—863)  Erzb.  v.  Coeln.  263. 

—  (1024—1025)   Erzb.  v.  Salzb.  404. 
Gunzo  von  Novara.  315.  316. 
Gurk,  Necrolog.  450. 

Gutstadt,  Necrolog.  449. 

Haeusser,  L.  34. 
Hailsbronn,  Necrolog.  443. 
Haimin  von  St.  Vaast.  297. 
Haimo  (840-853)  B.  v.  Halb.  344. 

—  von  Auxerre.  302. 
Halberstadt.  344.  345.  357;  Nee.  444. 
Halle,  Necrolog.  448. 

Hamb  erger.  16. 

Hamburg.  248;  Necrolog,  447. 

Hameln.  136;  Necrolog.  447. 

Hariulf.  172.  301. 

Hartgar  (840—854)  B.  v.  Lüttich.  266. 

Hartmann,  Abt  v.  St.  Gallen.  394. 

—  Mönch  in  St.  Gallen.  273.  396. 

—  Schedel.  2. 

Hartmut,  Abt  v.  St.  Gallen.  271. 
Haslach.  120. 
Hathumod.  255. 

Hatto  (891—913)  Erzb.  v.  Mainz.  243. 
260. 

—  I,  Abt  v.  Fulda.  235. 

—  III,  Abt  v.  Fulda.  416. 
Hazecha  v.  Quedlinburg.  321.  324. 
Hedwig,   Herzogin  v.  Schwaben.  320. 
Heerwagen.  7. 

Hegel,  Karl.  30. 
Heidenfeld,  Necrolog.  443. 
Heidenheim.  137. 
Heiligenkreuz,  Necrolog.  451. 
Heimo  (991—1024)  B.  v.  Verdun.  377. 
Heinrich  II,  Kaiser.  319. 

—  (956-964)  Erzb.  v.  Trier.  401. 

—  Gandavensis.  86. 
Heinrichau,  Necrolog.  449. 
Heiusberg,  Necrolog.  446. 

30* 


468 


Register. 


Heirich  v.  Auxerre.  301. 

Heito    (806—823)    B.  v.  Basel.     276. 

277.  280. 
Helisachar.  217. 
Helmold.  7. 

Henschen,  Gotfried.  10. 
Herford.  252.  253.  337.  338. 
Heribert  (999—1021)   Erzb.  v.  Coeln. 

363. 
Heriger,  Abt  v.  Lobbes.  382.  383.  385. 
Herimanni  Aug.  Martyrol.  61. 
Hermann,    Wormser  Cler.  392. 
Hermetschwil,  Necrolog.  440. 
Hersfeld.  241. 
Herveus,  Schatzmeister  v.  St.  Martin. 

417. 
Hetti  (814-847)  Erzb.  v.  Trier.  257. 
Hibernicus  exul.  153. 
Hieronymi  Chron.  53;    Martyrol.  60; 

de  viris  ill.  118. 
Hildebald,    Erzb.  v.  Coeln.  263.  267. 

—  B.  v.  Soissons.  302. 
Hildebold,  Lehrer.  377. 
Hildegar,  B.  v.  Meaux.  112. 
Hildegrim  (853—888)  B.  v.  Halb.  246. 
Hildesheim.  345—350;  Necrol.  444. 
Hildeward  (968—996)  B.  v.  Halb.  344. 
Hilduin  (842— 849)  Erzb.  v.  Coeln.  263. 

—  Abt  v.  St.  Denis.  236. 
Hincmar,    Erzb.  v.  Reims.   295.   296: 

de  ord.  pal.  252. 

—  B.  v.  Laon.  296. 
Hinschius.  22. 
Hippolytus  Portuensis.  54. 
Historia    Abb.   Agaun.    103;     Daretis 

Frigii.  105;  Francorum  regum. 
219;  Francorum  Senon.  420;  Fri- 
derici  I.  2;  Langob.  cod.  Goth. 
164;  Lombardica.  61;  Lud.  VII. 
110;  Miscella.  166;  Sanguinis 
Domini.  397;  Wambae  regis.  84. 

Historiae    Francorum    Steinveld.   168. 

Hitto   (810—835)  B.  v.  Freising.  288. 

Hitzkircb,  Necrolog.  440. 

Hofannalen.  145. 

Höfen,  Necrolog.  440. 

Hofschule.  156.  222.  236.  294.  322. 

Hohenfurt,  Necrolog.  443. 

Hohenwart,  Necrolog.  442. 

Holder-Egger.  27. 

Honau,  Necrolog.  439. 

Honorii  lmago  mundi.  2. 

Honorius  de  SS.  eccl.  86. 

Hornbach.  275.  374. 

Hotel-Dieu  de  Saint-L6.  458. 

Hrabanus  Maurus.  60.  222.  234—238. 


Hradisch,  Necrolog.  444. 

Hrotrohc.  123. 

Hrotsuit.  334—336. 

Hubald,  Lütticher  Lehrer.  380. 

Huber,  Alfons.  31. 

Hubert  (708—727)  B.  v.  Lüttich.  265. 

—  Priester  v.  St.  Vaast.  297. 
Hucbald  v.  St.  Amand.  301.  407.  408. 
Hugo  (942—989)  Erzb.  v.  Rouen.  420. 

—  (945-947)  B.  v.  Lüttich.  363.  380. 

—  Abt  v.  Saint-Qu entin.  215. 

—  Archid.  v.  Tournay  417. 

—  de  S.  Maria.  419. 

—  x.  Trimberg.  87. 
Huisburg,  Necrolog.  444. 
Humbert  (832—841)  B.  v.  Würzbum. 

290. 
Hunibald.  8. 

Huoggi,  Abt  v.  Fulda.  240. 
Husward.  60. 
Huy.  174. 
Hydatius.  58.  83. 

Ibrahim-ibn-Jaküb.  333. 
Idacius  (Hydatius).  58.  83. 
Ildefons  von  Toledo.  86. 
Illatio  S.  Benedicti.  418. 
llsenburg,  Necrolog.  444. 
Immo,  B.  v.  Arezzo.  375.  390. 

—  Abt  v.  Gorze  u.  Prüm.  398. 

—  Abt  v.  Münster.  395. 

—  Abt  v.  St,  Gallen.  395. 

—  Abt  v.  Waussor.  372. 
Imperator.  330. 
Importunus,  B.  v.  Paris.  111. 
Indiculus  Arnonis.  158. 
Ingramnus,  B.  v.  Laon.  199. 
Invectiva  in  Romam.  305. 

Inventio  S.  Gisleni.  388;  Hunegundis. 

413;  Maurini.  362. 
Irland.  115.  116. 
Irmingart,  Kaiserin.  277.  278. 
Irmintrud,  Gem.  Karls  d.  K.  300. 
Irsee,  Necrolog.  442. 
Isarhofen.  290. 
Isidorus    Hispalensis.    84 — 86:     cont. 

103;  Pacensis.  84. 
Island,  Necrolog.  460. 
Isny,  Necrolog.  440. 
Iso  von  St.  Gallen.  271.  275. 
Israel,  irl.  Bischof.  322. 
Ivrea,  Necrolog.  455. 

Jacobus  Jauuensis.  61. 
Jaffe.  31.  32. 
Janssen.  30. 


Register. 


469 


Jaszo,  Necrolog.  449. 
Johannes  Canaparius,  Abt.  435. 

—  Abt  v.  Gorze.  369—371. 

—  Abt  v.  Montecassino.  307. 

—  Abt  v.  St.  Arnulf.  370.  371. 

—  Abt  v.  St.  Maximin.  395. 

—  Biclariensis.  83. 

—  Calaber.  318. 

—  von  Cluny.  422. 

—  Fuldensis.  231. 

—  diac.  Neap.  307.  308. 

—  diac.  Rom.  304. 

—  Scotus.  300. 

—  Trithemius.  2.  8.  86. 

—  diac.  Ven.  432. 

—  Herzog  v.  Neapel.  308. 
Jonas,  B.  v.  Orleans.  265. 

—  y.  Susa.  116.  118.  119. 
Jordanis.  5.  65.  72—79. 
Joseph  Anglicus.  153. 

—  Lehrer.  300. 
Jotsaldus  von  Cluny.  423. 
Judith,  Kaiserin.  218.  280.  295. 
Julian,  B.  v.  Toledo.  84. 
Julius  Africanus.  52. 
Jumieges,  Necrolog.  458. 

Kaddroe,  Abt.  372. 
Kaiserswerth,  Necrolog.  445. 
Kaisheim,  Necrolog.  442. 
Kalender.  55. 
Kaltenbrurmer.  33. 
Kamenz,  Necrolog.  449. 
Kammin,  Necrolog.  447. 
Kaufungen,  Necrolog.  438. 
Kempten,  Necrolog.  440. 
Kentropp,  Necrolog.  445. 
Klein  Mariazeil,  Necrolog.  451. 
Klosterneuburg,  Necrolog.  451. 
Knust.  22. 

Koenigsfelden,  Necrolog.  440. 
Koner.  30. 

Kopenhagen,  Necrolog.  460. 
Krakau,  Necrolog.  449. 
Krause.   17. 

—  Victor.  23. 
Krumau,  Necrolog.  443. 
Kunigunde,  Kaiserin.  321. 

Laach,  Necrolog.  453. 

La  Cava,  Necrolog.  457. 

La  Charite  sur  Loire,  Necr.  458. 

La  Chartreuse  de  la  Lance.  454. 

La-Croix-Saint-Leufroy,  Necr.  458. 

Lambert  (—708)  B.  v.  Mastricht.  264. 

—  von  Hersfeld.  7.  17. 


Lammspring.  255.  256. 

Landerich,  B.  v.  Meaux.  110. 

Landshut,  Necrolog.  451. 

Landulfus  Sagax.  166. 

Langobarden.    164  ff. ;    Herkunft.  164. 

Laon,  Necrolog.  457. 

La  Perine,  Necrolog.  458. 

Lappenberg.  23.  30. 

Laufen  am  Neckar.  290. 

Laurentius  Casin.  435. 

Lausanne.  146;  Necrolog.  454. 

Laus  Hispaniae.  86. 

Le  Bec,  Necrolog.  458. 

Lecce,  Necrolog.  457. 

Legenda  aurea.  61. 

Legenden.  61. 

Leibniz.  13 — 16. 

Leidrad,  B.  v.  Lyon.  154. 

Le  Mans.  302. 

Leo  VII.  409. 

—  B.  v.  Vercelli.  430. 

—  Abt  u.  Legat.  306.  412. 

—  Archipresbyter.  308. 
Leobgyth.  238. 
Leslau,  Necrolog.  449. 
Lessais,  Necrolog.  458. 

Le  Treport,  Necrolog.  458. 

Leubus,  Necrolog.  449. 

Liafwin.  133.  246.  386. 

Libellus  de  Maj.  domus.    128.  168. 

—  supplex  mon.  Fuld.  232. 

Liber  generationis.  54.  104;  Heremi 
394;  hist.  Francorum.  107—109; 
pontificalis.  303;  vitae  Einsidl. 
394. 

Libri  Carolini.  157.  161. 

Lichtenthai,  Necrolog.  438. 

Lieder.  36. 

Ligurinus.  4. 

Lilienfeld,  Necrolog.  451. 

Limburg  au   der  Lahn,  Necr.  453. 

Limoges,  Necrolog.  459. 

Lincoln,  Necrolog.  459. 

Lindau,  Necrolog.  440. 

Liudfrit,  Lehrer  in  Salzburg.  404. 

Liudger  (804—809)  B.  v.  Münster. 
243—245. 

Liudprand.  372.  423-428. 

Liudulf,  Mainzer  Priester.  242. 

Liuphram  (836—859)  Erzb.  v.  Salz- 
burg. 292. 

Liutbert  (863—889)  Erzb.  v.  Mainz. 
228.  229.  243. 

—  (849-871)  B.  v.  Münster.  246. 
Liutbirg,  Klausnerin.  254.  320. 
Liuthard,  Abt  v.  St,  Gallen.  397. 


470 


Register. 


Liuthard,  Probst.  267. 

Liutward  v.  Vercelli.  273. 

Livinus.  132.  386. 

Lobbes.  130.  381.  382.  392. 

Loewenfeld.  33. 

Loewenthal,  Necrolog.  440. 

Lond,  Necrolog.  449. 

London,  Necrolog.  459. 

Lorch.  50. 

Lorenz,  Ottokar.  35. 

Lorsch.  144.  204;  Necrolog.  438. 

Lothar,  Kaiser.  281. 

Lubin,  Necrolog.  449. 

Lucca,  Necrolog.  456. 

Ludolf,  Hiob.  14. 

Ludwig  der  Fromme.   277.   278.  294. 

—  der  Deutsche.  221—223.  292. 
Ludwigsieich.  216. 

Lübeck,  Necrolog.  447. 

Lüneburg,  Necrolog.  444. 

Lüttich.    264—266.     379—383.     391; 

Necrol.  446. 
Lullus  (754—786)  Erzb.  v.  Mainz.  135 

bis  137. 
Lund,  Necrolog.  460. 
Lupoid  v.  Bebenburg.  6. 
Lutra,  Lure.  116. 
Luxeuil.  117.  378. 
Luzern,  Necrolog.  440. 
Lygumkloster,  Necrolog.  460. 
Lyon,  Necrolog.  454. 
Lyre,  Necrolog.  458. 

Maassen.  26. 

Mabillon.  11. 

Madalwin.  50. 

Magdeburg.  350—354.  357 ;  Necrolog. 

448. 
Magdenau,  Necrolog.  440. 
Magno,  Erzb.  v.  Sens.  156. 
Mahthild,  Königin.  320.  338.  339. 

—  Aebt.  v.  Quedl.  331.  339. 
Mailand.  84.  310;  Necrol.  455. 
Mainz.  135.  227.  228.  242.  243.  395; 

Necrolog.  437. 
Majolus,  Abt  v.  Cluny.  422. 
Ma'lmedy.  267. 
Manlius.  3. 
Manno,  Probst.  294. 
Marcellinus  comes.  56. 
Marchelm  (Marcellinus).  133. 
Marchthal,  Necrolog.  440. 
Marculf.  110. 

Marcward,  Abt  v.  Prüm.  257.  258. 
Mariahof,  Necrolog.  440. 
Marienberg  bei  Helmstedt.  444. 


Marienberg  im  Vintschgau,  Necrolog. 

441. 
Marienfeld,  Necrolog.  447. 
Marienkron,  Necrolog.  447. 
Marienstatt,  Necrolog.  445. 
Marius  Aventicensis.  83.  102. 
Marseille,  Necrolog.  453. 
Martinus  Bracarensis.  84. 
Martyrium  S.  Procopii.  431. 
Martyrologien.  59—61. 
Martyrologium  Augiense.  60.  276. 
Massai  in  Berry.  299. 
Matthaeus  Palmerius.  82. 
Matthias  Palmerius.  82. 
Mauriner.   11.  12. 
Maximilian,  Kaiser.  3.  4. 
Maximian,  ß.  v.  Ravenna.  57.  309. 
Maximus  von  Zaragoza.  86. 
Meaux,  Necrolog.  458. 
Mediolani  Descriptio.  165. 
Megingoz  (791-794)  B.  v.  Würzb.  135. 
Meginhard  von  Fulda.  228.  229.  239. 

240. 
Meginrat,  h.  286. 
Mehrerau,  Necrolog.  440. 
Meissen,  Necrolog.  448. 
Melanchthon.  6.  7. 
Melk,  Necrolog.  451. 
Mencke.  16. 
Merkel,  Joh.  22. 

Merseburg.  356.  357;    Necrolog.  448. 
Meseritz.  353. 
Metz.  105.  144.  168.  203.  268.  369  bis 

374 :  Necrol.  453. 
Michael    (944—972)  B.  v.  Regensburg. 

401. 
Michaelbeuern,  Necrolog.  450. 
Michelsberg.  416. 
Mico  von  St.  Riquier.  301. 
Millstatt,  Necrolog.  450. 
Milo  von  St.  Amand.  407. 
Mirabilia  Romae.  55. 
Miracula     sanctae     Adalheidis.     423; 

Bertae.    299;    Glodesindis.    371; 

Verenae.397;WaldburgaeHeidenh. 

137;  Monh.  290;   Tiel.  390. 

—  sancti  Adalberti.  354.  436;  Adelplii. 

287;  Agrippini.  308:  Angilberti. 
175;  Apri.  378. 

—  Basoli.  378;   Bavonis.  385;   Bene- 

dicti.  417;  Bercharii.  378;  Bern- 
wardi.  348:  Bertini.  301;  Colum- 
bani.  428;  Eugenii.  389. 

—  Galli.  270;  Genesii.  284;  Germani. 

299.  302:  Goaris.  258:  Gorgonii. 
370. 


Register. 


471 


—  Mansueti.    378;    Marci.  285.   396; 

Martialis.  301;  Mauri.  300;  Maxi- 
mini.  364. 

—  Othmari.    271;    Pantaleonis.    362; 

Pirminii.  374;  Quintini.   188;  Re- 
macli.  267;  Richarii.  173. 

—  Vedasti.    297;     Waideberti.    378: 

Wandregisili.  220;  Wigberti.  341; 
Willehadi.  247. 

—  Sanctorum  Fuld.  238. 
Modena,  Necrolog.  456. 
Modestus.  234. 

Modoin,  B.  v.  Autun.  156.  281. 

Moellenbeck,  Necrolog.  447. 

Moengal  Marcellus.  271. 

Moissac.  206. 

Mombritius.  9. 

Monimsen.  24. 

Monachus  Engolismensis.  200. 

—  Sangallensis.  187. 
Mone.  30. 
Monheim.  290. 

Monte  Aragon,  Necrolog.  460. 
Montebourg,  Necrolog.  448. 
Montecassino.     167.     306.    307.    417. 

457. 
Montier-en-Der.  377. 
Mont-Saint-Michel,  Necrolog.  458. 
Monumenta  Germaniae.  17 — 27. 
Monza,  Necrolog.  455. 
Moriuth.  420. 
Mühlbacher.  31. 
Müller,  Joh.  17. 

Münchsmünster,  Necrolog.  451. 
Münsterbilsen,  Necrolog.  446. 
Münster  in  Graubündten.  441. 
Münster  in  Westfalen.  245.  447. 
Muratori.  11. 
Murbach.  147. 
Muri,  Necrolog.  440. 

Namur,  Necrolog.  446. 
Narbonne,  Necrolog.  459. 
Narratio  clericorum  Rem.  296. 
Naso.  156. 

Naumburg,  Necrolog.  448. 
Neapel.  305.  307. 
Necrologien.  63 
Neresheim,  Necrolog.  442. 
Nestved,  Necrolog.  460. 
Neuenheerse,  Necrolog.  445. 
Neuenkamp,  Necrolog.  447. 
Neunkirchen,  Necrolog.  443. 
Neuweiler  bei  Zabern.  287. 
Neuwerk  bei  Halle,  Necr.  448. 
Nibelung.  127. 


Nicolaus  v.  Siegen.  87. 

Nieder- Altaich.  289.  405:  Necrol.  452. 

Niedermünster,  Regensb.  403. 

Niederschoenefeld,  Necrol.  442. 

Nienburg.  353. 

Nithard.  174.  212—215. 

Nivelle.  129. 

Nonantula.  433.  434. 

Nonsb erger  Märtyrer.  43. 

Nordhausen.  338.  339;  Necr.  438. 

Norwegen,  Necrolog.  460. 

Nota  de  unct.  Pippini.  127. 

Notae    Bronienses   388;    dedic.   Fuld. 

241 ;  S.  Vict.  Xant.  262. 
Notitia  de  servitio  monasteriorum.  206. 
Notker,    (972  —  1008)    B.   v.   Lüttich. 

380-383.  385. 

—  balbulus.  60.  187.  272—274.  395. 

—  Pfefferkorn.  318. 
Notteln,  Necrolog.  447. 
Novalese,  Necrolog.  455. 
Nuenar,  Graf.  5. 
Nürnberg,  Necrolog.  442. 

Oberaltaich,  Necrolog.  451. 

Odbert  von  Utrecht.  390. 

Odelrich   (961—969)   Erzb.  v.  Reims. 

411. 
Odilo,  Abt  v.  Cluny.  422. 

—  von  St.  Medard.  199. 
Odo,  Abt  von  Cluny.  422. 

—  Abt  v.  Glanfeuil.  300. 
Odorannus  von  Sens.  419. 

Odulf,  Custos  von  St.  Riquier.  301. 
Oehringen,  Necrolog.  443. 
Ohtrich,  Otricus,  Magd.  Lehrer.  351. 
Oliva,  Necrolog.  449. 
Olmüz,  Necrolog.  444. 
Opatowitz,  Necrolog.  443. 
Origo  et  exordium  gentis  Francorum. 
168. 

—  gentis  Langob.  164. 

—  Suevorum.  333. 
Orleans,  Necrolog.  458. 
Orosius.  80. 
Ortwinus  Gratius.  6. 
Osnabrück,  Necrolog.  447. 
Ossiach,  Necrolog.  450. 
Ostertafeln.  55.  58. 
Ostgothen  65  ff. 

Ostrau,  Necrolog.  443. 
Otgar  (825—847)  Erzb.  v.  Mainz.  242. 
Otger,  Paladin  Karls.  174. 
Otricus.  258. 

Otto  I.  315—317;    II.  317.  318;    III. 
318. 


472 


Register. 


Otto  Frisingensis.  2.  5. 

Ottobeuern,  Necrolog.  442. 

Otwin  (954—984)  B.  d.  Hild.  34G.  364. 

—  Abt  v.  Gent.  385. 
Ovidius  de  vetula.  6. 

Pacificus,  Archidiaconus.  310. 

Paderborn.  253;  Necrol.  445. 

Pairis,  Necrolog.  454. 

Palacky.  30. 

Palermo,  Necrolog.  457. 

Panegyricus  Berengarii  311. 

Papebroch.  10. 

Paris.  108.  299;  Necrol.  457. 

Paschasius  Radbertus.  251. 

Passau.  50.  290.  291.  405.  406;  Necrol. 

451. 
Passio  Adalberti  Prag.  353.  354:  Afrae. 

42;  Bonifatii.  136.  375;   Christo- 

phori.  324 ;  Desiderii.  1 14 ;  Dionysii. 

109;   Floriani  42;  Friderici  Traj. 

390;  Quatuor  Coronat.  43;  Sigis- 

mundi.  103;   Thebaeorum  39.  41; 

Undecim    inilium    virg.    39.   41 ; 

Victoris  et  Ursi  103. 
Paulinus    (787-802)    Patr.   v.   Aquil. 

151.  216. 
Paullini.  14. 
Paulus,  Erzb.  v.  Rouen.  300. 

—  Diaconus.    152.    163-171:    Coli. 

homil.  168;  Gesta  epp.  Mett.  168; 
Hist.  Lang.  5.  169-171;  Cont. 
Casin.  307;  Rom.  204.  304:  Hist. 
Rom.  52.  166. 

—  Lang.  3. 
Pavia.  157. 
Pegau,  Necrol.  448. 
Pelplin,  Necrolog.  449. 
Portz.  20—22. 

Petershausen.  398;  Necrolog.  440. 
Petrus  Damiani.  436. 

—  Diaconus  de  SS.  ill.  86. 

—  Gallus  Wagner.  87. 

—  Luder.  2. 

—  subd.  Neap.  308. 

—  Pisanus.  152. 

—  de  Vinea.  6. 
Peutinger.  4.  5.  7. 
Pez,  B.  u.  H.  13. 

Pfävers,  Verbrüderungsbuch.  64. 

Piacenza,  Necrolog.  456. 

Picho.  277. 

Piligrim  (971—991)  B.  v.  Passau.  405. 

Pirmin.  275.  374. 

Pirna,  Necrolog.  448. 

Pistoja,  Necrolog.  456. 


Planctus  Caroli.  216. 
Podlasitsch,  Necrolog.  443. 
Poeta  Saxo.  256. 
Polling,  Necrolog.  442. 
Pomesanien,  Necrolog.  449. 
Pont-ä-Mousson,  Necrolog.  453. 
Pontificale  Romanum.  59. 
Poppo    (1016—1047)    Erzb.  v.  Trier. 
402. 

—  (941—961)  B.  v.  Würzb.  316. 
Porphyrius.  44. 

Potthast.  10.  17.  32. 

Prag.  435;  Necrolog.  443. 

Pregitzer.  14. 

Presbyter  Ultraject.  136. 

Primordia  Gandeshem.  336. 

Prologus  legis  Salicae.  90. 

Prosper.  81;  Cont.  Havn.  84. 

Prudentius.  294. 

Prüfening,  Necrolog.  451. 

Prüm.  257—259.  364;  Necrol.  453. 

Purchard  II,  Abt  von  St.  Gallen.  395. 

—  von  Reichenau.  387. 

Quedlinburg.  321.  339.  340;  Necrolog. 

444. 
Querimonia  Romanorum.  303. 

Radbert  Paschasius.  251. 

Radbod  (899-907)  B.  v.  Utrecht,  375. 

376. 
Radegunde.  91. 
Rado  cancellarius.  163. 
Radulfus  de  Diceto.  87. 

—  Tartarius.  418. 
Raitenbuch,  Necrolog.  451. 
Raitenhaslach,  Necrolog.  450. 
Ramwold,  Abt  von  St.  Emmeram.  402. 
Ranke,  L.  29. 

Ranshofen,  Necrolog.  452. 

Ratbod  (883-915)  Erzb.  v.  Trier.  257. 

Ratgar,  Abt  v.  Fulda.  231.  232. 

Ratherius.  379.  380. 

Ratleik.  183.  222. 

Ratpert,    Mönch    in    St.  Gallen.    268. 

269.  272.  273. 
Ratram,  Mönch  in  Corbie.  251. 
Raumer,  Fr.  von.  29. 
Ravenna.  55.  309. 
Reccheo.  234. 
Regensburg.  86.  122.  289.  401—403; 

Necrol.  451. 
Regimar,  Priester.  221. 
Reginbald,  Bibl.  v.  St.  Emm.  404. 
Reginbert  (834—835)  B.  v.  Hild.  345. 

—  Bibl.  in  Reichenau.  276.  287. 


Register. 


473 


Regino  v.  Prüm.  257.  259—262. 
Reginold  (966—989)   B.  v.  Eichstedt. 

406. 
Regum  Merov.  geneal.  et  cat.  168. 
Reichenau.    147.   276-287.  392.  393. 

396 — 398;  Verbrüderungsbuch  u. 

Necr.  64.  276.  440. 
Reichsanna] en.  190  ff. 
Reims.  296.  407—416;  Necr.  457. 
Relatio  S.  Richarii.  173. 

—  S.  Vedasti.  297. 

—  S.  Walarici.  388. 
Remigius  v.  Auxerre.  301.  402. 
Remiremont.  129;  Necrolog.  453. 
Renatus  Profuturus  Frigeridus.  96.  ■ 
Rettberg.  39—41. 

Retz,  Necrolog.  452. 
Revelatio  Steph.  papae.  127. 
Reversio  S.  Martini.  422. 
Rheinau.  286;  Necrolog.  441. 
Rhythmische  Gedichte.  215. 
Ricburg,  Aebtissin.  338. 
Richard,  Abt  v.  Fulda.  418. 
Richarius    (922—945)    B.  v.  Lüttich. 

259.  261. 
Richbod    (795-804)    Erzb.  v.   Trier. 

257.  369. 
Richer.  413—416. 
Richthofen.  22. 
Riculf  (786-813)  Erzb.  v.  Mainz.  172. 

242. 
Riga,  Necrolog.  449. 
Rimbert    (865—888)    Erzb.  v.  Hamb. 

248.  249.  254. 
Rinaudo.  12. 
Ripen,  Necrolog.  460. 
Robert    (989—1037)   Erzb.  v.  Rouen. 

420. 
Rochus  v.  Ilsenburg.  344. 
Rodbert    (930—956)    Erzb.   v.   Trier. 

365.  409. 
Rodoin,  Probst.   199. 
Rodrad,  Mönch  in  Corbie  250. 
Rösler.  17. 

Rolandswerth,  Necrolog.  455. 
Rom.  305.  306.  429.  430.  456. 
Rommersdorf,  Necrolog.  453. 
Ronneburg,  Necrolog.  449. 
Rorico.  110. 

Rosenthal,  Necrolog.  438. 
Rostock,  Necrolog.  447. 
Roswey,  Heribert  van.  10. 
Rotenhan.  5. 
Rotein.  64. 
Roterius.  103. 
Rotger  (917—930)  Erzb.  v.  Trier.  365. 


Roth,  Necrolog.  441. 

Rothschild,  Necrolog.  460. 

Rouen.  108.  114;  Necrol.  458. 

Rudolf  v.  Fulda.  227.  228.  238.  239. 

Rudpert,  Mönch  v.  Reichenau.  398. 

Rüxner.  8. 

Rufinus.  52. 

Ruinart.  11. 

Ruodlieb.  327. 

Ruopert,  Mönch  v.  Mettlach.  366. 

Ruotger  von  Coeln.  361. 

Ruotpert  (883-897)  B.  v.  Metz.   369. 

379. 
Rupert  v.  Salzburg.  121.  122. 
Ruppertsberg,  Necrolog.  438. 

Saint-Amand.  142.  407. 

—  Avold.  373. 

—  Bavon.  384—388. 

—  Benoit-sur-Loire.  416—418. 

—  Bertin.  382.  388. 

—  Claude.  294. 

—  Denis.    107.    109.    110.    127.   203. 

387.  388.  458. 

—  Evre.  377.  378. 

—  Evroul  (Utica).  458;  de  Mortaing. 

458. 

—  Germain-des-pres.  112.  299.  457. 

—  Ghislain.  387.  388. 

—  Hubert.  265. 

—  Jean-de-Maurienne.  455. 

—  Martial.  301.  ^ 

—  Martin  de  Seez,  Necr.  458. 
de  Tours.  160.  458. 

—  Mary-de-Forcalquier,  Necr.  455. 

—  Maur.-des-fosses,  Necr.  458. 

—  Maurice.  103. 

—  Medard.  211. 

—  Mihiel.  377. 

—  Omer.  392. 

—  Pierre  bei  Macon,  Necrol.  454. 

—  Remi.  413. 

—  Riquier.  173.  213—215.  301. 

—  Robert  de  Cornillon,  Necr.  454. 

—  Trond,  Necrolog.  446. 

—  Vaast.  297.  457. 

—  Vannes,  Necrolog.  453. 

—  Wandrille.  220. 
Sainte-Foy-do-Longueville.  dös. 
Salem,  Necrolog.  440. 
Salerno,  Necrolog.  457. 

Salomo  III.    (890-920)    B.  v.  Const. 

274.  275. 
Salvianus.  46. 
Salzburg.    121.    122.    149.    188.    291. 

292.  321.    101.    119. 


474 


Register. 


Samland,  Necrolog.  449. 

Samuel  (Beornrad)  Erzb.  v.  Sens.  235. 

-  (841—856)  B.  v.  Worms.  235. 
Sanct  Andrä,  Necrolog.  452. 

—  Arnulf,  Metz.  257.  369.  370. 

—  Blasien,  Necrolog.  440. 

—  Emmeram.  289.  402—404.  451. 

—  Florian.  42;  Necrolog.  452. 

—  Gallen.  64.  119.  120.  236.  268  bis 

275.  287.  316.  318.  369.  392  bis 
396.  398.  440. 

—  Georgen,  Necrolog  440. 

—  Jacob  auf  d.  Donnersberg.  438. 

—  Jacob,  Lüttich.  391. 

—  Lambrecht,  Necrolog.  450. 

—  Maximin.  363.  364.  367.  369.  452. 

—  Michael,  Hild.  347—348.  350.  444. 

—  Pantaleon.  362. 

—  Paul  im  Lavantthal,  Necrol.  450. 

—  Peter  bei  Freiburg,  Necrol.  440. 

—  Peter,  Salzburg  121.  450. 

—  Poelten,  Necrolog.  452. 

—  Symphorian,  Metz.  373. 

—  Urban,  Necrolog.  441. 

—  Vincenz,  Metz.  373. 

Sancta Maria  de  Abundantia,  Necr.455. 

de  Gualdo,  Necr.  457. 

Sant  Andrea.  429—431. 
Schachdorf,  Necrolog.  441. 
Schaffhausen,  Necrolog.  441. 
Schienen,  Kloster.  285. 
Schmauss.  10. 

Schmerlenbach,  Necrolog.  438. 
Schoenau,  Necrolog.  453. 
Schoenenwerd,  Necrolog.  441. 
Schorkel,  Siegmund.  7. 
Schottenmönche.  115—121.  124.  125. 

153.  266.  268.  271.  279.  286.  292. 

301.  310.  372.  420. 
Schussenried,  Necrolog.  441. 
Schwarzach,  Necrolog.  443. 
Schwarzenbach,  Necrolog.  441. 
Seckau,  Necrolog.  450. 
Secundus  von  Trient.  165. 
Sedulius  Scottus.  266. 
Seedorf,  Necrolog.  441. 
Seitz,  Necrolog.  450. 
Seidenthal,  Necrolog.  451. 
Seligenpforten,  Necrolog.  451. 
Seligenstadt,  Necrolog.  438. 
Seltz.  423. 
Semler.  17. 
Sens.  419.  420.  457. 
Seon,  Necrolog.  450. 
Sermo  de  S.  Ferrutio.  240. 
Servatus  Lupus.  236.  258.  301. 


Severin.  44—50.  308. 

Severus  Sulpitius.  57.  101. 

Sichardus.  7. 

Sickel.  24. 

Siegburg,  Necrolog.  445. 

Siena,  Necrolog.  456. 

Sigebertus  de  SS.  eccl.  86. 

Sigehard,  Mönch  von  St.  Maximin.  364. 

Sigeward.  253. 

Sigloard.  216. 

Sigulf,  Abt  v.  Ferneres.  160.  163. 

Sindelfingen,  Necrolog.  441. 

Sion,  Necrolog.  441. 

Sirmond.  9. 

Sitten,  Necrolog.  455. 

Smaragdus,  Abt.  326. 

Sobius,  Jacob.  6. 

Soest.  362. 

Solenhofen.  282. 

Sophia,  Aebt.  v.  Gand.  336. 

Soupher,  Gervasius.  5. 

Speier.  323.  324.  438. 

Spital,  Necrolog.  452. 

Staatskalender,  röm.  54 ff. 

Stabius.  3.  5. 

Stablo.  259.  265.  267.  383. 

Starchand  (933—966)  B.  v.  Eichstedt. 

406. 
Steffanus,  Magister.  165. 
Stein,  Freih.  vom.  17—20.  28. 
Steinen,  Necrolog.  441. 
Steingaden,  Necrolog.  442. 
Stenzel.  29.  30. 
Stepeiin  von  St.  Trond.  386. 
Stephan  (901-920)  B.  v.  Lüttich.  379. 

—  v.  Novara.  316.  317. 

—  Mönch  von  St.  Pantaleon.  362. 
Stetten,  Necrolog.  441. 
Strassburg.  208.  398.  399.  439. 
Struve,  B.  G.  16. 

Stumpf,  K.  F.  31. 

Sturm,  Abt  v.  Fulda.  230. 

Sulpicius,  Alexander.  96;  Severus  62. 

Suntheim,  Ladislaus.  3. 

Surius,  Laurentius.  9. 

Symeon,  Mönch.  310. 

Symmachus.  66. 

Syrus  v.  Cluny.  422. 

Tabula  Peutingeriana.  4. 

Tacitus.  36. 

Tado,  Erzb.  v.  Mailand.  310. 

Tagino  (1004—1012)  Erzb.  v.  Magdeb. 

352. 
Talloires,  Necrolog.  455. 
Tarentaise,  Necrolog.  455. 


Register. 


475 


Tatto,  Lehrer  in  Reichenau.  277.  279. 

280. 
Tegernsee.  123.  364.  403;  Necr.  451. 
Tengnagel.  9. 

Tennenbach,  Necrolog.  441. 
Tentzel.  14. 
Teuffei.  33. 

Thännikon,  Necrolog.  441. 
Thangmar.  346—349. 
Thegan.  208.  209.  258. 
Theoderich,    K.    d.   Ostgothen.   65 ff.; 

Gesta.  72. 
Theodericus(965— 984)  B.  v. Metz. 371. 
Theodofrid,  Abt  v.  Corbie  111. 
Theodorus.  284. 
Theodulf,  B.  v.  Orl.  153. 
Theofrid  v.  Echternach.  115.  133. 
Theophano,  Kaiserin.  320. 
Therouanne,  Necrolog.  457. 
Thiatbrat,  Bischof.  245. 
Thierhaupten,  Necrolog.  442. 
Thietgaud  (847—863)  Erzb.  v.  Trier. 

257. 
Thietmar  (1009—1018)  B.  v.  Merseb. 

355—360. 
Thomas,  Lehrer.  294. 
Tiel  an  der  Waal.  390. 
Timo,  Pfalzgraf.  288. 
Tobel,  Necrolog.  441. 
Toeppen.  30. 
Toul.  268.  377.  378. 
Tournai,  Necrolog.  457. 
Tours,  Necrolog.  458. 
Traditiones  Corbejenses.  252. 
Translatio   Adelphi.   287 ;    Agapiti   et 

Fei.  290;  Albini.  362;  Alexandri. 

238.    239;    Alexandri  Fris.    288; 

Araalbergae.  384;  Athanasii.  308. 

—  Baltechildis.    300;    Bavonis.    385; 

Benedicti.  306;  Bertae.  299;  Cal- 
listi  Cisonium.  174;  Chrisanthi  et 
Dariae.  258;  Epiphanii.  346; 
Evergisli.  362. 

—  Fortunatae.285;  Germani.  148.299; 

Habundii.  310 ;  Hermetis.  29 1 ;  Hu- 
berti.  265;  Hymerii.  426. 

—  Januarii.  285;   Justi.  267;  Justini. 

251 ;  Landoaldi.  387  ;  Lewinnae. 
383;  Livini  et  Brictii.  387. 

—  Magni.    284;    Marcellini    et    Petri. 

188;  Mauri.  300;  Maurini.  362; 
Mederici.  299;  Metronis.  379. 

—  Patrocli.  362;  Pusinnae.  253;  Qui- 

rini  Malm.  267;  Radbodi.  376; 
Ragnoberti.  300;  Reginae.  259: 
Remigii.  296. 


Translatio  Sebastiani.  199.  211;  Senesii 
et  Theopompi.  434;  Severi.  242; 
Severini.  308;  Silvestri.  433;  So- 
sii.  308;  Tiburtii,  Marc,  et  P. 
189.  199;  Viti.  251. 

Trient,  Necrolog.  456. 

Trier.  257.  259.  363—366.  452. 

Trithemius.  2.  8. 

Troyes,  Necrolog.  458. 

Tuggen,  Necrolog.  441. 

Tülle,  Necrol.  459. 

Turin,  Necrolog.  455. 

Tutilo.  272. 

Tuto  (894—920)  B.  v.  Regensb.  289. 

Udalgis,  Lehrer.  405. 

Udalrich  (924—973)  B.  v.  Augsb.  399 

bis  401. 
Udalschalk  (Augsb.).  288. 
Udine,  Necrolog.  456. 
Uffing.  253.  345. 
Ughelli.  11. 

Ulmar  von  St.  Vaast.  297. 
Ulrich,  Graf  v.  Ebersberg.  321. 

—  von  Hütten.  6. 
Undersdorf,  Necrolog.  451. 
Ursberg,  Necrolog.  442. 
Urspring,  Necrolog.  441. 
Usuardus.  60. 

Utrecht.  132.  133.  244.  374—377.  389 
bis  391;  Necrol.  446. 

Vegetius.  219. 

Venantius  Fortunatus.  91.  92.  113. 

Ventimiglia,  Necrolog.  455. 

Verbrüderungsbücher.  64.  269. 

Vercelli,  Necrolog.  455. 

Verden,  Necrolog.  444. 

Verdun.  267.  377;  Necrol.  453. 

Verona.  310—312.  456. 

Versus  aevi  Carol.  215;  Sax.  327. 

—  de    Adalberto.  354;    de  Bobolcno 

117;  de  Leone  VIII.  426;  de  S. 
Martine  376;  de  epp.  Mett.  168; 
de  ord.  comprov.  292;  de  Ott.  III. 
430:  de  Roma.  300;  de  rotamundi. 
lllj  de  Will.  Norm.  occ.  420. 

—  Johannis  sapientis.  300. 
Victor  Cartenensis.  83. 

—  Sangallensis.  399. 

—  Tunnunensis.  83. 
Victurius.  58. 
Vicnnc,  Necrolog.  454. 
Villars,  Necrolog.  454. 

Virgil  (767-784)  B.  v.  Salzburg.  121 
bis  123. 


476 


Register. 


Visbeck,  Necrolog.  447. 

Visio    Baronti.    278;    Bernoldi.    278; 

domni    Caroli.    188.   24B;    Flotil- 

dae.  409;  paup.  mulierculae.  277; 

Raduini.     211.     409;      Rotcharii. 

278;  Wettini.  277.  279.  280. 
Vita  abb.  Agaun.  103;  Abbonis  Flor. 

417;  Adalberonis  Aug.  287;  Adal- 

beronis  II.  Mett.   373;    Adalberti 

Prag.    354.  435;   Adalberti    diac. 

366;   Adalhardi.  251;  Agili.  116. 

123;  Alcuini.  163;  Amandi.  115; 

Angilberti.  174.  175;  Aniarii.  97; 

Anselmi  Non.  433;  Ansfridi.  375; 

Anskarii.  248:  Antonii  Lirin ensis. 

48;    Arnoldi.  188;    Arnulfi  Mett. 

129;  Athanasii.  308;  Attalae.  116. 

118;   Audoeni.  114. 

—  Balderici.  II.  Leod.   392;    Balthil- 

dis.  114;  Basini.  98;  Baugulfi. 
232;  Bened.  Anian.  210:  Berlin- 
dis.  383:  Bernwardi.  348;  Ber- 
tulfi  Bob.  116.  118;  Bertulfi  Ren- 
tic.  384;  Bonifatii.  134—136; 
Brunonis.  Colon.  361;  Burchardi 
Wirz.  134;  Burchardi  Worm. 
392;  Burgundofarae.  116.  118. 

—  Cadroae.     372;     Caroli    M.     184; 

Chiliani.  124;  Chlodovaldi.  113; 
Chrodegangi.  371;  Chrothildis. 
113;  Cokimbani.  116—119;  Cor- 
biniani.  122.  123;  Cuonradi  ep. 
Const.  398. 

—  Dagoberti  III.    114;    Deicoli   116; 

Deoderici  Mett.  373;  Desiderii 
Cadurc.  114;  Donati.  153:  Droc- 
tovei.  112. 

—  Eigilis.  233.  234:  Eligii.  114;  Em- 

meramrni.  122.  123;  Epiplianii. 
72;  Erinfridi.  231;  Erminonis. 
130;  Eustasii.  116.  118.  123; 
Ewaldorum.  133. 

—  Faronis.  112;    Findani.  286:    Flo- 

rentii.  120;  Florini.  43;  Fol- 
quini  Morin.  382;  Fridolini.  120. 

—  Galli.  119.  120.  270;    Gamulberti. 

154;  Gaugerici.  114;  Gauzlini 
Flor.  418;  Gebehardi  ep.  Const. 
398;  Gerardi  Bron.  388;  Gere- 
trudis.  129;  Gerhardi.  Tüll.  377. 
Germani  Grandivall.  120;  Ger- 
mani  Paris.  113 ;  Glodesindis.  371 ; 
Goaris.  258;  Gregorii  I.  131.  169. 
303;  Greg.  Traject.  245;  Greg. 
Turonensis.  95. 

—  Hadriani  Non.  433;  Haimonis  344; 


Hariolfi.  283;  Harlindis.  266; 
Hathumodae.  256;  Heinrici  II. 
391;  Herasmi.  291;  Hludowici 
Pii.  208—210;  Hostiani.  103. 
Hrodberti.  122.  291;  Huberti.  265; 
Hugonis  Gemmet.  174. 

—  Idae.    253.    345;    Joh.  Gorz.  370; 

Joh.  Parm.  434;  Joh.  Reomensis. 
119. 

—  Lamberti.  264.  379,  metr.  408;  Le- 

buini.  134.  246.  408;  Leobae.  238; 
Leodegarii.  114;  Liudgeri.  245; 
Liutbirgis.  254;  Livini.  131.  386; 
Lulli.  137;  Ludmilae.  435. 

—  Macharii.  386;  Magni.  284;  Maho- 

meti.  352;  Mahthildis.  338.  339; 
Mainulfi.  253.  254;  Majoli.  422; 
Martini.  62;  Maximiliani.  43.  50; 
Maximini.  235;  Meginrati.  286; 
Meingoldi.  174. 

—  Nili.  435;  Notkeri  Leod.  381;  Odi- 

liae.  115;  Odilonis.  423;  Odonis 
Clun.  422;  Odulfi.  390;  Othraari. 
270;  Pascasii  Radb.  251;  Pir- 
minii.  275.  374;  Quinque  fratr.  Pol. 
355;  Quirini.  50. 

—  Rabani.  238;  Radbodi.  376;  Rade- 

gundis.  92;  Ragnoberti.  300;  Re- 
ginswindis.  290;  Reinilae.  266; 
Reinoldi.  174.  362;  Remacli.  264. 
383;  Remedii  s.  Remigii.  97;  Ri- 
charii.  163.  173;  Rictrudis.  409; 
Rigoberti.  194;  Rimberti.  249: 
Romani  Jur.  119;  Romualdi.  436. 

—  Salabergae.    116;     Servatii.     383; 

Severi  Ray.  242;  Severini.  44  bis 
50;  Simeonis  Achivi.  286;  Sturmi. 
230.  232;  Sualonis.  282. 

—  Theodardi.    265;   Thiadildis.    246; 

Trudberti.  120.  122;  Udalrici.  400; 
Ursmari.  379;  Vedasti.  97.  163. 

—  Walae.251;  Waldburgis.290;  Walt- 

geri.253;  Wandregisili.  107;  Wen- 
ceslai.  434.  435;  Wiboradae.  396; 
Wigberti.  241;  Wilfridi.  132;  Wil- 
lebaldi.  137:  Willehadi.  247;  Wil- 
lelmi  Gellon.  211;  Willibrordi. 
132;  Winnoci.  383;  Wolfkangi. 
402;  Wynnebaldi.  137. 

Vivian,  Graf.  300. 

Völkertafel,  fränkische.  111. 

Vorau,  Necrolog.  450. 

Vreden,  Necrolog.  447. 

Wachler.  33. 

Wadilcoz,  Reichenauer  Mönch.  276. 


Register. 


477 


Waitz.  23.  24.  33.  34. 

Wala.  250. 

Walahfrid.'  209.  270.  276-281. 
Walbeck.  356. 
Walcaud  in  Trier  260. 
Wald,  Necrolog.  441. 
Waldo  (884—906)  ß.  v.  Freising.  274. 
275.  288. 

—  Abt  v.  Seh  warzach  u.  St.  Maximin. 

236.  258. 

—  Abt  v.  St.  Gallen,  Reichenau,   St. 

Denis.  269.  276. 

Waldram,  Mönch  in  St.  Gallen.  273. 
275. 

Waltcaud  (810—831)  B.  v.  Lüttich. 
265. 

Waltharms.  174.  395. 

Walther.  30. 

Walther  von  Speier.  323. 

Wandalbert  v.  Prüm.  60.  258. 

WTarin,  Abt  v.  Corvey.  250.  251. 

Warnerius  von  St.  Ouen.  420. 

Wattenbach.  24.  28.  33. 

Watterich.  32. 

WTechel.  7. 

Wedinghausen,  Necrolog.  446. 

Weihenstephan.  288. 

Weiland,  L.  23. 

Weingarten,  Necrolog.  441. 

Weissenau,  Necrolog.  441. 

Weissenburg  340;  Necrolog.  438. 

Weltenburg.  64.  451. 

Wenau,  Necrolog.  446. 

Werden.  245.  246.  253.  345;  Necro- 
log. 446. 

Werinhar  (1001—1029)  B.  v.  Strass- 
burg.  319. 

Wessobrunn.  404.  442. 

Westgothen.  79  ff. 

Wettin  120.  278.  279. 

Wettingen,  Necrolog.  441. 

Wetzlar,  Necrolog.  453. 

Wiblingen,  Necrolog!  441. 

Wicfrid  (962—984)  ß.  v.  Verdun.  377. 

Wicterb,  Agilolfinger.  155. 

Wido,  ital.  Grammatiker.  407. 


Widukind  v.  Corvey.  328—333. 
Wien,  Necrolog.  452. 
Wienhusen,  Necrolog.  444. 
Wigand,  Pfarrer.  258. 
Wigbert,  Abt  v.  Fritzlar.  241. 
Wigo  v.  FeuchtwaDgen  400. 
Wiker,  Abt  v.  St.  Maximin.  364. 
Wildeshausen.  239. 
Wilhering,  Necrolog.  452. 
Will,  Cornelius.  31. 
Willehad  (787—789)  B.  v.  Bremen  246. 
Willehelm  (954—968)  Erzb.  v.  Mainz. 

367.  368.  393. 
Willibald   (745-781)  B.  v.  Eichstedt, 

137. 
—  v.  St.  Victor.  135. 
Willibert  (870-889)    Erzb.  v.  Coeln. 

263. 
Willibrord.  132. 

Willico,  Prager  Domprobst.  354.  436. 
Willisau,  Necrolog.  441. 
Wüten,  Necrolog.  450. 
Windberg,  Necrolog.  451. 
Winidharius.  156. 
Wipert,  Gefährte  Bruns.  355. 
Wisby,  Necrolog.  460. 
Witgar  (887)  B.  v.  Augsburg.  223. 
Witger,  Flandr.  Priester  389. 
Wittingau,  Necrolog.  443. 
Wizo.  158.  160. 
Woeltingerode,  Necrolog.  444. 
Wolfgang  (972—994)  B.  v.  Regensb. 

401.  402. 
Wolfhard  v.  Herrieden.  61.  290. 
Worms.  392;  Necrolog.  438. 
Würzburg.   124.   134.  289.   290.  316; 

Necrol.  442. 
Wurmsbach,  Necrolog.  441. 

Xanten.  262;  Necrolog.  446. 

Zeitz,  Necrolog.  448. 
Zeumer.  23.  27. 
Zürich.  272.  373;  Necrol.  441. 
Zurzach.  397.  441. 
Zwiefalten,  Necrolog.  441. 


998 


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2238 ' 
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1893 


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2233 
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im  mittelalter .  1893 


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