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MEINEM FREUNDE
ERNST DUEMMLER
GEWIDMET.
Q
195$
Vorwort.
Im Jahre 1858 erschien die erste Ausgabe dieses Hand-
buches, veranlafst durch eine von der Göttinger Gesellschaft
der Wissenschaften gestellte Preisfrage; sie ist einem dringend
empfundenen Bedürfnisse entgegen gekommen und hat eine
sehr günstige Aufnahme gefunden. Die Mängel, welche bei
einem ersten Versuch kaum zu vermeiden waren, wurden mit
freundlicher Nachsicht beurtheilt. In den neuen Ausgaben
sind sie, so weit es mir möglich war, beseitigt worden;
manche früher übersehene Quellenschrift ist nachgetragen.
Vorzüglich aber ist die sehr lebhafte litterarische Thätigkeit
der Zwischenzeit auf diesem Gebiete sorgfältig berücksich-
tigt. Dagegen ist an dem Plane und Charakter des Buches
nichts geändert; es soll kein gelehrtes Repertorium zum
Nachschlagen sein, sondern durch zusammenhängende Dar-
stellung zum eigenen Studium der Quellen anleiten, diesen
in Beziehung zu den geschichtlichen Vorgängen der einzel-
nen Abschnitte ihren Platz anweisen. Bibliographische Voll-
ständigkeit anzustreben, war um so weniger nöthig, da seit-
dem Potthasts Werk erschienen ist, welches diese Aufgabe
verfolgt; hier genügte es, die zunächst 'brauchbaren Ausgaben
anzuführen, und Schriften, in welchen weitere Nachweise zu
finden sind.
Ein grofses Verdienst um die neuen Bearbeitungen hat
sich, wie schon um das ursprüngliche Werk, Ernst Dumm ler
erworben, welcher nie ermüdete, mich mit Berichtigungen und
werthvollen Nachweisungen zu versehen, von denen nur wenige
ausdrücklich erwähnt werden konnten. Vorzüglich auf seinen
VI Vorwort.
Wunsch sind auch mancherlei Umstände und Nachrichten an-
geführt und verwerthet, welche mehr culturgeschichtlicher Art
sind und den eigentlichen Geschichtsquellen etwas ferner
stehen. Nicht ganz ohne Besorgnifs dadurch der Uebersicht-
lichkeit zu schaden, habe ich mich doch von der Ueberlegung
leiten lassen, dafs die richtige Würdigung der Persönlich-
keiten und ihrer Werke dadurch befördert wird. Eine gleich-
mäfsige Durchforschung aller Schulen, auch solcher, welche
geschichtlicher Arbeit fern geblieben sind, eine Darstellung
der litterarischen Thätigkeit auf allen Gebieten, ist eine so
schwierige Aufgabe, dafs ihre Lösung so bald wohl nicht
zu hoffen ist, und ich habe deshalb nach" dieser Seite hin
lieber etwas zu viel als zu wenig thun wollen. Die von der
Münchener historischen Commission gekrönte Preisschrift des
Dr. Specht über die Geschichte des Unterrichtswesens in
Deutschland während desselben Zeitraums berührt sich viel-
fach mit meinem Buche und ergänzt es in gewisser Hinsicht.
Auch anderen Freunden habe ich wiederum für ihre
rege Theilnahme an dieser Arbeit zu danken. Ganz beson-
ders förderlich waren mir auch die zahlreichen Zusendungen
von Dissertationen, Programmen und einzelnen Aufsätzen,
welche das hier vorliegende Gebiet berühren; je leichter ge-
rade solche Schriften der Aufmerksamkeit entgehen, um so
dankenswerther ist die Zusendung derselben, und indem ich
für diese sehr wesentliche Erleichterung meiner Arbeit den
lebhaftesten Dank ausspreche, erneuere ich die Bitte, mich
auch fernerhin in gleicher Weise unterstützen zu wollen bei
der Bestrebung, die Fortschritte der Forschung auf diesem
Gebiete für eine spätere neue Bearbeitung zu verwerthcn.
Berlin, den 7. August 1892.
W. Wattenbach.
Verzeichnifs
einiger Werke, welche häufig" abgekürzt angeführt sind.
d'Achery, Spicilegium veterum aliquot Scriptorum, Paris 1655 — 1677.
13 T. 4. Gewöhnlich nach der 2. Ausg. in 3 Fol. 1724 angeführt.
Acta SS. Acta Sanctorum, Antw. 1643 ff. fol. Vgl. S. 10.
Allg. D. Biogr. Allgemeine Deutsche Biographie. 1 — 84 (bis Sraetana).
1875—1892.
Anz. d. Germ. Mus. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, Organ
des Germanischen Museums. 1—30. Nürnb. 1854—1883, 4.
Archiv. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskundc.
Bd. 1—3 von Büchler md Dümge, Frankf. 1820. 1821. Bd. 4 von
Fichard, ib. 1822. Bd. 5—12 von Pertz, Hann. 1824—1872.
Archiv d. W. A. Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen (jetzt für
österr. Geschichte), herausgeg. von der zur Pflege vaterländischer Ge-
schichte aufgestellten Commission der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften, Bd. 1—77. Wien 1848—1891. Dazu als Beilage das
Notizenblatt, 1851—1859.
Baehr, Die christlichen Dichter und Geschichtschreiber Roms (Carlsr.
1856). Zweite Ausg. 1872 als 4. Band der Gesch. der röm. Literatur.
— — Geschichte der römischen Litteratur im karolingischen Zeitalter. 1840.
Balzani, Early Chroniclers of Europe. Italy. By Ugo Balzani. London,
Society for promoting Christian Knowledge, 1883.
Bibliotheca s. Jaffe.
Bielowski, Monumenta Poloniae historica, 1 — 3. Lemberg 1864 — 1878, 4.
Boehmer, Fontes Rerum Germanicarum 1 — 4. Stuttg. 1843 — 1868.
Bouquet, Recueil des historiens des Gaules et de la France, von An-
deren fortgesetzt, 23 T. Paris 1738—1876, f.
Canis. Henr. Canisii Lectiones Antiquae, 6 Tomi, Ingoist. 1601, 4. Neue
Ausgabe von Jac. Basnage, Antw. 1725, f.
Dobner, Monumenta historica Boemiae. 6 T. Prag 1764 — 1786, 4.
Du Chesnc, Historiae Francorum Scriptores coaotanei. 5 T. Paris 1636
bis 1649, f.
Z
vin Verzeichnifs einiger Werke,
Dümmler Ostfr. Geschichte des ostfränkischen Reichs, von E. Dümmler,
2. Ausg. 2 Bde. in den Jahrbüchern der deutschen Geschichte.
Berlin 1887. 1888.
DuMeril, Edelestand, Poesies populaires latines anterieures au douzieme
siecle, Paris 1843. Poesies pop. lat. du Moyen äge, 1847. Ohne Bei-
fügung der Jahreszahl ist die erste Sammlung gemeint.
Ebert, Allgemeine Geschichte der Litteratur des Mittelalters im Abend-
lande. 1—3. Leipzig 1874. 1880. 1887. Der 3. Band reicht bis zum
Ausgang der Ottonen, ist aber nicht mehr in Einzelcitaten eingetragen.
2. Ausgabe des ersten Bandes 1889.
Eccard, Corpus Historicorum Medii Aevi, Lips. 1723, f. 2 T.
Endlicher, Rerum Hungaricarum Monumenta Arpadiana. Sangalli 1849.
Fabr. BibL Jo. Alb. Fabricii Bibliotheca Lat. Mediae et Infimae Latini-
tatis, 1— 5. Hamb. 1734— 1736. Vol. 6. cur. Christ. Schoettgenio 1746.
Ed. II. cur. Jo. Dom. Mansi, Patavii 1754, 4.
Fontes s. Böhmer.
Fontes Rerum Bohemicarum, 1 — 4. Prag 1871 ff. 4.
Forschungen zur Deutschen Geschichte, 1 bis 26. Göttingen 1862 bis 1886.
Freher, M., Corpus Francicae Historiae, 1613 f. Rerum Germanicarum
Scriptores aliquot insignes, Francf. 1600 — 1611; ed. III. cur. Struvio
1717. 3 T. fol.
G G A. Göttinger Gelehrte Anzeigen, verbunden mit den Nachrichten
von der Georg Augustus Universität und der k. Ges. der Wissen-
schaften zu Göttingen. Die letzteren werden als Gott. Nachr. angeführt.
Giesebrecht, Ludwig, Wendische Gesch. 780—1182. 3 Bde., Berlin 1843.
Giesebrecht, Wilhelm, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 1.2. Fünfte
Ausgabe 1881. 1885. Dritter Band 4. Ausg. 1877. Vierter Band 1875,
2. A. 1877. V, 1. 1880.
Hauck, Alb., Kirchengeschichte Deutschlands. I. 1887. II. 1890.
Histoire Litteraire de la France, ouvrage commence par des Religieux
Benedictins de la Congrcgation de St. Maur et continue par des Membres
de rinstitut. 1733—1763. 1807—1857. 23 Vol. bis ans Ende des
13. Jahrhunderts. Der 24. Band (1862) eröffnet das 14. Jahrhundert.
Historische Zeitschrift (auch HZ.), herausgegeben von Heinrich von
Sybel, München 1852—1892.
Historisches Jahrbuch der Goerres-Gesellschaft, 1 — 13. Münster 1880
bis 1892.
Jaffe, Bibliotheca Rerum Germanicarum. I. Monumenta Corbeiensia, 1864.
II. Monumenta Gregoriana, 1865. III. Monumenta Moguntina, 1866.
IV. Monumenta Carolina, 1867. V. Monumenta Bambergensia, 1869.
VI. Monumenta Alcuiniana, 1873. Auch als Bibl. angeführt.
welche häufig abgekürzt angeführt sind. ix
Langebek, Scriptores Rerum Danicarum Medii Aevi, fortges. v. Suhm.
7 Vol. fol. Hafn. 1772—1792. Vol. 8 v. Engelstoft u. Werlauff, 1834.
Leibniz, Aecessiones historicae. 2 T. Lips. 1698, 4. Scriptores Rerum
Brunsvicensium. 3 T. Hanov. 1707 — 1711, f. Annales Imperii Occi-
dentis ed. G. H. Pertz, 3 T. 1843-1846.
Mabillon, Acta Sanctorum Ordinis S. Benedicti, aus den Sammlungen
von d'Achery, später unterstützt von Germain und Ruinart, 9 T.
Paris 1668— 1701, f. Nachdruck Ven. 1733—1740. In der Regel ist
die Pariser Ausgabe citirt. Unter Mab. ohne Zusatz ist immer dieses
Werk zu verstehen.
- — Veterum Analectorum T. 1-4, 1675—1685, 8. Ed. II. 1723 fol. in
1 Bande.
Manitius, Max, Geschichte der christlich-lat. Poesie bis zur Mitte des
8. Jahrhunderts. Stuttg. 189.1.
Martene et Durand, Thesaurus Novus Anecdotorum. 5 T. Par. 1717 fol.
— — Veterum Scriptorum Amplissima Collectio. 9 T. Paris 1724 — 1733 f.
Mencken, Scriptores Rerum Germanicarum praecipue Saxonicarum. 3 T.
Lips. 1728. 1730, f.
Migne, Patrologiae Cursus completus. Paris 1844 ff. gr. 8. Meistens
nur incorrecte Abdrücke alter Ausgaben, und deshalb nicht immer
angeführt. Kurzes Inhaltsverzeichnis bei Potthast S. 73 — 76.
Mittheilungen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung,
red. von E. Mühlbacher. 1- 12. Innsbruck 1880—1891.
Mone, Quellensammlung für die badische Landesgeschichte, 3 Bände.
Carlsruhe 1848—1863, 4.
Monumenta Boica, angef. als MB., 1 — 42; von 28 an Doppelbände.
Mon. 1763 ff. 4. Vgl. Böhmers Einleitung zu den Wittelbachischen
Regesten, Stuttg. 1854, 4.
Monumenta Germaniae historica inde ab a. C. 509 usque ad a. 1500,
ed. G. H. Pertz. Citirt als MG. SS., Legg. etc. Ein vortreffliches
Hülfsmittel zum Auffinden gewähren die Indices von 0. Holder-Eggcr
u. K. Zeumer, 1890.
Müllenhoff und Scherer, Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus
dem VIII.— XII. Jahrhundert, Berlin 1864. Zweite Ausgabe 1873.
Dritte, von E. Steinmeyer, in 2 Bänden, 1892.
Mü nch. S B. d. i. Sitzungsberichte der philos., philol. u. hist. Classe der k. B.
Akademie d. Wissenschaften zu München. Nach Jahrg. ohne Bandzahl.
Muratori, Scriptores Rerum Italicarum. 28 T. Med. 1723— 1751, f.
Neues Archiv der Gesellchaft für ältere deutsche Geschichtskundc,
1 bis 17. Hann. 1876—1892. Angef. als NA.
Oefele, Rerum Boicarum Scriptores. 2 T. Augustae 1763, f.
x Verzeichnifs einiger Werke, welche häufig abgekürzt angeführt sind.
Pertz, s. Archiv und Monumenta.
Pez, B., Thesaurus Anecdotorum Novissimus. 6 T. Aug. 1721 — 1729, f.
Der letzte Band hat auch den Titel: Codex diplomatico-historico-
epistolaris, in 3 Theilen.
Pez, H., Scriptores Herum Austriacarum. 3 T. Lips. 1721 — 1745, f.
Pistorii Herum Germanicarum Scriptores aliquot insignes, ed. III. cur.
Struvio. 3 T. Rat. 1726, f.
Potthast, Bibliotheca historica Medii Aevi, Berlin 1862. Supplement 1868.
(Pusch und Froelich) Diplomataria Sacra Styriae. 2 T. Vienn. 1756,4.
Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands. 2 Bde. Göttingen 1848.
Reuber, Veterum Scriptorum . . . tomus unus. 1584. Ed. III. cur.
G. Ch. Ioannis. Francf. 1726, f.
Rinaudo, s. unten S. 12.
Roncallius, Vetustiora Latinorum Scriptorum Chronica. 2 T. Paris 1787, 4.
Schannat, Vindemiae Litterariae. 2 T. Fuld. 1723, f.
Schmidt, Zeitschrift für Geschichte, 9 Bände, Berlin 1844—1848.
Schöttgen et Kreysig, Diplomataria et Scriptores historiae Germ, medii
aevi. 3 T. 1753, f.
Stalin, Wirtemberg. Geschichte. 4 Bände. Stuttg. 1841—1873.
Surius, De Probatorum Sanctorum Historiis, 1 — 6, Col. 1570 — 1575.
Ed. II. 1576 — 1581. T. VII. von Mosander mit Register zu beiden
Ausgaben, Nachträgen und Martyrol. Adonis. Ed. III. Col. 1618 f. in
12 Bänden. Ed. Taurin. (Marietti) 1884.
Tengnagel, Vetera Monumenta contra Schismaticos, Ingoist. 1611, 4.
Wiederholt in Opp. Gretseri Vol. VI, 429-601. 1737, f.
Teuf fei, W. S., Geschichte der römischen Litteratur. 1. Aufl. 1871.
4. Aufl. (von L. Schwabe) 1890. Da die betreffenden Paragraphen
leicht zu finden sind, habe ich sie nur an wenigen Orten angeführt.
Traube, Ludwig, Karolingische Dichtungen, untersucht (Schriften zur
germ. Philologie, her. v. M. Roediger) Berlin 1888.
— — 0 Roma nobilis. Philologische Untersuchungen aus dem Mittelalter.
(Abhandl. der k. Bayer. Akad. d. Wiss. I. Cl. XIX. Bd. II. Abth.)
München 1891.
U gh eil i, Italia Sacra. 9 T. Romae 1644— 1662, f. Sehr vermehrte Aus-
gabe von M. Coleti. 10 T. Ven. 1717— 1725, f.
Watterich, Pontificum Romanorum Vitae, I. II. Leipzig 1862.
Wiener SB., die Sitzungsberichte der Wiener Akademie, Phil.-hist. Classe.
INHALT.
§
1.
§
2.
§
3.
§
4.
§
5.
Litterarische Einleitung".
Seite
Die Ausgaben des 16. Jahrhunderts 1
Die katholische Kirche. Die Heiligenleben 8
Sammlungen für Landesgeschichte 11
Die Monumenta Germaniae Historica 17
Andere Arbeiten des 19. Jahrhunderts 29
I. DIE VORZEIT.
Von den ersten Anfängen bis znr Herrschaft der Karolinger.
Die Römerzeit. Legenden 36
Das Leben des heiligen Severin 44
Die Anfänge und Gattungen der christlichen Geschichtschreibung 51
Die Ostgothen. Cassiodor 65
Jordanis 72
Die Westgothen. Isidor 79
Die Franken 87
Gregor von Tours 93
Fredegar 104
Die Thaten der Frankenkönige 107
Fränkische Heiligenleben 114
II. DIE KAROLINGER.
Vom Anfang des achten bis zum Anfang des zehnten Jahrhunderts.
§ 1. Neue Anfänge der Geschichtschreibung. Fredegars Fortsetzer 126
§ 2. Die Angelsachsen 130
§ 3. Die Annalen 138
§ 4. Karl der Grofse. Allgemeines 150
§ 5. Alcuin 159
§ 6. Paulus Diaconus 163
§
1.
§
2.
§
o
O.
§
4.
§
5.
§
6.
§
7.
§
8.
§
9.
§
10.
§
11.
xii Inhalt.
Seite
§ 7. Angilbert 171
§ 8. Einhard 178
§ 9. Die Reichsannalen 190
§ 10. Ludwigs des Frommen Zeit 206
§ 11. Der Streit der Söhne. Nithard 212
§ 12. Frechulfs Weltchronik 217
§ 13. Deutschland unter den Karolingern. Reichsannalen .... 221
§ 14. Fulda, Hersfeld, Mainz 230
§ 15. Sachsen. Münster, Bremen, Hamburg 243
§ 16. - Corvey, Gandersheim 249
§ 17. Lothringen 257
§ 18. Schwaben 268
§ 19. Baiern und Franken 288
§ 20. Frankreich 293
§ 21. Italien 303
III. DIE ZEIT DER OTTONEN.
Von Heinrich I. bis zum Tode Heinrieb. II.
§ 1. Allgemeines 314
§ 2. Sachsen. Corvey 328
§ 3. - Gandersheim, Quedlinburg 343
§ 4. Hildesheim 345
§ 5. - Magdeburg, Merseburg 350
§ 6. Lothringen. Cöln, Trier, Metz 360
§ 7. - Lüttich 379
§ 8. Schwaben 392
§ 9. Baiern 401
§ 10. Frankreich. Reims 406
§ 11. - Cluny 421
§ 12. Italien. Liudprand 423
§ 13. - Chroniken 429
§ 14. - Biographieen 434
BEILAGE.
Verzeichnis von Neurologien 437
Register . 461
Deutschlands Geschichtsquelleii
im Mittelalter
bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
Litterarische Einleitung.
§ 1. " Die Ausgaben des 16. Jahrhunderts.
Ungeachtet des grofsen Unterschiedes zwischen den Denkmälern des
classischen Alterthums und des Mittelalters findet sich doch auch in
ihnen viel übereinstimmendes, haben sie oft ähnliche Schicksale ge-
theilt. Bis gegen den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts las man
in den Schulen noch häufig und fleifsig die alten Autoren, und hielt
sich für die Geschichte der näheren Vergangenheit an echte und
unverfälschte Quellen. In den nächsten Jahrhunderten tritt beides
zurück. Auch die ausgezeichnetsten Geister begnügen sich mit
phantastischen Vorstellungen von der Vorzeit, ohne deren Richtigkeit
zu prüfen. Die alten Schriftsteller verschwinden aus dem Unterricht,
abgeschmackte Fabeln überwuchern bei den Chronisten die Geschichte,
und die einfachere, wahrheitsliebende Darstellung der Zeitgenossen
findet solchen Entstellungen gegenüber keine Beachtung. Fast gänz-
lich scheint der Sinn für Kritik verloren, bis wir im fünfzehnten
Jahrhundert wieder einzelne Spuren davon wahrnehmen, worauf
dann bald die Bestrebungen der Humanisten für die Wiederbelebung
der classischen Studien auch der Kunde des früheren Mittelalters zu
Gute kommen.
In Italien freilich ist es das römische Alterthum fast ausschliefs-
lich, welches die Geister beschäftigt; als dazu auch die Griechen-
welt noch hinzutrat, wandte man sich dieser fernen Vergangenheit
völlig zu, und die platonische Akademie hat mit der Gegenwart
und den aus dem Christenthum erwachsenen Zuständen kaum eine
Berührung.
Anders in Deutschland. Hier richtet sich die Kritik sogleich
auf die Urkunden der christlichen Religion, und die drückend empfun-
dene päbstliche Herrschaft veranlafst zur Prüfung der Ueberlieferung.
Da werden die alten lauteren Quellen der Geschichte wieder ans
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 1
2 Einleitung. § 1.
Licht gezogen, und gefeierte Humanisten wenden auch diesem Felde
ihre Thätigkeit zu. Das lebhaft erwachende Volksbewufstsein konnte
ebenfalls in der römischen Vorzeit nicht Befriedigung finden, wie es
in Italien der Fall war, und wie mit den reformatorischen Bestre-
bungen diesseit der Alpen überall ein kräftiger Aufschwung der
Landessprache zusammenfällt, so auch ein eifriges Erforschen der
heimischen Geschichte1). Merkwürdigerweise ist es der italienische
Humanist Aeneas Silvius aus Siena, den zuerst seine Forschungen
über österreichische Geschichte zur Bekanntschaft mit Otto von
Freising führten, der durch eine Goetweiher Handschrift Jordanis
Gothengeschichte kennen lernte2). Wenig später (1457) benutzte
Peter Luder mangelhafte Quellen zu rhetorischer Darstellung
deutscher Vorzeit3) und Hartmann Seh edel sammelte neben alt-
römischen auch deutsche Inschriften und Chroniken4).
Mehrere unserer besten Geschichtsquellen sind uns nur in Ab-
schriften des fünfzehnten Jahrhunderts erhalten, gerade wie so
manche Classiker, und den Handschriften reihen sich bald die ersten
Drucke an. Schon in diesem Jahrhundert, um 1472, wurde in Nürn-
berg Honorius De imagine mundi gedruckt; in Ulm, 1473, erschien
die deutsche Uebersetzung der Flores temporum von dem Ulmer Arzt
H. Steinhöwel; zwischen 1470 und 1474, vermuthlich zu Augs-
burg5), die Historia Friderici I, welche nichts anderes ist als ein
Theil der Ursperger Chronik. In Poitiers wurde 1479 das Breviarium
liistoriale bis 1428 gedruckt6). Denn nicht als Quellen für gelehrte
Forschung betrachtete man damals diese Schriften; noch waren sie
unmittelbar als darstellende Geschichtswerke willkommen, da man in
der Sprache sowohl wie in der ganzen Denkweise jenen Zeiten noch
nicht so fern stand, dafs es eines eigenen Studiums bedurft hätte,
um sich an den Schriften des Mittelalters zu erfreuen, sie auch nur
zu verstehen.
Zu den eifrigsten Sammlern und Forschern gehörte der gelehrte
Abt Johann von Trittenheim7), der nur leider seinein der That
1) S. die Darlegung dieser Richtung der humanistischen Studien
in Deutschland bei R. v. Raumer, Gesch. d. Germ. Philologie (1870) am
Anfang.
2) G. Voigt, Enea Silvio II, 312. 314. 320.
3) Wattenbach in d. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. XXIII, 24. Ders.
Allg. D. Biogr. XIX, 376.
4) Wattenbach, Forsch. XI, 373. Allg. D. Biogr. XXX, 661.
5) 0. Abel, Archiv XI, 81. Giesebrecht, SB. d. Münch. Akad. 1881,
I, 211.
6) L. Delisle, Bibl. de l'Ecole des chartes XLVI, S. 649—668.
7) Monographie über ihn von Silbernagel, 2. Aufl. 1885.
Die Forschungen der Humanisten. 3
bewunderungswürdige Thätigkeit und Litteraturkenntnifs durch kecke
Fälschungen selbst um den Ruhm gebracht hat, welcher ihr sonst
gebühren würde. In seinem Auftrag durchforschte der Bosauer
Mönch Paul Lang viele Klöster nach Werken über die deutsche
Geschichte1).
Vor allen aber war es Kaiser Maximilian, welcher die Er-
forschung der deutschen Geschichte auf alle Weise beförderte und
sogar selbst daran Theil nahm. Ueberall liefs er nach alten Ur-
kunden und Chroniken suchen und belohnte jeden Fund; sein
Historiograph Stabius sollte daraus ein grofses Geschichtswerk
zusammensetzen2). Die bedeutendsten Gelehrten der Zeit suchte er
an seinem Hofe zu vereinigen, und die Wiener Universität erreichte
unter ihm ihre höchste Blüthe; sie soll damals an 7000 Studenten
gezählt haben, und viele der angesehensten Humanisten fanden dort
begeisterte Schüler3). In seinem Auftrag bereiste von 1498 bis 1505
Ladislaus Suntheim aus Ravensburg das südwestliche Deutsch-
land, um die Materialien zu einer genealogischen Geschichte des
habsburgischen und anderer deutscher Fürstenhäuser zusammen zu
bringen4). Seinem gelehrten Arzt Johann Spiefshaymer, der sich
Cuspinian nannte5), gab Maximilian 1508 den Auftrag, Bücher aus
allen Theilen des Reichs zu sammeln, und einen ähnlichen Auftrag
hatte auch Dr. Jacob Mennel aus Bregenz (Manlius) erhalten6),
von welchem der Kaiser sich Nachts, wenn er an Schlaflosigkeit
litt, aus den alten Schriften vorlesen liefs7). Auch der talentvolle,
aber unstäte Dichter Conrad Celtis, welchen Maximilian im Jahre
J) Horawitz in d. Allg. D. Biogr. XVII, 614.
2) Ueber ihn Aschbach, Gesch. d. kais. Univ. zu Wien II, 363—373.
Von den Belohnungen spricht Beatus Rhenanus, Rer. Germ, libri. III, p. 113,
ed. 1551 ; p. 202. 203, ed. 1610.
3) Khautz , Versuch einer Geschichte der Oesterr. Gelehrten (1755),
S. 121—125. Vgl. Kink, Gesch. der kais. Univ. zu Wien I, 226. Aschbach,
Gesch. ders. Univ. I, 200 ff. Zweiter Band 1877 u. d. Titel: Die Wiener
Universität und ihre Humanisten im Zeitalter Maximilians I.
4) Franz Pfeiffer, Das Donauthal von Ladislaus Suntheim, im Jahr-
buch für vaterl. Geschichte (Wien 1861), S. 273— 297. Ueber ihn Asch-
bach II, 377 — 381. S. 378 die Instruction von 1505.
5) Ueber ihn Aschbach II, 284—309; Horawitz, Allg. D. Biogr. IV,
662 — 664; G. Schepss im Archiv f. Unterfranken, 1884.
6) Der Rath von Freiburg im Breisgau meldet 1509 K. Max, der be-
stellte Dr. Jacob Mennel könne mit den Chroniken nicht auf den Reichstag
nach Worms kommen, weil er nach Oesterreich verreist sei. Zeitschr. f.
Gesch. d. Oberrh. XVII, 254. Am 31. März 1510 beauftragte M. ihn mit
geschichtlichen Forschungen über die Häuser Oesterreich und Burgund.
7) M. Freheri SS. ed. Struv. II, 707. Ueber seine eigenen sehr mangel-
haften Leistungen Horawitz, Allg. D. Biogr. XXI, 358—362.
1*
4 Einleitung. § 1.
1497 nach Wien berufen hatte, erhielt im folgenden Jahre vom Kaiser
die Mittel zu seiner letzten grofsen Reise in den fernen Norden,,
deren Frucht die Germania illustrata sein sollte, Celtis lange ver-
sprochenes Hauptwerk, welches er aber bei seinem Tode 1508 un-
vollendet hinterlassen hat1). Doch sind seine eifrigen Forschungen
nicht ohne bedeutende Frucht geblieben. Im Kloster St. Emmeram
zu Regensburg entdeckte er die Werke der Nonne Hrotsuit, welche
er 1501 herausgab. Im fränkischen Kloster Ebrach fand er den
Ligurinus, über den er selbst in Wien, seine Freunde in Freiburg,.
Tübingen, Leipzig Vorlesungen hielten; 1507 besorgten seine Augs-
burger Freunde den Druck. Ihm danken wir auch die Entdeckung
der Tabula Peutingeriana, jener merkwürdigen römischen Strafsenkarte
des dritten Jahrhunderts, mit späteren Zusätzen erhalten in einer
Copie des dreizehnten Jahrhunderts, welche sich jetzt in der Wiener
Hofbibliothek befindet2). Ihren Namen führt sie davon, dafs Celtis
sie in seinem Testamente dem gelehrten Augsburger Patricier Con-
rad Peutinger3) vermachte. Dieser, der ebenfalls von Maximilian
zu seinem Rath erhoben war und fortwährend für künstlerische und
gelehrte Zwecke in Anspruch genommen wurde, war 1506 beim
Kaiser in Klosterneuburg, um die alten Briefe des Hauses Oesterreich
zu besichtigen, und erhielt ein eigen Gemach in der Wiener Burg,
wohin „S. Mt. von allen orten Cronica und historien bringen lassen".
Er selbst besafs die werthvollsten deutschen Geschichtsquellen und
beabsichtigte eine umfassende Sammlung derselben herauszugeben;
leider kam dies Vorhaben nicht in seinem ganzen Umfange zur
Ausführung, doch verdanken wir ihm mehrere vortreffliche Ausgaben,
die aber Peutingers Namen nicht auf dem Titel tragen. Nachdem
er 1507 bei der Herausgabe des Ligurinus geholfen, erschien 1515
aus der in seinem Besitz befindlichen Abschrift die erste Ausgabe
:) Engelb. Klüpfcl de vita et scriptis Conradi Celtis Protucii, Frib. 1827.
Erhard, Geschichte des Wiederaufblühens wissenschaftlicher Bildung (1830)
II, 1 — 146 und in der Encyklop. von Ersch und Gruber 21, 135. Kink a.
a. 0. S. 201 f. Aschbach II, 189—270. Joh. Huemer in d. Allg. D. Biogr.
IV, 82—88. Ueber die Angriffe auf die Echtheit der von ihm entdeckten
Werke s. unten bei Hrotsuit und Ligurinus.
2) Die ältere Ansicht, welche sie dem Verfasser der Annalen von
Colmar zuschrieb, bekämpft Jaffe, MG. SS. XVII, 187. Vgl. Frid. Philipp!
de tab. Peuting. Diss. Bonn 1876. Die neue Pariser Ausgabe von Des
Jardins ist unvollendet geblieben. Konr. Miller, Die Weltkarte des Castorius,
gen. die Peut. Tafel. In den Farben d. Orig. u. mit einleit. Text (mangel-
haft). Eavensb. 1888. Rec. v. G. Hirschfeldt, Berl. philo!. Wochenschrift VIII,
20 u. a. besonders auch gegen die Heranziehung des Namens Castorius.
3) Ueber ihn s. Th. Herberger, Conrad Peutinger in seinem Verhält-
nisse zum Kaiser Maximilian. Augsburg 1851. 4. H. A. Lier, Allg. D. Biogr.
XXV 561—568.
Peutinger. Die Protestanten. 5
■des Chronicon Urspergense, besorgt von Joh. Mader1); gleichzeitig
erschienen, von Peutinger bearbeitet, Jordanis de Rebus Geticis und
Pauli Diaconi historia Langobardorum'2), eine sehr gute Ausgabe,
gegen welche die 1514 zu Paris von Guillaume Petit besorgte
Ausgabe des Paulus weit zurücksteht. Doch verdienen auch die
Bestrebungen dieses Buchhändlers, bei welchem 1512 Gregor von
Tours, 1513 Sigebert, 1514 aufser Paulus noch Liudprand und
Aimoin erschienen, unsere Anerkennung.
Ebenfalls im Jahre 1515 besorgte der schon erwähnte Cuspinian,
zusammen mit dem kaiserlichen Historiographen Stabius, in Strafs-
burg eine vortreffliche Ausgabe des Otto von Freising mit der Fort-
setzung des Ragewin. Ebenda waren bereits im Jahre 1508 von
dem Breisgauer Gervasius Soup her die Gesta Heinrici IV her-
ausgegeben, mit einem Vorwort, welches von stolzem Selbstgefühl
den Franzosen gegenüber erfüllt ist. Von ähnlicher Denkungsart
zur Ehrenrettung dieses vielgeschmähten Kaisers getrieben, gab
Aventin 1518 in Augsburg die schöne prosaische Lebensbeschreibung
desselben heraus; er war ein Schüler von Celtis und hatte sich nach
dessen Vorbild der deutschen Geschichte schon früh eifrig zugewandt3).
So traten nach einander die vorzüglichsten Geschichtschreiber des
deutschen Mittelalters ans Licht; 1521 erschienen in Cöln auch die
Werke Einhards, herausgegeben von dem Grafen Hermann
von Nuenar4); in Mainz die Chronik des Regino von Sebastian
von Rotenhan5).
Besonders eifrig aber nahmen die Protestanten diese Bestrebungen
auf; sie fanden bald auch unter diesen Schriften Waffen gegen die
päbstlichen Ansprüche, und die Streitschriften des elften Jahrhunderts
erschienen auch für den veränderten Standpunkt des sechzehnten
noch verwendbar. Hatte man doch schon lange im Einklang mit der
wachsenden Erbitterung gegen den entarteten Clerus die scharfen
Satiren des früheren Mittelalters hervorgezogen, so in Cöln bald
*) 0. Abel im Archiv XI, 79, berichtigt von Giesebrecht in d. SB. d.
Münch. Akad. 1881, I, 208-210.
2) Archiv VII, 814.
3) Ueber Aventin s. Wegele, Allg. D. Biogr. I, 700 — 704, u. Bayer.
Bibl. X (1890). Ausgabe seiner Werke Ton Riezler. Vgl. W. Meyer,
Philol. Bemerkungen zu Aventins Annalen, u. Aventins Lobgedicht auf
Albrecht IV. von 1507, Abh. d. Münch. Ak. I. Cl. XVII. 3. Abth. 1886.
Riezlers Entgegnung ebend. III. Cl.
4) Ueber den Codex Steinveldensis, durch dessen Auffindung Nuenar
gegen den Vorwurf willkürlicher Aenderungen gerechtfertigt ist, s. Archiv
VII, 364.
5) Ueber ihn s. Wegele, Allg. D. Biogr. XXIX, 299.
6 Einleitung. § 1.
nach 1470 und mehrmals wiederholt den 'Pseudo-Ovidius de Vetida
mit seinen Ausfällen gegen sittenlose Prälaten, und den Brunellus
mit der schonungslosen Verspottung der Mönche. Die Schrift des
Spaniers Alvarus Pelagius De planctu ecclesiae, in welcher er unter
dem Eindruck seiner Erfahrungen an der Curie in Avignon den
verderbten Zustand der Kirche beklagt, 1340 in Portugal zuletzt
überarbeitet, erschien schon 1474 in Ulm bei Johann Zainer von
Reutlingen, und wurde 1517 in Lyon wiederholt. Lupolds von
Bebenburg Schrift Germanorum principum zelus in christianam religionem
erschien 1497 in Basel. Die Epistola Luciferi ad malos principes ec-
clesiasticos, eine sehr bittere Satire, welche 1351 in Avignon zum
Vorschein kam und in vielen Abschriften verbreitet war, wurde
nach einer nicht mehr bekannten Pariser Ausgabe 1507 in Strafsburg
gedruckt, um 1530 in einem Einzeldruck o. J. wiederholt und 1549 in
Magdeburg von Flacius Illyricus herausgegeben1). Derselbe wieder-
holte 1550 die deutsche Uebersetzung des Briefes, welche schon 1521
o. 0. erschienen war2). Ulrich von Hütten gab 1520 die Schrift
Walrains von Naumburg gegen Gregor VII, De unitate ecclesiae con-
servanda, heraus, welcher bald noch mehrere Schriften verwandten
Geistes aus der Zeit des Schisma und der Reformbewegung des vier-
zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts folgten3). So erschien 1521
in Wittenberg der dem Bischof Ulrich von Augsburg untergeschobene
Brief unter dem Titel: Hulderichi Aug. ep. epistola adversus constitu-
tionem de cleri coelibatu. Der Cölner Humanist Jacob Sobius gab
1521 in Basel die Commentare des Aeneas Silvius nebst anderen
Stücken von verwandtem Inhalt heraus, eine Sammlung, welche 1535
in Cöln mit neuen Zuthaten von Ortwrinus Gratius wiederholt
wurde, dessen Standpunkt in seinem späteren Leben ein von dem
früheren sehr verschiedener wurde4). Im Jahre 1529 wurden zu
Hagenau die ersten Briefe Peters de Vinea gedruckt, weil sie auch
für die Gegenwart zutreffend zu sein schienen. Unbefangener liefs
Melanchthon es sich angelegen sein, den Schulunterricht in der
Geschichte zu fordern. Sehr nachdrücklich spricht er sich über den
hohen Werth der Geschichte aus in der an Sigismund von Branden-
*) Anz. d. Germ. Mus. XVI (1869), Sp. 9. Ueber diesen u. andere
Teufelsbriefe s. Wattenbach, SB. d. Berl. Ak. Febr. 1892.
2) E. Weller, Die ersten deutschen Zeitungen, S. 90.
3) Straufs, Ulrich von Hütten II, 47. 55. 166. 320. 358.
4) David Clement, Bibliotheque curieuse (1759) VIII, 241 weist dieAutor-
schaft des Jacobus Sobius nach, S. 243 die des Ortw. Gratius, welcher sie
nie geleugnet hat. S. auch Ennen, Gesch. d. Stadt Cöln, IV, 87 — 92:
L. Geiger, Allg. D. Biogr. IX, 600—602. Reichling, Ortwin Gratius, Heiligen-
stadt 1884.
Ausgaben der Protestanten. 7
bürg, Erzbischof von Magdeburg, gerichteten Widmung des von ihm
1558 für die Schulen bearbeiteten Chronicon Carionis1). Schon
1525 gab Caspar Churrer in Tübingen die Chronik Lamberts
nach einer Abschrift heraus, welche Melanchthon ihm geschickt
hatte, und 1556 begleitete dieser Siegmund Schorkels Ausgabe
des Helmold mit einem Brief an den Herzog yon Stettin.
In Basel, wo schon 1529 Sichardus die Chroniken des Hierony-
mus, Prosper, Cassiodor, Hermannus Contractus mit einer Widmung
an den Cardinal Albrecht von Brandenburg herausgegeben hatte, be-
sorgten die Buchhändler Heerwagen, die auch Melanchthons Ver-
leger waren, 1531 eine Sammlung, welche den Prokop, Agathias
und Jordanis enthält, mit einer Vorrede von Beatus Rhenanus aus
Schlettstadt. Dieser hatte auch zum Otto von Freising das Titelblatt
entworfen und ist dadurch zu dem unverdienten Ruhme gekommen,
als ob er der erste Herausgeber deutscher Geschichtsquellen gewesen
wäre. Die Handschriften aber zu jener Sammlung hatte Conrad
Peutinger aus Augsburg geschickt2).
Im Jahre 1532 erschien in demselben Verlage eine zweite Samm-
lung, welche den Widukind, Einhard und Liudprand enthält, heraus-
gegeben von dem Professor Martin Frecht zu Tübingen.
Es würde uns zu weit führen, wenn wir fortfahren wollten, die
Ausgaben des sechzehnten Jahrhunderts aufzuzählen, denn ihre Zahl
ist nicht gering; besonders die Wechelsche Buchhandlung in
Frankfurt verlegte eine ganze Reihe von Sammlungen dieser Art.
Unsere Absicht war nur, zu zeigen, mit welchem Eifer man damals
bestrebt war, die echten Quellen der Geschichte wieder ans Licht
zu ziehen; mit richtiger Auswahl wurden die besten derselben zuerst
herausgegeben und mit derselben Sorgfalt behandelt, welche die
ersten Ausgaben der alten Classiker auszeichnet. Es war ein treff-
licher Anfang gemacht, hinter dem der gröfste Theil der späteren
x) Zuletzt bei Bretschneider, Corpus Reformatorum XII, 707. Vgl. G.
D. Hoffmann, Abhandlung von Philipp Melanchthons Verdiensten um die
teutsche Reichs- und Staatsgeschichte, Tübingen 1760. Schon 1532 schreibt
er: Misit Carion ad me farraginem quandam negligentia coacervatam,
quae a me disposita est. Ueber Carions Leben und Schriften Strobels
Miscell. Lit. Inhalt, 6. Samml. S. 139 ff. A. Stern in d. Allg. D. Biogr. III,
781. Dafs Melanchthon auch die Ausgabe des Nauclerus 1516 besorgt
habe, bestreiten Herrn. Müller, Forsch. XXIII, 595, u. M. Spiels ib. XXVI,
138 — 140: Winsheim verwechselte in seiner GedächtnifsredeCarion u.
Nauclerus.
2) Ueber B. Rhenanus s. A. Horawitz in d. Wiener SB. LXX, 189 bis
244. LXXII, 323 — 376. LXXVIII, 313 — 340. Horawitz u. Hartfelder,
Briefwechsel des B. Rh. Leipz. 1886. Geny u. Knod, Die Stadtbibl. zu
Schlettstadt, 1889.
8 Einleitung. § 1. 2.
Leistungen weit zurückblieb, und an die Ausgaben schlofs sich so-
gleich auch die geschichtliche Verwerthung, getragen von demselben
Geiste wahrheitsuchender Kritik, die sich vorzüglich der Prüfung
der kirchlichen Ueberlieferung zuwandte. Hervorzuheben ist unter
diesen Werken die nach Jahrhunderten eingetheilte Kirchengeschichte
der sogenannten Magdeburger Centuriatoren, Mathias Flacius,
Wigand u. a. (Basil. 1559 — 1574, 13 Voll, fol.), weil sie durch scharfe
Kritik und umfassende Forschung geradezu epochemachend wirkte,
und durch Mittheilungen aus einem reichen handschriftlichen Material
noch jetzt schätzbar ist1).
Freilich waren nicht alle gleich bereit, die geschichtliche Wahr-
heit anzunehmen, und unter die Ausgaben der echten Quellen
mischten sich bald auch falsche. Schon 1498 erschien in Rom der
nachgemachte Berosus und anderes Machwerk des berüchtigten
Annius von Viterbo. Nicht ganz so plump erfunden waren die
Megenfrid, Benno und andere Schriftsteller, auf welche Trithemius
sich in seiner Hirschauer Chronik (1514) berief, und seine Angaben
führen deshalb noch jetzt nicht selten irre; hat doch sogar sein
Hunibald, dessen lächerliche Larve schon der Graf von Nuenar
durchschaute, noch im neunzehnten Jahrhundert Vertheidiger ge-
funden! Zum ärgsten Unfug dieser Art aber gehört das 1530 er-
schienene Turnierbuch von Rüxner2), dessen freche Lügen von den
ahnensüchtigen Herren begierig aufgenommen wurden und noch
heutiges Tages hin und wieder gespensterhaft erscheinen.
§ 2. Die katholische Kirche. Die Heiligenleben.
Während einerseits die neu erwachende kritische Richtung will-
kommene Waffen in der Litteratur des früheren Mittelalters fand,
bot sich andererseits hierin auch der katholischen Kirche ein schöner
Schatz ascetischer Schriften dar, und die Briefe der alten Päbste,
J) Vgl. Rinck in Pertz Archiv III, 52—56. W. Preger, M. Fl. 111. u.
seine Zeit, 2 Bde. Erl. 1859—1861; Allg. D. Biogr. VII, 95. W. Schulte,
Beitr. z. Entstehungsgesch. d. Magdeb. Cent. Neisse 1877. Flacius gab auch
nach dem Vorgang des Engländers Bale und von ihm unterstützt die
Satiren des 12. und 13. Jahrhunderts gegen Pabst und Clerus heraus unter
dem Titel: Carmiua vetusta ante trecentos annos scripta, quae deplorant
inscitiam evangelii etc. Viteb. 1548, vermehrt 1557 als: Varia doctorum
piorumque virorum de corrupto ecclesiae statu poemata.
2) S. darüber Waitz, Heinrich I, 3. Ausg. S. 265— 272. Ein Theil der
Fabeln ist älteren Ursprungs, schon 1518 in Baiern ein Werk der Art
entstanden, aber Rüxnern bleibt doch eine ansehnliche Vermehrung der-
selben.
Die katholische Kirche. Heiligenleben. 9
wie die alten Vorkämpfer ihrer Ansprüche, waren noch immer zu
brauchen. So finden wir denn, nachdem die katholische Kirche
sich wieder ermannt und auch wissenschaftlich neue Kraft gewonnen
hat, auch von dieser Seite viele Publicationen; der Cardinal Caesar
Baronius setzte den Magdeburger Centuriatoren seine Annales
ecclesiastici entgegen, welchen die aus ' dem Vaticanischen Archiv und
anderen Quellen mitgetheilten Actenstücke hohen Werth verleihen1).
Durch gute Ausgaben wichtiger neu entdeckter Quellen machten
sich besonders Heinrich Canisius2), Brouwer3), Sirmond,
Tengnagel, Gretser4) verdient. Auf einzelnes einzugehen, würde
hier zu weit führen; nur einen besonderen Zweig der Litteratur
scheint es erforderlich hier näher zu betrachten.
Schon unter den ältesten Incunabeln finden sich Legendarien
und einzelne Heiligenleben, zur Erbauung bestimmt. Hin und wieder
bieten sie ein brauchbares Körnchen dar; im ganzen aber erscheinen
die Legenden in solcher Weise überarbeitet, dafs das Triviale, allen
Gemeinsame, überhand genommen hat, das Geschichtliche oft ganz
verschwunden oder doch verdunkelt ist. Die zahlreichen Wunder,
die vielen Fabeln und Albernheiten machten diese Litteratur gerade
ganz besonders zum Gegenstand lebhafter Angriffe, und bald empfand
man, dafs sie allen Werth und Nutzen verlieren werde, wenn man
sich nicht zu einer Sichtung des überkommenen Stoffes entschliefsen
werde. Nachdem schon der Mailänder Boninus Mombritius auf
alte Handschriften zurückgegangen war, die er mühsam aufsuchte,
und durch deren unveränderten Abdruck5) er sich verdient gemacht
hatte, ohne Nachfolger zu finden, erschien ein Jahrhundert später
die Sammlung des Cölner Karthäusers Laur. Surius (f 1578):
Vitae Probatorum Sanctorum, die viel brauchbaren geschichtlichen
Stoff zuerst ans Licht brachte, und wenn auch der lateinische Stil
etwas überarbeitet ist, so berührt das doch kaum den Inhalt. Yon
Kritik aber ist in diesem Werke keine Rede, und die herrschende
1) Bis 1198 in 12 Folianten 1588—1607 erschienen. Die Fortsetzung
von Raynaldus in 9 Folianten bis 1565 erschien von 1646 — 1677. Aus-
gabe von Mansi mit Pagi's Kritik, Lucae 1738 — 1759.
2) Neffe des berühmteren Petrus, s. v. Schulte in d. Allg. D. Biogr.
III, 749.
3) Kraus in d. Allg. D. Biogr. III, 368.
4) Werner in d. Allg. D. Biogr. IX, 645.
5) Sanctuarium, in 2grofsen Folianten o. J. (um 1475). Vgl. Tiraboschi,
Tomo VI, 1. II, c. 32. Von demselben rührt die erste Ausgabe des Prosper
her, welche Holder-Egger im NA. I, 22 erwähnt, nach J. A. Saxii Hist.
litter. typogr. Mediol. p. 146.
10 Einleitung. § 2.
Meinung der Gebildeten verwarf alle diese Mönchsgeschichten als
leere Fabeln.
Diesen Angriffen gegenüber fafste nun der Jesuit Heribert van
Roswey der Plan, durch strenge Sichtung des ganzen vorhandenen
Materials und Aufopferung des falschen das echte zu retten und zu
sichern. Er selbst gab u. a. das Martyrologium Romanum heraus;
besonders aber veranlafste er seinen Ordensbruder Johann Bolland
in Antwerpen zu dem grofsartigen Unternehmen der Acta Sanctorum,
wovon 1643 der erste Band erschien. Noch 5 Bände gab Bolland
selbst heraus; dann hinterliefs er die Fortsetzung Daniel Papebroch
und Gotfried Henschen, von welchen der gediegenste Theil des
Werkes gearbeitet ist. Sie gewannen bei ihrer Arbeit eine solche
Sicherheit der historischen Kritik und verfuhren mit so wenig Scho-
nung, dafs sie bald vielfache Angriffe erfuhren und die spanische
Inquisition sogar im J. 1695 die bis dahin erschienenen 14 Bände
verbot. Man versuchte auch den Pabst zu einem Verbote desselben
zu bewegen, aber vergeblich; nur Papebrochs Chronologia Pontificum
Romanorum wurde wirklich verboten1). Mit dem unermüdlichsten,
mühsamsten Fleifse setzten auch später die Antwerpener Jesuiten,
welche man gewöhnlich als Bollandisten bezeichnet, das begonnene
Werk fort; ihre Abhandlungen wurden immer weitschichtiger und
verloren an innerem Werthe, während das ganze immer langsamer
vorrückte. Doch sind noch viele sehr tüchtige Arbeiten und uner-
mefsliches historisches Material darin. Durch die Aufhebung des
Ordens wurde das Unternehmen gestört; andere führten es weiter,
dann aber machte ihm die Occupation Belgiens durch die Franzosen
ein Ende. In neuester Zeit hat man es wieder aufgenommen, aber
mit der übertriebensten Weitschweifigkeit. Bis jetzt sind mehr als
60 Folianten erschienen, welche bis in den November reichen, denn
das ganze Werk folgt der Ordnung des Kalenders. Die Auffindung
eines bestimmten Heiligen war früher nicht leicht; man bedurfte
dazu der Kenntnifs seines Tages, wozu das Heiligenlexicon (von
Schmaufs) Gott. 1719, 8, brauchbar ist, welches zugleich zur vor-
läufigen Orientirung dienen kann. Gegenwärtig aber bietet Pott-
hasts Bibliotheca historica in dem Artikel Vita S. 575 — 940 ein
nicht allein auf den Umfang des Mittelalters beschränktes Reper-
torium sämmtlicher von den Bollandisten besprochener Personen,
*) S. Rettberg, Art. Papebroch in der Encyklopädie von Ersch und
Gruber.' A. Scheler, Zur Geschichte des Werkes Acta Sanctorum, Sera-
peum VII. 305 ff. Potthast, Bibl. historica, p. 23—25. Baehr, Gesch. d.
Rom. Litt.' IV, 227.
Mauriner. Landesgeschichte. H
dem ein Register der übrigen in jenem Riesenwerke enthaltenen
Abhandlungen beigefügt ist. Aufserdem aber enthält jetzt ein
Supplementband der Acta Sanctorum zum October Generalregister
über das ganze Werk von Rigollot.
Neben den Jesuiten begannen auch die französischen Benedi c-
tiner ein ähnliches Werk, nachdem ihr Orden in der Congregation
de Saint-Maur einen neuen, aufserordentlich kräftigen Aufschwung
genommen hatte. Die Erforschung der Geschichte ihres Ordens
wurde bald ein Hauptgesichtspunkt der Congregation und ihr Biblio-
thekar Dom Luc d'Achery sammelte dafür viele Jahre mit Unter-
stützung der ganzen Genossenschaft unschätzbares Material. Zur
Bearbeitung desselben wurde ihm 1664 Dom Jean Mabillon bei-
gegeben, den dann wieder Germain und Ruinart unterstützten.
Yon ihnen erschienen 1668 — 1701 die Acta Sanctorum Ordinis S.
Benedicti in 9 Folianten, welche bis zum Jahre 1100 reichen und
vom gröfsten Werthe für die Geschichte sind. Abweichend von der
Anordnung der Bollandisten ist diese Sammlung nach der Zeitfolge
geordnet; sie beginnt natürlicher Weise erst mit der Entstehung des
Ordens der Benedictiner, die ersten Jahrhunderte der Kirche aber
behandelte Ruinart selbständig in seinem trefflichen Werke : Acta
primorum martyrum sincera, 1689, 4.
§ 3. Sammlungen für Landesgeschichte.
In viele einzelne Staaten zerspalten hatte Italien keine um-
fassende Sammlung von Geschichtsquellen erhalten; auch ging hier
der Patriotismus gerne gleich über die Zeiten des Mittelalters hinaus
in die antike Welt hinüber. Die römische Kirche aber konnte
vom Mittelalter nicht lassen und noch weniger ihren Gesichtspunkt
durch enge Grenzen beschränken lassen. Ihre Geschichte, vom
Cardinal Baronius geschrieben, umfafste die ganze christliche Welt,
und jedes Volk fand hier die wichtigsten Aufschlüsse über seine
Vergangenheit aus den Schätzen des Vaticanischen Archivs. Viele
Geschichtsquellen Italiens zog Ughelli zuerst ans Licht in dem
grofsen Werk der Italia Sacra, welches später von Coleti um-
gearbeitet und sehr vermehrt wurde1). Gleichzeitig mit diesem
wirkte Ludwig Anton Muratori, der mit der umfassendsten Ge-
lehrsamkeit, rastlosem Fleifse und unermüdlicher Thatkraft die
]) Ughelli, Italia Sacra, 9 Bände f. 1644—1662. Neue Ausg. v. Coleti
in 10 Bänden, 1717—1721.
12 Einleitung. § 3.
Grundlagen der italienischen Geschichte legte, auf denen noch heute
fortgebaut wird. Seine Scriptores Herum Italicarum in 21 Folianten,
1723 — 1751, sind die erste umfassende planmäfsig angelegte Samm-
lung der Geschichtsquellen eines ganzen Landes, und bis jetzt die
einzige, welche ihre Vollendung erreicht hat; das grofse Verdienst,
durch eifrige Unterstützung der Sache, auch durch wissenschaftliche
Mitwirkung die Ausführung möglich gemacht zu haben, gebührt den
bescheiden im Hintergrund gebliebenen Socii Palatini1). Neuestens
hat auch Italien eine Darstellung seiner Chronistik erhalten durch
Ugo Balzani2).
Erstrebt war freilich schon früher ähnliches in Frankreich
durch die Sammlung von Duchesne in 5 Folianten (1636 — 49);
doch genügte diese nicht, so werthvoll auch ihr Inhalt ist. Colbert
fafste bereits 1676 den Plan einer neuen umfassenderen Sammlung,
der jedoch erst später zur Ausführung kam, als die Congregation
der Maurin er auch diese Aufgabe übernommen hatte. Nachdem
diese iieifsigen und gelehrten Mönche bereits für die Geschichte
ihres Ordens und der Kirche das aufserordentlichste geleistet, und
in verschiedenen Sammlungen unendliches Material zugänglich ge-
macht hatten, erschien von 1738 an der JRecueil des Historiens des
Gaules et de Ja France von Dom Bouquet und seinen Nachfolgern,
eine Sammlung, deren Fortführung in neuester Zeit wieder aufge-
nommen ist, und die bis jetzt aus 23 Folianten besteht.
In Deutschland waren die vielversprechenden Anfänge des
sechzehnten Jahrhunderts durch die inneren Spaltungen gehemmt
und endlich durch den dreifsigj ährigen Krieg fast gänzlich erstickt
worden. Die folgende Zeit des Reichthums und der fürstlichen
Stellung der Geistlichkeit brachte wohl einige Stiftshistorien, aber
nichts, das sich mit dem Wirken der Mauriner in Frankreich irgend
vergleichen liefse. Wohl reizte das Beispiel zur Nachahmung, aber
alle Versuche scheiterten theils an der Trägheit der in Reichthum
und Ueppigkeit versunkenen Stifter, theils an der Eifersucht der
Landesfürsten, welchen es bedenklich erschien, die Geistlichkeit ihrer
Territorien in nähere Verbindung mit den Ordensbrüdern anderer
Gebiete treten zu lassen. Und geradezu unmöglich war es für die
*) S. über diese L. Vischi im Arch. stör. Lombardo 1880, S. 391 — 566.
2) Ein Band der durch die Society for promoting Christian Knowledge
veranlafsten Sammlung: Early chronicles of Europe, 1883; auch ins Ital.
übersetzt. Anderer Art, auch die Byzantiner, die Gesetze und Urkunden
umfassend, ist die Schrift von Costanzo Rinaudo: Le Fonti della storia
dTtalia dalla caduta dell' imperio Romano d'Occidente all1 invasione dei
Longobardi (476—568). Torino 1883.
Leibniz. Das Collegium historicum. \Q
Reichsabteien, selbst wenn sie es gewollt hätten, sich einer gemein-
samen Leitung und wechselnden Aebten unterzuordnen. Das er-
fuhren namentlich die Gebrüder Bernhard und Hieronymus Pez1) in
Melk bei ihren Bemühungen, neues Leben in den alten Orden
der Benedictiner zu bringen, und die Stiftung einer Congregation,
welche es möglich gemacht hätte, die vorhandenen Kräfte zu ver-
einigen und, wie in Frankreich, planmäfsig für gemeinsame Zwecke
zu verwenden, scheiterte an solchen Hindernissen.
Material war freilich in grofsen Massen zu Tage gefördert, aber
ohne Auswahl, ohne Kritik; die neuen Publicationen fügten nur immer
mehr rohe Masse hinzu, in noch mangelhafterer Weise, und niemand
verstand es, den Stoff zu bearbeiten. Im siebzehnten Jahrhundert
erschienen bei dem Uebergewicht des Partiknlarismus fast nur noch
Sammlungen für die Geschichte einzelner Reichslande. Eine neue
Epoche beginnt dann mit Leibniz, dem Zeitgenossen Muratori's,
und in noch viel höherem Grade würde dies der Fall gewesen sein,
wenn nicht seine Forschungen unvollendet und grofsentheils unbe-
kannt geblieben wären. Wie Muratori von der Geschichte des
Hauses Este, so ging Leibniz von den Weifen aus, und wie Muratori
wurde er durch diese Untersuchungen immer weiter geführt zu den
ausgedehntesten Quellenforschungen, welche die ganze Reichsge-
schichte umfafsten, Forschungen, die sich andererseits an seine
philosophischen sowohl wie an seine staatsrechtlichen Studien an-
schlössen. Er durchsuchte alle ihm zugänglichen Archive und Bi-
bliotheken, und ergriff mit dem lebhaftesten Eifer den Plan einer
systematischen Sammlung und Ausgabe aller vorhandenen Quellen
für die politische und die Rechts- und Kirchengeschichte, auf deren
Wichtigkeit und die Notwendigkeit ihrer gründlichen Erforschung
zuerst Conring energisch hingewiesen hatte.
Wohl einsehend, dafs die Aufgabe die Kräfte eines Einzelnen
übersteige, versuchte man wiederholt, Gesellschaften zu diesem Zwecke
zusammenzubringen. Schon Johann Christian von Boineburg,
der Rathgeber des Churfürsten Johann Philipp von Mainz, der Freund
Conrings, Leibnizens und Forsters, entwarf den Plan, ein Collegium
universale Eruditorum in Imjjerio Bomano mit vorzüglicher Rücksicht
auf Geschichte zu stiften, und theilte denselben 1670 mehreren
Gelehrten mit. Mainz, wo das Reichsarchiv sich befand, war zum
Sitz desselben bestimmt, allein es blieb bei diesen Anfängen und
hatte keinen weiteren Erfolg. Neue Anregungen zu Versuchen dieser
2) S. Krones, Allg. D. Biogr. XXV, 569—575.
14 Einleitung. § 3.
Art gab bald darauf die kräftige Entwickelung der schon 1651 ge-
stifteten, 1677 vom Kaiser privilegirten Academia Leopoldina Naturae
Curiosorum. Pauliini in Eisenach fafste die Idee einer ähnlichen
historischen Gesellschaft; er liefs 1687 eine Delineatio Collegii Im-
perialis Mstorici gloriose et feliciter fundandi drucken und vertheilen.
Mit vorzüglichem Eifer gingen Hiob Ludolf und Tentzel auf
diesen Gedanken ein; Ludolf theilte Pauliini seine unmafsgeblichen
Bedenken mit und von ihm ging die förmliche Aufforderung zur
Theilnahme aus, welche 1688 versandt wurde. Er war der Präses
der neuen Gesellschaft, welcher mehrere namhafte Gelehrte sich
anschlössen. Vor allem aber bedurfte man materieller Unterstützung,
ohne die sich wenig ausrichten liefs; man wünschte den Kaiser, den
Reichstag dafür zu gewinnen, man suchte nach vornehmen Patronen,
aber man fand, wie Ludolf 1695 an Leibniz schrieb, keinen einzigen,
welcher einen Pfennig daran wenden wollte1). Nur der Herzog von
Würtemberg gewährte Pregitzer die Kosten zu einer Reise durch
Schwaben, die Schweiz, Burgund und Frankreich, um die Archive
zu durchforschen; seine Reiseberichte befinden sich auf der Göttinger
Bibliothek. Erfolg hatte also auch dieser Versuch nicht, und er
konnte kaum Erfolg haben zu einer Zeit, wo die höheren Stände
ganz der französischen Bildung hingegeben, und die Gelehrten
gröfstentheils von geistloser Pedanterie erfüllt waren, wo lebhafte
Theilnahme für die Erforschung der vaterländischen Geschichte eben
so selten zu finden war, wie die Fähigkeit zum richtigen Verständnifs
der Quellen.
Leibniz hatte diesen Bestrebungen von Anfang an grofse Theil-
nahme zugewandt; er wies vornehmlich auf den unveränderten Ab-
druck der reinen Quellenschriften hin, während Ludolf mehr eine
Bearbeitung der Reichsgeschichte ins Auge fafste. Leibnizen dagegen
war um fremde Darstellungen wenig zu thun; er wufste wohl, dafs
Urkunden, in denen ein Anderer nichts finden konnte, ihm die be-
deutendsten Aufschlüsse gewährten, und rieth deshalb ernstlich, dafs
man sich nicht bemühen solle, um eine Geschichte stylo florido et
eleganti zu schreiben, sondern man solle die Documenta und Urkunden
geben, ut praesens aetas thesaurum quendam relinquat. Er zuerst erhob
sich über den Dilettantismus und die Yielwisserei und verband die
ausgebreitetsten Kenntnisse mit staatsmännischem Blick und histo-
*) De Collegio nostro historico quod dicam vix habeo, adeo omnia frigent.
Scilicet nemo de magnatibus nostris est qui urgeat, multo minus qui obolum
impendat. Qui ad nutum alienum laborare debent sine magno autore, sine
praemio, sunt difficillimi. 1695, Dec. 9.
Leibniz und seine Nachfolger. 15
rischer Einsicht. Und so leistete denn dieser aufserordentliche
Mann allein einen grofsen Theil desjenigen, was jene gutgemeinten
Unternehmungen bezweckt hatten, ohne zur Ausführung kommen zu
können.
Schon 1693 gab Leibniz seinen Codex juris gentium heraus, dem
1700 die zwei Folianten der Mantissa Documentorum folgten. Von
1707—1711 erschienen dann die Scriptores Herum Brunsvicensium,
welche theils die niedersächsische Landesgeschichte, theils die wei-
fische Hausgeschichte erläutern sollten, und durch die grofsartige
Stellung des weifischen Hauses, durch die Verflechtung desselben
in alle wichtigsten Angelegenheiten des Reiches einen universellen
Charakter erhielten, der sie von allen anderen Sammlungen für spe-
cielle Landesgeschichte unterscheidet. Eine Anzahl anderer wichtiger
Schriftsteller war schon 1698 in den Accessiones historicae zuerst
ans Licht gebracht. Aber von den überreichen Sammlungen Leib-
nizens war dadurch nur ein kleiner Theil erschöpft; nachdem er
selbst vom Schauplatze abgetreten war, brachten seine Nachfolger
Eckhart, S. Fr. Hahn, Jung, Gruber, Scheidt aus seinem Nachlafs
das grofsartige Werk der Origines Guelficae zu Stande, welches noch
jetzt einen ehrenvollen Namen behauptet, in Form und Inhalt aber
ganz auf den Vorarbeiten von Leibniz ruht1).
Aber Leibniz hinterliefs auch noch ein anderes Werk, welches
allein ausgereicht hätte, um einen gewöhnlichen Menschen berühmt
zu machen, die Annetten des abendländischen Reiches, zu welchen
ihn seine Forschungen über die Weifen ebenso hinführten, wie Mu-
ratori die Geschichte des Hauses Este zur Verfassung der Annalen
Italiens veranlafste. Dieses Werk, welches Leibniz viele Jahre lang
vorzüglich beschäftigte, reicht von 768 — 1005, denn weiter ist er
leider nicht damit gekommen. Es ist durchaus ein Meisterwerk,
welches alle früheren Leistungen weit hinter sich läfst; auch hegten
die Zeitgenossen grofse Erwartungen davon, und lange war von dem
Druck desselben die Rede, der aber dennoch zum grofsen Schaden
der Wissenschaft unterblieb, bis in neuester Zeit Pertz das fast
x) Die vorstehenden Angaben sind aus den Mittheilungen meines 1863
verstorbenen Freundes Röfsler entnommen, welcher sie aus dem in Göt-
tingen und Hannover verwahrten handschriftlichen Material geschöpft hatte,
mit Benutzung der Nachrichten über Paullini's Briefwechsel im Serapeum
1856, S. 65. 367, der Schriften Guhrauers u. a. Vgl. auch Lucä, der
Chronist Friedr. Lucä (Frankfurt 1854), S. 279— 344; Pfleiderer, Leibniz
als Patriot etc. S. 632 ff. Mit Benutzung von Paullini's Nachlafs in Jena
ist der Aufsatz von Wegele gearbeitet: Das historische Reichscolleg, Im
neuen Reich 1881, N. 25. Ueber Leibniz' Reise nach Wien 1708 s. Wilh.
Guerrier, Leibniz in seinen Beziehungen zu Rufsland (1873) S. 67.
16 Einleitung. § 3.
schon in Vergessenheit gerathene Werk herausgab l), nachdem ein
grofser Theil der darin enthaltenen Forschungen von neuem gemacht
worden war. Aber noch immer ist das Werk sehr brauchbar, da
es mit der vollständigen Uebersicht und Benutzung des bis dahin
bekaunt gewordenen Stoffes gearbeitet ist, während die sichere Me-
thode, der durchdringende Scharfsinn und die geistvolle Behandlung
des grofsen Verfassers den Leser durchgehends fesseln und zur Be-
wunderung fortreifsen.
Die Fehler der früheren Sammlungen, von denen auch die Leib-
nizsche nicht ganz frei ist, den Mangel an kritischer Sichtung des
Stoffes, an systematischer Auswahl und Zusammenstellung, die Un-
zuverlässigkeit der Abdrücke, schilderte niemand schärfer und ein-
dringlicher als Joh. G. Eckhart2), Leibnizens Gehülfe, dann Con-
vertit und fürstlich Würzburgischer Rath. Dennoch vermied er in
seiner eigenen Sammlung, dem Corpus historicorum medii aevi (1723)
keinen jener Fehler, vermehrte aber das vorhandene Material durch
sehr werthvolle Beiträge.
J. B. Mencke veröffentlichte 1728 und 1730 noch eine sehr
schätzbare Sammlung, B. G. Struve gab 1717 und 1726 die älteren
Sammlungen von Pistorius und Freher neu heraus; immer mehr
wuchs die Masse des gröfstentheils rohen, ungeordneten, ungesichteten
Materials; immer schwieriger wurde es, eine Uebersicht über dasselbe
zu gewinnen. Dieser Uebelstand veranlafste das Erscheinen von
Schriften, die als Wegweiser dienen sollten: J. P. Fincke's Index
in Collectiones Scriptorum Herum Germanicarum, Lips. 1737, 4 und das
vielgebrauchte Directorium von Freher, zuletzt 1772 von Ham-
b erger neu herausgegeben. Desselben Hambergers Nachrichten
von den vornehmsten Schriftstellern, Bd. 3. 4. 1760, sind von gerin-
ger Brauchbarkeit, dagegen des trefflichen Joh. Alb. Fabricius
Bibliotlieca Mediae et Infimae Latinitatis 1734 — 1746, 8, und ed. Mansi
1754, 4 noch jetzt unentbehrlich und von grofsem Nutzen. Eine
neue vermehrte Ausgabe derselben mit Berücksichtigung der seitdem
erschienenen Sammlungen und Ausgaben wäre sehr wünschenswerth
x) G. W. Leibnitii Annales Imperii Occidentis Brunsvicenses, ed. G.
H. Pertz. 3 Tomi. Hannov. 1843—1846. Mit einer sehr lehrreichen Vor-
rede des Herausgebers. Vgl. Giesebrecht I, 797. Viele Nachrichten über
die Geschichte dieses Werkes, über die schlechte Behandlung, welche
Leibniz zu erfahren hatte, und die Intriguen Eckharts, welche dieselbe
hauptsächlich veranlafsten , enthält: Leibnizens Briefwechsel mit dem Mi-
nister v. Bernstorff etc. von R. Doebner. Hann. 1882, und in d. Zeitschr. d.
hist. Vereins f. Niedersachsen 1881.
2) Wegele in d. Allg. D. Biogr. V, 627—631; zu ergänzen aus der eben
erwähnten Publication von Doebner.
Die Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. 17
und würde einem dringenden Bedürfnifs entgegenkommen. Zurecht-
finden aber können wir uns jetzt in der historischen Litteratur des
Mittelalters mit grofser Leichtigkeit, seitdem Potthasts Bibliotheca
historica medii aevi (Berlin 1862, Supplement 1868) erschienen ist,
ein höchst dankenswerthes Werk, das Product des angestrengtesten
und mühsamsten Sammelfleifses, welches, obschon nicht frei von
manchen Schwächen und Mängeln, doch als ein ungemein nützliches
Hülfsmittel allgemeine Verbreitung und Anerkennung gefunden hat.
§ 4. Die Monumenta Germaniae historica.
Immer lebhafter empfand man in Deutschland während des
18. Jahrhunderts das Bedürfnifs einer planmäfsig geordneten, kriti-
schen Sammlung der echten und ursprünglichen Geschichtsquellen;
das Beispiel von Muratori in Italien und den Maurinern in Frank-
reich reizte zur Nachfolge, aber alle Wünsche und Versuche schei-
terten, wie jene eben erwähnten ersten Anfänge, an der Zerstückelung
Deutschlands, an der Unmöglichkeit, ein Zusammenwirken vieler
Gelehrten herbeizuführen, an dem Mangel ausreichender Geldmittel.
Die Nachrichten über diese Bestrebungen findet man gesammelt im
ersten Bande des Archivs der Gesellschaft für ältere deutsche Ge-
schichtskunde. Namentlich hatte der Hallische Theologe Semler
einen solchen Plan, und bezeichnet in seinem „Versuch den Gebrauch
der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte der mittleren Zeiten
zu erleichtern" (1761) scharf und treffend die Mängel der vorhan-
denen Sammlungen, die Notwendigkeit, Originalquellen von Aus-
schreibern zu sondern, mit Sorgfalt und gesunder Kritik eine Reihe
der bedeutendsten Autoren durchnehmend. Durch ihn angeregt gab
1797 sein College Krause den Lambert heraus als Anfang und
Specimen einer solchen Sammlung; aber er starb bald nachher und
es blieb bei diesem ersten Bande. Im folgenden Jahre 1798 gab
Rösler in Tübingen eine kritische Bearbeitung der ältesten Chro-
niken des Mittelalters, allein die Aufgabe einer umfassenden Samm-
lung war für die Kräfte einzelner Männer viel zu grofs, als dafs
etwas genügendes hätte zu Stande kommen können.
Die lange Fremdherrschaft in Deutschland und die Befreiung
davon durch die vereinten Anstrengungen des ganzen Volkes weckten
endlich in höherem Grade das Bewufstsein eines gemeinschaftlichen
Vaterlandes. Mit neuer Liebe wandte man sich der Erforschung der
Vorzeit zu; E. M. Arndt, die Gebrüder Grimm bestärkten in dieser
Richtung durch die kräftigste Anregung. Eifrig und dringend wies
Johannes von Müller auf die Notwendigkeit des Quellenstudiums
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 2
18 Einleitung. § 4.
bin. Auch der Freiherr vom Stein empfand das lebhafte Be-
dürfnis, eine genügende Anschauung der deutschen Geschichte sich
zu verschaffen. Die vorhandenen Darstellungen reichten dazu nicht
aus ; er suchte die Kenntnifs aus den Quellen selbst zu schöpfen,
stiefs aber dabei auf unüberwindliche Schwierigkeiten wegen des
verwahrlosten Zustandes derselben. Es war nicht seine Art, wegen
solcher Hindernisse einen Gedanken aufzugeben, und seine Entfernung
von den Staatsgeschäften trug dazu bei, dafs er ihn um so ent-
schiedener festhielt und verfolgte. Der Gedanke an sich selbst,
seinen eigenen Yortheil und Genufs, trat dabei bald völlig zurück;
er hatte nur noch sein Volk im Auge, der Wunsch erfüllte ihn,
„den Geschmack an deutscher Geschichte zu beleben, ihr gründ-
liches Studium zu erleichtern und hierdurch zur Erhaltung der
Liebe zum gemeinsamen Yaterland und dem Gedächtnifs unserer
grofsen Vorfahren beizutragen". Mit der ganzen Energie seines ge-
waltigen Geistes fafste er den Plan, eine umfassende und kritisch
bearbeitete Sammlung der deutschen Geschichtsquellen zu veran-
stalten, und er liefs nicht ab, bis er denselben zur Ausführung gebracht
hatte1). Im Februar 1818 brachte er ihn zuerst zur Sprache; es
gelang ihm, mehrere seiner westfälischen Freunde zu bedeutenden
Geldbeiträgen zu bewegen; er selbst hat nach und nach an 10,000 Fl.
darauf verwandt. Mehrere der damaligen Bundestagsgesandten gingen
auf Steins Vorschläge ein, und am 20. Januar 1819 trat zu Frankfurt
die Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde zu-
sammen. Der badische Legationsrath Büchler wurde zum Secretär,
der Archivrath Dümge zum Redacteur bestimmt; beide begannen
sogleich die Herausgabe der Zeitschrift, welche vom wesentlichsten
Nutzen für das Unternehmen gewesen ist. Sie heifst das Archiv
der Gesellschaft und führt mit Recht diesen Namen, weil darin alle
Vorarbeiten für das grofse Unternehmen, Nachrichten über Hand-
schriften, Untersuchungen über die einzelnen Quellenschriften nieder-
gelegt wurden2).
Der ungeheuere Umfang des Unternehmens, die Notwendigkeit
vieler und ausgedehnter Reisen, zeigten sich erst während der Arbeit
in zunehmendem Mafse; bald sah man, dafs Privatmittel, so bedeu-
J) Vgl. Archiv I. VI, 294. MG. SS. I, Praefatio. Stein und die Monu-
menta Germaniae Antrittsrede von Pertz 6. Aug. (rect. 6. Juli) 1843, gedr.
in d. Allg. Preufs. Zeitung 1843 N. 53 vom 22. August. Steins Leben von
Pertz V, 57. 264ff. u. s. w. an vielen Steilen. E.Dümmler: Ueber die Ent-
stehung der MG. Im neuen Reich 1876, II, 201 ff. Alfred Stern, Briefe
des Freih. vom Stein an N. F. von Mülinen, NA. IX, 257—268.
2) Eine sehr nützliche Arbeit ist das Register über alle darin be-
sprochene Bibliotheken von Dr. H. Kohl im NA. II, 629—634.
Die Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. 19
tend auch die Beiträge der Gründer waren, doch nicht weit genug
reichten. Die Bundesversammlung war gleich anfangs um Unter-
stützung ersucht worden und hatte in Ermangelung eigener Geld-
mittel zu solchem Zwecke das Werk den einzelnen Regierungen
zur Förderung empfohlen, allein fast ohne Erfolg. Man befürchtete
von der einen Seite Mifsbrauch des Unternehmens für revolutionäre
Zwecke — denn die Geschichte könne ebensogut zum Umsturz der
Monarchie, wie zu ihrer Erhaltung verwerthet werden — von anderer
witterte man etwas Serviles darin, und der alte Vofs sah darin
eine grofse Verschwörung, die Geschichte für oligarchische und katho-
lische Zwecke auszubeuten1). In Oesterreich galt das Unternehmen
als revolutionär, und nachdem eine anfänglich beabsichtigte besondere
Direction für Oesterreich fallen gelassen war, blieb für die einhei-
mischen Gelehrten eine förmliche Betheiligung an der Gesellschaft
unmöglich2). 1828 hatte man sogar Bedenken, den fertig gewordenen
ersten Band der Bundesversammlung zu überreichen3). Der König
von Baiern hatte noch 1829 gar nichts dafür gethan4), während
doch Baden die Dienste des Archivraths Dümge gleich anfangs
auf einige Jahre der Gesellschaft überliefs, und der König von
Preufsen von 1821 an einigemal einen Beitrag von 1000 Thalern
bewilligte5). Mit Bitterkeit gedachte Stein daran, dafs er schon im
Herbst 1818 eine vom russischen Kaiser angebotene Unterstützung
abgelehnt hatte6), und erst nach des Stifters Tode (29. Juni 1831)
scheinen die verschiedenen Regierungen sich nach und nach zu den
Beiträgen entschlossen zu haben, welche den Bestand der Sache
sicherten; auf einer Ministerconferenz in Wien 1834 hatte der Fürst
Metternich sich dem Unternehmen günstig erwiesen.
In den gelehrten Kreisen fand das Unternehmen gleich anfangs
lebhafte Theilnahme, aber lange dauerte es, bis ein ausführbarer
Plan zu Stande kam. Ein Vorschlag nach dem andern wurde im
Archiv veröffentlicht; während man sich zu orientiren suchte, fing
man erst an, den Umfang der Arbeit zu übersehen, die Masse des
Stoffes, die Schwierigkeit ihn zu bearbeiten, namentlich wegen der
in so vielen Bibliotheken und Archiven zerstreuten Handschriften
und Urkunden, welche sich viel zahlreicher erwiesen, als man an-
fänglich geglaubt hatte.
Nach dem ursprünglichen Plan vertheilte man die einzelnen
Schriftsteller an verschiedene Gelehrte zur Bearbeitung, aber es zeigte
*) A. Stern im NA. IX, 265.
2) Steins Leben V, 580 ff. Vgl. Anz. d. Germ. Mus. XXII (1875) S. 31.
3) VI, 499. 4) VI, 751. 5) V, 567. 790. VI, 954. 6) VI, 779.
2*
20 Einleitung. § 4.
sich bald, dafs auf diese Weise weder Einheit in Plan und Methode,
noch ein rascher Fortschritt in der Ausführung zu erreichen war.
Die ersten Bände des Archivs sind voll von Versprechungen und
Anerbietungen, von denen aber die meisten ohne Resultat blieben.
Von entscheidender Bedeutung für die ganze Zukunft des Unter-
nehmens war deshalb der Zutritt des Mannes, unter dessen Leitung
es bald den kräftigsten Aufschwung nehmen sollte. G. H. Pertz
aus Hannover hatte im Jahre 1818 in Göttingen seine Studien voll-
endet und 1819 die Geschichte der Merowingischen Hausmeier mit
einer Vorrede und lebhaften Empfehlung seines Lehrers Heeren
vom 4. September 1818 veröffentlicht. Eine Aufforderung Büchlers
zur Theilnahme an den Arbeiten der Gesellschaft erwiederte er am
5. Juli 1819 mit freudiger Zustimmung und dem Erbieten zur
Bearbeitung der wichtigsten Quellenschriften aus der karolingischen
Periode1). Auf Büchlers Mittheilung nahm Stein dieses Anerbieten
bereitwillig an, und forderte am 21. December Pertz nicht nur zur
Uebernahme der Schriftsteller aus der karolingischen Periode, son-
dern auch zu einer Reise nach Wien auf, weil die Benutzung der
auf der Hofbibliothek befindlichen Handschriften zunächst noth-
wendig war2). Diese Reise, welche den reichsten Ertrag gewährte,
wurde nicht nur auf andere österreichische Bibliotheken, sondern
auch auf Italien ausgedehnt. Hier war der Freiherr vom Stein
bereits selbst gewesen, hatte von den Schätzen des Vatican vor-
läufige Kunde verschafft und Mitarbeiter zu gewinnen gesucht, auf
deren Unterstützung damals noch stark gerechnet wurde. Diese
Theilnahme der Italiener erwies sich indessen später als gänzlich
illusorisch, und nicht viel mehr Erfolg hatten die Zusagen, welche
Pertz in Oesterreich gemacht wurden. Seine Reise aber gewährte
die erste feste Grundlage für das Unternehmen; allein aus den päbst-
lichen Regesten gewann er 1800 ungedruckte Briefe3). Seine Reise-
berichte zeigten so entschieden eine meisterhafte Handhabung der
Kritik in scharfem Gegensatze zu den vielen dilettantischen Bei-
trägen anderer, dafs ihm nach seiner Rückkehr die Redaction sowohl
des Hauptwerks als auch der Zeitschrift übertragen wurde, da Büchler
und Dümge beide von ihrem Grofsherzog abberufen waren4).
*) Steins Leben V, 364. Vgl. über Pertz: W.Arndt, Im neuen Reich
1876, II, 651—657. G. Waitz im N. Archiv II, 454—473, vorzüglich zur
Charakteristik seiner Thätigkeit als Herausgeber. Necrolog von Giesebrecht,
Münch. SB. 1877, S. 65—74. Wattenbach, Allg. D. Biogr. XXV, 406—410.
2) Steins Leben V, 412. 416. 478—483.
3) Archiv V, 352.
4) Eine aufserord entlich warme und lebhafte Darstellung von Pertzens
Pertz. Die Monumenta Germaniae. 21
Im Jahre 1824 wurde der definitive Plan des Werkes veröffent-
licht, und 1826 erschien der erste Band desselben. Aus 5 Abthei-
lungen soll die ganze Sammlung bestehen, nämlich I. Schriftsteller,
II. Gesetze, III. Kaiserurkunden, IV. Briefe, Y. Antiquitäten. Für alle
sind bedeutende Vorarbeiten gemacht worden, und während Pertz
nur die beiden ersten Abtheilungen wirklich begonnen hatte, sind
sie seit der neuen Organisation jetzt alle in der Ausführung be-
griffen.
Eigentlich hätten die ältesten Annalen des Mittelalters und die
Geschichtschreiber der Gothen, Merowinger und Langobarden das
Werk eröffnen sollen; die Vorarbeiten dazu waren aber so schwierig,
und die Benutzung so unentbehrlicher Handschriften noch nachzu-
holen, dafs diese ganze Abtheilung einstweilen übergangen wurde,
um nicht zu lange mit dem wirklichen Beginn der Publicationen
zögern zu müssen. Jetzt erst, nach wiederholten Reisen durch
Frankreich, Belgien, England, Spanien, Italien, Rufsland, sind die
Vorbereitungen der Vollendung nahe gerückt, und die Herausgabe
dieser sehnlich erwarteten Quellen ist ernstlich in Angriff genommen,
gröfstentheils schon erfolgt.
Den Anfang machten also aus diesen Gründen die karolin-
gischen Annalen1), welche mit ihren Anfängen noch in die mero-
wingische Zeit hinaufreichen und mit den Fortsetzungen zum Theil
durch das ganze Mittelalter sich erstrecken. Nur wer die Verwir-
rung, den verwahrlosten Zustand kennt, in welchem sich früher diese
Annalen befanden, an verschiedenen Orten und gröfstentheils in sehr
fehlerhafter Gestalt gedruckt, ohne Unterscheidung ihres echten,
gleichzeitig niedergeschriebenen Gehaltes und der späteren Zusätze,
nur der kann sich eine richtige Vorstellung machen von dem aufser-
ordentlichen Gewinn, welcher der Geschichtsforschung daraus er-
wuchs, dafs nun alle jene Annalen in einem Bande vereinigt, kritisch
gesichtet und durch neue Entdeckungen bereichert, zur ungehin-
derten Benutzung bereitet vorlagen. Dafs eben hierdurch auch die
Möglichkeit gegeben wurde, über die ursprüngliche Arbeit hinaus-
zugehen und die Kritik weiter zu führen, liegt in der Natur der
Dinge.
Verdiensten um das Unternehmen findet sich in einem Briefe Boehmers
an Gfroerer bei Janssen, Boehmers Briefe, 450. Nach dem Necrolog des
Raths Schlosser ib. II, 480, war dieser Mitstifter und bewirkte durch sei-
nen Einfluss vorzüglich, dafs Pertz bei der Ausführung an die Spitze kam.
*) S. darüber Archiv VI, 251 — 373. Ausführliche Recension der bei-
den ersten Bände, von Waitz, in den Jahrbüchern f. wiss. Kritik 1837,
S. 694—731.
22 Einleitung. § 4.
Nach einer neuen Reise des Herausgebers nach den Nieder-
landen, Paris und England erschien 1829 der zweite Band1), welcher
die Chroniken und Biographieen der karolingischen Periode enthält.
Den Anfang aber bilden die Geschichtsquellen des Klosters St. Gallen,
bearbeitet von Ildefons von Arx2), welche mit dem alten Leben
des Stifters beginnen und bis zum Jahre 1233 unzertheilt beisammen
gelassen wurden. Das Leben des heiligen Ansgar bearbeitete für
diesen Band Dahlmann.
Einen neuen sehr bedeutenden Fortschritt brachten die beiden
Bände Leges 1835 und 1837. Auch hier wurden einstweilen die
alten Volksrechte noch bei Seite gelassen; erst 1863 erschien der
dritte Band, welcher die Gesetze der Alamannen und Baiern von
Joh. Merkel, der Burgunden von Bluhme, der Friesen von Richt-
hofe n bearbeitet enthält; 1868 im vierten Band das von Fr. Bluhme
und Alfred Boretius bearbeitete Recht der Langobarden; von diesen
Yolksrechten aber erscheinen jetzt neue Bearbeitungen in der Quart-
Ausgabe. Die jüngeren Rechtsbücher blieben der Thätigkeit der
Rechtshistoriker überlassen, während die Reichstagsacten seit König
Wenzels Wahl von der historischen Commission übernommen sind.
Von jenen beiden Bänden aber umfafst der erste die Capitularien
bis 921, der zweite aufser neu aufgefundenen Supplementen Reichs-
gesetze, kaiserliche Verordnungen, Rechtsprüche, Verträge und andere
wichtige Urkunden bis 1313; hier ist namentlich aus den Vaticanischen
Regesten viel neues von erheblicher Bedeutung mitgetheilt. Ein An-
hang enthält in völlig principloser Mischung unechte Capitularien,
Synodalbeschlüsse und einige päbstliche Bullen. Die verfälschte
Capitularien -Sammlung des Benedict us levita ist hier von dem
leider zu früh der Wissenschaft entrissenen Dr. Knust herausge-
geben, welcher auf der Heimkehr aus Spanien in Paris am 9. October
1841 verstarb3). Seine Ausgabe wird ihren kritischen Werth be-
haupten, aber die in der vorausgeschickten Abhandlung niederge-
legten Untersuchungen sind von Paul Hinschius in seiner Ausgabe
der Decretales Pseudo-Isidorianae (1863) zum Theil widerlegt und
berichtigt. Diese beiden ersten Bände der Leges sind längst ver-
*) S. Archiv VI, 274 — 294. Der Plan des Unternehmens war in dieser
Zeit noch nicht so ausgedehnt wie später, weshalb hier noch sehr wichtige
Stücke, wie die V. Eigilis, fehlen. Diese sind jetzt in den Ergänzungs-
bänden nachgetragen.
2) Vgl. (Gerold Meyer von Knonau) P. Ildefons von Arx, St. Gallen
1874, 4, u. dess. Art. in d. Allg. D. Biogr. I, 6*5.
3) Seine sehr reichhaltigen und anziehenden Reisebriefe sind im Archiv
VIII, S. 102—252, gedruckt.
Die Monumenta Germaniae. 23
griffen und eine neue Ausgabe war um so notwendiger, da die
ursprüngliche Arbeit in hohem Grade durch Flüchtigkeitsfehler ent-
stellt ist. Alfred Boretius, welcher in seiner Schrift: Die Capi-
tularien im Langobardenreich (Halle 1864) diese Mängel nachge-
wiesen hatte, hat auch die neue Ausgabe der Capitularien besorgt;
nach seiner schweren Erkrankung trat für ihn Dr. Krause ein. Mit
der Bearbeitung der Reichsgesetze ist L. Weiland beschäftigt. Als
eine überaus werthvolle Ergänzung ist die Ausgabe der Formeln von
K. Zeumer hinzugetreten.
In besserer Weise wurde mit Benutzung tüchtiger jüngerer
Kräfte die Reihe der Scriptores fortgeführt; in rascher Folge er-
schienen 1839 und 1841 der dritte und vierte Band, welche die
Periode der sächsischen Kaiser enthalten. Bei diesen trat
G. Waitz als Mitarbeiter ein, während Lappenberg, der die Ge-
schichtsquellen der niederelbischen Lande übernommen hatte, hier
als Erstling den Thietmar von Merseburg bearbeitete, dem später
Adam von Bremen u. a. folgten. Für die Zeit der Karolinger hatten
zwei Bände genügt und ebenso noch für die Zeit der Ottonen zwei
von etwas stärkerem Umfange; die Salier dagegen, mit Lothar, er-
forderten acht Bände, die von 1844 bis 1856 erschienen; so sehr
wächst um diese Zeit die Masse des Stoffes. Neben Waitz finden
wir hier auch C. L. Bethmann thätig, der schon längere Zeit an
den Vorarbeiten Theil genommen und namentlich in den Bibliotheken
Frankreichs und Belgiens gearbeitet hatte; es gelang ihm u. a. die
Urschrift der Chronik des Sigebert zu entdecken, welche mit allen
ihren Fortsetzungen im 6. Bande erschien. Eine längere Reihe jüngerer
Mitarbeiter hat sich den schon genannten angeschlossen, in den
letzten Jahren häufiger wechselnd; von der ersten Generation ist
nur G. Waitz fortwährend noch als Herausgeber einzelner Werke
betheiligt geblieben. So erspriefslich nun auch für die rasche Aus-
führung des Unternehmens sich die thatsächlich durchaus monar-
chische Leitung anfänglich erwiesen hatte, so zeigte sich im Ver-
laufe desselben immer deutlicher, dafs seine grofse Ausdehnung die
Kräfte eines Mannes überstieg1), wie denn auch die ursprünglichen
Statuten eine ganz andere Form vorgeschrieben hatten. Nachdem
schon am Bundestage nach dem Referate Roberts von Mohl eine
Aenderung der Leitung in Angriff genommen war, nahm nach den
Kriegsjahren der neue Bundesrath sich der Sache an, und im Januar
1875 ist unter der Vermittelung der Berliner Akademie der Wissen-
*) Vgl. darüber die Anzeige von SS. XXIII. und Arch. XII. von
L. Weiland, GGA. 1877, S. 769-796.
24 Einleitung. § 4.
Schäften eine neue Organisation ins Leben gerufen. Die Leitung
des ganzen Unternehmens hat jetzt eine Centraldirection, deren Vor-
sitzender bis an seinen Tod G. Waitz war, jetzt E. Du mm ler; die
einzelnen Abtheilungen sind besonderen Leitern selbständig über-
geben. Waitz selbst übernahm die Scriptores und provisorisch die
Leges, Th. Mommsen die 'Auetores antiquissimi' der Uebergangs-
zeit als eigene Abtheilung, Sickel die Diplomata, Wattenbach die
Briefe, Dumm ler die Antiquitates. Als beschlossen war, auch die
Concilien der Merowingerzeit aufzunehmen, übernahm Maafsen die
Vorbereitung der Ausgabe. Für solche Serien, welche neu begonnen
werden, ist ein bequemeres Quartformat eingeführt. Als Fortsetzung
des Archivs der Gesellschaft erscheint das Neue Archiv, von
welchem jährlich ein Band ausgegeben wird; dasselbe beginnt mit
einem Bericht über die Neugestaltung der Direction und bringt
regelmäfsig Berichte über die jährlichen Versammlungen der Central-
direction und den Stand der Arbeiten.
Von dem Deutschen Reich und Oesterreich sind bedeutende
Geldmittel bewilligt, welche eine gesteigerte Betreibung der Arbeiten
durch zahlreiche Gelehrte ermöglichen.
Werfen wir nun einen Blick auf die Art der Ausführung, so
treten uns besonders zwei Hauptpriocipien entgegen, welche im Ver-
gleich mit den älteren Sammlungen einen bedeutenden Fortschritt
bezeugen: die genaue Wortkritik und die strenge Sichtung des
Inhalts mit Bezug auf die Herkunft und Glaubwürdigkeit der Nach-
richten.
Zum ersten Male sind hier die mittelalterlichen Schriftsteller mit
einer Genauigkeit behandelt, wie sie früher nur classischen Autoren
zugewandt wurde. Von Anfang an wurde der Grundsatz aufgestellt
und in der Regel auch befolgt, für jeden Schriftsteller alle erreich-
baren handschriftlichen Hülfsmittel zusammenzubringen, ohne Rück-
sicht auf frühere Drucke nur die beste Handschrift zu Grunde zu
legen, und durch Vergleichung der übrigen die möglichste Reinheit
und Sicherheit des Textes zu erstreben.
Wenn auch durch frühere Sorglosigkeit, durch die Verwüstungen
der Bauernkriege und die stürmischen Zeiten am Ende des vorigen
Jahrhunderts viel zu Grunde gegangen ist, so hat sich doch, wie
die unternommenen Reisen nach und nach ergaben, mehr erhalten,
als man irgend erwartet hatte. Und wenn auch jetzt manche Hand-
schrift vermisst wird, welche den Maurinern noch vorlag, so bietet
dagegen unsere Zeit den Vortheil, dafs fast alle Bibliotheken und
Archive der wissenschaftlichen Forschung zugänglich sind, während
Die Monumenta Germaniae. 25
jene noch häufig über die eifersüchtige Verweigerung des Eintritts
Klage führten. Hat doch selbst Mabillon in Salzburg, so festlich er
auch dort empfangen wurde, keine Handschrift zu sehen bekommen1).
Yon nicht geringerer Wichtigkeit als die Correctheit der Texte
ist aber zweitens die genaue kritische Analyse der Quellen. Nicht
nur sind dadurch mehrere früher allgemein benutzte Schriften als
untergeschoben gänzlich ausgeschieden worden, sondern auch die
echten Chronisten werden erst dadurch dem Geschichtsforscher
recht brauchbar, dafs ihm auf den ersten Blick entgegentritt, was
jedem eigenthümlich, was von anderen entlehnt ist, und woher er
es entnommen hat. Zuerst in der Ausgabe des Regino, und seit
dem vierten Bande der Scriptores in consequenter Durchführung,
wird alles von anderen unmittelbar entlehnte auch durch Petitdruck
kenntlich gemacht, was die Benutzung ungemein erleichtert. Das
wird jeder zu würdigen wissen, welcher irgend Gelegenheit gehabt
hat, andere Sammlungen und Ausgaben zu benutzen, wo der ge-
wissenhafte Forscher diese Arbeit stets von neuem vornehmen mufs,
während freilich viele es sich leichter machen und ohne Unterschei-
dung gleichzeitige, spätere und abgeleitete Nachrichten benutzen.
Die Reihenfolge der Quellen ist chronologisch, und zwar
in zweifacher Weise, zuerst nach den angegebenen gröfseren Perioden
und dann wieder innerhalb der kleineren Abtheilungen. In einer
solchen Periode werden nämlich zuerst die Annalen gegeben, streng
nach Jahren geordnete, oft gleichzeitige, in der Regel kurze Auf-
zeichnungen2). Darauf folgen die Chroniken und Geschichten, welche
zum Theil noch die annalistische Form beibehalten , doch nur als
äufsere Gestalt, denn sie sind meistens nicht gleichzeitig und unter-
brochen, sondern zusammenhängend, im Rückblick auf einen gröfse-
ren Zeitraum aufgezeichnet, und versuchen, über die blofse Auf-
zeichnung der Thatsachen hinausgehend, deren pragmatische Ver-
bindung und innere Entwicklung nachzuweisen. Den allgemeineren
Werken dieser Art schliefsen sich die Localchroniken an, deren wir
aus der älteren Zeit manche von Klöstern und Bisthümern besitzen,
während später die Chroniken der Länder und Städte beginnen,
und allmählich ganz das Uebergewicht gewinnen. Den Schlufs bil-
den die Biographieen und kleineren Erzählungen verschiedener Art,
welche nebst den Localchroniken in das lebendige Treiben der Zeit
*) Vgl. darüber B. Pez, Thes. I. Diss. Isagog. p. V.
2) In den letzten Bänden ist unter der Leitung von Pertz der Begriff
der Annalen immer weiter und, wie mir scheint, übermäfsig ausgedehnt,
z. B. auf Albert von Stade, Vincenz von Prag.
26 Einleitung. § 4.
einführen, und denen wir gröfstentheils das Fleisch und Blut zu
dem chronologischen Gerüste der Annalen verdanken.
Es versteht sich von selbst, dafs diese Gattungen durch keine
scharfe Grenzen gesondert sind, und manches Stück so sehr in der
Mitte steht, dafs es nur nach zufälligen Umständen hier oder dort
seine Stelle findet.
Innerhalb dieser Kategorieen ist die Anordnung wiederum chro-
nologisch, nach dem Endjahr, doch wird dieser Grundsatz nicht
pedantisch durchgeführt, sondern durch mancherlei Rücksichten be-
einträchtigt. Nicht nur wird nachträglich mitgetheilt, was während
der Arbeit neu entdeckt wird, sondern es bleibt auch oft das gleich-
artige zusammen. Namentlich wird die Fortsetzung nicht vom
Hauptwerk getrennt, wenn sie nicht ganz selbständiger Art ist. So
sind die Casus S. Galli bis 1233 beisammen geblieben, und Sigebert
mit seinen Fortsetzern, so auch Cosmas und die österreichischen
wie die schwäbischen Annalen.
Dom Bouquet und seine ersten Fortsetzer haben das entgegen-
gesetzte Princip verfolgt. Sie gaben zu jeder Periode alles darauf
bezügliche aus allen Schriftstellern, wodurch scheinbar ein grofser
Vortheil für den Geschichtschreiber erreicht wird, da er seinen
ganzen Stoff übersichtlich vor Augen hat. Dagegen aber wird es
ihm aufserordentlich schwer, ein kritisches Urtheil über die Quellen
zu gewinnen, weil er sie nirgends vollständig beisammen hat; und
doch kommt bei der geschichtlichen Forschung gerade darauf so
viel an: es ist wenig damit gewonnen, die Worte einer historischen
Nachricht zu haben, wenn man nicht weifs, wie viel Glauben der
Schriftsteller verdient, und wie die ganze Art und Weise seiner Auf-
fassung und Darstellung beschaffen ist.
Während nun bei Bouquet z. B. der Sigebert in viele Bände
vertheilt ist, bleibt in den Mon. Germ, jeder Schriftsteller so viel
wie möglich in seiner Integrität; man hat auch nicht, wie Stenzel
früher vorschlug, dasjenige weggelassen, was der Verfasser nur aus
anderen bekannten Quellen entlehnt hat ; sondern man hat es we-
nigstens bei den bedeutenderen Schriftstellern vorgezogen, diese Theile
nur durch kleineren Druck kenntlich zu machen, weil es für uns
auch von Wichtigkeit ist zu wissen, wie die Schriftsteller der Zeit
die Vergangenheit behandelten, aus welchen abgeleiteten Quellen die
Folgezeit ihre Kenntnifs schöpfte, und wie auf diese Weise die
Kunde der Geschichte allmählich verengt und entstellt wurde. So
liat z. B. die Chronik des Martin von Troppau fast gar keinen eige-
nen Werth, aber sein Compendium der Pabst- und Kaisergeschichte
Die Monumenta Germaniae. 27
ist nichtsdestoweniger sehr wichtig, weil es Jahrhunderte lang die
Hauptquelle der Geschichtskenntnifs blieb.
In manchen Fällen jedoch war es nicht rathsain oder thunlich,
die ganzen "Werke aufzunehmen, und dann hat man sich auf Aus-
züge beschränkt; wenn nämlich die Hauptmasse der deutschen Ge-
schichte fern liegt, fremde Länder oder zu entlegene Zeiten betrifft,
wenn zwischen theologischen und anderen Betrachtungen sich nur
vereinzelt geschichtliche Nachrichten finden , oder wenn eine wüste
Compilation vorlag, welche keinen Anspruch darauf machen kann,
als litterarisches Erzeugnifs behandelt zu werden. Deutsche Haupt-
schriftsteller dagegen, welche durch ihre ganze Persönlichkeit be-
deutend sind, haben ein wohlbegründetes Recht darauf, in ihrer
ganzen Individualität aufgefafst zu werden, und Männern wie Otto
von Freising darf man ihre Werke nicht verstümmeln1).
Von auswärtigen Geschichtsquellen sind von Anfang an nicht
selten Auszüge mitgetheilt; in der Periode der Staufer haben diese
einen sehr grofsen Umfang gewonnen. Es bedarf zu ihrer Bear-
beitung einer sehr grofsen Arbeit voll Selbstverleugnung, da ge-
wöhnlich zur Gewinnung der Auszüge das ganze Werk kritisch unter-
sucht werden mufste. Für die Benutzung aber ist bei der oft
schwierigen Zugänglichkeit der Ausgaben diese Zusammenstellung
eine grofse Wohlthat, und ein gegen dieses ganze Verfahren gerich-
teter Angriff hat deshalb von vielen Seiten eine scharfe Zurück-
weisung hervorgerufen; es genügt hier, auf die Schrift von 0. Holder-
Egger zu verweisen: „Die Monumenta Germaniae und ihr neuester
Kritiker" (Hann. 1888).
Von manchen der bedeutenderen Quellen sind nun neben der
grofsen Sammlung auch Octavausgab en veranstaltet, ursprünglich
ohne den kritischen Apparat, jetzt aber mit demselben. Auch
Werden in dieser Form neue Ausgaben veranstaltet und einzelne
ferner liegende Quellen vorläufig mitgetheilt.
Ueber diesen ganzen reichhaltigen, aber wegen verschiedener
Umstände nicht systematisch geordneten und schwer zu übersehen-
den Inhalt gewährt jetzt ein ungemein danken swerthes Repertorium
die vortrefflichste Uebersicht, gemeinschaftlich verfasst von 0. Holder-
Egger und K. Zeumer2).
*) Sehr verständig äufsert sich darüber am 21. Jan. 1821 Herr von
Buchholz in Wien, der mit lebhafter Theilnahme dem Unternehmen zuge-
wandt war, Archiv III, 327, und schon früher E. M. Arndt in Steins Leben
VI, 2, 129; vgl. V, 273. 366. Ebenso auch Niebuhr, Arch. V, 729.
2) Indices eorum quae in Monumentorum Germaniae historicorum
tomis huiusque editis continentur. Han»Dv. et Berol. 1890. 4.
28 Einleitung. § 4. 5.
Sehr zu rathen ist, die wichtigeren, jetzt so leicht zugänglich
gemachten Quellenschriften auch wirklich zu lesen, weil das blofse
Nachschlagen und Benutzen einzelner Stellen zu so vielen Irr-
thümern und Mifsverständnissen Anlafs giebt, und nur das Lesen
im Zusammenhang die richtige Anschauung gewährt; nur dadurch
gewinnt man ein lebendiges Bild von den einzelnen Schriftstellern,
wie von der ganzen Zeit und der damals herrschenden Art der An-
schauung und Auffassung.
Noch besser wird vielleicht in manchen Fällen dieser Zweck er-
reicht durch die schon von Stein gewünschten1) Ueb ersetzungen
aus denen uns der Inhalt der Schriften weit reiner entgegentritt,
indem der Leser hier nicht durch die einzelnen Schwierigkeiten be-
schäftigt wird, die sonst leicht seine Aufmerksamkeit zerstreuen.
Auch wird man durch die Uebersetzungen nicht selten auf Stellen
aufmerksam gemacht, die man früher übersah, und wenn die Ueber-
setzung gelungen ist, bietet sie kein unbedeutendes Hülfsmittel dar
zum richtigen Verständnifs des Textes, welches häufig gar nicht so
leicht ist, wie der erste Anschein glauben läfst. Denn das mittel-
alterliche Latein hat viel eigenthümliches, und nicht nur in diese
Sprache überhaupt, auch in den Sprachgebrauch der einzelnen
Schriftsteller mufs man sich erst mit Sorgfalt hineinlesen, um ihn
ganz zu verstehen.
Die Wichtigkeit dieser seit 1849 unter dem Titel der Geschicht-
schreiber der d eutschen Vorzeit erscheinenden Sammlung von
Uebersetzungen ist deshalb unverkennbar, aber die Ausführung Hess
viel zu wünschen übrig. Die Ungleichartigkeit der einzelnen Arbeiten
liefs den Mangel einer eigentlichen Leitung sehr empfinden, und
manche Uebersetzung war voll von Fehlern. Von den auf dem
Titel genannten berühmten Namen hat nur Pertz sich der Sache
wirklich angenommen, doch begreiflicher Weise nur als Nebensache.
Jahrelang hat dann dieses Unternehmen gänzlich geruht, ist jedoch
seit einigen Jahren wieder in Angriff genommen. Die Nützlichkeit
desselben bewährt sich auch dadurch, dafs von vielen einzelnen
Bänden neue Auflagen nöthig geworden sind, und gegenwärtig er-
scheint, von Wattenbach geleitet, eine chronologisch fortschreitende
neubearbeitete Auflage der ganzen Sammlung.
a) In einem Brief an Büchler vom 23. Juli 1827. Steins Leben VI,
1, 415. Böhmer legte der Centraldirection den Plan zu ceiner solchen
Sammlung vor, s. Janssen, Böhmers Leben S. 129.
Uebersetzungen. Locale Sammlungen. 29
§ 5. Andere Arbeiten des neunzehnten Jahrhunderts.
In weiten Kreisen hat das Unternehmen der Monumenta Ger-
maniae anregend gewirkt, es hat als Vorbild gedient in Turin und
in England; aber andererseits wurde es auch befördert durch man-
cherlei Bestrebungen verwandter Art, und durch die lebhafte Auf-
merksamkeit, welche überhaupt für das Mittelalter einmal erweckt
war und bald zu den gediegensten Untersuchungen führte. Raum er,
Ranke, Stenzel wirkten in anregendster Weise sowohl mündlich
wie schriftlich. Schon 1813 erschien von Fr. v. Raumer das Hand-
buch merkwürdiger Stellen aus den lateinischen Geschichtschreibern
des Mittelalters, und die Geschichte der Hohenstaufen (1824) gab
das Beispiel einer lebendigen Benutzung der Quellen, einer auf
Leben, Verfassung, Sitte eingehenden Darstellung, welche nicht für
den Gelehrten allein geschrieben ist. Ranke stellte in seiner Schrift
Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber, welche 1824 als Beilage zu
seinen Romanischen und Germanischen Geschichten erschien, das
trefflichste Muster der Quellenkritik auf1), während seine praktischen
Uebungen, aus denen die Jahrbücher des deutschen Reichs unter
den sächsischen Kaisern hervorgegangen sind, die Mehrzahl der
älteren Mitarbeiter an den Monumenten ausgebildet haben.
Stenzel gab in seiner Geschichte der fränkischen Kaiser 1828
eine rein nach Originalquellen gearbeitete Darstellung, welche um
so bewundernswerther erscheint, wenn man den damaligen Zustand
der Quellen und den Mangel an guten Hülfsmitteln und Vorarbeiten
bedenkt. Vorzüglich aber enthält der zweite Band treffliche Unter-
suchungen über einzelne Geschichtsquellen dieser Zeit, und eine
ausgezeichnete Abhandlung über die bei ihrer Behandlung festzu-
haltenden Grundsätze.
Seitdem haben sich diese Bestrebungen in immer weiteren
Kreisen verbreitet; aller Orten sind historische Vereine thätig für
die Bearbeitung der vorherrschend localen Quellen. Eine Zeit lang
war man vielfach geneigt, alles von den Herausgebern der Monumenta
zu erwarten, allein bald erkannte man doch, dafs diese die späteren
Zeiten noch lange nicht erreichen werden, und dafs auch, je mehr
mit der Zeit der Stoff anwächst und sich zersplittert, desto weniger
alles ohne Ausnahme Aufnahme finden kann. Sehr zweckmäfsig ist
l) Neue Ausgabe 1874: Ges. Werke XXXIV. Vgl. G. Waitz in den
Nachrichten von der G. A. Universität 1855, N. 14.
30 Einleitung. § 5.
es daher, dafs man angefangen hat, die Quellen einzelner Gegenden
selbständig herauszugeben, wobei dann auch das spätere Mittelalter
und das sechzehnte Jahrhundert mehr Berücksichtigung gefunden
haben. So erschienen von Mone die badischen Geschichtsquellen,
von Grautoff die lübischen, von Lappenberg die bremischen,
hamburgischen, holsteinischen, von Stenzel die schlesischen, von
der Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz die Lausitzer1), von
Ficker, Cornelius, Janssen, Diekamp die münsterischen, von
Endlicher die ungrischen, und vielfach sind einzelne Quellenschrif-
ten abgesondert herausgegeben. In Böhmen, wo schon früher eine
rege Thätigkeit auf diesem Felde entfaltet war, legte Palacky
durch seine Würdigung der böhmischen Geschichtschreiber den
Grund zu einer erneuten kritischen Bearbeitung, und 1853 erschien
von M. Toppen die Geschichte der preufsischen Historiographie,
als Vorläufer und Keim der ausgezeichneten Sammlung der Scrip-
tores Rerum Prussicarum, welche jetzt in fünf Bänden vollendet vor-
liegt. Die Städtechroniken, ein ebenso wichtiges wie schwieriges
Gebiet, hat die Münchener historische Commission unter ihre Auf-
gaben aufgenommen und unter Karl Hegels Leitung sind bereits
zwanzig Bände erschienen.
Ueber das viele Material, welches in periodischen Schriften, be-
sonders in den Zeitschriften der historischen Vereine niedergelegt ist,
orientirt das Repertorium von Walther 1845 und das neuere und
zugleich umfassendere von Koner (1856). Eine weitere Fortsetzung
fehlt leider.
Doch noch eines Mannes haben wir zu gedenken, der allein
mehr gewirkt hat, als die meisten Vereine, und von dem sich der
anregendste lebendigste Einflufs nach allen Seiten verbreitete. J. F.
Böhmer, Bibliothekar in Frankfurt a. M. und mit Pertz Director
der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde2), hatte anfangs
die Redaction der Abtheilung der Kaiserurkunden übernommen, diese
aber später wieder aufgegeben, und sich auf die ursprünglich als
*) Da gegenwärtig die Schreibart solcher Formen mit kleinem An-
fangsbuchstaben durchaus herrschend ist, so scheint es nicht überflüssig,
auf J.Grimms Kl. Schriften V, 380 zu verweisen: „Ein grobes versehn,
dessen sich heutzutage fast alle . . . schuldig machen, ist es in den
redensarten Pariser vertrag, Berliner belagerungszustand und zahllosen
andern den vorausgesetzten, freilich ungefühlten gen. pl. für ein adjectiv
zu halten .... Wenn doch einmal grosze Buchstaben gelten sollen, dürfen
am allerwenigsten sie solchen appellativen fehlen."
2) Ueber seinen Antheil s. Janssen, Böhmers Leben I, 122 ff. Allg. D.
Biogr. III, 76—78, von Wattenbach.
Johann Friedrich Böhmer. Jaffe. 31
Vorarbeit dafür begonnenen Regesten beschränkt. Diese haben in
den neueren Bearbeitungen immer weitere Ausdehnung erhalten;
die kurzen Urkundenauszüge sind vollständiger geworden und durch
Auszüge aus den Geschichtschreibern und Annalen in Verbindung
gebracht; das ganze historische Material einer Periode wird dem
Geschichtsforscher geordnet vor Augen gelegt und in den Einleitun-
gen die Quellen besprochen und gewürdigt. Der zuerst erschienene
Theil, von 919 bis 1197, bedurfte begreiflicher Weise auch zuerst
der Berichtigung und Ergänzung. Diese Aufgabe stellte sich K. F.
Stumpf in seinem Werke: „Die Reichskanzler vornehmlich des X.
XI. u. XII. Jahrhunderts", dessen Abschluss J. Ficker nach dem
frühen Tode des Verfassers in der Weise besorgte, dafs durch Auf-
nahme von Böhmers Citaten das Buch selbständig geworden ist
und man der alten Regesten nicht mehr bedarf. Aufserdem aber
ist eine Neubearbeitung des ganzen Regestenwerkes in erweiterter
Form in Angriff genommen, wovon die Regesten der Karolinger von
Engelbert Mühlbacher, und die der Staufer von 1198 bis 1272,
von Ficker, ihrer Vollendung entgegen gehen.
Neben dieser, für die historischen Studien unendlich frucht-
reichen Arbeit wurde Böhmer durch die Verwahrlosung der spä-
teren Chroniken und den Besitz an reichem, aus Handschriften ge-
wonnenem Stoff veranlafst, in den drei Bänden seiner Fontes Berum
Germanicarum auch eine eigene Quellensammlung erscheinen zu
lassen, welche für das zwölfte bis vierzehnte Jahrhundert vom aus-
gezeichnetsten Werthe ist. Mit mannigfachen Entwürfen beschäftigt,
die nicht mehr zur Ausführung kamen, ist Böhmer am 22. October
1863 in Frankfurt gestorben; in seinem letzten Willen hat er für
die geeignete Verwerthung seines handschriftlichen Nachlasses und
die Fortführung seiner Arbeiten Fürsorge getroffen. Auch ist bereits
durch Alfons Hub er der vierte Band der Fontes herausgegeben,
während eine grofse Fülle von werth vollem, urkundlichem Material
durch Julius Ficker in den Acta Imperü Selecta verwerthet ist.
Aufser der schon erwähnten Neubearbeitung der Kaiser-Regesten
aber sind von A. Hub er die Regesten Karls IV, von C. Will die
Regesten der Mainzer Erzbischöfe als Theile dieses grofsen Corpus
erschienen.
Eine umfassendere Quellensammlung von strengerem wissen-
schaftlichen Charakter und mehr methodischer Art verdanken wir
Philipp Jaffe, lange Zeit dem vorzüglichsten Mitarbeiter der Mo
numenta. , Von diesen zurücktretend, begann Jaffe ein selbständiges
Unternehmen unter dem Titel Bibliotheca Berum Germanicarum. Hin-
32 Einleitung. § 5.
weisend auf den langsamen Fortgang der Monumenta Germaniae,
auf die nach 40 Jahren noch gänzlich fehlenden drei Abtheilungen
der Urkunden, Briefe und Alterthümer, gab der Herausgeber als
seinen Zweck an, Quellen verschiedener Art, vorzüglich solche,
welche in den Monumenten fehlen, zu einzelnen auch in sich abge-
rundeten Gruppen zu vereinigen, so dafs ein Ort, eine bedeutende
Persönlichkeit oder ein wichtiger Zeitraum den Mittelpunkt bilde.
So sind zuerst 1864 Monumenta Corbeiensia erschienen, welche mit
einer berichtigten Ausgabe der Annalen und anderer kleinerer Stücke
die lange begehrten Briefe Wibalds verbinden, und schon 1865 folg-
ten Monumenta Gregoriana, die erste kritische Ausgabe der Briefe
Gregors YII nebst Bonitho's v. Sutri über ad amicum. Trefflichkeit
der Arbeit mit sauberer Ausstattung und handlichem Format ver-
bindend, hat dieses neue Unternehmen überall freudige Aufnahme
gefunden. Iq rascher Folge erschienen noch drei Bände, welche als
Hauptstücke die Bonifazische Briefsammlung, den Codex Carolinus
nebst Einhards Briefen und den Codex Udalrici brachten , bis ein
plötzlicher Tod am 3. April 1870 der rastlosen Arbeit des Heraus-
gebers ein Ziel setzte. Wie gewaltig diese Arbeit gewesen war,
das wissen am besten diejenigen zu schätzen, welche den begonne-
nen sechsten Band vollendet haben, dessen Hauptinhalt die Briefe
Alcuins bilden.
Nicht unerwähnt darf hier auch Jaffe's älteres Werk bleiben, die
Begesta Pontificum Romanorum bis zum Jahr 1198. Im Jahr 1851
erschienen, ist es seitdem als unentbehrliches Hülfsmittel überall
verbreitet und in seinem hohen Werthe anerkannt. Was bis dahin
wohl lebhaft gewünscht war, aber nur durch gemeinschaftliche Arbeit
einer gelehrten Körperschaft erreichbar schien, gewährt hier der
eiserne Fleifs und die umfassende Gelehrsamkeit des einzelnen Mannes.
Für den uns zunächst vorliegenden Zweck ist dieses Werk insofern
von Bedeutung, als es wegen der Berücksichtigung von Chronisten
und Biographieen auch einen Wegweiser durch die Litteratur der
Pabstgeschichte darbietet. Diese ist in neuester Zeit noch durch
eine umfassende Sammlung bereichert worden, durch Watterichs
Ausgabe der Pontificum Bomanorum Vitae von 872 bis 1198; der ver-
sprochene dritte Band bis auf Gregor X fehlt noch. Nicht eben
einverstanden mit der Zusammenhäufung abgerissener Bruchstücke,
verkennen wir doch nicht die Yerdienstlichkeit dieser mühsamen
Arbeit, und werden sie bei den einzelnen Abschnitten noch häufig
zu erwähnen haben. Die weitere Fortführung der Regesten bis
1304 verdanken wir August Potthast.
Bearbeitungen der Quellenkunde. 33
Von Jaffe's Regesten aber ist unter Wattenbachs Leitung eine
neue sehr vermehrte Ausgabe erschienen, von welcher der erste Theil
bis 590 von F. Kaltenbrunner, der zweite bis 882 von P. Ewald,
der Haupttheil von 882 bis 1198 von S. Löwenfeld bearbeitet sind.
Es bleibt noch übrig, einige Worte über ältere Arbeiten auf
dem uns vorliegenden Gebiete hinzuzufügen. Das Bedürfnifs einer
Darstellung der historiographischen Entwicklung des deutschen
Mittelalters machte sich seit der immer wachsenden Beschäftigung
mit diesem Zeitraum stets dringender geltend. Ludwig Wachlers
kurze Skizze im Eingange seiner „Geschichte der historischen For-
schung und Kunst" (Gott. 1812) verdient als erster Versuch Er-
wähnung, kann aber doch jetzt nur noch dazu dienen, die seitdem
gemachten Fortschritte recht lebhaft empfinden zu lassen, während
das eigentliche Hauptwerk auch jetzt noch brauchbar ist. Will-
kommen als Hülfsmittel war Dahlmanns „Quellenkunde der deut-
schen Geschichte nach Folge der Begebenheiten", zuerst 1830, dann
1838 in zweiter Ausgabe erschienen; 1869 in dritter, 1875 in vier-
ter, 1883 in fünfter Ausgabe durch G. Waitz neu bearbeitet und
bedeutend vermehrt, ist diese Quellenkunde als eine überaus dan-
kenswerthe und werthvolle Gabe zu betrachten, aber Darstellung
liegt dem Plane des Buches fern.
Ungemein verdienstlich war es, dafs F. Baehr seine Geschichte
der römischen Litteratur über die gewöhnliche Grenze fortführend,
1836 die christlichen Dichter und Geschichtschreiber Roms, 1837
die theologische Litteratur hinzufügte, 1840 die Geschichte der rö-
mischen Litteratur im karolingischen Zeitalter folgen liefs, mit der-
selben umfassenden Gelehrsamkeit, derselben Sorgfalt und Genauigkeit
gearbeitet, welche das ganze Werk auszeichnet. Die neue Ausgabe
wurde leider durch den Tod des Verfassers unterbrochen und nur
die erste Abtheilung des vierten Bandes (Die christlichen Dichter
und Geschichtschreiber bis auf Paulus Diaconus) ist 1872 in zweiter
Ausgabe erschienen. Nicht minder umfassend ist die jetzt schon
in fünfter Auflage (1890) vorliegende Geschichte der römischen Lit-
teratur von W. S. Teuffei (besorgt von L. Schwabe). 1837 er-
schienen „Die Geschichtschreiber der sächsischen Kaiserzeit" von
Contzen, der sich durch die falschen Corvey er Quellen irre führen
liefs; was sonst etwa für jene Zeit brauchbares in der Schrift ent-
halten war, ist durch die inzwischen erschienenen neuen Ausgaben
der betreffenden Schriftsteller vollkommen veraltet. Auf einen an-
Wattenbach, Geschichtsquellen. I. 6. Aufl. 3
34 Einleitung. § 5.
deren Abweg war L. Haeusser gerathen, indem er durch die von
Schlosser ihm mitgetheilten Briefe des Herrn Galiffe in Genf1) sich
verleiten liefs, auf dessen wunderliche Ideen von systematischer
Fälschung der Quellen in grofsem Umfange einzugehen. Freilich
bewahrte ihn sein richtiger kritischer Sinn vor völliger Zustimmung;
vielmehr widerspricht er häufig den Behauptungen Galiffe's, doch
ist er noch immer geneigt, ihnen zu grofse Bedeutung beizulegen.
Uebrigens enthält diese Schrift „Ueber die Teutschen Geschichtschreiber
vom Anfang des Frankenreichs bis auf die Hohenstaufen" (Heid. 1839)
manche treffende Bemerkung, beruht aber noch auf zu ungenügenden
Studien, um das vorgesteckte Ziel erreichen zu können. Haeusser
war damals noch Lehrer in Wertheim; er hat sich später anderen
Gebieten zugewandt und diesen Gegenstand nicht wieder berührt.
Noch war auch die Lage der Dinge so, dafs fast nur in dem Kreise
der Mitarbeiter an den Monumenta Germaniae die hinlängliche Ver-
trautheit mit dem ganzen Quellengebiet erreichbar war, welche die
Lösung der vorliegenden Aufgabe möglich machte. Von hier aus
trat nun G. Waitz mit einer Arbeit auf, welche zuerst einen bleiben-
den Werth in Anspruch nehmen kann. In Kiel gehaltene Vorträge
wreiter ausführend, gab er 1844 und 1845 in "W. A. Schmidts Zeit-
schrift für Geschichtswissenschaft II, 39—58, 97—114, IV, 97—112
„Ueber die Entwickelung der deutschen Historiographie im Mittel-
alter" eine Darstellung, welche als grundlegend auf diesem Gebiet
betrachtet werden mufs, und lange Zeit für diese Studien das vor-
züglichste Hülfsmittel blieb. Die Absicht, den Gegenstand in einem
gröfseren Werke eingehender zu behandeln, brachte Waitz jedoch
nicht zur Ausführung und suchte dagegen durch eine von der Göt-
tinger Gesellschaft der Wissenschaften gestellte Preisfrage eine Be-
arbeitung von anderer Hand hervorzurufen. Schon früher mit dem
Plane eines solchen Werkes beschäftigt, nahm ich hiervon Veran-
lassung zu der 1858 erschienenen ersten Auflage des hier vorliegen-
den Buches, welchem 1866 die zweite, 1873 die dritte, 1877 die
vierte, 1885 die fünfte folgten. Eine sehr nützliche und willkommene
Ergänzung desselben gewähren die von W. v. Giesebrecht in
seiner „Geschichte der deutschen Kaiserzeit" mit den einzelnen Ab-
schnitten verbundenen Uebersichten der Quellen und Hülfsmittel,
welche von anderem Gesichtspunkt ausgehen und über manche
Quellenschriften sehr lehrreiche Bemerkungen enthalten. Unter-
x) Diese Briefe sind nur autographirt vorhanden; vgl. die Lobpreisung:
Notice sur la vie et les travaux de J. A. Galiffe (Geneve 1856) S. 56.
Bearbeitungen der Quellenkunde. 35
suchungen über einzelne Geschichtsquellen sind in reicher Fülle er-
schienen; sie werden in dieser neuen Ausgabe berücksichtigt werden,
soweit sie in den betreffenden Zeitraum gehören. Ueber diese hin-
auszugehen, war meine Absicht nie gewesen, weil dazu ein Studium
der Quellen allein kaum ausreicht; es ist fast unerläfslich, dafs, wer
eine solche Aufgabe lösen will, selbständig innerhalb dieses Zeit-
raums gearbeitet habe. Um so erfreulicher war es, dass Ottokar
Lorenz, der Verfasser der freilich leider unvollendeten „Deutschen
Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert", sich entschlofs, diese ge-
rade ihm so nahe liegende Arbeit zu unternehmen. Zuerst 1870
im Anschlufs an mein Werk erschienen, ist auch dieses Werk 1876
in zweiter Auflage erschienen, in welcher es durchgängig vermehrt,
verbessert, und auch bis zum Ausgang des Mittelalters fortgeführt
ist. 1886 erschien die dritte Auflage in Verbindung mit Dr. Arthur
Goldmann.
I. Die Vorzeit.
Von den ersten Anfängen bis zur Herrschaft der Karolinger.
§ 1. Die Römerzeit. Legenden.
Xacitus berichtet uns, dafs noch zu seiner Zeit die Germanen in
ihren Liedern die Thaten des Arminius feierten1). Nicht unmög-
lich ist, dafs noch in den Dichtungen der deutschen Heldensage,
welche Karl der Grofse sammeln und aufschreiben liefs2), dieser
uralten Kämpfe gedacht wurde: was uns von einheimischer Sage
erhalten ist, reicht nicht weit über die Zeiten Attila's hinauf, dessen
gewaltige Hand mit so übermächtiger Kraft alles zerschmetterte,
was ihm entgegentrat, dafs auch das Gedächtnifs der früheren Zeit
erlosch. Yon den Völkerschaften, deren Tacitus gedenkt, weifs die
Sage nichts; auch die gothischen und langobardischen Heldenlieder,
deren Inhalt uns zum Theil erhalten ist, sind früh verklungen.
Etzel aber und Dietrich von Bern und die Könige der Burgunden
lebten fort in der Erinnerung des Volks; wir haben die Lieder,
welche von ihnen reden, aber wie unbestimmt und nebelhaft sind
ihre Gestalten geworden: kaum erkennt man noch, ob es Menschen
sind oder Götter. Das ist die Natur der mündlichen Ueberlieferung,
in der es nichts festes und stätiges giebt, und schlimm würde es
um unsere Kenntnifs der Geschichte stehen, wenn wir auf jene allein
angewiesen wären.
Kaiser Ludwig hatte keine Freude an den Liedern der Heimath,
welche er in seiner Kindheit erlernt hatte3); mit heidnischen Vor-
stellungen und Anschauungen durchwebt, widerstrebten sie seinem
kirchlichen Sinne, und wie dieser Kaiser, so verhielt sich auch die
a) Ann. II, 88. Vgl. Wackernagel, Geschichte der deutschen Littera-
tur, S. 8 ff.
2) Einh. V. Karoli c. 29.
3) Thegani V. Lud. c. 19.
Lieder. Das römische Deutschland. 37
ganze Kirche feindlich gegen diese Sagendichtung, so grofse Freude
auch einzelne ihrer Diener daran haben mochten. Die Kirche aber
führte damals, und bald für lange Zeit ausschliefslich und allein,
den Griffel und die Feder, welche sie nicht entweihen wollte durch
die Aufzeichnungen halb heidnischer Gesänge; sie strebte vielmehr
dahin, auch auf dem Felde der Dichtkunst das Christenthum zum
Siege zu führen. Wir gedenken jetzt mit vergeblicher Sehnsucht
der verlorenen Sammlung Karls des Grofsen; allein die Kirche, in
welcher sich Jahrhunderte lang fast das ganze geistige Leben des
Volkes uns darstellt, hat für diesen Verlust auch reichen Ersatz ge-
boten, indem sie die wirkliche Geschichte der Zeit in fester, zuver-
lässiger Aufzeichnung überlieferte, freilich oft in dürrer und reiz-
loser Form, aber um so treuer und wahrhaftiger.
Vor der Bekehrung zum Christenthum kann daher von einheimi-
schen Geschichtsquellen nicht die Rede sein; von dem Deutschland,
welches Arminius' Heldenkampf dem römischen Einflüsse entzogen
hat, bringen uns nur die Werke der Römer und Griechen spärliche
Kunde, und diese zu berühren, liegt aufserhalb der Grenzen der
vorliegenden Aufgabe. Aber auch westlich vom Rheine, südlich von
der Donau und der Teufelsmauer liegt gegenwärtig viel deutsches
Land, wohnte auch unter der Römerherrschaft manch deutscher
Stamm, und nicht ganz ist der Faden zerrissen, welcher in diese
Zeiten hinüberführt. Der Boden selber redet zu uns in vernehm-
licher Weise. Noch stehen in Trier die gewaltigen Bauten der
Römer; ihre Thürme und Wälle, ihre Landstrafsen und Gräber, die
zahlreichen Inschriften, welche die verschiedensten Verhältnisse des
Lebens berühren, entrollen vor unsern Augen ein Bild jener Zeit,
da das weltbeherrschende Volk sich auch hier häuslich niederge-
lassen hatte und manche blühende Stadt ein kleines Abbild der
«wigen Roma darbot. Wir erkennen noch ihre Capitole, ihre Tempel,
Theater und Gerichtshallen, ihre Bäder und Villen, ihre Fabriken,
deren Stempel auf den Trümmern der Geräthe deutlich zu lesen
sind. Allein das alles liegt wie eine fremde Welt hinter uns, eine
gewaltige Kluft trennt uns von jener Zeit, erfüllt von allem Greuel
der Verwüstung und vernichtenden Kriegszügen. Der bebaute Acker
birgt Reste von Gebäuden, die mit der sinnvollsten Technik dem
Klima gemäfs zu behaglicher Bewohnung eingerichtet und mit rei-
chem Schmuck der Kunst ausgestattet waren; aber was blieb aufser
diesen schwachen Spuren übrig von dem einst so volkreichen und
betriebsamen Virunum? In Salzburg fand Sanct Rupert nur wald-
bewachsene Ruinen des alten Juvavum, wilde Thiere hausten in den
38 !• Vorzeit. § 1. Römerzeit.
Räumen der Prachtgebäude. Andere Städte, wie Regensburg und
Augsburg, wie Trier, Com und Mainz, sind bewohnt geblieben, ja
man hat geglaubt, dafs ganze römische Stadtgemeinden mit ihrer
Verfassung und ihren Obrigkeiten sich hier erhalten hätten. Eitler
Traum! Zu gründlich haben unsere Vorfahren hier aufgeräumt; wer
durch Reichthum und ansehnliche Stellung hervorragte, fiel als Opfer
oder entwich bei Zeiten der Gefahr: einzelne fanden bei den ger-
manischen Fürsten als Tischgenossen des Königs Aufnahme, aber
nur indem sie den alten Verhältnissen gänzlich entsagten und sich
dem Gefolge des neuen Herrschers anschlössen. Und so wurden auch
die übrigen Romanen, so viele ihrer am Leben und im Lande blie-
ben, als Hörige, einzelne hin und wieder auch als Volksgenossen,
in die Gemeinschaft der Einwanderer aufgenommen.
In den Grenzlanden, welche schon durch den langen Kampf
verödet waren, welche dann die ganze Wucht der hereinbrechenden
beutelustigen Heerschaaren traf, mag kaum ein römisch redender
Bauer übrig geblieben sein; die Eroberer stürmten mit ihren Ge-
fangenen weiter und liefsen das Land verödet hinter sich. Auch
war hier schon lange die Bevölkerung grofsentheils germanisch. Aber
n den Gebirgen des Südrandes1) finden wir noch nach Jahrhunderten
wälsche Bauern erwähnt; wo der überfluthende Strom seine Dämme
fand, blieb unter der Herrschaft des deutschen Kriegers auch die
gewonnene Beute der unterworfenen Bevölkerung. Sie mufste dem
neuen Herrn das Feld bauen und ihm dienen mit der sehr will-
kommenen und geschätzten Arbeit ihrer kunstfertigen Hände2).
Aber wo der Knecht den Herrn an geistiger Bildung übertrifft,
da bleibt auch die Rückwirkung nicht aus, dafs dieser von seinem
Diener lernt und manches von ihm annimmt. In Hauswirthschaft
und Ackerbau wie im Handwerk haben sicher die Deutschen viel
von den Wälschen gelernt; vorzüglich aber zeigt sich die Einwirkung
der besiegten Bevölkerung in der raschen Annahme des Christen-
tums durch die Eroberer. In den Städten des Niederrheins und
Lothringens scheint die Reihe der Bischöfe kaum unterbrochen zu
sein, obgleich sich von der Fortdauer römischer Bevölkerung, so
weit noch jetzt die Sprachgrenze reicht, keine Spur nachweisen
läfst. In Noricum und Pannonien sind die alten Bischofsitze fast
*) Auch in der Ortenau, s. Aloys Schulte, Zts. f. Gesch. d. Oberrh. N.
F. IV, 300— 314.
2) Vgl. Julius Jung, Römer und Romanen in den Douauländern, Innsbr.
1877, und die Ergebnisse der durch Virchow veranlafsten Ermittelungen
über Farbe der Haut und der Augen.
Christliche Legenden. 39
gänzlich yon der Erde verschwunden; dagegen hat sich aber die
Verehrung eines Märtyrers, des heiligen Florian, wie es scheint durch
blofse Tradition, unmittelbar an der alten Grenze erhalten.
Denn mit den römischen Legionen und Handelsleuten war auch
in diese Gegenden schon frühzeitig das Christenthum eingedrungen,
und als das alte Reich endlich den stets wiederholten Angriffen
erlag, hatte die christliche Kirche bereits in allen Provinzen die un-
bestrittene Herrschaft errungen. Ueber diese frühesten Zeiten der
Kirche in Deutschland, über ihre Glaubensboten und Blutzeugen,
wufste das Mittelalter gar vieles zu erzählen; unmittelbar von den
Aposteln und ihren ersten Schülern sollte die Predigt und die Stif-
tung der Bisthümer ausgegangen sein1). Es ist darüber eine so
reiche Litteratur vorhanden, und diese Erzählungen nehmen in den
Chroniken des Mittelalters eine so bedeutende Stelle ein, dafs
wir sie hier nicht ganz übergehen dürfen, wenngleich diese kirch-
liche Sage in noch weit höherem Grade als die weltliche, jedes
festen Bodens entbehrt. Die Phantasie der Geistlichkeit, der Helden-
sage abgewandt, ergriff mit um so gröfserem Eifer die kirchliche,
und aus den unscheinbarsten Anfängen erwuchsen da die wunder-
barsten Gebilde: weit verzweigte, mit allen Einzelheiten ausgeführte
Geschichten, welche sich immer üppiger entwickelten und auf die
ganze Denkweise der Menschen den gröfsten Einflufs gewannen. Den
reichsten Baum der Dichtung trieb die Legende von der thebäischen
Legion, von deren Führern Gereon in Cöln mit der heiligen Ursula
und ihren 11,000 Jungfrauen zusammentrifft. Cöln wird nun vor-
zugsweise die heilige Stadt durch die Menge der Heiligenleiber,
welche sie bewahrt, aber fast jeder Ort im Rheinthale hat seinen
Antheil an dieser Geschichte und erhält dadurch eine geheimnifsvolle
Weihe. In anderen Gegenden sind mehr vereinzelte Legenden dieser
Art, doch fehlen sie auf dem einst römischen Boden nirgends.
Der leider zu früh verstorbene F. W. Bettberg hat das grofse
Verdienst, zum ersten Male alle diese Erzählungen einer zusammen-
hängenden, systematischen, strengen Kritik unterzogen zu haben2).
1) Die Kritik der gleichen Nachrichten in Frankreich und Nachweis
des allmählichen Auswachsens der Legenden, in: Origines de l'Eglise de
Tours, par M. Fabbe C. Chevalier (T. XXI des Memoires de la Societe
archeologique de Touraine) Tours 1871. Vgl. die Anzeige von Monod,
Revue crit. 1872. Tome II, p. 84—88. Ferner die Kritik von Aube über
das Buch von Dom Chamard: Les eglises du monde Romain. Revue hist.
VII, 152 — 164, u. jetzt vorzüglich: Memoire sur l'origine des dioceses
episcopaux daus l'ancienne Gaule, par M. l'abbe Duchesne, Paris 1890.
(Mem. de la Soc. nat. des Antiquaires de France, Tome L).
2) Kirchengeschichte Deutschlands, 2 Bde. 8. 1848, bis zum Tode
40 I- Vorzeit. § 1. Römerzeit.
Den einzig richtigen Weg einschlagend, hat er das ganze ungeheuere
Material kritisch untersucht, der Herkunft und Entstehung jeder ein-
zelnen Nachricht nachgeforscht. "Wohl hatte man schon früher ein-
zelnes als unhaltbar aufgegeben, aber immer suchte man doch wieder
historisches Material aus dem Wüste der Fabeln zu gewinnen ; man
konnte sich nicht entschliefsen auf dasjenige, dessen späte betrüg-
liche Entstehung einmal nachgewiesen wrar, nun auch gänzlich zu
verzichten, und auch jetzt noch ist für viele dieser Entschlufs zu
schwer: man will doch nicht alle scheinbare Ausbeute aufgeben für
Zeiten und Gegenstände, von denen man sonst gar nichts weifs.
So ist es nur zu gewöhnlich, dafs man das gänzlich unhaltbare
fortwirft, aber dasjenige, wras nicht in sich unmöglich ist, behält —
ein durchaus unhistorisches Verfahren1).
Wenn es z. B. feststeht, dafs man von S. Dysibod im zwölften
Jahrhundert noch nichts als den Namen wufste, dafs dann die Nonne
Hildegard nach angeblichen Visionen seine Geschichte schrieb, die
von chronologischen Widersprüchen strotzt, so sollte man doch
denken, dafs niemand dieses Märchen ferner als Geschichtsquelle
benutzen werde. Und dennoch machte Remling in seiner Geschichte
der Bischöfe von Speier davon Gebrauch, obgleich ihm Rettbergs
Werk nicht unbekannt war. Jedem besonnenen und gewissenhaften
Forscher aber gewährt die „Kirchengeschichte Deutschlands" eine
feste Grundlage für die Beurtheilung dieser Zeiten. Das Verfahren
Rettbergs besteht darin, dafs er die Entstehung der Legenden genau
untersucht und nachweist, wie sie allmählich gewachsen sind, wie
anfangs nur die Namen der Heiligen vorkommen, von denen einige
wenige auf wirklich alter localer Verehrung beruhen; wie dann zuerst
einzelne Umstände, dann allmählich mehr hinzugesetzt wird, bis die
ganze Geschichte fertig ist. Die Legenden selbst sind grofsentheils
ohne Zeitangaben über ihre Abfassung; einen ganz bestimmten Anhalt
aber gewähren die Martyrologien2), deren Verfasser bekannt sind,
und die uns daher das allmähliche Anwachsen der Legenden auf
das deutlichste und bestimmteste erkennen lassen. Dafs aber solche
Karls des Grofsen. Vgl. jetzt auch Hauck, Kirchenges eh. Deutschlands bis
Bonifaz. Leipz. 1887.
J) Vgl. die Worte von Waitz in den Gott. G. A. 1855, S. 274: Es
ist hier geschehen, was manchmal geschieht und die Leute beruhigt: man
hat zeitig die besonders groben und anstöfsigen Behauptungen entfernt,
und dann gemeint, dafs das, was allenfalls wahr sein könnte, nun auch
Anspruch habe, wirklich dafür zu gelten, während die wahre Kritik aner-
kennt, dafs ein solches Abhandeln bei Sage und Erdichtung meist gerade
am allerwenigsten zur historischen Gewifsheit führt.
2) S. über diese § 3.
Rettberg's Kritik. Friedrich. 41
spätere Zusätze nicht etwa auf wirklicher, durch mündliche Ueber-
lieferung bewahrter Kenntnifs beruhen, das zeigt uns, aufser den
inneren Widersprüchen, besonders die Vergleichung mit den späteren
echten Legenden, mit den Lebensbeschreibungen der Heiligen aus
geschichtlich bekannter Zeit, welche in den Legendarien ebenfalls
fortwährend sich verändern und mit allerlei fabelhaften Zuthaten
vermehrt werden.
Man hat freilich Rettbergs Verfahren als zu negativ angegriffen
und es wird zuzugeben sein, dafs er in einzelnen Fällen zu weit ge-
gangen ist. Auch ist hin und wieder etwas aufgefunden, wodurch
auf einzelne Fragen neues Licht fällt. Es war deshalb ganz gerecht-
fertigt und angemessen, dafs Prof. J. Friedrich den Versuch
machte, jenem Werke eine „Kirchengeschichte Deutschlands" (I. Die
Römerzeit 1867, II. Die Merovinger 1869) von mehr conservativer
Richtung entgegen zu setzen. Allein es fehlt darin leider an jener
strengen wissenschaftlichen Methode, durch welche Rettberg sich so
sehr auszeichnet, und in Folge der übermäfsigen Weitschweifigkeit
ist von der Zeit der Merovinger nur der Anfang berührt. Eine
weitere Fortsetzung ist nicht erschienen.
Das Ergebnifs von Rettbergs Kritik aller jener Legenden über
die Zeit der ersten Einführung des Christenthums in das römische
Deutschland ist, dafs sie alle späteren Ursprungs sind, dafs für die
wirkliche Geschichte jener Zeit nichts daraus zu lernen ist. Auch
was Friedrich nachträglich zu retten versucht, ist nur sehr wenig,
und es trägt für diesen Gegenstand wenig aus, ob in der Geschichte
von dem Märtyrertode der Thebäer in Agaunum ein historischer
Kern sich nachweisen läfst1), ob das Martyrium einiger christlicher
Jungfrauen zu Cöln glaubhaft bezeugt ist2). Etwas erheblicher ist
*) S. darüber Franz Stolle, Das Martyrium der thebaischen Legion,
Breslau 1891; vgl. NA. XVH, 223.
2) Ist der Einfall 0. Schade's (Die Sage von der heiligen Ursula,
1854), für die Ursulalegende eine mythologische Begründung nachzuweisen,
ohne Zweifel verfehlt, so ist dagegen der Versuch Joh. Hubert Kessels
(S. Ursula und ihre Gesellschaft, Cöln 1863), durch rationalistische Deu-
tung, mit Verwerfung der abgeschmackten Visionen , die ältere Legende
zu retten, nicht minder abzuweisen. Sein Verfahren widerspricht jeder
gesunden historischen Kritik, er benutzt allerlei späte Legenden in unzu-
lässiger Weise als Quelle für die Hunnenzeit; seine Hauptstütze aber ist
die Predigt In natali, welche er ins achte Jahrhundert setzt. Diese ist
v. Klinkenberg aus einer Hs. saec. XII. herausg. u. in Karol. Zeit gesetzt
(Kl. u. Düntzer in d. Jahrbb. d. V. v. Alt. im Rheinland, Heft 88. 89).
Friedrich giebt die Legende auf. Vgl. auch Annalen des Niederrheins 1874,
Heft 26 u. 27, S. 116 bis 176, G. Stein: Ursula, S. 177 bis 196, Flofs:
Die Clematianische Inschrift. Facs. ders. bei F. X. Kraus : Die christl.
Inss. d. Rheinlande (1890) S. 143. In den Anal. Bolland. III, 1—20, ist
42 L Vorzeit. § 1. Kömerzeit.
die wohl nicht imbegründete Verteidigung der Legende von dem
Martyrium der h. Afra zu Augsburg1). Rettberg fällt ein günstige-
res Urtheil nur über die Leidensgeschichte des heiligen Florian2).
Dieser, ein entlassener Veteran, soll in Folge der Verfolgungsedicte
von Diocletian und Maximian (304) auf Befehl des Aquilinus, Präses
von Ufernoricum, zu Lorch in die Ens gestürzt sein. Ungeachtet
eines schweren Steins, der an seinen Hals gebunden ist, trägt ihn
der Flufs auf einen hervorragenden Fels, von wo eine fromme christ-
liche Frau ihn in Folge einer Vision zur Bestattung abholt. Diese
Erzählung aber ist eine so deutliche Nachahmung dessen, was Hie-
ronymus in seiner Chronik vom Bischof Quirin von Sissek erzählt,
dafs sich die absichtliche Erdichtung darin kaum verkennen läfst.
Denn es ist eben eine Eigenthümlichkeit dieser späteren Legenden-
fabrikation, dafs sich in benachbarten Gegenden immer dieselben
Todesarten und Wunder wiederholen; die Phantasie des Mittelalters
erscheint darin arm und dürftig. Auch finden sich diese Angaben
über Sanct Florians Ende erst in Martyrologien des neunten Jahr-
hunderts, die Handschriften der Legende reichen nicht höher hinauf3),
und nichts weist darauf hin, dafs sie etwa, wie das Leben Severins,
in Italien aufbewahrt, und von dort zurückgebracht wäre.
Um so wahrscheinlicher ist es, dafs wirklich eine ununterbrochene
örtliche Ueberlieferung das Andenken dieses Märtyrers bewahrt habe.
Denn wo sich jetzt mächtig und gebietend das schöne Chorherrnstift
St. Florian erhebt, da galt schon vor mehr als tausend Jahren der
die Legende Fuit tempore pervetusto herausgegeben mit einer früher unbe-
kannten Widmung an Erzb. Gero, wie es scheint die älteste Form, die
hiernach durch einen Grafen Hoolf vom Erzb. Dunstan v. Canterbury
stammte. An die Thatsache des Martyriums einiger Christinnen und deren
Cult hat phantastische Sage sich angeschlossen, welche schon Wandalbert
von Prüm bekannt war, in jener alten Legende noch in einfacherer Form
erscheint, später auch absichtlich erweitert ist.
a) Passio S. Afrae, wieder abgedruckt von Friedrich I, 427 — 430.
2) I, 157. Passio S. Floriani, aus einer St. Emmerammer Handschrift
saec. X, bei Pez SS. I, 36. Vgl. dazu Glück, die Bisthümer Noricums, be-
sonders das Lorchische, zur Zeit der römischen Herrschaft, Wiener SB.
XVII, 60. Ueber den Grabstein der Valeria, die ihn begrub, Kenner im
Archiv d. W. A. XXXVIII, 174. In das CIL. ist er nicht aufgenommen,
Th. Mommsen glaubt nicht, ihn als römischer Zeit entstammend anerkennen
zu können.
3) Eine Handschrift in Lambach (nicht Linz) wird ins 9. Jahrh. ge-
setzt, aber der Wiener Cod. 650, in welchem sich die zweite Bearbeitung
findet, ist nicht, wie Tabb. I, 112 gesagt ist, saec. IX, sondern saec. XII.
Der St. Florianer Chorherr E. Mühlbacher, welchem ich diese Nachricht
verdanke, ist geneigt, jene erste Bearbeitung schon dem 7. Jahrh. zuzu-
schreiben, das bereits Schenkungen zum Grabe des Märtyrers aufweist, und
bezieht sich auf einen Aufsatz in der Linzer theol. prakt. Quartalschrift 1868
S. 437 ff.
Sanct Florian. Die vier Gekrönten. 43
Boden für heilig, weil hier „der kostbare Märtyrer Sanct Florianus"
ruhe, lange bevor die Verfasser der Martyrologien den Ort seines
Leidens kannten. Also selbst im Flachlande, vielleicht in den Resten
der einst bischöflichen Stadt Lorch, haben Christen durch alle Stürme
der Völkerwanderung das Andenken Sanct Florians bewahrt, und
vielleicht die Kunde von seinem Stande und der Zeit seines Todes,
während weiter oben im Gebirge von Maximilian nur der Name
und der Ort seines Begräbnisses im Gedächtnifs blieb, Severin
aber gänzlich vergessen zu sein scheint, bis aus Italien Handschriften
seiner Lebensbeschreibung nach Deutschland kamen und sein An-
denken erneuten. Denn am festesten haftete immer die Erinnerung
am Grabe der Heiligen.
Diesem Umstände verdanken wir auch die Erhaltung einer an-
deren Legende, der Leidensgeschichte der heiligen Vier
Gekrönten, welche Rettberg unbekannt geblieben ist1). Sie be-
richtet uns von vier christlichen Arbeitern in den Steinbrüchen Pan-
noniens, welche noch einen ihrer Genossen bekehren; ihn tauft der
in Ketten dorthin verbannte Bischof Cyrill von Antiochien. Das ist
ein merkwürdiger Fingerzeig für die Ausbreitung des Christenthums.
Rettberg, der nicht nur das spätere Fabelwerk mit schonungsloser
Kritik zerstört, sondern auch den wirklichen Verlauf der Bekehrung
dieser Lande mit gröfster Sorgfalt aus den einzelnen Anhaltpunkten
nachgewiesen hat, ist zu dem Resultat gekommen, dafs für dieselbe
nicht sowohl eigentliche Missionare thätig waren, als vielmehr die
christlichen Soldaten2), Handelsleute und Arbeiter, welche hierher
*) Passio Sanctorum Quatuor Coronatorum, herausgegeben von Watten-
bach, mit einem Nachwort von Karajan, in den Wiener SB. X, 115 — 137.
Sie findet sich auch schon in dem Sanctuarium des Mombritius I, fol. 160.
Neue Ausgabe in Büdingers Untersuchungen zur Rom. Kaisergesch. III,
321—338. Vgl. dazu S. 1 — 11 Untersuchung von 0. Hunziker, S. 339 bis
356 Archäologische Bemerkungen von 0. Benndorf, S.357 — 379 Chronolog.
Bern, von M. Büdinger. Vgl. den Bericht von A. Hg in d. Mittheilungen
der Centralcommission XVII p. XLVII — LI. A. Duncker im Rhein. Mus.
f. Philol. XXXI, 440—445. Edm. Meyer, Forsch. XVIII (1878) 577 bis 603.
Giov. Batt. de Rossi: I santi Quattro Coronati e la loro chiesa sul Celio,
im Bull, di Archeol. crist. 1879, mit Benutzung der ältesten Hs. in Paris,
vgl. NA. V, 227. Petschenig, SB. d. Wiener Akad. XCVII, 761 bis 779,
vgl. NA. VII, 226. C. Erbes in d. Zeitschr. f. Kirchengesch. V, 466—487.
Ed. Meyer im Progr. d. Kgl. Louisengymn. in Berlin 1886, vgl. NA. XII,
426. 602. — J. Jung a. a. 0. hat die Legende benutzt, und verweist auch
S. 132. 159 auf die Geschichte der Nonsb erger Märtyrer Sisinnius,
Martyrius und Alexander (f 397) Acta SS. Mai. VII, 38—44. Gar wenig
Inhalt hat die chronologisch ganz unbestimmte Vita S. Florini, aus dem
Vintschgau, Anal. Boll. III, App. p. 122—127.
2) Vgl. die Verschleppung des Dolichenoscult durch römische Soldaten;
G. Seidl in den Wiener Sitzungsberichten XII, 4—90. XIII, 233—260.
44 I. Vorzeit. § 2. S. Severin.
kamen, während die späteren Legenden durchgehends die Gründung
der Kirchen durch die Apostel und ihre ersten Schüler behaupten.
Die Verbannung gefangener Christen in die Steinbrüche Pannoniens,
und wohl auch anderer Lande, wird das ihrige dazu beigetragen
haben. Es erklärt sich aber aus dieser unmerklichen und unschein-
baren Verbreitung auch zur Genüge, warum keine Schriftsteller das
Andenken derselben aufbewahrt haben. Jene Arbeiter nun fielen
dem Neide ihrer Gesellen durch Diocletians Spruch zum Opfer, so
gerne dieser auch anfangs seine geschicktesten Arbeiter sich erhalten
wollte (307?). Die Reliquien der fünf Arbeiter finden sich später
zu Rom in der Kirche der heiligen Vier Gekrönten1), mit denen
sie nur hierdurch in zufällige Verbindung gebracht sind, und dies
hat auch eine Verschmelzung ihrer Legenden zur Folge gehabt.
Vielleicht erst hierdurch sind auch chronologische Widersprüche
hineingekommen, aber alt ist die Legende sicher; sie mufs geschrieben
sein, bevor Pannonien von den Barbaren überschwemmt war, und
das Treiben in den Steinbrüchen ist mit solcher Anschaulichkeit
und auch mit so durchgängiger Beibehaltung der technischen Aus-
drücke geschildert, dafs der Verfasser selbst noch persönliche Kunde
davon gehabt zu haben scheint. Als solchen nennt die alte Pariser
Handschrift den Schatzungsbeamten Porphyrius, welchen De Rossi
auch aus anderen Erwähnungen nachgewiesen hat2). Aber nur die
ursprüngliche pannonische Legende können wir ihm zuschreiben.
Während nun also diese Legende noch die ungestörte Römer-
herrschaft in diesen Gegenden voraussetzt, führt uns eine andere so
recht mitten hinein in die Stürme der Völkerwanderung, und wir
können es uns daher nicht versagen , bei dieser etwas länger zu
verweilen.
§ 2. Das Leben des heiligen Severin.
Ausgabe von Weiser in Augsburg 1595, 4. (Opera p. 635) aus einer HS. des zehnten
Jahrh. in St. Emmeram, der ältesten in Deutschland. Den hier fehlenden Brief Eugipps
an Paschasius gab Canisius, Antiquae Lect. VI, 53, I, 411. Danach vollständig in
der zweiten Ausgabe des Surius und Acta SS. Jan. I, 484 mit Commentar von Bolland.
Nach den minder guten, wie es scheint überarbeiteten, östr. Handschriften in H. Pez
SS. I, 64, und daraus bei Muchar, Das römische Noricum, II, 152—239, mit Com-
mentar. Ausgabe von Ant. Kerschbaumer, Scaphus. 1862 nach dem angeblich äl-
testen und besten Lateran. Codex, unkritisch und wegen vieler Druckfehler unzu-
2) 0. Hirschfeld (Archäolog. u. epigr. Mitth. aus Oesterr. IX, 21) er-
innert anläfslich einer Inschrift, worin von capitella columnarum die Rede
ist, welche bei Sirmium für die Thermae Licinianae verfertigt worden , an
unsere Passio, u. weist dabei den Gebrauch des Ausdrucks coronati für
höhere Beamte nächst dem Cornicularius nach.
2) Censualis a yleba actuarius nomine Porfyreus haue gestam scripsit.
Leben des h. Severin. 45
verlässig; Rec von Sauppe, Gott. Gel. Anz. 1862 S. 1544 — 1552. Nach Münchener
Handschriften bei Friedrich, I, 431—489. Ausg. von Sauppe, MG. Auctt. antt. I, 2.
1877; vgl. NA. IV, 407, Waitz, GGA. 1879, S. 581. Gegen Sauppe's krit. Grundlage
u. für d. Cod. Taurin. P. Knöll, Wiener SB. XCV, 445-498. Ausg. von Knöll im
Wiener Corpus SS. eccl. VIII, 2. Uebers. v. C. Ritter, Linz 1853, v. K. Rodenberg,
Berlin 1878 (Urzeit Bd. 4), v. S. Brunner, Wien 1879. — Eugippii opera,
Migne 62. — Rinaudo p. 14 — 19. Vgl. Rettberg 1, 226. Büdinger, Oesterr. Gesch.
I, 47 ff. Pallmann II, 393 — 401. J. Jung, Römer und Romanen S. 132 und an
vielen Orten. Hauck I, 328-332.
Die Lebensbeschreibung des heiligen Severin, von seinem Schüler
Eugippius verfafst, ist für uns von ganz unschätzbarem Werthe, in-
dem sie einen hellen Lichtstrahl wirft in Zeiten und Zustände, von
denen wir sonst gar nichts wissen würden , wie denn auch vorher
und nachher tiefe Finsternifs diese Donauländer bedeckt. Keine
andere Quelle giebt uns in so reichhaltiger Weise ein Bild des
christlich gewordenen und bereits mit vollständiger kirchlicher Ein-
richtung versehenen Römerlandes im Süden der Donau; unmittelbar
vor der Vernichtung zeigt ein günstiges Geschick uns das Bild dieser
Gegenden und ihrer Bevölkerung in scharfen und lebensvollen Umrissen.
Attila war gestorben, und die frei gewordenen Völker wenden
nun ihre Waffen gegen einander und gegen die kläglichen Ueber-
bleibsel des römischen Reiches. Alamannen und Thüringer hatten
den Grenzwall durchbrochen und drangen in Rätien immer weiter
gegen Süden und Osten vor. In Noricum hielt sich noch die
römische Bevölkerung, aber in welchem Zustand! Von allen Seiten
wurde sie schwer bedrängt durch die vorrückenden Barbaren —
denn so nannten damals und noch lange nachher nicht nur die
Römer, sondern auch die Deutschen selbst alle Nichtrömer. Jenseits
der Donau schalteten die Rugier, durch häufige Streifzüge das Land
bedrängend und bald auch diesseits festen Fufs fassend. Sie sowohl
wie die Gothen in Pannonien waren Arianer, den katholischen Ro-
manen fast noch verhafster als die Heiden. In Commagena, einer
bald darauf völlig verschwundenen Römerstadt unweit Tuln, hatten
bereits Barbaren sich festgesetzt; unfähig sie zu vertreiben, schlössen
die Römer ein Bündnifs mit ihnen, und die Einwohner lebten nun
wie Gefangene in ihrer eigenen Stadt. Da tritt plötzlich, unge-
hindert durch die Wachen, Severinus unter sie: eben war, wie er
vorher verkündigt hatte, die benachbarte Stadt Astura gänzlich zer-
stört worden, und gläubig horchte man nun auf seine Worte, da er
Rettung verhiefs, fastete und betete, bis plötzlich in der Nacht ein
Erdbeben die Barbaren in Schrecken setzt; voll Angst eilen sie aus
den Thoren und morden sich gegenseitig in der Finsternifs und
Verwirrung. So war die Stadt von ihren Drängern befreit, allein
was war damit gewonnen !
46 I. Vorzeit. § 2. S. Severin.
Nur von den Städten aus wurde noch das Feld gebaut, und
nur zu häufig fielen Ernte und Schnitter in die Hände der Barbaren ;
Hunger verwüstete das reiche und fruchtbare Land, wenn die Zufuhr
auf dem Inn ausblieb. Die Grenzsoldaten erhielten aus Italien keinen
Sold mehr, und in Folge davon lösten ihre Schaaren sich auf; nur
die batavische Cohorte in Passau hielt noch zusammen, und einige
von ihnen machen sich auf, um den Sold über die Alpen zu holen,
werden aber unterwegs erschlagen. Vor der Donaustadt Faviana,
zwischen Passau und Wien, erscheinen plötzlich Räuber und führen
alles hinweg, was sie aufserhalb der Mauern finden, Menschen und
Vieh. Der Tribun Mamertinus hat so wenig Mannschaft, dafs er
keinen Ausfall wagen will, bis Severin ihm den göttlichen Beistand
verheifst; da zieht er muthig hinaus und gewinnt den Sieg.
Eine der wunderbarsten Erscheinungen ist dieser Severin. Nie
hat er sagen wollen, wer er sei, woher er stamme; nur dafs er aus
dem fernen Osten komme, nahm man aus seinen Reden ab, doch
erkannte man an der Sprache den geborenen Lateiner. Von vor-
nehmer Abkunft, so schien es, hatte er sich in die Einsamkeit zu
den heiligen Vätern, vermuthlich in die thebaische Wüste, zurück-
gezogen; dann aber trieb ihn, wie er selber andeutete, eine göttliche
Stimme, den bedrängten Bewohnern des Ufernoricum Trost und
Hülfe zu bringen. Seine Enthaltsamkeit erschien übermenschlich;
bei der heftigsten Kälte ging er barfufs, und an die strengsten
Fasten gewöhnt, schien er Hunger und Entbehrung nur in der Seele
der Nothleidenden zu empfinden. So durchzog er das ganze Land,
ermahnend, Bufse predigend, tröstend, vor allem aber Hülfe brin-
gend, so viel er vermochte. Förmliche Zehnten forderte er ein, um
Gefangene loszukaufen, Arme zu unterstützen. Sein Ansehen war
bald grofs im Lande; unbedingte Herrschaft über die Natur mafs
man ihm bei, und Gottes Zorn traf jeden, der auf sein Wort nicht
achtete.
Den merkwürdigsten Gegensatz bildet dieses Land, welches in
seiner Bedrängnifs sich willig der Leitung eines frommen gottbegei-
sterten Mönches hingiebt, zu den sittenlosen Grenzstädten Galliens,
über deren Verderbtheit und Leichtsinn Salvian vergeblich eiferte,
zu Trier, wo „selbst noch bei dem Sturme der fränkischen Sieger
auf die Stadt Jung und Alt der zügellosesten Schlemmerei und Aus-
schweifung sich ergiebt, mit wahrer Raserei alles dem unaus weich -
baren Untergang trunken und prassend entgegenstürzt" !).
*) Rettberg I, 25. Vgl. W. Zschimmer, Salvian und seine Schriften,
Halle 1875. Ebert I, 452— 454. Opera ed. C. Halm, MG. Auctt. antt. I, 1.
Leben des h. Severin. 47
Severins Ansehen beugten sich auch die Fürsten der Barbaren,
selbst jene böse Königin Giso, welche rechtgläubige Katholiken um-
taufen wollte; halb aus Wohlwollen, halb aus Furcht erfüllten sie
seine Bitten, achteten sie auf seine Ermahnungen; seinen Rath-
schlägen dankte der Rugierkönig Flaccitheus seine friedliche Regie-
rung. Schützte Severin die Römer manchmal durch Ermuthigung
zu kräftigem Widerstand und durch Vorhersagen feindlicher Angriffe,
so wandte er doch häufiger durch seine Fürbitten Gefahren ab und
erlangte die Freigebung der Gefangenen. An vielen Orten hatte er
Klöster errichtet, die nach der Weise des Morgenlandes aus einer
Vereinigung einzelner Hütten bestanden, das gröfste, in welchem er
sich am häufigsten aufhielt, bei Faviana, einem jetzt spurlos ver-
schwundenen Orte. Hier traten einst einige Barbaren zu ihm, die
nach Italien zogen und ihn um seinen Segen baten; unter ihnen
Odovacar, damals noch ein gemeiner Krieger und mit schlechten
Thierfellen nothdürftig bekleidet, aber so hoch gewachsen, dafs er
sich bücken mufste, um nicht die Decke der Zelle zu berühren.
Geh, sagte Severin zu ihm, geh nach Italien; jetzt deckt dich noch
ein geringes Gewand, aber bald wirst du vielem Volke grofse Gaben
auszutheilen haben. Als König gedachte Odovacar dieser Weissagung,
und forderte Severin auf, sich eine Gnade auszubitten, worauf dieser
für einen Verbannten Verzeihung erlangte.
Severin konnte es doch nicht hindern, dafs Stadt auf Stadt in
die Hände der Feinde fiel. Die Rugier bemächtigten sich der Stadt
Faviana und der benachbarten Orte; ihre Herrschaft gewährte wenig-
stens Schutz gegen die wilderen Feinde, welche alle weiter aufwärts
gelegenen Burgen und Städte zerstörten. Die geflüchteten Einwoh-
ner führte König Feva aus Lorch, wo sie sich gesammelt hatten,
in die ihm unterthänigen Städte. Joviacum dagegen wurde von den
Herulern gänzlich verheert, während Tiburnia in Oberkärnten, an
dessen Namen noch Debern im Lurnfeld erinnert, eine Belagerung
der Gothen glücklich überstand. Noch im sechsten Jahrhundert
waren hier christliche Bischöfe; dann aber unterlag auch diese
uralte Stiftung, sowie die alte Bischofstadt Pettau, den Slaven und
Avaren.
Am 8. Januar 482 starb Severin. Feva's Bruder Friedrich plün-
derte gleich darauf sein Kloster; innere Kriege unter den Rugiern
1877 ; ed. Fr. Pauly im Wiener Corpus VIII. 1883. Uebers. v. Pet. Caffer,
Aachen 1858. — G. Monod meint freilich (Revue crit. 1879, N. 24) dafs
wir, wenn aus den Donauländern Bufspredigten erhalten wären, darin
ähnliche Anklagen finden würden. Aber Eugippius würde doch auch der-
gleichen nicht unterlassen haben, wenn er Anlafs dazu gefunden hätte.
48 I. Vorwort. § 2. S. Severin.
und Odovacars Feldzug gegen sie mehrten die Bedrängnifs der Römer,
bis endlich sechs Jahre nach Severins Tod Odovacar die ganze rö-
mische Bevölkerung aus Noricum abrief und ihr in Italien Land
anwies. Dadurch erklärt es sich , dafs gerade hier von den alten
und einst so bedeutenden Römerstädten fast jede Spur verschwand,
und nur schwache Reste einer unterwürfigen romanischen Bevölkerung
in den Gebirgen zurückblieben. Damals scheint auch der heilige
Antonius Noricum verlassen zu haben; er war aus Pannonien zu
Severin noch kurz vor dessen Tode gekommen, wie Ennodius in der
Lebensbeschreibung des Antonius berichtet1).
Severins Mönche folgten mit Freuden dem Rufe, welcher sie
aus der Knechtschaft erlöste; der Anordnung ihres Meisters gemäfs
führten sie dessen Leiche mit sich bis nach Neapel, wo sie endlich
Ruhe fanden. Hier richtete ihnen eine vornehme Frau, Namens
Barbaria, ein Kloster ein im Castellum Lucullanum, dessen Name
noch das Andenken der üppigen Gärten Luculis bewahrte; ebenda
war kurz zuvor auch dem letzten römischen Kaiser sein Aufenthalt
angewiesen worden2).
In diesem Kloster nun war Eugippius3) Abt, ein Schüler Se-
verins, der nach Cassiodors Zeugnifs von weltlicher Gelehrsamkeit
nicht gar viel wufste, aber in den heiligen Schriften wohl belesen
war4), der Verfasser eines Auszuges aus den Schriften des heiligen
Augustin5). Mit bedeutenden Kirchenschriftstellern der Zeit stand
er im Briefwechsel. Diesen Eugippius nun forderte ein ungenannter
Laie auf, ihm Materialien zu einer Lebensbeschreibung Severins zu
geben; er zeichnete darauf auch wirklich seine Erinnerungen auf,
sandte dieselben aber (511) nicht an jenen Laien, denn das erschien
ihm unpassend, sondern an den gelehrten Diaconus Paschasius,
mit der Bitte, sie zu einer förmlichen Lebensbeschreibung zu ver-
arbeiten. Zugleich sandte er ihm in dem Boten einen Mann, der
J) Vita S. Antonii Lirinensis, in den verschiedenen Ausgaben der Werke
des Ennodius, v. Fr. Vogel Auctt. ant. VII, 185—190.
2) Nach Caravita, I codici e le arti a Monte Cassino I, 14 auf dem
Pizzofalcone bei, jetzt in Neapel.
3) Andere Formen, mit guter handschriftl. Beglaubigung sind Eugipius
und Eugepius.
4) Divin. Lectionum c. 23: quem nos quoque vidimus, virum quidem
non usque adeo saecularibus literis eruditum, sed scripturarum divinarum
lectione plenissimum. Ein dogmatisches Sendschreiben an ihn von Fer-
randus aus d. J. 533 bei A. Mai, Nova Coli. III, 2, 168 — 184; ein anderes
mit Uebersendung einer Glocke für das Kloster, bei Reifferscheid in Ind.
lectt. Vrat. 1871 — 72 S. 6. Vgl. Büdinger, Eugipius, Wiener SB. XCI,
793—814.
5) Sehr gerühmt von Notker, bei Dümmler, Formelbuch Salomons III,
S. 65. Ausg. v. Knöll im Wiener Corpus VIII, 1.
Severins Biograph Eugippius. 49
als Augenzeuge über die Wunder berichten sollte, welche auf dem
Zuge durch Italien an Severins Sarg geschehen waren. Paschasius
aber lehnte jede Aenderung an Eugipps Aufzeichnungen ab, und
in der That ist es auch sehr zweifelhaft, ob jene Bitte ernsthaft ge-
meint war, da uns ähnliche Aufforderungen, die nichts als Phrase
sind, so häufig begegnen. Eugipps Aufzeichnungen sind durchaus
nicht unfertig, nicht nachlässig und formlos, und gerade aus jenen
italischen Wundern hebt er einige als die wichtigsten und statt
aller genügend, sorgsam hervor. Auch giebt er als den wesent-
lichsten Grund, weshalb er den Wunsch jenes Laien, von dem eine
andere Biographie ihm bekannt war, nicht erfüllt, die Besorgnifs
an, er möchte durch die Anwendung der rhetorischen Kunst den
Gegenstand verhüllen und für den einfachen und ungebildeten Gläu-
bigen geradezu unverständlich machen. Er war also kein Freund
von den kunstgerechten Büchern jener Zeit, welche wie z. B. die
Schriften des Ennodius und manche von Cassiodor, durch eine
Ueberfülle gesuchter Antithesen und wortreichen Phrasenschwall so
unerträglich schwülstig und geziert sind, dafs man oft nur mit Mühe
den Sinn der Worte enträthselt. Das galt in den Rhetorenschulen
als schöner Stil.
Eugipps Aufzeichnungen dagegen sind ganz einfach und schmuck-
los, ohne strenge Reihenfolge und Ordnung, aber um so mehr der
treue Ausdruck dessen, was ihm in seiner Erinnerung als das be-
merkenswertheste erschienen war. Gerade darin liegt der Haupt-
vorzug dieser Lebensbeschreibung vor den zahlreichen Legenden,
aus deren salbungsvollem Wortreichthum die wenigen geschichtlichen
Nachrichten mühsam hervorgesucht werden müssen. Er selbst hatte
Severin und den Schauplatz seiner Wirksamkeit gekannt; in den
letzten Abschnitten bezeichnet er sich ausdrücklich als Augenzeugen,
aber auch nur in diesen, während er sich übrigens auf die häufig
gehörten Erzählungen, zuweilen auf bestimmte Gewährsmänner beruft.
Das Leben Severins finden wir schon bald nach seiner Ent-
stehung bei dem sogenannten Anonymus Valesianus1), im Anfange
des siebenten Jahrhunderts von Isidor erwähnt, im achten von Pau-
lus Diaconus benutzt; um dieselbe Zeit verfafste man zu Neapel
«inen Hymnus, dem dasselbe zu Grunde liegt2). Bald wurde es
*) Nachgewiesen von Glück, Die Bisthümer Noricums, Wiener SB,
XVII, 77.
2) Neapolis gaude redimita festis, Plaude caelestem retinens patronum
etc. Ozanam, Documents inedits, p. 241. ^^' \\*x
Wattenbach, Geschichtsquellen. I. 6. Aufl.
50 I- Vorzeit. § 2. S. Severin.
dann auch an dem Schauplatz seiner Wirksamkeit bekannt, denn
schon im Jahre 903 erwarb die Passauer Kirche eine Handschrift
desselben von dem Landbischof Madalwin 1). Eigenthümlich sind die
Wirkungen, welche hier von diesem Werk ausgingen. Man las darin
von der grofsen alten Stadt Faviana, die man nirgends fand, und
da man nun bei Wien alte Römersteine aufgrub, so zweifelte man
nicht daran, dafs hier einst Faviana gelegen habe; Otto von Freising
und Herzog Heinrich von Oesterreich nahmen diese Meinung an, und
sie hat sich bis auf die neusten Zeiten behauptet, bis endlich Blum-
berger sie siegreich widerlegte2).
Yiel schlimmere Folgen hatte es, dafs man in Passau nun er-
fuhr, Lorch habe einst Bischöfe gehabt, lange bevor Salzburg den
Krummstab führte. Es lag nahe, sich als Erben der benachbarten
Stadt zu betrachten, welche jetzt zum Passauer Sprengel gehörte;
aber der einmal angefachte Ehrgeiz strebte immer weiter; um dem
Vorrang des jüngeren Salzburg nachdrücklicher entgegentreten zu
können, wurde ein Erzbisthum Lorch erdacht und bald zu fabelhaf-
ter Gröfse ausgedehnt; neu angefertigte Legenden von St. Quirin und
Maximilian mufsten die Beweise dazu hergeben, untergeschobene
Urkunden das Vorgeben unterstützen, und mit Hülfe dieser Waffen
setzte Passau wirklich bei dem in geschichtlicher Kritik wenig er-
fahrenen Stuhle Petri seine Ansprüche durch, und wufste sich seit
dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts der rechtmäfsigen Salzburger
Metropolitangewalt zu entziehen. Viel gröfser aber, oder doch für
uns bedeutender, ist das Unheil, welches diese Fälschungen in der
Geschichtsforschung angerichtet haben; noch Rettbergs Werk trägt
bedeutende Spuren davon, und es wird noch eine gute Weile dauern,
bis es gelingt, diesen häfslichen Spuk gänzlich aus der Geschichte
zu verbannen. Aufgedeckt aber ist die ganze Sache jetzt, und mit
ebenso unermüdlichem Fleifse wie besonnenem Scharfsinn nachge-
wiesen in E. Dümmlers Werk über Piligrim von Passau und das
1) Mon. Boica XXVIII, 2, 201.
2) Archiv der W. A. III, 355 (1849, vor der Ausgabe von Böckings
Commentar). Vgl. Böcking, Notitia Dign. Occ. p. 747—750. Glück, die
Bisthümer Noricums S. 76. Aschbach: Ueber die römischen Militärstatio-
nen im Ufer-Noricum zwischen Lauriacum und Vindobona, nebst einer Un-
tersuchung über die Lage der norischen Stadt Faviana, SB. XXXV, 3 — 32
für Traismauer, Tauschinski SB. XXXVIII, 31 — 46 wieder für die Identität
mit Wien, ohne erhebliche Gründe. Kenner in d. Blättern d. Vereins f.
Landesk. v. N. Oesterr. N. F. XVI (1882) S. 3—53, für Mautern. In Seve-
rins Zeit brauchte man den Abi. Favianis, in der Notitia Dign. Occ. p. 100
(ed. Seeck p. 198) steht Fafianae (Genetiv). S. Corpus ISS. Latt. III, 2, 687
und passim zur Erklärung der Ortsnamen.
Leben Severins. Nachwirkungen. 51
Erzbistimm Lorch1). Nachdem dann die Fälschung wohl zugegeben,
aber verschiedene Versuche gemacht waren, Piligrim von dem auf
ihm lastenden Verdachte zu befreien, hat neuerdings Karl Uhlirz
alle betreffenden Urkunden einer genauen Kritik unterzogen und ist
zu dem Ergebnifs gelangt, dafs als Fälscher sich ein Beamter aus der
Kanzlei Ottos II nachweisen läfst, welcher von Piligrim gewonnen
sein mufs.
Severins Leben ist der letzte Sonnenblick vor einer Zeit der
äufsersten Finsternifs, wie der Abendstrahl durch die Grotte des
Posilipp. Erst viel später, und von der andern Seite, von Gallien
aus werden wir Deutschland wieder erreichen können. Von dort
wurde ihm aufs neue die litterarische Cultur gebracht, vermittelt
durch diejenigen Stämme des deutschen Volkes, welche auf römi-
schem Boden sich niedergelassen hatten, und hier die Schüler ihrer
Feinde geworden waren. Die Geschichtschreibung, welche sich im
römischen Reiche während der letzten Jahrhunderte entwickelte,
bildet die Grundlage der mittelalterlichen, welche mit ihr im un-
mittelbaren Zusammenhange steht, und es ist deshalb nothwendig,
dafs wir sie auch hier etwas ausführlicher ins Auge fassen, da sonst
die Entwickelung der deutschen Historiographie nicht verständlich
sein würde.
§ 3. Die Anfänge und Gattungen der christlichen
Geschichtschreibung.
Baehr, Geschichte der römischen Litteratur. Supplementland. Die christlich -römische
Litteratur. I. Abtheilung. Die christlichen Dichter und Geschichtschreiber. 1836. In
der zweiten Ausgabe 1872 als vierter Band bezeichnet. Teuffei, Gesch. d. röm Litt.
5. Aufl. 1890. Adolf Ebert, Allg. Gesch. d. Litt, des M. A. im Abendlande. I. Gesch.
d. christl. lat. Litt, von ihren Anfängen bis zum Zeitalter Karls d. Grofsen. 2. A. 1890.
Das Mittelalter ist durch keine bestimmte Grenzlinie vom Alter-
thum geschieden; lange Zeit laufen beide gewissermafsen parallel
nebeneinander her. Das unterscheidende Element ist das Christen-
thum, welches das antike Wesen zersetzt, und theils vernichtet,
theils umformt; dann das Eintreten ganz neuer Völker in die Ge-
schichte, welche nach und nach den Schwerpunkt ihrer Entwickelung
zu sich hinüberziehen. Die classisch- heidnische Litteratur gehört
einem anderen Gebiete an, und liegt unserer Aufgabe fern; allmäh-
lich erstarb in ihr das Leben, und auch die Geschichtschreibung
*) Leipzig 1854. Ueber die weitere Litteratur K. Uhlirz : Die Urkun-
denfälschung zu Passau im 10. Jahrh. Mitth. d. Wiener Inst. III, 177—228.
4*
52 I« Vorzeit. § 3. Anfänge und Gattungen.
beschränkte sich immer mehr auf Auszüge aus den älteren Werken.
Hieran konnte sich natürlich keine weitere Entwicklung anknüpfen.
Den vorhandenen Stoff, wie ihn besonders Eutropius zubereitet hatte,
fafste zuletzt noch einmal Paulus Diaconus in seiner römischen
Geschichte zusammen, und machte ihn durch Verschmelzung mit
der Kirchengeschichte für seine Zeit brauchbarer. So ging er in
das Mittelalter hinüber, und bildete hier die Grundlage aller Kennt-
nifs der römischen Welt. Aber ungeachtet der christlichen Zusätze
und Fortsetzungen blieb doch dieses Werk nur eine todte Masse;
die lebendige neue Entwickelung schlofs sich an die christliche Ge-
schichtschreibung, welche sich für die veränderte Auffassung und
andere Bedürfnisse auch neue Formen erschuf.
Die römische Weltgeschichte konnte den Christen unmöglich
genügen, die eigene Geschichte der römischen Republik sie nur
wenig anziehen. Ihnen war das Wesentliche in der Weitgeschichte
die Geschichte des Reiches Gottes, der Mittelpunkt lag ihnen in
der jüdischen Geschichte, und davon meldeten die Werke der Römer
nichts. Daher fand auch des Königs Desiderius Tochter Adelperga
den Eutrop, welchen Paulus Diaconus ihr zu lesen gegeben, so un-
genügend, und einige Zusätze konnten hier nichts helfen; es mufste
eine ganz neue Weltgeschichte aufgestellt werden, die mit dem ver-
änderten Standpunkte im Einklang war, die namentlich auch das
hohe Alter der jüdischen Cultur, die spätere Entstehung der heid-
nischen Staaten nachwies. Um dieses möglich zu machen, kam es
vor allem darauf an, das chronologische Verhältnifs der heiligen
und profanen Geschichte zu bestimmen, um dann eine Verschmel-
zung der beiderseitigen Nachrichten vornehmen zu können. Diese
Aufgabe löste, nach dem Vorgange des Sextus Julius Africanus,
welcher zuerst den Versuch machte, chronologisch das gesammte
Alterthum mit der Bibel zu vereinigen1), Eusebius (264 — 340);
seine zwei Bücher Allgemeiner Geschichte enthielten zuerst in dar-
stellender Form die Chronographie, dann tabellarisch den synchro-
nistischen Kanon bis 325. Auf diesem grofsen Werke beruhen alle
späteren Weltchroniken, der Byzantiner sowohl wie des Abendlandes,
während zugleich aus seiner Kirchengeschichte das Mittelalter alle
seine Kenntnifs von den Anfängen der christlichen Kirche schöpfte.
Dieses letzere Werk hatte für die Lateiner Rufinus bearbeitet und
]) Dr. Conr. Trieber, Die Chronologie des Julius Africanus, 1879; vgl.
Gott. Nachr. 1880, Nr. 1. H. Geizer, S. Jul. Afr. u. die Byzant. Chronologie,
Leipz. 1880.
Eusebius und Hieronymus. 53
fortgesetzt, die Chronik aber Hieronymus, welcher sie zugleich
bis 378 fortsetzte1).
Diese Chronik des Hieronymus finden wir vollständig oder im
Auszug an der Spitze aller umfassenden Chroniken des Mittelalters;
sie war ihre Grundlage und ihr Vorbild, und dadurch war die knappe
Form der annalistischen Aufzeichnung gegeben. Darstellende Werke
aller Art hatten daneben freien Raum, aber um eine übersichtliche
Anschauung von dem chronologischen Zusammenhange der Welt-
begebenheiten zu erhalten, war diese Form unstreitig die angemes-
senste, wie man ja auch heut zu Tage der Tabellen zu diesem
Zwecke nicht entbehren kann. Sehr dürftig und ungenügend freilich
erscheint uns diese Form, wo sie fast allein und ausschliefslich zur
Ueberlieferung der geschichtlichen Ereignisse verwandt wird, oder
doch anderes uns nicht erhalten ist, wie dies in den nächsten Jahr-
hunderten nach Hieronymus der Fall war. Diese ersten mageren
Fortsetzungen seiner Chronik sind für uns ihres Inhalts wegen
wichtig; der Geschichtschreiber der auf römischem Boden angesie-
delten deutschen Stämme ist grofsentheils auf diese dürftigen Quellen
angewiesen, für die Entwickelung der Historiographie in Deutschland
aber haben sie nur insofern Bedeutung, als durch ihre Vermittelung
die unmittelbare Anknüpfung der späteren Chronisten an den Hiero-
nymus möglich wurde2).
Bemerkenswerth ist aber bei diesen Chronisten der allen ge-
meinsame römische Standpunkt, das ängstliche Festhalten am rö-
mischen Reich. Uns erscheint gegenwärtig der Gedanke, dafs in
den neuen Bildungen, den romanischen Staaten, der fruchtbare Keim
einer neuen Zukunft enthalten war, als natürlich und naheliegend;
damals aber fiel weit mehr die Zerstörung des alten Reiches ins
Auge; man sah und beklagte überall nur den Verfall, und wer die
Weltgeschichte zu betrachten versuchte, sah fortwährend nur in
dem römischen Weltreich den Träger derselben. Boten doch die
Jahre seiner Kaiser und seine Consulate die einzige vorhandene Zeit-
rechnung, denn weder die von Eusebius eingeführte Rechnung nach
Jahren Abrahams noch auch die Jahre von Erbauung der Stadt Rom
») Opera S. Hier. ed. Vallars, Tom. VIII. Baehr S. 189 — 197. Vgl.
Bernays, Scaliger S. 92, 217. Neue kritische Ausgabe von Alfred Schoene
in: Eusebi chronicorum canonum quae supersunt. Vol. II. Berl. 1866.
Nachträge in Vol. I. (1875) Eusebi chronicorum libri duo. Vgl. Mommsen,
Die älteste Hs. der Chronik des Hieronymus, Hermes XXIV. Facs. ders.
Palaeogr. Soc. II, 129. 130.
2) Die neue Ausgabe dieser ältesten Annalisten für die MG. ist jetzt
von Th. Mommsen, Auctt. antt. IX. zu erwarten.
54 I- Vorzeit. § 3. Anfänge und Gattungen.
erscheinen im Westreich je im praktischen Gebrauch, und Justinians
Siege stellten noch einmal die Fortdauer aller der neu entstandenen
Reiche in Frage. Mochte aber auch das abendländische Römerreich
in Trümmer fallen, das morgenländische keinen Schatten von Macht
über den Westen besitzen, für die Chronisten ist und bleibt es das
Weltreich, der Faden, der sie leitet. Die in das Reich eindringen-
den deutschen Stämme sind und bleiben Barbaren, wenn auch der
Schreibende, welcher jedoch immer der Kirche angehört, selber ihr
Landsmann ist. Diese Auffassung beschränkt sich nicht auf diese
Zeit, sie bleibt herrschend durch das ganze Mittelalter, denn sie war
bedingt durch die seit Hieronymus allgemein angenommene Erklä-
rung von dem Traume des Nebukadnezar, bei dem Propheten Daniel,
nach welchem das römische Reich, das eiserne, welches die früheren
zermalmt, bleiben soll bis zum Eintritt des himmlischen Reiches1).
Die Fortdauer desselben war daher aufser aller Frage. Demgemäfs
behandeln auch die späteren Weltchroniken die deutsche Geschichte
niemals als etwas neues, selbständiges, sondern nur als eine Fort-
führung des römischen Reiches: sie führen nach dem Untergange
des westlichen Reiches die byzantinischen Kaiser fort bis auf Karl
den Grofsen und bewahren so seine scheinbare Continuität, wenn sie
auch dazwischen die Yolksgeschichten episodisch in ihr grofses Fach-
werk einschalten, wie Ekkehard.
Neben der grofsen Chronik des Hieronymus gab es nun aber
auch noch eine andere, sehr dürftige und compendiarische, welche
nur einige Anhaltpunkte zur chronologischen Orientirung gewährte.
Sie läfst sich zurückführen auf ein älteres griechisches Werk des
Hippolyt von Porto, das bis 235 reichte, ein Werk, welches auch
dem Liber Generationis des sogenannten Fredegar zu Grunde liegt.
Ueberarbeitet und bis 334 fortgesetzt, bildet es einen Theil jenes
merkwürdigen römischen Staatskalenders, den Th. Mommsen
in seiner Abhandlung über den Chronographus von 354 ausführlich
behandelt hat2). Er hat nachgewiesen, dafs dieser Kalender mit
den nöthigen Veränderungen von Zeit zu Zeit neu herausgegeben
wurde; doch war er viel zu kostbar, als dafs sich, wer ihn einmal
besafs, immer ein neues Exemplar davon angeschafft hätte, und da
x) Dan. c. 2. Vgl. Otto Fris. II, 13. Büdinger in der Hist. Zeitschrift
VII, 113.
2) Abhandlungen der Kgl. Sachs. Ges. der Wissenschaften in Leipzig. I.
1850. S. 547—668. Neue Ausg. des Textes Auctt. antt. IX, 13—196. Ein
mit jener Arbeit verwandter, von Pallmann zuerst herausgegebener, ganz
kurzer Abrifs der Weltgeschichte bis 452 Auctt. antt. IX, 149—153. Vgl.
auch C. Frick im Rh. Mus. f. Philol. XL VI, 106 ff.
Römischer Staatskalender. 55
die ganze Einrichtung des Werkes zur Eintragung geschichtlicher
Ereignisse eine sehr passende Gelegenheit darbot, so ist seine Form
nicht ohne Einflufs auf die Gestaltung der verschiedenen Gattungen
geschichtlicher Aufzeichnungen geblieben. Sein Inhalt bestand näm-
lich aus folgenden Stücken, welche die noch erhaltene Abschrift eines
Exemplars vom Jahre 354 uns kennen lehrt:
1. Der eigentliche Kalender mit Bildern, die noch völlig in heid-
nisch-antiker Weise gezeichnet sind. Der Kalender selbst
ist nicht mehr heidnisch, aber doch auch noch nicht christlich.
Die öffentlichen Spiele, die Senatstage u. a. sind darin ver-
zeichnet und die Geburtstage der Cäsaren auch noch abgeson-
dert auf einem verzierten Blatt vorangestellt1).
2. Consularfasten bis zum Jahre 354.
3. Ostertafeln auf 100 Jahre von 312 an.
4. Ein Verzeichnifs der Stadtpräfecten von 258 bis 354.
5. Die Todestage (Depositiones) der römischen Bischöfe
und der Märtyrer2).
6. Ein Pabstkatalog bis auf Liberius.
7. Die oben erwähnte Weltchronik bis 334, verbunden mit
einer Stadtchronik von Rom und der Regionenbe-
schreibung3).
In diesen Stücken läfst sich mehr als ein Keim erkennen, der
später zu weiterer Entwickelung gelangt ist. Während aus dem
letzten Theile jene so zahlreichen, immer neu aufgelegten Beschrei-
bungen von Rom entstanden, hauptsächlich zum Wegweiser für die
Pilger bestimmt, forderten die Consularfasten, sowie die Oster-
tafeln von selbst dazu auf, bedeutende Begebenheiten bei den be-
treffenden Namen und Zahlen einzutragen, wie es z. B. Cassiodor
gethan hat, und in vollständigerer Weise Prosper. Ein solches
Werk ist auch den späteren Exemplaren jenes Kalenders eingefügt;
Fasten, die anfangs nur sehr vereinzelte Bemerkungen enthalten,
für das fünfte Jahrhundert aber reichhaltiger, und wegen der genauen
chronologischen Bezeichnung wichtig werden, ohne Zweifel, abge-
sehen von dem früheren Theil , in Ravenna geschrieben4). Und
J) Ausg. v. Mommsen, CIL. I, 332—360.
2) Nach De Rossi, La Roma sotterranea I, 116 eigentlich ein Fest-
kalender, feriale, und deshalb nicht vollständig.
3) S. darüber und über die im 12. Jahrh. daraus erwachsenen Mira-
bilia Roinae, H. Jordan, Topographie der Stadt Rom im Alterthum II, 1871.
Dess. Forma urbis Romae regionum XIII. 1875.
4) Früher als Anonymus oder Chronicon Cuspiniani bekannt, zuletzt
gedr. bei Mommsen a. a. 0. S. 656—668, Auctt. antt. IX, 263 ff. als Fasti
Vindobonenses, mit d. Anon. Vales. u. a. herausgegeben als Consularia Italica.
56 !• Vorzeit. § 3. Anfänge und Gattungen.
zwar haben sie einen durchaus offiziellen Charakter; es sind bedeu-
tende Vorfälle in Betreff der kaiserlichen Familie, mit denen sie
sich beschäftigen, dazu wichtige staatliche Begebenheiten und Natur-
erscheinungen, mit ausschliefslicher Beschränkung auf Italien. Mit
den Consullisten wurden sie von Zeit zu Zeit neu ausgegeben.
Durch sehr sorgfältige und eingehende Untersuchungen von Pall-
mann, Waitz, G. Kaufmann, Holder-Egger ist die Benutzung dieser
Annalen bei immer zahlreicheren Schriftstellern nachgewiesen, so dafs
Holder-Egger sogar den Versuch machen konnte, dieselben von
379 bis 572 wieder herzustellen. Seine Untersuchung ist so er-
schöpfend, dafs ich mich darauf beschränken kann, auf dieselbe zu
verweisen1). Nach dem Ergebnifs derselben (S. 344) sind diese
Fasti consulares für uns für volle zwei Jahrhunderte in chrono-
logischer Beziehung eine Quelle vom höchsten Werthe. „Sie haben
ganz aufserordentliche Verbreitung gefunden: fast alle weströmischen
und ein oströmischer2) Chronist des fünften und sechsten Jahrhunderts
haben sie benutzt, sie theilweise zur chronologischen Grundlage
ihrer Werke gemacht. Zuletzt sind sie noch im neunten Jahrhundert
von Theophanes, Agnellus und einem Mönch von St. Gallen benutzt.
Sie müssen mehrmals redigiert und jedes Mal mit neuer Fortsetzung
herausgegeben sein. Die erste Redaction fällt vor das Jahr 445,
in welchem Prosper sie bereits für die erste Ausgabe seiner Chronik
benutzt hat; dieselbe Redaction wird auch dem Chronicon imperiale
vorgelegen haben. Eine zweite schlofs, wie wir mit ziemlicher
Sicherheit sagen können, mit dem Jahre 493; sie ist von Cassiodor
und Marcellin benutzt. Die meisten Chronisten schöpften aus einer
Vorlage, welche über dieses Jahr noch hinausreichte, so der Anony-
mus Valesianus3), Marius, der langobardische Chronist (Cont. Pros-
*) Die Ravennater Annalen, NA. I, 215—368. Eine Berichtigung von
Usener in dem Anecdoton Holden, 1878. Benutzung bei Beda nach L.
Schmidt, NA. IX, 197, verworfen v. Mommsen a. a, 0. S. 253.
2) Marcellinus Comes, s. über diesen Holder-Egger, NA. II, 49
bis 109. Sein Werk reicht im Anschlufs an Hieronymus von 379 bis 518
und ist von ihm selbst bis 534, weiter bis 548 fortgesetzt. Die weitere
Forts. 549 — 566 in den Ausgaben ist aus Herrn. Contr. entlehnt, wie Waitz,
Gott. Nachr. 1857 S. 38 nachgewiesen hat. Jordanis hat nach Mommsen,
Praef. Jord. p. XXIX. XXXIX, das Werk in ausführlicherer Fassung oder
(auch schon Cassiodor) die darin excerpirte Grundlage benutzt.
3) Anonymus Valesianus, zuerst von H. Valois mit Ammianus
Marcellinus herausgegebene Hauptquelle für Odovacar und Theodorich.
Neue Ausgabe mit Benutzung der wiedergefundenen Hs. hinter Amm. Marc,
ed. V. Gardthausen, Lips. 1875; Mommsen a. a. 0. S. 314 ff. Uebers. v.
D. Coste bei Procops Gothenkrieg. Vgl. C. Frick über d. cod. Pal. 927
in d. Comm. Wölflin. (N. A. XVI, 642). Nach Holder-Egger im NA. I,
316 — 324 schrieb er in Ravenna und benutzte die verlorene Chronik des
ConsularfasteD. 57
peri Havniensis), wahrscheinlich auch der Verfasser der Continuatio
und des Auctarium Prosperi1) in der vaticanischen Handschrift . . .
Wie weit deren Exemplare reichten, läfst sich nicht bestimmen;
doch ist einiger Grund zu der Annahme vorhanden, dafs im Jahre
526 eine neue Redaction abgeschlossen ist. Wahrscheinlich ist
dann noch eine neue Fortsetzung etwa bis zum Jahre 572 in Ra-
venna hinzugefügt; diese letztere hätte dann Agnellus, möglicher
Weise auch der Mönch von St. Gallen2) benutzt."
Leicht möglich ist es, dafs Holder-Egger in seinen Folgerungen
zu weit gegangen ist. G. Kaufmann hat dieselben angegriffen3); er
bestreitet die Ableitung mancher Nachrichten aus dieser Quelle,
beschränkt die Ravennater Fasten auf die Zeit von 455 bis 493,
und bestreitet ihren amtlichen Charakter. Das Gewicht seiner Gründe
ist nicht zu verkennen; ohne Zweifel hat es damals noch vielerlei
Aufzeichnungen gegeben, welche sich meistens an Consullisten an-
geschlossen haben werden. Doch von allen unterscheiden sich die
Ravennater durch ihre knappe Auswahl und Fassung, und durch
die genauen Tagesdaten4).
Auch von einer zweiten Consulliste mit stadtrömischen Nach-
richten lassen sich Spuren nachweisen. Ein Exemplar der raven-
natischen aber bis etwa 456 ist nach Holder-Eggers Vermuthung
nach Arles gekommen, dort überarbeitet, mit gallischen Nachrichten
verbunden und fortgesetzt worden. Diese so neu entstandenen
Annalen sind von Gregor von Tours und dem sogenannten Severus
Sulpitius5) benutzt.
Die ursprünglich in Italien zusammengestellten und fortgesetzten
Fasten kamen unter Constantin auch nach Constantinopel und wurden
Bischofs Maximian (546—556); SS. Langob. p. 273 stimmt H. E. der An-
sicht bei, der Anon. sei ein Fragment der Chronik Maximians.
*) Nach Br. Krusch in NA. IX, 103 nur eine Copie des Ostercyclus
des Victurius mit einigen hist. Zusätzen ; die doppelten Osterdaten hat
Holder-Egger irrthümlich f. hist. Daten gehalten.
2) Excerptum ex Chronica Horosü, mit gleichzeitiger Notiz über das
Erdbeben vom April 849, gedr. e. cod. S. Galli 878 von De Rossi, Bullet-
tino di Archeologia crist. 1867 S. 17 — 23. Wiederholt von G. Kaufmann,
Die Ravenn. Fasten, S. 484. Auctt. antt. IX, 264.
3) Die Fasten von Constantinopel u. Ravenna, Philologus XLII, 471
bis 510.
4) Mommsen, Praef. Jord. p. XXXIX sagt von den 'Consularia Ra-
vennatia' : 'tota imbuta spiritu regni Theodericiani, sive ea publico consilio
edita sunt, sive, quod prudentiores praeferent, a laudatore aliquo status
praesentis1. Auch in der neuen Ausg. verhält er sich dagegen ablehnend.
5) Holder-Egger: Ueber die Weltchronik des sog. Severus Sulpi-
tius und südgallische Annalen des 5. Jahrhunderts. Gott. 1875. Neue Ausg.
v. Mommsen, Auctt. antt. IX, p. 98 ss. als „Chronica ad annum 511".
58 I- Vorzeit. § 3. Anfänge und Gattungen.
hier fortgeführt; ein Exemplar, welches bis zum Tode Theodosius I.
reichte, kam nach Spanien und ist uns, jedoch nur im Auszuge, von
Hydatius mit seiner Fortsetzung und in engster Verbindung mit
seiner Chronik bis 468 erhalten. Reichlichere Auszüge aus dem
ursprünglichen und in Constantinopel fortgeführten Werk sind im
Chronicon paschale bis 630 enthalten. Aus beiden hat Mommsen die
Consularia Constantinopolitana (bis 468) zusammengestellt1).
In gleicher Weise, wie diese Consultafeln zu einem chronolo-
gischen Anhalt für geschichtliche Notizen dienten, benutzte man
auch die Folge der Kaiser, indem man entweder nur mit jedem
Namen kurze Bemerkungen verband, oder auch die Regierungsjahre
der Kaiser einzeln unterschied2). Weit zweckmässiger für kurze
annalistische Aufzeichnungen waren aber nach dem Aufhören der
Consularfasten die Ostertafeln, welche sich ebenfalls in jenem Ka-
lender fanden und auch ohne denselben bald in jeder bedeuten-
deren Kirche vorhanden waren. Im Abendlande fand nach manchen
Versuchen, unter denen die Ostertafel des Aquitaniers Victurius eine
gewisse Rolle spielt, besonders der von Dionysius Exiguus angenom-
mene Kanon des Alexandrinischen Bischofs Cyrillus eine grofse Ver-
breitung, welche noch zunahm, als Beda die Tafeln desselben über
die Cyklen von 1 — 532 und von da bis 1063 in sein Werk De ra-
tione temporum aufnahm3).
Doch hat es längere Zeit gedauert, bis man von der einmal
herkömmlichen Rechnung nach Consulaten und Jahren der Kaiser
abging; in England zuerst, wo man aufserhalb des römischen Her-
kommens stand, sind Ostertafeln zu diesem Zweck benutzt, und von
dort durch die Vermittelung der irischen und englischen Missionare
nach Gallien und Deutschland gekommen4).
Schon 354 hatte auch der römische Staatskalender ein Ver-
zeichnifs der römischen Päbste aufgenommen, welches seiner
*) MG. Auctt. antt. XIX, 197—247.
2) S. hierüber Bethraann im Archiv X, 387 und über die Ostertafeln
S. 279; vgl. V, 102 und Piper, Karls des Grofsen Kalendarium und Oster-
tafeln, Berlin 1858, S. 100 ff. — Die Echtheit der Briefe von Victurius und
Pabst Hilarus vor dem Canon paschalis hat Br. Krusch erwiesen, NA. IV.
169-172.
3) S. darüber Br. Krusch: Die Einführung des griech. Paschalritus
im Abendlande, NA. IX, 169—172, vgl. 658. — Consulliste des Victurius
mit Forts, ib. S. 269-281.
4) Es kann ja auch einmal in Italien geschehen sein, vgl. NA. I, 283,
aber die hier früher nach Bethmann im Arch. X, 820 angeführte Handschrift
aus Sant Andrea della Valle enthält keine Annalen. Es ist Christ. 2077,
gedr. Roncall. I, 721; vgl. Mommsen im Hermes I, 130 u. das Facs. bei
Zangemeister u. Wattenbach, Exempla codicum Latinorum Tab. IV. NA. I, 29.
Pontificale Romanum. 59
Anlage nach um 230 entstanden ist. Dieses wurde in der Folge
nicht allein immer weiter fortgesetzt, sondern auch durch allerlei
Zusätze vermehrt. Man fügte die Amtsdauer der Päbste hinzu,
ihre Bauten und andere Verdienste um die kirchliche Verwaltung,
die von ihnen vorgenommenen "Weihen , endlich auch geschichtliche
Vorfälle, und so entstand das Pontificale Romanum, welches gewöhn-
lich nach dem päbstlichen Bibliothekar Anastasius benannt wird.
Doch zeigen weit ältere Handschriften, dafs schon im siebenten
Jahrhundert der Anfang des Werkes vorhanden war1), und auch
Beda und Paulus Diaconus haben diese Aufzeichnungen bereits be-
nutzen können. Eine übersichtliche Darstellung der Entstehung
dieses Werkes und seiner Fortsetzungen hat Giesebrecht gegeben in
der Allgemeinen Monatsschrift für 1852, April. Wie in Rom, so ent-
standen ähnliche Aufzeichnungen auch an anderen Bischofsitzen und
in manchen Klöstern, und daraus erwuchsen später die ausführlichen
Geschichten der Bisthümer und Klöster, welche in der geschicht-
lichen Litteratur des Mittelalters eine so bedeutende Stelle ein-
nehmen.
Endlich aber enthält auch der Abschnitt des Kalenders, in wel-
chem die Todestage der Märtyrer und Päbste verzeichnet sind, den
Anfang eines ganz eigenthümlichen Zweiges der Litteratur, nämlich
der Martyrologien, in welchen die dort verzeichneten Namen sich
immer als die ersten wiederfinden, und gewissermafsen den Kern
der immer mehr anwachsenden Verzeichnisse bilden, welche zu dem
blofsen Namen bald auch Nachrichten über Leiden und Leben der
]) S. Pertz im Archiv V, 70—74; De Rossi, La Roma sott. I, 122.
Ueber den ältesten Theil des Werkes Janus S. 139 ff. mit Beziehung auf
die sorgfältige Analyse des ganzen Werkes bei Piper, Einl. in die monu-
mentale Theologie (Gotha 1867) S. 315 — 349, der auch bereits die Be-
nutzung durch Beda nachgewiesen und die Wichtigkeit dieses Verhältnisses
für die Kritik hervorgehoben hat, vgl. S. 198. 202 Anm. 12. — Ganz neue
Ansichten über diesen ältesten Theil, seine Entstehung und das Verhältnifs
der Handschriften entwickelt der Abbe L. Duchesne: Etüde sur le Liber
pontificalis, Paris 1877 (Bibl. des ecoles FranQ. dAthenes et de Rome, I).
Ihm entgegnete Waitz, NA. IV, 215 — 237: Ueber die verschiedenen Texte
des Liber pontificalis. Ders. V, 229 überLipsius: Neue Studien zur Pabst-
chronologie; VIII, 405 über eine neue Schrift von Duchesne; IX, 457 — 472
über den sog. Catal. Cononianus; X, 453 — 465 über die ital. Hss.; über
den Catal. Felicianus XI, 217—229. Vgl. auch Krusch, XII, 236. Jetzt ist
von der Ausgabe von Duchesne Bd. I. 1886 erschienen, während Waitz
dazu nicht mehr gekommen ist. Rec. v. Grisar, Zts. f. Kath. Theol. 1887
S. 417 — 446. — Ein merkw. Elogium Liberii papae (-J- 366) hat De Rossi
herausgegeben, Bullettino di Archeologia crist. 1883. Prof. Funk im Hist.
Jahrb. V, 424 — 436, XII, 757 ff., bezieht es jedoch auf Martin I (f 655),
Friederich, Münch. SB. 1891 S. 87 — 127 auf Joh. I, De Rossi wieder f.
Liberius im Ball. 1891.
(30 I- Vorzeit. § 3. Anfänge und Gattungen.
Märtyrer und Bekenner hinzufügen. Wir sahen schon, wie lehrreich
diese Martyrologien in Rettbergs Händen für die Entstehungsge-
schichte der kirchlichen Sage geworden sind; denn da die Zeit der
Verfasser bekannt -ist, so läfst sich darin die allmähliche Erwei-
terung der Legenden urkundlich nachweisen1). Die ältesten tragen
den Namen des Hieronymus2), obwohl mit Unrecht; besonders ge-
schätzt ist das Martyrologium Gellonense3). Die gröfste Verbreitung
fand, wie alle Schriften Beda's, auch dessen Martyrologium, das
wir jedoch nicht in seiner ursprünglichen Gestalt besitzen, sondern
nur mit den Zusätzen des Florus, eines Subdiaconus zu Lyon im
neunten Jahrhundert4). So kam also auch dieser Zweig der Litteratur
über England nach Gallien; hier wurde er im neunten Jahrhundert
mit besonderer Vorliebe behandelt, und aus der mündlich sich fort-
bildenden Tradition kamen bei jeder neuen Ausgabe stets auch neue
Zusätze hinzu. Ein Reichenauer, welches zwischen 837 und 842
entstanden ist, gab A. Holder kürzlich heraus5). Eine metrische
Bearbeitung verfafste um 850 Wandalbert, Mönch zu Prüm6),
andere in Prosa Hraban7) zwischen 842 und 854, Ado von Vienne8)
(859 — 874) und auf Befehl Karls des Kahlen Husward9) (Usuardus)
im Jahre 875; am Ende des Jahrhunderts schrieben Notker der
Stammler (896) auf der Basis des von Ado 870 den Mönchen von
J) Ausführlicheres darüber mit dem Nachweis der Ausgaben bei
Rettberg I, 76. Vgl.» Potthast S. 436. Das Hauptwerk ist die Abhandlung
von J. B. Sollerius vor der Ausg. des Martyrol. Usuardi, Acta SS. Jun. VI.
Vgl. auch die oben S. 41 angef. Schrift v. Fr. Stolle.
2) Mart. Hieron. ed. Fiorentini, Lucae 1668. Als vorzüglichste Hand-
schrift rühmt De Rossi die Berner, Roma sotterranea IL p. XII ss. Nach
dieser ist es jetzt herausgegeben, Acta SS. Oct. XIII.
3) D'Achery Spicil. ed. II. II, 27. Geschrieben ist es um 804. Sickel
in d. Wiener SB. XXXVIII, 161 macht auf das noch nicht benutzte Marty-
rologium aus derselben Zeit im Wiener Cod. 387 aus Salzburg aufmerksam.
4) In den Werken des Beda und Acta SS. Mart. II. Ueber ein ihm
zugeschriebenes kurzes Mart. in Hexametern (ed. Giles I, 50 — 53) vgl.
Dümmler, NA. IV, 516.
5) Rom. Quartalschrift III, 204—251.
6) Erste krit. Ausgabe von Dümmler. Poetae Lat. aevi Carolini IIr
569-603.
7) Canis. II, 2, 313. Vgl. E. Dümmler, das Martyrol. Notkers u. seine
Verwandten (Forsch. XXV) S. 197 — 200, mit Ergänzung des Textes.
8) Herausgeg. von Surius im Anhang der Vitae probb. SS., dann von
Heribert van Roswey mit dem Martyrologium Romanum. Ueber das vor-
hergehende, von Ado in Ravenna abgeschriebene, Romano piccolo s. De Rossi,
La Roma sott. I, 125. Vgl. Dümmler a. a. 0. S. 200.
9) Ed. Sollerius, Acta SS. Jun. VI und VII. A. Longnon, Notice sur
le plus ancien obituaire de l'abbaye de St. Germain- des -pres (Not. et
Doc. publ. p. 1. Sog. de l'hist. de France p. 19) hält diese Hs. für sein
Autograph.
Martyrologien und Legenden. Q\
St. Gallen geschenkten Exemplars seines Martyrologium1), und in
Versen Erchempert, der Mönch von Montecassino2); noch im
elften Jahrhundert verfafste Hermann von Reichenau ein Mar-
tyrologium3). Damit war nun aber auch dem Verlangen nach Mar-
tyrologien völlig genügt; man fragte nicht mehr so viel nach diesen
immer noch kurzen und dürftigen Aufzeichnungen, da man bereits
eine sehr grofse Zahl ausführlicher Legenden besafs , theils aus der
Zeit der Merowinger, theils aber auch über eben jene alten Mär-
tyrer, von denen die Martyrologien so wenig zu sagen wufsten. Der
Wunsch danach war zu dringend, besonders in den Klöstern, welche
Reliquien von ihnen besafsen, als dafs nicht eine reiche Auswahl
nachgemachter Legenden hätte entstehen sollen, welche leicht genug
Glauben fanden, oder doch in Ermangelung anderer benutzt wurden,
wie z. ß. die Legende vom Apostel Thomas, deren Unglaubwürdig-
keit wohl bekannt war4). Bald hatte man Legenden für jeden Tag
im Jahr, und eine Sammlung derselben veranstaltete schon im An-
fange des zehnten Jahrhunderts Wolfhard, Mönch zu Herrieden5).
Kleinere, unvollständige Legendarien hatte man schon früher, und
sie finden sich in grofser Zahl in den folgenden Jahrhunderten, bis
sie endlich wiederum verdrängt wurden durch die in zahllosen Ab-
schriften verbreitete Goldene Legende des Jacob von Genua6),
welche dem Gebrauch für das Leben und für die praktische An-
wendung auf der Kanzel am meisten entsprach und in gedrängter
Kürze den ganzen Kreis der Heiligengeschichte auf den Umfang
eines Bandes beschränkte.
Geschichtlich ist Jacobs compendiarische Behandlung der Le-
genden unbrauchbar; die ausführlichen Lebensbeschreibungen der
J) Canis. II, 3, 89. Vgl. Dümmler, St. Gall. Denkmale, S. 252. Scherrer
S. 149 über den cod. 454. Dümmler, Forsch. XXV, 202 ff. Es ist unvoll-
ständig erhalten.
2) NA. IV, 544. VI, 285. Noch ungedruckt. Die nach der Vorr. zur
Bezeichnung seiner Zusätze gesetzten obeli finden sich in der Hs. nicht. — Ein
metr. Martyrologium (Anf. Jure kalendarum) ist aus dem angels. Theil der
Hs. Galba A 18, die K. Aethelstans Psalter gewesen sein soll, herausg. v.
Hampson, Medii Aevi Kalendarium (1841) S. 397—420. Die Hs. ist be-
schrieben in Thompons Catal. of anc. mss. Latin (1884) S. 12, Fase. pl. 28.
3) Darüber, nebst Zusätzen einer späteren Bearbeitung, Dümmler ib.
S. 208—214.
4) Ch. Schmidt, Histoire du Chapitre de Saint-Thomas de Strasbourg,
p. 121. Auch in Handschriften des Thomasklosters zu Vorau fand ich die
Klage über den Mangel an authentischen Nachrichten bei den Legenden
des Heiligen, die man aus Noth benutzte.
5) Anon. Haser. MG. SS. VII, 256. Vgl. Archiv V, 565. X, 645.
6) Jacobi a Voragine Legenda aurea, vulgo Historia Lombardica dieta,
rec. Th. Grässe. Ed. II. Lips. 1850. 8.
62 I- Vorzeit. § 3. Anfänge und Gattungen.
Heiligen aber enthalten für manche Zeiträume die werthvollsten
Nachrichten. Auch diese Aufzeichnungen finden ihre Yorbilder
schon in den früheren Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit. Die
christlichen Gemeinden theilten sich unter einander die Todestage
der Märtyrer mit nebst den Umständen ihres Leidens, und solche
Mittheilungen wurden bei ihren Zusammenkünften verlesen. Bald
fing man auch an, das Leben anderer frommer Männer, der Bekenner,
aufzuzeichnen. Cassians vielgelesenes Werk über die Einsiedler der
Thebais, das Leben des Cyprian, Ambrosius, Augustin und ganz
besonders das um 400 von Sulpicius Severus verfafste und durch
ganz Gallien verbreitete Leben des heiligen Martin von Tours1) reg-
ten zu ähnlicher Thätigkeit an2). Benedict von Nursia, der eigent-
liche Begründer des abendländischen Mönchthums, fand einen Bio-
graphen in dem Pabste Gregor dem Grofsen, und dieses Werk fehlte
natürlich in keinem Kloster seines Ordens; nebst den übrigen Bü-
chern der Dialoge bot es der Wundersucht des Mittelalters reiche
Nahrung und reizte zur Nachahmung. Daran also schliefst sich nun
eine überaus reiche Litteratur, und wenn auch vielfach der erbau-
liche Ton so sehr überwiegt, dafs der geschichtliche Werth nur
gering ist, so ist doch keine der wirklich echten gleichzeitigen
Biographien ganz ohne Frucht, und für die Zeiten, wo die Heiligen
zugleich Staatsmänner waren, gehören ihre Lebensbeschreibungen zu
den wichtigsten Quellen der Geschichte. Mit dem dreizehnten Jahr-
hundert aber verlieren sie fast alle Bedeutung.
Ganz vereinzelt erscheint daneben die weltliche Biographie; nur
einige Kaiser haben Lebensbeschreiber gefunden, und wenn Einhard
den Sueton zum Vorbilde nahm, so ist das nur eine Frucht der
durch Karl den Grofsen erneuten Einwirkuug auch der heidnischen
Classiker; eine lebendige Fortentwickelung knüpfte sich nur an die
kirchliche Litteratur.
Zu erwähnen bleibt endlich noch eine Art der Aufzeichnung,
J) Vgl. Reinkens, Martin v. Tours (1866) S. 258—274. Fast unbeach-
tet dagegen und ohne Nachwirkung blieb desselben Sulpicius Chronik bis
403, welche, die jüdische Geschichte mit der profanen verarbeitend, im
Stil sich den Werken des Sallust, Vellejus, Tacitus anschlofs und dem
Geschmack des Mittelalters nicht zusagte; s. die geistreiche Würdigung
dieses Werkes von Jakob Bernays: Ueber die Chronik des Sulpicius Se-
verus, Berlin 1861, 4. u.in d. Sammlung seiner Kl. Schriften. Benutzung in
der V. Heinr. IV sucht Gundlach nachzuweisen, NA. XI, 299—304. Neue
Ausg. von C. Halm: Sulpicii Severi libri qui supersunt, Vindob. 1866. Ebert
S. 327—336.
2) Wie sehr es bis ins 13. Jahrh. als Vorbild diente und ausgenutzt
wurde, zeigt Manitius, NA. XIV, 165—170. XV, 194—196.
Legenden. Necrologien. 63
welche den Martyrologien sehr nahe steht und häufig damit ver-
bunden ist, die Necrologien nämlich, in welchen die Todestage
aller derjenigen verzeichnet wurden, deren Gedächtnifs in der Kirche
oder dem Kloster, dem diese Aufzeichnungen angehörten, gefeiert
werden sollte. Da jeder angesehene Mann sich um seiner Seligkeit
willen eine solche Gedächtnifsfeier zu sichern pflegte, erfahren wir
hierdurch ihre Todestage, deren Kenntnifs für manche Fragen wichtig
werden kann; auch für die verwandtschaftlichen Verhältnisse ist
manches daraus zu entnehmen, und zuweilen sind auch einzelne ge-
schichtliche Begebenheiten anderer Art darin verzeichnet. Zur ge-
schichtlichen Litteratur kann man diese Namensverzeichnisse nicht
rechnen, und ich beschränke mich daher auf diese Erwähnung und
auf ein Verzeichnifs der mir bekannt gewordenen, gedruckten Ne-
crologien, welches im Anhange zu finden ist.
Eine Zeitbestimmung ist nicht hinzugefügt, weil auch in jüngere
Necrologien einzelne ältere Angaben herübergenommen sind, und
ältere durch die fortgesetzten Eintragungen werthvoller zu werden
pflegen. Doch ist es nicht unwichtig, die Zeit der ersten Anlage
zu erkennen; bei dem lobenswerthen Versuche, dahin zu gelangen,
begegnet aber stets wiederholt ein Fehler, vor dem ich deshalb aus-
drücklich warnen möchte. Die Herausgeber glauben nämlich, zu
dieser Bestimmung die Ansetzuug des Osterfestes benutzen zu kön-
nen und lassen sich dabei auch durch den auffallenden Umstand
nicht stören, dafs dieser überall derselbe ist, nämlich der 27. März;
auch nicht dadurch, dafs es ja gar keinen Sinn haben würde, das
zufällige Datum eines einzelnen Jahres einzutragen. Es ist aber
dieser 27. März ein festes Datum, welches man für dasjenige der
wirklichen Auferstehung hielt.
Den vollen Nutzen für geschichtliche Forschung werden diese
Necrologien erst gewähren, wenn sie systematisch gesammelt, durch-
gearbeitet und zusammengestellt sind. Das ist jetzt geleistet von
Baumann für die Sprengel von Augsburg, Constanz und Chur1),
von Herzberg-Fränkel für Salzburg2).
Geschichtlich noch wichtiger sind die Todten-Annalen, in wel-
chen Jahr für Jahr die Todesfälle eingetragen sind. Solche sind
aus Fulda von 779 bis 1065 erhalten3), und an diese sich an-
1) MG. Necrologia Germaniae I. 1888; vgl. NA. VII, 19—41. VIII,
425—447. XIII, 409-429.
2) Vol. II, 1. 1890; vgl. NA. XIII, 269-304.
3) Erste vollständige Ausgabe aus den verschiedenen Hss. von G. Waitz:
Annales necrologici Fufdenses, MG. SS. XIII, 161 — 215.
04 I- Vorzeit. § 4. Anfänge und Gattungen.
schliefsend, aber weit weniger reichhaltig, aus Prüm, von 1039
bis 1104 l), aus St. Blasien von vor 1036 bis 14742).
Verschieden davon sind die Verbrüderungsbücher, in welche
Lebende eingetragen wurden; bei weitern das wichtigste darunter
ist das von Karajan, jetzt aber mit wesentlichen Verbesserungen von
Herzberg-Fränkel herausgegebene von Sanct Peter in Salzburg3);
von einer systematischen Bearbeitung sind die von Sanct Gallen,
Reichenau und Pfävers erschienen4). Sie geben über die Ver-
bindungen der Klöster untereinander Nachricht und sind durch die
Fülle alter Eigennamen für die Sprachforschung von Bedeutung.
Auch von den Rot ein späterer Zeit, durch welche man von den
Todesfällen verbundenen Klöstern Nachricht gab, und welche theils
nur mit Empfangsbescheinigung, theils sogar mit längeren Gedichten
versehen wurden, hat sich namentlich in Frankreich eine grofse An-
zahl, wenn auch meistens nur fragmentarisch, erhalten, welche von
L. Delisle gesammelt und herausgegeben ist5).
Eine besondere Erwähnung verdienen endlich noch die alten
Diptycha, in welche Namen ohne Daten eingetragen wurden, um
sie der Fürbitte theilhaftig werden zu lassen, wobei auf die Ordnung
nichts ankam; aus Fulda, Trier, Novara haben sich dergleichen er-
halten. In Ermangelung anderer Denkmäler hat man daraus Bischofs-
listen entnommen, deren Lückenhaftigkeit und Umstellungen sich
aus solchem Ursprung erklären. Ein Liber vitae ecclesiae Dunel-
mensis (jetzt Cott. Domit. A. VII) aus der Mitte des neunten Jahr-
hunderts und bis in späte Zeit fortgeführt, lag im Prachtband auf
dem Altar6), herausgegeben von Stevenson 1841.
Eine besondere Art von Namensverzeichnissen entstand durch
die Sitte, in Evangelienbücher Namen einzutragen, wovon man
<•
*) Ann. necrol. Prüm. ib. p. 219 — 223.
2) Necrol. I, 329-333. Die Weltenburger 1045—1109 (MB. XIII,
473 — 498) werden auch wohl bei den Necrol. gedruckt.
3) Necrol. II, 3—60; vgl. NA. XII, 53-107.
4) MG. Libri Confraternitatum S. Galli, Augiensis, Fabariensis, ed.
P. Piper 1884. Das Verbrüderungsbuch von St. Gallen ist, nebst dem
Buch der Gelübde, auch von E. Arbenz herausgegeben und erläutert, Mitth.
z. vaterl. Gesch. XIX, St. Gallen 1884. Vgl. auch C. Will, Monum. Bli-
denstatensia, p. XX — XXII. A. Ebner, Die klösterlichen Gebetsverbrüde-
rungen. Regensb. 1890.
5) Des monuments paleographiques concernant l'usage de prier pour
les morts, Bibl. de Tecole des chartes, II, 3, 361—411, und die Ausgabe:
Rouleaux des raorts du IX. au XV. siecle, 1866. Vgl. Wattenbach, Schrift-
wesen (2. Ausg.) S. 137.
6) Genaue Beschreibung der Hs. von Thompson im Catalogue of ancient
Latin Mss. p. 81—84.
Die Ostgothen. (35
sich gute Folgen für das Seelenheil versprach. So schrieb nach
einer Mittheilung yon K. Lamprecht in d. Westd. Ztschr. IV, 156
in einem Evangeliar des Castorstifts in Coblenz der Schreiber selbst
hinzu: „Waniggus peccator nomen habeo. in vitae libro mei memo-
riam condo". Darauf folgen andere Namen. Beispiele davon kom-
men auch sonst vor1); geschichtlich wichtig sind die Eintragungen
im Evangeliar von Aquileja für die Anfänge des Christenthums unter
den Bulgaren , während Theodelinde und andere Namen später be-
trügerisch zugesetzt sind, was Bethmann entdeckt und nachge-
wiesen hat2).
§ 4. Die Ostgothen. Cassiodor.
Manso, Geschichte des ostgothischen Reiches in Italien, Breslau 1824. Aschbach, Ge-
schichte der Westgothen, Frankf. 1827. Waitz, lieber das Leben und die Lehre des
Ulfila, Hannov. 1840, 4. ßessell, Ueber das Leben des Ulfilas und die Bekehrung
der Gothen zum Christenthum, Gott. 1860. Max Müller, Lectures on the Science
of Language, 2. ed. 1862, p. 179 ff. Bessell, Art. Gothen in der Encyklopädie von
Ersch und Gruber I, 75. S. 98 — 242 (1862). Raszmann, Goth. Sprache und Littera-
tur, ib. 294—348. Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, bes. II, 137 ff.
Pallmann, Die Geschichte der Völkerwanderung, I, Gotha 1863. II, Weimar 1864.
F. Dahn, Die Könige der Germanen, Abth. II. 1861. Wackernagel, Geschichte der
deutschen Litteratur, S. 15 — 22. Bernhardy, Grundrifs der römischen Litteratur,
§ 60. A. Thorbecke, C. Senator, Progr. d. Heidelb. Lyceums 1867. Ad. Franz, C. Se-
nator, ein Beitr. z. Gesch. d. theol. Litt. Bresl. 1872. Teuffei § 475. Ebert S. 498
bis 542. Balzani p. 1—19. Rinaudo p. 25— 31. — Ueber Cassiodor und Jordanis:
Papencordt, Geschichte der vandal. Herrschaft in Afrika (1837), S. 383 — 388.
Freudensprung, De Jornande sive Jordane et libellorum eius natalibus, Monaci 1837.
H. v. Sybel, De fontibus libri Jordanis de origine actuque Getarum, Berol. 1838;
Entstehung d. D. Königthums, 2. Ausg. (1881) S. 134-208. Waitz, GGA. 1839,
S. 769 — 781. Job. Jordan, Jordanes Leben und Schriften, Progr. des Gymnasiums
zu Ansbach, 1843. J.Grimm, Ueber Jornandes. Abh. der Berliner Akademie, 1846
(Kleinere Schriften III, 171-235). Cassel, Magyarische Alterthümer, 1848, S. 293
bis 310. Stablberg, Jornandes, Programm der höheren Bürgerschule zu Mühlheim
a. R. 1854. C. Schirren, De ratione, quae inter Jordanem et Cassiodorium intercedat
commentatio, Dorp. 1858; vgl. die Rec. von A. v. Gutschmid, Jahrbücher für classische
Philologie, 1862, S. 124— 151. R.Köpke, Deutsche Forschungen, Berl. 1859. Bessell,
Art. Gothen, S. 101 — 116, recapitulirt die ganze Frage. Waitz, Gott. Nachrichten
1865 N. 4, über das Verhältnifs zum Anon. Cuspiniani. Baehr S. 247— 262. Momm-
sen, Praef. Jord. p. XL.— XLIV. — Cassiodori Opera ed. Garet, Rothomagi 1679. fol.
Frammenti di orazioni panegiriche, raccolti cd illustrati di Carolo Baudi de Vesme,
Memorie della Real Acad. delle Scienzie, Serie II, Vol. VIII; vgl. Reifferscheid,
SB. 68, 483, Fragm. d. Lobrede auf K. Theodahat, viell. von Cassiodor nach Arbois
de Jubainville, Bibl. de l'Ecole des chartes, V, 3, 139, vgl. M. Haupt in Hermes
VII, 377. H. Usener, Festschrift zur Philo!. Vers, in Wiesbaden 1877 (Anecdoton
Holderi, Excerpt aus der früher unbekannten Schrift C.'s über die Schriftsteller in
seiner Familie); vgl. aber Schepss, im NA. XI, 125 — 128. F. Rühl, Ein Anecdoton
zur Goth. Urgesch. im Jahrb. f. class. Philol. 1880, S. 549 — 576 (Barbarischer
Auszug aus Cass. über Skythen und Amazonen).
Das ostgothische Reich, so kurz es dauerte, bildete doch ein
sehr wichtiges Mittelglied zwischen der antiken Welt und dem Mittel-
alter, welche sich in ihm auf merkwürdige Weise berühren.
») L. Delisle, Bibl. de l'Ecole des eh. 1876, S.484. — 2) NA. II, 112—128.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 5
66 I. Vorzeit. § 4. Ostgothen.
Der gothische Stamm war einer der begabtesten, bildungsfähig-
sten deutschen Stämme. Er allein, nebst den Angelsachsen, hat von
Anfang an auch die Muttersprache ausgebildet, nicht nur in Lied
und Gesang, sondern auch zu wissenschaftlichem Gebrauch; aufser
Vulfila's Bibelübersetzung haben sich auch Fragmente einer Evan-
gelienharmonie erhalten. Getrennt von der herrschenden Kirche,
feierten sie den Gottesdienst in ihrer eigenen Sprache1), und deren
Gebrauch war dadurch bei ihnen, wie später bei den Slaven, besser
gesichert als in der römischen Kirche. Dennoch hätten auch die
Ostgothen , wäre ihrem Reiche längere Dauer beschieden gewesen,
sich der Uebermacht römischer Cultur wohl sicher ebenso wenig
zu erwehren vermocht, wie die Westgothen in Spanien und später
die Angelsachsen.
Denn mit der gröfsten Empfänglichkeit wandten die Gothen
sich auch der antiken Bildung zu; Theoderichs Reich ist merkwürdig
als ein Versuch, die neuen Elemente mit den alten zu vereinen und
die Herrschaft in den alten Formen fortzuführen; an seinem Hofe
hörte man noch die alten gothischen Heldenlieder, aber es sammel-
ten sich dort auch die noch übrigen Träger der alten Bildung;
hier entstanden mehrere der Werke, welche die Elemente der alten
Cultur dem Mittelalter überlieferten, aus denen es seine Kenntnifs
des Alterthums schöpfte und zugleich den gezierten dunklen Stil
lernte, der damals in den Schulen der Rhetoren und Grammatiker
für schön galt.
Den Schriftstellern des vierten Jahrhunderts, Donat, Macrobius,
Marcianus Capella, reiht sich Priscianus an, Theoderichs Zeitgenosse
und mit Cassiodor bekannt; doch lebte er in Constantinopel. Einer
der Hauptlehrer des Mittelalters aber, dem es zunächst die Kennt-
nifs der Aristotelischen Philosophie verdankte, war Boethius2), der
mit seinem gelehrten Schwiegervater Symmachus am Hofe zu Ra-
venna lebte. Die Familie der Syrnmacher, die domni Symmachi,
werden uns ganz besonders genannt unter den Männern, welche in
genauer Verbindung mit den Schulen der Grammatiker und Rhetoren
noch einmal das sinkende Heidenthum neu zu beleben suchten,
durch Auffrischung der Mysterien, der Philosophie, und namentlich
auch durch angelegentliche Beschäftigung mit der alten Litteratur,
deren Werke sie durch sorgfältige Verbesserung der verwahrlosten
Handschriften in diejenige Gestalt brachten, in welcher sie uns jetzt
x) Papencordt, Geschichte der vandalischen Herrschaft in Afrika, S. 295.
2) So nach der Etymologie, während die handschriftliche Autorität
mehr für Boetius spricht.
Boethius. Ablavius. 67
vorliegen1). Das Christenthum war nun freilich bereits zum unbe-
strittenen Siege durchgedrungen, dennoch aber stehen diese Männer
noch ganz auf dem Boden der alten heidnischen Bildung. Auch
Cassiodor gehört dazu; erst in seinem Alter gab er sich immer
mehr einer kirchlich frommen Richtung hin.
Dieselbe Mischung römischer und deutscher, heidnischer und
christlicher Elemente, wie an Theoderichs Hofe, finden wir nun
auch in der geschichtlichen Litteratur, die uns leider nur theil-
weise erhalten ist. Was es für eine Bewandtnifs mit den gothi-
schen Philosophen habe, mit Athanarit, Hildebald und Markomir,
auf die sich der Ravennatische Geograph beruft, ob sie existirt
haben oder nicht, ist bis jetzt noch dunkel2). Auch der von
Jordanis3) benutzte und gelobte Ablavius, der „treffliche Ge-
schichtschreiber des gothischen Volks", bleibt in zweifelhaftem
Dunkel; Mommsen vermuthet, dafs er an Theoderichs Hofe nicht
lange vor Cassiodor geschrieben und, der gothischen Sprache kundig,
ihre Ueberlieferungen und Lieder mit den Nachrichten des Priscus u. a.
verbunden habe. Er ist geneigt, einen sehr wesentlichen Theil des
Cassiodorischen Werkes ihm zuzuschreiben, aber Schirren hat sich
mit guten Gründen von neuem sehr nachdrücklich dagegen erklärt.
Der Name ist in jener Zeit häufig und lautet correct Ablabius,
doch folge ich lieber der damals üblichen, durch Jordanis bezeugten
Aussprache.
Der rechte Repräsentant dieses Uebergangsreiches ist Magnus
Aurelius Cassiodorius4) Senator, ein vornehmer Römer von an-
*) 0. Jahn: Ueber die Subscriptionen in den Handschriften römischer
Classiker. Berichte über die Verhandlungen der königl. Sachs. Ges. der
W. Phil. hist. Classe, III, 327. 1851.
2) Th. Mommsen, Ueber die Ravennatische Kosmographie, SB. der k.
Sachs. Ges. der W. Phil. hist. Classe, III, 80 — 117, 1851. Bock, Lettre ä
Mr. Bethmann, Annuaire de la Bibl. Royale de Belgique, Vol. XII. 1851.
Rec. von Waitz, GGA. 185.1, N. 121. Ravennatis Anonymi Cosmographia
et Guidonis Geographia. Ex libris manuscriptis edd. M. Pinder et G. Par-
they, Berol. 1860. — Guido Pisanus excerpirte das ältere Werk des
siebenten Jahrhunderts um 1119. Während Mommsen und de Rossi (Gior-
nale Arcadico CXXIV p. 259 — 281, 1851) sammt vielen anderen seiner
Autoritäten auch die gothischen Philosophen für erfunden halten , sehen
Bock und Paümann I, 9 — 12. II, 139, in ihnen Zeitgenossen Theoderichs.
3) De orig. Gett. c. 4. 14. 23. Vgl. Sybel, De fontibus Jord. p. 34—37.
Schirren S. 36—44. Koepke S. 80. Gutschmid S. 129. 130. Sybel, König-
thum, S. 193. Mommsen, Praef. Jord. p. XXXVII. — Dafs um 1200 je-
mand Blavius de yestis Gothorum aus der Bibliothek des Klosters Tegernsee
verlangte (Pez, Thes. VI, 2, 53), erklärt sich wohl einfach aus der Leetüre
des Jordanis. Die Meinung von P. Buchholz, dafs Flavius Blondus den
A. gekannt habe, widerlegt Mommsen.
4) Diese Form wird man nach dem Veroneser Cod. saec. VII. der
5*
68 I. Vorzeit. §4. Ostgothen.
gesehener Familie, aus Bruttien, vielleicht aus Squillace gebürtig.
Dem Beispiele seines Vaters folgend , stellte er sich der Herrschaft
der Barbaren nicht feindselig oder schmollend gegenüber, sondern
war als Staatsmann und als Gelehrter aufrichtig und unablässig
bemüht, die widerstrebenden Elemente friedlich zu verbinden und
auszugleichen ; als Minister Theoderichs und seiner Nachfolger suchte
er die Regierung in den alten Formen fortzuführen, und als Ge-
schichtschreiber verkündete er den erstaunten Römern, dafs das Yolk
der Gothen und das Königsgeschlecht der Amaler ihnen an Alter
und Adel, ja sogar an uralter Cultur mindestens ebenbürtig sei.
Schon die Chronik Cassiodors1) dient der Verherrlichung
Theoderichs und seines Eidams Eutharich, dem sie in seinem Con-
sulatsjahre überreicht wurde; der Schwall der Lobrede belebt 496
bis 519 das dürftig und ungeschickt zusammengestoppelte chrono-
logische Gerippe, dessen Mangelhaftigkeit und willkürlich leicht-
sinniges Machwerk Th. Mommsen schonungslos aufgedeckt hat. Auch
die wenigen früheren historischen Notizen zur Consulartafel, die er
aus Hieronymus, Prosper, Eutrop, von 456 — 493 aus den Ravennater
Fasten schöpfte2), hat er in gothischem Interesse verändert3). Von
weit gröfserem Werth , fleifsiger gearbeitet und der schulmäfsigen
Gelehrsamkeit jener Zeit entsprechend waren Cassiodors zwölf Bücher
Gothischer Geschichten, ein früh verlorenes Werk, über wel-
ches jedoch der Auszug des Jordanis ein Urtheil gestattet, denn
nach den Untersuchungen von Schirren und Koepke kann man es
jetzt wohl als festgestellte Thatsache betrachten, wie es denn auch
von Mommsen angenommen ist, dafs der ganze wesentliche Inhalt
dieses Werkes mit Einschlufs des gelehrten Apparats von Cassiodor
herrührt4). Aufserdem finden sich in der Sammlung seiner Briefe
Complexiones vorziehen müssen, mit Maffei und Reifferscheid, SB. XLIX, 49.
Auch Mommsen braucht sie (doch jetzt nicht mehr), während F. Rühl,
Jahrb. f. Philol. 1880, S. 564, sich dagegen erklärt.
2) Die Chronik des Cassiodorus Senator vom Jahre 519. Nach den
Handschriften herausgegeben von Th. Mommsen. Abhandl. der königl.
Sachs. Ges. der Wiss. VIII. 1861. — Zugesetzt sind die Consuln 520—559.
Benutzt ist die Chronik nur von Hermanus Contractus aus der Reichenauer,
von Marian und den Ann. S. Dysibodi aus der Mainzer Handschrift.
2) Holder-Egger, NA. I, 247—250.
3) Vgl. Thorbecke S. 43. Ueber ein ähnliches Verfahren in der Gothen-
geschichte s. G. Kaufmann, Forschungen VI, 464.
4) Auch H. v. Sybel, der in seiner Abhandlung die entgegengesetzte
Ansicht durchgeführt hatte, gab 1858 in der Hist. Zeitschr. II, 515 die
Wahrscheinlichkeit der Beweisführung von Schirren und Koepke zu. Ihm
folgt darin auch Bessell. Nur die Benutzung des Orosius hält Mommsen
für Eigenthum des Jordanis, während er auf die von H. v. Sybel (Königth.
S. 193) aufgestellte Behauptung, dafs J. selbst die Reihe der Gothenkönige
Cassiodor. ß9
mehrere Aeufserungen, welche sich aufsein Geschichtswerk beziehen;
so legt er gleich in der Vorrede einem Freunde die Worte in den
Mund1): „Du hast in zwölf Büchern die Geschichte der Gothen in
einer Blüthenlese ihrer glücklichen Thaten niedergelegt". Varr.
XII, 20 wird eine Stelle über die Einnahme Roms durch Alarich
daraus angeführt, welche beweist, dafs auch die Geschichte der
Westgothen darin behandelt war.
Wichtiger aber und lehrreicher sind die Worte des Königs
Athalarich in dem Schreiben (Varr. IX, 25), durch welches er dem
römischen Senat Cassiodors Erhebung zum Praefectus praetorio für
das Jahr 534 anzeigt. Nicht damit habe er sich begnügt, heifst es
da, die lebenden Herren zu loben: „auch in das Alterthum Unseres
Geschlechtes ist er hinaufgestiegen und hat durch Lesen erkundet,
was kaum noch in dem Gedächtnifs unserer Altvorderen haftete.
Er hat die Könige der Gothen , welche lange Vergessenheit barg,
aus den Schlupfwinkeln der Urzeit hervorgezogen. Er hat die Amaler
mit dem vollen Ruhm ihrer Herkunft wieder ans Licht gestellt,
indem er klärlich nachwies, dafs Wir bis in die siebenzehnte Ge-
neration von königlichem Stamme sind. Er hat die Herkunft der
Gothen zu einer römischen Geschichte gemacht, und die Blüthen-
keime, welche bis dahin auf den Gefilden der Bücher hier und dort
zerstreut waren, in einen einzigen Kranz gesammelt2). Bedenkt,
welche Liebe zu euch er durch Unser Lob bewiesen hat, da er
nachwies, dafs eueres Herrschers Stamm von Uranfang her wunder-
bar gewesen ist, so dafs, wie ihr von eueren Vorfahren her immer
für edeler Art gegolten habt, so nun auch ein altes Königshaus über
euch die Herrschaft führt3)." Und weiterhin wird Cassiodor ge-
aus Ammian ergänzt habe, nicht Rücksicht nimmt. — Nach F. Riihl kannte
auch Aethicus das Werk Cassiodors.
*) „XII libris Gothorum historiam defloratis prosperitatibus condi-
disti." Bessells Deutung (Forschungen I, 639 — 643) „mit auserlesenem Glück
geschrieben", scheint mir unhaltbar, trotz Thorbecke1s Zustimmung.
2) Gutschmid S. 140 bemerkt, dafs Cassiodor in diesen Worten Justins
Vorrede nachgeahmt zu haben scheine.
3) Tetendit se etiam in antiquam prosapiam nostram, lectione discens
quod vix majoruin notitia cana retinebat. Iste reges Gothorum longa ob-
livione celatos latibulo vetustatis eduxit. Iste Amalos cum generis sui
claritate restituit, evidenter ostendens in decimam septimam progeniem
stirpem nos habere regalem. Originem Gothicam historiam fecit esse Ro-
manam, colligens quasi in unam coronam germen floridum, quod per libro-
rum campos passim fuerat ante dispersum. Perpendite quantum vos in
nostra laude dilexerit, qui vestri Principis nationem docuit ab antiquitate
mirabilem, ut sicut fuistis a majoribus vestris semper nobiles aestimati,
ita vobis regum (so statt verum zu schreiben, scheint mir mit Gutschmid
selbstverständlich) antiqua progenies imperaret.
70 I. Vorzeit. § 4. Ostgothen.
rühmt, weil er gleich den Anfang von Athalarichs Herrschaft gleich-
mäfsig mit den Waffen und mit gelehrter Thätigkeit (litteris) ge-
fördert habe; von der tiefen Ruhe litterarischer Beschäftigung auf-
gescheucht1), habe er ohne Zaudern zu den Waffen gegriffen.
Cassiodor selbst ist es, der diesen Brief verfafst hat, und klar
genug hat er darin Zweck und Absicht seines Werkes ausgesprochen.
Der übergrofse Abstand zwischen dem kräftigen, aber noch den
Römern als barbarisch geltenden Gothenvolke und den auf ihre
Geschichte und Bildung stolzen Römern sollte ausgeglichen werden,
das war der leitende Gedanke in Cassiodors ganzer Thätigkeit.
Dazu mufste ihm nun auch seine Gelehrsamkeit dienen; dafs Gothen
und Geten dasselbe Volk wären, war eine längst geläufige Annahme2),
aber noch hatte niemand es versucht, den Zusammenhang nachzu-
weisen. Cassiodor that es und zwar, wie jetzt durch das von
Holder entdeckte Fragment bekannt geworden ist, im Auftrag des
Königs Theoderich, doch erst nach dem Tode desselben gelang ihm
die Vollendung3). Er verflocht zu diesem Zwecke, was er über
die Gothen wufste und bei Ablavius las, mit dem, was er bei Rö-
mern und Griechen über die Geten vorfand , und da diese wie jene
von den Griechen häufig Skythen genannt wurden, zog er auch die
ganze Urgeschichte der Skythen heran, und machte sogar die Ama-
zonen ohne Bedenken zu gothischen Weibern. So erschienen die
Amaler, deren Glanz die gothische Sage verkündete, nun als un-
mittelbare Nachfolger des Zamolxis und Sitalkes, und die Römer
konnten darin einen Trost finden für die Bitterkeit der fremden
Herrschaft4). Es war das ein Gedanke, der wohl Anerkennung ver-
dient, wenn auch der Zweck unerreicht blieb, die Grundlage irrig
war, wenn auch zur Verherrlichung der Amaler er ihren Stamm-
1) A litterarum penetralibus ejectus. Bessell S. 115 bemerkt richtig, dafs
damit seine Thätigkeit in der k. Kanzlei nicht wohl bezeichnet sein kann.
2) S. Schirren S. 54. Koepke S. 209. Die von J. Grimm vertheidigte
Identität kann als antiquirt betrachtet werden ; ich begnüge mich, auf die Anm.
v. Waitz zu verweisen, Verfassungsgesch. II, S. XIII, 2. u. 3. Ausg. I, S. 5.
3) Mommsen, Praef. Jord. p. XLI.
4) Diesen Gedanken hat R. Koepke lichtvoll entwickelt, Forsch. S. 89 ff.
Die Art der Verknüpfung, das chronologische System von Cassiodors
Gothengeschichte weist Gutschmid S. 141 ff. nach, nachdem er S. 133 — 140
den Stammbaum der Amaler behandelt hat. Er hält mit Schirren den
Eutharich für keinen wirklichen Amaler und sieht in dessen Stammbaum
einen Hauptzweck des Werkes; aber weshalb wurde dann Eutharich aus
Spanien geholt, wenn nicht, weil er ein Amaler war? Dafür auch Thorb.
S. 18 — 20. — Waitz, Nachrichten 1865 S. 101 vermuthet, dafs Cassiodors
Geschichte sich auf Theoderichs Regierung nicht erstreckte. Ihm stimmt
Thorb. S. 45 bei.
Cassiodors Gothengeschichte und Variae. 71
bäum selbst mit freier Dichtung über alle Gebühr verherrlicht
haben mag1).
Als Cassiodor oder Senator, denn das war sein eigentlicher
Name, alle seine Bestrebungen vereitelt sah, als das Gothenreich
dem Angriff der Mächte, mit welchen er es hatte aussöhnen wollen,
unterlag, da zog er sich, vermuthlich nach Vitigis Sturz (um 540)
von der Welt zurück und gründete ein Kloster (monasterium Viva-
riense) in Bruttien, wo er das Ende seines Lebens in stiller Be-
schaulichkeit und schriftstellerischer Thätigkeit als hochbetagter
Greis erwartete. Hier liefs er unter seiner Aufsicht die im Mittel-
alter vielgelesene Kirchengeschichte2) zusammenstellen und über-
setzen; hier schrieb er in seinem 93. Jahre eine Abhandlung über
die Orthographie, zum Frommen seiner Mönche, denen er die Ver-
vielfältigung der Bücher durch Abschriften ganz besonders zur Pflicht
machte. Er zuerst hat die wissenschaftliche Arbeit grundsätzlich
in die Klöster eingeführt und dadurch einen weitreichenden segens-
reichen Anstofs gegeben3). Ist er, wie Thorbecke annimmt, erst
um 570 gestorben, so erlebte er noch die neue Verwüstung Italiens
durch die Langobarden, sah er, wie die blutigen Lorbern Justinians
fruchtlos hinwelkten.
Von vorzüglichem Werthe für uns sind unter seinen erhaltenen
Werken4) die 538 verfafsten zwölf Bücher seiner Briefe (Variae),
in welchen er die Kanzleiformen der Zeit und viele auch durch
ihren Inhalt wichtige Briefe aus der königlichen Kanzlei der Gothen
aufbewahrt hat. Das Zureden seiner Freunde, sagt er in der Vor-
rede, habe ihn zu dieser Sammlung veranlafst, welche einen Vorrath
fertiger Formeln darbieten und zugleich zur Bildung junger Staats-
männer dienen sollte, während sie auch das Andenken der von ihm
gelobten trefflichen Männer der Nachwelt erhalte. Alles habe er
hier vereinigt,, was er aus der Zeit seiner Quästur, seines Magiste-
riums und seiner Präfectur in den öffentlichen Actenstücken von
ihm herrührend habe finden können. Doch nicht selten sei es ihm
begegnet, dafs er wegen übergrofser Eile bei der Ertheilung von
1) Das hat vorzüglich H. v. Sybel nachgewiesen und eben deshalb an-
genommen, dafs die nicht als Amaler bezeichneten Gothenkönige erst von
Jordanis eingeschoben sind.
2) Die Historia tripartita, durch Epiphanius. Ueber dieses sehr man-
gelhafte Werk s. Ad. Franz S. 104—120.
3) Thorb. S. 29—31. Sehr ausführlich Franz S. 35 ff.
4) Sehr lehrreich sind auch seine Institutiones divinarum et saecula-
rium litterarum. Ueber die verschiedenen Texte des zweiten Buches s.
Laubmann in d. Münch. SB. 1878, II, S. 71—96.
72 !• Vorzeit. § 4. Ostgothen. § 5. Jordanis.
Würden und Ehren hastige und schmucklose Schreiben erlassen
habe: davor wolle er nun andere bewahren, und deshalb habe er
die im sechsten und siebenten Buche enthaltenen Formulare für die
Verleihung aller Würden nun mit Sorgfalt überarbeitet1). Denn
reden können wir alle ohne Unterschied; nur der Schmuck ist es
welcher den Gelehrten vom Ungelehrten unterscheidet2).
Das war der Grundsatz und die Richtschnur der damaligen
Schulen, und demgemäfs hat denn auch Cassiodor den oft gering-
fügigen Inhalt seiner Briefe unter einem solchen Wortschwall und
so vielem Zierrath der gesuchtesten Phrasen verborgen, dafs es
häufig nicht leicht ist, ihn herauszufinden.
Im höchsten Grade trifft dieser Vorwurf auch die Schriften des
Ennodius, Bischofs von Pavia3), unter denen besonders sein Pa-
negyricus auf Theoderich geschichtlich wichtig ist4).
§ 5. Jordanis.
Baehr S. 249-260. Teuffei § 477. Ebert S. 556— 562. Dahn, A.D. B. XIV, 522-526.
Rinaudo p. 31 — 36. Balzani p. 19—21. S. d. neuere Litt, zu § 4. Anstatt der äl-
teren Ausgaben genügt es jetzt, die Ausgabe der MG. von Mommsen zu nennen,
Berl. 1882, 4. (Auctorum antiquiss. V, 1.) Rec. von Schirren, Deutsche LZ. 1882,
*) Diese bestimmte Angabe macht es bedenklich, Schirrens Vermuthung
zu folgen, der auch in den übrigen Büchern eine bedeutende Ueberar-
beitung, zum Theil neue Abfassung annimmt. Er hätte ja das nicht nöthig
gehabt zu verschweigen.
2) „Dictio semper agrestis est, quae aut sensibus electis per moram
non comitur aut verborum minime proprietatibus explicatur. Loqui nobis
communiter datum est: solus ornatus est qui discernit indoctos." Die Er-
lasse in seinem eigenen Namen, als Präfect, aus den Jahren 534, 535,
537, 538 finden sich im elften und zwölften Buche; in den früheren
schreibt er im Namen des Königs. Vgl. über die Variae Thorb. S. 50 — 60.
Horst Kohl, Zehn Jahre ostgoth. Gesch. (526—536), Leipzig 1877. Hasenstab,
Studien zur Variensammlung des C. S. Progr. d. Max. Gymn. zu München
1883. Tanzi, Cronologia dei libri Var., Triest 1887. Ueber eine Abh. v.
Gaudenzi s. Mommsen, NA. XIV, 437.
3) Ennodii Opera ed. Sirmond, Paris 1611, Hartel im Wiener Corpus
VI, 1882. Rec. v. Krusch, HZ. LI, 100—102. MG. Auctt. antt. VII von
Fr. Vogel 1885. Fertig, Magnus Felix Ennodius und seine Zeit. 1. Abth.
Passau 1855, 4. Pallmann II, 190— 192. Ebert 432— 440. Rinaudo p. 19— 24.
Zur Chronologie Hasenstab, Progr. d. Münch. Luitpoldgymn. 1889/90. Tanzi,
s. NA. XV, 425. Auf die Bedeutung seiner Vita Epiphanii ed. Ticin. weist
Binding hin: Das Burgundisch-roman. Kgr. I, 97. Seine Briefe sind cul-
turgeschichtlich wichtig. — Ueber die schon früh sagenhaft entstellte
Geschichte Theoderichs, aus welcher geschichtliche Thatsachen nicht zu
entnehmen sind, findet sich eine sorgfältige, auf Untersuchung der Hand-
schriften begründete Abhandlung bei A. Thorbecke: Ueber Gesla Theoderici,
Herbstprogr. des Heidelb. Gymn. 1875. Ausg. v. Krusch, SS. Meroving. II,
200-214.
4) Dafür H. v. Schubert: Die Unterwerfung der Alamannen (Strassb.
Jordanis Goth engeschichte. 73
S. 1420-1424, von L. Erhardt, GGA. 1886, S. 669—708. Bemerkungen v. Manitius,
NA. XIII, 212. 213. — Ausg. der Getica v. Holder 1882 mit selbständ. Benutzung
d. Heidelb. Hs. 1882. 8. Ausg. v. Closs 1889. Emendationeu v. Fröhuer, Philologus,
Suppl. V, 55 (1884). Uebers. v. W. Martens, 1884, Gescbicbtschr. 5 (VI, 1).
An jene Yertreter der antiken Bildung, welche Theoderich an
seinem Hofe versammelte, reiht sich nun der erste und einzige
gothische Schriftsteller, dessen Werke wir besitzen, Jordanis; denn
so wird sein Name in den besten Handschriften geschrieben, mit so
überwiegender Autorität, dafs die durch Peutingers Ausgabe von
1515 gebräuchlich gewordene Form Jornandes sich dagegen nicht
behaupten kann. Jakob Grimm freilich hat sie sehr nachdrücklich
in Schutz genommen, und unmöglich ist es nicht, dafs in der ent-
scheidenden Stelle (Cap. 50) ursprünglich gestanden hat: Jordanis
sive Jornandes. Dann wäre nach Grimms Vermuthung der kriege-
rischer lautende gothische Name Jornandes d. i. Eberkühn, beim
Eintritt in den geistlichen Stand mit dem griechisch-römischen
Namen Jordanis vertauscht worden1). Wie dem nun auch sein
möge, sicher gestellt ist allein der letztere, durch das ganze Mittel-
alter gebräuchliche Name , den wir deshalb auch hier vorgezogen
haben.
Jordanis rechnet sich selbst zum gothischen Volke2). Er stammte
aus einem sehr angesehenen Geschlechte, das mit den Amalern ver-
schwägert war; sein Grofsvater war Notar oder Kanzler des Alanen-
königs Candac in Mösien, er selbst ebenfalls Notar: leider wissen wir
nicht wo und unter welchen Verhältnissen3); später ist er in den
geistlichen Stand eingetreten. Seiner, wie es scheint, alanischen
Abkunft entsprechend, zeigt er für dieses Volk eine deutliche Vor-
liebe4), während er die Vandalen nicht leiden kann5).
1874) S. 67 — 89. Er wurde nach Cipolla dem König schriftlich zugesandt;
s. darüber NA. IX, 244. XII, 205.
1) Für Jornandes kämpft Dietrich , Ueber die Aussprache des Gothi-
schen, Marburg 1862. Mommsen schreibt Jordanes; ich folge auch hier
der überlieferten Form, welche sich der Aussprache anschliefst.
2) De rebus Get. am Schlufs : „Nee me quis in favorem gentis prae-
dietae quasi ex ipsa trahentem originem aliqua addidisse credat".
3) Ib. c. 50: „Scyri vero et Sadagarii et certi Alanorum cum duce suo
nomine Candac Scythiam minorem inferioremque Moesiam aeeeperunt.
Cujus Candacis Alanovijamuthis patris mei genitor Paria, id est meus avus,
notarius quousque Candac ipse viveret fuit, ejusque germanae filio Gun-
thicis (1. Gunthigis, p. 150) qui et Baza dicebatur mag. mil. filio Andages
fili Andele, de prosapia Amalorum descendente, ego item quam vis agra-
matus Jordanis ante conversionem meam notarius fui." Die nach den Hss.
hergestellte Form dieser Stelle macht ihre Bedeutung noch unsicherer.
Ueber die Namen Grienberger, Germania XXXIV, 406 (NA. XV, 615).
4) Mommsen, Praef. p. X.
5) ib. p. VII.
74 I- Vorzeit. § 5. Jordanis.
Die eigentliche grammatische Bildung der Schule war ihm fremd,
wie er selbst sagt, doch konnte es ihm nicht schwer fallen, grie-
chische und lateinische Schriftsteller zu lesen, und damit hat er sich
denn auch, wohl besonders in der späteren Zeit seines Lebens, eifrig
beschäftigt, wenn gleich die umfassende Belesenheit, welche seine
Gothengeschichte zu zeigen scheint, nur als erborgtes Gut gelten
kann.
Seine Schreibweise ist entstellt durch den gesuchten, sententiö-
sen Charakter der Zeit, doch nur da, wo er seiner cassiodorischen
"Vorlage folgt; er selbst drückt sich ungeschickt und unbehümich
aus und klammert sich ängstlich an seine Quellen ; die volle Barbarei
der damals gewöhnlichen Schreibweise einer Bevölkerung, welche
fast alles Gefühl für grammatische Formen verloren hatte, bis dahin
nur aus den im Original uns erhaltenen Urkunden bekannt, ist nun
auch bei ihm nach den ältesten und besten Handschriften herge-
stellt1).
Die Vorrede seiner Getica hat Jordanis mit geringen Aenderun-
gen wörtlich von Ruiin entlehnt2). Natürlich eignete er sich auch
die römisch christliche Weltanschauung an; dahin führte ihn sein
Stand, dahin auch die ganze Richtung seines Volkes. Vollkommen
theilt er die Verehrung des Kaiserthums, und wenn er es unter-
nahm, die Folge der Weltreiche in gedrängter Uebersicht darzu-
stellen, so konnte ihm doch der Gedanke niemals nahen, dafs etwa
auch das römische Reich sein Ende erreicht habe und andere an
seine Stelle treten würden. Eben war er, wie er uns berichtet, mit
der Abfassung eines solchen Handbuches beschäftigt, als sein Freund
Castalius oder Castulus ihn aufforderte, Cassiodors Geschichte
der Gothen in einen Auszug zu bringen3). Diese Aufgabe, sagt
er, sei für ihn um so schwieriger gewesen, da ihm das Werk nicht
einmal vorliege, sondern er es nur einmal in früherer Zeit auf drei
Tage zum Lesen erhalten habe. Doch glaube er sich des wesent-
lichen Inhalts noch vollständig zu erinnern4). Damit habe er nun
T) Immerhin giebt es zu denken, dafs auch bei Orosius, wenn der
cod. Laurent, nicht erhalten wäre, aus der Donaueschinger Hs. dieselbe
Barbarei herzustellen sein würde.
2) Aus Rufini presb. praefatio in explanationem Origenis super ep.
.Pauli ad Romanos, wie H. v. Sybel nachgewiesen', in Schmidts Zeitschrift
für Gesch. VII, 288. Ueber den am Eingang seiner Rom. angeführten Jam-
blichus s. Mommsen, NA. VIII, 352.
3) Der Titel beider Werke scheint gelautet zuhaben: De origine acti-
busque Getarum.
4) „Ad triduanam lectionem dispensatoris eius beneficio libros ipsos
antehac relegi, quorum quam vis verba non recolo, sensus tarnen et res
Jordanis Gothengeschichte. 75
verschiedenes aus griechischen und lateinischen Geschichten verbun-
den, den Anfang und das Ende aber, wie auch mehreres in der Mitte
von seinem Eigenen dazu gethan. Später, im Verlauf der Geschichte,
nennt er den Cassiodor nie, ebenso wenig aber auch den gegen das
Ende benutzten Marcellinus. Es unterliegt nun wohl kaum noch
einem Zweifel, dafs er, wie schon Cassel angenommen hatte, bis auf
wenige unbedeutende Zusätze eben nur den Cassiodor ausgezogen
hat, was ihm ja auch aufgetragen war, und die Ungenauigkeit der
gelehrten Citate bestätigt, dafs auch sie mit herüber genommen sind1).
Man mufs also annehmen, dafs er sich schon früher schriftliche Aus-
züge gemacht hatte, die er jetzt, ohne das Werk selbst wieder ein-
sehen zu können, verarbeitete, eine in der That schwierige Aufgabe,
welche wohl von einer zu harten Beurtheilung des ungeschulten
Gothen abhalten sollte. Doch läfst sich freilich nicht leugnen, dafs
seine Benutzung der Annalen des gleichzeitigen Marcellinus Comes2)
nicht befriedigender ausgefallen ist. Denn nach diesem Führer er-
zählt er mit auffallender Kürze von den Siegen Belisars, und die
Yergleichung mit den knappen aber genauen und zuverlässigen An-
gaben dieses Schriftstellers fällt nicht günstig für unseren Autor
aus, der sich offenbar mit gröfserer Vorliebe den alten Ueberliefe-
rungen zuwendet, und wie das bei den Anfängen einer gelehrten
Geschichtschreibung so häufig ist, gerne eine unverdaute Gelehr-
samkeit auskramt, von der sorgsamen Gewissenhaftigkeit aber, welche
die Nachwelt am höchsten schätzt, kaum einen Begriff hat. Indem
er nun hierin gegen gleichzeitige und spätere Annalen zurücksteht,
zeichnet er sich dagegen vor den einfachen Chronisten aus durch
das Festhalten eines leitenden Gedankens, welcher die Darstellung
beherrscht. Man hat Jordanis eine gänzliche Entfremdung von sei-
nem Volke zum Vorwurf gemacht. Nicht zum Ruhme der Gothen,
sagt er schliefslich, habe er dieses geschrieben, sondern um den
Ruhm des Siegers zu erhöhen. Allein darauf darf man nicht zu
viel Gewicht legen. Die Liebe zu seinem Volke, der Stolz auf die
Tapferkeit der Gothen, auf die Herrlichkeit der Amaler, treten viel-
mehr mit grofser Lebhaftigkeit überall hervor, und eben deshalb
actas credo me integre retinere." — Zu den drei Tagen bemerkt Mommsen
„si credis".
*) G. Kaufmann, Krit. Unters, der Quellen z. Gesch. Ulfilas, handelt
von d. Gothi minores (c. 51) im Gegensatz zu Bessell, u. bemerkt S. 243,
dafs, wenn auch Jordanis den Orosius selbständig benutzt habe, doch im
Cap. 25 u. 26 die Vermischung seiner Angaben mit Amm. Marc. 31, 3 ihm
von Cassiodor herzurühren scheine.
2) Oder dessen Vorlage, s. oben S. 56, Anm. 2.
76 !• Vorzeit. § 5. Jordanis.
hielt Jordanis es für nÖthig, durch eine solche Wendung in der da-
maligen Zeit des Krieges dem Argwohn der Herrscher zu begegnen.
Denn als er dieses schrieb, war der Krieg noch keineswegs been-
digt, sondern vielmehr mit neuer Wuth entbrannt. Jordanis aber
hatte allerdings für diesen letzten Todeskampf der Gothen keine
Theilnahme; dem stand in ihm theils seine politische Ansicht, theils
das Blut der Amaler entgegen, welches mächtiger war als das Volks-
bewufstsein. Er setzte seine Hoffnungen auf Germanus, den Gemahl
der Matasuinth, dem ja auch von seinen Landsleuten so viele sich
zuwandten, und nach dessen frühem Tode auf den letzten Sprossen
der Amaler, auf das Kind Germanus: der sollte sein Volk wieder
sammeln und beherrschen, im engsten Anschluss an das Römerreich,
so wie einst Theoderich. An drei Stellen gedenkt er dieses Kindes,
und an der letzten spricht er ausdrücklich die Hoffnungen aus, welche
er an diesen Erben der vereinigten Anicier und Amaler knüpft.
Denn das ist eben, wie Sybel nachgewiesen, und Stahlberg
weiter ausgeführt hat, der leitende Gedanke des Jordanis, dafs er,
was ja auch richtig war, nur in der friedlichen Einfügung des Gothen-
volkes in das römische Reich die Möglichkeit und Hoffnung einer
gedeihlichen Zukunft für dasselbe erkennt. Ihm konnte es nur als
ein hoffnungsloses und frevelhaftes Unternehmen erscheinen, wenn
die letzten Gothenfürsten, die dem Stamm der Amaler fremd waren,
sich dem letzten Weltreich gegenüber feindlich behaupten wollten,
um so mehr, da er katholisch war, und dadurch im Gegensatze zu
seinen arianiscben Volksgenossen mit der Einheit der Kirche auch
die Einheit des weltlichen Reiches erstreben mufste. Daher legt er
überall besonderes Gewicht auf die friedlichen Beziehungen der Gothen
zum Ostreiche, und seine Theilnahme und Hoffnung konnten sich nur
dem Germanus zuwenden. Dieser Auffassung konnte sich damals
niemand entziehen, der in den Bildungskreis der römischen Kirche
eingetreten war, und sie blieb herrschend, bis die Franken stark genug
waren, um sich selbst als die wahren Träger des erneuten römischen
Reiches betrachten zu können. Vollkommen zutreffend bezeichnet
daher L. v. Ranke1) sein Werk als eine „zwar auf historische Vor-
studien basierte, aber zugleich auf den Moment angelegte politisch-
historische Arbeit über die Geschichte der Gothen". Auch ist es
richtig, dafs er ganz im Sinne Cassiodors geschrieben hat, aber
wenn dann die Vermuthung hinzugefügt wird, dass Cassiodor selbst
als der intellektuelle Urheber des Werkes zu betrachten sei, so läfst
l) Weltgeschichte IV, 2. Abth. S. 313-327.
Jordanis Gothengeschichte. 77
sich das weder mit den Verhältnissen vereinigen, noch ist zu er-
klären, weshalb Jordanis das so sorgfältig hätte verbergen sollen.
Von grofser Wichtigkeit aber ist es, festzustellen, wo und unter
welchen Verhältnissen Jordanis sein Werk geschrieben hat. Da
finden wir nun bei Moinmsen die Behauptung, dass er als Mönch
in einem mösischen oder thracischen Kloster gelebt und geschrieben
habe. Er beruft sich auf seine besonders genaue Kenntnifs des
unteren Donaulaufes und der benachbarten Gegenden, und dafs er
bei dem Auszug aus Cassiodor gerade, was sich auf Mösien und
Thracien bezog, bevorzugt habe, was sich indessen durch die An-
gaben über seine Herkunft leicht erklären läfst. Weit wichtiger ist
die Frage, ob aus den Worten „ante conversionem meam" mit Not-
wendigkeit zu schliefsen ist, dafs er Mönch geworden sei. Das wird
behauptet, aber ich finde keinen Beweis dafür, dafs nicht auch der
Eintritt in den geistlichen Stand so bezeichnet werden könne. Wir
haben ja aus späterer Zeit Mönche genug, welche geschichtliche
Werke geschrieben haben, aber aus diesen Jahrhunderten ist mir
keiner bekannt. Ihre Stellung zur Welt hat sich im Laufe der Zeit
und vorzüglich durch die eigenthümliche Entwickelung der Kirche
im Abendland völlig verändert. Wer damals in ein Kloster eintrat,
zog sich in vollem Ernst aus der Welt zurück und erfuhr, wie noch
jetzt orientalische Mönche, sehr wehig von ihr. Cassiodor zuerst
scheint seine Mönche überhaupt auf litterarische Beschäftigung hin-
gewiesen zu haben. Ich halte es für vollkommen undenkbar, dafs
ein Mönch in einem Kloster in Mösien ein solches Werk hätte zu
Stande bringen, dafs er das neueste Annalenwerk hätte erhalten und
über die politischen Angelegenheiten der Gegenwart hätte schreiben
können.
Deshalb halte ich fest an der Entdeckung Jakob Grimms, der
in dem Vigilius, welchem Jordanis sein zweites Werk gewidmet hat,
den damaligen römischen Pabst erkannt und mit überzeugenden
Gründen nachgewiesen hat1). Schon früher hatte Cassel auf einen
Jordanis, Bischof von Kroton, aufmerksam gemacht, welcher in
einem Schreiben des Pabstes Vigilius erwähnt wird ; seine Vermu-
*) Ueber Jornandes S. 12. Ebert S. 535 bekämpft die Annahme, weil
die Sprache des Schreibers nicht hinlänglich respectvoll sei. Mir scheint
das bei der damaligen Sachlage und der durchaus nicht imposanten Per-
sönlichkeit des Pabstes unerheblich. Noch weniger kann ich in den Wor-
ten: „ quatinus diversarum gentium calamitate comperta ab omni aerumna
liberum te fieri cupias et ad Deum convertas, qui est vera libertas" eine
Aufforderung sehen, Mönch zu werden, wie sich dagegen auch Schirren
erklärt. — In der 2. Ausg. S. 561, Anm. 3, ist Ebert dabei geblieben.
78 I- Vorzeit. § 5. Jordanis.
thung, dafs er mit unserm Autor identisch sei, fand Zustimmung.
Es erklärt sich nun dadurch leicht, dafs er von dem Verwalter der
unfern gelegenen Güter Cassiodors dessen Werk auf kurze Zeit er-
hielt, auch dafs er sich nicht selbst im Gothenreiche befand, als er
schrieb. Schirren freilich hat einen anderen Jordanis vorgezogen,
den Pabst Pelagius in einem Schreiben vom Jahre 556 als Defensor
der römischen Kirche erwähnt; allein mit Recht hat Bessell hervor-
gehoben, dafs doch nur ein Bischof den römischen Pabst frater an-
reden könne, und dafs auch der ganze Inhalt des Trostschreibens
nur für einen Amtsbruder angemessen sei. Auch bezeichnen ihn
als solchen nicht geringe Handschriften1). Noch erheblicher aber
ist der Umstand, dafs nach jenem Schreiben des Vigilius Jordanis
von Kroton sich im Jahre 551 mit ihm in Constantinopel befand,
dafs er also zu denjenigen gehörte, welche ihn in seinem Exil (547
bis 554) begleiteten. Dasselbe nimmt auch Schirren von dem
Defensor Jordanis an, und hat deshalb die Vermuthung, welche
auch Stahlberg wahrscheinlich fand, ausführlich begründet, dafs
nämlich Jordanis seine Gothengeschichte 551 in Constantinopel ver-
fafst habe2); darin stimmen Bessell und Gutschmid mit ihm überein,
und in der That ist die Wahrscheinlichkeit dafür so grofs, dafs sie
fast zur Gewifsheit wird. Nun erklärt es sich sehr einfach, weshalb
Jordanis sich Cassiodors Buch nicht wieder verschaffen konnte,
während Marcellins Annalen ihm zugänglich waren; man begreift,
dafs Vigilius und seine Anhänger eines Buches bedurften, welches
ihnen die gothische Geschichte kurz und übersichtlich vorführte, die
ältere vorzüglich, weil die Ereignisse der letzten Jahrzehnte noch
in frischem Gedächtnifs waren. Die Worte Jordanis, in welchen
er seinen Freund Castalius als Nachbar der Gothen (vicinus genti)
im Gegensatz zu seiner eigenen Lage bezeichnet, sind nun nicht
mehr auffallend, und der politische Standpunkt, die ängstliche Be-
hutsamkeit des Verfassers, seine geringe Kermtnifs der Kämpfe in
Italien, der Mangel an Theilnahme für die neue Erhebung unter
Totila, die lebhafte Hoffnung, welche er an den Spröfsling der Anicier
und Amaler knüpft, so wie die Vertrautheit mit den in Byzanz ge-
troffenen Mafsregeln und erst begonnenen Unternehmungen, alles das
tritt in ein helleres Licht, so dafs an der Richtigkeit dieser Annahme
kaum zu zweifeln ist.
1) „episcopum eum dicit librorum ordo primus in titulo Romanorum".
Mommsen p. XIII.
2) Oder in Chalcedon, wohin Vigilius um Weihnachten 550 flüchtete,
und wo er bis zum Frühjahr 553 blieb.
Jordanis. Isidor. 79
Bald nach der Vollendung der Gothengeschichte konnte Jor-
danis auch dem Yigilius seine Chronik überreichen, die, wie er selbst
sagt, im 24. Jahre Justinians (welches am 1. April 551 begann)1),
beendigt war. Die erneuten Kämpfe der Gothen sind hier mit
sichtlicher Abneigung gegen Totila berührt, die letzte Katastrophe
aber war noch nicht zur Keuntnifs des Verfassers gekommen. Uebri-
gens ist dieses Werk, welches gewöhnlich De regnorum successione
genannt wird, richtiger (nach Mommsen) De summa temporum vel
origine actibusque gentis Romanorum betitelt wird, eine unbedeutende
und ungeschickte Compilation; es ist grofsentheils aus Florus ent-
lehnt, so wörtlich, dafs die neuesten Herausgeber desselben, Jahn
und Halm, aus Jordanis den Text des Florus bedeutend berichtigen
konnten ; später benutzt er den Eutrop, Orosius und andere, welche
in der Ausgabe von Mommsen nachgewiesen sind. Wichtig ist diese
Schrift fast nur als höchst charakteristisch für den Standpunkt des
Verfassers, denn die Weltgeschichte ist ihm eben nur die römische,
angeknüpft an die aus der Chronik des Hieronymus entlehnten
Generationen des alten Testaments und die Regentenreihen der
früheren Weltreiche; er beruft sich ausdrücklich auf die Prophe-
zeiung des Daniel, dafs diesem Reich die Herrschaft bis ans Ende
der Welt beschieden sei.
§ 6. Die Westgothen. Isidor.
Aschbach, Geschichte der Westgothen, Frankf. 1827. Lembke, Geschichte von Spanien,
Hamb. 1831. F. Dahn, die Könige der Germanen, Abth. V. 1870. Teuffei § 487.
Spanien gehörte, wie Gallien, in den letzten Zeiten des römi-
schen Reiches zu den blühendsten Provinzen und war von der
römischen Bildung der damaligen Zeit vollkommen durchdrungen.
Unendlich viel ging hier zu Grunde in den verheerenden Kriegen
des fünften Jahrhunderts, wo Spanien unausgesetzt der Kampfplatz
verschiedener deutscher Völkerschaften war; die Westgothen aber,
welche allmählich ihr Reich dort befestigten, zeigten sich der rö-
mischen Bildung ebenso wenig abgeneigt wie die Ostgothen, und
während sie die unterworfenen Romanen mit grofser Milde behan-
delten, erhielt sich auch unter ihnen noch ein Nachklang des wissen-
schaftlichen Lebens der besseren Zeit; sie selbst jedoch haben nicht
in namhafter Weise an dieser Thätigkeit Theil genommen.
l) Mommsen p. XIV.
80 I. Vorzeit. § 6. Westgothen.
Den Anfang der barbarischen Heimsuchung Spaniens erlebte
noch Orosius, der Augustins Geschichte des Reiches Gottes auf
dessen Wunsch die Schilderung des Elendes dieser Welt zur Seite
stellte. Er wollte darin nachweisen, dafs nicht das Christenthum,
wie die Heiden behaupteten, das Elend über die Welt gebracht
habe, sondern dafs es zu allen Zeiten viel Trübsal und Leiden ge-
geben : eine Auffassung, welche in den Zeiten des Unglücks und
der Verwirrung überall Anklang fand und grofsen Einflufs auf die
Ansichten der mittelalterlichen Geschichtschreiber geübt hat, ganz
besonders auf Otto von Freising, dessen Chronik sich unmittelbar
an Augustin und Orosius anschliefst. Für uns mindert die unhisto-
rische Auffassung des Orosius, die dadurch bedingte einseitige Be-
nutzung und Entstellung seiner Quellen, und sein ziemlich leicht-
fertiges Verfahren, den Werth, welchen sein Werk sonst durch die
Benutzung jetzt verlorener Schriften, namentlich des Livius, haben
würde. Im Anfang legt auch er den Eusebius in der Bearbeitung
des Hieronymus und des Rufin zu Grunde, schreibt dann vorzüglich
den Justin aus und geht endlich zu einer ganz überwiegenden
Darstellung der römischen Geschichte über. Das römische Reich
ist ihm nach der erst kurz zuvor, wenn auch nicht zuerst, von
Hieronymus aufgestellten Deutung die vierte Weltmonarchie; als die
vorhergehenden aber sieht er, abweichend von den späteren Chro-
nisten, das babylonische, maceclonische und karthagische Reich an.
Am Schlüsse seines Werkes giebt Orosius die Geschichte seiner
Zeit bis 417, in welchem Jahre er seine Geschichte schrieb, und
dieser Abschnitt hat, obschon dürftig und ganz erfüllt von dem
engherzigen Geiste der pfäffischen Hofpartei, welcher so eben der
Sturz des grofsen Stilico gelungen war, doch selbständigen Werth,
und enthält namentlich gute Nachrichten über Spanien und die
Geschichte der Westgothen1).
Unter der westgothischen Herrschaft entstanden ferner mehrere
jener wortkargen annalistischen Aufzeichnungen, wrelche sich an die
Chronik des Hieronymus anschlössen, und in den späteren Welt-
chroniken regelmäfsig den Uebergang vom Hieronymus zum Beda
l) Th. de Mörner, De Orosii vita eiusque Historiarum libris VII ad-
versus paganos. Berol. 1844. 8. Vgl. Papencordt, Geschichte der Vand.
337—340. 365. Büdinger in Sybels Zeitschrift VII, 113. Pallmann II,
236 — 245. (Gegen dessen Vermuthung einer Fortsetzung unter dem Titel
De Placidia et moribus ejus, Waitz, Gott. Nachr. 1865, S. 113, Zangemeister
in der kl. Ausg. v. 1890 Praef. p. XXI.) Ebert S. 337—344. Ausgabe
von Zangemeister im Wiener Corpus V, 1882. Rec. von Krusch, HZ. L,
472—476, darin S. 475 über das Jahr 417, nach Orosius Rechnung 419.
Die Chronik des Prosper. 81
bilden, weshalb eine Zeit lang westgothische, später angelsächsische
Namen vorherrschen. Die wichtigste dieser Chroniken, für viele
Begebenheiten unsere einzige Quelle, ist das Werk des Aquitaniers
Tiro Prosper, wie er an einigen Stellen genannt wird, oder kurz-
weg Prosper, wie er gewöhnlich heifst1). Um 400 geboren, hat
Prosper sich eine für jene Zeit hervorragende Bildung erworben,
und zwar haben ihn, obgleich er Laie war und blieb2), ganz vor-
züglich theologische Studien beschäftigt. Als eifriger Verehrer und
Bewunderer Augustins kämpfte er wacker gegen Pelagianer und
andere Ketzer, und erwarb sich als Schriftsteller einen angesehenen
Namen. Im Jahre 440 scheint er den Pabst Leo nach Rom begleitet
zu haben; er wird als Verfasser von Briefen genannt, welche Leo's
Namen tragen, und blieb fortan, vermuthlich als Notar, am römi-
schen Hofe, wo er die Angst vor Attila und den Schrecken der
vandalischen Eroberung erlebte. Hier, wie es scheint, hat er sein
Chronicon geschrieben, oder doch vollendet, welches in erster Re-
daction bis 445 reicht3), in zweiter bis 455 fortgeführt ist4). Er
beginnt mit der Erschaffung der Welt, beschränkt sich, aber im ersten
Theile ganz auf einen grundschlechten Auszug aus Hieronymus,
welcher dessen eigenthümlichen Vorzug, die chronologische Bestimmt-
heit und Uebersichtlichkeit, ganz zerstört. Von Christi Tod an be-
ginnt bei ihm das Verzeichnifs der Consuln, welches er einem Exem-
plare der Ravennatischen Fasten entlehnte. Auch finden sich Zu-
sätze, welche sich vorzüglich auf die verschiedenen Ketzereien be-
ziehen und aus Augustins Schriften entlehnt sind. Weiterhin sind
auch andere Quellen benutzt, darunter die Geschichte des ihm geistes-
verwandten Orosius. Spätestens von 425 an berichtet er als Zeit-
genosse, und zwar über einen Zeitraum, aus welchem andere Quellen
1) S. über ihn die Abhandlang von Holder-Egger im NA. I, 13 — 90,
welche ich hier zu Grunde lege.
2) Holder-Egger S. 55, bes. auf Gennadius gestützt. Mommsen frei-
lich nimmt geistlichen Stand an, weil er in dem Schreiben an Augustin
einen Diaconus seinen frater nennt. Das ist jedoch schon von den alten
geistlichen Herausgebern als irrelevant zurückgewiesen.
3) Chronicon vulgatum genannt, weil es zuerst, als Fortsetzung des
Hieronymus, bekannt wurde, in allen Drucken mit Interpolationen. Ueber
die älteste Ausgabe s. oben S. 9 Anm. 5. Erste und beste kritische von
Pontacus: Chronica trium illustrium auctorum, Burdigalae 1604. Mommsen
nimmt wegen der abschliessenden Berechnung eine erste Ausgabe bis 433
an, eine zweite bis 443, an welche Victor Tonnenensis (so schreibt M.) sich
anschloss.
4) Chronicum integrum ed. Labbe, Bibl. nova Manuscriptorum, Paris
1657, I, 16 — 55. Jetzt allein brauchbar die Ausgabe von Mommsen u. d.
T. Epitoma chronicon, Auctt. antt. I, 341 — 485, woran sich verschiedene
Additamente schliessen. (So weit konnte ich diesen Band benutzen.)
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. Q
82 !• Vorzeit. § 6. Westgothen.
fast ganz mangeln. Flüchtig und nachlässig, in dürftiger Kürze be-
richtet er auch hier, aber werthyoll ist in hohem Grade, was er mit-
theilt. Dem Interesse des römischen Stuhles zeigt er sich überall
eifrig ergeben, und verändert sogar Nachrichten des Hieronymus in
solcher Tendenz.
Verständiger Weise hat man schon früh den ersten Theil bis
378 als werthlos fortgelassen, und nur den zweiten als Fortsetzung
mit der Chronik des Hieronymus verbunden. In dieser Gestalt
wurde die Chronik als bequemstes Handbuch der Weltgeschichte
schon sehr früh allgemein benutzt, und noch im 16. Jahrhundert
häufig gedruckt, jedoch mit Zusätzen, welche den ursprünglichen
Text verdunkeln. Man verband damit die Fortsetzung des Matthaeus
Palmerius bis 1449, die weitere des Matthias Palmerius bis 1482,
und fügte noch eine Fortführung bis zum Druckjahre hinzu, weil
man den praktischen Gebrauch im Auge hatte.
Eine Ueberarbeitung der Chronik des Prosper bis 445, mit einer
römischen Fortsetzung bis 451, die noch Verwandtschaft mit dem
Text des Prosper zeigt, ist in Afrika, wahrscheinlich in Karthago,
verfafst und bis 457 fortgeführt, mit Benutzung der Consularfasten.
Hinzugefügt ist eine Uebersicht der Geschichte des vandalischen
Reiches von der Einnahme von Karthago bis zum Untergang des
Reichs 533 l).
Irrthümlich Prosper zugeschrieben ist das Chronicon imperiale
oder Pithoeanum (379 — 455), welches am Anfang und am Ende mit
Prosper übereinstimmt, übrigens aber in Form und Inhalt ganz
verschieden ist. Als Zeitrechnung dienen hier die Regierungsjahre
der Kaiser. Verfafst ist es, wahrscheinlich vom Autor selbst, als
Fortsetzung des Hieronymus; wenigstens findet es sich nur mit
diesem verbunden. Geschrieben ist es auf Grundlage der Consular-
fasten mit Benutzung des Rufinus und anderer unbekannter Quellen
im südlichen Gallien, vielleicht in Marseille, mit besonderer Ver-
ehrung des Klosters Lerins. In scharfem Gegensatz zu Prosper er-
scheint der Verfasser zwar auch von lebhaftem kirchlichen Interesse
erfüllt, aber Augustin abgeneigt und semipelagianistisch gesinnt.
Holder-Egger vermuthet, dafs die Chronik vielleicht unvollendet
l) Das sog. Chronicon Canisianum, auch Ulricianum und Augustanum
nach dem Fundort der HS. in St. Ulrich u. Afra. Diese und die zweite
Pariser HS. stammen aus der Sammlung des Reichenauer Reginbert. Ausg.
Canis. I, 148 u. 306 ed. IL Bibl. Max. Patr. Col. V pars III. Lugd. VIII.
Rone. I, 677—704. S. Holder-Egger im NA. I, 24. 37—47. 278 u. S. 280
bis 291 über den vat. Auszug mit Forts, bis 466 u. Auctarium Prosperi e
cod. Vat. Christ. 2077.
Die Fortsetzer des Prosper. Idatius. 83
blieb und von anderer Hand aus Prosper ergänzt wurde, um den
Uebergang zum Marius zu bilden. Benutzt ist es nur von dem sog.
Severus Sulpicius und später von Sigebert, durch den es allgemein
bekannt und verbreitet wurde. Es ist voll von chronologischen Irr-
thümern, aber enthält wichtige Nachrichten über die Geschicke der
germanischen Völker in Gallien1).
Von erheblichem Werthe und namentlich durch gute Nach-
richten über die Sueven und Westgothen sehr schätzbar ist die
Chronik des galizischen Bischofs Tdatius oder Hyclatius (gebürtig
aus Lamego, daher Lemicensis), welcher den Hieronymus fort-
setzte, und nach seiner eigenen Angabe bis 427, in welchem Jahre
er Bischof wurde, aus Büchern und den Berichten der Zeitgenossen
schöpfte, von da an bis 467 aus eigener Erfahrung von den Begeben-
heiten berichtete, in welchen er als angesehener Bischof eine nicht
unbedeutende Rolle spielte2).
Eine grundschlechte, doch durch ihren Inhalt wichtige Chronik
schrieb Victor, Bischof der unbekannten Stadt Tunnuna in der
afrikanischen Proconsularprovinz. Er scheint von der Schöpfung
begonnen zu haben, aber erhalten ist sein Werk nur als Fortsetzung
des Prosper (444 — 566) 3). An dasselbe schliefst sich die Fort-
setzung eines Gothen, Johannes von Biclaro, der aber in Con-
stantinopel seine Bildung erhalten hatte, bis zum Jahre 590. Er
stiftete 586 das Kloster Biclaro am Fufse der Pyrenäen, wo er
auch seine Chronik geschrieben hat; 591 ist er Bischof von Gerona
geworden 4).
Eine Fortsetzung des Prosper bis 581 schrieb in Burgund der
Bischof Marius von Avenches, auf welchen wir noch zurück-
kommen. Eine eigenthümliche Umgestaltung des Textes mit werth-
vollen Zusätzen und Fortsetzung bis 641 bietet uns der Continua-
x) Holder-Egger im NA. I, 91—120. Ausg. von Pithou 1588 etc.
Roncall. I, 739—760.
2) Rone. II, 1 — 54. Sirmondi opera varia II. Ausg. von De Ram,
Brux. 1845. Migne LI. Vgl. Baehr S. 208—212. Papencordt, Gesch. d.
Vandalen S. 352—355. Ebert S. 443. Krusch, NA. VII, 475—478. Ueber
sein Verhältnifs zu den Consularfasten. Mommsen, Auctt. antt. IX, 201
(oben S. 58).
3) Rone. II, 337. Migne LXVIII. Vgl. Baehr S. 217. Papencordt
S. 359—365. Ebert S. 586. Holder-Egger im NA. I, 298-300. Scaliger
benutzte dieselbe Abschrift Schotts, s. darüber C. Frick, Rhein. Mus. f.
Philol. N. F. XLIV, 369—373.
4) Ausg. von Canisius mit Victor Tunnunensis 1600 etc. Baehr S. 218.
Ebert S. 587. Zu warnen ist vor den von Papencordt benutzten und
durch ihn weiter gelangten, gefälschten Fragmenten des angeblichen Victor
Cartenensis.
6*
g4 I« Vorzeit. § 6. Westgothen.
tor Prosperi Havniensis, so genannt, weil die Handschrift 1836
yon G. Waitz in Kopenhagen entdeckt wurde. Lange nur durch
spärliche Mittheilungen bekannt, wurde sie endlich von G. Hille ab-
geschrieben und 1866 in einer Berliner Dissertation herausgegeben.
Der Verfasser schrieb im Langobardenreich, vielleicht in Mailand,
gehörte aber der romanischen Bevölkerung an. Er versah schon
Hieronymus und Prosper mit Zusätzen aus Isidor, einem Pabstkata-
log und den Consularfasten ; auch hat er gallische Annalen benutzt.
Der Fortsetzung fehlen die Jahre 458 — 474. Beim Jahre 523 hört
die Rechnung nach Consuln auf, und die Regierungen der Kaiser
treten an die Stelle, wie bei Isidor, welcher von nun an dem Ver-
fasser als Leitfaden dient1).
Näher auf diese Werke einzugehen, deren Werth nur in ihrem
materiellen Inhalt besteht, würde hier nicht am Orte sein; sie durf-
ten nicht ganz übergangen werden, weil sie den Uebergang zu den
späteren Chronisten bildeten, denen vorzüglich Prosper und Idatius
ganz allgemein als Grundlage für diese Zeiten dienten: die weiteren
Quellen der westgothischen Geschichte aber dürfen wir hier wohl
unbedenklich bei Seite lassen2). Dagegen haben wir noch eines
Mannes zu gedenken, der, wie jene Vertreter der alten gramma-
tischen Bildung am Hofe von Ravenna, alles was von der über-
lieferten Schulbildung noch übrig war, in sich aufgenommen hatte,
und durch seine Schriften einer der einflufsreichsten Lehrer des
Mittelalters geworden ist, nämlich Isidor von Sevilla3).
Isidor war der Sohn des Severian, eines Provinzialen aus dem
District von Karthagena. Er folgte seinem Bruder Leander auf
dem bischöflichen Stuhle von Sevilla, und starb 636. Aufser vielen
anderen Werken, brachte er die Summe aller Kenntnisse, welche er
sich vermittelst der damals noch vorhandenen Hülfsmittel erworben
J) Bethmann im Arch. X, 380. Waitz, Nachr. 1865 N. 4. Holder-
Egger im NA. I, 259 — 268. Theilweise Auctt. antt. IX in den Consularia
Ital. herausgegeben.
2) Hervorzuheben ist noch des B. Julian von Toledo Historia
Wambae regis über den Aufstand des Herzogs Paulus von Narbonne und
den Sieg des Königs 674. Duchesne I, 821 etc. Migne XCVI. Ebert
S. 604. Ein gefeierter Schriftsteller, Apostel der Sueven in Gallicien, war
der Pannonier Martin, gest. 580 als Bischof von Bracara (Braga). Seine
culturhistorisch wichtige Schrift De correctione rusticorum hat 1883 Caspari
mit gründlicher Einleitung über sein Leben herausgegeben. Vgl. Krusch,
HZ. LH, 128 — 130. Ueber die neue Ausg. und die Hss. der Chronik des
Isidorus Pacensis aus dem 8. Jahrh. s. P. Ewald, NA. X, 604.
3) lsidori Hispalensis Opera ed. Arevalo, 1790—1803. 7 Bände in
quarto. Vol. VII enthält die historischen Schriften. Migne LXXXI bis
LXXXIV. Baehr, S. 221. Ebert S. 588-602.
Isidor von Sevilla, §5
hatte, in ein Compendium, die 20 Bücher Originum sive Etymologiarum,
welche eine aufserordentliche Verbreitung erlangten und allgemein
gelesen und benutzt wurden1). Heut zu Tage ist man geneigt diese
Bestrebungen gering zu schätzen, ja ihnen zu zürnen, weil dadurch
die älteren und besseren Werke verdrängt wurden. Allein es war
damals schwer sich eine Bibliothek zu sammeln; nur wenige von
denen , welche sich mit Wissenschaften überhaupt beschäftigten,
konnten sich die umfangreichen Handschriften der alten Classiker
verschaffen, und deshalb gewannen die leicht zugänglichen Auszüge
eine so rasche Verbreitung. Es ist sehr fraglich, ob sich die reineren
Quellen besser erhalten haben würden, wenn auch niemand Auszüge
daraus verfafst hätte; diese dagegen setzten auch unbemittelte Schüler
in den Stand, wenigstens etwas zu lernen.
In jenem umfassenden Werke, welches freilich auch die mäfsig-
sten Ansprüche unbefriedigt läfst, ist nun auch eine kurze Chronik
oder chronologische Uebersicht, liber de discretione temporum, ent-
halten, ein Auszug aus der zwölf Jahre früher verfafsten Chronik,
Avelche in gedrängtester Kürze eine Uebersicht der Begebenheiten
von der Erschaffung der Welt bis zum fünften Jahre des Heraklius,
dem vierten des Sisebut (615) giebt2). Eigentümlich ist Isidor
die Eintheilung nach den sechs Weltaltern, entsprechend den
sechs Schöpfungstagen; das letzte beginnt mit Christi Geburt und
Augusti Kaiserthum. Es ist das ein bei Augustin wiederholt vor-
kommender Gedanke3), welcher hier zuerst chronistisch verwerthet
wurde und später durch Beda allgemeine Verbreitung fand.
So sehr nun auch Isidor von der kirchlichen Auffassung der
Geschichte erfüllt war, so hatte er doch auch ein lebhaftes Gefühl
für sein Land und für das Volk der Westgothen, von deren Milde
und Menschenfreundlichkeit er ein schönes Zeugnifs ablegt. Denn
nachdem er die Einnahme Roms durch Alarich und die dabei ge-
übte Schonung beschrieben hat, fügt er hinzu: „Deshalb lieben auch
1) Ausg. von Arevalo, Vol. III. IV, von Otto in Lindemanns Corpus
Grammatt. Vol. III. 1833. Migne LXXXII. Ueber die Quellen eine Gott.
Diss. von Dressel, 1875. Die Benutzung der Prata Suetons (Suetonii Reli-
quiae ed. Reifferscheid 1860) ist stark überschätzt. Vgl. L. Traube, Com-
mentationes Wölfflin. p. 198 ss.
2) Bis era 654. Den Ursprung dieser spanischen, 38 a. C. beginnen-
den Zeitrechnung findet Joh. Heller in dem Anfangsjahr der Ostercyclen,
Hist. Zeitschr. XXXI, 13 — 32. — Kurze Fortsetzung bis 877 MG. SS.
XIII, 725.
3) Gegen Büdinger, welcher Isidor für den Urheber derselben hielt,
nachgewiesen von Ebert S. 233 u. 599, u. von H. Hertzberg in seiner Abh.
über die Chroniken des Isidor, Forsch. XV, 289 — 360, wo auch die Quellen
derselben nachgewiesen sind.
86 I. Vorzeit. § 6. Westgothen.
bis auf den heutigen Tag die Römer, welche im Reiche der Gothen
leben, die Herrschaft derselben so sehr, dafs sie es für besser hal-
ten, mit den Gothen in Armuth zu leben, als unter den Römern
mächtig zu sein und die schwere Last der Abgaben zu tragen."
Das steht in der Volksgeschichte der Westgothen, welche er verfafst
hat, kurz zwar und dürftig für uns, die wir nach eingehenderer
Darstellung verlangen, aber doch nicht ohne Geschick zusammen-
gefafst und mit Wärme erzählt. Kurze Geschichten der Yandalen
und der Sueven schliefsen sich daran. Vorangeschickt aber ist ein
überschwengliches Lob Spaniens, das jetzt von dem blühenden Volke
der Gothen in Reichthum und glücklicher Sicherheit beherrscht
werde. Dieses Stück fehlt jedoch in den meisten Handschriften und
ist nicht von Isidor1).
Aufserdem aber haben wir endlich noch ein Werk des Isidor
zu erwähnen, welches ebenfalls grofse Verbreitung gefunden und
manchen zur Nachahmung gereizt hat. Das ist sein literarhisto-
risches Buch De scriptoribus ecclesiasticis. Er selbst folgte darin
dem Vorgange des Hieronymus und des Gennadius, eines Marseiller
Priesters im fünften Jahrhundert. Ihm schlofs sich dann zunächst
Ildefons von Toledo an und darauf nach langem Zwischenräume
im zwölften Jahrhundert Sigebert, Honorius, Petrus Dia-
conus und der ungenannte Mönch, welcher nach dem Fundort der
Handschrift von Melk (Anonymus Mellicensis) genannt wird2), aber
dem Inhalt nach vielmehr nach Regensburg gehört, alle dürftig
und mager, aber schätzbar durch einige nur von ihnen aufbewahrte
Nachrichten. Im dreizehnten Jahrhundert folgte ihnen Heinrich
von Gent3) und endlich am Schlüsse des Mittelalters der vielbe-
lesene, aber unzuverlässige Johann von Trittenheim4). Den-
*) Auch nicht die Recapitulatio, nach Hugo Hertzberg: Die Historien
des Is. (Gott. Diss. 1874) mit genauer Analyse der Quellen, zu welchen
vorzüglich auch die verlorene Geschichte des Bisch. Maximus von Za-
ragoza bis c. 620 gehört, aus welcher auch die Randglossen zum Victor
Tunnunensis stammen (S. 65—72). Vgl. NA. IX, 244. Uebers. d. Volks-
geschichten von D. Coste 1887, Geschichtschr. 10 (VII, I).
2) Ueber die viel bessere gleichzeitige Handschrift in Admunt s. NA.
II, 421.
3) Der Name beruht nur auf der Ausgabe von Suffridus Petri 1580.
Sicher ist er verschieden von dem bekannten Philosophen des Namens,
s. Haureau, Mem. de l'Acad. des Inscriptions XXX, II, 349—357.
4) Alle zusammen gedruckt in J. A. Fabricius Bibliotheca ecclesiastica.
Vgl. Baehr S. 228 — 245. Die gänzlich unzuverlässigen, zum Theil geradezu
erfundenen Angaben des Trithemius sind lange Zeit ohne Prüfung ange-
nommen und werden noch jetzt häufig unvorsichtig nachgeschrieben. Adolf
Helmsdörffer in seinen Forschungen zur Geschichte Wilhelms v. Hirschau
(Gott. 1874) S. 35 ff. weist sehr gut nach, wie Trithemius in seinen eige-
Literarhistorische Werke. 87
selben Gegenstand behandelte im 12. Jahrhundert Conrad von
Hirschau in seinem Dialogus super auctores1), und im Jahre 1380
Hugo von Trimberg, Lehrer zu St. Gangolf in Bamberg, in Versen,
in seinem Registrum multorum auctorum, dessen nicht eben reicher
Ertrag von M. Haupt geprüft ist, in den Sitzungsberichten der Ber-
liner Akademie 1854, S. 142 ff.; vollständig herausgegeben von Joh.
Huemer2).
§ 7. Die Franken.
Histoire Litteraire de Ja France, 1733 ff. Guizot, Histoire de la Civilisation en France
depuis la chute de l'Erapire Romain, zuerst 1830 erschienen. Ampere, Histoire Lit-
teraire de la France avant le douzieme siecle. 3 Vol. 1839. 1840. Aug. Thierry,
Recits des temps Merovingiens, 1840. Löbell, Gregor von Tours und seine Zeit,
1839. Zweite Ausg. 1869. Ozanam. Etudes Germaniques, 1845 1849; 3. Ausg. 1861.
Junghans, Die Gesch. d. Frank. Könige Childerich u. Chlodevech, 1857. Diss. tra-
duite par M. Gabriel Monod, augmentee d'une introduction et de notes nouvelles,
1879. G. Monod, Bibliographie de l'histoire de France, 1888.
Die Gothen waren ohne Zweifel ein wohlbegabter, bildungs-
fähiger Stamm und ihre Anfänge vielversprechend; aber die West-
gothen zeigen nacli Isidor keine fortschreitende Entwicklung in
der Litteratur, und der Ostgothen Reich war in vollster Auflösung
begriffen, als es den Feldherren Justinians erlag. Keines der deut-
schen Reiche, welche auf römischem Boden errichtet wurden, ver-
mochte die innere Festigkeit und Ordnung zu gewinnen, welche
allein die Grundlage einer dauernden und fortschreitenden Geistes-
bildung und litterarischen Entwickelung darbieten kann. Einen
ganz ähnlichen Verlauf der Dinge sehen wir auch bei den Franken:
auch sie finden einige Reste der alten Bildung vor, welche sich eine
nen Schriften sich nicht gleich bleibt, die erfundenen Schriftsteller seiner
Annales Hirsaug. in den älteren Verzeichnissen selbst nicht kennt. (Vgl.
auch Silbernagel, Trith. 1885, über die Zusätze der Würzb. Hs. zu seinem
Catalogus illustrium virorum.) Er verweist auf ein ungedrucktes Werk des
Abts Andreas von Michelsberg Opus canonisatum de Ordine S. Benedict^
welches in Verbindung mit ihm steht (s. Arch. XI, 421 — 424). Nicolaus
de Siegen in Erfurt in seinem Chronicon ecclesiasticum (ed. Wegele, Thür.
Geschichtsquellen II, 1855) scheint ihn schon benatzt zu haben. Ein Con-
gestus virorum illustrium Ordinis S. Benedicts von Petrus Gallus Wagner
1487 in St. Ulrich und Afra verfafst, ist noch ungedruckt und scheint un-
abhängig zu sein. Das (werthlose) von Radulfus de Diceto seiner
Chronik vorausgeschickte Verzeichnifs seiner Gewährsmänner s. in der Ausg.
von W. Stubbs, Lond. 1876, NA. III, 208.
*) Entdeckt und herausgegeben von G. Schepss im Progr. des alten
Gymn. in Würzburg 1889.
2) Wiener SB. CXVI, 145—190. Ueber eine zweite von A. Ebner
gefundene Hs. NA. XVI, 203.
88 I. Vorzeit. § 7. Die Franken.
Zeit lang kümmerlich erhalten; in der Kirche regt sich dann einige
litterarische Thätigkeit, aber zuletzt droht doch alles in der allge-
meinen Aullösung und Verwirrung rettungslos unterzugehen, und es
bedarf einer Neubelebung der fast ganz erstorbenen Keime, um ein
besseres Zeitalter herbeizuführen auf der Grundlage festerer staat-
licher Bildungen.
Hochberühmt waren in den letzten Jahrhunderten der Kaiser-
herrschaft die Schulen der Grammatiker und Rhetoren in Gallien,
die französischen Schriftsteller gefallen sich darin, das Bild dieser
Zeiten auszumalen, und es tritt uns in den Werken von Guizot und
Ampere lebendig entgegen. Diese Studien, welche noch in den
letzten Jahrzehnten des Reiches so eifrig betrieben wurden, waren
aber, wie sich das bei dem Charakter dieser Zeiten nicht anders
erwarten läfst, dem wirklichen Leben gänzlich entfremdet, und be-
wegten sich nur auf dem Boden der Schule. Die Prosa war bis
auf einen unerträglichen Grad verkünstelt; die gesuchte, kaum ver-
ständliche Schreibart, deren wir schon bei Enuodius und Cassiodor
gedachten, ist hier auf die Spitze getrieben. Die Poesie war vor-
herrschend epigrammatisch und diente fast nur dem Zeitvertreib
der vornehmen Welt; durch Gelegenheitsgedichte suchten die Poeten
die Gunst hoher Gönner, oder diese griffen auch selbst zur Feder,
und bewiesen ihre feine Bildung durch allerhand poetisches Spiel-
werk, wie Ausonius aus Bordeaux, der nach der Verwaltung be-
deutender Staatsämter in Mufse der Litteratur lebte und bald nach
392 gestorben ist1). Weniger glücklich als dieser, sah sich Apolli-
naris Sidonius schon verdammt, unter den Barbaren zu leben,
und deshalb sind seine Gedichte und Briefe von um so gröfserem
Werthe für uns: sie zeigen uns nicht nur den damaligen Zustand
der Schulen und des Lebens in Gallien, sondern gewähren auch
manche Kunde von den Burgunden und Westgothen, denen er mit
seiner Kunst dienen mufste. Innigst verabscheut er diese Barbaren,
und bei mancher Gelegenheit spricht er das unverhohlen aus, aber
bewundern und feiern liefs er sich doch recht gerne von ihnen. Auch
das grofse Hochzeitsfest der Franken, bei welchem diese von Aetius
überfallen wurden, hat Sidonius zum Preise des Siegers geschildert.
Zuletzt wandte er sich der Kirche zu, welche allein noch einen
J) Neue Ausg. v. C. Schenkl, MG. Auctt. antiquiss. V, 2. 1883; von
Peiper 1886, Leipz. Teubner. Mosella mit frz. Uebers. und Anm. von H.
de la Ville de Mirmont, Bordeaux 1889. Manitius. Gesch. d. christl. lat.
Poesie (1891), S. 105-111.
Ausonius. Apollinaris Sidonius. 89
sicheren Hafen darbot, wurde 471 Bischof von Clermont in der
Auvergne und starb bald nach 484 1).
Einst hatte Constantin die fränkischen Gefangenen den wilden
Thieren vorwerfen lassen, weil sie ihm zu wild und treulos erschie-
nen, um sich wie andere Barbaren zum Anbau des Landes, zum
Kriegsdienst oder als Sclaven verwenden zu lassen : nur der Schrecken,
meinte er, vermöge sie zu bändigen. Aber die vielfache, wenn auch
feindliche Berührung mit den Römern milderte allmählich ihre Wild-
heit; bald finden wir Franken in ansehnlichen Aemtern bei den
Römern, und schon am Ende des vierten Jahrhunderts war der
Franke Arbogast Befehlshaber der Heeresmacht im westlichen Reiche.
In der Mitte des fünften Jahrhunderts sind die salischen Franken
von den Römern abhängig, sie führen ihre Kriege und schlagen
ihre Schlachten. Mit den Römern verbündet, durchzieht der König
Childerich ganz Gallien nach allen Seiten; er besiegt mit ihnen die
ketzerischen Westgothen, die britischen und sächsischen Seeräuber,
die plündernden Alamannen. Obgleich noch Heide, ist Childerich
mit seinen Franken doch bereits dem ganzen Lande wohlbekannt,
aber nicht mehr als der wildeste aller Feinde, sondern als Retter
und Beschützer. Man freute sich des alten Hünen, wo man ihn sah,
hoch zu Rofs, in reicher und prächtiger Rüstung: der Königsmantel,
in welchem seine Getreuen ihn zu Tournay bestattet haben, bestand
aus purpurner golddurchwirkter Seide, wahrscheinlich besetzt mit
den goldenen Bienen, die man in so grofser Zahl in seinem Grabe
fand und die Napoleon von ihm entlehnt hat. Natürlich war das
alles von römischer Arbeit, auch sein Siegelring führte die lateinische
Inschrift: CHILDIRICI REGIS2).
*) Teuffei § 460. Fertig, Apollinaris Sidonius und seine Zeit, in 3
Würzburger und Passauer Programmen 1845. 46. 48. Georg Kaufmann,
Die Werke des C. Sollius Apollinaris Sidonius, Gott. Diss. 1864. Derselbe,
Ueber Leben und Charakter des Sidonius, im Neuen Schweizer Museum,
1865. Von demselben: Rhetorenschulen und Klosterschulen oder heid-
nische und christliche Cultur in Gallien während des 5. und 6. Jahrhun-
derts, in Raumers hist. Taschenbuch IV, 10 (1869) S. 1—94. St. Sidoine
Apollinaire et son siecle par l'abbe Chaix, 1867; besser als das Buch ist
die Recension von G. Kaufmann, GGA. 1868, S. 1001—1021. Ebert I,
419 ff. Manitius a. a. O. S. 218—224. Mommsen, S. A. am westgoth.
Hof, Berl. SB. 1885, S. 215—223. Büdinger, A. S. als Politiker, Wiener
SB. XCVII, 915 — 954. Aufsatz von Sandret über ihn als Historiker in d.
Revue des questions hist. LXIII, 210 (Juli 1882). Ausg. von Gregoire
und Collombet in 3 Bänden, Lyon 1836; v. Baret, Paris 1879; v. Luetjo-
hann MG. Auctt. antt. VIII. Migne LVIII. E. Chatelain über den cod.
Vat. 3421, Melanges Graux, S. 321—327.
2) J. J. Chifflet, Anastasis Childerici I illustrata, Antv. 1655, 4. L'abbe
Cochet, Le Tombeau de Childeric I. Paris 1859.
90 I. Vorzeit. § 7. Die Franken.
, Da ist es denn nicht zu verwundern, dafs auch daheim im
Salierlande schon Römer wohnen konnten, als Gäste und Hausge-
nossen des Königs, ja dafs auch die Salier selbst ihr eigenes Volks-
recht in lateinischer Sprache aufzeichneten — denn noch wagte
oder verstand man es nicht, die fränkische zur Schriftsprache zu
machen, und erst an eben dieses Rechtsbuch lehnten die ersten
noch unbeholfenen Versuche sich an1) — und andererseits erklärt
es sich auch, wie bald darauf die Vermischung der Franken mit
den schon halb barbarisch gewordenen Provinzialen so leicht und
rasch von Statten gehen konnte; war man doch beiderseitig schon
längst daran gewöhnt, mit einander zu leben und zu verkehren.
In lateinischer Sprache ist auch das älteste uns erhaltene Denk-
mal einheimischer Poesie der Franken verfafst, der Prolog zum
Volksrecht der Salier, wo das Volk der Franken hoch geprie-
sen wird, das schöne, kluge, tapfere und treue, das jetzt auch den
katholischen Glauben empfangen habe und von jeder Ketzerei rein
sei. Die frühere Abhängigkeit von den Römern erschien ihnen in
der Erinnerung als die härteste Knechtschaft, deren Joch sie mit
ihrer gewaltigen Kraft abgeworfen hätten, und voll Stolzes rühmen
sie sich der reichen Gaben an die Kirchen der heiligen Märtyrer,
gegen welche die Römer einst mit Feuer und Schwert gewüthet
hätten.
Dieser letzte Satz, welcher erst lange nach der Bekehrung ge-
schrieben sein kann, hat aber nicht mehr die rhythmische Form,
welche für den Anfang dieses Prologs zuerst von Bethmann-Holl-
weg nachgewiesen hat2), und dieser erste Theil, in welchem die
neulich geschehene Bekehrung des Volkes erwähnt wird, scheint
älterer Zeit anzugehören. Doch ist das sehr unsicher und die ge-
nauere Zeitbestimmung des Prologs viel umstritten.
So wie die Franken das Christenthum sogleich mit dem ortho-
doxen Eifer ergriffen, welcher sich in jenen Worten ausspricht, so
waren sie auch der übrigen römischen Bildung durchaus nicht feind;
ja Chlodovechs Enkel Chilperich, der auch für byzantinischen Hof-
staat und römische Staatseinrichtung grofse Vorliebe zeigte, ver-
suchte sogar das lateinische Alphabet durch Erfindung neuer Buch-
*) Ungeachtet anderer entgegengesetzter Ansichten scheint mir diese
Auffassung dem ganzen Bildungsgang der Franken nicht nur, sondern auch
anderer Völker in gleicher Lage besser zu entsprechen.
2) Schmidts Zeitschrift für Geschichte IX, 49. Vgl. Waitz, Das alte
Recht der salischen Franken, S. 36 ff. und jetzt ausführlicher in d. 3. Aufl.
d. Verfassungsgesch. II, 1, 122 ff. Der Schluss des Prol. aus d. Pariser
Hs. Lat. 2294 bei L. Delisle, Sacramentaires p. 187.
Lex Salica. Venantius Fortunatus. 91
staben zu verbessern, und machte selbst lateinische Verse nach dem
Vorbilde des Sedulius, aber wie Gregor von Tours berichtet, wollte
es ihm mit der Metrik nicht recht gelingen1).
Höchst charakteristisch für diese erste Zeit der Vermischung
des Alten und Neuen ist die Persönlichkeit des Venantius For-
tunatus2). Noch in den alten Rhetorenschulen gebildet, ist er
einer der letzten Repräsentanten jener verkünstelten Schulgelehr-
samkeit. Er stammte aus Italien und kam um das Jahr 565 nach
Gallien, an König Sigiberts Hof, wo man viel Gefallen an dieser
Poesie fand. Ueberall bei den fränkischen wie bei den römischen
vornehmen Herren und Bischöfen war er ein gern gesehener Gast
und auf ein Lobgedicht von ihm legte man den gröfsten Werth.
Aber mehr als alles dieses fesselte ihu die Freundschaft der heiligen
Radegunde, die ihn zuletzt bewog, in den geistlichen Stand einzu-
treten und sich ganz nach Poitiers zurückzuziehen. Hierhin hatte
Radegunde, aller Herrlichkeit der Welt entsagend, sich begeben,
um ihr Leben in dem von ihr gestifteten Kloster bei den Werken
der Frömmigkeit und Demuth zu beschliefsen, sie, einst die Ge-
mahlin Chlothars, den sie aber nach der Ermordung ihres Bruders,
des letzten Sprossen der thüringischen Königsfamilie, verlassen hatte.
Nur ein Vetter von ihr war noch übrig, der in Constantinopel lebte,
und an diesen schrieb nun Fortunat in ihrem Namen eine wahrhaft
schöne poetische Epistel, in welcher er den Untergang des thürin-
gischen Reiches in ergreifender Weise schildert. Ebenso schön ist
ein zweites langes Gedicht über das traurige Geschick der Galswin-
tha, Tochter des Westgothenkönigs Athanagild, der Schwester der
Königin Brunhilde, die mit König Chilperich vermählt, aber bald
nach der Hochzeit auf Anstiften der Fredegunde ermordet wurde3).
Wo Fortunat in solcher Weise einen bedeutenden Gegenstand
aus dem wirklichen Leben zu behandeln unternimmt, zeigt er wahres
*) S. darüber Gregor von Tours V, 45, und die Uebersetzung Giese-
brechts I, 287. Das ihm zugeschriebene Epitaphium S. Germani bei Aimoin
III, 16 scheint nicht wirklich von ihm zu sein.
2) Baehr S. 145—161. Teuffei § 483. Ebert I, 518 ff. Manitius
S. 438 — 470. Vgl. über ihn besonders die Werke von Guizot und Ampere.
Opera poetica ed. Fr. Leo, MG. Auctt. antiquiss. IV, 1. 1881 ; Op. pedestria
ed. Krusch ib. 2. 1886. Vgl. auch Böcking: Moselgedichte des Ausonius
u. Ven. Fortunatus, Bonn 1845 (Jahrbuch der Alterthumsfreunde im Rhein-
land, Band VII). Fr. Leo, V. F. der letzte röm. Dichter, Deutsche Rund-
schau XXXII, 414—426. Sehr häufige Benutzung im MA. hat Manitius
nachgewiesen.
3) Beide Gedichte schreibt Ch. Nisard der Radegunde, Ven. nur Re-
touche zu, hat aber nur Widerspruch gefunden, s. NA. XIV 437. W. Lip-
pert, Zts. f. Thür. Gesch. N. F. VII, 16—38.
92 I. Vorzeit. § 7. Die Franken.
Gefühl und ungewöhnliches Talent. Aber bei weitem die Mehrzahl
seiner Gedichte bewegt sich ganz in der spielenden Weise seiner
Zeit; er bedichtet jede gute Mahlzeit, die Radegunde ihm zukommen
läfst, und widmet jedem kleinen Vorfall ein Epigramm. Vollends
unerträglich ist seine Prosa, schwülstig, geziert, kaum verständlich;
nur in den von ihm verfafsten Heiligenleben redet er einfach und
natürlich. Das findet sich überhaupt fast durchgehends, nur wenige
derselben sind in dem gesuchten Stil der Schule geschrieben, und
zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie zur Erbauung, zum
Vorlesen bestimmt waren, und deshalb allgemein verständlich sein
mufsten.
In den Heiligenleben, die Fortunat verfafste, herrscht übrigens
der moralisch-theologische Zweck und Standpunkt zu sehr vor, als
dafs sie einen bedeutenden historischen Werth haben könnten; am
anziehendsten und am lehrreichsten ist das Leben der Radegunde
(f 13. Aug. 587), worin das Klosterleben der damaligen Zeit an-
schaulich geschildert wird, doch waren auch hier so bedeutende und
für das Kloster wichtige geschichtliche Vorgänge ganz übergangen,
dafs schon von der damaligen Aebtissin Dedimia der Nonne Baudo-
nivia die Abfassung einer zweiten Biographie aufgetragen wurde,
was sie gewissenhaft, wenn auch in ungeschickter Weise, bald nach
600 ausgeführt hat1).
Wie nun die Legenden sich schon durch ihre einfache Sprache
als dem Leben näherstehend bewähren, so zeigt es sich überhaupt
bald, dafs die kirchliche Litteratur die einzige wahrhaft lebensfähige
war. In die Kirche flüchteten sich alle, welche noch Sinn und
Neigung für litterarische Bildung hatten, die in dem wilden Ge-
tümmel des weltlichen Lebens keine Stätte mehr fand. Das sahen
wir an Ennodius, der auch im südlichen Gallien geboren und in den
dortigen Rhetorenschulen gebildet war, an Cassiodor, Jordanis, Apol-
linaris Sidonius, und auch Fortunat wurde in seinem hohen Alter
noch Bischof von Poitiers, wo er zu Anfang des siebenten Jahr-
hunderts gestorben ist.
Jene innerlich leblose gekünstelte Litteratur der Grammatiker
starb mit ihren letzten, von den Franken noch vorgefundenen Re-
präsentanten ab, und nur die Kirche bewahrte von nun an die
Keime des geistigen Lebens, welche sie naturgemäfs für ihren Dienst
J) De vita S. Radegundis libri II, ed. Krusch, SS. Meroviüg. 11,^358—395.
Vgl. Dümmler: Radegunde von Thüringen (Im neuen Reich 1871, S. 641
bis 656). Die Kehrseite zeigen die höchst ärgerlichen und anstöfsigen
Zustände im. Kloster gleich nach Radegundens Tod, Greg. Tur. IX, 39 — 43.
X, 15-17.
Heiligenleben. 93
verwandte. Freilich konnte auch sie dem Druck dieser Zeiten nicht
unversehrt widerstehen; die früher in Gallien sehr bedeutende spe-
culativ-theologische Thätigkeit hörte gänzlich auf, da man zu ge-
waltsam vom Drange des praktischen Lebens ergriffen wurde; aber
in diesem bewahrte die Kirche eine bedeutende Stellung. Politisch
war die Macht der Bischöfe im fränkischen Reiche bald gröfser, als
sie je gewesen war, und wenn sie auch von der immer mehr über-
hand nehmenden Verwilderung stark ergriffen wurden, so ging der
tiefere sittliche Gehalt in der Kirche doch niemals völlig verloren,
und mitten in dem allgemeinen Yerderben erschienen immer aufs
neue einzelne Männer, welche durch Reinheit der Gesinnung und
durch rückhaltlose Hingabe ihrer eigenen Person für die Gebote
des Evangeliums die Verehrung ihrer Zeitgenossen und die Bewun-
derung der Nachwelt erzwangen. Zu keiner Zeit nach den ersten
Jahrhunderten der christlichen Kirche finden wir eine gröfsere Zahl
von Heiligen als gerade damals, Männer und Frauen, grofsentheils
von hervorragender äufserer Stellung, die durch Entsagungen aller
Art, durch aufopfernde "Wohlthätigkeit, durch unerschrockenes Auf-
treten gegen die Verbrechen der Grofsen und Mächtigen, sich die
dankbare Verehrung des Volkes erwarben. Das äufsere Leben nahm
gebieterisch alle ihre Kräfte in Anspruch; für wissenschaftliche Be-
strebungen war kein Raum in dieser Zeit, und die geringe littera-
rische Thätigkeit, welche noch Statt findet, beschränkt sich auf
Predigten, moralische Schriften und Legenden, die ebenfalls als Vor-
bilder zum Zweck der unmittelbaren Einwirkung auf die Zeitgenossen
verfafst wurden.
Auf diesem Felde schlofs sich an Sulpicius Severus eine reiche
Litteratur an, und auch der Mann, mit dem wir uns zunächst zu
beschäftigen haben, der bedeutendste Schriftsteller der merowin-
gischen Zeit, Gregor von Tours, wandte der Legende seine Thätig-
keit hauptsächlich zu.
§. 8. Gregor von Tours.
Opera ed. Ruinart, Paris 1699, fol. Migne LXXI. SS. Meroving. I. 1885 (Hist. Fr. ed.
W. Arndt, de miraculis S. Andreae ed. M. Bonnet, die übr. Schriften v. ßr. Krusch).
Rec. v. Bonnet, Revue crit. 1885 N. 9 (vgl. NA. X, 603), 1886 N. 8 (vgl. NA. XI,
632). Differenzen zw. Krusch u. Bonnet NA. XII, 309-314. XVI, 432. XVII, 199-203.
Krusch: Chlod. Sieg über die Alamannen, gegen Vogel, NA. XII, 289 — 302; zu
Greg, de cursu stell. NA. XII, 303 — 314.
In Not. et Doc. publ. p. la Soc. de l'hist. de France (1884) giebt H. Omont S. 1— 18 Nach-
richt von einem durch L. Delisle in Kopenhagen entdeckten Fragment e. Hs. d. Hist.
in Uncialen u. einer zweiten saec. IX. Auch sind die Leid. u. Vat. Fragmente (A2
bei Arndt) abgedruckt. — L. I — VI e cod. Corb. mit den Zusätzen d. 2. Ausg. v.
94 I- Vorzeit. § 8. Gregor von Tours.
H. Omont 1886. Album pal. pl. 12 codd. Belvac. Corb. pl. 13 Caraerac. mit von
Bethmann übersehenen Correcturen.
UebersetzuDg der Gesch. mit vortrefflicher Einleitung von W. Giesebrecht. Berlin 1851,
2. Aufl. 1878 (Geschichtschr. 8. 9. VI, 4. 5). Kries, De Greg. Tur. vita et scriptis,
Vratisl. 1838. Löbell, Gregor von Tours und seine Zeit, Leipzig 1839, 1869.
Haeusser S. 8 — 17. R. Koepke in der Allg. Monatsschrift, 1852 Sept. S. 775 — 800.
Kl. Sehr. S. 289 ff. Waitz in den Gott. Gel. Anz. 1839, S. 781 -793, in Schmidts
Zeitschrift für Geschichte II, 44. Dazu jetzt die vortreffl. Monographie von G. Mo-
nod: Etudes critiques sur les sources de l'hist. Merovingienne (Bibl.de l'Ecol. des
hautes etudes, 8 Fase. 1872) p. 21 — 146 (vgl. seine oben S. 39 angeführte Recen-
sion), rec. v. Dümmler, Lit. Centr. 1872, 819 ; v. Waitz, GGA. 1872, 903-909; v. W.
Arndt, Hist. Zeitschr. 23, 415-422. Ebert S. 566-579. Alfred Jacobs, Geographie
de Gregoire de Tours et de Fredegaire, Paris 1861, u. bei der Ausg. von Guizots
Uebersetzung. Longnon, Geographie de la Gaule ä l'epoque de Gr. de T. 1878.
Le Mire, Etudes archeolog. sur Gr. de T. Lons-le Saulnier 1879. Bonnet, Le Latin de
G. de T. Paris 1890.
Gregor von Tours stammte aus einer sehr vornehmen römischen
Familie, der fast alle Bischöfe von Tours und viele Heilige ange-
hörten. Um das Jahr 540 in Clermont-Ferrand (Arverni) geboren,
erhielt er nach seinem Vater und seinem Grofsvater die Namen
Georgius Florentius; Gregor hat er sich erst später genannt, nach
seinem mütterlichen Ahnherrn, dem heiligen Gregorius, Bischof von
Langres. Seinen Vater scheint er früh verloren zu haben; erzogen
wurde er an seinem Geburtsort von seinem Oheim, dem heiligen
Bischof Gallus, und nach dessen Tode von dem Priester Avitus, der
im Jahre 571 ebenfalls Bischof von Clermont wurde. Er selbst nennt
nur diesen, der ihn nicht in weltlicher, sondern in kirchlicher
Wissenschaft unterwiesen habe. Doch hat er natürlich in der Schule
einige Kenntnifs des Vergil und Sallust bekommen, weifs auch von
Marcianus Capeila, aber seine Citate beschränken sich auf das erste
Buch der Aeneide und den Prolog des Catilina, wie G. Kurth nach-
gewiesen hat, welcher daraus den Schlufs zieht, dafs eine Chresto-
mathie dieser Art damals im Schulgebrauch gewesen sei1).
Im Jahr 573 erhielt Gregor von König Sigebert das Bisthum
Tours, und Fortunat versäumte nicht, sein Gedicht dazu zu machen;
Gregor, der ihm nahe befreundet war, hat ihn später sogar mit einem
Landgütchen beschenkt.
Der Bischof von Tours, der Nachfolger des heiligen Martin,
war eine der ansehnlichsten Personen im fränkischen Reiche, ein
Kirchenfürst von bedeutender Macht, und mehr noch wegen der
ungemeinen Verehrung des heiligen Martin ein Mann, auf den die
Blicke vieler Menschen gerichtet waren und dessen Stimme bei allen
Staatshändeln von Gewicht war. Bei den inneren Kriegen unter
den Merowingern konnte es daher nicht fehlen, dafs Gregor sehr
*) Godefroy Kurth: Saint Gregoire de Tours et les etudes classiques
au VI. siecle. Revue des questions historiques, Oct. 1878.
Gregor von Tours. 95
bald in schwierige Verwickelungen hineingezogen wurde, und gleich
anfangs sah er sich in sehr gefährdeter Lage, als Chilperich die
Stadt Tours seiner Herrschaft unterwarf. Er benahm sich aber
stets mit Klugheit und Festigkeit, und wufste sich selbst gegen
erbitterte und mächtige Feinde zu behaupten. Nach Chilperichs
Tode (584) stieg sein Ansehen, und yon nun an war er einer der
einilufsreichsten Männer im Reiche. Allgemein geachtet starb er
am 17. Nov. 594, und hinterliefs ein dankbares Andenken in seinem
Sprengel, für den er in jeder Beziehung mit unermüdlichem Eifer
thätig gewesen war; man verehrte ihn sogar als einen Heiligen.
Seine im zehnten Jahrhundert in Tours verfafste Biographie hebt
nur diese Seite hervor, und gewährt fast keine neue Belehrung
über ihn1).
Vieles hatte Gregor erlebt und gesehen, von seiner Kindheit
an, wo die Auvergne der Schauplatz des Kampfes zwischen Chlothar
und Childebert war, bis zu dem blutigen Streite der Königinnen
Brunhilde und Fredegunde; seitdem er zu den Bischöfen des Reichs
gehörte, konnte kein bedeutendes Ereignifs eintreten, ohne ihn un-
mittelbar zu berühren; von allem erfuhr er, und an vielen wichti-
gen Staatsgeschäften nahm er persönlich Theil; einen grofsen Theil
des Reiches kannte er aus persönlicher Anschauung. Da erwachte
in ihm der Wunsch, die Kunde dieser Dinge auch der Nachwelt
zu überliefern, und während er das Leben der Heiligen beschrieb
und reiche Sammlungen von Wundergeschichten verzeichnete, ar-
beitete er zugleich unablässig an dem Geschichtswerke, welchem
wir fast allein unsere Kenntnifs von dem Reiche der Merowinger
verdanken. Noch trägt es die Spuren seiner allmählichen Entste-
hung, man erkennt spätere Nachträge, und es fehlt ihm die letzte
Vollendung. Um so gröfser ist deshalb die Glaubwürdigkeit der
letzten Bücher, in welche er den Ereignissen gleichzeitig die Zeit-
geschichte eintrug.
Häufig nennt man dieses Werk die Kirchengeschichte der Fran-
ken, und in manchen Handschriften trägt es nach dem Vorbild des
Beda diesen Titel (Historia ecclesiastica Francorum). Allein so sehr
auch dem Charakter der Zeit entsprechend das kirchliche Element
vorwiegt, der Inhalt zeigt doch, dafs jene Ueberschrift den Grund-
gedanken des Werkes nicht ausdrückt und also nicht von Gregor
J) Die darin von ihm erzählte Reise nach Rom ist erfunden, s. Monod
p. 37. Als Verfasser ist von Ruinart ohne Grund der Abt Odo von Cluny
genannt, ib. p. 25.
96 I- Vorzeit. § 7. Gregor von Tours.
herrühren kann. Richtiger nennt man es: Zehn Bücher fränkischer
Geschichten.
Gregor hatte bereits Vorgänger gehabt; er selbst, und nur er
allein, hat uns (II, 8. 9) Namen und Bruchstücke von zwei ver-
lorenen Historikern aufbewahrt, von Renatus Profuturus Fri-
geridus *), dessen zwölftes Buch der Geschichten er anführt, und
Sulpicius Alexander. Aber diese scheinen beide noch den
Zeiten der letzten Kaiser angehört zu haben, und niemand ver-
suchte mehr das Andenken dieser trüben Zeiten aufzuzeichnen. Mit
der Klage darüber beginnt Gregor sein Werk. Jetzt, da die Pflege
der schönen Wissenschaften in den Städten Galliens vernachlässigt,
ja sogar gänzlich in Verfall gerathen sei2), so lauten die inhalts-
schweren Worte, jetzt finde sich kein Gelehrter, dem die Kunst der
Rede zu Gebote stände3), der in Prosa oder Versen die Begeben-
heiten der Gegenwart der Nachwelt aufbewahre. Laut klage das
Volk: Wehe über unsere Tage, dafs die Pflege der Wissenschaften
bei uns untergegangen ist und niemand sich findet, der, was zu un-
sern Zeiten geschehen, berichten könnte! Deshalb also, weil kein
anderer auftrete, habe er es auf sich genommen, das Gedächtnifs
dieser Tage den Nachkommen zu überliefern.
Die Geschichte seiner Zeit also ist sein Gegenstand; aber um
dafür eine chronologische Grundlage zu gewinnen, schickt er im
ersten Buche eine Uebersicht der Weltgeschichte, hauptsächlich der
biblischen, seit der Schöpfung voran4); die Erzählung von der Stif-
tung der gallischen Kirchen, zuletzt von seinem Schutzheiligen Sanct
Martin, giebt dann den Uebergang zur fränkischen Geschichte.
Allein er führt doch auch noch einen anderen Grund an für die
Berechnungen, mit denen er sein Werk beschliefst, nämlich damit
diejenigen, welche wegen des herannahenden Endes der Welt in Sor-
gen sind, genau wissen möchten, wie viele Jahre seit der Erschaf-
fung der Welt verflossen wären. Denn diese Vorstellung beherrschte
auch ihn, so wie alle, die auf das untergehende römische Reich, das
letzte Weltreich, ihre Blicke gerichtet hatten. Und in der That
1) J. Grimm, Ueber Jornandes S. 17, erklärt den letzten Namen für
gothisch. Beide Namen kommen bei Ammian XXXI, 7 vor. Schirren,
De Jord. p. 7, vermuthet in dem Profuturus ep. Braccarensis, an welchen
Pabst Vigilius 538 schreibt, den Autor.
2) Decedente atque immo pötius pereunte ab urbibus Gallicanis libe-
ralium cultura litterarum.
3) Peritus dialectica in arte grammaticus.
4) Libuit etiam animo, ut pro supputatione annorum ab ipso mundi
principio libri primi poneretur initium.
Gregor von Tours. 97
bot diese Zeit kaum etwas anderes dar, als Zeichen des Verfalles
und des Unterganges; Keime neuen Lebens mufsten dem Franken-
reiche in Gallien erst von aufsen wieder zugetragen werden, für die
Neugestaltung des Staates von Austrasien, für die Kirche von den
britischen Inseln.
Vor allem findet nun Gregor es durchaus nothwendig, sein
Glaubensbekenntnifs an die Spitze des Buches zu stellen, damit kein
Leser an seiner Rechtgläubigkeit zweifeln könne; denn ein Haupt-
gegenstand seines Werkes würden die Kämpfe der Kirche mit den
Ketzern sein. Höchst charakteristisch ist dies für eine Zeit, die
seit Jahrhunderten von dem Gegensatze der Katholiken und Arianer
erfüllt war, wo der Name des Orthodoxen der höchste Ehrentitel
der Fürsten war, und die Franken ihren gröfsten Stolz darin fan-
den, von jeder Ketzerei frei zu sein. Das gesteht ihnen auch der
Mönch Jonas im Leben des Columban zu; den katholischen Glau-
ben finde man bei ihnen, nur leider von den Werken auch gar
keine Spur.
Es ist aber dieser Standpunkt für die Beurtheilung von Gregors
Werk sehr wichtig; seine ganze Auffassung Chlodovechs beruht
darauf. Nicht nach schriftlichen Aufzeichnungen schildert ihn Gre-
gor; für die ersten Zeiten hat er wohl die schon erwähnten Autoren
und den Orosius benutzt, auch einzelne annalistische Notizen und
Heiligenleben, vorzüglich das Leben des Remigius, nebst Briefen
und Aktenstücken1); aber seine Hauptquelle für die Urgeschichte
der Franken, und bald seine einzige, ist doch die lebendige Ueber-
lieferung, und die Darstellung Chlodovechs sowie seiner nächsten
Nachfolger ist darum schon durchaus sagenhaft; in diesem Ab-
schnitt hat man sich sehr zu hüten, Gregors Autorität nicht zu
überschätzen 2).
1) s. Monod S. 81 ff. und über die Vita Aniani G. Kaufmann, Forsch.
VIII, 130 ff. Dazu jetzt die Vorrede von Arndt. G. Kurth, Revue des
Questions hist. XXIII, S. 385 ff. untersucht seine Quellen für die Gesch.
Chlodwigs, nimmt Ann. Turonenses an und eine verlorene Vita Remigii.
Letzteres bekämpft Hans v. Schubart: Die Unterwerfung der Alamannen
unter die Franken (Strassb. 1884) und macht dagegen aus einer freilich
fehlervollen Hs. in Montpellier eine bald nach Vedasts Tod (um 540) ge-
schriebene Vita Vedasti bekannt, welche in Betreff der Bekehrung Chlod-
wigs Gregor benutzt hat, wenn er nicht aus derselben Quelle mit ihr
schöpfte. — Die von Gr. benutzte, später von Hincmar interpolierte, Ven.
Fort, mit Unrecht zugeschriebene, sehr magere Vita Remedii (= Remigii)
Auctt. antt. VI, 2, 64—67.
2) Neuerdings sind seine Nachrichten in diesem Sinne geprüft von
Junghans, Die Geschichte der fränkischen Könige Childerich und Chlodo-
vech kritisch untersucht, Gott. 1857, u. in der Bearbeitung von Monod;
Wattenbach, Geschichtsquellen. I. 6. Aufl. 7
98 I. Vorzeit. § 8. Gregor von Tours.
Chloclovech ist ihm der Streiter der Kirche, ihr Vorkämpfer
gegen die Arianer; als solchen fafst er ihn vorzugsweise auf, und
deshalb kann er auch (11,40) von ihm sagen: „Gott aber warf Tag
für Tag seine Feinde vor ihm zu Boden und vermehrte sein Reich,
darum, dafs er rechten Herzens vor ihm wandelte, und that was
seinen Augen wohlgefällig war".
Unmittelbar vorher hat Gregor erzählt, wie sich Chlodovech
durch Mord und Verrath des ripuarischen Reiches bemächtigte, und
man hat ihm daher jenen Ausspruch sehr zum Vorwurf gemacht.
Diese Worte fassen aber den Inhalt nicht des einen Capitels allein,
sondern auch der vorhergehenden zusammen, in welchen die Be-
kämpfung der arianischen Westgothen erzählt ist, der Kreuzzug,
welchen die Kirche als Chlodovechs gröfstes Verdienst betrachtete.
Ein feines Gefühl für Recht und Unrecht darf man freilich bei den
Schriftstellern dieser Zeit nicht suchen; wie bei den Italienern des
fünfzehnten Jahrhunderts war durch die täglich sich wiederholenden
Greuelthaten das Gefühl dafür abgestumpft worden. Mord und
Hinterlist waren so gewöhnliche Werkzeuge geworden, dafs wer sie
nicht selber anwandte, ihnen zum Opfer fiel; es kam daher für die
Beurtheilung nur noch darauf an, ob sich ein lobenswerther Zweck
damit verband, oder ob sie blofs der Selbstsucht und anderen
schlechten Leidenschaften dienten. So erzählt denn auch Gregor
zahlreiche Geschichten derart mit einer Kälte, die uns unheimlich
berührt, ohne irgend etwas von dem Abscheu zu äufsern, welcher
den heutigen Leser dabei ergreift. Eben dadurch aber gewinnt er
um so mehr an Glaubwürdigkeit; ganz in seiner Zeit stehend, ge-
währt er uns das treueste Bild derselben, und indem er nur einfach
berichtet, was geschehen war, verdient er ohne Zweifel vollen Glau-
ben, so weit seine eigene Kenntnifs der Begebenheiten reicht, und
so weit nicht etwa leidenschaftliche Erregung, so weit nicht seine
eifrig kirchliche Denkungsart, sein Hafs gegen die Ketzer, sein Ur-
theil trüben, oder seine übergrofse Leichtgläubigkeit ihn irre führt.
Sehr mit Unrecht hat man ihm absichtliche Entstellung Schuld geben
und von Ad. Gloel, Zur Geschichte der alten Thüringer, Forsch. IV, 195—240;
dagegen L. Hoffmann, Zur Geschichte des alten Thüringerreiches, im Jahres-
ber. d. höh. Bürgerschule zu Rathenow 1872, 4. — Die Vita Basini regis,
ed. Guil. Cuper, Acta SS. Jul. III, 701, des Gründers von Trunchinium oder
Dronghen bei Gent (vgl. Herrn. Müller, Lex Salica, S. 128. Holtzmann,
Ueber das Verhältniss der Malb. Glosse, S. 22) ist geschichtlich ganz un-
brauchbar; erst sehr spät ist von ihm, u. als König noch später die Rede,
s. H. W. Lippert, Beiträge zur ältesten Gesch. d. Thüringer, Zeitschr. d.
Vereins f. thür. Gesch. XI, S. 292—302. XII, S. 91—96.
Gregor von Tours. 99
wollen; von Flüchtigkeit und Ungenauigkeit dagegen ist er im ersten
Theile seines Werkes nicht frei, und daran wird es auch wohl in
den späteren Abschnitten, wo es unsere einzige Quelle ist, nicht
fehlen.
Die Darstellung Gregors ist einfach und kunstlos; er selbst
bittet um Entschuldigung deshalb : „Ich bitte die Leser vorher um
Verzeihung, sagt er, wenn ich im grofsen oder geringen gegen die
Grammatik fehlen sollte, denn ich bin nicht recht bewandert in
dieser Wissenschaft." Die Schulgelehrsamkeit der Zeit mangelte
ihm, und das ist ein Glück für uns, ebenso wie bei Eugippius.
Gregor selbst sagt darüber nicht ohne Ironie, dafs er sich zu dieser
Arbeit entschlossen habe, weil kein Gelehrter sie auf sich nehme,
und weii er häufig verwundert habe vernehmen müssen, dafs einen
Schriftsteller von gelehrter Bildung nur wenige verständen, des
schlichten Mannes Rede aber viele1). Einige Stellen seines Werkes,
wo er sich in dieser Schreibart versucht hat, zeigen uns die Gefahr,
vor welcher sein Mangel an Schulbildung uns bewahrt hat. In der
Regel aber ist seine Schreibart diejenige, welche sich damals für
die Legende ausgebildet hatte, und nach und nach allgemein herr-
schend wurde; schlicht und einfach, weil sie allgemein verständlich
sein mufste, und erfüllt von biblischen Ausdrücken und Anspielun-
gen, dem Standpunkt der Verfasser und dem Zweck ihrer Werke
angemessen, da sie ja sämmtlich Geistliche sind und auch in der
Darstellung der Geschichte die kirchliche Bedeutung derselben fast
überall vorherrscht; dabei dem verfallenen Zustand der damaligen
Umgangsprache entsprechend, erfüllt von den ärgsten grammatischen
Verstöfsen; das Gefühl für die Bedeutung der Flexionsendungen
hatte sich fast ganz verloren2).
Die kunstlose, einfache Sprache Gregors, seine behagliche, me-
moirenartige Erzählung, welche Geschichten aller Art, die gröfsten
Staatsbegebenheiten und unbedeutende Vorfälle des gewöhnlichen
*) „Quia philosophanteni rhetorem intelligunt pauci, loquentem rusti-
cum multi." Auch bei den Griechen war eine rhetorische Kunstsprache
üblich; im Anfang des siebenten Jahrb. drang die vulgärgriechische Um-
gangsprache durch kirchlichen Einfluss in die Litteratur ein. Geizer,
HZ. LXI, 9.
2) Ueber seine Bildung und Sprache vgl. Monod S. 110 ff. u. Bonnet. Die
neue Ausgabe von W. Arndt läfst mit grösserer Sicherheit seine Sprache er-
kennen, obgleich leider die ältesten Hs. nicht vollständig sind. Diese zeigen
einen hohen Grad von Barbarei, welche sowohl alte Abschreiber als neuere
Herausgeber bei Gregor und in den Heiligenleben fortwährend abgeglättet
haben. Es mag noch in Betracht kommen, dafs der Frankengeschichte
die letzte Hand fehlt; doch bleibt es andererseits auch immer noch zwei-
felhaft, was gerade die ältesten Abschreiber schon angerichtet haben mögen.
7*
100 I- Vorzeit. § 8. Gregor von Tours.
Lebens bunt durch einander mischt, das ist es eben, was seinem
Werke einen so grofsen Reiz verleiht, und es zu einem so treuen
Spiegel seiner Zeit macht, dafs ihm in dieser Hinsicht kein zweites
zu vergleichen ist.
Vorzüglich zeigt uns Gregors Werk auch, wie besonders Loebell
schlagend nachgewiesen hat, die völlige Verschmelzung der fränki-
schen und der romanischen Bevölkerung ; von einem feindlichen
Gegensatze beider Elemente ist nichts darin wahrzunehmen, und die
römische Abkunft des Verfassers hat durchaus keinen Einflufs auf
seine Darstellung ausgeübt.
Was er hörte, was er sah, das erzählte er, ohne weiteren Zweck,
als das Andenken der Dinge zu erhalten ; er dachte keineswegs ge-
ring von dieser Aufgabe und dem Werthe derselben, denn ausdrück-
lich beschwört er am Ende des letzten Buches seine Nachfolger auf
dem Stuhle des heiligen Martin, sie unverkürzt und unversehrt der
Nachwelt aufzubewahren, und nichts daran zu ändern. Und wenn
auch nicht durch ihr Verdienst, so ist uns doch wirklich Gregors
Werk in seiner ursprünglichen Gestalt überliefert worden, und seit
Jahrhunderten hat man diese ungeschminkte Darstellung einer fernen
Zeit hoch geschätzt und in Ehren gehalten. Wir können ihm keine
hohe Stelle unter den Geschichtschreibern einräumen, denn ihm
fehlen die wesentlichsten Eigenschaften, welche dazu gehören, die
Beherrschung des Stoffes, das tiefere Eindringen in den Zusammen-
hang der Dinge; aber um so mehr ist es auch dankbar anzuerken-
nen, dafs er nicht versucht hat, was ihm nicht gelingen konnte,
sondern sich in Bescheidenheit begnügte, eine reiche Fülle des
mannigfaltigen Stoffes in seinen Werken zusammenzufassen. Von
vorzüglichstem Werthe ist darunter für uns seine Geschichte der
Franken, doch enthalten auch seine Wundergeschichten und Heiligen-
leben viele für die Charakteristik der Zeit wichtige Züge.
In seinen letzten Jahren, als die blutigen Stürme, die das Fran-
kenreich zerrissen hatten, eine Weile ruhten, als Childebert und
König Gunthram den Frieden aufrecht hielten, hat Gregor seine Er-
zählung fortgeführt bis zum Jahre 591; am Ende fügte er noch eine
kurze Geschichte der Bischöfe von Tours *), und zuletzt einen Abrifs
seines eigenen Lebens hinzu: ein Schlufswort, welches Monod als
Epilog zu allen seinen Werken, nicht zur Geschichte allein betrach-
tet. Dann begann er, wie es scheint, sein Werk noch einmal zu
J) Die Grabschrift eines sonst unbekannten „Ebracharius heros", der
zur Zeit des etwas späteren Bischofs Chrodobertus 4 Klöster stiftete, bei
De Kossi, Inscriptt. urbis Rcyaaa& minist. „IL, 1, 69.
Ä \
8T. MICHAEL '8
COLLEGE
Gregor von Tours. Annalen. 101
überarbeiten; die sechs ersten Bücher enthalten Einschiebungen,
welche um diese Zeit geschrieben sind, und diese sechs Bücher sind
denn auch, so scheint es, zuerst allein bekannt geworden; nur sie
finden sich in der ältesten Handschrift, und sie allein wurden später
in einen Auszug gebracht.
Bei weitem nicht mehr in dem Grade wie Isidor, hatte Gregor
in sich aufgenommen, was von der alten Bildung noch übrig war;
doch war sie auch auf ihn nicht ohne Einflufs geblieben; hoch
überragt er die nun folgende Zeit der tiefsten Barbarei, wo kaum
noch einzelne Funken litterarischen Lebens zu finden sind, wo die
aus der alten Welt herübergenommeue Bildung fast vollständig ab-
starb, während zugleich politisch die ärgste Verwilderung und Auf-
lösung eintrat: im siebenten Jahrhundert, sagt 0. Abel, nach Brun-
hilde und Fredegunde verliert im merowingischen Königshause auch
das Laster seine Gröfse, in wachsender Jämmerlichkeit schleppt
sich das entartete Geschlecht noch anderthalb Jahrhunderte durch
die Geschichte.
Erwähnt habe ich vorher (S. 97), dafs Gregor auch annalistische
^Notizen benutzt habe, welche im Anfang seiner Geschichte sehr deut-
lich zu erkennen sind. Mit diesen hat man sich neuerdings sehr
eingehend beschäftigt1). Schon oben S. 57 ist der Annalen von
Arles gedacht worden, welche mit Consularfasten verbunden sind.
Holder-Egger hat ihre Benutzung nachgewiesen in einer Weltchronik,
welche fälschlich den Namen des Severus Sulpicius trägt 2),
und bis 511 reicht, nach seiner Ansicht aber wahrscheinlich erst 733
in Südgallien verfafst ist; nicht unwichtig für die westgothische Ge-
schichte von 450 bis 500. Er findet aufserdem ihre Spuren bei
Isidor, Marius, Jordanis, und in Verbindung mit den Ravennater
Fasten bei Gregor3) und in der Fortsetzung des Prosper bis 641.
Gregor hat aufserdem noch Annalen benutzt, welche wahrscheinlich
aus Angers stammen, und burgundische, welche auch Marius hatte,
und deren Verwerthung bei beiden ihre Uebereinstimmung erklärt,
wie W. Arndt nachgewiesen, und Monod, welcher früher Benutzung
des Marius bei Gregor angenommen hatte, ihm zugegeben hat.
J) W. Arndt HZ. XXVIII. 0. Holder-Egger in der S. 57 angeführten
Schrift. Rec. von J. J. M. im Lit. Centralbl. 1875 Sp. 1380, von W.
Arndt, Jen. LZ. 1875 N. 48. Arndts Vorr. S. 22, wo auch noch annali-
stische Notizen aus der Auvergne und aus Poitiers vermutriet werden. Ueber
Annalen von Tours s. oben S. 97.
2) Florez, Esp. sagr. IV, 430 — 456; vom J. 379 an wieder abgedruckt
bei Holder-Egger.
3) Vgl. Holder-Egger im NA. I, 288-276. <„.
3>
102 !• Vorzeit. § 8. Gregor von Tours.
Der Bischof Marius von Avenches, ein Zeitgenosse Gregors,
ist zu erwähnen, als Verfasser einer Fortsetzung des Prosper, oder
vielmehr des Chronicon imperiale (oben S. 82) bis 581. Marius
scheint ein vortrefflicher Mann und exemplarischer Bischof gewesen
zu sein, dazu ein geschickter Goldschmidt, welcher kunstreiche Ge-
räthe für seine Kirche selbst verfertigte. Im Jahre 530 oder 531
aus edlem Geschlecht im Sprengel von Autun geboren, wurde er
574 Bischof der alten Römerstadt Avenches, welche sich von der
Zerstörung durch die Alamannen niemals recht erholt hatte, und
deshalb verlegte er den Sitz des Bischofs nach Lausanne, wo er
am 31. Deceniber 594 gestorben ist1).
In seiner Schulbildung stand er nicht höher als Gregor. Es
verdient Anerkennung, dafs er in dieser Zeit den Versuch machte,
die Weltchronik fortzusetzen, aber dürftig genug ist der Versuch
ausgefallen. Er besafs ein Exemplar der Ravennater Fasten, mit
annalistischen Notizen aus Arles vermehrt, und benutzt, ihnen folgend,
die Consulreihe, zu welcher er die Indictionen hinzufügt, später die
Jahre p. c. Basilii und die Regierungsjahre Justins II und Tiberius II,
als einzige brauchbare Chronologie; inmitten der vorübergehenden
und durch innere Kriege erschütterten neuen Reiche ist ihm die
„res publica" das einzig bleibende, und ganz aufserhalb ihres Be-
reiches, scheint er doch die Kaiser als die wahren Herren der
Christenheit zu betrachten. Uebrigens berichtet er doch vorzüglich
die ihn näher berührenden Vorgänge des burgundischen und des
fränkischen Reiches, und was er mittheilt, hat für uns grofsen
"Werth. Bis 467 lassen sich bei ihm (nach W. Arndt) die Annalen
von Arles, bis 526 die Ravennater verfolgen. Vom Jahre 500 an
schöpft er aus burgundisch-fränkischen Annalen, vielleicht bis 570
oder 571. Endlich nimmt Arndt noch „byzantinische, wohl in
Mailand verfafste Annalen" an, welche bis 568 nachweisbar wären,
und auch von Marcellin benutzt.
Verbunden mit diesen Annalen ist ein Anhang von 581 bis
624, welcher mit Unrecht von Brosien verdächtigt2), von G. Monod
*) W. Arndt, Bischof Marius von Aventicum. Sein Leben und seine
Chronik. Nebst einem Anhang über die Consulreihe der Chronik. Leipz.
Habilitationsschrift 1875. Die falsche Jahreszahl 593 auf S. 13 hat der
Verfasser selbst berichtigt. — Hierin ist die jetzt allein brauchbare Text-
ausgabe nach der einzigen HS. enthalten, welche einst in St. Trond war,
jetzt Brit. Mus. 16,974. Facs. in Arndts Schrifttafeln 16.
2) Krit. Untersuchung der Quellen zur Geschichte Dagoberts I (Gott.
1868) S. 5.
Marius Aventicensis. Legenden. 103
in Schutz genommen ist1), in Uebereinstininmng mit G. Kaufmann2)
und H. Hertzberg3). Nach letzterem ist der erste Theil desselben
aus Isidor entnommen; der zweite ist original, erzählt in fliefsender
Darstellung, und geht bald völlig in die fränkische Geschichte über.
Dieser Anhang wäre benutzt in der Fortsetzung des Isidor bis 636
im Cod. Urbinas, und diese wieder in der Fortsetzung des Prosper
bis 641. Vollständig aufgenommen ist er in der Fortsetzung des
Isidor von 1017 (MG. SS. XIII, 261).
Im burgundischen Reiche ist ebenfalls schon in der ersten
Hälfte des sechsten Jahrhunderts die Vita sanctorum abbatum
Agaunensium (von St. Maurice im Wallis) geschrieben, welche
W. Arndt nach einer Abschrift des Jesuiten P. Fr. Chiiflet heraus-
gegeben hat4). Ist hier nun auch der Text vielleicht etwas ge-
glättet, so zeigt doch der ganze Periodenbau noch eine anspruchs-
volle Schulbildung, und sowohl die halb in Prosa aufgelöste Grab-
schrift des Tranquillus c. 10, wie die Distichen auf Ambrosius c. 12
zeigen metrisches Verständnifs5), während die Verse auf Probus S. 3
geradezu jeder Metrik hohnsprechen. Demselben Jahrhundert gehört
das Leben eines Einsiedlers an, des Hostianus, welcher ein Ver-
wandter des Königs Sigismund war; geschichtliche Thatsachen sind
aber nicht daraus zu entnehmen6).
Nach Gregor versiecht im Frankenreich die geschichtliche Auf-
zeichnung der Begebenheit fast völlig, und nur in Burgund ent-
stehen noch Schriften, welche uns über die folgenden Zeiten dürftige
Kunde gewähren7).
*) Revue Critique 1873 N. 42.
2) Forsch. XIII, 418—424.
3) Forsch. XV, 317—324. Vgl. das Facs. bei Arndt, Schriftt. 16.
4) Kleine Denkmäler aus der Merovingerzeit, Hann. 1874. Acta SS.
Nov. I mit neuen Hülfsmitteln verbesserte Ausgabe von De Smedt, auch
mit der vorher noch fehlenden Chronologica Series, vgl. Krusch, HZ.
LXIII, 102. A. Jahn, Gesch. der Burgundionen (1874) II, 504—512 giebt
den ältesten Text der ebenfalls in Agaunum im Anf. d. 8. Jahrh. geschriebenen
Passio Sigismundi regis und erweist S. 513 — 518 den Unwerth der von Lütolf,
Glaubensboten der Schweiz S. 172 mitgetheilten Passio SS. Victor is et Ursi
nebst der Translatio. Die Passio Sigism., welche einige Umstände aus der
Tradition und die Translationsgesch. bietet, ed. Krusch, SS. Meroving. II,
329-340.
5) Das c. 13 über Probus besteht aus rhythmischen Versen.
6) Analecta Bolland. II, 355—358; vgl. NA. IX, 444.
7) Völlig unbekannt sind die „regnorum libri diversarum gentium,
quos pretiosissimo dictamine et in luculento sermone insignis historio-
graphus edidit Roterius", angeführt in der Vita Severi (Agath. Acta SS.
Aug. 25). Er soll zu Zeiten K. Reccareds, also gegen 600, geschrieben
und über die Verheerung gallischer Städte, spec. Agde, durch Attila be-
richtet haben.
104 I. Vorzeit. § 9. Fredegar.
§ 9. Fredegar.
Ausgabe v. Br. Krusch, MG. SS. Rer. Merov. IL 1888, vgl. Br. Krusch, Die Chronicae
des sog. Fredegar, NA. VII, 247 — 351. 421—516- Auszug des fünften Buches in
Giesebrechts Uebersetzung des Gregor. II, 265—281. Die Chronik Fredegars (Buch
6) und der Frankenkönige übersetzt von Otto Abel, Berl. 1849. 1876. 1888 mit d.
Forts. (Geschichtschr.il. VII, 2). Ebert S. 606. Palacky, Ueber den Chronisten
Fredegar und seine Nachrichten von Samo, Jahrb. des Böhm. Museums I, 387—413.
Herrn. Brosien, Kritische Untersuchung der Quellen zur Gesch. Dagoberts I, Gott.
1868. Alfr. Jacobs, Geographie de Fredegaire, de ses Continuateurs et des Gesta
Francorum, Paris 1859. G. Monod, Revue Crit. 1873 N. 42. Ders. Du lieu d'origine
de la chronique dite de Fredegaire, im 3. Bd. d. Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 1878.
Ders. Sur un texte de la compilation dite de Fr. relatif ä letablissement des Burgun-
dions dans lempire Romain, in : Melanges publies par l'Ecole des hautes etudes,
1878 (NA. IV, 418), Abdr. des cod. 10910, von Monod besorgt, Bibl. de l'Ecole
des hautes etudes, fasc. 63, Paris 1885. Facs. v. Harl. 5251 im Catal. of anc.
Mss. pl. 52; des cod. Ciarom. im Album pal. pl. 13, wo H. Omont 678 berechnet.
Das einzige Geschichtswerk, welches uns aus dem siebenten
Jahrhundert aufbewahrt ist, trägt den Namen des Scholasticus
Fredegar; aber dieser Name findet sich nur bei J. Scaiiger im
Jahre 1598 und in den Antiquites Gauloises et Francoises von Claude
Fauchet 1599, in den uns erhaltenen Handschriften dagegen nirgends1).
Doch ist es zweckmäfsig ihn beizubehalten, wie ja auch allgemein
üblich ist. Allein durch die scharfsinnigsten Untersuchungen hat
Bruno Krusch, gestützt auf die früher noch nicht bekannt geworde-
nen Kapitel des Liber generationum, der ganzen Untersuchung über
den räthselhaften Schulmeister eine neue Wendung gegeben, und
unter seinem kritischen Messer hat das scheinbar einheitliche Werk
sich in ganz verschiedene Bestandteile aufgelöst.
Zunächst treten uns Annalen entgegen, die in Burgund, im
„pagus Ultrajoranus", vielleicht in Avenches, von wo Marius nach
Lausanne fortgezogen war, bis in den Anfang des 7. Jahrh. fortge-
führt wurden, und deutlich zu erkennen sind in der Compilation
eines Aventicensers, welcher im J. 613 dieselben bis auf seine Zeit
fortsetzte2), und um den Zusammenhang der Weltgeschichte zu ge-
winnen, den im J. 235 von Hippolyt verfafsten Liber gener ationis3)
und einen Auszug aus Hieronymus und Idacius voranstellte4). Seine
*) Vgl. über den Namen G. Monod, Etudes crit. p. 256.
2) Dieser ist nach Krusch der im Prolog als quidam sapiens bezeichnete.
3) Darüber s. Krusch, NA. VII, 456 ; vgl. oben S. 54.
4) G. Kurth, welcher in der Revue des Questions hist. 1890, S. 60 ff.
die Geschichte Chlodwigs nach Fredegar behandelt, weist den Theil der
Chronik von Chilpericbs Tod bis 613 dem zweiten Compilator zu, indem
er bestreitet, dass der erste überhaupt etwas originales geschrieben habe
(NA. XV, 615).
Die Fredegarische Chronik. 105
Arbeit reicht bis zum 39. Cap. des sog. Fredegar, und dieser Anfang
gewinnt also durch diese Entdeckung bedeutend an Gewicht. Der
eigentliche Fredegar aber, von welchem man bisher allgemein an-
nahm, dafs er yor dem J. 660 nicht geschrieben haben könne, nahm,
wie Krusch jetzt das ganz überzeugend nachgewiesen hat, im J. 642,
bis wohin er seine Arbeit geführt hat, das ältere Werk vor; auch
er war in derselben Gegend heimisch. Er versah die beiden ersten
Bücher mit Anhängen, und fügte einen Auszug aus den, ihm allein
bekannt gewordenen, sechs ersten Büchern des Gregor von Tours
hinzu *), nicht ohne Einmischung von allerlei Fabeln, namentlich im
dritten Buche nach dem wirklichen Idatius jene über die Vorzeit
der Franken, von welchen Gregor noch frei ist, die uns aber von
nun an aller Orten begegnen, und bald weiter ausgesponnen wurden:
Erzeugnisse einer kindischen Gelehrsamkeit und kecker Erfindung,
echter Sage völlig fremd, die aber nach und nach bei Halbgelehrten
und Ungelehrten Eingang fanden2).
Für die Fortführung der Geschichte benutzte Fredegar eine
Relation über das inhaltreiche Jahr 613, wie man wegen des genauen
Berichtes Cap. 40 — 44 annehmen mufs, und erzählte treu, wenn auch
mit geringem Geschick, was er erlebt hatte.
Dasselbe nun, was Fredegar, für seine Zeit und Bildung gut
genug, geleistet hatte, versuchte um 658 ein dritter Bearbeiter, ein
Austrasier, den Krusch vermuthungsweise nach Metz setzt; er er-
gänzte das Werk durch einen Auszug der Yita Columbani, und
fügte verschiedene Supplemente über austrasische, westgothische,
oströmische Geschichte, auch über Samo hinzu; von ihm mufs auch
der Absatz vom Schluss des Cap. 84 — 88 mit entschieden austra-
sischem Charakter herrühren. Seine Zuthaten sind es, welche früher
zu der Annahme führten, das ganze Werk könne nicht vor 660 ge-
*) Die auch abgesondert vorkommende sog. Historia epitomata in 93
Kapiteln. Gegen L. v. Ranke's Ansicht (Weltgesch. IV, 2, 328-368), dafs
sie nicht als Auszug aus Gregor zu betrachten sei, hat sich Waitz sehr
entschieden erklärt, Praef. Greg. Tur. p. VIII. NA. IX, 650.
2) Vgl. hierüber Zarncke, Ueber die Trojanersage der Franken, in
den Berichten der k. Sachs. Ges. d. Wiss. 1866 S. 257 — 285, nebst dessen
Anzeige der Schrift von Wormstall: Die Herkunft der Franken von Troja,
Münster 1869, im Lit. Centr. 1869, 381, und G. Waitz zu Jord. Osnabrug.
S. 13. A. Dederich, Der Frankenbund, Hann. 1873. A. Thorbecke: Ueber
Gesta Theoderici (1875) S. 9—13. Lüthgen: Die Quellen u. der hist. Werth
der fränk. Trojasage, Diss. Bonn. 1875. Die Entstehung der Fabelei ist
jetzt lichtvoll nachgewiesen von Krusch, NA. VII, 473. Die in den mit
Fortsetzungen versehenen Hss. eingeschobene Historia Daretis Frigii de
origine Francorum ist nach Fred. S. 194 — 200 von Krusch herausgegeben.
106 I- Vorzeit. § 9. Fredegar.
schrieben sein. Eine weitere Fortsetzung aber hat er nicht zu
Stande gebracht.
Wie nun später diese Sammlung fortgesetzt, vermehrt und um-
gestaltet ist, werden wir noch zu betrachten haben. Unbehülflich
und dürftig war diese Schriftstellerei , aber es kommt auch Fredegar
gar nicht in den Sinn, grofse Ansprüche zu machen; er empfindet
lebhaft den traurigen Zustand der Zeit, und sieht nach der damals
herrschenden Vorstellung das Ende der Welt als nahe bevorstehend
an. „Wir stehen jetzt im Greisenalter der Welt, sagt er; darum
hat die Schärfe des Geistes nachgelassen, und niemand vermag es
in dieser Zeit den früheren Schriftstellern gleichzukommen." Sich
selbst legte er nur einen bäurischen und ganz beschränkten Sinn
bei1), und diese rührende Bescheidenheit sollte wohl den Spott über
den ehrlichen Mann entwaffnen, welcher mit aller Anstrengung ge-
leistet hat, was er vermochte, und der sich dadurch um die Nach-
welt ein unsterbliches Verdienst erworben hat.
Merkwürdig wäre es allerdings, wenn Fredegar wirklich einer
Schule vorgestanden hätte; denn seine und seiner Genossen Kennt-
nifs des Lateinischen war unglaublich gering, seine Sprache ist über
die Mafsen barbarisch, aber freilich nicht verschieden von derjenigen,
welche wir auch in den Urkunden der Zeit, und in Italien bis ins
elfte Jahrhundert finden. Entschieden falsch ist es, wenn man diese
Sprache als die des romanischen Volkes bezeichnet, sie kann nie
gesprochen worden sein. Alle Flexionsendungen sind nämlich darin
vorhanden, sie werden aber nur noch aus Convenienz gebraucht,
da das Gefühl für ihre Bedeutung sich fast ganz verloren hat'2).
Das Volk wirft in solchem Falle die Endungen ab, und bildet sich
neue; nur wer gelehrt scheinen will, braucht sie noch, ohne aber
ihre Bedeutung recht zu kennen. Treffend vergleicht einmal Kausler
diese Schreibart mit schriftlichen Aufsätzen, die einer aus der nie-
deren Klasse in der Sprache der Gebildeten, welcher er nicht recht
mächtig ist, niedergeschrieben hat. Wir finden sie deshalb nur da,
1) Rusticitas et extremitas sensus mei.
2) Krusch hat die Eigentümlichkeiten dieser Sprache sorgfältig zu-
sammengestellt, S. 486 — 494. Ganz ungrammatisch sind auch die Reli-
quienzeugnisse: 'Authentiques de Reliques de l'Epoque Merov. decouvertes
ä Vergy. Par L. Delisle' (Ecole de Rome 1884). Welches entsetzliche
Latein, man noch 754 schrieb, zeigt die Unterschrift des Gundohin, Bibl.
de l'Ecole des Chartes VI, 4, 217. Vgl. auch Sickel, Urkk. der Karolinger
I, 137 ff., dem ich aber darin nicht beistimmen kann, wenn er dieses Kau-
derwelsch als sermo plebejus bezeichnet. Eine ähnliche Erscheinung bietet
das ausgehende 15. Jahrh. in dem Diarium Nepesinum, Arch. della Soc.
Rom. di Storia patria, Vol. VII.
Fredegar und seine Sprache. 107
wo die Volksprache der lateinischen noch nahe genug stand, dafs
man lateinisch schreiben konnte, ohne es schulgemäfs erlernt zu
haben, besonders in Italien^ wo sich ein solches Kauderwelsch bei
den Notaren am längsten erhielt. Dort zeigt es sich auch deutlich,
dafs die Schreiber weit davon entfernt waren, in der Volksprache
schreiben zu wollen, denn mitten in solchen Urkunden kommen
Zeugenaussagen in ausgebildetem Italienisch vor.
Fredegar stand übrigens mit seinem Latein durchaus nicht
allein unter der fränkischen Geistlichkeit des siebenten Jahrhunderts;
das zeigt uns das Leben des um 665 verstorbenen Wandregisil,
des Stifters von Fontenelle, welches W. Arndt genau nach der schönen
Uncialhandschrift hat abdrucken lassen, die der Abfassung sehr nahe
stehen mufs und gewifs mit aller Sorgfalt geschrieben ist1). Hat
doch jetzt G. Waitz nachgewiesen, dafs auch noch Paulus Diaconus
nicht viel anders schrieb, und Jordanis und Gregor von Tours
scheinen ebenfalls schon auf diesen Weg geführt zu haben.
Wiederum verging nach Fredegar mehr als ein halbes Jahr-
hundert, in dem, aufser einigen Heiligenleben, unter denen jedoch
mehrere nicht gering anzuschlagen sind, das ganze Frankenreich
keine Spur von Geschichtschreibung darbietet. Erst in den letzten
Zeiten der Merovinger, als in Austrasien schon die ganze littera-
rische Thätigkeit dem aufstrebenden Geschlecht der Hausmeier sich
zugewandt hatte, wurde in Neustrien ein Werk verfafst, welches
sich Gregor und Fredegar anschliefst, und in seiner Armseligkeit
dem Zustande des absterbenden Reiches vollkommen entspricht. Es
ist daher auch kaum möglich anzunehmen, dafs bei den darin Cap. 44
angeführten scriptores, wie Krusch S. 217 annimmt, an wirkliche
Geschichtschreiber zu denken ist; mit Recht hebt Kurth hervor, dafs
mit dem ganz unbedeutenden Chlodwig II sich nicht mehrere Ge-
schichtschreiber beschäftigt haben werden, dagegen in Saint-Denis,
wo er ihrem Heiligen einen Arm genommen hatte, verschiedentlich
über ihn geschrieben sein mag.
§. 10. Hie Thaten der Frankenkönige.
Gesta Francorum, Bouquet II, 580. Migne XCVI, 1421 aus Duchesue. Neue Ausg. unter
dem Titel Liber historiae Francorum von Br. Krusch, SS. Merov. II, 215 — 328.
Vgl. Cauer, De Karolo Martello, Berol. 1841, p. 11—28. Brosieu p. 41— 44. Breysig,
Karl Martell S. 112. G. Monod, Les Origines de lhistoriographie ä Paris (Memoires
de la Societe de l'histoire de Paris et de lTIe de France, Tome III, p. 219 —240). G. Kurth,
Etüde crit. sur le Gesta Rerum Francorum, Bull, de l'Acad. r. de Belg. 3 ser. t.
*) Kleine Denkmäler aus der Merovingerzeit, Hann. 1874.
108 I- Vorzeit. § 10. Die Thaten der Frankenkönige.
XVIII (1889) p. 261—291. Auszugsweise Uebersetzung des ersten Theils von
W. Giesebrecht, hinter Gregor von Tours II, 282 — 302. Vollständig von 639 an, von
Abel, hinter Fredegar, s. oben S. 104.
Die Anfänge, die Herkunft und die Thaten des Frankenvolkes
und seiner Könige will ich erzählen — so beginnt nicht ohne Kühn-
heit der Verfasser sein Werk, aber genannt hat er sich nicht, und
obgleich er für seine Zeit aufserordentliches leistete und im ganzen
Mittelalter sein Buch viel gelesen wurde, so hat doch niemand seinen
Namen uds überliefert. Ohne Zweifel war er ein Neustrier. E. Cauer
glaubte, wegen der besonderen Verehrung, mit welcher er des heiligen
Bischofs Audoenus gedenkt, dafs er der Kirche zu Rouen angehört
habe1), und dieser Ansicht hat auch Krusch sich angeschlossen, und
einige Stellen für seinen Aufenthalt in dieser Gegend geltend gemacht.
Die von G. Monod aufgestellte Vermuthuog, dafs der Verfasser ein
aus Spanien geflüchteter westgothischer Mönch in Paris gewesen sei,
kann wohl als ausreichend widerlegt betrachtet werden, aber seine
Beziehungen zu Paris sind auch von Kurth wieder schärfer betont;
er hält ihn für einen Mönch von Saint-Denis. Seine Heimath ver-
muthet er in der Gegend von Laon und Soissons, von wo er allerlei
zu berichten und Oertlichkeiten zu nennen weifs.
Neustrien ist das Land, von dem der Verfasser des Über his-
toriae berichtet; Austrasien erwähnt er nur gelegentlich, er liebt es
nicht, und von dem Neuen, was sich dort bildet, ist er unberührt;
während man in Austrasien wenig mehr von den Merovingern weifs,
sie in den Annalen kaum noch nennt, stehen sie bei ihm überall im
Vordergrunde. Er gehört ganz der alten Zeit an, und bezeichnet
durch seine den Fredegar weit übertreffende Dürftigkeit und Armuth
den fortgehenden Verfall, wenn auch sein Latein weniger barbarisch
ist. Dafür aber fehlt ihm auch die gelehrte Belesenheit Fredegars.
Er hat für die alte Zeit, aufser dem Prologus legis Salicae2), nur
eine Quelle, die ersten sechs Bücher Gregors, und hierauf gestützt
unternahm er es im sechsten Jahre Theuderichs IV d. i. im Jahre 727 3),
die Geschichte seines Volkes zu schreiben. Mit mageren Auszügen
aus Gregor verbindet er wie Fredegar die halb volksthümlichen, halb
gelehrten Sagen über die Anfänge der Franken; dann fährt er selb-
ständig fort, nicht Jahr für Jahr berichtend, sondern in kurzen Um-
!) 1. c. p. 14.
2) Was Kurth, der vielmehr den Prolog für jünger hält, m. E. ohne
Grund bekämpft. Ausserdem hat Monod in c. 38 u. 40 eine Verwandt-
schaft mit dem Anhang zu Marius Avent. nachgewiesen.
3) Nicht 725, wie man früher annahm, s. Br. Krusch, NA. X, 94, wo
die Chronologie der letzten Merovinger berichtigt ist.
Die Gesta Francorum. Gesta Dagoberti. 109
rissen, wie sie sich allenfalls durch mündliche Ueberlieferung er-
halten konnten. Fredegars Chronik war ihm nicht bekannt, und
soweit diese reicht, ist sein Werk kaum zu benutzen; dann aber ist
es für lange Zeit die einzige zusammenhängende Erzählung, welche
wir besitzen, und wie er seiner eigenen Zeit näher kommt, wird
seine Darstellung, wenn sie gleich immer dürftig bleibt, doch zu-
verlässig. Die besseren Heiligenleben, aus denen einzelne Abschnitte
sich ergänzen lassen, bestätigen seine Angaben.
Wenige Jahre nachher, noch bei Lebzeiten Theuderichs IV, der
737 gestorben ist, hat ein Austrasier eine neue Bearbeitung dieses
Buches (B) unternommen, welches er für ein Werk Gregors von
Tours hielt und dem er daher den Titel gab „Liber sancti Gregorii
Toronis episcopi gesta regum Francorum". Daher der gewöhnliche
Titel, an welchem man als an einem gewohnten und allgemein ver-
ständlichen wohl auch ferner festhalten wird. Der Verfasser ergänzte
einiges aus Gregors Geschichte, auch aus Isidor; schon 736 wurde
dazu eine Fortsetzung geschrieben, welche wir nur in überarbeiteter
Gestalt als erste Fortsetzung des Fredegar kennen.
Damit ist nun die Zahl der merovingischen Historiker erschöpft,
denn die Thaten Dagoberts1) sind eine unzuverlässige Compilation
aus dem neunten Jahrhundert, von einem Mönch zu Saint-Denis
verfafst, um das Kloster und seinen Stifter zu verherrlichen, mit Be-
nutzung sowohl mündlicher Tradition als auch der vorhandenen Ur-
kunden, unter welchen schon falsche sich befanden. Hat man früher
sie in das Ende des neunten Jahrhunderts gesetzt2), so weist da-
gegen Krusch (S. 396) nach, dass sie 835 schon vorhanden war.
Entschiedener hat Julien Havet ihre Glaubwürdigkeit in Schutz ge-
nommen, natürlich abgesehen von den nur wiedererzählten Fabeln,
vorzüglich in Bezug auf die Thatsache, dafs wirklich Dagobert I,
wenn auch bei Lebzeiten seines Vaters, das Kloster gestiftet hat,
während Mabillon eine viel frühere Stiftung annahm3).
Der so viel benutzte und oft angeführte Aimoin aber ist gar
J) Gesta Dagoberti, Ausg. Bouquet II, 580. Migne XCVI, 1395 aus
Duchesne. Krusch, SS. Merov. II, 396— 425, vgl. Forsch. XXVI, 161 — 191.
2) So Monod, Rev. crit. 1873, II, S. 258, welcher die Verinuthung
ausspricht, dafs die Flucht der Mönche vor den Normannen nach Reims,
die wahrscheinlich mit dem Verlust von Urkunden verbunden war, nach
ihrer Rückkehr 888 zu dieser trügerischen Arbeit den Anlafs gegeben habe.
3) Questions Merov. V. Les origines de Saint-Denis (Bibl. de Tlilcole
des Chartes LI (1890) p. 5—62. Derselben Zeit schreibt Havet S. 38 die
Pazsio SS. Dionysii, Rustici et Eleutlterü zu, die aber nach seiner Ansicht
in Aquitanien geschrieben ist. Sie ist gedr. Auctt. antt. IV, 2, 101 — 105,
als fälschlich Venantius Fortunatus zugeschrieben.
110 !• Vorzeit. § 10. Die Thaten der Frankenkönige.
erst aus dem Anfange des elften Jahrhunderts und ohne allen Werth.
Es war die Roheit der Form, welche zur neuen Bearbeitung trieb,
wie Aimoin ausdrücklich sagt, und aus demselben Grunde zog man
später diese Bearbeitungen vor. Für geschichtliche Untersuchungen
aber darf man sich auf Aimoin so wenig wie auf den noch späteren
Rorico berufen1).
Actenstücke, Gesetzbücher und Formeln2) liegen unserer Auf-
gabe fern, aber gedenken müssen wir doch der Briefe, welche
theils einzeln und ihrer besonderen Wichtigkeit wegen, theils, und
vorzüglich, in Sammlungen, die als Muster gebraucht wurden, sich
erhalten haben. Für diesen Zeitraum schliefsen sie sich an die be-
rühmten Namen der Bischöfe Avitus von Vienne, Remigius von
Reims, Desiderius von Cahors3). Yon besonderer Wichtigkeit ist die
Sammlung der JEpistolae Austrasicae, welche, mit einigen Schreiben
des Remigius beginnend, in grofser Zahl amtliche Correspondenzen
der Könige Sigebert und Childebert II (bis 585) enthält, und zwar
nach Concepten, so dafs die Entstehung nothwendig in der könig-
lichen Kanzlei zu suchen ist. Hier hatte der von Fortunat besungene
Gogo gewirkt, gefeiert als ein neuer Cicero wegen seiner Bered-
samkeit, Vorsteher der Hofschule und aus weiter Ferne aufgesuchter
Lehrer; zweimal wird er als Concipient genannt. In der kritisch
gereinigten Ausgabe von Gundlach, der ersten seit Freher, werden
diese Briefe erst recht benutzbar sein4).
x) Aimoin, von dem noch unter III § 10 die Rede sein wird, war
Mönch von Fleury und widmete sein Werk dem Abt Abbo (f 1004). Er
wollte die Geschichte bis auf Karls des Grofsen Vater Pippin beschreiben,
sein Werk reicht aber nur bis 653. Rorico schrieb in sehr geziertem Stil
und reicht bis 511. Ueber seine Person ist nichts bekannt, nur weisen
einige Umstände nach Amiens; mit Unrecht hat man aus der idyllischen
Einkleidung geschlossen, dafs er die Schafe gehütet habe. Vgl. A. Thor-
becke über Gesta Theodorici (Heidelb. Progr. 1875) S. 13 — 18. In der
Chronikensammlung von St. Denis, welche man der Veranlassung Sugers
zuschreibt, wurde Aimoin mit den Gesta Dagoberti, Gesta Francorum, den
Fortsetzern des Fredegar etc. verbunden, später die Chronik amtlich fort-
geführt und im dreizehnten Jahrhundert alles ins Französische übersetzt.
Ausgabe bei Bouquet III. Die darin benutzte Forts, aus Saint-Germain-
des-pres 1125—1167 (= Hist. Lud. VII) theilweise MG. SS. XXVI, 151. —
Den Anfang einer eigentümlichen Ueberarbeitung der Gesta Francorum,
welchen Ekkehard benutzt hat, theilt Waitz aus einer Bamberger Hand-
schrift mit, Forschungen HI, 145 — 147; vgl. 607.
2) Ueber diese genügt es, auf die Abh. v. Zeumer, NA. VI, 9 — 115 u.
die Ausg. MG. Legum Sectio V zu verweisen. Den Bischof Landerich,
welcher Marculfs Sammlung veranlafste, hält Z. für den Bischof von Meaux,
c. 700.
3) Gesammelt bei Duchesne I, Bouq. IV. u. jetzt MG. Epp. Tom. III.
4) Gundlach, NA. XIII, 365-387.
Formeln, Briefe und Verse. XI 1
Sehr eigenthümlicher Art ist die Correspondenz zwischen einem
Bischof Frodebert, vermuthlich yon Tours, und Importunus von Paris
(um 666), welcher jenem u. a. vorwirft, dafs er des Hausmeiers
Grimoald Frau entführt habe. In höchst barbarischem Latein ver-
fafst, aber durchgehends gereimt, können diese Schmähschriften un-
möglich als wirkliche Briefe betrachtet werden, sind aber um so
merkwürdiger als ein boshaftes Pasquill des 7. Jahrhunderts1).
Von jenen halb verklungenen, halb durch Zuthaten der Schul-
gelehrsamkeit entstellten Stammsagen der Franken finden sich Spuren
auch in dem schon früher (S. 90) erwähnten Prolog des Salischen
Gesetzes, und an diesen erinnert ein seltsames Werk des siebenten
Jahrhunderts, die poetische Weltbeschreibung eines ungenann-
ten Verfassers, der in ganz ähnlicher Sprache und Weise einige Ca-
pitel des Isidor in Verse brachte, und nur über die Franken einige
selbständige Zusätze anbrachte, in denen sich das stolze Selbstgefühl
jenes Prologs wieder erkennen läfst2). Es sind dreizeilige Strophen
mit sehr ungenauen Endreimen, rhythmische Langzeilen von 15 Silben
mit einer Caesur nach der achten Silbe, eine in jener Zeit häufige
Form. Für den Verfasser dieses Kunstwerkes hält Dümmler den-
selben Theodofridus, welcher ein anderes, nicht minder rohes
Gedicht über die 6 Weltalter verfafst hat; beide sind von demselben
Winitharius abgeschrieben ; auch einen dritten, chronologischen Rhyth-
mus vom J. 718 fügt er hinzu. In Theodofrid aber erkennt er den
ersten , bald nach 657 aus Luxeuil gekommenen Abt von Corbie,
welcher um 681 Bischof wurde, wahrscheinlich von Amiens3).
x) S. Zeumer im NA. VI, 75 u. die Ausg. Formulae p. 220—226.
2) Versus de rota mundi, ed. Pertz: Ueber eine fränkische Kosmogra-
phie des siebenten Jahrhunderts, Abh. der Berl. Ak. 1845, S. 253. Wright,
Anecd. p. 101 — 104 aus Clm. 903. Dazu kommen noch die Handschriften
Cod. S. Galli 213 u. Vat. Pal. 1357, Arch. XII, 354. Vgl. Huemer, Unter-
suchungen über die ältesten lat. christ. Rhythmen (Wien 1879) S. 63 — 65.
Manitius, Gesch. d. christl. lat. Poesie S. 474. — Ueber eine alte fränk.
Völkertafel, die er um 520 ansetzt, Müllenhoff, Abh. d. Berl. Akad. 1863,
S. 520. Für erheblich jüngeren Ursprang Ad. Bachmann, Wiener SB.
XCI, 864. In welche Zeit und Verbindung die fabelhafte Kosmographie
des Aethicus gehört, welche bei der Trojanersage eine Rolle spielt,
ist noch dunkel; Krusch bemerkt, „dass darin die Fassung der Gesta
Francorum von 736 benutzt und er also erheblich jünger ist, als man ihn
gewöhnlich ansetzt. Auf die erste Hälfte des 9. Jahrh. weist auch seine
Verwandtschaft mit der Hist. Daretis, welche der erste Fortsetzer des
Fredegar in den Hieronymus einschob: beide haben die Fabel von Francus
u. Vassus, beide gleichen sich im Stil (z. B. gignarus für gnarus)." Das
Gegentheil behauptet freilich K. Plath, Die Königspfalzen (Berl. Diss.
1892) These 2.
3) Zeitschr. f. D. Alterth. XXII, 423. XXIII, 280. Manitius S. 476.
112 I- Vorzeit. § 10. Die Thaten der Frankenkönige.
Höchst eigenthüinlich ist eine andere Dichtung, die vielleicht
ebenfalls noch dem siebenten Jahrhundert augehört, nämlich ein
Lied, welches sich auf Chlothars II Sieg über die Sachsen
i. J. 622 (?) bezog, wovon uns aber leider nur ein kleines Bruchstück
erhalten ist. Es bestand ebenfalls aus je drei gereimten Zeilen, die
aber iambischen Rhythmus haben und je vier Hebungen enthalten.
Der eigentliche Held des Liedes ist der heilige Faro, Bischof von
Meaux, welcher die Gesandten der Sachsen gegen die beabsichtigte
Ermordung von Seiten des Königs beschützt hatte, und ihm zu
Ehren wurde nach dem Zeugnifs des Biographen des h. Faro,
Bischof Hildegars, der zu Karls des Kahlen Zeit schrieb, dieses
Lied allgemein von Männern und Frauen zum Tanze gesungen *).
Ein anderes, noch weit merkwürdigeres Lied glaubte Lenormaut
entdeckt zu haben2), ein historisches Volkslied des sechsten
Jahrhunderts zur Feier von Childeberts I Feldzug gegen Sa-
ragossa i. J. 542. Dieses sollte nämlich paraphrasiert sein in dem
Leben des h. Droctoveus, ersten Abtes von St. Germain-des-Pres,
einer Stiftung jenes Childebert, und sich daraus zum Theil wieder
herstellen lassen. In der That erinnern Ausdrücke darin, wie torrens
pulchritudinis 3) , an jene alte fränkische Poesie, und es ist nicht un-
möglich, dafs wirklich die Spur eines alten Liedes darin zu erkennen
ist; im übrigen aber ist die Erzählung von der angeblichen Erwer-
bung der Stola des h. Vincenz auf jenem Feldzuge ganz den „Thaten
der Franken" entnommen, und deshalb die Herstellung jenes Liedes
aus den Worten der Lebensbeschreibung ein verfehltes Unter-
nehmen.
§ 11. Fränkische Heiligenleben.
Aufs er den bis jetzt erwähnten Geschichtswerken ist uns aus
der Zeit der Merowinger noch eine bedeutende Menge von geschicht-
lichem Material erhalten in den Legenden der Heiligen, deren Zahl
in diesen Zeiten aufserordentlich grofs ist. Die meisten von ihnen
sind kirchliche Würdenträger und dadurch auch in die weltlichen
Händel verflochten; ihre Lebensbeschreibungen würden unschätzbar
sein, wenn sie nicht erstlich zu ausschliefslich blofse Lobreden
1) Mab. Acta SS. 0. S. B. II, 617. Hildegar war aus dem Kloster
St. Denis. Brosien S. 53 schlägt die Glaubwürdigkeit dieser Vita sehr
genüg an. Manititis, S. 474 hält das Lied für Uebersetzung eines fränkischen.
2) Bibliotheque de TEcole des Chartes I, 1, 321.
3) Vgl. V. Eligii auct. Audoeno I, 14: rex Dagobertus torrens pulcher
et inclytus.
Fränkische Heiligenleben. 113
wären, und namentlich die weltlichen Beziehungen der Heiligen nur
ganz oberflächlich berührten, zweitens auch zum gröfsten Theile in
späterer Zeit verfafst wären1). Auch wo eine wirklich gleichzeitige
Aufzeichnung vorhanden war, besitzen wir doch häufig nur eine
spätere Ueberarbeitung; noch weit häufiger aber hat man das Leben
des Heiligen erst später nach unsicherer Ueb erlief erung beschrieben
und wenige bekannte Züge zu einer ausführlichen Geschichte aus-
gemalt. Natürlich wurden dann die Vorstellungen der späteren Zeit
auf diese schon weit entlegene Vergangenheit übertragen, und die
unkritische Benutzung solcher Quellen trägt einen grofsen Theil der
Schuld an den falschen Ansichten, welche bis auf die jüngste Zeit
über die Zeit der Merowinger herrschend waren.
Der 5. Ausgabe dieses Buches war ein alphabetisches Verzeich-
nifs aller dieser Legenden mit möglichst vollständigem Nachweis der
Litteratur, von Br. Krusch, beigegeben; schon ein Blick darauf genügt,
um zu zeigen, wie fern die grofse Mehrzahl unserm Zwecke liegt,
während allerdings für vollständige Durchforschung der Merowinger-
zeit alle wenigstens geprüft werden müssen. Auch für die MG. kann
nur eine Auswahl in Betracht kommen, und jede Berührung zeigt,
wie viel hier noch für die Kritik zu thun ist. Br. Krusch hat die
von Venantius Fortunatus herrührenden Legenden herausgegeben
und die ihm fälschlich zugeschriebenen damit verbunden; SS.
Meroving. II blieb noch Raum für die Heiligen, welche der könig-
lichen Familie angehören. Derselbe ist gegenwärtig mit systematischer
Durchforschung des übrigen Vorraths beschäftigt, und bevor die Er-
gebnisse dieser aufserordentlich grofsen und mühsamen Arbeit bekannt
werden, ist es besser, sich auf die Hervorhebung einiger der wich-
tigsten Heiligenleben zu beschränken.
Eine der geschichtlich wichtigsten, die Vita Vedasti (f 540)
ist schon oben S. 97 erwähnt; das Leben von Chlodwigs Gemahlin
Chrothildis2) (f 548) ist aus den Gestis Francorum geschöpft, kaum
vor dem zehnten Jahrhundert geschrieben und geschichtlich un-
brauchbar. Von Chlodovald (Saint Cloud, f c. 550), einem Sohne
Chlodomirs, den seine Grofsmutter vor dem Schicksal seiner gemor-
deten Brüder bewahrte und der dann ein frommer Priester wurde,
giebt es eine ganz aus Gregor geschöpfte Lebensbeschreibung;
eine zweite, im zehnten Jahrhundert in St. Cloud verfafste3) ist
werthlos. Nicht so inhaltlos, wenn auch hauptsächlich Wunder-
J) Vgl. Brosien, Quellen Dagoberts S. 47 ff.
2) SS. Meroving. II, 341—348.
3) ib. 349—357.
Wattenbach, Geschichtsquellen. I. 6. Aufl. g
114 I- Vorzeit. § 11. Fränkische Heiligenleben.
geschienten berichtend, ist das von Fortunat beschriebene Leben
des Bischofs Germanus von Paris1) (f 576). Des Lebens der
h. Radegunde (f 587) wurde schon oben S. 92 gedacht. Von
der Passio des Bischofs Desiderius von Vienne (f 608) ist erst
kürzlich die älteste Fassung aus dem siebenten Jahrhundert be-
kannt geworden2). Durch ziemlich gleichzeitige Entstehung und
noch unverfälschte Ueberlieferung ausgezeichnet ist die erst kürzlich
wieder aufgefundene älteste Lebensbeschreibung des Bischofs Gau-
gerich von Cambrai (f zw. 623 u. 629), welche manche cultur-
geschichtlich wichtige Züge und auch geschichtlich brauchbare Nach-
richten bietet3). Arnulf und Gertrud werden weiter unten noch
zu erwähnen sein. Zu den geschichtlich wichtigsten gehört wegen
der Gleichzeitigkeit und der hervorragenden Bedeutung des Mannes
das Leben des Bischofs Desiderius von Cahors (f 654)4).
Yon ausgezeichnetem Werth sind die Lebensbeschreibungen von
drei Männern, welche in der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhun-
derts auch politisch bedeutend hervortreten, Eligius (St. Eloy,
f zw. 659 und 665), zuletzt Bischof von Noyon, besonders hervor-
ragend als kunstreicher Goldschmidt, und deshalb auch Schutzpatron
dieser Künstler5), Audoenus (St. Ouen, f 683), Bischof von Rouen,
sein Freund und Biograph6), Leodegar (St. Leger, f 678), Bischof
von Autun7), nur ist der kritische Zustand dieser Werke bis jetzt
noch ein wenig befriedigender. Zu diesen nicht gering zu schätzenden
Leistungen des siebenten Jahrhunderts gehört auch noch das Leben
der Balthildis, der Gemahlin Chlodwigs II8) (f c. 680), der Stif-
terin von Corbie an der Somme und von Chelles, wo wahrscheinlich
diese Schrift zur Feier ihres Andenkens verfafst ist. Wie elend da-
gegen das in viel späterer Zeit im Kloster Sathona)r geschriebene
Leben Dagoberts III9) (f 716), den aber der Verfasser für den
J) Auctt. antt. IV, 2, 11—27.
2) Anal. Bolland. IX. fasc. 3.
3) Analecta Bolland. VII, 387, vgl. Krusch, NA. XVI, 225—234.
4) Labbe, Bibl. nova I, 699 u. App. vgl. Krusch, Forsch. XXII, 466.
5) D'Achery Spicil. V, 156. Hall. Diss. v. 0. Reich, 1872. Uebers.
im Auszug Geschichtschr. XI (VII, 2) S. 160—173.
6) Acta SS. Aug. IV, 805, vgl. NA. XII, 603. Verse zu einem Lobe
von seinem Nachfolger Ansibert NA. XIV, 171.
7) Ueber das Bruchstück einer gleichzeitigen Vita, die Fälschungen des
Ursmus, die Compilation des Anonymus aus beiden, Krusch, NA. XVI,
563—596. Die Vita metrica (nicht von Walahfrid) Poet. Lat. III, 1—37.
Uebers. des Anon. Geschichtschr. XI (VII,2) S. 141—156.
8) SS. Meroving. II, 475—508. Auszug Geschichtschr. XI (VII, 2)
S. 157—159.
9) ib. S. 509—524.
Heiligenleben. Schottenmönche. 115
Zweiten hält, ausgefallen ist, das möge man in dem Vorwort von
Krusch nachlesen. Es hat nur dadurch eine relative Bedeutung,
dass es von Theofrid von Echternach und von Alberich als Quelle
benutzt worden ist. In Betreff des Lebens der h. Odilia (f c. 720)
ist nur zu warnen vor den als Fragmente eines angeblich ältesten
Lebens veröffentlichten Fragmenten, welche eine Fälschung Vigniers
sind, während die echte Yita doch auch nicht älter als das zehnte
Jahrhundert ist und geringen Werth hat1). Von den Lütticher
Heiligen Hubert und Lambert wird weiter unten die Rede sein.
Zunächst aber wollen wir uns hier noch einer Betrachtung der-
jenigen Legenden zuwenden, welche eine nähere Beziehung auf
Deutschland haben und die erneute Pflanzung des Christenthums
auf deutschem Boden berühren.
Die Frauken haben sich damit nicht viel befafst; es kümmerte
sie wenig, dafs so viele ihrer Landsleute noch Heiden waren; im
alten Frankenlande an der Scheide fand noch im siebenten Jahr-
hundert Amandus viel Heidenthum auszurotten2). War doch bei
den christlichen Franken selbst nicht viel mehr als die äufsere Form
der Rechtgläubigkeit übrig geblieben; fromme Männer fanden zu
Hause Spielraum genug für ihre Thätigkeit. Die Mission finden
wir daher in diesen Jahrhunderten fast ausschliefslich in den Hän-
den Schottischer, d. h. nach dem Sprachgebrauch des früheren
Mittelalters Irländischer Mönche, welche damals alle Länder durch-
zogen. In dieser Insel, welche allein ihre keltische Bevölkerung
ungemischt bewahrt hatte, die allen fremden Welthändeln ferne lag,
war das Christenthum mit dem hingebendsten Eifer aufgenommen
worden, und hier war bald nicht nur die strengste, mönchische
Frömmigkeit, sondern auch eine ernstliche wissenschaftliche Thätig-
keit zu Hause; während im ganzen Abendland die gelehrte Bildung
unterzugehen und zu verschwinden drohte, fand sie hier sorgsame
Pflege3) freilich nur im Dienste der Kirche. Man schrieb die hei-
ligen Schriften ab, man lernte, um sie zu verstehen, lateinisch und
griechisch, man beobachtete die Sterne, um die kirchlichen Feste
berechnen zu können, man übte die Musik für den Gottesdienst,
baute Kirchen und Glockentürme, man schmückte die Bücher der
Kirchen mit kunstreicher Malerei und ihre Altäre mit köstlichen
*) Vgl. NA. XVII, 223.
2) Ueber ihn und seine Biographen Baudemund und Milo s. Rettberg
I, 554. Brosien S. 49.
3) Eine seltsam sagenhafte Aufzeichnung in einem Leidener Cod. s. XII
läfst die röm. Lehrer vor den Hunnen und andern Barbaren nach Irland
flüchten, mitgeth. v. Luc. Müller, Neue Jahrbb. f. Philol. XCIII, 389.
8*
Hß I. Vorzeit. § 11. Fränkische Heiligenleben.
Gefäfsen. Doch auch die profanen Schriftsteller erschienen hier
nicht, wie in Italien, gefährlich; freilich sind die Columban zuge-
schriebenen Gedichte, worin die alten Dichter viel benutzt und
angeführt werden, von zweifelhafter Echtheit. Vorzugsweise aber
äufserte sich die Frömmigkeit dieser Mönche in weiten Pilger-
fahrten, in dem Verlassen der Heimath, um in entlegener Fremde
als Einsiedler zu leben oder Klöster zu gründen, um unter Christen
und Heiden das Evangelium zu predigen 1). Das Frankenreich war
erfüllt von ihnen: was gäben wir darum, wenn sie aufgeschrieben
hätten, was sie sahen; wenn sie uns über ihre Thätigkeit und ihre
Schicksale zuverlässige Berichte hinterlassen hätten! Allein das lag
ihnen ferne; sie, die Meister im Schreiben, hatten für geschichtliche
Aufzeichnungen keinen Sinn, und nur wo sie so bedeutend wirkten,
dafs dauernde Gründungen ihr Gedächtnifs bewahrten, hat ihr An-
denken sich erhalten. Aber in völlig nebelhaften Umrissen würde
ihr Bild uns verschwimmen, wenn nicht glücklicher Weise einer
von ihnen, und wohl von allen der hervorragendste, in Italien einen
Biographen gefunden hätte. Das ist S. Columban, der Stifter
von Bobio2).
*) Vgl. F. Keller, Bilder und Schriftzüge in den irischen Manuscripten
der schweizerischen Bibliotheken (Mittheilungen der Antiquarischen Gesellsch.
in Zürich VII, 3) 1851. Wattenbach, die Congregation der Schottenklöster
in Deutschland, in der Archäologischen Zeitschrift von Otte und von Quast,.
Heft 1 und 2. Haureau. Ecoles d'Irlande, Singularites hist. (1861) p. 1
bis 36. Arbois de Jubainville, Introduction a l'etude de la litt. Celtique.
Die seltsamen Ansichten Ebrards über die Culdeer in der Zeitschr. f. hist.
Theol. XXXII u. XXXIII (Die Irische Missionskirche 1873. Bonifatius, der
Zerstörer des Columbanischen Kirchenthums auf dem Festlande, 1882)
kann ich nur erwähnen, um davor zu warnen. Hier ist Friedrichs Polemik
durchaus zutreffend. Auch 0. Reich bekämpft sie. Jetzt kann verwiesen
werden auf Loofs, Antiquae Britonum Scotorumque ecclesiae quales fuerint
mores etc. Lips. 1882. Keledei, verheirathete Anachoreten, kommen erst
im 8. Jahrh. auf, nach R. Pauli's Anz. von Skene, Celtic Scotland 11, GGA.
1878, S. 1015 ff.
2) Vgl. Rettberg II, 35. G. Hertel, Ueber des h. Columba (so schrieb
er selbst seinen Namen) Leben u. Schriften, bes. über seine Klosterregel,
Zeitschr. f. hist. Theol. 1875. III, 396—454. Hauck I, 240—276. Vita S.
Columbani auct. Jona abb. Bobiensi, Mab. Actt. II, 5. Im Ausz. übers, von Abel,
hinter Fredegar. Daran schliefst sich als zweites Buch die V.Attalae abb.Bob.
(Mab. II, 123) und Eustasii (S. 116); die Vita Burgundofarae oder Gesta in
coenobio Ebroicensi (S. 439) und V. Bertulfi abb. Bob. (S. 160). Ueber die
aus der Vita Eustasii schöpfenden Biographen des Agilus und der Sala-
berga s. Büdinger, SB. der Wiener Akad. XXIII, 372—383. Brosien S. 51.
Columbans Schüler, der Ire Deicolus, stiftete Lutra (Lure oder Saint-Diey),
welches nach gänzlichem Verfall mit Otto's I Hülfe hergestellt wurde durch
Baltram, dem sein Neffe Werdolf folgte (Dümmler Otto I S. 309). Dieser
veranlafste die Aufzeichnung der Vita S. Deicoli, Acta SS. Jan. II, 199 bis
210. Mab. II, 102 — 116. Weil Lutra an Waldrada gekommen war, finden
Sanct Columban. 117
Nach der Gewohnheit dieser Schottenmönche zog Columban,
gebürtig aus Leinster, gegen das Ende des sechsten Jahrhunderts1)
mit zwölf Gefährten aus von dem Kloster Benchuir oder Bangor;
staunend und tief ergriffen lauschte das Volk im Frankenreiche
ihrer feurigen Beredsamkeit, die entartete Geistlichkeit aber scheute
die strengen Bufsprediger und fürchtete ihren Einflufs auf die Menge.
Die Könige dagegen nahmen sie willig auf, ihr Eifern gegen die
ganz verfallene Kirchenzucht war ihnen willkommen und auf Chil-
deberts Wunsch liefs Columban sich mit seinen Begleitern in den
Vogesen nieder; zahlreiche Schüler strömten ihnen zu, und bald er-
hoben sich Klöster in der Wildnifs, vor allem Luxeuil. Es waren
dies nicht grofsartige Gebäude, wie in der späteren Zeit, sondern
wie einst S. Severins Ansiedelungen Haufen unscheinbarer Hütten,
in deren Mitte eine kleine Kirche sich erhob; neben ihr der runde
Thurm, der die Glocken trug, und im unteren Geschofs, von der
Erde nur auf Leitern zugänglich, eine Zuflucht in Zeiten der Gefahr
darbot.
Aber Columbans Feuereifer schonte auch der Könige nicht;
keine menschliche Rücksicht konnte ihn bestimmen, zu dem sitten-
losen Treiben des burgundischen Hofes zu schweigen, und furchtlos
trat er den Ausschweifungen Theuderichs entgegen. Den Bischöfen
war er längst zuwider; schon die blofse Anwesenheit dieser Mönche
im Lande veranlafste zu Vergleichungen ihres ascetisch strengen
Lebens mit dem lockeren Wandel der merowingischen Prälaten.
Die Abweichung der irischen Kirchengewohnheiten von den gallischen
und die Unabhängigkeit der Klöster von bischöflicher Aufsicht,
welche nach irischer Weise in Anspruch genommen wurde, boten eine
Waffe dar; man erklärte sie für ketzerisch, und so vertrieb denn
endlich um 610 Brunhilde, deren Zorn er verachtet hatte, den Co-
lumban sammt seinen Genossen. Ueber Nantes sollten sie nach
Irland geschafft werden, aber ein Sturm warf sie wieder an die Küste;
Chlotar II und Theudebert nahmen sie ehrfurchtsvoll auf; hier wählte
sich darin sagenhafte Nachrichten über Lothar II. — Versus de Bobuleno
abbate, einen alphabetischen Rhythmus auf Bertulfs Nachfolger in Bobio,
nicht gleichzeitig u. ohne viel Inhalt, hat Dümmler herausgegeben, NA.
X, 334.
2) Im J. 590 nach G. Hertel, Anm. z. Gesch. Columba's, Zeitschr. f.
Kirchengesch. III, 145-150. — Ueber C. Briefe s. Krusch, NA. X, 84—88;
Gundlach ib. XV, 497—526; Seebass ib. XVII, 243—259 u. Entgegnung
v. Gundlach S. 425—429. — E. Dümmler, NA. X, 190, wo er das Ruder-
lied En silvis caesa herausgiebt, vermuthet einen jüngeren irischen Dichter
Columban, spätestens aus der ersten karoling. Zeit, der mit Horaz und
Vergil vertraut war. Manitius, Gesch. d. christl. lat. Poesie, S. 390 für
unsern Columban.
118 I. Vorzeit. § 11. Fränkische Heiligenleben.
er zu seinem Aufenthalt Bregenz in Alamannien, wo ungeachtet der
Frankenherrschaft und der Bestimmungen des Volksrechts doch das
Heidenthum noch stark war. Drei Jahre lang blieb Columban zur
Bekämpfung desselben in Bregenz. Dann aber verliefs er das Franken-
reich gänzlich und wanderte in das Langobardenreich, wo Theudelinde,
die Freundin Gregors des Grofsen, ihn mit Freuden aufnahm. Hier stif-
tete er nun das Kloster Bobio zur Vertilgung der Reste arianischer
Ketzerei, und noch jetzt zeigen die zerstreuten Handschriften dieses
Klosters die alten irischen Schriftzüge und Erinnerungen an die
Heimath wie die Versiculi familiae Benchuir1). Mit vollem Eifer
überliefsen sie sich hier ihrer Lieblingsneigung zum Schreiben, die
unverständlich gewordenen Ueberbleibsel der gothischen Litteratur
und Fragmente von alten Prachthandschriften der Klassiker benutzten
sie, um auf das reingewaschene Pergament die Werke der recht-
gläubigen Kirchenväter zu schreiben2). Sie retteten jene Pergament-
blätter dadurch vom Untergang, und es war auch nicht etwa ein
fanatischer Hafs gegen die heidnischen Schriftsteller, welcher sie zur
Vertilgung derselben antrieb. An Handschriften derselben war da-
mals noch kein Mangel, und sie selber benutzten dergleichen zur
Erlernung der Sprache; finden wir doch unter den Schulbüchern zu
Bobio auch den Ovid.
Am 21. November, wahrscheinlich im J. 615, ist Columban ge-
storben. Drei Jahre nach seinem Tode kam Jonas aus Susa in
das Kloster Bobio. Dieser beschrieb zuerst, noch auf Veranlassung
des Abtes Bertulf, das Leben des Columban, welchem er das Leben
seiner Schüler Eustasius und Attala, die ebenfalls als Missionare
von Luxeuil ausgingen, folgen liefs; dann des Bertulf, Abtes von
Bobio, und der Burgundofara, welche Columban zur Nonne ge-
1) In dem Antiphonarium monasterii Benchorensis, ed. Muratori, Anec-
dota Bibl. Ambros. IV, 121 — 159 (Verbesserungen von A. Peyron, Ciceronis
Orationum Fragmenta, 1824, Anhang S. 224—226. Vgl. Manitius S. 482.
Bei demselben Antt. III, 817 der wichtige Catalog der Bob. Bibliothek
saec. X. Sacramentarium Gallicanum aus Bobio in Halbuncialschrift saec.
VII, ed. Mabillon, Mus. Ital. I, 2, 273—397. Von Luxeuil aus ist c. 657
Corbie durch die Königin Balthilde gestiftet, daher Notizen von dort
im Calend. Corbeiense, gedr. NA. X, 91.
2) Möglich, dafs Columban selbst noch die arianischen Schriften sam-
melte, um sie zu widerlegen, wie Krafft, De fontibus Ulfilae Arianismi
p. 18 — 20 annimmt, weil alle gothischen Reste von da stammen. Ob man
sie aber damals noch verstand? Nicht lange nachher begann man sicher
zu rescribiren. Ebrard in der Zeitschr. f. hist. Theol. XXXII, 403 giebt
die merkwürdige Inschrift des Cod. Erlang, von Hieron. de viris ill. (mit
dem üblichen Lesefehler quum st. quoniam), wonach es scheint, als sei unser
Text durch Columban aus einer beschädigten Handschrift auszugsweise
hergestellt.
Columban. Gallus. 119
weiht hatte. Jonas verräth seine italische Herkunft und den Unter-
richt der Grammatiker durch seine unerträglich schwülstige Schreib-
art, aber er hat uns aufserordentlich schätzbare Nachrichten auf-
bewahrt. Auf den "Wunsch der Königin Balthilde ist er, der in-
zwischen irgendwo Abt geworden war, auch nach Chalon-sur-Saone
gekommen, und hat im Nov. 659 im Reomaenser Kloster auf Ver-
langen des Abts das Leben des 540 gestorbenen Gründers des
Klosters Johannes beschrieben1).
Einer von jenen ursprünglichen zwölf Gefährten, die mit Co-
lumban von Bangor auszogen, war Gallus, in älterer Form Callo,
Gallunus, der in Alamannien zurückblieb, als sein Meister über die
Alpen zog, und zuerst die Bekämpfung des Heidenthums am Boden-
see fortsetzte, später aber als Einsiedler in das wildeste Gebirge
sich zurückzog, wo er um die Mitte des siebenten Jahrhunderts
gestorben ist. Als dann nach seinem Tode das Grab des Heiligen
immer häufiger von irischen Pilgern aufgesucht wurde und immer
mehrere von ihnen, sowie auch von den Alamannen, sich hier
niederliefsen, erwuchs aus dem unscheinbarsten Anfang das Kloster
St. Gallen, und so wie die kleine Zelle des Gottesmannes der Kern
und Anfang dieser reichen Stiftung ist, so schlofs sich in gleicher
Weise an die Lebensbeschreibung des Stifters2) die später so be-
deutende Litteratur von St. Gallen. In ihrer ursprünglichen Form
ist uns diese aber nicht erhalten; sie war nach einer alten Aufzeich-
nung a Scotis semilatinis corruptius scripta, und enthielt nach Walah-
frids Zeugnifs häufig die Form Altimannia, welche in der uns er-
haltenen ältesten nicht vorkommt3). Der Verfasser dieser Biographie
war ein Alamanne, welcher die alte barbarisch geschriebene über-
arbeitet hat; sein Name ist uns aber erst jetzt bekannt geworden4),
*) Vita S. Johannis Reomensis. Nach Fr. Stöber, Wiener SB. CIX,
319 — 398 ist es die unvollständig erhaltene des cod. Fossatensis, die an-
deren Versionen jüngere Bearbeitungen. Das. S. 330 (gegen A. Jahn) der
Nachweis, dass die V. Romani abb. Jur. keine Fälschung, sondern echt
und alt ist.
2) MG. SS. 11, 1 — 21 von Ild. v. Arx nach der von ihm wieder aufge-
fundenen Handschrift zuerst herausgegeben. Daraus Acta SS. Oct. VII, 860.
Vgl. Stalins Wirt. Gesch. II, 167, Kettberg II, 40. Uebersetzung von Pott-
hast, Geschichtschr. 12 (VIII, 1) 1888. Neue Ausg. von G. Meyer v. Knonau,
in den Mitth. z. vaterl. Gesch. (S. Gallen 1870) XII, 1—61. Nach einem
älteren Irrthum von Arx ist S. 16 die Feldflasche ascopa mit der Reliquien-
capsel verwechselt. Der metr. Prolog bei Dümmler, Poet. Carol. II, 476,
cf. 701.
3) S. Weidmann, Gesch. d. Stiftsbibl. S. 485. Gust. Scherer, Verzeich-
nifs der Handschriften S. 172—175.
4) Schon Jodocus Metzler vermuthete ihn, doch ohne einen Beweis da-
für zu geben; vgl. auch Mab. Anal. IV, 640.
120 I- Vorzeit. § 11. Fränkische Heiligenleben.
indem Fr. Bücheier in dem unglaublich barbarischen metrischen
Prolog das Acrostichon erkannte: Cozberto patri Wettinus verba salutis.
Wetti also ist es, der 824 nach seiner bekannten Vision gestorben
ist, und dem Abt Gozbert (816 — 837) sein Werk widmete. Es ist
daher noch bedeutend jünger als man früher annahm, wenn man
auch schon erkannt hatte, dafs es erst nach 771 geschrieben war.
Mancher merkwürdige, namentlich culturgeschichtlich bedeutende
Zug ist darin aufbewahrt, aber erst fast zwei Jahrhunderte nach
dem Tode ihres Helden geschrieben, darf diese Biographie, wenn
auch eine alte Grundlage vorhanden war, doch nur mit Vorsicht be-
nutzt werden. Vorzüglich auf die Wunder, überhaupt aber auf Ver-
herrlichung des Stifters ist das Bestreben des Verfassers gerichtet;
im Anfang benutzt er das Leben Columbans, später nur die Tra-
dition nicht ohne erhebliche chronologische Verstöfse. Seine Sprache
zeigt gegen die frühere Zeit einen erheblichen Fortschritt, doch ist
sie für karolingische Zeit recht roh und fehlerhaft; hin und wieder
fällt rhythmischer Klang mit Reimen auf.
Von Columbans Stiftung Luxeuil ging auch das Kloster Granval
im Baseler Sprengel aus, und das Leben des ersten Abtes Ger-
manus1), der um die Mitte des siebenten Jahrhunderts erschlagen
ist, wurde bald nachher von Bob ölen beschrieben.
Noch andere Klöster Alamanniens und des Elsasses führten
ihren Ursprung auf irische Mönche zurück und haben es auch nicht
an Lebensbeschreibungen ihrer Stifter fehlen lassen, die aber erst
später entstanden und völlig unbrauchbar sind. Merkwürdig ist, dafs
man in späterer Zeit in diesen Gegenden so gewohnt war, die Be-
gründer der Klöster aus der merowingischen Zeit als Schotten zu
betrachten, dafs man sie in den Legenden unbedenklich dafür aus-
gab, wenn auch gar kein Grund dazu vorhanden war; auch Franken,
wie Arbogast2), Trudpert und Landelin3), erscheinen da als
1) Mabülon, Acta SS. II, 511 aus Acta SS. Feb. III, 263.
2) Mit Arbogast, Theodat und Hildulf soll Floren tius zu Dagoberts
Zeit aus Irland gekommen und Bischof von Strafsburg geworden sein, das
J^loster Haslach gegründet haben. Die Namen sind nichts weniger als
irisch, die Legende, deren Wunder von anderen bekannten copirt sind,
sehr jung und völlig unbrauchbar. Neue Ausgabe der Vita Florentii bei
Ch. Schmidt, Histoire du Chapitre de Saint-Thomas de Strasbourg (1860),
p. 283. Vgl. Rettberg II, 65. — Ueber das ganz unbrauchbare Leben Trud-
perts s. Anm. 2 auf S. 122.
3) Ich rechnete hierhin früher auch Fridolin, glaube aber jetzt, dafs
dies ein fränkisch umgemodelter Schottenname ist, da es von Columban
Verse an einen Fedolius giebt, und auch Petrus Damiani Opp. II, 9 den
Fredelinus in Poitiers als Schotten bezeichnet. Die Legende (Mone,
Quellens. I, 1 — 16, alte Uebers. 99 — 111) aber gewinnt dadurch wenig, sie
Schottenmönche im Elsass. Baiern. 121
Schotten, und sogar S. Rupert, der Apostel der Baiern, wird ihnen
zugezählt.
Freilich sind in Baiern ebenfalls Schotten thätig gewesen, ob-
wohl hier die namhaftesten Missionare Franken waren. Die Kirchen-
gründungen aber entstanden nach irischer Weise in der Form von
Klöstern, deren Aebte auch zugleich das bischöfliche Amt verwal-
teten. So war es in Salzburg, Regensburg und Freising, und die
Rivalität zwischen den Bischöfen und den Klöstern von St. Emmeram
und St. Peter zieht sich fort bis in die neueste Zeit.
Es ist kaum glaublich, dafs nicht im Laufe des siebenten Jahr-
hunderts einzelne Missionare, Franken und Iren, in Baiern sollten
thätig gewesen sein; das Christenthum war äufserlich durch die
Frankenkönige eingeführt, aber wenig ins Volk eingedrungen und
nach der Lockerung des staatlichen Bandes völlig verfallen, die
Herzogsfamilie selbst, heifst es, ungetauft1). Da berief der Herzog
Theodo i. J. 696 den Bischof Rupert von Worms zu sich, um das
kirchliche Wesen einzurichten2). Er wurde der Begründer des nun
fest und bleibend gepflanzten Christenthums in Baiern, der Stifter
von St. Peter in Salzburg, von wo sein Nachfolger Virgil (743 als
Abt, als Bischof 767 bis 784), ein Irländer, das Evangelium auch zu
den karantanischen Slaven trug3).
soll von Balther, einem Seckinger Mönch in einem unfindbaren Kloster
Helera ad Musellam, auch einer Stiftung Fridolins zu Ehren des h. Hilarius,
entdeckt und wegen Mangels an Pergament und Dinte auswendig gelernt,
dann in Seckingen aufgeschrieben und mit einem zweiten Theil aus localer
Tradition versehen sein. Ich kann darin nur eine Erfindung sehen, wie
sie ähnlich auch sonst zur Einführung erdichteter Legenden vorkommen,
und halte auch Balthers Namen und die Widmung an einen Notker für
Fiction. Vgl. Rettberg II, 29. Stalin I, 166. — Von den Versuchen, die
Legende ganz oder theilweise zu retten, erwähne ich Lütolf : Die Glaubens-
boten der Schweiz vor Gallus (Luc. 1871), S. 267 ff. Die Erwähnung einer
Vita Fredelini in Poitiers bei Petrus Dam. Opp. II, 9, worauf hier Ge-
wicht gelegt wird, ist merkwürdig; aber was von diesem gesagt wird,
stimmt wenig zu unserer Legende. Seine Existenz und Herkunft sind aller-
dings jetzt besser festgestellt. Gegen G. Heer, der einen hist. Kern retten
will (NA. XIV, 627), G. Meyer v. Knonau im Anz. f. Schw. Gesch. 1889,
S. 377.
*) Vgl. S. Riezler: Ueber die Entstehungszeit der Lex Bajuwariorum,
Forsch. XVI, 409—446.
2) Vgl. die Abhandlung von Blumberger: Ueber die Frage vom Zeit-
alter des heiligen Rupert, im Archiv der W. Ak. X, 329—368. Gegen die
immer wiederholten Bemühungen, Rupert dem 6. Jahrh. zuzuweisen, habe
ich mich in den Heidelb. Jahrbb. 1&70 S. 24 ausgesprochen; mir zustimmend
Riezler a. a. 0. S. 418; auch Zillner, Streifzüge, in den Mitth. d. Ges. f.
Salzb. Landeskunde 1878. Vgl. auch Hauck I, 337—342.
3) Die Nachricht aus irl. Anualen von einem Fergil oder Feirgil, ge-
nannt der Geometer, der Abt von Aghaboe gewesen war, und im 30. Jahre
122 I- Vorzeit. § 11. Fränkische Heiligenleben.
Auch ein fränkischer Bischof, E mm er am von Poitiers, verliefs,
veramthlich im Anfang des achten Jahrhunderts, seine Heimath, um
auf diesem Felde zu wirken, und sein Grab wurde der Grundstein
der Regensburger Kirche; Corbinian, ebenfalls ein Franke, legte
den Grund zu der Freisinger Kirche.
Unsere Nachrichten über diese Begebenheiten sind aber leider
sehr unzulänglich; für den zuverlässigsten galt der kurze Bericht
über S. Rupert, welcher den Eingang der Schrift über die Bekehrung
der Baiern bildet, ihm schienen alte Aufzeichnungen zu Grunde zu
liegen1). Und diese, nämlich die ursprüngliche Form der Yita, glaubte
Franz Martin Mayer in einer Grazer Hs. gefunden zu haben, worin
freilich von Sprache und Stil des 8. Jahrh. nichts zu spüren ist2).
Hiergegen aber hat sich J. Friedrich erhoben3), und aus alten Salz-
burger liturgischen Büchern nachgewiesen, dafs man noch lange im
9. Jahrh. kein Leben Ruperts besafs und dafs man den 24. Sept.
als seinen Todestag feierte4). Nur durch ein Mifsverständnifs hielt
man später den Sonntag, an welchem er gestorben, für den Auf-
erstehungstag. Die Grazer Vita erklärt Friedrich für die aus der
Conversio entnommenen Lectionen, beiden aber spricht er allen
historischen Werth ab, worin er denn doch wohl etwas zu weit
gehen möchte. Denn so frei man auch in der Ausschmückung, ja
Erfindung von Legenden verfuhr, man machte doch nicht leicht
seinen Heiligen zum Bischof von Worms und setzte seine Ankunft
in ein bestimmtes Jahr eines ganz verschollenen Königs, wenn dafür
nicht Notizen vorlagen.
seiner Bischofswürde in Deutschland 789 gestorben, ist ungenau. Zimmer,
NA. XVII, 211.
x) MG. SS. XI, 4. 5. Doch konnte ich dem von Büdinger Oest. Gesch.
I, 101 geltend gemachten Grunde für die Abfassung des ersten Theils
unter Virgil nicht beistimmen. Auch hat Blumberger: Ueber die Frage,
ob der heilige Rupert das Apostelamt in Baiern bis an sein Lebensende
geführt habe, im Archiv der Wiener Akademie XVI, 225 — 238, mich nicht
von Ruperts Rückkehr nach Worms überzeugt, da es mir unglaublich ist,
dafs die Translation der Gebeine vergessen oder unerwähnt geblieben sein
könnte. Andere Gründe dagegen bei AI. Huber: Das Grab des h. Rupert,
Arch. d. W. A. XL, 275—321. — Unbrauchbar ist das nach der Elevation
von 816 geschriebene Leben Trudperts, den man wohl nur wegen der
Aehnlichkeit des Namens zu einem Bruder Ruperts machte, bei Mone,
Quellens. I, 19. Vgl. Stalin I, 167. Rettberg II, 48. Potthast S. 913. Facs.
aus den Actis bei Herrgott, Geneal. I, p. XVIII.
2) Die Vita S. Hrodberti in älterer Gestalt. Arch. d. W. Ak. LXI1I,
595 bis 608. Hauck II, 380 für Veranlassung dieser Vita durch Virgil.
3) Münch. SB. 1883. S. 509—547.
4) So auch in dem aus Regensburg stammenden Veroneser Sacra
mentar (Saltisburgo). Delisle, Sacram. p. 194.
Emmeram und Corbinian. Rupert. 123
Die Legenden von Emmeram1) und Corbinian2) sind zuerst vom
Bischof Aribo von Freising3) (764 — 783), letztere auf Ansuchen
des Bischofs Virgil von Salzburg, nach der mündlichen Ueberlieferung
verfafst und von sehr geringem Werthe. Ein anstöfsiger Umstand
darin ist die Reise der beiden Missionare nach Rom; denn erst die
Angelsachsen hielten es für nothwendig, sich von dort die Vollmacht
zur Missionsthätigkeit zu holen, während vorher den Franken wie
den Iren ein solcher Gedanke ganz fern lag, ja selbst Bonifaz noch
zu seiner ersten Mission unter den Friesen eine solche Vollmacht
nicht eingeholt hat. Später aber galt diese Erlaubnifs für so un-
erläfslich, dafs die Legendenschreiber sie auch für die ältere Zeit
ganz unbedenklich als selbstverständlich annahmen. Sie erzählen
daher eine solche Reise als Thatsache, und nennen den Pabst, der
nach ihrer Berechnung der Zeitverhältnisse damals regiert hatte.
Die neueren Gelehrten haben dann wieder umgekehrt nach dem
Namen des Pabstes die Zeit des Heiligen bestimmt und dadurch
die Verwirrung vollständig gemacht; ein Fehler, von dem auch
Rettberg nicht frei ist. Dafs die Sache sich aber wirklich so ver-
hielt, zeigt sich deutlich an den Legenden, die in ihrer älteren noch
erhaltenen Form nichts von einer solchen Reise nach Rom wissen,
während sie in den späteren Bearbeitungen eingeschoben ist. Das
ist der Fall bei dem heiligen Patricius, bei S. Rupert; auch Gregor
von Tours läfst sein späterer Biograph nach Rom reisen.
Denselben Umstand finden wir auch im Leben des heiligen
J) Acta SS. Sept. VI, 474. Vgl. Rettberg II, 189. Hauck I, 342. Nach
Hugo Graf Walderdorff, Regensburg (3. Aufl.) S. 137, ist die ursprüngliche
Form Heimraban, in einem Kalend. saec. VIII. Emhram. Vgl. Riezler, Forsch.
XVIII, 528, über den Ort seines Todes. Neue Ausg. v. B. Sepp, Anal.
Bolland. VIII, 211—240 u. Sep. Ausg. 1890. Nach Riezler muss es eine
Ueberarbeitung sein.
2) MeichelbeckHist.Fris.I, 2 p. 3. Acta SS. Sept. III, 281. Vgl. Rettberg
II, 213, Hauck I, 345, und über beide M. Büdinger, Zur Kritik altbaier.
Geschichte, Wiener SB. XXIII. Darin wird auch die früher herrschende
Ansicht von der Anwesenheit des Eustasius und Agilus in Baiern bekämpft,
welche jetzt G. Waitz, Gott. Nachr. 1869 S. 136, Friedrich, Münch. SB. 1874,
I, 358, Riezler, Forsch. XVI, 417, wieder in Schutz nehmen. Büd. Oest.
Gesch. I, 85, 94, und über Aribo S. 141. Aelteste Form der V. Corbiniani
im Cod. Mus. Brit. 11880, her. von Riezler, Abh. d. Münch. Akad. III. Cl.
XVIII, 1 (1888). Die Bearbeitung ist nach ihm wahrscheinlich von Hrotrohc,
einem Mönch von Tegernsee, dem eine V. Corb. zugeschrieben wird, saec.
IX. X. Vgl. auch Dr. David Schonherr: Ueber die Lage der angeblich
verschütteten Römerstadt Maja, Innsbr. 1873. Corpus Inscr. Lat. III, 707.
V, 543.
3) Er nennt sich auch Cyrinus Dach der Deutung des Namen Cyrus
als haeres bei Hieronymus de nominibus Hebraeorum.
124 !• Vorzeit. § 11. Fränkische Heiligenleben.
Kilian1), des ersten bekannten Missionars unter den Ostfranken.
Auch er war gegen das Ende des siebenten Jahrhunderts mit mehreren
Begleitern aus Irland gekommen, und seine Wirksamkeit ist bezeugt
durch die hohe Verehrung seines Namens; wie an S. Gallus Grabe,
so scheinen sich auch in Würzburg seine Landsleute zahlreich ein-
gefunden zu haben, und noch jetzt finden wir ihre Spuren in den
irischen Schriftzügen der dortigen Handschriften. Die Lebensbeschrei-
bung aber ist erst im zehnten Jahrhundert verfafst und fast ganz
werthlos.
Diese irischen und fränkischen Missionare bereiteten den Boden
vor für die Angelsachsen, mit deren Auftreten ihr Stern erlischt.
Ihre Pflanzungen waren zu vereinzelt, um sich erhalten zu können,
es fehlte ihnen die feste Organisation, durch welche jene so stark
waren, und die vereinzelten Mönche konnten sich von Entartung
und Verwilderung nicht freihalten. Ihre Eigenthümlichkeiten in Lehre
und Gebräuchen brachten sie bald in Streit mit den Angelsachsen,
und es ist ferner nicht mehr die Rede von ihnen. Nur als Pilger
erscheinen sie noch, geschätzt wegen ihrer strengen Entsagung,
wegen ihrer Fertigkeit im Schreiben, und häufig auch noch wegen
ihrer Gelehrsamkeit; aber als Missionare finden wir sie nur zur Zeit
der Merowinger genannt.
Geschichtliche Nachrichten aus dieser Zeit haben sie selbst uns
durchaus nicht überliefert; man sollte meinen, dafs ihnen der Sinn
für historische Aufzeichnung der Begebenheiten gänzlich fehlte. In
der Heimath aber verfafsten sie doch Jahrbücher, deren Anfänge sehr
alten Zeiten zugeschrieben werden, und sie mögen wohl nicht ganz
ohne Einfluss auf die Entstehung der jetzt im Frankenreiche auf-
kommenden Klosterannalen gewesen sein, da wir an der Spitze der-
selben hin und wieder irische Namen finden, doch ist eine irgend
erhebliche Betheiligung von Schottenmönchen an den weiteren Auf-
zeichnungen nicht nachweisbar. Andere Annalen gehen auf Lindis-
farne zurück, eine britische Stiftung in England; aber diese sind nicht
unmittelbar, sondern über Canterbury ins Frankenreich gekommen,
*) Canis III, 1, 180. Mab. II, 991. Acta SS. Jul. II, 612. Vgl. Stalin
I, 167. Rettberg II, 303. Das älteste Zeugnifs für Kilians Martyrium ist
im Necrolog. Wirzib. s. IX. bei Eckhardt, Comm. de or. Francia I, 831.
Dümmler, Forsch. VI, 116. 118. Piper, Karls d. Gr. Kalend. S. 26. Ueber
die in Kilians Grab gefundene Bibel in Uncialschrift Eckhardt Franc.
Or. I, 451, Schepss, Die ältesten Evangelienhss. der Univ.-Bibl. (1887) S. 6.
Facsim. bei Zangemeister u. Wattenbach, Exempla tab. LVIII. Irische
Handschriften in Würzburg: Archiv VII, 106; Catalogue of Manuscripts
in the British Museum, New Series I. 1843 fol. Tab. 1, 3; Zeufs, Gram-
matica Celtica, p. XX.
San et Kilian in Würzt» urg. 125
wie denn überhaupt diese Annalen von den Angelsachsen, nicht von
den Irländern ihren Anfang nehmen.
Die Schotten stehen in der genauesten Beziehung zu der alten
fränkischen Kirche, und gehören mit dieser wesentlich der merowin-
gischen Periode an; sie haben manche Keime gelegt und anregend
gewirkt, aber eine neue frische Entwicklung war im merowingischen
Reiche und auf dem alten Boden nicht mehr möglich ; schon in den
letzten Zeiten der Merowinger knüpft sich alles wirklich lebensfähige
an das neue Geschlecht der Arnulfinger, und wir beginnen deshalb
mit seinem Auftreten einen neuen Zeitraum.
IL Die Karolinger.
Vom Anfang des achten bis zum Anfang des zehnten
Jahrhunderts.
§ 1. Neue Anfänge der Geschichtschreibung.
Fredegars Fortsetzer.
Ausgaben mit Fredegars Chronik. Uebersetzung von 0. Abel ebend. und von 735 an bei
Einhards Annalen; vereinigt u. nach der neuen Ausg. v. Krusch berichtigt 1888. —
Cauer, De Carolo Martello, Berl. 1846. Breysig, De continuato Fredegarii scholastici
chronico, Berl. 1849. Oelsner, De Pippino rege, Vratisl. 1853. p. 24 — 34 De Chronico
Fredegarii continuato. Breysig, Karl Martell S. 112. Hahn, Einige Bemerkungen
über Fredegar, Arch. XI, 805-840. G. Monod, Revue crit. 1873, I, 153. Br. Krusch,
NA. VIII, 495-515.
JJas Haus der Karolinger bewies von Anfang an seine Berechti-
gung zur Herrschaft dadurch, dafs es allein im Stande war, das
Reich herzustellen, dem weit vorgeschrittenen Verfall Einhalt zu
thun und auf neuen Grundlagen ein neues Zeitalter zu begründen.
Auch das Wiedererwachen der Geschichtschreibung knüpft sich an
sein Auftreten: mit dem Jahre 687, mit dem entscheidenden Siege
Pippins, beginnen die Annalen von St. Amand.
Fredegars Chronik war in Burgund, das Buch von den Thaten
der Franken in Neustrien geschrieben, in Austrasien fanden beide
ihre letzte Bearbeitung und Fortsetzung. Viel ist über die Beschaffen-
heit dieser, über die Arbeit der verschiedenen dabei thätigen Per-
sonen geschrieben worden; ich halte mich jetzt an die Resultate von
Br. Krusch, welcher genauer, als zuvor geschehen war, namentlich
auch in Bezug auf die Sprache, die Prüfung durchgeführt hat.
Als unter Pippin das Frankenreich in seiner neuen Gestaltung
glänzend befestigt war, unternahm es sein Oheim Childebrand,
auch für das dauernde Andenken dieser merkwürdigen Begebenheiten
zu sorgen. Er liefs ein Exemplar der alten Chronik des Fredegar
sorgfältig abschreiben, aber er oder der von ihm Beauftragte begnügte
sich nicht mit einfacher Abschrift: er liefs den Liber generationis
weg, und setzte an dessen Stelle den Hilarianus de cursu temporum
Fredegars Fortsetzer. 127
ein, welchen er in seiner Vorlage an anderm Orte fand, und erwei-
terte die Stammsage im Hieronymus durch ein Excerpt aus Dares
Phrygius. An den Fredegar knüpfte er einen Auszug von cap. 43
bis 52 der Gesta Francorum nebst ihrer 736 geschriebenen Fort-
setzung; recht mangelhaft gearbeitet und voll chronologischer Ver-
wirrung, aber bereichert mit Zusätzen, welche das Haus der Arnul-
finger hervorheben, während er manches wegliefs, was das Haus der
Merowinger betraf, das ihn nicht mehr kümmerte; anfangs dürftig,
dann von erheblichem Werthe. Das ist die sog. erste Fortsetzung
(cap. 1 — 17) bis zur Mitte von cap. 109, an welche bis cap. 117
incl. die zweite (cap. 18 — 33) sich reiht, innerhalb welcher stilistische
Gründe einen Wechsel des Schreibers (nach cap. 109) annehmen
lassen. So weit, bis 752, war unter Childebrands Leitung das Werk
geführt, da übernahm dessen Sohn Nibelung1) die weitere Fort-
setzung (cap. 34 — 54), welche uns in noch schlechterem Latein einen
schon ausführlicheren, nach Jahren genau geordneten und wohl theil-
weise gleichzeitig aufgezeichneten Bericht über die königliche Herr-
schaft Pippins darbietet.
Als vereinzelte sehr schätzbare Notiz reiht sich an diese Fort-
setzer des Fredegar eine Aufzeichnung aus Saint- Denis über die
Königsweihe Pippins und seiner Söhne (754) durch Pabst Stephan II2),
welche sich am Schlufs einer Handschrift von Werken Gregors von
Tours befindet, von anderer Hand mit blasserer Dinte geschrieben
und offenbar aus einer älteren Handschrift herübergenommen, und
Clausula de Pippino genannt wird3).
1) Cap. 117 (34): „Usque nunc inluster vir Childebrandus comes, avun-
culus praedicto rege Pippino, hanc historiam vel gesta Francorum diligen-
tissime scribere procuravit. Abhinc ab inlustre viro Nibelungo, filium
ipsius Childebrando iteraque comite, succedat auctoritas."
2) Auf dessen Reise „Roma salvanda" starb m. Dec. ind. VII (753)
der primicerius notariorum Ambrosius in Saint-Maurice; er wurde nach
6 Jahren in St. Peter bestattet mit einem rühmenden rhythmischen Epitaph.
Rossi, L'inscription du tombeau d'Hadr. I (Mel. d'Archeol. et d'hist.
VIII) p. 20.
3) Mab. Dipl. p. 384. SS. Meroving. I, 465 mit Schriftprobe. MG. SS.
XV, 1 (vgl. p. 57 4 a) als De unctione Pippiniregis nota. Diese Nachricht wurde
später mit der fabelhaften Revelatio facta S. Stephano papae verbunden, mit
welcher sie von Regino abgeschrieben, und bei Sur. V. p. 658 (740 ed. II)
zuerst gedruckt ist. Hierdurch habe ich mich früher verleiten lassen, die
Clausula als unglaubwürdig zu bezeichnen. Vgl. Oelsner, K. Pippin S. 155.
Das Schreiben Stephans II, welches B. Simson, Forsch. XIX, 180, als die
Quelle betrachtet, ist in der neuen Ausg. von Jaffas Reg. Pont. n. 2316
von P. Ewald mit Recht als unecht bezeichnet. Ebenso in der Ausgabe
jenes, von Hilduin seinen Acta Dionysii angehängten Stückes von Waitz,
SS. XV, 2. — Benutzt ist die Clausula in einem (unechten?) Breve Cle-
mens II für Romainmotier, NA. XI, 590.
128 II- Karolinger. § 1. Fredegars Fortsetzer.
So wie das ganze Reich von den Merowingern an die Karolinger
überging, so wurde auch die einzige Chronik der Franken zu einer
Familienchronik des karolingischen Hauses. Sie gewinnt dadurch
gewissermafsen einen officiellen Charakter und damit eine gewisse
Glaubwürdigkeit; andererseits leidet sie aber auch an den Mängeln
solcher amtlicher Aufzeichnungen. Je näher die Yerfasser den Ka-
rolingern standen, je besser sie unterrichtet waren, um so mehr
hüteten sie sich auch etwas aufzunehmen, was den Machthabern
unangenehm war. Es genügt in dieser Beziehung den einen Umstand
hervorzuheben, dafs die bedeutenden und gefährlichen Unruhen,
welche Grifo, Karl Martels Sohn von der Swanhilde, nach des Vaters
Tod erregte, und welche dem Verfasser doch unmöglich unbekannt
geblieben sein konnten, hier mit gänzlichem Stillschweigen über-
gangen werden. Ebensowenig ist andererseits von der ganzen Wirk-
samkeit des Bonifatius und überhaupt von den kirchlichen Angelegen-
heiten die Rede. Eine vollständige und unparteiische Uebersicht der
Begebenheiten darf man daher bei diesen Fortsetzern des Fredegar
nicht suchen1).
Ebenso wenig unparteiisch, zur Verherrlichung der Arnulfinger
geschrieben und namentlich in den ältesten Theilen irreführend,
übrigens aber aus guten Quellen geschöpft, reichhaltig auch über
Grifo, ist die Geschichte von 687 bis 692, welche den Anfang der
Annales Mettenses bildet2), wo bis 768 eine Compilation aus Fre-
degar u. a. Annalen sich anschliefst. Früher gering geschätzt, ist
sie von L. Ranke nachdrücklich in Schutz genommen und ihr Werth
ins Licht gestellt3). Es kommt hinzu, dafs das Fragmentum de
Pippino duce4), welches Bonnell für ein schlechtes Excerpt aus
den Mettenser Annalen erklärt hatte, in dem Cod. Arundel. 375
*) Zu vergleichen ist für diese Zeit noch der Libellus de Majoribus
domus, Bouq. II, 699 aus Du Chesne SS. II, 1, der nicht vor dem neunten
Jahrhundert geschrieben ist, wie B. Simson bemerkt, nahe verwandt dem
Chron. Adonis, vielleicht ein Auszug. Ferner das von Wilthem excerpirte
Fragmentum historicum ex libro aureo Epternacensi über die Jahre 714 u.
715, aus unbekannter Quelle, herausgegeben von Reiffenberg im Bulletin
de TAcademie de Bruxelles (1843) X, 2, 264, und Monuments de Namur
etc. VII, 209; jetzt MG. SS. XXIII, 59. Räthselhaft ist der Dionysius, wel-
chen Gobelinus Persona als Chronisten von Prosper bis Einhard (455 — 741)
anführt, vgl. Hagemann: Ueber die Quellen des G. P. (Diss. Hai. 1874)
S. 32. Er ist aber nicht zusammenzubringen mit der Erwähnung der Cyclen
des Dionysius Exiguus bei Regino z. J. 741, wo er nur von der Incon-
gruenz der verschiedenen Berechnungen spricht; allerdings scheint er in
seinem Exemplar eine annalistische Bemerkung zu 741 gehabt zu haben.
2) MG. SS. I, 316—321.
3) Weltgesch. V, 2, S. 294 ff.
4) Freher, Corpus SS. Franc, p. 168—170; am Schluss unvollständig.
Fredegars Fortsetzer. Heiligenleben. 2 29
saec. XL des Brit. Museum aufgefunden ist1) und, da es nun als
Quelle anerkannt ist, ein höheres Alter dieser Darstellung verbürgt.
Natürlich ist es, dafs man bei fortschreitender litterarischer
Bildung bald sowohl an der rohen Form des Fredegar und seiner
Fortsetzer, als auch an dem dürftigen Inhalt dieser Aufzeichnungen
Anstofs nahm. Zu Karls d. Gr. Zeit entstand eine Compilation, iu
welcher die Chronik des Beda verbunden ist mit Zusätzen aus
Hieronymus, Orosius, Fredegar und seinen Fortsetzen], den Gestis
Francorum und Jahrbüchern, die mit den Lorscher grofse Aehnlich-
keit haben, bis 741. Wir werden auf dieses sowie auf andere ähn-
liche Arbeiten später zurückzukommen haben.
Mit dem kriegerischen Ruhme vereinigte das karolingische Haus,
wie es zu einer hervorragenden Stellung damals fast unerläfslich
war, auch den kirchlichen. Klosterstiftungen und klösterlich frommer
Lebenswandel schmücken ihren Stammbaum mit Heiligen, wie Gertrud
und Begga, und auch dem Ahnherrn, Bischof Arnulf von Metz,
wurde mit gutem Recht die dankbare Verehrung der Nachkommen
zu Theil. Sein Leben ist auch von einem Zeitgenossen beschrieben
worden, und was hier über ihn berichtet wird, ist werthvoll, aber
dem Verfasser2), einem der Mönche, welche den h. Romarich nach
Metz begleiteten, als er den weltmüden Bischof 629 nach seiner
Einsiedelei in Remiremont abholte, hatte begreiflicher Weise wesent-
lich den Zweck und Gesichtspunkt, seine kirchlichen Tugenden zu
preisen3).
Als Werk eines Zeitgenossen und Augenzeugen schätzbar ist
auch das Leben der h. Gertrud, Pippins I Tochter, der Stifterin
des Klosters Nivelle, wo sie am 17. März 659 starb. Ganz ohne
Grund von Bonnell verdächtigt, ist ihre Lebensbeschreibung von
Friedrich in ihrem Werth erkannt, und von Krusch nach einer Hand-
schrift des achten Jahrhunderts herausgegeben4).
Einige gute Nachrichten enthält auch das noch zu König Pippins
Lebzeiten geschriebene Leben des Stifters des Klosters Laubach
*) Arch. VIII, 759.
-) Ueber die 4 von ihm verfafsten Vitae s. die Diss. von Dony in den
von G. Kurth 1888 herausg. Dissertations academiques.
3) Neue Ausg. v. Krusch, SS. Merov. II, 426—446. Die Hs. schrieb
Karl Martels neunjähr. Sohn Hieronymus ab. Uebers. Geschichtschr. XI
(VII, 2) S. 131 — 140, nach Fredegar. Der angebl. Name des Vfs. der wert-
losen 2. Vita Umno ist ein Lesefehler: „Exhortatione plurimorum com-
monitus Umno Dei gratia praeventus" statt immo.
4) Vita S. Gerctrudis, SS. Meroving. II, 447—74 mit den noch im
8. Jh. hinzugefügten Wundern.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 9
130 II- Karolinger. § 2. Angelsachsen.
oder Lobbes, Ermino (f 737) vom Abt Anso1). Die schon für
diese Zeit nicht unwichtige Lütticher Litteratur werden wir später
noch zu berühren Anlafs haben.
Ganz unverändert werden uns ausser diesen sehr wenige Legenden
erhalten sein; dafür ist ihre Form zu glatt, zu abweichend von den
authentischen Denkmälern. Zum Yorlesen bestimmt und gebraucht,
mufsten sie der zunehmenden Bildung angepafst werden, und leicht
verbanden sich damit Zusätze und Aenderungen, welche auch den
Inhalt berührten.
§ 2. Die Angelsachsen.
Die zahlreichen Missionen der irischen Mönche vermochten doch
nichts dauerndes zu schaffen, und auch in der Heimath konnte diese
alte vereinzelte Kirche sich der römisch-englischen Uebermacht nicht
erwehren. Sie unterlag überall, aber nicht etwa der äufsern Ueber-
macht allein; in jeder Weise wurden die Angelsachsen ihrer alten
Lehrer Meister. In den grofsen Weltchroniken des Mittelalters finden
wir kaum eine Erwähnung von Irland ; die Reiche der Angelsachsen
aber treten auffallend in den Vordergrund für lange Zeit. Das ist
der Einflufs des Beda (f 735), dessen Schriften diese Angaben ent-
nommen wurden. Einen Mann wie diesen Beda hat die gesammte
irische Kirche nicht hervorgebracht; er war der Lehrer des ganzen
Mittelalters. Durch mathematische Kenntnisse haben gerade die
Schottenmönche sich ausgezeichnet, auf ihren Unterricht mag ein
bedeutender Theil der Gelehrsamkeit Beda's sich, wenn auch nur
mittelbar, zurückführen lassen, ihm aber war es vorbehalten, durch
die Gediegenheit und Fafslichkeit seiner Lehrbücher für Jahrhunderte
in jedem Kloster die Anleitung zu den nöthigen astronomischen
Kenntnissen zu geben; wo man es verschmähte, tiefer einzudringen,
benutzte man wenigstens seine Ostertafeln als unentbehrliches Hülfs-
mittel der kirchlichen Zeitrechnung, in welcher durch ihn die für
leicht übersichtliche Chronologie so förderliche dionysische Era üblich
wurde. Sein Martyrologium ist die Grundlage aller späteren Um-
arbeitungen; seine kleine Chronik von den sechs Weltaltern (bis 726)
war überall bekannt, und die Kirchengeschichte Englands (bis 731)
wurde um so eifriger gelesen, weil man hierin den Ursprung der
eigenen Kirche erkannte, sowie sie andererseits das Bewufstsein dieser
*) Mab. III, 1, 564.
Beda. Vita Gregorii I. 131
Verbindung wach erhielt1). Hatten die irischen Missionare nicht durch
Frömmigkeit allein, sondern auch durch mancherlei Kenntnisse und
Gelehrsamkeit die Bewunderung der Franken erregt, so überragten
doch nun die Angelsachsen noch in weit höherem Mafse alles, was
man bis dahin gekannt hatte.
Ein älterer Zeitgenosse des Beda, ein Northumbrier aus dem
Kloster Streoneshalch (Whitby), an Bildung und Wissen ihm weit
nachstehend, hat seiner Verehrung für den Begründer des Christen-
thums in England, Pabst Gregor den Grofsen, ein merkwürdiges
Denkmal gestiftet, indem er, so gut er es vermochte, eine Lebens-
beschreibung desselben verfafste, mit nicht unwichtigen Nachrichten
über die Bekehrung seiner Heimath Wundergeschichten und den
Preis der Werke Gregors verbindend. Dieses merkwürdige Werkchen
ist erst durch P. Ewald in einer alten Sanctgaller Handschrift ent-
deckt, der wesentliche Inhalt mitgetheilt, und mit grossem Scharf-
sinn nachgewiesen, dass dieses die von Beda, Paulus Diaconus und
Johannes Diaconus benutzte angelsächsische Legende ist2).
Schon vor Beda hatte auch die angelsächsische Mission begonnen,
welche sich hauptsächlich den stammverwandten Sachsen und Friesen
zuwandte. Ein charakteristischer Unterschied dieser Mission von
der irischen liegt in ihrem Verhältnifs zum römischen Stuhl: seitdem
S. Augustin, von Gregor dem Grofsen gesendet, die englische Kirche
begründet hatte, war diese in der engsten Verbindung mit Rom
geblieben, und von da aus geleitet, wurde die Kirchenverfassung fest
und sicher organisirt. Dadurch gewann diese Mission einen ganz
anderen Boden, und war nicht der Vereinzelung und der daraus
folgenden Verwilderung ausgesetzt, welche den Erfolg der Schotten-
predigt auf einzelne Klosterstiftungen beschränkte.
An zuverlässigen Lebensbeschreibungen der älteren unter diesen
1) Ueber die Schreibart Baeda (die eben damals veraltende) s. H.
Zimmer, NA. XVI, 599—601. Vgl. über ihn Ebert S. 634—650. Karl Werner,
Beda der Ehrwürdige und seine Zeit, Wien 1875. Cantor, Gesch. d. Mathe-
matik I, 707 — 712. Scholl in Herzogs Real-Encyclopädie. — Opera ed.
Giles, Lond. 1843 ff. 12 Bände. Bd. 1 — 4 die historischen Schriften. Chron.
VI, 270 als c. 66. 67. von De temporum ratione. Opera historica ed. Ste-
venson, 1841, 2 Bände; cura R. Hussey, Ox. 1846. Mon. hist. Brit. (1848)
p. 83—102 (Sexta aetas), p. 103—289 (Hist. eccl.). Migne XC— XCV.
Hist. eccl. ed. Holder 1882. Auszüge, Geschichtschr. VII, 1 bei Isidor,
von Coste. G. Wetzel, Die Chroniken des Beda (über seine Quellen und
die Art ihrer Benutzung), Diss. Hai. 1878. Ueber die Continuatio Bedae
von 731 bis 766, H. Hahn, Forsch. XX, 553—569. Die Annaks chrono-
graphi vetussi, SS. XIII, 716, schreibt Krusch ihm zu, NA. XI, 633.
2) P. Ewald, Die älteste Biographic Gregors I. Hist. Aufsätze dem
Andenken an G. Waitz gewidmet (1886), S. 17—54.
9*
132 H- Karolinger. § 2. Angelsachsen.
Glaubensboten fehlt es freilich auch, und ihre Wirksamkeit würde
uns in nicht minder zweifelhaftem Dämmerlichte erscheinen, als die
der Schottenmönche, wenn nicht die englische Kirche, von der sie
ausgingen, in helleren Umrissen vor uns stände, und vor allem Beda
uns so manche sichere Nachricht aufbewahrt hätte.
Augustin, der erste Erzbischof von Canterbury, starb um das
Jahr 604. Schon sein Schüler Livin soll in Friesland gepredigt
haben, seine Lebensbeschreibung aber ist ein späteres betrügliches
Machwerk. Da sie fälschlich dem Bonifatius zugeschrieben wird,
findet sie sich in der Sammlung seiner Schriften1).
Auch Wilfrid, Erzbischof von York, der im J. 709 gestorben
ist, hat unter den Friesen gepredigt, als er auf einer Reise nach
Rom 678 an ihrer Küste landete, um den Nachstellungen des Haus-
meiers Ebroin zu entgehen 2). Besonderes Verdienst um die Mission
erwarb sich aber Egbert, der Abt des Klosters Hy, in welchem
er die bis dahin dort herrschende irische Weise durch die siegreiche
römisch-englische verdrängte. Er entsandte zum Friesenfürsten Radbod
den Wigbert3), und nach dessen Heimkehr im Jahre 690 Willi-
brord mit elf Gefährten. Dieser, 695 in Rom zum Bischof geweiht,
begründete 698 das Kloster Echternach, aber nicht allein als Stätte
eines stillen beschaulichen Lebens, sondern als Ausgangspunkt für
seine Thätigkeit, und mit Karl Martels Hülfe gelang ihm sodann
auch die Stiftung des Bisthums Utrecht, wo er im Jahre 738 als
erster Bischof verstorben ist. Sein Leben ist erst lange nach seinem
Tode von Alcuin aus fast ausschliefslich erbaulichem Gesichtspunkt
beschrieben worden4); die ältere Lebensbeschreibung, welcher er
1) Vgl. Rettberg II, 509. Die Unechtheit der ihm zugeschriebenen
Verse an den Genter Abt Florbertus mit dem Epitaphium S. Bavonis,
mit Anklängen an Boethius, hat Holder-Egger nachgewiesen, Waitz- Aufsätze
S. 623-665. NA. XVI, 623.
2) Rettberg II, 511. Dafs jedoch Wilfrid nicht wider Willen an diese
Küste verschlagen wurde, bezeugt sein Schüler und Biograph Aedde, ge-
nannt Stephanus, bei Mab. IV, 1, 671. Wenn aber Alberdingk Thijni.
H. Wülibrordus S. 84 (deutsch S. 57) auch in der Missionspredigt unter
den Friesen einen tief angelegten Plan sieht, so findet das in den Quellen
keine Bestätigung. Dagegen auch Moll, Kerkgeschiedenis van Neder-
land, I, 87.
3) Rettberg II, 513.
4) Alcuini Vita S. Willibrordi ed. Wattenbach, nach Jaffe's Vorarbeit
den älteren, früher nicht benutzten Handschriften folgend, Bibl. VI, 32 — 79.
Das metr. 2. Buch auch bei Dümmler, Poet. Carol. I, 197—220. Ebert II,
25 bemerkt, dafs das hexametr. Gedicht über Willibrord nach XXXIII, 3
u. XXXIV, 32 schon früher verfafst war. Die eigenhändige Aufzeichnung
Willibrords vom J. 728 über seine Weihe (ib. p. 46) ist im Pariser cod.
Lat. 10837 (Suppl. 1680). NA. II, 293. Facs. einer Schriftseite des Mar-
Angelsächsische Mission. 133
gewiss wesentlich folgte, von einem Schottenmönch rustico stilo ver-
fafst, wie die älteste Vita des h. Gallus, ist leider, wie diese ver-
loren, aber sie wurde noch benutzt von Thiofrid, Abt von Echter-
nach (1083 — 1110), dessen Werk deshalb nicht ohne Werth ist1).
Gleichzeitig mit ihm predigte auch Suitbert, der Stifter von
Kaiserswerth, von dem jedoch nur wenig bekannt ist. Als das merk-
würdigste Andenken, welches er uns hinterlassen hat, sehr bezeichnend
für die höhere und feinere Bildung, welche diese Angelsachsen in der
Heimath pflegten und von da ins Frankenreich verpflanzten, galt
bisher die schöne Handschrift des Livius, welche er mitgebracht
haben sollte, und die jetzt zu den kostbarsten Schätzen der Wiener
Hofbibliothek gehört. Doch wird die Inschrift jetzt richtiger anders
gelesen, die Bedeutung der Handschrift aber ist nicht geringer, wenn
sie aus der Utrechter Schule stammt2). Suitberts Biographie dagegen,
angeblich von Liudgers Genossen Marchelm oder Marcellinus verfafst,
ist ein grober Betrug späterer Zeit3).
Unter den Sachsen predigten der weifse und der schwarze
Ewald, deren Lebensbeschreibung aus Beda entnommen, aber völlig
sagenhaft ist4). Später folgte ihnen Liafwin, jedoch erst um 770,
nachdem vielleicht schon mancher Glaubensbote vergeblich, und
ohne das Andenken seines Namens zu hinterlassen, versucht hatte, das
starre Heidenthum der alten Sachsen zu überwinden. Das Leben
tyrol. Acta SS. Apr. II, Propyl. Tab. II. Auch das Evangeliar Suppl.
lat. 693 soll von ihm mitgebracht sein, Waagen, Kunstwerke in Paris S. 241,
Facs. Hist. de l'lmprimerie (Livre d'or des metiers) p. 12. Alberdingk
Thijm, H. Willibrordus, Apostel der Nederlanden, Amsterd. und Brüssel
1861 (Deutsch mit Zusätzen von Dr. Trofs in Hamm, Münster 1863) sucht
einen Gegensatz zwischen Willibrord als Vorkämpfer der auf Errichtung
einer unabhängigen deutschen Kirche gerichteten Politik der Päbsfce, und
den egoistischen fränkischen Missionsbestrebungen nachzuweisen im An-
schlufs an Gfrörer, wofür ich in den Quellen keine Begründung finden
kann. Vgl. Moll I, 95—118. Hauck I, 396—409.
1) MG. SS. XXIII, 30 — 38, Auszüge aus dem prächtigen, dem Erzb.
Bruno von Trier (1102 — 1124) gewidmeten Codex, jetzt in Gotha (diese
Stelle S. 11). Die metr. Bearbeitung ist von R. Decker im Progr. d. k.
Gymn. zu Trier 1880/1, und mit Benutzung d. Goth. Hs. von K. Rofsberg,
L. 83 herausgegeben.
2) Mommsen et Studemund, Analecta Liviana (1873) p. 7 et tab. IV.
Gitlbauer de cod. Liv. Vindobonensi, Vind. 1876.
3) S. Rettberg II, 396. Bouterwek, Swidbert der Apostel des Bergi-
schen Landes, Elberf. 1859.
4) Rettberg II, 397. Ueber den Ort des Todes Dr. Trol's bei Alber-
dingk Thijm, S. 217—223. Lohoff, Krit. Untersuchungen der Geschichte
der beiden Ewalde unter bes. Berücksichtigung der Aplenbecker Tradition
(Beiträge z. Gesch. Dortmunds, I, 1875).
134 H- Karolinger. § 2. Angelsachsen.
Liafwins, von Hucbald von St. Amand, ist nicht ohne Werth, aber
doch erst in viel späterer Zeit, im zehnten Jahrhundert verfafst1).
In Franken finden wir Burchard, den Bonifaz zum ersten
Bischof von Würzburg weihte, wo S. Kilian mit seinen Genossen
den Boden bereitet hatte. Auch seine Lebensbeschreibung aber ist
erst im 9. Jahrh. von einem Würzburger Cleriker verfafst und völlig
werthlos; die wenigen Thatsachen, welche darin berichtet werden,
sind theis entstellt, theils mit oder ohne Absicht erfunden2).
Die erste wirklich gleichzeitige Lebensbeschreibung besitzen wir
von Winfrid, dem Stifter der neuen fränkischen Kirche, der alle
die einzelnen Pflanzungen seiner Vorgänger zusammenfafste in eine
mächtige Organisation, und ihnen dadurch die Kraft zum dauernden
Bestehen gab, der zugleich die alte verfallene fränkische Landeskirche
emporrichtete, und so im Verein mit den karolingischen Herrschern
das gewaltige Gebäude aufführte, in dem die neu hervorspriefsende
geistige Bildung für viele Jahrhunderte eine gesicherte Stätte finden
sollte, mitten unter allen Stürmen und Drangsalen der kampferfüllten
Zeiten. Allein die Schilderung seines Lebens und seiner Wirksam-
keit liegt unserer Aufgabe fern; wir müssen uns hier begnügen,
auf die ausführliche Darstellung Rettbergs I, 331 ff. zu verweisen,
wo auch genauere Nachweisungen über seine Biographen zu finden
sind3).
Sein kirchlicher Name war Bonifatius, ohne Zweifel von bo-
num fatum abzuleiten, aber nach einer richtigen Bemerkung von
Loofs scheinen die Zeitgenossen den Namen vielmehr von bonum fari
hergeleitet zu haben4). Er besafs eine für jene Zeit hervorragende
*) Rettberg II, 405; vgl. unten § 15. III, § 10.
2) Rettberg II, 314. Ausg. Mab. III, 1, 700. Acta SS. Oct. VI, 573.
MG. SS. XV, 43—50 mit Auszügen aus der jüngeren Vita, von Holder-
Egger.
3) Dazu kommen nun u. a. die Jahrbücher des frank. Reichs unter
Pippin v. Hahn u. Oelsner. Vgl. C. Will, Regesten d. Mainzer Erzbb. I.
Ebert S. 650—659. Hauck I, 410—546. Die schöne Charakteristik bei Moll I,
141 berührt wohlthuend, gegenüber den zur Mode gewordenen unwürdigen
und unhistorischen Angriffen auf ihn. — Opera ed. Giles, Lond. 1844, 2 Bde.
Külb, Sämmtl. Schriften übers, u. erl. 1859. 2 Bde. Nürnberger, Zur handschr.
Ueberlieferung d. Werke, NA. VIII, 299—325. Aus der litt. Hinterlassen-
schaft des h. Bon. u. des h. Burchard. 24. Bericht d. Philomathie in
Neisse, 1888. Beitr. zu d. Schriften des h. Bon. Rom. Quartalschrift V,
28 ff. Vielleicht von Bonif. Hand sind die Glossen zur Ep. Jacobi im Cod.
Fuld. ed. E. Ranke 1868, cf. dess. Specimen Cod. Fuld. zum Berl. Jubil.
1860. (Facs. der Glossen). Gegen die Echtheit der Sermones Scherer, Denk-
mäler (1864) S. 144. H. Hahn, Forsch. XXIV, 583—625; für dieselbe Nürn-
berger, NA. XIV, 109—134. Steinmeyer, 3. Ausg. II, 328, f. d. Unechtheit.
4) C. Will, Hist. pol. Bl. LXXVIII, Heft 4. Regesten S. V. W. Schmitz,
Bonifatius. 1 35
Bildung, und wir besitzen noch von ihm eine Grammatik und Metrik1),
und nicht ohne Geschick und Gewandtheit verfafste Gedichte mit
der Vorliebe für Akrostichen und andere Spielereien, welche der Zeit
und besonders seinen Landsleuten eigen ist2).
Von weit gröfserem Werthe für uns ist die Sammlung von
Bonifazens eigenen Briefen und den päbstlichen Schreiben an ihn3);
aber auch die bald nach seinem Tode, vielleicht noch zu Pippins
Lebzeiten4), sicher vor 786 verfafste Biographie enthält schätzbare
Nachrichten, und erhebt sich weit über die früheren Leistungen der
Art. Der Verfasser war ein Priester Namens Willibald, wohl ein
Landsmann, der bei der Kirche St. Victor bei Mainz lebte, und auf
Veranlassung der Bischöfe Lullus von Mainz und Megingoz von
Würzburg seine Arbeit unternahm. Lullus besonders versah ihn mit
Nachrichten, so wie auch andere Schüler Winfrids, den Willibald
selbst nicht gekannt hatte. Dieser ist freilich hinter einer genügenden
Behandlung seiner grofsen Aufgabe zurückgeblieben; anfangs sorg-
fältig und genau, scheint er bei der grofsartigen Entfaltung der
Wirksamkeit seines Helden, bei den verwickeiteren politischen Ver-
hältnissen unter Pippins Regierung zu ermatten, er wird verwirrt
und ungenau, übergeht gänzlich die wichtigsten Vorfälle und eilt
weiter zu dem Märtyrertode des Bonifaz5), bei welchem er in
Beitr. z. Lat. Sprach- u. Litt.-Kunde (1877) S. 141. Loofs, Zeitschr. f.
Kirchengesch. V, Heft 4.
J) Ars gramm. bei A. Mai, Auctt. class. VII, 475 — 548; vgl. Bursian
in d. Münch. SB. 1873 S. 457—460.
2) Hierüber s. Dümmler, NA. IV, 98 — 101, und die Ausg. Poet. Carol.
I, 1—19, vgl. II, 687.
3) Diese überaus wichtige, auch über B.'s Zeit hinausreichende Samm-
lung liegt jetzt in der ersten kritischen Ausgabe von Jaffe vor, Bibl. III,
8 — 315; eine neue von Dümmler ist bald zu erwarten. Vgl. Forsch. X,
397 — 426 gegen die chronolog. Behauptungen Dünzelmanns in seiner Gott.
Diss. von 1869. Dieser hält jedoch einen Theil derselben, und vorzüglich
die grundsätzliche Annahme willkürlicher Zufügung der Daten, aufrecht,
und erklärt einige der Briefe für Stilübungen, Forsch. XIII, 1 — 32. H. Hahn,
Noch einmal die Briefe und Synoden des Bonifaz, Forsch. XV, 43 — 124.
Ein übersehener Brief des P. Zacharias, NA. I, 580 — 583, berichtigt von
Loewenfeld, ib. IV, 173 — 175. Hahn, Ueber einige Briefe d. Bonif. Samm-
lung mit unbest. Adr. Forsch. XXI, 383—400. Hahn, Bonifaz u. Lul.
Ihre angels. Correspondenten, 1883. Loofs, Zur Chronol. der auf d. fränk.
Synoden bezügl. Briefe, Leipz. Diss. 1881, vgl. NA. VII, 418. P.Ewald
üb. die Fragmente in d. Brit. u. a. Canonensammlungen, NA. V, 284 — 295.
Nürnberger, Verlorene Hss. der Briefe, NA. VII, 353 — 381. Die Bonif.
Litt, der Magdeb. Centuriatoren ib. XI, 9—41. P. Ewald, Susanna u. Brann-
linde, Deutung der chiffrirten Namen, NA. VII, 196 — 198. Dagegen Die-
kamp in d. Beschr. d. Wiener Hs. ib. IX, 9 — 28. Hahn, Die Namen der
Briefe im Liber eccl. Dunelm. NA. XII, 109—127.
4) Dagegen L. Oelsner, Jahrb. S. 490.
5) Nach der seit Rettberg herkömmlichen Annahme am 5. Juni 755.
136 II. Karolinger. § 2. Angelsachsen.
fronirnem Phrasenschwall verweilt. Aehnliche Erscheinungen sind
auch in Biographien der späteren Zeit häufig; wo ein Bischof aus
dem engen Kreise der Ascetik und bescheidener Pastoraltugenden
heraustritt, wo er als Staatsmann zu schildern war, entzieht er sich
dem Gesichtskreis seines Biographen. Hier aber ist der Abstand
der §§ 30 — 32 von Anfang und Ende so auffallend, namentlich auch
der Mangel aller bestimmten Angaben über Bonifatius Erhebung auf
den Mainzer Stuhl, die plötzlich als fertige Thatsache erwähnt wird,
sowie über die Stiftung des Klosters zu Fulda so unerklärlich, dafs
der Verdacht, Lullus Ceüsurstriche möchten hier verwirrend und
verstümmelnd eingewirkt haben, kaum abzuweisen ist1). Auch der
Streit über die Beerdigung des Märtyrers in Mainz oder in Fulda
ist mit keinem Wort berührt. Willibalds Sprache ist noch weit
entfernt von der Reinheit der karolingischen Latinität, aber er be-
zeichnet doch schon den Anfang einer besseren Zeit; er hat in der
Schule seine Classiker gelesen, und sein Hauptfehler besteht darin,
dafs er es zu gut machen will, dafs er im Streben nach einem
gewählten Stil in Yerkünstelung verfällt, während er doch in den
Grundregeln der Grammatik noch keineswegs sicher ist2).
Sickels und Oelsners Meinung, dafs 754 das richtige Jahr sei, wird mit
sehr erheblichen Gründen bekämpft von C. Will in d. Tüb. theol. Quartal-
schrift 1873 S. 510—533, worauf er auch in den Regesten der Mainzer
Erzbischöfe S. 30 verweist.
*) Vgl. die Einleitung B. Simsons zur Uebersetzung. Die Feindschaft
zwischen den Fuldern und Lull, dem Gründer von Hersfeld, ist bekannt;
bei Arndt, zur Uebersetzung der V. Bonif. S. 130, ist das Privilegium des
Pabstes Zacharias für Fulda aus der Bonifazischen Briefsammlung mitge-
theilt und wahrscheinlich gemacht, dafs aus dem Mainzer Exemplar das-
selbe ausgeschnitten ist. Ohne Kenntnifs hiervon erweist Th. Sickel die
Echtheit jener Bulle in den Beiträgen zur Diplomatik IV, 47 — 73. Vgl.
Bibl. III, 228. Oelsner, Jahrbb. S. 487. Hahn, Forsch. XV, 87. Ewald,
Regesta Pontiff. 2293. — Im Prolog hat Willibald die Epistola Victurii
benutzt nach Br. Krusch, NA. IV, 171.
2) Ausgabe von Pertz, MG. SS. II, 331 — 353. Uebersetzungen von
H. E. Bonnell, Berl. 1856. 8. Külb, Sämmtliche Schriften des heiligen Bo-
nifacius übersetzt, Regensb. 1859; von B. Simson und von W. Arndt, 1863
(diese Geschichtschr. 13. VIII, 2. in neuer Ausgabe), beide mit berichtigter
Abtheilung der Capitel, jene mit sorgfältigem Commentar, Arndt mit Be-
nutzung der ältesten Münchener (Freisinger) Handschrift. Nach dieser,
grammatisch fehlerhaftesten, und der einsichtig corrigirten Reichenauer von
Reginbert, hat Jaffe seine neue Ausgabe gemacht, Bibl. III, 422 — 471. Es
folgen hier noch die Mainzer Passio und Auszüge aus Othloh und dem
Presb. Ultraiectinus. Eine verkürzte Ueberarbeitung, irrig für älter ge-
halten, ist in den Analecta Bollandiana abgedruckt, s. Waitz, NA. VIII,
169 — 171. Eine interpolierte Legende, deren Angabe über die Stiftung der
Kirche zu Hameln mit neuen Erweiterungen in die Hämelsche Chronik des
Johann von Pohle übergegangen ist, hat 0. Meinardus in der Zeitschr. d.
hist. V. f. Niedersachsen 1882 herausgegeben. Nürnberger, Disquisitt. crit.
im Progr. d. Bresl. Matthias-Gymn. 1892.
Bonifatius. Willibald und Wynnebald. 137
Yon Lullus, Bonifatius Schüler und Nachfolger, besitzen wir
ebenfalls eine Biographie, in welcher kürzlich Holder-Egger ein Werk
Lamberts erkannt hat, und welche deshalb als solche später zu
erwähnen sein wird. Ihr geschichtlicher Werth ist unbedeutend1).
Dagegen ist als ein merkwürdiges Denkmal dieser Zeit noch das
Leben der beiden Brüder Willibald und Wynnebald zu nennen2),
verfafst von einer Nonne des Klosters Heidenheim, welches Wynne-
bald um 751 gestiftet hatte und bis zu seinem Tode (19. Dec. 761)
leitete, während Willibald 741 von Bonifaz zum ersten Bischof von
Eichstedt geweiht war. Wie diese Brüder, so stammte auch die
Verfasserin, welche mit ihnen verwandt war, aus England, von wo
sie erst nach Wynnebalds Tod nach Heidenheim kam. Ihr Werk
zeigt uns, was auch aus Bonifatius Briefsammlung hervorgeht, wie
sehr lebhaft dort auch die Nonnen an den gelehrten Studien Antheil
nahmen. Freilich wurde auch sie , wie es leider so häufig vorkam,
durch ihre Gelehrsamkeit zu einer sehr gezierten und schwülstigen
Schreibart verleitet und vor fehlerhaftem Ausdruck nicht bewahrt;
ja der Ausdruck ist, wie er in der neuen Ausgabe nach der äl-
testen Handschrift hergestellt ist, sogar in unglaublichem Maafse bar-
barisch, aber gelehrt barbarisch, d. h. mit griechischen und anderen
seltsamen Worten beladen. Den Hauptinhalt und den wTerthvollsten
Theil bildet in dem Leben Willibalds der Bericht über seine Pilger-
fahrt nach dem gelobten Lande, welcher darin besonders hervortritt
und den gröfsten Raum einnimmt. Er ist offenbar nach den Mit-
theilungen Willibalds am 23. Juni 778 über seine Pilgerfahrten und
die daran sich schliefsenden Umstände aufgezeichnet.
Nach Wynnebalds Tod übernahm seine Schwester Waldburga
die Leitung des Klosters zu Heidenheim, von welcher nur im neunten
Jahrhundert Wolfhard von Herrieden in dem Werk über ihre
Wunder etwas berichtet3).
Zu diesem Kreise gehören ferner noch Wigbert, den Bonifaz
in Fritzlar als Abt einsetzte, Sualo oder Solus, und Leobgyth oder
Lioba, die Aebtissin von Bischofsheim4), deren Biographen Lupus
von Ferneres und Rudolf von Fulda später zu erwähnen sein werden.
*) S. über ihn vorzüglich das oben angeführte Werk von Hahn, Bonif.
u. Lull, 1883. Ueber ein vielleicht von ihm selbst verfafstes Epitaphium
Forsch. XXII, 423; NA. VIII, 225. Ein nach der in Marburg wiederge-
fundenen Hs. wesentlich verbesserter Text Forsch. XXV, 177.
*2) So die authentische Form. Die älteren Ausgaben sind unbrauchbar
neben der neuen von Holder-Egger, SS. XV, 80 — 117.
3) Excerpta ed. Holder-Egger, SS. XV, 535-555.
4) Nach Link im Klosterbuch der Diöcese Würzburg (1876) II, 538
bis 545 unzweifelhaft Tauberbischofsheim.
138 H- Karolinger. § 3. Annalen.
§ 3. Die Annalen.
In dem Abschnitte, bei welchem wir jetzt verweilen, in den
Anfängen der karolingischen Periode, beginnt zuerst ein Zweig der
Geschichtschreibung ans Licht zu treten, welcher sich aus den un-
scheinbarsten Anfängen zu einer wahren Kunstform entwickelte, und
dem wir grofsentheils die festen Grundlagen der älteren Geschichte
des Mittelalters verdanken, nämlich die Jahrzeitbücher oder Annalen.
Augenscheinlich durch die Mission veranlafst, kommen sie jetzt an
verschiedenen Orten zum Vorschein. Es bedurfte eben keiner neuen
Erfindung, um Jahr für Jahr die wichtigsten Ereignisse gleichzeitig
mit wenigen Worten aufzuzeichnen; wir haben ähnliches schon aus
der römischen Zeit zu erwähnen gehabt, und es mag auch hin und
wieder im merowingischen Reiche geschehen sein, aber erhalten
haben sich keine Beispiele davon. Einst hatten die Verzeichnisse
der Consuln den passendsten Raum dazu dargeboten, jetzt waren
es die überall verbreiteten Ostertafeln, deren Rand schon von selbst
dazu aufforderte, neben der Jahreszahl kurze Nachrichten einzu-
tragen. Wir finden diese Aufzeichnungen zuerst in England, und
die Missionare, denen Beda's Ostertafeln wohl selten fehlten, behielten
die heimische Sitte bei. Mit den Ostertafeln selbst wurden nun
auch die Randbemerkungen abgeschrieben, und gingen so von einem
Kloster ins andere über; bald fing man an darauf Werth zu legen,
schrieb die noch ganz kurzen und mageren, völlig formlosen Anna-
len auch abgesondert ab, setzte sie fort, verband sie mit anderen,
und machte sich endlich auch an die Arbeit, die dürftige Kunde
über die frühere Vorzeit durch Benutzung anderer Quellen, aus
Schriftstellern aller Art, aus der Sage und gelehrter Berechnung zu
ergänzen.
Daraus ergiebt sich nun, wie verschiedenartig, von wie un-
gleichem Werthe der Stoff ist, welchen diese Jahrbücher uns dar-
bieten. Vielfache Fehler konnten schon beim Abschreiben nicht
ausbleiben. Der Rand der Ostertafeln hatte häufig nicht ausgereicht;
dann waren Bemerkungen unten, oben, an verschiedenen Stellen
nachgetragen1), durch Zeichen auf das betreffende Jahr bezogen,
und oft ist es selbst, wenn das Original noch erhalten ist, schwer
sich darin zurecht zu finden. Gedankenlose Abschreiber haben dann
J) Vgl. die Schriftprobe der Annales Corbejenses, MG. SS. III. Tab. 1.
Sickel in den Forschungen IV, 451 und ib. 454 — 461 über die älteste im
Original enthaltene Fulder Ostertafel mit Annalen.
Die ältesten Annalen. 139
nicht selten die allergröfste Verwirrung angerichtet, zuweilen gar die
Jahreszahlen ganz fortgelassen1).
Um diese Annalen also mit Sicherheit benutzen zu können, um
an ihnen wirklich eine zuverlässige Grundlage für die Zeitrechnung
zu gewinnen, kommt natürlich alles darauf an, ihre Herstammung
und Abkunft zu erforschen, spätere Zusätze auszuscheiden, ihrem
Ursprung so nahe wrie möglich zu kommen, wenn man nicht das
Original selbst noch aufzufinden vermag.
Das ist es, was für die gesammte Masse der Annalen aus ka-
rolingischer Zeit zum ersten Male von Pertz im ersten Bande der
Monumenta geleistet worden ist, und zwar in so ausgezeichneter
Weise und mit so umfassender Benutzung des bis dahin bekannt
gewordenen handschriftlichen und gedruckten Materials, dafs hier für
alle weiteren Forschungen die sicherste Grundlage gegeben ist2).
Es ist jedoch gleich hier auf eine Unterscheidung hinzuweisen,
welche erst durch die fortgesetzte Beschäftigung mit dieser eigen-
thümlichen Form der Geschichtschreibung sich immer deutlicher
herausgestellt hat. Zu allgemein hat man anfangs, von späteren Zu-
ständen rückschliefsend, die Klöster für die Ursprungstätte dieser
Aufzeichnungen angesehen; man suchte in allen Annalen nach lo-
calen Andeutungen, welche in irgend ein Kloster führen. Auch giebt
es wirklich viele Annalen, welche sich dazu eignen; sie verbinden
in buntem Gemisch die Hausgeschichte mit Vorfällen von allgemei-
nerer Bedeutung, die aber in diesem Falle keine zusammenhängende
Folge darstellen. Findet sich dagegen eine Reichsgeschichte, welche,
wenn auch noch so dürftig, doch das Bestreben nach vollständiger
Mittheilung dessen zeigt, was vom Mittelpunkt aus gesehen das
ganze Reich betrifft, so wrird man den Ursprung schwerlich in einem
Kloster zu suchen haben, und wenn hin und wieder eine locale
Notiz sich findet, ist sie wahrscheinlich, oft nachweisbar, einer Ab-
schrift zugesetzt. Den Klöstern lag ein solcher Gesichtspunkt ur-
sprünglich ganz fern, während der Hof damals noch wirklich den
lebendigen Mittelpunkt des Reiches bildete, an dessen Bewegungen
und Heerfahrten auch die Bischöfe mit ihren Caplänen fortwährend
sich betheiligen mufsten. Die Aebte aber, welche in denselben
Strudel hineingezogen wurden, waren entweder geradezu Laien-
äbte, oder sie entfremdeten sich doch durch solch unklösterliches
Leben der Genossenschaft der Mönche. Es hat freilich neuerdings
H. v. Sybel für die klösterliche Herkunft von neuem das Wort er-
J) So bei den Ann. Ottenb. MG. SS. V, 1.
2) S. den Bericht von Pertz im Archiv VT, 258 ff.
140 H. Karolinger. § 3. Annalen.
griffen1), und namentlich behauptet, dafs man, was in den sog.
Königsannalen steht, im Kloster Lorsch recht gut in Erfahrung brin-
gen konnte. Ich gebe das gerne zu, kann mir aber nicht vorstellen,
dafs schon im achten Jahrhundert der Sinn der Mönche in so hohem
Grade den weltlichen Dingen zugewandt war, was doch auch später
nur ausnahmsweise der Fall gewesen ist. Nur für wenige Klöster
hatten die jährlichen Feldzüge ein unmittelbares Interesse.
Es hatte nun wohl den Anschein, als ob man die allmähliche
Entstehung der geschichtlichen Ueberliefernug aus den unschein-
barsten Anfängen, die Verbindung verschiedener Aufzeichnungen und
ihre nun schon besser gelungene Fortführung deutlich vor Augen
habe; man glaubte eben jene ersten Anfänge in ursprünglicher Ge-
stalt zu besitzen, und bezweifelte, dafs es in jener Zeit des wenig
federfertigen achten Jahrhunderts viel mehr und bessere Aufzeich-
nungen gegeben habe, als uns noch jetzt vorliegen. Allein die fort-
gesetzte Beschäftigung mit diesen Annalen zeigt in so hohem Grade
UebereinstimmuDg derselben in vielen Notizen, während doch andere
Sätze sich nur in dem einen Exemplar, zugleich jedoch in anderen
ganz entlegenen Annalen finden, auch Spuren alter guter Ueber-
lieferung, die plötzlich in jüngeren Compilationen auftauchen, dafs
hier, wie in manchen Fällen aus späterer Zeit, kein anderer Ausweg
möglich zu bleiben scheint, als die Annahme verlorener Aufzeich-
nungen, aus welchen nur Excerpte uns vorliegen; wir besitzen
nur Bruchstücke einer einst vorhanden gewesenen reicheren Litte-
ratur, die wir uns aber doch hüten müssen, uns zu bedeutend vor-
zustellen. Grofse Vorsicht ist hier nothwendig, und eben diese
Vorsicht vermisse ich bei Is. Bernays2), dessen Zusammenstellungen
häufig gerade den entgegengesetzten Eindruck machen, indem nur
die notorischen Thatsachen übereinstimmen, im Ausdruck aber die
gröfstmögliche Verschiedenheit geradezu aufgesucht sein müfste.
Weit vorsichtiger dagegen ist R. Arnold3) verfahren, und doch
scheint auch dessen Annahme von Hofannalen von 771 oder 772 an
eine unbegründete zu sein, indem ihr von Waitz4) die erheblichsten
') Hist. Zeitschr. XLII, 265. Kleine bist. Schriften III, 1 ff.
2) Zur Kritik Karolingischer Annalen, Strafsb. 1883. In einem dadurch
veranlafsten Aufsatz HZ. LIV (1885) S. 55—70 bestreitet G. Kaufmann
überhaupt den Nutzen solcher Untersuchungen und die Möglichkeit ge-
sicherter Erfolge.
3) Beiträge zur Kritik Karolingischer Annalen, Diss. Lips. 1878. Für
Hofannalen von 785 — 803 ist E. Seraphim eingetreten. Quellenkritische
Untersuchungen der kleineren Karol. Annalen. Progr. d. livländ. Landes-
gymn. Fellin 1887.
4) Neues Archiv V, 497 ff.
Annalen von St. Amand. 141
Gründe entgegengestellt sind. Ein solches Werk müfste deutlichere
Spuren hinterlassen haben, und als Regel werden wir doch festzu-
halten haben, dafs man mühsam die dürftigen Aufzeichnungen zu-
sammen arbeitete, und mit einer uns oft unbegreiflichen Sorglosig-
keit häufig einzelne Sätze aus einer zugänglich gewordenen Quelle
herübernahm, andere bedeutendere Nachrichten aber unberührt liefs.
Als erste Quellen dieser Art können wir zwar nicht mehr die
Ann. S. Amandi und Ann. Mosellani, wie sie uns vorliegen, betrach-
ten, aber doch die etwas reichere Quelle der Ann. S. Amandi bis
769 und die Aufzeichnungen, welche den wesentlichen Inhalt der
Mosellani ausmachen, bis 764 (oder 760?) annehmen. Nach Arnolds
Ansicht wären diese in oder bei Metz (Gorze?) compiliert und im
siebenten Jahrzehnt des achten Jahrhunderts mit eigenen, ziemlich
reichhaltigen Zusätzen vermehrt, die bis c. 771 reichten. Dieses
nicht mehr vorhandene Werk betrachtet Arnold als die gemeinsame
Quelle der Annales Petaviani, die nebenbei bis 737 noch ein Exem-
plar der Ann. S. Amandi oder ihrer Quelle benutzten, und seit 760
einen officiellen Charakter tragen, der Annales Maximiniani, die
nebenher noch andere Quellen benutzten, und wieder eines verlore-
nen Werkes, das im ersten Theile durch Notizen über Angelsachsen
vermehrt war, und fast ganz rein vorliegt in den Ann. Mosellani
und den Ann. Laureshamenses. Doch hat in Betreff der Annales
Maximiani G. Waitz dieser Annahme sehr entschieden widersprochen
und dadurch das ganze künstliche Gebäude erschüttert.
Die Annales S. Amandi1) haben diese Benennung von Pertz
*) Annales Sancti Amandi a. 687 — 810, MG. I, 6—11. Die nach dem
Besitzer der Handschrift genannten Ann. Tiliani (ib. p. 6 — 8) sind von 708
bis 737 nach Arnold, S. 53 — 55, aus der Quelle der Ann. S. Amandi ge-
flossen, in ihrem zweiten Theil 741 bis 807 (S. 219—224) aus den Ann.
Lauriss. entnommen. Zu erkennen sind die Notizen bis 771 auch in den
dürftigen Ann. Sangallenses Baluzii p. 63, e cod. 124, welche nach Arnold,
S. 42 — 47, aus der von ihm angenommenen Compilation stammen, weiter-
hin aus den Hofannalen. Ausg. v. Henking, Sanctgaller Mitth. XIX,
224—265; nach S. 340 stammen sie bis 764 aus gleicher Quelle mit d.
Ann. S. Amandi u. sind auch weiterhin ein Auszug, nicht Original. Die
Ann. Laubac. SS. I, p. 7 — 12. 15. 52, und ihre Gruppe behandelt Arnold,
S. 55 — 61. Er erkennt in den Laubac. bis 814 eine mit einigen Zusätzen
versehene Umarbeitung der Ann. S. Amandi, welche kürzer in den Ann.
Auscienses, Augienses brevissimi, S. Germani minores, vielleicht ebenso in
den Ann. S. Amandi breves (SS. II, 184, von 742 — 855) und Ann. Bawarici
breves benutzt, auch im Chron. Lausonense nicht zu verkennen sei. Ver-
wandt, aber ganz unbedeutend, sind die Ann. S. Amandi brevissimi, 760
bis 796, SS. XIII, 38, und Ann. Regum Sangallenses, 687—855, SS. XIII,
717 u. NA. V, 428. Vgl. über die Laubac. auch B. Simson, Forsch. XXV,
375 — 377. Seraphim S. 8 — 12, der sie von ursprünglich reicheren Ann.
S. Amandi ableitet. — Ann. 759-805 im Cod. Vat. Christ. 213, Arch. XII,
142 H. Karolinger. § 3. Annalen.
erhalten, weil 782 und 809 Beziehungen auf das Kloster Saint-Amand
vorkommen; dem früheren Theile fehlen sie und der Inhalt ist durch-
aus reichsgeschichtlich. Die Ursprünglichkeit ihrer jetzt vorliegenden
Form ist angegriffen, eine verlorene Quelle oder etwas reichere Form
angenommen, aber als ein ziemlich treues Abbild dieser eben be-
ginnenden Annalistik werden wir sie doch betrachten dürfen.
Yom ersten Anfang an sind diese Annalen karolingisch. Sie
beginnen mit der dauernden Festsetzung dieses Hauses im Besitz
der Macht, mit der Begründung einer neuen Ordnung der Dinge,
der Morgendämmerung einer besseren Zeit, welche wieder Hoffnungen
erweckte und die Seelen nicht mehr mit dem trostlosen Gedanken
von dem nahe bevorstehenden Untergange der Welt erfüllte.
Die am Eingang stehende Nachricht von der Schlacht bei Tertri
687 ist nachträglich zugesetzt; die regelmäfsig fortgesetzten Auf-
zeichnungen beginnen erst 708, und auch von da an möchte ich
noch nicht behaupten, dafs gleich von Anfang an alles gleichzeitig
eingetragen wäre; die Form der kurzen und noch sehr dürftigen
Bemerkungen, wenn man z. B. zu dem Jahr 708, wo Ostern auf
den 15. April fiel, an den Rand schrieb : (Das war damals) als Drogo
im Frühjahr starb l) — deutet eher auf ein späteres Besinnen und
Ueberdenken der Vergangenheit. Auch ist das ganz natürlich; so
lange der Eindruck noch frisch ist, fühlt man kein Bedürfnifs ihn
künstlich festzuhalten, und erst später macht sich das Verlangen
geltend, die verschiedenen Erinnerungen aus einander zu halten und
zu ordnen. Wenn aber nun eine Reihe solcher Aufzeichnungen bei-
sammen ist, dann ändert sich der Gesichtspunkt, man legt Werth
auf diese Zusammenstellung und setzt sie um ihrer selbst willen
fort, trägt Jahr für Jahr die wichtigsten Begebenheiten ein, um für
spätere Zeiten ein Denkmal zu hinterlassen. Jene Annalen nun,
welche in ihrer Fortsetzung bis 810 deutliche Beziehungen zu Saint-
Amand enthalten, entbehren in ihrem früheren Theile bis 771 und
noch darüber hinaus jeder Hinweisung auf dieses Kloster oder dessen
Umgegend; sie verzeichnen nur die grofsen Reichsbegebenheiten,
die Feldzüge jedes Jahres und zuweilen einen Todesfall oder einen
anderen merkwürdigen Vorfall, so kurz, dafs die eigentliche Kennt-
nifs von den Dingen vorausgesetzt wird; an Erzählung ist kein Ge-
danke, nur an chronologische Ordnung der Erinnerungen. Giesebrecht
hält die Aufzeichnung dieser Notizen im Cölnischen für sehr wahr-
270, vgl. Waitz, HZ. XXVIII, 200, sind das Fragm. Chesnianum der Ann.
Laureshamenses, NA. II, 329.
l) Quando Droco mortuus fnit in vernale tempore.
Annales Mosellani. 143
scheinlich und möchte den Schottenmönchen zu St. Martin, Pippins
von Heristal Stiftung in Cöln, dieses Verdienst zuschreiben. Allein
dafs 713 Suitberts Tod, 716 Radbots Vordringen bis nach Cöln er-
wähnt wird, dafs 753 gerade wie in den Annales Mosellani der
Tod des Bischofs Hildegar von Cöln, auf dem Feldzug gegen die
Sachsen angemerkt wird, das berechtigt uns noch nicht zu einer
bestimmteren Annahme über die Herkunft dieser Jahrbücher. Vor-
züglich in den Klöstern Belgiens weit verbreitet, sind sie durch
Zusätze und Fortsetzungen immer mehr angewachsen, bis sie endlich
Sigebert von Gembloux zur Grundlage seiner gewaltigen Chronik
dienten, aber in ihren Anfängen weist nichts nach einer bestimmten
Gegend. Nichts tritt dagegen so sehr in den Vordergrund, wie die
Familie der Hausmeier, und man kann sie daher wohl mit besserem
Rechte, als irgend einem Kloster, einem Mitglied der Hofgeistlichkeit
zuschreiben.
Ganz denselben Charakter tragen auch die gleichzeitigen An-
nales Mosellani1), deren Entdeckung in Petersburg durch Lappen-
berg ein unerwartetes Licht auf das Verhältnifs der ältesten Annalen
zu einander geworfen hat, vorzüglich nachdem Giesebrecht in seiner
scharfsinnigen Abhandlung über die fränkischen Königsannalen 2) die
Folgerungen, welche dem ersten Herausgeber noch entgangen waren,
daraus gezogen hat. Weiter ist dann, wie schon oben erwähnt,
durch R. Arnold das gegenseitige Verhältnifs der Annalen eingehend
untersucht.
An der Spitze der Annales Mosellani (welche nach Arnold, wie
sie uns vorliegen, schon aus einer Vermischung mit denen von
St. Amand hervorgegangen sind) stehen von 704 bis 707 irische
Namen. Diese bilden den Uebergang von Bedas kleiner Chronik
in der Schrift de temporibus, an welche sie sich anschlössen, zu der
Nachricht von Drogo's Tod 708, die auch hier die fränkischen Ein-
tragungen eröffnet. 713 ist der Tod einer englischen Prinzessin,
eines Königs von Ostangeln bemerkt, 726 und 729 unbekannte irische
Namen. Erwähnt wird ferner 726 der Tod Martins, welcher nach
den Ann. Petav. ein Mönch von Corbie und Karls Beichtvater war,
736 Audoins des Bischofs von Constanz, dessen Name so wenig
etwas für die Herkunft der Annalen beweisen kann, wie 728 die
1) Von 703 bis 797, SS. XVI, 491—499. Den Namen wählte Lappen-
berg wegen der Beziehungen zu Klöstern an der oberen Mosel, welche
sich darin finden.
2) Münch. Hist. Jahrb. (1865) S. 185-238; vgl. hier vorzüglich S. 224
bis 226.
144 H. Karolinger. § 3. Annaion.
Erwähnung Haldulfs von Cambrai, der zugleich Abt von St. Vaast
war. Dagegen finden sich von 761 an Beziehungen zu Chrodegang
von Metz, dessen hervorragende Stellung im Reiche ganz geeignet
war, die Abschrift solcher, vielleicht in Metz ursprünglich entstan-
dener Aufzeichnungen und ihre Fortführung zu veranlassen, war er
doch am Hofe Karl Martels aufgewachsen und hatte 742 von Pippin
das Bisthum erhalten1). Puckert hat darauf hingewiesen, dafs sein
Bruder Gundeland Abt von Lorsch war, was auf das in Lorsch so
früh hervortretende Interesse für Geschichte eingewirkt haben mag.
Kaum waren diese ersten Versuche geschichtlicher Thätigkeit
gewagt, so begann man auch schon ihren Werth sowohl wie ihre
Unvollkommenheit zu empfinden; man copirte sie und bereicherte
sie zugleich durch Verbindung der verschiedenen Exemplare, ohne
sich jedoch noch eine redigirende Thätigkeit zu erlauben, welche
das nothdürftigste Mafs überschritten hätte. Diese Gewissenhaftigkeit
sowohl wie die ersten Regungen einer combinierenden wissenschaft-
lichen Thätigkeit liegen uns, wenn wir Arnold glauben dürfen, nicht
mehr in dem ursprünglichen Product vor, wohl aber in verschie-
denen Ableitungen, vorzüglich in den Annales Petaviani, welche
von dem früheren Besitzer der Handschrift ihren Namen haben2).
Sie verbinden nämlich bis 771 die beiden bisher betrachteten An-
nalen, an welche sich von da an eine schon wirklich erzählende,
völlig gleichzeitige und zuverlässige3) Fortsetzung bis 799 anschliefst,
die bei dem Mangel aller localen Färbung wiederum nur für den
Königshof, den Mittelpunkt aller Unternehmungen, in Anspruch ge-
nommen werden kann. Eine Abschrift, welche nur bis 796 reicht
(Cod. Masciacensis), gewährt Zusätze, welche aus dem Martinskloster
zu Tours zu stammen scheinen, während die beiden anderen specielle
Angaben über die karolingische Familie hinzufügen4). Arnold freilich
(S. 28) bestreitet die Richtigkeit jener Bezeichnung als gleichzeitig
und zuverlässig, weil der Verfasser schlechtes Latein schrieb, worin
1) Seine Regula Canonicorum hat W. Schmitz herausgegeben mit Facs.
der zum Theil in tironischen Noten geschriebenen Handschrift, Hann. 1889.
2) Ann. Petav. (697) 708-799, MG. SS. I, 7—18; cf. III, 170. Arch.
VII, 271. Ohne Zusätze, ex codice Vat. Christ. 520, olim Corbejensi, deinde
Petri Danielis, in A. Mai's Spicil. Rom. VI, 181—190. Auch die Angabe
über Karls Geburt 747 (== Laubac.) fehlt hier.
3) Diese Ausdrücke sind natürlich nur relativ gemeint. Seraphim,
S. 26—31, sieht in diesen Ann. nur ein „schlechtes Excerpt der Hof-
annalen".
4) S. Hahn, Sur le lieu de naissance de Charlemagne p. 76. Da Re-
medius Pippins Halbbruder war, ist kein Grund, mit Giesebrecht wegen
(3er Notiz über ihn an eine Aufzeichnung in Rouen zu denken.
Annales Petaviani. Hofannalen. 145
ich einen Gegengrund nicht zu erkennen vermag. Erheblicher sind
einige Ungenauigkeiten , welche er nachweist, und mehr noch die
Uebereinstimmung in manchen Angaben und Ausdrücken mit den
Ann. Laureshamenses. Aehnliche Spuren in anderen Annalen führen
ihn zu der Annahme von verlorenen Hofannalen (S. 52), welche
771 oder 772 nach dem Beginn der Alleinherrschaft Karls ange-
fangen, etwa bis 803 (Ende der Lauresham.) oder 801 (Ende der
Guelferbyt.) fortgeführt wurden, ziemlich umfangreich waren, und
deshalb in sehr verschiedener Weise ausgenutzt wurden, ihre Spuren
aber in vielen Annalen hinterlassen haben. Vielleicht durch die
überwiegende Autorität und Verbreitung der sog. Königsannalen
(Laurissenses) wäre das ältere Werk in den Hintergrund gedrängt
und endlich verloren. Einen geradezu officiellen Charakter und Ur-
sprung will Arnold nicht annehmen, wohl aber Entstehung am Hofe,
welche auch mir unzweifelhaft ist. Als Auszug aus diesen Annalen
hätten wir also auch den letzten Theil der Petaviani zu betrachten,
welcher durch ceremonielle Ausdrucksweise deutlich höfischen Ur-
sprung zeigt. Beginnt diese schon 760, so kann sie auf diese Strecke
durch Ueberarbeitung übertragen sein. Doch wird, wie schon er-
wähnt, von Waitz die Existenz solcher Hofannalen bestritten, und
wir werden wenigstens nur mit grofser Vorsicht von einem solchen
Werke reden dürfen.
Neben dieser Fortführung der Annales Petaviani wurden nun
auch jene Ann. Mosellani in gleicher Weise fortgesetzt, ebenfalls
schon von dem ersten Hauch der karolingischen Zeit berührt und
von räthselhaften Notizen zur Erzählung übergehend; doch lassen
auch hier auffallende Uebereinstimmungen anstatt ganz selbständiger
gleichzeitiger Aufzeichnung vielmehr Benutzung einer gemeinsamen
Quelle voraussetzen. Wenn nun in diesem Theile zweimal der Tod
eines Abtes von Lorsch erwähnt wird, so darf das nicht auffallen
bei einem Kleriker, der etwa im Gefolge des Bischofs von Metz
dem Hoflager folgte; ein Mönch aber hätte wohl schwerlich so aus-
schliefslich seinen Blick auf den König und die allgemeinen Reichs-
begebenheiten richten können. Nach dem Jahre 785 sind diese
Annalen wiederum durch Abschriften verbreitet; diejenigen, welche
Pertz wegen einiger localer Zusätze Annales Laureshamenses
genannt hat1), eine aus gemeinsamer Quelle stammende Nebenform
J) Annales Laureshamenses MG. I, 22 — 39, bis 768 neben den Ann.
Alam. Guelferbyt. und Nazar. gedruckt. Die damals in St. Paul vergeblich
gesuchte Hs. ist von Dr. Holder gefunden, und von Katz im Jahresbericht
des Stifts 1889 herausgegeben, vgl. NA. XV, 425. Ueber das Fragmentum
Watten bach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 10
146 II- Karolinger. § 3. Annalen.
der Mosellani, erhielten von da ab zwei verschiedene ausführliche
Fortsetzungen bis 803 und 806; in den Annales Mosellani aber fehlen
die Jahre 786 und 787, und die weitere Fortsetzung bis 798 ist um
ein Jahr verschoben, also da sie doch offenbar gleichzeitig verfafst
ist, erst nachträglich hier eingetragen.
Eine andere Fortsetzung von 786 bis 796 hat G. Waitz nach-
gewiesen in den Annalen von 741 bis 811, welche nach dem Fund-
ort der Handschrift von dem ersten Herausgeber, Baron von Reiffen-
berg, Maximiniani genannt sind1).
Auch diese hat Arnold als Auszug aus den von ihm angenom-
menen Hofannalen in Anspruch genommen und gerade auf sie grofses
Gewicht gelegt; er glaubte nicht, dafs dieser Annalist so viele ver-
schiedene Annalen, wie Waitz annahm, benutzt und doch wieder so
viele wichtige Dinge, die auch darin standen, übergangen haben
könne. Allein hier ist ihm Waitz scharf entgegengetreten, indem
er nachwies, dafs die Ableitung aus verschiedenen Elementen sich
durch das Verhältnifs zu anderen Quellengruppen mit voller Sicher-
heit darthun läfst. Aufgeklärt wurde die ganze Sachlage freilich
erst durch die neue von Waitz gegebene Ausgabe und die Sonderung
der Annalen von der Chronik bis 741, an welche sie sich anschliefsen
und zu deren Fortsetzung sie bestimmt zu sein scheinen. Diese,
schon oben S. 129 kurz erwähnt, wird später zu besprechen sein.
Die Annalen sind eine um oder bald nach 811 verfafste Compilation,
zu welcher die Gesta Pontificum Romanorum (doch noch nicht die
Vita Leonis III) mit verschiedenen Annalen in ziemlich freier Weise,
mit einigen willkürlichen Zusätzen, verbunden sind. Als solche hier
Chesnianum, eine abweichende Form dieser Annalen s. Dünzelmann, NA. II,
511, u. Katz. Die zweite Fortsetzung ist 791 — 806 identisch mit den Lan-
rissenses. Ueber eine weitere Fortsetzung 803 — 818 s. unten § 10 zum
Chron. Moissiacense. Gerade bis 785 (731 — 753 mit Verschiebung der
Jahreszahlen) finden sich die Ann. Mosell. auch excerpirt in den Annales
Flaviniacenses, einer chronologischen Compilation von 816 (doch vgl. Waitz
im NA. V, 484) und von da an gleichzeitig fortgesetzt bis 879. Dazu ge-
schrieben sind die Annales Lausonenses, Lausanner Notizen bis 968. 985.
MG. SS. III, 150; neue berichtigte Ausg. von Jaffe in Mommsens Cassiodor
p. 684—689; vgl. dazu Waitz, NA. V, 484. Vollständiger finden sich die
Ann. Laus, in dem sog. Chronicon Laus. Chartularii (ed. Gingins, Mem. et
Doc. de la Suisse Romande (1851) VI, 5 — 10; Cibrario e Promis, Docu-
menti p. 326—331; Waitz, SS. XXIV, 774—810), in dem sich vorher die
Ann. Weifsenburgenses benutzt finden, nebst Spuren gleichzeitiger Annalen
saec. IX. Einzelne ältere Notizen 592. 688 ff. sind vorgesetzt, eine Fort-
setzung bis 1056 enthält fast nur die Folge der Bischöfe.
a) Compte-rendu des seances de la Commission roy. d'histoire, VIII
(1844) 307—322; vgl. Gott. Nachrichten 1871, S. 307—322. Ausg. von
Waitz SS. XIII, 19-25, und Abhandlung darüber im NA. V, 475—501.
Annales Maximiniani, Murbacenses. 147
benutzte Annalen sind nachgewiesen die Mosellano-Laureshamenses,
d. h. die gemeinsame Quelle beider, und die Petaviani noch 778,
vielleicht 779, dann die Laurissenses mit Zusätzen aus einer unbe-
kannten Quelle, bis 811, wo ein Abschnitt derselben, das Ende einer
Bearbeitung, wahrscheinlich ist. Eigenthümlich aber ist von 786 bis
796 die Benutzung von Annalen, welche wegen besonders hervor-
tretender Berücksichtigung von Baiern dort geschrieben zu sein
scheinen, und welche wie B. Simson zuerst bemerkt, ebenfalls und
ebensoweit in den Annales Xantenses benutzt sind. Ebensoweit
reicht auch die von Arnold nachgewiesene Verwandtschaft mit den
Juvavenses minores, welchen die Mos. Laur. fremd sind; sie tritt
aber auch schon früher, schon 743, und überall da hervor, wo nicht
die Mos. Laur. Quelle sind, so dafs also die Existenz einer anderen,
den Laurissenses majores verwandten Redaction fränkischer Annalen
anzunehmen ist, an welche die Fortsetzung von 786 bis 796 sich
anschlofs. Berührung ist auch mit den Ann. Juvav. maj. und
S. Emmerammi maj. vorhanden, welche nach Waitz von den Maxi-
miniani direct oder mittelbar abhängig sind1). Wir werden auf dieses
Werk noch zurückkommen.
Andere gleichzeitige Aufzeichnungen, welche nach dem Fundort
der Handschrift Guelferbytani genannt werden, beginnen erst mit
Pippins Regierung 741. Sie weisen durch die Folge der Aebte
deutlich auf das 727 gegründete Kloster Murbach in den Vogesen,
und verfolgen die Reichsbegebenheiten nicht so gleichmäfsig wie jene
anderen Annalen, welche wir mit ihnen gemischt bis 768 in den
Annales Alamannici und Nazariani wiederfinden, deren Anfang
von 708 an ebenfalls den Annales Mosellani entnommen ist. Von
771 bis 790 folgt hier eine weitere Fortsetzung, von ganz allgemeinem
Charakter, welche in den Annales Nazariani am vollständigsten er-
halten, im Wolfenbüttler Codex allein noch bis 805 weitergeführt
ist2), während die Annales Alamannici eine selbständige Fortsetzung
1) Diese Ansicht bekämpft wieder Seraphim, S. Q6, indem er S. 61
bis 73 ausführlich von den kleinen bair. Ann. handelt.
2) Für die Jahre 802 — 805 nach Heigel Auszug einer ausführlicheren
Version der Königsannalen, welche in den Ann. Mett. erhalten ist. S. Heigel:
Ueber die aus den alten Murbacher Annalen abgeleiteten Quellen, Forsch.
V, 397 — 403; zustimmend, gegen Arnold, Waitz, Forsch. XX, 391. Sera-
phim S. 32—61. — Der von Pertz im Arch. VII, 1018 angeführte Mur-
bacher Bibliothekskatalog saec. IX vel X ist gedruckt bei Senebier, Cat.
de la bibl. de Geneve S. 77; vollständig von H. Hagen, Neue Jahrbb. f.
Philol. CXVI (1877), 865-871. Doch bemerkt schon Pertz, Arch. VIII,
257, dafs er nach Reichenau zu gehören scheine. Geschichtlich ist darin
nur Greg. Turon. und Vita et gesta Caroli.
10*
148 II- Karolinger. § 3. Annalen.
790 bis 799 erhielten1). Diese Annalen verbreiteten sich weithin
durch die Klöster Schwabens und gelangten auch nach Hersfeld, wo
an diesen Anfang Lamberts Geschichtswerk sich anlehnte, während
auf den aus gleicher Quelle stammenden Reichenauer Annalen Her-
mann der Lahme seine Chronik erbaute.
Besonders merkwürdig sind die von Pertz in einer Handschrift
des Klosters St. Germain-des-Pres entdeckten Annalen2), welche
im Anfang des neunten Jahrhunderts aus einer älteren Handschrift
abgeschrieben sind, und wie gewöhnlich zur Eintragung der dortigen
Annalen benutzt wurden. An der Spitze stehen hier ganz kurze
Annalen von Lindisfarne (643 — 664), einem Bisthum auf einer
der kleinen Inseln an der Ostküste von Northuroberland, jetzt Holy-
island bei Berwick, welches von Hy aus begründet war. Darauf
folgen von 673 bis 690 Notizen aus Canterbury. Nach Pertz' Ver-
muthung war es Alcuin, welcher diese Handschrift mit sich an
Karls Hof brachte, wo er von 782 bis 787 (792) die Namen der
Orte eintrug, an welchen Karl in diesen Jahren das Osterfest feierte.
Daran haben nun die Mönche von St. Germain ihre eigenen Annalen
gefügt3), als deren Grundlage jetzt Annalen von Saint-Denis bis
J) Ann. ßuelferbyt. 741—790, MG. I, 22—31; 40-44 neben den Alam.
und Nazariani; dann folgen die weiteren Fortsetzungen der Guelf. und
Alamannici. Neue Ausg. der Alam. nach dem in Zürich wiedergefundenen
Original von Henking, Mitth. z. vateri. Gesch. XIX, S. 224—265. Ar-
nold, S. 37—42, leitet die Forts. 771—790 und 790—799 von den Hof-
annalen ab; desgl. Seraphim S. 32 — 39. Nach Dünzelmann wären die
Alam. erst um 800 compilirt u. schöpften aus den Lauresh. u. Guelferby-
tanis, NA. II, 511. Untersuchung von Henking a. a. 0. S. 347 ff. Danach
ist bis 799 noch eine gemeinsame Quelle kenntlich, Fortsetzung der vor-
hergehenden, welche theils in Gorze, theils in Murbach überarbeitet wurde.
Vgl. über die weitere Verbreitung dieser Annalen Waitz in Schmidts Zeit-
schrift II, 51.
2) MG. SS. IV, 2, Ann. Alcuini. Ein ähnliches Exemplar bis 792, mit
Verbesserungen, aus Saint-Benoit sur Loire, bei Delisle, Catal. du Fonds
Libri, p. 70.
3) Ann. S. Germani minores 642 — 919, im Anfang des zehnten Jahr-
hunderts geschrieben, den Murbacher und besonders den Ann. Aug. bre-
vissimi (SS. III, 136) verwandt (vgl. Seraphim S. 73 — 75), von geringer
Bedeutung; die Fortsetzung 923 — 1146 sehr dürftig. Die Annales S. Ger-
mani Parisiensis 466 — 1061, III, 166 — 168, sind im elften Jahrhundert ge-
schrieben und meist localen Inhalts, a. 987 ist, wie Dümmler bemerkt,
eaptum irrig in Capetus verändert. Die Translatio S. Germani (755) bei
Mab. III, 2, 104—118, Acta SS. Mai. VI, 788—796, beschreibt die Trans-
lation, bei welcher Pippin geholfen und Palaiseau geschenkt haben soll.
Dafs die Erzählung Karl dem Gr. in den Mund gelegt wird, hielt ich für
Fiction, sie wird in Schutz genommen von Oelsner, Pippin S. 501, und
jetzt auch von Waitz, Ex translationibus et miraculis S. Germani Excerpta,
SS. XV, 5—9. B. Simson, Jahrb. Karls I, 9, verhält sich skeptisch, um
so mehr, da Aimoin die Schrift nicht kennt.
Salzburger Annalen. 149
887, mit einer Fortsetzung 919 — 997 erkannt sind1). Jene Notizen
über die Osterfeier von 782 bis 787 aber finden wir auch in einer
anderen Handschrift wieder, jedoch ohne die Bemerkungen aus
Canterbury. Dieses Exemplar nämlich hat Arn, der Freund Alcuins,
nach Salzburg mitgenommen; die Orte der Osterfeier sind hier bis
797 genannt, und dann schliefsen sich Salzburger Nachrichten daran2).
In Salzburg selbst hatte man damals aber bereits einheimische ältere
Annalen, deren Spuren sich in den späteren Jahrbüchern vorfinden3).
Scheinbar bieten sich uns in diesen viel reichere und vollständigere
Aufzeichnungen dar, allein es läfst sich mit Bestimmtheit nachweisen,
dafs diese erst im zwölften Jahrhundert nach Yermuthungen und
gelehrter Berechnung zusammengestellt wurden, um die Dürftigkeit
der alten Annalen zu ergänzen. Wie bedeutende alte Quellen aber
verloren, und so lange sie noch vorhanden waren, unbeachtet ge-
blieben sind, zeigen uns die von Riezler nachgewiesenen, sehr
wichtigen Fragmente, welche Aventin aus einem Buch von „Herzog
Thesseis Kanzler mit Namen Crantz" gerettet hat4).
Namen aus Lindisfarne finden wir auch an der Spitze der Jahr-
*) Annales S. Dionysii, ed. E. Berger, Bibl. de FEcole des chartes XL
(1879), 261—295; SS. XIII, 718—721 von Waitz die Annalen mit der in
die Ann. S. Germ. min. übergegangenen Fortsetzung; aus den weiteren
Fortsetzungen nur Auszüge.
2) Ann. Juvavenses majores 550 — 855, 976, leider mit einer grofsen
Lücke in der wichtigsten Zeit, MG. I, 87 nach Eckhardt. Benutzung der
Ann. S. Amandi, wie Giesebrecht a. a. 0. S. 228 meint, scheint mir zweifel-
haft. Ann. Juvavenses minores 742 — 814 (1,88) sind 816 geschrieben ; über
eine darin benutzte Quelle s. oben S. 147. Nach Auffindung der Hand-
schrift in Würzburg sind diese beiden Annalen leider nicht neu abgedruckt,
sondern SS. III, 122 mit keineswegs erschöpfenden Berichtigungen und
Supplementen versehen. — Ann. Salisb. 499 — 1049 (I, 89) von 784 an
gleichzeitig, der Anfang saec. XII ergänzt, vorherrschend local. — Annales
S. Emmcrammi majores 748—823. minores 732—1062, MG. I, 92 bis 94.
Wiederholt bei Karl Roth, Verzeichnifs der Freisinger Urkk. von Corb.
bis Egilbert (München 1855) S. 89 — 92 nach der Handschrift; minores jetzt
auch SS. XIII, 47. Ann. Bawarici breves 684—811, MG. SS. XX, 8,
ohne Grund in zwei Stücke getheilt, zu derselben Gruppe gehörig; vgl.
Arnold S. 50.
3) Den Ann. S. Rudberti, MG. SS. IX, 758.
4) Ein verlorenes baierisches Geschichtswerk des 8. Jahrhunderts,
Münch. SB. 1881, I, 247 — 291, vgl. S. 389. Einige Verbesserungen von
W. Meyer: Piniol. Bemerkungen zu Aventins Annalen (Abh. d. Münch.
Ak. I. Cl. XVII, III) S. 762. Ders. weist S. 752 den Titel nach: „Vita
Thessaloni III scripta a Creontio, qui Thessalono fuit ab epistolis, ine. ab
a. Chr. 771 usque ad a. 796" unter den von Aventin benutzten Quellen.
— Spuren davon in den Annales Salisb. cod. Monac. SS. XIII, 237. Die
Möglichkeit eines in der Form von „Crantz" wenig verschiedenen Namens
zeigt v. Oefele, HZ. LT, 154. Zustimmend Riezler im Nachwort zur Aus-
gabe von Aventins Werken III, 577.
150 H. Karolinger. § 4. Karl der Grofse.
bücher von Fulda und von Corvey; letztere stammen aus der
angelsächsischen Stiftung Werden oder aus Münster, aber die 809
beginnenden Notizen reihen sich den alten Namen des siebenten
Jahrhunderts nur ganz äufserlich an1). Anders in Fulda, wo diese
irischen und angelsächsischen Namen nur in zwei Abschriften an die
Spitze gestellt sind, im Original aber schon um 760 der Rand der
Ostertafel mit den leider fast ganz erloschenen Notizen von angel-
sächsischer Hand versehen wurde, welche seit 790 von anderen
Händen fortgeführt von 742 — 822 reichen. In einer anderen, jetzt
Casseler Handschrift, finden sich diese Annalen bis 814 angereiht
an einen Kaiserkatalog, dem auch jene altenglischen Annalen einge-
fügt sind; diese, ohne die Kaiser, und eine Fortführung bis 833 hat
auch die dritte, jetzt Münchener Handschrift aus St.Emmeram2). Hier
also, wie in so vielen ähnlichen Fällen, sehen wir recht deutlich,
wie auch die mangelhaftesten Aufzeichnungen sich verbreiteten und
als werthvoll betrachtet wurden, bessere also, auch nachdem sie
schon in gröfserer Anzahl vorhanden waren, doch wenig Verbrei-
tung gefunden haben müssen.
Die weitere Entwickelung dieser Annalen gehört einem späteren
Abschnitte an; hier waren, wenn auch manchmal schon vorgegriffen
wurde, vorzüglich nur die ersten Anfänge zu betrachten, welche noch
im höchsten Grade dürftig und armselig sind, wie sie denn auch in
ihrer ursprünglichen Gestalt als Randbemerkungen zu Ostertafeln
durchaus nicht den Anspruch machen für litterarische Erzeugnisse
zu gelten. Erst der lichteren Zeit des grofsen Karl gehört der Ge-
danke an, diese Notizen mit anderen Nachrichten zu einem Ganzen
zu verbinden, und sie dann mit Absicht und Bewufstsein als gleich-
zeitige Aufzeichnung der Geschichte weiter zu führen.
§ 4. Karl der Grofse. Allgemeines.
Bethmann, Paulus Diaconus Leben und Schriften, Arch. X, 247—334. C. F. Baehr, De
litterarum studiis a Carolo Magno revocatis ac schola palatina instaurata, Heidelb.
1855, 4. Desselben Geschichte der römischen Litteratur im Karol. Zeitalter, Carlsr.
1840. Phillips, Karl der Grosse im Kreise der Gelehrten, im Almanach der Kais.
Akad. d. Wiss. 1856- S. 173-221. (Vermischte Schriften III, 93ff. 415 ff.) F. Dahn,
Urgeschichte der germ. u. rom. Völker IV (1889). Litteratur unter Karl d. Grofsen.
Dümmler, Gedichte aus dem Hofkreise Karls des Grofsen in Haupts Zeitschrift XII,
446 bis 460. S. auch Waitz in Schmidts Zeitschrift für Geschichte II, 48 ff. Bern-
hardy, Grundrifs der römischen Litteratur § 61. Wilh. Scherer, Ueber den Ursprung
*) S. die Ausgabe von Jane, Bibl. I, 32.
2) Annales Fuldenses antiqui, ed. Pertz, MG. SS. III, 116, in Verbin-
dung mit Siokels Untersuchung der Wiener Handschrift, Forschungen IV,
454—461. Neue Ausgabe von Fr. Kurze, Ann. Fuld. p. 136—138.
Karl der Grofse. 151
der deutschen Litteratur, Berl. 1864, vgl. Centralblatt Sp. 572. M. Büdinger, Von
den Anfängen des Schulzwanges, Zur. 1865. Ger. Meyer von Knonau, lieber die
Bedeutung Karls d. Gr. f. d. Entwicklung der Geschichtschreibung im 9. Jahrb.
Züricher Probevorlesung 1867. — Jahrbücher des Frank. Reichs unter Karl d. Gr.
I. v. S. Abel 1866 (2. Ausg. v. Simson 1888). II. von B. Simson 1883. Dümniler,
Poetae Latini aevi Carolini, I. 1881, II. 1884.
Eine lange Zeit der Finsternifs liegt hinter uns. Nur geringe
und dürftige Spuren haben uns Zeugnifs gegeben, dafs auch in
diesen traurigen Jahrhunderten das Bedürfnifs historischer Aufzeich-
nungen nicht ganz erstorben war; wir haben gesehen, dafs mit der
beginnenden besseren Ordnung der Dinge, der Herstellung des
Reiches durch die karolingischen Hausmeier, auch einiges Leben
auf diesem Felde sich regte, dafs lebensfähige Keime zum Vorschein
kamen. Aber noch ist fast alles namenlos; seit Venantius Fortu-
natus und Gregor von Tours ist uns nirgends eine bedeutende Per-
sönlichkeit entgegengetreten. Das Frankenreich stand noch immer
an Bildung weit zurück hinter seinen Nachbarn, als Karl der
Grofse zum Throne gelangte, und die erste Hälfte seiner Regie-
rung war auch noch viel zu sehr vom Kriegeslärm erfüllt, als dafs
er seine Aufmerksamkeit viel nach dieser Seite hin hätte wenden
können. Doch hat er in Italien schon im Jahre 776 den Gramma-
tiker Paulinus1) mit einem Landgut beschenkt, und wir linden
diesen an seinem Hofe in Gemeinschaft mit Petrus von Pisa, be-
freundet mit Alcuin , der Angilbert als ihren gemeinsamen Zögling
bezeichnet. Wahrscheinlich 787 wurde er zum Patriarchen von Aqui-
leja erhoben. Verschiedene Gedichte kirchlichen Inhalts haben sich
von ihm erhalten und ein Buch der Ermahnung, das er an den
trefflichen Herzog Herich von Friaul richtete , welcher mit ihm in
treuer Freundschaft verbunden war und dessen Tod 799 er eine tief-
gefühlte Todtenklage widmete. Am 11. Januar 802 ist er selbst
gestorben.
Ohne Zweifel hat der Aufenthalt in Italien die Veranlassung
gegeben, dafs Karl aufmerksam wurde auf die unverkennbare Ueber-
legenheit, welche den Italienern ihre höhere geistige Bildung verlieh;
er fafste den Entschlufs seine Franken von dem Joche der Unwissen-
heit zu befreien , und von da ab finden wir ihn unablässig bemüht,
mit allen Mitteln nach diesem Ziele zu streben2). Der feste Grund
') „Venerabilis artis grammaticae magister." Er schrieb später gegen
Felix, nahm an den verschiedenen Synoden dieser Zeit Theil, und starb
am 11. Jan. 802. Opera ed. Madrisi 1737. Mignc XCIX. Vgl. Ebert II,
87—91. Dümmler, NA. IV, 113—118; Poetae I, 123—148, darunter der
Rhythmus de Herico duce Forojul. S. 131, und die wohl nicht von ihm
herrührende Klage um Aquileja S. 142.
2) Einen vermehrten Eifer, neue umfassende Mafsregcln weist Scherer
152 II- Karolinger. § 4. Karl der Grofse.
geordneter äufserlicker Verhältnisse und einer neu gekräftigten, von
sittlichem Eifer erfüllten Kirche war bereits vorhanden, und auf
diesem Boden gediehen die Pflanzungen Karls mit dem überraschend-
sten Erfolge.
Schon regte sichs auch im Frankenreich. Adam, Haynhards
Sohn aus dem weinreichen Elsafs, Abt von Masmünster, copirte
780 zu Worms des alten Grammatikers Diomedes Werk de oratione
et partibus orationis, und widmete es dem Könige in Versen, die
metrisch freilich mangelhaft, übrigens aber leidlich sind1). Im fol-
genden Jahre 781, als Karl das Osterfest in Rom feierte, und Pabst
Hadrian seinen Sohn Pippin aus der Taufe hob, begann Godesscalc
jenes Wunderwerk der Kalligraphie, das auf Purpurpergament mit
Uncialschrift ganz in Gold und Silber geschriebene Evangeliarium,
welches Karl und Hildegard zum dauernden Andenken dieser Feier
anfertigen liefsen. Providus ac sapiens, Studiosus in arte librorum
heifst Karl in den Versen, durch welche Godesscalc seinen Namen
verewigt hat2).
In diesem denkwürdigen Jahre traf auch Karl in Parma mit
Alcuin zusammen, den er schon früher als Boten des Yorker Erz-
bischofs kennen gelernt hatte, und veranlafste ihn an seinen Hof
zu kommen; von demselben Heereszuge brachte er Paulus Dia-
conus und den Grammatiker Peter von Pisa mit nach Frank-
reich3); er lehrte am Hofe Grammatik, unter welcher Bezeichnung
nach dem folgenden italienischen Feldzug 787 nach. Ueber die Zusendun-
gen von Werken Gregors I durch Hadrian zu kirchlichem Zweck, aber
doch auch litterarisch anregend, s. P. Ewald im NA. III, 440.
*) Keil, Grammatici Latini I, p. XXIX; Delisle, Cabinet des Manu-
scrits I, 3. Dümmler, NA. IV, 147;Poetae I, 93. Erst 30 Jahre alt, hatte
er durch Karls Güte die Abtei Masmünster (Masunuilare) erhalten, doch
wohl zur Belohnung und Förderung seiner Studien.
2) Früher in Saint-Sernin de Toulouse, jetzt Bibl. Nat. s. Bibl. de TEcole
des Chartes XXXV, 85. Die Gemälde sind nach antiken Mustern, die
Randverzierungen jedes Blattes theils ebenfalls römischen, theils irisch-
englischen Ursprungs. Vgl. Piper, Karls des Grofsen Kalendarium S. 36.
Bastard, pl. 81 — 86. Dümmler, Poet. I, 94. Benutzung der Schreiberverse
der Mensuratio orbis nachgewiesen von Traube, Münch. SB. 1891, S. 406.
3) Diesen Petrus horte Alcuin schon vor Karls Zeit in Pavia mit einem
Juden disputiren: „Idem Petrus fuit qui in palatio vestro grammaticam
docens damit." Ale. ep. ap. Jaffe, Bibl. VI, 548; cf: Einh. V, Caroli c. 25.
Damals (799) war er schon todt. Gedichte von Angilbert u. Karl an ihn
nach seiner Heimkehr nach Italien hat Dümmler herausgegeben, Zeitschr.
f. D. Alt. XVII, 141. 146; Poet. I, 75. 76. Wohl von ihm ist die lat.
Grammatik eines Petrus Grammaticus bei H. Hagen, Anecdota Helvetica
(Suppl. ad Keilii Gramm, lat.) S. 159—171. vgl. XCVI-XCVIII; Dümmler,
Poet. I, 73. Seine Gedichte sind bei Dümmler S. 48 — 56 mit denen des
Paulus üiac. verbunden, vgl. S. 29.
Fremde Gelehrte. 153
die ganze Beschäftigung mit der lateinischen Litteratur verstanden
wurde. In Freundschaft mit Paulus wechselte er scherzhafte Verse
mit ihm, und Karl selbst genofs seinen Unterricht und bediente
sich seiner, wenn er an diesem poetischen Verkehr theilnahm.
Aus Spanien flüchtig, wie es scheint, kam Theodulf zu Kar],
dessen geistreiche und formgewandte Dichtungen das lebhafteste
Bild von Karls Hof gewähren, während er als Staatsmann und
Bischof von Orleans eine bedeutende Wirksamkeit entfaltete. Sein
Gedicht an Karl nach dem Sieg über die Avaren 796 gewährt uns
die eingehendste Schilderung des Hofes1), während das lange und
ausführliche Gedicht an die Richter2) für die Zustände der Zeit un-
gemein lehrreich ist, und sein Capitulare 3) die Ermahnungen und
Vorschriften für die Geistlichkeit seines Sprengeis enthält, welche
uns die reformatorischen Bestrebungen dieser Zeit zeigen. Unter
Ludwig in Ungnade gefallen und der Theilnahme an Bernhards
Aufstand beschuldigt, verlor er sein Bisthum und ist um 821 ge-
storben.
Eine etwas sagenhafte Nachricht über Computisten und Gram-
matiker, welche Karl aus Rom in sein Reich berief, giebt Ademar
von Chabanne (SS. IV, 118). Schotten aus Irland hat er, wenn
wir dem Mönch von St. Gallen glauben dürfen, schon früher an sich
gezogen4); hervorragend unter ihnen istDungal, der unter Waldo's
Obhut zu Saint-Denis lebte, und 810 an den Kaiser über die
Sonnenfinsternifs dieses Jahres schrieb, vielleicht derselbe, welcher
825 in Pavia lehrte und 827 gegen Claudius schrieb5); einer von
ihnen lebte am Hofe in heftiger Feindschaft mit Theodulf und An-
gilbert. Joseph, schon in England Alcuins Schüler und mit
a) Dümmler, Poet. I, 483; II, 694 — G97. Ich begnüge mich jetzt, auf
diese so lange schmerzlich vermifste neue Ausgabe seiner Gedichte, mit
dem Vorwort, zu verweisen, S. 437—581; ein Nachtrag NA. VII, 401.
Vgl. Ebert II, 70—84, Traube, Karol. Dichtungen (1888) S. 66. 67. De
Rossi bemerkt, dafs I, 557 das Epit. Damasi papae, von ihm selbst ver-
fafst, irrthümlich unter Th's Gedichte gerathen ist. (NA. XI, 213). An-
klänge an ältere Dichter bei ihm, Manitius, NA. XI, 561. Ein franz. Werk
von Cuissard über ihn war mir nicht zugänglich.
2) Poet. I, 493. Neue Ausg. v. H. Hagen in einem Berner Univ.-Progr.
v. 1882, vgl. NA. VIII, 422.
3) Theodulfi. Opera ed. Sirmond, p. 1 — 28.
4) Cap. 1. Ueber Donat, 816 Bischof von Fiesole, nachdem er vor-
her als Lehrer gewirkt hatte, s. Ozanam, Documents inedits p. 48 — 57.
Seine Vita vollständig Acta SS. Oct. IX, 655—662.
3) Ueber ihn und den Hibernicus exul, welcher ein leider sehr frag-
mentarisch erhaltenes Gedicht auf Tassilo's Abfall an Karl richtete, s.
Dümmler, NA. IV, 142. 254—256; Poet. I, 393-413. II, 664. Traube,
„0 Roma nobilis" (Abh. d. Münch. Ak. I CJ. XIX, 2, S. 332-337).
154 II« Karolinger. § 4. Karl der Grofse.
Liudger befreundet, richtete an Karl als König einige sehr ge-
künstelte Verse mit Akrostichen1). Er ist vor Alcuin, also vor 804,
gestorben.
Vielleicht gehört zu ihnen auch Dicuil, in dessen 825 ver-
fafster Schrift de mensura orbis terrae1*) der von Harun an Karl ge-
schenkte Elephant erwähnt wird. Er verfertigte auch Verse gram-
matischen Inhalts und ein poetisches Handbuch der Astronomie in
4 Büchern, welches er in den Jahren 814 bis 816 vollendete und
Kaiser Ludwig überreichte. Dieses ist bis jetzt noch ungedruckt
geblieben.
Auch Baiern hatte unter den Agilolfingern , in enger Verbin-
dung mit Italien, bereits einen höheren Grad der Bildung erreicht.
Herzog Odilo hatte Cassinenser Mönche nach Mondsee berufen,
und Reichenauer nach Nieder-Altaich; von hier entnahm Tassilo
den ersten Vorsteher seiner herrlichen Stiftung Kremsmünster.
Vor allem aber glänzte Freising unter seinem Bischof Arbeo oder
Aribo (764 bis 783) durch die Pflege der Wissenschaft3). Aribo
selbst verfafste in ungelenker und schwülstiger, aber von ange-
strengtem Studium zeugender Schreibart die Lebensbeschreibungen
der alten Glaubensboten Emmeram und Corbinian, deren wir oben
(S. 123) schon gedachten; als Diaconen aber finden wir an seiner
Kirche Arn und Leidrad, und auch diese folgten einem Rufe des
grofsen Frankenkönigs. Arn erscheint in den Freisinger Urkunden
zuletzt 778; 782 erhielt er die Abtei von St. Amand. Leidrad
schrieb noch 782 eine Urkunde für Tassilo4), dann finden wir auch
J) Zuerst in H. Hagen's Carmina Medii Aevi (Bernae 1877) p. 116 bis
124; jetzt bei Dümmler, Poet. I, 149 — 159. Einige Anklänge nachgewiesen
von Manitius, NA. XI, 558.
2) Ausg. von G. Parthey, Berl. 1870. Benutzung der Mensuratio orbis,
Traube, Münch. SB. 1891 S. 407. Vgl. Dümmler, NA. IV, 256 u. Poet. I,
666; auch Zimmer: Ueber die frühesten Berührungen der Iren mit den
Nordgermanen, Berl. SB. 1891 S. 279 ff.
3) Er erscheint von 754 — 760 als Schreiber in der bischöflichen Kanzlei;
als Freund der Franken fiel er gegen das Ende der Regierung Tassilo's
bei ihm und Liutbirg in Ungnade, s. Graf Hundt, Ueber die Bayr. Ur-
kunden aus der Zeit der Agilolfinger, Abh. d. Ak. III. Cl. XII, 182. 186,
und was aus seinem Nachlafs im 44. u. 45. Jahresbericht des hist. Vereins
von Oberbayern (1883) S. VII — XVII aus einer unvollendeten Abhandlung
über Arbeo mitgetheilt ist. — Fabelhaft und von dürftigem Inhalt ist die
Vita Gamulberti, eines Gutsherren und Pfarrers aus Pippins Zeit in Michels-
buch, unweit des Einflusses der Isar in die Donau, Acta SS. Jan. II,
591 — 595, doch dürfte vielleicht aus den alten Hss. in München und Ad-
munt eine bessere Form zu gewinnen sein.
4) Ueber beide s. Meichelbecks Historia Frisingensis; über Leidrad
Baehr S. 361, Graf Hundt a. a. 0. S. 181; seine Schriften gesammelt bei
Schotten und Baiern. 155
ihn im Fraukenreiche wieder, wo er neben Theodulf das Amt eines
königlichen Sendboten verwaltete, und von 799 bis 813 dem Bis-
thum zu Lyon vorstand, welches er dann seinem Schüler Agobard
überliefs, um sich in das Kloster des h. Medardus zurückzuziehen,
wo er am 28. Dec. 816 gestorben ist. In Lyon war Claudius bei
ihm und begann seinen Commentar zur Genesis, den er an des
jungen Ludwigs Hof in Aquitanien vollendete, in Casanolio palatio
bei Poitiers, wo 811 Faustinus das Buch abschrieb1).
So zog also Karl um das Jahr 782 von allen Seiten die Träger
wissenschaftlicher Bildung an sich und arbeitete von nun an unab-
lässig und unverwandt hin auf eine Wiederherstellung der antiken
Cultur, deren Herrlichkeit seinen Geist erfüllte2). Wie er die alten
Kunstwerke nach Aachen führte und seine Bauten nach den Regeln
des Vitruv und den Mustern der Kirchen zu Ravenna und Rom
aufführen liefs, so liefs er auch die alten Schriftsteller nach den
alten Handschriften mit der sorgsamsten Genauigkeit abschreiben.
Staunend bewundern wir die Prachtwerke seiner Kalligraphen, und
nichts ist vielleicht so charakteristisch für das was man damals er-
strebte, wie diese Handschriften3) mit ihrer Uncialschrift, ihren voll-
kommen nach antiken Mustern nachgeahmten Verzierungen und Bil-
dern. Ja so wie Eigil von Fulda Modelle der antiken Säulen sich
Migne XCIX, 853—886. Giesebrecht erinnert dabei auch an jenen alten
Agilolfinger Wicterb, Bischof und Abt von St. Martin zu Tours, der 754
jam senex, puto nonagenarius aut supra, dolentibus membris et caliginantibus
oculis ein geistliches Werk für einen Regenten, doch wohl Tassilo, ab-
schrieb und unermüdet weiter schrieb, bis er 756 starb. Rettberg II, 269.
Dafs er Abt zu Tours war, darf nach der Notiz im Cod. Masciac. der Ann.
Petav. (MG. SS. III, 170) nicht bezweifelt werden; auch hatte damals dieses
Kloster seinen eigenen Bischof (Gallia christ. XIV, 153), so dafs er unter
die Regensburger Bischöfe wohl nur durch Mifsverständnifs gerathen ist,
und durch ein ähnliches Mifsverständnifs auch an die Spitze des erst spät
zusammengestellten Verzeichnisses der Aebte von Grofs Sanct Martin in
Coeln. — Ein merkwürdiges Schreiben eines (Irländers?) Clemens an Tas-
silo, den bair. Episcopat u. Adel in Bezug auf die Eroberung und Be-
kehrung der Carantanen hat Zierngibl in d. Neuen hist. Abh. d. baier.
Akad. I, 246 herausgegeben, und Riezler, Gesch. Baierns I, 155, zuerst
benutzt.
*) Epistola ad Dructeramnum abb. (von St. Chaffre) als Vorrede. De-
lisle, Cab. des Manuscrits I, 4, Anm. 11.
2) „Quippe qui omnium regum avidissimus erat sapientes diligenter in-
quirere, et ut cum omni delectatione philosopharentur excolere. Ideo regni
a Deo sibi commissi nebulosam, et ut ita dicam paene caecam latitudincm,
tocius scientiae nova irradiatione et huic barbariei ante partim incognita
luminosam reddidit Deo illustrante." Walafridi Praef. ad Einhardi Vitain
Karoli, Jaffe Bibl. IV, 507.
3) Ohne Zweifel auch profane, die sich aber aus Karls Zeit nicht er-
halten haben.
156 II. Karolinger. § 4. Karl der Grofse.
verschafft hatte, welche Einhard benutzte, so wurden auch Samm-
lungen alter Inschriften mit gröfster Sorgfalt zusammengestellt und
die Siglen der Juristen gesammelt und erklärt1).
Am Hofe hatte sich aus alter Zeit immer eine Hofschule er-
halten2). Diese wurde durch Karl neu belebt; er selbst, seine
Kinder, seine Hofleute, nahmen an dem Unterrichte und den Uebun-
gen Theil. Es erwuchs daraus neben der eigentlichen Schule eine
förmliche Akademie, welche Karl und seine vertrauteren wissen-
schaftlichen Freunde zu regelmäfsigen Sitzungen vereinigte3). In
ähnlicher Weise wie an den arabischen Höfen dieser Zeit, wurden
hier poetische Episteln gewechselt, wissenschaftliche Aufgaben ge-
stellt und beantwortet, Räthsel aufgegeben und gelöst. Alle führten
hier Namen aus der Vorzeit, in denen heidnische und christliche
Erinnerungen in seltsamer Mischung erscheinen. So hiefs Karl selbst
David, Alcuin Flaccus, Einhard Beseleel nach dem kunstreichen
Erbauer der Stiftshütte, Riculf Damoetas, Beornrad von Sens Samuel,
Angilbert Homer; Audulf der Seneschalk und der Kämmerer Megin-
frid führten die idyllischen Namen Menalcas und Thyrsis. Naso
nannte sich selbst ein Dichter Modoin oder Muadwin, der von 815
bis nach 840 Bischof von Autun gewesen ist. In sehr ungelenken
Idyllen feierte er David , den Kaiser, als Friedensfürsten und be-
warb sich um dessen Gunst4). Die Standesverschiedenheiten der
Gegenwart wurden durch solche Verhüllung auf diesem Gebiete in
*) Notae juris aus Probus und einer jüngeren Sammlung sind im Cod.
Einsidlensis. Schon Karl dem Grofsen selbst aber überreichte Magno,
Erzbischof von Sens (801 — 818), eine Zusammenstellung der bei den Alten
in juristischen Schriften gebräuchlichen Abkürzungen, zusammengestellt aus
zwei anderen, die ihm in die Hände gekommen waren. Mommsen, Later-
culus notarum in Gramm. Latt. ed. Keil IV, 285, 315. Ueber eine durch
ihn veranlafste Formelsammlung Zeumer, NA. VL 79. Karls Sorgfalt für
die Berichtigung verderbter Abschriften preist der Schreiber Winidharius
im Wiener Codex 743:
Qui sternit per bella truces fortissimus heros,
Rex Carolus nulli cordis fulgore secundus,
Non passus sentes mendarum serpere libris.
Et bene correxit studio sublimis in omni.
(Dummler, Poet. I, 89.)
2) Für Pippins Zeit nachgewiesen von Leon Maitre, Les ecoles epi-
scopales (Paris 1866) S. 34 — 37. Vgl. Rud. Sohm: Die fränkische Reichs-
u. Gerichtsverfassung S. 342 über das commendare ad regem. Simson II, 570 ff.
3) Oebeke, De Acaclemia Caroli Magni. Aachener Gymn.-Progr. 1847.
4) Diese früher ganz unbekannten Dichtungen sind durch E. Dümmler
zuerst bekannt geworden, Poet. I, 382—392, und nach Entdeckung der
Darmst. Hs. wieder NA. XI, 75—91 herausgegeben; vgl. Ebert II, 64 — 68.
Trotz der sehr fehlerhaften Form sind die Gedichte nicht unbeachtet ge-
blieben, und wurden von Ermanrich stark ausgebeutet.
Karls Akademie. 157
den Hintergrund gestellt. Nicht zu bezweifeln ist, clafs Karl selbst
eine für jene Zeit nicht unbedeutende Bildung sich angeeignet hatte,
aber Einhards ausdrückliches Zeugnifs, dafs es ihm nicht mehr ge-
lingen wollte, schreiben zu lernen, dürfen wir doch auch nicht
unterschätzen. Seine gelehrten Briefe an Alcuin schrieben, gewifs
nach seiner Anweisung, die palatini pneri1).
Man wird durch dieses Treiben erinnert an die platonische
Akademie zu Florenz, allein es ist zwischen beiden doch ein grofser
Unterschied. Karl lag der Gedanke fern, die Litteratur nur wie
einen Gegenstand des Luxus zu seinem Vergnügen zu pflegen; sein
Briefwechsel mit Alcuin zeigt uns, dafs seine Akademie auch prak-
tisch wichtige Fragen behandelte, und oft einem Ministerium der
geistlichen Angelegenheiten ähnlich wird. Der Herstellung des alten
Glanzes und der Reinheit der Kirche mufsten alle seine gelehrten
Freunde mit ernstlicher Arbeit dienen2). Allein das war doch auch
wieder nur eine Seite der Bestrebungen des Königs ; ihm war es
voller Ernst, sein ganzes Volk auf eine höhere Stufe der Bildung
zu heben, und deshalb legte er überall Schulen an, und sorgte un-
ermüdlich für die Pflege und Hebung derselben3). Sogar von
Alcuin trennte er sich aus diesem Grunde, und verlieh ihm 796
die Abtei des heiligen Martin zu Tours, wo er von nun an als
Leiter einer blühenden Schule wirkte. Fast alle bedeutenderen Bis-
thümer und Abteien des Frankenreiches erhielten von hier aus ihre
Vorsteher, und wo in der nächsten Folgezeit von litterarischer
Thätigkeit etwas zu melden ist, da können wir mit Sicherheit
darauf rechnen, einen Schüler Alcuins zu finden. Weit genug er-
streckte sich der Wirkungskreis dieser Schule; doch errichtete Karl
für die entfernteren Theile seines Reiches auch eigene Mittelpunkte,
welche von seinem Scharfblick Kunde geben , wie alles was er
gethan. In Italien besafs Pavia schon von Alters her gefeierte
Lehrer, und diese Schule erhielt jetzt neuen Glanz durch den
Schotten Dungal4); ihr Fortleben und bleibendes Gedeihen be-
J) Ep. Alcuini, Jaffe Bibl. VI, 459.
2) Ueber die Libri Carolin^ welche uns ferner liegen, bemerke ich nur,
dafs ihre Echtheit durch Auffindung des Cod. Vat. festgestellt ist, s. Reiffer-
scheid im Ind. lectt. Vrat. hib. a. 1873. Vgl. Leibn. Ann. Imp. Occ. ad. a.
794. H. Reuter, Gesch. d. relig. Aufklärung im Mittelalter I (1875) S. 10
bis 13. Abdr. Migne XCVIII.
3) Ebert II, 8 über Karls Verordnungen. Simson II, 567 über das
Sendschreiben an Baugulf. Diekamp im Hist. Jahrb. V, 259 gegen die un-
begründete Verdächtigung desselben durch Harttung, Dipl. hist. Studien.
S. 319. 338 ff.
4) S. oben S. 153 Anm. 5.
158 n. Karolinger. § 4. Karl der Grofse.
zeugt der erst später durch Bologna verdunkelte Ruhm der Recht-
schule von Pavia.
Ein echt karlischer Gedanke war die Stiftung des Erzbisthums
Hamburg an der Nordgrenze seines Reiches, die jedoch erst unter
seinem Nachfolger zu Stande kam ; aber gerade in den fernsten Osten
liefs er Alcuins ebenbürtigen Freund , Arn , den Abt von St. Amand,
ziehen, dem Tassilo 785 das Bisthum Salzburg verlieh1). 798 er-
richtete er hier dann ein Erzbisthum, welches bestimmt war, ein
fester und segensreicher Mittelpunkt in politischer, kirchlicher und
litterarischer Beziehung zu werden. Arn erfüllte seine Mission in
vollem Mafse; aus den Urkunden wie aus den Briefen Alcuins an
ihn2) tritt uns das Bild des bedeutenden, nach allen Richtungen
thätigen Staatsmannes und Kirchenfürsten klar entgegen, und wenn
ihm auch zu schriftstellerischer Thätigkeit kaum Zeit blieb, so zeugen
doch seine Bemühungen für die Sammlung eines Bücherschatzes
durch Abschriften von seiner Sorge für Schule und Lehre3)1, wobei
ihm von 797 bis 801 Alcuins Schüler Wizo hülfreich zur Seite
stand. Die feindliche Erhebung des mährischen, dann des ungrischen
Reiches, die Errichtung selbständiger Metropolen im Osten, haben
Salzburg nicht zu seiner vollen Entwickelung gelangen lassen, doch
auch in dieser Beschränkung ist die Stiftung des bairischen Erz-
bisthums von den bedeutendsten Folgen gewesen.
Ein wunderbarer Erfolg krönte diese Bemühungen Karls, und
*) Karls Zustimmung war ohne Zweifel erforderlich, um so mehr, da
Arn die Abtei Saint-Amand behielt. Zu A. Huber: Ueber das Vorleben
Arno's im Arch. d. W. Akad. XLVII, 197 — 217, ist zu bemerken, dafs in
der Urk. v. 779 (Meich. n. 57) dd David und nicht archidiaconus bedeutet,
der Diakon Arn ein anderer ist, und dafs in d. Urk. v. 776 (Meich. n. 48)
nobis auf den Aussteller Bisch. Aribo geht, und also für die Verwandtschaft
Arns nichts austrägt. Vgl. auch Graf Hundt a. a. 0. S. 187.
2) Leider sind uns keine Briefe von Arn an Alcuin erhalten, Bibl. VI,
870 ein hübscher Brief von ihm an Cuculus, wie ein leichtfertiger Schüler
Alcuins, wahrscheinlich Dodo, genannt wurde. Wichtige urkundliche Quellen
aus seiner Zeit sind lndiculus Arnonis und Breves notitiae Salzburg enses , nach
den bekannten und bisher unbenutzten Handschriften herausgegeben und
mit Erläuterungen versehen von Friedrich Keinz, München 1869; vgl.
meine Anzeige in d. Heidelb. Jahrbb. 1870 S. 20 — 25.
3) Mehr als 150 Bücher liefs er nach Angabe des Necrologs schreiben,
MG. SS. IX, 770; vgl. Alcuins Brief Frob. 76. Bibl. VI, 525. Darunter
ein Formelbuch, herausgegeben von Rockinger, Quellen zur bayerschen
Geschichte, Bd. VII, von De Roziere, Revue hist. de droit francais et
ctranger, 1859, nach der Münchener und Kopenhagener Handschrift. Ueber
Arn Büdingers Oesterreichische Geschichte I, 147 ff., über Wizo 149; Allg.
D. Biogr. I, 573. Zeifsberg, Alcuin und Arno, Zeitschrift für österreichische
Gymnasien, 1862, S. 85 — 98. Derselbe, Arno, erster Erzbischof von Salz-
burg, Wiener SB. (1863) XLIII, 305-381. W. Giesebrecht, Königsannalen
S. 199—202: vgl. unten § 9.
Alcuin. ^59
er hatte das Glück, die Früchte seiner Mühen noch selbst zu er-
leben. Wie ein Phänomen in dunkelster Nacht erscheint plötzlich
die Litteratur des neunten Jahrhunderts; nicht nur Geistliche, auch
Laien schrieben Bücher, was seit Jahrhunderten nicht vorgekommen
war, und Jahrhunderte lang nicht wieder vorkommt1).
Denn von Dauer war dieser Glanz nicht; er verschwand fast
eben so plötzlich wie er gekommen war, aufs neue bedeckte Finster -
nifs das Land, aber gerade in dieser Finsternifs bewährte sich die
feste Begründung von Karls Schöpfungen. So viel auch wieder ver-
loren ging, es blieb noch immer genug übrig, um als Grundlage für
alle Folgezeit zu dienen. Wir haben schon oben bemerkt, dafs
Karl sein Werk nicht erst begann, dafs er den Boden vorbereitet
fand durch die Befestigung und Ordnung des Staates, durch die
Herstellung der Kirchenzucht, und dafs er nur dadurch im Stande
war, so fest zu bauen. Es regten sich auch bereits einige Keime
litterarischer Thätigkeit, als er auftrat, aber ihre rasche und glän-
zende Entfaltung ist doch ganz sein Werk, und nicht mit Unrecht
sagte man im Mittelalter von ihm, dafs er den Sitz der Studien
von Rom nach Paris verpflanzt habe2). Zu einer Zeit, wo die Pa-
riser Universität als der Mittelpunkt der Wissenschaft betrachtet
wurde, galt er für den Stifter derselben. In dieser Form sprach
sich der richtige Gedanke aus, dafs Karl der Stifter einer neuen
Culturperiode gewesen war.
§ 5. Alcuin.
Alcuini Opera ed. Frobenius (Proben Forster, Fürst-Abt zu St. Emmerain), 4 Bände, fol.
Ratisb. 1777. Danacb bei Migne, C. CI. Neue Ausgabe der Briefe u. hist. Schriften
nach Jaffe's Vorarbeit von Dümmler und Wattenbach, Bibl. VI. 1873. AIcuins Leben
von F. Lorentz, Halle 1829. Monnier, Alcuin et Charlemagne, Paris 1853. 1863.
.7, Bass Mullinger, The schools of Charles the Great and the restoration of education
in the ninth Century, London 1877. A. F. Thery, l'Ecole et l'Academie Palatines.
Alcuin, Amiens 1878. Dümmler, Art. Alcuin, Allg. D. Biogr. I, 343 — 348. K.Werner,
Alcuin u. sein Jahrh. 2. Ausg. 1881. Ganz fabelhafter Brief über die Herkunft der
Beneveutaner unter AIcuins Namen NA. I, 169 — 172. — Vgl. Ebert II, 12—36. Cantor,
Gesch. f. Mathematik I, 712—721. Hauck II, 119-145.
*) Zu warnen ist vor dem immer wieder (noch von Prantl und
L. Maitre) angeführten unechten Diplom über die Errichtung griechischer
und lateinischer Schulen in Osnabrück, dessen Unechtheit zuletzt wieder
von R. Wilmans, Kaiserurkunden d. Provinz Westfalen, s. besonders S. 368,
und Sickel, Acta Carol. II, 428 nachgewiesen ist. Auch Bass Mullinger
wiederholte S. 70 unbekümmert die alte Fabel, hat sich aber in der Revue
hist. X, 183 selbst berichtigt.
2) Zuerst bei Jordanus de praerogativa Romani imperii, ed. Waitz p. 70.
In Vincentii Bellovac. Speculo hist. XXIII, 173 und daraus bei Mart. Oppav.
wird Alcuin die Verlegung des Studiums von Rom nach Paris beigelegt.
Vgl. auch G. Paris, Hist. poetique de Charlemagne p. 66.
160 II. Karolinger. §5. Alcuin.
Alchuine, wie die ursprüngliche Form lautete, oder Alcuin,
nannte sich gern in mehr lateinisch klingender Form Albinus. Ver-
wandt mit Willibrord, dessen Leben er auch beschrieben hat, wurde
er um das Jahr 735 in York geboren. Seine Bildung verdankte er
der ausgezeichneten Domschule in seiner Yaterstadt unter der Lei-
tung Egberts, der seit 732 Erzbischof war, und Aelberts, der Alcuin
mit sich nach Rom nahm, als er nach der Sitte dieser Angelsachsen
dahin reiste, um Handschriften auf dem dortigen Markte zu erwer-
ben, der noch immer bedeutend und damals wohl der einzige im
Abendland war. Im Jahre 766 wurde Aelbert zum Erzbischof er-
hoben, und Alcuin folgte ihm in der Leitung der Domschule. Der
Auftrag, für Eanbald das erzbischöfliche Pallium vom päbstlichen
Hofe zu holen, führte ihn 781 wieder nach Rom, und auf dieser
Reise war es, wo er zu Parma mit Karl zusammentraf, an den er
schon früher einmal eine Botschaft gebracht hatte1), und von ihm
die Einladung erhielt, welche ihn vermochte, im folgenden Jahre
mit seinen Schülern Wizo2), Fridugis3) und Sigulf4) an Karls Hof
!) Vita c. 6. Dass der 773 von Karl an den Pabst geschickte Albi-
nus Alcuin gewesen wäre, wie Jaffe p. 144 n. 1 annimmt, scheint mir un-
möglich. Leibniz Ann. Imp. I, 40 hält ihn nach Albericus für den Bischof
von Angers.
?) Genannt Candidus, von 797—801 bei Arn in Salzburg.
3) Genannt Nathanael, von 819 — 832 Kanzler; wahrscheinlich führte
er das bessere Latein in die Kanzlei ein und veranlafste vielleicht die
Sammlung der Carpentierschen Formeln in tiron. Noten, jetzt MG. Formu-
lae p. 285 als Formulae imperiales e curia Lud. Pii; vgl. Sickel Acta Kar.
I, 89—95 u. 160, B. Simson, Ludw. d. Fr. II, 235—238. Max Ahner, Fre-
degis von Tours, Leipz. 1878. Ueber seine Schrift de nihüo et de tenebris
Prantl, Gesch. d. Logik im Abendland II, 17 — 19: Reuter, Gesch. d. relig.
Aufklärung im Mittelalter I, 274; Ebert II, 221. Er war Alcuins Nachfolger
als Abt von St. Martin, wo Canoniker an die Stelle der Mönche traten und die
Schule verfiel; wenigstens ist in schroffem Gegensatz gegen Alcuins Zeit kein
Schüler bekannt. Bei Herolds Taufe in Mainz erscheint er mit seinen
Schülern. Bücher schrieb unter ihm und für ihn Adalbaldus presb., der
sich arlifex nannte, Delisle, Notice des Mss. de Tours, p. 81 — 83; L'ecole
calligr. de Tours p. 20. Desnoyers u. Delisle in Comptes rendus des
Seances de TAcad. des Inscr. 1886 mit Monogramm. Album pal. pl. 21.
Ein sehr schlechtes Andenken hinterliefs er in St. Bertin, wo er gleichfalls
Abt war, s. Folcwini Gesta abb. S. Bert. MG. SS. XIII, 614, und daraus
in Folcards V. S. Bertini und bei Bovo, De elevatione S. Bertini. Nach
seinem Tode 834 folgte in St. Martin Adelard, unter dem durch Amalrich,
der 849 Erzb. v. Tours wurde, die Schule wieder aufblühte (vgl. unten
§ 20). Dann folgt 845 Graf Vivian als erster Laienabt.
4) Genannt Vetulus, später als Alcuins Nachfolger Abt von Ferneres
und Stifter der dortigen Schule. Er räumte seinen Platz Adalbert, der
die Bened. Regel einführte, und wurde selbst unter ihm Mönch; dann
folgt Alderich bis 829, Odo, der abgesetzt wird, an dessen Stelle 22. Nov.
842 Lupus tritt.
Alcuin im Frankenreich. 1(31
zu kommen; die Einkünfte der Abteien zu Ferneres und des heiligen
Lupus zu Troyes sicherten ihm hier eine ansehnliche Stellung, wäh-
rend er in der Hofschule vor alten und jungen Zuhörern seine Vor-
träge hielt. Auch hier war es durchaus nicht allein auf dilettan-
tische Belehrung der Hofleute abgesehen, sondern die vielen Söhne
vornehmer Franken, welche nach alter Sitte zur Erziehung an den
Hof gebracht wurden, erhielten hier alles Ernstes ihre Ausbildung
zu Staatsmännern und Bischöfen. Nach Alcuins eigener Angabe war
sein vorzüglichster Beweggrund nicht etwa wissenschaftlicher Eifer,
sondern die Sorge für Aufrechterhaltung der kirchlichen Orthodoxie
im Frankenreiche1), wie denn überhaupt der kirchliche Standpunkt
bei ihm durchaus mafsgebend ist.
Im Jahre 789 kehrte Alcuin nach England zurück; aber die
heftigen Streitigkeiten über Adoptianismus und Bilderverehrung ver-
anlafsten Karl, ihn von neuem dringend einzuladen, und die inneren
Unruhen, welche England zerrissen und Alcuin sogleich wieder in
die ihm verhafsten politischen Händel verflochten hatten, machten
diesen geneigt, seine Heimath zu verlassen. Er erschien 794 auf
dem zu Frankfurt gegen Felix und Elipand versammelten Concil
als Abgesandter der englischen Kirche und bewährte sich durch
mehrere Schriften als tapferer Streiter gegen die Irrlehren2); noch
zog es ihn zurück in sein Vaterland, aber die Ermordung Ethelreds
796 verleidete ihm die Heimkehr, und von nun an widmete er sich
ganz dem Frankenreiche. Nach Iterius Tod erhielt er 796 die Abtei
des heiligen Martin zu Tours, der er bis zu seinem Tode, am
19. Mai 804, vorstand. Dem unruhigen Getreibe des Hofes fern,
entfaltete er hier die segensreichste Thätigkeit und bildete eine
aufserordentliche Zahl von Zöglingen , welche im ganzen weiten
Reiche Karls neue Stätten wissenschaftlicher Thätigkeit begründeten.
Seinen Schüler Wizo schickte er nach England, um Bücher zu
holen, die er zu Tours durch zahlreiche und sorgfältige Abschriften
vervielfältigen liefs. Zugleich aber blieb er in fortwährender Ver-
bindung mit Karl, der ihm das gröfste Vertrauen schenkte. Als
unschätzbares Denkmal ist uns seine Brief Sammlung erhalten,
welche zu den wichtigsten Quellen für die Geschichte dieser Zeit
2) Ep. 35 u. 140 bei Jaffe, Bibl. VI, 255 u. 541, u. daraus Vita
c. 5, p. 16.
2) Ueber seine Bekämpfung des Adoptianismus s. Gröfsler, Die Aus-
rottung des Adopt. im Reiche Karls d. Grofscn, Progr. d. Gymn. zu Eis-
leben 1879. Ob die libri Carolini (oben S. 157) von ihm verfafst sind, ist
zweifelhaft; vgl. die Anm. von Dümmler, Bibl. VI, 222. Ueber den ganzen
Gegenstand Hauck II, 283—299.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 11
]62 II- Karolinger. § 5. Alcuin.
gehört, wenn gleich der stoffliche Inhalt geringer ist, als wir wün-
schen möchten. Die gröfste Masse ist ans den letzten Jahren, in
welchen Alcuins Frömmigkeit immer mehr überhand nahm, und
fromme Ermahnungen sind in hohem Grade vorherrschend. Eben
diese gaben in jenen Zeiten Anlafs, sie als Vorbilder zu sammeln
und abzuschreiben; es zeugt aber von der hohen Bedeutung des
Mannes, dafs nicht wie bei anderen Briefsammlungen, die Haupt-
inasse einem Conceptbuch des Verfassers entstammt, sondern wie
Sickel nachgewiesen hat, seine Schüler und Verehrer, ein Arno,
Adalhard, Angilbert, dazu Angelsachsen es gewesen sind, welche
die ihnen zugänglichen Briefe sammelten und dadurch vor dem
Untergang bewahrten1).
Viel und gern versuchte Alcuin sich auch in Gedichten, welche
freilich sehr incorrect, aber doch nicht ohne Leichtigkeit im Aus-
druck und gefällige Anmuth sind2). Sie bieten uns manchen Einblick
in die Zustände der Zeit, und das umfangreichste darunter, über
die Bischöfe der Kirche zu York, reich an schönen Stellen und be-
lebt durch die warme Liebe zur Heimath, gewährt mannigfache
Belehrung über die Stiftschule zu York und Alcuins Leben vor
seiner Berufung nach Frankreich3). Seine übrige schriftstellerische
Thätigkeit dagegen war mehr auf Theologie, Philosophie4) und Gram-
matik5) gerichtet als auf Geschichte. Sein lateinischer Stil, der
noch sehr fehlerhaft ist und von seinen eigenen Schülern bald
übertroffen wurde, fand bei seinen Zeitgenossen hohe Bewunderung;
*) Neue Ausgabe Bibl. VI, 132 ff. Vgl. Sickel, Hist. Zeitschr. XXXII,
355—365, u. Alcuinstudien I, Wiener SB. LXXIX, 461 ff. Ein Facs. aus
Harl. 208 in Thompson's Catal. of ancient Lat. mss. (1884) pl. 51, Beschr.
S. 86; S. 87 von Reg. 8. E. XV. Einen Brief über Felix, vermuthlieh an
Theodulf gerichtet, hat Loewenfeld gefunden und Bibl. de FEcole des
Chartes XLII herausgegeben (s. NA. VII, 242). — Dümmler, Alchvin-
studien, Berl. SB. 1891, S. 495 — 523 als Vorbereitung der neuen Ausgabe.
2) Ausg. von Dümmler, Poet. Lat. I, 160—351, cf. II, 690—693. Die
S. 692 nachgetragenen sind aber von Prosper, s. Manitius. NA. XI, 553;
von dems. ib. S. 558 Anklänge in Alcuins Gedichten. Vgl. Traube, Karol.
Dichtungen, S. 47 — 51, 61 — 110. A. Largeault, Inscriptions metr. coni-
posees par et pour les monasteres de St. Hilaire de Poitiers et de Nouaille
(Poitiers, Guillois 1885); darüber u. dazu Traube, NA. XIX, 447. J. B. de
Rossi: L'inscription du tombeau, d'Hadrien I (von Alcuin) Extr. des Mel.
d'archeol. et d'hist. publ. par l'Ecole franc. de Rome, 1888, mit Berichti-
gungen zu A.'s Gedichten. Vgl. NA. XIV, 447.
3) Bibl. VI, 80—131; Poet. Lat. I, 169—206.
4) Vgl. Prantl, Gesch. d. Logik II, 14-17.
5) Jos. Zechmeister: Scholia Vindobonensia ad Horatii Artem, Vind.
1877, glaubt diese Alcuin oder seiner Schule zuschreiben zu können, aber
der Stil erscheint mir sehr verschieden. S. 15, 23 1. colantes culices, nicht
volantes.
Alcuins Schriften. Jß3
und auf Bitten Angilberts bearbeitete er das Leben des h. Richarius,
auf den Wunsch des Abtes Rado1) das Leben des h. Vedastus.
Bei beiden beschränkte er sich auf Glättung und Ausschmückung
der überlieferten Darstellungen, und der erbauliche Zweck ist die
Hauptsache, wie nicht minder auch in dem schon oben (S. 132)
erwähnten Leben des h. Willibrord. Dafs man ihm auch ein Leben
Kaiser Karls zugeschrieben hat, beruht auf einer Verwechselung mit
Einhard.
In seinen alten Tagen versank Alcuin mehr und mehr in Fröm-
melei, und das Studium Vergils, den er selbst einst eifrig nachzu-
ahmen gestrebt hatte, verwarf er später als höchst gefährlich, we-
nigstens für Mönche2).
Fast zwanzig Jahre waren schon seit Alcuins Tod vergangen,
als auf den Wunsch eines Abtes, wahrscheinlich des Abtes Alderich
von Ferneres, der unter Alcuin dort Mönch geworden war, und 829
das Erzbisthum Sens erhielt, nach Benedicts von Aniane Tod
(11. Feb. 821), ein Schüler Sigulfs, dem nach Alcuins Tod die Abtei
zugefallen war, es unternahm, das Leben Alcuins zu beschreiben.
Gesehen hatte er selbst ihn nicht mehr, aber Sigulf hatte ihm viel
erzählt, und das ist, aufser dem Briefwechsel über den Adoptianis-
mus, seine einzige Quelle. Daher ist es nicht zu verwundern, dafs
wir hier viel von Alcuins Frömmigkeit, von Askese und von Wun-
dern finden, keineswegs aber ein Bild seiner fruchtreichen Thätigkeit
in den Jahren seiner Kraft. Erbauung für Mönche ist der Zweck
des Büchleins, und dem entspricht es leider nur zu sehr. Doch
finden sich darin auch manche nicht unwichtige Nachrichten vor-
züglich über seine Jugendzeit, welche wir dankbar annehmen
müssen. Die Sprache ist im damaligen Schulgeschmack gesucht
und mit frommem Schmuck überladen3).
§ 6. Paulus Diaconus.
Sein Leben ist erst genauer bekannt geworden durch die von Lebeuf entdeckten und in
der Dissertation sur l'lüstoire de Paris 1739 herausgegebeneu Gedichte, ßethmann,
Paulus Diaconus Leben und Schriften, Archiv X, 247—334. Bethmann, Die Ge-
schichtschreibung der Langobarden, ib. 335—414. Langob. Regesten, nach Beth-
manns Nachlafs bearb. v. Holder-Egger, NA. III, 225-318. L.Ranke, P. D. Ges.
Werke LI, 77-92. F. Dann, Des Paulus D. Leben u. Schriften, 1876 (die Gedichte
!) Für diesen, Karls Kanzler (Sickel I, 80), ist auch die jetzt in Wien
verwahrte Biblia Radonis geschrieben.
2) Diese Ansicht bekämpft Ebert II, 345, allein mir erscheinen die An-
gaben der Vita c. 10 zu bestimmt und zuverlässig überliefert, als dafs wir
sie verwerfen dürften.
3) Neue Ausg. Bibl. VI, 1-34. MG. SS. XV, I, 182-197, von Arndt.
11*
Iß4 II- Karolinger. § G. Paulus Diacorms.
in sehr schlechten Texten). Vgl. die Anz. von G. Waitz, GGA. 1876 S. 1513—1523.
Ebert II, 36-56. Bursian, Gesch. d. Philol. I, 19. Balzani S. 66-90. Pasq. Del.
Giudice 1880, wiederholt in: Studi di storia e diritto (1890) S. 1-43. - Die Ge-
dichte Poet Lat. I, 27-86, vgl. NA. IV, 102-112. 573. X, 165. XVII, 397-401.
Traube, Karol. Dicht. S. 62. 63. NA. XV, 199 (Die Verse „Multa legit" zu streichen).
Ein grammat. Gedicht Poet. lat. I, 625 — 628, vgl. II, 698. Der Lobgesang auf den
h. Mercur kann nach Dümmler nicht von P. D. herrühren, vgl. Dahn S. 17.
Wie die Gothen, so bewahrten auch die Langobarden ihres
Volkes Urgeschichte, die alten Sagen, die Grofsthaten der Väter,
besonders aber, worauf sie den gröfsten Werth legten, die Folge
und Verwandtschaft der Geschlechter, in ihren Liedern, die sich
mündlich vom Vater auf den Sohn vererbten. Sie aufzuzeichnen,
keine leichte Arbeit, mochte überflüssig erscheinen, so lange sie
noch irn Volke lebten; doch gegen das Ende des siebenten Jahr-
hunderts, um 670 hat ein Langobarde aus ihnen die Geschichte
seines Volkes entnommen, und der Langobarden Herkunft, wie
man davon sagte und sang, in kurzen und schlichten Worten be-
richtet; in Umrissen nur, nicht in ausführlicher Erzählung, aber
was er uns giebt, ist unberührt von der fremden Gelehrsamkeit,
welche die gothischen und fränkischen Sagen entstellt hat1). Man
hatte darin doch etwas mehr als in dem kahlen Königsverzeichnifs,
welches König Rothar 643 seinem Gesetzbuch vorangestellt hatte;
des Volkes Aelteste, welche das Recht sprachen und das Andenken
der Vergangenheit festhielten , trugen darum auch dieses Schriftchen
in ihr Rechtsbuch ein, wie wir das so häufig wiederfinden in den
Handschriften des Mittelalters, bei den Gesetzen der Westgothen
und Franken so gut wie beim Sachsenspiegel.
Es gab freilich damals bereits auch eine andere Geschichte der
r) Origo Genua Langobardorum, zuerst in: Edicta regum Langobardo-
rurn ed. opera et studio Caroli Baudi di Vesme, Aug. Taur. 1855, vgl.
p. LXXI bis LXXX1I. Ausg. v. F. Bluhme mit Chron. Goth. 1868 in MG.
Legg. IV, 641 — 647. Ausg. v. Waitz, SS. Lang 1 — 6 (verwirft die früher
mit Baudi de Vesme angenommene erste Abfassung unter Rothari). —
Uebersetzung von Abel bei P. D. S. 1—8; vgl. Bethmann S. 351—365
und über die Sagen im Allgemeinen S. 335—349. Hieraus geschöpft, aber
erweitert auch mit Benutzung des Isidor, und mit einer Lobrede auf Karl
und Pippin versehen ist das c. 810 geschriebene sog. Chron. Gotlianum,
d. h. aus der einst Fulder, jetzt Gothaer Handschr. der Volksrechte, in
sehr barbarischer Form und Sprache; als Histona Langobardorum codicis
Gothani bei Waitz S. 7 — 11. Fragm. aus einer and. Hs. bei Calligaris, s.
unten. Platner, Forsch. XX, 172, vermuthet erste Abfassung der Origo
im 6. Jahr Agilulfs (597), weil nur so weit im Chron. Goth. benutzt.
Mommsen, NA. X, 74 ff. sieht in der Origo einen Auszug aus dem Werke
des Secundus mit einer Fortsetzung, aus diesem habe auch Paulus geschöpft;
aber mir erscheinen die Gegengründe von Waitz ib. S. 421 überwiegend.
Für Mommsen L. Schmidt, Zur Gesch. d. Langobarden (Diss. Lips. 1885),
NA. XIII, 236. 391—394.
Litteratur der Langobarden. 165
Langobarden, verfafst von dem Knechte Gottes Secundus, Abt
in Trient (f 612), aller Wahrscheinlichkeit nach, wie R. Jacobi be-
merkt, demselben, welcher in Pabst Gregors I Briefe vorkommt1);
wir kennen sie aber nur, weil Paulus ihrer gedenkt, und sie scheint
wenig Verbreitung gefunden zu haben. Ein so frommer Mann rö-
mischer Abkunft erzählte schwerlich von Wodan und Freia, und mit
der römischen Bildung haben die Langobarden sich nur sehr lang-
sam befreundet. Ein Römer scheint es auch gewesen zu sein, der
im Jahre 641 die oben S. 84 erwähnte Fortsetzung des Prosper
verfafste. Von litterarischer Thätigkeit im langobardischen Reiche
finden sich weiter keine Spuren, man müfste denn etwa des Abtes
Jonas von Susa Schriften, deren wir schon oben (S. 118) gedachten,
dazu rechnen, der aber auch ein Romane war. Sonst liegt noch
ein um 698 verfafstes rhythmisches Gedicht in rohester Form vor,
in welchem ein Magister Steffan den König Kunincpert feiert, der
das Schisma von Aquilegia beendigt hatte; auch seiner Vorfahren,
die Arianer und Juden verfolgten, wird rühmend gedacht2). Nicht
minder roh in der Form ist eine bald nach 738 verfafste rhyth-
mische Beschreibung von Mailand, worin König Liutprand und
Bischof Theodor gepriesen werden3).
Die Grammatiker jedoch, welche trotz aller Ungunst der Zeiten
ihre Thätigkeit in Italien immer fortgesetzt hatten, fanden allmäh-
lich auch unter den Langobarden Schüler, und als deren Herrschaft
sich ihrem Ende nahte, da hatten sie dem fremden Volke bereits
seinen Geschichtschreiber erzogen, der, wie Jordanis, nach dem
Sturze des Reiches wenigstens das Andenken desselben für die Nach-
welt bewahrte.
Paulus, des Warnefrid Sohn, aus einem edlen Langobarden-
geschlechte, das im Friaul begütert war, um 720 geboren, wurde
wahrscheinlich nach alter deutscher Sitte am Hofe des Ratchis
(744 — 749) zu Pavia erzogen; als seinen Lehrer nennt er den Gram-
matiker Flavianus , dessen er noch in seinem hohen Alter mit Liebe
x) R. Jacobi, Quellen der Langobardengeschichte, S. 63 — 84, stellt zu-
sammen, "was er von Paulus Werk für Secundus in Anspruch nehmen zu
können glaubt, und bekämpft Bethmanns Meinung, dafs der Contin. Pros-
peri Havn. ihn gekannt habe. L. Schmidt hält sein Werk für eine annali-
stische Fortsetzung des Prosper.
2) Aus 2 Hss. aus Bobio bei Oltrocchi, Eccl. Medol. hist. Ligustica
(1795) II, 536. 579. 624 mit ausführlichem Commentar. Waitz, SS. Lang,
p. 189—191. Paulus D. hat es nicht gekannt. Manitius S. 397.
3) Neu herausgeg. v. L. Traube, Karol. Dicht. S. 119 — 122. Manitius
S. 398.
166 II. Karolinger. § 6. Paulus Diaconus.
gedenkt1). Auch dein König Desiderius soll Paulus lieb und werth
gewesen sein , und wenn auch die Zeugnisse dafür unzuverlässig
sind, so ist es doch an sich sehr wahrscheinlich, dafs er in der
königlichen Kanzlei Beschäftigung fand und eben dadurch in ein
so nahes Verhältnifs zu der Herrscherfamilie trat. Im J. 763 ver-
fafste er rhythmische Verse über die sechs Weltalter, welche akro-
stichisch die Worte Adelperga pia enthalten2), den Namen der
Tochter des Desiderius, welche seine Schülerin war; dieser und
ihrem Gemahl Arichis war er mit der wärmsten Anhänglichkeit und
Freundschaft ergeben , und an ihrem Hofe zu Benevent fand er eine
Zuflucht nach dem Falle des Reiches von Pavia, wenn er nicht
schon früher die Königstochter dahin begleitet hatte. Für sie ver-
fafste er hier seine Römische Geschichte bis auf Justinian,
deren wir schon oben (S. 52) gedachten3). Er hatte der wifs-
begierigen Königstochter den Eutrop zu lesen gegeben, in welchem
sie aber jede Erwähnung der jüdischen und christlichen Geschichte
vermifste. Deshalb versah er das Werk mit Zusätzen und mit einer
Fortsetzung aus verschiedenen Quellen, und das Geschick nebst der
umfassenden Litteraturkenntnifs , womit er diese Arbeit ausführte,
hat lebhafte Anerkennung bei Th. Mommsen gefunden, auf dessen
Anordnung die Ausgabe von H. Droysen die Gestalt von Zusätzen
zum Eutrop erhalten hat4). Den zusammenhängenden Text des
Paulus dagegen finden wir in der Octavausgabe.
Um diese Zeit dichtete Paulus auch für Arichis die Inschriften,
womit dieser seine glänzenden Bauten zu Salerno schmückte, und
die Grabschrift auf die Königin Ansa5), welche 774 nach Frank-
J) Diesen vermuthet Luc. Müller in einem oft angeführten Grammatiker,
Neue Jahrbb. f. Philol. XCIII (1866), 561. Dem aber widerspricht sehr
entschieden H. Hagen, Anecdota Helv. p. CLXIII.
2) Waitz 1. 1. p. 13. Poet. Lat. I, 35.
3) Wie Del Giudice S. 25 f. nachzuweisen sucht, war er schon Mönch
und das Langobardenreich gefallen.
4) Von geringem Werth ist die Bearbeitung und Fortführung bis 813
von einem unbekannten Landulfus Sagax um das Jahr [1000, für die
spätere Zeit fast ausschliefslich aus der Kirchengeschichte des Anastasius
geschöpft, bekannt als Historia miscella. (Ausg. v. Fr. Eyssenbardt, Berl.
1869). Seine Originalhs. hat Heinrich II dem Kl. Corvey geschenkt (Cod.
Vat. pal. 909). — Eutropi Breviarium ab U. C. cum versionibus Graecis
et Pauli Landolfique additamentis, rec. H. Droysen, MG. Auctt. antiq. II.
1878, 4. Pauli Historia Romana in usum schol. recusa, Berl. 1879, 8. Vgl.
Waitz, GGA. 1879, S. 583-602. H. Droysen, Zusammensetzung der H. R.,
Forsch. XV, 167—180. Mommsen, NA. V, 53.
5) Neue Ausgabe von Waitz, SS. Lang. S. 191; Dümmler, Poet.
Lat. I, 45.
LebeD des Paulus Diaconus. 1(57
reich abgeführt war, und deren Todesjahr unbekannt ist. Noch
feiert er darin Adelchis als die Hoffnung der Langobarden.
Wann Paulus in den geistlichen Stand eingetreten ist, dem er
seinen Beinamen Diaconus verdankt, wissen wir nicht; ebenso wenig,
wann er in dem grofsen Mutterkloster des Abendlandes zu Monte-
cassino das Mönchsgelübde abgelegt hat; vielleicht führte ihn dorthin
die Anhänglichkeit an König Ratchis, der hier als Mönch seinen
Weinberg baute, vielleicht die Noth nach der Confiscation der Güter
seiner Familie. Das stille Klosterleben aber gewann bald einen
solchen Reiz für Paulus nach den traurigen Zeiten, die er durchlebt
hatte, dafs er die heilige Stätte wohl nicht wieder verlassen haben
würde, wenn nicht die politischen Ereignisse ihm auch hier keine
Ruhe gelassen hätten.
Im Jahre 776 nämlich war im Friaul ein Aufstand gegen die
Franken ausgebrochen, dem vielleicht Paulus selbst nicht fremd war,
und wohl ohne Zweifel war dies die Veranlassung , weshalb sein
Bruder Arichis gefangen fortgeführt wurde und sein Vermögen verlor.
Lange scheint sich Paulus jeder Annäherung an die Franken ent-
halten zu haben; als aber Karl 781 nach Rom gekommen war, und
in der Ordnung der italischen Verhältnisse seine Mäfsiguug und
Milde bewährt hatte1), da richtete Paulus, sechs Jahre nach jenem
Ereignifs, eine Elegie an den König, worin er ihn um Gnade für
seinen Bruder bat2). Damit begab er selbst sich zum Könige, und
schrieb am 10. Januar 783 von den Ufern der Mosel einen Brief an
seinen Abt Theudemar3), worin er noch den festen Entschlufs aus-
spricht, in sein Kloster, nach welchem lebhafte Sehnsucht ihn erfüllte,
heimzukehren, sobald er den Zweck seiner Fürbitte erreicht habe.
Er rühmt aber sehr die gute Aufnahme, welche er gefunden habe.
Es war gerade die Zeit, in welcher Karl die Gelehrten aller Länder
an seinem Hofe versammelte, und Paulus liefs sich doch bestimmen,
einige Jahre an dieser ersten frischen Entfaltung litterarischer Thätig-
keit sich zu betheiligen. Noch haben sich Verse erhalten, welche in
Karls Namen Peter von Pisa an ihn richtete4), wo in scherzhafter
Uebertreibung seine Gaben und Kenntnisse gefeiert werden. Eben
wolle er seine Tochter nach Griechenland verheirathen, sagt Karl,
und Paulus solle ihre Begleiter in dieser Sprache unterweisen. Be-
1) „Quod raro fieri adsolet, clementi moderatione victoriam tempera-
vit." Pauli Gesta epp. Mett. p. 268.
2) Versus ad regem precando, wiederholt bei Waitz, S. 15; Poet.
Lat. I, 47.
3) Wiederholt bei Waitz, S. 16.
4) Bei Waitz S. 17; Poet. Lat. I, 48.
168 II. Karolinger. § 6. Paulus Diaconus.
scheiden und aufrichtig lehnt Paulus die Lobsprüche und den Auf
trag ab, und ebenso wenig wird er, was ihm in ähnlicher Weise zu-
gemuthet wurde, die Bekehrung des Dänenkönigs Siegfried versucht
haben. Einige Kenntnifs der griechischen Sprache, welche man bei
der Nachbarschaft nicht gut entbehren konnte, hatte er, wie er
selbst sagt, in der Schule erworben, aber weit wird dieselbe nicht
gereicht haben. Er dichtete aber Grabschriften für die Königin
Hildegard (f 783) und für deren so wie für Pippins Töchter, und
verfafste auf Karls Befehl die Homiliensammlung, welche der Un-
wissenheit der Geistlichen in wirksamer Weise zu Hülfe kam1).
Diese wird er jedoch, wie Dahn nachgewiesen hat, erst in Monte-
cassino ausgearbeitet haben.
In eben dieser Zeit schrieb Paulus auch auf Bitten des Bischofs
Angilram von Metz die Geschichte von dessen Vorfahren auf dem
Stuhl des heiligen Clemens2). „Mit besonderer Ausführlichkeit be-
handelte er darin* die Familie und die Ahnen Karls des Grofsen,
vielleicht," wie Bethmann sagt, „auf dessen eigenen Wunsch oder
wenigstens ihm zu Gefallen, und nicht undeutlich blickt die Absicht
*) Bethmann, Arch. X, 296 u. 301 ; Poet. Lat. I, 68, und die schönen
Widmungsverse eines Exemplars von Ebrard an den h. Germanus, Poet.
Lat. I, 432. G. Loeck: Die Homiliensammlung des P. D. als unmittel-
bare Vorlage des Otfridischen Evangelienbuches, Kieler Diss. 1890.
2) Gesta episcoporum Mettensium ed. Pertz, MG. SS. II, 260 — 270. Im
Auszuge übersetzt bei 0. Abel, Einhards Jahrbücher S. 1 — 8. Ueber die von
Freher benutzte Hs. (jetzt in Bremen) Dümmler, NA. III, 187. Andere
nachgewiesen im Catal. des Mss. des Depart. V, p. LXII. Die nach Beth-
manns Vermuthung im Arch. X, 294 von ihm herrührenden Versus de
episcopis Mettensibus bis auf Angilram, Poet. Lat. I, 60. SS. XIII, 303 — 305.
— Durch weitere Ausführung mifs verstanden er Worte des Paulus entstand
aus den Gesten mit Benutzung des Fredegar und seiner Fortsetzer unter
Ludwig dem Frommen die Domus Carolingicae genealogia, MG. SS. II, 308,
XIII, 243 von Waitz als Genealogia regum Francorum, welche nach Bonnell,
Die Anfänge S. 6 ff. mit Ludwigs aquitanischem Königreich in Verbindung
steht, indem sie ihm romanische Ahnen giebt und an südfranzösische
Heilige anknüpft. Ueber die Leipz. Hs. Rethfeld, NA. XIII, 243. Die
Genealogia S. Amulß ib. ist eine Fälschung von Yignier, NA. XI, 631.
Waitz hat ausser dieser andere ähnliche Stücke hinzugefügt, welche in
Geneal. d. franz. Könige u. Grafen von Flandern übergehen. S. 726 — 729
Historiae Francorum Steinveldenses. SS. XXV, 381 — 384 Genealogia Caro-
lorum Mettensis von 1164 ed. Heller; daran anschliessend Geneal. ducum
Brabantiae, p. 385 — 413. Durch dieselbe Genealogie ist als später ent-
standen kenntlich der Libellus de Maioribus domus. Mit der Gen. sind in
der Ausgabe von Pertz verbunden die Versificirung derselben zu Ehren
Karls des Kahlen: Origo et exordium gentis Francorum (wiederholt Poet.
Lat. II, 141) und Regum Merowingorum genealogia et catalogus, p. 307;
cfr. III, 19. 214. X, 138, und dazu die Bemerkung von Ermisch, Die
Chronik des Regino S. 22; weitere Catalogi regum et imperatorum SS. XIII,
264—271. 742.
Geschichte der Bischöfe von Metz. 169
durch, die Thronbesteigung der Karolinger zu rechtfertigen und sie
als ein durch Heilige gleichsam legitimes Herrscherhaus darzustellen."
Doch hat gegen diese Auffassung Bonneil l) nicht unerhebliche
Gründe geltend gemacht, und nur die Verherrlichung des Ahnherrn
Arnulf im Anschlufs an dessen ältere Lebensbeschreibung bestehen
lassen.
Paulus gab in diesem Werke das erste Beispiel und Vorbild
der Bisthumsgeschichten. Auch eine Biographie Gregors des Grofsen
hat Paulus nach seiner eigenen Angabe geschrieben2); dafs er aber
auch derjenige Paulus gewesen wäre, welcher eine kritisch verbesserte
Auswahl aus Gregors Briefen an Adalhard schickte, ist mindestens sehr
unsicher3). Dagegen bemerkt Dümmler, dafs er wohl der in einem
Schreiben Hadrians I (Bibl. IV, 274) erwähnte Paulus grammaticus
sein könne, welcher Gregors I Sacramentar für Karl von ihm er-
beten hatte.
So wahrhaft und innig auch die Liebe gewesen zu sein scheint,
welche den langobardischen Mönch mit dem Besieger seines Volkes
verband, auf immer liefs er sich doch nicht am Hofe fesseln. Die
immer zunehmende, endlich bis zum Kriege gesteigerte Feindschaft
zwischen Arichis und Karl mag ihm wohl zuletzt den Aufenthalt
daselbst vollends verleidet haben, obwohl sein persönliches Verhält-
nifs zum Könige auch durch diese Vorfälle nicht gestört wurde.
Doch finden wir ihn 787 wieder in Montecassino, wo er die schöne
Grabschrift für den am 25. August verstorbenen Fürsten Arichis
verfafste4). Den Abend seines Lebens widmete er von nun an in
ungestörter Buhe frommen Betrachtungen und der Geschichte seines
Volkes. Er schrieb eine ausführliche Erläuterung der Klosterregel5)
und verfafste die sechs Bücher seiner Geschichte der Lango
barden6), tlie er leider unvollendet hinterlassen hat. Er erfüllte
1) Die Anfänge des Karolingischen Hauses, S. 45.
2) S. darüber Bethmann im Arch. X, 303; NA. XII, 603 über die
neue Ausgabe von Grisar, Zts. f. katb. Theol. XI, 162 — 172, worin mit
den Interpolationen auch alle Andeutungen auf den Aufenthalt des Vfs. in
Rom fortgefallen sind. Die Autorschaft des P. D. ist ganz ungewiss.
3) S. Ewald, NA. 111, 472 ff. 484. 624. u. NA. VI, 246 über die in Pe-
tersburg wiedergefundene Handschrift.
4) Poet. Lat. I, 66.
5) Gedr. Bibl. Casin. IV. Floril. p. 1-178. Der Brief an Karl im
Namen des Abts Theudemar ist facs. bei der Beschreibung des cod. 179
p. 39 — 41. Ueber diesen Commentar u. die Epit. Festi s. K. Neff: De
Paulo D. Festi epitomatore. Diss. Erl. 1891.
6) Die lange erwartete neue Ausgabe ist von Waitz vollendet: SS. Rer.
Langob. et Ital. saec. VI-1X. ed. G. Waitz 1877. 4; S. 193—197 Epi-
tomae, S. 198—220 Continuationes, von geringer Bedeutung. Anz. v. Bishop
im Dublin Review, Apr. 1879, vou Monod, Revue crit. 1879, I, 272—276.
170 IL Karolinger. § 6. Paulus Diaconus.
damit das schon in der Widmung der Römischen Geschichte der
Adelperga gegebene Versprechen, sie bis auf seine Zeit fortzu-
setzen.
Als einen bedeutenden Historiker können wir Paulus freilich
nicht betrachten. Die Sprache weifs er in seinen Gedichten mit
Leichtigkeit und Anmuth, wenn auch nicht fehlerfrei, zu behandeln1)
und in der Erzählung zieht uns ihre schmucklose Einfachheit an.
Von der gesuchten Gelehrsamkeit und Ueberkünstelung so wie von
der barbarischen Rohheit des siebenten Jahrhunderts ist er frei, und
für sein Zeitalter ist seine gelehrte und sprachliche Bildung aufser-
ordentlich hoch anzuschlagen2). Allein historische Kunst oder tiefere
Auffassung dürfen wir bei ihm nicht suchen. In der Geschichte
der Bischöfe von Metz berichtet er anfangs die fabelhafte Local-
tradition, ohne ein Urtheil darüber auszusprechen, als Sage, dann
schöpfte er seine Nachrichten aus Gregor, Fredegar und dem Leben
Arnulfs; was er aus der neueren Zeit hinzufügt, ist wenig bedeutend,
wie denn auch dieses ganze Werk über einen ihm fernliegenden
Gegenstand, auf den Wunsch seines Gönners verfafst, zu keinen
höheren Ansprüchen berechtigt.
Anders verhält es sich mit der Geschichte der Langobarden.
Leider reicht sie nur bis zum Tode Liutprands (744), und es fehlt
uns also die Darstellung der Zeit, wrelche der Verfasser selbst durch-
lebt hat. So weit er aber mit seiner Arbeit gekommen ist, finden
wir auch hier nur einfache Erzählung, zusammengesetzt aus der
mündlichen Ueberlieferung und schriftlichen Quellen, wie der Origo,
Uebersehene Hs. der Classe D. Christ. 597, NA. X, 165. 231. Cod. 96 = 105
ist jetzt in Paris Nouv. acquis. lat. 1602. Ueber die umgearbeitete Bam-
berger Hs., welche Spruners Uebersetzung zu Grunde liegt, s. Waitz im
Aren. IX, 673—703, über eine verwaudte in Oxford R. Pauli im NA. II,
161 — 168. G. Calligaris über eine Hs. in Turin im Bull. dellTstituto stör.
Ital. n. 10, S. 31 ff. u. Studien zur Kritik des Paulus in Mem. della R.
Deputazione di storia patria per la Venezia 1890 (NA. XVII, 224). —
üebers. v. O. Abel 1849, 2. A. v. Reiuh. Jacobi 1878, Geschichtschr. 15
(VIII, 4). — Ueber den Weg, auf welchem die Lang, gekommen, Virchow
in Verh. d. Berl. Anthropol. Ges. v. 17. Nov. 1888, S. 508-532 (NA. XV,
211). Chroust, Ortsbestimmung, nach Pogatschnigg, NA. XV, 585.
1) Die von Dümmler NA. X, 165 nachgetragenen Verse sind in scherz-
hafter Absicht, im Anschlufs an vorhergehende ähnlicher Art, mit Vernach-
lässigung aller metrischen Regeln gemacht.
2) Waitz: Ueber die handschriftliche Ueberlieferung und die Sprache
der H. Langobardorum, NA. I, 533—566. Die Ausgabe bietet doch nicht
die barbarische Sprache, welche die ältesten Handschriften enthalten. Es
kommen allerdings grobe grammatische Fehler vor, und zwar in den letz-
ten Büchern zunehmend. Da ist in Anschlag zu bringen, dafs das Werk
unvollendet blieb.
Die Longobardengeschichte. 171
Gregor von Tours, Beda, den Leben der Päbste u. a. m.1). Aus
diesen nimmt er ganze Stücke auf, ohne sie eigentlich zu einem
Ganzen zu verarbeiten; in der Kritik, sogar in der Sorgfalt und
Genauigkeit bei Benutzung seiner Gewährsmänner erscheint er
schwach, höchst verwirrt in der Chronologie, und obwohl seine
eigentliche Aufgabe die Volksgeschichte der Langobarden ist, nimmt
er ohne rechtes Mafs doch auch fernerliegendes auf. Läfst er aber
demnach als gelehrter Geschichtschreiber viel zu wünschen übrig,
so entschädigen uns doch dafür andere sehr wesentliche Vorzüge,
die einfache Klarheit seiner Darstellung, die lautere Wahrheitsliebe,
die ihn von allem in ungeschminkter Geradheit berichten läfst, die
Wärme des Gefühls für sein Volk, welche sich auch ohne ruhm-
redige Verherrlichung besonders in der Aufzeichnung der alten Sagen
kundgiebt. Sehen wir nun aber vollends auf den materiellen Werth
seiner Geschichte, so ist derselbe unbedenklich als ganz unschätzbar
anzuerkennen, wir verdanken ihm eben die Bewahrung jenes reichen,
durch keine spätere Gelehrsamkeit verfälschten Sagenschatzes, und
über die Geschichte der Langobarden, was er aus dem Secundus
von Trident und anderen verlorenen Quellen schöpfte sowohl wie die
Aufzeichnung mündlicher Ueberlieferung: rettungslos würde alles
dieses nach dem Sturze des Reiches dem Untergang verfallen sein,
wenn nicht des alten Mönches Hand es mit treuer Liebe auf-
gezeichnet hätte.
§ 7. Angilbert.
Angilberti Carmina ed. Dümraler, Poet. Lat. I, 355—381; vgl. NA. IV, 140-142. Die
älteren Drucke, gesammelt bei Migne XCIX, 849 — 854, dadurch veraltet. Herrn.
Althof: Angilberts Leben und Dichtungen (übersetzt). Wiss. Beilage z. Progr. des
Realprogymn. u. Progymn. zu Münden. Bes. Abdr. Hann. Münden 1888. Traube,
0 Roma nobilis (Abh. d. Münch. Akad. I. Cl. XIX, 2) S. 326-331. Verz. seiner Ge-
dichte. Ein Abt Angilbert von Corbie zugeschriebenes Gedicht ihm zugesprochen.
Ders., Karol. Dicht. I, 51—60 gewinnt Gedichte Angilberts aus denen des Bernowin
(Poet. Lat. I, 413 — 425), der sich als Plagiator A.'s Gedichte angeeignet hat.
!) Bethmann, Archiv X, 314. R. Jacobi: Die Quellen der Langobar-
dengeschichte des P. Diaconus, Halle 1877. Controverse über den von
ihm benutzten Catalogus provinciarum und verlorene annalistische Quellen,
auch im Cont. Havniensis, zwischen Mommsen u. Waitz, NA. V, 51 — 103 u.
417-424. XI, 633. K. Neff, NA. XVII, 204-208 gegen Waitz. Mommsen
Auctt. antt. IX, 527. — Die auch von P. benutzten bist. Stellen aus Gregors
Dial. SS. Lang. p. 524—540. — Benutzung des Fredegar, von Waitz ge-
leugnet, behauptet Monod, Revue crit. 1879, I, 276. Ueber die Quelle von
HL. I, 25 über Justinians Gesetzgebung s. Th. Mommsen u. Fitting, NA. 111,
185. 399—402. Zu III, 9. 31. Malfatti im Arch. stör, per Trieste, l'Istria
e il Trentino II, fasc. 4, 1883. Zu VI, 54 W. Härtens Polit. Gesch.
d. Langobardenreichs unter K. Liutprand, Heidelb. Diss. 1880, Excurs
S. 66-71.
172 II« Karolinger. §7. Angilbert.
Wie Paulus am langobardischen, so war Angilbert, der ebenfalls
aus vornehmem Geschlechte stammte, am fränkischen Hofe aufge-
wachsen1). Wohl wenig jünger als Karl selbst, war er mit diesem
durch innige Freundschaft verbunden und stand zu der ganzen
königlichen Familie im vertraulichsten Yerhältnifs. Er scheint sich
schon früh mit wissenschaftlichen Studien beschäftigt und eine an-
sehnliche Stellung in Karls Kapelle erlangt zu haben. Als Alcuin
an den Hof kam, ergriff er mit demselben Eifer, wie sein könig-
licher Freund, die Gelegenheit zu höherer Ausbildung; er wurde ein
Schüler Alcuins, des Paulinus und Peters von Pisa, und nahm an
der Akademie den lebhaftesten Antheil; hier erhielt er wegen seiner
poetischen Begabung den Namen Homer. Aus dieser frühen Zeit
der achtziger Jahre haben sich einige, in der Form zum Theil noch
sehr unvollkommene Gedichte erhalten, welche Dümmler kürzlich
aus einer gleichzeitigen Handschrift herausgegeben hat2). In dem
einen, welches aus versus serpentini besteht, grüfst Angilbert mit
seinen Genossen Angelram und Riculf den nach Italien heimge-
kehrten Lehrer Peter von Pisa, und sendet zugleich ein von ihm
erbetenes Gedicht Karls des Grofsen an ihn. In dem Gedicht eines
räthselhaften Fiducia an Angelram werden Angilbert und Theodulf
als divini poetae erwähnt. Diese Verse scheinen früher angesetzt
werden zu müssen, als Angilberts Sendung nach Italien, wo ihm,
gewifs ein Zeichen hohen Vertrauens, eine bedeutende Stellung am
Hofe des Kindes Pippin in dem neugewonnenen italienischen König-
reiche anvertraut wurde. Auch war er mit Alcuin schon vorher
befreundet3).
Zurückgekehrt trat Angilbert wieder in den Kreis seiner alten
Freunde ein, und genofs in hohem Grade Karls Vertrauen, der ihn
796 in einem Briefe an Leo III manualem nostrae familiaritatis auri-
cularium, in dem an ihn selbst gerichteten Brief seinen auricularius
nennt4). Er gehörte zur königlichen Kapelle, und auch seine Würde
1) Qui paene ab ipsis infantiae rudimentis in palatio vestro enutritus est,
schreibt Pabst Hadrian 794 an Karl (Bibl. VI, 245). Er mufs aber als
primicerius palatii bei dem unmündigen Pippin schon in reifem Alter ge-
wesen sein. Doch nennt Alcuin ihn wiederholt filius und in dem Briefe
n. 82 bei Jaffe, Bibl. VI, 358 vom J. 797 genauer: filius eruditionis meae;
Karl noch 796: Homeriane puer. Bibl. IV, 354.
2) Zeitschrift f. Deutsches Alterthum XVII, 141—146. Poet, Lat. I, 75.
3) Alcuini ep. 22 Frob. 5 Jaffe, Bibl. VI, 149, von Jaffe 783—785 an-
gesetzt. In der Anrede heifst er venerabilis u. primicerius-, in der Aufschrift
in 2 Handschriften 'primicerius palatii Pipi/ri regis. B. Simson, Karl d. Gr. II,
435, Anm. 6, verwirft diese Angabe gänzlich; ich sehe den Grund nicht
recht ein, wenn auch die Unsicherheit zuzugeben ist.
4) Bibl. IV, 353 u. 355.
Angilberts LebeD und Schriften. 173
am italienischen Hofe war vielleicht schon eine geistliche l). Wie
bedeutend und einflufsreich seine Stellung gewesen ist, zeigen die
wichtigen Gesandtschaften an den römischen Pabst, welche ihn noch
dreimal (792, 794, 796) nach Italien führten; auch soll er im
Jahre 800 den König nach Rom geleitet haben, und im Jahre 811
unterzeichnete er Karls Verfügung über seinen Schatz zu Gunsten
der Kirchen seines Reiches.
Noch hatte sich am fränkischen Hofe aus Karl Martels Zeit
die Sitte erhalten, dafs die Einkünfte reicher Abteien zum Unter-
halt der Hofleute verwandt wurden, und auch Angilbert war 790
Abt von Centula oder Saint-Riquier in der Picardie geworden2).
Er betrachtete aber diese Würde nicht als eine blofse Pfründe,
sondern stellte es sich vielmehr zur Aufgabe, dieses Kloster so herrlich
wie möglich auszustatten. Unterstützt durch Karls fürstliche Frei-
giebigkeit, mit Hülfe königlicher Baumeister und Künstler, baute er
es von Grund aus neu, und auch hierher kamen antike Säulen und
Marmorstücke aus Italien. Angilbert selbst hat darüber einen Be-
richt geschrieben, der fast vollständig in Hariulfs Chronik aufge-
nommen ist3). Die vollendete Kirche schmückte er in glänzendster
Weise mit jedem Zubehör des prachtvollen Kirchendienstes; nament-
lich liefs er sich, wie Arn, die Pflege der Bibliothek angelegen sein
und bereicherte diese mit 200 Büchern. Vielleicht das köstlichste
unter diesen für die Mönche von Centula war das Leben ihres Stifters,
des h. Richarius, welches auf Angilberts Bitten sein Freund Alcuiu
nach den gesteigerten Anforderungen der Zeit neu bearbeitete4).
Im Jahre 800 hatte Angilbert die Freude, seinen königlichen Freund
in den Mauern seines Klosters als Gast zu empfangen, der bei ihm
am 19. April das Osterfest feierte, und wie er diesem Zeit seines
Lebens in treuester Freundschaft zugethan war, so folgte er ihm auch
am 18. Februar 814 im Tode nach.
*) Ministrum capellae nennt ihn tladrian 794. Docen macht darauf
aufmerksam, dafs in seinem Gedichte an Karl primicerius aulae der Erz-
kaplan ist. Vgl. auch Leibniz, Ann. Imp. I, 168.
2) Jaffe Bibl. VI, 173.
3) Angilberti abbatis de ecclesia Centulensi libellus, MG. SS. XV,
173 — 179. In ders. Hs. ist von ihm eine Institutio de diversitate ofjkiorum.
4) Gedruckt Mabillon II, 189; die ältere ist verloren. Daran schliefsen
sich Miracula von 814—865 (Auszug SS. XV, 2, 915—919), Historia relationis
S. Richarü a. 981 ib. p. 696 — 698, viell. aus Hariulf), die Vita metr. vom
Abt Angelram oder lngelram, einem Schüler Fulberts von Chartres
(-J- 1045), weitere Mirakel von Hariulf, dem Verfasser der Chronik (Aus-
zug ib. 919. 920). Ein Rhythmus mit den Namen der Aebte, von Angel-
ram, SS. XV, 181. Dieser hatte das Leben und die Wunder metrisch in
4 Büchern bearbeitet.
174 II- Karolinger. § 7. Angilbert.
Dafs Angilbert nach solchen Verdiensten um das Kloster später
daselbst als Heiliger verehrt ward, versteht sich von selbst1);
An scher, sein Biograph im zwölften Jahrhundert, weifs auch viel
von seinem strengen und erbaulichen "Wandel zu erzählen, allein das
war gleichfalls so unvermeidlich, wenn man nach Jahrhunderten über
das Leben des Stifters berichtete, dafs darauf durchaus kein Gewicht
zu legen ist. Einem Staatsmanne Karls des Grofsen stand mönchische
Askese übel an, und Angilberts Thätigkeit scheint mehr auf eine
tüchtige praktische Wirksamkeit gerichtet gewesen zu sein; unmöglich
ist es aber nicht, dafs er in seinen alten Tagen sich getrieben fühlte,
für ein früher allzu freies Leben Bufse zu thun. Hatte er sich doch
schon von Alcuin einreden lassen, dafs die Schauspiele, an denen
er so viele Freude hatte, sündlich wären, und wenn auch Alcuin
seinen Wandel im übrigen würdig und angemessen nennt2), so
wissen wir doch von einem Verhältnifs, welches den mönchischen
Sittenpredigern nicht gefallen konnte, so wenig es auch an Karls
Hofe auffallen und Anstofs erregen mochte. Denn Angilbert war
der glückliche Geliebte von Karls schöner Tochter Bertha, die ihm
zwei Söhne, Nithard und Hamid, geboren hat: ein Verhältnifs,
welches vielleicht durch eine naheliegende Verwechselung Anlafs
gegeben hat zu der bekannten Sage von Eginhard und Emma3). Die
*) So in seiner Stiftung Cysoing bei Tournai Markgraf Eberhard von
Friaul, Gemahl von Ludw. d. Fr. Tochter Gisla, einer der litterarisch ge-
bildeten Laien dieser Zeit, s. Dümmler im Jahrbuch für vaterländische
Geschichte (Wien 1861) S. 171 — 179, Gesta Berengarii p. 17 und die in der
Translatio S. Callisti Cisonium a. 854 durch Eberhard, Acta SS. Oct. VI,
444, ausgelassenen Stellen NA. 114, 405 — 407. Vollst. Ausgabe dieser von
Holder-Egger SS. XV, 1, 418 — 422. Zu solcher Verehrung genügte die
blofse Existenz des Grabes eines vornehmen oder bekannten Mannes aus
alter Zeit, wie recht deutlich die Verehrung Zwentibolds in Süstern zeigt,
und die des Meingold in Huy; über dessen ganz fabelhafte und historisch
unbrauchbare Vita (Acta SS. Feb. II, 191—196, MG. SS. XV, 556-563)
s. Dümmler, De Arnulfo p. 201 — 204. Von den Helden der Sage wurden
Waltharius in Novalese, Otger in St. Faron-les-Meaux, Tegernsee und
Grofs St. Martin zu Cöln verehrt und ihre Geschichte mönchisch gestaltet.
Gar wunderbar ist die Geschichte von dem Haimonskinde Reinold {Vita
S. Reinoldi, Acta SS. Jan. I, 385 — 387 und in lateinischen Versen im An-
nuaire de la Bibliotheque Royale de Bruxelles XU, 239 — 281), der in Cöln,
für seine Sünden büssend, als Steinträger bei einem Kirchenbau arbeitete
u. von seinen mifsgünstigen Genossen erschlagen wurde; seine angeblich
von dort geholten Knochen thaten in Dortmund Wunder. Abh. darüber
nebst Abdr. v. Floss, Niederrhein. Ann. XXX (1876) S. 174-203. Gleicher
Art ist die von Giesebrecht zur Passio Adalberti beschriebene V. Hugonis
aus Jumieges, über die auch schon Ravaisson, Rapports p. 125, Mittheilung
gemacht hat; vgl. Gesch. d. Kaiserzeit II, 601.
2) Alcuini epp. 144 et 213 Froben, 116 u. 177 Jaffe.
3) S. 0. Abel, Kaiser Karls Leben von Einhard, S. 56—62; vgl.
Lorentz, Alcuins Leben, S. 183, A. 32.
Angilbert und Bertha. 175
Thatsache ist unzweifelhaft; Nithard, der eigene Sohn, erzählt sie,
und wir haben Einhards ausdrückliches Zeugnifs dafür, dafs Karl
sich nicht entschliefsen konnte, eine von seinen Töchtern zu ver-
heirathen. Dafs er ihnen dafür um so gröfsere Freiheit gestattete
und dafs manches anstöfsige Verhältnifs an seinem Hofe geduldet
wurde, ist ebenfalls bekannt genug. Wie Hariulf, der 1088 seine
lehrreiche Chronik von Centula vollendete, diesen Umstand behandelt
hat, wissen wir nicht, da gerade hier zwei Blätter aus der Hand-
schrift ausgeschnitten sind; der Interpolator sagt kurz, dafs Angilbert
die Bertha zur Ehe erhalten habe und mit ihr den Ducat des Küsten-
landes1). Wahrscheinlich aber war die Darstellung hier ähnlich wie
in der zweiten Biographie, welche nebst drei Büchern Mirakel von
dem Abt An seh er verfafst ist, um die Canonisation Angilberts zu
erwirken. Im Jahr 1110 hatten die Wunder an dem vergessenen
Grabe Angilberts neu begonnen, und Anscher überreichte das Werk
dem Erzbischof Radulf von Reims, vielleicht auch dem Pabste, um
die Heiligsprechung zu erreichen. Ungeachtet dieses Zweckes aber
erzählt er unbefangen, gewifs alter Ueberlieferung folgend, dafs Bertha
in heifser Liebe zu Angilbert, der schon zum Priester geweiht war
und ein Bisthum erhalten sollte, entbrannte; ungern habe Karl nach-
gegeben. Angilbert aber, ausgestattet mit dem Ducat, den Anscher
schon nach den Begriffen seiner Zeit als ein Herzogthum auffafst,
schlägt die Dänen2) mit S. Richarius Hülfe, wird dann Mönch und
führt zur Bufse das strengste Mönchsleben, während Bertha eben-
falls zu Saint-Riquier den Schleier nimmt. Das ist nicht richtig,
noch bei der Zusammenkunft Karls mit Pabst Leo zu Paderborn 799
erscheint Bertha in voller weltlicher Herrlichkeit, und hat nach Ein-
hards Zeugnifs bis zu des Kaisers Tod den Vater nicht verlassen;
auch 826 bei der Ankunft des h. Sebastian finden wir sie bei ihrem
Bruder in Soissons. Da sie ferner erst um 780 geboren ist3), war
Angilbert schon Abt, als sie sich in ihn verliebte, und dafs er auch
noch viel später, noch im J. 800 nach Karls Osterfeier in St. Riquier,
sein Familienleben am Hofe nicht aufgegeben hatte, zeigt uns das
*) „Cui etiam ad augmentum palatini honoris totius maritimae terrae
ducatus commissus est." Hariulfi Chron. Ceütul. in d'Achery's Spicil.
ed. II. II, 291 sq. Vgl. das daraus mit Benutzung der Handschrift gegebene
Leben Angilberts bei Mab. IV, 1, 108 — 122, worauf Anschers Werk folgt.
Hier fehlt der Eingang, weshalb es zweifelhaft ist, ob Anscher auch diese
Vita verfafste. Ein Fragment ders. SS. XV, 180.
2) Auch das ist wohl Anticipation späterer Zustände. Nach Hariulf
III, 9 wurde Rudolf, der Bruder der Kaiserin Judith, unter Karl dem Kahlen
zugleich Laienabt und comes maritimae provinciae.
3) S. Leibniz, Ann. Imp. I, 107.
176 H. Karolinger. § 7. Angilbert.
anmuthige Gedicht, welches zuerst von Docen an dem Dichternamen
Homer als ein Werk Angilberts erkannt ist1), ein Grufs an Karl
und den engeren Kreis der Seinen aus der Ferne. Hier gedenkt
er nach der Schilderung der königlichen Pfalz und ihrer Bewohner,
zuletzt auch seines nahe gelegenen Hauses mit dem Garten, in welchem
seine Knaben spielen; die zärtlichste Liebe und Sorge spricht sich
darin aus, aber von der Mutter ist keine Rede. Dagegen begrüfst
er unter Karls Töchtern Bertha mit besonderer Verehrung2), und
die Weise, wie er den König als seinen süfsen David, dessen Kinder
als seine Lieben grüfst, deutet auf ein sehr vertrauliches Ver-
hältnifs.
Aehnlicher Art wie dieses ist ein anderes Gedicht Angilberts,
verfafst als er 796 nach Italien eilend, dem siegreichen jungen Könige
Pippin in Langres begegnete; er schildert die Freude des Wieder-
sehens, die ungeduldige Erwartung am Hofe, und voraus schauend
die zärtliche Begrüfsung des jungen Helden im Kreise der Seinen3).
Geglaubt hat man, dafs uns auch noch aus einem gröfseren
Werke Angilberts ein Bruchstück erhalten sei. Sein Dichtername
Homer, den ihm Karl selbst 796 beilegt, in dem Briefe, welcher die
wichtigsten Aufträge für seine römische Gesandtschaft enthält4),
deutet auf grofse Erwartungen, die sich an ihn knüpften, die Er-
wartung, dafs er Karls Thaten in einem Epos feiern werde. Wenn
wir daher einem solchen Epos wirklich begegnen, so ist wohl die
Vermuthung gerechtfertigt, dafs kein anderer als Angilbert der Ver-
fasser sein könne. Hegewisch hat deshalb bereits diese Vermuthung
ausgesprochen, und Pertz das Gedicht unter Angilberts Namen heraus-
gegeben5). Allein der Abstand von Angilberts Werken in der Be-
1) Neuer litterarischer Anzeiger 1807 N. 6. Dafs dieses Gedicht schon
unter Alcuins Namen bei Froben II, 614 gedruckt ist, fand Docen selbst
später, Aretins Beiträge VII, 523. Poet. Lat. I, 360.
2) „Virginis egregiae Bertae nunc dicite laudes, Pierides, mecum, pla-
ceant cui carmina nostra. Carminibus (cunctis) Musarum digna puella est."
Da hier nicht, wie in dem sonst sehr ähnlichen Gedichte Theodulfs , die
Königin Liudgard erwähnt wird, so ist dieses wohl erst nach deren Tod,
4. Juni 800, geschrieben. Althof a. a. 0. S. 14 bemerkt, dass hier noch
Thyrsis (der Kämmerer Meginfrid) als lebend erwähnt wird, der damals auf
einem Zug Pippins gegen Benevent starb.
3) Poet. Lat. I, 358. lieber die chronologischen Schwierigkeiten Sim-
son, Karl d. Gr. II, 126.
4) Bibl. IV, 353.
5) MG. II, 391—403. Orelli, Helperici sive ut alii arbitrantur Angil-
berti Carolas magnus et Leo III, 1832, nach der von ihm wiederaufgefun-
denen Handschrift. Dagegen Pertz im Archiv VII, 363. — Poet. Lat. 1,
366—381. M. Manitius, NA. VIII, 9—45 für Angilbert als Autor. Da-
gegen Ausfeld, Forsch. XXIII, 609—615. Die Unsicherheit anerkennend
Carolus Magnus et Leo IIL 177
herrschung der Sprache und der Behandlung des Verses zu Gunsten
dieser Dichtung ist doch zu grofs, um beide demselben Verfasser
zuschreiben zu können. Auffallend ist es, da wir doch im Ganzen
über diese Zeit so genau unterrichtet sind, von einem so bedeutenden
Werke gar keine Erwähnung zu finden. Vermuthlich ist es un-
vollendet geblieben, und deshalb weder vollständig erhalten, noch
hinlänglich beachtet, um von anderen genannt zu werden. Doch
würde Aligilberts Dichtername Homer wenigstens eine Hindeutung
enthalten, die für andere, wie Theodulf, den Dümmler vermuthungs-
weise genannt hat, gänzlich fehlt. Ein Citat freilich ist uns jetzt
bekannt geworden: in der oben S. 156 angeführten Ecloge des Naso
wird ein Dichtergreis eingeführt, den er Micon nennt, und dieser
verwendet einen Vers aus jenem Epos zum Preise des Kaisers
(p. 389, v. 74). Doch kann er ihn sich ebenso wie so manchen
Vergilvers angeeignet haben. Vorher spricht Naso von dem Dichter-
ruhm des Alcuin, Theodulf, Einhard, und setzt hinzu: „Nam meus
ecce solet magno facundus Homerus Carminibus Carolo studiosis
saepe placere." Dafs aber nun dieser Homer eben der Micon sei,
darauf deutet nichts, und wir dürfen es kaum annehmen. Wir
ersehen hieraus nur, dafs schon wenige Jahre nach der Kaiserkrönung
das Gedicht vorhanden war. Sicher war der Verfasser ein Mann
von ungewöhnlichem Geiste und grofser dichterischer Begabung, der
sich den Unterricht der Hofschule mit bestem Erfolge zu Nutze
gemacht hat. Dafür zeugt die fleifsige, man mufs wohl sagen über-
mäfsige, Benutzung des Vergil, Ovid, Lucan, und wie B. Simson
nachgewiesen hat1), Venantius Fortunatus, zu denen Manitius noch
mehrere hinzugefügt hat, welche ihm an sich so wenig zum Vorwurf
gemacht werden kann, wie Einhard die Nachahmung des Sueton,
und bei seinen Zeitgenossen gewifs eher Bewunderung als Tadel
erregte, wenn er auch in übergrofsem Eifer nach dem Vorbild von
Karthago sogar von Hafenbauten bei Aachen dichtete. Auch zu Karls
Akademie mufs der Dichter gehört haben, da er ihn immer David
nennt, was ein anderer sich gewifs nicht hätte erlauben dürfen, und
die lebendige Schilderung verräth sowohl den Augenzeugen als auch
einen Mann, der Karls Hofe nicht fern stand, was freilich bei einem
so ausgezeichneten Dichter ohnehin mit voller Sicherheit anzu-
nehmen ist.
Manitius, NA. IX, 614—617; XI, 555. 556 über Benutzung älterer Dichter
bei ihm. Traube verwirft seine Autorschaft.
!) Forsch. XII, 567-590, vgl. XIV, 623—626, sehr ungünstig über den
Vf. urtheilend, den dagegen Ebert, Deutsche Rundschau III, 9, 407 (vgl.
Lit. des MA. II, 58 — 63) lebhaft anerkennt. Aehnlich auch Althof.
Wattenbach, Geschichtsquellen. I. 6. Aull. 12
178 II. Karolinger. §8. Einhard.
Erhalten ist uns der Anfang des dritten Buches oder vielleicht
das ganze, 536 Verse, vermuthlich ein Stück, welches seiner beson-
deren Schönheit wegen einzeln in eine Blumenlese aufgenommen
war, denn es steht mitten zwischen anderen Bruchstücken. Die
Geschichte der Gegenwart episch zu behandeln, ist stets ein Mifs-
griff, und immer werden es die einzelnen Schilderungen sein, welche
einem solchen Werke seinen Reiz verleihen. Aber auch die Anlage
ist hier doch sehr geschickt entworfen. In voller Pracht wird Karls
Hofhaltung uns vor Augen geführt; eine Lobrede auf den grofsen
König eröffnet das Buch, dann werden die Bauten zu Aachen und
eine grofse Jagd mit reichen Farben und lebendiger Anschaulichkeit
geschildert: mit besonderer Vorliebe verweilt der Dichter bei den
Töchtern Karls, zu denen wohl kein anderer Dichter der Zeit in so
nahem Verhältnifs stand wie Angilbcrt. In der Nacht läfst dann
der Dichter den König im Traume die Mifshandlung erblicken,
welche der Pabst Leo 799 in Rom erfuhr; er weicht darin von der
Wirklichkeit ab, aber wenn man einmal die Geschichte episch be-
handeln will, so ist eine solche Wendung geschickt genug, um ohne
lange Vorbereitungen die Hauptereignisse einander nahe zu rücken1).
Ohne von den umständlichen Gesandtschaften, welche in der Wirk-
lichkeit dazwischen lagen, berichten zu müssen, gelangt so der
Dichter sogleich zu der Zusammenkunft Karls mit dem Pabste im
Lager bei Paderborn, welche den eigentlichen Gegenstand seiner
Darstellung bildet.
Niemand wird dieses Fragment aus der Hand legen, ohne zu
bedauern, dafs uns von diesem Werke nicht mehr erhalten ist; es
weht uns darin gleichsam die frische Luft jenes kraftvollen Lebens
an, und wir fühlen uns auf einen Augenblick entrückt aus der ein-
förmigen Atmosphäre der geistlichen Chronisten, ja selbst der seelen-
losen Schulpoesie. Ueber den Verfasser aber werden wir uns be-
scheiden müssen, unsere Unwissenheit zu bekennen.
§ 8. Einhard.
Pertz, MG. SS. II, 426-430. Baehr S. 200-216. 0. Abel, Kaiser Karls Leben von
Einhard, S. 1 — 18. Eug. Bacba bei Kurth: Dissertations acad. Liege 1888. Opera
ed. Teulet, Par. 1840, 1843, 8. 2 Bände. Jaffe, Bibl. IV, 487-506; vgl. die zweite
Ausgabe der Vita Caroli M. cur. W. Wattenbach, 1876. Vita Caroli ed. Waitz,
1880. Ebert II, 92-104. Bursian, Gesch. d. Philol. S. 21. M. Manitius, Einharts
Werke und ihr Stil, NA. VII, 517-568. Nachtrag VIII, 193. XI, 64-73.
!) Dieser dem Vergil entlehnte Kunstgriff ist freilich nicht selten,
sonst würde es für Angilberts Autorschaft sprechen, dafs auch in seinem
Gedichte auf Pippins Ankunft ein Traum auf ähnliche Weise angewandt
wird.
Einhards Leben. 179
Dem Kaiser Karl wurde das Glück zu Theil, so lange die Herr-
schaft zu führen, dafs er noch selbst den Erfolg seiner Bestrebungen
und Einrichtungen erlebte. Haben wir bisher mit den Männern uns
beschäftigt, welche er als Gehülfen seiner Thätigkeit an sich zog,
seinen gleichaltrigen Zeitgenossen, so haben wir dagegen jetzt in
Einhard den ersten der jüngeren Generation zu betrachten, der
schon ganz unter dem Einflufs von Karls Zeitalter erwachsen war,
und selbst den schönsten Beweis gab für den gesegneten Erfolg
dieses Strebens. Kein mittelalterlicher Schriftsteller ist den classi-
schen Vorbildern, welchen sie nacheiferten, so nahe gekommen; er
erfreut sich deshalb eines guten Namens und findet selbst vor philo-
logischen Augen Gnade.
Und doch zeigt sich auch gerade darin wieder eine Gefahr
der damaligen Richtung; so viel anziehendes Einhard auch hat,
es fehlt ihm die frische Natürlichkeit anderer, er schreibt fast wie
Sueton, aber es war nicht das richtige Ziel des Mittelalters, zu
schreiben wie Sueton, so wenig wie am Beginn der neueren Zeit
diejenigen das Höchste erreicht haben, welche fast wie Cicero
schrieben.
Man hätte in die Gefahr kommen können, nichts als ein mattes
Abbild der römischen Kaiserzeit darzustellen, wenn nicht doch da-
gegen das widerstrebende Element der Kirche immer geschützt
hätte, welches sich in dieser Form nicht fesseln lassen konnte, und
das unvertilgbare frische Leben der Völker, welches nicht ruhte, bis
es sich seine eigenen neuen Formen geschaffen hatte.
Für das Leben Einhards haben wir die werthvollste Bereiche-
rung unserer Kenntnifs dem Prologe Walahfrids zu Kaiser Karls
Leben zu danken, dessen früher bezweifelte Echtheit durch die Auf-
findung der Kopenhagener, einst Kirschgarter Handschrift gesichert
ist; daraus ist er fehlervoll Arch. VII, 372, correcter von Jaffe heraus-
gegeben1), und mit Benutzung desselben hat Jaffe in sorgfältigster
Weise Einhards Leben neu bearbeitet. Eine zweite Handschrift in
Freiburg i. Br. hat B. Simson entdeckt und die Varianten mit-
getheilt2).
Einhard — denn so, nicht Eginhard, wird der Name von seinen
Zeitgenossen urkundlich geschrieben3) — ist um das Jahr 770 in
l) Bibl. IV, 507—508, doch ist S. 508 n. b wohl mit Unrecht debere
in prebere geändert. In der 4. Ausg. von Waitz p, XX.
3) Zts. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. VII, 314—319.
3) Er selbst schrieb Ein hart, Zeitgenossen wechseln, und neben Bern-
hard erscheint Einhard für uns als die natürlichere Schreibart.
12*
180 II- Karolinger. § 8. Einhard.
Ostfranken im Maingau von edlen Eltern x) geboren, und erhielt seine
früheste Erziehung im Kloster Fulda2), zu dem er auch immer in
freundschaftlicher Beziehung blieb: noch bewahren sechs von ihm
unter Abt Baugulf (779 — 802) geschriebene Urkunden, wenn gleich
nicht im Original erhalten, das Andenken an jene Zeit. Darunter
ist eine Schenkung der Ehegatten Einhart und Engilfrit, höchst
wahrscheinlich seiner Eltern; zwei vom 19. April 788 und vom
12. September 791 dienen zur Zeitbestimmung3). So sehr zeichnete
er sich durch seine Fähigkeiten und Fortschritte aus, dass Abt
Baugulf ihn an den Hof des Königs schickte, denn dieser, das
wufste Baugulf, trachtete eifrigst danach, die fähigsten und gelehr-
testen Männer aus dem ganzen Reiche um sich zu versammeln. In
der Hofschule also vollendete er seine Ausbildung, und erwarb sich
bald die Anerkennung, welcher beim ersten Anblick seine kleine
Gestalt hinderlich war. Homuncio nennt ihn deshalb Walahfrid, nam
statura despicabilis videbatur. Und Theodulf sagt 796 in dem oben
erwähnten Gedicht an Karl v. 155 ff. von ihm:
Nardulus huc illuc discurrat perpete gressu:
Ut formica tuus pes redit itque frequens,
Cujus parva domus habitatur hospite magno,
Res magna et parvi pectoris antra colit.
Et nunc ille libros operosus4), nunc ferat et res,
Spiculaque ad Scotti nunc paret apta necem.
Denn von der Bissigkeit dieses Schottenmönchs (vgl. oben S. 153)
hatte er nicht minder als Alcuin und Theodulf selbst zu leiden.
Alcuin aber verfafste folgende scherzhafte Yerse als Inschrift auf
Einhards Haus:
Parva quidem res est oculorum cerne pupilla,
Sed regit imperio vivacis corporis actus.
Sic regit ipse domum totam sibi Nardulus istam:
Nardule, die lector pergens, tu parvule salve!
Und für seine Hausthür:
Janua parva quidem et parvus habitator in aede est.
*) Wegen der falschen Lesart minus statt munus nahm man früher das
Gegentheil an.
2) Irrthümlich sah 0. Abel in den Worten Walahfrids sub pedagogio
saneti Bonifaeii martiris einen Anachronismus; nicht der lebende Bonifaz,
sondern der Schutzpatron ist gemeint.
3) S. Jaffe S. 488, der diese Urkunden aus Dronke's C. D. Fuld. zuerst
verwerthet hat.
4) Jaffe's Conjectur operosas mit vorhergehendem Komma kann ich
nicht billigen.
Einhard am Hofe. 181
Seine volle Anerkennung für Einhard aber spricht er in diesem
hübschen Epigramm aus:
Non spernas Nardum, lector, in corpore parvum,
Nam1) redolet nardus spicato gramine multum:
Mel apis egregrium portat tibi corpore parvo.
Als schon in späteren Jahren 829 Walahfrid Kaiser Ludwigs
Hof schilderte, schrieb er von Einhard (mit dem Lemma de Ein-
liarto magno)2):
Nee minor est magni reverentia patris habenda
Beseleel, fabre3) primum qui pereipit omne
Artificum praecautus opus : sie denique summus
Ipse legens infirma dens, sie fortia temnit. (I. Cor. 1, 27.)
Magnorum quis enim majora reeeperat umquam,
Quam radiäre brevi nimium miramur homullo?
Dafs aber auch Einhard zu den Dichtern des Hofes gehörte,
erfahren wir erst aus jenem Gedicht des Naso, wo es zugleich
mit hoher Anerkennung seiner hervorragenden Stellung von ihm
heifst:
Aonias avide solitus recitare Camenas
Nardus ovans summo praesenti pollet honore.
Durch seine Klugheit und Gelehrsamkeit, sowie durch seine
Rechtlichkeit und Treue erwarb sich Einhard das vollste Vertrauen
Karls, der fast keinem seiner Räthe so rücksichtslos seine geheimsten
Gedanken mittheilte; den jüngeren Mann liebte er wie einen Sohn,
und Einhard erwiederte diese Zuneigung mit der hingebendsten
Verehrung4). Ganz besonders zeichnete sich Einhard auch durch
seine Kunstfertigkeit aus, durch seine Kunde der Baukunst, welche
er durch eifriges Studium des Vitruv und der alten Denkmäler aus-
zubilden suchte, und durch Geschicklichkeit in mancherlei Arbeit.
Er erhielt deshalb unter den Hofgelehrten den Beinamen Beseleel,
nach dem kunstreichen Werkmeister der Stiftshütte, und wurde vom
Kaiser zum Aufseher seiner grofsartigen Bauten ernannt5). Auch in
*) Nam statt Jam, und im folg. Vers Mel apis statt Me lapis sind Ver-
besserungen von Jaffe. Diese Verse sind als n. 242 bei Frob. II, 231 un-
passend mit den vorhergehenden verbunden. Poet. Lat. I, 248.
2) Poet. Lat. II, 377.
3) Diesen Ausdruck (ich vermuthete fahrt) rechtfertigt Dümmler a. a. 0.
durch Hinweis auf Exod. 31, 4. 35, 33. 36, 1.
4) Dass er auch als Geheimschreiber thätig gewesen sei, was nicht
unwahrscheinlich ist, sucht E. Bacha nachzuweisen.
5) Nach einer von Pertz in d. 3. Sep. Ausg. d. V. Caroli, von Jaffe, Bibl.
IV, 536 mitgetheilten Notiz war Meister Odo der Architekt des Aachener
Münsters; Einhard scheint die oberste Leitung aller Bauten gehabt zu
182 H. Karolinger. § 8. Einhard.
anderen wichtigen Angelegenheiten bewies ihm der Kaiser sein Ver-
trauen; er sandte ihn irn Jahre 806 an den Pabst, um dessen Zu-
stimmung zu seiner Anordnung über die Reichstheilung zu erlangen,
und 813 war es Einhard, dessen Rath und Bitte Karl bestimmt
haben soll, seinen Sohn Ludwig zum Kaiser zu ernennen. Da ist
es denn nicht zu verwundern, dafs er auch bei diesem sehr in
Gunst stand; die grofsen Bauten hörten auf, aber nun wurde dem
kunstreichen und gelehrten Manne eine ganze Reihe der ansehn-
lichsten Abteien übertragen. Allein mehr als diese zog ihn der ab-
gelegene und einsame Fleck Landes zu Michelstadt im Odenwald
an, den er 815 für sich und seine Gemahlin Imma vom Kaiser zum
Geschenk erbat. Mehr und mehr zog er sich hierin zurück, und
nachdem er sich im Jahre 827 den nach den Begriffen der Zeit
unschätzbaren Besitz der Gebeine der heiligen Märtyrer Marcellinus
und Petrus verschafft hatte, gedachte er hier ein Kloster zu gründen;
doch veranlafste eine Vision ihn, die Reliquien nach Mühlheim am
Main zu führen, wo er ihnen eine stattliche Kirche erbaute, und die
Abtei stiftete, welche den Namen des Ortes allmählich in Seligen-
stadt verwandelte.
Noch konnte Einhard sich nicht ganz den Staatsgeschäften
entziehen, deren unruhiges und kriegerisches Getreibe allen denen,
welche sich zu litterarischer Beschäftigung hingezogen fühlten, un-
erträglich war1). Im Jahr 817 gab ihn Ludwig dem jungen Kaiser
Lothar als Rathgeber, und 830 finden wir ihn eifrig bemüht, den
Ausbruch der Empörung zu verhindern, die Aussöhnung zwischen
Vater und Sohn zu bewirken; Walahfrid rühmt ganz vorzüglich die
Klugheit, mit welcher Einhard weder vorzeitig den alten Kaiser
verlassen, noch auch sich ohne Nutzen ins Verderben gestürzt habe.
Als aber die inneren Zustände des Reichs immer unheilbarer wurden,
auch niemand mehr auf seinen weisen Rath achtete, da zog er sich
ganz in seine Waldeinsamkeit zurück. Noch war ein harter Schlag
haben. Wenigstens heifst es in der Chronik von St. Wandrille vom Abt
Ansegis: „exactor operuni regalium in Aquisgrani palatio regio sub Hein-
hardo abbate, viro undecunque doctissirao, a domno rege constitutus est."
Und Hraban sagt in der Grabschrift:
Quem Carolus princeps propria nutrivit in aula,
Per quem et confecit multa satis opera.
Waitz fügt dazu die Stelle des Odilo in der Transl. S. Tiburtii, wo E.
„palatii regalis domesticus" genannt wird. Verfassungsgesch. III (2. Aufl.)
S. 528 Anm. 1.
*) In einer, wie es scheint, an Ludw. d. Fr. gerichteten theol. Abhand-
lung heifst es: „Einharde, si haec legas, non mireris, si forte invenias
errantem." Forsch. VI, 122.
Einhards Leben. Seine Briefe. 183
des Schicksals ihm vorbehalten, der Tod seiner innig geliebten
Gemahlin Imma, die nach Jaffe's scharfsinniger Vermuthung eine
Schwester des Bischofs Bernhar von Worms war1). Sie starb im
Jahre 836; der alte Kaiser hat ihn damals in seiner Zurückgezogen-
heit aufgesucht, um ihm seine Theilnahme zu bezeugen, und Lupus,
der sich gerade seiner Studien wegen in Fulda aufhielt, wo er eben
mit lebhafter Bewunderung die Vita Caroli gelesen hatte, schrieb
ihm in herzlichem Mitgefühl einen Trostbrief2). Nicht lange darnach,
am 14. März 840, starb er selbst3); eine schöne Grabschrift von
Hrabans Hand zierte seine Ruhestätte4). In der Abts würde folgte
ihm sein Schüler Ratleik, einst sein Schreiber, jetzt Ludwigs des
Deutschen Kanzler5).
Eine reiche Quelle für die Geschichte des letzten Jahrzehnts
von Ludwigs des Frommen Regierung, leider nicht für die frühere
Zeit, bieten uns die Briefe Einhards und anderer an ihn, oder die
auf irgend eine Weise in seinen Besitz gekommen waren6), welche
in seinem Genter Kloster als Muster gesammelt wurden; die Eigen-
namen wurden als überflüssig meistens beseitigt. Die Handschrift
kam mit den vor den Normannen flüchtenden Mönchen nach Laon,
wo sie in stark beschädigtem Zustande geblieben ist, bis Pertz sie
1827 dort entdeckte, worauf sie wenig später nach Paris gebracht
wurde. Nachdem zuerst Teulet die Handschrift wieder benutzt
hatte, liegt nun von Jaffe eine zu bequemem Gebrauche kritisch
bearbeitete Ausgabe vor7).
') Das bezweifelt B. Simson, Ludw. d. Fr. II, 160 Anm. 2, und es ist
zuzugeben, dafs die Vermuthung unsicher ist.
2) Lupi epp. 1 u. 4 ed. Baluze. Diese Briefe sind wiederholt bei Ideler,
Leben Karls d. Gr. II, 138 ff. Einhard widmete ihm eine Schrift de ado-
randa cruce, welche E. Dümmler, NA. XI, 231 — 238 herausgegeben hat.
3) Das Jahr 840 hat Jaffe den Fulder Todtenannalen (Dronke Traditt.
p. 168, jetzt SS. XIII, 174) entnommen, und da er darin billig vorkommen
mufs, dürfen wir den ohne jede nähere Bezeichnung gesetzten Namen wohl
auf ihn beziehen. Die Ann. S. Bavonis (MG. II, 187), welche 844 (Chron.
S. Bavonis bei De Smet, Corp. I, 483 auch d. 25. Juli) geben, sind eine ganz
unzuverlässige späte Compilation. Den 14. März geben die Necrologien
von Lorsch u. Fulda (Leibn. SS. III, 762; bei Schannat u. Boehmer fehlt
Einhards Name) u. eine Aufzeichnung saec. IX im Cod. Vat. Pal. 1448 bei
Dümmler, Zeitschr. f. D. Alt. XXI, 76; den 21. März das Würzburger bei
Eckhardt, Comm. II, 320, u. Dümmler, Forsch. VI, 116.
4) Poet. Lat. II, 237. Einige Bücher aus seinem Besitz, wie es scheint,
Vergil, Persius, Arator, Boethius, befanden sich im 11. Jahrh. in St. Evre
zu Toul, Becker, Catal. S. 152, worauf mich Manitius aufmerksam machte.
5) S. über ihn Dümmler Ostfr. II, 432.
G) Der Brief an den Kaiser über den Kometen von 837 (Bibl. IV, 459)
ist einzeln vollständiger erhalten, NA. I, 585, vgl. II, 450.
') Bibl. IV, 437—486; vgl. Dümmler im Lit. Centralbl. 1867 Sp. 1268.
184 H. Karolinger. § 8. Einhard.
Einhards berühmtestes und vollendetstes Werk ist:
Das Leben Karls.
Ausgabe von Pertz MG. SS. II, 426-463. Besonderer Abdruck, 3. Ausgabe 1863, mit
einem Anhang von Gedichten. Ueber später gefundene Handschriften NA. VI, 195.
Cod. Monac. 17134 aus Scheftlarn mit Interpolationen aus den Annalen über Tassilo,
s. Graf Hundt in d. S. 154 angef. Abb. S. 191. Cod. Paris 4937 ist mit dem Fonds
Barrois wieder erworben. Eine Hds. im Catalog von 1412 des Kl. Amelungsborn,
Dürre im Progr. d. Gymn. zu Holzminden 1876 S. 22. Ideler: Leben und Wandel
Karls des Grofsen von Einhard (Text mit Commentar und Beilagen), 2 Bde. 1839.
Ausg. von Jaffe, Bibl. IV, 487-581, und bes. Abdruck, 1867; 1876 cur. W. Watten-
bach. Ed. Waitz. 1880; A. Holder 1881. Uebers. v. 0. Abel, Geschichtschr. 16
(IX, 1) 1850, 1880. Verbesserungen von Fröhner, Krit. Analecten, Philologus, Suppl.
Bd. V, S. 93. Fr. Schmidt De Einhardo Suet. imitatore, Progr. 1880. Manitius, An-
klänge an Vergil, NA. IX, 617, an Sulpicius Severus, Vellejus u. Curtius ib. XII, 205.
206; an Justin XIII, 213. E. Bernheim, Waitz - Aufsätze S. 73-96, über das Verhält-
niss zu Sueton und zu den Ann. Einhardi, die er benutzt habe, vgl. NA. XII, 427.
„Einhard", sagt Ranke zur Kritik fränkisch-deutscher Reichs-
annalisten S. 416 *), „hatte das unschätzbare Glück, in seinem grofsen
Zeitgenossen den würdigsten Gegenstand historischer Arbeit zu finden;
indem er ihm, und zwar aus persönlicher Dankbarkeit für die geistige
Pflege, die er in seiner Jugend von ihm genossen, ein Denkmal
stiftete, machte er sich selbst für alle Jahrhunderte unvergefslich."
„Vielleicht in keinem neueren Werke tritt nun aber die Nach-
ahmung der Antike stärker hervor, als in Einhards Lebensbeschrei-
bung Karls des Grofsen. Sie ist nicht allein in einzelnen Ausdrücken
und der Phraseologie, sondern in der Anordnung des Stoffes, der
Reihenfolge der Capitel, eine Nachahmung Suetons. Wie auffallend,
dafs ein Schriftsteller, der eine der gröfsten und seltensten Gestalten
aller Jahrhunderte darzustellen hat, sich dennoch nach Worten um-
sieht, wie sie schon einmal von einem oder dem anderen Imperator
gebraucht worden sind. Einhard gefällt sich darin, die individuellsten
Eigenheiten der Persönlichkeit seines Helden mit den Redensarten
zu schildern, die Sueton von Augustus, oder Vespasian, oder Titus,
oder auch hie und da von Tiberius gebrauchte. Er hat gleichsam
die Mafse und Verhältnisse nach dem Muster der Antike ein-
gerichtet, wie in seinen Bauwerken: aber damit noch nicht zu-
frieden, wendet er wie in diesen, auch sogar antike Werkstücke an.
Wenn wir auch überzeugt sind, dafs hiebei die Wahrheit nicht
Es fehlen ein Brief der Gemeinde von Sens an E. s. Simson I, 302 Anm. 2,
und ein nicht unwichtiger, doch nicht von E. kommender Brief an Lothars
Gemahlin Hermengard, Teulet II, 146 (Du Chesne II, 710. Mab. Ann. 1.
28 n. 48).
l) Ges. Werke LI. LH, S. 96. S. 121 — 124 sind hier weitere Be-
merkungen hinzugefügt über die Ungenauigkeit im ersten Theil, während
für die zweite Hälfte werthvolle Nachrichten gegeben werden.
Das Leben Karls des Grofsen. 185
verletzt wurde, so konnte doch die ganze Originalität der Erscheinung
auf diese Art nicht wiedergegeben werden. Ueberhaupt suchen wir
in der Geschichte nicht allein Schönheit und Form, sondern die
exacte Wahrheit, deren Ausdruck die freieste Bewegung fordert und
dadurch eher erschwert wird, dafs man sich ein bestimmtes Muster
vor Augen stellt."
„Ohne Zweifel war die Absicht Einhards mehr auf eine ange-
nehm zusammenfassende Darstellung, als auf strenge Genauigkeit in
den Thatsachen gerichtet. Das kleine Buch ist voll von historischen
Fehlern."
„Nicht selten sind die Regierungsjahre falsch angegeben, z. B.
bei Karlmann, der nur zwei Jahre regiert haben soll, während er
doch über drei Jahre als König neben Karl dem Grofsen lebte;
über die Theilung des Reiches zwischen den beiden Brüdern wird
eben das Gegentheil von dem behauptet, was wirklich stattgefunden
hat: Schlachten, die ohne besondere Wirkung vorübergingen wie
die an der Berre, werden als entscheidend bezeichnet; Namen der
Päbste werden verwechselt, die Gemahlinnen sowohl, wie die Kinder
Karls des Grofsen nicht richtig aufgeführt; es sind so viele Ver-
stöfse zu bemerken, dafs man oft an der Aechtheit des Buches ge-
zweifelt hat, obwohl sie über allen Zweifel erhaben ist."
So weit Ranke, zu dessen scharfer Charakteristik ich nur wenig
hinzuzufügen habe. Gerade in diesem Werke tritt die Eigenthüm-
lichkeit der karolingischen Bildung am deutlichsten hervor; unmög-
lich kann der fränkische Volkskönig in diesen suetonischen Aus-
drücken zur vollen Erscheinung kommen. Nur darf man auch
nicht vergessen, dass Einhard eben den Volkskönig kaum noch
kannte, sondern hauptsächlich nur den alternden Kaiser, der selber
nach der Wiederbelebung des antiken Wesens trachtete, desseu
Streben in vieler Hinsicht auf die Herstellung des alten Imperatoren-
reiches gerichtet war, und der, wenn ihm auch die Einführung der
staatlichen Formen jener Zeit fern lag, doch durch seine grofse
persönliche Ueberlegenheit so ehrfurchtgebietend dastand, und so
sehr die Seele der ganzen Herrschaft war, dafs es nicht so ganz
unpassend war, ihn dem Augustus zu vergleichen und die Farben
des Bildes von dem Biographen der Imperatoren zu borgen. Auch
dankt er, und wir mit ihm, dem Sueton mehr als nur die Ausdrücke.
Keine Biographie des Mittelalters stellt uns ihren Helden so voll-
ständig und plastisch nach allen Seiten seines Wesens dar. Das
ist die Frucht der Kategorien, welche Einhard bei seinem Vorbilde
fand. Indem er diesen gewissenhaft folgte, wurde er, wie Jaffe
186 II. Karolinger. § 8. Einhard.
(S. 501) richtig bemerkt, veranlafst viele Umstände zu erwähnen,
welche er sonst wahrscheinlich übersehen haben würde.
Dafs Einhard sich bei diesem Werke nicht eine eigentliche ge-
schichtliche Darstellung zur Aufgabe gewählt hatte , bemerkt auch
Ranke; er wollte ein Lebensbild entwerfen, eben nach der Weise
des Sueton, und diesen Zweck hat er vollständig erreicht. Er ver-
fafste dieses Werk unmittelbar nach des Kaisers Tod; schon 821
finden wir es im Reichenauer Bibliothekskatalog genannt1), um 830
von einem Zeitgenossen erwähut und benutzt. Noch stand das Bild
seines väterlichen Freundes in voller Frische vor seinem Geiste, und
die etwas kalte Eleganz der Form wird durchwärmt von der kind-
lichen Verehrung und Anhänglichkeit, von welcher der Verfasser
ganz erfüllt ist, und die sich überall ausspricht, ohne dafs doch
das Lebensbild in eine Lobrede ausartete. Vielmehr tritt die ruhige
Mäfsigung, welche Einhards Charakter eigen ist, auch hierin deut-
lich hervor, und seine reine Wahrheitsliebe ist unverkennbar, wenn
er auch die Schwächen seines Helden mit leichter Hand berührt.
Ein Werk, welches diesem an Vollendung der Form, wie an
ansprechendem Inhalte zu vergleichen wäre, hatten die germanischen
Nationen noch nicht hervorgebracht, und so ist es denn auch nicht
zu verwundern, dafs es rasch die gröfste Verbreitung fand und
Jahrhunderte lang zu den beliebtesten und gelesensten Büchern ge-
hörte; bald nach seiner Vollendung wird es von dem jungen Lupus,
der es in Fulda gelesen hatte, mit warmer Begeisterung gepriesen
(oben S. 183); Walahfrid theilte es in Capitel und schrieb dazu
jenen so werthvollen Prolog, dem wir die wichtigsten Lebensnach-
richten über Einhard verdanken. Noch jetzt sind mehr als 80
Handschriften davon uns bekannt, und seit den Biographen Ludwigs
des Frommen sind die Chronisten nicht müde geworden , es auszu-
schreiben.
Nachdem die Vita Caroli schon 1521 (oben S. 5) und dann sehr
häufig gedruckt war, hat Pertz 1829 mit übergrofser Fülle von Va-
rianten eine Ausgabe gegeben , deren Text nicht überall den Vorzug
vor den älteren Ausgaben verdient2). Jaffe hat in seiner neuen
Ausgabe 1867 eine früher übersehene Pariser Handschrift zu Grunde
gelegt, und endlich Walahfrids Prolog damit verbunden, welchen
Pertz mit der ihm eigenen Starrheit auch noch in der neuesten
Ausgabe unberücksichtigt gelassen hatte3). Doch hat auch diese
*) Neugart, Ep. Constant. I, 1, 540.
2) S. Jaffe in der Bibl. IV, 504.
3) Beigegeben ist dagegen hier eine schlecht gezeichnete Abbildung
Der Mönch von Sanct Gallen. 187
Grundlage sich nicht zu bewähren vermocht. Waitz hat die Ueber-
schätzung der nicht mustergültigen Pariser Hs. nachgewiesen, und
endlich mit Benutzung neuer Hülfsmittel , und Unterscheidung ver-
schiedener Recensionen, die vielleicht an Einhard selbst hinanreichen,
einen neuen besser gesicherten Text hergestellt.
Häufig finden sich in Handschriften das Leben Karls und die
Reichsannalen als erstes und zweites Buch mit einander verbunden;
als drittes tritt dann die Schrift des Mönches von St. Gallen1)
hinzu, in welchem man jetzt Notker den Stammeier erkannt hat2),
der im Jahre 883 , veranlafst durch Kaiser Karl III , den reichen
Schatz von Erzählungen und Sagen aufzeichnete, welche sich im
Munde des Volkes an Karl, an seinen Sohn und den Enkel, Ludwig
den Deutschen, knüpften. Da ist nun nichts mehr von Einhards
klassischer Form zu finden, die Sprache ist roh und unbehülflich
und der Inhalt keine Geschichte; nur selten und mit grofser Vor-
sicht ist ein Vorfall, der hier erzählt wird, als wirkliche Thatsache
hinzunehmen.
Aber um keinen Preis möchten wir doch diese Sammlung ent-
behren. Sie zeigt uns das Bild des grofsen Kaisers, wie es im Volke
lebte und bis dahin sich gestaltet hatte, und mancher höchst cha-
rakteristische Zug hat sich nur hier erhalten. Der gute alte Mönch,
der uns so lebendig mitten unter das Volk und seine Erzählungen
führt, hat deshalb den gröfsten Anspruch auf unsere Dankbarkeit,
und wir müssen sehr bedauern , dafs er sein Werk , wie es scheint,
nicht vollendet hat.
Der Uebersetzer dieser Schrift hat sich bemüht, die Anfänge
des Commoduskopfes, mit welchem Karl siegelte, die Pertz irrig für Karls
Porträt hielt.
*) Monachus Sangallensis ed. Pertz, MG. SS. II, 726—763. Neue Ausg.
von Jaffe, Bibl. IV, 619 — 700 mit Benutzung der abweichenden Zwifalter
(Stuttg.) und Wiblinger (St. Flor.) Handschriften, weiche jedoch, wie Gerold
Meyer von Knonau zu Ratperti Casus S. Galli S. 255 nachgewiesen hat,
durch spätere Ueberarbeitung und Interpolation verändert sind, weshalb
der Text nicht nach ihnen hätte gestaltet werden sollen. Auch Zeumers
entgegengesetzter Ansicht kann ich mich nicht anschliefsen. Eine aus
Tegernsee stammende unvollst. Hs. ist für die Pariser Bibl. erworben,
Nouv. acq. lat. 310. Uebersetzung von W. Wattenbach, Berlin 1850, 1877,
1890 (Geschichtschr. 26. IX, 11). Zu dem Spielmannsrcim auf Udalrich I,
13, vgl. Steinmeyer, Zeitschr. f. D. Alt XX. Anz. S. 147. Ueber benutzte
Schriften Simson, Karl d. Gr. II, S. 612—615.
8) Zeumer in den Waitz-Aufsätzen, S. 97—118. Zu demselben Re-
sultat kam Graf Zeppelin: Wer ist d. Mon. Sangallensis? Schriften d. Ver-
eins f. Gesch. d. Bodensees XIX, S. 33 fi".
188 II. Karolinger. § 8. Einhard.
karolingischer Sage weiter zu verfolgen, und die Spuren davon zu
sammeln; ihm war dabei in der ersten Ausgabe eine merkwürdige
Stelle entgangen, die Angabe in dem Leben der Königin Mabthild,
dafs der Krieg zwischen Karl und Widukind durch einen Zweikampf
beider entschieden sei: nach langem Widerstand besiegt, habe Widu-
kind sich taufen lassen *).
Mit den Kreuzzügen artete die Karlssage aus und verlor allen
geschichtlichen Inhalt; besonders die Aachener Reliquien brachten
die Erzählung von Karls Kreuzfahrt zu allgemeiner Geltung, und
fortan treten die Lügen des falschen Turpin an die Stelle von Ein-
hards treuer Schilderung. Wie daneben im Munde der fahrenden
Sänger das Andenken Karls sich erhielt und umwandelte, darüber
genügt es, auf das schöne Werk von Gaston Paris Histoire poetique
de Charlemagne (Paris 1865) zu verweisen.
Eine Schrift Einhards bleibt uns noch zu erwähnen, sein Be-
richt nämlich von der Uebertragung der Gebeine der heiligen Mär-
tyrer Marcellinus und Petrus von Rom nach Seligenstadt2). Im
Jahr 827 geschah die Ueberbringung, und 830 verfafste Einhard
die sehr auziehend geschriebene Darstellung derselben. Wir sehen
!) MG. SS. X, 576. Zu erwähnen ist noch die nach der Mitte des
neunten Jahrhunderts in Mainz aufgezeichnete Visio domni Caroli, gegen
die Ausbeutung der Kirchengüter durch seine Nachfolger gerichtet, bei Graff,
Althochdeutscher Sprachschatz III, 855, übersetzt bei Abel, Kaiser Karls
Leben S. 63; jetzt auch Bibl. IV, 701; Gengier, Germ. Rechtsdenkmäler
(1875) S. 237. Vgl. Falk, NA. XI, 617. Eine ganz andere aus einer
Londoner Hs. erwähnt NA. IV, 379. Ferner das von Pertz SS. III, 708
mitgetheilte Haager Fragment über Karls Expeditio Hispanica (wiederholt
bei G. Paris, Hist. poet. de Charlemagne, S. 465, vgl. 50 und 89, und
gröfstentheils in Hexameter zurückgeführt in den Münch. SB. 1871 S. 328
bis 342 von Hofmann, der es dem Sagenkreise von Wilh. von Orense zu-
weist) und die Sagen des Chron. Novaliciense. Auch die Vita S. Arnoldi,
Acta SS. Jul. IV, 449 — 452, ist geschichtlich unbrauchbar, enthält aber eine
sagenhafte Geschichte von einem Leierspieler, der sich von Kaiser Karl
den Wald bei Arnsweiler im Jülichschen für die umliegenden Dörfer erbittet;
vgl. Rettberg I, 548. Die aus Petrus Damiani zum Mon. Sangall. S. 101
mitgetheilte Geschichte findet sich, auf den Maurenkönig übertragen, bei
Turpin wieder. Ein wirkliches Denkmal der Schlacht bei Roncevaux, deren
Tag (15. Aug. 778) allein dadurch bekannt wird, ist das Epitaphium
Aggiardi (Karls Truchsefs Eggihard), von Dümmler mitgetheilt in Haupts
Zeitschr. XVI, 279; vgl. S. 436, u. Gaston Paris in der Zeitschrift Ro-
mania II, 146 — 148, der im Anschlufs daran im Turpin ein vielleicht
echtes Epitaphium Rutlandi nachweist. Beide jetzt Poet. Lat. I, 109; doch
bemerkt Dümmler S. 110, Anm. 2, dass letzteres aus Venantius Fortunatus
zusammengestoppelt und schwerlich alt ist.
2) Translatio et Miracula SS. Marcellini et Petri ed. G. Waitz, SS. XV,
238—264. Ib. p. 265—273 Ex Miraculis S. Quintini ed. 0. Holder-Egger,
nebst einer Translationsgesch. s. XI, worin verlorene Annalen von Saint-
Quentin benutzt sind.
Translatio SS. Marcellini et Petri. 189
darin, wie er sich mehr und mehr von dem weltlichen Leben ab-
wandte und der kirchlichen Richtung hingab, wundergläubig in
hohem Grade und ganz mit der Pflege seiner Pflanzung im Oden-
wald beschäftigt; ganz vorzüglich betrübte ihn, dafs bei der Krank-
heit seiner geliebten Tmma die Zuversicht auf die Wunderkraft der
Reliquien ihn so völlig getäuscht hatte. Diese hohe Verehrung
der Reliquien theilte er mit allen seinen Zeitgenossen, und eben
wegen dieser Verehrung haben die zahlreichen Uebertragungen sol-
cher Gebeine für uns auch geschichtlichen Werth. Auf ihnen be-
ruhte grofsentheils der Einflufs der Kirchen; besonders verehrte
Reliquien verschafften ihnen unermefslichen Zulauf: der Ruf von ge-
schehenen Wundern verbreitete sich weithin, und ohne Zweifel
wurde dadurch die Ausbreitung des Christenthums, z. B. in Sachsen,
sehr wesentlich befördert. Aus den genauen Beschreibungen der
Reise, wie aus den Erzählungen von den Wundern, ist zugleich
vieles für die Sittengeschichte wie für die Topographie nicht un-
wichtige zu entnehmen, wie das namentlich in Bezug auf die da-
malige Art zu reisen, aus Einhards Werk kürzlich von W. Matthaei
nachgewiesen ist1). Merkwürdig ist auch die Unverschämtheit, womit
man im 11. Jahrh. im Medarduskloster versucht hat, mit ent-
sprechender Verfälschung von Einhards Schrift sich die Leiber der
hh. Tiburtius, Marcellinus und Petrus anzueignen2).
Ob nun auch die in rhythmischer Form bearbeitete Passio der
Märtyrer Einhard zuzuschreiben sei, wie Teulet meint, und wie
eine aus Fleury stammende Handschrift angiebt, ist zweifelhaft, da
seine ganze Richtung der antiken Form zugewandt war. Es wäre
jedoch nicht gerade unmöglich, und Dümmler hält es für wahr-
scheinlich , dafs er für diesen Gegenstand die mehr populäre Form
vorgezogen hätte3).
Es bleibt uns nun noch die Besprechung der Annalen übrig,
wobei zu bemerken ist, dafs F. Kurze, während er die Autorschaft der
grofsen Reichsannalen Einhard entschieden abspricht, dagegen der
Meinung ist, er habe für sein Genter Kloster die sog. Annales Si-
thienses, für Fulda die Fuldenses verfafst.
1) Translatio SS. M. et. P. in kulturgeschichtlicher Beziehung. Pro-
gramm.
2) Translatio SS. Tiburtii, Marcellini et Petri ad S. Medardum ed.
Holder-Egger SS. XV, 391—395.
3) Neue Ausg. mit Eintheilung in dreizeilige Strophen, von Dümmler,
Poet. Lat. II, 125-135.
190 II- Karolinger. § 9. Reichsarmalen.
§ 9. Die Reichsannalen.
MG. SS. I, 124-218; besonderer Abdruck 1845. Cod. Steinveld. (9) ist jetzt Brit. Mus.
Add. 21109. Frese, De Einhardi Vita et Scriptis Specimen, Diss. Berol. 1845 (ge-
gen die Autorschaft Einhards). 0. Abel, Einhards Jahrbücher, Berl. 1850. 1880
(Geschichtschr. 17, IX, 2). L. Ranke, Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten,
Abh. der Berliner Akademie 1854 S. 415—435; vermehrt Ges. Werke LI— LH.
G. Waitz, Zu den Lorscher und Einhards Annalen, Goett. Nachrichten 1857 S. 46 — 52.
B. Simson, De statu questionis: sintne Einhardi necne sint quos ei ascribunt, Annales
Imperii, Diss. Regiom. 1860. W. Giesebrecht, Die fränkischen Königsannalen und
ihr Ursprung, im Münchener Hist. Jahrb. (1864) S. 186-238. G. Monod, Revue
Crit. 1873 N. 42. Fr. Ebrard, Reichsannalen 741 — 829 u. ihre Umarbeitung, Forsch.
XIII, 425—472. E. Dünzelmann, Beiträge zur Kritik der Karol. Annalen, NA. II,
475—537. H.v. Sybel, HZ. XLII, 260-288 (Kl. Sehr. III, 1 ff). Entgegnung Simsons,
Forsch. XX, 205—214. Replik von Sybel, HZ. XLIII, 410. Duplik v. Simson, Karl
d. Gr. II, S. 604-611. Harnack, Das Karol. u. das byz. Reich (1880), Excurs.
Manitius, Die Ann. Sithienses, Lauriss. min. u. Enharti Fuld. (Diss. Lips. 1881).
Manitius, Einhards Werke u. ibr Stil, NA. VII, 517 — 568. Is. Bernays, Zur Kritik
Karol. Annalen, Strafsb. 1883. Dorr, NA. X, 241-305. Nachwort v. Sybel S. 305
bis 307. Dorr, (Ann. Laur. 796-829 doch von E.) XI, 475-488. Sybel dagegen
S. 489. Horst Kohl (Ueberblick) in G. Richters Ann. d. Deutschen Gesch. II. Abth.
S. 697-714 (1887). B. Simson, Karl d. Gr, I (1888) S. 1-5, 657-664. Progr. v.
Seraphim, Fellin 1887 s. NA. XIII, 654. Bemerkungen von Manitius, Mitth. d. Inst.
X, 417 ff. (NA. XV, 211); ib. XIII, 225-238. Facs. d. Wiener Hs. v. Ann. Einh.
in E. Berners Gesch. d. pr. Staats, I. 1890.
Die Bestrebungen der gelehrten Männer an Karls Hofe richteten
sich vorzugsweise theils auf das Studiuni der älteren Litteratur und
die formelle Ausbildung, theils auf theologische und philosophische
Probleme; mit geschichtlichen Forschungen beschäftigten sie sich
wenig. Dem Kaiser jedoch entging die Wichtigkeit derselben nicht,
er sorgte wenigstens dafür, das Andenken seiner eigenen Zeit zu
erhalten. Er verordnete, dafs die Gesetze und die Beschlüsse der
Reichstage seiner Zeit in mehreren Exemplaren an verschiedenen
Orten sorgfältig aufbewahrt werden sollten; die Schreiben der Päbste
und der griechischen Kaiser an ihn, seinen Vater und Grofsvater
liefs er, im vollen Bewufstsein der überwiegenden Wichtigkeit dieser
Verhältnisse, in einem eigenen Buche zusammenfassen, dem Codex
Carolinus, dessen erster Theil uns noch erhalten, und eine der wich-
tigsten Geschichtsquellen ist1). Aufserdem aber vergafs er auch nicht
die Fürsorge, welche, wie wir oben (S. 126) sahen, das karolingi-
sche Haus schon in früherer Zeit der Aufzeichnung seiner Haus-
und Landesgeschichte gewidmet hatte. Wie Paulus Diaconus in
seiner Geschichte der Bischöfe von Metz den Ahnhern der Arnul-
l) Sehr verdienstliche Ausgabe von Jaffe, Bibl. IV, 1 — 306, mit den
Briefen Leo's III S. 307 — 334. Es folgt noch eine Sammlung Karolinischer
Briefe S. 335 — 436. Phototypie einer Seite des Cod. bei O. v. Heinemann,
Wolfenb. Hss. I, S. 214. Neue Ausg. von Gundlach MG. Epp. III, 469
bis 657, vgl. NA. XVII, 526—566.
Annales Laurissenses. 191
finger verherrlichte, ist schon erwähnt. Dagegen finden wir keine
Spur davon , dafs etwa die Fredegarische Chronik weitere Fort-
setzungen erhalten hätte, sie scheint vielmehr damals fast vergessen
zu sein. Es hatte aber inzwischen die anfangs so gar dürftige an-
nalistische Aufzeichnung schon begonnen, sich zu einer Art von
Reichsgeschichte auszubilden; es waren nach der § 3 entwickelten
Ansicht hauptsächlich die Bischöfe, vielleicht auch weltliche Grofse,
welche bei der Pflicht regelmässiger Theilnahme an den Reichstagen
und Heereszügen das Bedürfnifs empfanden, die Reihefolge der Be-
gebenheiten übersehen zu können , und deshalb ihre Kleriker zu
Aufzeichnungen veranlafsten, die nach und nach zusammenhängende
Gestalt gewannen und aus anderen Annalen auch in ihrem älteren
Theile ergänzt wurden. Vorzüglich Chrodegang von Metz (742 bis
766) scheint zu solcher Thätigkeit angeregt zu haben. Unter den
Annalen dieser Art zeichnen sich aber iu ganz besonderer Weise
die sogenannten Annales Laurissenses majores1) aus, welche
in gedrängter Kürze freilich, aber doch mit vollständiger Uebersicht
aller Begebenheiten die ganze Regierung Karls begleiten ; schrieb
man früher ihren Ursprung dem Kloster Lorsch zu, wo die älteste
Handschrift gefunden ist, so können sie doch unmöglich dort oder
überhaupt in der stillen Zurückgezogenheit eines Klosters entstanden
sein. L. Ranke ist es, welcher zuerst mit sicherem Scharfblick
dieses Verhältnifs erkannte, und jene Annalen zum Gegenstand einer
eindringenden Untersuchung machte, deren Resultate seitdem nicht
nur fast allgemeine Zustimmung gefunden, sondern auch in hohem
Grade anregend auf die weitere Forschung gewirkt haben. Aus der
Abhandlung, welche einen wichtigen Fortschritt für unsere Kenntnifs
der mittelalterlichen Geschichtschreibung bezeichnet, erlaube ich mir
die betreffende Stelle wörtlich auszuheben2). Ranke sagt nämlich
in Bezug auf diese Jahrbücher: „Bei dem alten Annalisten fällt nun
zweierlei auf, einmal, was wir eben berührten, dafs er grofse Un-
glücksfälle verschweigt; auch von den inneren Stürmen, den dann
und wann auftauchenden Verschwörungen giebt er keine oder nur
ungenügende Nachricht, — sodann aber, dafs er über das, was er
berührt, ausnehmend gut unterrichtet ist. Ein Mönch in seinem
Kloster konnte unmöglich die Dinge so genau erkunden, wie sie
x) Früher auch plebei und Loiseliani genannt, 741—829, ed. Pertz
SS. I, 134—218. Hs. 7, von Pertz nicht benutzt, ist Paris. 5941 A (NA.
IV, 244); Hs. 8, früher dem Baron de Grassier gehörig, ist jetzt Paris.
10 911; nahe verwandt damit eine Petersburger, Lat. F. Otd. IV, 4. NA.
VII, 228.
2) Abhandlungen der Berliner Akademie aus dem Jahre 1854, S. 434.
192 H« Karolinger. § 9. Reichsannalen.
hier beschrieben sind; wir haben Kloster-Annalen dieses Landes,
aus derselben Zeit, allein wie sehr sind sie verschieden! Sie be-
richten nur das ganz Allgemeine der auffallendsten Thatsachen.
Hier aber haben wir einen Autor vor uns, der die Züge der Heere,
ihre Zusammensetzung und Führung, die einzelnen Waffenthaten
kurz aber sicher angiebt, und der auch von den Unterhandlungen
bis auf einen gewissen Grad zuverlässige Kenntnifs hat. Niemand
konnte über die Unternehmungen gegen Benevent und Baiern so
gute Nachrichten mittheilen, der nicht dem Rath des Kaisers nahe-
stand. Diese beiden Eigenschaften zusammen, gute Kunde und
grofse Zurückhaltung, scheinen fast auf eine officielle Abfassung zu
deuten, die aber freilich von einem Geistlichen herrühren müsste:
jede Phrase bezeichnet einen solchen. Es würde ein in den Welt-
geschäften erfahrener, und mit dieser Thätigkeit vielleicht speciell
beauftragter Geistlicher gewesen sein, der diese Notizen am Hofe
selbst aufgesetzt hätte; in rohem Stil, wie ihn die Zeit, welche der
Einrichtung der Hofschule voranging, wohl erlaubte; ein Mann der
alten Art und Weise, die sich hier durch die Nachwirkung der Er-
eignisse allein höher erhob als je zuvor."
Ranke hat in diesen Worten eine Ansicht, die er mündlich be-
reits weiter ausgeführt hatte, nur leicht angedeutet; die Ansicht,
dafs nicht nur diese, sondern auch ein Theil der späteren Reichs-
annalen amtlicher Natur waren, dafs auf Veranlassung des Hofes
die Zeitgeschichte officiell verzeichnet wurde, und daraus die un-
gemein rasche und bedeutende Entwickelung der Annalistik sich
erklärt, welche später auch anderen zum Vorbild diente, die nur
aus eigenem Antrieb die Ereignisse, welche sie erlebten, darzustellen
versuchten.
Diese Thatsache selbst in ihrer Allgemeinheit, die Thatsache,
dafs nach dem Vorgange Childebrands und Nibelungs auch Karl
für eine zuverlässige Aufzeichnung der Begebenheiten Sorge trug,
dafs daraus die Jahrbücher entstanden, welche wie die Vorzüge, so
auch die Fehler und Schwächen aller offiziellen Geschichtschreibung
aufweisen, habe ich früher geglaubt als erwiesen und anerkannt be-
trachten zu dürfen, allein diese Auffassung hat seitdem in H. v. Sybel
einen gefährlichen Gegner gefunden. Er leugnet die Bedeutung der
Reticenzen, die man auch ebenso gut nur einem allzu lebhaften
und loyalen Patriotismus zuschreiben könne, und findet, dafs der
Verfasser doch nur sehr oberflächlich unterrichtet gewesen ist. Er
findet eben nichts darin , was nicht ein Mönch des Klosters Lorsch
mit Leichtigkeit habe in Erfahrung bringen können. Das möchte
Amtliche Geschichtschreibung. 293
auch ich nicht gerade leugnen, nur habe ich von dem Klosterleben
der damaligen Zeit eine andere Vorstellung und kann nicht glauben,
dafs ein Mönch so anhaltend und in so gleichmäfsiger Weise durch
viele Jahre hindurch der Erforschung und Darstellung der weltlichen
Vorgänge seine Aufmerksamkeit zugewandt haben sollte. Und mit
Recht bemerkt Bernays, dafs er ja für diese Annalen eine gleichzeitige
Aufzeichnung vor 788 nicht annehme, und dafs für die vergangenen
Jahrzehnte besagter Mönch doch schwer die Kunde der Begeben-
heiten sich habe verschaffen können1). Am Hofe, das möchte ich
auch jetzt zuversichtlich behaupten, müssen die Annalen geschrie-
ben sein; was aber den amtlichen Charakter betrifft, so mufs vor
allen Dingen betont werden, dafs wir durchaus den unwillkürlich
stets sich einschleichenden Gedanken an Zustände und Verhält-
nisse unserer Zeit zu verbannen haben, wo jedes officielle Wort
sorgsam geprüft und gesichet wird. In solcher Weise amtlich sind
die Lorscher Annalen gewifs nicht gewesen, und in dieser Beziehung
kann ich H. v. Sybel u. Bernays2) vollkommen zustimmen. Wenn
wir aber doch wissen, dafs Pippins nächste Angehörige dergleichen
Aufzeichnungen veranlafsten , und dafs eine Annalistik dieser Art
im Westfrankenreiche unzweifelhaft bestand, wenn wir lesen, dafs
Smaragd, der 843 gestorben ist, von der uralten und bis auf seine
Zeit bestehenden Sitte der Könige redet, die Begebenheiten ihrer
Zeit aufzeichnen zu lassen3), so kann ich mir nicht vorstellen, dafs
Karl nicht ebenfalls dafür Sorge getragen habe. Darunter verstehe
ich aber nur, dafs er einen solchen Auftrag ertheilte, und dafs man
nun ein Buch hatte, welches in der Kanzlei verwahrt und gelegent-
lich vom Könige selbst angesehen wurde, wie wir durch einen Brief
Hinkmars wissen, dafs Karl der Kahle die Annalen des Prudentius
bei sich hatte, wie später auch Friedrich I die ihm übersandte
Chronik v des Otto von Freising benutzte. Es ist dabei durchaus
nicht ausgeschlossen, dafs nicht einmal Jahre lang die Arbeit liegen
blieb und der betreffende Autor auch manchmal nachlässig und
flüchtig arbeitete. Eine amtliche Nachprüfung seiner Arbeit wird
*) Zur Kritik karol. Annalen S. 171. Waitz machte gegen den Lorscher
Ursprung auch geltend, dass der dort schreibende Vf. der Laur. min. sie
nicht gekannt habe, aber das bestreitet wieder Puckert.
2) S. 169 ff.
3) Smaragdi Praef. V. S. Bened. Anian. angeführt von Dümmler, Ostfr.
I, 877: „Perantiquam siquidem fore consuetudinem hactenus regibus usita-
tam, quaequae geruntur aeeiduntve annalibus tradi posteris cognoscenda,
nemo ut reor ambigit doctus." Ueber Eckharts verfehlte Vermuthung, dafs
die Annalen von den Kanzlern verfafst wären, während er den offieiösen
Ursprung richtig erkannte, s. Sickel Acta Karol. p. 83.
Wattenbach, Geschichtsquelleii. I. 6. Aufl. 13
194 U- Karolinger. § 9. Reichsannalen.
nicht stattgefunden haben. Hinkmar sagt ausdrücklich, dafs die
Jahrbücher des Prudentius schon in vieler Menschen Hände ge-
kommen seien, und da eine Einwirkung auf die öffentliche Meinung
beabsichtigt war, wird an Geheimhaltung nicht zu denken sein.
Sicher ist es nicht dieses Buch gewesen, welches der Verfasser
der Vita Rigoberti meinte, als er über Karl Martell schrieb: „De
hoc etenim, non rege sed tyranno, ita legitur ad locum in Annalibus
diversorum regum : Iste Karlus omnibus audacior episcopatus regni
Francorum laicis hominibus et comitibus primum dedit, ita ut epis-
copis nihil potestatis in rebus ecclesiarum permitteret1)". Diese
Stelle ist bisher nur nach dem Auszug in Flodoards Hist. Rem. II, 12
angeführt und deshalb gänzlich mifsverstanden worden. Der Ver-
fasser stand der Zeit, über welche er schrieb, schon sehr fern, und
kann nicht sehr viel älter sein, als Flodoard selbst; er wird ver-
muthlich eine jüngere Compilation benutzt haben.
Anders verhält es sich mit der von Simson (S. 33) aus Hincmar
de villa Novilliaco angeführten Stelle über den Beginn der Regierung
Karls und Karlmanns „sicut in annali regum scriptum habemus".
Sie findet sich wörtlich in den Ann. Lauriss. mit Ausnahme eines
Satzes, der aus der Cont. Fred, mit Leichtigkeit zu entnehmen war.
Hincmar kann also eine der Bearbeitungen der Lauriss. vor sich
gehabt haben, und ob er hier eine amtliche Quelle hat bezeichnen
wollen, ist ganz zweifelhaft. Abgesehen also von der Frage, ob
und wie weit den Ann. Lauriss. ein amtlicher Charakter beizulegen
ist, bleibt die Frage, ob es noch aufserdem, wie Bernays behauptet,
Hofannalen, ein Werk von viel gröfserer Bedeutung und Zuverlässig-
keit, gegeben habe, eine ungelöste und vermuthlich unlösbare; mir
wenigstens scheint der Beweis der Existenz nicht geführt, wenn ich
auch nicht mit H. v. Sybel den bekannten "Worten Einhards am
Eingang seiner Biographie über den Mangel einer Aufzeichnung der
Thaten Karls ein solches Gewicht beilegen möchte, dafs er nicht
einmal die Ann. Lauriss. gekannt haben dürfte. Dem Versuch aber,
die in ihnen nicht enthaltenen Nachrichten, welche hier oder da
einmal auftauchen, für dergleichen Hofannalen in Anspruch zu nehmen,
vermag ich eine ernsthafte Bedeutung nicht beizumessen; meiner
Meinung nach hätte ein solches Werk, wenn es wirklich vorhanden
war, deutlichere Spuren hinterlassen müssen.
Indem ich nun also an einer gewissen Beziehung der Lauriss.
oder Königsannalen zum Hofe festhalte, habe ich jetzt der Frage
>) Acta SS. Jan. I, 177.
Ursprung der Annales Laurissenses. 195
über ihre Abfassung näher zu treten. Schon L. Giesebrecht1), dann
B. Sinison haben den Beweis geführt, dafs die Annales Laurissenses,
wie sie uns jetzt vorliegen, nicht gleichzeitig Jahr für Jahr entstanden
sind, was Pertz nur für den ersten Theil bis 768 zugab, und
W. Giesebrecht hat in der angeführten Abhandlung diesen Punkt als
sichergestellt angenommen, die Abfassung des ganzen zusammen-
hängenden ersten Theils um das Jahr 788 behauptet und dafür
allgemeine Zustimmung gefunden2). Er knüpft daran die Frage nach
der Veranlassung zu einem solchen Werke, und findet dieselbe in
dem eben damals eingetretenen, für Karls Reich hochwichtigen
Ereignifs, der Entsetzung des Baiernherzogs Tassilo, dessen Ver-
halten gegen die Franken durchweg mit auffallender Ausführlichkeit
behandelt ist; er glaubt deshalb auch die Entstehung des Werkes
in Baiern suchen zu müssen und erkennt den Urheber in dem
Bischof Arn von Salzburg, dem am meisten daran gelegen sein
mufste, diese Vorfälle aufzuklären und sein früheres Verhalten, sowie
seinen Anschlufs an die Franken zu rechtfertigen, während kaum ein
anderer so vollständig in diese Verhältnisse eingeweiht war. Auch
die noch rohe und fehlerhafte Sprache kann bei ihm oder bei einem
Geistlichen seiner Umgebung nicht auffallen, während sie am Hofe
auch damals schon befremdlich wäre.
Diese Beweisführung Giesebrechts ist allerdings sehr gewinnend,
und dafs der Sturz des bairischen Herzogs zu dieser ofiiciösen Dar-
stellung der Reichsgeschichte den Anstofs, einem guten Theil der-
selben die Färbung gegeben, scheint einzuleuchten; auch ist die
dienstbeflissene Gesinnung des Schreibers, seine durchgängige Ver-
herrlichung des Königs augenscheinlich. Allein die Autorschaft Arns
vermag ich weder mit dem Bericht über seine Sendung nach Rom
787 zu vereinigen, noch kann ich glauben,- dafs jemand, der auch
über lange vergangene Dinge so gut unterrichtet war, nicht zu den
älteren Räthen des Königs gehört haben sollte. An solchen Ma-
terialien, wie Giesebrecht sie für Arn nachzuweisen sucht, den
Ann. S. Amandi und Petaviani nebst dem Verzeichnifs der Orte,
wo Karl Ostern gefeiert, hätte Arn wenig Anhalt gefunden; ein alter
Hofbeamter aber, dessen Gedächtnifs noch in Pippins Zeit reichte,
konnte dergleichen zum chronologischen Leitfaden benutzen, und
daneben verwerthen was von allerhand Aufzeichnungen in der Kanzlei
doch vorhanden gewesen sein mufs; denn das Gedächtnifs allein
1) Wendische Geschichten III, 283.
2) Doch behauptet Manitius, Mitth. d. Inst. XIII, 225—232, die Ab-
fassung im J. 795.
13*
196 ü- Karolinger. § 9. Reich sann alen.
wird kaum ausgereicht haben. Mit Recht hebt M. Manitius1) die
Vertrautheit des Autors mit der Rechts- und Urkundensprache, die
vielen romanischen Wörter, die Benutzung von Actenstücken hervor,
wodurch sich auch irrige Angaben über angesagte, später aber ver-
legte Festfeiern erklären. Denken könnte man z. B. an Angilram
von Metz (769 — 791), welcher Paulus Diaconus zur Bischofsgeschichte
von Metz, den Diacon Donatus zur Abfassung der Lebensbeschreibung
des h. Trudo veranlafste und jetzt Erzkaplan des Königs war2).
Ihn könnte man sich in ähnlicher Stellung zu dem gewifs nicht
leichten Unternehmen vorstellen, wie einst Childebrand und Nibelung.
Dafs ihm dabei die Fortsetzungen Fredegars fehlten, ist auffallend,
wäre es aber für Arn, wenn ihm doch sonst so gute Quellen zu
Gebote standen, nicht minder. Auch fällt das Hauptgewicht bei
diesen Annalen offenbar auf Karls eigene Regierung. Ihm also glaube
ich die Anregung zu diesem Werke, welchem wir die eingehende
Kunde von seiner Thätigkeit wesentlich verdanken, nach Ranke's
Vorgang vindiciren zu müssen; als Privatarbeit in Salzburg kann es
nicht entstanden sein. Das ältere Material aber, was hier verarbeitet
ist, wird eben durch diese bequeme Zusammenfassung, die späterhin
auch sprachlich und stilistisch noch zeitgemäfs überarbeitet wurde,
bald verdrängt und in Vergessenheit gebracht sein, besonders wenn
es nur in der königlichen Kanzlei vorhanden war, während sich hin
und wieder in Domstiftern und Klöstern zufällig auch viel unbedeu-
tendere Sachen erhielten.
Abweichend hiervon hat Dünzelmann versucht nachzuweisen,
dass um das Jahr 780 eine Compilation entstanden sei, welche auf
einer Combination Fredegars mit eigenartigen Nachrichten beruhe,
und für die Zeit Pippins von nicht unbedeutendem Werthe sei;
diese verlorene Quelle sei uns in den Annales Mettenses zum grofsen
Theil erhalten, und in den Ann. Lauriss. majores und minores
benutzt3). Indem er vorzugweise nach sprachlichen Gesichtspunkten
die Annalen untersucht, findet er, dafs der erste Abschnitt derselben
von 741 — 791 reiche, der zweite von 792 — 796, wo in fast all-
gemeiner Uebereinstimmung ein Abschnitt angesetzt wird. Doch
!) Mitth. d. Inst. X, 417 ff, vgl. Bresslau, NA. XV, 211. Auch Mitth.
XIII, 225—232.
2) Ueber ihn vgl. L. Oelsner in der Deutschen Allg. Biogr. I, 460.
Nimmt man die Abfassung erst 795 an, so ist natürlich diese Vermuthung
hinfällig.
3) Diese Annahme ist von Waitz gebilligt, aber mit der wichtigen
Modification, dafs es bis 805 reichte und aus den Lauriss. maj. geschöpft
war, s. unten.
Einhards Antheil. 197
behauptet wieder Bernays, dafs nur bei 789 und 801 ein Wechsel
der Verfasser anzunehmen sei.
In der leider verlorenen Lorscher Handschrift schlofs sich nun
eine Fortsetzung bis 793 an, die nur ein Bruchstück aus den Ann.
Laureshamenses ist. In den übrigen Handschriften sind die nächsten
Jahre zum Theil auffallend kurz, übrigens aber in wenig veränderter
Weise und vermuthlich von demselben Autor behandelt1), die Ver-
schwörung Pippins 792 ist in derselben höfischen Weise, die wir
aus dem ersten Theile kennen, ganz verschwiegen. Manitius findet
hier noch dieselbe Ausdrucksweise, wie im früheren Theile, und auch
noch Spuren derselben compilatorischen Thätigkeit, welche er für
den Anfang nachweist. Dann tritt mit dem Jahre 796 ein völlig
veränderter Stil, eine neue Art der Auffassung ein, und diese Fort-
setzung fliefst nach der Ansicht von Pertz allmählich so vollständig
zusammen mit Einhards Werk, dafs seine Hand auch im Anfang
nicht zu verkennen sei. „Nachher, sagt auch Ranke, mufste die
Historiographie in litterarisch geschicktere Hände kommen, wie die
Einhards waren, der die alten Anualen überarbeitete und neue ab-
fafste, wie es scheint im Palast zu Aachen in eben den Jahren, von
denen er handelte." Während der Arbeit selbst schritt er an Bil-
dung und namentlich an Gewandtheit in der Sprache und Darstellung
weiter vor, und fand zuletzt die alten rohen Jahrbücher und seine
eigene Arbeit so ungenügend, dafs er sie noch einmal überarbeitete.
Ueber die Art wie dies geschah, genügt es, auf Ranke's Untersuchung
zu verweisen. Nicht die tief eindringende Kenntnifs der früheren
Geschichte war es, die ihn auszeichnete, oder die ihn zu dieser
Arbeit veranlafste; seine Arbeit war vorzugsweise stilistisch, und
nicht selten hat er dadurch auch beachtenswerthe Züge des älteren
Annalisten verwischt: ja er hat an einigen Stellen eine unrichtige
Auffassung der Ereignisse hineingetragen, weil er die ihn erfüllende
Vorstellung von der alles andere überragenden Hoheit des Kaisers
unwillkürlich auch schon auf die früheren Zeiten übertrug. Wichtig
aber ist uns dennoch auch seine Ueberarbeitung nicht nur wegen
einzelner Zusätze, und weil es für uns Werth hat, auch seine Auf-
fassung kennen zu lernen, sondern auch deshalb, weil er so wenig
zu ändern fand; die alten Lorscher Annalen, sagt Ranke, erhalten
dadurch eine nicht geringe Beglaubigung, dafs Einhard, was die
]) So Waitz und W. Giesebrecht, während Pertz schon 788 die Fort-
setzung Einhards beginnen läfst, Dünzclmann eine zweite Fortsetzung 792
bis 796 annimmt. Gegen Giesebrecht bemerke ich, dafs 792 nicht von
einer Brücke über die Donau, sondern von beweglichen Pontons für den
Feldzug die Rede ist.
198 II- Karolinger. § 9. Reichsannalen.
Sache anbelangt, nur eine und die andere Einschaltung über ein
Paar einzelne merkwürdige Begebenheiten beizubringen hatte.
Einhards eigene selbständige Arbeit reicht nach Ranke bis zum
Jahre 829, bis zu der Zeit, wo er sich vom Hofe zurückzog, voll
Trauer über die zunehmende Verwirrung und Auflösung des Reiches.
Für solche Zeiten war weder er selbst noch seine Feder geeignet.
Mit ruhiger Würde hatte er, so lange das Reich nach den kriege-
rischen Zeiten des achten Jahrhunderts für immer befestigt schien,
und durch den gewaltigen Kaiser auch noch von seinem Grabe aus
zusammengehalten wurde, Jahr für Jahr die Ereignisse registrirt:
den helleren feiner gebildeten Zeiten verlieh sein reines fehlerfreies
Latein den angemessenen Ausdruck, und kurz und gedrängt zwar,
aber doch vollständig in allem wesentlichen liegt die Reichsgeschichte
in seinen Jahrbüchern vor uns, in edler Einfachheit, frei von aller
Leidenschaft und Parteilichkeit. Als es unmöglich wurde, inmitten
der heftig erbitterten Feinde in solcher Weise fortzufahren, da über-
liefs er anderen die Fortsetzung seines Werkes.
Ich habe diese Stelle aus der ersten Ausgabe unverändert
gelassen, weil sie die durch Pertz herrschend gewordene Ansicht
ausdrückt, und weil die Autorschaft Einhards, wenn auch nicht
gesichert und durch wiederholte Angriffe zweifelhaft gemacht, doch
nicht mit Sicherheit widerlegt ist, wie denn auch Ebrard es nicht
unwahrscheinlich findet, dafs Einhard die Fortsetzung verfafst habe.
Neuestens haben Monod und Dünzelmann, H. v. Sybel und Bernays
in entschiedenster Weise die Möglichkeit von Einhards Autorschaft
geleugnet, während Manitius und Dorr auf sprachliche Untersuchung
gestützt sich dafür aussprechen. Dabei fällt vorzüglich die Frage
ins Gewicht, ob der nach dem Muster der Alten gebildete Stil und
der im Verhältnifs zum achten Jahrhundert so sehr viel reichere
Wortschatz ausschliefslich für Einhard Zeugnifs ablegen und als sein
besonderes Werk zu betrachten sind, und ich kann mich der Ueber-
zeugung nicht verschliefsen, dafs durch die Untersuchungen von Dorr
und Manitius fast bis zu voller Evidenz nachgewiesen ist, nur in
diesen Annalen und im Leben Karls finde sich dieser, aus einer
grofsen Anzahl alter Autoren mit unvergleichlicher Sorgfalt gesammelte
Wortschatz, diese Mannigfaltigkeit der Satzbildung. Es ist aber auch
bei dieser Untersuchung niemals aufser Acht zu lassen, dafs Einhard
nicht eigentlich Historiker, seine Aufmerksamkeit in weit höherem
Grade der Formvollendung, als der geschichtlichen Bedeutung der
Thatsachen zugewendet war, wie wir es ähnlich auch bei Lambert
beobachten können.
Autorschaft Einhards. 199
Dafs Einhard der Verfasser dieser Annalen sei, hatte zuerst
Du Chesne behauptet, gestützt auf eine Stelle in der Translatio S.
Sebastiani, wo Einhard ausdrücklich als Verfasser eines Annalen-
werks unter dem Titel: Gesta Caesarum Caroli Magni et filii ipsius
Hludowici genannt und eine Stelle daraus angeführt wird, welche
sich in unseren Annalen beim Jahre 826 wiederfindet1). Dieses
Zeugnifs aus dem zehnten Jahrhundert schien bedeutend genug, um
die dagegen geltend gemachten kleinen Widersprüche zwischen den
Annalen und Einhards Vita Caroli übersehen zu können: man darf
von jener Zeit nicht die Genauigkeit der Arbeit und des Ausdrucks
verlangen und findet sie auch nicht, welche heutiges Tages gefordert
wird. Auch wurde für keinen anderen Namen auf dieses bedeutende,
seit alter Zeit bekannte und viel benutzte Werk Anspruch gemacht;
Stil und Auffassung schienen für Einhard wohl zu passen. Auch in
der neuesten Untersuchung von W. Giesebrecht ist dieses zugegeben;
die ruhige völlig objectiv gehaltene Darstellung, in welcher die bis
dahin stets wiederholten preisenden Beiwörter Karls verschwinden,
die an Einhards Werke erinnernde Reinheit der Sprache, scheinen
auch ihm die Autorschaft desselben wahrscheinlich zu machen, allein
bei dem Tode des Kaisers ist nach seiner Ansicht eine Unterbrechung
eingetreten, die weitere Fortsetzung von der vorhergehenden zu
scheiden. Fragen wir nach der Begründung dieser Behauptung, so
beschränkt sich dieselbe wesentlich darauf, dafs die fragmentarische
Handschrift Christ. 617 mitten in der Erzählung des Jahres 813
') „Agenardus cognomento Sapiens, ea qui tempestate habebatur in-
signis, huius reverentissimi coelicolae mentionem in Gestis Caesarum Caroli
Magni et filii ipsius Hludowici faciens, inter alia quae annotino cursu dic-
tabat, non inoperosum duxit mortalia acta immortali astipulatione roborare
ita dicens" etc. — Diese bestimmte Angabe gerade aus dem Medardus-
kloster darf man doch nicht zu gering anschlagen, sie kann recht wohl
auf wirklicher Tradition beruhen. Der Verfasser Odilo widmet sein Werk
(Mab. Actt. IV, 1, 383 — 410), welches freilich schwülstig und nicht allzu
zuverlässig, aber doch für die Zeit Ludwigs des Frommen nicht unwichtig
ist und auf der älteren Schrift des Probstes Rodoin beruht, dem Decan
Ingramnus, der nach Flod. 932 Bischof von Laon wurde. Ein Brief von
ihm an Hucbald, worin er der Mir. S. Seb. gedenkt, bei Mart. Coli. I,
266. Auch die Autorschaft des Prudentius und Hincmar für die späteren
Annalen beruht auf je einem Zeugnifs, womit ich nicht, wie man mich
mifsverstanden hat, sagen will, dafs sie zweifelhaft sei, sondern dafs auch
hier nur ein ausdrückliches Zeugnifs sich erhalten hat. Auszüge aus der
Translatio S. Sebastiani von Odilo giebt Holder-Egger, SS. XV, 377 — 391 ;
dann S. 391 — 395 aus der früher irrig ebenfalls dem Odilo zugeschriebenen
Translatio SS. Tiburtii, Marcellini et Petri, die er als bezügliches Mach-
werk des 11. Jh. nachweist. — Annales S. Medardi a. 497 — 987 und Aus-
züge aus der Fortsetzung bis 1249 ed. Waitz, SS. XXYI, 518—522.
200 ü- Karolinger. § 9. Reichsannalen.
abbricht1) und in dieser unfertigen Gestalt einmal abgeschrieben
worden ist, während ein anderer Schreiber sich auf das Leben Karls
des Grofsen beschränkte, gerade so wie Pithou das zweite Buch von
Ademars Chronik abgesondert vorfand und als Leben Karls vom
Monachus Engolismensis herausgab. Allerdings soll auch im Aus-
druck eine Verschiedenheit bemerklich sein, die aber wenig bedeutend
ist; es fällt ferner auf, dafs die Wunder des h. Sebastianus im
Medarduskloster zu Soissons sehr gepriesen, die von Einhard so hoch
geschätzten Reliquien seiner Heiligen kaum genannt werden. Die
chronologischen Schwierigkeiten jedoch, welche sich an diese Ueber-
tragung der hh. Marcellinus und Petrus anknüpfen, hat Giesebrecht
selbst zu beseitigen versucht, und der Bescheidenheit Einhards,
vielleicht auch seiner so gerühmten Klugheit gegenüber dem mäch-
tigen Hilduin, mochte jene kurze und doch immer rühmende Er-
wähnung um so eher genügen, da er gerade mit einer besonderen
Schrift über diesen Gegenstand beschäftigt war.
Auch jetzt kann ich, wie gesagt, nicht umhin, die Gründe für
Einhards Autorschaft als überwiegend anzusehen; die Verschiedenheit
einzelner Theile kann durch eingetretene Unterbrechung und flüch-
tigere Arbeit Erklärung finden. Dünzelmann meint, dafs die vor-
treffliche Darstellung von 797 bis zur Mitte des Jahres 801 von
Einhard herrühren, die Ueberarbeitung der Annalen bis dahin in den
ersten Jahren des neunten Jahrhunderts von ihm verfafst sein müsse,
weil nur er so habe schreiben können und wir von ihm kein anderes
Werk vor der Vita Caroli kennen, die nicht sein Erstlingswerk sein
könne.
In der Mitte des Jahres 801 aber setzt er, und hierin hat er
allgemeine Zustimmung gefunden, einen Abschnitt an2); nur so weit
waren die Annalen dem Poeta Saxo bekannt, und nur so weit reicht
auch die Ueberarbeitung. Die folgende dritte, erheblich schlechtere
Fortsetzung reicht nach Dünzelmann bis 806, eine vierte bis 815,
die fünfte bis 820, worauf der Schlufs bis 829 wieder von anderer
Hand sei; Bernays dagegen will zwischen 801 und 829 keinen
Wechsel zugeben. Müfsten wir in der That auf die Kenntnifs der
Persönlichkeit verzichten und andererseits doch den höfischen Ur-
sprung festhalten, so scheint mir mit dieser Unterscheidung sehr
wenig gewonnen zu sein.
*) Nach der Beschreibung MG. I, 129 scheint es, dafs die Handschrift
am Schlufs wie am Anfang unvollständig ist und einst weiter reichte.
2) Monod läfst hier überhaupt erst einen neuen Autor eintreten und
ist nicht abgeneigt, Angilbert darin, etwa bis 813, zu erkennen, da dessen
Name wiederholt genannt werde.
Annales Einhardi. Chronik bis 741. 201
Yon der Ueberarbeitung, den sogenannten Annales Einhardi,
war schon oben S. 197 die Rede; es konnte nicht anders sein, als
dafs der Anfang der alten Annalen dem feiner entwickelten Sprach-
sinn geradezu unerträglich erschien. Es hat aber Dünzelmann wohl
richtig bemerkt, dafs diese Bearbeitung nur bis 801 reicht und auch
damals ausgeführt sein wird; die Uebereinstimmung mit einzelnen
Stellen in Einhards Vita Caroli wird dann einfach durch Benutzung
der Annalen in dieser zu erklären sein1). Bei dieser Bearbeitung
haben sich einige Mifsverständnisse eingeschlichen, es sind aber auch
nicht unbedeutende neue Thatsachen hinzugekommen und es ist wahr-
scheinlich, dafs hierfür auch schriftliches Material benutzt ist2), wozu
Puckert (S. 157 ff.) das gleich zu erwähnende verlorene Werk bis 805,
Kurze die bis 796 reichende Quelle desselben rechnet. Puckert
(S. 167 ff.) hebt die seltsame Eigenheit des Verfassers hervor, die
Ereignisse in ganz unzulässiger Weise als übermäfsig beschleunigt
darzustellen, und ferner, dafs in höherem Maafse, als es den That-
sachen entspricht, Karl als der stets allein wissende und handelnde
hervortritt.
Wir sehen also hier, wTie man schon von der einfachen und
schmucklosen, nur auf den sachlichen Inhalt gerichteten Aufzeichnung
der Zeitbegebenheiten f ortschritt zu litterarischer Bearbeitung. Natür-
lich mufste, da die Reichsannalen erst mit 741 begannen, der Wunsch
lebendig werden, auch für die vorhergehende Zeit, über welche nur
ein sehr ungenügendes und schwer geniefsbares Material vorlag, ein
Handbuch zu gewinnen, welches den Zusammenhang mit der Welt-
geschichte herstellte. Gerade auch um das Jahr 801 ist ein solches
verfafst3), und da es nur bis 741 reicht, liegt die von Waitz aus-
gesprochene Vermuthung nahe, dafs es zur Ergänzung der Reichs-
annalen bestimmt war. Doch finden wir es handschriftlich nicht mit
ihnen verbunden; es scheint keine grofse Verbreitung gefunden zu
haben, da das schwierige Unternehmen doch nur sehr unvollkommen
gelang und die Sprache des Verfassers durch ihre Unbehülflichkeit
J) S. die Zusammenstellung bei B. Simson, De statu etc. p. 44 — 52.
Derselbe weist Forsch. XTV, 136 Benutzung des Livius nach. Er. Kurze,
NA. XVII, 125, nimmt Bearbeitung erst um 820 u. also Benutzung der Vita
in den Annalen an.
2) W. Giesebrecht a. a. 0. S. 216. Die Benutzung des fortgesetzten
Eredegar 759, 760 vermag ich aber nicht zu erkennen. Vgl. auch Bernavs
S. 151. — Manitius, Mitth. XIII, 232—238, unterwirft einige Stellen einer
für Einhard ungünstigen Kritik.
*) Chronicon universale bis 741, ed. Waitz, MG. SS. XIII, 1 — 19. Vgl.
B. Simson: Die überarbeitete und bis 741 fortgesetzte Chronik des Beda,
Forsch. XIX, 97—135. Waitz, Wcltchrouik bis 741, NA. V, 475-491.
202 II- Karolinger. § 9. Reichsannalen.
und Fehlerhaftigkeit verräth, dafs er der früheren Barbarei wohl ent-
wachsen, aber doch von der höheren Bildung eines Einhard noch
weit entfernt war. Doch verdient er ohne Zweifel Beachtung und
Anerkennung: es ist, wie Waitz bemerkt, die erste Weltchronik, die
seit Fredegar im fränkischen Reich geschrieben wurde. Dieses Werk,
dessen wir oben (S. 129) schon kurz gedachten, ist in zwei Hand-
schriften erhalten, welche stark von einander abweichen, und es scheint,
dafs der Verfasser selbst sein Werk überarbeitet und mit weiteren
Zusätzen aus seinen Quellen vermehrt hat. Er legte die kurze
Chronik des Beda zu Grunde, in welche er Auszüge aus Hieronymus,
Orosius, Fredegar mit den Fortsetzungen und den Gesta Francorum
einschob, weiterhin benutzte er auch Isidor, den Liber pontificalis,
und die Annales Mosellani et Laureshamenses. Die wenigen ihm
eigenthümlichen Stellen zeigen Verwandtschaft mit den Annales
Flaviniacenses, welche sich in derselben Hs. befinden, und da hierzu
auch die Nachricht von der Zerstörung der Stadt Autun durch
die Sarracenen 725 gehört, so ist die Vermuthung gerechtfertigt,
dafs der Verfasser im Sprengel von Autun, vielleicht eben in
Flavigny, lebte.
Diese Chronik bildet in einer Hs. den Anfang der schon oben
S. 146 erwähnten Annales Maximiani, welche jedoch keine innerliche
Verbindung mit ihr haben, und ist in ihrer älteren Form grofsen-
theils aufgenommen in das Chronicon Moissiacense.
Eine andere, im J. 805 oder vielleicht 806 abgeschlossene Com-
pilation ist uns nicht im Original erhalten, aber aus verschiedenen
Ableitungen nach und nach mit wachsender Sicherheit kenntlich
geworden. In Beziehung dazu stehen verschiedene, erst in neuerer
Zeit zum Vorschein gekommene Bruchstücke von Bearbeitungen der
Reichsannalen. Dazu gehören die Wiener Blätter von 784 und 785 !),
welche nebst einem aus Werden stammenden Fragment in Düsseldorf
von 759 bis 762, von Pertz, der sie irrig für ursprüngliche Auf-
zeichnungen hielt, SS. XX, 1 — 15 als Fragmenta Werthinensia gedruckt
sind. Hiermit verwandt ist ein anderes in Bern von Gerold Meyer
von Knonau gefundenes Fragment von 783 bis 785 2). Diesen beiden
Versionen mufs schon eine ältere zu Grunde gelegen haben, und
diese glaubt Giesebrecht (Forsch. XIII, 627 bis 633) gefunden zu
haben in einem Bruchstück von 769 bis 772, welches J. Bächtold
1) Cod. 334, zuerst in der zweiten Ausgabe dieses Buches S. 540 gedruckt.
2) Forsch. VIII, 631—633. Dagegen sind die 6 Blätter des Cod. Vat.
Christ. 263 (Arch. XII, 272) irrthümlich hierher gezogen, sie gehören zu
Ademar, s. NA. II, 330.
Compilation bis 805. 20
9
im Anzeiger für Schweizerische Geschichte 1872 S. 245 — 246 ver-
öffentlicht hat. Es enthält die Capitelzahlen 56 bis 59, woraus
Giesebrecht auf ein gröfseres Werk schlofs, welches bis 714 rück-
greifend, mit Benutzung des Fredegar im J. 802 ausgearbeitet, auch
in den Annales Mettenses benutzt wurde, und mit einer in diesen
erhaltenen eigenthümlichen Fortsetzung von 803 bis 805 versehen
war. Wegen einiger Beziehungen auf Reichenau vermuthete Giese-
brecht in Haito den Verfasser dieses Werkes, aber diese Stellen
gehören nur den Annales Mettenses an und sind aus Regino entlehnt.
Dagegen ist durch weitere Untersuchung festgestellt, dafs dieses
Werk, in seinen älteren Theilen auf den Fortsetzungen des Fredegar
beruhend, weiterhin aus den Reichsannalen geschöpft ist, aber durch
einige Zusätze und namentlich durch die Fortsetzung sehr werthvoll.
Puckert1), welcher sich sehr eingehend damit beschäftigt hat, hebt
namentlich (S. 165) die Nachrichten über Grifo hervor, welche seiner
Ansicht nach von hier in die Annales Einhardi übergegangen sind.
Er sucht den Ursprung in Saint-Denis nachzuweisen, und nimmt eine
Ueberarbeitung in Metz um 900 mit Zuziehung der Yita Caroli an,
welche den Ann. Mett. und auch dem Poeta Saxo zu Grunde liege.
Benutzung dieses Werkes ist aufser in den Mettenses nachgewiesen
in den Ann. Lauriss. minores, Lobienses, Guelferbytani, im Chron.
Yedastinum und Moissiacense, Fontanellense, und Waitz hat SS. XIII,
26 — 33, die erwähnten Fragmente nebst dem betreffenden Abschnitt
der Annales Mettenses herausgegeben2).
Neuestens hat nun Fr. Kurze3), an diese Ergebnisse an-
schliefsend, hervorgehoben, dafs aus den uns bekannten Bruchstücken
dieser Compilation sich doch nicht alle Nachrichten in den Ab-
*) Ueber die kleine Lorscher Frankenchronik, ihre verlorene Grund-
lage u. d. Ann. Einh. (Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1884).
2) AnnaUum veterum fragmenta, partim ex Mettensibus desumpta, 769
bis 805. Früher waren von Pertz nur Stücke der Mett. als Zusätze zum
Text der Laur. maj. abgedruckt, irreführend, weil dort auch schon Regino
benutzt ist. Vgl. lleigel: Ueber die aus den alten Murbacher Ann. abge-
leiteten Quellen, Forsch. V, 397 — 403. Waitz : Ueber das Verhältnis der
Ann. Mett. zu anderen Annalen, Forsch. XX, 385 — 394. Simson : Ueber
die verlorene Quelle der Ann. Mettenses, ib. S. 395—400, nebst der gleich
anzuführenden Abhandlung von Waitz. Bernays, S. 69 ff., der auch den
Poeta Saxo und natürlich die Hofannalen heranzieht, und weitere Fort-
setzung vermuthet. Waitz nahm SS. XIII, 26, Anm. 6, Benutzung der
Lauriss. nur bis 788 an, erstreckt sie aber in der Abh. über die Lauriss.
min. S. 408, mindestens auf 789. Ranke, Weltgesch. V, 2, 292—306, hebt
sehr nachdrücklich den Werth der in den Ann. Mett. enthaltenen Nach-
richten über die Arnulfinger hervor, wenn sie auch für die älteste Zeit
sagenhaft gefärbt sind.
3; Ueber die Ann. Fuldenses, NA. XVII, 117 ff.
204 II. Karolinger. § 9. Reichsannalen.
lcitungen belegen lassen, namentlich nicht in den Fulder Annalen,
weshalb man genöthigt war, eine unwahrscheinliche Heranziehung
verschiedener Quellen anzunehmen. Er kommt dadurch zu der
Schlufsfolgerung, dafs schon um 796 aus den Fortsetzungen des
Fredegar, den Reichsannalen und anderen Quellen, der Vita ßonifatii,
dem Pabstbuch, ein ausführlicheres werth volles Werk zusammen-
gestellt sei, welches in der Compilation von Saint-Denis nur auszugs-
weise enthalten sei. Es ist nach Kurze kein anderes, als das schon
S. 146 erwähnte, in den Ann. Maximiani kenntliche, welches auch
den Ann. Sithienses zu Grunde liegt. Als ein Stück dieses ver-
lorenen Werkes betrachtet er auch das Fragmentum Chesnii, als eine
Ableitung die Continuatio Romana der Langobardengeschichte des
Paulus Diaconus. Indem wir nun den Scharfsinn des Verfassers
dieser Untersuchungen vollkommen anerkennen, können wir ihm doch
durchaus nicht folgen, wenn er (S. 128) in diesem, seiner Ansicht
nach sehr bedeutenden Geschichtswerk das oben (S. 149) erwähnte
verlorene Werk des Crantz erkennen will, da Aventins Angabe über
den Inhalt desselben durchaus nicht dazu palst.
Vermissen wir nun hier irgend eine gesicherte locale Anknüpfung,
so werden wir dagegen bestimmt nach Lorsch gewiesen durch die
Annales Laurissen ses minores, welche jedoch Waitz jetzt als
die kleine Lorscher Franken chronik bezeichnet hat1), ein mageres,
nach Regentenjahren geordnetes Compendium der Geschichte des
Frankenreiches, an Beda sich anlehnend und ganz aus der oben
erwähnten Compilation bis 805 geschöpft, mit Ergänzungen aus den
Ann. Laureshamenses und einigen Erweiterungen und Zusätzen; nach
Kurze bis 789 aus der von ihm angenommenen Quelle. Nur das
Jahr 806 gehört nach Waitz dem Verfasser, wenn er nicht doch
vielleicht auch dieses schon in der Compilation fand. Die als Re-
gierungsjahre betrachteten, überaus ungenauen Zahlen hält Puckert
für Abschnitte, die vielleicht schon in der Vorlage gewesen, wodurch
der Vorwurf grofser chronologischer Verwirrung beseitigt Avürde2).
Er hebt ferner die ausserordentlich starke, gegen die Vorlage noch
sehr verstärkte kirchliche Färbung, die Betonung der geistlichen
J) Ueber die kleine Lorscher Frankenchronik, SB. d. Berl. Akad. 1882,
S. 399—415, mit Ausgabe des Textes bis 806. Bernays, der auch Be-
nutzung der Lauriss. und Hofannalen nachzuweisen sucht, berichtigt S. 74,
dafs die Berner Hs. für St. Remigius (in Hautvillers nach Puckert) ge-
schrieben ist, aber aus einer Vedaster Hs. (mit der Abtsreihe) entnommen.
Eine ganz magere Regentenfolge bis auf Karl u. Karlmann, und fortgeführt
bis auf Ludwig d. Fr. hat aus Sanctgaller u. a. Hss. Waitz als Chronicön
breve Alamannicum herausgegeben, SS. XIII, 260 u. 724.
2) Sie fehlen ganz im Pal. 243 aus Lorsch, s. NA. X, 232.
Verschiedene Chroniken. 205
Autorität und Leitung hervor, was der Strömung der Zeit entspricht. —
Von 807 an beginnt eine sehr magere Fortsetzung bis 817, während
ein anderes nach Fulda gekommenes Exemplar dort eine andere
mit deutlich localer Färbung, ebenfalls bis 817, erhielt1).
Die lebhaft erwachende Thätigkeit in dieser Richtung bezeugen
ferner die Chronik der sechs Weltalter, welche bis 810 reicht, von
einem ungenannten Verfasser2), ein mageres chronologisches Gerippe,
ohne selbständigen Werth, die oben S. 146 erwähnten Ann. Maxi-
miani von 710 bis 811, die Fulder bis 814 (S. 150) und die Fla-
viniacenses von 816 (S. 146).
Bis 818 reicht das Chronicon Moissiacense3), eine grofse
unverarbeitete Compilation, welche aus der vorher erwähnten Chro-
nik bis 741, der Compilation bis 805, den Reichsannalen und an-
deren bekannten Werken geschöpft ist, deren Bekanntschaft, wie
Puckert bemerkt, Abt Benedict von Aniane vermittelt haben kann,
aber doch hin und wieder auch eigentümliches aus jetzt verlorenen
Quellen hat; darunter hat Dorr4) Aquitanische Annalen und ein
Chronicon Aquitanicum ohne genaue Chronologie auszuscheiden und
zu sammeln versucht. Der Verfasser ist so unselbständig und schreibt
so gewissenhaft seine Vorlagen wörtlich ab, dafs ihm auch der
werthvolle letzte Theil der Chronik von 813 bis 818 nicht zuzu-
trauen ist. Dieser schliefst sich vielmehr in der ganzen Weise der
Erzählung so genau den bis dahin benutzten Ann. Laureshamenses
(s. oben S. 145) an, dafs wir mit L. Giesebrecht annehmen müssen,
es habe dem Schreiber der Handschrift ein vollständigeres Exemplar
J) MG. I, 121—123. Vgl. SS. III, 18 über die Münchener Handschrift,
NA. X, 232 über die Vaticanische Hs. Pal. 243 aus Lorsch.
2) Chronica de sex aetatibus mundi, bei Kollar, Anal. Vindob. p. 602.
Das Ende allein MG. SS. II, 256, vgl. Arch. VII, 272. Die unter Ludwig
d. Fr. verfafste, unter dem falschen Namen des Claudius Taurin. bei Labbe,
Bibl. nova I, 309 — 315 gedruckte Chronik ist vollends mir ein chronolo-
gischer Versuch.
3) Bis auf Honorius ungedruckt; von da an MG. I, 280 — 313; vgl. II,
257, wo die Jahre 801 bis 813 nach einer neugefundenen Hs. verbessert
sind. Pückerts oben erwähnte Abh. enthält viele beachtungswerthe Be-
merkungen darüber.
4) De bellis Francorum cum Arabibus gestis (Diss. Regiom. 1861) p.
39 — 48. Die von ihm hier zuerst nachgewiesene Compilation von 805 ist
seitdem genauer bestimmt, s. oben S. 202. Herstellung des Chron. Aquit.
von Witiza bis 812, S. 43—48. Vgl. Waitz, NA. V, 483, über die Zu-
sammensetzung des Berichts von 725 aus 2 Quellen; 711, 737, 752 sind
jener Compil. zu überweisen, Forsch. XX, 393. Nach B. Simson, Forsch.
XIV, 134, sind verwandte Nachrichten in Labbe's Chron. S. Victoris, jetzt
als Ann. S. Victoris Massil. gedr. SS. XXIII, 1—7. Er vermuthet Benutzung
des Chron. Moissiac. in diesen. Ein späteres kurzes Chron. Aquitanicum
(eigentlich Annales) 830—886. 930. 1025, MG. II, 252.
206 II- Karolinger. § 10. Ludwig des Frommen Zeit.
vorgelegen, dessen Schlufs uns nur hier erhalten ist. Die Herkunft
der Chronik ist südfranzösisch, es sind aber, wie G. Monod1) bemerkt,
von ihr zwei ganz verschiedene Bearbeitungen vorhanden, von denen
die eine aus Moissac stammt, ihr fehlen die Jahre 716 — 777. Die
andere stammt aus Aniane und hat Zusätze, in denen die Geschichte
ganz willkürlich behandelt wird, z. B. 779 und 780 spanische Namen
an die Stelle der sächsischen gesetzt sind. Zu einer mit diesen
verwandten Chronik gehört nach der wichtigen Entdeckung von
Puckert2) die sog. Notitia de servitio monasteriorum , welche überall
arglos benutzt ist, hier aber als eine spätere Fälschung, vermuthlich
aus Aniane, nachgewiesen wird.
So stellt sich uns also eine lebhafte litterarische Thätigkeit dar,
bei welcher zunächst die Sorge für die bis dahin in so hohem
Grade vernachlässigte Form der Darstellung in den Vordergrund
tritt, mit welcher sich aber nicht minder auch das Streben nach
Ergänzung der geschichtlichen Thatsachen verbindet. Am Ende des
Jahrhunderts werden die Annalen bis 801 von dem sog. Poeta Saxo
sogar in Yerse gebracht.
Die Fortführung der Annalen bis 829 ist vom höchsten Werthe
und gewährte ein noch lange befolgtes klassisches Vorbild der
gleichmäfsigen Darstellung der Zeitgeschichte. Hatte schon Einhard
den früheren Theil der Annalen für sein Leben Karls zu Rathe ge-
zogen, so finden wir den folgenden Abschnitt von 814 an zu einer
Biographie Ludwigs verwandt, nicht unbedeutend verändert, aber
nicht verbessert, mit Einhards Werk gar nicht zu vergleichen3).
§ 10. Ludwig des Frommen Zeit.
Funck, Ludwig der Fromme, Frankfurt a. M. 1832. B. Simson, Jahrbücher des Fränkischen
Reichs unter Ludwig dem Frommen. 2 Bde. Leipz. 1874. 1876.
Ein Jahrhundert lang hatte das karolingische Haus daran arbeiten
müssen, das zerfallende merowingische Reich wieder zur Ordnung
und Festigkeit zu bringen, bevor Karl daran denken konnte, auch
den Wissenschaften hier eine neue Heimath anzuweisen. Als dann
Ludwigs ungeschickte Hände den stolzen Bau im Laufe weniger
Jahre in seinen Grundfesten erschütterten, als von neuem Raub und
Gewaltsamkeit aller Art ungehindert geübt wurden, da wurde auch
J) Revue critique 1873, II, 262.
2) Bericht der K. Sachs. Ges. d. Wiss. 1890, S. 45—74.
3) Der Einsiedler Codex einer Compilation über Karls Leben ist
nach B. Simson, Forsch. XIV, 135 auf eine Benutzung des Regino zurück-
zuführen.
Annales Bertiniani. 207
diese zarte Blüthe geknickt. Es half nichts, dafs Ludwig persönlich
litterarischen Bestrebungen geneigt war1), dafs er die Klosterzucht
herstellen half, was auch den Schulen zu Gute kam; wir wollen ihm
nicht den Ruhm schmälern, das schöne altsächsische Gedicht des
Heliand veranlafst zu haben, aber unter dem Waffenlärm konnte
die Wissenschaft nicht gedeihen, und über ihre Mifsachtung wird
schon bald nach Karls Tod geklagt2). Schon 829 baten die zu
Worms versammelten Bischöfe dringend um die Errichtung von
mindestens drei öffentlichen Schulen, um dem Verfall Einhalt zu
thun: die Ausführung wird bei der wachsenden Zerrüttung des
Reiches unterblieben sein3).
Die Hofschule blieb jedoch bestehen, der Ire Clemens und
andere Lehrer wirkten daran, und unter Karl dem Kahlen gewann
sie noch einmal einen glänzenden Aufschwung. Auch die Reichs-
annalen wurden nicht unterbrochen, sondern in gleichmäfsiger
Weise weiter fortgeführt. Es sind die nach ihrem Fundort genannten
Bertinianischen Annalen, eieren Schreibart den amtlichen Charakter
nicht verkennen läfst; wir werden auf dieselben noch später zurück-
zukommen haben. Alle die traurigen Vorfälle der Zeit werden
hier mit möglichster Schonung berührt; der Herr Kaiser erscheint
stets in seinem Rechte, aber auch gegen die Gegner, welche ja eben-
falls seinem Hause angehörten, wird anständige Mäfsigung beobachtet.
Im Jahre 835 übernahm der Bischof Prudentius von Troyes
die Fortsetzung, und führte sie bis zum Jahre 861, wo der Erz-
bischof Hinkmar die Arbeit aufnahm; schon war nicht mehr der
königliche, sondern der erzbischöfliche Hof zu Reims der wahre
Mittelpunkt des Reiches. Der genaue Zusammenhang der karolin-
gischen Reiche aber tritt in diesen Jahrbüchern noch deutlich hervor,
1) Aus den Kanzleiformeln der Urkunden verschwanden unter ihm die
herkömmlichen Barbarismen, oben S. 160.
2) Walahfridi Praef. ad Einh. V. Caroli: „Nunc relabentibus in con-
traria studiis, lumen sapientiae quod minus diligitur, rarescit in plurimis."
Lupus anEinhard: ,.Nunc oneri sunt, qui aliquid discere affeetant." Ep. 1
ed. Baluze. Auch bei Ideler, Leben Karls d. Gr. II, 138. Die ganze Stelle
ist lesenswerth. Aehnliche Stellen von Claudius Taurinensis (über ihn s.
Ebert II, 222 — 224; Laville, Claude de Turin. Essai sur le protestantisme
du IX. siecle (These). Toulouse, Chauvin.) giebt Reuter, Gesch. d. Aufkl.
1, 267. Dümmler, Ostfr. III, 649—652, wo die Hofschule ausführlich be-
handelt ist. Ueber diese auch B. Simson II, 255 — 260.
3) „Similiter etiam obnixe et suppliciter vestrae cclsitudini suggerimus,
ut morem paternum sequentes, saltim in tribus congruentissimis imperii
vestri locis scholae publicae ex vestra auetoritate fiant, ut labor patris
vestri et vester per ineuriam quod absit labefaetando non depereat." MC
Legg. I, 339. Der Vorschlag kam von der Pariser Synode,
208 II. Karolinger. § 10. Ludwig des Frommen Zeit.
indem auch die italienischen und die deutschen Begebenheiten sorg-
fältig berücksichtigt werden.
Der vornehmen Kürze der Reichsannalen treten für die frühere
Zeit Ludwigs die Gedichte des Ermoldus Nigellus1) zur Seite;
schmeichlerische Lobgedichte, die zwar als solche kaum zu den
eigentlichen Geschichtsquellen gerechnet werden können, aber doch
von mancher Einzelheit uns Kunde geben, und durch ihre Schilde-
rungen vielerlei Aufschlufs gewähren über Zustände und Personen
der Zeit. Aquitane von Geburt, war Ermold ein Günstling des
Königs Pippin; er geleitete ihn, obwohl Mönch, auf der Heerfahrt
des Jahres 824 gegen die Bretonen mit Schild und Speer: doch
scherzt er darüber selbst, und sein Herr lachte ihn aus. Der Kaiser
aber gab ihm Schuld, dafs er Pippin verführe, und verbannte ihn
deshalb nach Strafsburg, wo Bischof Bernald ihn unter seine Auf-
sicht nahm. Hier nun schrieb er seine vier Bücher, in Distichen,
über die Thaten des Kaisers, mit Ludwigs aquitanischem Königthum
beginnend bis auf Heriolds Taufe 826, und es liegt in der Natur
der Dinge, dafs er ihm sowohl wie der Kaiserin Judith um so ärger
schmeichelte, je mehr er sich seiner Verbindung mit ihren Gegnern
bewufst sein mochte; er erreichte jedoch seinen Zweck nicht, und
sandte deshalb noch zwei Elegien an König Pippin, deutlich Ovid
nachahmend, hinter dem er doch in Sprache und Versbau unendlich
weit zurückbleibt2). Seine Befreiung aber mag er wohl dem Siege
der Verschworenen im Jahre 830 verdankt haben3).
Kaum minder lobrednerisch für Ludwig, als die Verse Ermolds,
sind die beiden Lebensbeschreibungen, welche wir von ihm besitzen-
Die eine, welche nur bis 835 reicht, ist schon zu seinen Lebzeiten
verfafst, von Thegan oder Degan, einem vornehmen Franken und
Landbischof der Trierer Kirche, auch Probst des Cassiusstifts in
Bonn, von welchem sonst nichts bekannt ist, als sein freundschaft-
!) Ausgabe von Pertz, MG. SS. II, 464-523. Migne CV, 551—640
nach Bouquet. Dümmler, Poet. Lat. II, 1 — 92. Verbesserungen von Traube,
Karol. Dicht. S. 65 Uebersetzung von Pfund, Berl. 1856. 1889 (Ge-
schichtschr. 18. IX, 3). Henkel: Ueber den hist. Werth der Gedichte des
Ermoldus Nigellus, Progr. der höheren Bürgerschule zu Eilenburg 1876.
Ebert II, 170—178. Simson, Karl d. Gr. II, 258 ff. Theilw. übers, v. Th.
Reinhart im Jahrb. f. Gesch., Sprache u. Litt. Elsass-Lothr. II. 1886.
2) Anklänge an VergiJ, das allgemeine Schulbuch, fehlen natürlich auch
nicht, zuerst gesammelt von Dorr, De bellis Francorum cum Arabibus
gestis, Diss. Regim. 1861, p. 53—55, dann vollständiger bei Dümmler,
nebst anderen, besonders auch an Theodulf u. Naso, vgl. NA. XI, 80. 554.
3) Die früher vermuthete Identität mit einem Abt Hermold 834 u. dem
Abt Ermenald von Aniane kann als beseitigt gelten : vielleicht aber war er
der Hermold, der 838 als Pippins Kanzler erscheint.
Ermoldus Nigellus. Thegan. 209
licher Verkehr mit Walahfrid und einigen anderen, den ein Paar
noch erhaltener Briefe und Verse bezeugen. Er ist von ganz beson-
derem Eifer gegen die aus unfreiem Stande erhobenen und dann
überm üthig gewordenen Bischöfe erfüllt, von denen er jedoch nur
Ebo von Reims nennt; man vermuthet deshalb, dafs er vielleicht in
dessen Sprengel ansäfsig war und persönlich von ihm zu leiden ge-
habt hat. Walahfrid rühmt (um 825) seine stattliche Erscheinung,
seine gigantische Statur, und seine Gelehrsamkeit. Jene Schrift nun
ist vielleicht durch Einhards Werk über Karl angeregt, verfolgt aber,
wie es B. Simson wahrscheinlich macht, einen bestimmten politischen
Zweck, indem wohl nicht ohne Absicht neben scharfem Tadel Lothars
und seiner Anhänger die Verdienste Ludwigs des Deutschen sehr
hervorgehoben werden. In der Form sehr unvollkommen, und
gröfstentheils in magerer annalistischer Weise verfafst, gewährt sie
uns doch einige gute Nachrichten; der Aufgabe einer wirklichen
Biographie aber konnte der Verfasser schon deshalb nicht genügen,
weil er von Leidenschaftlichkeit gegen Ludwigs Gegner, vorzüglich
gegen Ebo von Reims, erfüllt war, und die wahren Ursachen der
Unruhen und inneren Kriege verschweigt1). Walahfrid freilich, ein
ebenso eifriger Anhänger Ludwigs, lobt, indem er die Mängel des
Ausdrucks mit der seelsorgerischen Thätigkeit des Mannes entschul-
digt, gerade die Wahrhaftigkeit desselben; er theilte das Büchlein
in Capitel und versah diese mit Ueb er Schriften, um sich und andere
an den Thaten des Kaisers Ludwig, heiligen Andenkens, um so
besser und häufiger erbauen zu können.
Mit geringerer Heftigkeit, doch mit nicht minderer Parteilich-
keit für Ludwig, ist die zweite gröfsere Lebensbeschreibung dessel-
ben2) geschrieben, welche ein unbekannter Geistlicher vom Hofe
J) Am Schlufs folgen noch Nachrichten über die Jahre 836 n. 837, in
welchen die Uebertragung des h. Castor nach Coblenz (daraus entnommen,
doch mit richtigem Datum, Anal. Boll. I, 119, vgl. NA. XII, 603) auffallend
hervortritt. Ausgabe von Pertz, MG. SS. II, 585 — 604. Uebersetzung von
Jasmund, 1850. 1889 (Geschichtschr. 19. IX, 4). Ebert II, 359—361. Eine
Erwähnung unter dem Namen Theganbert in der Transl. Chrysanti et
Dariae a. 844; Urkk. v. 842 u. 847 NA. XIII, 154, 157, wo er Theigen-
bert heisst. Obitus Thegani ep. im Necrol. S. Maximini zum 20. März.
Ueber Walahfrids Vorrede in derselben Kopenhagener Handschrift, welche
auch dessen Vorrede zu Einhards Vita erhalten hat, s. Archiv VII, 373;
im St. Galler Catal. s. IX. erscheint das Buch als 'De bonitate Hludouuici
imp. in quaternulis'. Weidm. S. 400. Vgl. B. Simson: Ueber Thegan,
Forsch. X, 325—352. Benutzt ist die Vita in der Domus Carolingicae
Genealogia (SS. II, 309, vgl. Forsch. X, 338), den Ann. Lobienses und Flo-
doardi Hist. Remensis.
2) Mg. SS. II, 604—648. Uebers. mit Thegan. Ebert II, 361—364.
Ueber die Steinfelder Handschrift, jetzt Mus. Brit. 21109, Archiv VII, 365:
Wattenbach, Geschicht6quellcn I. 6. Aufl. 14
210 H. Karolinger. § 10. Ludwig des Frommen Zeit.
bald nach dem Tode des Kaisers verfafst hat; man pflegt ihn den
Astronomen zu nennen, wegen einiger Bemerkungen, welche sich
auf diese Wissenschaft beziehen. Tiefere geschichtliche Einsicht
dürfen wir bei einem Anhänger Ludwigs überhaupt nicht suchen,
und auch der Stil dieses Biographen ist entstellt durch übertriebenes
Streben nach phrasenhaftem Schmuck. So hat er in dem mittleren
Theile seines Werkes von 814 bis 829 fast nur die Reichsannalen
ausgemalt und durch seine Schönrednerei entstellt1). Schätzbarer
ist der erste Abschnitt, wo Ludwigs Jugendzeit nach den Erzäh-
lungen oder, wie Ebert vermuthet, nach einer schriftlichen Aufzeich-
nung des Mönches Adhemar geschildert ist, der mit dem Kaiser
auferzogen war. Im letzten Theile endlich giebt der Verfasser aus
eigener Kenntnifs Nachricht yon dem was er erlebt, und wenn auch
seine Darstellung wenig zu loben, die Chronologie sehr verwirrt ist,
so ist doch der Inhalt von grofsem Werthe für uns.
Diesen Schriften reihen wir noch das Leben des Abtes Bene-
dict an, des Stifters des Klosters Aniane (f 821), der das Ver-
trauen des Kaisers in so hohem Grade besafs; zuletzt Abt des für
ihn erbauten Klosters luden oder Cornelimünster, wurde er zugleich
Obervorsteher aller Klöster im Frankenreich, und entfaltete eine
grofse Wirksamkeit für die Reform des Mönchswesens und Her-
stellung der Schulen. Sein Leben wurde ein Jahr nach seinem Tode
(821) von Ardo, genannt Smaragdus, seinem Nachfolger als Abt
von Aniane, in anschaulicher Weise liebevoll geschildert, mit be-
sonders genauer Kenntnifs der früheren Zeit, wie er, damals Witiza
genannt, ein edler Gothe, Sohn des Grafen von Maguelonne, ein
tapferer Kriegsmann, Mönch wurde und sich zuerst einer ganz über-
triebenen Askese hingab, bis das Leben ihn erzog, und nun seine
über die Petersburger NA. V, 221. Ueber stilistische Anklänge Manitius,
NA. XI, 70—73.
a) Zuletzt hat G. Meyer von Knonau in d. Abh. über Nithard ausführ-
lich nachgewiesen, S. 132 — 135, wie der Astr. c. 23 — 43 die Ann. Lauriss.
814—829 benutzend sie entstellt; S. 129—132. 135, wie er c. 59—62
Nithard c. 6 — 8 in ähnlicher Weise behandelt hat, dessen Benutzung mir
jedoch zweifelhaft ist; S. 129 — 132 ist die Verwirrung der Chronologie
c. 54 — 61 beleuchtet. Für den hohen Werth des ersten Theils ist daher
das Hauptverdienst Adhemar zuzuschreiben. Diesen hält Dorr, De bellis
Francorum cum Arabibus gestis (Diss. Regim. 1861) p. 51, nach einer Ver-
muthung Giesebrechts für den wiederholt genannten Heerführer Hadhemar,
der im Alter Mönch geworden sei. Allein die verschiedene Schreibart in
demselben Bach, der Mangel jeder Hindeutung darauf und die Häufigkeit
des Namens in Aquitanien sprechen dagegen. B. Simson, Lud. d. Fr. II,
294 — 301 behandelt das Werk ausführlich und vermuthet, dafs es unvoll-
ständig überliefert sei. Benutzte Verse von Vergil weist Manitius nach,
NA. IX, 618, andere Anklänge XI, 70—73.
Benedict v. Aniane. Doda. Streitschriften. 211
reformatorische Thätigkeit weithin wirksam wurde. Auch die Be-
kehrung des Grafen Wilhelm yon Toulouse wird darin berichtet,
dessen Leben später fabelhaft ausgeschmückt ist1).
Ein merkwürdiges Denkmal aus dieser Zeit ist der über manu-
alis Dodanae, die von Dhuoda, der "Witwe des Grafen Bernhard von
Septimanien, im J. 841 für ihren Sohn Wilhelm verfafsten Rath-
schläge und Unterweisungen, woraus einst Mabillon und Baluze Aus-
züge gegeben haben, welche jetzt mit Benutzung einiger neugefun-
denen Fragmente von E. Bondurand neu herausgegeben sind2).
In einer Zeit der erbittertsten Parteiungen konnte die Geschicht-
schreibung nicht den Charakter ruhiger, unparteilicher Schilderung
bewahren, den wir in den Reichsannalen wahrnehmen; jede Erzählung
nimmt eine bestimmte Farbe an nach dem Standpunkt des Verfassers,
und es treten nun auch die politischen Streitschriften hinzu, in
welchen die Gegner ihr Verfahren zu rechtfertigen, die Widersacher
anzuschuldigen sich bemühen. Dahin gehört aus dieser Zeit nament-
lich das beredte Manifest des Erzbischofs Agobard von Lyon, wel-
ches das Auftreten der Söhne gegen ihren Vater rechtfertigen sollte3),
und von der anderen Seite die Klage des Herrn Kaiser Lud-
wig, angeblich von ihm selbst verfafst, in Wahrheit aber doch wohl
nur eine Stilübung aus dem Kloster des h. Medardus4).
Den Tod des Kaisers und die darauf folgende Zwietracht be-
klagte in einer Elegie Florus, der bekannte Diakonus von Lyon5).
*) Mab. IV, 1, 191. S. XV, 198—220 von Waitz, mit Exe. der Vita
Willelmi monachi Gellonensis. Ebert II, 346 — 348. Hauck II, 528 — 545.
Ueber das Leben des Adalhard und Wala s. unten § 16.
2) L'Education Caroline. Le manuel de Dhuoda. Paris 1887.
3) Apologetieus pro filiis Ludovici Pii imp. adv. patrein, Bouq. VI, 248
u. a. m. Eigentlich zwei verschiedene Schriften, s. B. Simson I, 398. II, 67,
u. als solche SS. XV, 274 — 279 ed. Waitz als: Libri duo pro filiis et contra
Judith vxorem Lud. Pii. Er war einer der bedeutendsten theologisch-po-
litischen Schriftsteller, und seine Schriften (ed. Baluze 1666, Migne CIV)
berühren vielfach die Zeitverhältnisse. S. über ihn Baehr S. 98. 383 — 388.
C. v. Noorden, Hinkmar S. 39. B. Simson I, 397—399. Reuter, Gesch.
d. Aufklärung I, 24—41. Ebert II, 209—222. Dümmler , NA. IV, 263,
und die Gedichte an ihn, Poet. Lat. II, 118. 356. J. F. Marcks, Die po-
litisch-kirchliche Wirksamkeit A. Progr. d. Realprogym. zu Viersen 1888.
Enge, De Agobardi cum Judaeis contentione, Lips. 1888. Er starb 840
Juni 6, Ann. Lugdun. MG. I, 110.
4) Sie findet sich in der Translatio S. Sebastiani (oben S. 199), ist aber
auch unter dem Titel Con questio domni Chludovici imperatoris et avgusti piis-
siini de erudelitate et defectione et fidei ruptione mditum, suorum et horrendo
seelere ßliorum suorum in sui dejeetione et depositione patrato abgesondert
überliefert. Ausg. v. Holder-Egger SS. XV, 388. — Dahin gehört auch die
gegen Ebo gerichtete, von Flodoard aufgenommene Visio Raduini, NA.
XI, 262.
5) Querela de divisione imperii post mortem Ludovici Pii\ bei Mab. Anal.
14*
212 IL Karolinger. § 11. Nithard.
§ 11. Der Streit der Söhne. Nithard.
Nithardi Historiarum libri IV. ed. Pertz, MG. SS. II, 649—672. Besonderer Abdruck
Hann. 1839; 2. Ausg. mit neuer Benutzung der Pariser Handschrift, sonst ohne Zu-
satz, 1870; von Holder mit wiederholter Benutzung derselben 1880. Uebersetzung
von Jasmund, Berl. 1851. 1889 (Geschichtschr. 20. IX, 5; S. 67 1. fünften statt 15).
— Die Eidesformeln jetzt auch bei Müllenhoff und Scherer S. 197 (3. Ausg. I, 231),
vgl. S.479 (II, 365). Brakelrnann in Hoepfners und Zachers Zeitschr. f. d. Philol. III,
85 — 95. Arbois de Jubainville : Le Text Franc etc. Bibl. de l'Ecole de Chartes
XXXII, 321 —340. Facs. bei G. Paris: Les plus anciens Monuments de la langue
Franchise (1875) pl. 1. Chr. Pätz, De vita et fide Nithardi, Diss. Hai. 1865. Gerold
Meyer von Knonau, Ueber Nithards 4 Bücher Geschichten, Leipz. 1866, 4. 0. Kuntze-
müller, Nitbard u. sein Gescbicbtswerk, Diss. Jen. 1873. Ebert II, 370—374. Die
Handschrift stammt aus Saint-Magloire in Paris, Hist. Zeitschr. XXXI, 220. Delisle,
Note sur le Catalogue general p. 37. Manitius, Parallelstellen, NA. IX, 618. XI,
69-73.
Wir haben schon früher gesehen, wie am Anfang des Mittelalters
diejenigen Männer, welche sich durch litterarische Bildung auszeich-
neten, wenn sie auch ihre Bildung noch nicht der Kirche verdankten,
doch zuletzt dieser sich zuwandten, und dasselbe wiederholt sich
auch in Karls Zeit. Die fränkischen Ritter verschmähten jede ge-
lehrte Bildung, und die Bemühungen Karls in dieser Beziehung
blieben ohne dauernde Wirkung. Die Kirche war gar bald wieder
alleinige Hüterin des Griffels und der Feder. Auch Einhard hatte
sich klösterlichem Leben zugewandt, wenn er auch nicht in den
geistlichen Stand getreten war, und kriegerische Waffen hatte er nie
geführt. Auch Angilbert, wenn er jemals, wie man später erzählte,
ein Kriegsheld gewesen war, zog doch die Kutte an; sein Sohn
Nithard aber bietet uns das einzige Beispiel eines vornehmen und
tapferen Streiters, der wirklich das Schwert aus der Hand legte, um
auch mit der Feder die Sache seines Herrn zu vertheidigen. Freilich
hat seine Bede nicht mehr den Wohlklang von Angilberts Muse;
man fühlt ihr die Zeit an, wo schon über den Verfall der Schulen
geklagt wird, sie ist rauh und hart, aber dafür entschädigt der tüch-
tige Sinn des Mannes, seine Einsicht und Kenntnifs der Dinge. Dafs
auch seine Schrift durchaus parteiisch ist, versteht sich von einem
Manne, der mitten in den heftigsten Kämpfen stand, von selbst; es
konnte nicht anders sein1).
I, 388, ed. II p. 413. Bonq. VII, 301. Poet. Lat. II, 559-564. Vgl. über
ihn Ebert II, 268—272. Dümmler, NA. IV, 296—301. 581. 630. Poet.
Lat. II, 507 — 566. Ueber seine CaDonensammlung M. Conrat, Gesch. d.
Quellen u. Litt. d. Rom. Rechts (1889) I, 253; vgl. auch NA. XI, 436.
*) Kuntzemüller bekämpft diese Auffassung, allein es war gar nicht
anders möglich und ist, da seine Wahrheitsliebe allgemein anerkannt ist,
auch kein Vorwurf.
Nithards Leben und Geschichtswerk. 213
Nithard war ein eifriger Anhänger Karls des Kahlen, und theilte
mit ihm alle Wechselfälle des Kriegs. Im Jahre 840 übernahm er
eine Gesandtschaft an Lothar, und als diese vergeblich blieb, zog er
mit Karl dem Heere Lothars entgegen; da, als sie eben im Begriff
waren, in Chälons-sur-Marne einzureiten, gab Karl ihm den Auftrag,
die Geschichte seiner Zeit zu schreiben, um sein Recht aller Welt
darzulegen. Doch war ihm zunächst noch Nithards Schwert wich-
tiger, als seine Feder; am 25. Juni 841 wurde die Entscheidungs-
schlacht bei Fontenoy geschlagen, wo auch Nithard, wie er selbst
erzählt, tapfer kämpfte. Dann griff er wieder zur Feder; im ersten
Buch stellte er einleitend die Ereignisse dar, welche zu diesen
Kämpfen geführt hatten, die Reichstheilungen, und die Verwirrung,
welche daraus entstanden war, zweckmäfsig und übersichtlich erzählt1).
Mit Ludwigs Tode hebt im zweiten Buch die ausführliche Darstellung
an; das Unrecht Lothars und die Verwerflichkeit seines Benehmens
gegen die Brüder sind der vorzügliche, auch in dem an Karl gerich-
teten Vorwort ausdrücklich bezeichnete Gegenstand. Die Schilderung
des entscheidenden Kampfes, mit dem das Buch schliefst, unterbricht
Nithard durch die Bemerkung, dafs eben jetzt, während er schreibe2),
am 18. October desselben Jahres, die Sonne sich verfinstere. Das
dritte beginnt er voll Unmuth: er habe gar nicht weiter schreiben
wollen, weil es ihn schmerze und ihm zuwider sei, von seinem Volke
schmähliches zu berichten; doch damit nicht etwa jemand sich er-
kühne, die Sachen anders zu berichten als sie sich ereignet hätten,
habe er sich entschlossen, noch ein drittes Buch hinzuzufügen über
dasjenige, woran er selber Theil genommen, die Verhandlungen näm-
lich, die ihn fortwährend in Anspruch nahmen. Mit ähnlichen Wor-
ten beginnt er auch das vierte Buch, das letzte, welches leider nur
bis zum Anfange des Jahres 843 reicht; dann scheint er in sein
Kloster zurückgekehrt zu sein, vermuthlich eben deshalb, weil es
ihm als Laienabt verliehen war. Ich hatte früher ganz bezweifelt,
dafs er Abt gewesen sei, allein da die Grabschrift wirklich von dem
Zeitgenossen Mico zu sein scheint, so müssen wir ihm glauben, dafs
Nithard kurze Zeit (paiicissimis diebus sagt Hariulf) Abt gewesen
und als solcher im Kampf gefallen sei. Da schon im Sept. 844
Ludwig Abt ist, so mufs er vor diesem eingeschoben werden, und
!) Gegen Pertz haben Pütz und G. Meyer v. Knonau Benutzung des
Nithard beim Astronomus nachzuweisen gesucht, die mir doch noch zweifel-
haft ist.
2) Wahrscheinlich im Lager Karls zu St. Cloud, s. Fimck S. 274,
Dümmler, Ostfr. I, 169.
214 n. Karolinger. §11. Nithard.
es mag die Vermuthung von Traube richtig sein, dafs Richbod,
nachdem er noch 842 *) die feierliche Erhebung Angilberts besorgt
hatte, ihm den Platz bat räumen müssen, was in diesem Kloster
mehrmals vorkam. Wir hören nichts weiter von ihm, als dafs im
elften Jahrhundert, als Angilberts Grab in St. Riquier eröffnet wurde,
man darin die Leiche Nithards fand, in Salz gelegt, in dem hölzernen,
mit Leder bedeckten Sarge, worin er einst vom Schlachtfelde heim-
getragen war, an seinem Haupt die Wunde, welche ihm den Tod
gegeben. Damals hat man ihn als Abt gemalt, und der Kloster-
dichter Mico verfafste dazu ein Epitaph2). Als Todestag wird
XVIII. Kai. Jun. angegeben, was richtiger durch Id. Mai bezeichnet
wäre. Dümmler schlägt deshalb vor, Jul. zu setzen, und so kämen
wir auf den 14. Juni. Merkwürdiger Weise aber ist nach Prudentius
der Abt Richbodo von St. Riquier am 14. Juni 844 am Agout ge-
fallen, und ist auch dieser ein Enkel Karls des Grofsen gewesen.
Leider fehlt es uns an jeder zuverlässigen Nachricht zur Aufklärung
dieser Yerhältnisse ; wenn Nithard mit ihm zugleich gefallen wäre,
so mufs man doch annehmen, dafs er sicherlich auch hätte erwähnt
werden müssen. Wir beschränken uns also darauf, das Epitaph hier
mitzutheilen. Es lautet:
EPYTAFIUM.
Hie rutilat species Nithardi pieta sagacis,
Nomen rectoris qui modico tenuit,
Eheu! quod subito in bello rapuit gemebundo
Mors inimica satis seu furibunda nimis:
Invidia siquidem multatus hostis iniqui,
Qui prinius noeuus perstitit innoeuis.
Astu nam belli viguit quasi fortis Asilas3),
Nee non ex sophia floruit ipse sacra.
Extitit elatos rigidus mites humilisque
Contra commissum paeificusque gregem.
Cujus de Caroli genio4) processit origo
Nobilis ac celsa caesaris egregii.
Occubuit Junii oetavo deeimoque Kalendas
Hostili gladio: hac requiescit humo.
Hos quicumque legis versus, miserere suique
Die: Animae ipsius det veniam Dominus,
Jam quia sublatus terris regione locatus
Sit, preeibus, saneta, hoeque frequens rogita.
*) Am 24. Oct. nach Meyer v. Knonau, Anm. 292, dem Traube (für
den 5. Nov.) ohne Angabe von Gründen widerspricht.
2) Jetzt auch Poet. Lat. III, 310 von Traube herausgegeben.
3) Der in Verg. Aen. IX, 571 u. X, 175 gefeierte Held und Weissager.
4) Diese Correctur von Dümmler statt gemino hat Traube angenommen
mit Hinweis auf den ähnlichen Ausdruck im Carm. CL, 2.
Nithard. Rhythmische Dichtungen. 215
Donec e tumulo salient cineres quoque vivi,
Corpore suscepto quo reparatus eat
Ad loca sanctorum, fultus hinc inde maniplis
Angelicis sanctis cum patribus reliquis.
Ungern trennen wir uns von diesem Büchlein, dem Werke eines
wackern Kriegshelden und einsichtigen Staatsmannes, welcher so
recht aus der Mitte der Begebenheiten mit Ernst und Wahrheitsliebe
berichtet, was er selbst durchlebt, woran er selbst den bedeutendsten
Antheil genommen hat. Unwillkürlich knüpft sich daran der Ge-
danke, wie ganz anders die Geschichtschreibung sich hätte entwickeln
können, wenn die Laien der folgenden Jahrhunderte es nicht ver-
schmäht hätten zu schreiben, wenn nicht die Feder ausschliefslich
der Geistlichkeit überlassen wäre, der wir zwar viel schöne und
treffliche Werke zu danken haben, die aber mit Notwendigkeit ihre
kirchliche Auffassung in alle Yerhältnisse übertrug. Wir möchten
ihre Werke nicht missen, aber gar gerne hätten wir daneben auch
die Stimmen einsichtiger Laien.
Doch ist Nithard nicht der einzige von den Kämpfern in der
Schlacht bei Fontenoy, dessen Worte uns vorliegen ; auch von Lothars
Seite ist uns eine Schilderung der Schlacht erhalten in dem Klagelied
jenes Angilbert, der, im ersten Treffen kämpfend, von Vielen allein
übrig geblieben war. Voll tiefen Grames sind seine Worte, nirgends
tritt uns so lebendig der bittere Schmerz entgegen über diese allzu
harte Nacht, in welcher die Tapfersten gefallen sind, die Kundigsten
des Krieges1). Die Form dieser Verse ist rhythmisch, die Sprache
diejenige, welche uns schon aus der merowingischen Zeit bekannt
ist, lateinisch wie es ein Romane sprechen und schreiben konnte,
ohne es schulmäfsig erlernt zu haben. Daher haben wir auch der-
gleichen Dichtungen nur aus Frankreich2) und Italien3), aus Deutsch-
') „Ubi fortes ceciderunt, proelio doctissimi." Anf. Aurora cum. Ge-
druckt in der Octavausgabe des Nithard S. 55 f. und sonst häufig. Cousse-
maker, Hist. de Fharmonie (1852) 86 u. Facs. pl. I, 3. Erste vollständige
Ausg. (2 neue Strophen) bei Dümmler in den philol. Abh. zu Ehren Th.
Mommsens, 1877. Poet. Lat. II, 138. Die Verse fangen nach der Reihe
mit den Buchstaben des Alphabets an, reichen aber nur bis P. Eine
Uebersetzung mit Erläuterungen bei Meyer von Knonau S. 139, und nebst
anderen im Anhang zu dessen Schrift: Die schweizerischen hist. Volks-
lieder des 15. Jahrh. (Zürich 1870) S. 66. Ebert II, 313.
2) Bei Dumeril, Poesies populaires Latines anterieures au douzieme
siecle finden sich S. 251 ein Klagelied um den Tod des Abtes Hugo 844
Hug dulce nomen (auch bei Coussemaker 92 mit Facs. pl. II, 2, Poet. Lat.
II, 139; s. über ihn Sickel, Acta Karol. I, 96), S. 253 eine Klage Got-
schalks in seiner Verbannung (846 oder 847 0 quid jubes, Couss. 49 u. pl.
II, 3: vgl. Dümmler, NA. IV, 320. Ebert II, 166), S. 255 Verse auf die
Zerstörung des Klosters Montglonne oder Saint-Florent-le-Vieil durch die
216
II. Karolinger. § 11. Nithard.
land nur Kunstpoesie gelehrter Geistlicher1). Daneben sang das Volk
seine deutschen Lieder, die wohl gelegentlich erwähnt werden, die
aber niemand aufschrieb. Nur der Ludwig sleich, gedichtet auf
die Norniannenschlacht bei Saucourt (881), bildet davon eine Aus-
nahme2).
Ein höchst eigenthümliches Product jener traurigen Zeiten,
wo durch die Zwietracht der Brüder alle Ordnung gestört war und
besonders die Kirchen fortwährender Beraubung und Mifshandlung
ausgesetzt waren, wo dann auch Karl der Kahle die anfangs noch
an ihn geknüpften Hoffnungen in zunehmender Weise täuschte, sind
die Schriften und vorzüglich die Revelationen des Audradus
Modicus aus dem Martinskloster zu Tours, der 847 vom Erzbischof
Wanilo zum Landbischof von Sens eingesetzt wurde, im Nov. 849
Bretonen 853, Dulces modos (neue Ausgabe nach dem MS. von Midlehill
von Dom Pitra, Archives des Missions scientifiques IV, 182 a. 1856; Poet.
Lat. II, 147), S. 266 Sigloards Klagelied um Fulko von Reims 0 Fulco
(900). Anderer Art sind Theodulfs Oden auf Ludwig des Frommen An-
kunft in Orleans und in Tours, Poet. Lat. I, 529. 578.
3) Rhythmische Beschreibung von Verona aus Pippins Zeit, von Rather
mitgebracht und nebst einem Stadtplan von Verona in eine (verschollene)
Handschrift des Klosters Lobbes eingetragen, Magna et praeclara, Poet.
Lat. I, 119. Traube, Karol. Dicht. S. 122—129. Verse auf K. Pippins
Sieg über die Avaren 796 (Omnes gentes) in Pertz' Octav-Ausgabe von
Einhards V. Caroli p. 35, Poet. Lat. I, 116. Paulinus Klage über Herzog
Erichs Tod (799 Mecum Timavi) ib. p. 37, Dumeril S. 241, Coussemaker,
S. 87 u. Facs. pl. I, 4. Sinner, Catal. Bern. I, 148 — 157 mit Erläuterungen,
Poet. Lat. I, 131. Planctus Caroli (814, A solis ortu) vermuthlich aus
Bobio, bei Einhard S. 41, Dumeril S. 245, Coussemaker S. 91 mit Facs.
pl. II, 1, Poet. Lat. I, 435; darauf bezieht sich, wie Dümmler bemerkt,
Thietm. VIII, 15, indem er den darin als Patron des Klosters angeredeten
Columban für den lebenden Abt zu halten scheint. Ganz verschieden da-
von ist das viel jüngere oft gedr. Kirchenlied Urbs Aguensis, welches auch
auf Zürich und Frankfurt angewandt ist. — Klage um Aquileja, Ad flendos,
Paulinus zugeschrieben, Poet. Lat. I, 142. Spottverse auf dasselbe, Aqui-
legia gloriosa, ib. II, 150. Ueber Ludwigs II Gefangenschaft (871, Audite
omnes) Dumeril S. 264. Poet. Lat. III, 404; ib. p. 405 sein Epitaph Hie
cubat. Das Wächterlied aus Modena während der Belagerung durch die
Ungarn 904 O tu qui bei Dumeril S. 268; vgl. Dümmler, NA. IV, 559;
Joh. Merkel NA. I, 572 hält es für älter. — Das vou Baronius auf Lothar
(855) bezogene Epitaphium Caesar tantus eras ist von Dümmler NA. I, 179
auf Heinrich III bezogen, auf Lothar wieder von De Rossi, Inscriptt. christ.
II, 1, 302, u. von Traube, der den Vf. für einen Nachahmer des Sedulius
hält, mit Beziehung auf Poet. Lat. III, 158 u. 234.
*) Ueber diese rhythmische Poesie überhaupt s. Ebert II, 311 — 328.
2) Müllenhoff und Scherer I, 24, vgl. II, 71 ed. III, übersetzt bei Dümm-
ler, Ostfr. III, 155. Denselben Ludwig feierte nach Mabillon in lateinischen
Versen Abt Angilbert von Corbie bei Uebersendung einer Abschrift von
Augustin de doctrina christiana, aber Traube hat dieselben für Angilbert
von St. Riquier u. Ludwig d. Fr. in Anspruch genommen, O Roma nobilis,
S. 322 ff.
Audradus Modicus. Frechulf. 217
aber mit seinen meisten Collegen diese Stelle wieder verlor. Im
März 849 überreichte er seine gesammelten Schriften in Rom dem
Pabst Leo IV, welcher sie im Archiv von St. Peter niederlegte;
die angeblichen Yisionen aber setzte er noch bis 853 fort. Diese
nur fragmentarisch erhaltenen Schriften sind kürzlich durch neuge-
fundene Fragmente verständlicher geworden und von L. Traube in
scharfsinniger Weise erläutert; sie enthalten nicht unbedeutende
Beiträge zur Geschichte der Zeit1).
§ 12. Frechulfs "Weltchronik.
Wir haben oben § 10 die ersten, noch recht unvollkommenen
Versuche betrachtet, die fast verlorene Verbindung mit der Vergan-
genheit herzustellen. Die Ereignisse der Gegenwart nahmen zunächst
die Aufmerksamkeit in Anspruch und mit ihrer Aufzeichnung begann
man; doch regte sich auch bald das Bedürfnifs in den gröfseren
Zusammenhang einzutreten und einen Ueberblick über die Welt-
geschichte zu gewinnen. Bei der raschen Ausbildung formaler Ge-
wandtheit konnten die in der Form noch halb barbarischen und inner-
lich unverarbeiteten Compilationen sehr bald nicht mehr genügen,
und es ist begreiflich, dafs man sich dieser grofsen und schwierigen
Aufgabe von neuem und mit besserem Erfolge zuwandte.
Ganz anderer Art nun, als jene Compilationen, und das Werk
eines wirklich bedeutenden Mannes ist die Weltchronik des Bischofs
Frechulf von Lisieux. Unbekannter Herkunft nennt er Helisachar,
den vielvermögenden Kanzler Kaiser Ludwigs2), seinen Lehrer, und
die Freundschaft, welche ihn mit Hraban verband, wird wohl schon
damals geschlossen sein, als dieser zu Alcuins Füfsen safs3). Ver-
muthlich aus dem Kreise der Hofgeistlichkeit wurde Frechulf auf
den Bischofstuhl erhoben; in Lisieux fand er eine in tiefe Unwissen-
heit versunkene Herde zu weiden, und einen solchen Büchermangel,
dafs nicht einmal die Bibel vorhanden war. Er wandte sich deshalb
*) Audradi Modici Carmina ed. Traube, Poet. Lat. III, G7 — 122. Ders.
0 Roma nobilis, p. 374 — 391, wo die Revel. gesammelt u. erläutert sind.
Bedeutende Fragmente hat Albricus gerettet. S. 377, 1 1. judicat statt
indicat.
2) Ueber diesen s. Siekel, Acta Karol. I, 8G — 88. Simson IT, 234.
Ein Brief von ihm über Verbesserung des Antiphonars NA. XI, 564 — 568.
3) Dafs Frechulf ein Sachse und Mönch in Fulda gewesen sei, beruht
allein auf dem Trithemischen Meginfrid von Fulda, und ist, da dieser er-
dichtet ist, wohl nur ein Schlufs aus dem Freundschaftsbund mit Hraban.
Die Briefe beider enthalten aber nicht die geringste Hindeutung darauf.
218 IL Karolinger. § 12. Frechulfs Weltchronik.
an seinen Freund Hraban, seit 822 Abt "von Fulda, mit der Bitte
um einen Commentar zum Pentateuch, der die Erklärungen der alten
Kirchenlehrer mit Beifügung ihrer Namen enthalten sollte, und
Hraban erfüllte seine Bitte. Wohl bald nacher sandte der Kaiser
ihn 824 an den Pabst Eugen II wegen des damals lebhaft geführten
Streites über den Bilderdienst; bis 852 wird noch seine Theilnahme
an verschiedenen Synoden erwähnt1), 853 aber erscheint sein Nach-
folger Eirard.
Ohne Zweifel hat Frechulf seine Verbindungen und wohl auch
die Reise nach Rom benutzt, um dem Büchermangel abzuhelfen, so
dafs er bald im Stande war, auf Helisachars Wunsch und Antrieb
mit einer für die damalige Zeit nicht unbedeutenden Gelehrsamkeit
und Kunst ein Werk über die alte Geschichte zu Stande zu bringen,
in welchem die ausgehobenen Stellen der benutzten Autoren zu einer
ausführlichen Darstellung nicht ungeschickt verbunden sind. Zu
diesem ersten Theile fügte er bald noch einen zweiten, welcher die
Geschichte des römischen Reiches von Christi Geburt bis zur Ver-
treibung der römischen und gothischen Obrigkeiten aus Gallien und
Italien und der Aufrichtung völlig selbständiger Reiche durch die
Franken und Langobarden fortführt; die Geschichte der christlichen
Kirche fand ihren Abschlufs durch Gregors des Grofsen Pontificat.
Diese zweite Abtheilung seines Werkes überreichte er 830 oder
etwas früher der Kaiserin Judith, deren Gelehrsamkeit auch von
Hraban und Walahfrid gepriesen wird2), um davon für den Unter-
richt des noch zarten Knaben Karl Gebrauch zu machen. Ueberaus
merkwürdig ist es, dafs Frechulf hierdurch die sonst so ängstlich
festgehaltene Continuität des römischen Reiches gänzlich aufgab, dafs
er es wagte, die neuen Reiche auf römischem Boden als etwas wirk-
lich neues, ihre Stiftung als den Beginn einer neuen Zeit zu be-
trachten3). Nachfolger hat diese Abweichung von dem herrschenden
*) 852 erwähnt bei Quantin, Cartulaire de FYonne I, 64.
2) Dümmler, Ostfr. I, 41. Acrostichische Verse ihr zu Ehren bei H.
Hagen, Carmina Medii Aevi p. 126—128, Poet. Lat. II, 165, von Hraban.
3) Vgl. Büdinger, Hist. Zeitschrift VII, 115. Ebert II, 381—384. Die
gründlichste Untersuchung über Frechulfs Werk mit genauer Analyse des-
selben nach den von ihm benutzten Quellen hat Emil Grünauer aus Win-
terthur gegeben in seiner Diss. de fontibus historiae Frechulphi ep. Lixo-
viensis, 1864. Frechulph und Frechulf ist die Schreibart der ältesten und
besten (St. Galler) Handschrift, aus welcher hier nebst Facs. die in den
Ausgaben fehlenden Capitel mitgetheilt sind. Sein Todestag (October 8.
Frehholfi ep.) im Würzb. Necrol. ed. Dümmler, Forsch. VI, 117. Eine un-
vollständige und dem Julius Florus zugeschriebene Hs. in Avranches 2428,
s. Ravaisson, Rapport sur les bibl. de l'Ouest (1841) p. 20; die Widmung
an Judith S. 361. Vgl. unten §. 20 über die Translatio Ragnoberti. —
Frechulf. Ado. 219
Systeme nicht gefunden ; nur Notker, der Mönch von St. Gallen (I, 1)
ist kühn genug, die Bildsäule als zertrümmert, das römische Reich
als vergangen zu betrachten, und Kaiser Karl als den Herrscher eines
neuen Weltreichs hinzustellen.
In dem herkömmlichen Geleise blieb auch Ado, Erzbischof von
Vienne (f 874), der Verfasser des Martyrologiums, welcher sich auch
an einer Weltchronik versuchte *). Er verband zu diesem Zwecke
mit der Chronik des Beda Auszüge der gewöhnlichen Quellen, die
er jedoch stilistisch zu einer zusammenhängenden Erzählung über-
arbeitete. Den Faden für die Verbindung des Ganzen gab ihm die
Folge der Kaiser; an Constantin und Irene knüpft sich unmittelbar
Karl der Grofse, dann Ludwig, Lothar, Ludwig II : so wird der Ge-
danke der Einheit des römischen Reiches durchaus festgehalten.
Die Erhebungen der Söhne gegen Ludwig den Frommen erscheinen
nur als unberechtigte Revolutionen; dann wird Karl der Kahle als
trefflicher und weiser Regent gepriesen, alle aber überstrahlt die
Hoheit des Pabstes Nikolaus. Es ist die Geschichte vom Stand-
punkte der Autorität und der vorgefafsten Meinungen, der sie so
lange beherrscht hat und eine unbefangene Auffassung der Ereignisse
unmöglich machte.
Auch eine Volksgeschichte der Franken liegt uns vor, wahr-
scheinlich aus dem Jahre 816, die einem übrigens unbekannten
Erchanbert, doch ohne genügende Sicherheit, zugeschrieben wird2).
Die von Fr. Haase im Breslauer Ind. lectt. hiem. 1860 gedruckte Widmung
einer Abschrift des Vegetius an einen König (wiederholt Veget. ed. Lang
p. XXIII) kann doch wohl nur von Frechulf sein, nach den Worten: post
Ubros ab inicio mundi usque ad regna Francorum in Gallia a parvitate mea
congestos ex hagiographorum sive gentilium Iristoriis, und das wird, wie
Dümmler bemerkt , durch übereinstimmende Ausdrücke bestätigt. Der
König ist dann Karl der Kahle. Vgl. auch Dümmler, Ostfr. I, 404, und
in Haupts Zeitschr. XV, 451, wo 443 bis 450 ein von Hraban für Lothar,
wahrscheinlich II, im J. 855 verfafster Auszug aus Vegetius, mit einigen Notizen
über fränkische Sitten, mitgetheilt ist. Den lebhaften praktischen Gebrauch
des Vegetius bezeugt auch Salimbene S. 197.
1) Auszüge, und von 814 an vollständig MG. SS. II, 315—323; die
beiden unbedeutenden Fortsetzungen S. 324. 325. Eine weitere, ebenfalls
unbedeutende Fortsetzung ans dem elften Jahrhundert S. 326. Die erste
Fortsetzung ist grofsentheils entnommen aus der kurzen Francorum Reguni
Iristoria 840—869, fortgesetzt bis 885 (gedr. MG. II, 324. 325) u. aus den
Ann. Floriacenses ; benutzt von Folcuin im Chartul. Sith. nach B. Simson,
Ludw. d. Fr. I, 192 Anm. 8. Series episcoporum Vienn. ed. Waitz, SS.
XXIV, 811, wo auch die früher ausgelassenen Stellen aus Ado über die
ältesten Vienner Bischöfe nachgetragen sind. — Ebert II, 384.
2) Erchanberti Breviarium Regum Francorum ed. Pertz, MG. SS. II, 327;
nur der letzte Theil ist abgedruckt nach Ussermann. Uebers. bei dem
Mönch von St. Gallen. Die Handschrift (MG. Legg. I, 267. III, 9) ist jetzt
220 II« Karolinger. § 13. Deutschland unter den Karolingern.
Doch ist kein grofser schriftstellerischer Ruhm daran zu verlieren
oder zu gewinnen ; sie beruht ganz und gar auf den Gesta Francorum,
und der angehängte Schlufs ist über alle Mafsen dürftig; nur die
sagenhafte Erzählung über die Beseitigung des letzten Merowingers
zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich, weil sie uns zeigt, wie früh
sich eine, der Wirklichkeit nicht entsprechende, stark kirchlich ge-
färbte Auffassung ausbildete.
Die Localgeschichten, welche später zu so bedeutender
Entwickelung gelangten, zeigen sich in dieser Zeit noch kaum in
ihren ersten Anfängen. Wir erwähnten schon des Paulus Diakonus
Geschichte der Bischöfe von Metz; aufserdem ist nur noch die Ge-
schichte der Aebte von St. Wandrille zu nennen1), bis zum
Jahre 833, mit einer Fortsetzung bis zum Jahre 850. Sie enthält
mancherlei merkwürdiges, z. B. über Einhards Stellung als Aufseher
der königlichen Bauten, und ist besonders ausführlich über die
Thätigkeit des Abtes Ansegis, jenes bedeutenden Mannes, dessen
Capitulariensammlung so grofses Ansehen gewann.
§ 13. Deutschland unter den Karolingern.
Reich sannalen.
Mit dem äufsersten Widerstreben hatten die deutschen Stämme
sich der Herrschaft der Franken unterworfen , welche von ihrer
niederrheinischen Heimath aus sowohl am Oberrhein wie am Main
festen Fufs fafsten und in gröfseren Massen sich ansiedelten, während
einzelne Herren dieses herrschenden Stammes überall im ganzen
Lande zu finden waren. Mit ihnen kam die fremde, römische Kirche,
und die rein deutsche, ureigne Entwickelung wurde durch das
Uebergewicht der fremden Bildung erdrückt. Doch ist es fraglich,
in Stuttgart Cod. Jur. qu. 134, s. Haenel in den Berichten der K. Sachs.
Ges. d. Wiss. 1865.
!) Gesta abbatum Fontanellensium, ed. Pertz (nach Dachery) MG. SS.
II, 270—301, nebst einem Fragmentum Chronici Font. 841—859 S. 301 bis
304. Ebert II, 377. Nach der lange vermifsten Hs. im Hävre neue Ausg.
von S. Loewenfeld, Hann. 1886; vgl. dens. Forsch. XXVI, 193—215, u.
über die Mängel der Ausg. Holder-Egger, NA. XVI, 602—606. Ueber
das Verhalten zu Fredegars Fortsetzern Breysig, Karl Martell, S. 114 u.
oben S. 203. Im Münchener historischen Jahrbuch 1865 von P. Roth be-
nutzt, um seine Ansicht über die Säcularisation unter den Karolingern zu
unterstützen. Auch die der Vita S. Wandregisili (oben S. 107) angehängten
Miracula (Mab. II, 547. Acta SS. Jul. V, 281) von verschiedenen Ver-
fassern bis nach 895 fortgeführt, sind nicht unwichtig; Ausz. SS. XV, 1,
406-409.
Gesta abb. Fontanellenium. Ludwig der Deutsche. 221
ob wir überhaupt berechtigt sind, hier von einer Entwicklung zu
sprechen; so lange wir von den Deutschen Nachricht haben, ist eine
solche, wo sie unberührt blieben, kaum wahrzunehmen, und gerade
das am spätesten unterworfene sächsische Heidenthum ist völlig starr
und jeder Veränderung widerstrebend; das waren Zustände, die un-
gestört viele Jahrhunderte ohne merkliche Entwicklung fortbestehen
konnten.
Gewaltsam wurden die Schwaben, Baiern, Sachsen dem Franken-
reiche einverleibt; aber nachdem bei ihnen die Kirche durch
Bonifatius sicher gegründet und durch Karls feste Hand auch über
Sachsen ausgebreitet war, nahmen sie nun auch an dem Leben
innerhalb derselben, an der Entwicklung aller der durch Karl ge-
legten und gepflegten Keime, den lebhaftesten selbstthätigsten An-
theil. Als das grofse Reich zerfiel, hatte diese Pflanzung bereits so
tiefe Wurzeln bei ihnen geschlagen, dafs die Trennung keinen nach-
theiligen Einflufs darauf äufserte; auch blieb ja die Einheit der
Kirche, welche die einzelnen Glieder schützte gegen das Schicksal
jener alten, in ihrer Vereinzelung verkommenden Gemeinden der
irischen Glaubensboten.
Ludwig dem Deutschen fehlte es nicht an Bildung1); er fand
Freude und Geschmack daran und scheint namentlich auch, wie sein
Vater, den Wunsch gehabt zu haben, den Deutschen das Christen-
thum durch Werke in der Volkssprache näher zu bringen. Ihm
selber glaubt man die Aufzeichnung des deutschen Gedichtes vom
Jüngsten Tage in einer ihm gewidmeten Handschrift zuschreiben zu
dürfen2); ihm übersandte auch Otfrid um 865 sein Evangelienbuch.
Nicht minder nahm aber auch Ludwig, wie sein Vater und seine
Brüder, lebhaften Antheil an den Fragen und Untersuchungen,
welche die gelehrten Theologen seiner Zeit beschäftigten, in so ein-
gehender Weise, wie es nur bei der gründlichen Schulbildung der
Karolinger möglich war. Der Erzbischof Adalram von Salzburg
(821 — 836) übersandte ihm die Abschrift einer Predigt des heiligen
Augustin, dieselbe, welcher die eben erwähnten deutschen Verse
beigefügt sind; ein Priester Regimar mehrere Schriften des h. Am-
brosius3). Besonders aber stand er in lebhaftem Verkehr mit Hraban,
*) S. Dümmler, Ostfr. II, 417 ff.
2) Schmeller, Muspilli, München 1832. Wackernagel, Litteraturgesch.
S. 56. Vgl. über die vermuthlich auch ihm gewidmete Wiener Hand-
schrift 552 von Karajan in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie
XXVIII, 311. Ein wahrscheinlich 850 an ihn gerichtetes theol. Gutachten
NA. XI, 457.
3) Cod. S. Galli 98. S. Dümmler, Ostfr. II, 418. Poet. Lat. II, 480.
222 II- Karolinger. § 13. Deutschland unter den Karolingern.
der ihm mehrere seiner Werke theils aus eigenem Antriebe, theils
auf ausdrückliche Aufforderung des Königs überreicht hat ; im
Prolog zum Daniel erwähnt er peritissimos lectores an seinem Hofe1).
Auch zu der Unterredung mit seinem Bruder Karl im Jahre 865
führte Ludwig den Bischof Altfrid von Hildesheim mit sich und
benutzte die Anwesenheit des gelehrten Hinkmar, um diesen beiden
Männern einige schwierige Stellen der heiligen Schrift zur Erklärung
vorzulegen. Dadurch veranlafst, verfafste Hinkmar seine Auslegung
des 17. Verses des 103. Psalmes, welche er dem Könige übersandte2).
Auch fehlte es am ostfränkischen Hofe wohl nicht ganz an einer
Hofschule für die vornehmen Jünglinge, welche nach alter Sitte dort
sich auszubilden suchten. Erzkanzler war von 829 — 833 der ge-
lehrte Abt Gozbald von Nieder-Altaich, welcher später (841 — 855)
das Bisthum Würzburg erhielt. Ihn nennt Ermanrich von Ellwangen
seinen Lehrer, vorzüglich aber kann er nicht Worte genug finden
zum Preise des weisesten der Lehrer, des Erzkaplans Grimald, der
noch an Karls Hofe gebildet war, man sagte sogar, dafs er noch
Alcuins Unterricht genossen habe, dann in der Reichenau höhere
Ausbildung suchte, und von 833 bis 870, wenngleich nicht ohne
Unterbrechung, der Kanzlei, bald auch der Kapelle Ludwigs vorstand.
Mit drei Abteien, Weissenburg, St. Gallen und Ellwangen3) bedacht,
hielt er sich doch noch immer vorzüglich am Hofe auf, wo die
wichtigsten Geschäfte ihm anvertraut wurden. Er war ein Neffe
des Erzbischofs Hetti von Trier, und der Bruder von dessen Nach-
folger Thietgaud4). Zu den bedeutendsten Gelehrten der Zeit stand
er in freundschaftlichen Beziehungen; so übersandte Hraban ihm
sein Martyrologium mit einer poetischen Widmung5), und nie ver-
säumte Grimald über den Staatsgeschäften die Pflege der Wissen-
schaft. Veranlafst war Hraban zu jenem Werke durch Batleik, einst
x) Kunstmann, Hrabanus Maurus, S. 212.
2) Dümmler II, 418. Wenn dieser S. 434 die Existenz einer Hofschule
für Laien schon unter Ludwig bestreitet, so ist zuzugeben, dass kein Zeug-
niss davon vorhanden ist; doch möchte ich glauben, dass für die dem
König commendierten Jünglinge einiger Unterricht nicht gefehlt haben wird.
3) Fast zweifellos nach Bossert, Württemb. Vierteljahrshefte 1889,
S. 142—144.
4) In der Grabschrift seiner Tante Warentrudis, Aebtissin von Pfalzel,
Schwester Hetti's, heifst es von Thietgaud: „Cujus germanus vir clarus in
omnibus extat, Nomine Grimaldus, ore et honore potens." Poet. Lat. II, 661.
5) Dumm er, Poet. Lat. II, 169; St. Gall. Denkmale (Mitth. der Antiqu.
Ges. XII, 6) S. 215; S. 248—250 über Gozbald und Grimald oder Gri-
mold, und über diesen Ostfr. I, 92. II, 434—438. Die Bedenken von L. De-
lisle, Sacram. p. 258, gegen die ihm beigemessene Fortführung des Sacram.
scheinen mir nicht begründet.
Gelehrte bei Ludwig dem Deutseben. 223
Einhards Schreiber, dann dessen Nachfolger als Abt von Seligenstadt
und von 839 bis 853 Kanzler an Grimalds Stelle 1). Auch Witgar,
Abt von Ottobeuern, der von 858 — 860 Kanzler war, dann Bischof
von Augsburg wurde, zeichnete sich durch Liebe zu gelehrten
Studien aus; nicht minder auch Grimalds Nachfolger Liutbert, der
Erzbischof von Mainz2).
Allein der Königshof war doch nicht mehr wie in Karls Zeit
der Mittelpunkt aller litterarischen Bestrebungen, welche sich nun
vielmehr an die Orte anschlössen, wo die bedeutendsten Lehrer der
Zeit wirkten, und namentlich bei dem bald nachher eintretenden
Verfall des Reiches kann man es nur als eine glückliche Entwicke-
lung betrachten, dass diese Studien in voller Unabhängigkeit an den
verschiedensten Orten feste Wurzeln getrieben hatten. Naturgemäfs
verbreiteten sie sich im ganzen Reiche, erblühten bald hier bald da
zu reicher Entfaltung, und folgten so derselben Richtung der Ver-
einzelung und Absonderung, welche im deutschen Reiche sich überall
und immer von neuem geltend macht. Daher ergiebt sich denn
auch die Betrachtung nach landschaftlichen Gruppen als die einzige
für die deutsche historische Litteratur anwendbare.
Aber wie überhaupt die Zeit der deutschen Karolinger sich aufs
genaueste den Zuständen des Frankenreichs anschliefst, so finden
wir auch unter Ludwig und seinen Söhnen noch eine Fortsetzung
der alten Reichsannalen. Denn wenn auch die Annalen von
Fulda3) aus einem Kloster hervorgegangen sind und diesen localen
Ursprung nicht verleugnen, so umfafst doch auch ihr Gesichtskreis
das ganze Reich, und die Klostergeschichte erscheint ganz als Neben-
1) An ihn ist eine zweite Widmung gerichtet, verbess. Abdr. Forsch.
XXV, 198, vgl. Düramler, Ostfr. II, 432. Auch Lupus von Ferneres war
mit ihm in litterarischem Verkehr, ep. 60 ed. Bai. und sein Epitaph von
Hraban (ib. p. 398; Poet. Lat. II, 240) erwähnt, dafs er die Schreiber
unterwiefs und dafs er jung starb.
2) Dumm ler, Ostfr. II, 438. Rethfeld, Urspr. d. Fuld. Ann. S. 36.
:i) Annales Fuldenses ed. Pertz MG. SS. I, 337—415. Neue Ausg.
von Fr. Kurze, Hann. 1891, vgl. dessen Abh. NA. XVII, 83—158. Ueber-
setzt von Rehdantz, Berl. 1852; 1889 (Geschichtschr. 23. IX, 8). Spuren
von Benutzung der Ann. Fuld. 769 bis 814 im Cod. E der angelsächs.
Chronik nachgewiesen von R. Pauli, GGA. 1866, S. 1416. Zum Sprach-
gebrauch M. Manitius, NA. XI, 68. 73. Die Fulder Fortsetzung der Laur.
min. bis 817 ist oben S. 205 erwähnt, die Ann. Fuldenses antiqui S. 150.
Eine schon um 830 in Fulda entstandene Compilation, welche im Anschluss
an eine Vermuthung von Waitz H. Lorenz wegen der Uebereinstimmung
der Ann. Hersfeld, mit Marianus Sc. annimmt, ist, wie G. Buchholtz, HZ.
LXV, 141, bemerkt, unwahrscheinlich, weil sich in d. Ann. Fuld. keine
Spur davon findet, und deshalb eher mit Kurze eine Arbeit des 10. Jh.
anzunehmen.
224 H« Karolinger. § 13. Deutschland unter den Karolingern.
sache. Die Verfasser müssen in naher Verbindung mit dem Hofe
gestanden, unter dem Einflufs desselben geschrieben haben, wenn
sich auch kein Zeugnifs dafür beibringen läfst; sie zeigen sich aufser-
ordentlich gut unterrichtet und beobachten auch als officielle Reichs-
historiographen dieselben Rücksichten, welche schon in den Fort-
setzungen des Fredegar und in den Lorscher Annalen wahrzunehmen
sind. Uebrigens haben sie vortrefflich geschrieben in jener schon
an Karls Hofe festgestellten Weise; dieselbe, in ruhiger Würde völlig
objectiv gehaltene Darstellung, von Jahr zu Jahr fortschreitend, mit
der deutlichen Absicht, der Nachwelt Kunde von den Ereignissen
zu hinterlassen und zugleich ihr Urtheil zu bestimmen. Nicht jedes
Jahr ist daran geschrieben, aber doch immer ziemlich bald nach
den Ereignissen, und deshalb haben wir an ihnen eine unschätzbare
Quelle ersten Ranges, bei der wir nur die Absichtlichkeit der Dar-
stellung nicht aufser Acht lassen dürfen. Die Form ist anspruchs-
los, und doch mufs mau bei näherer Betrachtung die Kunst aner-
kennen, welche dazu gehörte, in diesen wirren Zeiten alles im Auge
zu behalten, sich durch Nebensachen nicht abwenden zu lassen, und
mit knapper Beschränkung das Wichtigste übersichtlich zusammen
zu stellen.
Ein allem Anschein nach fuldischer Mönch war es, der zuerst
die Aufgabe übernahm, die 829 abgebrochenen Königsannalen für
Ludwigs Reich weiter zu führen. Er besafs jedoch dieselben, wie
es scheint, nicht vollständig, sondern wie in der Wiener Handschrift
612 (hist. prof. 989, cod. 6 bei Pertz) nur von 771 an; dazu die
Laurissenses minores von 714 an und die Sithienses 741 bis 823.
Gewifs war es wünschenswerth, hieraus ein übersichtliches Handbuch
zusammen zu stellen, und zu diesem Zwecke empfahlen sich ihm
vorzüglich die Sithienses durch ihre knappe und nicht incorrecte
Form: die für ihn noth wendige Aufgabe, die alten Lorscher Annalen
zugleich zusammen zu ziehen und ihrer rohen Gestalt zu entkleiden,
war hier bereits erfüllt; nur für den Anfang hatte er es noch nach-
zuholen. Der übergrofsen Kürze und Dürftigkeit wurde durch Zu-
sätze aus der kleinen Lorscher Frankenchronik, von 771 an über-
wiegend und bald ausschliefslich aus den Reichsannalen abgeholfen;
diesen vertraut er sich nun ganz an, ohne doch bis 823 die Führung
der Sithienses völlig zu verlassen. Als weitere Quellen weist Kurze
sowohl die von ihm construirte Chronik bis 796, wie die nach Saint-
Denis benannte Compilation bis 805 nach, der vielleicht schon eine
Fortsetzung sich anschlofs; auch die Annales Bertiniani zieht er
heran. Aus der Translatio SS. Marcellini et Petri (826 und 828)
Annales Fuldenses et Sithienses. 225
ist einiges zugesetzt1); vorzüglich aber verfehlte er nicht, die Haus-
geschichte seines Klosters mit Hülfe der alten Annalen in die Reichs-
geschichte zu verflechten. Die wenig reichhaltige Fortsetzung bis
838 berührt jedoch nur die allgemeinen Angelegenheiten, aber von
einer Einwirkung des Hofes ist noch nichts zu spüren, ein eigenes
Urtheil nur leise angedeutet. Der Verfasser hatte wohl nur die
Belehrung seiner Klosterbrüder im Auge, und nachdem einmal die
völlig ausgebildeten Annalen vorlagen, mufste auch ohne einen
äufseren Antrieb überall, wo man eine Abschrift besafs, der Wunsch
sich geltend machen, diese werthvolle Quelle wichtiger Belehrung-
weiter zu führen. Für diese Zeit und in einem Kloster von hervor-
ragender Bedeutung war eine solche Arbeit auch für Mönche nicht
mehr zu schwierig.
Das Verhältnifs zu den Annales Sithienses, wie es hier ange-
nommen ist, beruht auf dem von B. Simson gegebenen Nachweis,
dafs den Annales Sithienses gerade alles dasjenige fehlt, was die
Annales Fuldenses wörtlich den Laurissenses minores entnommen
haben, da doch unmöglich angenommen werden kann, dafs gerade
alle diese Zusätze bei einem Auszuge weggelassen wären; zugleich
weist der Zusatz zu der Notiz über die Rinderpest 810 auf einen
Zeitgenossen im letzten Theile2).
Ich sehe mich hier leider wieder genöthigt, wie schon in den
früheren Ausgaben, von dem sonst immer so schwerwiegenden
Urtheil von Waitz abzuweichen, obgleich sich derselbe Forsch. XVIII,
354 ff. speciell an mich gewandt hat, um mich von der entgegen-
gesetzten Sachlage zu überzeugen. Es war auch bei mir nicht etwa
eine aus Simsons Paralleldruck hervorgegangene „Täuschung des
Auges" ; ich hatte mir vielmehr selbst den Text der Fulder Annalen
für diesen ganzen Abschnitt in seine Elemente zerlegt, und war
dadurch zu demselben Resultate gekommen, welches Simson gewonnen
hat, und welches durch Is. Bernays von neuem mit grofser Schärfe
begründet ist. Die Ueberspringung so vieler sicher aus den Lauriss.
*) B. Simson bemerkt Ludw. d. Fr. II, 300 mit Recht, dafs die vorhan-
denen Anklänge an den sog. Astronomus nicht auf Benutzung desselben
beruhen können, weil er jünger ist.
3) Vgl. Waitz in Pertz Archiv VI, 739. Simson, lieber die Ann. En-
hardi Fuld. und Ann. Sithienses, Jenaer Habilitationsschrift 1863. Waitz,
Gott. Nachr. 1864, N. 3. Simson, Forschungen IV, 575. Waitz, Forsch.
VI, 653. Nachr. 1873, S. 587—599. Simson, Ludw. d. Fr. I, 400—404.
Waitz, Forsch. XVIII, 354—361. Simson ib. S. 607—611. Bernays, Zur
Kritik karol. Ann. S. 109 ff. Simson, Karl d. Gr. I, 655. Holder-Egger
NA. XIV, 206. Eine Anzahl abgerissener Sätze ist wörtlich wiederholt in
den Ann. Blandinienses.
Wattenbach, Geschichtsnuellen I. G. Aufl. 15
226 ü* Karolinger. § 13. Reichsannalen.
min. entnommener Stellen in den Sithienses scheint mir unleugbar,
und mit der Annahme, dafs diese aus den Fuldenses excerpirt
wären, unvereinbar. Die vorhandenen Schwierigkeiten müssen des-
halb auf andere Weise erklärt werden, wie es in mehreren Fällen
Bernays mit Erfolg versucht hat. Fr. Kurze, welcher sich diesem
Standpunkt durchaus angeschlossen hat, vermuthet die Benutzung
einer besseren und vielleicht etwas reichhaltigeren Handschrift,
welche auch weiter fortgesetzt sein konnte. Uebrigens ist die ganze
Frage sachlich ohne Bedeutung.
Die Annales Sithienses haben diesen Namen nur deshalb er-
halten, weil sie von Mone in einer Handschrift des Klosters Sithiu
oder Saint-Bertin entdeckt und daraus veröffentlicht sind1). Locale
Beziehungen aber fehlen durchaus. Sie beginnen mit Königsnamen
von 548 bis 726; von 741 bis 823 liegen fortlaufende Reichs-
annalen vor, von welchen schon Mone richtig bemerkte, dafs sie an-
fangs zum Theil auf den Ann. Petav. beruhen, übrigens aber durch-
gehende Verwandtschaft mit den Ann. Lauriss. und Einhardi zeigen.
Der Text' schwankt zwischen beiden Texten. Das aber, und der
Anklang an verschiedene andere Quellen wird von Kurze zurückge-
führt auf die Benutzung der oft erwähnten Compilation bis 796.
Der Auszug ist nicht ohne Geschick gemacht, aber sehr dürftig, so
dafs der Fulder Annalist, wie bereits erwähnt, aus anderen Quellen
sich reicheren Stoff verschaffte.
Ueber die kühnen Hypothesen Dünzelmanns glaube ich jetzt
weggehen zu dürfen, da seine Ansicht von einer Theilung der An-
nales Fuldenses in einen schon um 793 verfafsten und einen späte-
ren Theil widerlegt wird durch die zweifellose Benutzung der Lau-
riss. min. und den von Waitz geführten Beweis, dafs diese erst um
806 verfafst sind.
Ueber den Verfasser dieser Annalen nun werden wir belehrt
durch eine Randnote in dem um 900 geschriebenen Schlettstadter
Codex zum Jahre 838: hucusque Enhardus.. Dafs hiermit kein
anderer gemeint ist, als der berühmte Einhard, können wir als
sichergestellt betrachten; ein Mönch Enhard ist weder in den Fulder
Todtenannalen noch im Reichenauer Nekrolog zu finden. Für seine
Autorschaft hat sich nun in bestimmtester Weise Kurze erklärt2),
indem er sich besonders darauf stützt, dafs zum Jahre 836 in das
Itinerar des Kaisers die Angabe eingeschoben ist, derselbe sei „ad
J) Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit (1836) V, 5 — 11. Neue
Ausg. von Waitz SS. XIII, 34—38.
2) NA. XVII, 133-138.
Annales Fuldenses. Rudolf. 227
sanctos Marcellinum et Petrum" gekommen. Darum müfsten die
Annalen in Seligenstadt geschrieben sein. Allein ich denke, der Ruf
dieser Heiligen und ihrer Wunderthaten müfste damals weit ver-
breitet und auch in Fulda wohlbekannt gewesen, der Besuch des
Kaisers auch da als sehr denkwürdig erschienen sein. Deshalb er-
scheinen mir Pückerts (S. 158) Gegengründe gegen die Fulder Ueber-
lieferung doch überwiegend, die Abfassung nur in Fulda selbst an-
zunehmen. Und dafs derselbe Mann nun auch noch die Ann. Sithienses
für seine Genter Mönche verfafst haben sollte, damit scheint mir
ihm wirklich zu viel zugemuthet zu werden. Sieht man in ihm den
Verfasser der grofsen Reichsannalen, so kann man vollends diese
annalistische Vielgeschäftigkeit nicht glaubhaft finden.
Von der Fortsetzung der Annalen war schon längst erkannt
worden, dafs sie nicht aus dem Kloster Fulda herstammen können,
obgleich der Verfasser der ersten Fortsetzung (838 — 863) Rudolf
uns als Mönch des Klosters bekannt ist; wir werden noch auf ihn
zurückkommen. Er ist aber so sehr in die Denkweise, die Gesichts-
punkte und Absichten des Hofes eingeweiht, so gleichmäfsig unter-
richtet über die wichtigeren Begebenheiten in allen Theilen des
Reiches, dafs ein näheres Verhältnifs zum König nicht zu verkennen
ist; er stellt denselben stets in das günstigste Licht, und zählt
z. J. 858 sich selbst zu den „consiliorum regis conscii". Aber an-
dererseits findet sich doch keine Spur eines Aufenthaltes am Hofe,
etwa der Zugehörigkeit zur Kanzlei, und wir finden ihn auch später
wieder im Kloster. Hatte nun schon Duchesne bemerkt, dafs Einige
den Mainzer Ursprung dieser Annalen behaupten, und in der That
tritt die Beziehung zu Mainz oft sehr stark hervor, so hat doch erst
A. Rethfelcl in seiner scharfsinnigen Abhandlung1) die richtige
Lösung gefunden. Nachdem eine Urkunde vom 27. Jan. 849
(Mühlb. 1350) , worin Rudolf vom König als sein Beichtvater, zu-
gleich aber auch als Vorsteher der Schule zu Fulda bezeichnet ist,
schon längst als unecht beseitigt war, zeigen uns die Urkunden des
Klosters, dafs Rudolf in denselben zwar häufig vorkommt, aber nur
bis 841. Unzweifelhaft, dürfen wir wohl sagen, hat er in der Folge-
zeit sich lange auswärts aufgehalten, und es ist höchst wahrschein-
lich, dafs Hraban 847 bei seiner Erhebung zum Erzbischof ihn nach
Mainz mit sich nahm. Aber für die Zwischenzeit fehlt jeder An-
halt. Kurze hat jedoch auf den Bericht der Annalen von dem Aufent-
*) Ueber den Ursprung des 2., 3. u. 4. Theiles der sog. fuldischeu
Annalen v. 838—887, Hall. Diss. 1886. Vgl. dazu Fr. Kurze, NA. XVII,
138-146.
15*
228 II« Karolinger. § 13. Reichsannalen.
halt K. Ludwigs 838 in Frankfurt hingewiesen, welcher schon
auf eine vertrauliche Beziehung hindeutet: es scheint, dafs Rudolf
selbst anwesend war, und schon damals nach der löblichen Sitte der
älteren Könige den Auftrag erhielt, Reichsannalen zu schreiben.
Durch seine gelehrte Bildung, einen lateinischen Stil, der sich mit
Einhard wohl vergleichen läfst, und eine besonnene und billige
Denkweise war er dazu besonders geeignet; möchten wir allerdings
gern sehr viel mehr von ihm erfahren, so darf man nicht vergessen,
dafs seine Aufgabe eine knappe und übersichtliche Darstellung, ver-
bunden mit vorsichtiger Discretion erforderte. Setzte nun sein
Aufenthalt am erzbischöflichen und öftere Berührung mit dem könig-
lichen Hofe ihn in den Stand, vielerlei Nachrichten zu erfahren, so
mag ihm doch oft auch die Ruhe zur Ausarbeitung gefehlt haben,
denn man brauchte seine Feder auch für andere Aufgaben; nicht
jedes Jahr schrieb er seine Fortsetzung, und Kurze hat wahrschein-
lich gemacht, dafs er gerade, wenn er sich einmal wieder in Fulda
aufhielt, seine Notizen sorgfältig ausgearbeitet hat, so 853, wo er
die seit 849 gelassene Lücke ausfüllte. Zuletzt 860 zog er sich,
wohl durch seine Kränklichkeit veranlafst, ganz nach Fulda zurück.
Yermuthlich von dem Fortsetzer rühren die Randnoten her,
welche Enhard und Rudolf als Verfasser der früheren Theile nennen;
ihn selbst kennen wir nicht, aber es ist höchst wahrscheinlich, dafs
es Meginhard war, der auch Rudolfs anderes unvollendetes Werk
vollendete und mit einer gleichlautenden Randbemerkung versah.
Die Gegengründe von Pertz sind durch Rethfeld und Kurze wider-
legt. Er schrieb ganz in derselben Weise und in demselben Geiste,
wie sein Vorgänger, wenn auch mit geringerer Kunst des Ausdrucks,
gleichmäfsig die Reichsgeschichte nach allen Richtungen verfolgend,
auch nicht minder beflissen , die Könige in günstigem Lichte er-
scheinen zu lassen. Einen merkwürdigen Gegensatz bildet daher
eine, wie es scheint, besondere Aufzeichnung, nicht das Fragment
eines gröfseren Werkes, über Ludwigs des Jüngeren Krieg gegen
die Söhne Ludwigs des Stammlers, welches Boehmer auf dem letzten
Blatt einer aus Augsburg stammenden Handschrift saec. IX. in
München fand1). Dafs Meginhard in Mainz seine Annalen geschrie-
ben hat, ist vollkommen klar; 869 erscheint er zuletzt in den Urkunden
von Fulda; 870 wurde der Erzbischof Liutbert Erzkaplan, und damals
wird er Meginhard den Auftrag gegeben haben, die Annalen, welche
seit Rudolfs Tod liegen geblieben waren, fortzusetzen. Er besorgte
zu dem Zweck eine Abschrift von Rudolfs Werk, worin drei Stellen
') Cod. lat. Monac. 3851. Gedr. MG. SS. III, 159.
Die Fortsetzungen der Annalen von Fulda. 229
geändert, die nach Rudolfs Tod 864 und 865 in Fulda gemachten
Zusätze freier überarbeitet sind, und verfafste nun den Bericht über
die Zwischenzeit, welcher dürftig und lückenhaft, auch nicht fehler-
frei ausgefallen ist; dann aber schrieb er von Jahr zu Jahr und
zeigt sich vollkommen gut unterrichtet. Liutberts Persönlichkeit
steht durchaus im Vordergründe, allein als 882 Ludwig der Jüngere
starb, behielt Karl III seinen früheren Erzkaplan Liutward, und
Liutbert mufste zurücktreten; das Original der noch immer als
königlich betrachteten Reichsannalen wird abgegeben sein. Nun
besorgte sich Meginhard, von dem wir wohl als erwiesen ansehen
können, dafs auch die weitere Fortsetzung von ihm ist, eine Abschrift,
in welcher fünf gröfsere Stellen geändert sind (Red. IL bei Kurze),
und schrieb weiter, jetzt aber ohne alle höfische Rücksicht, mit
scharfem Tadel des Königs und seiner Räthe, vorzüglich Liutwards.
Im Jahre 887 wurde dieser gestürzt, aber auch Arnulf hatte schon
seinen Erzkaplan, den Erzbischof Theotmar von Salzburg, und Liut-
bert wurde wieder in den Hintergrund gedrängt. Da ist die Mainzer
Annalistik erlahmt; Meginhard selbst starb 888 und im folgenden
Jahr auch Liutbert.
Aber auch Karl blieb bei dem alten Herkommen , und auch er
fand einen Historiographen, der sich kein tadelndes Wort über den
Kaiser entschlüpfen läfst, und ihm schliefslich seine Belohnung im
Himmel anweist. Auch die Absetzung des Kaisers Avird von ihm
noch mit loyalem Unwillen berichtet, Arnulf jedoch mit grofsem Ge-
schick geschont, und von dem Augenblicke seiner Erhebung an
tritt dieser in die gebührende Stellung des rechtmäfsigen Königs
ein. Der Verfasser, dem bei dem raschen Verfall der Schulen be-
reits alles Gefühl für grammatische Correctheit abhanden gekommen
ist, mufs dem Hofe nahe gestanden haben, seine Heimath aber
scheint Baiern zu sein. Ueber dieses Land sind seiue Nachrichten
ausführlich und genau, die Mährer trifft sein leidenschaftlichster Hafs.
Ungeachtet der rohen Sprache, der Mangelhaftigkeit der Darstellung,
wird doch von ihm, und den 897 eintretenden Fortsetzern, so lange
Arnulf lebt, die Würde der Reichshistoriographie ungemindert auf-
recht gehalten. Man versuchte sogar auch unter dem Kinde Lud-
wig in alter Weise fortzufahren, allein bei der rasch überhand neh-
menden Zerrüttung verschwand auch diese Erbschaft aus dem Reiche
des grofsen Karl , und mit dem Jahre 901 erlischt die Fackel, welche
bis dahin unserem Wege so treulich leuchtete. Adam von Bremen
hatte eine bis 911 reichende Handschrift, führt jedoch aus dem
letzten Theile nichts mehr an. ^> — * ^^~^7^^^,,*^
ST. MICHAIL':;
itGE
230 Hl Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
Dieser letzte Theil ist uns nur in einer aus dem Kloster Nieder-
altaich stammenden Handschrift erhalten, welche von 897 ab Auto-
graph zu sein scheint. Hier hat merkwürdigerweise der ältere Theil
eine ganz besondere Beschaffenheit (Red. III), indem die ursprüng-
liche Aufzeichnung Rudolfs, welche vielleicht nach Kurze's Vermu-
thung bei einem Besuch des Klosters Fulda im August 897 dem
Hofe bekannt geworden war, mit der 2. Redaction verbunden ist, so
dafs wir an einigen Stellen nur hieraus den alten Text erkennen
können. Da diese Handschrift Pertz noch unbekannt war, konnte
mit Hülfe derselben Fr. Kurze seine Ausgabe auf einer besser ge-
sicherten Grundlage ausarbeiten.
§ 14. Fulda, Hersfeld, Mainz.
Kunstmann, Hrabanus Magnentius Maurus, Mainz 1841. Rettberg 1, 370—374. 605 — 633.
Die litterarische Thätigkeit der Mönche zu Fulda beschränkte
sich nicht auf die Reichsannalen; sie ist umfangreich genug, um
einen eigenen Abschnitt in Anspruch zu nehmen, und die Bedeutung
des Klosters für die Anfänge gelehrter Bildung auf deutschem Boden
ist so grofs, dafs wir auch seiner Geschichte eine etwras umständ-
lichere Betrachtung widmen müssen.
Die Gründung Fuldas wurde veranlagst durch Bonifaz, welcher
sich seine Ruhestätte dort erwählte, und wohl auch noch bei Leb-
zeiten sich dahin zurückgezogen hätte, wenn nicht schon früher die
Märtyrerkrone ihm zu Theil geworden wäre. In schmuckloser, aber
ausführlicher Erzählung wird uns mit anmuthiger Schlichtheit die
Geschichte der ersten Gründung berichtet in dem Leben des ersten
Abtes Sturmi, der, von Geburt ein Baier, schon als Jüngling Boni-
faz übergeben, in Fritzlar von Wigbert unterwiesen war, und nach
dreijähriger Wirksamkeit als Pfarrer, von der Sehnsucht nach dem
klösterlichen Leben in der Einsamkeit ergriffen wurde. Bereitwillig
förderte Bonifaz sein Streben, und sandte ihn, nachdem in Fulda
die neue Stiftung begründet war, nach Italien, um an der Quelle
die rechte Einrichtung des Klosterlebens kennen zu lernen; er hielt
sich deshalb längere Zeit in Montecassino auf1), welches als des
Abendlandes Mutterkloster von fränkischen Pilgern häufig aufgesucht
wurde. Unter königlichen und päbstlichen Schutz gestellt und bald
auch durch den Leib des hochverehrten Apostels der Deutschen ge-
heiligt, gewann das Kloster Fulda rasch eine kräftige Entwickeluug
x) Ruodolfi V. Liobae c. 10. Libellus supplex § 10.
Die Aebte Sturm, Baugulf, Ratgar. 231
und nahm zu an Glanz und Reich thum. Sturm vertheidigte, nach
manchen Wechselfällen doch zuletzt mit glücklichem Erfolge, die
Freiheit und Unabhängigkeit des Stiftes gegen den Erzbischof Lull;
sein Nachfolger Baugulf (779 — 802) schmückte es mit Bauwerken,
und erst jetzt begann auch das wissenschaftliche Leben in seinen
Mauern sich zu entwickeln, obwohl es an einer Schule von Anfang
an nicht gefehlt hatte. Alcuin hat damals Fulda besucht, und
Karls berühmtes Rundschreiben über die Notwendigkeit gelehrter
Bildung für die Geistlichen ist uns gerade in der an Baugulf ge-
richteten Ausfertigung erhalten; er ist es auch, der Einhards glück-
liche Anlagen früh erkannte, und ihn deshalb an des Königs Hof
sandte. Die ältesten Fulder Annalen (oben S. 150) beginnen mit
angelsächsischen Namen und in ihren Handschriften begegnen uns
die Schriftzüge der Angelsachsen; es kann nicht ohne günstigen
Einflufs geblieben sein , dafs diese höher gebildeten Mönche gerne
bei den Reliquien ihres gefeiertsten Landsmanns weilten, und auch
gelehrte Schotten fanden sich schon bald, des alten Gegensatzes
ihrer Kirche vergessend, an Winfrids Grabe ein, wie Probus, der
Freund des Lupus und Walahfrids. Baugulfs Nachfolger Ratgar
(802 — 817) sandte die fähigsten Mönche seines Stiftes zu den be-
rühmtesten Lehrern der Zeit, Hraban und Hatto nach Tours zu
Alcuin, Brun zu Einhard, Modestus nebst mehreren anderen zu dem
Schotten Clemens1). Vielleicht schon dieser Zeit gehört der Jo-
hannes Foldensis didasculus an, welcher in ungeschickten
Versen als grämlicher Alter gegen den Heiden Vergil eiferte und
dagegen des Arator christliches Gedicht pries2).
Es zeigt sich uns hier der Gegensatz, in welche die der Geist-
lichkeit zu ausschliefslicher Pflege überwiesene Gelehrsamkeit zu dem
ursprünglichen Zweck des Klosterlebens trat, und nicht minder litt
1) Catalogus abbatum in Böhmers Fontes III, 162; MG. SS. XIII, 272.
Clemens wird als Lehrer an Ludwigs des Frommen Hofe erwähnt, er wid-
mete in recht guten Versen dem jungen Lothar ein grammatisches Werk,
Grammatici Lat. ed. Keil I p. XXI; cf. Dümmler, Ostfr. II, 649, Haureau,
Singularites p, 23. Keil, de grammaticis quibusdam latinis inf. aet. (Erlanger
Univ.-Progr. 1868), p. 9—17. Dümmler, NA. IV, 258; Poet. Lat. II, 670.
2) MG. Poet. Lat. I, 392. Trithemius nennt als Schüler Hrabans (Vita I,
cap. 3): „Joannes monachus Fuldensis, patria Francus orientalis, poeta et
musicus insignis; qui et plura scripsit et cantum ecclesiasticum primus apud
Germanos varia modulatione composuit." Angef. v. Gerbert, De cantu et
musica sacra I, 282. Leider eine ganz unzuverlässige Quelle. — Caspar
Barth, Advers. 1. XXXII, c. 12, col. 1486, führt die Verse an: „Felicitatis
regula Hac fine semper constitit" von einem Fulder Mönch Eriufrid
„a. 806 ut vita ejus testatur". Die Hs. „e bibl. Martispurg." enthielt
„alia talia" u. Briefe. Leider habe ich keine weitere Spur davon finden
können.
232 H. Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
die stille Beschaulichkeit desselben durch den fürstlichen Hofhalt,
den Fremdenverkehr, die Unruhe und den Lärm der Bauten. Ratgar
warf man ungemessene Baulust, Härte und Hoffart vor; heftige innere
Zerwürfnisse waren die Folge1), und der Frieden kehrte erst wieder,
als 817 Katgar abgesetzt wurde. Es war das Jahr, in welchem der
Kaiser sich ernstlich der Reform der Klöster annahm und auf der
Aachener Versammlung die Kapitel verordnete, welche lange Zeit
fast gleiches Ansehen mit der Regel selber genossen. Zwei west-
fränkische Mönche, Aaron und Adalfrid, führten diese Reform auch
in Fulda ein; als sie sich hinlänglich befestigt hatte, erlaubte der
Kaiser eine neue Wahl, und Eigil übernahm die Leitung des Stiftes.
Dieser, den wir aus Einhards Briefen als dessen Freund kennen
lernen, war noch ein Schüler Sturms; ein Baier, wie er, und sein
Verwandter, war er schon als Kind nach Fulda gebracht und der
Klosterschule übergeben: über 20 Jahre hatte er unter Sturms Zucht
gelebt, und in dankbarer Erinnerung schrieb er das Leben seines
Meisters2), auf Bitten der Angilclruth, vielleicht einer Nonne von
Bischofsheim, dem ebenfalls von Bonifaz gestifteten grofsen Nonnen-
kloster. Die Sprache Eigils ist nicht frei von Germanismen, sie
trägt noch den Stempel der älteren, vor Alcuins Wirksamkeit
liegenden Zeit. Doch verletzt sie nicht mehr durch die groben
Fehler der merowingischen Zeit, und reichlich entschädigt für die
Mängel des Stils der einfach fromme Sinn des Mannes , seine an-
sprechende und ungesuchte Erzählung dieser Begebenheiten, welche
er theils noch selbst erlebt, theils aus dem Munde der älteren Brü-
der und seines Meisters erfahren hatte. Nach seiner Anordnung
wurde diese Legende jährlich an Sturms Gedenktage (17. Dec.) wäh-
rend der Mahlzeit den Mönchen vorgelesen.
Das Leben des zweiten Abtes Baugulf schrieb, durch Eigil
veranlafst, Bruun, mit dem Beinamen Candidus, wohl derselbe,
J) Libellus supplex Monachorum Fuldensium, Carola Magno Imperatori
porrectus. Broweri Antt. Fuld. p. 212. Schannat, Cod. Probb. p. 84. Mab.
IV, I, 260—262. Vgl. über diese Vorgänge B. Simson, Lud. d. Fr. I, 371
bis 374. Die S. 373 Anm. 9 angef. Stelle des Libellus kann ich aber nur
darauf beziehen, dafs keine Acte weltlicher Gerichtsbarkeit und kein
Marktverkehr auf dem Klosterplatz stattfinden sollen. Die Worte des
Cod. Fuld. Ann. Lauriss. min. a. 807 : 'Aufugiunt pueri puerorum et pessime
custos Consiliis pravis' sind, wie Simson bemerkt, vielleicht aus einem
verlorenen Gedicht.
2) Vita S. Sturmi ed. Pertz MG. SS. II, 365—377. Bei Migne CV,
421—444 nach Mabillon. Uebersetzt von W. Arndt mit dem Leben des
heiligen Bonifatius; von K. Schwartz mit beachtenswerthen Erläuterungen
in 2 Fulder Programmen, 1856 und 1858. Ebert II, 104—106. Die ver-
mifste Bamberger Hs. ist in Würzburg, Arch. VII, 109.
Leben Sturras und Eigils. 233
den Ratgar zu Einhard gesandt hatte, noch in seiner ersten, guten
Zeit, als er erst kürzlich in wunderbarer Einigkeit von den Brüdern
zum Abt erwählt war, wie Bruun berichtet. Leider ist dieses Leben
Baugulfs verloren1); erhalten aber ist uns das Leben Eigils2), von
demselben Verfasser auf Hrabans Veranlassung geschrieben, als
dieser noch Abt war, also vor 842. Der Verfasser war schon hoch-
betagt, 845 ist er gestorben. Er befand sich auf einer einsamen
Pfarre, und Hraban hatte ihn ermahnt, sich im Lesen zu üben und
etwas Nützliches zu schreiben. Die Lebensbeschreibung ist nicht
ohne Geschick verfafst, und wenn auch nicht fehlerfrei, lässt sie
doch in der anspruchsvolleren Form den Schüler Einhards wohl er-
kennen. Besonders gelungen ist die sehr lebensvolle Schilderung
der Bewegung, welche die Abtswahl im Kloster hervorruft; die An-
sichten und Aeufserungen der verschiedenen Wortführer werden in
der gewöhnlichen Umgangsprache wiedergegeben , und ein Kampf
der Meinungen und Wünsche, wie er sich ohne grofse Veränderungen
noch heutiges Tages bei solcher Gelegenheit beobachten läfst, stellt
sich uns mit grofser Lebendigkeit dar. Darauf versucht sich der
Verfasser in langen Reden, die man nun einmal nach dem Vorbilde
des Alterthums als nothwendig betrachtete, wenn man schön schreiben
wollte, Reden des Kaisers und des Erzbischofs von Mainz, in denen
Bruun die Betrachtungen niedergelegt hat, zu welchen ihn Ratgars
Amtsführung und die dadurch hervorgerufenen Wirren veranlafsten.
Zu Grunde gelegt sind hier nach Eberts Ansicht wirkliche An-
sprachen des Kaisers. Der Verfasser sagt es im Vorwort, und auch,
dafs er sie so, wie sie gehalten wurden, doch nicht wiederzugeben
vermöge. Vollkommen zutreffend hat aber dagegen Waitz bemerkt,
dafs eine solche Rede voll gelehrter Citate der Kaiser nicht halten
konnte, dafs ferner Bruun nicht zugegen und Jahrzehnte seitdem
vergangen waren. Den Hauptinhalt dessen, was er dann von Eigils
eigener Thätigkeit berichtet, bilden wiederum dessen Bauten,
namentlich die noch jetzt stehende achteckige Rotunde, die uns
wieder an die Freundschaft mit Einhard erinnert; Bruun, Einhards
*) Waitz bezweifelt, ob es überhaupt vollendet war. Vgl. 0. Cl. Th.
Richter: Wizo u. Bruun, 2 Gelehrte im Zeitalter Karls d. Gr. und die
ihren gemeinsamen Namen Candidus tragenden Schriften, Progr. d. Leipz.
städt. Realgymn. 1890.
2) Vita Eigilis, Broweri Sidera Germaniae, Schannat, Cod. Probb. 88
bis 114. Daraus Mab. IV, 1, 217—246: Migne CV, 381—422. Waitz (nur
die Prosa) SS. XV, 221 — 233, aber auch ohne handschriftliche Hülfsmittel.
Uebers. v. Grandaur 1888, Geschichtschr. 25 (IX, 10). Ebert II, 330. In
der Würzb. Bibliothek ist eine von Bruun geschriebene Regula S. Bene-
dict, Forsch. VI, 119.
234 H. Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
Schüler, nahm selbst an diesen Arbeiten Theil: die Apsis über dem
Grabe des h. Bonifaz hatte seine Hand mit Gemälden geschmückt.
Der prosaischen Biographie schliefst sich eine zweite in Hexa-
metern an, welche früher geschrieben zu sein scheint1); der Inhalt
ist fast ganz derselbe, und die Form giebt ein neues Zeugnifs von
der im früheren Mittelalter so sehr verbreiteten Fertigkeit in dieser
Kunst, deren wir schon bei Karls Zeitgenossen häufig zu gedenken
hatten. In jeder Schule bildete die Uebung im Versemacben einen
stehenden Theil des Unterrichts, und dadurch entstand die Vorliebe
für die poetische Einkleidung, die so oft dem inneren Gehalte nach-
theilig geworden ist.
Zugeeignet hat Candidus oder Bruun sein Werk dem Modestus,
oder mit deutschem Namen Reccheo, der die Unthaten des Ratgar,
des Einhorns, welches in die fromme Herde eingebrochen war,
durch beigefügte Zeichnungen noch anschaulicher machte; leider ist
die Handschrift verloren und wir kennen nur die Abbildungen in
Brauers sehr dankenswerthem Buch2).
Am 15. Juni 822 starb Eigil; ihm folgte sein Freund Hraban,
der bis dahin der Klosterschule vorgestanden hatte, einer der gröfs-
ten Gelehrten seiner Zeit3), dessen Ruhm sich schon durch das
ganze Frankenreich verbreitet hatte. Man bewunderte namentlich
auch seine Verse, obgleich sie gegen diejenigen mancher Zeitgenossen
sehr zurückstehen, arm an Inhalt sind, und voll von grammatischen
und metrischen Fehlern , wie man sie bei ihm nicht erwarten sollte,
voll auch von Plagiaten, die er u. a. auch an seinem Lehrer Alcuin
verübt hat. Er war ein Schüler Alcuins; Ratgar hatte ihn, wie
2) Auch bei Dümmler, Poet. Lat. II, 94—117.
2) Daraus wiederholt bei Jul. v. Schlosser: Eine Fulder Miniat. Hs. d.
Hofbibl. Jahrb. d. kunsthist. Sammlungen d. A. H. Kaisern. XIII. mit
Studien über die Fulder Kunstschule.
3) Kunstmann 1. 1. Wackernagels Litteraturgescbichte S. 52. Bach,
Hrabanus Maurus der Schöpfer deutschen Schulwesens, Zimmermanns Zeit-
schrift für Alt. II, 636. Ebert II, 120—146. Hauck II, 562 ff. Will, Re-
gesten d. Mainzer Erzbb. I, p. XIX— XXIV. Opera ed. Colvener. 1627.
Migne CVII — CXII. Seine Gedichte, unter denen manche von geschicht-
licher Bedeutung, gab Chr. Brower 1617 als Anhang zum Venantius Fortu-
natus; daraus schöpften die Späteren; jetzt Poet. Lat. II, 154 — 258. Vgl.
NA. IV, 286—294. 581. Dümmler, Ostfr. I, 315—320. 404—410. Allg.
D. Biogr. XXVII, 66 — 74. Derselbe über eine verschollene Fuld. Brief-
sammlung des neunten Jahrhunderts, Forsch. V, 369 — 395 (Nachtr. XXIV,
421 — 425), eine Sammlung der von den Magd. Centuriatoren erhaltenen
Fragmente einer wichtigen Fuldischen Briefsammlung von c. 818 bis 870.
S. auch oben S. 219 über Vegetius. — Ueber die von Koeberlin bekannt
gemachte Würzb. Hs. seines Comm. zum Matthaeus s. L. Traube, NA. XVII,
458. Ueber seine Briefe an Hinkmar Schepss, NA. XI, 130.
Hrabanus Maurus. 235
oben erwähnt, nach Tours gesandt, nachdem er im Jahre 801 zum
Diaconus geweiht war x) ; und kurze Zeit genügte, um ein warmes
Freundschaftsband zwischen ihm und dem allverehrten Lehrer zu
knüpfen. Alcuin nannte ihn Maurus nach dem Lieblingsjünger des
heiligen Benedict, und nach seiner Heimkehr schrieb er ihm einen
Brief, in welchem er erwähnt, dass er einst (olim) eine Schrift unter
seinem und seines Mitschülers Samuel Namen verfafst habe2): sehr
bald darauf (19. Mai 804) mufs Alcuin gestorben sein. Mit Hatto,
seinem Nachfolger als Abt, damals seinem Mitschüler in Tours, noch
erfüllt von Verehrung gegen Alcuin, der auf dem Widmungsbild für
den h. Martin segnend neben ihm steht, yerfafste Hraban in seinem
dreifsigsten Jahr sein Werk zum Preise des h. Kreuzes, dessen vers-
bildliche Spielereien im Mittelalter viel bewundert wurden. In
Prachthandschriften schickte er es dem Pabste, Erzbischof Otgar
u. a. und es haben sich deren mehrere erhalten3). Als Alcuin ihm
zuletzt schrieb, stand Hraban bereits der Klosterschule in Fulda
vor, welche nun eine Pflanzstätte gelehrter Bildung für ganz Deutsch-
land wurde, denn ungestört durch die Bedenklichkeiten seines
alternden Lehrers erklärt Hraban in seiner Schrift de institutione
cleiicorum auch das Studium der heidnischen Autoren für unent-
behrlich zum Verständnifs der heiligen Schrift; bei Lupus und in
den Annalen von Fulda findet sich nach Vogel zuerst wieder nach
langer Zeit Bekanntschaft mit den Schriften Sallusts, welche jetzt
v) Dieses Datum der Ann. Laur. min. in der Fulder Handschrift stimmt
gut zu seiner Absendung durch Ratgar, denn dafs dieser schon 802 Abt
wurde, müssen wir doch wohl den Ann. Fuld. und ant. Fuld. glauben, und
also in den Urkunden bei Dronke S. 100. 101 vom 1. und 5. Mai 803,
welche noch Baugulf nennen, einen Fehler annehmen; sie sind aus dem
Elsafs, wo man vielleicht den Wechsel noch nicht erfahren hatte. Ebert
glaubt annehmen zu müssen, dafs er schon vorher lange Zeit bei Alcuin
gewesen sei.
2) Dafs dieser Brief an Hraban gerichtet sei, beruht freilich auf Ver-
muthung, s. Bibl. VI, 876. Sicher an ihn ist gerichtet der Brief Frob. 111,
Bibl. VI, 801, mit Jaffe's Anmerkung. Samuel wird, was Dümmler jetzt
selbst vorzieht, der unter diesem Namen vorkommende Erzbischof Beorn-
rad von Sens ein. Hraban richtet (Poet. Lat. II, 188) mehrere Gedichte
an den Presb. Samuel, seinen sodalis. Das mag der Abt von Lorsch, 841
Bischof von Worms sein, der, wie Pf. Falk bemerkt, im Chron. Lauresh.
„a puero ibidem educatus" heifst, und ohne Grund für Fulda in Anspruch
genommen ist. Er starb nicht 859, wie Schannat nach den Urkunden
Reg. Kar. 773, 774, 777 annahm, aber die Urkk. sind unecht, s. Sickel,
Wiener SB. XXXVI, 396. Das Chron. Lauresh. hat 855, Ann. Fuld. steht
die Notiz am Rande bei 856 am Ende des Jahres, Ann. necrol. cod. 2
(SS. XIII, 177) 856. Als Todestag wird der 6. u. 7. Feb. bezeichnet.
3) S. die oben angef. Abh. von J. v. Schlosser, mit schönen Abbil-
dungen. Er hält Hatto für den auschmückenden Künstler.
236 II. Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
einen rasch wachsenden Einflufs auf den Stil gewannen1). Auch
durch die Ungunst der Zeiten unter Ratgar wurde die Schule nur
teihlweise in ihrer segensreichen Wirksamkeit gehemmt. Fuldische
Mönche finden wir bald in den angesehensten Stellungen; so wurde
Baturich (817 — 848) Bischof von Eegensburg und Erzcaplan, Haimo
(840 — 853) Bischof von Halberstadt; Hrabans Schüler war Otfrid,
der Mönch von Weifsenburg, mit seinen Gefährden Werinbert und
Hartmut aus St. Gallen2). Einhard sandte ihm den Vussinus, den
er seinen Sohn nennt, doch vielleicht nur in kirchlichem Sinn;
Alderich, Abt von Ferneres, später (829 — 841) Erzbischof von Sens3),
den Lupus, der später als Abt von Ferneres im Sprengel von
Sens einen grofsen Namen gewann, und von dem eine Briefsamm-
lung4) voll reicher Belehrung sich erhalten hat; auf seine Bitte
schrieb Hraban ein Colhctarium in epistolas Pauli. Auch Frechulf
von Lisieux war mit Hraban befreundet, doch vermutblich schon
seit seiner Lehrzeit in Tours (oben S. 217). Ermanrich von Ell-
wangen übersandte seinem Lehrer Rudolf, der Hraban zur Seite
stand, das von ihm verfafste Leben des heiligen Solus. Vor allem
aber glänzt unter Hrabans Schülern Walahfrid, der Abt von Reichenau,
der bald selbst das Haupt einer neuen Schule wurde. Auch Bern-
J) Fr. Vogel, Acta sem. Erlang. II, 416. Manitius, NA. VII, 197, sucht
auch bei Einhard die Bekanntschaft nachzuweisen.
2) Von den beiden letzteren ist es freilich zweifelhaft, ob sie auch in
Fulda waren. Otfrid bezeichnet als seinen Lehrer, vielleicht in Fulda,
auch Salomon I von Constanz, s. Düramler, Formelbuch Salomons III,
S. 138. Vgl. auch Meyer v. Knonau, Die Beziehungen O.'s zu St. Gallen,
Forsch. XIX, 187—191.
3) Er war Lehrer der Hofschule unter Ludwig dem Frommen nach
seiner Vita, Mab. IV, 1, 568—575. Acta SS. Jun. I, 753—758. Vgl. oben
S. 154 und Sickel, Acta Kar. I, 84.
4) Servati Lupi Opera ed. Baluzius, Par. 1664, Antv. 1710. Lettres
de Servat Loup. Texte, notes et introd. par Desdevises du Dezert, Paris
1888 (Bibl. de TEcole des hautes et. T. 77). Er verfafste 836 auf den
Wunsch des Abts Bun von Hersfeld die Vita Wigberti (s. unten). Ferner
839 auf Bitten des Abts Waldo (wahrsch. von Schwarzach im Strafsb.
Sprengel, der 861 entsetzt wurde, 869 als Abt von St. Maximin vorkommt)
die Vita S. Maximini. Er war Jugendfreund des Abts Hilduin von Saint-
Denis, ep. 97 (über dessen V. Dionysii s. Ebert II, 348). Nach der Rück-
kehr aus Deutschland wurde er 837 Sept. 22 durch die Kaiserin Judith
dem Kaiser vorgestellt, 842 erhielt er nach Odo's Absetzung die Abtei
Ferneres und ist nach 861 gestorben. Nach ep. 93 hat er K. Karl Impera-
torum gesta brevissime comprehensa überreicht, wobei er vorzüglich auf
Trajan und Theodosius hinweist. Vgl. Dümmler, NA. IV, 314. Ebert II,
203—209. Sprotte, Biographie des S. L. Regensb. 1880. Ueber die Ver-
muthung Langens, der ihm den Ps. Isidor zuschreibt, s. NA. VIII, 412.
Ueber seine philologischen Studien L. Traube, Münch. SB. 1891, S. 389 ff.
Sein und Haimons Schüler war Herich von Auxerre.
Hraban. Die Fulder Schule. 237
hard, der unglückliche König von Italien, war ihm zur Erziehung
übersandt worden. Nicht zu den unbedeutendsten Schülern des
Hraban gehört endlich auch der Mann, der ihm und der ganzen
Reichsgeistlichkeit in der Folge so viel zu schaffen machte, der
Mönch Godschalk, der ungeachtet seines Standes den Muth hatte,
eine unabhängige Ueberzeugung auszusprechen und zu verfechten1).
Wie glückliche Erfolge für das eigene Kloster Hrabans Wirk-
samkeit hatte, haben wir schon an den Verfassern der Annalen ge-
sehen. Unter seinen eigenen Werken sind keine geschichtliche,
wenn man nicht etwa das schon früher erwähnte Martyrologium so
bezeichnen will; wohl aber enthalten seine Vorreden, Widmungen2)
und Gedichte viele schätzbare Nachrichten über sein Kloster und
über seine mitstrebenden Zeitgenossen, und mehrere seiner Schriften
stehen in Verbindung mit den Zerwürfnissen der kaiserlichen Familie.
Nach Eigil wurde er Abt des Stifts; da er aber dem Kaiser Ludwig
treu ergeben, Lothar befreundet war3), verliefs er 842 sein Kloster,
wo statt seiner Hatto, genannt Bonosus, einst sein Mitschüler in
Tours, erwählt wurde, und widmete sich nun ungestört seinen
wissenschaftlichen Arbeiten, die ihm ohnehin mehr zusagten. Mit
den Fuldern blieb er in freundschaftlichem Verkehr, und söhnte
sich bald auch mit König Ludwig aus, der ihn gegen seine Neigung
nach Otgars Tod zum Erzbischof von Mainz (847 — 856) erhob. Wie
diese Beförderung den Reichsannalen zugute gekommen ist, haben
wir oben schon gesehen.
In hohem Grade theilte Hraban das eifrige Streben der deut-
schen Geistlichkeit, den an solchen Schätzen noch armen Boden
dieses Landes mit Gebeinen der Heiligen zu bereichern; die italie-
nischen Reliquienkrämer hatten an ihm ihren besten Kunden. Seit
alter Zeit bewahrte Fulda den Leib der heiligen Lioba oder Leob-
») S. über ihn Dümmler, Ostfr. I, 327—336. 405—409. NA. IV, 320.
Ebert II, 166—169.
2) Ein Bericht von ihm über die am 1. Nov. 819 vollzogene Einweihung
der Fulder Kirche steht in Broweri Antiq. Fuld. p. 110—112; vgl. NA. IV,
260, 290.
3) Ihm widmete er sein Werk über Jeremias; ein auf Anordnung des
Abts Majolus von Cluni geschriebenes Exemplar ist im Brit. Mus. Add.
22,820, nach Zangemeister, Wiener SB. LXXXIV, 530. Catal. p. 739. Facs.
in Libri's Mon. inedits pl. XVI. Verse an die Kaiserin Irmingard vor dem
Commentar zu Judith u. Esther u. Begleitbrief des letzteren e cod. Darmst.
749, Poet. Lat. II, 167. Lothar II widmete er ein Gegenstück gegen die
'Coena Cypriani' zur Uebung für Schulzwocke, wo alle Anspielungen auf
den Kreis der h. Schrift beschränkt sind, ed. H. Hagen 1884 in Hilgenfelds
Zts. f. wiss. Theol. XXVII, 164—187; vgl. NA. IX, 657. Auch der Verf.
der Visio Caroli (oben S. 188) beruft sich auf eine Mittheilung Hrabans.
238 H. Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
gyth; diesen liefs Hraban nach dem Petersberge bringen, und ver-
anlafste schon vorher Rudolf, ihr Leben zu beschreiben1). Ihm
standen dazu die Aufzeichnungen des fünf Jahre vorher (831) ver-
storbenen Priesters Mago zu Gebote, welche die Erzählungen von
Schülerinnen der Heiligen enthielten. Anderes hatte sich noch in
mündlicher Tradition erhalten. Leobgyth war eine Verwandte des
Bonifaz, und von ihm aus England berufen, um in dem Kloster
Bischofsheim (oben S. 137) einen Mittelpunkt geistlicher Belehrung
für Nonnen zu errichten; auch ihnen waren die lateinische Sprache
und mancherlei andere Kenntnisse unentbehrlich zum Verständnifs
der heiligen Schriften und des Gottesdienstes. Rudolfs Nachrichten
geben daher eine erwünschte Ergänzung für die Kenntnifs von der
Wirksamkeit des Bonifaz; später war Leobgyth auch mit der Köni-
gin Hildegard befreundet. Diese Nachrichten sind nun verbunden
mit einer Fülle von Wundergeschichten; so wenig in Rudolfs Anna-
Jen der kirchliche Standpunkt hervortritt, so sehr zeigt er sich hier
von de^ die Zeit beherrschenden Richtung erfüllt. In noch höherem
Grade tritt das hervor in seiner Schrift über die Wunder der unter
Hraban nach Fulda gebrachten Reliquien2), welche auch einige ge-
schichtliche Nachrichten enthält, übrigens aber eine Fülle jener sich
immer und überall in ermüdendster Eintönigkeit wiederholenden
Wundergeschichten, welche nur durch die Namen der Personen und
Ortschaften und gelegentliche Angaben über Sitten und Gebräuche
der Zeit einigen Werth erhalten. Die Zeit der berichteten Ge-
schichten fällt in die Jahre 835 bis 838; geschrieben ist das Buch
zwischen 842 und 847, als Hraban in seiner Zelle auf dem Peters-
berge lebte; vielleicht jedoch etwas später, da die Schilderung von
Hrabans litterarischer Thätigkeit daselbst im letzten Capitel im Prae-
teritum gehalten ist, und der letzte Schlufs fehlt.
Dieses Werk Rudolfs war es wohl, welches Waltbraht, den
Enkel Widukinds, der im Jahre 851 den Leib des h. Alexander
von Rom nach Wildeshausen brachte, zu dem Wunsche und der
Bitte veranlafste, dafs Rudolf auch diesen Gebeinen eine ähnliche
J) Rudolfi Vita S. Leobae, ed. Waitz, SS. XV, 118—131. Sie starb
nach dem Necrol. Fuld. (SS. XIII, 167) am 23. Sept. 780, nach d. Vita
am 28. Sept. u. wird urkundlich noch 782 als lebend erwähnt. Im Aus-
zug übersetzt von W. Arndt hinter der V. Bonifatii. Zell, Lioba u. die
frommen angels. Frauen, Freib. 1860. Hahn, Bonifaz u. Lull, S. 131 ff.
2) Schannat, Cod. Probb. p. 117 — 132 aus Browers Antiquitates Ful-
denses, der einzigen Originalausgabe, da die Handschrift verloren ist.
Unter dem falschen Titel V. Rabani auch bei Mab. IV, 2, 1. Acta SS. Feb.
I, 500. SS. XV, 328—341, von Waitz, als Miracula Sanctorum in Fuldemes
ecclesias translatorum .
Vita Liobae. Trauslatio Alexandri. 239
Schrift widmen möchte1). Aber erst, als er im Alter sich wieder
in sein Kloster zurückzog, kam er zur Ausführung. Die Art, wie
er diese Aufgabe erfafste, zeigt seinen geschichtlichen Sinn; erfüllt
davon, dafs hauptsächlich diese Uebertragungen von Reliquien das
Christenthum unter den Sachsen ausbreiteten und befestigten, ging
er zurück auf die alte Heidenzeit, um zu zeigen, von welchen Irr-
thümern das Volk durch die Einführung des Christenthums befreit
sei. Er begann mit einem kurzen Abrifs der Stammsage, die Widu-
kind von Corvey ausführlicher erhalten hat; dann aber entlehnt er
die näheren Angaben über Glauben und Sitten der Sachsen aus der
Germania des Tacitus2). Das ist ein guter Beweis für die gelehrten
Studien der Fuldischen Klosterschule; zugleich aber ist es auch
charakteristisch für Rudolf nicht allein, sondern für die mittelalter-
lichen Gelehrten überhaupt, dafs er in Fulda, wo doch noch kürz-
lich das Hildebrandslied aufgeschrieben war, über das sächsische
Heidenthum nichts aus eigener Kunde und Beobachtung mittheilt,
sondern sich genau an die Worte des Tacitus hält.
Rudolf fügte noch eine kurze Uebersicht der Bezwingung der
Sachsen durch Karl den Grofsen nach Einhard hinzu; dann rief ihn
der Tod am 8. März 865 ab von dem wohlangelegten Werke. In
den Annalen ist ihm ein kurzer Nachruf gewidmet, wo er als Histo-
riker und Dichter gefeiert wird, und man vermuthet, dafs auch der
Maler Rudolf, dessen Werk Hraban in einem Epigramm rühmt, kein
anderer gewesen ist. Die Fortsetzung des begonnenen Werkes über-
nahm sein Schüler Meginhard. Die Taufe Widukinds, mit der
Rudolfs Erzählung abbricht, gab diesem den Uebergang auf dessen
Enkel Waltbraht, der, an Lothars Hofe erzogen, sich mit vollem
Eifer dem Christenthume zuwandte, und um das Christenthum in
Sachsen besser zu befestigen, auszog, um aus Rom Reliquien zu
holen. Die Empfehlungsbriefe, welche ihm Kaiser Lothar mitgab,
hat Meginhard vollständig aufgenommen, hält sich dann aber bei
den Vorfällen der Reise nicht lange auf, sondern geht bald zu seinem
eigentlichen Gegenstande, den Wundern, über. Eine zweite Schrift
ähnlicher Art, über den heiligen Ferrutius und dessen Ueber-
*) Trauslatio S. Alexandri ed. Pertz, SS. II, 673 — 681. Uebers. von
Richter, 1856, 2. Ausg. 1889 (Geschichtschr. 21. IX, 6). Vgl. dazu R.
Wilmans, Kaiserurkunden der Prov. Westf. I, 388 ff. Ohne Grund ver-
dächtigt von Wetzel: Die Tr. AI. Kiel 1881, aber mit einem wichtigen
Nachtrag zum Text; vgl. NA. VII, 228 u. Waitz, GGA. 1881, Juni. —
Ein Brevier saec. XV. viell. aus Wildeshausen, NA. XV, 208.
2) Die einzige nachweisbare Benutzung derselben im Mittelalter, nach
Waitz, Forsch. X, 602.
240 II. Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
tragung von Castel nach Bleidenstadt, nördlich von Wiesbaden, durch
den Erzbischof Lull1), ist eine Predigt und hat deshalb einen ganz
überwiegend erbaulichen Charakter; eine grofse Fülle von Phrasen
verdeckt den Mangel an geschichtlichem Inhalt, der nur aus den
Inschriften von Bleidenstadt stammt,
Meginhard, der sich in der Widmung einer theologischen Ab-
handlung an den Erzbischof Günther von Coeln als Schulmeister
bezeichnet2), ist, wie wir schon oben sahen, ohne Zweifel auch der
Fortsetzer der Reichsannalen gewesen. Nur aus diesen sehen wir,
dafs die litterarische Thätigkeit in diesem Kloster noch nicht ganz
erstarb. Nur aus dem Anfange des folgenden Jahrhunderts haben
wir noch eine kurze Geschichte der Aebte von Fulda3), einen
sehr kurzen und gedrängten, aber recht hübsch geschriebenen Be-
richt, der jedoch nur mit Vorsicht zu benutzen ist, da er durchaus
panegyrischer Natur und keineswegs geschichtlich wahrhaftig ist*
Der Abt Huoggi (891 — 915) erlangte von Kaiser Arnulf die berühmte,
noch jetzt erhaltene Evangelienhandschrift, deren Randglossen Boni-
fatius zugeschrieben werden4). Sonst aber ist von litterarischer
Thätigkeit in diesem Kloster nichts auf uns gekommen. Es hat
jedoch schon Waitz5) erkannt, dafs den Hersfelder Annalen bis in
die Mitte des neunten Jahrhunderts eine in Fulda verfafste Compi-
lation zu Grunde liegt, welche aus den ältesten Lorscher Annalen,
der kleinen Frankenchronik (Lauriss. min.) und einheimischen Auf-
zeichnungen zusammengesetzt war, und auch von Marianus Scotus
benutzt wurde. H. Lorenz hat das weiter ausgeführt und glaubte
das Endjahr zwischen 830 und 840 ansetzen zu können6), wogegen
G. Buchholz7) geltend machte, dafs dann der Mangel einer Verwandt-
schaft mit dem älteren Theil der sog. Ann. Fuld. nicht zu erklären
sei. Fr. Kurze bemerkte, dafs die Uebereinstimmung mit Marianus
J) Sermo de S. Ferrutio, bei Surius zum 28. October, Acta SS. Oct.
XII, 538-542. Exe. ed. Holder-Egger, MG. SS. XV, 148—150. Vgl.
C. Will, Mon. Blidenstat. Innsbr. 1874, 4. Dümmler, Poet, Lat. I, 431.
II 225.
3) in Caspari's Kirchenhist. Anecd. (1883), S. 251.
3) Acta vetusta Abbat um Fuldensium a. 744 — 916. Schannat, Cod. Probb.
1—3. Böhmers Fontes III, XXVIII und 161—164 aus Dronke, Traditt.
Fuld. p. 162—164. MG. SS. XIII, 272 als Catalogus abb. Fuldensium. Das
kurze Verzeichnifs SS. III, 117 n. ist berichtigt XIII, 340. — Acta abb. bis
ins 15. Jahrh. und auch annal. Aufzeichuungen bei Brouwer sind nachge-
wiesen von Pflugk-Harttung, Forsch. XIX, 397—442.
4) Schannat, Vind. lit. I, 226. Codex Fuld. ed. E. Ranke, Marb. et
Lips. 1868.
5) Archiv VI, 681.
6) Die Annalen von Hersfeld, S. 70.
7) HZ. 65, 141.
Fulder Compilation. Hersfeld. 241
sich noch weiter erstrecke, und andererseits, dafs für die erste Hälfte
des zehnten Jahrhunderts dem Fortsetzer des Regino eine Fulder
Quelle vorgelegen habe; beide schienen zusammen zu gehören1).
So kommen wir auf eine Fulder Compilation des ausgehenden neunten
oder des zehnten Jahrhunderts mit annalistischer Fortsetzung, Kloster-
annalen, in denen, wie es bei diesen Jahrbüchern der Fall zu sein
pflegt, einzelne geschichtliche Nachrichten mit Begebenheiten aus der
Hausgeschichte verbunden waren. Dafür wird der erste Theil der
Annales S. Bonifacü von 716 bis 830 in Anspruch genommen2).
Eine ausführlichere Geschichte des Klosters, die spurlos verschwunden
ist, erwähnt und lobt Lambert in der Vorrede zu seiner Hersfelder
Geschichte, SS. V, 137.
Litterarische Thätigkeit finden wir auch in dem nahe gelegenen,
ebenfalls hessischen Kloster Hersfeld, welches um 770 von Lullus
begründet wurde, als Fulda mit Erfolg seine Selbständigkeit gegen
ihn behauptete, und bald zu kräftiger Entwickelung gelangte3). Auch
von seiner Schule, seinen gelehrten Mönchen würde wohl manches
zu berichten sein, wenn nicht die Ueberlieferungen dieses Klosters
ein besonders angünstiges Geschick betroffen hätte; die Hersfelder
Annalen, Lamberts Geschichte von Hersfeld, sind verloren, und auch
von Lamberts Jahrbüchern ist keine alte Handschrift vorhanden;
da mag noch anderes spurlos für uns verschwunden sein. Der Abt
Balthard (f 796) kann vielleicht derselbe sein, an welchen zwei
Briefe seiner Schwester Berthgyth in der Bonifazischen Sammlung
sich erhalten haben4). Abt Bun bewog 836 den gelehrten Lupus,
ein Leben "Wigberts zu schreiben5), den Bonifaz als Abt von Fritzlar
eingesetzt hatte; seine Gebeine waren nach Hersfeld übertragen, und
in den Wundergeschichten finden sich einige geschichtliche Nach-
richten. Eine Handschrift, welche leider verschollen ist, enthielt
auch eine poetische Bearbeitung dieser Vita in sehr barbarischer
Sprache, von einem Hersfelder Mönch, welcher sie Buns Nachfolger
Brunwart (843 — 875) gewidmet hatte6). Dieser Brunwart war be-
freundet mit Hraban, welcher an ihn, als er noch Chorepiscopus
*) Die Hersfelder u. die gröfseren Hildesh. Jahrbücher bis 984, S. 8.
2) MG. SS. III, 117; der zweite Theil 910—1024 ist fast ganz identisch
mit den Ann. Lobienses. Berichtigungen e cod. Lugd. Bat. von Dümmler,
Forsch. XVI, 169. — Ann. S. Bon. brevissimi 936—1011 ib. S. 118. Notae
dedicationum Fuldenses 812—1168, SS. XV, 2, 1287.
3) Rettberg I, 602-605. Hafner, Die Reichsabtei Hersfeld, 1889.
4) Bibl. III, 312.
5) Vita Wtaberti, ed. Holder-Egger, MG. SS. XV, 36—43.
6) So berichtet der Jesuit Busaeus, erster Herausgeber der V. Wigberti,
s. Hincmari epp. ed. Busaeus, Mog. 1602. NA. IV, 314.
Watten ba ch, Geschichtsquellen. I. 6. Aufl. \Q
242 H. Karolinger. § 14. Fulda und Hersfeld.
war, Verse richtete *). Die Annalen, welche von besonderer Wich-
tigkeit für uns sind, gehören erst der folgenden Periode an.
Beide Klöster, Fulda und Hersfeld, blieben in engster Verbin-
dung mit dem Erzbisthum Mainz; ihr Theil war die Pflege der
Wissenschaft, während die Metropole zu sehr in die politischen
Händel verwickelt wurde, um in litterarischer Beziehung eine her-
vorragende Stelle einzunehmen, wenn wir von den Reichsannalen
absehen. Auf Lulls Nachfolger Riculf (786 bis 813), den der Mönch
von St. Gallen als dumm und hochmüthig schildert, wohl über-
treibend, da er unter dem Namen Damoetas zu Karls Hofgelehrten
gehörte2), folgte zuerst Lulls Schüler Haistulf (813 — 825), dann bis
847 Otgar, ein Verwandter Riculfs und eifriger Parteimann. Er
ist es, welcher den Diaconus Benedict zur Ergänzung der Capitularien-
sammlung des Ansegis veranlafst haben soll, und man hat ihn des-
halb für den Mitschuldigen der hierin ^enthaltenen Fälschungen ge-
halten, eine Ansicht, welche jetzt von P. Hinschius als unbegründet
widerlegt ist, da Benedicts Werk erst nach Otgars Tod vollendet
worden ist, und die ganze Notiz ist vielleicht nur betrüglich erfunden.
Zu verdanken haben wir ihm wahrscheinlich den Abschlufs der
Mainzer Briefsammlung, in welcher der Correspondenz des Bonifatius
Briefe von Lull und Otgar sich anschliefsen3). Für seine Metropole
brachte Otgar von seiner Gesandtschaft an Lothar nach Pavia 836
die Reliquien des h. Severus, Bischofs von Ravenna, nebst Frau
und Tochter heim; ein französischer Speculant, der solch kostbare
Waare durch Lug und Trug sich diebischer Weise zu verschaffen
und dann theuer zu verkaufen pflegte, fand an Otgar einen Kunden,
denn um so heiligen Besitz zu gewinnen, galt auch den frömmsten
Männern Meineid und Diebstahl für zulässig4). Grofs war die Freude
in Mainz und in Erfurt, wohin zur Beförderung des Christenthums
in Thüringen S. Severus abgelassen wurde, allein man hatte noch
keine Kunde von dem Leben des Heiligen, bis der Priester Liudulf
eine Pilgerfahrt nach Rom mit einem Besuche in Ravenna verband,
und die dort gewonnene Auskunft mittheilte; hinzugefügt ist von
ihm die geschichtlich nicht ganz unwichtige Erzählung von der
Erwerbung der Reliquien durch Otgar5). Er schrieb unter Hrabans
!) Poet. Lat. II, 184; vgl. p. 111.
2) Vgl. Dümmler NA. IV, 150. Poet. Lat. I, 431. 432 u. II, 694.
3) H. Hahn, Forsch. XV, 113.
4) Diese Aeufsenmg ist wiederholt gerügt worden, zuletzt Katholik
1875 S. 443, aber sie ist wahr; ich habe einige Beispiele in d. SB. d.
Berl. Akad. vom 4. Dec. 1884 zusammengestellt.
5) Vita et Translatio S. Severi auct. Liudulfo presbytero, Acta SS. Feb.
Mainz. Translatio Severi. 243
Nachfolger Karl (856 — 863), dem aquitanischen Prinzen, von dessen
gelehrten Studien nichts bekannt ist. Die Bedrängnifs der Kirchen
durch die Vertheilung ihrer Güter an Kriegsleute veranlafste einen
Mainzer Geistlichen zur Aufzeichnung der Visio Caroli (S. 188),
welche er noch mündlich von Hraban erfahren haben wollte. Nach
Karl verwaltete Liutbert 26 Jahre lang das Erzbisthum, ein wohl-
gesinnter und nicht ungelehrter Herr, der sich auch der Reichs-
aunalen wieder annahm, aber die wirren Zeiten, die immer schreck-
licheren Einfälle der Normannen, drängten alle wissenschaftliche
Beschäftigung in den Hintergrund: im Kampfe gegen diese Unholde
verlor 891 Liutberts Nachfolger Sunderold oder Sunzo nach kurzer
Amtsdauer das Leben, ein Fulder Mönch, dem einst, da er noch
einfacher Priester war, Meginhard die Erzählung von der Ueber-
tragung des h. Alexander gewidmet hatte. An seiner Statt erhob
Kaiser Arnulf Hatto, den Abt von Reichenau, berühmt durch seine
Klugheit und Thatkraft, auch wegen seiner kirchlichen Gelehrsamkeit
hoch gefeiert, aber die äusseren Sorgen für Kirchenzucht und Reichs-
regierung nahmen ihn vollständig in Anspruch; diesen Zwecken
diente auch das Werk de synodalibus causis, welches Regino ihm
gewidmet hatte1).
§ 15. Sachsen. Münster, Bremen, Hamburg.
Als Sturm zuerst in Hersfeld sein neues Kloster gründen wollte,
verwarf Bonifaz diesen Vorschlag wegen der Nähe der heidnischen
Sachsen. Karl aber zog auch dieses Volk in den Kreis der christ-
lichen Bildung, und so gewaltsam auch die neue Pflanzung begründet
wurde, sie schlug doch bald kräftige Wurzeln, und die Söhne der
Bekehrten gaben sich bereits mit regem Eifer der neuen Lebens-
richtung hin. Lange schon hatten die Angelsachsen sich danach
gesehnt, hin und wieder auch versucht, ihren alten Stammesbrüdern
das Evangelium zu bringen; jetzt drangen sie unter dem Schutze
Karls vor, und pflanzten den Baum der neuen Lehre, der in dem
frischen Erdreich bald kräftig und segensvoll gedieh.
Einer der hervorragendsten unter ihnen war Liudger, von
I, 88—91. Jaffe, Bibl. III, 507-517. MG. SS. XV, 289—293, ed. L.
v. Heinemann.
x) S. über Liutbert und Sunzo Dümmler, Ostfr. III, 328 — 331; über
Hatto S. 352. 497. Vgl. auch desselben S. 234 angeführte Abhandlung
über die Fulder Briefsammlung , und die betr. Abschnitte in Will's
Regesten.
16*
244 EL Karolinger. § 15. Sachsen.
Geburt zwar ein Friese, aber ein Schüler der angelsächsischen
Glaubensboten. Er selbst hat uns in dem Leben seines Lehrers,
Gregor von Utrecht1), die Werkstatt geschildert, wo ein grofser
Theil der Lehrer für das Sachsenvolk ausgebildet wurde; ergänzt
werden seine Nachrichten durch seine eigene Lebensbeschreibung
von Altfrid.
Liudgers Grofsvater Wursing, ein reicher und vornehmer Friese,
hatte sich, von Radbod vertrieben, zu den Franken geflüchtet und
die Taufe angenommen; als dann Karl Martell nach der Besiegung
des Landes das Bisthum Utrecht begründete, siedelte er auch Wur-
sing mit den Seinen dort an, und an ihnen fand Willibrord die
kräftigste Stütze. Nach Willibrords Tode nahm Bonifaz sich des
verwaisten Bisthums an; dann ward es der Pflege Gregors übergeben,
der lange Zeit ein treuer Begleiter und Gehülfe seines Lehrers
Bonifaz gewesen war und nun als Abt dem Martinstifte vorstand.
Die bischöflichen Geschäfte versah neben ihm der Angelsachse
Aluberht. Dieser war wie so viele seiner Landsleute zur Mission
gekommen, und kehrte auf Gregors Wunsch mit Utrechter Geist-
lichen heim nach York, wo er 767 vom Erzbischof Aethelberht ad
Ealdsexos zum Bischof geweiht wurde, mit ihm Liudger zum Dia-
conus. Durch diese Verbindung sind, wie R. Pauli nachgewiesen
hat, Nachrichten über Karls des Grofsen Sachsenkriege, dann auch
durch Alcuin andere nicht unwichtige Angaben, in die nordenglischen
Annalen gekommen2).
Liudger hatte sich, wie mehrere von Wursings Nachkommen,
der Kirche gewidmet, er genofs schon damals Alcuins Unterweisung,
und kehrte später dieses Unterrichtes wregen noch einmal nach York
zurück, bis ihn nach drei Jahren und sechs Monaten ein Streit
zwischen den Friesen und Angeln nöthigte, nach Utrecht heimzu-
kehren, wo Gregor zahlreiche Schüler aus allen deutschen Stämmen,
nach Liudgers Angabe auch Sachsen, um sich versammelte. Unter
1) Erste kritische Ausgabe von Holder-Egger, SS. XV, 63 — 79. Uebers.
v. Grandaur, Geschichtschr. 14, nach V. Willibrordi. — Vgl. Ebert II, 106
bis 108. Hauck II, 313—315. — Die Liudger bei Rettberg I, 333 zuge-
geschriebene V. Bonifacii ist Mifsverständnifs der Stelle V. Liudg. II, 6
über die in der V. Gregorii enthaltenen Nachrichten von Bonifaz.
2) S. R. Pauli: Karl d. Grofse in northumbrischen Annalen, Forsch.
XII, 137—166. 441. Vgl. L. Theopold, Krit. Untersuchungen über die
Quellen zur angels. Gesch. d. 8. Jahrh. (Lemgo 1872) S. 102. R. Pauli hat
in d. Gott. Nachr. 1878, S. 1 — 15, neben den nordengl. Nachrichten andere
aus Winchester nachgewiesen; nach der Eroberung sind auch die Sanct-
gallisch-Cölner Annalen über die Normandie nach England gekommen. —
Gegen Hahns Hypothesen, Forsch. XX, 553 — 569, W. Diekamp, ib. XXII,
425—432.
Das Bisthum Utrecht. Liudger. 245
Gregors Neffen und Nachfolger Alberich war die Leitung dieser
Schule in solcher Weise vertheilt, dafs abwechselnd Alberich selbst,
Liudger, Adalgar und Thiatbrat1), jeder ein Vierteljahr, derselben
vorstanden. Die übrige Zeit verwandten sie auf die Seelsorge und
die weitere Ausbildung des Volkes. Der Aufstand der Sachsen
unter Widukind 782 brachte auch in Friesland das Heidenthum
wieder zum Siege, und Liudger begab sich damals nach Monte-
cassino, dessen klösterliche Einrichtung er später auf seine Stiftung
Werden übertrug. Karl der Grofse aber vertraute ihm die geist-
liche Leitung von fünf friesischen Gauen an und verband damit im
Anfange des neunten Jahrhunderts das neu errichtete Bisthum
Mimigardeford in Westfalen, für welches seit dem 11. Jahrh. der
Name Münster üblich wurde. Am 30. März 804 geweiht2), wirkte
er hier für die Befestigung der neuen Lehre bis zu seinem Tode
am 26. März 809.
Die von ihm verfafste Biographie Gregors ist in dem gewöhn-
lichen Legendenstil geschrieben, aber die stereotypen Phrasen sind
hier von wirklicher Wärme erfüllt, von inniger Liebe zu seinem
Lehrer und einer kindlichen Demuth, wo er seines eigenen Wirkens
gedenkt. Es finden sich darin einige schätzbare Nachrichten über
Bonifaz sowie über das Bisthum Utrecht; geschichtlicher Sinn zeigt
sich jedoch wenig, es kommen arge Fehler vor, und auch die Sprache
ist schwerfällig und gesucht. Als Geschichtsquelle ist Liudgers
eigenes Leben von Altfrid3) weit vorzuziehen, obgleich auch dieses
von dem Verfasser, Liudgers Verwandtem und zweitem Nachfolger
(839 — 849), auf Bitten der Mönche von Werden zunächst zum Zweck
der Erbauung geschrieben wurde. Die Darstellung ist einfach und
ansprechend, und die ganze Missionsthätigkeit tritt hier mit beson-
1) Dieser scheint der Besitzer des später nach Lorsch gekommenen
Wiener Livius gewesen zu sein, nach der Inschrift: „Iste codex est Theat-
berti episcopi de Dorostat". Nach Gitlbauer wäre er Vorsteher der Kirche
zu D. gewesen und nach dem damals noch schwankenden Gebrauch Bischof
genannt, weil er bischöfliche Rechte übte. Denselben hält G. für den
Nachfolger Alberichs , der Theodard genannt wird. Gitlbauer de cod. Liv.
(Vind. 1876) p. 2—21.
2) Diekamp im Hist. Jahrbuch V, 257. Ueber Liudger vgl. Hauck II,
317 ff.
3) V. Liudgeri auct. Altfrido ed. Pertz, MG. II, 403 — 425 mit Zusätzen
und Mirakeln aus den späteren Biographieen. Vitae S. Liudgeri ed.
Diekamp, 4 Bd. der Geschichtsquellen d. Bisth. Münster, 1881, mit Be-
nutzung des von Pertz nicht verglichenen Cod. Vossianus. Uebersetzung
in: Hüsing, Der h. Liudger, Münster 1878, S. 174 — 200, und Pingsmann,
Der h. Ludgerus, Freiburg 1879, S. 199—228; von Grandaur bei V. Willi-
brordi. Vgl. Ebert II, 338. — Catal. abb. SS. XIII, 288.
246 II. Karolinger. § 15. Sachsen.
derer Anschaulichkeit uns entgegen. Noch in demselben Jahrhundert
wurden in Werden zwei neue Bearbeitungen derselben verfafst.
Auch von Altfrids Vorgänger Gerfrid hat man eine Biographie
gehabt, von welcher aber eine Erwähnung in der Bisthumschronik
die einzige Spur ist1). Altfrids Nachfolger Liutbert, ein geborner
Lothringer (f 871), war vielleicht der Bischof Leutbert, welchem
Sedulius eine sapphische Ode gewidmet hat2).
Dem Kreise dieser Männer gehört auch Liafwin oder Lebuin
an, ein Angelsachse, der zu Gregor nach Utrecht kam und sich,
nachdem er eine Zeit lang an der Yssel gewirkt hatte, nach Sachsen
begab, wo er auf dem Landtage zu Marklo unerschrocken das
Christenthum verkündete. Seine Legende, welche besonders durch
die Nachricht über diese Landtage und die Verfassung der Sachsen
merkwürdig ist, wurde jedoch erst am Anfange des zehnten Jahr-
hunderts von Hu c bald von St. Amand verfafst, nicht in Münster,
dessen wir nach diesen so viel versprechenden Anfängen nicht wieder
zu gedenken haben werden3).
Ueber die Stiftung des Klosters Werden an der Ruhr ist
eine eigenthümliche Aufzeichnung vorhanden, welche trügerisch zwei
Begleitern Liudgers in den Mund gelegt, in den wesentlichen That-
sachen aber richtig, und in ihrem ältesten Theil vielleicht schon um
die Mitte des 9. Jahrhunderts geschrieben ist, als nach Altfrids Tod
die Familie des Stifters vom Bisthum abkam und die Unabhängigkeit
des Klosters bedroht war4).
Ein anderer Angelsachse war Will eh ad aus Northumberland,
der ebenfalls seine Missionsthätigkeit in Friesland begann und 780
von Karl dem Grofsen über den Gau Wihmodia gesetzt wurde.
Auch ihn vertrieb der Aufstand Widukinds 782, dem ein grofser
*) Diekamp. Vitae Liudgeri, p. XXI. Anm. 1. Zu unterscheiden ist
ein älterer Gerfrid, welcher eine Bibel schreiben liefs, deren Widmungs-
verse sich erhalten haben, Poet. Lat. I, 285.
2) Dümmler, Sedulii Scotti Carmina XL p. 28. Poet. Lat, III, 219.
3) Zu diesem Kreise gehört auch die Legende über die Stiftung des
Klosters Freckenhorst oder Vita S. Thiadildis, ed. Jo. Gamans, Acta
SS. Jan. II, 1156—1160 (Kindlinger, Mimst. Beitr. II, 9; deutsch in Dorows
Denkm.), welche aber erst im 15. Jahrh. aufgezeichnet und von geringem
Werth ist. Vgl. Wilmans, Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I, 416.
W. Diekamp, Forsch. XXIV, 629—653.
4) Fundatio monasterä Wertlänensis bei Ficker, Die Münsterischen Chro-
niken (1851) S. 352—355. Diekamp, Vitae Liudgeri, p. 286—294, mit neuen
Hülfsmitteln; vgl. AI. Schulte, Mittheil. II, 637. Diekamp in d. Zts. f. Westf.
Gesch. u. Alt. XLI, 148— 164, u. Erläuterung einer Urk. K. Arnulfs, Mitth.
d. Inst. V, 622. Ausg. v. Waitz MG. SS. XV, 164—168. — Eine von
Liudgers Neffen Hildegrimus diaconus, 853—888 Bischof von Halberstadt,
geschriebene Hs. NA. X, 336.
Willehad. Anskar. 247
Tlieil seiner Schüler und Gehülfen zum Opfer fiel. Er selbst flüch-
tete nach Friesland und pilgerte nach Rom; dann lebte er eine Zeit
lang in stiller Zurückgezogenheit in Echternach; Karl aber rief ihn
nach der Besiegung der Sachsen zu seiner früheren Thätigkeit zu-
rück, and erhob ihn 787 zum Bischof von Bremen, wo er am
8. November 789 gestorben ist. Sein Leben l) ist in einer kurzen
und einfachen Darstellung beschrieben, welche von seinem berühm-
teren Nachfolger Anskarius, dem Apostel des Nordens, verfafst
sein soll, wie Adam von Bremen berichtet. Doch hat G. Dehio2)
darauf aufmerksam gemacht, dafs die beiden Bücher (Vita und
Miracula) nicht von einem Verfasser sein können, und nur das zweite
von Anskar sein wird. Er hat ferner nachgewiesen, dafs die ein-
zigen chronologisch bestimmten Nachrichten 787 und 789 wörtlich
ebenso im Chron. Moissiacense stehen, einige Worte über Widukind
aber nicht nur da, sondern auch in den Ann. Laureshamenses. So
ergiebt sich auch hieraus, dafs dem Chron. Moissiac. ein vollstän-
digerer Text der Ann. Lauresham. vorgelegen hat; die Herkunft der
speciellen sächsischen Nachrichten aber vermuthet Dehio in einer
Aufzeichnung, welche auch in den von Adam angeführten liber
donationum Bremensis ecclesiae aufgenommen sein möchte,
ein Buch, welches nach V. Ansk. c. 41 von Anskar angelegt sein
dürfte. Doch vermuthet Simson, Forsch. XIX, 134, einfach die
Lauresham. in vollständigerer Form als Quelle.
Wir gedachten schon oben der grofsartigen Idee Kaiser Karls,
an den äufsersten Grenzen seines Reiches Metropolen zu errichten,
welche das Christenthum weit über die Marken hinaus tragen und
den geistlichen Einflufs des Kaiserthums dahin erstrecken sollten,
wo man seine Waffen nicht mehr fürchtete. Das Heidenthum war
der christlichen Kirche unversöhnlicher Feind, es hing genau zu-
sammen mit der alten freien Gemeiudeverfassung, und aus beiden
entsprangen die unablässigen Raubzüge, von denen die germanischen
Nationen jetzt abgelassen hatten, vor denen sie nun aber in ihren
gefährdeten Grenzen keine Ruhe fanden, bis die Ausbreitung des
Christenthums dem alten Unwesen ein Ende machte.
Hamburg war dazu bestimmt, der kirchliche Mittelpunkt des
!) V. Willehadi aucL Anskario ed. Pertz, MG. SS. II, 378—390. Ueber-
setzt von Laurent, 1856. 1888. Geschichtschr. 14 (VIII, 3). Hs. in einem
alten Sanctgaller Catalog, NA. X, 169. Ebert II, 340. Hauck II, 318
bis 320.
2) G. Dehio, Gesch. des Erzb. Hamburg-Bremen bis zum Ausgang der
Mission (Berl. 1877) Ib S. 51—53. Alcuin läfst 789 „dilectissimum meum
Uilhaed episcopum" grüfsen, ep. 13 Jaffe.
248 II- Karolinger. § 15. Sachsen.
Nordens zu werden1). Ludwig achtete nicht auf den unausgeführt
gebliebenen Gedanken seines Vaters; als aber der flüchtige Dänen-
könig Harald die Taufe verlangte und Anskarius oder Ansgarius,
der ihn als Lehrer der Seinen begleitete, bald auch auf Schweden
seine "Wirksamkeit ausdehnte, da wurde der alte Plan wieder auf-
genommen und Anskar 831 zum Erzbischof von Hamburg geweiht.
Doch fehlte Karls starke Hand zum Schutze der neuen Schöpfung,
welche dem in Dänemark und Schweden neu erstarkten Heiden-
thume gegenüber keine erhebliche Wirksamkeit gewinnen konnte.
Die Reichstheilung entzog Anskar die Einkünfte der ihm angewie-
senen Zelle Turholt in Flandern, und 845 wurde Hamburg selbst
von den Dänen verwüstet. Da vereinigte Ludwig der Deutsche
847 das erledigte Bisthum Bremen mit dem Erzbisthum und sicherte
dadurch dessen Bestand. Anskarius konnte nun mit ausreichenden
Mitteln seine Wirksamkeit fortsetzen und starb nach einem Leben
voll rastloser Thätigkeit am 3. Febr. 865. Einst hatte er in seiner
Zelle Turholt in Flandern einen Knaben bemerkt, der ihm besonders
hoffnungsreich erschien: es war Rimbert, den er zum Geistlichen
erziehen liefs, und der dann bald als sein treuester und liebster
Jünger sein unzertrennlicher Gefährte, zuletzt sein Nachfolger wurde.
Dieser ist es, der mit einem andern Schüler Anskars zusammen2)
in Hamburg das Leben des Meisters bald nach dem Tode desselben
geschrieben hat3), voll warmer und inniger Liebe, zugleich aber
reicher an Inhalt als die Mehrzahl der übrigen Biographieen ähn-
licher Art. Anskars Leben gehört ohne Frage zu den bedeutend-
sten Quellenschriften des Mittelalters; die ganze reiche Wirksamkeit
des glaubensstarken Erzbischofs, das volle Bild seiner grofsartigen,
*) Rimberts bestimmte Angaben über Karls Absicht zu bezweifeln, sehe
ich keinen Grund, wenn auch zuzugeben ist, dafs sie keine völlig genügende
Sicherheit gewähren.
2) Diese Angabe der V. Rimb. c. 9 bekämpft Koppmann: Die mittel-
alterlichen Geschichtsquellen in Bezug auf Hamburg (1868) S. 25. 36 — 38.
Doch scheint mir der Verfasser jener Vita noch eine bestimmte Ueber-
lieferung gehabt zu haben, und eine Ungleichheit im Stil braucht deshalb
nicht hervorzutreten.
») V. Rimb. c. 9. Adam Br. I, 36. V. Anskarii, MG. II, 683—725,
herausgegeben von Dahlmann, der in den Anmerkungen leider noch das
unechte Chron. Corbejense benutzt hat. Octavausgabe v. Waitz 1884; vgl.
die Bemerkungen von Kunik, Forsch. XXIV, 191 — 197. Uebersetzt von
Laurent, 1856. 1889. Geschichtschr. 22 (IX, 7). Ueber die neueren Bear-
beitungen s. H. A. Schumacher im Brem. Jahrbuch II, 444 — 468, und jetzt
ausführlich über diese und über A. überhaupt G. Dehio a. a. 0. Ebert II,
341 — 343. Anskars Pigmenta (Gebete zu den Psalmen) hat Lappenberg
herausgegeben, Ztschr. f. Hamb. Gesch. II, 1 ff. Vgl. Koppmann, Allg. D.
Biogr. I, 480—483. Hauck II, 617 ff.
Anskar. Rimbert. Corvey. 249
kindlich dernüthigen und doch so verständigen Persönlichkeit tritt
uns lebensvoll darin entgegen, und über die Zustände des Nordens
verbreiten die einfachen und zuverlässigen Aufzeichnungen Rimberts
das erste Licht. Dafs auch Träume, Visionen, Wunder einen grofsen
Raum darin einnehmen, liegt in der Natur der Verhältnisse; ge-
schrieben wurde das Buch für die Mönche des Klosters Corbie, aus
dem Anskar hervorgegangen war, dessen Mönche ihn begleitet
hatten, und diesen lag mehr daran, ihren grofsen Klosterbruder als
einen Heiligen geschildert zu sehen, als von den nordischen Heiden
genaue Nachrichten zu erhalten. Man darf es bei der Beurtheilung
dieser Litteratur nie vergessen, dafs, was wir am meisten darin zu
finden wünschen, gewöhnlich von den Verfassern wie von den Lesern
als Nebensache betrachtet wurde.
Hier aber brachte es die ganze Art der Thätigkeit Anskars mit
sich, dafs auch die äufseren Verhältnisse, in denen er sich bewegte,
geschildert werden mufsten, und uns zum Glück hat Rimbert vieles
von dem, was er berichtet, selbst mit durchlebt und gesehen. Darum
reiht sich dieses Leben dem früheren Severins, dem späteren des
Otto von Bamberg an. Unbedeutend dagegen ist des wackeren
Rimbert eigene Lebensbeschreibung1), von unbekanntem Verfasser.
Geschrieben ist sie zu Lebzeiten seines Nachfolgers Adalgar, der
von 888 bis 909 Erzbischof war.
§ 16. Fortsetzung. Corvey. Gandersheim.
In Fulda, wie in Friesland, in Münster und Bremen, waren es
Angelsachsen, welchen die Grundlagen der neuen Entwicklung ver-
dankt wurden; bei Anskar aber war ein solcher Einflufs nicht nach-
zuweisen. Von Kindheit an im Kloster Corbie an der Somme erzogen,
übernahm er dort schon früh die Leitung der Klosterschule und
wurde dann der erste Vorsteher der Schule in dem neu gegründeten
Tochterkloster Corvey in Sachsen.
Diese Stiftung war eine Frucht der nicht blofs äufserlich durch
Zwang und Eroberung, sondern auch innerlich vollzogenen Einigung
des fränkischen und des sächsischen Stammes. Schon König Pippins
Bruder Bernhard hatte eine sächsische Gemahlin und Bernhards
]) V. Rimberti ed. Pertz, MG. II, 764—775. Ausg. von Waitz mit der
V. Anskarii. Uebersctzt von Laurent 1856. 1889 mit Anskars Leben. Brief
von Ratramnus an Rimbert über die Hundsköpfe in Hilgenfelds Zts. f.
wiss. Theol. 1881. Ein zweiter bei Wilmans Kaiserurkk. I, 566.
250 II« Karolinger. § 16. Corvey. Gandersheim.
Söhne, Adalhard und Wala, nahmen sich eifrigst der Bekehrung
und Belehrung ihres Volkes an.
Adalhard hatte Karls Hof verlassen, als dieser die Tochter
des Königs Desiderius verstiefs, war in Corbie Mönch geworden, und
weil hier die Besuche seiner vornehmen Verwandten die klösterliche
Ruhe störten, nach Montecassino entwichen. Aber Karl rief ihn von
da zurück; er wurde Abt von Corbie und mufste von neuem an den
Reichsgeschäften Theil nehmen. Namentlich hat er läügere Zeit hin-
durch eine sehr bedeutende Stellung in Italien eingenommen. Wala
aber war, als Karl starb, über Sachsen gesetzt.
Karl wünschte aus den Sachsen selbst Lehrer des Christen-
thums zu erziehen, und deshalb hatte er gefangene und als Geiseln
übergebene Sachsenknaben in verschiedene Klöster vertheilt; viele
derselben waren Adalhards Obhut in Corbie übergeben, und dieser
gedachte in Sachsen selbst ein Kloster zu gründen, aber seine Sen-
dung nach Italien verhinderte die Ausführung. Als Ludwig zur
Regierung kam und mit dem kleinlichsten Hasse die Staatsmänner
seines Vaters verfolgte, wurde Adalhard nach Noirmoutiers ver-
bannt1), Wala aber Mönch in Corbie. Dieser betrieb nun mit dem
gröfsten Eifer die Stiftung eines Klosters unter dem Volke, dem er
durch seine Mutter angehörte; schon 815 wurde zu Hethis im Sol-
ling2) eine Celle erbaut, aber der Ort war ungünstig und das neue
Kloster fing erst an zu gedeihen, als Adalhard wieder Einflufs ge-
wonnen hatte und Kaiser Ludwig 822 die Stiftung und den Neubau
auf dem Königshofe Höxter gestattete3). Hier erblühte nun die
neue Corbeja, wohin auch Ansgar damals als Lehrer ging, rasch und
kräftig; nach Adalhards Tod (2. Januar 826) wurde Warin4) zum
*) Dort liefs er die Historia tripartita absehreiben: „Hie codex Hero
insula scriptus fuit jubente sancto patre Adalhardo dum exularet ibi".
Mab. de re dipl. tab. V. Jetzt ist die Hs. in Petersburg, NA. V, 248;
eine andere S. 252. — Ein prächtiges, auf Befehl Rodrads von Corbie 853
für B. Hilnierad von Amiens geschriebenes Sacramentar beschreibt Delisle,
Sacram. p. 123.
2) Dahin gehört das in Pfeiffers Germania e cod. Vat. gedr. Möncbs-
verzeichnifs s. IX. nach Enck in der Zts. f. vat. Gesch. Bd. 37, Münster 1879.
3) So Simson, Ludw. d. Fr. H, 266. Wilmans Kaiserurkunden I, 463 ff.,
scheint der V. Adalhardi zu viel Glauben geschenkt zu haben, und über-
schätzte Alter und Autorität der Fundatio Corbejensis, gedr. ib. I, 507.
Vgl. Rodenberg, Die Vita Walae, S. 97 — 104. Gegen beide verwirft
Holder-Egger in der neuen Ausg. SS. XV, 2, 1043—1045, die Annahme
einer älteren Gründungsgeschichte, er sieht in der 2. Form nur eine Er-
weiterung der ersten. Diese, kurz vor 1158 geschrieben, wurde zu den
Zusätzen zu Thietmar benutzt, welche der Annalista Saxo aufnahm.
4) Ihm widmete Paschasius Radbertus zwei seiner Schriften, Ebert II,
232. 235. NA. IV, 304.
Adalhard und Wala. 251
Abt erwählt. Auch er hatte bereits das Schwert geführt und erst
im späteren Alter mit der Mönchskutte vertauscht. Im Jahre 830
empfing er in seinem Kloster einen vornehmen Gast, Hilduin, den
Abt von St. Denis, der nach Corvey verbannt war. Die liebevolle
Aufnahme, welche dieser bei Warin fand, dankte er ihm später
nach seiner Rückkehr durch ein kostbares Geschenk, den Leib des
heiligen Veit, der 836 nach Corvey gebracht und hinfort als der Hort
und Schutz des sächsischen Volkes betrachtet wurde.
Ueber diese Ereignisse berichtet uns ein ungenannter Möuch von
Corvey in der Erzählung von der Uebertragung des heiligen
Veit1), der er selbst beigewohnt hatte. Es kann wohl, obgleich
Jaffe es nicht gelten lassen wollte, nicht zweifelhaft sein, dafs dem
Bericht von der Uebertragung und den Wundern die Erzählung der
Stiftung des Klosters erst nachträglich vorangestellt ist, doch ver-
muthlich von demselben Verfasser oder mindestens einem Zeit-
genossen. In Corbie dagegen schrieb Radbert, mit dem Beinamen
Paschasius, einer der bedeutendsten unter den gelehrten Theologen
dieser Zeit2), das Leben der Brüder Adalhard und Wala, jedoch so
überladen mit rednerischem Schmuck, dafs die Thatsachen nur müh-
sam herauszufinden sind. Adalhards Leben3) ist bald nach seinem
Tode, noch bei Lebzeiten des Wala geschrieben; es ist eigentlich
nur eine Todtenklage, nach Traube's Vermuthung mit dem Rotulus
an die verbrüderten Klöster versandt, und nachträglich, als Wala
nicht, wie er gewünscht, Abt von Corvey geworden war, mit Zu-
sätzen versehen. Die hinzugefügte Egloga, ein Wechselgesaug der
alten und der neuen Corbeja, ist ohne die Vita unverständlich und
gehört nothwendig dazu. Schwülstiger und sclrwer verständlich ist
1) Historia Translationis S. Viti ed. Papebroch, Acta SS. Jun. II, 1029 bis
1037. Pertz MG. II, 576—585 wiederholte die ältere Ausgabe Mabillons,
welcher der Prolog fehlt; Handschriften fehlen. Neue kritische Ausgabe
von Jaffe, Bibl. I, 1 — 26. Uebers. v. Grandaur 1888 nach V. Eigilis.
Vgl. Enck: De S. Adalhardo abb. (Diss. Monast. 1873) S. 60: Translatio
S. Viti quo tempore scripta quaeque ei fides tribuenda esse videatur.
Ebert II, 336 — 338. Der Verfasser hat die V. Adalhardi schon benutzt.
Späten Ursprungs und kaum brauchbar ist S. Justini translatio Roma Cor-
bejam 891, wozu 949 sein Kopf von Magdeburg kam ed. Meibom SS. I,
709; cfr. Acta SS. Aug. I, 33.
2) Ueber ein Citat aus Senecas ludus de morte Claudii s. F. Jonas
im Hermes VI, 126. Dümmler, NA. IV, 301—305. Ebert II, 230-244;
ib. 244—247 über Ratram, Mönch von Corbie. Epitaph des Abts Ratold
(986) NA. V, 622. — V. Pascasii Radberti aus d. 12. od. 13. Jahrh. ed.
Holder-Eggcr, SS. XV, 452-454.
3) Acta SS. Jun. I, 96—111. Mab. IV, 1, 308-344. Excerpte MG. II,
524—532. Die Egloga mit anderen Versen Radberts ed. Traube, Poet.
Lat. III, 38—53; vgl. dens. 0. Roma nob. S. 310—312.
252 H- Karolinger. § 16. Corvey. Gandersheim.
das Leben des Wala1) (f 836), welches in Nachahmung des Cicero2)
in Gesprächsform verfafst und aus Furcht vor dem Kaiser und Karl
dem Kahlen in absichtliche Dunkelheit gehüllt ist; aufserdem war
der Verfasser nichts weniger als unbefangen und folgte zur Verherr-
lichung seines Helden und zur Erbauung seiner Leser, wie billig,
kirchlichen Gesichtspunkten, politische lagen ihm fern.
Natürlich begannen schon unter Adalhard Schenkungen dem
neuen Kloster zuzuströmen; diejenigen Traditionen, über welche
eigene Urkunden nicht ausgestellt waren, was damals noch selten
geschah, wurden bis 1037 auf eine Rolle geschrieben und von dieser
durch den Bruder Johannes abgeschrieben. Es begegnete ihm aber
dabei das Unglück, dafs er mit der Rückseite anfing, weshalb die
ältesten Traditionen unter Adalhard erst § 225 beginnen3).
Verloren sind uns leider Adalhards Briefe, und nur in einem
Auszuge Hinkmars erhalten seine Schrift über die Hofordnung
Karls des Grofsen4), welche auch so noch zu den lehrreichsten
Denkmälern dieser Zeit gehört, deren Zuverlässigkeit aber durch die
Ueberarbeitung ungewifs geworden ist. Hinkmar war nämlich damals
aus seiner einflufsreichen Stellung verdrängt und sehr unzufrieden;
er kämpfte vergeblich für die Unabhängigkeit der Bischofswahlen
und klagte über den ungeordneten Einflufs von Günstlingen. Deshalb
stellte er hier Karlmann, dem Sohne Ludwigs des Stammlers, 882 ein
ideales Bild der guten alten Zeit vor Augen. Mit der Wahrheit
nimmt Hinkmar es auch sonst nicht eben genau, und Vorsicht ist
daher dringend geboten. Im allgemeinen aber entspricht die Dar-
stellung den wirklichen Verhältnissen, wie sie uns, freilich unvoll-
kommen genug, aus Karls Zeit bekannt sind.
Das Andenken Wala's hat sich, wie R. Wilmans sehr scharf-
sinnig nachgewiesen hat, in dem Nonnenkloster Herford, einer von
1) Mab. IV, 1, 455—522. Excerpte MG. II, 533-569. Vgl. Himly,
Wala et Louis le Debonnaire, Paris 1849. C. Rodenberg: Die Vita Walae
als hist. Quelle, Gott. 1877. Dass I, 9 unter „Virgilius ille tuus" Ausonius
zu verstehen sei, hat B. Simson nachgewiesen, s. NA. XII, 428. — Gedichte
des Engeknod von Corbie ed. Traube, Poet. Lat. III, 54—66.
2) Nach Traube, Poet. Lat. III, 42.
3) Nachgewiesen von H. Dürre: Ueber die angebliche Ordnungslosig-
keit und Lückenhaftigkeit der Traditiones Corbejenses, im Progr. d. Gymn.
in Holzminden, 1877, und Zts. f. Westf. Gesch. Bd. 36. Ausgabe von
Wigand 1843.
4) Hincmari epistola de ordine palatii, gedr. u. a. in Walters Corp. Jur.
Germ. III, 761—772. Gengier, Germ. Rechtsdenkmäler, S. 692. Migne
CXXV. Ausg. v. Prou, Bibl. de FEcole des hautes etudes 58. 1884. Vgl.
Pernice, De Comitibus palatinis (1863) p. 47—50. C. v. Noordeu, Hink-
mar S. 385. Waitz, Verfassungsgesch. III, 412.
Translationen. 253
derselben Familie ausgegangenen Stiftung, erhalten. Man nannte ihn
Wal der oder Waltger, und Wigand, ein Landpfarrer, vielleicht
von Kirchdornberg, schrieb im 13. Jahrh. seine Legende, in welcher
freilich von der wirklichen Geschichte nur noch schwache Spuren
geblieben sind1).
Das Leben der Ida, der Mutter Warins (welche Verwandtschaft
aber sehr zweifelhaft ist), ist erst auf Anlafs ihrer Erhebung 980
durch den Bischof Dodo von Münster unter Abt Liudolf von Uffing,
einem Werdener Mönche, geschrieben und erscheint wenig glaub-
würdig2).
Einige Nachrichten über diese ersten geistlichen Stiftungen im
Sachsenlande sind uns ferner noch erhalten in den Berichten über
die Erwerbung und Uebertragung der Reliquien, welche zu ihrem
Gedeihen nun einmal unerläfslich waren; so erhielt Herford 860
die heilige Pusinna3), Paderborn schon 836 aus Le Mans den
h. Liborius4); die Erzählungen davon sind aber erst gegen das
Ende des neunten Jahrh. verfafst, die letztere durch den Bischof
Biso, einen Zeitgenossen des Kaisers Arnulf veranlafst, während die
Uebertragung ein Werk des Bischofs Badurad war. Ein gleiches
Yerhältnifs beider Bischöfe begegnet uns darin, dafs zu Badurads
Zeit Mainulf, ein vornehmer Sachse, Canonicus in Paderborn ge-
worden war und das Nonnenkloster Boeddeken gestiftet hatte,
Biso aber dessen Leib feierlich erheben liefs, vermuthlich auch eine
Lebensbeschreibung veranlafste. Diese ist jedoch verloren; wir be-
sitzen nur eine Ueberarbeitung, welche von dem Verfasser Sigeward
einem nicht näher bezeichneten Albinus zugeeignet ist. Der Her-
ausgeber C. Byeus vermuthet in jenem den Abt von Fulda (1039 bis
1043) vor seiner Erhebung zur Prälatur, wofür, wie Holder-Egger
bemerkt, keinerlei Gründe vorhanden sind, in Albin den berühmten
Lehrer Albwin von Hersfeld, welcher 1043 Abt von Nienburg wurde.
Die Sprache ist jener Zeit angemessen, Reimprosa mit übertriebenem
Streben nach Schönrednerei, mit Brocken aus Horaz und Vergil
J) Vita Waltgeri, im Auszug bei Heinrich von Herford. Neue, erste krit.
Ausg. bei R. Wilmans Kaiserurkk. 488—501 ; dazu S. 275—318 wichtige
Untersuchungen über die merkwürdige Familie und ihre Stiftungen.
3) Erste zuverlässige Ausgabe von R. Wilmans a. a. 0. 469 — 488.
Vgl. Hüsing, Genealogie der h. Ida, Zts. f. vaterl. Gesch. 38, Münster 1880.
3) Translatio S. Pusinnae, in berichtigtem Abdruck bei Wilmans a. a. 0.
541—546. Auszug SS. II, 681. Bei Henr. de Hervordia ed. Potthast p. 59
sind noch mehr Wunder.
4) Translatio S. Liborii, MG. SS. IV, 149—157. Uebers. von Gran-
daur bei V. Eigilis. Vgl. Conr. Mertens : Der h. Liborius. Sein Leben,
seine Verehrung u. seine Reliquien. Paderborn 1873.
254 II- Karolinger. § 16. Corvey. Gandersheim.
geschmückt; es war nicht des Verfassers Schuld, dafs ihm geschicht-
liche Thatsachen fast gar nicht vorlagen, und die Wundergeschichten,
welche er zu berichten hatte, noch alberner waren als gewöhnlich 1).
Auch das Leben der heiligen Liutbirg2), einer Klausnerin bei
Halberstadt, die bis zu den Zeiten König Ludwig des Jüngeren
(876 — 882) lebte, giebt Kunde von dem Eifer, mit welchem die
Neubekehrten sich der Kirche zuwandten, und ist merkwürdig durch
die darin enthaltenen Angaben über die Nachkommen jenes Hessi,
des Fürsten der Ostfalen, welcher sich 775 Karl dem Grofsen unter-
worfen hatte.
Aus Corvey aber sind uns noch Ostertafeln erhalten, im achten
Jahrhundert von angelsächsischer Hand geschrieben und mit wenigen
Bemerkungen versehen, zu welchen die Mönche des Klosters im
Laufe der Zeiten andere hinzugefügt haben; als Geschichtswerk kann
man diese kurzen Notizen nicht betrachten, und auch der materielle
Inhalt ist für die vorliegende Periode fast ohne Bedeutung3). Da-
gegen hat der Abt Bovo (879 — 890), ein Neffe "Warins, oder nach
Wilmans' Vermuthung vielmehr Bovo II (900 — 916) ein "Werk ge-
schrieben, aus welchem Adam von Bremen (I, 41) ein werthvolles
Bruchstück über die Normannenschlacht von 884 erhalten hat4).
Er führt es ein mit den Worten: „de sui temporis actis scribens
non reticuit dicens", und danach möchte man an ein Werk über
die Geschichte seiner Zeit denken, doch fällt es auf, dafs nirgend
sonst sich eine Spur davon findet, auch Adam nur diese eine An-
führung hat. Die Hauptsache ist das Verdienst des Erzbischofs
Rimbert, von welchem ein Brief über denselben Vorfall in die Fulder
Annalen aufgenommen war, aber leider in unserer Handschrift aus-
gelassen ist. Adam bezeichnet den Vorgang als ein Wunder, und
vielleicht waren Wundergeschichten der Inhalt des Werkes. Derselbe
2) Vita S. Mainuty ed. Corn. Byeus, Acta SS. Oct. III, 209—216. Dann
folgt die neue Bearbeitung, welche von Gobelinus Persona verfafst ist, wie
Holder-Egger durch die Trierer Hs. sichert. Ausg. d. älteren Vita SS. XV,
411—417.
2) Bei A. Lang, De Sanctis 0. S. Benedicti. B. Pez Thes. II, 3, 146.
MG. SS. IV, 158—164 im Auszuge.
3) Annales Corbejenses, MG. SS. III, 1—18; berichtigte Ausgabe von
Jaffe, Bibl. I, 28—65, wo 7 Notizen 809—840 als Ann. aut Monasterienses
aut Werthinenses ausgeschieden sind. Von anderer Hand sind Ann. Corb.
822—879 eingetragen, dann gleichzeitige Fortsetzungen 880 — 1117. Vgl.
oben S. 150. Zu warnen ist vor der Verwechselung mit dem unechten
Chron. Corbejense. Ueber die werthvolle ausführlichere Eintragung zu 1046
s. Steindorff, Heinrich III, I, 480. Gröfseres Facs. mit den Veränderungen
der Schrift vom 7. bis 12. Jahrh. in Wigands Arch. f. Gesch. Westf. V.
4) Abgesondert als Bovonis de sui temporis actis fragmentum, herausge-
geben von Jaffe, Bibl. 1, 27, vgl. Wilmans a. a. 0. S. 304.
Corvey. Gandersheim. 255
Boyo II zeichnete sich durch seine Kenntnifs des Griechischen aus,
und erregte allgemeines Erstaunen, als er dem König Konrad ein
griechisches Schreiben auszulegen vermochte, vermuthlich 913, als
der König das Kloster besuchte1). Wir besitzen aber noch ein
"Werk von ihm, welches durch Gelehrsamkeit und vortreffliche Lati-
nität der besten karolingischen Schule vollkommen würdig ist, und
auch griechisch geschriebene Wörter enthält, welche Kenntnifs der
Sprache zeigen, nämlich einen Commentar zu Boeth. de consol. phil.
III metr. IX. Diesen schrieb er auf den Wunsch des Bischofs Bovo,
seines viel jüngeren Blutsverwandten, der unter ihm in Corvey Mönch
geworden2), und jetzt durch weite Länderstrecken (longinqua nimis
terrarum intercapedine) von ihm getrennt war; er schrieb ihm trotz
schwerer Sorgen, „inter miserias et aerumnas, quas inter civilia bella
et paganorum, ut prophetice loquar, velociores aquilis incursiones
sine cessatione patimur"3).
Begreiflich ist es, dafs bei noch wachsender Bedrängnifs auch
hier die Feder ruhen mufste, dafs von Bovo's Ruhm und seinen
Werken nur eine dunkle Erinnerung blieb, und dafs eine neue Zeit
erst anbrach, als die Thaten der Ottonen neuen Anstofs zu schrift-
stellerischer Thätigkeit gaben.
Dasselbe war der Fall in einem andern Kloster, welches den
Ludolfingern noch näher stand als Corvey, in Gandersheim, wo
Graf Ludolf selbst um 850 eine ältere Stiftung erneuert hatte und
Prinzessinnen seines Hauses als Aebtissinnen walteten. Die erste,
bis zum Jahre 874, war Ludolfs Tochter Ha thum od, deren Leben
von ihrem Bruder Agius beschrieben wurde, der nach einer Ver-
muthung von Pertz wahrscheinlich Mönch in dem nahe gelegenen
Kloster Lammspring war, aber, wie Dümmler bemerkt, ebenso gut
Corvey angehört haben kann. In der Form ahmte er, wie Traube
bemerkt4), das Vorbild des Paschasius Radbertus nach, indem er
zu der in Prosa geschriebenen Biographie Elegieen hinzufügte, die
1) „Qui Graecas litteras coram Cuonrado rege legendo factus est clarus."
Cod. Steinveld. ad Widuk. III, 2.
2) Nach dem sehr werthvollen, vom Beginn des Klosters bis 1146 fort-
geführten Verzeichnifs der Aebte und der unter jedem aufgenommenen
Mönche, neu herausgegeben bei Jaffe, Bibl. I, 66—72, MG. SS. XIII, 274.
Bovo war wahrscheinlich Bischof von Chalons-sur-Marne, f 947, Bruder
der Königin Frideruna, Oheim des B. Berengar von Cambrai, s. MG. SS.
VII, 431, im Necr. Merseb. zu Dec. 20, Neue Mitth. XI, 250.
3) Herausgegeben von A. Mai, Class. Auct. III, 332 — 342. Der Abt ist
nur durch B. bezeichnet, kann aber kaum ein anderer sein.
4) 0 Roma nobilis, S. 310.
256 U* Karolinger. § 16. Corvey. Gandersheim.
eine tiefgefühlte rührende Todtenklage enthalten1). Sowohl die reine
und fehlerfreie Sprache, die gewandte Ausdrucksweise, der fliefsende,
wenn auch nicht ganz correcte Versbau, wie das zarte und sinnige
Gemüth des Verfassers, den die innigste Liebesgemeinschaft mit
seiner Schwester verbunden hatte, verleihen diesen Schriften einen
ganz besonderen Reiz; die mancherlei Nachrichten über die ver-
schiedenen Mitglieder dieser zahlreichen und ausgezeichneten Fürsten-
familie geben ihnen aufserdem noch einen gröfseren Werth für den
Geschichtsforscher.
Pertz hat die Vermuthung ausgesprochen, dafs wohl derselbe
Agius jener sächsische Dichter sein möge, welcher Einhards Jahr-
bücher metrisch bearbeitete. Dieselben Vorzüge des Ausdruckes
finden sich darin wieder, und die einzige vorhandene Handschrift
stammt aus dem Kloster Lammspring2). Doch ist sie kein Original,
und jene Annahme nicht ohne Bedenken. Deutlich aber bezeichnet
der ungenannte Dichter sich als einen Sachsen, den in den ersten
Jahren der Regierung Königs Arnulfs die Dankbarkeit gegen den
grofsen Sachsenbekehrer, welchem er nicht allein den Glauben, son-
dern auch die litterarische Bildung allein verdankte, zu dem Unter-
nehmen getrieben habe, Karls Leben und Thaten in Versen zu ver-
herrlichen. Er hält sich dabei ganz genau an die Einhardischen
Annalen und an das ausdrücklich citirte Leben Karls von Einhard,
welchem das letzte, in Distichen verfafste Buch entnommen ist; nur
wenige Schilderungen aus eigener Kenntnifs beleben die reizlose
Paraphrase. Von 801 an haben ihm jedoch, wie Bernhard Simson
nachgewiesen hat, jene Annalen nicht mehr vorgelegen, sondern
dürftigere, den Hersfelder verwandte, vermuthlich Halberstädter An-
nalen, aus welchen die falsche Angabe über den 803 zu Salz mit
den Sachsen abgeschlossenen Frieden sich erklärt3). Puckert (S. 172
J) Agil Vita Hatkumodae ed. Pertz, MG. SS. IV, 165—189. Ueber-
setzung von Rückert, Stuttg. 1845, von Grandaur bei Vita Eigilis. Be-
nutzung des Fortunat, NA. IV, 527; in der Prosa der V. Martini ib. XIV,
166. — Ausg. des Dial. von Traube, Poet. Lat. III, 2, 369—388.
2) Die nachträglich gefundene Brüsseler Handschrift (Archiv III, 379)
scheint der Lammspringer zu entstammen, wenigstens hat sie dieselben
Lücken. Zur Zeit des Probstes Gerhard u. der Aebt. Judith (1178 — 1191)
schrieb hier die Nonne Ermengarde einige Schriften des h. Augustin ab,
Cod. Heimst. 204, s. 0. v. Heinemanns Wolfenb. Catalog I, S. 185.
3) Poetae Saxonis Annales de Gestis Caroli magni imperatoris, ed. Pertz,
MG. I, 225—379. Wieder abgedruckt bei Migne XCIX, 683—736. Jane,
Bibl. IV, 542—627. Ebert III, 125—129. Simson, Der Poeta Saxo und
der Friede zu Salz, Forschungen I, 301 — 326. Pannenborg vermuthet, dafs
der Verfasser der Gesta Heinrici IV dieses Werk gekannt und nachgeahmt
habe. Brieden, Geschichtl. Werth des Poeta Saxo. Progr. d. Laurentia-
nums zu Arnsberg, 1878.
Agius. Poeta Saxo. Regino. 257
bis 180) nimmt Benutzung des verlorenen Werkes (oben S. 226) in
einer Metzer Bearbeitung und Angehörigkeit des Verfassers zu St.
Arnulf in Metz an.
§ 17. Lothringen.
Richbod von Trier (795 — 804) ist als Schüler Alcuins bekannt,
und wird als ein Mann von gründlicher Gelehrsamkeit und Bildung
gerühmt; Alcuin warf ihm vor, dafs er die Aeneide besser kenne,
als die Evangelien. Ohne Zweifel wird er sich um die Schulen in
seinem Sprengel verdient gemacht haben. Auch Amalarius (809 bis
814) machte sich als Schriftsteller bekannt1); an seinen Nachfolger
Hetti (814 — 847) schickte Einhard mit einem freundschaftlichen
Briefe (ep. 10, bei Jaffe 23) einen Theil seiner kostbaren Reliquien,
vermuthlich für die von ihm gestiftete und 836 eingeweihte Castor-
kirche zu Koblenz. Von ihm hat sich eine Anleitung zum kirch-
lichen Unterricht in Gesprächform erhalten2); ihm zur Seite stand
als Landbischof Thegan, der schon erwähnte Biograph Ludwigs des
Frommen. Sein Neffe und Nachfolger war Thietgaud (847 — 863),
Grimalds Bruder, aber sehr unvorth eilhaft bekannt durch seine Mit-
schuld an Lothars II Scheidungsgeschichte. Am Ende des Jahr-
hunderts, nach der entsetzlichen Verheerung durch die Normanneu
882, war Ratbod Erzbischof (883 — 915), welcher den vertriebenen
Abt von Prüm, Regino3), zu gelehrten Arbeiten veranlafste.
Dieser Regino war von Jugend auf im Kloster Prüm erzogen,
wo schon unter dem Abte Mark ward (829 — 853) litterarische Thä-
tigkeit bemerkbar wird. Verwandt mit Lupus, war nämlich auch
Markward in Ferneres Mönch geworden, wo damals Alderich, später
Erzbischof von Sens, Abt war, und nach Markwards Erhebung zum
Abt von Prüm folgte sein Klosterbruder Ado, der als Erzbischof von
Vienne seine Neigung zur Geschichtschreibung bewährt hat, der Ein-
ladung, eine Zeit lang in Prüm zu wirken. Markward selbst war
!) Aufser verschiedenen Schriften kirchlichen Inhalts (s. NA. XIII,
305 — 323, XVII, 456) schrieb er nach der Gesandtschaftsreise, die er 813
mit Abt Peter von Nonantula nach Constantinopel unternahm, die dunkeln
und in der Ueberlieferung verderbten Versus marini, gedruckt in Alcuins
Werken, ed. Froben II, 525; Jaffe, Bibl. IV, 426; Dümmler, Poet.
Lat. I, 426.
2) Herausgegeben von Dr. Nolte im Jahresbericht d. Ges. f. nütz!.
Forsch, in Trier f. 1872/73 (1874) S. 50-58.
3) Baehr S. 184 — 186. 535 — 538. Dümmler in der Vorrede zur
Uebersetzung der Chronik. H. Ermisch, Die Chronik des Regino bis 813,
Gott. 1872. Vergl. unten S. 260.
Wattenbach, Geschichtsquellen. I. 6. Anfl. 17
258 II- Karolinger. § 17. Lothringen.
Hüter und Lehrer Karls des Kahlen gewesen, als dieser 833 nach
dem Siege Lothars nach Prüm verwiesen war1); Lupus (ep. 85)
sendet ihm Grüfse von demselben und schickte ihm Knaben zur
Ausbildung. Schon bevor er Abt wurde, hatte Lupus 839 das Leben
des h. Maximin verfafst und seinem Freunde Waldo gewidmet, viel-
leicht demselben, welcher später Abt von St. Maximin wurde (oben
S. 236).
In Prüm verfafste auf Markwards Veranlassung Wandalbert
(geb. 813) 839 die geschichtlich nicht ganz unwichtigen Wunder des
heiligen Goar, welche er zu der Ueberarbeitung der alten Legende
hinzufügte; den Schlufs bildet ein ausführlicher Bericht über die
Erwerbung der Cella S. Goaris durch Verleihung Pippins und Be-
stätigung Karls des Grofsen 2). Auch besitzen wir von Wandalbert
das schon oben (S. 60) erwähnte metrisch bearbeitete Martyrologium,
welches er auf Antrieb eines sonst nicht bekannten Otricus begann,
als er sich in Cöln aufhielt, und nachdem es vollendet war, mit
einer Commendation an Lothar versah, 5 lustra nachdem dieser
Kaiser geworden, also 848. Die künstlichen Versmafse der dazu
gehörigen Gedichte zeugen von seiner Gelehrsamkeit, und während
die Hauptmasse ihrer Natur nach fast reine Prosa ist, bieten uns
namentlich die Beschreibungen der Monate anziehende Schilderungen
ländlicher Beschäftigung in leicht fliefsenden Versen3). Markward
aber übertrug im Jahre 844 die Gebeine der heiligen Chrysanthus
und Daria nach Münstereifel, welches damals zu Prüm gehörte;
Theganbert oder Thegan war es, der sie hier am 25. October feierlich
beisetzte, und der Abt versäumte nicht, für die Aufzeichnung dieser
Begebenheit zu sorgen oder, wie Holder-Egger vermuthet, sie selbst
aufzuzeichnen4). Unter Abt Eigil (853 — 860) brachte der Tod des
Kaisers Lothar in der Kutte eines Prümer Mönches dem Kloster
hohen Ruhm und reiches Gut; Eigil selbst, ein gelehrter Mann, an
den Hraban eine Abhandlung gerichtet hat, entsagte 860 seiner
x) Vgl. darüber B. Simson, Ludwig d. Fr. II, 63 Anm. 2.
2) Die werthlose alte Vita S. Goaris bei Mab. II, 276 — 280; dann folgt
die von Wandalbert mit den Wundern. Miracula S. Goaris, ed. Holder-
Egger, SS. XV, 361-373, mit der Vorrede der Vita.
3) S. über ihn Dümmler, NA. IV, 305—312; Ebert II, 185—191; das
Martyrol. Poet. II, 567 — 622. Die von Rettberg bezweifelten Verse über
die Cölner Märtyrerinnen sind sieher echt. Uebersetzung der Verse über
die Monate von Paul Herzsohn in d. Westd. Zts. I, 277 — 290.
4) Historia translationis Chrisantlri et Dariae, Mab. IV, 1, 611 — 618.
Acta SS. Oct. XI, 490—495 ed. B. Bossue, Annalen f. d. Gesch. d. Nieder-
rheins XX, 96—217, Ausg. u. Abhdlg. von Flofs. Auszug MG. SS. XV,
373. "
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MICHAEL'S N ^
LLEGE 5*
Prüm. Wandalbert, ßegino. 259
Würde, vielleicht, wie Mabillon vermuthete, weil er die Entscheidung
gegen Thietberga unterzeichnet hatte. Er folgte dann einer Ein-
ladung Karls des Kahlen und erhielt die Abtei Flavigny, wohin er
864 von Alise-Sainte-Reine die h. Regina übertrug; die Geschichte
der Uebertragung sammt den Wundern liefs er aufzeichnen, nach-
dem er 865 Erzbischof von Sens geworden war1).
Auch Annalen sind um diese Zeit in Prüm geschrieben; anfangs
aus älteren Annalen ausgezogen, bringen sie locale Nachrichten bis
860, bis zu welchem Jahre sie in Stablo ausgeschrieben sind, und
wurden dann in Prüm bis 922 fortgeführt; damals hat sie, wie es
scheint, der zum Bischof von Lüttich erhobene Abt Richarius nach
Lüttich mitgenommen, wo sie weiter fortgesetzt wurden. Aus der
Chronik des Regino sehen wir, dafs es ein ausführlicheres Exemplar
dieser Annalen gegeben haben mufs, welches Regino benutzte2).
Allein im Jahre 882 und noch einmal 892 erlag auch dieses
herrliche Kloster den räuberischen Dänen; der Abt Farabert legte
nach der Zerstörung desselben sein Amt nieder, und zu seinem
Nachfolger wurde Regino gewählt. Aber die Parteikämpfe, welche
damals Lothringen zerrissen, liefsen auch ihm keine Ruhe; er mufste
899 seinen Gegnern weichen, und fand eine Zuflucht in Trier, wo
er im Kloster St. Maximin 915 bestattet ist3). Der Erzbischof über-
gab ihm das ebenfalls von den Normannen verwüstete Martinskloster,
welches unter seiner Leitung hergestellt sein soll4); vorzüglich aber
scheint er sich seiner Gelehrsamkeit bei der Verwaltung seines
kirchlichen Amtes bedient zu haben. Oft, sagt Regino, habe er
gesehen, wie der Erzbischof sich erzürnt habe über den unmelodi-
schen und fehlerhaften Gesang in den Chören seiner Sprengel, zu
welchen er ihn also vermuthlich auf Visitationsreisen begleitet hat.
Und wie er diesem Mangel durch seine Schrift de harmonica Insti-
tutionen) abzuhelfen suchte, so verfafste er auf Ratbods Wunsch sein
*) Translatio S. Reginae bei Mab. IV, 2, 238, Acta SS. Sept. III, 40,
nebst einer Urk. Eigils über eine daran sich schliefsende Stiftung zu Corbi-
niacum. Auszug v. Holder-Egger SS. XV, 1, 449 — 451.
2) Annales Prumienses a. 122—1044 ed. 0. Holder-Egger, SS. XV, 2,
1289—1292. Es folgen noch Ann. Prüm, brevissimi a. 906—919. 1226 bis
1238. Vgl. F. Kurze, NA. XV, 318.
3) Weil sein Grabstein da gefunden ist, hat man geglaubt, dafs er in
diesem Kloster Aufnahme gefunden habe, aber es lag damals nach der
Verwüstung durch die Normannen in Trümmern.
4) Vita S. Magnerici, MG. SS. VIII, 208; vgl. Archiv III, 291. Regino
soll nach späteren Aufzeichnungen aus Altrip am Rhein gebürtig sein.
5) Gedruckt, doch ohne den tonarius, bei Gerbert, SS. eccl. de musica
sacra I, 230 — 247. Neue Ausg. mit Facs. des tonarius bei Coussemaker,
Scriptores de Musica Medii Aevi Paris (1867) II, 1 — 73. Hs. s. X. in Brüssel
17*
260 II- Karolinger. § 17. Lothringen.
umfassendes und lehrreiches Werk über die Kirchenzucht zu dem
praktischen Zwecke, bei Visitationen, welche wegen der argen Ver-
wilderung der Geistlichkeit wie der Laien dringend nothwendig waren,
alle erforderlichen Vorschriften des canonischen Rechtes in mäfsigem
Umfang darzubieten l). Diese um 906 unternommene Schrift widmete
er Hatto von Mainz, dem damaligen Regenten des Reichs; an den
Erzieher des jungen Königs, den gelehrten Bischof Adalbero von
Augsburg, sandte er 908 seine Chronik von Christi Geburt bis zum
Jahre 906. Dieses Werk verdient unsere Beachtung als einer der
frühesten Versuche die Weltgeschichte in einer ziemlich ausführlichen
Erzählung zusammenzufassen, eine Aufgabe, an welche sich damals
nicht leicht jemand wagte und deren Schwierigkeiten aufserordentlich
grofs waren. Die Ausführung ist freilich auch sehr mangelhaft ge-
blieben und namentlich die Chronologie in der höchsten Verwirrung;
auch versucht er gar nicht wie Frechulf eine Verarbeitung seiner
Quellen, sondern begnügt sich mit wörtlichem Ausschreiben, was von
nun an immer mehr üblich wurde. Beda, die Thaten der Franken-
könige, und andere bekannte Quellen bilden die Grundlage seines
Werkes, welches anfangs nach den Regierungen der Kaiser ange-
ordnet ist; weiterhin geht er, der Natur seiner Quellen folgend, in
die annalistische Form über und fährt auch selbst in dieser Weise
fort. Darin ist seine Chronik den auch von ihm benutzten Reichs-
annalen ähnlich, aber sie unterscheidet sich sehr wesentlich dadurch,
dafs er nicht gleichzeitig mit den Begebenheiten schrieb und des-
halb auch gerade in der chronologischen Anordnung derselben wenig
zuverlässig ist2).
In dieser Beziehung hat bei ihm wie bei manchem anderen das
Vorbild der Annalen nachtheilig gewirkt; denn für die Aufzeichnung
unbestimmt gewordener Ueberlieferungen ist die annalistische Form
nicht nur hinderlich, sondern die scheinbare Bestimmtheit verleitet
auch dazu, den Angaben mehr Gewicht beizulegen, als ihnen zu-
2751, nach Dümmler. Die Schrift war für den Erzbischof, als gelehrten
Musiker, und für tüchtige Sänger bestimmt, nicht für Walcaud: frustra
enim lyra asino canitur. — Walcaud presb. im Cal. S. Maximini zum 10.
August, Archiv XI, 290. Vgl. W. Brambach: Die Musiklitteratur des
Mittelalters bis zur Blüthe der Reichenauer Sängerschule (500 — 1050) 1883.
1) Reginonis libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecelesiasticis,
ed. Wasserschieben, Lips. 1840.
2) Reginonis Chronicon, ed. Pertz, MG. I, 536 — 612. Ausg. von Fr.
Kurze 1890, 8. Vgl. von dems. Ueb erlief erung u. Quellen der Chronik
Regino's u. seines Fortsetzers, NA. XV, 293 — 330. Uebersetzung von
Dümmler, 1857. 1890. Geschichtschr. IX, 12, Bd. 27. Ueber Benutzung
des Justin s. Rühl, Verbreitung des Justin im Mittelalter, S. 12 — 14. Von
der Fortsetzung s. unten III, 6.
Die Chronik des Regino. 261
kommt. Bis zum Jahre 814 hat Regino die Lorscher Annalen be-
nutzt; von da an aber fehlten ihm aufser den oben erwähnten
kurzen Annalen seines Klosters schriftliche Hülfsmittel, was wohl
nur durch die Verheerungen der Normannen zu erklären ist, und er
mufste sich zur Ausfüllung der grofsen Lücke von Karls des Grofsen
Tode bis auf seine Zeit allein auf die so unsichere mündliche Tra-
dition verlassen; nur über die Händel, welche Lothars II ärgerliche
eheliche Verhältnisse veranlafsten, standen ihn Urkunden zu Gebote1).
Auffallend und für die Stellung Lothringens charakteristisch ist
es dabei, wie wenig Regino von dem Ostfrankenreiche zu sagen
weifs, während er von den Westfranken viel und eingehend erzählt,
und namentlich die Bretagne besonders berücksichtigt, ein Umstand,
den Dümmler durch die dort gelegenen Besitzungen der Mönche
von Prüm erklärt. Ueber das, was er selbst mit erlebt hat, giebt
Regino sodann ausführliche und schätzbare Nachrichten. Dafs er
von den entfernteren Ereignissen nur unsichere Kunde erhalten hat,
wird man ihm nicht zum Vorwurfe machen; über Lothringen aber
war er genau und zuverlässig unterrichtet, und würde gewifs noch
tiefer in die dortigen Verhältnisse blicken lassen, wenn ihn nicht
die Besorgnifs vor dem Zorne der Machthaber verhindert hätte, die
ganze Wahrheit zu sagen. Als diesen Machthaber, welchen er fürchtet,
hat Harttung mit Wahrscheinlichkeit Karl den Einfältigen nach-
gewiesen, der nach einer Angabe des Trithemius seine Absetzung
veranlafste, weil er ein Anhänger von K. Odo's Bruder Robert war.
Sein Rival war Richar, der Bruder von Gerhard und Matfrid, später
Bischof von Lüttich; durch verleumderische Angaben über schlechte
Verwaltung soll er ihn verdrängt haben, nach Inhalt eines Briefes
von Regino, der den Magdeburger Centuriatoren noch bekannt und
wahrscheinlich in einem Exemplar der Chronik abgeschrieben war.
Zur Zeit aber, als Regino seine Chronik schrieb, gehörte Lothringen
zu Karls Reich2). Seine Zurückhaltung hat Regino jedoch nicht
davor schützen können, dafs aus seinem Werke z. J. 892 ein be-
deutendes Stück, in welchem er von seinen eigenen Schicksalen er-
zählte, ausgeschnitten und vernichtet wurde.
*) Die Actenstücke hierüber und besonders über die nach Gunthars
Absetzung am 7. Jan. 870 vollzogene Wahl Williberts von Cöln sind ver-
mehrt durch die von Flofs, Die Pabstwahl unter den Ottonen, Urkunden
S. 24 — 102 herausgegebenen Schreiben. — Dümmler, Ostfr. III, S. 170, giebt
aus einer Londoner Handschrift der Chronik des Regino die von Lappen-
berg entdeckte Grabschrift des Grafen Heinrich (f 88G): jetzt auch in d.
Ausgabe v. Kurze, S. 126.
2) Harttung, Forsch. XVIII, 362—368.
262 H. Karolinger. § 17. Lothringen.
Seine Schreibart ist einfach und dem Gegenstande angemessen,
und wenn es ihm auch keineswegs gelungen ist, die Weltgeschichte
in wirklich historischer Weise zu bearbeiten, so zeigt er doch für
die ihm näher liegenden Zeiten und Verhältnisse einen freien Blick
und gesundes Urtheil; die eigenen Erfahrungen und die freundschaft-
liche Beziehung zu einem hochstehenden Kirchen fürsten erhoben ihn
über die gewöhnlichen Annalisten, und sein Werk steht am Ende
der karolingischen Zeit als eine bedeutende Erscheinung da, der
sich wohl weitere Fortschritte angeschlossen haben würden, wenn
nicht gerade jetzt die äufsere Noth für lange Zeit alle wissenschaft-
lichen Bestrebungen erdrückt hätte.
Als die bei allen ihren Mängeln doch bei weitem beste um-
fassende Behandlung der Weltgeschichte ist Regino's Chronik bis
ins zwölfte Jahrhundert viel benutzt worden und hat grofse Ver-
breitung gefunden, wobei denn auch seine grofsen chronologischen
Irrthümer manchen irre geleitet haben.
Man kann wohl nicht bezweifeln, dafs Lothringen mit seinen
bedeutenden Kirchen und Klöstern noch manches andere Geschichts-
werk hervorgebracht hat, welches in den furchtbaren Verheerungen
des Landes durch Normannen und Ungarn zu Grunde gegangen
ist; die blühendsten Klöster verödeten und kamen in Laienhände,
so dafs eine Periode tiefer Dunkelheit eintrat, welche später der
kecken Erdichtung freien Spielraum darbot. Merkwürdig sind auch
in dieser Beziehung die Annalen von Xanten1), weil sie nirgends
erwähnt oder benutzt sind, und völlig spurlos verschollen sein
würden, wenn nicht Pertz sie 1827 in einer angebrannten Hand-
schrift der Cottonschen Bibliothek entdeckt hätte. So war auch
dieser vereinzelte Rest der höheren Ausbildung jener Periode dem
gänzlichen Untergange schon ganz nahe gewesen. Nach Xanten
sind diese Annalen benannt, weil die Zerstörung des Stiftes durch
die Normannen 863 ausführlich erzählt ist, aber sonst ist gar nicht
von Xanten die Rede, und auch hier findet sich die falsche Jahres-
zahl 864, wie überhaupt eine Verschiebung der Jahreszahlen, welche
!) Annales Xantemes ed. Pertz, MG. II, 217—235. Uebers. bei den
Fulder Annalen. Hans Steffen: Beiträge zur Kritik d. X. Annalen, NA.
XIV, 87 — 109. Der Anfang 640 bis 789 ist jüngeren Ursprungs, von einem
Mönch des Klosters Egmond, von wo die Hs. stammt, und nach Bonnell,
Anfänge S. 149, aus Sigebert genommen, mit Einschaltungen aus Regino
und Legenden. Bestätigend Oelsner, Pippin S. 518. Doch vgl. B. Simson,
NA. II, 628; Waitz ib. V, 493. Ueber die Ortsbezeichnung Gronneomm
s. Meyer von Knonau über Nithard S. 143. — Kirchweihnotizen aus Xanten
1081—1411 als Notae S. Victoris Xant. MG. SS. XIII, 43-45.
Cöln. Die Annalen von Xanten. 263
annehmen läfst, dafs nur eine Coinpilation uns vorliegt. Einem
Auszug aus den Reichsannalen schliefst sich hier eine selbständige
Fortsetzung von 831 bis 873 an, von verschiedenen Verfassern
gleichzeitig aufgezeichnet, hin und wieder ziemlich ausführlich.
Reichsgeschichte zu geben war die Absicht, aber es fehlte die Ver-
bindung mit dem Hofe; Zusammenkünfte der Könige werden er-
wähnt, aber die Beschlüsse bleiben dem Schreiber unbekannt; zu
gleichmäfsiger Berichterstattung fehlen ihm die Hülfsmittel. Viel
ist von Himmelserscheinungen, Ueberschwemmungen, Heuschrecken
die Rede, vom Elend der Zeiten sind die Verfasser sehr erfüllt.
Der Cölner Sprengel wird vorzüglich berücksichtigt, daneben der
benachbarte von Münster. Vielleicht hat einer der vertriebenen
Xantener Chorherren, die nach Cöln flüchteten, dort Aufzeichnungen
vorgefunden und fortgesetzt.
In Cöln hat Karls des Grofsen Erzkaplan Hildebald1), der von
Theodulf unter dem Namen Aaron gefeiert wird, wissenschaftliche
Studien begründet. Er liefs die vom Pabst an Karl geschickten
Manuscripte für seine Kirche abschreiben; viele davon sind noch
vorhanden und jetzt dem Cölner Domcapitel zurückgegeben2). Es
sind auch kurze Annalen daraus gewonnen3). Die Erzbischöfe Hil-
duin (842 —849) und Gunthar (863 entsetzt) werden von Sedulius
gepriesen, Gunthar machte selbst Verse und bei ihm erhielt sein
Neffe Radbod, später Bischof von Utrecht, den ersten Unterricht4).
Willibert (870 — 889) liefs für sich den Codex Carolinus abschreiben5),
und sorgte auch für die Aufbewahrung der Correspondenz, welche
durch Gunthars Entsetzung und die folgenden Ereignisse veranlafst
war6). Aber von litterarischen Erzeugnissen, wozu jene kleinen
*) Die Angaben über sein Sterbejahr schwanken zwischen 818 u. 819,
Sept. 3. B. Simson, Ludw. d. Fr. S. 232 für 818.
2) Hartzheim, Catal. bibl. Colon. (Col. 1752); cf. Archiv VIII, 617 ff.
Rettberg I, 540. Jaffe et Wattenbach, Ecclesiae Colon. Codices manu-
scripti, Berol. 1874; vgl. das Verz. der „libri praestiti de armario S. Petri"
saec. XI, ed. Dümmler e cod. Ampi. 64, Zeitschr. f. D. Alt. XIX, 466.
3) Davon gehören hierher Ann. S. Petri Coloniensis 798. 810—818, nur
einzelne Notizen e cod. 83 II, MG. SS. XVI, 730, Codd. p. 29. 30, und bei
Krusch, Studien zur christlich-mittelalterlichen Chronologie (Leipz. 1880)
S. 197. Ann. Col. brevissimi 814 — 870, I, 97 aus Eckh. Comm. de rebus
Franciae orientalis.
4) Dümmler, Ostfr. II, 10. Höchst wahrscheinlich ist er der Gunthar,
dem Meginhard ein Werk widmete, s. oben S. 240. Ein gleichzeitiges
Gedicht in roher Form zum Preise Gunthars e cod. S. Galli 904 ed. Dümmler
im Anz. d. Germ. Mus. XVIII, 10; vgl. NA. IV, 319; wiederholt von
Traube, Poet. Lat. III, 239.
5) Jaffe, Bibl. IV, 2. Auch im Wiener Cod. der Bonifaz. Briefe ist
eine auf Williberts Weihe bezügliche Notiz, Bibl. III, 11.
6j S. oben S. 261 Anm. 1. Zu der bei Flofs, Urkk. S. 124, erwähnten
264 II« Karolinger. § 17. Lothringen.
Annalen kaum zu rechnen sind, ist nichts auf uns gekommen, wenn
nicht vielleicht die Xantener Annalen hierher gehören.
Etwas mehr hat sich aus Lüttich erhalten, dessen später so
berühmte Schule in ihren ersten schwachen Anfängen schon jetzt
hervortritt. Noch war es ein unbedeutender Ort, als ihm der Leib
des um 672 erschlagenen Bischofs Theodard von Mastricht, welchen
sein Nachfolger Landebert oder Lambert dort bestatten liefs,
ein höheres Ansehen gab. An seinem Grabe wurde Lambert selbst
708 (?) erschlagen: er hatte Pippin und seiner Concubine Alpais
Vorwürfe gemacht, Pippin war erschüttert und dachte daran, seine
rechtmäfsige Gemahlin Plectrudis wieder zu sich zu nehmen, da
vollbrachte Dodo, der Bruder der Alpais, die Blutthat. Nachdem
eine Kirche dort erbaut und die Gebeine des Märtyrers feierlich
erhoben waren, mufste eine Legende geschrieben werden, aber noch
fehlte es an geeigneten Kräften. Der Autor, welcher die Ausfüh-
rung nach dem Mafse seiner schwachen Kräfte in barbarischem Latein
unternahm, griff zur Vita Eligii und brachte mit starker wörtlicher
Ausnutzung derselben sein Werk zu Stande1). Der erbauliche Zweck
ist durchaus vorherrschend. Aber noch regierte Karl Martell, der
Sohn der Alpais, und aus Furchtsamkeit verschwieg er den wahren
Anlafs des Todes. Auch Godesscalc, ein Lütticher Domherr, wel-
cher auf Befehl des Bischofs Agilfrid sein "Werk um 770 über-
arbeitete, folgt einfach seiner Vorlage und beschränkt sich auf sti-
listische Verbesserung. Aber im Volke erhielt sich die Erinnerung
der That, und Ado in seinem Martyrologium hat sie kurz berichtet,
vielleicht kannte er schon eine Aufzeichnung, deren später Anselm
von Lüttich gedenkt, und deren Inhalt durch ihn überliefert, nun
auch in die späteren Bearbeitungen überging; auch schon der Ver-
fasser einer poetischen Version im Anfang des 10. Jahrh. deutet
darauf hin. Lange Zeit ist der Hergang in entgegengesetzter Weise
aufgefafst; man glaubte hier ein recht deutliches Beispiel davon zu
Verwüstung durch die Normannen 881 ist zu bemerken, dafs nomina die
Reliquien sind.
*) Nachgewiesen von Kurth in der gleich zu erwähnenden Schrift,
S. 102 — 112; es ergibt sich daraus auch, dafs die Translation und Mirakel
von dems. Vf. sind. Als diese älteste Vita Lamberti betrachtet Kurth die
bei Mabillon, Act. III, 1, 69 — 76, gedruckte, welche bisher Godesscalc
zugeschrieben wurde. Vgl. Fr. Scheibelberger: Die älteste Vita S. Lant-
perti, Oest. Vierteljahrsschrift f. Kath. Theol. (1871) X, 222—224, über
den älteren einfacheren Text eines Linzer Codex. NA. II, 256 über den
Brüsseler Cod. 9368. — Ein Plagiat der V. Lamberti ist die älteste V. Re-
macli, wie Kurth nachgewiesen hat im Bulletin de la Commission roy.
d'histoire, 4. Serie, tome III, n. 3.
Lambert von Lüttich. Hubertus. 265
haben, wie die Legenden mit der Zeit wachsen und tendenziös ent-
stellt werden, bis God. Kurth in, wie mir scheint, durchaus schla-
gender Weise, gestützt auf den aus einer neugefundenen Handschrift
ergänzten Text des Anselm1), den richtigen Sachverhalt nachge-
wiesen hat2). Dieselbe Reticenz finden wir auch in der Yita
Theodardi, obgleich sie erst um die Mitte des 8. Jahrhunderts
geschrieben wurde3).
Lambert aber wurde nun der Schutzheilige von Lüttich, wohin
von Mastricht der Sitz des Bisthums verlegt wurde. Auch das
Leben seines Nachfolgers, des 727 verstorbenen Bischofs Hugbert
oder Hubert, ist von einem Zeitgenossen beschrieben und noch in
seiner ursprünglichen, sehr barbarischen Form vorhanden4), nebst
dem Bericht über seine erste Translation 743. Wie darin die Vita
Arnulfi und Vita Lamberti ausgeplündert sind, haben Demarteau und
Krusch gezeigt.
Bischof Waltcaud (810 — 831) übertrug 825 den h. Hubert
nach dem neugestifteten Kloster Andagium, später Saint-Hubert in
den Ardennen, und nun bedurfte man einer Biographie, welche den
gesteigerten Anforderungen der karolingischen Zeit genügte. Dazu
gelang es ihm, den Bischof Jonas von Orleans zu bewegen, der
zugleich auch diese neue Translation beschrieb5). In der Widmung
sagt Jonas zu ihm: cum assit vobis palatina scolasticorum facundia.
*) In Anselms c. 8, MG. SS. VII, 195, mufs es am Schlufs der aus
Regino (der aus Ado schöpfte) entlehnten Stelle: „ab iniquissimo Dodone
et aliis viris de palatio missis improvise conclusus intra domum ecclesiae
in Leodio vico occiditur" heissen: Qua vero de causa regiam domum in-
crepaverit, sie habet adhuc alterius scripturae relatio nobis a prioribus
relicta u. s. w. Notice sur im manuscrit d'Hariger et d'Anselme conserve
ä Tabbaye d'Averbode. Bull, de la Comm. roy. 4. Serie, II, n. 7. Kurth
vermuthet eine Aufzeichnung in Stablo, wo Lambert früher, als er aus
Mastricht vertrieben war, eine Zuflucht gefunden hatte; keine Vita Lamberti.
3) Etüde critique sur S. Lambert et son premier biographe. Mem.
couronne. Anvers 1876.
3) Kurth, Etüde, p. 67 ff.
4) W. Arndt, Kleine Denkmäler aus der Merowingerzeit (1874) S. 52
bis 70. Ausg. von De Smedt, Acta SS. Nov. I; vgl. Krusch, HZ. LXV,
103-105.
5) Translatw S. Haberti, Mab. IV, 1, 295 (278 ed. Ven.). Vorrede zu
dem ganzen Werk Forsch. VI, 126, und bei Arndt a. a. 0. nebst Inhalts-
verzeichnis u. Translatio, S. 70-82; Transl. MG. SS. XV, 234—237, von
L. v. Heinemann. Ueber Jonas s. Ebert II, 225 — 230. Seine Schriften
de institutione laicali und de institutione regia (834 für K. Pippin verfafst)
sind sehr lehrreich für die Kenntnifs der damaligen Zustände; vgl. darüber
B. Simson, Ludwig d. Fr. I, 381; K. Amelung, Leben u. Schriften des
Bisch. Jonas v. Orleans, Progr. d. Vitzthumschen Gvmn. zu Dresden 1888
(NA. XIV, 219).
266 II« Karolinger. § 17. Lothringen.
Doch ist das vielleicht nur Phrase, oder bezieht sich, wie Dümrnler,
Ostfr. III, 650 annimmt, auf die Hofschule. Lüttich war eine Station
für die nach Rom pilgernden Irländer, und es haben sich noch Bitt-
schreiben solcher Wanderer erhalten1). Wenn aber in dem einen der
Bittsteller, auf die Empfehlung des Kaisers, vermuthlich Karls des
Kahlen, sich berufend, mit bitterer Klage über die allzu schmale
Kost, den Brüdern der Kirche gleichgestellt zu werden wünscht, so
ist auf einen dauernden Aufenthalt und Verwendung der gelehrten
Fremdlinge für den Unterricht zu schliefsen.
Schon Bischof Hartgar (840 — 854), der Erbauer eines neuen,
mit Gemälden schön geschmückten Bischofshofes, nahm in Lüttich
den Iren Sedulius und mehrere seiner Landsleute auf; wir werden
sie oder ihre Genossen in Mailand wiederfinden, und vielleicht machten
sie unterwegs Station in Salzburg. Sedulius, der Verfasser verschie-
dener theologischer Werke und eines Fürstenspiegels2), war nicht
ohne mancherlei Gelehrsamkeit und metrische Gewandtheit, des
Griechischen kundig, aber doch incorrect, oft schwülstig und dunkel,
ein Freund willkürlich neugebildeter Worte. Seine adulatorische
Hofpoesie, der es zuweilen nicht an ergötzlichem Humor fehlt, feiert
Hartgar und seinen Nachfolger Franc o (854 — 901), Günther von Cöln,
bei dem er sich auch einige Zeit aufgehalten hat, Adventius von
Metz, den gelehrten Markgrafen Eberhard von Friaul und andere
Zeitgenossen; auch Kaiser Lothar und dessen Familie. Ohne Zweifel
gebührt ihm und seinen Genossen ein Antheil an der späteren Blüthe
der Lütticher Schule, aber auch an der gesuchten und verkünstelten
Schreibart, welche dort lange herrschend blieb 3).
Bischof Franco erhob in Eika (Alteneyk bei Maaseyk) die
ersten Aebtissinnen Harlindis und Reinila, welche angeblich von
Willibrord und Bonifatius geweiht waren, deren Leben bald darauf,
noch vor der Verwüstung durch die Normannen, beschrieben ist, und
x) Dümrnler, NA. XIII, 360—369, aus d. Zeit d. Bischofs Franco.
2) Sedulii über de rectoribus christianis, ed. A. Mai, Spicil. Rom. VIII,
1 — 69. Nach Dümmlers Vermuthung vielleicht für Lothar II bestimmt;
ältere Hss., welche die Entstehung nach Ludwigs d. Fr. Tod bestätigen,
NA. III, 188. Entlehnungen aus der Hist. Aug. stammen nach Mommsen
im Hermes XIII, 298 — 301, aus der Sammlung von Excerpten, welche sich
in einer Cusaner Hs. erhalten hat. — Vgl. Ebert II, 191 — 202; Dümrnler,
NA. IV, 315-320.
3) Nachdem die Gedichte des Sedulius von Dümrnler, Grosse, Pirenne
einzeln herausgegeben waren, sind sie jetzt vereinigt von Traube, Poet.
Lat. III, 151 — 237, und über die sehr merkwürdige Persönlichkeit des
Sedulius handelt ders. in O. Roma nobilis, S. 338 ff.
Die Lütticher Schule. Verdun. 267
für den Mangel an geschichtlichem Inhalt durch culturhistorische
Züge entschädigt1).
Einen merkwürdigen Mann finden wir in der zweiten Hälfte des
neunten Jahrhunderts in der Brüderschaft der Klöster Stablo und
Malmedy, Christian, nach Sigebert aus Aquitanien stammend, einen
würdigen Vertreter karolingischer Bildung. Mit umfassender Gelehr-
samkeit, auch der griechischen Sprache nicht unkundig, hat er mit
merkwürdig freier Denkweise und nüchterner Verständigkeit einen
Commentar zum Matthaeus geschrieben, aus welchem Dümmler allerlei
für die Zeitgeschichte lehrreiche Aeufserungen zusammengestellt hat2).
Ausserdem besitzen wir eine bald nach 850 geschriebene Beschrei-
bung der Wunderthaten des h. Remaclus, zu welcher, nachdem das
Kloster von der Zerstörung durch die Normannen 881 sich erholt
hatte, weitere Zusätze gemacht sind3).
Aufser der kurzen, vom Probst Liuthard verfafsten Erzählung
von der Uebertragung des h. Justus bald nach 900 nach Mal-
medy4) ist schliefslich nur noch die Bisthumsgeschichte von
Verdun5) zu erwähnen, von Berthar, der erste Versuch einer Local-
geschichte, an denen später Lothringen so reich war, nach der trau-
rigen Zeit der feindlichen Verwüstungen, denn der Verfasser schrieb
erst nach dem Brande der Domkirche im Jahre 916 oder 917; sein
Werk reicht aber nur bis in die Zeit des Kaisers Arnulf und ist
wegen des fast gänzlichen Mangels an älteren Quellen sehr dürftig6).
Veranlafst war er zu seinem Unternehmen durch den Bischof Dado
(880 — 923), den Freund Salomons III von Constanz, von dessen
eigenen Aufzeichnungen über seine und seiner Vorgänger Geschichte
ein Fragment sich erhalten hat. Aus Metz besitzen wir Briefe und
2) Acta SS. Mart. III, 386—392, und daraus Mab. III, 1, 654—663.
Ueber die Bestätigung der Nachrichten durch Denkmäler Friedrich, Kirchen-
geschichte II, 346.
2) Ueber Chr. von Stavelot u. seine Auslegung zum Matthaeus, Berl.
SB. 1890, S. 935—952.
3) Ex Miraculü S. Remacli Stabuknsibus, ed. 0. Hol der -Egger, SS.
XV, 1, 431—443.
4) Martene. Coli. VI, 833; MG. SS. XV, 1, 566. Spät geschrieben und
fabelhaft ist die Translatio S. Quirini Malmundarium, angeblich 808, mit
einem fingirten Briefe Hildebalds von Cöln an Karl den Grofsen. Mart.
Thes. III, 1685—1690.
5) Bertharii Gesta episcoporum Virdunensium, ed. Waitz, MG. SS. IV, 36.
Benutzung von Fortunats Gedichten NA. XII, 591. Nomina epp. Virdun.
SS. XIII, 307.
6) Ueber die fabelhafte Vita S. Mcnyoldi s. oben S. 174.
268 H. Karolinger. § 18. Schwaben.
ein Epitaphium des Bischofs Aclventius (858 — 875), den auch
Sedulius gepriesen hat1); aus Toul sind uns einige Briefe des Bischofs
Frothar (813—848) erhalten2).
§ 18. Schwaben.
Stalin I, 235-240. Baehr S. 118-122. Ild. v. Arx, Geschichte von St. Gallen. Weid-
mann, Geschichte der Bibliothek von St. Gallen, 1841. G. Scherrer, Verz. der Hand-
schriften d. Stiftsbibl. Halle 1875. F.Keller, Bilder uud Schriftzüge in den irischen
Manuscripten der Schweizer Bibliotheken, in den Mittheilungen der Antiquarischen
Gesellschaft in Zürich VII, 8. 1851. Dümmler, Das Formelbuch des Bischofs Sa-
lomo III von Constanz, 1857. Derselbe, St. Gallische Denkmale aus der Karolinger
Zeit, Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft XII, 6. 1859. G.Meier, Gesch.
d. Schule von St. G. im Mittelalter, im Jahrb. f. Schweizer Gesch. X. St. Gallische
Geschichtsquellen, neu herausgeg. v. G. Meyer von Knonau, 1870—1877. Rec. von
Dümmler, HZ. XXXVIII, 327-343. Uebers. von Ekk. Casus nebst Proben aus den
übrigen Theilen, von M. v. Knonau, 1878, Geschichtschr. 38 (X, 11). Ueber Sanct-
gall. Formelsammlungen Zeumer, NA. VIII, 505—553.
Wenden wir unsern Blick nach dem Süden Deutschlands, so
zieht vor allem St. Gallen unsere Aufmerksamkeit auf sich, nebst
dem nahe gelegenen Reich enau. Hatten wir früher schon in dem
alten Leben des heiligen Gall wenigstens einen ersten Versuch litte-
rarischer Thätigkeit zu erwähnen , so finden wir nun auch hier einen
Schüler Alcuins, Grimald, als Abt (841 — 872); Sanctgaller Mönche,
wie Werinbert und Hartmut, Otfrids Mitschüler, besuchen, wie es
scheint, die berühmte Schule des Klosters Fulda, und Hrabans
Schüler Walahfrid wird Abt von Reichenau (842 — 849). Hierzu
kommt noch der Unterricht gelehrter Iren, welche auch die Kenntnifs
des Griechischen hier heimisch machen, während der lebhafte Ver-
kehr mit Italien nicht minder anregend wirkt. Die Sanctgaller Schule
war vielleicht von allen die bedeutendste, und glücklicher Weise be-
sitzen wir zugleich von ihr das lebendigste Bild in der reichhaltigen
Klosterchronik3), welche von verschiedenen Verfassern bis 1330 fort-
*) Poet. Lat. III, 225. Ueber Adventius s. Baehr S. 110; aus einer
Briefsammlung, die sich auf Lothars II Ehehandel bezieht, sind bei Baronius
noch mehr Briefe, alle von Dümmler sorgfältig benutzt und angeführt. —
NA. IV, 526.
2) Du Chesne II, 712—723. Bouquet VI, 386—397. Vgl. Ch. Pfister
in Annales de l'Est 1890, S. 261 ff.
3) Casus S. Galli ed. Ild. v. Arx, MG. SS. II, 59—183 (bis zum Jahre
1233). Zwischen 833 und 890 ist ein Stück verloren, auf welches sich
Ekkehard in seiner Fortsetzung MG. II, 83 mit den Worten bezieht: Ker-
lialdo (corr. Bernliardo) itaque abbale, ut alias in alio libro relatum est, de-
posito (890). In d. neuen Ausg. c. 11 S. 37 fehlen die Worte in alio libro.
Nach G. Scherrer, Verz. S. 9 u. 166, hat Jod. Metzler (f 1639) noch eine
verlorene Quelle gehabt. — Ratperti Casus S. Galli nach obiger Ausgabe
bei Migne CXXVI, 1055—1080. Neue Ausg. von G. Meyer von Knonau
in den St. Galler Mittheilungen zur vaterl. Gesch. XIII. mit ausführl. Com-
Das Kloster Sanct Gallen. 269
geführt wurde. Die Schule war hier lange Zeit der Mittelpunkt des
Klosterlebens, der Stolz und die Freude der Sanctgaller Mönche,
und die Lebensnachrichten von den bedeutenderen Lehrern nebst
mannigfachen Schulgeschichten verschiedener Art nehmen einen sehr
hervorragenden Raum in der Chronik ein. Doch die Aufzeichnung
dieses Theiles derselben gehört einer späteren Zeit an; von Ekke-
hard (IV) im elften Jahrhundert nach mündlicher Ueberlieferung
aufgezeichnet, ist er in allen Einzelheiten unzuverlässig, giebt aber
doch ein culturhistorisch unschätzbares, im Gesammteindruck auch
sicher zutreffendes Bild. Der erste Theil dagegen bis zum Jahre
883, von Ratpert verfafst, ist erfüllt von den äufseren Schicksalen
des Klosters, den langen Kämpfen um seine Unabhängigkeit und
Selbständigkeit, welche den Bischöfen von Constanz nur mit Mühe
abgerungen war, und gegen verschiedene Anfechtungen vertheidigt
wurde. Das Verhältuifs zu den Bischöfen, welche formell völlig im
Rechte waren, hat Ratpert, der schon ganz entstellten Klostertra-
dition folgend, durchaus umgekehrt dargestellt, wie kürzlich Sickel
auf die Urkunden gestützt nachgewiesen hat1); seine Aufmerksamkeit
aber war diesem Gegenstand so vorwiegend zugewandt, dafs er auch
aus der späteren Zeit der Blüthe wenig über das innere Leben des
Klosters berichtet.
Die ersten Zeiten des angestrengten und oft unglücklichen
Kampfes waren der litterarischen Entwickelung nicht günstig. Eine
Zierde des Klosters war jedoch schon damals Waldo, der zum Abt
erhoben , nach Ratperts Darstellung wegen der Bedrängung durch
den Bischof nach iy2 Jahren (784) die Abtei Reichenau erhielt,
welcher er 22 Jahre vorstand, endlich aber als Abt von Saint-Denis
bis an seinen Tod 813 an dem litterarischen Treiben des Hofes
Theil nahm2).
mentar u. Excursen. Desgleichen Ekkeharti (IV) Casus S. Galli ebenda
XV. XVI. 1877. Mit den Vitis et iniraculis Galli et Otmari auch beson-
ders ausgegeben als St. Gall. Geschichtsquellen. — Catal. abb. S. Galli,
Augiensium, epp. Constantt. MG. II, 34 — 39; ersterer neu herausgegeben u.
bearbeitet von G. Meyer von Knonau, Mittheil. XI, 125 — 138: v. Holder-
Egger SS. XIII, 326—330; Aug. ib. p. 331; Const. p. 324. — Mitth. XI,
1 — 124 St. Galler Todtenbuch und Verbrüderungen, von E. Dümmler und
H. Wartmann; S. 6 über das um 817 angelegte Verbrüderungsbuch. Dieses
ist jetzt von P. Piper herausgegeben, MG. Libri Confraternitatum, 1884, 4.
Verz. d. Constanzer Domgeistlichkeit s. XI. NA. XI, 408.
l) Th. Sickel, St. Gallen unter den ersten Karolingern, in den Mit-
theilungen zur vaterl. Gesch. IV. 1865. Dafs die Bischöfe doch auch über
ihre formelle Berechtigung hinaus sich, wie es fast immer geschah, Ueber-
griffe erlaubt haben mögen, hebt Monod zu Ratperts Gunsten hervor, Revue
ßrit. 1873, II, 409—413.
3) Verse von König Ludwig und von dem Schotten Dungal an Baldo
270 II- Karolinger. § 18. Schwaben.
Die neugewonnene Freiheit unter dem selbständigen Abte Goz-
bert (816 — 837) erwies sich für das Gedeihen des Klosters sehr
förderlich; 830 begann Gozbert den Bau der neuen Kirche, zu wel-
cher er den noch vorhandenen Grundrifs1) entwerfen liefs; der Ur-
heber desselben, welcher den Musterplan eines grofsen Benedictiner-
Mosters darstellt, ist unbekannt, eine Widmung, gerichtet, wie es
scheint, an den jüngeren Gozbert, des Abtes gleichnamigen Neffen.
Dieser beschrieb um diese Zeit das Leben des ersten Sanct Galler
Abtes Othmar, welcher am 16. November 759 in der Verbannung
gestorben war, und fügte auch zum Leben des heiligen Gallus,
welches der Reichenauer Wetti für Gozbert bearbeitet hatte (oben
S. 120), ein Buch über die Wunder desselben hinzu. Doch genügten
ihm selber diese Arbeiten nicht, und er bat den berühmten Abt
von Reichenau, Walahfrid, beide zu überarbeiten2). Uns liegt daher
das Leben Othmars nur in Walahfrids reiner Sprache vor; es ent-
hält einige schätzbare Nachrichten über die damaligen Verhältnisse
von Alamannien, doch tilgte leider Walahfrid die Namen der Ge-
währsmänner als zu barbarisch. Begreiflich ist es, dafs man da-
neben auch des heiligen Gallus Leben in seiner schlichten unsau-
beren Gestalt nicht mehr ertragen konnte: wenn es bei der Mahlzeit
oder am Gedächtnifstage des heiligen Mannes verlesen wurde,
störten die Germanismen und Sprachfehler die Andacht der Zuhörer.
Walahfrid mufste deshalb auch dieses Buch nebst den dazu gefügten
Wundergeschichten in eine zeitgemäfse Form bringen3); doch ha-
sich auch Wettins Arbeit erhalten. Auch in Versen wollte Walah-
frid denselben Gegenstand behandeln, ist aber nicht mehr dazu get
kommen. Dagegen hat es auf das ungestüme Andrängen des jün-
geren Gozbert, des Kahlkopfs, ein ungenannter Mönch unternommen
hat Dummler herausgegeben im Arch. d. W. Ak. XXII, 289, vgl. S. 283,
u. (mit Froben) auf ihn bezogen, folgt jedoch Poet. Lat. I, 412 Foltz,
Gesch. d. Salzb. Bibl. S. 13, welcher den Salzburger Lehrer Baldo unter-
scheidet; s. unten S. 292.
») F. Keller, Baurifs des Klosters St. Gallen vom Jahr 820. Zürich 1844.
Von dem etwas späteren Bau Grimalds heifst es im cod. 397: Aula palatinis
perfecta est ista magistris, ] Insula pictores transmiserat Augia clara.
2) Sie sind nur in dieser Form vorhanden, V. S. Othmari MG. II, 41
bis 47, und von G. Meyer von Knonau Mitth. XII, 94—113. Uebers. v.
Potthast mit Vita S. Galli. Miramla S. Galli ib. 21—31 u. 62—93.
3) Gedruckt bei Mabillon Act. II, 227—250. Neue Ausg. von R. Thuli,
St. Gall. Mitth. XXIV (1890) S. 1—76. Daran knüpft sich eine Kritik in
dem wunderlichen Dialog, welcher Notker u. Hartmann in den Mund ge-
legt, aber viel jünger ist, höchst confus u. voll chronolog. Widersprüche,
bei Weidmann, Gesch. d. Stiftsbibl. S. 483—493 (S. 486 1. str&pha statt
scropha).
Leben des Othmar und Gallus. 271
und in der That Walahfrids Werk im Jahre 850 in Hexameter um-
gesetzt, doch stand sein Können bei weitem tiefer und entsprach
nicht seinem guten Willen1).
Nach dem Bürgerkriege verlieb Ludwig der Deutsche die Abtei
seinem Erzkaplan Grimald (841 — 872), der sich das Wohl der-
selben sehr angelegen sein liefs, so dafs jetzt die rechte Blüthezeit
des Klosters und namentlich der Schule beginnt2). Da er selbst
nicht Mönch war und in der Regel am Hofe lebte, vertraute er
Hrabans Schüler Hartmut die unmittelbare Verwaltung des Klosters
an, und nach Grimalds Tod stand dieser demselben bis 883 als
Abt vor. Beide sorgten eifrig für die Bereicherung der Bibliothek,
und als der erste bedeutende Lehrer wird unter ihnen Iso genannt3);
ihm zur Seite der Schotte Moengal, auch Marcellus genannt4),
welcher in der inneren Schule die für das Mönchskleid bestimmten
Knaben unterwies, während jener in. der äufseren Schule die Söhne
des Adels für ihren Beruf als Domherrn und Bischöfe vorbereitete.
Im Jahre 864 wurde Othmars Leib erhoben und in der neuen
Kirche des heiligen Gallus feierlich beigesetzt, bis 867 die ihm be-
stimmte eigene Kirche vollendet war, welche auch Grimalds Ruhe-
stätte wurde, der 870 zuletzt als Kanzler erscheint, und den Rest
seiner Tage in St. Gallen zubrachte. Von jener Erhebung Othmars
mit den Wundern, die dabei natürlich nicht fehlten, berichtet uns
eine bald nachher verfafste Schrift Iso's5). Später soll dieser je-
doch das Kloster verlassen, und als Lehrer im Kloster Grandval
eine grofse Wirksamkeit und aufserordentlichen Ruf erlangt haben,
bis er am 14. Mai 871 starb.
Die volle geistliche Bildung der inneren Schule erhielten zwei
*) Nur der Anfang MG. II, 31. Vollständig zuerst herausgegeben von
Dümmler, Poet. Lat. II, 428—473, vgl. p. 266.
2) Vgl. oben S. 222. Gegen Scherers einseitige Hervorhebung des
Einflusses der Fulder Schule, s. Dümmler Ostfr. III, 655. Ein für Grimald
scotice geschriebener Priscian bei F. Keller 1. c. tab. XI, 2. Libri quos Gr.
de suo dedicavit, bei Weidmann S. 396 — 400. Ein Recept de libro Grim.
Zeitschr. f. D. Alt. XX, 214.
3) Urkundlich in St. Gallen erwähnt von 852 — 868.
4) Von 848 — 865 urkundlich erwähnt. Er war vorher Abt von Bangor
in Ulster u. starb 871. NA. XVII, 211. — Sehr barbarische Verse von
Dubduin zum Preise seiner Landsleute NA. X, 341.
5) Ysonis de miraculis S. Othmari libri 11, MG. SS. II, 47 — 54. Mittb.
XII, 114 — 139 im Auszug. Ekkehards Erzählung von Iso's Wirksamkeit
in Burgund bezweifelt Dümmler Denk. S. 260, weil er 868 noch in
St. Gallen war. M. v. Knonau jedoch, der zum Ekkeh. S. 116 — 126 über
Iso handelt, hält seine Thätigkeit in Moutier-Grandval für gesichert durch
die. Tradition, nur kann nicht Rudolf von Burgund ihn eingeladen haben,
sondern der Bischof von Basel.
272 II- Karolinger. § 18. Schwaben.
Schüler des Iso, welche Marcellus von ihm übernahm, und nicht
minder als in der Wissenschaft, auch in der Musik und anderen
Künsten unterwies, deren er als Irländer Meister war. Diese waren
der berühmte Erfinder der Sequenzen, Notker der Stammler1), später
Marcellus' Gehülfe , Verfasser des oben erwähnten Martyrologiums
und andere Werke, die wir gleich zu erwähnen haben werden, und
der kunstreiche Tutilo2). Als dritten nennt Ekkehard auch Rat-
pert, einen Züricher, der aber vielmehr sein Zeitgenosse war, und
bis an das Ende des neunten Jahrhunderts der Klosterschule vorstand.
Dieser hat, wie schon erwähnt, den ersten Theil der Klosterchronik
verfafst. Die Einweihung der von der Aebtissin Bertha, Ludwig
des Deutschen Tochter , neu erbauten Fraumünsterkirche in Zürich
verlockte ihn zu einer Wallfahrt, die er in Versen ausführlich be-
schrieb3); übrigens aber war er so eifrig in seinem Amte, dafs er
jede Entfernung vom Kloster dem Tode gleich achtete, und nicht
mehr als zwei Schuhe im Jahre verbrauchte; selbst die Messen und
Gebete versäumte er darüber, denn sagte er, wir hören die besten
Messen, wenn wir andere lehren sie zu feiern. Unnachsichtig hand-
habte er den Stock, der überhaupt in diesen Jahrhunderten eine
grofse Rolle in der Erziehung spielte, und doch wufste er sich durch
seine Berufstreue und wahres Wohlwollen auch die Liebe seiner
Schüler zu gewinnen. Als er auf seinem Todbette lag, hatte gerade
das Fest des heiligen Gallus (Oct. 16) die Geistlichkeit Alamanniens
im Kloster versammelt, und 40 seiner Schüler umgaben das Sterbe-
lager ihres Lehrers4).
J) S. über ihn Dümmler Denkm. S. 244 ff. 258 ff. NA. IV, 546. Meyer
v. Kn. zu Ekk. S. 126 ff. und Der h. Notker v. St. Gallen, Neujahrsbl. 1877.
Er starb 912. Autograph von ihm bei W. Arndt, Schrift. 15 b.
2) Dessen berühmtes Diptychon abgebildet in: Das Kloster St. Gallen I.
Herausgegeben vom historischen Verein in St. Gallen, 1863, und bei Alwin
Schultz: Tuotilo von St. Gallen in: R. Dohme, Kunst und Künstler des
Mittelalters und der Neuzeit, I, 1877; doch vgl. dazu Rahn: Nachlese zur
Gesch. der bildenden Künste in der Schweiz, S. 787 — 790, u. M. v. Knonau
zu Ekkeh. S. 93 u. 129. Jul. v. Schlosser, Wiener SB. CXXIII, S. 180
bis 185.
3) Erhalten ist nur ein Bruchstück, die Beschreibung der neuen Kirche
und der Uebertragung von Reliquien der hh. Felix et Regula vom Grofs-
münster nach Fraumünster, herausgegeben v. G. von Wyfs, Geschichte
der Abtei Zürich (Mittheil. VIII), Beilagen S. 11; vgl. Dümmler Denkm.
S. 255. Ostfr. II, 427. G. Meyer von Knonau in d. Vorrede der Casus.
Sein Lobgesang auf den heiligen Gallus in Ekkehards lat. Uebersetzung
bei Müllenhoff und Scherer I, 217. II, 78. Vgl. Dümmler, NA. IV, 541.
G. R. Zimmermann, Ratpert der erste Zürchergel ehrte (Basel 1878) ohne
wissensch. Werth nach Dümmler im Centralbl. Sp. 1314.
4) Das Jahr des Todes ist wegen der vielen gleichnamigen Mönche
ganz ungewifs.
Ratpert. Notker der Stammler. 273
Als Karl III 883 das Kloster besuchte1), fand er in St. Gallen
einen alten Mönch, dessen Gedächtnifs noch in die Zeit des
grofsen Karl reichte und der die Geschichten zu erzählen wufste,
welche er einst von des tapferen Gerolds "Waffengefährten, von
Adalbert und dessen Sohne, dem Priester Werinbert, gehört hatte.
Karl III, von dem sonst wenig löbliches zu berichten ist, hatte an
diesen Geschichten solche Freude, dafs er den guten Alten veran-
lafste, sie aufzuschreiben; emsig ging er an die Arbeit, scheint sie
aber nicht vollendet zu haben. In diesem Mönche hat man schon
früh Notker den Stammler erkannt, aber Pertz widersprach dieser
Annahme, weil der Stil gar zu roh und grammatisch fehlerhaft ist,
und weil Notker damals noch nicht alt genug war, um durch Zahn-
losigkeit zum Stammler geworden zu sein. Es scheint jedoch, dafs
er durch einen Naturfehler gestammelt hat, und die Vergleichung
der Ausdrucksweise hat den vollkommen überzeugenden Nachweis
gestattet, dafs wirklich Notker der Verfasser dieses anmuthigen
Buches gewesen ist, an welchem man schon früh und vielfach Ge-
fallen gefunden und es trotz seiner mangelhaften Form mit Einhards
Meisterwerk verbunden hat.
Ferner aber ist es wegen der auffallendsten Uebereinstimmungen
in Ausdruck und Auffassung als vollkommen sichergestellt anzusehen,
dafs Notker auch der Fortsetzer der oben S. 219 erwähnten Chronik
Erchanberts gewesen ist2). Er fügte nämlich eine kurze Uebersicht
über die Theilungen und die Regentenfolge im karolingischen Reich
hinzu, bald nach der Kaiserkrönung Karls III (881), von dem er
mit lebhafter Verehrung spricht, wie denn auch damals noch kein
Grund war, an seinen guten Erfolgen zu zweifeln.
Des Kaisers Besuch erschien als ein Höhepunkt der Blüthe des
Klosters, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit vermuthet Meyer von
Knonau, dafs eben hierdurch Ratpert zur Abfassung der Gesta ver-
anlafst sei, welche mit diesem Besuche abschliefsen. Auch mit des
Kaisers Günstling, Bischof Liutward von Vercelli, einem geborenen
1) Hierhin gehören wohl die Verse von Ratpert, Hartmann, Notker
Balbulus u. a., die sich vielleicht alle auf diese Gelegenheit beziehen, neu
herausgegeben von Dümmlcr, Denkm. S. 218 — 221, vgl. 255 ff. und ein
späteres vielleicht von 887 S. 221, vgl. 257. Das von Waldram ver-
fafste Rex benedicte S. 220, ist aber Weihn. 911 an Konrad gerichtet, nach
Heidemann S. 454, vgl. M. v. Knonau, Jahrbuch 1867 S. 129. Litanei
aus König Konrads Zeit bei Dümmler, Denkm. S. 222, vgl. 258. NA. IV,
510. 551.
2) MG. SS. II, 329. Uebers. bei dem Mönch von St. Gallen. Notkers
Autorschaft nachgewiesen von B. Simson u. Zeumer, s. Waitz-Aufsätze
S. 113; NA. XII, 428.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 18
274 II. Karolinger. § 18. Schwaben.
Schwaben, standen die Mönche in gutem Vernehmen und Notker
widmete ihm seine Sequenzen1).
Am Schlüsse dieser Periode steht Notkers berühmtester Schüler2)
Salomo III, von 890 — 920 Bischof von Constanz und zugleich Abt
von St. Gallen, ein Mann von den glänzendsten Geistesgaben, der
kluge und gelehrte Freund Hatto's von Mainz, der das schöne und
blühende Kloster wie seineu Augapfel liebte und hegte. Mehrere
uns erhaltene Briefe und Gedichte zeugen von Notkers Liebe zu ihm
und zugleich von der Sorge des treuen Lehrers um das Seelenheil
seines Schülers in den Gefahren der Welt, denen er am Königshofe
ausgesetzt war. Eine Mustersammlung von Urkundenformeln und
Briefen3), in welcher uns einige auch für die Geschichte der Zeit
wichtige Briefe aufbewahrt sind, während die Urkunden über man-
nigfache Verhältnisse reichen Aufschlufs gewähren, schrieb Dümmler
Salomo um das Jahr 896 zu, während nach Zeumers Ansicht Waldo
mit seinem Bruder Salomo sie 877 und 878 während ihres Aufent-
halts bei Salomo II von Constanz und Liutbert von Mainz zusammen-
gebracht haben, Notker nachträglich noch einige Briefe hinzugefügt
!) Vgl. Meyer v. Knonau, Mitth. XIII, 60. XV, 161.
2) Diese Ansicht Dümmlers bekämpft Dämmert, Forsch. VIII, 327 bis
366 u. will vielmehr Roudker, den Ekkehard als Mentor Salomons bezeich-
net, auch die Briefe zuschreiben. Meyer v. Knonau hat diese Ansicht S. 21
als chronologisch unmöglich widerlegt. Ebenso bekämpft er S. 4 auch
Notker, aber hier ist die Chronologie ganz unsicher, und mir erscheinen
die Gründe für Notker auch jetzt noch überwiegend, u. so auch Zeumer,
NA. VIII, 513—517. — Ueber Salomons Familie s. Graf Zeppelin, Thur-
gauische Beitr. XXX, 42.
3) Früher Formulae Alsaticae genannt. Zum ersten Mal kritisch und
vollständig herausgegeben von Dümmler: Das Formelbuch des Bischofs
Salomo III, Leipzig 1857. Verbesserungen St. Gallische Denkm. S. 261.
Verse von Notker (?) an Salomo S. 225. Ueber Salomo Formelbuch 103 ff.
Denkm. 262 ff. Eine populäre Schilderung in: Das Kloster St. Gallen, vom
historischen Verein, II, 1864, mit schöner Abbildung seines grossen C in
Sintrams Evangelium longum. Das Formelbuch nach der Münchener Hand-
schrift ed. Rockinger, Quellen zur bayerischen und deutschen Geschichte
VII, und in De Roziere's Sammlung. Vgl. auch Heidemann, Salomon III
von Constanz vor Antritt des Bisthums, Forsch. VII, 425 — 462. Dämmert
ib. VHI, 327—366. Vorzüglich aber jetzt Zeumer, Formulae Salomonis,
NA. VIII, 506—540, u. seine Ausgabe MG. Form. p. 390—437. Ein
merkwürdiges Denkmal der St. Galler Gelehrsamkeit und Schreibkunst ist das
Psalterium, welches Salomo 909 schreiben liefs, mit 3 lateinischen Versionen
und dem griechischen Text in lateinischen Buchstaben, mit einem einleiten-
den Gedicht; dieses neu herausgegeben von Dümmler, Ostfr. (1, Ausg.) II,
681, von Hamann: Canticum Moysi ex psalterio quadruplici Salomonis IH
(Lips. 1874), p. 18. Frühzeitig ist eine um 6 Verse am Anfang verstümmelte
Abschrift der Verse verbreitet, s. Bianchini, Vindiciae p. CCLI, Codd.
Colon, p. 3. 4.
Salomo III von Constanz. 275
hat. Schon war man in Reichenau1) und an andern Orten mit
ähnlichen Sammlungen vorangegangen, aber die Sanctgaller Samm-
lung läfst sie durch ihren Inhalt wie durch ihre Form weit hinter
sich. Aus der späteren Zeit besitzen wir von Salomon zwei schöne
poetische Episteln an den Bischof Dado von Yerdun, deren an-
sprechender, von wahrem Gefühl getragener Inhalt die ziemlich in-
correcte Form übersehen läfst; die Ueberschrift „Versus Waldram mi
ad Dadonem episcopum a Salomone episcopo missi" läfst jedoch
vermuthen , dafs sie nur im Auftrag und nach Anweisung Salomons
in dessen Namen von Waldram verfafst sind. In der einen2) be-
klagt der Bischof in elegischer Form voll tiefer Trauer den Tod
seines letzten Bruders , des Bischofs Waldo von Freising (906), an
den nach Zeumer mehrere der Briefe in der Formelsammlung ge-
richtet sind; in der anderen3), schon früher geschriebenen, schildert
er mit den lebhaftesten Farben das Unglück des Vaterlandes, dessen
König ein Kind ist, dessen Gaue erfüllt sind von allgemeiner Zwie-
tracht, von innerem Kampfe in allen Ständen des Volkes, während
die Ungern ungehindert das Land verheerend durchziehen. Auch
St. Gallen wurde von ihnen 926 verheert.
Ekkehards lebendige Schilderung hat die Sanctgaller Schule
unsterblich gemacht; ohne ihn würden wir nicht so gar viel davon
wissen, und ohne Zweifel herrschte in manchem andern Kloster ein
ganz ähnliches Treiben, von dem nur niemand uns Nachrichten auf-
bewahrt hat. So vor allem in Reichenau, welches schon in hoher
Blüthe stand, als St. Gallen noch schwach und unbedeutend war4).
') Zeumer, Reichenauer Formeln, NA. VIII, 481—505. Daselbst S. 547 ff.
Nachweis, dafs Iso nur irrthümlich Formeln zugeschrieben sind.
2) Nach Canis. (II, 3, 245) berichtigt nach der Handschrift von Dümm-
ler, Denkm. S. 239, mit dem gröfstentheils aus Reminiscenzen von Venan-
tius bestehenden Trostgedicht von Waldram, und anderen Gedichten des-
selben. Vgl. Scherrers Verz. 73 über den Cod. 197. NA. IV, 550—554.
3) Bei Dümmler, Denkm. S. 230—239 (v. 9. 1. iterare, v. 42: si domui
conjuncta domus primordia sumpsit.); vgl. W. Giesebrecht, Geschichte der
Kaiserzeit I, 174, Dümmler, Ostfr. III, 527. Ueber die Salomo zugeschriebene
Encyclopädie (Glossae Salomonk) s. Stalin I, 404, Scherrers Verz. S. 321 bis
f>23. Sie ist von älterem Ursprung und die Benennung ungerechtfertigt,
doch könnte S. vielleicht diese Sammlung veranlafst haben. Als Ableitung
eines älteren Glossars nachgewiesen von G. Götz: Der liber glossarum,
Leipz. 1891 (Abh. d. philol.-hist. Cl. der K. Sachs. G. d. W. XIII).
4) Die älteste Lebensbeschreibung des Stifters, S. Pirmin, mit der
Gründungsgeschichte von Reichenau (um 724) zuerst gedr. von Mone,
Quellens. I, 30 — 36, ist nach Mone im neunten Jahrhundert in Reichenau
verfafst; in den Nachträgen S. 528 verlegt jedoch derselbe den Ursprung
nach Hornbach und trifft darin zusammen mit Rettberg (II, 51), welcher
ihre geschichtliche Wertlosigkeit nachweist. Dümmler verweist auch auf
Wal. Visio Wett. v. 30 für den Ursprung in Hornbach. Dafür auch Holder-
18*
276 II- Karolinger. § 18. Schwaben.
Abt Waldo (784 — 806), ein vornehmer Herr, mit Grimald nahe ver-
wandt und vorher Abt von St. Gallen (oben S. 269), hatte schon
den Mönch Wadilcoz nach dem Martinskloster zu Tours geschickt,
der von dort Bücher für die Bibliothek übersandte, welche Waldo
mit grofsem Eifer zu bereichern bestrebt war1); unter ihm begann
der fleifsige Reginbert seine musterhafte Thätigkeit für dieselbe,
welche er bis an seinen Tod 846 rastlos fortsetzte, theils durch
eigene Arbeit, theils durch Geschenke die Sammlung zu sehr an-
sehnlichem Umfang vermehrend2). Ihm übersandten seine Schüler
Grimald und Tatto die Klosterregel nebst den Beschlüssen des
Reichstages von 817, der wohl ihre Aussendung veranlafst hatte3).
Auf seinen Antrieb schrieb Walahfrid das bedeutende Werk de rebus
ecclesiasticis , wie dieser es in den Worten ausspricht: Dura Regin-
berti jussio adegit eum. Als Lehrer war neben ihm Heito thätig,
ein Bruder jenes Wadilcoz, Waldo's Nachfolger als Abt und Bischof
von Basel, welches Bisthum Waldo ebenfalls verwaltet hatte. Karl
der Grofse sandte ihn 811 nach Constantinopel, und über diese Sen-
dung verfafste er eine Reisebeschreibung4), die leider verloren ist;
Egger in der Ausg. Vita Pirminii I. et II. cum miraculis MG. SS. XV,
17—35; vgl. p. 574°. Vgl. 0. Breitenbach im NA. II, 170—174 über die
von Gallus Oehem benutzte Bearbeitung. Sehr merkw. Predigt, von ihm
bei Caspari, Kirchenhist. Anecdota (1883) S. 151 — 159 (Dicta Priminii).
J) Neugart Ep. Const. I, 142 aus Oheims Chronik, und jetzt Gallus
Oheims Chronik von Reichenau ed. Barack (1866) S. 43. Oheim mufs
über die Bereicherung der Bibliothek und eingetretene Mönche in dieser
Zeit, von Waldo bis Rudbelm, eine jetzt verlorene Quelle gehabt haben,
die bis c. 840 reichte und vielleicht von Reginbert herrührte, s. 0. Breiten-
bach, NA. II, 201. Waldo hat danach eine Zeit lang auch das Bisthum
Pavia verwaltet. In der Visio Wettini büfst er für die Sünde des Geizes.
Das Diptychon aus Erlebalds Zeit NA. IV, 72, ist das vou Piper heraus-
gegebene Verbrüderungsbuch.
2) S. den 821 begonnenen Catalog bei Neugart I, 536 — 552, vgl. S. 152
und Mommsen, Die Chronik des Cass. Senator S. 573 — 585 über die von
ihm angelegte hist. mathematische Sammlung. Auch die Carlsruher Vita
Bonif. stammt daher, s. d. Inschrift MG. II, 332, Jaffe Bibl. III, 425.
Fragment des Liber sextus in Libri's Auctionscatalog (1859) S. 246 mit
Facsimile. Die Verse, welche er in die Bücher eintrug, Poet. Lat. II, 424,
vgl. NA. XIII, 665.
3) Baluzii Capit. II, 1382. Reginbert wird von ihnen flosjuvenum forma
speciosus amoena genannt. Das Buch nebst einem zweiten von denselben
geschenkten im Catalog S. 550. Das Martyrologium ed. A. Holder, Rom.
Quartalschrift III, S. 204-261. Oben S. 60.
4) Herrn. Contr. a. 811, vgl. über ihn Neugart I, 142—148, Rettberg
II, 93 — 96, und die Reichenauer Inschriften bei Mone, Quellens. III, 133.
Dümmler, NA. IV, 284. Poet. Lat. II, 425. 0. Seebass vermuthet in ihm
den Vf. der Statuta Murbacensia, Zts. f. Kirchengesch. XII, 322 (NA. XVI,
645). — Gleichzeitige Aufzeichnung darüber, dafs am 21. Dez. 823 das
Bisthum Basel Odalrich commendirt wurde, in Mone's Zeitschr. f. Gesch.
d. Oberrheins II, 384; MG. SS. XIII, 374 cum catal. epp. Basil.
Reichenau. Reginbert. Wetti. 277
823 entsagte er seinem Bisthum und zog sich in sein altes Kloster
zurück, wo er 836 gestorben ist. Die Abtei übergab er Erlebold
(823 — 838), der bei einem leider ungenannten Schotten grofse Ge-
lehrsamkeit erworben, und Heito auf seiner Reise begleitet hatte.
Der Schule standen jetzt Tatto (f 847j vor, den Walahfrid seinen
Lehrer nennt, in dessen Namen er Verse an Ebo von Reims und an
Thegan richtete1), und Wetti, ein naher Verwandter Grimalds und
Waldo's. Wie mangelhaft jedoch noch seine grammatische und
metrische Bildung gewesen ist, haben wir jetzt erst mit Verwunderung
erfahren, da durch das von Bücheier entdeckte Akrostichon (oben
S. 120) festgestellt ist, dafs er der Verfasser der Vita S. Galli und
ihrer Widmung in ganz barbarischen Hexametern ist, welche man
für viel älter gehalten hatte. Wetti hatte kurz vor seinem Tode
am 3. November 824 eine Vision, indem er, wie so viele andere
vor und nach ihm, Himmel und Hölle zu durchwandern glaubte,
und was er in diesen Regionen gesehen zu haben vermeinte, den
gläubigen Brüdern berichtete. Heito hatte diese Vision in Prosa2),
1) Poet. Lat. II, 350. Ein Brief von Tatto Bibl. III, 323.
2) Heitonis Visio Wettini, abgedr. mit dem früher hier mitgetheilten
Prolog bei Dümmler, Poet. Lat. II, 267 — 275. Walahfrids Bearbeitung
ist durch seine Zuthaten besonders wichtig für die Geschichte des Klosters.
Vgl. über die Anspielungen auf Bedränger desselben, und über die Nach-
ahmung des Prudentius, Bock im Jahrb. d. Alterthumsfr. im Rheinland L,
(1871) S. 7. — Meistens mit dieser Vision verbunden, findet sich im Cod.
S. Galli 573, Lambac. qu. 77, Monac. Lat. 536 u. 18 546, Brux. 10 687,
Run. 51, folgende:
VISIO CUIUSDAM PAUPERCULAE MULIERIS.
Fuit namque in Laudonico pago quaedam mulier paupercula, quae in ex-
tasi rapta rediens multa ac miranda narravit. Ducebat autem Main, ut ipsa
referebat, quidam homo in monachico habitu constituius, übt requiem sanctorum
et poenam iniquorum cernebat, talem qualem Paulus apostolus in epistola sua
scribit: quod oculus non vidit nee auris audivit nee in cor hominis ascendit.
Ibi etiam videbat quendam prineipem ltaliae {Karl d. Gr. ganz ähnlich wie in
der Visio Wettini) in tormentis, multosque alios notos, quosdam in poena,
quosdam in gloria. Interrogavit illa eundem duetorem illius, si ille ad aeter-
nain ultra vitam redire debuisset. Atille: Utique debet. Nam si Hlodouuicus,
inquit, Imperator, natus ejus, Septem agapes pro Mo pleniter dispensat, reso-
lutus est. Pic ho nein (al. Picconem) vero hujus regis qui quondam fuit amicus,
supinum jacere in tormentis, taetrosque spiritus duos aurum liquefacere et in
os ejus in f undere dicentes: Ilinc sitisti in saeculo nee saturari potuisti; modo
bibe ad saturitatem! Irmingartam namque reginam aeque in tormentis, quae
super se habebat cautes tres quasi molares, unum super caput, alter um super
pectus, tertium super dorsum, qui semper eam in profundum mergebant. Mira
namque dicturus sum. Clamavit namque ad istam dicendo: Vade et dominum
meum roga imperatorem, ut me misellam adjuvare dignetur. Et da ei Signum
ut sciat a me missam te fore, istud quod meae depositionis (desponsationis?)
tempestate sola cum ipso loquebar in uno pomerio, et hoc statim bene cognos-
cet, quia adhuc hodie eunetos latet eadem lovutio nisi nos tantum. Curnque
278 II. Karolinger. § 18. Schwaben.
Walahfrid in Versen bearbeitet1), und der Eindruck derselben auf
die Zeitgenossen war aufs erordentlich grofs; hatte er doch sogar den
grofsen Kaiser Karl im Fegefeuer Schlimmes leiden gesehen, auch
Waldo. Beide werden, nebst einigen anderen, von Walahfrid nur
durch Acrosticha bezeichnet. Unter den Märtyrern dagegen erscheint
darin Gerold, der Königin Hildegard Bruder, welcher im Kampfe
gegen die Avaren gefallen war, ein geborner Alamanne, und des
Klosters Hort und Beschirmer. Eine vielleicht von Walahfrid ver-
fafste Grabschrift auf ihn2) findet sich in einer Handschrift neben
dem Epitaph des Bernald, an den die Reichenauer ebenfalls mit
Stolz zurückdachten. Dieser Bernald war nämlich ein geborner
inde pergerent, ostendit ei ductor illius murum cujus cacumen coelum usque
tendebat, et post eum alterum qui totus Script us erat aureis caracteribus .
Interrogavitque illa quid hoc esset. Terrestris, inquit, paradisus est, ubi nullus
intrabit nisi qui hie scriptus reperitur. Imperavitque Uli ut leger et. At illa
ait: Non didici litteras. Scio inquit, sed tarnen lege. Legit namque illa, et
invenit nomen Bernharti quondam regis tarn luculentis lilteris exaratum sicut
nullius ibidem fuit. Postea Hlodouuici regis tarn obscurum et oblitteratum, ut
vix agnosci potuisset. At illa: Quid est, inquit, quod istud nomen tarn oblitte-
ratum est? Antequam, ait, in Bernhartum homieidium perpelrasset, nullius ibi
nomen clarius erat. Illius interfectio istius oblitteratio fuit. Vade et cave
diligenter, ne horum quid regem celaveris. Illa vero non ausa contieuit. Non
post multum rursum ammonuit eam, que ut prius contieuit. Tertia vero vice
venit et dixit: Quid est quod non gestis obseeundare verbo Domini'? Quae
respondit: Domine, vilis sum persona, et ista non audeo in medum proferre.
Ex hoc ait Uli: Luminum tuorum non gaudebis, donec ea coram rege exponis.
Cujus ilico pupilla caligine obdueta est. Post dies multos venit in praesentiam
regis, euneta tradidit, lumenque reeepit.
Diese Visio ist wieder abgedruckt bei Malfatti: Bernardo re d'Italia,
Firenze 1876 (Nuova Antologia). Irmgard st. den 3. October 818; ihr
schreibt auch Andreas Berg. c. 8. Bernhards Tod zu, der in den Ann.
Aug. 817 und im Necrol. zum 17. Apr. verzeichnet ist. Dafs Irmgard sich
zur Zeit ihres Todes mit Ludwig gerade in einem Baumgarten unterhalten
habe, scheint mir kaum wahrscheinlich. Ueber Picho oder Bego s. B.
Simson, Ludwig d. Fr. I, 11 Anm. 8. Nach freundl. Mittheilung des H.
Prof. Sievers in Jena steht die Visio auch im cod. Aug. 111 (Carlsr. 185)
saec. X mit dem Schlufs: Hinc quedam que mild narravit minus commoda
supersedenda sunt, ut ea introducantur, unde tota oratio sumpsit exordium.
Danach scheint es ein Bruchstück aus einem unbekannten Werk zu sein.
Es folgt auch hier die Visio Wettini, im cod. Sangall. die Visio Baronti
von 680 (Acta SS. Martii III, 570). Mit dieser ist in einer Petersb. Hs.
verbunden die Visio Rotcharii, viell. aus Fleury, worin Karl unter den
Seligen erscheint, s. Anz. d. Germ. Mus. XXII, 73; Auszug bei Mabillon,
Act. IV, 1, 667. Aehnlicber Art ist die Visio Bernoldi von Hincmar, s.
Ebert II, 256, der, wie Dümmler bemerkt, bei der Aufzählung der Visionen
Alcuin de Sanctis Euboric. eccl. v. 875 — 1006 übersehen hat. — Inhalts-
angaben bei C. Fritzsche, Die lat. Visionen des Mittelalters, in Vollmöllers
Roman. Forsch. II.
J) Poet. Lat. II, 301—334.
2) Herausgegeben von Mommsen im Rhein. Museum 1854, IX, 299.
Poet. Lat. I, 114.
Wallahfrid Strabo. 279
Sachse, aber in Reichenau erzogen; er kam dann in die kaiserliche
Capelle, und erhielt um das Jahr 821 das Bisthum Strafsburg. Zu
den treuen Anhängern des alten Kaisers gehörend, wurde er 825
als Gewaltbote nach Rätien, 832 nach Rom gesandt, und starb am
17. April 840. Man rühmte ihn als einen klugen und gelehrten
Mann, der auch die deutsche Sprache zur Unterweisung des Volkes
verwandte *).
Den gröfsten Glanz aber verbreitete über Reichenau der Abt
Walahfrid, mit dem Beinamen Strabo oder Strabus, einer der
besten Lateiner seiner Zeit, ein viel bewunderter Gelehrter und ge-
wandter Dichter2). Ueber sein Leben haben wir leider nur wenig
sichere Nachrichten, und so befreundet er auch mit den Sanctgaller
Gelehrten war, wird er doch in der Klosterchronik gar nicht genannt;
doch ist nach und nach durch neugefundene Verse mehr Licht über
ihn gewonnen. Er war ein Schwabe von armer und geringer Her-
kunft, um 807 geboren; früh ins Kloster gekommen, dichtete er
schon mit 15 Jahren eine Epistel an Ebo von Reims im Namen
seines Lehrers Tatto3), aber dieser war hart und strenge, und auch
der Abt Erlebold war ihm nicht gewogen. In Wetti verlor Walah-
frid seinen väterlichen Freund und "Wohlthäter; nach dessen Tod
(824) litt er sogar an Nahrung und Kleidung Mangel, und hatte
häufig Schläge zu erdulden. Er klagte seine Noth an Grimald,
dessen Wohlwollen er schon früher gewonnen hatte, und dieser
forderte ihn auf, die Vision Wettins, welche wahrscheinlich er selbst
auf Wachstafeln aufgezeichnet hatte, dichterisch zu bearbeiten. Die-
selbe Aufforderung kam auch von dem Priester Adalgis, wie wir
wissen, seitdem K. Plath das Akrostichon der seiner Antwort4) zu-
gefügten Verse : Adalgiso danda erkannt und die ganze Sachlage
1) Vgl. Dümmler, Ostfr. I, 322. Poet. Lat. II, 420.
2) S. über ihn Dümmler, NA. IV, 270 — 286. 580 und die gesammelten
Gedichte Poet. Lat. II, 259—423. Ebert II, 145-166. Hauck II, 600 ff.
Opera Migne CXIII. CXIV. Eine Anleitung zur Metrik mit Beispielen,
v. Huemer, NA. X, 166 — 169. Der von ihm besungene Blaithmaic st. 827;
es kamen flüchtige Mönche von Hy nach Reichenau. NA. XVII, 210. —
Dümmler, NA. VII, 402, Zeumer ib. VIII, 496—507, über die Reichenauer
Briefformeln, aus Erlebolds u. Walahfrids Zeit mit geschichtlich nicht un-
wichtigen Briefen. — Im Jahresbericht über die Erziehungsanstalt des
Benedictinerstifts Maria-Einsiedeln 1856/7 ist ein Versuch gemacht, die
Jugendgeschichte Walahfrids von ihm selbst schildern zu lassen, welcher
zuweilen irregeführt hat, als ob ein Original von ihm zu Grunde liege.
Eine angebl. Urk. von W. von 843 ist Fälschung d. 12. Jhs. Brandi, Die
Reichenauer Urkundenfälschungen, Ileidelb. 1890.
3) Poet. Lat. II, 350; eine andere, auch in Tatto's Namen, an den
Landbischof Degan, S. 351.
4) Formulae ed. Zeumer p. 376 n. 25.
280 H. Karolinger. § 18. Schwaben.
scharfsinnig entwickelt hat1). Walahfrid bat ihn um bessere Kleidung
und um Pergament, da er das Werk heimlich ausführen müsse; er
bat ihn, selbst zu kommen, und Adalgis kam. Unter hartem Drängen
vollendete er sein Werk2), in welchem er reichliche Lobsprüche auf
Haito, Erlebold und Tatto anbrachte, und übersandte es Grimald.
Nach solcher Leistung und mit solchen Fürsprechern wird er nun
auch im Kloster, und bei dem Abt, obgleich dieser kein Freund
von Visionen war, mehr Anerkennung gefunden haben. Grimald
hat er auch das anmuthige Gedicht de cultura hortorum gewidmet,
und in dem Gedicht de imagine Tetrici (v. 228) feiert er ihn unter
dem Namen Homer. Später hat er in Fulda Hrabans Unterricht
genossen. Im Sommer 829 finden wir ihn am Hofe zu Aachen;
von Kaiser Ludwig, sagt er einmal, sei er „paupere de fovea pro-
tractus"3), mag sich das nun auf diese Zeit seines Hof lebens oder
auf die Verleihung der Abtei Reichenau 839 beziehen. In Aachen
beschrieb er damals in einem merkwürdigen Gedichte die aus Ra-
venna hingeführte Reiterstatue Theodorichs4), der hier als Tyrann
aufgefafst wird im Gegensatz zu Ludwig, feiert Hilduin, Grimald,
Einhard, wridmet aber vor allem dem Kaiser, der Kaiserin Judith
und dem kleinen Karl überschwengliches Lob; er wird als Caplan
der Kaiserin und als Lehrer des kleinen Karl bezeichnet. Den
Rodbern, welcher 834 dem Kaiser zuerst Nachricht von der in
Tortona gefangenen Judith unter grofsen Gefahren brachte, feierte er
in einem längeren Gedicht5). Mit Thegan, dem Diacon Florus
und anderen der classisch und kirchlich gebildeten Männer jener
Zeit war er befreundet, Prudentius rühmt er als seinen Lehrer,
1) NA. XVII, 261—279.
2) Poet. Lat. II, 301—333.
3) Ad. Loth. v. 31. Zeitschr. f. D. Alt. XIX, 463. Poet. II, 414, und
S. 259 weitere Belege für seine geringe Herkunft.
4) Versus de imagine Tetrici, Poet. Lat. II, 370 — 378. Früher von
C. P. Bock in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im
Rheinland V (1814), von Dümmler in d. Zeitschr. f. D. Alt. XII, 461—470,
vgl. XIX, 466. Sehr gewagte Hypothesen von H. Grimm: Das Reiter-
standbild des Th. zu Aachen und das Gedicht des W. darauf, Berlin 1869.
Dagegen die lehrreiche Abh. von Bock im angef. Jahrbuch L (1871)
S. 1—52. Wieder abweichend Jul. v. Schlosser, Wiener SB. CXXIII
(1891) S. 164—175.
5) Bouq. VI, 269; vgl. B. Simson, Lud. d. Fr. II, 99. Dümmler, Hist.
Zeitschr. XXXVII, 134; Poet. II, 388. Judith, hier Ioda genannt, schmückte
für Ludwig ein Prachtgewand, welches Karl der Kahle der Rom. Paulskirche
schenkte, seine Gemahlin Irmintrud vollendete mit gepriesener Kunst-
fertigkeit dieses und andere Gewänder, ähnlich Lothars Gemahlin Ermen-
garde, s. die von Dümmler mitgetheilten Verse, Zeitschr. f. D. Alt. XIX,
146—148.
Reichenau. Walahfrid. 281
bittet ihn aus der Ferne um Bücher und eigene Gedichte; zugleich
übersendet er ihm Gedichte „Modoini magni", den er auch in andern
an ihn selbst gerichteten Versen feiert1). Kaum hatte er die Abtei
Reichenau erhalten — bei seiner geringen Herkunft eine ganz unge-
wöhnliche Auszeichnung — , so wurde er auch in die politischen
Wirren hineingezogen; als eifriger Anhänger Lothars und der Reichs-
einheit, deren Herstellung er noch von ihm hoffte, flüchtete er nach
Ludwigs Tod und der Ueberwältigung Alamanniens durch Ludwig
den Deutschen nach Speier, wo er ein Gedicht voll Lobpreisung an
Lothar richtete, in welchem er seinen Klagen und seinen Hoffnungen
Ausdruck gab2). Lothar hatte in früheren Zeiten einmal persönlich
den vermeintlichen Leib des h. Januarius nach Reichenau gebracht,
was merkwürdiger Weise im Kloster ganz vergessen wurde und nur
durch eine sehr schöne Sapphische Ode Walahfrids bekannt ist3).
Sehr bald hat sich Walahfrid doch auch mit Ludwig dem Deut-
schen ausgesöhnt, und vielleicht durch Grimalds Einflufs erhielt er
842 die Abtei Reichenau von neuem; im Jahre 849 wurde ihm eine
Botschaft des Königs an dessen Bruder Karl anvertraut. Auf dieser
Reise starb er, kaum vierzigjährig, am 18. August durch einen Un-
fall beim Ueberschreiten der Loire4).
Die von Walahfrid überarbeiteten Lebensbeschreibungen des
Gallus und Othmar, sein Vorwort zu Einhards und zu Thegans Werken
erwähnten wir schon; selbständige geschichtliche Werke hat er so
wenig wie Hraban verfafst, aber sein Buch über Ursprung und Ent-
wickelung der kirchlichen Einrichtungen enthält viel beachtenswerthes
über die Verfassung der Kirche in jenen Zeiten, ähnlich dem Werke
Hrabans, aber noch lehrreicher, weil er durchgängig die kirchlichen
Einrichtungen mit den weltlichen vergleicht5).
Eines der merkwürdigsten Zeugnisse für den ernstlichen Eifer,
mit welchem man in diesen Klöstern damals das Studium des clas-
sischen Alterthums betrieb, bietet uns die durch Mabillon bekannt
gewordene Handschrift von Einsiedeln, deren Urschrift aus
Reichenau zu stammen scheint. Wohl ein Schüler Walahfrids, im
J) Dümmler in d. Zeitschr. f. D. Alt. XXI, 82—86. Poet. II, 403. 355.
2) Dümmler in d. Zeitschr. f. D. Alt. XXI, 462-466. Poet. II, 413.
3) Dümmler im Anz. d. Germ. Mus. XXIII (1876) 177—188. Poet.
II, 415.
4) Epitaphium ed. Dümmler, Zeitschr. f. D. Alt. XIX, 113. Poet.
II, 423.
5) Das sprachlich interessante Cap. 7 theilt Dümmler in d. Zts. f. D.
Alt. XXV, 99, berichtigt mit. Neue Ausg. v. AI. Knoepfler, München 1890,
vgl. Dümmler, NA. XVII, 224. Eine andere wird für MG. Capitularia II
vorbereitet.
282 II- Karolinger. § 18. Schwaben.
vollen Besitz der damaligen Schulbildung und auch des Griechischen
kundig, hat mit einer Beschreibung des damaligen Rom und des
Ceremoniels der kirchlichen Feste auch antike Inschriften aus Pavia
und Rom mit gröfster Genauigkeit und Sorgfalt nach älteren Vor-
lagen hier zusammengestellt1).
Durch besondere Lernbegierde zeichnete sich auch Ermenrich
aus, ein Ellwanger Mönch, dessen Leben uns recht anschaulich die
Beweglichkeit der jungen mönchischen Studenten in jener Zeit vor
Augen führt2). Wie Walahfrid, ging auch er nach Fulda, wo er
Hrabans und Rudolfs Schüler wurde. Besondere Freundschaft ver-
band ihn mit Hrabans Neffen, dem Diacon und königlichen Caplan
Gundram, welcher der fuldischen Zelle Solenhofen an der Altmühl
im Eichstädter Sprengel vorstand, und diesem, der den Stifter seiner
Kirche, Sualo, feierlich erhoben hatte, zu Liebe, schrieb er das
Leben desselben und übersandte es Hraban zur Durchsicht3); Rudolf,
den er als seinen Lehrer preist, sollte die Fehler verbessern. Sualo,
den Ermenrich willkürlich Solus nannte, gest. 3. Dec. 794, gehörte
zu den Begleitern des h. Bonifaz; Ermenrich standen aber nur
mündliche Erzählungen über ihn zu Gebote, und der geschichtliche
Werth seiner Nachrichten ist daher unbedeutend. Wo er, damals
noch Diaconus, dieses Werk geschrieben hat, wissen wir nicht; es
ist sehr wahrscheinlich, dafs er auch zu den Hofcaplänen gehört
hat, und von dieser Zeit her den Erzkanzler Gozbald (829 — 833)
als seinen Lehrer bezeichnet, sowie er auch Grimald als seinen
Herrn und Meister verehrt4).
An Gozbald, jetzt (841 — 855) Bischof von Würzburg, sandte er,
schon als Priester, eine kleine Schrift, in Form eines Dialoges der
Consolatio des Boethius nachgebildet, dem Inhalt nach völlig sagen-
haft, über die Gründung seines Klosters Ellwangen, das Leben des
1) Mab. Anal. p. 358. Hänel in Jahn und Seebode's Archiv, 5. Sup-
plementbad, S. 115. Mommsen in den Berichten über die Verhandlungen
d. K. Sachs. G. d. W. Phil. Cl. 1850, IV, 287. Rhein. Museum 1854, IX,
296. Urlichs, Codex urbis Romae topographicus, Wirceb. 1871, S. 59 — 78.
H. Jordan, Topogr. d. Stadt Rom II behandelt den topographischen Theil.
De Rossi, Inscriptt. christt. II, 1. 1888.
2) Vgl. über ihn E. Dümmler: Ueber Ermenrich von Ellwangen u. seine
Schriften, Forsch. XIII, 473— 485. XIV, 403.404. NA. IV, 321. Er schrieb
den Stiftungsbrief Salomons für Wiesensteig nach Bossert, Württ. Viertel-
jahrshefte 1889, S. 142.
3) Als Hraban noch Abt war, also vor 842. Erm. Sermo de Vita S.
Sualonis, ed. Holder-Egger SS. XV, 151 — 163. Im Anfang ist Sedulii Carmen
paschale benutzt, nach Manitius, Wiener SB. CXXI, 6.
4) Dümmler, St. Gall. Denkm. S. 248. Gundram nennt er eximii
ministerii conlevita.
Eraienrich von Ellwangen. 283
Stifters Hariolf, König Pippins Zeitgenossen, Bruders und später
Nachfolgers des Bischofs Erlolf von Langres, und die Wunder, welche
man ihm zuschrieb1). Er gehörte nämlich zu Gozbalds Familie.
Im Jahre 849 finden wir Ermenrich wieder im Kloster Rei-
chenau als Schüler Walahfrids; als dieser seine unglückliche Reise
nach Frankreich antrat, schickte ihn Grimald nach St. Gallen, um
dort seine Studien fortzusetzen. Hier verfafste er zum Dank für die
gute Aufnahme, die er in beiden Klöstern gefunden und zum Preise
Grimalds ein Sendschreiben an denselben, geschrieben zwischen 850
und 855, in welchem er seine ganze Gelehrsamkeit, die nicht unbe-
deutend, aber schlecht verarbeitet war, zur Schau trägt, von Philo-
sophie, Grammatik und vielen anderen Dingen handelt, in der
schwülstigen, gezierten Weise vieler Gelehrten der damaligen Zeit;
eine Schreibart, die auch das Leben des h. Solus entstellt und am
wenigsten in dem Leben Hariolfs hervortritt2). Er prahlt mit Grie-
chisch, das er aber offenbar nicht versteht, und eignet sich aus
Alcuin, Priscian und Ausonius falsche Gelehrsamkeit an, kennt aber
Pindarus Thebanus und Lucretius nebst vielen anderen Schriften.
Verse von Theodulf und Naso verwendete er ohne Scheu. Es ent-
hält aber dieser Brief auch einige wichtige geschichtliche Daten und
eine Lobpreisung Grimalds und der gelehrten und kunstreichen
Sanctgaller Mönche, welche zur Ergänzung der dortigen Kloster-
chronik dient. Am Schlufs geht er in Yerse über, und feiert den
h. Gallus, wozu auch ihn Gozbert, der Kahlkopf, gedrängt hatte.
Doch ist dieser Theil mehr entworfen und begonnen als wirklich
ausgeführt3).
J) Vita Hariolfi ed. Pertz, MG. SS. X, 11—15. Ermanrich u. Mahtolf,
die Träger des Dialogs, sind beide im St. G. Verbrüderungsbuch ed. Piper,
p. 44, col. 111. — Ausg. v. Giefel, Württ. Geschichtsqu. II. 1888.
2) Dieses erwähnt Ermenrich in dem Briefe mit folgenden Worten:
„Adjunxi autem et huic operi breve opusculum, quod de inceptione nostri
coenobii et fratrum ibidem Deo famulantium vita conscripsi ipsaque dicta
viro per omnia doctissimo Gozbaldo episcopo vel approbanda seu refu-
tanda commendavi." Diese Worte lassen kaum daran zweifeln, dafs die
Vita Hariolfi gemeint ist, obgleich von den Ellwanger Mönchen nur wenig
darin vorkommt; es spricht auch, wie Dümmler bemerkt, dafür die Stelle
der Vita 1. c. p. 11: „quis primus hujus loci cum Deo inceptor fuerit, quan-
tique viri Deo amabiles sub eo exstiterint". Dafs ein anderer Ermenrich
aus Reichenau zu derselben Zeit eine Geschichte dieses Klosters verfafst
und ebenfalls an Gozbald gesandt haben sollte, ist unglaublich.
3) Das Sendschreiben ist vollständig zuerst herausgegeben von Dümm-
ler im Haller Preisvertheilungsprogramm von 1873, und bes. Abdruck.
Es ist voll von grammatischen Fehlern, die zum Theil vom Abschreiber
herrühren mögen. Vgl. M. Haupt im Hermes I, 403 und Dümmler in d.
Forsch, a. a. 0.
284 II. Karolinger. § 18. Schwaben.
In der Aufschrift dieses Briefes hat eine etwas spätere Hand
zu dem Namen Ermenrich das Wort Bischof gesetzt, und man hat
deshalb nicht ohne "Wahrscheinlichkeit geschlossen, dafs der Verfasser
identisch ist mit dem gleichnamigen Bischof von Passau, den Lud-
wig der Deutsche 867 zu den Bulgaren sandte, und dessen Tod am
26. Dec. 874 sich in alamannischen Jahrbüchern und im Todtenbuche
von Reichenau verzeichnet findet1).
Ermenrichs Name ist auch gemifsbraucht in einer häfslichen
Betrügerei, dem angeblichen Leben des h. Magnus, eines der
Genossen von Columban und Gallus, von Theodorus, das bei der
Uebertragung der Gebeine in der Mitte des neunten Jahrhunderts
in St. Magnus Grab soll gefanden sein. Der Bischof Lanto von
Augsburg soll dann den Ellwanger Mönch Ermenrich veranlafst
haben, das kaum noch lesbare Denkmal zu erneuen. So wird dort
erzählt; die Art, wie Ermenrichs Name erwähnt wird, macht es aber
nicht wahrscheinlich, dafs wirklich er selbst zu dieser Fälschung
seine Hand geboten habe. Dümmler vermuthet, Forsch. XIII, 475,
dafs doch etwas daran sei und Ermenrich an der formalen Bearbei-
tung Theil habe, doch bemerkt er selbst, dafs die Legende nichts
von dem ihm eigenthümlichen Gepräge zeige. Ich halte die an-
gebliche ältere Legende überhaupt für leeres Vorgeben des Fälschers,
welcher ein von den gröbsten chronologischen Fehlern erfülltes Pla-
giat aus den Vitae Columbani und Galli für das Werk eines Zeit-
genossen ausgab2).
Auch Reichenau bezog wie Fulda seine Reliquien aus Italien,
doch scheint man damit wenig Glück gehabt zu haben. Die älteste
dieser Geschichten (Miracula S. Genesii) ist von Dr. A. Holder
in Carlsruhe in einem von Reginbert herrührenden Codex entdeckt,
und von mir in der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins XXIV,
1 — 21 herausgegeben3). Sie berichtet von der Uebertragung der
*) Dümmler, Piligrim von Passau S. 144.
2) Mabillons treffliche Kritik ist bestätigt und ergänzt durch Rettberg
II, 147 — 151, wo Plac. Brauns Versuch, den zweiten Theil zu retten, wider-
legt ist. Für denselben sind neuerdings eingetreten Fr. Pfeiffer, Freie
Forschung S. 295 aus Germania I, und Friedrich KG. II, 354 — 366. Das
letzte Stück mit der Translationsgeschichte MG. SS. IV, 382. 425—427.
Ueber eine jüngere Bearbeitung Archiv XI, 270. Nach einer Mittheilung
von Baumann ist dessen Ansicht, dafs man bei der Erhebung der Magnus-
reliquien um 851 im Kloster Füssen durch einen Ellwanger Mönch die
Volksüberlieferung, wie sie bis dahin sich entwickelt hatte, niederschreiben
liefs; in St. Gallen wollte man, als die Magnuskirche um 890 gebaut wurde,
auch eine Legende haben, verwechselte ihn mit dem Maginold der Vita
S. Galli und brachte so den Wechselbalg zu Stande.
3) Im Sanctgaller Catalog saec. IX bei Weidmann S. 385 erwähnt als
Reichenauer Reliquien. 285
heiligen Genesius und Eugenius aus Jerusalem durch den Grafen
Gebahard von Treviso, der 798 seine Boten aussandte, aber vor
deren Rückkunft starb. Der heimkehrende Diacon fand in Porto
seinen Bruder, der den Grafen Scrot von Florenz1) nach Rom be-
gleitet hatte; mit Einwilligung des Pabstes Leo erhält Graf Scrot
den rechten Schenkel des Genesius, während der Rest nach dem
bei Treviso dafür schon bereiteten Kloster gebracht wird. Graf
Scrot aber bringt seinen Theil in seine Heimath am Bodensee, und
stiftet hier das Kloster Schienen, welches durch Ludwig das Kind
an Reichenau gekommen ist. Da Wunder nicht ausblieben, veran-
lafste Abt Erlebold (822 — 838) einen ungenannten Mönch zur Auf-
zeichnung dieser denkwürdigen Begebenheiten. Während nun aber
von diesen Reliquien weiterhin nicht mehr die Rede ist, behauptete
man später in Reichenau, dafs die ganzen Leiber der hh. Senesius
und Theopompus, welche in unklarer Weise an die Stelle von Ge-
nesius und Eugenius getreten sind, 830 durch Bischof Ratolf von
Verona nach Radolfzell übertragen seien, da doch ganz unbekümmert
darum dieselben 911 von Treviso aus dem inzwischen durch die
Ungern zerstörten Kloster nach Nonantula übertragen wurden. Ebenso
wenig wollte man ihnen glauben, dafs der heilige Valentin, von dem
ihre alten Annalen noch allein reden, der heilige Marcus selber sei,
welcher, wie sie behaupteten, in demselben Jahr 830 aus Venedig
zu ihnen gebracht sein sollte; und ihre eigene Erzählung läfst den
Betrug deutlich genug erkennen2). Den h. Januarius sollte, wie
wir oben S. 281 sahen, Kaiser Lothar selbst gebracht haben; davon
verlautet weiter nichts, dagegen aber ein Bericht, nach welchem ihn
und seine Genossen im Jahre 871 ein wackerer Reitersmann aus
Schwaben auf einer Heerfahrt unter Kaiser Ludwig II aus einer ver-
ödeten Kirche geraubt und nach der Reichenau gebracht haben sollte.
Man traute ihm aber dort vermuthüch selbst nicht, da in jüngeren
Handschriften anstatt ihrer die h. Fortun ata mit ihren Brüdern in
derselben Erzählung erscheint. Aber auch diese waren bereits 780
nach Neapel in das Nonnenkloster des h. Gaudiosus übertragen, wo
sie fortfuhren die schönsten Wunder zu thun3). Unbestritten blieb
Commemoratio de miraculis S. Genesii. Als Ex Miraculis S. Genesii ed.
Waitz, SS. XV, 169— 172.
1) Dieser wird, wie Dümmler bemerkt, bei Herrgott, Geneal. III, 832,
als Wohlthäter von Reichenau erwähnt. Er erscheint im Verbrüderungs-
buch S. 294, col. 466.
2) Miracula S. Marc/ bei Mone, Quellens. I, 62—67 : im Auszug MG.
SS. IV, 449—452. Vgl. auch Quellens. III, 135.
3) Mone, Quellens. I, 232 cf. Acta SS. Sept. VI, 787. Auf Fortunata
286 n. Karolinger. § 18. Schwaben.
den Reichenauern nur ein Krug von der Hochzeit zu Cana, den ein
griechischer Mönch ihnen aufgeschwatzt hatte1).
Sehr deutlich tritt uns in diesen Geschichten die lebhafte Ver-
bindung mit Italien entgegen, welche in hohem Grade anregend
wirken mufste2); Reichenau lag gerade an einer der besuchtesten
Pilgerstrafsen nach Rom, und auch Schottenmönche werden nicht
gefehlt haben, wenn sie auch in Reichenau selbst kein Andenken
hinterlassen haben. Dagegen wurde in Rheinau gegen das Ende
dieses Jahrhunderts das Leben eines Schottenmönches, des h. Findan,
aufgezeichnet (f 878), welches für das Treiben dieser fremden Pilger
charakteristisch und durch einige Stellen in irischer Sprache merk
würdig, übrigens aber sehr fabelhaft und geschichtlich wenig bedeutend
ist3). Gröfserer Ruhm ist dem h. Meginrat zu Theil geworden,
dessen Leben, wie aus dem Alter der Handschriften hervorgeht, schon
im zehnten Jahrhundert ein Reichenauer Mönch beschrieben hat4).
Er wurde nach dessen Bericht in Reichenau von Erlebold unterrichtet,
und als dieser als Abt auf Heito folgte, als Mönch eingekleidet.
Der Abt schickte ihn nach einer Reichenauer Zelle am Zürcher
See, nach der Tradition Bollingen, um da Schule zu halten. Er
aber ging statt dessen als Eremit ins Gebirge, wo Räuber ihn 861
erschlugen. Das noch jetzt blühende Kloster Meinradszell oder Ein-
siedeln bewahrt sein Andenken.
Fast überall finden wir theil s die ascetische, theils die formale
Richtung vorherrschend in der Litteratur dieser Zeit, den historischen
Sinn aber noch wenig entwickelt.
Doch fehlte es auch in St. Gallen und Reichenau nicht ganz
an Annalen. Die in ihrem älteren Theil aus Murbach stammenden
Annales Alamannici (oben S. 147) enthalten 802 — 858 dürftige
Reichenauer Notizen; 860 — 926 werden sie mit zunehmender Reich-
haltigkeit in St. Gallen fortgesetzt. Die aus denselben Annalen ent-
und das Jahr 874 angewandt auch in der ersten Ausgabe dieses Buches
S. 150 aus 2 München er Handschriften, da ich sie für ungedruckt hielt;
vgl. Acta SS. Oct. VI, 456. Beide MG. SS. XV, 473, v. Holder-Egger.
2) Auszüge aus der gänzlich fabelhaften Vita Simeonis Achim ed. Waitz
MG. SS. IV, 459. Annales Aug. breviss. 541—817 ib. III, 136 sind ohne
Werth.
2) Vgl. darüber das schöne Werk des Prof. F. Adler: Baugeschicht-
liche Forschungen in Deutschland. I. Die Kloster- und Stiftskirchen auf
der Insel Reichenau, Berlin 1870 folio. Marmor: Kurze Geschichte der
kirchlichen Bauten und deren Kunstschätze auf der Insel Reichenau, Kon-
stanz 1873. Der Text ist selbst für einen praktischen Arzt zu schlecht.
3) Vita Findani ed. Holder-Egger, SS. XV, 502—506. Vgl. Zeuss,
Gramm. Celt. ed. II, p. 1003.
4) Vita S. Meginrati ed. Holder-Egger, SS. XV, 444—448.
Annalen aus St. Gallen und Reichenau. 287
nommenen Annales Sangallenses breves 708 — 815 l) gewährten
den Anfang (bis 791) der Annales Augienses, welche bis 939 in
Reichenau fortgesetzt wurden. Sie waren auf den Rand der Oster-
tafeln geschrieben, welche Reginbert in seine oben S. 276 erwähnte
historisch-mathematische Sammlung aufgenommen hatte, die er von
820 bis gegen sein Todesjahr 846 zusammengebracht hat. Diese
jetzt verlorene Handschrift benutzte Hermannus Contractus. Für
Friedrich von Mainz abgeschrieben, wurde sie zu 937 mit einer
Notiz über Friedrichs Weihe, 953, 954 mit Aufzeichnungen des Erz-
bischofs Wilhelm vermehrt; benutzt wurde diese Handschrift vom
Fortsetzer des Regino, von Marianus Scottus, und nebst den ein-
gehefteten Annales S. Albani vom Verfasser der Disibodenberger
Annalen 2). Wir finden ferner die Annales Augienses bis 939 benutzt
in den Annales Colonienses, jedoch so, dafs einzelne Eintragungen
vielmehr auf die Ann. Alamannici, Sangallenses und Hermann deuten,
wodurch die Vermuthung entsteht, dafs eine reichhaltigere Aufzeich-
nung allen zu Grunde liegt3).
Auch in der Bischofstadt Augsburg war ein gelehrter und aus-
gezeichneter Bischof, Adalbero (887 — 910), der Erzieher Ludwigs
des Kindes, ein vertrauter Freund der Sanctgaller Lehrer, und ohne
Zweifel derselbe, welchem Regino, der seiner mit grofsem Lobe ge-
denkt, seine Chronik widmete; wir haben eine Biographie von ihm,
sie ist aber erst im zwölften Jahrhundert von Udalschalk geschrieben
und gewährt uns keine Belehrung4).
Im Elsass beschrieb ein ungenannter Mönch von Neuweiler
bei Zabern die Uebertragung des Bischofs Adelphus von Metz, den
ihnen Erzbischof Drogo abgelassen hatte, mit Wundern, worin viele
Ortsnamen vorkommen5).
1) Edd. Ild. v. Arx et G. H. Pertz, MG. I, 63—66: ed. Henking, St.
Gall. Mitth. XIX, 220—223. Local, aber sehr dürftig sind (MG. I, G9. 70),
die Annales brevissimi Sangallenses 768 — 889 (ed. Henking, ib. p. 206
bis 209; Vf. nach S. 208 ' Albrich) und 814—961 (ib. S. 210—212),
während die Fortsetzung der Ann. S. G. Baluzii (oben S. 141) 768 — 814
allgemeiner Art ist. Kurze Aufzeichnungen an Ostertafeln 690 — 856 ed.
Dummler, NA. V, 428.
2) S. die berichtigte Ausgabe von Jaffe, Bibl. III, 700 — 706.
3) Ecclesiae Colon. Codd. p. 127. Mit dieser beschäftigt sich W. Erben,
NA. XVI, 613 ff.
4) S. unten IV § 8. Ueber Adalbero's Besuch in St. Gallen 908 und
seine reichen Schenkungen s. das Verbrüderungsbuch S. 15. Jul. Hans,
Beiträge zur Geschichte des Augsburger Schulwesens in der Zeitschrift des
hist. Vereins f. Schwaben u. Neuburg II, 1 (1875) stellt die dürftigen Nach-
richten darüber zusammen.
5) Translalio et Miracula S. Adelphi ed. L. v. Heinemann, SS. XV,
288 ü- Karolinger. § 19. Baiern und Franken.
§ 19. Baiern und Franken.
Baiern, wo schon unter den Agilolfingern eine rege litterarische
Thätigkeit begonnen hatte, zeigt auch in diesem Abschnitte Spuren
derselben, und es wird an geschichtlichen Aufzeichnungen in den
zahlreichen und blühenden Klöstern des Landes nicht gefehlt haben,
obgleich im ganzen die Bedürfnisse des praktischen Lebens, der
Geschäftsthätigkeit und des Schulunterrichts die Kräfte überwiegend
in Anspruch nahmen. Doch ist in den Verheerungen des Landes
durch die Ungern ohne Zweifel vieles zu Grunde gegangen.
In Freising zeugen die zahlreichen grammatischen Handschriften
aus dem neunten und zehnten Jahrhundert1) von eifrigen Studien.
Nach Aribo, dessen wir schon früher gedachten, machte sich hier
der Bischof Hitto (810 — 835) sehr verdient; er veranlafste seinen
Notar Cozroh, das höchst schätzbare Traditionsbuch der Kirche an-
zulegen, welches von demselben unter seinem Nachfolger Erchanbert
(bis 853) fortgesetzt wurde2). An seinem Bischofsitz gründete Hitto
das Kloster Weihen Stephan, dem er aus Rom 834 den h. Alexander
zuführte; die von einem Genossen dieser Uebertragung in recht
gutem Latein und nicht ohne Kenntnifs profaner Autoren verfafste
Geschichte derselben habe ich, von Dümmler darauf aufmerksam
gemacht, herausgegeben3). Wenig später hielt dort der Pfalzgraf
Timo Gericht, wobei sein Hund den Frevel beging, aus dem
heiligen Quell zu trinken. Rascher Tod war die Strafe, und dieses
Wunder feiert ein Gedicht, welches merkwürdig ist durch Beschrei-
bung des Gerichtsverfahrens, der strengen Justiz, die dort geübt
ward, und durch sehr entschiedene Bekämpfung der Ordalien4).
Als man es im 11. Jahrhundert von der Rolle, auf welche es
geschrieben war, in ein Buch übertrug, war leider der Anfang der-
selben schon beschädigt und verloren. Auch Bischof Anno (854 bis
875) liefs ein Werk für die Bibliothek abschreiben5); Waldo (884
293 — 296, mit einem Wunder von 1198 aus der Fehde zwischen Heinrichs VI
Bruder Otto u. B. Conrad v. Strafsburg.
*) B. Pez. Thes. I, Praef. p. XXVII.
2) Meichelb. Hist. Fris. I, 1, 115. 116. Jos. Zahn im Archiv d. W. Ak.
XXVII. , 200 f., wo auch K. Roths Arbeiten über Cozroh aufgezählt sind.
MG. SS. XXIV, 314 seine Vorrede, p. 316 Notae de privilegiis. Ausser-
dem liefs Hitto viele theologische Schriften für die Bibliothek abschreiben.
3) SB. d. Berl. Akad. 1884, Dec. 4. MG. SS. XV, 286—288. Andere
schlechtere Hs. NA. XIII, 584.
4) Neue Ausgabe von Dümmler, Poet. Lat. II, 120—124.
5) Cod. lat. Mon. 6262, s. Catal. I, 3, 81.
Freising, Regensburg, Würzburg. 289
bis 906), ein Bruder Salomons III von Constanz, zeichnete sich durch
seine wissenschaftliche Bildung aus, und scheint auch als Bischof
in dieser Richtung thätig gewesen zu sein1).
In Regensburg war Baturich (817 — 848) Bischof und Abt
zu St. Emmeram, zugleich Erzcaplan des Königs, ein geborener
Baier, der in Fulda Hrabans Unterricht genossen hatte, und durch
die Besorgung von Abschriften kirchlicher Werke seinen wissenschaft-
lichen Eifer bewies2). Schon unter Ambricho (864 — 899) begann
hier An am od die Urkunden über Schenkungen an das Kloster
St. Emmeram zu sammeln, und eignete das vollendete Werk dessen
Nachfolger Aspert (891 — 893) zu, welcher Kaiser Arnulfs Kanzler
gewesen war3). Hier verwahrte man auch jene merkwürdige Auf-
zeichnung über die Gaue der Slaven, bekannt als Geographus
Bawarus, welche aus einer Handschrift von St. Emmeram durch
Hormayr zuerst bekannt gemacht ist4).
In Nieder-Altaich und Würzburg wird Gozbald (841 bis
855), einst Erzkanzler Ludwigs des Deutschen und immer in hoher
Gunst bei ihm, ein gelehrter Mann, den Ermanrich von Ellwangen
seinen Lehrer nennt, ohne Zweifel die Studien befördert haben, wenn
uns auch nichts darüber bekannt geworden ist. Einer Handschrift
von Nieder-Altaich verdanken wir jene geschichtlich wichtige, wenn
auch in der Form verwilderte Fortsetzung der Fulder Annalen von
882 — 901, welche in Baiern, aber schwerlich in einem Kloster,
*) S. Dümmler, Formelbuch Salomons III, S. 154. Müllenhoff und
Scherer S. 297. 451 (3. Ausg. II, 90. 335) und oben S. 275. Der Priester
Sigihard schrieb für ihn den Otfrid ab.
2) Dümmler, Ostfr. II, 433. Müllenhoff und Scherer S. 448. 460.
(II, 331. 344.) Facs. des Cod. lat. Monac. 14,468 a. 821, Palaeograph. Soc.
122; von 14,437 a. 823 ib. 123; 14,288 schenkte ihm Hiring. Eine Bene-
dictio Dei betitelte Schrift über den Gebrauch der Psalmen, mit einer
Vorrede an Baturich, Bibl. Patr. Lugd. XXVII. Suppl. Migne CXXIV,
1399. K. Ludwig ertauschte später für seine Kapelle von der Regensburger
Kirche den Cleriker Gundpert wegen seiner litterarischen Bildung, B. Pez
Thes. I, 3, 199. Die unbedeutenden Annalen s. oben S. 149.
3) Ueber ihn S. Dümmler, Ostfr. III, 482. Der Codex Traditionum gedr.
bei B. Pez Thes. I, 3, 191—286; Migne CXXIX, 900. Vgl. Bretholz, Die
Traditionsbücher von St. Emmeram, Mitth. d. Inst. XII, 1 ff. (NA. XVI,
648). S. auch Karl Roth, Tauschverträge der Abtei Sanctemmeram (Beitr.
IV. 1865), wo S. 42—46 Cat. abb., S. 47—50 Cat. epp. Ratisponensiam', alii
SS. XIII, 359. Ein Distichon mit Lob des Bischofs Tuto (894—930)
NA. I, 185.
4) Archiv für österreichische Geschichte 1827, S. 282. Boczek Cod.
Dipl. Moraviae I, 67. Zeufs, die Deutschen und die Nachbarstämme S. 600.
Bielowski's Monumenta Poloniae I, 10. Die Hs. ist Cod. lat. Monac. 560
saec. XI. Facs. bei Schiemann, Rufsland etc. (Berl. 1886) zu S. 29.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 19
290 II« Karolinger. § 19. Baiern und Franken.
geschrieben ist1). Für seine Kirche in Isarhofen bei Nieder-Altaich
erbat Gozbald von Gregor IV die Gebeine der Märtyrer Agapitus
und Felicissimus, und vielleicht ist es ihre Translation, wovon sich
ein Fragment erhalten hat, merkwürdig durch die Erwähnung der
Aufschriften des P. Damasus „rotundis litteris" und der von Karl
dem Grofsen gestifteten Schola Francorum in Rom2).
Zum Würzburger Sprengel gehört Laufen am Neckar, wo man
S. Reginswind verehrte, Tochter des Markgrafen Ernst, welche
als siebenjähriges Mädchen 837 von ihrer Wärterin aus Rache im
Neckar ertränkt sein soll; ihre sagenhafte Geschichte ist aber erst im
zwölften Jahrhundert aufgezeichnet3).
In Eichstedt liefs B. Erchanbald (882 — 912) nicht nur viele
Bücher abschreiben, sondern er veranlafste auch den Priester Wolf-
hard, das Leben der h. Walburga4) zu schreiben, deren Reliquien
er 893 nach Monheim übertragen hatte, der Schwester Willibalds
— eine der zahlreichen Aufzeichnungen solcher Art, welche diese
Zeit mit ihrer immer wachsenden Heiligenverehrung hervorbrachte,
weniger durch geschichtlichen Sinn als durch das Bedürfnifs einer
Legende veranlafst und mit Wundergeschichten ausgestattet. In aus-
gedehntestem Mafse sorgte aber Wolf hard für die Befriedigung dieses
Bedürfnisses durch das ebenfalls auf Veranlassung des Bischofs
Erchanbald von ihm gesammelte, schon früher (S. 61) erwähnte
grofse Legendarium.
Die Pas sau er Kirche erwarb 904 durch Tausch die ansehnliche
Bibliothek des Landbischofs Madalwin5); vielleicht auf Ermenrich
zurückzuführen ist das vorzüglich aus Hrabans Schriften geschöpfte
Lehrbuch, welches sich in einer Tegernseer Handschrift erhalten
!) S. oben S. 229. 230. Ueber Gozbald Dümmler, Ostfr. II, 428.
Forsch. VI, 122. Handschriften, die er für seine Kirche schreiben liefs,
sind jetzt in Oxford, s. Zangemeister, Wiener SB. LXXXIV, 59. 61; Facs.
von Aug. de civ. Dei Pal. Soc. II, 67. 68. Eine andere in Würzb. s.
Schepss in Briegers Zts. f. Kirchengesch. 1886, S. 458, Anm. Seinem Vor-
gänger Humbert von Würzburg (832 — 841) widmete Hraban den Commentar
zu den Büchern der Richter und Ruth; auch er liefs eine Hs. abschreiben.
Der Nachfolger Arn wird Gozbalds Schüler genannt; s. über ihn Dümmler
Ostfr. II, 430, und denselben Forsch. VI, 123 über die gelehrten, aber
nicht der Geschichte zugewandten Studien in Würzburg.
2) NA. XIII, 295.
3) V. Reginswindis Acta SS. Jul. IV, 90—96. MG. SS. XV, 359.
4) Acta SS. Feb. III, 523. Mab. III, 2, 787. Vgl. den Anon. Haser.
c. 3. 10, MG. SS. VII, 255. 256. Rettberg II, 359. Die 893 beginnenden
Mirakel sind geschichtlich nicht unwichtig. Ausg. v. Holder-Egger, MG.
SS. XV, 535—555.
5) Mon. B. XXVIII, 2, 200-203.
Eichstedt, Passau, Salzburg. 291
hat1). Einern Abt Engilmar, den er als „venerabilis doctor et
grammaticae rethor" bezeichnet, widmete ein ungenannter Verfasser
in ziemlich mangelhaften Versen eine Versification der Vita S. He-
rasmi; vielleicht könnte dieser später Bischof von Passau geworden
sein, wo wir von 874 — 899 einen Engelmar finden2).
Aus Salzburg endlich ist uns, aufser urkundlichen Aufzeich-
nungen und der Erzählung von der Ueb ertragung des h. Her-
mes3) aus Rom vom Jahre 851, ein überaus werthvolles Denkmal
erhalten, eine Denkschrift, welche durch die Errichtung eines selb-
ständigen mährischen Erzbisthums veranlafst, vermuthlich 870 ver-
fafst wurde4), in demselben Jahr, in welchem die Verfolgung gegen
Methodius begann. Die Verdienste und Berechtigungen der Salz-
burger Kirche sollten darin dargestellt werden, und wie billig steht
an der Spitze das Leben des h. Rupert (oben S. 122). Die weitere
Erzählung stützt sich durchweg auf Urkunden und andere Aufzeich-
nungen der Kirche, es ist mehr eine rechtliche Deduction, als ein
eigentliches Geschichtswerk, und weil der Verfasser sich streng auf
das beschränkt, was für seinen Zweck von Wichtigkeit war, anderes,
wie namentlich die ganze Wirksamkeit des Bonifaz, völlig mit Still-
schweigen übergeht, genügt die Schrift unseren Wünschen nicht,
aber was sie giebt, ist unschätzbar, und bei dem fast gänzlichen
Mangel anderer Quellen über die Verhältnisse dieser südöstlichen
Lande, bei dem Verlust der Annalen, von denen nur geringe Reste
übrig geblieben sind, ist jedes Wort des Verfassers von hohem Werth
für uns5).
*) Einige Formeln mit der Ueberschrift Epistolae Alati ed. Rockinger,
Quellen zur baierischen Geschichte VII, 169 — 185, cf. 21 — 29, und E. de
Roziere, Revue hist. de droit francais et etranger, IV; Zeumer, Form.
S. 456 ff. Nach Passau weist die bischöfliche Kirche des heiligen Stephan.
Vgl. Müll. u. Scherer, 3. Ausg. II, 355.
2) Dümmler, NA. V, 429.
3) Translatio S. Hermetis, ed. Holder-Egger, MG. SS. XV, 410. Auch
in Bamberg glaubte man den h. Hermes zu besitzen, V. Ott. II, 14 bei
Jaffe, Bibl. V, 639.
4) Ich lasse dahingestellt, ob sie, wie ich annahm, für den König be-
stimmt war, oder für den Pabst, wie Dümmler, Ostfr. II, 379, aufrecht
hält, ungeachtet der gänzlichen Verschweigung aller päbstlichen Anord-
nungen. Sicher ist sie ihrer Form nach nicht an den Pabst gerichtet.
5) Ausgabe von Wattenbach, MG. SS. XI, 1 — 17, mit den Computa-
tiones saec. XII. de tempore S. Rudberti, auf welchen die fehlerhafte so-
genannte Tradition beruht. Ueber das Fehlen einer älteren Tradition s.
auch Meiller, Salzb. Regesten, S, 439. Wie Dümmler bemerkt, ist der
erste, von mir übersehene Herausgeber Flacius Illyricus, Catalogi testium
veritatis (1597) II, 121 — 129 aus der Wiener Handschrift hist. eccl. 73.
Wegen der weiteren Litteratur begnüge ich mich, auf die 2. Aufl. von
Dümmlers Ostfr. zu verweisen. Nach Jar. Goll, Mitth. d. Inst. XI, 443
19*
292 IL Karolinger. § 19. Baiern und Franken.
Unter den Nachfolgern des ersten Erzbischofs Arn wird Adal-
ram (821 — 836) sehr gepriesen, und Liuphram (836 — 859) folgte
Arns Vorgang, indem er durch Abschriften die Bibliothek zu be-
reichern bemüht war1). Aus seiner Zeit stammt auch eine Samm-
lung, in welcher formelartig zugerichtete Briefe Alcuins , die meistens
an Arn gerichtet waren, mit allerlei Yersen verbunden sind, nach
Dümmlers Ansicht für den Zweck des Unterrichts bestimmt2). Am
Anfang stehen Yerse von Dungal an einen „clarus magister" Baldo,
von welchem man in Salzburg auch eine Handschrift hatte mit der
Inschrift: „Hunc humilis librum fecit perscribere Baldo, Reddat in
aeternum mitis cui praemia Christus". Aehnliche Verse finden wir
in den Unterschriften der von Liuphram besorgten Bücher. Mit
Dümmler hatte ich diesen Baldo für den Abt Waldo von Saint-
Denis gehalten, aber später hat Dümmler sich mit Foltz3) für eine
Unterscheidung beider Personen ausgesprochen, wofür sich auch
Traube erklärt4), und es wird, wenn Baldo damals in Salzburg
thätig war, vielmehr anzunehmen sein, dafs wir unter Dungal nicht
den alten berühmten Lehrer (oben S. 153) verstehen dürfen. Auch
König Ludwig dankte ihm in Versen für übersandte Schriften,
wünschte aber über die zuletzt erhaltenen, die er nicht verstehen
könne, Aufschlufs. Andere Stücke jener Sammlung verherrlichen den
alten Bischof Virgilius, Arn, Adalram , Liuphram; eine besondere
Classe stellt sich uns dar als Inschriften für einen Bischofshof, der
vermuthlich damals (zwischen 855 u. 859) in Salzburg gebaut wurde,
und erinnert dadurch an die oben S. 266 erwähnten Lütticher Ge-
dichte, wie denn auch hier (III, 11) der Dichter sich als einen
armen Fremdling bezeichnet; es liegt die Vermuthung nahe, dafs
Genossen jener Lütticher Schottencolonie auf ihrer Reise nach Mai-
land in Salzburg einige Zeit sich aufgehalten haben. Die einzelnen
Suffragane gaben, wie es scheint, verschiedenen Hallen ihren Namen,
deren Wände mit Darstellungen ihrer Bischofsitze geschmückt sein
mochten, und hier waren auch Verse über die Folge dieser Bischöfe
angebracht, welche aber bei Passau und Saeben nicht vollständig
ausgeführt sind5).
bis 446, hätte er seine Angaben über Samo nur aus Fredegar geschöpft,
ohne locale Tradition.
1) S. darüber Karl Foltz, Geschichte der Salzburger Bibliotheken,
Wien 1877.
2) Beiträge zur Geschichte des Erzb. Salzburg, Archiv der Wiener Ak.
XXII, 279—304. Die Verse bei Traube, Poet. Lat. III, 238.
3) a. a. 0. S. 13; vgl. Dümmler, Poet. Lat. I, 412.
4) 0 Roma nobilis, S. 336.
5) Versus de ordine comprovincialium episcoporum bei Dümmler a. a. 0.
Salzburger Gedichte. Frankreich. 293
§ 20. Frankreich.
Der Vertrag von Verdun besiegelte die politische Theilung des
karolingischen Reiches, aber er zerstörte nicht die Gemeinsamkeit
der litterarischen Entwickelung. Diese beruhte, besonders in Deutsch-
land und Frankreich, Jahrhunderte laug ausschliefslich auf der Geist-
lichkeit, die von dem Gefühl erfüllt war, eine grofse Corporation zu
bilden, deren Mitglieder in den verschiedenen Ländern sich, wie noch
heute, einander näher verbunden fühlten als mit den Laien ihres
Volkes. Dieses Gefühl der Gemeinschaft tritt auch in späterer Zeit
häufig aufserordentlich stark hervor; ganz besonders lebhaft aber
war es, so lange die Karolinger herrschten, nnd die Erinnerung an
die Einheit des Kaiserreiches noch die Gemüther erfüllte. In der
Litteratur sind es jedoch die kirchlichen Fragen, in denen die Ge-
meinsamkeit der Bildung wie der Interessen sich vornehmlich zeigt;
die überaus reiche und bedeutende theologische Litteratur des neun-
ten Jahrhunderts läfst sich gar nicht getrennt behandeln. In der
historischen dagegen verhält es sich anders; diese wird naturgemäfs
von der politischen Trennung weit stärker berührt und sondert sich
rascher in verschiedene Zweige. Alles was die Localgeschichte betrifft,
gewinnt nur noch in einzelnen Fällen Bedeutung füs das Nachbar-
land; die bedeutenderen Werke allgemeiner Art aber dürfen nicht
aufser Acht gelassen werden, und bei der engen Verbindung der
karolingischen Theilreiche finden wir in diesen immer auch die
Nachbarländer, wenn nicht gleichmäfsig, so doch mit wenig gerin-
gerer Sorgfalt berücksichtigt, als das eigene. Vor allem gilt das
von der Reichshistoriographie der Annalen. Wie die Fulder An-
nalen auch für Frankreich von Wichtigkeit sind, so die Bertin iani-
schen1) für Deutschland.
S. 283— 285. MG. SS. XIII, 341— 343. Poet.Lat. II, 637— 648 mit anderen
Versen der Sammlung. Vielleicht rühren jene aus Karls d. Gr. Zeit her,
und wurden nur fortgesetzt; dann hätten wir Erneuerung älterer Dar-
stellungen anzunehmen.
x) Annales Bertiniani ed. Pertz, MG. SS. I, 419—515. Neue Ausg.
v. G. Waitz, Hann. 1883, 8; vgl. dens.: Ueber die Ueberlieferung der Ann.
Bertiniani, Berl. SB. 1883, S. 113 — 121. Benutzt sind aufser den Hss. das
Chron. Vedastinum, Cont. Aimoini, der einige Zusätze von zweifelhaftem
Ursprung hat, Ann. Mettenses, über deren jetzt in Berlin befindl. Hs. ich
NA. XVI, 607 berichtet habe. Wenig Hülfe bietet das fast ganz aus
Ann. Bertin. u. Vedastini geschöpfte Chronicon de gestis Normannorum in
Francia, MG. I, 532 — 536, in ganz unbestimmter Zeit in St. Omer verfafst.
Uebers. der Ann. Bertin. v. Jasmund 1857. 1890. Geschichtschr. Bd. 24
(IX, 9).
294 II. Karolinger. § 20. Frankreich.
Die alten Reichs-Annalen bilden für beide Reiche gleichmäfsig
den Ausgangspunkt; während man aber am ostfränkischen Hofe diese
Aufgabe erst nach einiger Zeit wieder aufnahm, trat im westlichen
Franken keine Unterbrechung ein, und wir finden schon in den
Jahren 830 — 835 eine gleichzeitige Fortsetzung. Das Kloster St. Ber-
tin hat nur deshalb den Namen dazu hergegeben, weil diese Anna-
len zuerst aus einer Handschrift desselben bekannt wurden; sie
tragen einen durchaus universellen Charakter und haften an keinem
bestimmten Orte.
Die Hofschule bestand unter Ludwig dem Frommen, wie unter
seinem Vater. Der Irländer Clemens setzte seine Wirksamkeit fort,
und von Alderich und einem sonst unbekannten Thomas, den Wa-
lahfrid preist, ist es, wenn auch nicht sicher, doch wahrscheinlich,
dafs sie eine ähnliche Stellung hatten1). Walahfrids Berufung an
den Hof bezeugt ebenfalls die Beachtung litterarischer Talente. Die
Verdienste der Kaiserin Judith in dieser Beziehung waren schon
wiederholt zu erwähnen. An Karls des Kahlen Hof glänzte Johannes
Scotus2). Ihm widmete auch ein unbekannter Autor ein geogra-
phisches Werk, welches ganz aus Stellen alter Schriftsteller zu-
sammengesetzt, und ein Zeugnifs für die eifrig betriebenen Studien
in jener Zeit ist3). Seine Sorge für wissenschaftliche Bildung wird
gerühmt, und zu seiner Zeit wird Manno als Vorsteher der Hof-
schule genannt, welcher als Probst von Saint- Oyan (später Saint-
Claude) im Jura am 16. Aug. 880 gestorben ist, nachdem er diesem
Stifte mehrere noch jetzt erhaltene Handschriften dargebracht hatte4).
In dieser Schule ist auch der Spanier Galindo ausgebildet,
welcher den Namen Prudentius annahm5); ein vornehmer Jüng-
ling, welcher frühzeitig ins Frankenreich gebracht war. Aus dieser
Zeit, noch vor 817, haben sich an ihn gerichtete Verse eines un-
bekannten Dichters erhalten, leider nur theilweise verständlich6).
1) Simson, Ludwig -d. F. 256—261; vgl. Dümmler, Hi st. Z. XXXVII,
134. Ostfr. III, 651. 652.
2) Reuter, Gesch. d. Aufklärung I, S. 51 — 64.
3) Anonymi de situ orbis libri duo, ed. M. Manitius, Stuttg. 1884,
Der Prolog NA. IV, 176.
4) „Voto bonae memoriae Mannonis liber ad sepulcrum saneti Augendi
oblatus." S. Dümmler, Ostfr. III, 652. Probst war er schon 870. Ueber
seinen Collegen Joseph s. unten S. 300. Merkwürdige Verse und Briefe
aus Karls d. K. Zeit, worin auch Manno erwähnt wird, NA. XIII, 343 bis
357, von Dümmler.
5) Ebert II, 267, u. S. 365—368 über die Annalen. Dümmler, NA.
IV, 314.
6) Poet. Lat. I, 579. Dafs der Verf. Prudens geheifsen, widerlegt
L. Traube, Karol. Dicht. S. 65, u. gibt Verbesserungen zum Text.
Annales Bertiniani. 295
Theodulf, Clemens und Thomas werden darin erwähnt. Als die
Kaiserin Judith sich einst in Gefahr befand, hat er für sie auf ihren
Wunsch Flores psalmorum zusammengestellt1). Die Verse Walah-
frids ad Prudentium magistrum (oben S. 280) werden doch wohl
sicher an denselben Galindo gerichtet sein , welcher zwischen 843
und 846 Bischof von Troyes geworden, am 6. April 861 gestorben
ist. Von ihm selbst haben wir Verse aus einem von ihm seiner
Kirche gewidmeten Evangelienbuch, und kirchliche Schriften.
Dieser Prudentius wird von Hincmar als der Fortsetzer der
Annalen genannt, auch 861 von ihm der Tod desselben mit scharfem
Tadel seiner in den letzten Jahren ketzerischen Haltung angemerkt.
J. Girgensohn2) hat sich bemüht zu erweisen, dafs der Inhalt der
Annalen genau zu dem stimmt, was wir von Prudentius wissen, in-
dem er 835 — 840 dem alten Kaiser treu ergeben ist, bis 853 Karls
des Kahlen Handlungen bestmöglichst zu beschönigen sucht, nach
der Synode von Quierzy aber, wo er die seiner früheren Lehre
widerstreitenden Artikel unterschreiben mufste, auch rücksichtslosen
Tadel nicht scheut. Der Brief Hincmars, welcher allein uns die
Kunde von Prudentius Autorschaft erhalten hat, zeigt zugleich, dafs
die Urschrift des Werkes, welches schon Vielen bekannt geworden
war, sich in des Königs Händen befand, und bestätigt dadurch den
officiellen Charakter desselben. Nur darf man nicht vergessen, wie
selbständig die Bischöfe Frankreichs ihrem Könige gegenüber stan-
den, und es ist deshalb nicht zu verwundern, dafs Prudentius seine
eigene Meinung mit einer Entschiedenheit ausspricht, welche Rudolf
von Fulda ganz fern liegt. Noch weit unabhängiger erscheint die
Fortsetzung, welche der Erzbischof Hincmar von Reims bis zum
Jahre 882, dem Jahre seines Todes, fortgeführt hat. Sie bietet uns
die Reichsgeschichte aus dem Standpunkte des Verfassers, des be-
deutendsten Staatsmannes im Reiche Karls des Kahlen, der unab-
lässig bis an seinen Tod für das Wohl des Reiches und die Selb-
ständigkeit der westfränkischen Kirche auch gegen König und Pabst
gearbeitet und gekämpft hat, nicht immer mit redlichen Mitteln
allein, obgleich freilich Schrörs (S. 307, 507 — 512) ihn von dem
Verdachte zu befreien sucht, dafs er zur Erreichung seiner Zwecke
*) Poet. Lat. II, 701. Der Prolog gedruckt bei A. Mai, Nova Coli.
IX, 369.
2) Prudentius und die Bert. Annalen, Riga 1875. Vgl. die Rec. von
F. Dahn in Lit. Centralblatt 1876 S. 848. Baehr S. 453—456. C. v. Noor-
den, Hincmar S. 152. Sein Latein ist mangelhafter, als man von Pr. er-
warten sollte. Aber auch Hincmar hat auf die Form wenig Sorgfalt
verwandt. ^--— —
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HAE.LN
296 H. Karolinger. § 20. Frankreich.
auch Fälschungen und Erdichtungen nicht verschmäht habe; ein
sicheres Beispiel kecker Fälschung hat Krusch in der Yita Remigii
nachgewiesen1). Sicher aber sind seine Annalen von solchen Flecken
rein, wenngleich an manchen Stellen nicht frei von Parteilichkeit,
und als die hervorragendste Geschichtsquelle dieser Zeit zu be-
trachten2).
Von dem einflufsreichsten, nur vorübergehend bei Seite gedräng-
ten Staatsmanne herrührend, unterscheiden Hincmars Annalen sich
noch wesentlich von einfachen Privatarbeiten; mit seinem Tode ver-
siegte in Frankreich noch früher als in Deutschland diese Art der
Geschichtschreibung, wie denn auch der Verfall des Reiches hier
noch rascher und unaufhaltsamer eintrat.
Allein in ganz ähnlicher Weise, wie wir in Deutschland neben
den Reichsannalen die Jahrbücher von Xanten finden, wie auch nach
J) Auctt. antt. IV, 2, p. XXII, anerkannt v. Dümmler, Ostfr. III, 683.
2) Als Verfasser der Annalen nennt ihn Richer im Prolog seiner Ge-
schichte. Ueber deren Glaubwürdigkeit v. Noorden S. 153. E. Buchung,
Glaubwürdigkeit Hincmars v. R. im 3. Theil der Ann. Bert. Hall. Diss.
1887. — Hincmari Opuscula et epp. ed. Cordesius, Par. 1615, 4. Opera
ed. Sirmond 1645, f. Neuer Abdruck bei Migne Vol. CXXV. CXXVI.
Seine Gedichte Poet. Lat. III, 406—420. Verz. bei Schrörs, S. 512—588.
Zwei neue entdeckte hat Gundlach herausgegeben, Zts. f. Kirchengesch. X,
S. 92 — 145. 258 — 310, das Gutachten gegen Rothad, Schrörs n. 134, und
die erste Schrift gegen Gotschalk (849 od. 850) an die „filii simplices"
seiner Gemeinde. Vgl. C. v. Noorden, Hincmar Erzb. v. Rheims 1863,
rec. von Wenck, Hist. Zts. XI, 222, von Dümmler im Litt. Centralbl. 1864
Sp. 1197. Dümmler, Ostfr. III, 210—213; auch NA. IV, 536— 538. Heller,
Allg. D. Biogr. XII, 438—456. Schrörs, H. v. R. Sein Leben u. seine
Schriften, Freib. 1884, rec. v. Dümmler im Centralbl. 1884, Sp. 1197. In
diesen Werken sind auch die übrigen geschichtlich wichtigen Schriften
Hincmars besprochen und ausgebeutet. Seine für Karlmann geschriebene
Darstellung der Regierungsweise Karls des Grofsen ist oben S. 252 er-
wähnt. Vgl. Dirksen, Hinterlassene Schriften II, 130 — 841: H. als Kenner
der Quellen des römischen Rechts. Hincmar befahl seinem Clerus 852 § 8,
den compotus d. h. die Osterberechnung zu lernen (Marlot, Hist. Rem. I,
418). Damit verbindet Bock bei Weifs, K. Alfred S. 31, die Inschrift bei
Varin, Archives admin. de Reims I, 334, wonach der Probst Sicfarius von
Saint-Remi, der kurz vor Hincmar dem Kloster vorstand und Gregors
Moralien abschreiben liefs, eine Schule baute: „Hiric claustro pollent studio
loca compotis apta" etc. Compotis als Gen. nach Traube, O Roma p. 373.
847 war Sigloardus presb. caput scholae S. Remensis ecclesiae, Marlot I,
390. Polyptyque de Tabb. de St. Remi ed. Guerard p. 57. — Geschichtlich
wichtig sind auch die Parteischriften : Narratio clericorum Remensium, gua-
liter Ebbo Rem. archiep. depositus, mox restitutus ac iterum dejectus est, bei
Duchesne II, 340. Bouquet VII, 277, und Apohgeticon Ebbonis, Bouquet
VII, 281. — Die Translatio S. Remigii, der 882 wegen der Normannen
nach Epernai, von da nach Orbais, 883 von Fulco zurückgebracht wurde
(Acta SS. Oct. I, 170) enthält fast nichts, was nicht auch bei Flodoard
steht. Die griech. Verse im cod. Laudun. 444 sind an Hincmar von Laon
gerichtet nach L. Traube, 0 Roma nob. p. 363.
Annalen von Saint-Vaast. 297
dem Uebergange der amtlichen Geschichtschreibung an die Baiern
die Jahrbücher von Fulda unabhängig aus freiem Antriebe weiter
fortgesetzt wurden, so stehen auch in Frankreich den Annalen Hinc-
mars die Jahrbücher von St. Vaast1) bei Arras zur Seite. Sie
reichen von 874 — 900; vielleicht ist aber was uns vorliegt nur ein
Bruchstück. Auf das Kloster des heiligen Vedast weisen mehrere
Stellen hin, aber die Absicht des Verfassers war, die Geschichte des
westfränkischen Reiches zu schreiben; die Darstellung ist ausführlich
und umfassend, und dabei frei von den Rücksichten, welche in den
Bertinianischen Annalen unverkennbar sind. Die Zwietracht im
Reiche und die Heimsuchungen durch die Normannen werden mit
lebhaften Farben geschildert. Wie in Deutschland die Xantener
Annalen, so blieben auch hier die Vedastiner fast unbekannt; in
Reims wufste man nichts von ihnen, als Richer seine Geschichte
schrieb, und wir haben ihre Erhaltung als einen besonderen Glücks-
fall zu betrachten. Aufserdem beschäftigte man sich hier angelegent-
lichst mit dem Schutzheiligen, dessen Wunder um 850 der Küster
und Schulvorsteher Hai min beschrieb, ein gefeierter Gelehrter,
welchem sein Schüler Milo das metrische Leben des h. Amandus
widmete. Bei der wachsenden Kriegsgefahr wurde der h. Yedast
852 feierlich erhoben und wieder wurde ein Buch über seine Wun-
der geschrieben. Die Normannen jedoch fürchteten sich nicht vor
ihm, 880 wurde er nach Beauvais geflüchtet, 893 heimgeführt, und
auch darüber von Ulmar eine Schrift verfafst; allerlei für die Zeit-
geschichte nicht unerhebliche Nachrichten hat daraus Holder-Egger
ausgehoben2).
Die Annalen kannte man im eigenen Kloster wohl, und mufs
auch eine grofse Fülle von historischem Material gehabt haben, denn
gegen das Ende des 11. Jahrhunderts ist hier eine grofse welt-
geschichtliche Compilation bis 899 aus vielerlei Quellen ohne viel
Geschick zusammengearbeitet, welche sich in einer jetzt in Douai
befindlichen Handschrift erhalten hat, aus der sie erst kürzlich be-
kannt geworden ist; jetzt hat den wesentlichen Inhalt mit Fortlassung
des Anfangs und der wörtlich entlehnten Stellen Waitz (SS. XIII,
2) Annales Vedastini ed. Pertz, MG. SS. I, 516 — 531, und nach Auf-
findung der Brüsseler Handschrift in verbessertem Abdruck IT, 196 — 209;
Facs. in Arndts Schriftt. 18. Vgl. Dümmler, de Arnulfo rege p. 176. Ueber-
setzt von Jasmund bei den Ann. Bert.
2) Monumenta Vedastina mi/tora, SS. XV, 396 — 405: 1. Ex Miraculorum
1. I. auct. Haimino. II. Ex libro II auct. Ulmaro aliisque (vgl. aber S. 1315).
III. Sermo de relatione S. Vedasti. IV. Ex Apparitione S. Vedasti auctore
Huberto presbytero, Haimin gewidmet.
298 IL Karolinger. § 20. Frankreich.
674 — 709) als Chronicon Vedastinum herausgegeben1). Aufser Hie-
ronymus, Orosius, Beda, Isidor, Nennius, Jordanis, Gregor von Tours
ist Fredegar mit seinen Fortsetzungen benutzt, und die Reichsannalen
mit den Bertin. und Vedast., welche fast ganz aufgenommen sind, so
dafs die Handschrift zur Verbesserung des Textes benutzt werden
kann. Von besonderer "Wichtigkeit ist die Benutzung der oben
S. 202 erwähnten Compilation bis 805, von der Waitz vermuthet,
dafs sie noch höher hinaufgereicht habe, da schon im 7. und 8. Jahr-
hundert gleiche Quelle mit den Ann. Mett. wahrzunehmen ist; doch
mufs für die Zeit Karl Martells die Vorlage eine Lücke gehabt haben.
Einige Stellen stimmen mit der Bisthumsgeschichte von Cambrai
überein, was für die Zeit der Abfassung entscheidend sein würde;
doch nennt er diese Quelle Gesta Remensium, und ganz sicher ist
die Benutzung nicht. Er giebt aber manchmal seinen Quellen falsche
Benennungen, weicht auch im Wortlaut ab, und hat allerlei Nach-
richten, deren Herkunft nicht festzustellen und deren Werth zweifel-
haft ist. Guiman von St. Vaast um 1170, Hermann von Tournai
und Andreas von Marchiennes haben das Werk benutzt; früher als
ins 11. Jahrhundert kann es nach der Beschaffenheit der allem
Anschein nach erhaltenen Originalhandschrift unmöglich gesetzt
werden.
Gehört nun diese Bearbeitung schon späterer Zeit an, so stammen
dagegen die oben S. 109 erwähnten Gesta Dagoberti aus dem Ende
des neunten Jahrhunderts, und um 900 war nach B. Krusch auch
schon die Bearbeitung vollendet, welche aus Gregor von Tours mit
der unter Fredegars Namen bekannten Sammlung und deren Fort-
setzern eine einigermafsen lesbare Frankengeschichte herstellte (S. 203).
Wir finden also auch in Frankreich eine nicht unbedeutende
Beschäftigung mit der Geschichte, und namentlich die annalistische
Form der gleichzeitigen Geschichtschreibung reich entwickelt, bis
sie durch den Verfall des Reiches erstickt wird2). Von Aufzeich-
*) S. 682, 32 1. campi suda; der angeführte Vers ist, wie ich von
Dümmler erfahren, Prudentii Psychom. 637. Die Ausgabe von Dehaisnes,
Les Annales de Saint-Bertin et de Saint-Vaast, suivis de fragments d'une
chronique inedite, 1871, war verfehlt, s. Monod, Revue crit. 1872, 1, S. 242
bis 254; G. Waitz, GGA. 1873, S. 1—9; W. Arndt, HZ. XXXI, 167—171.
Eine ältere Compilation bis zum 6. Jahr des Heraclius, welche hierin be-
nutzt scheint, beschreibt Mommsen NA. XVI, 430. — MG. SS. XIII, 710:
Ex Guimanni libro de possessionibus S. Vedasti ; p. 750: Catal. epp. Atreba-
tensium; p. 382: Series abbatum S. Vedasti, e cod. saec. IX. abweichend
von der sonst überlieferten Folge.
2) Von den unbedeutenderen kleinen Annalen, welche doch häufig
einzelne schätzbare Nachrichten enthalten, erwähne ich Ann. S. Quintini
I
Abbo von Saint- Germain. 299
nungen anderer Art ist nur noch die poetische Behandlung der Be-
lagerung der Stadt Paris durch die Normannen vom November 885
bis 886 und der weiteren Kämpfe bis 896 zu erwähnen, verfafst
von Abbo1), einem Mönche von St. Germain-des-Pres, zur Verherr-
lichung seines Heiligen; schätzbar durch ihren Inhalt, da der Dichter
diese Ereignisse selbst mit durchlebt hatte, aber kaum als Geschichts-
werk zu rechnen, in sehr gezierter und gesuchter, oft kaum ver-
ständlicher Sprache. Im allgemeinen überwog in Frankreich noch
mehr als in Deutschland die Richtung auf theologische und philo-
sophische Gelehrsamkeit; die kirchlichen Fragen beschäftigten die
Geister im höchsten Grade und die wissenschaftliche Thätigkeit,
V eromandenses ed. Bethmann SS. XVI, 507, von 793 — 994 meist gleich-
zeitig, aber dürftig; Engölismenses ed. Pertz SS. XVI, 485, von 815 — 870
und noch dürftiger fortgesetzt 886 — 930. 940 — 991 (daraus mit einigen
Zusätzen Ckroii. Aguitanicum SS. II, 252, und Ann. Engölismenses SS. IV, 5);
Lugdunenses I, 110 von 769 — 841 (Catal. archiepp. Luqd. s. IX. s. NA. VIII,
624); Masciacenses SS. III, 169 von 732— 82 t und fortgesetzt 832—1013,
von Massai im Berry; Verse auf dieses Kloster unter dem Abt Odo (935
bis 967) verfafst, bei Senebier, Catal. des Manuscrits de Geneve p. 130;
H. Hagen, Carm. med. aevi, p. 112; Ann. Floriacenses II, 254 von 864 bis
1060; Nivernenses a. 509—1188, SS. XIII, 88—91; S. Victoris Massilienses
(darin Barcinonenses) 538—1542, SS. XXIII, 1—7; vgl. Arnold S. 61; Kritik
cL, Ausgabe, u. Ausgabe v. Albanes, Melanges d'Arch. et d'hist. VI. de
l'Ecole fran^. de Rome. Dazu Todtenklage um den 1017 gest. Grafen
Raimönd von Barcelona, NA. III, 407. Zwischen 1330 und 1338, angeblich
nach einer verlorenen Chronik über und aus Karls des Kahlen Zeit ver-
fafst, in der That aber ganz fabelhaft, begründet auf ein zur Bewirkung
der Canonisation spät verfafstes Leben ist: Le roman en vers de tres ex-
cellant, puissant et noble homrae Girard de Rossillon, jadis duc de Bour-
gogne, publie par Mignard, ä Paris 1858; vgl. Revue hist. VIII, 216; Paul
Meyer : La Legende de Girart de R. in d. Zts. Romania, 1879. Uebers.
mit Einl. von dems. 1884. A. Stimming: Ueber d. provenz. G. de R. 1888.
x) Abbonis de bellis Parisiacae urbis libri III ed. Pertz, MG. SS. II, 776
bis 805. Sep. Abdr. 1871. Vgl. E. A. Freemann's Essay: The early sieges
of Paris. Dümmler, NA. IV, 556. Das dritte Buch, hinzugefügt, um der
heiligen Dreizahl zu genügen, ist nur allegorisch gramm. Inhalts und be-
steht fast ganz aus seltenen, schwer verständlichen Worten. Doch ist es
mit Glossen für den Unterricht versehen u. auch abgesondert abgeschrieben,
gedr. in Mangearts Catal. de Valenc. S. 656 — 659. Abbo's Klosterbruder
Aimoin giebt in seinen zwei Büchern de S. Germani miraculis ebenfalls
Nachrichten über frühere Verheerungen der Normannen; s. über seine
Schriften Baehr S. 243: Ebert II, 352, NA. IV, 543. Vgl. NA. XII, 447,
über eine K. Odo gewidmete poet. Bearbeitung. Die von Aimoin aufge-
nommene Translatio S. Germani a. 845 Anal. BoJl. II, 69—98, MG. SS. XV,
10—16. Translatio S. Mederici (Mab. III, 1, 14. Acta SS. Aug. II, 524)
in Paris 884 durch Bischof Gauslin, Abt von St. Germain und St. Denis,
enthält sonst keine Nachrichten. Translatio S. Bertae (Mab. III, 1, 454.
Acta SS, Jul. II, 54) von Blangi bei Amiens 895 nach Erstein im Elsafs,
um sie vor den Normannen zu retten, gedenkt einer Synode zu Tribur,
wo die Aebtissin Rotrudis von Erstein anwesend war. Auszug Ex Mira-
culis et transl. S. B. ed. L. de Heinemann, SS. XV, 564.
300 II- Karolinger. § 20. Frankreich.
welche Karl der Kahle bei aller Schwäche seiner Regierung lebhaft
begünstigte1), kam der Geschichte wenig zu Gute. Denn die Ueber-
arbeitung oder auch neue Aufzeichnung älterer Heiligenleben, welche
auch hier vielfach vorkommt, hatte mehr einen liturgischen oder doch
erbaulichen Zweck; die Form ist die Hauptsache dabei und von ernst-
licher geschichtlicher Forschung nicht die Rede.
In C hell es liefs die Aebtissin Hegilwich, die Mutter der Kaiserin
Judith, 833 den Leib der Königin Baltechildis erheben, worüber
bald nach 856 berichtet wurde2). Etwas später finden sich hin und
wieder Nachrichten über die Unthaten der Normannen in den Samm-
lungen von Wundergeschichten und den Berichten über die Irrfahrten
der vor den gottlosen Feinden geflüchteten Reliquien. So in des Abts
Odo von Glanfeuil Geschichte der Uebertragung des h. Maurus
von Saint-Maur-sur-Loire nach Saint-Maur-des-Fosses bei Paris3) 868,
welche wohl etwas, doch nicht viel mehr Glauben verdienen mag,
als desselben Odo angeblich nach einem gleichzeitigen Werk des
Faustus erneuertes Leben des h. Maurus4), und mit besonderer Leb-
1) Graf Vi vi an Laienabt von St. Martin und Marin outiers, widmete ihm
die herrliche Metzer Bibel Lat. 1. mit den Versen bei Traube, Poet.Lat. III,
243. Versus Johannis Sapientissimi (A. Mai, Auetores Class. V, 426 — 450,
wiederholt hinter Joh. Scotus de divisione naturae ed. Schlüter, Monast.
1838 S. 593 — 610 und Migne CXXXII ed. Flofs p. 1221—1240 ex. cod.
Vat. Chr. 1587) voll Verherrlichung Karls und der Irmintrud von einem
Iren, wahrscheinlich dem bekannten Philosophen; vgl. NA. IV, 531, Ebertll,
257 — 267. (Bei Flofs S. 1194 die Spottverse auf Rom: Nobilibus quondam
etc. auch Murat. Antt. II, 147. Bedae Opp. ed. Col. I, 449. Jaffe
Bibl. V, 457 im Cod. Udalrici, cit. schon in der Invectiva, Dümml. Gesta
Bereng. p. 138). Joseph, in Tours unter Erzbischof Amalrich (von vor
849—855), der früher Vorstand der Schule gewesen war, gebildet mit Paul,
849 — 855 Erzbischof von Rouen, war 847 und 848 Kanzler Pippins II von
Aquitanien, dann „inelyti regis Ludowici (des Stammlers) liberalium litte-
rarum praeeeptor atque ejusdem sacri palatii cancellariorum ministerio
funetus". Er schrieb auf Bitten jenes Paul Translatio S. Ragnoberti, der
847 von Bayeux mit Frechulfs Rath nach St. Victor d. Lexov. und dann
in die neugebaute Kirche in Suiacum, vermuthlich Notre-Dame-d'Epines,
gebracht wurde, wo Frechulf den Hauptaltar weihte; gedr. bei d'Achery
Spicil. XII, 600—621. II, 127 bis 133 ed. IL Acta SS. Mai III, 620-624.
Er erwähnt den Tod beider Erzbischöfe gleich nach Beginn seiner Arbeit.
Vermuthlich schrieb er auch die betrüglich dem Lupus untergeschobene
Vita S. Ragnoberti, ein Plagiat der Vita S. Reverentii; ed. Jules Lair, Bibl.
de l'Ecole des Chartes V, 3, 89—124.
2) Ex translatione S. Baltechildis, ed. Holder-Egger , SS. XV, 284.
3) Translatio S. Mauri. Mab. IV, 2, 165 — 183. Ex Odonis miraculis
S. Mauri sive restauratione mon. Glannafoliensis, SS. XV, 461 — 472. Vgl.
Ebert II, 351.
4) Schon von Papebroch aufgegeben, doch noch häufig benutzt: s. P.
Roth, Gesch. des Beneficialwesens. S. 438; Bonnell, Die Anfänge, S. 200.
Zeumer, NA. XI, 316.
Saint-Riquier. Heirich. 301
haftigkeit und Anschaulichkeit in den Wundergeschichten vom heil.
Bertinus1).
Hierher gehören auch die schon oben S. 164 erwähnten Auf-
zeichnungen aus dem Kloster Saint- Riquier oder Centulum. Aus
diesem aber hat sich auch noch eine nicht unwichtige Sammlung
von Gedichten erhalten, mit welchen ja die Mönche des neunten
Jahrhunderts sich überaus gerne beschäftigten; sie beziehen sich
grofsentheils auf Aebte des Klosters, welche, ohne Ausnahme Laien-
äbte, der kaiserlichen Familie angehörten, und dienen zur Berichti-
gung der chronologischen Angaben Hariulfs. Die Hauptmasse rührt
von dem Diaconus Mico her und umfafst die Jahre 825 — 853; er
wirkte als Lehrer und hat auch eine Zusammenstellung von Versen
älterer Dichter zu prosodischen Zwecken auf überlieferter Grundlage
verfafst. Verbunden sind damit Gedichte des Spittlers Fr edi-
gar du s aus den Jahren 861 — 871 und vermuthlich auch seines
Zeitgenossen, des Custos Odulfus, welchem Traube einen von
Hariulf in seine Chronik (III, 11, 12, 14) aufgenommenen Bericht
über die von ihm gesammelten Reliquien zuschreibt. Nachdem
einzelne dieser Gedichte an verschiedenen Orten veröffentlicht waren,
die ganze Sammlung vor 50 Jahren von Bethmann abgeschrieben,
ist sie jetzt von L. Traube vollständig herausgegeben und scharf-
sinnig erläutert2).
Zu den berühmtesten Gelehrten dieser Zeit gehörte Heirich
aus Auxerre, 841 geboren und seit 850 zum Diener des heiligen
Germanus geschoren; 859 wurde er zum Subdiaconus geweiht, und
hat dann, nach der Sitte der lernbegierigen jungen Mönche jener
Zeit, verschiedene Lehrer aufgesucht, namentlich auch Schotten-
mönche, nach Traubes wahrscheinlicher Vermuthung in Laon. Eine
alte Aufzeichnung nennt ihn einen Schüler des Schotten Elias,
Bischofs von Angouleme (f 860) und als seine Schüler wieder
Remigius, der die Reimser Schule herstellte3), und Hucbald den
Kahlkopf von St. Amand4). Er selbst nennt Lupus, den Abt von
J) Miracula S. Bertini bis 891 , mit späteren Fortsetzungen, MG. SS.
XV, 507 — 534, von Holder-Egger. Daselbst auch Ex miraculis S. Martialis,
S. 280—283.
2) Carmina Centulensia, Poet. Lat. III, 265 — 368.
3) Ueber ihn s. Huemer, Wiener SB. XCVI, 505—551.
4) Bethmann, Archiv X, 333; ohne Kenntnifs dieses Abdrucks wieder-
holt von Lucian Müller im Rhein. Mus. NF. XXII, 635. Quelle des Ade-
marusCaban.III, 5. Der Codex stammt von einem Mönch S. Martialis Lemo-
vicensis, wo Ademar studiert hat, Arch. VIII, 575. Waitz, SS. IV, 110,
n. 44, unterscheidet den hier genannten Ademar; Dümmler, Litt.Centralbl.
1878. Sp. 940, hält beide für identisch.
302 II. Karolinger. § 20. Frankreich.
Ferneres, und Haimo, veramthlich in Auxerre, seine Lehrer, in den
Versen, mit welchen er dem Bischof Hildebold von Soissons die
Collectaneen überreichte, die er jenen verdankte, Auszüge aus Yalerius
Maximus und anderen Schriftstellern x). Sogar den unsauberen Pe-
tronius hat er studiert, und Verse von ihm zum Preise des heiligen
Germanus benutzt2). Denn dessen Legende in Verse zu bringen,
das war die grofse Aufgabe, welche ihm der jugendliche und früh
(865) verstorbene Abt Lothar, Karls des Kahlen Sohn, gestellt hatte,
als er eben der Schule entwachsen war. In langer Arbeit hat er
das Werk vollführt, und dem Kaiser Karl (also zwischen 875 und
877) mit vielen Lobsprüchen überreicht; hinzugefügt sind zwei
Bücher in Prosa über die Wunder des heiligen Germanus, welche
auch geschichtlich brauchbare Angaben enthalten3). Später war er
selbst ein gefeierter Lehrer, und hat nach einer Vermuthung von
Traube, der ihn für den Verfasser des bisher dem Helpericus zuge-
schriebenen Computus hält, eine Zeit lang mit schlechtem Erfolg in
Granfelden gelehrt. Seine ungewöhnliche Gelehrsamkeit hat Heirich
auch durch seine in tironischen Noten geschriebenen Bemerkungen
zu astronomisch-chronologischen Schriften von Beda und anderen
bewiesen, während die kurzen Annalen von 826 — 875 in derselben
Handschrift wenig Sinn für geschichtliche Aufzeichnungen verrathen4).
Doch hat Heirich sich auch an der Geschichte der Bischöfe von
Auxerre betheiligt, die er in Gemeinschaft mit den Domherren Raino-
gala und Alagus verfafste, ein Werk, das als einer der frühesten
Versuche der Art Beachtung verdient, übrigens aber für die ältere
Zeit unzuverlässig, für die näher liegende dürftig ist5).
Eine zweite Bisthumsgeschichte haben wir aus Le Maus, wo
832 — 856 Aldrich Bischof war, von vornehmer Herkunft aus Sachsen,
*) Mab. Anal. p. 422. Commentar zu Mart. Capella, Bandini II, 538,
soll von Remigius sein. Vgl. über Heirichs Gelehrsamkeit auch Prantl,
Gesch. d. Logik II, 41 — 44, vorzüglich aber L. Traube in der Einleitung
zur Ausgabe seiner Gedichte, Poet. Lat. III, p. 421 ff.
2) Petronius ed. Buecheler, p. XI.
3) Labbe, Bibl. I, 531—569. Acta SS. Jul. VII, 221, die Wunder
S. 255 — 283. Daraus Dum, Bibl. hist. de l'Yonne II (1863) S. 1—248.
Ex Heirici Miraculis S. Germani, MG. SS. XIII, 401. Vgl. Dümmler, NA.
IV, 529.
4) Sickel, Lettre sur un Manuscrit de Melk, Bibl. de l'Ecole des chartes,
5 Serie, Tome III, p. 35. MG. SS. XIII, 80.
5) Gesta episcoporum Antisiodorensium fortgesetzt bis 1593, bei Labbe,
Bibl. I, 411 — 526, neue Ausgabe von Dum, Bibl. hist. de l'Yonne, I,
Auxerre 1850. Excerpte MG. SS. XIII, 393; Forts. XXVI, 584. Vgl. P.
Roth, Beneficialwesen S. 444 — 450. Für ihren Werth als gleichzeitige
Quelle im 10. Jahrh. Wold. Lippert, König Rudolf v. Frankr. (Leipzig
1886) S. 123.
Bisthumsgeschichten. 303
wodurch es sich erklärt, dafs er seinen Vorgänger, den h. Liborius,
nach Paderborn abliefs. In der Hofschule und im Metzer Clerus
hatte er seine gelehrte Bildung erhalten, und sein Wirken in Le
Maus, zu dessen Bischof Ludwig der Fromme ihn erhoben hatte,
wird sehr gerühmt, sowohl in Prosa, wie in Versen, die ein eifriger
Verehrer mit fleifsiger Benutzung älterer Dichter leidlich correct,
wenn auch nicht fehlerfrei, ihm zu Ehren verfafste 1). Beide schrieben
bei seinen Lebzeiten und überschreiten nicht das Jahr 841. Ver-
bunden ist mit der Biographie die Geschichte seiner Vorgänger; leider
steht dieses Werk einzig in seiner Art da durch die erstaunliche
Fülle gefälschter Urkunden, welche es enthält. Vorzüglich gilt es
dem Besitz der Abtei Anisola oder Saint-Calais, welcher mit diesen
Mitteln erstrebt wurde; dann aber auch der Sicherung Aldrichs,
welcher eine Zeit lang entsetzt war, gegen weitere Anfechtung. Aus
diesen Verhältnissen ist nach einer besonders von B. Simson ver-
fochtenen Ansicht die pseudo-isidorische Fälschung hervorgegangen,
und Aldrich der Betheiligung an dieser horrenden Fälscherei mehr
als verdächtig2) .
§ 21. Italien.
W. Giesebrecht, De litterarum studiis apud Italos, 1845, 4. Kaisergesch. I, 343—361.
817. Ozanam, Des ecoles en Italie aux temps baibares, Oeuvres compl. II, 353.
Balzani, S. 190-221.
In auffallendem Gegensatze gegen die beiden fränkischen Reiche
steht Italien. Hier war die Geistlichkeit unberührt von der Boni-
fazischen Reform; ihr fehlte der wissenschaftliche Sinn, welcher vor-
nehmlich von den Angelsachsen ausgehend, die fränkische Kirche
durchdrungen hatte, und an den theologischen Fragen, die dort im
neunten Jahrhundert so eifrig erörtert wurden, nimmt sie keinen
Antheil. Eben so wenig übt der königliche Hof hier eine bedeutende
Einwirkung, und niemand machte auch nur den Versuch, die Reichs-
gescbichte in zusammenhängender Darstellung für die Nachwelt auf-
zuzeichnen. Weit bedeutender tritt der römische Hof hervor, wo
die amtlichen Aufzeichnungen über die Thätigkeit der einzelnen
Päbste, deren wir schon früher gedachten, immer fortgesetzt3), und
J) Zuerst von D. Piolin in d. Gesch. des Bisthums, II, 535—546,
herausgegeben, dann von Dümmler, Poet. Lat. II, 623 — 636.
2) Acta episcoporuni Ce/iomanensium; s. darüber P. Roth, Gesch. des
Beneficialwesens, S. 451— 461; Sickel, Acta Karol. II, 286—290. Ausg.
der Gesta Aldrici, auszugsweise von Waitz. SS. XV, 304 — 327: vollst, von
Charles und Froger, Mamers 1890. B. Simsons letzte Aeusserung HZ.
LXVIII, 193-210.
3) Oben S. 59. [aber pontificalis oder Gesta pontificum Romanoruin bis
304 EL Karolinger. § 21. Italien.
gerade in diesem Jahrhundert ausführlicher und reicher wurden, so
dafs sie sich mit den Reichsannalen vergleichen lassen. In Bezug"
auf die Darstellung und historische Kunst stehen sie aber weit da-
gegen zurück; es scheint den Verfassern ein solches Bestreben ganz
fern gelegen zu haben. Doch finden wir auch hier in der zweiten
Hälfte des neunten Jahrhunderts eine nicht unbedeutende wissen-
schaftliche Thätigkeit, einen Kreis von gelehrten Geistlichen, wie er
uns lange nicht wieder begegnet. Der Bibliothekar Anastasius1),
dem man früher die ganze Sammlung der Pabstleben zuschrieb, ein
gelehrter Mann, der verschiedene Werke aus dem Griechischen über-
setzt hat, ist vielleicht der Verfasser des Lebens Nikolaus I, jenes
gewaltigen Pabstes, der den schwachen Karolingern gegenüber die
Weltherrschaft des römischen Stuhles schon dem Ziele nahe führte.
Auf den Wunsch eines Diaconus Johannes, der eine Kirchen-
geschichte schreiben wollte, stellte er nach dem Vorgang des Cassiodor,
den er jedoch nicht nennt, aus griechischen Quellen eine neue
Historia tripartita zusammen2). Dieser Johannes ist vermuthlich der-
selbe, welcher auf Befehl Johannes VIII mit Benutzung der schon
früher gemachten Auszüge aus dem Registrum die Vita Gregorii
Magni verfafste. Die von ihm begonnenen Gesta S. Clementis voll-
endete Bischof Gauderich von Velletri3).
auf Hadrian II (867 — 872), nebst einer unvollständigen Vita Stephani V
(885 — 891) ed. Bianchini, Romae 1718, 4 Voll. fol. Vignolius, Romae
1724, 3 Voll. 4. unvollendet. Murat, SS. III nach BiaDchini: vgl. Baelir
S. 261—271. Nach Schürer, Hist. Jahrb. XI, 425 ff. ist die V. Stephani II
von dem Primicerius Christophorus verfafst, welcher den Pabst als Notarius
regionarius auf seiner Reise in Frankreich begleitet hat. Nach Kr. in der
Rec. von Mock de donatione Caroli Magni (Centralbl. 1862 Sp. 76) ist die
V. Hadriani I (772—795) erst 20—30 Jahre nach dessen Tod abgefafst
und scheint von demselben Vf. wie die V. Leonis III (795 — 816); nach
F. 0. Krosta de donationibus a Pippino et Carolo Magno sedi apostolicae
factis, Königb. Diss. 1862 S. 46 erst nach 829. Vermuthungen über Inter-
polation der V. Hadr. (c. 41—43) s. NA. VII, 228. X, 201. XIII, 236.
Scheffer-Boichhorst hält die Vita für gleichzeitig, aber die Grenzbestimmung
„id est a Lunis-Beneventanum" für Interpolation ; zustimmend Diekamp, Hist.
Jahrb. VI, 637. Stücke der verlorenen V. Eugenii II (824—827) vielleicht in
Pauli D. Cont. Romana ed. Waitz 200—203, vgl. B. Simson, Ludwig d. Fr. I,
230, Waitz S. 200 über die in d. Cont. benutzten, aus Lauresh. u. Lauriss.
gemischten Annalen, ähnlich denen im cod. Christ. 213. Die von Wido
von Osnabrück im Cod. Udalr. (Bibl. V, 340) erwähnte Scriptum de
querimonia Romanorum über Ludwigs II Gewaltthaten 864 scheint verloren
zu sein.
J) Ueber ihn vgl. Hergenröther, Photius II, 230—240.
2) Ueber sein Verhältnifs zu Theophanes Car. De Boor, Theophanis
Chronologia II, 400.
3) Mab. Mus. Ital. I, 2, 78. Acta SS. Mart. II, p. *15. Vorrede und
Varianten im Floril. Bibl. Casin. IV, p. 373—390, e cod. Casin. 234.
Studien am römischen Hof. 305
Vorzüglich besafs man am römischen Hofe, wo man sich nie
durch ideale Bestrebungen von den praktischen Zwecken ablenken
liefs, eine aufserordentliche Sicherheit in der Behandlung der kirchlich-
politischen Angelegenheiten, und der Geschäftsstil der Curie gewann
eine ungemeine Ausbildung und Festigkeit. Die Briefe der Päbste
geben davon Zeugnifs, und die erhaltenen gröfseren Sammlungen
aus den Zeiten Nikolaus I und Johannes VIII sind in ihrer Art
wahrhaft bewunderungswürdig. Davon erhielt sich auch später bei
zunehmender Barbarei die Tradition, obgleich mit dem Ende des
neunten Jahrhunderts die Einwirkung des päbstlichen Hofes auf die
Kirche diesseit der Alpen fast ganz verschwand, und wie hier die
Annalen, so verstummten auch in Rom die Pabstleben mit dem
Jahre 891.
In der nächstfolgenden Zeit veranlafsten noch die Streitigkeiten
über die Besetzung des päbstlichen Stuhles und die Geschicke des
Pabstes Formosus, vornehmlich über die Gültigkeit der von ihm er-
theilten Weihen, die höchst merkwürdigen Streitschriften des Auxi-
lius und Vulgarius. Sie berühren eine der dunkelsten Seiten der
Pabstgeschichte, die unheilbarsten Widersprüche infallibler Kirchen-
fürsten1). Auxilius war ein von Formosus geweihter fränkischer
Priester, der in Neapel lebte, vielleicht als Mönch in Montecassino
gestorben ist. Freimüthig und mit tüchtiger gelehrter Bildung aus-
gerüstet, vertheidigte er ca. 908 — 912 Formosus und die von ihm
geweihten Priester in verschiedenen Schriften. Eugen ius Vulga-
rius hat in demselben Sinn geschrieben, später aber Sergius III,
der Theodora u. a. kriechend geschmeichelt, endlich in der Invectiva
in Bomam (wenn sie von ihm ist) unter Johann X (914 — 928) noch
einmal für Formosus geeifert. Er war ein italienischer Grammatiker,
der wahrscheinlich auch in Neapel lebte; sein Latein und vorzüglich
seine Verse sind unerträglich gesucht und verkünstelt.
Nach diesen letzten Regungen versinkt nun hier, während die
Factionen der römischen Grofsen über den Stuhl Petri streiten, alles
*) Volles Licht ist über diese schmählichen Vorgänge und die be-
treffende Litteratur verbreitet durch die ausgezeichnete Schrift: Auxilius
und Vulgarius. Quellen und Forschungen zur Geschichte des Pabstthums
im Anfange des 10. Jahrhunderts, von E. Dümmler, Leipz. 1866, wo auch
aus der Bamberger Handschrift ungedruckte Schriften von beiden mitge-
theilt sind. Die Invectiva in Romain giebt Dümmler zu den Gesta Beren-
garii S. 137 — 154, vgl. 66 — 72, in neuer Ausgabe nach der Veroneser Hand-
schrift. Ausbeutung der Tragödien des Seneca weist dem Vulg. R. Peiper
nach, Rhein. Mus. f. Philol. N. F. XXXII, 536.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 20
306 Hi Karolinger. § 21. Italien.
in Schweigen, und für lange Zeit geht keine Erscheinung der Litteratur
von Rom aus1).
Nicht auf den Vorrang in wissenschaftlicher Ausbildung begrün-
dete man in Rom den Anspruch auf Beherrschung der Kirche; die
grammatischen Studien betrachtete man hier wegen ihrer heidnischen
Antecedentien und der Beschäftigung mit den heidnischen Schrift-
stellern stets mit Abneigung, und völlig bewufst verachtete man die
feinere litterarische Bildung. Es giebt nichts charakteristischeres
dafür, als die Worte des päbstlichen Legaten Leo, mit denen er
bald nach 991 der gallischen Kirche entgegentrat. Diese hatte durch
Gerbert ausgesprochen, es sei in Rom niemand, der eine litterarische
Bildung empfangen habe, und folglich auch niemand, der nach den
kanonischen Vorschriften auch nur die "Weihe zum Thürhüter erhalten
dürfe. Leo erklärt das kurzweg für Ketzerei; auch Petrus habe sich
um das Vieh von Philosophen nicht bekümmert und sei doch Pförtner
des Himmels geworden2).
Die blühendsten Klöster Italiens erlagen alle gegen das Ende
des neunten Jahrhunderts den Sarazenen oder verkamen durch die
inneren Kriege und die allgemeine Unsicherheit und Verwilderung;
bis dahin finden wir auch in ihnen einige Pflege der Wissenschaft,
welche sich jedoch mit der litterarischen Bedeutung der transalpi-
nischen Klöster nicht vergleichen läfst. Von einem angeblich im
Mutterkloster Montecassino zur Zeit des Fürsten Sico (ca. 830 — 833)
verfafsten Bericht über die Translation der hh. Benedict und Scho-
lastica nach Frankreich3) hat 0. Holder-Egger nachgewiesen, dafs er
eine Fälschung des Ps. Anastasius ist4).
In der Folgezeit wurden hier Nachrichten über die Geschichte
*) Die Fortdauer einer Rechtsschule in Rom behauptet Fitting: Zur
Geschichte der Rechtswissenschaft am Anfang des Mittelalters, Halle 1875;
Juristische Schriften des früheren Mittelalters, Halle 1876.
2) „Et quia vicarii Petri et ejus discipuli nolunt habere magistrum
Platonem neque Virgilium neque Terentium neque ceteros pecudes philo-
sophorum, qui volando süperbe ut avis aerem et emergentes in profundum
ut pisces mare, et ut pecora gradientes terram descripserunt: dicitis eos
nee hostiarios debere esse, quia tali carmine imbuti non sunt. Pro qua
re sciatis eos esse mentitos, qui talia dixerunt. Nam Petrus non novit
talia, et hostiarius coeli effectus est." MG. SS. III, 687. Vgl. Baxmann,
Politik der Päbste II, 144. Aehnlich schreibt Alexanders VIII Secr. Ser-
gardi 1690 an Mabillon: „Pauci sunt, qui in hac aula operam dent inuti-
libus, ut ajunt, studiis. Nostrorum ingeniorum occupatio forum est clien-
tumque defensio, quique ab infelici pupillo plus auri corrodit, litteratior
habetur." Valery, Correspondance inedite de Mabillon et de Montfaucon
avec Tltalie (Paris 1847) II, 240.
3) Translatio S. Benedict^ Anal. Bolland. I, 75 — 84.
4) NA. XII, 129-141.
Monte Cassino. Neapel. 307
des Klosters und der Fürsten von Benevent aufgezeichnet1), welche
bis 872 und in den Regententafeln auch weiter reichen, gesammelt
vom Abt Johannes (914 — 934) und deshalb auch von Leo nach
ihm benannt. Die Nachrichten sind materiell für uns sehr wichtig,
aber die Form ist in hohem Grade roh und mangelhaft2). Im Jahre
883 wurde, wie schon früher St. Vincenz am Yolturno, so auch
Montecassino von den Sarazenen verwüstet, und die Cassinesen
flüchteten nach Capua; hier schrieb Erchempert eine Geschichte
der langobardischen Fürsten von Benevent seit Arichis3), an das
Werk des Paulus Diaconus und dessen Cassineser Fortsetzung4) an-
knüpfend, bis zum Jahre 889. Die weitere Fortsetzung ist verloren.
In schlichter und zuverlässiger Erzählung berichtet er von den
Schicksalen dieser Lande, von den Kriegen, durch welche sie ver-
heert wurden, und den Verwüstungen der Sarazenen; sein eigenes
Urtheil über die Anstifter des Uebels hält er nicht zurück, sondern
spricht es häufig mit biblischen Worten aus. Die feinere karolin-
gische Bildung ist ihm fremd, aber seine Sprache ist doch reiner,
als wir sie sonst bei den Italienern dieser Zeit zu finden gewohnt
sind, und sein Werk zeichnet sich daher sehr vortheilhaft aus. Der
Salernitaner Chronist, Johann von St. Yincenz, und Leo von Ostia
haben ihn gekannt und benutzt.
In Neapel versuchten sich verschiedene Verfasser an einer
Bisthumsgeschichte. Von einem wohlbelesenen Geistlichen, der noch
dem achten Jahrhundert zugerechnet werden kann — sein Werk ist
noch in Uncialschrift abgeschrieben — , wurden die dürftigen Notizen
des alten Cataloges durch Auszüge aus den römischen Pabstleben,
Paulus Diaconus u. a. angeschwellt; bis 754 ist die Arbeit erhalten,
dann fehlt ein Blatt, und es schliefst sich von 762 beginnend die
Fortsetzung des Johannes Diaconus bis 872 an, wrelcher aus Tra-
1) Nach Traube, 0. Roma nob. S. 360 im J. 867 verfafst.
2) Nach früheren mangelhaften und zerstückten Ausgaben SS. III. u.
sonst, als Chronica Sancti Benedicti Casinensis bei Waitz, SS. Rer. Langob.
et Ital. p. 467 — 488. Beschreibung der Hs. 353, jetzt 175, Bibl. Casin.
IV, 17 — 31, u. v. Bethmann, Arch. X, 389 ff., wo auch von den übrigen
Geschichtsquellen des langobardischen Italiens aus dieser Zeit Nachricht
gegeben ist, die sich jetzt bei Waitz gesammelt finden.
3) Hystoriola Langobardorum Beneventum degentium ed. Pertz, MG. SS.
III, 240 — 264. Vgl. Bethmann S. 374. Als Erchemperti historia Langobar-
dorum Beneventanorum bei Waitz, S. 231 — 264, wo die Sprache nach der
ursprünglichen Lesart der überarbeiteten Haudschrift fehlerhafter erscheint.
Er war vermuthlich der Vf. des S. 61 erwähnten Martyrol. u. eines com-
putus von 904 (Arch. VIII, 768).
4) SS. Langob. p. 198; sie ist meist den Gestis Pontificum entnommen
und von Leo Ost. und im Chron. Vulturn. benutzt.
20*
308 H- Karolinger. § 21. Italien.
dition und eigener Kenntnifs schöpfte; seine Darstellung ist lebhaft
und wahrhaftig, nicht ohne Frehnuth. Yon der weiteren Fortsetzung
des Subdiaconus Petrus ist nur ein kleines Fragment erhalten, die
einzige Handschrift auch vorher lückenhaft1). Von dem letzten
Bischof Athanasius (850 — 872) ist auch eine ausführlichere Biographie2)
vorhanden, mit welcher die in unbestimmter Zeit geschehene Trans-
lation verbunden ist, etwa im X. Jahrhundert geschrieben; was in
den Gesten und bei Erchempert zu lesen ist, wird hier rhetorisch
ausgeschmückt, zugleich aber doch einige neue Umstände mitgetheilt.
Jener Johannes Diaconus aber verfafste auch eine Geschichte
der Uebertragung des h. Severin im Jahre 902 von dem Castrum
Lucullanum, welches aus Furcht vor den Sarazenen zerstört war,
nach dem neuen Kloster in Neapel3), eine Schrift, welche werthvoll
ist durch ausführliche Nachrichten über den furchtbaren Angriff des
Emir Ibrahim, welcher Taormina zerstörte, wobei der Bischof Procop
den Märtyrertod erlitt; durch Ibrahims plötzlichen Tod wurde von
Neapel die drohende Gefahr abgewandt. Nach demselben Kloster
wurde auch aus dem von den Sarazenen zerstörten Misenum im
Jahre 910 der h. Sossius gebracht, wobei Johannes zugegen war,
und er berichtet darüber in seiner Schrift über das Leben des h.
Januarius4).
Der Petrus subdiaconus, von welchem nur der Anfang
einer Fortsetzung der Gesta noch vorhanden ist, war bei der Ueber-
tragung des Sossius 910 zugegen, und erwähnt in den Wundern des
h. Agrippinus den Angriff der Sarazenen auf Neapel vom Jahre
9605). Auch verfafste er noch andere Wundergeschichten. Sehr
merkwürdig ist der wissenschaftliche Eifer des Herzogs Johannes
(928 ff.), von dem der Archipresbyter Leo im Vorwort zu seiner
Vita Alexandri Magni berichtet6).
*) Gesta epp. Neap. Waitz, SS. Langob. p. 398 — 439. Capasso, Monu-
menta ad Neapolitani ducatus historiam pertinentia, 1881.
2) Vita et Translatio Athanasii ep. Neap. Waitz, SS. Langob. p. 439 bis
452. Ed. Gu. Cuper, Acta SS. Jul. IV, 77—89.
3) Translatio S. Severini, ib. p. 452 — 459.
4) Nur diese Translatio S. Sosii abgedr. bei Waitz, p. 459 — 463. Im
Text heisst er Sossius.
5) Ex Miraculis S. Agrippini, Waitz p. 463. Eine Anzahl anderer dort
und bei Capasso gesammelter kleinerer Stücke zur Geschichte von Unter-
italien übergehe ich hier, ohne sie einzeln aufzuführen. — Zu unterscheiden
ist ein^anderer Petrus subdiac. Neap., welcher für den Bischof Petrus von
Neapel (1094) u. dessen Nachf. Gregor (1116) Legenden aus dem Griechi-
schen übersetzte und bearbeitete, s. De Rossi zur Passio SS. IV Coro-
natorum.
6) Arch. IX, 692. Die Vita selbst hat Landgraf herausgegeben, Er-
Agnellus. Farfa. Andreas von Bergamo. 309
Auch in Ravenna verfafste gegen die Mitte des neunten Jahr-
hunderts Agnellus eine Bisthumsgeschichte1), in welcher schwülsti-
ger Bombast mit treuherzig einfältiger Erzählung abwechselt; die
Sprache ist voll von Soloecismen. Der Inhalt liegt der deutschen
Geschichte fern, doch sind über Kaiser Karl und seine Nachfolger,
besonders über die Schlacht bei Fontenoy, einige merkwürdige und
wichtige Stellen darin. Den römischen Päbsten gegenüber äufsert
Agnellus sich sehr freimüthig, was vielleicht Anlafs gegeben hat, die
Chronik schon frühzeitig zu verstümmeln. Agnellus war um 805
aus vornehmer und reicher Familie geboren, und erhielt schon mit
11 Jahren eine Abtei; für die frühere Zeit benutzte er, aufser vielen
Inschriften, Gefäfsen und anderen Denkmälern, die er sorgfältig be-
schreibt, der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus und den
Consularfasten auch die oben S. 57 erwähnte Chronik des Maximian,
welcher 498 geboren, durch Justinian 546 Bischof von Ravenna ge-
worden war, und eine Chronik bis auf seine Zeit schrieb.
Im mittleren Italien war im Anfange des neunten Jahrhunderts
das Kloster Farfa in blühendem Zustande, bis auch hier die Sa-
razenen alles wüste legten. Von Franken gestiftet, hatte es auch
immer fränkische Aebte. Die Geschichte der Gründung des Stiftes
und seiner Aebte bis zum Jahre 857 glaubte Bethmann gefunden
zu haben2), doch ist neuerdings von I. Giorgi nachgewiesen, dafs
diese einem Lectionarium entnommenen Stücke wohl aus derselben
herstammen, unmöglich aber das ursprüngliche Werk selbst sein
können, über dessen sprachliche Beschaffenheit wir deshalb nicht
unterrichtet sind.
Ganz aufs erordentlich barbarisch dagegen und an die Werke des
achten Jahrhunderts erinnernd ist die Langobardengeschichte des
Priesters Andreas von Bergamo, welcher 877 einen Auszug aus der
Geschichte des Paulus Diaconus machte und ihn bis auf seine Zeit
fortsetzte3). Nach der Mitte des neunten Jahrhunderts sind seine
langen 1885. Vgl. 0. Hartwig: Die Uebersetzungslitteratur Unteritaliens
(1886) S. 6.
1) Neue Ausg. von Holder-Egger, SS. Langob. 265 — 301. Ueber die
besondere Bedeutung von monasterium bei ihm s. F. Wickhoff, Mitth.
des Inst. IX, 34 — 45. Aus Ravenna stammen auch die aus dem Rotulus
gewonnenen 8 Briefe aus K. Berengars Zeit, NA. IX, 513 — 539, vgl. XI,
599 goß
2) Constructio Farfensis, ed. Bethmann, MG. SS. XI, 520—530. Vgl.
Giorgi im Archivio della Societa Romana di storia patria, II, 409 — 473.
Von dem Registrum Farfense ist in Rom eine Ausgabe von I. Giorgi und
U. Balzani erschienen.
3) Andreae presb. Bergomatis Clironicon, ed. Pertz, MG. SS. III, 231.
310 II. Karolinger. § 21. Italien.
Nachrichten durch Genauigkeit werthvoll; das Ende ist leider un-
vollständig erhalten. Und dieses ist fast das einzige litterarische
Erzeugnifs der Lombardei im neunten Jahrhundert, da Claudius
von Turin und Dungal als Ausländer nicht zu rechnen sind1).
Schottenmönche, mit jenen, die in Lüttich hausten, gleicher Art,
und mit des Sedulius Gedichten vertraut, fanden auch in Mailand
Aufnahme und feierten ihre Herren und Wohlthäter in sapphischen
Oden und in Distichen von ungewöhnlicher Correctheit. Yorzüglich
der Erzbischof Tado (860 — 868) wird von ihnen verherrlicht und
ihm werden ihre Bitten und Wünsche vorgetragen, dazu der Kaiser
Lothar und Herzog Leodfrid, ein Schwager Lothars. Diese einzige
Spur ihrer Existenz ist erst kürzlich aufgetaucht, weiteres nicht be-
kannt2). Sehr gerühmt wird in einem Epitaphium der Abt Petrus II
vom Ambrosiuskloster3) (858 — 899), und dieser wird es wohl sein,
zu dessen Zeiten ein mit lateinischen Buchstaben geschriebener
griechischer Psalter zu Stande gebracht wurde, als dessen Besitzer
(oder Urheber?) sich in höchst barbarischem Griechisch ein Mönch
Symeon nennt4).
Einige Verse, die zum Preise des Bischofs Azo von Ivrea um
876 verfafst und im folgenden Jahrhundert einer Copie in Gold-
schrift würdig erachtet wurden, sind fast nur wegen der äufserst
barbarischen Form bemerkenswerth5).
Es würde jedoch ein grofser Irrthum sein, wenn man nach
diesen Proben arger Barbarei den allgemeinen Standpunkt der Bil-
dung in Italien beurtheilen wollte. Gelehrte Studien wurden nament-
lich in Verona gepflegt, wo ein Archidiaconus Pacificus (f 844),
dessen Gelehrsamkeit gepriesen wird, 218 Handschriften zusammen-
Bethmann S. 367 ergänzt den Anfang. Neue Ausg. v. Waitz, SS. Langob.
220 bis 230.
*) Ebenso wenig kann man das sogenannte Chronicon Brixiense, oder
wenigstens was uns davon erbalten ist, zu den Geschieh tswerken rechnen,
MG. SS. III, 238; SS. Langob. 501—503 als Catalogus Brixiensis. — Die
Translatio S. Habundli Mart. von Foligno nach Berceto (Mab. III, 1, 487
ed. Ven.) gedenkt einer Synode zu Pavia unter Lothar.
2) Carmina Medii Aevi ed. H. Hagen (Bern 1877) S. 1 — 10. Neue
Ausgabe von Traube, Poet. Lat. III, 231—237. S. 7 (236 Tr.) Inschrift
eines von Tado's Vorgänger Angelbert erneuten Kelches. — Ueber Margi-
nalien mit Spuren der gelehrten Thätigkeit dieser Mönche in dem Cod.
Bern. 363 s. Gottlieb, Wiener Studien IX, S. 151—159. Traube, O Roma
nob. S. 348-353.
3) Giulini, Mem. di Milano, II, 76.
4) NA. VIII, 340.
5) Dümmler, Gesta Berengarii, S. 75 und 159.
Panegyricus Berengarii. 311
gebracht hatte1). Von dort besitzen wir ein langes Gedicht zum
Preise des Bischofs Adalhard in sapphischem Versrnafse, aus dem
Ende des neunten Jahrhunderts, dessen Correctheit für diese Zeit
in Erstaunen setzt, wenn auch einzelne Fehler vorkommen2). Und
im überraschendsten Gegensatze zu der Barbarei eines Andreas von
Bergamo tritt uns aus dem Anfange des zehnten Jahrhunderts
(zwischen 916 und 922) ein Werk entgegen, welches in Rücksicht
der Form den meisten Dichtungen karolingischer Zeit ebenbürtig
zur Seite steht, nämlich das Lobgedicht auf den Kaiser Be-
rengar3), dessen ungenannter Verfasser die Sprache nicht ohne
Gewandtheit behandelt und regelrechte Hexameter ohne Anstofs zu
fertigen verstand. Andere freilich finden sich darunter, welche hol-
prig genug sind4), und gesuchte Ausdrücke, verkünstelte Construc-
tionen verdunkeln nicht selten den Sinn. Der Unterschied ist nicht
schwer zu bemerken, wenn plötzlich der melodische Wohllaut Ver-
gils oder die kunstvollen Verse des Statius sich vernehmen lassen.
Das sind fremde Federn, mit denen der Autor sich geschmückt hat;
Bilder und einzelne Schlachtenscenen machte er sich auf solche
Weise zu eigen.
Die Thaten und Schicksale Berengars, seine Kämpfe um die
Krone Italiens sind es, welche er schildert, und allem Anschein
nach schrieb er bald nach der Kaiserkrönung seines Helden im
Nov. oder December 915. Er war also ein Zeitgenosse, und sein
Werk ist in manchen Einzelheiten nicht ohne geschichtlichen Werth.
Doch ist er zu sehr Lobredner und zu ungenau, um als eigentliche
Geschichtsquelle gelten zu können. Die Verhältnisse sind nicht ohne
Geschick, aber mit arger Entstellung, so gewandt, dafs Berengar als
der allein berechtigte und legitime Herrscher erscheint. Es ist
*) Epitaphium Pacifici, Poet. Lat. II, 655, vgl. Traube, 0 Roma nob.
S. 309. Derselbe setzte die antikisierenden Gedichte 0 Roma und 0 admi-
rabile Veneris nach Verona ins 10. Jahrhundert.
2) Bei Baronius ed. Luc. XV, 480; correcter bei Biancolini dei ves-
covi S. 35 — 37, und jetzt bei Dümniler, Gesta Berengarii S. 134 — 136,
vgl. 61 — 65, NA. IV, 558. Traube findet auch hier irischen Einfluss.
3) Carmen panegyricum Berengarii, ed. Valesius, cum Adalberonis ep.
Laudun. carmine ad Rotbertum regem, Paris 1663. MG. SS. IV, 189 bis
210. Jetzt zuerst mit erschöpfender Benutzung der Handschrift in Venedig
mit der vollständigen Glosse, und allseitig erläutert in: Gesta Berengarii
Imperaturis. Beiträge zur Geschichte Italiens im An f. des 10. Jahrh. von
E. Dümmler, Halle 1871; vgl. NA. IV, 558. Benutzung des sog. Pindarus
Thebanus, welcher von Doering dem Silius Italicus zugeschrieben wird (Progr.
d. Lyceums in Strafsburg 1884), weist Dümmler nach, Forsch. XIII, 415
bis 417.
4) Oft sind sie auch schon gereimt; vgl. über seine Metrik E. Bern-
heim, Forsch. XIV, 142.
312 II. Karolinger. § 21. Italien.
merkwürdig, dafs, während thatsächlich die Gewalt allein den Aus-
schlag gab, doch nachträglich man ängstlich bemüht war, vor der
Welt den Anschein einer formellen Berechtigung zu gewinnen. Wir
haben ähnliches schon in Bezug auf die Karolinger gesehen und
werden es in noch auffallenderer Weise bei den Magyaren wieder-
finden.
In der Form der Darstellung schliefst sich der Panegyrist durch-
aus den alten heidnischen Mustern an, so gut er es vermochte. Er
zeigt die genaueste Bekanntschaft mit Yergil, Statius und Juvenal,
und hat unverkennbar eine gute grammatische Schule durchgemacht.
Auch stand er mit diesen Kenntnissen und dieser Kunst keineswegs
vereinzelt da: Niemand, sagt er, sich selbst anredend, kümmert sich
jetzt um deine Verse; dergleichen wissen die Leute auf dem Lande
wie in der Stadt zu machen.
Ob der Verfasser ein Geistlicher oder ein Laie war, geht aus
seinem Werke nicht mit Sicherheit hervor; wahrscheinlich ist er
Schulmeister in Verona gewesen. Für die Schule ist auch dieses
Werk bestimmt, und ist deshalb, wie das des Abbo mit einer er-
läuternden Glosse versehen, welche derselben Zeit angehört1). Darin
tritt eine ausgebreitete Gelehrsamkeit, und auch Kenntnifs der grie-
chischen Sprache, deutlicher als im Gedicht selbst hervor. Einige
geschichtliche Erklärungen werden gegeben, vorzüglich aber gram-
matische, bei denen Servius stark benutzt ist. Bei der Erläuterung
der Mythen, welche in allen Commentaren des früheren Mittelalters
eine Hauptrolle spielt, übergeht der Glossator vieles, weil das ja
allgemein bekannt sei.
Wir begegnen hier einer Bildung, die durchaus nicht von der
Kirche herrührt, sondern fortgepflanzt wird durch jene einzeln ste-
henden Grammatiker, deren Wirksamkeit in Italien niemals aufge-
hört hat. Es ist W. v. Giesebrechts Verdienst, zum ersten Male
nachgewiesen zu haben, dafs diese Schulen in Italien immer fort-
bestanden haben und unter den Laien einen Grad der Bildung ver-
breiteten, den man diesseit der Alpen nicht kannte. In Italien,
sagt Wipo im elften Jahrhundert, geht die ganze Jugend ordentlich
zur Schule und nur in Deutschland hält man es für überflüssig
oder unanständig, einen Knaben unterrichten zu lassen, wenn er
J) Doch kann sie nicht vom Vf. selbst herrühren, s. die Recension
von Pannenborg, GGA. 1871, S. 1767—1783, und Dümmlers Nachtr. zu
Anseimus Peripatet. S. 107. E. Bernheim hat Forsch. XIV, 138—154 die
Glosse genau untersucht, und besonders auf die alten Glossarien als
Quellen einer unfruchtbaren Gelehrsamkeit hingewiesen.
Die Bildung in Italien. 313
nicht zum geistlichen Stande bestimmt ist. Der italienische Laie
las seinen Vergil und Horaz, aber er schrieb keine Bücher, während
die Geistlichkeit theils in Rohheit versank, theils zu sehr in den
politischen Händeln befangen war, um an den wissenschaftlichen
Bestrebungen der Zeit Theil zu nehmen. Daraus erklärt sich der
Mangel litterarischer Productivität und die Dürftigkeit der vorhan-
denen Litteratur, während andererseits bei jenem Panegyristen und
etwas später bei Liudprand plötzlich eine überraschende Fülle klas-
sischer Gelehrsamkeit und grofse Gewandtheit im Ausdruck hervor-
traten, namentlich im Versemachen, welches ein Hauptgegenstand der
Schulbildung war. Denn einzelne vom geistlichen Stande naschten
auch von jener verbotenen Frucht; im allgemeinen aber stand der
Clerus im Gegensatz zu diesem Treiben, in dem er nicht mit Un-
recht ein heidnisches Element erkannte. Die Wissenschaft war hier
nicht in den Dienst der Kirche genommen; sie behauptete einen
unabhängigen Standpunkt, war aber fast ausschliefslich formaler
Natur und darum wesentlich unproductiv.
III. Die Zeit der Ottonen.
Von Heinrich I bis zum Tode Heinrich II, 919—1024.
§ 1. Allgemeines.
Contzen, Die Geschichtschreiber der sächs. Kaiserzeit. Regensburg 1837. Enstellt
durch Benutzung der falschen Corveyer Chronik, und durch die neuen Ausgaben der
Quellen unbrauchbar gemacht. — Stalin Wirt, Gesch. I, 419—426. L. Giesebrecht,
Wendische Geschichten III, 294—307. Waitz, Ueber die Entwickelung der deutschen
Historiographie im Mittelalter, in Schmidts Zeitschrift für Geschichte II, 97—103.
— W. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, I, 777—790. II, 557—560.
— Guil. Maurenbrecher de historicis decimi saeculi scriptoribus, qui res ab Ottone
Magno gestas memoriae tradiderunt, Bonnae 1861 ; vgl. Lit. Centralblatt 1862, Sp. 837.
lVlit dem Jahre 906 endigt Regino's Chronik, ein Jahr, bevor Her-
zog Liutpold mit der Blüthe des bairischen Volkstammes von den
Ungern erschlagen wurde. Ein schwaches Kind safs auf dem Throne
und vermochte nicht das Reich zu schirmen. Es hatte den An-
schein, als ob die ganze von Karl dem Grofsen neu gepflanzte Kul-
tur bereits dahin sinken sollte. Ein Stift nach dem anderen wurde
den Normannen zur Beute, und was übrig blieb, rissen die räube-
rischen Grofsen an sich, die in ihren gegenseitigen Fehden verheer-
ten, was dem äufseren Feinde noch entgangen war. Die Sitze der
Bildung und Gelehrsamkeit verstummten; auch wenn sie der gänz-
lichen Verödung entgingen, liefs doch die nagende Sorge um die
stets gefährdete Existenz keine wissenschaftliche Thätigkeit auf-
kommen.
Schlimmer noch als in Deutschland, sah es in den Nachbar-
ländern aus; die Normannen, aus Sachsen zurückgeschlagen, hausten
in Frankreich und Lothringen, ohne Widerstand zu finden, während
der Süden von sarazenischen Seeräubern verheert wurde. Die Bre-
tonen und Waskonen schüttelten das fränkische Joch ab, und die
Ungern streiften auf ihren schnellen Rossen bis an den Ocean. In
Italien begegneten spanische und afrikanische Sarazenen den Ungern,
und die innere Zwietracht war in beiden Ländern noch ärger als
in Deutschland.
Berufung fremder Gelehrten. 315
Allein die Keime, welche einst Karl der Grofse gelegt hatte,
waren bereits so stark und kräftig geworden und hatten so tiefe
"Wurzeln geschlagen, dafs sie auch diese Feuerprobe überdauerten.
Wie einst von Austrasien, so ging jetzt von Sachsen die Rettung
aus. Hier hatte man zuerst sich ermannt und unter den Ludol-
fingern in festem Zusammenhalten die Kraft gefunden, der Feinde
Herr zu werden. Reginbern, aus Widukinds Stamm, der Bruder
.der Königin Mahthild, schlug die Dänen so, dafs sie nicht wieder-
kamen. Die Wenden, welche die Ostgrenze bedrängten, wurden
zurückgeworfen. Heinrich I stellte, wie einst Karl Martell und
Pippin, das Reich her und wies die Ungern zurück; was er be-
gonnen, vollendete sein Nachfolger, bis er die inneren und äufseren
Feinde bezwungen hatte. In dieser eisernen Zeit war noch für die
Feder kein Raum, aber nach dem Siege konnte Otto an die Her-
stellung der geistigen Bildung denken. Da sehen wir überall die
verödeten Klöster aus der Asche erstehen, sie werden den Händen
der Laienäbte entrissen und ihrer Bestimmung wiedergegeben. Bald
regt sich in ihnen, zunächst in denen, welche von den Stürmen
dieser Zeit weniger gelitten hatten, von neuem wissenschaftliche
Thätigkeit.
Wie Karl, schätzte auch Otto die Wissenschaften, ohne selbst
eine gelehrte Bildung erhalten zu haben; seine Erziehung war krie-
gerisch gewesen, und erst spät, nach dem Tode der Königin Edid
(26. Januar 946), lernte er lateinische Bücher lesen und verstehen1);
reden konnte er die Sprache der Gelehrten nicht2). Auf der Synode
zu Ingelheim 948 wurden der Könige wegen die päbstlichen Schreiben
in deutscher Sprache verlesen3), und auch in seinem Alter liefs er
sich einen lateinisch geschriebenen Brief von seinem Sohne Otto II
übersetzen4).
Wie Karl, suchte auch Otto gelehrte Ausländer ins Land zu
ziehen. So bemühte er sich lange vergeblich, den Gunzo von
Novara, einen jener italienischen Grammatiker, nach Deutschland zu
bekommen. Dieser Gunzo war Diaconus in seiner Vaterstadt, und
schrieb hier, aufgefordert vom Bischof Atto von Yercelli (f c. 960)
*) Widuk. II, 36. Vgl. Dümmler, Otto I S. 515. Ich glaube nicht,
dafs man bei litteras discere und libros legere et intelliyere an andere als
lateinische Bücher denken darf.
2) Liudpr. Hist. Ott. 11.
3) Flodoard h. a. MG. SS. III, 396.
4) Casus S. Galli MG. SS. II, 139. Einen anderen übersetzt die Kai-
serin Adelheid, nam litteratissima erat; ib. p. 146.
316 HI. Ottonen. § 1. Allgemeines.
eine Schrift über Ehehindernisse1). Bei seiner persönlichen An-
wesenheit in Italien gelang es Otto endlich, ihn zu gewinnen2). An
hundert Bücher behauptet Gunzo mitgebracht zu haben, darunter
Schriften von Plato und Aristoteles; doch vermuthlich in lateinischer
Uebersetzung. Trotz seiner Gelehrsamkeit geschah es ihm zuweilen,
durch das Italienische verleitet, dafs er die Casus verwechselte3) und
deshalb wurde er in St. Gallen mit einem Spottliede verhöhnt, denn
er hatte statt eines Ablativs einen Accusativ gesetzt. Dagegen recht-
fertigte sich nun Gunzo in einem sehr langen und sehr pedantischen
Briefe an die Mönche von Reichenau, in welchem er seine ganze
gelehrte Schulweisheit zur Schau stellt.
Einen Landsmann von ihm Namens Stephan, der in Pavia
gebildet war, in Novara und Pavia gelehrt hatte, beriefen König
Otto und Bischof Poppo von Würzburg (941 — 961) aus Italien, und
der Ruf seiner Vorträge über Marcianus Capeila zog den jungen
Wolfgang aus Reichenau nach Würzburg4). Seine Bücher, welche
aber nicht zahlreich waren, vermachte er dem h. Kilian5). Einige
0 D'Achery, Spicil. I, 437.
2) So erzählt Gunzo selbst in seiner Epistola ad Augiepses fratres bei
Martene, Coli. I, 294. Der Codex aus St. Amand ist jetzt in Valenciennes,
Mangeart p. 302. Eine zweite Hs. in Maihingen, NA. IX, 286. Man hatte
ihn auch in Stablo, Gottlieb, Mittelalt. Bibliotheken S. 440. Obgleich er
Otto nur König nennt, zieht doch M. v. Knonau zu Ekk. S.328 das J. 965
vor. Vgl. Gatterers Commentatio de Gunzone Italo, Norimb. 1756; Bur-
sian, Gesch. d. Philol. S. 43. Dafs er der Ebersberger Probst Guntheri
oder Gunzo gewesen sei „Graecis ac Latinis litteris doctus , qui fuit con-
scolasticus Gerberti pape" (Chron. Ebersp. MG. SS. XX, 18) scheint der
Zeit nach kaum möglich, da dieser nach Gr. Hundt von 1002 bis 1013
Probst war.
3) „Falso putavit S. Galli monachus me remotum a scientia gramma-
ticae artis , licet aliquando retarder usu nostrae vulgaris linguae quae la-
tinitati vicina est." M. v. Knonau vermuthet, dafs Ekkehard II (palatinus)
sein Gegner war.
4) V. Wolfkangi c. 5.
5) Nach den Versen bei Schannat, Vind. litt. I, 229 u. Oegg, Versuch
einer Korographie der Stadt Würzburg I, 542, die eine Art von Testament
enthalten:
Novaria genitus prae moenibus alta,
Utraque ut patuit, doctor in urbe fui.
Ast Popo antistes hanc me perduxit in urbem,
Qua sophiae studiis dogmata crebra dedi.
Quos habui paucos decrevi tradere libros,
Martyr sancte Dei, en Kiliane tibi.
Caetera quae restat mihimet sat parva supellex,
Cedat fraternis usibus apta nimis.
Quisquis ades nostri, rogito, possessor ovilis,
Adde diem mortis, quem deus ipse sapit.
Actum anno dorn. ine. 970. 17 Kai. Aug.
Das fehlerhafte erste Distichon ist nach dem Epit. zu verbessern.
Italiener in Deutschland. 317
Auskunft über sein Leben und Wirken gewährt die Grabschrift,
welche er für sich selbst verfafst hat1). Sie steht in einer Hand-
schrift des Dorncapitels zu Novara, einer von Stephan geschriebenen
Canonensammlung; denn er hat sich nach 970 wieder in seine Hei-
math begeben, wo er 985 eine Schenkung des Bischofs Aupald
unterzeichnete. Die Grabschrift lautet:
Novariae natus, Papiae moenibus altus,
Urbe velut potui, doctor utraque fui.
Me rex Otto potens Francorum duxit in urbem,
Qua legi mukös mente vigente libros.
Hinc me digressum , proprium suscepit alumnum
Virgo salus mundi, mater et alma dei.
Protinus amissam studui reparare sophiam,
Erudiens pueros instituensque viros.
His igitur cunctis Christo tribuente peractis,
Sum pulvis modicus, jussit ut ipse deus.
Quisquis hac graderis, Stephani memor esto jacentis,
Ac sibi posce poli regna beata dari.
Insuper adde diem quae contulit ultima finem.
Hanc si scruteris, hinc mage cautus eris.
Die politischen Verwickelungen führten auch den gelehrten Bischof
Rather von Verona und vor Berengar flüchtend Liudprand. an
Otto's Hof, wo sie gute Aufnahme fanden, und auch Gerbert wurde
von Pabst Johann XIII im Jahre 971 zum Kaiser gesandt, verweilte
aber damals nur kurze Zeit am Hofe, weil er vorher noch in Reims
seine philosophische Ausbildung zu vollenden wünschte2).
Gern gesehen an Otto's Hofe war Ekkehard (II) von St. Gallen,
den man deshalb im Kloster den Höfling (palatinus) nannte; er war
einer der Lehrer Otto's II3). Dieser hatte unter der Leitung Vol-
colds, und nach dessen Beförderung zum Bischof von Meifsen des
Willigis4), einen vollständigen wissenschaftlichen Unterricht erhalten;
er liebte und beförderte die Wissenschaften und nahm lebhaften
Antheil an den gelehrten Problemen , welche damals die Menschen
x) Nebst einem Epitaph auf seinen Vater Leo, bei Giov. Andres, Let-
tera al Sig. Abbate Morelli, Parma 1802, u. bei Reififerscheid, Wiener SB.
LXVIII, 623 mit Auslassung des ersten Hexameters : „Prodolor hoc parvo
claudit sua membra locello". Dagegen ist der Schlufs von Stephans Epi-
taph fälschlich dazu gezogen.
2) Rieh er III, 44. 45. Vgl. Büdingcr über Gerbert S. 44.
3) Casus S. Galli p. 126. Bei der Unzuverlässigkeit derselben u. den
chronol. Widersprüchen ist es unsicher, ob Ekk. nicht erst nach 973 an
den Hof kam; s. G. Meyer v. Knonau zu seiner Ausg. p. LXXI.
4) Tietm. IV, 5.
o
18 HI. Ottonen. § 1. Allgemeines.
beschäftigten1). Hrotsuit feiert ihn als einen zweiten Salomo. Er
zog Gerb er t wieder an sich, und noch ist uns ein Fragment der
Disputation erhalten, welche dieser 980 vor dem Kaiser zu Ravenna
hielt gegen den berühmten Magdeburger Lehrer Otrich, den Otto
ebenfalls an seinen Hof berufen hatte2). Auch der Abt Adso von
Montier-en-Der, einer der berühmtesten Gelehrten Frankreichs, war
dabei zugegen, nebst einer grofsen Menge von Scholastern oder
Grammatikern3). Auch von S. Wolfgang wird uns berichtet, dafs er
vor diesem Kaiser gegen einen Ketzer disputierte. Den Bischof
Gumpold von Mantua veranlafste er, das Leben des heiligen Wen-
zeslaus zu beschreiben.
Kurz vor dem Tode des alten Kaisers, im Jahre 972, besuchten
Vater und Sohn das Kloster St. Gallen. Der Vater fragte nach dem
alten Notker, dem gelehrten Maler und Arzte, mit dem Beinamen
Pfefferkorn ; schwach und erblindet safs er auf einem Sessel. Auf
das Geheifs des Vaters führte der junge Kaiser ihn herbei, und der
Alte leitete ihn nach zärtlicher Umarmung sorgsam ins Kloster und
setzte ihn an seine Seite. Otto II aber liefs sich nun hier die
Bibliothek öffnen und nahm, von den reichen Schätzen derselben
gelockt, eine Anzahl der besten Bücher mit sich fort; einige gab
er auf Ekkehards Bitte später zurück4).
Otto III endlich wurde von seiner Mutter Theophano, von dem
Calabresen Johannes und Bernward von Hildesheim auf das sorg-
fältigste erzogen5), und sein wissenschaftlicher Verkehr mit Gerbert
ist weltbekannt; wie es nur zu leicht geschah, wendeten ihn diese
ganz auf fremdländischen Grundlagen beruhenden Studien vom vater-
ländischen Wesen ab, und störten die harmonische Entwickelung
seines Geistes6).
1) Richer III, 67.
2) Richer III, 55 ff. Vgl. Büdinger S. 52 ff.
3) In Frankreich soll um diese Zeit Fulco bonus von Anjou (938 bis
958) vom König verlacht sein, als er in choro S. Martini mit den Cano-
nikem sang. Er schrieb darauf dem König: „Noveritis domine, quia rex
illiteratus est asinus coronatus". Gesta consulum Andegavensium c. 5;
vgl. Doctrina Abaelardi bei Wright und Halliwell, Reliquiae antt. I, 16,
und das Schachbuch, Zeitschr. f. D. Alt. XVII, 204.
4) Casus S. Galli, MG. SS. II, 147.
5) Giesebrecht Kaiserzeit I, 670. 846. Lüntzel, Bernward S. 14. Vgl.
H. Düker, Der über mathematicalis des h. Bern ward im Domschatze zu
Hildesheim, Hild. Progr. 1875. Dieses Buch, welches B. für den Unter-
richt gebraucht haben soll, ist die Arithmetik von Boethius mit Glossen.
Vgl. die Verse bei Giesebr. I, 889, und über die von Joh. Calaber an
Otto III gekommenen Bücher Val. Rose im Hermes VIII, 46: Giesebr.
I, 850.
6) Ueber ein von Liuthar ihm dargebrachtes Evangeliar, und über die
Otto II und III. Heinrich II. 319
Heinrich II war in seiner Kindheit zum geistlichen Stande
bestimmt, und erhielt in Hildesheim, später unter Bischof Wolfgangs
Leitung in Regensburg eine gelehrte Erziehung1); wissenschaftliche
Thätigkeit förderte er nicht unmittelbar2), aber seine Bestrebungen
für die Reform verwilderter Klöster kamen auch den Schulen zu
Gute, wovon namentlich die Geschichte des Bischofs Godehard von
Hildesheim ein Beispiel giebt, und die Stiftung des neuen Bisthums
zu Bamberg, welchem er es auch an Büchern nicht fehlen liefs,
eröffnete den gelehrten Studien eine neue Stätte3). In 54 schwer-
fälligen und schwülstigen Hexametern pries Abt Gerhard von Seon
zwischen 1012 und 1014 die neue Stiftung4), und mit nicht minder
gesuchten und pedantischen Anreden in Prosa und in Versen be-
gleitete der Bamberger Diaconus Bebo Abschriften von Büchern,
welche der Kaiser hatte machen lassen; er rühmt darin Heinrichs
Bemühungen, den Landfrieden herzustellen, und seine Schilderung
von Benedicts VIII Besuch in Bamberg 1020 ist von Adalbert in
seiner Biographie Heinrichs II benutzt worden5).
Auch in der Todtenklage um Constantius den Scholasticus
von Luxeuil schildert Gudinus den Kummer des Kaisers, dafs
seines gleichen nicht mehr zu finden sei6). Dem Kloster Corvey
schenkte ein Kaiser Heinrich, der aber auch ein späterer sein kann,
eine Handschrift aus Unteritalien, welche das Autograph von Lan-
dolfs Historia miscella (oben S. 166) und Vegetius enthielt7).
Bilder von Otto III und Theophano auf dem kostbaren Einband des gold-
geschriebenen Evangeliar in Echternach, jetzt in Gotha, s. Lamprecht, Der
Bilderschmuck des Cod. Egberti u. des Cod. Eptern. im Jahrbuch d. Vereins
v. Alterthumsfreunden im Rheinland, LX (1881) S. 56 — 112.
1) Hirsch, Heinrich II, I, 90—92. Giesebr. Kaiserzeit II, 78, 604.
2) Giesebr. II, 605.
3) Ausführlich handelt darüber Giesebrecht, II, 52 — 65, vgl. 600, und
Hirsch, Heinrich II, Band IL Ein dazu gehöriger Catalog NA. V, 624.
4) Hirsch, Heinrich II, I, 554. Jaffe, Bibl. V, 482.
5) Gedr. v. Gutenäcker im 25. Bericht d. hist. Vereins zu Bamberg
S. 138. Hirsch a. a. O. S. 545—554. Jaffe, Bibl. V, 484—497. Ergänzt
Giesebr. II, 581.
6) „Heinricus in Romano residens palatio et arcana sapientum com-
probans ingenio, dolet nusquam inveniri similem Constantio." Mab. Anal.
p. 217. Dumeril (1843) S. 280; vgl. über Constantius die Unterschrift des
Cod. Bern. 87: „Ego Constantius peccator et indignus sacerdos S. Petri
Luxov. coenobii scripsi ad serviendum ei hos libros Boetii de geometria
diebus tantum XI infra Idus Jun. et VI. Kai. Jul. a. M. IUI. ab ine. Domini,
conversionis autem nostrae IL praeeepto pii patris Milonis. Sit ergo utenti
gratia, scriptori venia, fraudatori anathema." Cantor, Mathcm. Beiträge
(1863) S. 404, und correcter bei Grandidier, Oeuvres hist. (1865) II, 236,
Hagen, Catal. Bern. p. 107. Die Handschrift hatte Bischof Werinhar der
Strafsburger Kirche geschenkt.
7) Cod. Pal. 909, Arch. XII, 344. Nach Bethmann wäre die Inschrift
III. Ottonen. § 1. Allgemeines.
fc Bei den Frauen fand man im früheren Mittelalter weit eher
als bei den Männern aus dem Laienstande die Anfänge einer ge-
lehrten Bildung, die schwierige Kunst des Lesens und Schreibens,
riebst einer Kenntnifs der allgemeinen Schriftsprache, welche zum
Verständnifs des Psalters ausreichte1). Leicht knüpfte sich mehr
daran, und auch der Einflufs, welchen Geistliche über weibliche
Gemüther so leicht erlangen, begünstigte ihre Beschäftigung mit dem
besonderen Erbtheile dieses Standes, den Büchern. Die Frömmigkeit
der Königinnen Mahthild2) und Edid ist bekannt; Heinrichs I
Tochter Gerberga veranlafste den Abt Adso zur Abfassung seiner
Schrift über den Antichrist; Adelheid aber, die Burgunderin, und
Theophano, die Griechin, zeichneten sich durch eine in Deutsch-
land seltene litterarische Bildung aus, die sich auch in der sorg-
samen Erziehung ihrer Kinder erkennen läfst. Ganz besonders wird
uns die hohe Bildung der schönen Herzogin Hedwig von Schwaben
gerühmt, der Tochter von Otto's des Grofsen Bruder Heinrich von
Baiern. Wie man sich in St. Gallen erzählte, war sie als Kind zur
Braut eines griechischen Kaisers bestimmt, und wurde durch Kämmer-
linge, welche dieser eigens deshalb gesandt hatte, im Griechischen
unterrichtet, zerrifs aber diese Verbindung, welche ihr mifsfiel.
Diese Geschichte freilich ist so, wie sie erzählt wird, nicht möglich.
Später mit Herzog Burchard vermählt und früh (973) verwittwet,
waltete sie auf ihrer Feste Hohentwiel mit männlicher Festigkeit, ja
aus dem elften Jahrhundert, nach H. Droysen im Hermes XII, 387 (Auctt.
antiquiss. II, p. LXII) aus dem Anf. des 12. und hätte dieselbe Hand den
Text mit Randglossen, wie cave princeps, attende princeps, lämitare princeps
versehen, welche auf den Unterricht eines Fürsten deuten. Danach wäre
ein späterer Heinrich anzunehmen.
*) Vgl. Giesebr. II, 546. Weinhold, Die deutschen Frauen S. 91.
V. Bardonis maj. c. 1. Der Regensburger Marianus Scottus schrieb „multa
manualia psalteria viduis indigentibus ac clericis pauperibus ejusdem civi-
tatis". Frau Ute in Lorsch „las an ir salter alle ir tagezit", Diu Klage
v. 1840. „Saltere und alle buche, di zu gotis dinste hören, die vrowen
phlegen zu lesene", gehören nach dem Sachsenspiegel I, 24, 3 zur Gerade.
Verständnifs der Sprache war jedoch mit dem Lesen nicht nothwendig
verbunden, so verstand Hildegard vor ihrer Erleuchtung den Inhalt nicht:
„solum psalterium legere didicerat more nobilium puellarum a quadam
inclusa in monte Dysibodi". Alberici Chron. ad a. 1141. Im 13. Jahrb.
wird einem Scholaren der Rath gegeben: „Si vero grammaticam nequis
scire plene, Defectu ingenii, defectu crumene, Horas et psalterium discas
valde bene, Scolas si necesse est puellarum tene." Peiper in der Zeit-
schrift f. Deutsche Philologie V, 183.
2) „Domesticos omnes famulos et ancillas variis artibus, litteris quo-
que instituit; nam et ipsa litteras novit, quas post mortem regis lucide
satis didicit." Widuk. III, 74. Anskar schickte der Liutbirg (oben S. 254)
junge Mädchen zur Unterweisung im Psalmsingen und Handarbeit.
Frauenbildung. 321
mit Härte, und ihre wechselnden Launen waren sehr gefürchtet.
Ihre liebste Beschäftigung aber bestand darin, mit dem Sanctgaller
Mönche Ekkehard, den sie sich dazu vom Abte ausgebeten hatte,
die alten lateinischen Dichter zu lesen. Den jungen Burchard, der
später Abt wurde, lehrte sie selbst griechisch und beschenkte ihn
zum Abschied mit einem Horaz1).
Ihre Schwester Gerbirg, die Aebtissin yon Gandersheim, war,
so sagt Hrotsuit, wie es der Nichte des Kaisers gebührte, von höherer
wissenschaftlicher Bildung und unterwies mich in den Autoren, welche
zuvor die gelehrtesten Meister mit ihr gelesen hatten2).
Auch Heinrichs II Gemahlin Kunigunde zeichnete sich durch
Kenntnifs und Verständnifs der kirchlichen nicht nur, sondern auch
der weltlichen Schriftsteller aus, und in der späteren Zeit betrachtete
man die feine Bildung der vornehmen Frauen als einen besonderen
Vorzug dieses Zeitalters3). Aber auch über seine Standesgenossen
klagte Graf Udalrich von Ebersberg (f 1029) in seinen alten Tagen:
in seiner Jugend, sagte er, habe jeder Edelmann sich schämen
müssen, wenn er die Rechtsbücher nicht zu lesen und anzuwenden
gelernt hätte4).
Finden wir also das Ottonische Kaiserhaus wissenschaftlicher
Bildung geneigt und günstig, so überstrahlt doch alle, sowohl durch
seine eigene gründliche Gelehrsamkeit, wie durch seine fruchtreiche
Thätigkeit für Kirche und Schule, der grofse Erzbischof Brun,
Otto's des Grofsen jüngster Bruder5).
1) Casus S. Galli MG. SS. II, 122—126. Vgl. die Anmerkungen von
Meyer von Knonau S. 319 ff. u. Allg. Deutsche Biogr. X, 308.
2) „Gerberga, cujus nunc subdor dominio abbatiae, aetate minor sed
ut imperialem decebat neptem, scientia provectior, aliquot auctores quos
ipsa prior a sapientissimis didicit, ine admodum erudivit." Praef. ad vitam
b. Mariae.
3) Im Chron. Gozec. I, 2 (MG. SS. X, 142) heifst es von der Agnes
von Weimar, Gemahlin des 1036 verstorbenen Pfalzgrafen Friedrich von
Sachsen: more antiquorum tarn litteris quam diversarum artium disciplinis
apud Quidelingeburg pulchre fuit instructa. Ueber Kunigunde s. unten V
§ 15. Die Quedlinburger Schatzmeisterin Hazecha verfafste eine Schrift zu
Ehren des h. Christoph, welche sie Bischof Balderich von Speier (970 bis
987) übergab. S. unten S. 324.
4) Chron. Ebersp. MG. SS. XX, 14. Aehnlich heifst es in der Vita
S. Pauli Virodun. (aus dem 7. Jahrh.), in welcher Berthar angeführt wird,
Hugo Flavin. aber noch nicht: „liberalium studiis litterarum, sicut olim moris
erat nobilibus, traditur imbuendus". Mab. Act. II, 268. Auch der Vater
Odo's von Cluny war nach der Vita auct. Joh. mon. I, 5 ein angesehener
Rechtskundiger am Hofe des Grafen Wilhelm von Poitiers.
5) S. über ihn und seine Wirksamkeit W. Giesebrecht, Geschichte der
Kaiserzeit I, 321-331, vgl. 817: 401—403. 431—436, vgl. 826. 829. Vogel,
Ratherius I, 156 ff. Jasmunds Vorwort zur Uebersetzung des Ruotger.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 21
322 HI- Ottonen. § 1. Allgemeines.
Nachdem er in Utrecht unter der Aufsicht des Bischofs Balde-
rich erwachsen war und hier die erste grammatische Bildung erhal-
ten hatte, wurde er noch in früher Jugend (940) zum Kanzler und
953, als er Erzbischof wurde, auch zum Erzcaplan erhoben; bald
lag in seinen Händen fast die ganze Verwaltung des Reiches, deren
Fäden in der königlichen Kanzlei zusammenliefen, vor allem aber
die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten. Mit Geschäften aller
Art überhäuft, hat er in den Aeufserlichkeiten der Urkunden, den
Daten namentlich, eine arge Unordnung einreifsen lassen1); dagegen
fand er doch noch Zeit für seine geliebten Bücher, die ihn überall
hin begleiteten, für den wissenschaftlichen Verkehr mit den Meistern
der "Wissenschaft, die, wie Ruotger sagt, von allen Enden der Welt
sich hier zusammenfanden. Ratherius, Liudprand, der Spanier Rece-
mund, Bischof von Elvira, wurden durch politische Ereignisse diesem
Kreise zugeführt, nahmen aber während ihres Aufenthaltes daselbst
ebenfalls an den wissenschaftlichen Bestrebungen Theil. Die An-
wesenheit gelehrter Griechen benutzte Brun, um von ihnen, deren
Sprache ihm schon vertraut war, zu lernen ; besonders aber verehrte
er als seinen Lehrer einen irländischen Bischof Namens Israel, viel-
leicht denselben, welcher, aus seiner Heimath vertrieben, in St. Maxi-
min Mönch wurde2).
Ungeachtet seiner hohen Stellung verschmähte Brun es nicht,
auch selbst als Lehrer zu wirken; wieder gab es, wie zu Karls
Zeiten, eine Hofschule3), wenn auch in anderer Weise, weil für die
Grundlage des Lernens jetzt an vielen Orten besser gesorgt war.
Aber die Söhne vornehmer Familien, welche nach alter Weise an
den Hof gebracht wurden, werden schwerlich ganz ohne Unterricht
gelassen sein, und die königliche Kanzlei wurde zu einer Pflanz-
schule trefflicher Bischöfe, deren Wichtigkeit für das Reich nicht
Ern. Meyer de Brunone I, Diss. Berol. 1867. Dümmler, Otto I, S. 396
bis 399. Bursian, Gesch. d. Philol. S. 44. K. Martin, Beiträge zur Gesch.
Bruns, Diss. Jen. 1878.
1) Sickel, Wiener SB. XCIII, 732.
2) Hontheim, Prodr. hist. Trev. II, 975. Dümmler in d. Neuen Mitth.
XI, 252.
3) Mir scheint das aus Ruotgeri V. Brun c. 5 — 7 hervorzugehen. Frei-
lich darf man kaum an eine dauernde geregelte Organisation denken, aber
E. Meyer geht zu weit, wenn er sie ganz leugnet. Ihm stimmt freilich
jetzt auch Dümmler bei, Otto I, S. 545, aber wenn Ruotger sagt: „Latia-
lem eloquentiam non in se solum, ubi excelluit, set et in multis aliis po-
litam reddidit et inlustrem", so mufs doch Brun lat. Unterricht gegeben
haben. Die eigentliche Schule hatten die Hofcapläne schon hinter sich,
aber wenn wir Ruotger irgend glauben dürfen, war doch am Hofe noch
viel für sie zu lernen.
Bruno von Cöln. 323
hoch genug anzuschlagen ist, denn mit diesen Bischöfen regierten
die Kaiser von nun an bis zu den Zeiten Heinrichs IV ihr Reich,
und fast allein in ihnen bildete sich ein Element der Stätigkeit in
der Reichsregierung aus, welches von dem Wechsel der Personen
unabhängig war.
Brun selbst wurde im Jahre 953 Erzbischof von Cöln, wo er
noch 12 Jahre wirkte, ohne doch darum der kaiserlichen Kanzlei
fremd zu werden, bis er am 11. Oct. 965 kaum 40 Jahre alt starb.
Die schwierigsten Aufgaben ruhten auf ihm, denn das unruhige, un-
zuverlässige Lothringen war seiner Leitung anvertraut, und seine
Schwester, die Königin von Frankreich, baute fast allein auf seine
Hülfe. Aber während man nie in ihm die Thatkraft seines grofsen
Bruders vermifste, vergafs er doch über den weltlichen Sorgen nie
seines bischöflichen Amtes. Die ganz zerrütteten Kirchen Lothrin-
gens richtete er aus ihrer Versunkenheit auf; kirchliche und klöster-
liche Zucht wurden erneut, die Schulen mit gröfster Sorgfalt gepflegt,
und bald entfaltete sich hier das rege litterarische Treiben, welches
von nun an Lothringen besonders auszeichnet.
Nicht minder erblühten nun auch in den übrigen Reichslanden
unter so guter Pflege alle die Keime, welche die vorhergegangenen
Stürme noch überdauert hatten; frisches Leben erfüllte die alten
Klöster, welche wie Corvey, Gandersheim, St. Gallen weniger gelitten
hatten, und neben ihnen erhoben sich zahlreiche neue Stätten litte-
rarischer Bildung1).
So verpflanzte nach Speier, wo schon Bischof Godefrid (950
bis 961) seiner Kirche ein Werk des Beda geschenkt hatte2), Bischof
Balderich (970 — 987), gebürtig aus Säckingen, die Studien der
Sanctgaller Schule, aus welcher er stammte. Sein Wohlgefallen und
seine Aufmerksamkeit erregte der Knabe Walther, den er zu aller
heidnischen und christlichen Wissenschaft anleitete. „Cum primum
regno successit tertius Otto" , also 983, übergab er ihm, der nun
2) Wohl konnte deshalb Brun zum König sagen:
Deciderat Studium veterum At tua dextra ubi sceptra tenet,
Et vigilancia paene patrum, Publica res sibi tuta placet,
Caecaque saecula barbaries Exacuit calamos Studium
Saeva premebat et error iners. Fertque quod apparat ad solium.
Verse hinter einer Abschrift des Frontin, bei Haase, Ind. lectt. Vratisl.
hiem. 1860, p. 20. Leider bleibt es ungewifs, ob der Bruno tuus dieser
Bruno ist; der Caesar ist nicht genannt. Diese Anrede setzt übrigens nicht
nothwendig die Kaiserkrönung voraus.
2) Brit. Mus. Addit. 23,931, wo nach dem Catalog von 3 Widmungs-
versen der erste lautet: Me Godefrid sanctae praesul dedit ecce Mariae".
21*
324 HI. Ottonen. § 1. Allgemeines.
Subdiaconus war, eine Schrift zu Ehren des h. Christoph, welche
die Nonne Hazecha, Schatzmeisterin von Quedlinburg, ihm zur Cor-
rectur überreicht hatte; aber entweder wurde sie wirklich verloren,
wie Walther an Hazecha schrieb, oder er fand sie zu schlecht: genug,
Walther verfafste ein eigenes Werk über den h. Christoph in Prosa
und in Versen, ganz in dem gespreizten, mit Gelehrsamkeit über-
ladenen Stil der Zeit; in zwei Monaten behauptet er beides voll-
endet zu haben. Voran schickte er ein Buch mit dem Titel Scho-
lasticus , worin er seinen Bildungsgang schildert, dunkel und oft
schwer verständlich, aber doch werthvoll für die Kenntnifs der da-
maligen Schulstudien, in welchen eine ansehnliche Zahl classischer
Autoren im Vordergrunde steht. Walther schickte später nach des
Bischofs Tod sein Werk auch ad collegas u?'bis Salinarum, d. h. doch
wohl nach Salzburg, an Liutfred, Benzo und Friedrich1). Damals
scheint er demnach die Speierer Schule geleitet zu haben ; 1004 ist
er selbst wahrscheinlich Bischof von Speier geworden.
In besonderer Ausführlichkeit tritt uns hier eine Richtung der
Studien entgegen, welche wir noch an vielen Orten, wie z. B. in
Lüttich, zu berühren haben werden.
Sehr bald aber liefsen sich auch schon Stimmen vernehmen,
welche die heidnische Gelehrsamkeit als sündlich verwarfen und
gegen die classischen Studien eiferten. Hatte schon Hieronymus
im Traume für die Vorliebe büfsen müssen, womit er Plautus und
Cicero gelesen2), ein Geschichtchen, welches immer wieder benutzt
wird und noch bei der Bekämpfung der Humanisten eine Rolle
spielt, so finden wir in karolingischer Zeit den alt gewordenen Alcuin
in gleichem Sinne eifernd; so auch jenen alten Schulmeister Jo-
hannes zu Fulda (oben S. 231). Ermenrich sah, wenn er den Vergil
unter sein Kopfkissen gelegt hatte, im Traume den Dichter als
2) Waltherus Spirensis de passione S. Cliristo'phori^ bei B. Pez, Thes. II,
3, 29—122. Prantl, Gesch. d. Logik II, 52 hat auf dieses Werk aufmerk-
sam gemacht; Remling in seiner Geschichte der Bischöfe von Speier er-
wähnt es I, 252 unter Bischof Walther, Mabillon sah die Hs. in St. Em-
meram, jetzt Cod. lat. Monac. 14,798. Vgl. W. Harster: Walther v. Speier,
ein Dichter des 10. Jahrhunderts. Speier 1877. Beigabe zum Jahresbe-
richt der K. Studienanstalt. Da ist nachgewiesen , dafs aus einer vielfach
mifsverständlichen Bearbeitung des griech. Textes sich die spätere Form
der Legende entwickelt hat; doch hat Schönbach, Zeitschr. f. D. Alt. XXIV,
Anz. S. 155 — 172, Einwendungen dagegen erhoben. Ausgabe von Harster
als Beigabe zum Jahresbericht 1878. Anz. v. Pannenborg, GGA. 1879,
No. 20; von Nolte, Zeitschr. f. öst. Gymn. 1879, XXX, 617 — 629. Acta
Graeca, Anal. Boll. I, 121.
2) Hieron. ad Eustochium, Opp. ed. Vall. I, 113. Vgl. im allg. Com-
paretti, Virgilio nel Medio Evo I, cap. 6.
Bekämpfung der profanen Studien. 325
Teufel, in der Hand ein Buch, hinterm Ohr die Feder, der ihn
triumphirend verhöhnte; doch meinte er, dafs man, wie für den
Ackerbau den Dünger, so auch den Koth der heidnischen Poesie
mit Nutzen verwerthen könne1). Notker dagegen empfahl dem
jungen Salomo den Prudentius: non sunt tibi necessariae gentilium
fabulae2). Abt Odo von Cluni wurde durch einen Traum von der
Beschäftigung mit Vergil abgeschreckt3), und ebenso verwarf, der
Tendenz dieser Congregation entsprechend, Majolus die einst auch
ihm lieb gewesenen Studien4), und ähnliches wird vom Abt Hugo
berichtet5).
Auch Hrotsuit schrieb ihre Dramen über Gegenstände aus der
heiligen Geschichte, um den Terenz aus den Händen der Christen
zu verdrängen6). Etwas später wurde der sterbende Schüler Gozo
von Dämonen in der Gestalt des Turnus und Aeneas beunruhigt7),
und als ein Mönch des Lütticher Lorenzklosters mit seinen Schülern
den Terentius las, bemühte sich S. Laurentius selber, um ihn zu
züchtigen8).
Wer könnte auch in Abrede stellen, dafs in den römischen
Dichtern vieles zu lesen ist, was sich namentlich für Klosterschulen
nicht eignet. Besonders beliebt war Ovid, und nach einigen Citaten
könnte man sich versucht fühlen anzunehmen, dafs seine Ars arnandi
das gelesenste Buch in den Klöstern war, wobei jedoch in Anschlag
zu bringen ist, dafs viele einzelne Sentenzen gelehrt und gelernt
wurden, ohne dafs man wufste, woher sie stammten. Doch war
auch die ganz übermäfsige Beschäftigung mit der unübersehlichen
Fülle von Mythen, um jede Anspielung erklären zu können, für
Mönche wenig förderlich, und selbst Boethius und Cicero stimmten
nicht immer mit den Kirchenlehrern überein. Sogar den Erzbischof
Bruno sah der Hofcaplan Poppo in einer Vision wegen seiner
1) Dümmler, St. Gall. Denkm. S. 207. Ermenrici ep. p. 29. 31.
2) Dümmler, Formelbuch S. 73.
3) Vita auct. Joh. mon. I § 12.
4) „Legerat isdem vir Domini libros olim antiquorum philosophoruin
Virgiliique mendacia, que nolebat nee ipse jam audire nee alios legere:
Sufficiunt, inquiens, divini poetae vobis, nee egetis luxuriosa Virgilii vos
pollui faeundia", Vita S. Majori I, c. 14.
5) R. Lehmann über die Vitae Hugonis S. 48.
6) Die fleifsige Beschäftigung mit Terenz wird auch bezeugt durch
das wunderliche Gedicht, welches Riese #in der Zeitschr. f. österr. Gym-
nasien 1867, S. 442 — 446, e cod. saec. X. herausgegeben hat, und schon
1840 Magnin in d. Bibl. de FEcole des chartes, I, 524—531.
7) Vita Popponis c. 32. MG. SS. XT, 314.
8) Reineri Palmarium Virginale bei B. Pez, Thes. IV, 3, 85.
326 HI- Ottonen. § 1. Allgemeines.
eifrigen Beschäftigung mit der Philosophie verklagt, aber S. Paulus
trat für ihn ein *).
Der Abt Smaragdus, der 819 das Kloster Castellio nach Saint-
Mihiel-sur-Meuse verlegte, bekämpfte den Widerstand gegen die
grammatischen Studien; in seiner Grammatik aber nahm er die Bei-
spiele aus kirchlichen Schriftstellern 2). Doch fühlte man allgemein,
dafs man die heidnische Litteratur nicht entbehren könne, ohne in
Barbarei zu verfallen; Hraban trat sehr entschieden dafür ein, und
selbst Anselm von Canterbury (ep. I, 55) hat einem Mönche gerathen,
den Vergil zu lesen. War der geistliche Stand einmal der allein
lehrende, so mufste er auch diesen Gefahren sich aussetzen. Nur
an einzelnen Orten und bei einzelnen Männern drang jene ascetische
Richtung durch; in den Schulen behaupteten sich bis ins dreizehnte
Jahrhundert Vergil und Horaz, Terenz, Ovid, Sallust, und verlockten
immer von neuem die jugendlichen Gemüther durch den Zauber
ihrer Anmuth von den trockneren Vätern der Kirche.
Die Gewandtheit im Ausdruck, der leichte Flufs der lateinischen
Rede, im karolingischen Jahrhundert so allgemein verbreitet, waren
jedoch in der fünfzigjährigen Unterbrechung schriftstellerischer Thä-
tigkeit verloren gegangen; mit grofser Anstrengung mufste man
wieder von neuem beginnen. Die mühsam erworbene gelehrte Bil-
dung ist fast überall kenntlich; man war stolz auf die neue Kunst
und trug sie gern zur Schau. Die schwerfälligen Phrasen sind er-
füllt von ungeschickt eingefügten Ausdrücken der alten Schriftsteller,
man prunkt gern mit Citaten und bringt die gelehrten Reminiscenzen
auch da an, wo sie am wenigsten passend sind, wie z. B. Liud-
prand die Ungern in ihrem Kriegsrath mit pedantischer Affeetation
griechische Worte einmischen läfst. Schulmäfsig gekünstelte Reden
sind besonders beliebt, und nur zu häufig erschwert der gesuchte
Ausdruck das Verständnifs des Inhaltes. Aber die frische Lebens-
kraft, welche jetzt wiederum die von jugendlichem Aufschwung
erfüllte Generation durchdrang, ist auch in dieser Vermummung nicht
zu verkennen 3).
Leicht genug scheinen der Nonne Hrotsuit ihre Hexameter ent-
!) Thietmari Chron. II, 10.
2) S. über ihn Haureau, Smaragdus (Singularites p. 100 — 128); NA.
IV, 250—253; Ebert II, 108—112. Seine Gedichte sind gedruckt Poet.
Lat. I, 605 — 619; sie sind ausgeschrieben von Angelomus, ib. II, 675 — 677.
Die Vorrede des Smaragdus zu seiner Via regia ist, wie Dümmler bemerkt,
gedruckt bei Denis, Codd. bibl. pal. I, 1050.
3) Vgl. über den Charakter der Litteratur dieser Zeit W. Giesebrecht,
Kaiserzeit I, 309.
Hof- und Klosterpoesie. 327
strömt zu sein, aber die reiche Fülle lateinischer Gelegenheitsdich-
tung, welche in der karolingischen Zeit überall uns begegnet, fehlt
der ottonischen. Wohl finden wir den Streit der Brüder Otto I und
Heinrich in einem halb lateinischen, halb deutschen Gedicht behan-
delt1), und auch die Schlacht auf dem Lechfeld verherrlicht2), beide
aber (in Bezug auf das erste freilich jetzt bezweifelt) den Ereig-
nissen schon so fern stehend, dafs wir hinter ihnen uns eine Fülle
deutscher Lieder zu denken haben, von jenen Mimi gesungen, deren
"Widukind gedenkt3).
Wie nun unter den ersten Karolingern die kräftige Neugestal-
tung des Reiches naturgemäfs dahin geführt hatte, die Begebenheiten
der Gegenwart aufzuzeichnen, weil man wieder Lust und Bedürfnifs
empfand, sie festzuhalten, so geschah es auch nach langer Pause
unter den Ottonen. Auch jetzt suchte man zunächst die Zeit-
geschichte festzuhalten; die Weltgeschichte zu umfassen, versuchte
man noch kaum. Aber überall begann man um die Mitte des Jahr-
hunderts, die Zeitereignisse aufzuschreiben. Beziehungen zum kaiser-
lichen Hofe wirkten auch hier anregend, aber nirgends erhob man
sich doch zu einem so klaren Ueberblicke der Verhältnisse, wie ihn
die karolingischen Reichsannalen zeigen; nur der Fortsetzer des
Regino reiht sich denselben an. Der Königshof übte wieder einen
kräftigen Einflufs, die Reichsgeschichte ist überall im Vordergründe,
aber weit mehr als in karolingischer Zeit herrschen doch locale Ge-
sichtspunkte vor, und es entwickeln sich selbständige Mittelpunkte
*) Leich von den beiden Heinrichen, ed. Lachniann bei Koepke, Jahrbb.
Otto's I S. 97. W. Wackernagel, Lesebuch 4. Aufl. I, 110. Müllenhoff u.
Scherer 3. Ausg. I, 39, vgl. II, 99 — 106. Seelmann im Niederd. Jahrb.
XII, 75 — 89, bezieht es auf den Augsb. Reichstag von 952; Bedenken
dagegen von Steinmeyer a. a. 0. S. 105.
2) Modus Ottinc, Magnus caesar, auch Otto II u. III feiernd, Lachm.
im Rhein. Mus. III, 432. Coussemaker, Hist. de l'harm. 106 u. pl. VIII, 1.
Müll. u. Scherer 3. Ausg. S. 46.
3) Ueber die lat. Hof- u. Klosterpoesie vgl. Wackernagels LG. S. 70
bis 74, über "Volkslieder S. 75. Ueber die modi des Cod. Cantabr. Bartsch,
Die lat. Sequenzen des MA. S. 145 — 165. Auf Heriger von Mainz (913
bis 926) Heriger urbis, nicht historisch, Jaffe in d. Zeitschr. f. D. Alt. XIV,
455. Müll. u. Scherer, 3. Aufl. S. 53. — Kirchliche Lieder auf Heinrich II,
Lamentemur u. Judex summe, bei Jaffe a. a. O. 458 — 461 ; Summe Caesar
NA. IV, 399. Anspielungen auf Heinrichs II Zusammenkunft mit K.Robert
von Frankreich im Ruodlieb, bei Grimm u. Schm eller, Lat. Gedichte
des 10. u. 11. Jahrh., vgl. Giesebr. II, 624. Jahrbb. Heinrichs II, II, 225.
III, 261. Ausgabe von F. Seiler, Halle 1882. Ueber Ecbasis captivi
s. unten § 6. "Verse auf Heribert von Cöln zur kirchlichen Feier, doch noch
saec. XI, Qui principium bei Jaffe S. 456.
328 HL Ottonen. § 2. Sachsen.
gelehrter Thätigkeit. Deshalb betrachten wir nach einander die
einzelnen Reichslande und beginnen mit demjenigen, von welchem
die Herrschaft der Ottonen ausging, mit Sachsen.
§ 2. Sachsen. Corvey.
Das Kloster Corvey, von Anfang an in enger Verbindung mit
dem Hause der Ludolfinger und ihrer Gunst und ihres Schutzes sich
erfreuend, hatte von der Ungunst der Zeiten weniger gelitten als
andere Stifter. Doch verschwand auch hier nach Bovo II, mit Aus-
nahme der dürftigen Annalen1), jede Spur litterarischer Thätigkeit,
bis der Glanz von Otto's des Grofsen Thaten ein Geschichtswerk
aus diesem Kloster hervorrief, wie noch keines in Sachsen ans Licht
getreten war, dessen Form aber zugleich einen bedeutenden Verfall
der grammatischen Schulbildung bekundet.
Widukind.
Widukindi Res gestae Saxonicae ed. Waitz, MG. SS. III, 408 —467. Bes. Abdruck, neue
Ausg. 1882. Uebersetzung von Schottin, mit Einleitung von Wattenbach 1852, 1882,
mit Nachtr. 1891. Geschichtschr. 33 (X. 6). Facs. d. Dresd. Hs. in E. Berners Gesch.
d. Pr. Staats I, 1890. Waitz in Schmidts Zeitschrift II, 100. L. Giesebrecht, Wend.
Geschichten III, 295. W. Giesebrecht, Geschichte der Kaiserzeit I, 779. Mauren-
brecher S. 32—43. W. v. Korvei (Ottonische Studien I) von R. Koepke, 1867. Vgl.
Waitz, GGA. 1867 S. 1429-1438. Waitz: Ueber das Verhältnis von Hrotsuits Gesta
Oddonis zu Widukind, Forsch. IX, 335—342. Alfred Kirchhoff: Ueber den Ort der
Ungarnschlacht. Forsch. XII, 573—592; Wyneken, ib. XXI, 239-250; Grandaur zur
V. Uldalrici. Vgl. auch Jul. Voigt, Die Pöhlder Chronik und die in ihr enthaltenen
Kaisersagen, Diss. Hai. 1879 (NA. V. 468). Zu I, 12 (Hirmin) Krause, NA. XVI,
611; zu I, 16 O. v. Heinemann : Die Niederlage der Sachsen durch die Normannen
880, Mitth. d. Vereins f. Hamb. Gesch. 1880, S. 58-65 (NA. VI, 203). Zu I, 36
(Lunkini) Virchow, Verhandl. d. Berl. Anthropol. Ges. 1886, S. 422 ff. Zu I, 40
(Chnuba) R. v. Liliencron, Der Runenstein von Gottorp, Kiel 1888 (NA. XIII, 654).
Zu II, 1 (Krönung Ottos) Beissel über den Aachener Königstuhl, Ann. d. Aach. Ge-
schichtsvereins, 1888, S. 14 ff. Zu II, 10 (Schöppenkampf) B. Simson, Forsch. XXV,
369—373. Planck, Münch. SB. 1886, S. 155-180.
Im Jahre 967, als Kaiser Otto auf der Höhe seiner Macht stand,
unternahm es Widukind, Mönch im Kloster Corvey, die Geschichte
seines Volkes zu schreiben, nachdem er vorher sich mit der Be-
arbeitung von Heiligenleben beschäftigt hatte2). Dadurch, so sagt er
selbst, habe er seinem Berufe genug gethan ; jetzt erfülle er die
Pflicht gegen seinen Stamm und sein Volk, indem er die Thaten
ihrer Fürsten niederschreibe. In der Widmung an die Aebtissin von
Quedlinburg, des Kaisers Tochter Mahthild, bezeichnet er genauer
als seinen Gegenstand die Thateu Heinrichs und Otto's; die Ueber-
J) Oben S. 254. Durch ihren Inhalt sind sie bei dem Mangel anderer
Nachrichten wichtig.
2) Es sind alte Legenden, die er nur stilistisch umformen konnte. Er
muss sich also darin mehr zugetraut haben, als wir ihm zugestehen können.
Leider sind sie nicht bekannt und wir wissen also nicht, ob sein Stil darin
nicht ein ganz anderer war.
Widukind. 329
schrift aber bezeichnet sein Werk als die Geschichte der Sachsen.
Denn Yolk und Herrscher waren auf das innigste verbunden, und
in dem Ruhme des Kaisers fühlte das ganze Yolk sich gehoben, wie
es denn auch seinen reichen Theil daran hatte. Gänzlich fern lag
es Widukind, nach der Weise der Chronisten an das römische Reich
anzuknüpfen, sondern völlig dem Verlaufe der geschichtlichen Ent-
wicklung entsprechend, nimmt er zum Ausgangspunkte seiner Er-
zählung die Urgeschichte der Sachsen. Ihre alten Sagen zeichnet
er auf, und obgleich er es nicht lassen kann, sie durch übel ange-
wandte Schulgelehrsamkeit zu entstellen, so erkennt man doch in
jedem Worte die Freude des Mönches an seinen alten heidnischen
Vorfahren, an diesem kraftvollen Geschlechte, vor dem schon damals
die Franken sich fürchteten. Heiden freilich durften sie nicht bleiben,
und darum mufsten sie nach tapferer Gegenwehr den Franken
unterliegen, um durch die Taufe nun mit ihnen ein Volk zu werden.
Aber das Gefühl der Unterdrückung lastet dennoch auf ihnen, bis
nun S. Veit zu ihnen kommt, und mit ihm das Glück, welches die
Westfranken jetzt verläfst. Unter seinem Schutze gedeihen und
erstarken die Sachsen und werden unter ihrem grofsen König Heinrich
aller übrigen Völker und selbst der Franken Herr; kein fremder
Gebieter beschränkt hinfort ihre Freiheit.
Gegen Otto erheben sich noch einmal alle Stämme, schon
schwindet die Hoffnung, dafs das Reich ferner bei den Sachsen
bleibe, aber mit Gottes Hülfe überwindet Otto alle seine Widersacher,
er bändigt die Slaven, die Ungern, die Westfranken, bringt auch
Italien wieder ans Reich, und beherrscht nun, von Gott und S. Veit
beschützt, mit seinen Sachsen die Christenheit.
Durch diese durchgehende Einheit der Auffassung und durch
•die naturfrische Lebendigkeit der Darstellung hat das ganze Werk
eine epische Färbung; was in der Ferne vorgeht, berührt Widukind
nur kurz, und ist darüber auch wenig genau unterrichtet, so wie
er für die älteren Zeiten freilich auf Beda und die Geschichte der
Franken und Langobarden hinweist, auch Jordanis über den Ur-
sprung der Hunnen ausschreibt, Einhards Leben Karls benutzt, aber
von ernstlicher kritischer Forschung doch kaum eine Vorstellung
hat. Für näher liegende Zeiten wird es ihm nicht ganz an anna-
listischen Aufzeichnungen gefehlt haben, an welche die noch erhal-
tenen Corveyer Annalen anklingen. Die Translatio S. Viti kannte
er, und doch wohl auch Bovo's Werk. Aber die mühsam und geist-
los compilirende Arbeit anderer Chronisten liegt seiner Weise ganz
fern. Dem Epos steht er auch darin nahe, dafs er vorzüglich bei
330 HI. Ottonen. § 2. Sachsen.
der Schilderung der Schlachten und anderer Begebenheiten verweilt,
über ihre geschichtliche Verknüpfung aber rasch hinwegeilt. Die
Composition des Werkes ist von R. Koepke genau untersucht und
dargelegt: recht deutlich stellt sich daraus die ganz einheitliche
ursprüngliche Aufzeichnung dar, welche durch das gewissenhafte
Bestreben, auch anderen Thatsachen ihre Stelle anzuweisen, zerstückt
und oft unklar geworden ist. Am auffallendsten ist in solcher Weise
die Schilderung der Schlacht auf dem Lechfelde zerrissen. In dem
Autograph des Leo von Ostia sehen wir ein solches Verfahren noch
deutlich vor uns, doch ist ohne Zweifel Koepke in seinen Folgerungen
und Behauptungen vielfach zu weit gegangen: an einen fertig
geschriebenen Entwurf des ganzen Werkes in dieser Weise ist gewifs
nicht zu denken. Eingehend kritisirt und zurückgewiesen ist Koepke's
Hypothese von J. Raase1).
Einen seltsamen Gegensatz zu dem ganz volksthümlichen Inhalt
bildet der gesuchte sallustische Ausdruck2), gemischt mit den Worten
und Wendungen der lateinischen Bibel. Mühsam zieht er dem
widerstrebenden Gedanken ein altrömisches Kleid an, das oft nur
schwer und unvollkommen erkennen läfst, was er eigentlich sagen
will. Die Nachahmung der antiken Redeweise beherrscht ihn so
sehr, dafs er sogar Heinrich wie Otto nach dem Siege über die
Ungern vom Heere als Imperator begrüfsen läfst, und Otto auch von
da an so nennt, die Kaiserkrönung in Rom aber ganz übergeht, wie
denn überhaupt der Pabst in der eigentlichen Geschichtserzählung
gar nicht genannt wird3).
Betrachten wir Widukinds Buch als eigentliches Geschichtswerk,
so können wir nicht umhin, es für sehr mangelhaft zu erklären;
seine Auffassung der Dinge und namentlich seines grofsen Kaisers
ist keineswegs richtig; so wie der Kaiser selbst den Standpunkt
J) Widukind von Korvei, Rost. Diss. 1880.
2) Dafs er auch Livius gekannt habe, weist Koepke S. 175 nach.
Benutzung des Tacitus u. a. sucht Manitius nachzuweisen , NA. XI,
45—90.
3) Maurenbrecher S. 40 bemerkt, dafs Widukind einem im Mittelalter
häufigen Sprachgebrauch folgend unter Imperator den Herrscher über
mehrere Völker versteht, weshalb er auch Theuderich so nennt, vgl. Ann.
Fuld. a. 869: Mon. Sangall. II, 11 und die Titel des angelsächsischen Königs
Eadgar, die Krönung Alfons von Spanien 1135. Doch betrachtet er Theu-
derich ganz nach der Analogie des karol. und sächs. Kaiserthums, und das
gänzliche Schweigen von der Kaiserkrönung ist darum nicht minder auf-
fallend. In Bezug auf sein Verhalten zum Wunderglauben seiner Zeit ist
zu bemerken, dafs probare bei ihm nicht billigen, sondern erproben
bedeutet, und er deshalb über S. Wenzels Wunder keine Mifsbilligung,
sondern nur einen kritischen Zweifel ausspricht.
Widukinds Sachsengeschichte. 331
eines Sachsenfürsten verliefs, wurde er dadurch dem Gesichtskreise
Widukinds entrückt. Obgleich Mönch, übersieht dieser fast ganz
die so überaus wichtige kirchliche Wirksamkeit Otto's, und besonders
auffallend ist sein Schweigen über die Stiftung des neuen Erzbisthums
in Magdeburg. Er stand dem kaiserlichen Hause nicht ganz ferne,
wie seine Widmung an Mahthild zeigt — ein zwölfjähriges Mädchen,
dem er fast ärger schmeichelt, als die Devotion gegen das Haus der
Ottonen entschuldigen kann ' — und es kamen ihm gute Nachrichten
zu, aber er blieb doch als Mönch in seinem Kloster, und war daher
nicht im Staude, sich diejenige Uebersicht der Verhältnisse zu ver-
schaffen, welche damals wohl nur am kaiserlichen Hofe zu erlangen
war. Deshalb kann ich auch nicht der Auffassung Koepke's zu-
stimmen, welcher einen längeren Aufenthalt am Hofe annimmt, und
Erzbischof Wilhelm einen bestimmenden Einflufs auf das Werk bei-
mifst: wir müfsten dann ganz andere Gesichtspunkte hervortreten
sehen. Wohl hat er den Kaiser und seinen Hof gesehen, wenn sie
das heimathliche Sachsen aufsuchten, aber von dem, was jenseit der
sächsischen Grenze liegt, scheint ihm aus eigener Anschauung kaum
etwas bekannt zu sein. Selbst in Magdeburg mufs er ganz fremd
gewesen sein, da er sonst doch wohl nothwendig für die so wichtige
Stiftung der wendischen Bisthümer und die viel bestrittene Errich-
tung des Erzbisthums einige Theilnahme gewonnen hätte.
Dafs Widukind Hrotsuits Gedicht gekannt, dafs er dazu eine
Art von Ergänzung hätte geben wollen, ist ein Phantasiegebilde von
Koepke, welches G. Waitz hinlänglich widerlegt hat.
Bleibt nun auch Widukind in seiner Darstellung hinter dem
seinem Gesichtskreis entrückten Reich zurück, so verleiht ihm da-
gegen gerade seine Einseitigkeit und die lebendige Wärme des Volks-
bewufstseins einen Reiz, der den objectiver gehaltenen Annalen fehlt,
und stofflich betrachtet sind seine Mittheilungen für uns von dem
unschätzbarsten Werthe. In allem, was ihm nahe lag, zeigt er sich
durchaus zuverlässig, unbefangen und wahrheitsliebend in der Schil-
derung der handelnden Personen, und so sehr er auch für das Otto-
nische Haus begeistert ist, liegt eine absichtliche Entstellung der
Thatsachen zu ihren Gunsten ihm jedoch gänzlich fern. Sogar für
jene kühnen Recken, die im unbändigen Trotze lieber alles erdulden,
als der Herrschaft ihres Vetters sich fügen wollten, bezeugt er eine
offenbare Theilnahme, ja Vorliebe, wie auch beim Volke solche
Naturen immer Anklang finden; zuletzt, wo er schon zum Schlufs
eilt und selbst das Näherliegende oberflächlich behandelt, zieht ihn
doch noch Wichmanns Trotz und Untergang übermächtig an. Widu-
332 III. Ottonen. § 2. Sachsen.
kind ist eben mit seinen Vorzügen, wie mit seinen Mängeln ein
ganzer Sachse des zehnten Jahrhunderts, und in ihm spiegelt sich
die Natur seines Stammes treu und wahr. Es konnte daher auch
nicht fehlen, dafs sein Werk gern und viel gelesen wurde; es findet
sich bei den späteren Schriftstellern überall benutzt, jedoch seit dem
zwölften Jahrhundert nicht mehr unmittelbar, sondern nur durch die
Vermittelung Ekkehards, der es fast ganz in seine grofse Weltchronik
aufgenommen hatte1). Daraus erklärt es sich wohl, dafs uns nur
drei Handschriften davon erhalten sind. Wie es scheint, enthält
von ihnen die eine, jetzt Dresdener (A), das Werk in seiner ursprüng-
lichen Gestalt2); später hat Widukind am Schlüsse noch einiges in
loserer Verknüpfung hinzugefügt, den so sehr merkwürdigen Brief des
Kaisers aus Capua und die schöne Schilderung vom Tode der Königin
Mahthild und von des Kaisers Heimkehr und Tod. Zugleich ver-
änderte er einige Ausdrücke; vielleicht auch die Stelle über des
Erzbischofs Hatto Nachstellungen gegen Heinrich (I, 22), in welcher
die Dresdener Handschrift von der Schuld des Erzbischofs schweigt.
Doch ist auch möglich, dafs vielmehr in der an Fremde hinaus-
gegebenen Abschrift jene bedenkliche Stelle geändert war, denn sie
macht den Eindruck einer Abkürzung, und es sind Worte darin,
welche nur durch die Vergleichung mit Cod. 1 ihre Erklärung finden3).
Die in Corvey gebliebene Handschrift wurde abgeschrieben (Cod. 1
in Montecassino) und vielleicht etwas später in Corvey interpolirt,
um eine Notiz über den Abt Bovo und eine ausführliche Erzählung
der beliebten Volkssage von dem Untergange des Grafen Adalbert
von Babenberg durch Hatto's Verrath anzubringen4). Doch schreibt
x) Benutzung durch Dietrich von Niem zeigt Lindner, Forschungen
XXI, 90.
2) Vgl. über diese Handschrift NA. II, 450, und die neue Ausgabe
von Waitz.
3) Namentlich: „Hatho videns suis artibus finem impositum". Dafs
die Darstellung der Dresdener Handschrift nicht in Widukinds Stil ge-
schrieben wäre, und man deshalb mit Waitz die Hand eines Fremden
erkennen müfste, möchte ich nicht mehr behaupten. Auch Waitz ist davon
zurückgekommen. Für die Halsbandgeschichte findet sich ein merkwürdiges
Seitenstück in Walkenried, welches Leibniz, Ann. Imp. II, 263 erzählt, und
in Konrad Stolle's Erfurter Chronik, herausgegeben von Hesse, S. 177.
Zu I, 12 vgl. noch Mich. Lindener ed. Lichtenstein, S. 130: „vermeinet
auch, unser Herrgott hiefs Herman".
4) B. Simson bemerkt hiergegen, dafs 2 an mehreren Stellen A näher
steht, was richtig ist. Dem Schreiber derselben kann das überarbeitete
Original selbst vorgelegen haben. Auch Waitz bemerkt, dafs der Text in
2 besser sei als in 1. In der Oratio S. Viti I, 34 steht 2 dem Original
am nächsten, 3 aber stimmt mit A und 1. B. Simson, NA. XII, 597.
Vgl. dens. NA. XV, 565—575. Wenn Giesebrecht I, 810 Glossen im Text
Herkunft der Schwaben. Ibrahim-ibn-Jaküb. 333
jetzt Waitz auch diese Stücke Widukind zu. In dieser Gestalt
findet sich das Werk in der Steinfelder Handschrift (Cod. 2, jetzt
im Brit. Museum Add. 21109) und in der Frechtschen Ausgabe, und
so lag es schon Ekkehard und dem Annalista Saxo vor. Man möchte
glauben, dafs Widukind selbst mancherlei geändert und auf die
Ränder geschrieben hat, und dafs die Abschreiber bald die ursprüng-
liche Schrift und bald die Aenderungen und Zusätze aufnahmen.
Die sagenhafte Erzählung Widukinds von der Theilnahme der
Sachsen an dem Kampfe der Franken und Thüringer ist, auch hier
durch Ekkehard vermittelt, im zwölften Jahrhundert benutzt worden
für die seltsame Geschichte von der Herkunft der Schwaben,
in welcher an die Stelle der Sachsen die Schwaben gesetzt sind,
die wegen Hungersnoth aus Schweden auswanderten. Diese von
Goldast 1604 als Anonymus de Siievorum origine zuerst veröffentlichte
Fabel, welche aber Spuren wirklicher alter Sage enthält, ist von
Müllenhoff nach einer ziemlich gleichzeitigen Handschrift neu heraus-
gegeben1), der zugleich nachgewiesen hat, dafs sie nur im sächsischen
Schwabengau an der Bode entstanden sein kann, aber in Schwaben
aufgezeichnet ist.
Unerwarteter Weise sind unsere Nachrichten über diese Zeiten,
ganz vorzüglich aber über die Zustände der Wendenländer, durch
einen sehr werthvollen Fund vermehrt worden, nämlich den in einem
arabischen Sammelwerke enthaltenen Bericht des Juden Ibrahim-
ibn-Jaküb, d. i. auf deutsch Abraham Jakobsen, über die
Slaven. Er hat, wie er selbst erwähnt, Kaiser Otto gesprochen und
Gesandte der Bulgaren in Merseburg getroffen. Man hat das auf
das Jahr 973 bezogen, allein von Herrn Kunik habe ich jetzt erfahren,
dafs seiner Ueberzeugung nach Ibrahim seinen Bericht vor 970 abge-
fafst hat, was allerdings besser zu der Thatsache stimmt, dafs schon
971 das Königthum der Bulgaren sein Ende fand. Eine Unter-
suchung über diesen Bericht, in vielen Stücken von früheren Deu-
tungen abweichend, hat Fr. Westberg verfafst; dieselbe ist aber
noch nicht gedruckt, und ich verdanke dem Verf. die Mittheilung
seiner Resultate in der neuen Ausgabe der Uebersetzung des Widu-
kind2).
erkennen will, so ist dagegen doch zu bemerken, dafs diese Stellen sich
schon in A finden, also älter sind als die Vollendung des Werkes, und
deshalb nur von Widukind selbst herrühren könnten.
1) Zeitschrift f. D. Alt. XVII, 57—71 mit Nachtrag XIX, 130. Uebers.
bei der 2. Ausg. des Widukind, S. 131 — 137.
2) Da dieser Bericht der deutschen Historiographie fern liegt, begnüge
ich mich, auf meine Bearbeitung nach De Goeje zu verweisen, hinter der
334
III. Ottonen. § 3. Gandersheim. Quedlinburg.
§ 3. Fortsetzung. Gandersheim. Quedlinburg.
Während die schwerfällige, von Fehlern keineswegs freie Sprache
Widukinds von den gelehrten Studien in Corvey eben kein günstiges
Zeugnifs ablegt, überrascht im Kloster Gandersheim die Nonne
Hrotsuit, wie sie selbst übersetzt: clamor validus Gandeshemensis,
durch ihre klassische Bildung und ihre grofse Herrschaft über die
Form des Ausdruckes; ihr bedeutendes Talent war durch eine sorg-
fältige Schulbildung unter der Leitung der Rikkardis entwickelt, und
sie hatte dann diese Studien unter der Leitung der Nichte des
Kaisers, Gerberga, fortgesetzt. Sie bearbeitete verschiedene Gegen-
stände aus der älteren Kirchengeschichte in metrischer Form und
verfafste darauf auch sechs Komödien über verwandte Stoffe, weil
es ihr anstöfsig war, dafs der leichtfertige Terenz überall mit so
grofsem Vergnügen gelesen wurde. Doch diese Seite ihrer dich-
terischen Thätigkeit, in anderer Beziehung weitaus die wichtigste,
liegt unserer Aufgabe fern.
In ähnlicher Weise wie Widukind wurde aber auch Hrotsuit
durch die glänzenden Thaten Otto's des Grofsen der Geschichte der
Gegenwart zugeführt; ihre Aebtissin Gerberga (959 — 1001), Herzog
Heinrichs von Baiern Tochter, forderte sie auf, ein Heldengedicht
zum Preise ihres Oheims zu verfassen1), welches dem Erzbischof Wil-
helm von Mainz, dem Sohne des Kaisers, überreicht werden sollte.
Uebersetzung des Wid. (2. Ausg.) S. 138 — 147. Merkwürdig ist auch: Ein
arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahrhundert über Fulda,
Schleswig, Soest, Paderborn u. a. deutsche Städte. Zum ersten Mal aus
dem Arab. übertragen, komm. u. mit einer Einleitung versehen von Georg
Jacob. Berlin, Mayer u. Müller 1890.
J) Hrotsuithae Carmen de gestis Oddonis I imperatoris ed. Pertz, MG.
SS. IV, 317 — 335. Die Werke der Hrotsvitha, herausgegeben von Dr. K.
A. Barack (mit Verbesserungen aus der Pommersfelder Handschrift), Nürnb.
1858. Uebersetzung der beiden historischen Gedichte von Pfund, 1860;
Geschichtschr. 2. Ausg. 1888, Bd. 32 (X, 5). Vgl. W. Giesebrecht, Gesch.
d. Kaiserzeit I, 780; Maurenbrecher S. 57 — 62; R. Koepke, Hrotsuit von
Gandersheim, (Ott. Studien II) 1869 mit Facs. der Handschrift. Auf der
Rückseite des letzten Blattes ist nach C. Hoefler altglagolitische Schrift,
was in St. Emmeram nicht auffallen kann; Pfeiffers Germania XV, 194.
Vgl. über das Verhältnifs zu Widukind die oben S. 328 angeführten Auf-
sätze von Waitz. Aschbachs Angriffe gegen die Echtheit der Werke
bedürfen kaum der Erwähnung; Koepke hat endgültig damit aufgeräumt,
wenn auch A. selbst in seinem neuesten Werke es nicht zugeben wollte.
Hugo Graf von Walderdorff hat in den Verhandlungen d. hist. V. v. Ober-
pfalz u. Regensb. XXIX, 16 die Inhaltsangabe der Handschrift aus dem
Catalog der Bibl. v. St. Emm. von 1500 mitgetheilt, die wohl schon vor
Hrotsuit von Gandersheim. 335
Im Jahre 968 war es vollendet, und die Dichterin übersandte es
mit einer poetischen Widmung nicht nur dem jüngeren Kaiser,
welcher ein Exemplar davon verlangt hatte, sondern auch dem alten
Kaiser selbst. In keinem Buch, so sagt sie, sei bisher derselbe
Gegenstand behandelt, keinem sei sie gefolgt; es sind die Mitglieder
der kaiserlichen Familie, welche ihr den Stoff gegeben haben, und
so ist es denn nicht zu verwundern , dafs verschiedene Rücksichten
auf die Darstellung eingewirkt haben. Ueber die Vergangenheit
Heinrichs von Baiern konnte hier nur mit der äufsersten Vorsicht
gesprochen werden. Es war nur zu viel in der kaiserlichen Familie
vorgefallen, dessen man ungern gedachte. Widukind hatte ohne
Scheu davon gesprochen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass einige
ihrer Aeufserungen direct gegen sein Geschichtswerk gerichtet sind.
Mit der Wahrheit hat sie es hier eben nicht genau genommen: sie
oder ihre Berichterstatter, deren abweichenden Angaben über schon
fernliegende Dinge sie in gutem Glauben trauen mochte. Daneben
aber gab es doch auch sonst des Stoffes noch reichlich genug, und
hier hat Hrotsuit nicht nur manches, wie namentlich die Flucht der
Kaiserin Adelheid, in hübscher und ansprechender Weise behandelt,
sondern sie hat auch geschichtlich wichtige Thatsachen und Um-
stände aufbewahrt. Gerade die von Widukind vernachlässigten Vor-
gänge in Italien und die uns leider nicht erhaltene Kaiserkrönung
hat sie ausführlich behandelt. Die Familiengeschichte ist ihr die
Hauptsache, Schlachten zu schildern weist sie ausdrücklich als ihr
nicht zukommend ab. Ausdrücklich hebt sie hervor, dafs sie nur
wiedergebe, was man ihr berichtet habe, und wie in ihren übrigen
Werken, so hält sie sich auch hier ganz genau an den ihr über-
lieferten Gegenstand, und erlaubt sich nie, ihn der poetischen Dar-
stellung zu Liebe umzugestalten. Die metrische Form bleibt bei ihr
nur ein äufserliches Gewand, und wir können daher ihre Erzählung
geradezu als Geschichtswerk benutzen. Um so mehr ist es zu
bedauern, dafs etwa die Hälfte ihres Werkes verloren ist, und zwar
gerade die so inhaltreichen Jahre 953 — 962; nur ein kleines Bruch-
stück daraus ist vorhanden, und keiner der uns bekannten mittel-
alterlichen Schriftsteller hat ihr Werk benutzt.
Lange Zeit hat Hrotsuit an der Dichtung, die ihr offenbar grofse
Mühe machte, gearbeitet, denn im Anfang erwähnt sie den 965
der Verleihung an Celtis geschrieben war. — M. Haupt im Hermes VII,
189 zeigt, dafs Hrotsuit den Plautus nicht gekannt hat. Nach Günther,
Gesch. d. math. Unterrichts (1887) S. 83 ff. kannte sie Boethius de
arithmetica.
336 HI. Ottoneu. § 3. Gandersheim. Quedlinburg.
gestorbenen Erzbischof Brun noch als lebend. Bruno Zint1) hat die
Ansicht aufgestellt, dafs sie, als sie die Widmungen an Gerberga
und an Otto I schrieb, auch die Absicht hatte, ihr Werk in gleich
ausführlicher Weise bis zum Schlufs zu führen, worauf der Wortlaut
allerdings führt; später habe sie, als Otto II ein Exemplar verlangte,
die Darstellung der Kaiserzeit aufgegeben und den summarischen
Schlufs hinzugefügt. In der Zwischenzeit könnte ihr Widukind
bekannt geworden sein, der bei der eigentlichen Arbeit ihr nicht
vorlag. Dagegen tritt Zint sehr bestimmt für die schon früher auf-
gestellte Behauptung ein, dafs Liudprands Antapodosis ihr bekannt
gewesen und von ihr benutzt sei, und bringt dafür sehr erhebliche
Gründe bei. Mit den von ihr in der Widmung gebrauchten Aus-
drücken läfst sich das wohl vereinigen, da Liudprands Werk doch
ganz anderer Art war.
Später behandelte Hrotsuit in ähnlicher Weise auch die Anfänge
ihres Klosters und dessen Geschichte bis zum Jahre 919, bis zum
Tode der Christina, der letzten von den drei Töchtern Ludolfs,
welche nach einander dem Stifte vorstanden2). Da diese Dichtungen
sich von der Prosa fast nur durch die äufsere Form unterscheiden,
so lassen sie sich den später so beliebten Reimchroniken vergleichen;
sie schliefsen sich nicht dem Epos Angilberts, sondern den versi-
ficirten Annalen des sächsischen Dichters an.
Die Gandersheimer Nonnen sind dem gewöhnlichen Geschick
reicher und vornehmer Stifter verfallen ; von ihren Studien ist nach
diesen vielversprechenden Anfängen ferner nicht die Rede. Ueber
den Kirchenstreit, welcher so viel Unruhe erregte, haben wir der
Hildesheimer Darstellung eine Gandersheimer nicht gegenüber zu
stellen. Yon der Aebtissin Sophie (1002—1039), Otto's II Tochter,
heifst es zwar noch :
Danken, word unde werk wände se all to gode,
Und er der ebtissen or nichteln hode
Lernde se clostertucht unde ok landrecht darto:
De scrift to lernde was se vlitich spade unde vro.
Dat bok secht, dat se so vele wisheit konde,
Dat se ok wolgelarden meistern wedderstunde.
J) Bruno Zint: Ueber Roswitha's Carmen de gestis Oddonis, Königsb.
Diss. 1875.
2) De primordiis coenobu G ander sheimensis. MG. SS. IV, 306 — 317. Die
nach einer von Waitz, Arch. VIII, 266, angef. Notiz in Koburg befindliche
Copie habe ich dort vergeblich gesucht, dagegen ein altes Verzeichniis
des Gandersheimer Kirchenschatzes gefunden und im Anz. d. Germ. Mus.
XX, 345—347 mitgetheilt.
Eberhart von Gandersheim. 337
Aber gerade unter ihr scheint die Hoffart dort eingezogen zu
sein. Das Buch war wohl sicher von keiner Nonne verfafst. Es
behandelte die Stiftung des Klosters und dessen Geschichte bis zu
der Kirchweih von 1007 und der Schenkung von Derneburg, nebst
der aufs engste damit verflochtenen, ja an die Pflege des Klosters
geknüpften Erhebung des Hauses des Ludolfinger. Im Jahre 993
war das Kloster abgebrannt; nach Beilegung des langen Streites mit
dem Erzbischof Willegis wurde der Neubau 1007 durch den Bischof
Bernward von Hildesheim eingeweiht, und ohne Zweifel durch diese
Vorgänge wurde die Schrift veranlafst. Von Hrotsuit scheint der
Verfasser nichts mehr gewufst zu haben. Dagegen benutzte er
Widukind, vorzüglich für die Geschichte des Königs Heinrich , und
verband damit eine schon sagenhaft entstellte Ueberlieferung vom
Ungernkrieg. Die Aebtissinnen Gerbirg und Sophie werden sehr
verherrlicht, aber was von ihnen und ihrem Verhältnifs zum Kaiser-
haus berichtet wird, trägt schon ein so sagenhaftes Gepräge, dafs
eine geraume Zeit dazwischen liegen mufs. Erhalten ist uns dieses
Buch nicht, wohl aber die deutsche Bearbeitung des „papen Eber-
hart" von 1216 in wortreicher Reimerei1).
Merkwürdig ist vorzüglich, dafs uns hier, wie es nach der sorg-
fältigen Untersuchung von Paul Hasse scheint, der erste Anfang
jener sagenhaften Ausschmückung der Geschichte entgegentritt, deren
wir noch, mehrfach zu gedenken haben werden; noch andere Spuren
leiten dabei gerade nach Gandersheim, und die Darstellung des
Sieges über die Ungern in der von Heinrich von Herford benutzten
Sachsenchronik ist mit dem Bericht bei Eberhart verwandt2).
In der Zeit der Ottonen scheinen auch andere Frauenklöster
Sachsens hinter Gandersheim an gelehrter Bildung nicht zurück-
geblieben zu sein, wenn auch gerade keine Hrotsuit ihnen einen so
hohen Ruhm vor der Welt verlieh, wie Gandersheim. Der Hazecha
von Quedlinburg gedachten wir schon oben (S. 321). Nicht leicht
traten die Nonnen als Schriftstellerinnen auf, aber auch die Bildung
der Priester, welche wie Agius dem Stifte nahe standen oder auch
dem Kloster selbst angehörten, erlaubt einen vortheilhaften Schlufs
auf den Zustand der Klosterschule.
Herford hatten wir schon früher (S. 253) zu erwähnen wegen
1) Eberhards Reimchronik von Gandersheim, neue Ausg. von L. Weiland,
MG. Deutsche Chroniken II, 385—429. Vgl. P. Hasse: Die Reimchronik
des Eberhard von Gandersheim, Diss. Gott. 1872.
2) Nicht daraus abzuleiten, s. Waitz, Jahrbb. unter Heinrich I, 3. Ausg.
S. 259.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 22
338 HI« Ottonen. § 3. Gandersheim. Quedlinburg.
der Uebertragung der heiligen Pusinna. Hier ward Hathumod er-
zogen, und es wird von Agius gerühmt. Hier wurde auch die Königin
Mahthild unter der Aufsicht ihrer gleichnamigen Grofsmutter, der
Aebtissin des Klosters, erzogen und unterrichtet. Als Witwe stiftete
die Königin das Kloster Nordhausen, und hier wurde im nächsten
Jahrzehnt nach ihrem Tode (28. Febr. 968) ihr Leben beschrieben,
entweder von einer Nonne des Stiftes oder von einem Priester, der
ihr nahe gestanden hatte und von der Aebtissin Ricburg die übrigen
Nachrichten erfuhr. An den Kaiser Otto II ist es gerichtet und
natürlich ganz panegyrischer Art. Auch die Form ist ungeschickt,
aber in dieser Zeit war es noch ein nicht häufiges Verdienst, über-
haupt schreiben zu können. Der Inhalt genügt freilich unseren
Wünschen bei weitem nicht; die gewöhnlichen Schilderungen klöster-
licher Frömmigkeit nehmen den gröfsten Raum ein, und wie Einhard
die Worte Suetons benutzt hat, um den Kaiser Karl zu schildern,
so finden wir hier ganze Stellen aus Sulpicius Severus und aus dem
Leben der Radegunde angewandt. Herzog Heinrich ist von Jaffe
entlarvt als der Pamphilus aus Terenz Andria1). Das Formelhafte
dieser Lobpreisungen tritt dadurch hier noch mehr als sonst hervor,
und an einer Stelle ist sogar die Geschichte selbst dadurch sehr
wesentlich berührt worden, indem Otto I eine gewaltsame Thron-
besteigung zum Vorwurf gemacht wird. Diese Behauptung, welche
früher einigen Anstofs erregt hatte, wird nun niemand mehr irren,
seitdem Jaffe, der jene fremden Federn überhaupt zuerst entdeckte,
hier eine Stelle des Sulpicius Severus nachgewiesen hat, welche den
Kaiser Maximus angeht. Seitdem hat nun H. Heerwagen auch noch
die Plünderung der Vita S. Gertrudis ans Licht gebracht, und da-
durch Koepke's Ansicht von einer Benutzung des Widukind in dieser
Biographie die letzte Stütze entzogen. Er hat zugleich auf die zahl-
reichen Fragmente von Hexametern hingewiesen, welche bedeutende
Vertrautheit mit alten Dichtern zeigen, während dagegen der von
Loeher angeregte Gedanke an eine ursprünglich metrische Bearbeitung
durch die musivische Zusammensetzung mit jenen Plagiaten un-
möglich wird2).
Dennoch gewährt uns diese Schrift einige schätzbare Nach-
richten, und es ist deshalb sehr erfreulich , dafs R. Koepke sie in
1) Forschungen IX, 343—345.
2) Heerwagen: Einige Bemerkungen zu den beiden Lebensbeschrei-
bungen der Königin Mathilde, Forschungen VIII, 367 — 384. Sehr beach-
tenswerth für die schablonenmäfsige Natur der Legenden überhaupt, und
zur Warnung, dafs man auf die stereotypen Wendungen derselben kein
Gewicht zu legen hat.
Leben der Königin Mathilde. 339
einer Göttinger Handschrift entdeckte1). Früher kannte man nur
eine spätere Ueberarbeitung derselben, deren Verfasser, ebenfalls
dem Kloster Nordhausen nahestehend, das "Werk stilistisch umformte
und manches veränderte, namentlich Heinrich von Baiern, Mahthilds
Lieblingssohn, ungebührlich hervorhob, dem Enkel desselben, Hein-
rich II, zu Liebe, welcher ihm diese Arbeit aufgetragen hatte2).
Dafs hierzu Gumpolds Wenzellegende benutzt war, hat zuerst Loeher
bemerkt, der jedoch eine gemeinsame Quelle annahm; R. Koepke
hat das richtige Yerhältnifs festgestellt. Die genaueste und sehr
lehrreiche Analyse der ganzen Vita hat aber Heerwagen ange-
stellt. Die Bildung ist inzwischen schon bedeutend mehr clerical
geworden; nicht mehr vergilische Anklänge herrschen hier, sondern
die kirchliche Reimprosa des Chorgesangs. Der Ausdruck ist geglättet,
und die wörtlichen Entlehnungen sind mehr verwaschen, dafür aber
andere dazugekommen, und wieder ist es derselbe gelehrte Apparat,
vermehrt jedoch durch Sedulius (ep. ad Macedonium), mit welchem
auch der Ueberarbeiter wirthschaftet. Recht lebhaft tritt uns hier
entgegen, wie frei für kirchliche Zwecke und zur verzierenden Aus-
schmückung die Ueberlieferung behandelt und wie bereitwillig der
Schmeichelei für das regierende Haus die Wahrheit geopfert wird.
Den Anspruch auf geschichtliche Glaubwürdigkeit hat diese jüngere
Vita vollständig eingebüfst.
Bedeutender als Herford und Nordhausen tritt Quedlinburg
hervor, ebenfalls eine Stiftung der Königin Mahthild; die erste Aeb-
tissin (966 — 999) war ihre Enkelin gleiches Namens, die Tochter
Otto's des Grofsen, welcher Widukind seine Geschichte widmete.
Hier wurde die Pfalzgräfin Agnes erzogen, und auch der Bischof
Thietmar von Merseburg hat hier seine ersten Jugendjahre verlebt,
1) Vita Mahthildis antiquior ed. Koepke, MG. SS. X, 575—582; vgl.
G. Waitz in den Goett. Nachrichten 1852, N. 13. Giesebrecht, Geschichte
der Kaiserzeit, I, 782 — 784. 835. Uebersetzung von Jaffe 1858, wo die
fremden Federn des Verfassers zuerst bemerkt und nachgewiesen sind;
2. A. 1891, Geschichtschr. Bd. 31 (X, 4). R. Koepke, Forsch. VI, 147
bis 171 verficht seine Ansicht, dafs der Verf. unter Otto III schrieb. Ver-
besserungen des Textes von Heerwagen, Forsch. VIII, 382; aus der Hand-
schrift von Jaffe, Forsch. IX, 344. Vgl. auch Wilmans, Kaiserurkk.
S. 439 ff. über das Stift Enger.
2) Vita Mahthildis reginae ed. Pertz, MG. SS. IV, 283—302. Daraus
Migne CXXXV. Varianten der älteren und besseren Düsseldorfer Hand-
schrift giebt B. Simson im Archiv f. Gesch. d. Niederrheins VII, 159 — 163.
R. Koepke, Forsch. VI, 170, setzt die Abfassung in das erste Jahr Hein-
richs II. Ranke, Weitgesch. VIII, S. 628—634, legt den Angaben der
jüngeren Vita über Heinrichs Anspruch auf die Krone grössere Bedeutung
bei, als ihnen m. E. Widukind gegenüber zukommt.
22*
340 IH- Ottonen. § 3. Gandersheim. Quedlinburg.
wie denn häufig in damaliger Zeit zum geistlichen Stande bestimmte
Knaben die Anfänge des Unterrichts von den Frauen ihrer Familie
erhielten1). Wir haben schon oben (S. 321) der gelehrten Nonne
Hazecha gedacht, von welcher es fast den Anschein hat, als ob sie
der Studien wegen sich in Speier aufgehalten habe.
Die bedeutende Stellung, welche die Aebtissin von Quedlinburg
im Reiche einnahm, besonders als Otto III ihr während seines Römer-
zuges die Verwaltung der Geschäfte übertrug, konnte nicht fehlen,
hier das Bedürfnifs nach geschichtlichen Aufzeichnungen hervorzu-
rufen, so wie an Nachrichten hier kein Mangel sein konnte.
Verschiedene Jahrbücher hatte man zu diesem Zwecke zur Ver-
fügung; als bequemste Grundlage aber erwählte man die Hersfelder
Annalen. Diese sind uns in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht
erhalten, aber, während locale Nachrichten die Herkunft feststellen,
durch wörtliche Uebereinstimmung als gemeinsame Quelle zu erkennen
.bei dem Hersfelder Mönch Lambert, in den Annalen von Hildesheim,
Quedlinburg und Weifsenburg, welche deshalb von Pertz bis 984
neben einander abgedruckt sind2). Als fünftes Exemplar kommen
die sog. Annalen von Ottobeuern hinzu, welche hessischer Herkunft
sind; als sechstes die Altaicher. In den Annalen von Fulda (S. Bonifacii),
Lobbes, Ellwangen, Münster im Gregorienthai, bei Marianus Scotus,
beschränkt sich die Uebereinstimmung auf den fast werthlosen älteren
Theil und wird nur auf Benutzung derselben Fulder Grundlage
beruhen, deren wir oben (S. 241) gedachten.
Wie man nun auf Grundlage dieser Compilation, nebst einigen
Notizen ans älterer Zeit, die am Rande der Ostertafel vorhanden
sein mochten, sie fortsetzend das so weit verbreitete Annalenwerk
aufgebaut hat, das ist eine schwierige Frage, welche den Scharfsinn
x) Auch der Pole Sbignew wurde um 1090 (adultus iam aetate) von
der Herzogin Judith, seiner Stiefmutter, nach Sachsen geschickt, um in
einem Nonnenkloster seinen Unterricht zu erhalten. Chron. Pol. II, 4,
SS. IX, 446.
2) MG. SS. III, 22-66. Vgl. Waitz im Archiv VI, 663—688. In
Weifsenburg schliefst sich eine selbständige locale Fortsetzung 985—1075.
1087. 1147. an, S. 70—72. Andere kurze Ann. Wetssenburgenses 763—846,
MG. I, 111 aus dem Cod. Weissenb. 81 in Wolfenbüttel, aber ohne Be-
ziehung auf das Kloster, dagegen mit Hervorhebung des B. Drogo von
Metz. Berichtigungen von Mone nebst kalendarischen Weifsenburger
Nachrichten aus derselben Handschrift in der Zeitschrift für Geschichte
des Oberrh. XIII, 492. Catal. abb. SS. XIII, 319. Bücherverzeichnifs unter
Abt Folmar (f 1043) e cod. Weifs. 30 bei Knittel, Ulphilae Fragmenta
p. 243 — 245; der ausgeliehenen p. 246 e cod. 35; dieses berichtigt bei
Kelle, Otfrid, II, p. XVI. Becker, Catalogi S. 37 u. 133. Recht unbe-
holfene Schulverse aus Weifsenburg saec. X. hat Dümmler herausgegeben^
Zeitschr. f. D. Alt. XIX, 115-118.
Annalen von Quedlinburg u. Hersfeld. 341
mehrerer Forscher beschäftigt hat, unter denen ich nur Ehrenfeuchter
in seiner Dissertation über die Annalen von Nieder-Altaich (1870)
nenne. Genaueren Nachweis findet man in den gründlichen und
sorgfältigen Untersuchungen von Hermann Lorenz1) und Friedrich
Kurze2). Begonnen sind sie nach diesem kaum vor 955 und im
Anfang aus den Annalen von Corvey, Regino und dessen Fortsetzung
geschöpft, sehr dürftig, doch finden sich hin und wieder, und besonders
um die Mitte des zehnten Jahrhunderts, neben localen Notizen auch
nicht unwichtige Nachrichten; von 960 bis 973 ist die Erzählung
gleichzeitig und ausführlicher als vorher.
So weit stimmen alle Ableitungen überein, doch ist unverkennbar,
dafs den Hildesheimer und Quedlinburger Jahrbüchern die vollstän-
dige Urform, den übrigen Ableitungen eine abgekürzte Form zu
Grunde liegt.
Von hier an nahm man bisher zwei ganz verschiedene Fort-
setzungen an, eine in Hersfeld geschriebene bis 984, und eine davon
verschiedene Hildesheimer, allein F. Kurze hält beide für identisch
und hat (S. 13 — 25) den Versuch gemacht, den gemeinsamen Ursprung
der Nachrichten nachzuweisen, welche in diesem Theile besonders
ausführlich und werthvoll, auch in den Altaicher Annalen am besten,
wenn auch stilistisch aufgeputzt, uns erhalten sind. Hier endeten
die originalen Hersfelder Aufzeichnungen, vielleicht, wie Kurze ver-
muthet, in Folge von des Abtes Gozbert (970 — 984) Rücktritt. Von
ihm rühmt Lambert in seiner Geschichte von Hersfeld, dafs er das
Stift mit vielen Büchern bereichert habe, und schildert dann die
Verwilderung unter seinem Nachfolger. Dagegen beginnen jetzt die
Hildesheimer Eintragungen, welche um 1040 von einem Hersfelder
Epitomator in einen Auszug gebracht, den originalen Annalen an-
gehängt, und mit ihnen von Lambert und den Urhebern der Alt-
aicher und Ottobeuerer Annalen benutzt sind.
Aufser diesen Annalen sind in Hersfeld auch im Anfang der
Regierung Otto's I Wunder des h. Wigbert aufgezeichnet worden,
welche für Heinrichs I Zeit einige Bedeutung haben3).
Jene Annalen nun wurden in Quedlinburg als Grundlage einer
Compilation benutzt, welche durch andere Materialien aus den Ein-
1) Die Annalen v. Hersfeld, Leipz. Diss. 1885. S. 83—103 Herstellung
der Annalen von 708—973; S. 104—105 von 974—984.
2) Die Hersfelder und die gröfseren Hildesheimer Jahrbücher. Progr.
d. Gymn. zu Stralsund 1892.
3) Excerpta ed. G. Waitz, MG. SS. IV, 224—228. Berichtigung in
Bezug auf den Abt Megingoz, der schon 935 sein Amt niedergelegt hat,
bei H. Lorenz S. 55.
342 HI. Ottonen. § 3. Gandersheim. Quedlinburg.
hardschen Annalen, den Corvever und Reichenauer, Notizen aus
Gandersheim und von 781 an aus einer verlorenen Halberstädter
Chronik vermehrt und bereichert wurden !); den Eingang bildete hier,
wie bei Lambert, ein mageres Excerpt der Weltgeschichte, welche
am Anfang der Hersfelder Annalen stand : von 708 an beginnt erst
die annalistische Form. So wurde, als Heinrich II schon König war
und Otto's III Schwester Adalheid dem Stifte vorstand, eine Com-
pilation verfertigt, welche unter dem Namen Quedlinburger
Annalen noch zum Theil erhalten ist2).
Der Verfasser wird einer der zahlreichen Geistlichen gewesen
sein, welche den Gottesdienst versahen oder als Kapläne der Aeb-
tissin zur Seite standen. Ihm lagen, als er seine Arbeit unternahm,
die Thaten der Frankenkönige und Einhards Leben Karls vor; auch
Widukinds Werk kann ihm nicht unbekannt gewesen sein. Allein
er machte keinen Versuch, nach der Weise dieser Vorgänger die
Geschichte der Vorzeit darzustellen, sondern schlofs sich einfach der
bequemen Form der Hersfelder Annalen an, von welchen er ein
Exemplar mit der Fortsetzung bis 990 besafs. Diese excerpirte er
in sehr roher Weise, und vermehrte sie wiederum mit zahlreichen
Zusätzen, aber es kam ihm doch nicht in den Sinn, auch eine inner-
liche Verknüpfung zu erstreben.
Auch hier finden wir Stücke aus der alten Heldensage, die zum
Theil mit Widukinds Erzählung übereinstimmen, aber sie sind hier
nur ganz äufserlich eingeschoben. Es fällt darunter vorzüglich (S. 31)
eine Bemerkung über Dietrich von Bern auf, de quo cantabant rustici
olim, was zum elften Jahrhundert schlecht pafst, und eine lange Er-
zählung vom Thüringerkriege, welche ganz aus dem Charakter des
übrigen Werkes heraustritt. Hiervon hat nun L. Hoifmann3) nach-
gewiesen, dafs weder Ekkehard noch der Sächsische Annalist und
Chronograph sie in ihrem Exemplar gelesen haben, dafs dagegen der
Verfasser des Chronicon ducum Brunsvicensium sie gekannt hat.
Wenn nun, wie man vermuthet, dieser sie aus den Nienburger An-
nalen entnommen hat, so mufs sie im 12. Jahrhundert vorhanden
0 S. Lorenz S. 26—32.
2) MG. SS. III, 22—90. Es gibt nur eine Hs. aus dem 16. Jahrh.
mit Lücken von 875 — 909 u. von 962 — 983. Uebersetzt (von 984 an) von
Ed. Winkelmann, 1862; 2. Aufl. 1891, Geschichtschr. Bd. 36 (X, 9). Vgl.
Lappenberg im Archiv VI, 635—653. Waitz S. 686—688. _ W. v. Giese-
brecht, Geschichte der Kaiserzeit I, 784. II, 557. Sprachliche Anklänge
NA. XII, 592.
3) Jahresbericht über die höhere Bürgerschule zu Rathenow (1872):
Zur Geschichte des alten Thüringerreiches. Von Dr. L. Hoffmann. Üebers.
dieses Stücks in der 2. Ausg. des Widukind, S. 127 — 130.
Die Quedlinburger Annalen. 343
gewesen sein. Aber zum ursprünglichen "Werke gehört sie nicht, und
die Bemerkung über Thiderik von Berne ist ein noch viel späterer
Zusatz 1).
Gewifs fehlte es in Quedlinburg nicht an Hülfsmitteln, um
besseres zu leisten, aber vielleicht eben deshalb und weil der Ver-
fasser gar nicht daran dachte, die ausführlicheren Werke über die Vor-
zeit durch das seinige ersetzen zu wollen, begnügte er sich mit dem
dürftigsten annalistischen Gerippe, welches ihm diente, um nach
Bedürfnifs hier und da Bemerkungen und Zusätze einzutragen. Mit
Heinrichs I Zeit werden die selbständigen Eintragungen häufiger2),
durchweg panegyrisch für die Ludolfinger; nach einer Lücke von
961 — 983, die sich aus dem späteren sächsischen Chronographen
zum Theil ergänzen läfst, finden wir den Verfasser schon 993 als
Augenzeugen redend, und von da an beginnt nun eine sehr aus-
führliche Geschichtserzählung, die von Jahr zu Jahr fortschreitet,
und wenn nicht immer gleichzeitig, so doch nicht sehr fern von den
Ereignissen aufgezeichnet ist. Von 1004 an tritt eine lebhafte Ab-
neigung gegen Heinrich II hervor, welche sich vorzüglich an seine
rücksichtslose Klosterreform anknüpft; noch bis in den Anfang von
1016 scheint dieselbe völlig gleichzeitige Hand kenntlich zu sein.
Der weitere Fortsetzer aber ist ein eifriger Bewunderer des Kaisers ;
die nächsten Jahre sind weit kürzer und nicht fehlerfrei, wohl nach-
träglich ergänzt von demselben , welcher 1020 mit breitem pomp-
haften Redeflufs fortfährt3).
Vieles erinnert in diesen Jahrbüchern an die alten Reichsanna-
len, allein es fehlt doch die gleichmäfsige Einheit, es fehlt auch
der umfassende Ueberblick über das ganze Reich. Wenn man auch
die Beziehung der fürstlichen Aebtissin zum Kaiserhofe wahrnimmt
an der zuverlässigen Kunde von entfernten Ereignissen, so überwiegt
doch das Interesse für die nähere Umgebung, namentlich die Kämpfe
mit den Slaven, und die unbedeutendsten localen Vorfälle treten
ohne Unterscheidung zwischen die grofsen geschichtlichen Begeben-
2) Gegen den Widerspruch von H. Lorenz, Germania XIX (1886)
S. 137—150, s. NA. XII, 428.
2) Nach H. Detmer, Otto II bis zum Tode seines Vaters, Leipz. Diss.
1878, Excurs, beginnen aus Quedlinburg selbst stammende Notizen nicht
vor 913, und können nicht vor 967 (Kaiserkrönung Otto's II) geschrieben
sein. Jahresbericht f. Geschichtswissenschaft I, 138.
3) Ich folge hier jetzt der gegen H. Pabst zu Hirsch's Heinrich II, II,
443 — 449 gerichteten Ausführung von Usinger, Forsch. IX, 346 — 360. Der
Text von 1014 und 1015 ist S. 351 in Ordnung gebracht mit Hülfe des
Chronogr. Saxo, und mit Hinweis auf Zeifsberg: Die Kriege Heinrichs II
mit Bol. von Polen, SB. LVI1, 397.
344 HI. Ottonen. § 3. Gandersheim. Quedlinburg.
Leiten. Zugleich artet die Sprache häufig in unerträgliche Schwül-
stigkeit aus, wodurch vollends alles Ebenmafs verloren geht. Doch
müssen wir diese Jahrbücher zu den bedeutenderen Erscheinungen
der Historiographie zählen, und sachlich sind sie vom höchsten
Werthe, ihr plötzliches Abbrechen mit dem Jahre 1025 läfst eine
sehr empfindliche Lücke zurück. Ob sie viel weiter gereicht haben,
ist sehr zweifelhaft1); uns ist nur eine Abschrift aus später Zeit er-
halten, und der gänzliche Verlust, der hier so leicht erfolgen konnte,
legt den Gedanken nahe, wie manche andere Aufzeichnung der
Art spurlos verschwunden sein mag. Namentlich läfst sich das
mit Sicherheit von Halberstadt annehmen, wo gewifs auch ge-
schichtliches geschrieben wurde. Hier war 840 bis 853 Haimo
Bischof, ein Schüler Alcuins, Hrabans Freund, ein sehr gelehrter
und fruchtbarer theologischer Schriftsteller, der unter anderm aus
Rufins Kirchengeschichte einen Auszug in zehn Büchern verfafste;
doch ist es zweifelhaft, ob diese Schriften ihm mit Recht zuge-
schrieben werden2). Von ihm gab es eine Biographie, aber leider
ist nur ein kleines Fragment davon erhalten 3). Der Verfasser,
Rochus, war jedoch Mönch im Kloster Ilsenburg, welches erst 998
gegründet ist, und schrieb also mindestens anderthalb Jahrhunderte
nach dem Tode des Bischofs. Auf den wegen seiner Frömmigkeit
sehr verehrten Bischof Bernhard (924 bis 968) folgte (968 bis 996)
Hildeward, welcher in St. Gallen höhere wissenschaftliche Aus-
bildung erhalten hatte. Wir besitzen von ihm einen Brief an den
Bischof Adalbero II von Metz (984 bis 1005)4), worin er, eingedenk
der mit seinem Vorfahr Dietrich geschlossenen Verbrüderung, ihm
ein Buch, um welches er gebeten hatte, überläfst, zugleich aber
bittet um ein Theilchen von dem Blute des h. Stephan, und um
Reliquien der h. Glodesinde „quatenus pietas divina, quae aliis in
Gallia Hunorum devastatione pereuntibus vestram horum interventu
civitatem protexit, nos etiam eorundem precibus a prevalidis Scla-
vorum, quibus undique premimur, infestationibus omnibusque periculis
x) H. Pabst de Ariberto p. 10 suchte in Uebereinstimmung mit Waitz
und Koepke aus Annalista und Chronographus Saxo Forts, bis 1030 nach-
zuweisen, aber diese Nachrichten werden jetzt für die Ann. Hild. majores
in Anspruch genommen. Dafs 1034 nicht dazu gehört, zeigt Steindorff,
Forsch. VI. 493.
2) Hauck II, 597, Anm. 3. Traube, Poet. Lat. III, 422, Anm. 4. Der
Lehrer Heirichs von Auxerre kann er nicht gewesen sein.
3) Archiv XI, 285. Schon Leibniz hatte es Papebroch mitgetheilt,
s. Lucä, Der Chronist Fr. Lucae, S. 294.
4) Labbe, Nova Bibl. MSS. I, 682.
Chronik von Halberstadt. 345
liberare dignetur". Beide Kirchen verehrten den h. Stephan als ihren
Schutzpatron.
Unter diesem Bischof nun ist nach Weilands Forschungen eine
Bisthumschronik geschrieben, welche schon Thietmar benutzt
hat, da er vielfach nach Jahren der Halberstädter Bischöfe rechnet;
auch in den Quedlinburger Annalen soll sie schon benutzt sein.
Diese Chronik wurde bis 1140 fortgesetzt, bis 1113 vorn Annalista
Saxo benutzt. Andere Fortsetzungen folgten; erweitert durch Be-
nutzung von Thietmar, Ekkehard u. a. wurde sie 1209 in den Aus-
zug gebracht, welcher allein uns erhalten ist1).
Hildewards Nachfolger Arnold oder Arnulf (996 bis 1023)
weihte die angeblich von Heinrich II aus Liebe zu dem Einsiedler
Wanlef erbaute Stephanskirche zu Wanlefsrode, welche später als
Probstei an das nahe Ilsenburg kam2). Von ihm besitzen wir einen
ausführlichen, vortrefflich geschriebenen Brief, durch welchen er im
J. 1007 den Bischof Heinrich von Würzburg zu bestimmen suchte,
sich die Stiftung von Bamberg gefallen zu lassen3).
Zu nennen ist von anderen sächsischen Klöstern nur noch
Werden an der Ruhr, wo Uffing aufser einigen Versen zum Preise
des h. Liudger und seines Klosters auch das schon oben (S. 253)
erwähnte Leben der h. Ida zwischen den Jahren 980 und 983 ver-
fafste.
§ 4. Hildesheim.
Hildesheim , in der karolingischen Periode noch nicht durch
litterarische Leistungen bekannt4), gewann in der zweiten Hälfte
des zehnten Jahrhunderts einen glänzenden Namen unter den Pflanz-
stätten höherer Bildung, den es dann lange behauptete. Als erstes
2) Gesta episcoporum Halberstademium ed. Weiland MG. SS. XXIII, 73
bis 123, vgl. p. VII u. GGA. 1877 S. 786. Scheffer-Boichorst, Forsch. XI,
498 — 506 wies auf diese alten Halb. Nachrichten hin, die er für Annalen
hielt. Vgl. oben S. 256 über vermuthete Spuren Halb. Annalen beim
Poeta Saxo.
2) S. die merkwürdige Urk. des Erneuerers der Kirche, B. Reinhard
von Halberstadt, vom 9. Mai 1110 bei Delius, Untersuchungen über die
Gesch. d. Harzburg (1826), Urkk. S. 1—5, vgl. Text S. 280—287. Dieselbe
jetzt bei Jacobs, Urkundenbuch v. Ilsenburg (Geschichtsquellen der Provinz
Sachsen VI) S. 11.
3) Ussermann, Ep. Bamb. I1', S. 8. Jaffe, Bibl. V, 472—479; vgl. Giese-
brecht II, 59.
4) Für Bischof Reginbert (834—835 (?) Feb. 12) wurde eine canoni-
stische Hs. geschrieben , welche später Bischof Biso von Paderborn an
B. Sigismund von Halberstadt schenkte. W. Arndt, Schrifttafeln, t. 41. 42.
346 HL Ottonen. § 4. Hildesheim.
Denkmal ist uns die Geschichte der Uebertragung des h. Epi-
phanius erhalten1). Der Eifer für die Erwerbung von Reliquien,
der schon im neunten Jahrhundert so manche kleinere geschicht-
liche Aufzeichnung veranlafst hatte, gewann in der folgenden Periode
einen neuen Anstofs durch die Römerzüge der Ottonen, und der
an solchen Schätzen reiche italische Boden wurde mit allen Mitteln
ausgebeutet.
Otwin, einst Mönch in Reichenau, der zweite Abt des Mau-
riciusstiftes zu Magdeburg, der 954 den Hildesheimer Bischofstuhl
bestiegen hatte , begleitete den Kaiser auf seiner zweiten Heerfahrt
nach Italien und benutzte 962 seinen Aufenthalt zu Pavia, um sich
durch Einbruch und Kirchenraub den Leib des h. Epiphanius
zu verschaffen, den er als herrlichste Beute nach Sachsen brachte.
Allein nicht nur an Reliquien, sondern auch an Büchern war
Italien noch immer das reichste Land , und auch diesem Schatze
stellte Otwin eifrig nach ; auch davon brachte er einen grofsen Yor-
rath mit nach dem bis dahin bücherarmen Hildesheim, und dadurch
legte er den Grund zu der kräftigen Entwicklung der dortigen
Schulen2). Die erste Frucht dieser neuen Thätigkeit, welche uns
bekannt geworden ist, verherrlicht eben jene Uebertragung; es ist
eine im schlichten kirchlichen Stil der Zeit geschriebene Erzählung,
die jedoch erst nach Otwins Tode (1. Dec. 984) verfasst ist, viel-
leicht, wie Beelte vermuthet, von Thangmar.
Dieser stand damals der Schule vor; später wurde er Dom-
dechant und nahm zugleich als Bibliothekar und Notar eine bedeu-
tende Stellung ein; ein grofser Theil der bischöflichen Geschäfte
ging durch seine Hand, und namentlich in den Jahren von 1000
bis 1002 führten ihn wichtige Aufträge wiederholt an den päbst-
lichen und kaiserlichen Hof. Seiner besonderen Leitung wurde der
junge Bern ward anvertraut, ein sächsischer Knabe von vornehm-
ster Herkunft, der schon in früher Kindheit der Hildesheimer Kirche
übergeben war. Nicht allein in den Wissenschaften, sondern auch
in den Künsten, der Schreibkunst, Malerei, Bildhauerei und Bau-
kunst wurde der junge Bernward unterrichtet, und auch hierin
zeichnete er sich bald in hohem Grade aus. Denn wie wir das
besonders auch in St. Gallen sahen , die Geistlichkeit pflegte und
a) Translatio S. Epiphanii ed. Pertz, MG. SS. IV, 248—251; vgl. Dumm-
ler, Otto I, S. 343, wo er sich mit Leibniz und Brower gegen Pertz, der
964 vorzog, für 962 erklärt.
2) „Librorum nihilominus tarn divinae lectionis quam philosophicae
fictionis tantam convexit copiam, ut qui illorum penuria inerti ante torpe-
bant otio, frequenti nunc studii caleant negotio." Transl. c. 2.
Translatio S. Epiphanii. Bernward. 347
bewahrte in Deutschland damals in ihrer Mitte alles, was überhaupt
von höherer Ausbildung irgend vorhanden war; noch mufste sie fast
alles, dessen sie bedurfte um den hohen Anforderungen ihrer Stel-
lung zu genügen, selber leisten.
Später hielt Bernward sich einige Zeit bei dem Erzbischof
Willigis auf, bei seinem Grofsvater dem Pfalzgrafen von Sachsen,
und bei seinem Oheim, dem Bischof Folkmar von Utrecht; dann
begab er sich 987 an den kaiserlichen Hof, und hier vertraute ihm
Theophano die Erziehung des königlichen Kindes Otto III.
Am 7. Dec. 992 starb in Como der Bischof Gerdag von Hildes-
heim, und Bernward wurde zu seinem Nachfolger erwählt. Dreifsig
Jahre lang hat er dieses Amt verwaltet, und nicht leicht hat ein
Bischof ein besseres Andenken hinterlassen. Unter den trefflichen
Bischöfen, an welchen diese Zeit so reich ist, war er einer der
hervorragendsten. In ihrer Hand waren zum grofsen Theil die
Reichsgeschäfte; Bern ward hatte schon als Hofcaplan an der Re-
gierung Antheil gehabt, und als Bischof nahmen ihn die wichtigsten
Angelegenheiten vielfach in Anspruch. Dabei aber sorgte er für
seinen Sprengel mit unermüdlicher Sorgfalt. Noch war Sachsen
nicht gesichert gegen die Einfälle der Wenden und der Normannen,
welche grade damals mit verstärkter Wuth sich erneuten, und erst
Bernward verschaffte seinem Gebiete durch Befestigungen und zweck-
mäfsige Einrichtungen ausreichenden Schutz, sowie er auch durch
vielfache kaiserliche Begnadigungen die Ausbildung des Stiftes zu
einem wirklichen Fürstenthume begründete. Ueberhaupt liefs er
keine Eigenschaft eines tüchtigen weltlichen Regenten an sich ver-
missen und war zugleich ernstlich bemüht, Hildesheim immer mehr
zu einer Stätte geistiger Bildung zu machen. Er bereicherte die
Bibliothek des Stiftes mit zahlreichen Handschriften; leider wurde
aber durch einen Brand 1013 der gröfste Theil der Bibliothek ver-
nichtet1). Talentvolle Knaben liefs er in Wissenschaft und Kunst
unterweisen; die begabtesten führte er mit sich an den königlichen
Hof, um sie von der vielfachen hier gebotenen Gelegenheit zu höherer
Ausbildung Nutzen ziehen zu lassen. Mit herrlichen Kunstwerken
hat er seine Bischofstadt geziert2) und ein bleibendes Denkmal er-
richtete er sich durch die Stiftung des Michaelisklosters, dessen
*) Vgl. darüber Forsch. XVI, 184.
2) Im Anschlufs an Berthier „La Porte de Sainte- Sabine de Rome"
(Frib. Helv. Ind. lectt. 1892) sucht A. Bertram nachzuweisen, dafs der Auf-
enthalt in Rom 1001 bei dem Kaiser auf dem Aventin ihn zu der Schöpfung
der Bronzethüren des Hild. Doms angeregt habe. Die Thüren von St. Sa-
bina in Rom das Vorbild der Bernward-Thüren. Hild. 1892.
348 HI. Ottonen. § 4. Hildesheim.
erster Abt Goderamnus, Probst von St. Pantaleon in Coeln, ein
Mann von wissenschaftlicher Bildung war1).
Tief betrauert starb Bernward am 20. November 1022, und
seinem alten Lehrer Thangmar, der ihn um einige Jahre überlebte,
fiel noch die Aufgabe zu, ein Bild seines Lebens zu entwerfen. Die
Absicht hatte er schon früher gehabt, und nachdem er mit Mühe
Bernwards Einwilligung dazu erlangt, die Materialien dafür gesammelt,
wie Beelte nachweist, auch die ersten 10 Capitel schon zwischen
1008 und 1013 geschrieben. Damit verband er nun den Schlufs
(Cap. 44 — 56) und schob in die Mitte eine Zusammenstellung seiner
gleichzeitig gemachten Aufzeichnungen über den Gandersheimer
Streit, weniger deshalb, weil sie für die Biographie nöthig waren,
als zum Rüstzeug für den Nachfolger. Einen grofsen Theil dessen,
was er berichtet, hatte er selbst mit durchlebt und an allen Ge-
schäften thätigen Antheil genommen; Bern ward aber war, wie Thang-
mar selbst sagt, von solchem Vertrauen zu ihm erfüllt, wie ein Kind
zu seinem Vater, und aus seinem ganzen Leben konnte auch nicht
der geringste Umstand ihm verborgen bleiben.
So entstand denn das Leben Bernwards2), eines der schön-
sten biographischen Denkmale des Mittelalters, wrelche wir besitzen,
und eine der wichtigsten Quellen für einen bedeutenden Zeitraum.
Die reichste Fülle des Stoffes tritt hier an die Stelle jener immer
wiederkehrenden Phrasen, welche sonst so häufig die Armuth des
Schreibenden verdecken; die Sprache ist schlicht und einfach, und
während die wrärmste Liebe zu dem Verstorbenen das ganze Werk
erfüllt, trägt es doch den Stempel der Wahrhaftigkeit. Bernward
bedurfte zu seinem Lobe keiner Uebertreibungen. Nur in Bezug
J) Ihm gehörte die alte Vitruvhandschrift, jetzt im Brit. Mus. Harl. 2767,
s. Catal. of ancient Manuscripts (1884) S. 72 und das Facs. pl. 55. Auch
Thangmar hinterliefs dem Michaelskloster 55 Bücher.
2) Thangmari Vita Bernwardi ed. Pertz, MG. SS. IV, 754—782; Mira-
cula p. 782—786. Acta SS. Oct. XI, 996—1024 von Jos. van Hecke, ohne
neue Hülfsmittel, mit ausführlichem Commentarius praevius. Uebersetzt
von Hüffer 1858. Einhards V. Caroli benutzt nach Manitius, NA. XIII,
208. Vgl. W. Giesebrecht, Geschichte der Kaiserzeit I, 786. Der heilige
Bernward, von H. A. Lüntzel, Hild. 1856. Ch. Beelte, Thangmar, sein
Leben und Beurtheilung seiner Vita Bernwardi. Progr. d. Gymn. Joseph,
in Hild. 1881. Ueber die Handschriften im Domschatz Kratz, Der Dom
zu Hildesheim, 1840; vgl. oben S. 318. Ueber eine in V. Bernw. u. Godeh.
benutzte Urk. Heinrichs II Bayer, Forsch. XVI, 178 — 193. Ueber B.'s
kunsthistor. Bedeutung Alwin Schultz in dem Werk von R. Dohme: Kunst
u. Künstler des Mittelalters, I, 1877. St. Beissel, Die Kunstthätigkeit des
h. B. (Stimmen aus Maria-Laach XXVIII, 1885) S. 131 ff. Ders. Die Bilder
der Hs. des K. Otto in Aachen (1886) S. 35—39, über das von B. für
St. Michael gestiftete Evangeliar Jauitschek, Gesch. d. D. Kunst S. 83, 84.
Leben Bernwards. Annalen. 349
auf Heinrichs II Wahl, der Bernward entgegen war, ist Thangmar
nicht aufrichtig, und sein Ansehen bei Otto III ist, wie es Biogra-
phen zu gehen pflegt, überschätzt. Einen grofsen Raum nimmt
hier, wie im Leben Godehards, der Streit der Hildesheimer mit den
Mainzer Erzbischöfen wegen des Diöcesanrechtes über Gandersheim
in Anspruch. Leider fehlt es uns darüber ganz an einer Darstellung
"von der anderen Seite, aber eine gewisse Einseitigkeit und nicht
gar zu offenherzige Wahrhaftigkeit werden wir dem Hildesheimer zu
gute halten müssen.
Vieles was im Leben Bernwards steht, findet sich überein-
stimmend, aber kürzer, auch in den Hildesheimer Annalen1),
einer sehr schätzbaren Geschichtsquelle, welche wir vermuthlich der
Anregung Bernwards verdanken. Wenigstens sind sie in der noch
erhaltenen Urschrift bis zum Jahre 994, wo sie mit einem unvoll-
endeten Satze schliefst, von einer Hand geschrieben und also wohl
bald, nachdem Bernward Bischof geworden war, zuerst verfafst. Die
Beschaffenheit dieses ersten Theiles ist ganz dieselbe, welche wir
schon bei den Quedlinburger Annalen sahen und überall wieder-
finden ; der Verfasser hielt eine bis auf Adam zurückreichende
annalistische Grundlage für nothwendig, ohne jedoch darauf irgend
welche Sorgfalt zu verwenden; er liefs nur auf Rufi Festi breviarium
einen Auszug aus der Chronik des Isidor2) folgen, schon hier mit
Benutzung der Hersfelder Annalen ; sodann einen Pabstcatalog.
Darauf schrieb er die kleinen Lorscher Annalen ab und excerpirte
von da an, wo diese aufhören, die Hersfelder Annalen, nicht ohne
eigene Zusätze. Daran schliefst sich dann die Fortsetzung, welche
den Werken dieser Art allein einen Werth verleiht, abgesehen von
den einzelnen Notizen, welche durch den Mangel besserer Quellen
zufällig Bedeutung erlangen. Die Nachrichten sind gut und zuver-
lässig, bei weitem nicht so ausführlich wie die Quedlinburger, aber
übrigens ähnlicher Art. Die Verfasser haben die grofsen Begeben-
heiten der Zeit im Auge und berichten darüber, was sie erfahren;
dazu setzen sie alles, was ihnen merkwürdig vorkommt, grofses und
kleines; von einer eigentlichen Verarbeitung, einer gleichmäfsig fort-
geführten geschichtlichen Erzählung ist nicht die Rede.
*) Annales Hildesheimenses ed. Pertz, MG. SS. III, 22 — 116. Ueber-
setzt von Ed. Winkelmann 1862. Vgl. Waitz im Archiv VI, 663 ff.
L. Giesebrecht, Wendische Geschichten, III, 299. 307. W. Giesebrecht, Ge-
schichte der Kaiserzeit, I, 784. II, 557. 566. Neue Ausgabe von G. Waitz,
1878.
2) Ueber die hier benutzte, von anderen abweichende Form s. Waitz
NA. IV, 163.
350 HI- Ottonen. § 5. Magdeburg. Merseburg.
Nur bis zum Jahre 1040 stammen diese Annalen aus Hildes-
heim und zwar aus dem von Bernward gestifteten Michaeliskloster ;
der Rest bis 1137 ist den Sanct Albaner und Paderborner Annalen
entnommen. Von jenem Theile aber von 995 bis 1040 nahm Pertz
an, dafs er in dieser Handschrift (Paris 6114) von verschiedenen
Händen den Ereignissen gleichzeitig eingetragen sei. Nachdem jedoch
mehrere Bedenken diese Annahme als unwahrscheinlich erscheinen
liefsen, hat nun eine erneute Prüfung der Handschrift ergeben, dafs
Pertz sich geirrt hat, und dafs vielmehr das Stück von 1000 bis
1040 von einem Copisten eingetragen ist1). Deshalb steht nun kein
Bedenken mehr der Thatsache entgegen, auf welche mit zunehmen-
der Sicherheit die scharfsinnigen Untersuchungen von H. Pabst2),
E. Steindorff3), W. v. Giesebrecht und H. Brefslau führten, dafs es
nämlich gröfsere vollständigere Hildesheimer Jahrbücher gegeben
hat, von welchen uns nur ein Auszug erhalten ist. Wir werden
darauf später zurückkommen; rückwärts hat sie Brefslau bis 1023
verfolgt, H. Lorenz aber und besonders Fr. Kurze, gestützt vorzüglich
auf die Annales Altabenses, auch schon für die frühere Zeit. Es
sind danach also die Hersfelder Annalen bis 984 in Hildesheim mit
Zusätzen4) und einer Fortsetzung bis 994 versehen, und dieses Werk
ist in einen Auszug gebracht, zu welchem später ein weiterer Aus-
zug aus denselben, inzwischen fortgesetzten gröfseren Jahrbüchern
hinzugefügt ist. Zweifelhaften Ursprunges bleiben nur die Jahre
995 bis 997, welche nach Waitz von einer zweiten Hand geschrie-
ben sind, während eine dritte zu 998 eine kurze Eintragung machte,
Notizen zu 996 und 999 etwas später geschrieben sind.
Hildesheim wurde das Glück zu Theil, dafs auf Bernward der
nicht minder ausgezeichnete Bischof Godehard folgte, und es behaup-
tete auch in der folgenden Periode eine hervorragende Stellung.
§ 5. Magdeburg. Merseburg.
An der Ostgrenze Sachsens hatte Otto, auch hierin Karls Bei-
spiel folgend, Magdeburg ausersehen zum geistigen Mittelpunkte für
die wendischen Länder. In das Moritzkloster, welches die Grund-
*) S. H. Brefslau im NA. II, 563 — 566, und die neue Ausgabe von
Waitz.
2) De Ariberto (1364) p. 10—16.
3) Jahrbücher unter Heinrich III, I, 421 ff.
4) Merkwürdig ist besonders die Stelle über Bennopolls NA. XIII, 623
(Arch. VIII, 606), verglichen mit dem kurzen Auszug der Ann. Hild. (mi-
nores) ad a. Tiberii 6. Ich hatte schon früher auf die offenbar aus solchen
Ann. Hild. maj. stammende Nachricht der Ann. Quedl. 992 hingewiesen.
Adalbert v. Magdeburg. Otricb. 351
läge dazu bildete, berief er 937 Mönche aus St. Maximin bei Trier,
einem Kloster, das freilich auch verweltlicht und verwildert, aber
schon 934 zur klösterlichen Ordnung zurückgeführt war. Auch der
erste Erzbischof Adalbert (968 — 981) war ein Mönch von St.
Maximin und Abt von Weifsenburg; in beiden Klöstern zeigt sich
Sinn für Geschichtschreibung, und von Adalbert, unter dem die
Magdeburger Schule einen hohen Aufschwung nahm, vielleicht selbst
Verfasser eines ausgezeichneten Geschichtswerkes, möchte man an-
nehmen, er werde auch dafür gesorgt haben, dafs die merkwürdigen
Ereignisse, deren Mittelpunkt Magdeburg war, nicht in Vergessen-
heit geriethen, doch ist davon keine Spur vorhanden. Ohtrich oder
Otrich, der Vorsteher der Domschule1), galt bei seinen Verehrern
für den gröfsten Gelehrten seiner Zeit; er wetteiferte mit Gerbert
und disputirte mit ihm (980) vor dem Kaiser Otto II. Denn in
Magdeburg hatte er sich mit dem Erzbischof nicht vertragen können;
sein Ehrgeiz, wie es scheint, trieb ihn an des Kaisers Hof, wo aufser
dem Ruhme der Gelehrsamkeit auch Bisthümer zu erhaschen waren:
nach Adalberts Tod traf ihn auch wirklich die Wahl, aber Gisiler
von Merseburg wufste ihn zu verdrängen, und kurz darauf starb er
in Benevent am 7. October 981. In Magdeburg hatten bei seinem
Abgang die vielen durch ihn dahin gezogenen Fremden die Stadt
verlassen, doch scheint die Schule unter Ekkehard dem Rothen2)
und Geddo immer eine achtungswerthe Wirksamkeit geübt zu haben.
Nicht ohne Wahrscheinlichkeit ist vermuthet worden, dafs bald
nach dem Tode Gisilers (1004) , dessen Ehrgeiz die kirchlichen
Schöpfungen Otto's in betrübender Weise zerrüttet hatte3), in Mag-
deburg ein Geschichtswerk entstanden sei, welches nach Urkunden
und eigener Kenntnifs gearbeitet, über die Stiftung und die nächst-
folgenden Schicksale des Stiftes Auskunft gab; dafs dieses schon
Thietmar vorgelegen habe, und im Chronographus und Annalista Saxo
x) Ueber ihn s. Büdinger, Ueber Gerbert S. 54 — 60. Oesterreich, Ge-
schichte I, 319. Grosfeld, Disquisitiones historicae de statu rerum eccle-
siasticarum in marcis Winedis imp. Ottone II, im Programm des Gymna-
siums zu Recklinghausen 1856 — 1857, S. 10, macht es wahrscheinlich, dafs
Otrich 979 an den Hof kam. Für 978 Uhlirz, Gesch. d. Erzbisth. Magd,
unter den Kaisern aus dem Sachs. Hause (1887) S. 83.
2) Vgl. Holstein, Gesch. d. Domgymn. in Magdeburg (Magd. 1875) S. 73.
Uhlirz a. a. O. S. 80 ff. vermuthet in Ekkehard einen Concipienten kais. Pri-
vilegien für Magdeburg.
3) Vgl. Fraustadt: Die Autlösung des Bisthums Merseburg u. dessen
Wiederherstellung 1004, Weber's Archiv f. Sachs. Gesch. N. F. IV (1878\
S. 133—168.
352 HI« Ottonen. § 5. Magdeburg. Merseburg.
so wie im Magdeburger Chronicon theihveise zu erkennen sei1).
Darauf hat jedoch F. van Hout behauptet und sehr wahrscheinlich
gemacht, dafs der erste, bis zu Gero's Tod 1023 reichende Theil
des Chronicon Magdeburgense unter dessen Nachfolger Hunfrid im
ZusammenhaDg und mit Benutzung der Chronik Thietmars verfafst
sei, wie wir denn auch diesen Theil allein beim Chronographus Saxo
wiederfinden2). Wird nun dadurch die Voraussetzung einer älteren
Gründungsgeschichte nicht berührt, und bleibt es zweifelhaft, wie
weit der Text der Chronik unverändert geblieben sei, so verlieren
doch andererseits auch W. Giesebrechts Beweise dadurch theilweise
ihre Kraft. Wir werden zu der vorsichtigen Aeufserung Lappen-
bergs zurückgeführt, dafs über die Thietmar vorliegenden Magde-
burger Aufzeichnungen ein sicheres Urtheil sich nicht gewinnen
lasse, weil in den uns vorliegenden Quellen überall schon Thietmars
Chronik wieder benutzt sei. Auf die Existenz einer metrischen
Fundatio möchte ich jedoch nicht mit C. Günther, der auch selbst
diese Vermuthung wieder aufgegeben hat, aus den eingemischten
Hexametern schliefsen, da dergleichen im elften Jahrhundert so
sehr häufig ist. Sie reichen nur bis zu Gisilers Tod, und lassen
sich daher als Argument für frühere Abfassung verwerthen3).
Mit grofser Bestimmtheit hat nun Fr. Kurze4) wiederum die Ab-
fassung der ältesten Bisthumschronik bis 1004 behauptet, und zwar
von dem Erzbischof Tagin o selbst, gestützt auf die Worte bei Thiet-
mar V, 44 (26), dafs dieser vom Pabst persönlich hätte geweiht
werden sollen „ut scriptum ejus testatur". Es ist schwer zu glauben,
dafs Thietmar, wenn ihm wirklich eine von Tagino verfafste Ge-
schichte als wichtige und vielbenutzte Quelle vorlag, das nicht
irgendwo erwähnt haben sollte, und jene „scriptum" möchte man
lieber auf ein Privileg oder auch auf einen Brief deuten, da eben
nur bei diesem einzigen Umstand eine solche Berufung vorkommt.
*) W. Giesebrecht in den Rankeschen Jahrbüchern II, 1, 157 — 162,
vgl. Kaisergesch. I, 785. L. Giesebrecht, Wendische Geschichten III, 304.
2) Ferd. van Hout: De Chronico Magdeburgensi, Diss. Bonn. 1867.
In einigen Punkten, besonders über das Verhältnis zum Chronogr. Saxo
abweichend, C. Günther: Die Chronik der Magdeburger Erzbischöfe, erster
Theil bis 1142. Diss. Gott. 1871. Zweiter Theil 1142— 1371^ Progr. der
Albinus-Schule in Lauenburg a. d. Elbe 1877 (S. 5). Schum, Vorr. zu den
Gesta archiepp. Magd. SS. XIV, 363. Das angebliche Epitaphium Ottonis I
ist entnommen aus der V. Mahometi von Embricho, nach 0. Hertel, Magd.
Gesch. Bl. 1889 S. 369 ff.
3) Dem widerspricht F. Kurze, weil er in diesen Versen die sprachliche
Eigenthümlichkeit des jüngeren Bearbeiters erkennt.
4) Die älteste Magdeburger Bisthumschronik, Mitth. d. Inst. Ergän-
zungsband m, S. 397—450. Vgl. NA. XVII, 631.
Magdeburger Bisthumsgeschichte. 353
Was aber die andere Stelle des Chronogr. Saxo zu 981 betrifft, dafs
er sich scheue, bei ausführlicherem Eingehen auf Gisilers Hand-
lungen den Unwillen derer zu erregen, welche wegen durch ihn
erhaltener Lehen1) ihm günstig gesinnt wären, so pafst das aller-
dings nicht zu der Zeit des Compilators, wäre aber immerhin nach
zwanzig bis dreifsig Jahren noch denkbar, und vielleicht damals
die Gefahr gröfser als unmittelbar nach der Einsetzung des vom
König beschützten neuen Erzbischofs. Die Ueberarbeitung und
Fortsetzung bis 1023 in blüthenreicher, oft gereimter Schreibweise
und mit eingemischten Versen lag dem Nienburger Annalisten vor,
und Kurze vermuthet deshalb als Verfasser oder doch Veranlasser
Brun, den jüngsten Bruder des Geschichtschreibers Thietmar,
Abt der Klöster in Magdeburg und Nienburg von 1025 bis 1034.
Den Beschlufs der Abhandlung macht ein Versuch der Wiederher-
stellung dieser Geschichte und der darin enthaltenen ursprünglichen,
dem Tagino zugeschriebenen.
Einer von Otrichs Schülern war Ad albert, der schwärmerisch
fromme Freund Otto's III, der vergeblich als Bischof von Prag seine
Landsleute, die Böhmen, zu lenken versuchte und zuletzt 997 in
Preufsen den ersehnten Tod als Märtyrer fand. Sein Leib wurde
durch Herzog Boleslaw nach Gnesen gebracht, wo man nicht säumte
das wunderbare Ereignifs aufzuzeichnen ; ganz kurz wird hier der
frühere Lebenslauf des Märtyrers berichtet, dann etwas ausführlicher
die Umstände seines Todes und die Erwerbung der Reliquien mit
den beginnenden Wundern. Kein Wort von des Kaisers Pilgerfahrt
nach Gnesen, der Stiftung des Erzbisthums, so dafs die Abfassung
dieser Legende wohl noch vor das Jahr 1000 zu setzen ist. Schmuck-
los geschrieben und ungenügend für die Verehrer des Heiligen,
welche mehr von seiner Person erfahren wollten, verfiel sie bald
der Vergessenheit, nachdem in Italien die ausführliche Biographie
geschrieben war, deren wir später noch zu gedenken haben werden.
Den Verfasser hält Giesebrecht für einen slavischen Mönch des
Klosters Meseritz, ich möchte Gnesen vorziehen; Zeifsberg ist ge-
neigt mit W. v. Kentrzynski und Lohmeyer anzunehmen, dafs nur
der Auszug eines deutschen Geistlichen aus der gröfseren Arbeit
eines Polen vorliege, welche auch der sog. Martinus Gallus benutzt
haben könnte. Die Handschrift, welche nach Giesebrechts Ver-
muthung 1005 durch Heinrich II aus Meseritz nach Tegernsee ge-
kommen sein könnte, ist in München zuerst 1857 von Bielowski,
J) Das ist doch wohl unter „beneficia temporalia" zu verstehen.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 23
354 HI« Ottonen. § 5. Magdeburg. Merseburg.
dann unabhängig davon von G. Voigt entdeckt, von W. v. Giese-
brecht in ihrem Werth erkannt und herausgegeben worden1). Durch
jenes in Rom verfafste Leben Adalberts wurde aber auch einer
seiner ehemaligen Genossen auf der Schule zu Magdeburg angeregt,
aus eigener Erinnerung und nach den Mittheilungen von Adalberts
Freunden und Gefährten Radla und Gaudentius die ihm vorliegenden
Lebensnachrichten zu ergänzen, und so eine neue Bearbeitung zu
Stande zu bringen, in welcher das Ende des Märtyrers schon von
der einfachen Wahrheit sich weiter zu entfernen scheint. Der Ver-
fasser derselben war Brun, aus dem Hause der Edelen von Querfurt,
welcher von derselben weltverachtenden Frömmigkeit und derselben
Sehnsucht nach dem Märtyrertode beseelt war. Er benutzte eine
Aufzeichnung des Prager Domprobstes Willico, welche auch Johannes
Canaparius (unten § 19) vorgelegen hat.
Dieses Leben Adalberts2) ist in einer widerlich blumenreichen
und salbungsvollen Sprache verfafst, aber charakteristisch für diese
aufs äufserste getriebene Ascetik und in seinem Inhalte lehrreich;
Brun verfafste es in Ungern um das Jahr 1004, als er im Begriffe
war, dem Beispiele seines Freundes zu folgen. Zum Erzbischof der
Heiden geweiht, ging er zuerst gegen Ende des Jahres 1007 von
Ungern aus durch Rufsland zu den Petschenegen, und nachdem er
diese seiner Meinung nach bekehrt hatte, zu Boleslaw von Polen,
von dessen Hofe aus er einen sehr merkwürdigen und lehrreichen
Brief an Kaiser Heinrich II schrieb3). Auch verfafste er im Jahre
x) Eine bisher unbekannte Lebensbeschreibung des heiligen Adalbert
(Passio S. Adalberti). Separatabdruck aus den Neuen Preufsischen Provin-
zialblättern, 3. Folge, V. Band 1. Heft, Königsb. 1860. Wiederholt im SS.
Rer. Pruss. I, 235—237; vgl. II, 412. Aus demselben Cod. lat. Mon. 18897
in den Mon. Poloniae hist. ed. Bielowski I, 151 — 156 mit Facsimile. Fon-
tes Rerum Boh. (Pragae 1873) I, 231—234. Ed. Waitz, SS. XV, 2, 705
bis 708. Uebers. von Wattenbach, Geschichtschr. X, 7 (Bd. 34) 1891. Vgl.
Zeifsberg, Poln. Geschichtschreibung S. 19—22. Giesebr. I, 789. Das erste
Wunder der Passio wird, wie Bielowski nachgewiesen hat, in der Chronik
von Moyenmoutier SS. IV, 92, doch nicht ganz übereinstimmend, erwähnt.
2) Vita S. Adalberti auct. Brunone ed. Pertz, MG. SS. IV, 577. 596 bis
612. Bielowski I, 184 — 222 mit Benutzung einer Handschrift aus Ochsen-
hausen in Koenigswart. Fontes Her. Boh. I, 266 — 304. Vgl. Giesebr. I,
789. — Miracula S. Adalberti aus dem dreizehnten Jahrhundert, SS. IV,
613 — 616 und nach einer Danziger Handschrift verbessert von Toppen SS.
Rer. Pruss. II, 412 — 420, wo c. 4 perterriti statt pertriti zu lesen ist und
perstiterant statt des unsinnigen prescierant. Fontes Boh. I, 305 — 312 mit
dens. Fehlern; Versus de Adalberto Quattuor immensi p. 313 — 334. Hymnus
Ländern dignam NA. X, 180 — 185.
3) Zuerst von Hilferding in einer russischen Zeitschrift herausgegeben,
dann mit Emendationen von Jaffe bei Miklosich und Fiedler, Slav. Bibl.
II, 307, und endlich von demselben nach der Handschrift berichtigt in
Leben Adalberts. Brun von Querfurt. 355
1008 eine ausführliche Schrift über die fünf Einsiedler, welche am
11. Nov. 1003 in Polen, vermuthlich bei Meseritz, von Räubern er-
schlagen waren. Die inhaltreiche Schrift, welche für die Geschichte
Otto's III und seiner schwärmerischen Freunde mancherlei enthält,
ist von R. Kade entdeckt und herausgegeben1).
Von hier aus begab sich Brun zu den Preufsen und drang bis
zu deren östlichen Grenzen vor, wo er den Tod fand, den er suchte,
am 14. Februar 1009. Ein kurzer aber lügenhafter Bericht über
seine Predigt, seine Wunder und sein Ende, der nichts als ein
Bettelbrief ist, wie dergleichen auch sonst vorkommen, angeblich von
seinem Begleiter Wipert, hat sich erhalten2); eine andere Schrift
über ihn, die als wahrhaft gerühmt wird, kennen wir nur aus der
späteren Magdeburger Chronik, wo sie benutzt ist. Vielleicht hat
auch schon Thietmar von Merseburg sie vor sich gehabt3), der letzte
Schriftsteller Sachsens , den wir in dieser Periode zu betrachten
haben, und der erste, bei dem eine Art gelehrter Forschung vor-
kommt. Denn bei allen den Schriftstellern, die uns bis jetzt be-
schäftigt haben, ist die Aufzeichnung der Zeitgeschichte die Haupt-
sache, sie schrieben, was sie erlebt oder gehört hatten. Die Zu-
sammenstoppelung der älteren Theile der Annalen, Widukinds Be-
rufung auf Bücher am Anfang seiner Geschichte, lassen sich als
gelehrte Arbeit kaum in Anschlag bringen. Diesen ganz unvoll-
kommenen Anfängen gegenüber zeigt uns die Chronik Thietmars
schon einen bedeutenden Fortschritt.
Thietmar von Merseburg.
Ausgabe seiner Chronik von Wagener, 1807, 4. mit guten Anmerkungen. Die einzige
kritisch zuverlässige von Lappenberg MG. SS. III, 723 — 871 u. mit weit genauerer
Benutzung der Hs. von Fr. Kurze, Hann. 1889, 8. Die Eintheilung in Bücher und
\V. Giesebrechts dritter Ausgabe II, 667 — 670, in d. vierten 689 — 692, vgl.
S. 104—109. Bielowski I, 223—238 mit Facsimile. Erzbischof Brun-Bo-
nifacius, der erste deutsche Missionar in Preufsen. Ein Vortrag von
W. Giesebrecht, Deutsche Reden S. 29 — 54. Ausführlich über Brun, Zeifs-
berg: Die Kriege Heinrichs II mit Boleslaw, SB. LTVII, 346 ff., vgl. dens. in
d. Zeitschr. f. oest. Gymn. 1867 S. 331 ff. über die von Bruno erwähnte heilige
Lanze, u. 1868 S. 89 ff., wo S. 96 — 98 bemerkt wird, dafs der Bericht über
Miseco's Verheerungen Ann. Magd. 1030 eine direkte Antwort auf den
Brief Bruns enthält.
2) Vorläufige Nachricht in R. Kade's Leipz. Diss. De Brunonis Quer-
furt. Vita quinque fratrum Poloniae nuper reperta, 1883. Ausg. MG. SS.
XV, 2, *709— 738.
3) MG. SS. IV, 579. Bielowski 229. E. Kunik macht mich darauf
aufmerksam, dafs der angebliche Name des Preufsenkönigs Nethimer viel-
mehr slavisch ist.
3) L. Giesebrecht, Wendische Geschichten III, 303.
23*
356 HI- Ottonen. § 5. Magdeburg. Merseburg.
Capitel ist hier verändert. — Uebersetzung von Ursinus, Dresden 1790, mit nütz-
lichen Anmerkungen u. Benutzung des Cod. Dresdensis; von Laurent, mit Vorwort
von Lappenberg, 1848; 2. Ausgabe von Strebitzki 1879; Berichtigungen 1892, Ge-
schichtschr. XI, 1, Bd. 39. Nachträgliche Bemerkungen über Thietmars Leben, Ar-
chiv IX, 438. Ueber ein Mefsbuch und Kalender mit Eintragungen von Thietmars
Hand, Hesse ib. IV, 276, und Ausgabe von Hesse in Höfers Zeitschrift für Archiv-
kunde I, 111; Dümmler, N. Mitth. XI, 223-264. Ueber sein Epitaph NA. IX, 246.
L. Giesebrecht, Wendische Geschichten III, 305. W. Giesebrecht, Geschichte der
Kaiserzeit I, 785. II, 558. Erklärung von Thietm. Chron. VII, 20 von Waitz, Forsch.
XIII, 492 — 494. Strebitzki: Thietmarus quibus fontibus usus sit, Königsb. Diss.
1870. Zur Kritik Thietmars, Forsch. XIV, 349—366. Ueber VII, 5-8, Zeifsberg
in d. Mitth. d. Wiener Inst. III, 109 — 115. — F. Kurze, Abfassungszeit u. Entstehungs-
weise der Chronik Thietmars, NA. XIV, 59-86. Nachlese XVI, 459-472.
Thietmar, ein Sohn des Grafen Sigefrid von Walbeck, am
25. Juli 975 geboren, getauft vom Bischof Hilliward von Halber-
stadt, stammte aus einem der vornehmsten Geschlechter Sachsens;
er war mit den bedeutendsten Fürstenhäusern, selbst mit den
Ottonen verwandt, und die wichtigsten Ereignisse im Reiche hatten
deshalb eine persönliche Beziehung zu ihm, so dafs er frühzeitig
von allen Kunde erhielt und mit den Verhältnissen des Reiches
vertraut wurde. Von Emnilde, einer Nichte der Königin Mahthild,
erhielt er als Knabe den ersten Unterricht in dem kaiserlichen Stifte
Quedlinburg; vom zwölften Jahre an vollendete er seine Schulbil-
dung im Kloster Bergen und in Magdeburg selbst. An Belesenheit
in kirchlichen und profanen Schriftstellern fehlte es ihm nicht, einen
guten lateinischen Stil zu schreiben hat er aber nicht gelernt. Im
Jahre 1002 wurde er Probst des Klosters Walbeck an der Aller1),
einer Stiftung seines Grofsvaters, und endlich 1009 Bischof von
Merseburg; ein Amt, welches er löblich, aber nur zehn Jahre lang
verwaltete, denn er starb schon am ersten December 1018 in seinem
dreiundvierzigsten Lebensjahre. Vom König Heinrich II war er
schon 1004 in Allstedt bei seiner Priesterweihe beschenkt, von da
an verkehrte er viel am Hofe und empfing auch als Bischof den
König bei sich in Merseburg.
Das Bisthum Merseburg hatte, obschon erst von Otto I gegrün-
det, doch schon mannich faltige und merkwürdige Schicksale erlebt;
zum Gedächtnifs der Ungernschlacht auf dem Lechfelde dem h. Lau-
rentius zu Ehren gestiftet2), wurde es schon durch den zweiten
1) Ein prachtvolles, aber in den Bildern unvollendetes Evangeliar aus
Walbeck saec. XI mit eingeschriebenen Statuten und Urkunden, in Libri's
Auctionscatalog (1859) n. 358, Facs. pl. 35. Ein schönes Evangeliar saec.
X, das zur Beeidigung diente, in Magdeburg in d. Bibl. d. Do-mgymn. 275,
s. d. Progr. 1880, S. 99—101.
2) Nach Uhlirz, Gesch. d. Erzb. Magd. S. 164 DD. Ott. II 90, hat Thiet-
mar diese Urkunde gefälscht, um dem Bisthum einen strittigen Wald zu
erhalten, was nach damaliger Auffassung auch als löblich gelten mochte.
Thietmar von Merseburg. 357
Bischof Gisiler völlig zerstört, um diesem den Weg zum Erz-
"bisthum Magdeburg zu bahnen, und ungeachtet vielfacher Anstren-
gungen konnte die Herstellung doch erst nach Gisilers Tode (1004)
erlangt werden.
Diese Ereignisse, so lange sie noch in frischer Erinnerung haf-
teten, für die Nachkommen durch schriftliche Ueb erlief erung festzu-
halten, war eine dringende Pflicht, die Thietmar zu erfüllen über-
nahm. Die Geschichte des Ottonischen Hauses, die verschiedenen
Wechselfälle des stets fortgesetzten Kampfes mit den Wenden ge-
hörten mit Notwendigkeit zu einer Geschichte Merseburgs. Thiet-
mar aber beschränkte sich auch darauf nicht, sondern wie das im
Mittelalter so häufig war, und sich, da so wenig geschrieben wurde
und ein Buch schon ein Schatz war, leicht erklärt: da er überhaupt
einmal ein Buch schrieb, so legte er in diesem auch alles nieder,
was ihm denkwürdig schien, alle seine Erlebnisse, die kleinsten wie
die gröfsten, und was er zu Hause und am Hofe sah und hörte,
oder was er in anderen Büchern fand. Noch hat sich seine eigene
Handschrift, wenn auch nicht unversehrt, erhalten, und sie zeigt
uns am deutlichsten, wie er arbeitete, wie er immer neue Zusätze
und Nachträge machte. Bald trug er am Rande nach, was ihm
später bekannt wurde, bald erzählt er rückblickend, was eigentlich
an eine frühere Stelle gehört. Manchmal ist dadurch der Zusammen-
hang gestört, es sind Widersprüche entstanden, und die Form ist
überall mangelhaft: die letzte Hand fehlt, und auch durch wieder-
holte Ueberarbeitung hätte der Verfasser aus diesem lose an ein-
ander gereihten Stoffe kein einheitliches Geschichtswerk machen
können. Aber die ihm vorliegenden Nachrichten des Widukind, der
Quedlinburger Annalen, allerlei Notizen aus Necrologien, wahrschein-
lich auch eine Magdeburger Gründungsgeschichte1) und eine Halber-
städter Chronik2), sind doch immer mit verständiger Auswahl in
einander gearbeitet, und mit seiner aus mündlicher Ueberlieferung,
J) Vgl. oben S. 329. Die sog. Erectio Magdeburgensis (Stumpf 454.
Leibn. Ann. Imp. III, 238), eine in die scheinbare Form der Synodalver-
handhiDgen von Kavenna 968 gebrachte Erzählung, ist von F. van Hout,
De chron. Magd. p. 28 — 33, als in dieser Gestalt unecht nachgewiesen;
Dümmler, Otto I S. 445, legt die Entstehung nach Halberstadt, Lindeck,
Die Stellung des B. Halberstadt zur Gründung d. Erzb. Magdeb. (Progr. d.
Domgymn. zu Halb. 1879) nach Magdeburg. — Ruotgers Leben des Erzb.
Brun und S. Ulrichs Leben kannte er, ohne sie eigentlich zu benutzen.
2) Diese, schon von Weiland vermuthet, nimmt auch Kurze jetzt anstatt
der früher von ihm angenommenen Hild. Ann. maj. von 975 an; Progr. S. 5,
und stellt eine Untersuchung darüber in Aussicht.
358 ni. Ottonen. § 5. Magdeburg. Merseburg.
aus Urkunden und späterhin aus eigener Erinnerung geschöpften
Kenntnifs verbunden. Wenn man die rohen Excerpte der Annalisten
von Hildesheim und Quedlinburg dagegen hält, so kann man einen
bedeutenden Fortschritt nicht verkennen, und es hat noch lange ge-
dauert, bis man im Stande war etwas besseres zu leisten.
Als Geschichtsquelle betrachtet hat aber Thietmars Werk gerade
einen besonderen Werth dadurch, dafs das Gefüge seiner Bestand-
theile so leicht zu erkennen ist, wodurch die Kritik wesentlich er-
leichtert wird ; man bedarf der Vorsicht bei ihm, da er nicht selten
aus Flüchtigkeit Versehen begangen hat. Andererseits kommt es
uns nicht minder zu gut, dafs er auch geringfügige Umstände nicht
verschmähte und deshalb ein lebendigeres Bild der damaligen Zu-
stände gewährt, in dem wir dergleichen kleinere Züge nur ungern
vermissen würden.
Wie er nun eigentlich gearbeitet hat, das ist erst durch Fr. Kurze
mit grofsem Scharfsinn festgestellt worden durch die genaueste Unter-
suchung der theils von ihm selbst, theils von acht verschiedenen
Schreibern geschriebenen und überall von ihm überarbeiteten und
vermehrten Handschrift, und dadurch zugleich für die Entwirrung
seiner Chronologie und die Aufklärung mancher Schwierigkeiten
Licht gewonnen. Hatte schon Bethmann ausgefunden, dafs er nicht
vor 1012 sein Werk begonnen habe, so hat doch jetzt alles eine
ganz andere Gestalt gewonnen durch den Nachweis, dafs Thietmar
mit VI, 41—46 (VII, 1—15 K.) begann, in demselben Jahr 1012
vielleicht auch schon I. 1 — 10 (18 K.) schrieb. Im Jahre 1013
schrieb er das zweite und dritte Buch, 1014 IV, 1 — 8 (9), 10, 11
(15 — 17), 16 (23—25), 22—24 (31—37), 26—34 (39-54), das
fünfte Buch und vom siebenten 1 — 4 (VIII, 1 — 3), im J. 1015 das
sechste Buch und VII, 5—13 (VIII, 4—20). Er schrieb gleich-
zeitig was er erlebte, liefs aber Raum für Nachträge und Zusätze,
mit welchen im vierten Buch eine ganze Lage ausgefüllt ist; diese
entfernen sich häufig ganz von der chronologischen Folge und haben
dadurch namentlich im vierten Buch die Ordnung sehr gestört.
Zu solchen Nachträgen gab ihm vorzüglich die Bekanntschaft
mit den Quedlinburger Annalen Anlafs, welche er vor 1016 nicht
gekannt hat, weshalb auch VII, 1 — 13 (VIII, 1 — 20) keine Spur
davon zu finden ist. Mit Benutzung derselben schrieb er 1016 die
Zusätze zum zweiten und dritten Buch, ferner VI, 46 — 61 (VII,
16—41) und VII, 13—25 (VIII, 20-35); im Jahr 1017 den Rest
des vierten Buches bis auf die erst 1018 geschriebenen Capitel
47—51 (70—75) und VII, 25—50 (VIII, 36—69), auch I, 15-17
Thietmar von Merseburg. 359
(26 — 28); im Jahre 1018 endlich, was von der Fortsetzung noch
übrig war, wobei natürlich die Annalen nicht mehr zu gebrauchen
waren.
Möglich, dafs nicht alle Einzelheiten richtig sind, aber im
wesentlichen ist wohl an der Richtigkeit dieser Ergebnisse nicht zu
zweifeln und es lösen sich dadurch viele Schwierigkeiten, um so
mehr, da auch alle die zahlreichen Nachträge und Aenderungen
zweiter Hand genau verzeichnet sind. Etwas räthselhaft sind Zu-
sätze einer Hand, welche Lappenberg Thietmar selbst zuschrieb,
während Kurze sie erst in die Zeit Heinrichs V setzt. Ueberall
wo diese Zusätze sich finden, ist zugleich am Rande etwas ausge-
kratzt und dem Inhalt nach scheinen sie gleichzeitig zu sein.
Für die ersten drei Bücher standen Thietmar wenig Quellen
zu Gebote, die wir nicht auch noch besäfsen; aber von dem Anfange
der Regierung Otto's III an werden seine eigenen Mittheilungen
immer reichhaltiger. Er schrieb die Geschichte dieser letzten Jahre
gleichzeitig mit den Ereignissen selbst; sein "Werk nimmt da fast
den Charakter eines Tagebuches an und verbindet deshalb die Zu-
verlässigkeit der besseren Annalen mit gröfserer Fülle und Reich-
haltigkeit.
Dafs es ihm, dem Bischof, der viel am Hofe verkehrte und
zum Rathe des Kaisers gehörte, dem nahen Verwandten der be-
deutendsten Fürsten nicht an Mitteln fehlte, sich über die wichtig-
sten Vorfälle und den ganzen Gang der Begebenheiten genau zu
unterrichten, erwähnten wir schon; auch entfernte Begebenheiten
bei anderen Völkern und an den fremden Höfen verfolgt er mit be-
merkeuswerther Aufmerksamkeit und Kenntnifs. Ebensowenig ist
aber auch ein Grund vorhanden, seine Wahrheitsliebe zu bezweifeln.
Sich selbst schont er durchaus nicht; mit der rührendsten Beschei-
denheit deckt er seine eigenen Fehler und Schwächen auf, und
durchgehends bewährt er sich als einen redlichen Mann von biede-
rer Gesinnung und bestem Willen. Dafür können wir ihm denn
wohl die Unbehülflichkeit der Darstellung, die grofse Leichtgläubig-
keit, den oft gesuchten Ausdruck und das gelegentliche Prunken
mit seiner mühsam erworbenen Gelehrsamkeit verzeihen.
Wegen seines vorherrschend provinziellen Charakters ist Thiet-
mars Werk zwar von sächsischen Schriftstellern viel benutzt worden,
hat aber eine weitere Verbreitung nicht gefunden. Vorzüglich fleifsig
wurde es vom Annalista Saxo ausgebeutet, mit Zusätzen über das
Kloster Corvey, die sich in der Brüsseler Handschrift befinden.
Daraus ergiebt sich, dafs die Urschrift derselben schon im zwölften
o
60 III. Ottonen. § 6. Lotbringen. Cöln. Trier. Metz.
Jahrhundert in Corvey verfertigt sein mufs, doch, wie R. Wilmans
nachgewiesen hat1), erst gegen das Jahr 1160.
Wie viel des für uns werthvollsten Materials aber alle diese
Chronisten unbeachtet bei Seite gelassen haben, davon giebt uns
das von Jaffe entdeckte Aufgebot von 981 zur Heerfahrt nach Italien
eine Probe2).
§ 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
Wir haben in Sachsen die neue Entwicklung litterarischer
Thätigkeit unter der unmittelbaren Einwirkung des Ottonischen
Hauses betrachtet, und auch in Lothringen ist es ein Ludolfinger,
der Kirche und Schule zu neuem Leben weckt, unter dessen Pflege
überall frische Keime hervorspringen, die bald zu reicher Fülle sich
entfalten.
Noch mehr als Sachsen war Lothringen durch innere Zwie-
tracht zerrüttet und durch äufsere Feinde verwüstet. Die alten
Stätten der Cultur, die reichen Bischofsitze und Klöster lagen
grofsentheils in Asche, und von den Einkünften der Stiftsgüter
zehrten die Vasallen, denen sie als Preis ihrer Treue oder Untreue
zugefallen waren; kaum bewahrten ein Paar verwilderter und un-
wissender Geistlicher den kirchlichen Charakter von Klöstern, die
man früher weithin mit Ehrfurcht und Bewunderung genannt hatte.
Durch Heinrich und Otto wurde das fast verlorene Land den
Westfranken wieder entrissen und mit dem Ostreiche neu vereinigt;
aber den innern Frieden herzustellen, Ordnung zu schaffen und die
beginnende Reform der verwahrlosten kirchlichen Zustände zu pfle-
gen und zu befestigen, das war die schwere Aufgabe, welche dem
Bruder Otto's des Grofsen, dem Erzbischof Bruno von Cöln
(953 — 965), zufiel und von diesem auf das gländzendste gelöst
wurde.
Wir haben schon oben S. 321 — 323 der Wirksamkeit dieses
ausgezeichneten Mannes gedacht, und können um so weniger auf
eine ausführliche Schilderung derselben eingehen, da er selbst nicht
als Schriftsteller aufgetreten ist3). Sein Leben hat uns einer seiner
*) Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I, 109 — 112, zu MG. SS.
III, 840 und 860.
2) Bibl. V, 471 ; vgl. Max Lehmann, Forsch. IX, 435—444. Giesebr. I,
842. G. Matthaei, Klosterpolitik Heinrichs II (Diss. Gott. 1877) S. 91—95.
3) Die von Peiffer aufgewärmte Nachricht von Commentaren zum
Pentateuch und zu den Evangelien, die er verfafst haben soll, ist unglaub-
lich. Man kann Ruotger und der Cölner Kirche den Schimpf nicht anthun,
Bruno von Cöln. 361
Schüler beschrieben, Ruotger, der Bruno sehr nahe gestanden hatte
und die ihm von dessen Nachfolger Folkmar (965 — 969) übertragene
Aufgabe nicht ohne Geschick gelöst hat *). Sein Werk gehört zu
den besseren Biographien des Mittelalters, ist reich an Inhalt, wenn
auch für unsere Wünsche viel zu kurz und gedrängt, und fafst das
wesentlichste von Bruns Leben und Wirken mit richtiger Auffassung
und wahrheitsgetreu zusammen. Die Sprache ist nicht eben gewandt,
schwülstig und von den üblichen Ausdrücken der kirchlichen Rede-
weise erfüllt, aber frei von Fehlern ; man erkennt die gute Schule
darin, von welcher auch die noch zahlreich erhaltenen Handschriften
der Cölner Dombibliothek aus dieser und der nächstfolgenden Zeit
Zeugnifs geben. Dem Prudentius entlehnte er einen Vers zur Cha-
rakteristik Otto's I, und auch Citate aus Vergil und Terenz, aus
Persius, Juvenal, Cicero und Sallust fehlen nicht2).
Für diese eifrigen Studien zeugen auch die libri iwestiti de arma-
mario S. Petri (oben S. 263); unter den Entleihern sind B. Adelbold
(von Utrecht 1010—1026) und Abt Elias (von Grols-Sanct-Martin
1010 — 1026); sehr viele aber, darunter 2 Bibeln, 3 Vergile, 2 Lu-
cane, 3 Prisciane, hat ein Unbekannter, gewifs ein Scholasticus,
dessen Name ausgekratzt ist. Eine sehr schöne, reich geschmückte
anzunehmen, dafs sie das gänzlich vergessen haben sollten. Dagegen auch
Cardauns, Städtechroniken XII p. LV.
A) Ruotgeri Vita Brunonis ed. Pertz, MG. SS. IV, 252 — 275 und auch
besonders abgedruckt. Varianten bei B. Simson im Archiv f. Gesch. d.
Niederrh. VII, 167 — 172. Uebersetzung von Jasmund, 1851. 1890. Ge-
schichtschr. Bd. 30 (X, 3). Ueber alte Abschriften des Testaments Bruno's
NA. VIII, 191. — Vgl. Giesebr. I, 781; Textkritik S. 826 (vgl. Dümmler
Otto I S. 220). 830. Dümmler S. 372. Janssen in den Annalen des
Niederrhein, hist. Vereins I, 85. Joh. Ph. Peiffer, Hist. krit. Beitr. z. Gesch.
Bruns I, Aachen 1870. Strebitzki, Quellenkrit. Untersuchungen zur Gesch.
Erzb. Br. im Progr. d. Kath. Gymn. v. Neustadt in Westpreussen, 1875.
Dierauer in Büdingers Untersuchungen z. mittl. Gesch. II, 1 — 50. Mauren-
brecher S. 24 — 27, dessen Tadel die ganze Gattung der kirchlichen Bio-
graphie trifft, zu welcher diese nun einmal gehört. Seiner künstlichen
Deutung der Stellen über die Motive der Empörer kann ich nicht bei-
stimmen; vgl. Rommels Aufsatz in den Forsch. IV, 121 — 158 und Mauren-
brechers Entgegnung ib. 587—598; Dümmler Otto 1 S. 212. — Ueber die
viel spätere zweite Vita (ib. 275—279) s. Vogel , Ratherius II, 14 — 18.
Peiffer S. 13. Varianten bei Simson S. 163 — 165. Wie Cardauns, Städte-
chron. XII, p. LVI bemerkt, mufs sie doch schon im 12. Jahrh. entstanden
sein, da sie in den Ann. Col. max. benutzt ist. — Ein Epitaphium Brunonis
bei Dümmler, Otto I S. 594. Damit verbunden andere, mit griechischen
Worten prunkende Epitaphien aus Bruns Schule, viell. von Ruotger, NA.
X, 346: eines wahrscheinlich auf die Aebtissin Hathuwig von Essen
(f 18. Juli 947), eines auf den Cölner Bürger Wolfrad.
2) Dümmler, Forsch. XII, 445. Simson S. 172. Manitius, NA. XII,
369. 370.
362 HI- Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
Evangelienhandschrift, auch mit Versen über die Evangelisten und
poetischen "Widmungen versehen, schenkte der Domkirche ein Diaco-
nus Gerhous, höchst wahrscheinlich identisch mit dem Erzbischof
Gero (969 — 976), dem Bruder des Markgrafen Thietmar1). Ihm als
Erzbischof ist die oben S. 42 erwähnte Ursulalegende gewidmet.
Zu Bruns Gehülfen bei seinen reformatorischen Bestrebungen
gehörte Christian, der erste Abt des von ihm gestifteten Panta-
leonsklosters2), der ihn bis 1001 überlebte. Der erste eilfertig er-
richtete Bau stürzte zusammen, man grub zu Erzbischof Folkmars
Zeit (965 — 969) 3) ein tieferes Fundament und fand dabei Gebeine,
die einem heiligen Maurinus zugeschrieben wurden. Niemand wufste
etwas von ihm, auch Stephan nicht, der auf Abt Christians Gebot,
als Erzbischof Gero schon todt war, sein Leben beschrieb; die Ge-
schichte der Auffindung aber mit den unvermeidlichen Wundern
enthält einige geschichtliche Umstände4). Ferner erhielt das Kloster
aus Rom durch die Kaiserin Theophano einen h. Albin, von dem
man gar nichts wusste, auf ihn aber die fabelhafte Legende des
h. Albanus übertrug; diese Schrift ist aber erst aus dem elften
Jahrhundert5). Erzbischof Everger (985 — 999) widmete der Dom-
kirche einen mit besonderer Pracht geschriebenen Lectionar6). Als er
am 10. Juni 999 gestorben war, wurden Boten nach Italien an Otto III
geschickt, um sich den Kanzler Heribert auszubitten; von diesen
starb der Diaconus Rudolf in Rom und es wurde ihm zu Ehren ein
Epitaph gedichtet (NA. II, 601).
Uebrigens aber haben Bruns Bemühungen in Cöln selbst am
wenigsten Frucht gebracht; ausser den unbedeutenden kleinen Cöl-
ner Annalen7) ist keine litterarische Erscheinung weiter anzu-
!) K. Lamprecht im NA. IX, 620—623, vgl. S. 669.
2) Ruotgeri Vita Brun. c. 28. „Compertum quantum praestitistis sae-
culo, cari invicem et noti, et in verbis prudentiae saepe admirati", Trans-
latio S. Maurini.
3) Peiffer hat darauf hingewiesen, dafs Poppo-Folkmar in den Fulder
Todtenannalen zu 969 eingetragen ist, wie schon Leibniz erkannte. Auch
der alte Catalog giebt ihm 4 Jahre. Das Jahr 967 der Cölner Annalen
wird also wohl falsch sein. So auch Dümmler, Otto I S. 466.
4) Inventio et Translatio S. Maurini, Mab. V, 336—341. Acta SS. Jun.
II, 279—283. Ausz. MG. SS. XV, 2, 683—686. Noch unbedeutender und
später geschrieben sind die Transl. S. Evergisli von Tongern nach der Cae-
cilienkirche und Patrocli von Troyes nach Soest, MG. SS. IV, 279 — 281;
Varianten zu beiden bei Simson 1. c. p. 173. In diesen Kreis gehört auch
die oben S. 174 erwähnte ganz fabelhafte Vita Reinoldi. — Die Miracula
S. Pantaleonis, Jul. IV, 421 — 426 sind späten Ursprungs und unbedeutend.
5) Translatio S. Albini ed. L. v. Heinemann, SS. XV, 2, 686-688.
6) Eccl. Colon. Codd. p. 60.
7) Ann. Colonienses 776 — 1028 e cod. CII, MG. I, 97 — 99 mit unzu-
St. Pantaleon. Cölner Annalen. 363
führen, denn auch die kleine Chronik des Schottenklosters Grofs-
Sanct-Martin, so wie die Gründungsgeschichte von Gladbach
und das Leben Heriberts1), die ihrem Inhalte nach hierher ge-
hören, sind doch erst in der folgenden Periode verfafst worden.
Jene Annalen aber, die bis 939 auf gemeinsamer Grundlage mit
den alamannischen, Reichenauer und St. Galler Annalen beruhen,
von da an heimischen Ursprungs sind , haben merkwürdiger Weise
einen weitreichenden Einflufs gehabt, indem der erste, von einer
Hand aus einer älteren Handschrift überschriebene Theil von 776
bis 957 in die Annalen von Dijon, mit diesen dann in die von
Rouen, Caen, und anderen Orten der Normandie, und weiter in
die angelsächsische Chronik und in die Annalen von Lund über-
gegangen ist2).
In Cöln war wenig Boden für wissenschaftliche, wenigstens für
geschichtliche Thätigkeit. Dagegen regte sich in Trier, nachdem
wieder bessere Zeiten gekommen waren, der alte Geist aufs neue.
Sogar mitten unter den Stürmen, welche das unglückliche Land
verheerten, hatte man im Kloster St. Maximin, wie in Corvey,
es nicht ganz unterlassen, einige geschichtliche Nachrichten aufzu-
zeichnen3).
Im Jahre 882 verwüsteten die Normannen das Stift, und auch
hier blieben nur einige Weltgeistliche ohne klösterliche Zucht; im
Jahre 933 stürzte die Kirche ein. Aber schon 934 wurde die
Klosterzucht hergestellt, und unter dem Abte Hugo oder Ogo4) ge-
länglichen Berichtigungen SS. XYI, 731. Neue Ausg. im Verz. d. Cölner
Handschriften S. 127—131. Ann. Colon, breves 814. 898—964 e cod. Vat.
Urb. 290 aus Brauweiler, MG. SS. XVI, 730.
*) Ihm widmete ein 'Albuinus heremita' einen Sammelband, worin sich
u. a. Adso de antichristo befand, s. Catal. Monac. I, 3, 199; W. Meyer, Der
ludus de antichristo, S. 4; Schum, Catal. bibl. Amplon. p. 558. — Verse
an Heribert, gekünstelt und ohne Inhalt, NA. XVI, 178.
2) Theopold, Kritische Untersuchungen über die Quellen der angel-
sächsischen Geschichte (1872) S. 83 — 87. Die betreffenden Stücke aus
Annalen der Normandie nebst Auszügen aus den Fortsetzungen bis ins
14. Jahrh. giebt Holder-Egger: Ex Annalibus Normannicis, MG. SS. XXVI,
488—517.
3) Annales S. Maximini, von 708—987, MG. SS. IV, 6. 7. Sie sind bis
840 von einer Hand, und bis dahin, wie B. Simson bemerkt, aus den Ann.
S. Columbae Senon. abgeschrieben.
4) Die Namen der 70 Mönche unter Ogo „qui monasterium reparavit",
MG. SS. XIII, 301. Vgl. Dümmler, Otto I, S. 65. In d. Bibl. de l'Ecole
des chartes XLV (1884), S. 578 — 580 ist Nachricht gegeben von einem
Evang. mit Nachrichten über Kirchweihen in St. Maximin, deren erstes Blatt
fehlt. Weihe der Krypte 952 unter Willer, einer Capelle am 2. März 1018
unter Wmrich. Ausg. von Sauerland SS. XV, 2, 1269; aus der einst von
Wilthem benutzten Hs. v. Nick, Stud. u. Mitth. aus d. Bened. Orden X, 82
(NA. XV, 212).
364 HI. Ottonen. § 6. Lothringen. Coln. Trier. Metz.
dieh das klösterliche Leben so gut, dass schon 937 König Otto die
Mönche für seine neue Stiftung in Magdeburg von hier entnahm.
Anno, der erste Abt von St. Moritz, wurde (950 — 978) zum Bischof
von Worms befördert, der zweite Otwin 954 zum Bischof von Hildes-
heim, während Abt Hugo selbst 945 Bischof von Lüttich wurde.
Etwas später (972) wurde Sandrad, der erste Abt von Gladbach,
aus St. Maximin entnommen, 975 Ramwold, 978 Hartwich, die Her-
steller klösterlicher Zucht in St. Emmeram und Tegernsee1). Unter
dem Abte Wiker (957 — 966) verfafste Sigehard, ein Mönch von
St. Maximin, eine Schrift über die Wunder ihres Heiligen, welche
über den Verfall und die Herstellung der lothringischen Klöster
nicht unwichtige Nachrichten enthält2). Um 965 wurde daselbst
eine Sammlung für kanonisches Recht zusammengestellt 3). Damit
ist die litterarische Thätigkeit von St. Maximin erschöpft, wenn man
nicht die kecke Urkundenfälschung in Heinrichs V Zeit dazu
rechnen will.
Auch Prüm erholte sich wieder, doch scheint es in Regino
(oben S. 259) seinen einzigen Historiker hervorgebracht zu haben;
auch lag es gar fern von der Strafse. In den letzten Jahrzehnten
dieses Jahrhunderts, unter den Aebten Hilderich (f 993) und
Stephan (f 1001), wurde hier auf Kosten und Bitten des Mönches
Wicking vom Mönche Nother ein sehr schönes Antiphonar geschrie-
ben4). Auf Befehl des Abts Wolfram schrieb 1084 der Schüler
Arnold die Chronik des Regino, Einhards Annalen und Leben Karls
nebst Thegan in einem Bande5). Ein Verzeichnifs der Aebte ist
unter Hizo (1068 — 1077) geschrieben und weiter fortgesetzt6), in
*) Notizen darüber in einem schönen alten Evangeliar aus Tegernsee,
NA. VIII, 377.
2) Miracula S. Maximini, Acta SS. Mai. VII, 25 — 33. Excerpta ed.
Waitz, MG. SS. IV, 228 — 234; in Verse gebracht von einem ungenannten
Scholasticus, ed. Kraus im Rheinland. Jahrb. L, 205 — 210. Vgl. auch Ma-
billon, De restitutione disciplinae in Trevirensibus Monasteriis, Act. V, 341
bis 344. Zwischen 963 und 965 wurde in St. Maximin das Diptychon mit
Namen der Ott. Familie geschrieben, facs. in Papebr. Propyl. Antiq. Acta
SS. Apr. II; Ausg. mit Facs. von Fr. X. Kraus, Westdeutsche Zts. IV,
138—156.
3) M. Sdralek , Wolfenb. Fragmente, Münster 1891. — Ueber eine
Urkundenfälschung aus dieser Zeit Bresslau, Westd. Zts. V, 35; u. daselbst
S. 20—65 über ihre ganzen Urkundeu-Ueberlieferung u. Fälschung.
4) Paris Suppl. Lat. 641 jetzt Lat. 9448, ausgelegt Arm. XIX n. 198.
Zwei Miniaturen bei Jules Labarte, Hist. des Arts Industrieis, Album II,
pl. XC nebst der Inschrift. Waagen III, 276.
5) MG. I, 539. Ermisch, Die Chronik des Regino S. 26. Kurze den
Hersfelder entnommene Annalen 906 — 919 daraus, Arch. XI, 300.
6) Fontes IV, 460, MG. SS. XIII, 302. Ein Verz. Prümer Mönche zw.
St. Maximin. Prüm. Trier. 365
dein werthvollen Chartular, welches als liber aureus bekannt ist. In
demselben sind die Todesdaten der Könige, Kaiser u. a. von 768
bis 1106 zusammengestellt1) und am Schlüsse finden sich sehr
schätzbare necrologische Annalen von 1039 bis 1102, wo sich noch
einige Notizen anschliefsen. Der Anfang scheint durch Ausschneiden
eines Blattes verloren zu sein. Damit ist auch die historische Litte-
ratur von Prüm erschöpft.
Von Erzbischof Rotger von Trier (917 — 930) ist eine Sammlung
kanonischer Vorschriften für die Priester seines Sprengeis zusammen-
gestellt, wovon sich leider nur der Anfang erhalten hat2). Irrig ist
ihm auch eine etwas spätere Mäterialiensammlung ähnlicher Art aus
Trier zugeschrieben worden3).
Der Erzbischof Rodb er t (930 bis 956), ein Bruder der Königin
Mahthild4), war ein gelehrter Mann, der die Wissenschaft liebte; ein
Brief Rathers an ihn zeigt uns, dafs er diesem einige Probleme vorgelegt
hatte5), und Flodoard widmete ihm sein grofses Gedicht über die
römischen Päbste6). Unter seinen Nachfolgern7) hat sich vorzüglich
Ekbert oder Egbert (977 — 993), ein Sohn des Grafen Dietrich
von Holland, ein dauerndes Andenken geschaffen und nachhaltig
gewirkt. Sehr merkwürdige von ihm gestiftete Weihgeschenke in
Trierer Emailarbeit verwahren die Domschätze in Trier und Lim-
burg8). In der Trierer Stadtbibliothek ist ein Fragment einer reich-
verzierten Abschrift von Gregors I Registrum, die er hat machen
lassen, mit Versen zu Otto's II Preise verziert (NA. II, 437). Ihm
ist der berühmte Psalter von Cividale gewidmet9). Reichenau brachte
948 u. 971 ex libro aureo, bei Lamprecht, Deutsches Wirthschaftsleben III,
319—321.
*) Annales necrologici Prumienses, MG. SS. XIII, 219 — 223.
2) Arch. VIII, 813.
3) 0. v. Heinemann, Cat. d. Wolfenb. Hss. I, 356 nach Wasserschieben;
berichtigt von L. Weiland, Zts. f. Kirchenrecht XX.
4) S. Waitz, Heinrich I (3. Ausg.) S. 108 und 138.
5) Vogel, Rather I, 98.
6) Handschriftlich ist der Erzb. Ruotger genannt (-J- 930), wofür wegen
des chronolog. Widerspruchs in Hist. litt, de la France VI, 318 Rodbert
gesetzt ist. Vgl. Dümmler, Otto I S. 543.
7) Erst Sigebert V. Deod. c. 2 nennt Heinrich (956—964) u. Ekbert
Schüler des Erzb. Brun, was nach Dümmler, Otto I S. 399, grundlos ist.
8) Aus'm Weerth, Kunstdenkm. im Rheinland III. Ders. Siegeskreuz
Constantin VII. Weih -Inschriften bei Brower et Masen, Ann. Trev. I, 483.
St. Beissel, Egbert v. Trier u. die byzant. Frage. Stimmen aus Maria-
Laach 1884, II, S. 260 ff. Janitschek, Gesch. d. deutschen Kunst S. 65 ff.
9) Piper, Kai. u. Martyrol. d. Angelsachsen S. 20. Eitclberger, Jahrb.
der Centralcommission II, 254, und daraus F. X. Kraus im Rheinl. Jahrb.
XLIV, 166. Archiv XII, 679.
366 nI- Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
ihm das prachtvolle Evangelistarium dar, welches sich jetzt in der
Trierer Stadtbibliothek befindet1). Ekberts Bedeutung zeigt sich
auch darin, dafs die ältesten Bischofskataloge bis auf ihn reichen2).
Nach langer Zeit des schweren Drucks und angestrengter Kämpfe
regte sich wieder selbstbewufste strebsame Thätigkeit. Mit Gerbert
war Ekbert in Verbindung, und überlegte, ob er zu dem Kreise
hervorragender Männer, welchen Otto II in Italien um sich sammelte,
auch aus Trier Scholastiker schicken sollte3). Sehr begreiflich ist
es nun, dafs man gerade hier vorzüglich dem Alterthum sich zu-
wandte. Die alte Gröfse Triers, welche aus den gewaltigen Bau-
werken der Römerzeit vernehmlich redete, und die vielfachen Ueber-
lieferungen aus der früheren Zeit eines blühenden kirchlichen Lebens,
forderten zur Erforschung der Vergangenheit auf, für welche es aber,
nachdem in der normannischen Verwüstung vieles zu Grunde ge-
gangen war, an zuverlässigen Hülfsmitteln mangelte. Man bemühte
sich, Biographieen der alten Trierer Heiligen zu schreiben und über-
liefs sich aus Mangel an echten Nachrichten einer regellosen Phantasie,
die zu immer unsinnigeren Fabeleien führte. So entstand in dieser
Zeit jene märchenhafte Urgeschichte Triers, welche besonders aus
der späteren Bisthumsgeschichte bekannt ist4). Nicht viel besser
begründet ist auch das Leben des Diaconus Ad albert, eines
Gefährten des heiligen Willibrord, dem das Kloster Egmund ge-
widmet ist; Erzbischof Ekbert, der Sohn des Stifters5), liefs um
985 durch den Mönch Ruopert von Mettlach an der Saar diese
Arbeit ausführen6); von Adalbert wufste er sehr wenig, dieser war
aber, wie Holder-Egger nachgewiesen hat, der erste Abt von Echter-
nach. Die in den Wundergeschichten gegebenen Nachrichten über
J) Oberflächl. Nachricht bei Kugler, Kl. Sehr. II, 474. Die Inschriften
in Mone's Zeitschr. III, 11 — 13. K. Lamprecht, Der Bilderschmuck des
Cod. Egberti u. des Cod. Epternac. im Rheinl. Jahrb. LX (1881) S. 56—112,
mit 9 Tafeln. F. X. Kraus, Die Miniaturen des Cod. Egberti in d. Stadt-
bibl. zu Trier, in unveränderl. Lichtdruck, Freiburg 1884, 4. St. Beissel,
Bilder der Hs. des K. Otto in Aachen (1886) S. 9—18; S. 17 gegen Lamp-
rechts Datierung.
2) Kraus im Jahrb. d. Alterthumsfr. im Rheinland XXXVIII, 27 ff.
XLIV, 163—167. Vgl. Boehm. Fontt. IV p. LHI. MG. SS. XIII, 296.
3) Hontheim, Hist. Trev. I, 323 aus Gerberts Briefen; scholasticos deutet
er als Schüler, was mir zweifelhaft ist.
4) S. die Vorrede zu den Gesta Trevirorum von Waitz.
5) Ueber die von Kleyn mitgetheilten Bücherverzeichnisse, worin auch
die von Ekbert geschenkten, s. NA. XV, 210.
6) Acta SS. Jun. V, 97—109. Mab. III, 1, 631—646 mit Weglassung
der Vita. Nach der Weihe der neuen Kirche 1143 wurden viele Wunder
hinzugefügt. Auszug von Holder-Egger, MG. SS. XV, 2, 699—704, vgl.
S. 1319 u. NA. XIII, 29-32.
Der Fortsetzer des Regino. 3ß7
die Klosterstiftung hat gleichfalls Holder-Egger erläutert und als
zuverlässig befunden.
Daneben aber wurde von einem Mönche des Klosters St. Maxi-
min auch eine Geschichte der Gegenwart verfafst, in der Form
ausführlicher Jahrbücher, welche wir wohl unbedenklich als die
beste Reichsgeschichte dieser Zeit bezeichnen können, ohne damit
den eigenthümlichen Vorzügen Widukinds zu nahe zu treten. Es
ist die Fortsetzung der Chronik des Regino, verfafst um
das Jahr 964, und bis 967 fortgeführt von einem unbekannten
Mönche von St. Maximin, der sich nicht allein durch seine Schreib-
art als einen der besten Schriftsteller seiner Zeit zu erkennen giebt,
sondern der auch aufserdem eine ungewöhnliche Stellung haben
mufste, um einen so klaren Einblick in den Gang der Dinge zu
erhalten und so zuverlässige Nachrichten sammeln zu können. Dem
Erzbischof Wilhelm von Mainz mufs der Verfasser nahe gestanden
haben, besonders aber Ad albert, dem Mönch von St. Maximin,
der 961 als Bischof nach Rufsland geschickt wurde, 966 die Abtei
Weifsenburg im Elsafs erhielt, und endlich 968 auf den neuen erz-
bischöflichen Stuhl von Magdeburg erhoben wurde, einem Manne
also, der kein gewöhnliches Mönchsleben führte1). Da nun gerade
mit diesem Jahre die Fortsetzung abbricht, so hat W. v. Giesebrecht2)
richtig bemerkt, dafs Adalbert ein nahes Verhältnifs zu dem Ver-
fasser gehabt haben müsse, eine Ansicht, welche nicht nur all-
gemeine Zustimmung gefunden hat, sondern auch dahin erweitert
ist, dafs Adalbert selbst als der Verfasser angenommen ist,
besonders wegen des Berichts über sein Geschick in den
Jahren 961 und 962, welchen kaum ein anderer so abfassen konnte.
Die Ereignisse in Italien sind ihm ebenso gegenwärtig, wie die
lothringischen; er theilt wie die Verfasser der alten Reichsannalen,
die Gesichtspunkte des Hofes und ist durchaus nicht in provinzieller
Einseitigkeit befangen, was bei einem Mönche wie Widukind, der
in seiner Zelle blieb, kaum anders möglich war.
Adalbert also kam 962 von seiner gefahrvollen und gänzlich
erfolglosen Sendung nach Rufsland zurück; er fand jetzt beim Erz-
bischof Wilhelm eine sehr liebevolle Aufnahme „w7ie ein Bruder vom
a) Sickel im 1. Ergänzungsband der Mitth. d. Inst. S. 361 hält ihn für
den Notar Liutolf A, der 953 — 958 in der k. Kanzlei gearbeitet hat, und
diesen wieder der Schrift nach für identisch mit einem Adalbertus, der 950
in Köln eine Urk. des Erzb. Wicfrid recognoscirt (Facs. Kaiserurkunden
in Abbildungen, 7. Lief. N. 30). Er müfste sich dann aus der Kanzlei ins
Kloster zurückgezogen haben.
2) Geschichte der Kaiserzeit I, 778.
368 HI. Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
Bruder", und ich habe daran die Vermuthung geknüpft1), dafs er
wohl wirklich Wilhelms Bruder oder Halbbruder gewesen sein möge, ein
Sohn jener vornehmen Wendin, welche "Wilhelms Mutter war. Denn
Männer geringer Herkunft erhielten damals nicht leicht ein Bisthum,
weil die stolzen Vasallen sich ihnen nicht unterordneten , und wir
wissen sonst gar nichts über Adalberts Abkunft. Der Erzbischof
befahl ihm, die Ankunft des Kaisers im Palast abzuwarten, und er
wird sich dort wohl, trotz seiner Erhebung zum Abt von Weifsen-
burg, viel aufgehalten haben, zuletzt begleitete er, wie Uhlirz wahr-
scheinlich gemacht hat2), im Spätherbst 967 den jungen Kaiser
Otto II nach Italien, wo er zum ersten Erzbischof von Magdeburg
erhoben wurde. Dadurch wird die weitere Fortführung des Werkes
verhindert sein.
Es liegt nun ferner die Yermuthung nahe, dafs der Erzbischof
Wilhelm es war, welcher, dem Beispiel seiner Vorgänger folgend,
den Anlafs zu diesen Aufzeichnungen gab. Vor der Heimkehr aus
Rufsland können wir den Anfang nicht ansetzen, weil nirgends vor-
her die Aufzeichnung als gleichzeitig erscheint, vielmehr die Kennt-
nifs späterer Vorgänge vorausgesetzt wird; ja, wie Werra3) bemerkt,
setzt sogar noch, was zu 964 über den Grafen Udo geschrieben ist,
dessen Unternehmen im Jahre 966 voraus. Es bedurfte also zur
Anknüpfung an die Chronik des Regino schriftlicher Hülfsmittel
und als solches diente vorzüglich ein uns nicht mehr erhaltenes
Exemplar der Reichenauer Annalen, reichhaltiger als das uns be-
kannte, und kenntlich durch die Benutzung desselben Exemplars in
Hermanns Chronik4). Sonst ist aufser St. Maximiner Klosternach-
richten u. a. von Fr. Kurze die Benutzung jener oben S. 241 er-
wähnten Fulder Annalen nachgewiesen, die bis 939 gereicht zu
haben scheinen. Die Erzählung wird nun immer ausführlicher und
gestaltet sich zu einer wirklichen, wenn auch sehr knapp gehaltenen
Reichsgeschichte, ganz in der Weise der alten Reichsannalen. Der
Verfasser konnte aus eigener Erfahrung schöpfen, vielleicht auch
frühere Aufzeichnungen benutzen. Mittheilungen kundiger Zeitge-
nossen und Berichte, besonders über die Vorgänge in Italien an den
2) Einleitung zur Uebersetzung (1890) S. VII.
2) Gesch. d. Erzbisthums Magdeburg S. 56.
3) Jos. Werra, Ueber den Continuator Reginonis. Diss. Lips. 1883.
4) So nach W. Erben, NA. XVI, 613—622, der wohl mit Recht die
Benutzung der Ann. Laubac. u. Sangall. abweist. Besonders beachtens-
we'rth ist die Bemerkung zum J. 938, wo nach Hermann „Arnulf" statt
„Eberhard" gesetzt wird, und Eberhard v. Baiern ganz aus der Geschichte
gestrichen.
Metz. Das Kloster Gorze. 369
Erzbischof, werden ihm nicht gefehlt haben. Für den Zeitraum von
960 bis 967 ist keine andere Quelle damit zu vergleichen1).
Unter den Suffraganen von Trier ist besonders Metz ausge-
zeichnet durch wissenschaftliche Thätigkeit unter einer Reihe treff-
licher Bischöfe, welche den Glanz von Chrodegangs Zeiten erneuten.
Schon 883 April 22 weihte Erzbischof Radbod, ein Alainanne, zum
Bischof von Metz seinen Landsmann Ruotpert, einen Freund Notkers,
also- vermuthlich aus der Schule von St. Gallen2), wie denn auch
Radbod 885 das Fest des Schutzheiligen in St. Gallen feierte, und
in die Verbrüderung aufgenommen wurde3). Ruotpert starb am
2. Januar 917. Nachdem der von König Heinrich 927 eingesetzte
Schwabe Benno im folgenden Jahre von seinen Feinden geblendet
war, gelang es Adalbero (929 — 962), eine gesicherte Wirksamkeit
zu gewinnen. Von hier besonders ging durch eigenen inneren An-
trieb die neue Klosterreform aus, hier zuerst fafste sie festen Boden
und verbreitete sich dann auch weiter zu entfernteren Klöstern :
diese Erneuerung von unten auf und von innen heraus, welche allein
für die Wirksamkeit des Erzbischofs Brun eine dauernde Grundlage
gewähren konnte. Die Bischöfe Adalbero und Dietrich beförderten
diese Richtung und die Thätigkeit der Männer, welche sie haupt-
sächlich vertraten, auf alle Weise, und bald sehen wir die loth-
ringischen Klöster aus tiefem Verfall sich zu einer neuen und
dauernden Blüthe erheben.
Der Mittelpunkt dieser Bestrebungen war lange Zeit das Kloster
Gorze in der Nähe von Metz, wo der Abt Eginold (933 — 959) mit
grofser Anstrengung und Aufopferung die Zucht hergestellt hatte,
und nach ihm sein Freund und Genosse Johannes als Abt (960
bis 974) 4) eine sehr einflufsreiche Stellung einnahm, und die neue
strenge Zucht nach allen Seiten verbreitete. Schon 941 hatte
Bischof Adalbero mit König Otto's Hülfe aus dem Arnulfskloster
zu Metz die zuchtlosen Canoniker vertrieben, und unter dem neuen
*) Conünuator Reginonis ed. Pertz, MG. SS. I, 614—629 und eine Er-
gänzung zum Jahre 967 SS. VI, 620. Neue Ausg. von Fr. Kurze 1890:
vgl. NA. XV, 324—330. Uebersetzung von Büdinger 1857; 2. Ausg. 1890.
Geschichtschr. 28 (X, 1). Zu Hugo Isenbart: Ueber den Verfasser und die
Glaubwürdigkeit des Cont. Reg. (Diss. KU. 1889) s. Kurze, NA. XVI, 209.
— In Bern ist ein cod. s. XI. von Augustin de civ. dei aus St. Maximin
„quem Hato bibliotecharius fecit". Catal. codd. von II. Hagen S. 9.
3) Dümmler, St. Gall. Denkm. S. 261.
3) St. Galler Mitth. XI, 13. In dem oben S. 270 angef. Dialog heilst
es S. 489: „Nobilissimo atque scholasticissimo Ruodperto nuper in Mctensis
ecclesiae sede pontificatus honore sublimato."
4) Nach Dümmler, Otto I, S. 280, starb er am 7. März 974.
Wattenbach, Geschichtequellen I. 6. Aufl. 24
370 HI- Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
Abt Arbert, einem Mönche von Gorze, die Benedictiner- Regel ein-
geführt. Dann war es der Abt Johannes von St. Arnulf, welcher
lange Zeit der Freund des Abtes Johannes von Gorze und der Ge-
nosse seiner Wirksamkeit war, und dieser unternahm es nach dem
Tode desselben, sein Leben zu beschreiben, und begann die Aus-
führung dieser Aufgabe mit besonderer Liebe und gutem Erfolge.
Die Regeneration des Klosterwesens in Lothringen liegt uns darin in
sehr ausführlicher Schilderung vor; weiterhin gewinnt dieses Werk
noch eine ganz eigenthümliche geschichtliche Wichtigkeit dadurch,
dafs Johannes es war, welcher im Jahre 953 sich bereit finden liefs,
für den König Otto als Gesandter zum Kalifen Abderrahman III
nach Cördova sich zu begeben. Auch diese Reise ist hier sehr aus-
führlich beschrieben, leider aber bricht unser Text mitten in dieser
ebenso merkwürdigen wie anziehenden Darstellung ab; das Uebrige
ist verloren, vielleicht auch die zu ausführlich angelegte Arbeit nie
ganz vollendet worden. Schon einmal, im Jahre 978, als ein be-
deutender Theil derselben vollendet war, hatte der Verfasser sie
unterbrochen, und es bedurfte des Zuspruches der Bischöfe Dietrich
von Metz und Folkmar von Utrecht, um ihn zur Fortsetzung zu
bewegen; ob er sie aber wirklich zu Ende geführt hat, ist zweifel-
haft und kaum wahrscheinlich, zumal da er vor 984 gestorben ist1).
Pertz hat dem Abt Johannes von Gorze verschiedene Werke
zugeschrieben, die Miracula S. Gorgonii, Vita et Miracula S. Glode-
sindis, vielleicht auch Vita Chrodegangi, allein die genaue Unter-
suchung von Walther Schultze2) hat ein ganz anderes Verhältnifs
wahrscheinlich gemacht. Zunächst ist nachgewiesen, dafs es schon
eine ältere Aufzeichnung gegeben hat, welche in den Miracula S.
Gorgonii benutzt und daran kenntlich ist, dafs einzelne Erzählungen
derselben mit der Vita Johannis Gorziensis, andere mit der Vita
Chrodegangi so weit übereinstimmen, dafs eine gemeinsame Quelle
anzunehmen ist; vermuthlich waren es ältere Miracula S. Gorgonii.
Die uns erhaltenen Miracula S. Gorgonii3). die Wunderthaten
») V. Johannis Gorziensis ed. Pertz, MG. SS. IV, 337—377. Vgl.
W. Giesebrecht, Geschichte der Kaiserzeit, I, 506 ff. 784. 837; Dümmler,
Otto I, S. 302 — 306, über die Klosterreform. Matbieu, De Joh. Gorz. vita,
Nancy (82 S. 8). Dafs die Vita unvollendet blieb, sagt der Vf. der Hist.
S. Arnulfi aus dem 13. Jahrh., für dessen Glaubwürdigkeit Walther Schultze
eintritt, Forschungen zur Gesch. d. Klosterreform (Diss. Hai. 1883) S. 40,
NA. IX, 507.
2) War Joh. von Gorze hist. Schriftsteller? NA. IX, 495—512.
3) MG. SS. IV, 235. 238 — 247. Gegen diese Datierung sind jedoch
Zweifel erhoben von H. Finke, weil B. Milo v. Minden bei Uebersendung
der Passio S. Gorgonii an Abt Immo v. Gorze, zw. 987 u. 996, keine Mi-
racula kennt; s. NA. XVI, 209 §26.
Die Aebte Joh. von Gorze u. Joh. von St. Arnulf. 371
des Schutzheiligen, der schon von Chrodegang im J. 765 nach Gorze
gebracht war, sind um das J. 965 von einem Gorzer Mönch ver-
fafst, der als Augenzeuge von dem Aufstand des Herzogs Konrad
berichtet, zu einer Zeit, da der Abt Johannes in Spanien war. Da-
gegen sind die Vita et Miracula S. Glodesindis1) von einem
Abt Johannes verfafst, der in der Hist. S. Arnulfi als der von St.
Arnulf bezeichnet ist, und es ist kein Grund daran zu zweifeln. In
der Yita Joh. Gorz. hat er diese seine frühere Schrift benutzt und
die Erzählung etwas erweitert; ebenso die älteren Miracula S. Gor-
gonii. In beiden finden sich mancherlei historische Nachrichten,
namentlich über die Klosterreform im Sprengel von Metz.
Was endlich die Yita Chrodegangi2) betrifft, welche uns nur
unvollständig erhalten ist, so könnte dieselbe allenfalls von Johannes
von Gorze herrühren; sie ist aber mit einem grofsen Phrasenschwall
ausgestattet und nach allen Regeln der Rhetorik gearbeitet, was
nicht zu dem pafst, was uns von der mangelhaften Schulbildung des
Abtes Johannes mitgetheilt wird. Sie ist übrigens nur aus densel-
ben Quellen geschöpft, die auch uns zu Gebote stehen, und reiht
sich daher den zahlreichen Paraphrasen alter Heiligenleben an, welche
durch die höheren Anforderungen der gebildeteren Nachfolger her-
vorgerufen wurden.
Eine kräftige Stütze hatte das Kloster Gorze an seinem Schirm-
voigt Sendebai d, Grafen von Toul, dem nach seinem Tode eine
ausführliche dankerfüllte Grabschrift in ungewöhnlich guten Hexa-
metern gewidmet wurde3).
1) Miracula bei Mab. IV, 1, 436. Auszug MG. SS. IV, 236 — 238.
Eine Stelle über Lothar II u. Waldrada nachgetragen SS. XXIV, 506,
Anmerkung.
2) V. Chrodegangi ed. Pertz, MG. SS. X, 552—572. Pertz, Uebcr die
Vita Chrodegangi in den Abhandlungen der Berliuer Akademie 1852,
S. 507 ff. Epitaphium Chrod. Poet. Lat. I, 108.
3) Herausgegeben v. Dümmler, Zeitschr. f. D. Alt. XVIII, 306. Nach
Mittheilung desselben ist v. 23 statt Ostendit zu lesen Offendit. Die Ils.
aus dem Vincenzstift (Ciarom. 659) enthält folgende Eintragung zum Preise
des Bischofs Dietrich: „Sanctae matris aecclesiae tripudians auriga necnon
summae religionis in omni mundanac adversitatis turbine triumphans guber-
naculum, domnus praesul Deodericus, dum divino adprime cultui deditus
quaeque ad honestatem, augmentum seu defensionem sibi pastorali jure
commissae sedis indefesso nisu enuclearet atque proeul posita offensione
cuncta votis ejus responderent, inter multa insignia, quae eonsilio, aucto-
ritate, sententia ad gloriam et laudem summae et individuae trinitatis prae*
senti in coenobio cum decreto imperatorum et principum necnon totius
populi senatu applaudente gloriose gessit, etiam hunc librum Gesta sancti
Martini continentem, quo apud futuram postcritatem serapiternae memoriae
immortalitatem pro mortali conditiono nnncisceretur, archivis aegrogii mar-
24*
372 HI. Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
Zu dem Kreise dieser Reformatoren gehört auch der Schotten-
abt Kaddroe, der zuerst in Waussor unweit Diuant einem Lands-
mann als Abt folgte, von da aber durch Adalbero an das Kloster
der heiligen Felix und Clemens nach Metz berufen wurde. Sein
Leben ist auf Veranlassung des Abtes Immo, vermuthlich von
Waussor, bald nach seinem Tode beschrieben worden1). Ihn und
seinen Nachfolger Fingen (f 1003) und die Bischöfe, welche die
Klöster und die Klosterzucht herstellten, Adalbero I und Adalbero II,
preist ein Gedicht in noch recht roher und mangelhafter Form,
welches vorzüglich dem Ruhme des h. Clemens gewidmet ist2).
Wir erwähnten schon, dafs der Bischof Dietrich von Metz
(965 — 984), ein Schwestersohn der Königin Mahthild, der aus der
Schule des Erzbischofs Brun stammte3), nicht minder als Adalbero
bemüht war, seinen Sprengel in jeder Beziehung zu verherrlichen;
er beförderte eifrigst die Klosterreform, und seinen Aufenthalt mit
dem Kaiser in Italien 970 benutzte er, um mit unersättlicher Gier
und in den Mitteln nicht wählerisch zahlreiche Heiligenleiber für
Lothringen zu erwerben. Zugleich nahm er auch in der politischen
Geschichte der Zeit eine sehr bedeutende Stellung ein; sein Ruf
war auswärts nicht der beste, Habsucht wurde ihm vorgeworfen,
und seine Untreue gegen Theophano, sein Abfall von Otto III, be-
fleckten seine letzten Jahre und gaben Gerbert, wenn er der Ver-
fasser ist, Anlafs, sein Verhältnifs zu Carl von Lothringen in einem
für beide Theile gleich anzüglichen Briefwechsel zu behandeln4).
Seinen Aufenthalt in Italien scheint Bischof Dietrich aber auch
zu einer anderen Erwerbung benutzt zu haben, nämlich der hinter-
lassenen Werke des Bischofs Liudprand von Cremona. Dieser soll,
was freilich unsicher ist, an der Gesandtschaft theilgenommen haben,
welche 971 die Kaiserbraut Theophano in Empfang nahm, und auf
dieser Reise gestorben sein. Dietrich, der griechischen Sprache
nicht unkundig, war zum Empfang der Prinzessin 972 entsandt.
tyris et laevitae Vincentii in spem patrocinii sibi electi sub anathematis
vincnlo votiva manu addidit."
*) Vita S. Cadroae, ed. G. Henschen, Acta SS. Mart. I, 474. Mab. V,
489. Auszüge MG. SS. IV, 483 u. XV, 2, 689. Sein Todesjahr ist un-
sicher, 978 nach Scheffer- Boichorst, Zts. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. IV,
286, Anm. 5. Vgl. über ihn Sackur, Die Cluniacenser, S. 182 ff.
2) Bis jetzt ist nur das Ende gedruckt, von Dümmler, NA. V, 433
bis 437.
3) Vgl. über ihn Dümmler, Otto I S. 374.
4) Olleris, Oeuvres de Gerbert, p. 19 ff. u. S. 25—32 d. Ausg. von
Hawet, welcher aber nicht an die Autorschaft Gerberts glaubt. Sie linden
sich auch im Cod. ep. Lauresham. s. NA. III, 328. 340.
Kaddroe. Dietrich u. Adalbero II von Metz. 373
Nun enthält, wie Fr. Koehler nachgewiesen hat1), eine Handschrift
saec. X. aus St. Arnulf Excerpte griechischer Stellen aus Liudprands
Schriften mit der Uebersetzung, und es ist wahrscheinlich, dafs in
Metz auch die Abschrift angefertigt ist, welche bisher als Autograph
betrachtet wurde, und in die darin leer gelassenen Stellen hat viel-
leicht Dietrich selbst die griechischen Worte eingetragen.
Die Stiftung des Vincenzklosters trug Dietrich auch eine Bio-
graphie ein2), welche aber nicht von einem Zeitgenossen, sondern
erst ein Jahrhundert später von Sigebert von Gembloux verfafst
ist. Aufgenommen ist darin ein gleichzeitiger Bericht über die
von ihm erworbenen Reliquien, welcher sich auch abgesondert er-
halten hat.
Glücklicher war sein nicht minder ausgezeichneter Nachfolger
Adalbero II (984 — 1005), der Dietrichs Wirksamkeit in entsprechen-
der Weise fortsetzte, indem er einen ganz vortrefflichen Biographen
fand an Constantin, dem Abte des von ihm wiederhergestellten
Schottenklosters St. Symphorian zu Metz3). Ein poetisches Epita-
phium, worin der Bischof gar sehr gepriesen wird, verfafste Conrad
im Kloster Saint-Avold (Sancti Naboris) und überreichte es mit
anderen Versen seinem Abt Ratram ; beides steht in einem Codex
des Prudentius, den er schön eingebunden und mit Randglossen ver-
sehen hatte, wofür er dieses Buch in zierlichen Versen sich bedan-
ken läfst: so schön sei nicht einmal der Lucan geziert, den Con-
stantin binden liefs. Diesen Conrad, von dem es nicht sicher ist,
dafs er Mönch war, hält L. Delisle für den Metzer Archidiaconus
des Namens, welcher auf dem Wege nach Italien die eifrigen Studien
der Klosterfrauen in Zürich kennen gelernt hatte und zugleich ihren
Kummer, dafs der erste Band von Gregors Moralien ihnen fehle;
heimgekehrt übersandte er ihn mit einem artigen Briefe4). Doch
ist das sehr zweifelhaft und nicht wahrscheinlich, da jener Conrad
allem Anschein nach identisch ist mit Cuono, Klosterlehrer in St.
1) Neues Archiv VIII, 78.
2) Vita Deoderici Mettensis ed. Pertz, MG. SS. IV, 461. Vgl. dazu
Dümmler a. a. 0. S. 4G6. 483. 491. Aufser der oben angef. Inschrift 9 Hexa-
meter zu seinem Preis im Cod. Mett. 215; Schlufs: Me referente seiet Fran-
corum regia cortis, Catal. des Bibl. des Dep. V, 95. Im Catal. Ciarom. p. 173
(cod. 506) 3 Distichen zu seinem Preis, gefeiert als Verwandter des Kaisers
Otto „cujus consiliis jura dedit populis".
3) Vita Adalberonis II Mettensis episcopi ed. Pertz, MG. SS. IV, 658
bis 672; geschrieben um das Jahr 1015. Ueber ein Sacramentar von dort
Delisle, Sacram. p. 222.
4) Die Verse bei Pertz a. a. 0. S. 672; die letzten auch bei Delisle,
Cabinet des Manuscrits II, 401. Der Brief bei G. v. Wyfs, Gesch. der
Abtei Zürich.
374 Hl« Ottoncn. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
Avold, von dem sich auch andere Verse erhalten haben1). Solche
Schullehrer wurden aber nicht Archidiaconen.
Um dieselbe Zeit schrieb auch ein Mönch im Kloster Horn-
bach im Sprengel von Metz ein Buch über das Leben des heiligen
Pirruin2), der im achten Jahrhundert das Kloster gestiftet hatte,
und widmete sein Werk dem Erzbischof Ludolf von Trier (994 bis
1008). Es ist nur eine stilistische Bearbeitung der älteren, schon
oben S. 275 erwähnten Vita ohne geschichtlichen Werth, vielleicht,
wie schon Mone vermuthete, von dem Abt Gare mann von Horn-
bach (f 1008) verfafst. Dagegen enthalten die von Mone zuerst
bekannt gemachten Wunder3) (bis 1012) einige geschichtliche Nach-
richten, namentlich über Heinrichs II Zug nach Lothringen im J.
1009; sie sind von einem Hornbacher Mönch hinzugefügt. Hier
wurde auch zur Zeit Otto II vom Schreiber Eburnant ein prächtiges
Sacramentar für den Abt Adalbert geschrieben, mit guten Dedica-
tionsversen4).
So entwickelte sich in Metz jener den Lothringern besonders
eigene Sinn für Localgeschichte, der sich in Biographieen, Kloster-
chroniken und Schriften zur Verherrlichung der Ortsheiligen in
grofser Fülle kundgegeben hat, aber erst im folgenden Zeitalter zu
voller Entfaltung kommt.
Schliefslich ist noch ein Mönch jenes schon erwähnten Klosters
des heiligen Symphorian zu nennen, der nur zum Theil dem
Metzer Sprengel angehört, Alpert nämlich, der an das Werk des
Paulus Diaconus anknüpfend, eine Geschichte der Bischöfe von
Metz5) verfafste, von welcher jedoch nur ein Bruchstück erhalten
ist. Er widmete sie dem Abte Constantin. Später aber kam er
in den Utrechter Sprengel, und zwar nach Molls Vermuthung6) in
das um diese Zeit von Bischof Ansfrid (995 — 1010) gegründete
Kloster bei Amersfoort. Es giebt nämlich eine aus Alperts Werk
x) S. NA. XIII, 666 über Studemund in den Breslauer Philolog. Ab-
handl. II, 3.
3) Gedruckt bei Mab. III, 2, 140—153. Vgl. Mone, Quellens. I, 36-38.
Stalin I, 168, Rettberg II, 52. Nur der Prolog MG. SS. XV, 21. Ueber
die geschichtl. Verhältnisse s. K. Brandi: Die Reickenauer Urkundenfäl-
schungen (1890) S. 102 ff.
3) Quellensammlung I, 45-50. MG. SS. XV, 21—31, von Holder-
Egger; S. 31 — 35 Miracula Hornbacenäa.
4) Herausgeg. v. Dümmler, NA. X, 344. Delisle, Sacram. p. 190.
5) Alperti de episcopis Mettendbus libellus ed. Pertz, MG. SS. IV, 697.
Bischofsverzeichnisse SS. XIII, 303. Ueber Benutzung von Caesars Bell.
Gall. in seinen Werken Manitius, NA. XIII, 203.
f)) Kerkgeschiedenis II, 2, 343.
Hornbach. Alpert von Metz. Utrecht. 375
geschöpfte Vita Ansfridi1), welche einem monachus Ultrajectinus
S. Pauli zugeschrieben wird; dahin aber war jenes Kloster verlegt.
Sehr möglich ist es, dafs die Aussendung einer Mönchscolonie den
sonst ungewöhnlichen Ortswechsel veranlafste. Hier also schrieb er
um 1022 sein Buch über den Wechsel der Zeiten2), worin er
in bunter Mannigfaltigkeit von allerlei Vorfällen aus diesen Gegen-
den erzählt: ein Vorrath geschichtlichen Stoffes ohne bestimmte
Ordnung, der um so willkommener ist, da wir sonst nur wenig
Kunde von diesem entlegeneren Theile des Reiches besitzen. Er
übersandte es dem Bischof Burchard von Worms, bei dem sein
Bruder Immo Diaconus war. An denselben Immo schickte auch
der bald zu erwähnende Custos Tielensis sein Werk; er scheint
dann an den Kaiserhof gekommen zu sein und wurde um 1036
Bischof von Arezzo; in der Lorscher Briefsammlung sind Briefe von
ihm und an ihn erhalten3).
Das Bisthum Utrecht war von den Normannen gar arg heim-
gesucht und zeitweise ganz zerstört. Radbod, von mütterlicher
Seite ein Abkomme des alten Friesenfürsten Radbod, folgte 899 dem
Bischof Odilbald, mufste aber vor den Dänen nach Deventer ent-
weichen. Ein Neffe des Erzbischofs Gunthar von Cöln, war er bis
zu dessen Entsetzung 863 bei ihm, dann in der Hofschule Karls
des Kahlen und seines Sohnes Ludwig gebildet, ein Schüler des
Manno, und hat einige Homilieen und Verse zum Preise von Heili-
gen verfafst4), auch über den heiligen Suidbert; doch hatte er von
diesem nur aus Beda Kunde. Trithemius schreibt ihm auch Landes
S. Bonifacii zu, und eine Gothaer Handschrift (fol. 64) nennt ihn als
Verfasser der Legende des sogenannten Presbyter Ultrajectensis5),
was entschieden falsch ist6). Erhalten hat sich eine Aufzeichnung
J) Acta SS. Maj. I, 428.
2) Alperti de diversitate temporum libri II ed. Pertz, MG. SS. IV, 700.
Mit Uebersetzung und Comment. herausgeg. v. Dederich, Münster 1859.
Giesebrecht II, 557. Hieraus mit wenigen kleinen Aenderungen, ist nach
Mitth. v. Dümmler das von diesem in Briegers Zts. f. Kirchengesch. I,
446—450 (1877) abgedr. Stück: Jüdische Proselyten im Mittelalter (I, c. 7,
II, c. 22—24).
3) S. P. Ewald, NA. III, 324. Als Bischof von Arezzo wird er er-
wähnt in der merkwürdigen Capitelschronik, NA. V, 449. Vgl. Brcsslau,
Konrad II, II, 531-536.
4) S. Moll, Kerkgeschiedenis I, 370, Dümmler, NA. IV, 549. Mignc
CXXXII, 547 — 560. Recht schön sind seine Versus dt hirundine im Pal.
1564, ed. Dümmler, Zeitschr. f. D. Alt. XIX, 388. Nach der Hds. ist, wie
ders. mir mittheilt, v. 4 zu schreiben Formula .... arta, u. v. 40 steht
wirklich Ne.
5) Jacobs u. Ukert, Beiträge III, 262.
6) Da dieser Biograph noch eine alte Frau, die bei Bonifazens Tod
376 HI- Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
von ihm über die Schrecknisse des Jahres 900 *), und eine andere
über die Belagerung der Stadt Tours durch die Normannen 903,
und ihre Errettung durch ein Wunder des h. Martin, des gemein-
samen Schutzheiligen2). Zur Feier desselben Ereignisses verfafste
er auch einen cantus ?iocturnalis, der sich im Antiphonar der Ma-
rienkirche erhalten hat3). Sein eigenes Leben ist zur Zeit seines
Nachfolgers beschrieben worden, und wenn aucli nicht eben reich-
haltig, doch nicht unwichtig4). Er starb 917; sein Nachfolger Bal-
derich ist der Hersteller des Bisthums Utrecht5); ihm wurde der
Königsohn Brun zur Erziehung anvertraut. Er erneute die verwü-
steten Kirchen und erhob viele Leiber der Heiligen, holte auch 964
aus Veuves an der Loire Reliquien6); seine Grabschrift in der Mar-
tinskirche rühmte von ihm:
Trajectina feris urbs Denis versa latebat,
Baldricus priscum reddidit ipse decus,
Auspicio cujus jam Pontius, Agna, Benignus
Conservant urbem, fulget et ecclesia7).
zugegen gewesen war, gesprochen haben will, mufs er viel älter sein,
s. Rettberg I, 332. Ausg. Acta SS. Junii I, 477—481. Ein Stückchen bei
Jaffe, Bibl. III, 506.
*) MG. II, 218 mit einigen Versen von ihm, Heda, Hist. Ultraj. p. 71.
Er veranlafste 914 zur Confirmation der Privilegien durch K. Konrad die
älteste Copie der k. Privilegien, s. S. Muller, Het oudste Cartularium van
het Sticht Utrecht, 1892.
2) Libellus cujusdam ep. Traject. Radbodi nomine de quodam S. Martini
miraculo, bei Andre Salmon, Supplement aux Chroniques de Touraine
p. 1—13. MG. SS. XV, 2, 1239—1244. Vgl. Em. Mabille, Les invasions
Normandes dans la Loire et les pe.regrinations du Corps de S. Martin,
Bibl. de l'Ecole des Chartes VI, 5, 149—194.
3) Entdeckt und herausgegeben von W. Moll, im Kerkhist. Archief v.
Kist und Moll, III, 213—221. Ein Sermo de S. Servatio von ihm Anal.
Boll. I, 104—111.
4) Vita S. Radbodi, Mab. V, 25—31 aus Sur. Nov. 29. Ausg. v. Holder-
Egger (mit der Translatio) SS. XV, 1, 568 — 571. Aus ders. Hs. Analecta
Boll. VI. Benutzt von Adam Brem. I, 40. Vgl. Dümmler, Ostfr. II, 333.
5) Seinen Brief von 934 an den Erzb. v. Cöln bei Heda S. 75 nimmt
Moll I, 271 gegen Zweifel in Schutz. Bei dems. S. 530 u. MG. SS. XV,
571a die Grabschrift seiner Eltern. Unechte Urk. von ihm mit Aufzählung
seiner Verdienste um die Herstellung des Stifts bei S. Muller a. a. 0.
S. 222, vgl. S. LI f. Von Waitz, Heinrich I (3. Ausg.) S. 94 zu günstig
beurtheilt.
6) Translatio Benigni et Agnetis, Acta SS. Jan. II, 357 — 360. Auszug
MG. SS. XV, 1, 571«.
7) Kraus im Jahrbuch d. Alterthumsfr. im Rheinland L, 201, wo v. 2
illa steht, was nicht angeht. Auch ist irrig Agna in Agnes geändert. Es
folgt noch: „Obiit a. 977 cum vixisset (leg. rexisset) 59." Aehnlich aus
dem alten Catal. in Bijdragen en Mededeelingen XI, 490, wo auch S. 489
das eben erwähnte Epitaph seines Vaters Ricfrid.
Utrecht. Verdun. Toul. 377
Es läfst sich erwarten, dafs er in seiner langen Amtsführung
(bis 976) "wissenschaftliche Thätigkeit begünstigt haben werde, wie
ihm auch Hucbald sein Leben S. Lebuins widmete; Wolbodo stand
der Schule vor, bis er 1018 Bischof von Lüttich wurde, aber Erzeug-
nisse von Utrechter Gelehrten aus dieser Zeit haben sich nicht er-
halten. Von Bischof Adalbold werden wir bald zu reden haben.
Auch aus Verdun verlautet aus dieser Periode nichts, mit Aus-
nahme der Bisthumsgeschichte von Berthar, deren wir schon oben
(S. 267) gedachten, weil sie nur bis auf die Zeit des Kaisers Arnulf
reicht. Der Bischof Wikfrid (962 — 984), ein geborener Baier, war
zu Cöln in Bruns Schule gebildet, Heimo (991 — 1024) unter Notker
von Lüttich. In dem Kloster St. Mihiel an der Maas lehrte am
Anfange dieser Periode der Grammatiker Hildebold, ein Schüler des
hochgefeierten Lehrers Remigius. Johannes von Gorze wurde seiner
Zucht anvertraut, äufserte sich aber ziemlich ungünstig über die
Verdienste seines Lehrers (Vita c. 10).
Auch Toul besafs an Gerhard (963 — 994), einem Schüler
Bruns, einen jener ausgezeichneten Bischöfe, welche die Zeit der
Ottonen zieren; er wurde später als Heiliger verehrt, und der Abt
Wider ich von St. Evre beschrieb sein Leben, jedoch erst lange
nach seinem Tode unter der Regierung Heinrichs III. Mit der
Klosterreform hatte schon sein Vorgänger Gauzlin (922 — 963) be-
gonnen; angeregt durch die vom Abt Odo von Cluny zu Stande
gebrachte Reform des Klosters Fleury hatte er 936 das Kloster
St. Evre (S. Apri) hergestellt und eine Schule darin errichtet, zu
deren Leitung er den noch jugendlichen Mönch Adso berief, wel-
cher in Luxeuil seine Bildung erhalten, und sich bereits durch seine
Gelehrsamkeit einen Namen gemacht hatte. Nicht ohne heftige
Kämpfe konnte eine solche Reform durchgeführt werden, und in
St. Evre wurden dieselben in einem höchst eigenthümlichen Ge-
dichte dargestellt, der Ecbasis captivi in einer der Thierfabel ent-
lehnten Einkleidung1). Bald aber konnten die Mönche von St. Evre
schon dem heruntergekommenen Kloster Montier-en-Der (Der-
vense) im benachbarten Sprengel von Chalons-sur-Marne aufhelfen.
Dieses war schon einmal nach gänzlichem Verfall unter Ludwig
dem Frommen 827 durch den Abt Hauto von Stablo hergestellt,
aber nach wiederholter Verwüstung durch Ungern und Normannen
wieder völlig verwildert. Jetzt sandte Gauzlin Mönche von St. Evre
unter dem Abt Alberich hin, und dieser nahm auch Adso mit sich,
*) S. die neue Ausgabe von E. Voigt, Strafsburg 1875. Ueber Be-
nutzung Fortunats darin Manitius, NA. XII, 592 — 595,
378 HI. Ottonen. § 6. Lothringen. Cöln. Trier. Metz.
welcher ihm spätestens 968 als Abt folgte. Befreundet und im
regen Verkehr mit Adalbero von Reims und Gerbert, mit Abbo von
Fleury und anderen hervorragenden Männern der Zeit, war er für
Herstellung kirchlicher Zucht mit Erfolg thätig, bis er endlich 992
auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem seinen Tod fand. Schon früh
(vor 954) hat er auf den "Wunsch der Königin Gerberga eine Schrift
über den Antichrist verfafst1); auf Bischof Gerhards Wunsch be-
schrieb er das Leben des heiligen Mansuetus, dessen Kloster Ger-
hard hergestellt hatte. Werth haben nur die hinzugefügten Wunder
durch einige geschichtliche Nachrichten. Dasselbe gilt von dem
Leben und den Wundern des heiligen Basolus, welche Gerbert und
Adso, Abt von St. Basle, von ihm erbeten hatten, und von einem
ähnlichen Werk über den heiligen Aper, dessen Autorschaft Waitz
ihm abspricht, das aber um dieselbe Zeit, nach der Translation von
978 geschrieben ist. Ein Buch über die Wunder des heiligen Wai-
debert, Eustasius Nachfolger, bezeugte seine Anhänglichkeit an
Luxeuil. Zuletzt nahm er noch den heiligen Bercharius vor, den
Stifter seines Klosters, doch hinterliefs er diese Aufgabe unvollendet;
die Beschreibung der Wunder wurde auf Veranlassung des vom
Pabst Leo IX geweihten Abtes Bruno von einem ungenannten Mönche
hinzugefügt und mit einigen schätzbaren Nachrichten über Adso
versehen 2). Für die Klosterschule von St. Evre verfafste 969 Aynard
ein „glosarium ordine elementorum agregatum" 3).
Im Anfang des elften Jahrhunderts wird die Schule des Bis-
thums als blühend und ausgezeichnet gerühmt; Brun, des elsassi-
schen Grafen Hugo Sohn, später als Pabst Leo IX genannt, und
Adalbero III, Bischof von Metz, erhielten hier ihre Erziehung. Wir
erkennen darin wieder die Einwirkung der beginnenden Blüthezeit
Lüttichs, wo Bischof Hermann oder Hezelo (1018 — 1026) unter
Notker gebildet war.
*) Ueber die Fortwirkimg dieser Schrift, die noch zu erkennen ist in
der Sage von der Wiederkunft Friedrichs II, s. Riezler, Hist. Zeitschr.
XXXII, 67 ff. Berichtigter Abdruck der Prophezeiung über den Franken-
könig bei Haureau, Notices et Extraits de quelques manuscrits latins
I, 371.
2) Miracula S. Bercharii, Mab. II, 844—861, ein Stück daraus MG.
SS. IV, 487. Vgl. über Adso Hist. litt, de la France VI, 471—492. /Den
Catalog seiner Bibliothek vom J. 992 hat Omont in d. Bibl. de TEcole
des eh. 42 (1881) herausgegeben.) Miracula S. Mansueti bei Calmet, Hist. de
Lorraine I. Pr. p. 86—106. Acta SS. Sept. I, 637. Exe. MG. SS. IV, 509
bis 514. Miracula S. Basoli\ Mab. IV, 2, 137—142. Vgl. MG. SS. IV, 517.
Miracula S. Apri bei Calmet 1. c. p. 107—126. Sept. V, 70. Exe. MG. SS.
IV, 515-520. Miracula S. Waideberti, Mab. III, 2, 452-460. Acta SS.
Mai I, 277—282. MG. SS. XV, 2, 1170-1176.
3) Archiv VII, 1014. Catal. des Depart. V, 157.
Tod. Lüttich. 370
§ 7. Lüttich.
In Lüttich hatte, wie wir sahen (S. 266) die gelehrte Thätigkeit
sich lange erhalten; die Verwüstung durch die Normannen 881 wird
aber auch hier die Musen zum Schweigen gebracht haben. Am
Anfange dieser Periode finden wir dort einen Bischof, der sich als
Schriftsteller versucht hat und durch gelehrte Bildung ausgezeichnet
war, Stephan (901 — 920), der in der französischen Hofschule unter
Probst Manno ein Mitschüler Radbods, dann Domherr zu Metz ge-
wesen war. Er selbst hat das alte Leben des heiligen Lambert
(oben S. 264) neu bearbeitet und eine metrische Bearbeitung des-
selben veranlafst *) ; Responsorien verfafste er und schrieb darüber
an Erzbischof Herimann von Coeln, und einen vollständigen Band,
mit Lectionen und was zum Kirchendienst gehört, übersandte er
Bischof Ruotbert von Metz2). Hucbald, der gelehrte Mönch von
St. Amand, übersandte ihm 907 zur Prüfung das Leben der heiligen
Rictrudis. Nach Vogels Vermuthung war Stephan der Lehrer des
Ratherius, jenes unstäten Mönches des Klosters Lobbes, der eben so
sehr durch seine wechselnden Schicksale, wie durch seine umfassende
Gelehrsamkeit, aber auch durch seine seltsam gesuchte und absicht-
lich dunkle und verworrene Schreibart merkwürdig ist. Sein Ehr-
geiz, sein unverträglicher Charakter, sein beifsender Witz, mit dem
er unbarmherzig die Fehler seiner Zeitgenossen geifselte, während
er in seinen Bekenntnissen eben so schonungslos seine eigenen Sün-
den beichtete, liefsen ihm nirgends Ruhe, und machten es ihm un-
möglich, als Bischof von Verona und von Lüttich den Widerstand
seiner vornehmeren und mächtigeren Gegner auszuhalten. Seine
Schriften, so lehrreich sie sind, können doch nicht als Geschichts-
werke betrachtet werden, und auch das Leben des heiligen Ursmar
ist nur eine stilistische Ueberarbeitung der älteren Legende3). Die
Beschäftigung mit grammatischen, philosophischen und theologischen
Studien war lange in Lüttich vorherrschend, und erst spät begann
man auch hier sich ernstlich mit der Geschichte zu beschäftigen,
!) S. über diese unten bei Hucbald, dem sie zugeschrieben wird.
2) Mabillon sah die Handschrift in Bobio, Mus. Ital. I, 218. Uebrigens
s. Ans. Leod. c. 20, 21.
3) Ueber Rather (f 974) Vogel, Ratherius von Verona und das zehnte
Jahrhundert, Jena 1854, 2 Bände. Opera edd. Petrus et Hieronymus fra-
tres Ballerini presbyteri Veronenses, Veronae 1765, fol. Neuer Abdruck
bei Migne CXXXV1. Die von Pertz SS. 111, 451 u. 553 gegebenen Stellen
sind aus der Translatio S. Metronis.
380 HI. Ottonen. § 7. Lüttich.
wenn man es auch nicht ganz unterliefs, kurze Notizen am Rande
von Ostercyklen einzutragen.
So wie Rather immer von neuem in die politischen Wirren
hineingezogen wurde, so liefsen auch in Lüttich die lothringischen
Parteikämpfe lange keine ruhige Entwickelung friedlicher Studien
aufkommen. Von 945 — 947 war ein gelehrter Abt von St. Maximin,
Hugo, Bischof, 953 — 955 Rather, aber dieser konnte nicht zu irgend
einer "Wirksamkeit gelangen, und unter Balderich, der ihn ver-
drängte1), fand die Wissenschaft keine Stätte. Dann aber bestieg
auch hier ein Schüler und begeisterter Verehrer Bruns, Ebrachar
(959 — 971), den Bischofstuhl, ein vornehmer Sachse, bis dahin Decan
zu Bonn; ihn nennt als seinen Lehrer ein sächsischer Priester, von
dessen Namen wir nur den Anfangsbuchstaben B. kennen , der sich
nach Ebrachars Tod nach Canterbury zum Erzbischof Dunstan be-
gab, nach dessen Tod (988) er der erste Biograph dieses hervor-
ragenden Mannes wurde2). Nicht ihm allein, sagt er, sondern einer
grofsen Anzahl habe er zur Wissenschaft verholfen, und in der Vita
Balderici wird Ebrachar geradezu als der Begründer der Lütticher
Schule gepriesen3). Auf Ebrachar folgte 972 — 1008 Notker, bis
dahin Probst im Kloster St. Gallen, ein Mann, der in jeder Beziehung
höchst ausgezeichnet war4), und in Lüttich jenen hohen Glanz der
Schulen begründete, dessen Ruf sich bald durch die ganze Christen-
heit verbreitete. Bald strömten lernbegierige Jünglinge von allen
Seiten her an der Maas zusammen, während ebenso bedeutende
Lehrer von hier ausgingen und den Wirkungskreis der Lütticher
Schule immer weiter ausbreiteten; sogar in Paris bei St. Genovefa
lehrte der Lütticher Hubald mit aufserordentlichem Beifall. Aufser
diesem, den Notkers Nachfolger Balderich II auch auf einige Zeit
nach Prag sandte, nennt Anselm5) als Notkers Schüler Günther von
Salzburg (1024—1025), Ruthard und Erluin von Cambrai (979—995
bis 1012), Heimo von Verdun (991—1024), Hezelo von Toul (1018
bis 1026), Adalbold von Utrecht (1010—1026). Eine Vita Notkeri
!) Ein merkwürdiges Fragment einer an Balderich gerichteten Schrift
Rathers über seine Verdrängung NA. IV, 177 — 180.
2) Nach den scharfsinnigen Untersuchungen von W. Stubbs, Memorials
of St. Dunstan, Lond. 1874; vgl. R. Pauli, Hist. Zeitschr. XXXV, 199;
Gott. Nachr. 1879, S. 322—324.
3) S. über ihn Dümmler, Otto I, S. 302 Anm. 1, 374 Anm. 1, 397
Anm. 2, 545 Anm. 2.
4) Dafs er während der Minderjährigkeit Ottos III Italien als Regent
verwaltet habe, bestreitet Kehr, HZ. LXVI, 427, Anm. 2.
5) c. 29, MG. SS. VII, 205.
Bischof Notker. Das Kloster Lobbes. 381
aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, von welcher Gilles d'Orval an-
sehnliche Stücke erhalten hat, in welchen mehrfach auch Hexameter,
Reste eines gleichzeitigen Lobgedichts1), erscheinen, ist leider ver-
loren2).
Im Jahre 960 war im Kloster Laubach oder Lobbes, das bis
dahin dem Bischof von Lüttich untergeben war und das durch die
Kämpfe der Parteien und die rechtlosen Zustände viel gelitten
hatte, das regelmäfsige Klosterleben unter einem eigenen Abte wie-
der hergestellt worden, und bald darauf begann man auch hier, wie
an so vielen anderen Orten, Annalen zusammen zu stellen, viel-
leicht aber auch nur eine in Lüttich entstandene und fortgesetzte
Compilation mit einheimischen Notizen zu vermehren'3). An Beda
und andere alte Chronisten reihen sich Auszüge aus der S. 202 er-
wähnten Chronik bis 805, verbunden mit Stellen aus den Lauriss.
maj. und Laureshamenses ; dann ist Thegan benutzt und von 840
an selbständig fortgearbeitet, doch von 874 bis 900 sind die Ann.
Yedastini vollständig aufgenommen. Diese ziemlich dürftigen Anna-
len wurden nicht über das Jahr 982 fortgesetzt; sie dienten aber
in Verbindung mit anderen Aufzeichnungen in Lüttich im Jahr
1000 zur Abfassung von Annalen, die von nun an fortgesetzt wurden.
Sie sind verloren, aber wie Waitz nachgewiesen hat4), bis 108G
in den Annales S. Jacobi und Fossenses, bis 1056 auch in den
Annales Laubienses kenntlich. Auf diese werden wir später zurück-
kommen.
Bedeutender als jene Annalen von Lobbes ist die Klosterge-
schichte des Abtes Folcwin5), die bis zum Jahre 980 reicht.
Ebrachar hatte ihn 965 zum Abte erhoben, und 25 Jahre lang ver-
waltete er sein Amt in grofsem Ansehen bei den trefflichen Männern,
welche um diese Zeit die verschiedenen Bischofsitze zierten. Dafs
er nicht, wie Mabillon und Guerard meinten, von dem Folcwin von
St. Bertin zu unterscheiden sei, hat Holder- Egger vollkommen
überzeugend nachgewiesen (NA. VI, 415 — 438), und wir wissen
daher, dafs er aus Lothringen gebürtig, vornehmer Abkunft, selbst
') Nach G. Kurth, s. NA. XVII, 225.
2) L. Weiland, HZ. XLVI, 496.
3) Würdtwein, Nova Subsidia dipl. XIII, 151—214, cf. MG. SS. II, 192;
p. 209 — 211 die hieraus genommenen Annales Lobiense.s von 900 — 982.
Neue Ausgabe von Waitz aus der Bamberger Handschrift saec. X, SS.
XIII, 224 — 235. Die Sammlung von J. Alexandre: Chronica Lobbiensia etc.
enthält nur die Texte und Vorreden der Mon. Germaniae.
4) Gott. Nachrichten 1870, 302—309.
5) Folcuini Gesta abhatum Lobiensium ed. Pertz, MG. SS. IV, 52 — 74.
382 HI. Ottonen. § 7. Lüttich.
den Karolingern verwandt war, stolz auf den Bischof Folcwin von
Therouanne (817 — 855), dessen feierliche Erhebung sein Yater und
Oheim bewerkstelligt haben, und dessen Leben er beschrieben1) und
dem Abt "Walter von St. Bertin (c. 970 — 984) gewidmet hat, als er
schon Abt von Lobbes war; damals, als er die darin stark benutzte
Yita Brunonis schon kannte, hat er den Entwurf ausgearbeitet, wel-
chen er schon viel früher gemacht hatte, in St. Bertin, wo er 948
als Knabe eingekleidet wurde. Hier hat er auch bereits im Jahre
961 die Urkunden des Stiftes gesammelt und mit Lebensnachrichten
der Aebte versehen, auch nicht unwichtige, geschichtliche Nach-
richten allgemeinerer Art eingeflochten2), sehr mangelhaft in der Form
und sogar mit groben grammatischen Fehlern. Die Quellen, welche
darin benutzt sind, hat Holder-Egger genau untersucht; am wichtig-
sten darunter sind die Spuren verlorener Annalen von St. Bertin,
welche auch in den Ann. Blandin. zu erkennen sind. In ähnlicher
Weise, aber grammatisch jetzt besser ausgebildet, machte er sich
als Abt auch an die Geschichte von Lobbes, und legte ihr die Ur-
kunden seines Klosters nebst den ihm zugänglichen Werken Ein-
hards, Flodoards, Ruotgers und anderer zu Grunde. Ist ihm nun
auch die Verarbeitung dieses Stoffes wenig gelungen, so ist doch
schon das Streben nach einer urkundlichen Geschichtschreibung
bemerkenswert!:! , und für die spätere Zeit, wo er die eigenen Er-
lebnisse zu schildern hat, empfiehlt er sich durch Wahrheitsliebe
und Einfachheit, wenn auch die Kürze der Erzählung unbefriedigt
läfst.
Folcwins Nachfolger in Lobbes war Heriger (990 — 1007), ein
vertrauter Freund des Bischofs Notker, den er im Jahre 989 nach
Italien begleitete und für den er mit seiner Feder thätig war, während
Notkers Name den Schriften gröfsere Autorität verlieh. So nament-
lich 980 dem von dem Bavokloster zu Gent erbetenen Werk über
den h. Landoald, auf welches wir zurückkommen, und ähnlich auch
der wohl schon früher verfafsten älteren Geschichte des Lütticher
!) Vita S. Folquini ep. Morinorum, bei Mab. Act. IV, 1, 624. Vgl.
Holder-Egger a. a. 0. S. 422, und MG. SS. XV, 423—430. Ein Catal.
epp. Moria. SS. XIII, 389. 751; abbatum S. Bertini p. 389; praepositorum
S. Audomari p. 389, u. epp. Ambiaii. p. 752, von Lambert von St. Omer.
2) Cartulaire de l'Abbaye de St. Bertin, herausgegeben von Guerard
1840 in der Collection des Cartulaires de France, III, mit den zum Theil
reichhaltigen Fortsetzungen bis 1187. Berichtigungen nach Auffindung einer
alten Handschrift in: Appendice au Cartulaire etc. publie par M. Francois
Morand (Documenta inedits) 1867. Vollständig (ohne die Urkunden) als
Gesta abbatum S. Bertini Sithiensium von Holder-Egger, MG. SS. XIII, 600
bis 673. Verse aus St. Bertin zu einer Krönungsfeier s. X. hat Dümmler
Folcwin von Lobbes. Heriger. 383
Bisttmms1). Er gelangte damit aber nicht weiter als bis zum Jahre
667, so dafs das Buch als Geschichtsquelle kaum in Betracht kommt,
und litterarisch kann man es leider nur als ein ganz verfehltes Werk
betrachten wegen der unverständigen Anwendung der Gelehrsamkeit,
welche dem Verfasser allerdings in reichem Mafse zu Gebote stand.
Aber kaum kann man einen übleren Gebrauch davon machen, als
wenn man lange Reden aus Stellen der Classiker zusammensetzt
und diese dann alten Heiligen der merowingischen Zeit in den
Mund legt.
Mancherlei geschichtlicher Stoff findet sich noch in den Legen-
den und Wundergeschichten dieser Gegenden ; vorzüglich lernen wir
daraus die Grafen von Flandern als eifrige Heiligenverehrer kennen.
So wurde der Leib des heiligen Winnoch vor den Normannen
von Wormhout nach St. Bertin geflüchtet und 900 durch Balduin
den Kahlen (879 — 918) nach dem von ihm gestifteten Kloster Bergh-
St.-Vinoc oder Winnoxbergen gebracht, wo ein älteres Leben
des Heiligen gegen die Mitte des elften Jahrhunderts überarbeitet
und die Stiftuugsgeschichte hinzugefügt wurde2).
herausgegeben, NA. X, 341. Ueber ein besonders schönes, unter Abt
Odbert (989 — 1008) von Heriveus geschriebenes Psalterium, s. Palacogr.
Soc. 97. Woltmann, Gesch. d. Malerei I, 270.
a) Gesta episcoporum Leodiensium ed. Kopke, MG. SS. VII, 134. Die
daraus auch abgesondert herausgegebene Vita Remacli kommt als Notkers
Werk mit Widmung an Abt Werinfrid von Stablo vor, ist aber nach
Köpke S. 140 von Heriger. Die ältere ist nach der oben S. 264 angef.
Untersuchung von Kurth ein Plagiat aus V. Lamberti u. V. Trudonis, mit
Nachrichten über die Stiftung von Stablo u. Malmedy. Zugeschrieben
wird Heriger auch das Leben der heiligen Berlindis, die man in Meer-
becke in Brabant verehrte. Ueber die irrig von M. Haupt vermuthete
Benutzung von Tac. Germania bei Heriger s. Waitz, Forsch. X, 602. Die
von ihm benutzte V. Servatii hat Kurth herausgegeben: Deux biographies
inedites de Saint Servais, Liege 1881, vgl. NA. VII, 409. Er bestreitet
eine ältere Quelle als Greg. Tur. u. ebenso W. Arndt. Dagegen Anal.
Boll. I, 85 ff. In den Nouvelles recherches sur St. Servais, Liege 1884,
vertheidigt Kurth gegen P. De Smedt seine Ansicht, dafs auch die älteste
V. Servatii nur aus Gregor v. Tours geschöpft sei, dieser keine schriftliche
Vita gehabt habe, und weist aus metrischen Resten die Benutzung eines
Epitaphs nach, welches er der feierlichen Erhebung durch B. Monulph im
6. Jh. zuweist; Vf. könne dann nur Venantius Fortunatus sein, und von
ihm werde Gregor seine Nachrichten erhalten haben. — Vgl. auch Prost,
St. Servais. Examen d'une correction introduite ä son sujet dans les der-
nirres öditions de Gr. de Tours (Nogent-le-Rotrou 1891), welches ich nicht
gesehen habe.
2) Vita S. Winnoci, Mab. III, 1, 302-314, Auszug MG. SS. XV, 2,
775 — 778. Nach der Translation von 1058 fügte ein Mönch Drogo neue
Wunder hinzu, ib. p. 778 — 782. Derselbe beschrieb in sehr anmuthiger,
romanhafter Weise die Transl. S. Lewinnae, welche 1058 aus England ge-
stohlen war, Auszug ib. p. 782 — 789. Balduinus Barbatus setzte 1022
Mönche von St. Bertin an die Stelle der Canoniker.
384 HI. Ottonen. § 7. Lüttich.
Höchst eigenthümlich haben sich die Nachrichten aus den beiden
Gent er Klöstern Saint-Bavon und Blandigny, auf einem Hügel
aufserhalb der Stadt, dadurch gestaltet, dafs jedes von ihnen höheres
Alter in Anspruch nahm, und ein durch Jahrhunderte hindurch mit
immer wachsender Erbitterung geführter Krieg sich daraus entspann.
Ihre Waffen waren echte und falsche Reliquien und Legenden, Ur-
kundenfälschungen und Verfälschung der handschriftlichen Ueber-
lieferung, wie das 0. Holder-Egger in ebenso ergötzlicher wie be-
lehrender Weise dargestellt hat1). Beide Klöster waren vom Grafen
Arnulf I im J. 941 nach tiefem Verfall hergestellt und durch den
Abt Gerhard von Brogne mit Mönchen neu besetzt. Das veranlafste
in Blandigny schon bald nachher eine Schrift über die ältere Ge-
schichte des Klosters bis auf den berühmten Abt Einhard2), worin
schon gefälschte Urkunden benutzt sind und die Gründung durch
den h. Amandus 610, mit keckem Plagiat aus der Vita Wandregisili.
Im J. 944 brachte Graf Arnulf hierher auch aus Boulogne, wohin sie
aus St. Wandrille geflüchtet waren, die hh. Wandregisil, Ansbert
und Wulfram, dessen Besitz aber die Mönche von St. Wandrille
ihnen abstritten, und darüber gab es eine Schrift, von der wir aber
nur durch eine Predigt Kunde haben, die nicht vor dem zwölften
Jahrhundert verfafst zu sein scheint, und von Feindseligkeit gegen
die Bavonianer erfüllt ist3). Aufser vielen anderen Reliquien er-
hielten sie auch um 945 aus Haerlebeke, der Heimath der Grafen
von Flandern, den h. Bertulf von Renty bei Saint-Omer, wo er in
merowingischer Zeit ein Kloster gegründet hatte. Sein Leib wurde
1073 durch den Abt Folcard feierlich erhoben, und nun nach einer
älteren, jetzt verlorenen Vita das wenige berichtet, was man von
ihm wufste, mehr über die Translationen und über die Grafen von
Flandern, nicht ohne Fabeln4). Und dazu wollen wir gleich noch
hinzufügen, dafs, da beide Klöster sich den ersten Abt Florbert zu-
eigneten, beide sein Grab und seinen Grabstein zeigten, im J. 1079
eine gegen die Mönche von Saint-Bavon gerichtete Schrift darüber
verfafst wurde5).
1) Waitz - Aufsätze S. 622-665. Daselbst S. 633, Anm. 3, wird die
Tranäaüo S. Amalbergae im J. 870 (Acta SS. Jul. III, 103) für ein spätes,
unglaubwürdiges Machwerk erklärt. Ueber Graf Arnulf Sackur, Clun. S. 127 ff.
2) Fundatio mon. Blandiniensis ed. 0. Holder-Egger, MG. SS. XV, 2,
621—624. Ich beschränke mich auf Anführung dieser Ausgaben von Holder-
Egger.
3) Ex Sermone de adventu SS. Wandregisili, Ansberti et Vulfranni ed.
Holder-Egger, SS. XV, 2, 624—631.
4) Ex Vita Bertulji Renticensis, ib. p. 631—641.
5) Lantberti über de loco sepulturae Florberti abb., ib. p. 641 — 644, aber
Der Streit der Klöster zu Gent. 385
Nach Saint-Bavon war 940 der h. Bavo aus Laon, wohin er
geflüchtet war, zurückgebracht und 946 feierlich bestattet. Gegen
das Ende des zehnten Jahrhunderts schrieb ein Mönch, schon im
Gegensatz gegen das vom Grafen Arnulf bevorzugte Kloster Blandigny,
und gegen die Zweifler, welche ihnen sogar den Besitz des h. Bavo
bestritten, in drei Büchern eine Geschichte des Klosters nach schrift-
lichen Quellen, wozu er vorzüglich auch die Annalen von St. Bertin
und St. Yaast benutzte, die er Chronica post JBedam nannte;
er scheint auch Aufzeichnungen aus seinem Kloster benutzt zu
haben1). Vielleicht von demselben Verfasser ist auch das Carmen
de S. Bavone2). Der Concurrenz der Blandinienser besser begegnen
zu können, holten sie 980 aus dem kürzlich erworbenen Winters-
hoven den h. Landoald mit seinen ebenso unbekannten Genossen,
legten dem Bischof Notker von Lüttich den Bericht über die Trans-
lation und die obligaten Wunder vor, und zugleich was der Orts-
pfarrer Sarabert von diesen Heiligen zu berichten wufste. Der
gelehrte Heriger erfuhr zu seinem Erstaunen von dem ihm bis
dahin unbekannten Bischof Landoald von Lüttich, buchte aber alles
getreulich , und zwar der gröfseren Autorität wegen unter dem
Namen seines Bischofs. So gewannen diese frechen Lügen ge-
schichtlichen Anstrich, und haben viel Verwirrung angerichtet3).
Die Gegner behaupteten zwar, es seien „malorum defunctorum ossa",
aber die Bavonianer veranstalteten 982 eine neue feierliche Erhebung,
und es gelang ihnen, die Autorität des Erzbischofs von Reims da-
für zu gewinnen4). Der Abt Odwin oder Otwin (982 — 998), der
hier seine Energie bewiesen hatte, erlangte auch aus Rom durch
Vermittelung der frommen Engländerin Teta Reliquien des h. Pan-
cratius, welche 985 nach Gent kamen5). Bald darauf stellte er
nachdrücklich den Abt Adalwin von Blandigny zur Rede, weil er
fortfahre, gegen die getroffene Uebereinkunft sein Kloster als „in
Castro Gandavo" gelegen zu bezeichnen6). Ein neuer Triumph war
nach S. 1317 ist der Autorname Lantbert irrig. S. 644 folgt ein Catalogus
abb. Blandin. saec. XII.
1) Ex Miraculis et Tramlationibus S. Bavonis, SS. XV, 2, 590 — 597 :
dazu S. 598 ein kurzer Auszug von Wundern, die gegen Ende des 11. Jahrb.
beschrieben sind. Wie der erste Vf. berichtet, sagten über den Ursprung
von Gent Einige, dafs Agrippa es gegründet, „alii Hermenricum regem in
eo arcem imperii sibi tradunt instituisse". Aehnlich auch im Carmen.
2) NA. X, 371 von Holder-Egger herausgegeben.
3) Translaiio S. Landoaldi et sociorum ejus, SS. XV, 2, 601 — 607.
4) Adventus et Elevatio S. Landoaldi et sociorum ejus, ib. p. 607 — 611.
5) S. den Brief des Abtes Andreas von St. Pancraz, NA. VIII, 376.
6) Brief im NA. X, 374.
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 25
386 HI- Ottonen. § 7. Lüttich.
dann 1007 die Uebertragung der hb. Livin und Brictius aus Holthera
nach Gent, worauf 1010 unter Erlembold der h. Bavo noch einmal
feierlich erhoben wurde; der Verfasser der Beschreibung1) scheint
derselbe zu sein, welcher auch im J. 1014 über den b. Macharius
berichtet hat2), einen griechischen Mönch, der 1011 in St. Bavon
Aufnahme fand und nach vielen Kasteiungen schon 1012 starb.
Man wufste weiter nichts von ihm, verehrte ihn aber als heilig und
wufste von Wundern zu berichten, die man ihm zuschrieb. Doch
half das alles nur wenig, und als der Abt Othelbold um 1020 der
Gräfin Othgive, Gemahlin Balduins des Bärtigen von Flandern, auf
ihren Wunsch über die Reliquien des Klosters schrieb3), hatte er
zugleich bitter zu klagen über den einstigen Reichthum und die
bedrängte Lage, seitdem Graf Arnulf zahlreiche Besitzungen des
Klosters an seine Dienstmannen vergabt hatte. Es bedurfte stärkerer
Heilmittel, und zunächst fand sich Stepelin, ein aus St. Trond ent-
laufener Mönch, bereit, im J. 1049 nicht nur einen angeblich alten
Grabstein für den Abt Florbert anzufertigen, sondern auch, nach
Holder -Eggers Vermuthung, jene Verse zu machen, in welchen der
h. Livin selbst an Florbert ein Epitaph des h. Bavo schickt4).
Weiter folgte 1058 eine neue Erhebung des b. Bavo, 1067 auch
des h. Macharius, und mit kühnerem Fluge wurde nun, während
man früher aufrichtig bekannt hatte, über sein Vorleben nichts zu
wissen, die vollste Schale abgeschmackter Verherrlichung über
ihn ergossen5); zur Schilderung seiner Tugenden diente, was im
Leben des Erzbischofs Bruno von Köln für diesen Zweck brauchbar
erschien. Nach der Vermuthung von Holder-Egger war es derselbe
Verfasser, welcher schon um 1050 mit nicht minder frecher Lüge
das Leben des bis dahin ganz unbekannten Livin beschrieb (oben
S. 132); besonders wichtig aber ist der Nachweis, dafs fast zweifel-
los dieser Livin in Wirklichkeit kein anderer ist, als der wohlbe-
kannte, in Deventer bestattete Liafwin oder Lebuin; sein Genosse
Brictius scheint nur der Nachbarschaft im Kalender seinen Namen
zu verdanken, obgleich hier der Bischof von Tours, Nachfolger des
h. Martin, gemeint ist. Nach solcher Verherrlichung aber war es
nun Zeit, auch diese Heiligen feierlich zu erheben, was 1083 ge-
*) Elevatio S. Baronis, SS. XV, 2, 597.
2) Vita S. Macharn prior, ib. p. 615.
3) Gedr. NA. VIII, 370 ff.
4) S. oben S. 132.
5) Elevatio S. Macharn, SS. XV, 2, 616—621. Einzelnes darin, wie
die Nachrichten von der Pest des J. 1012, ist historisch brauchbar.
Vita Livini. Gerhard von Brogne. 387
schab; aber erst um 1200 wurde über diese Vorgänge eine Schrift
verfafst1).
Diese ganze Litteratur würde nicht verdienen , so viel Auf-
merksamkeit in Anspruch zu nehmen, wenn sie nicht theils für die
Zeit charakteristisch wäre, theils durch die Chronisten des 14. Jahr-
hunderts, Johann von Thielrode und die Genter Annalen, viele hier-
aus geschöpfte Fabeln in die Geschichte eingedrungen wären, welche
noch nicht vollständig beseitigt sind.
Eine besonders hervorragende Stellung als Reformator vieler
Klöster nahm der oben erwähnte Abt Gerhard ein, der Stifter des
Klosters Brogne im Lütticher Sprengel zwischen Maas und Sambre.
Er gehörte zur Sippschaft des Hagano (Austrasiorum ducis), jenes
bekannten Günstlings Karls des Einfältigen; seine Mutter Plictrudis
war eine Schwester des Bischofs Stephan von Lüttich. Im Lom-
matschgau, wo er heimisch war, setzte er auf seinem Erbgut Brogne
zuerst Canoniker ein; als aber Graf Berengar von Namur, dessen
vielvermögender Rath er war, ihn zum Grafen Robert nach Paris
sandte, machte ein Besuch im Kloster St. Denis solchen Eindruck
auf ihn, dafs er seine Entlassung erbat und zur grofsen Verwun-
derung der Mönche von St. Denis bei ihnen Unterricht nahm und
Mönch wurde (919 oder 920 nach Sackur). Es war ihnen ganz er-
staunlich, dafs ein bärtiger Mann noch die Buchstaben lernen wollte,
wie ein fünfjähriger Knabe2) — eine Stelle, die uns einmal recht
deutlich zeigt, wie unberührt von aller litterarischen Bildung die
Laien waren, und wie irrig die weitverbreitete Meinung ist, als ob
die scholae exteriores für sie bestimmt gewesen wären. Im
Jahre 926 zum Priester geweiht, kehrte Gerhard zurück, und über-
gab nun die Kirche zu Brogne 12 Mönchen aus St. Denis. Die
Leitung des Klosters war seinem auf stille Beschaulichkeit gerich-
teten Sinn zuwider, er lebte abgesondert als Klausner, aber Herzog
Giselbert und Bischof Fulbert von Cambrai liefsen ihm keine Ruhe.
In St. Ghislain lebten nämlich damals Cleriker von gar schlechtem
Wandel, welche sich mit ihrem Heiligen singend und bettelnd her-
umtrieben, bis endlich dieser des Treibens müde zuliefs , dafs sein
Leib gestohlen wurde. Da wurde das Kloster Gerhard zur Reform
1) Ex translatione SS. Livini et Brictii, ib. p. 611 — 614. — Der Catal.
abb. Gandav. MG. SS. XXV, 570, ist nur Auszug der Ann. Gand. u. werth-
los, berichtigt Waitz- Aufsätze S. 661.
2) „Quod vir jamdudurn barbatus applicari vellet ulterius studiis lit-
terarum puerilibus litteratim percurrit prima elementa ceu quin-
quennis puerulus." V. Gerardi c. 9. Die chronologischen Bedenken in diesen
Angaben beseitigt Sackur, indem er ihn die Reliquien früher erwerben läfst.
25*
388 HI. Ottonen. §7. Lüttich.
übergeben; er fand das Heiligthum in Maubeuge, der Herzog gab
die Güter zurück, und trotz des Widerstandes der losen Brüder,
stellte Gerhard dieses und andere Klöster her1). Auch Arnulf von
Flandern, angeblich von einem Steinleiden wunderbar geheilt2), ent-
äufserte sich seiner Abteien Blandigny (941) 3) und St. Bertin (944),
wo die regelmäfsige Zucht hergestellt wurde, und übergab Gerhard
alle Klöster seines Gebietes; er soll deren 18 geleitet haben, dar-
unter auch Saint-Remi. Durch einen Krieg über die gefährdete
Lage seines eigenen Klosters belehrt, kaufte Gerhard Brogne los
von der Abhängigkeit von St. Denis und übergab es dem Bischof
Farabert von Lüttich (947 — 953); endlich starb er in hohen Ehren
am 3. Oct. 959. Sein Leben ist nicht lange nach seinem Tode ausführ-
lich beschrieben , aber wir besitzen nur eine Ueberarbeitung aus
dem Anfange des elften Jahrhunderts, für den Abt Gonter geschrie-
ben, geschmacklos mit Versen gemischt. Dafs Raginer von Henne-
gau noch in der Verbannung lebe, Lietald, Gerhards Nachfolger als
Vorstand des Klosters zu Mouson (f 997), die Wahrheit der Er-
zählung bestätigen könne, schrieb er gedankenlos nach, so wenig es
auch zu seiner Zeit noch pafste4). Dafs die alte Biographie sich
*) Es wurde 931 hergestellt, verbrannte 938. Nachrichten über die
Geschichte des Klosters in der zu Gerhards Zeit aufgezeichneten Inventio
S. Gisleni, ed. Holder-Egger SS. XV, 2, 576 — 579, mit von Augenzeugen
aufgezeichneten Wundern. Danach stand Gerhard schon vorher mehreren
anderen Klöstern vor.
2) Diese merkwürdige Geschichte hat auch Folcuinus ed. Guerard
p. 143 aus der V. Gerardi, c. 19, doch nur in einer späten Ueberarbeitung.
3) S. oben. Ein Mönch Adelard von Bland, schrieb einen Brief an Erzb.
Elphegus von Canterbury (1006 — 1012) über Dunstan, der in seiner Verban-
nung bei Graf Arnulf Schutz gefunden hatte, W. Stubbs, Memorials of
Saint Dunstan, p. 53 (Hist. Zeitschr. XXXV, 200). Die Historia Relationis
S. Walarici in monasterium Leuconaense, ed. Holder-Egger, SS. XV, 2,
693 — 696, im elften Jahrhundert geschrieben, berichtet, wie dieser Heilige
952 durch Arnulf von Flandern nach St. Bertin gebracht war und 981
durch Hugo Capet nach St. Valery-sur-Mer zurückkam. Zugleich kam auch
S. Richarius von da nach seinem Kloster zurück; s. oben S. 173.
4) Vita S. Gerardi Broniensis, ed. L. v. Heinemann, SS. XV, 2, 654—673.
Capitel 14 sind Stellen aus Liudprands Antapodosis aufgenommen. Aus
Italien brachte er ein Saumthier mit lapidibus porphyreticis für den Haupt-
altar mit, cap. 21. Die Geschichte seiner Reise nach Rom ist aber wegen
der Nennung eines Pabstes Stephan und der Existenz einer zweifellos un-
echten Bulle von diesem bedenklich. Vgl. über ihn Walther Schultze,
Gesch. v. Brogne u. die Klosterreform in Niederlothringen u. Flandern.
Forsch. XXV, 221-271. L. v. Heinemann, Die älteren Diplome f. d. Kl.
Brogne u. die Abfassungszeit der V.G. NA. XV, 593 — 596. Sackur, Die
Cluniac. S. 121 ff. 365 ff. vgl. NA. XVIII, 350. — Unbedeutende Notae Bro-
nienses 1102—1175, MG. SS. XXIV, 27. „Cronice abbatis Broniensis*
wurden 1490 an das Kloster Marienstatt geschenkt, Anz. d. Germ. Mus.
XXVII, 143.
Adalbert von Utrecht. Foecuuda ratis. 389
darin noch erkennen lasse, wie W. Schultze annahm, leugnet L. v.
Heinemann; die geltend, gemachten Stellen sind entnommen aus der
darin benutzten und angeführten gleichzeitigen Schrift über die
Wunder des h. Eugenius in Brogne, wohin er von St. Denis ge-
bracht war, die an den Abt Gerhard gerichtet ist und erst kürzlich
von den Bollandisten herausgegeben wurde; unter den Wundern
bezieht sich eines auf den Einfall der Ungern in Lothringen1).
Ein eifriger Verehrer des Grafen Arnulf von Flandern war der
Priester Witger, welcher zwischen 951 und 959 Arnulfs Herkunft
mit der Genealogie der Karolinger verband, und seine Verdienste
um Kirchen, namentlich die zu Compiegne, pries2).
Ein Schüler Notkers von Lütticb war Adalbold, der nach
dem vortrefflichen Ansfrid 1010 Bischof von Utrecht wurde, wo
er am 27. Nov. 1026 gestorben ist3). Seine grofse Gelehrsamkeit
bezeugen theils mathematische Schriften, theils ein Commentar zu
derselben Stelle des Boethius, welche einst Bovo von Corvey er-
läutert hatte4). Mit Heriger, Gerbert, Berno war er befreundet und
in wissenschaftlichem Verkehr5); er nennt sich scholasticus, vielleicht
(nach Moll) bei St. Ursmar in Lobach. Ein Mitschüler von ihm,
Egebert, damals Priester und Schulmeister in Lüttich nach E.
Voigt, widmete ihm ein Buch, das er Über prorae et puppis oder
Foecunda ratis nennt, Sprichwörter, Geschichten und anderes in
recht schlechten Hexametern enthaltend, voll gesuchter und un-
geschickter Gelehrsamkeit; es fehlt darin nicht die übliche und
immer wiederkehrende Klage über Verfall und Mifsachtung der Ge-
lehrsamkeit. Die Franzosen, deren strengere mönchische Askese
auch Adalbold begünstigte, kann er nicht leiden, und seine Schüler
machen ihm manchen Kummer6).
*) Analecta Boll. III, 29—57. Ex Virtutibus S. Eugenii Bronii ostensis
ed. L. v. Heinemann, SS. XV, 2, 646 — 652. Dazu S. 653 Wunder, die er
schon im 9. Jahrh. in Diogilus (Deuil) verrichtet hatte.
2) Witger i Genealog ia Arnulß comitis ed. Bethmann, MG. SS. IX, 302
bis 304.
3) S. über ihn Moll, Kerkgeschiedenis van Nederland, II, 50—59;
Hirsch, Heinr. II, II, 296—301; Bresslau, Konrad II, I, 204 für 1026 (nicht
1025). Vorher war er Cluniac. Mönch geworden. Monographie von Van
der Aa, Groningen 1862.
4) Oben S. 255. Adalbolds Werk hat Moll entdeckt und mit Ein-
leitung herausgegeben im Kerkhist. Archief v. Kist u. Moll III, 161 — 213.
Sep.-Abdr. 1862.
5) Die Briefe führt Moll an. Eine ,,Epistola Adalboldi Ultraj. ep. ad
Erchanboldum archiep. Mog." im Cod. lat. Mon. 2598 f. 80 b ist nur eine
Salutatio.
6) Den Namen nennt Sigebert de SS. eccl. c. 146. — Egberts von
Lüttich Fecunda ratis cd. E. Voigt, Halle 1889. Ueber die Bedeutung
390
III. Ottonen. § 7. Lüttich.
Einen sonst nicht bekannten Odbert hatte Adalbold als Kna-
ben mit nach Utrecht genommen; dieser sah in der alten Salvator-
kirche das Grab des 838 erschlagenen Bischofs Friedrich; er
hörte, dafs durch die Dänen mit vielen anderen Büchern auch dessen
Lebensbeschreibung verbrannt sei, und beeilte sich, wie er behaup-
tet als zehnjähriger Knabe, aufzuzeichnen, was man von diesem
Märtyrer wufste. Man erzählte ihm, wie er angiebt, dafs Friedrich,
von dem wir sonst nur wissen, dafs er mit Hraban in freundschaft-
lichem und gelehrtem Verkehr stand1), sich der Ehe Ludwigs des
Frommen mit Judith wegen zu naher Verwandtschaft widersetzt
habe, und dafs ihn deshalb Judith habe ermorden lassen : wohl ohne
Zweifel eine spätere Erfindung. In lügenhaftester Weise hat der Vf.
die bei Thegan und Regino gefundenen Nachrichten diesem Stand-
punkt entsprechend ausgeschmückt und verdreht. Die noch er-
haltenen Acta Friderici2) scheinen etwas überarbeitet zu sein, aber
eine wesentlich übereinstimmende Erzählung kannte schon Wilhelm
von Malmesbury. Von einem Priester Odulf, der auf Friedrichs
Befehl den Friesen predigte, giebt es eine lange nach seinem Tode
verfafste Lebensbeschreibung mit wenig Inhalt3); diese hat jener
Otbert benutzt.
Zu Tiel an der Waal verwandelte Adalbold ein verfallenes
Kloster an der Kirche der h. Walburga in ein Chorherrenstift, und
der Custos dieses Stifts widmete ihm eine Schilderung der dort vor-
gekommenen Wunder, welche geschichtliche Beachtung verdienen.
Adalbold preist er als Erbauer der neuen Martinskirche, und als
thätig auch in castris imperialibus. Eine Abschrift, der ein neues
Wunder beigefügt ist, schickt er an den oben S. 375 erwähnten
Wormser Diaconen Immo4).
Alpert erwähnt, dafs Bischof Adalbold über die Thaten Hein-
richs II bis zur Einnahme von Metz (1012) ein so vortreffliches
desselben E. Voigt: Das erste Lesebuch des Triviums, Mitth. d. Ges. f.
deutsche Erzieh, u. Schulgeschichte I (1891), S. 42 — 53. — Klagen über
widerstrebende Schüler auch im cod. Col. 188, Catal. p. 79, wo ludrica
statt ludicra verdruckt ist.
*) Dümmler, Poet. Lat. II, 181.
2) Mit Einleitung von Gu. Cuper Acta SS. Jul. IV, 452—471; p. 457
der metrische Prolog von Oetbert. Ausg. von Holder-Egger als Passio
Frid. MG. SS. XV, 342—356.
3) Vita Odulfi presb. Traj. Acta SS. Jun. II, 592—595. Auszug MG.
SS. XV, 356-358, vgl. 574 \
4) Miracula S. Waldburgae Tielensia ed. Holder-Egger SS. XV, 2,
764—766, vollst, von G. Henschen, Acta SS. Feb. III, 546—548. Von
einem tobsüchtigen Engländer heifst es: „in corium bovis, quod Lingua
Britanniorum hudifac (hudisac?) vocatur illigaverunf.
Friedrich u. Adalbold von Utrecht. 391
Werk verfafst habe, dafs er, Alpert, deshalb von diesen Dingen nicht
reden wolle1). Dieses Werk ist leider verloren; erhalten hat sich
der Anfang eines Lebens Kaiser Heinrichs II, welches nur bis
1004 reicht, und Adalbold zugeschrieben wird2). Es ist gänzlich
auf Thietmars Chronik begründet und nur mit rhetorischem Schmuck
überladen, ein Verfahren, welches von der Utrechter Schule und
Adalbolds gelehrter Bildung nicht befremden darf, während dessen
eigene Erfahrung erst im weiteren Verlaufe einwirken konnte. Doch
fehlen auch hier schon nicht einige Zusätze, besonders über italische
Verhältnisse. Ich sehe deshalb keinen genügenden Grund, das Werk
mit Moll Adalbold abzusprechen, noch auch anzunehmen, dafs es
niemals weiter gereicht habe, als wir es besitzen, wenn auch der
sächsische Annalist, bei dem allein eine Spur desselben sich findet,
nach mehr als einem Jahrhundert auch schon nicht mehr als dieses
Fragment gehabt haben mag. Dafs auch bedeutende Werke geringe
Verbreitung fanden und frühzeitig verloren wurden, ist leider keine
vereinzelte Erscheinung.
Später übernahm man in dem von Heinrich gestifteten Bisthum
Bamberg die Bewahrung seines Andenkens, und machte hier aus
dem tüchtigen und umsichtigen Kaiser, dem wackern Kriegsmanne,
der nur selten aus den Waffen kam, einen gewöhnlichen Legenden-
heiligen; es bildete sich hier ein völlig entstelltes Bild aus, welches
auf die richtige Erkenntnifs und Darstellung der Geschichte einen
sehr nachtheiligen Einflufs geübt hat3). Denn was die geistlichen
Schriftsteller des Mittelalters gelobt hatten, tadelten die neueren
Historiker; die thatsächliche Grundlage aber wurde nirgends ge-
nügend untersucht, bis in neuester Zeit W. v. Giesebrecht mit um-
fassender und eindringlicher Benutzung der echten gleichzeitigen
Quellen eine besser begründete Schilderung jenes Kaisers in die
Geschichte einführte.
Notkers Nachfolger in Lüttich, Balderich II (1008—1018),
früher Vitzthum der Regensburger Kirche, wird als ein trefflicher
Mann gerühmt; er stiftete das Kloster St. Jacob und fand hier auch
') De div. temporum I, 5: „quia domnus Adelboldus Traiectensis epi-
scopus haec omnia pleniter in uno volumine luculento sennone comprehen-
dit". Giesebrecht II, 560 und Hirsch, Heinrich II, I, 297 nehmen es als
Praesens, mir scheint es jedoch kaum möglich anzunehmen, dafs nicht
Alpert von einem ihm schon vorliegenden Buche rede.
a) Vita Hemrici II auct. Adalboldo ed. G. Waitz, MG. SS. IV, 679-G95.
Hs. in Halle, NA. VIII, 382.
3) S. darüber unten V § 14. — Eine von Giesebrecht entdeckte, von
Jaffe herausgegebene Nachricht über Dedicatio ccclesiae S. Petri Babenber-
(jensis (1012) MG. SS. XVII, G35. Bibl. V, 479.
392 HI. Ottonen. § 7. Lüttich. § 8. Alamannien.
einen Biographen, der jedoch erst um die Mitte des Jahrhunderts
schrieb und den Bischof nicht mehr persönlich gekannt hatte1).
Ein ausgezeichneter Zögling der Schule zu Lobbes wurde von
Otto III im Jahre 1000 ( — 1025) zum Bischof von Worms berufen,
Burchard, der als der gelehrteste Canonist seiner Zeit bekannt
und berühmt ist, und der sein gänzlich verfallenes Bisthum zu neuer
Blüthe erhob. Freilich wird von dem gelehrten Pabste Gregor V
(096 — 999) gerühmt, dafs er in Worms gebildet sei2), doch fand
Burchard nach seines Biographen Schilderung die Stadt noch in
Ruinen nach der Verwüstung durch die Ungern, und die Fehden
des Adels hinderten jeden Fortschritt zu besseren Zuständen. Durch
die Schilderung dieser Verhältnisse und der Art, wie es Burchard
gelang den Uebelständen abzuhelfen, ist dessen Biographie sehr lehr-
reich, so wie andererseits Burchards einflufsreiche und angesehene
Stellung bei Otto III und Heinrich II ihr auch für die Reichs-
geschichte Bedeutung verleiht3). Sie ist von einem Zeitgenossen
verfafst und gehört zu den besseren Werken dieser Art; doch hat
Manitius nachgewiesen, dafs in übermäfsiger Weise darin Alpert
ausgebeutet, und sogar dessen Lobpreisung Ansfrids auf Burchard
angewandt ist, so dafs nicht viel Eigenes übrig bleibt4). Noch am
Anfang des folgenden Jahrhunderts feierte der Cleriker Hermann in
seinem Cartular der Wormser Kirche Burchard durch eine kurze,
aber inhaltreiche Charakteristik voll warmer Dankbarkeit5).
§ 8. Alamannien.
Stalins Wirtembergische Geschichte I, 605 ff.
Die Schulen von St. Gallen und Reichenau bewahrten auch
in dieser Zeit ihren alten Ruhm und erhoben sich zu hoher Blüthe;
es wurde manches hier geschrieben, aber wie Schwaben damals der
Reichsgeschichte ferner stand, wie den Alamannen der sächsische
Kaiserhof weit fremder war als der karolingische, so nahm auch das
1) Vita Balderici ep. Leocl ed. Pertz, MG. SS. IV, 724—738.
2) „Lingua Teutonicus, Wangia doctus in urbe." Epit. bei Baronius
ad a. 999 § 1. Die Form Wangia auch in einem Hymnusfragment saec.
XII. Geschichtsbl. d. mittelrhein. Bisth. S. 23.
3) Vita Burchardi Wormat. ed.Waitz, MG. SS. IV, 829—846, nach der
alten Ausgabe von 1548. Cod. Pal. 851, Arch. XII, 344. Vgl. W. Giese-
brecht, Geschichte der Kaiserzeit I, 787. H. Grosch, B. v. W. JeDa 1890.
M. Conrat (Cohn), Gesch. d. Quellen d. Rom. Rechts im MA. I, 261.
4) NA. XIII, 197—202.
5) MG. SS. IV, 829. Ueber die Wormser Schule vgl. Kehr, Die Urkk.
Ott. III (1890).
Burchard v. Worms. Sanct Gallen. 393
ganze Leben einen provinziellen Charakter an, und während wir in
Sachsen und in Lothringen Geschichtswerke von allgemeinerem Ge-
sichtspunkte entstehen sahen, beschränkt sich hier die Litteratur auf
Schriften von engerem Gesichtskreise. Annalen freilich sind auch
hier geschrieben und darin auch, wie überall, von Kaiser und Reich
berichtet; ihre Notizen sind als gleichzeitige Aufzeichnungen wichtig,
aber sie zeigen kein Streben nach zusammenhängender Darstellung,
wie die gröfseren sächsischen Jahrbücher und der Fortsetzer des
Regino. So wurden in St. Gallen die alten Alamannischen Annalen
bis 926 fortgesetzt1); um die Mitte des Jahrhunderts entstanden
dann die gröfseren Annalen von St. Gallen, bis 955 von einer
Hand geschrieben und von verschiedenen Schreibern bis 1044 fort-
geführt2), die Sanct Galler Gelehrsamkeit durch Anwendung von
Stellen alter Schriftsteller bekundend3). Bis 918 sind sie ein Aus-
zug der Alamannici mit einigen Zusätzen, von 919 an selbständig
und von erheblichem Werth. Gleichzeitig wurde in derselben Hand-
schrift, welche verschiedene Mönchsregeln u. a. enthält, auch das
Necrologium angelegt4). Dagegen liefs man in Reich enau, wo
längere Zeit hindurch die alten Murbacher Annalen fortgesetzt waren,
schon mit dem Jahre 939 von dieser Thätigkeit ab; ein Exemplar
dieser Annalen, welches für den Erzbischof Friedrich von Mainz
bald nach 939 abgeschrieben war, ist merkwürdig durch die von
Otto's des Grofsen Sohn Wilhelm eigenhändig am Schlüsse zugesetzte
Nachricht von seiner Erhebung zum Erzbischof von Mainz (954)
und dem gleichzeitig zwischen dem Kaiser und seinem Sohne Ludolf
geschlossenen Frieden5). Es hat aber auch noch eine weitere Fort-
setzung Alamannischer Annalen gegeben, deren Spuren Giesebrecht
') Neue Ausg. nach dem Original in Zürich in d. Mitth. z. vaterl. Gesch.
XIX, 224—265, von C. Henking. Nach der ausführt. Erörterung S. 347 bis
358 ist das Stück 800 — 876 von einer Hand geschrieben und Reichenauer
Ursprungs; 877 — 881 zweifelhaft, 882 — 926 in St. Gallen geschrieben.
2) Ann. S. Galli majores, früher Hepidanni genannt, ed. Pertz, MG. SS.
I, 73—85; Henking a. a. 0. S. 265-323, vgl. S. 358 ff. (Nach S. 291
sind die J. 965 u. 966 von Ekkeh. IV geschrieben u. also ohne Autorität.)
Ueber die Reichsannalen, welche dem Stück von 1025 — 1040 zu Grunde
liegen, werden wir in der folgenden Periode zu reden haben. Ueber Zu-
sätze von Ekkehards IV Hand s. Meyer von Knouau S. 338.
3) Strehlke, De Heinrici III bellis Ungaricis p. 35.
4) S. die Ausgabe von Dümmler u. Wartmann in den St. Galler Mit-
theilungen XI nebst den Historiae de fratribus conscriptis (885 bis 982)
S. 13 — 24. Letztere als Confraternitatum syngraphae MG. Libri Confrat.
ed. Piper p. 136—143.
5) Annales Augienses MG. I, 62. 67—69. Vgl. II, 238. Berichtigte Aus-
gabe von Jaffe, Bibl. III, 700-706. Vgl. oben S. 287.
394 III. Ottonen. § 8. Alamannien.
bis 985 in den Altahenses findet1) und die vielleicht auch in den
Cölner Annalen noch kenntlich ist.
Auch die Weingarter Annalen, nur nach dem Fundort be-
nannt, sind bis 918 nichts als ein Auszug der Alamannici, bis 936
fortgeführt2). In Einsiedeln aber wurden um das Jahr 966 An-
nalen zusammengestellt, und bis 1057, in einer anderen Handschrift
bis 1268 gleichzeitig fortgeführt3). Im nahen Elsafs wurde in
Weifsenburg ein Exemplar der Hersfelder Annalen in einen Aus-
zug gebracht und von 985 — 1075 fortgesetzt4).
Bei weitem das bedeutendste Werk für die Geschichte dieser
Zeit ist die Fortsetzung der Klosterchronik von St. Gallen, deren
wir schon oben (S. 268) gedachten, und die uns das anschaulichste
und lebendigste Bild gewährt von einem schön und reich entwickel-
ten Klosterleben, dessen Mittelpunkt die Schule ist. Hartmann,
der gelehrte Nachfolger (922—924) des Abtbischofs Salomon, hat
über die Geschichte seiner Zeit ein Buch hinterlassen, welches uns
leider verloren ist5). Ein Jahrhundert lang scheint darauf diese
Aufgabe unbeachtet geblieben zu sein, bis Ekkehard (IV) die
Arbeit unternahm, ein Schüler Notkers des Deutschen, des bedeu-
tendsten Sanctgaller Lehrers, an dessen Sterbebett er am 29. Juni
1022 stand; dann ging er, wohl von Aribo berufen, nach Mainz, wo
er der Schule vorstand. Auch Trier scheint er aus eigener An-
») MG. SS. XX, 776.
") Annales W eingar tenses, MG. SS. I, 65 — 67. Vgl. Henking in den
Mitth. z. vaterl. Gesch. XIX, S. 345. Die Sangall. breves (ib. S. 220—227)
sind nichts anderes als eine schlechtere Copie desselben Auszuges.
3) Ann. S. Meginradi, Heremi und Einsidlenses ed. Pertz, MG. SS. III,
137 — 149. . Von den Ann. Heremi vermuthet H. Bresslau im NA. V, 449,
dafs sie nur ein Auszug d. Schwäbischen Reichsannalen sind. — G. v. Wyfs:
„Ueber die Antiquitates monasterii Einsidlensis u. d. Liber Heremi des
Aegidius Tschudi" (Jahrb. f. Schweiz. Gesch. X) behandelt sehr eingehend
diese Mss. u. erweist ihren Charakter als Arbeiten von Tschudi. Ihr ge-
schichtl. Werth besteht in der Benutzung einer beim Klosterbrand 1577
verlorenen Annalenbs. u. des alten Liber vitae, im ersten Theil des Liber
Heremi, eines Namens, der eigentlich nur dem von Tschudi benutzten Liber
vitae zukommt. Daraus werden als Beilagen abgedr. S. 87 kurze Annalen
863—996 als Annales S. Meginradi II, S. 88—110 Ex libro Vitae Einsidl.
a. 883 — 1298, Verz. d. Wohlthäter mit Angabe ihrer Schenkungen, Necro-
log ohne Tage, u. noch einige Notizen aus d. 14. Jahrhundert.
4) Annales Weifsenburgenses ed. Pertz, MG. SS. III, 33—65. 70—72.
Vgl. oben S. 340. *
5) Ekkehard S. 102: „de quo quoniam proprium ejus sui temporis li-
bellum habemus, plura scribere supersedemus". Vgl. über ihn Dümmler,
St. Gall. Denkmale S. 256, NA. IV, 556; Meyers von Knonau Ausg. S. 165
bis 168.
Casus Sancti Galli. 395
schauung gekannt zu haben1). Nach Aribo's Tod (6. April 1031)
scheint er heimgekehrt zu sein, und unter den Glossen, mit welchen
er viele Handschriften des Klosters versah, findet sich noch der Tod
des Pabstes Victor (28. Juli 1057) erwähnt, den nach seiner Meinung
ein Abt vergiftet hatte. Für seinen Lehrer Notker2) hat Ekkehard
eine grofse Menge metrischer Uebungen (dictamina) verfertigt, die,
verkünstelt und geschmacklos, wie sie meistens sind, doch von die-
sem der Aufbewahrung werth erachtet wurden; andere fügte er
später aus eigenem Antrieb hinzu, die zum Theil an seinen Bruder
Immo, Abt von Münster im Gregorienthai, gerichtet sind. Die im
Cod. 393 noch jetzt erhaltene Sammlung unter dem Titel Über bene-
dictionum stellte er zusammen auf Anregung des Staveloter Mönchs
Johannes, Neffen des Abtes Poppo, der in St. Maximin Abt wurde
und am 11. Juli 1035 gestorben ist3). Auf den Wunsch des Abtes
Purchard II (1001 — 1022), der ein eifriger Beförderer der lateinischen
Dichtkunst war4), machte er Verse zu den Bildern aus dem Leben
des h. Gallus, welche Abt Immo (075 — 984) im Kloster hatte malen
lassen. Ebenso dichtete er in Mainz auf Aribo's Wunsch Unter-
schriften zu den Gemälden des Doms5), und überarbeitete den
Waltharius des älteren Ekkehard (I f 973), den dieser für seinen
Lehrer Gerald in Verse gebracht, Gerald dem Bischof Erchambold
von Strafsburg gewidmet hatte6).
1) Dümmler, NA. XI, 405, wo er weitere Glossen von ihm zu Adonis
Martyrologium mittheilt.
2) Dessen merkwürdiger Brief über seine Uebersetzungen an Bischof
Hugo von Sitten bei J. Grimm, Kl. Sehr. V, 190.
3) S. vorzüglich E. Dümmler, Ekkehart IV, in Haupts Zeitschrift XIV,
1 — 73, u. G. Meyer von Knonau in der Einleitung zu seiner Ausgabe.
Rythmi de S. Othmaro, mit Glossen, worin er dieselben St. Galler Lehrer
feiert wie in der Chronik, MG. II, 55 — 58. Verbesserungen von Dümmler
1. c. p. 13. Neue Ausg. im Ekk. ed. M. v. Knonau p. LXXXV— LXXXIX.
Benedictiones ad mensas ed. F. Keller, Mitth. d. Antiqu. Ges. in Zürich, III,
97—121.
4) An diesen Abt ist, als er sich am Hofe befand, ein merkwürdiges
Schreiben über einen Kirchendiebstahl und dessen Entdeckung von seinen
Mönchen gerichtet, gedr. in Wartmanns Urkundenbuch III, 34. — Ein im
Anschlufs an Marcianus Capeila gedichtetes Lehrgedicht über die 7 freien
Künste, s. XI. aus St. Gallen, NA. V, 627.
5) Fehlerhaft gedr. bei Fr. Schneider, der h. Bardo, Mainz 1871; besser
von Jos. Kiefer im Progr. des Grofsh. Gymn. in Mainz 1881; vgl. NA.
VII, 419.
6) Ekkehardi I Waltharius ed. Rud. Peiper, Berol. 1873. Waltharius
nach der handschriftl. Ueberlieferung berichtigt mit deutscher Uebertragung
und Erläuterungen von J. v. Scheffel u. A. Holder, Stuttg. 1874. \V. Meyer,
Philolog. Bemerkungen, Miinch. SB. 1873 S. 361. Ueber die versch. Hy-
pothesen und Controversen s. M. v. Knonau zu Ekk. S. 284 — 287.
396 HI. Ottonen. § 8. Alamannicn.
In St. Gallen war inzwischen eine grofse Veränderung eingetre-
ten. Von Stablo kam als Abt Norbert (1034 — 1072), um die stren-
gere französische Zucht des Abtes Poppo einzuführen, unter leb-
haftem Widerstreben der alten Mönche. Ekkehard war, trotz seiner
Freundschaft mit Johannes, ebenso heftig gegen diese Neuerer er-
bittert, wie jener Priester Egebert (oben S. 389), und die Störung
der Verhältnisse, die Vernichtung der alten Harmonie nnd wohl
auch der alten mehr profanen Studien, welche von nun an in St.
Gallen verschwinden, mögen ihn vorzüglich veranlafst haben, die
Klosterchronik fortzusetzen und das Andenken der guten alten Zeit
zu retten. Mit der anziehendsten Ausführlichkeit erzählt er von
dieser, mit einer reichen Fülle von einzelnen Zügen, die uns ganz
in das Innerste des Klosters einführen; er schildert die Schicksale
desselben, die Thätigkeit der verschiedenen Lehrer und ihr Leben
mit einander; aber freilich hatte er dafür keine andere Quelle als
das Gedächtnifs an eine schon sehr fern liegende Vergangenheit, an
Erzählungen, die er in seiner Kindheit gehört hatte. Es ist daher
nicht zu verwundern, dafs sich ihm in den Einzelheiten vielfache
Irrthümer nachweisen lassen; die kulturgeschichtliche Bedeutung der
Schilderung wird aber dadurch wenig gemindert, Ton und Färbung
des Bildes werden wir als wahrhaft anerkennen können, wenn auch
die Umrisse einzelner Gestalten täuschen, die gute alte Zeit zu sehr
verherrlicht ist. Leider hat Ekkehard sein Werk nur bis zum Jahre
971 geführt, und weit über ein Jahrhundert verging nach ihm, bevor
man wieder an die weitere Fortsetzung dachte.
Schätzbar durch Nachrichten über den verheerenden Einfall der
Ungern im Jahre 926 ist die sonst nicht bedeutende Lebensbeschrei-
bung der Klausnerin Wiborada, von dem Sanctgaller Mönche
Hartmann erst gegen das Ende des Jahrhunderts verfafst1).
Das Kloster Reichenau erhält eine besondere Bedeutung da-
durch, dafs es an der Hauptstrafse nach Italien lag. Bischöfe von
Verona haben hier Kirchen gestiftet; griechische und italienische
Pilger und Reisende werden erwähnt, und auch Irländer und Islän-
der lassen sich hier nachweisen. Durch Nachrichten dieser Art
verdienen die Wunder des h. Marcus Berücksichtigung, dessen
Reliquien angeblich 830 von Venedig nach Reichenau gebracht sein
sollten. Die schon damals vielfach lautgewordenen Zweifel an der
Echtheit der Reliquien veranlafsten natürlich eine um so viel gröfsere
!) V. S. Wiboradae ed. Waitz, MG. SS. IV, 446. 452-457. Vgl. Stalin
I, 424. M. v. Knonau zu Ekk. S. 203.
Reichenau. 397
Zahl von Wundern, und auch die Abfassuug eines apologetischen
Berichtes darüber, welcher noch unter Heinrich I oder gleich nach
seinem Tode geschrieben ist1). Eine andere Reliquie, die als eine
besondere Kostbarkeit betrachtet wurde, war ein Kreuz mit dem
Blute Christi, das durch einen Araber Hassan an Karl gebracht
sein sollte und 925 nach Reichenau geschenkt wurde. Neben vielem
fabelhaften, das aber für die Sagengeschichte nicht unwichtig ist,
enthält die darüber verfafste Schrift doch auch einige geschichtliche
Nachrichten2). Aehnlicher Art sind auch die im Anfange des elften
Jahrhunderts in Zurzach beschriebenen Wunder der h. Verena3).
Den Abt Liutharius, sonst Liuthard genannt (926 — 934), feiern
einige Verse wegen runder Fenster, durch welche er Licht in ein
dunkles Gemach gebracht hatte4). Ihm schreibt Stephan Beissel
das dem Augustus Otto dargebrachte schön geschmückte Evangeliar
zu, welches später dem Dom zu Aachen gewidmet ist5).
Von mehr geschichtlichem Inhalt ist ein Gedicht zu Ehren des
Abtes Witigowo (985 — 997), von Purchard im Jahre 994 nicht
ohne Geschmack und Kunstfertigkeit verfafst. Er läfst darin die
Augia selbst auftreten, trostlos über die häufige Abwesenheit des
Abtes, der bald am kaiserlichen Hofe weilt, bald die Stiftsgüter mit
Kirchen schmückt; ausführlich berichtet sie von seinen Verdiensten,
namentlich dem Neubau des Klosters. Ein Nachtrag vom Jahre 996
berührt die Theilnahme des Abtes an Otto's III Römerzuge6). Er
brachte Reliquien und Privilegien mit; dann aber scheint es ihm
nicht anders ergangen zu sein als dem Abt Ratgar von Fulda: er
1) S. oben S. 285.
2) Historia Sanguinis Domini, gedr. im Auszuge von Waitz, MG. SS.
IV, 445. 446—449; vollständig bei Mone, Quellens. I, 671—676. Später
wiederholt überarbeitet, auch in deutschen Reimen, von Albert, herausge-
geben von Schmeller, München 1844. Vgl. dazu Aronius in d. Zts. f. Gesch.
d. Juden in Deutschland II, 76—81 (NA. XIII, 400).
3) Miracula S. Vermae ed. Waitz, MG. SS. IV, 457—460; Varianten
v. Baumann, Anz. f. Schweiz. Gesch. 1877, S. 288. Stalin I, 423. Ihre
verschiedenen Vitae sind nur Erweiterungen aus Notkers Martyrologium.
Eine in fliefsenden Hexametern im Cod. lat. Mon. 18628 f. 13 aus Tegernsee.
4) Dümmler, NA. V, 433.
5) Die Bilder der Hs. des Kaisers Otto im Münster zu Aachen (1886)
S. 60.
6) Carmen Purchardi de Gestis Witigowonis ed. Pertz, MG. SS. IV, 621
bis 632; Berichtigungen aus Gallus Ohem, von 0. Breitenbach, NA. I, 176
bis 178. Copie des dazu gehörigen Bildes der Handschrift bei Mone III,
Tafel 1. In diese Zeit fällt die Schenkung des Evang. an Ekbert von
Trier, s. oben S. 365. Aus seiner Zeit theilweise erhalten : Die Wand-
gemälde der St. Georgskirche zu Oberzell auf der Reichenau, aufgen. durch
Fr. Beer, hcrausg. v. Fr. Kraus, Freib. i. Br. 1884.
398 III. Ottonen. § 8.' Alamannien.
wurde abgesetzt1). Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs durch die
Bauten die Zucht gelockert und dadurch die folgende Katastrophe
herbeigeführt wurde.
Im Jahre 1006 nöthigte nämlich Heinrich II den Mönchen wider
ihren Willen den Abt Immo auf, welcher schon den Klöstern Gorze
und Prüm vorstand, und die strenge lothringische Zucht mit grofser
Härte den Mönchen aufzudrängen versuchte, was viele von diesen
zur Flucht veranlafste und dem Kloster grofsen Schaden that. Da-
von hat der Mönch Rudpert in Prosa und in Versen berichtet2),
sein Werk ist aber verloren. Nach zwei Jahren erlöste der König
Reichenau von seinem Zuchtmeister und gab ihnen Bern aus dem
Kloster Prüm zum Abte, welcher den früheren blühenden Zustand
wieder herstellte3).
Diese beiden grofsen Klöster scheinen alles an sich gezogen zu
haben, was an litterarischer Thätigkeit noch vorhanden war; Con-
stanz, so sehr es durch bedeutende Bischöfe ausgezeichnet war,
tritt litterarisch gar nicht hervor, denn Salomo III, dessen Formel-
buch und Gedichte oben (S. 274) erwähnt wurden, gehört ganz dem
Kloster St. Gallen an, welchem er seine Bildung verdankte und in
dem sein Andenken immer fortlebte. Von dem Bischof Conrad
(934 — 976) giebt es freilich eine Biographie4); sie ist aber erst
150 Jahre nach seinem Tode geschrieben und von geringem Werthe.
Das Leben des Bischofs Gebehard II (980 — 995) ist ebenfalls erst
viel später, im zwölften Jahrhundert, in seiner Stiftung Petershauseu
verfafst; es enthält einige merkwürdige Nachrichten über den Bau
des Klosters5).
Wir haben schon gesehen, wie St. Gallen auch in die Ferne
wirkte durch seinen Probst Notker, der 972 Bischof von Lüttich
wurde; zwei Ekkeharde gingen von dort nach Mainz. Mit Weifsen-
burg im Elsafs war vielfacher Verkehr und auch mit Strafsburg,
besonders unter dem Bischof Erchenbald (965 — 991). Dieser,
welcher durch die Gunst des zweiten und dritten Otto zuerst wirk-
lich Herr in seiner Stadt wurde, war wissenschaftlich gebildet,
!) Herira. a. 997: „Witigowone abbate privato Alawicus promotus".
Pertz vermuthet sogar „vita privato".
2) Herim. Aug. Chr. ad a. 1006. Bischof Milo von Minden schrieb
au Immo seinen Brief über die Acta S. Gorgonii, Mab. Act. III, 2, 204.
3) S. unten IV, § 5.
4) Vita Cuonradi Const. ep. ed. Pertz, MG. SS. IV, 436. Seine Ver-
brüderung mit St. Gallen bei Dümmler u. Wartmann S. 17; Piper, Libri
Confrat. p. 188.
5) Vita Oebehardi ed. Wattenbach, MG. SS. X, 582: vgl. Allg. D. Biogr.
VIII, 453, v. G. Meyer v. Knonau.
Constanz. Strassburg. 399
machte selbst Verse und nahm sich eifrigst der Bibliothek an, für
welche er Abschriften machen liefs. Wimpheling hat noch Aufzeich-
nungen aus seiner Zeit gehabt, welche später verloren sind *). Er
ist es auch ohne Zweifel gewesen, dem der Waltharius überreicht
wurde2). Zur Zeit des Abtes Burchard (958 — 971) berief er, wie
Ekkehard erzählt, den Sanctgaller Mönch Victor, einen fähigen und
gelehrten, aber unruhigen Mann von vornehmer Abkunft nach Strafs-
burg, wo er mit Erfolg als Lehrer wirkte3). Nach dem Tode des
Bischofs zog der in früherer Zeit geblendete Victor sich als Eremit
in die Einsamkeit zurück. Erchenbald aber hat auch selbst einige
Verse über seine Vorfahren im Bisthum verfafst4). Andererseits
wirkte auch Frankreich auf Strafsburg ein; auch Constantius, der
berühmte Scholaster von Luxeuil, hat hier gelehrt5).
Aus der Klosterschule von St. Gallen aber, wo ein grofser Theil
der jungen vornehmen, zu hohen Kirchenämtern bestimmten Geist-
lichkeit erzogen wurde, ging auch der ausgezeichnetste Bischof her-
vor, den Alamannien in der Ottonischen Zeit besessen hat, Udal-
rich aus dem Hause der Grafen von Dilingen6), der von 924 — 973
dem Sprengel von Augsburg vorstand und ein segensreiches An-
denken hinterlassen hat7). Ohne Zweifel würde er hier eine reiche
*) Catal. epp. Argent. ed. Moscherosch Argent. 1651 (hier nicht vor-
handen). Darin nach Mitth. von Dämmler S. 32 ein Gebet, S. 33 — 34 ein
Verzeichnifs von 17 Bischöfen, bei deren Weihe er mitwirkte, nebst An-
gabe des Orts, wo sie geweiht (abgedr. MG. SS. XIII, 323; ; S. 35 Verse
aus Handschriften und von ihm geschenkte Bücher, die damals noch vor-
handen waren ; S. 37 eine kurze gleichzeitige Notiz über die Sarazenen-
schlacht von 982, abgedr. MG. SS. XIII, 43, Anm. 6. Der Schlufs lautet
„Kalabria Deo vincente" nach d. Bibliotheque A. Firmin-Didot, Oatalogue
des livres rares et precieux, Paris, Juin 1882, p. 11 — 13 in d. Beschreibung
der aus Strafsburg stammenden Handschrift. — Ueber die von ihm ge-
schenkte Hs. von Pauli D. Gesta Mett. NA. III, 186.
2) Oben S. 395; summus pontifex wird der Bischof von Worms ge-
nannt in dem Briefe bei A. Mai, Spicil. Va> 147, Erchanbert von Eichstedt
von Wolfhard bei Pez, Thes. VI, 91. Ueber ganz abweichende Vermuthungen
von M. Grellet-Balguerie s. NA. XVI, 456.
3) „Urbem suam doctrinis ejus floridam fecit." MG. II, 116; vgl. Meyer
v. Knonau z. Ekk. S. 273—275.
4) Böhmers Fontes III, XII u. 1—4. Vgl. Rettberg I, 214, II, 61.
Friedrich, Drei uned. Concilien S. 54. M. v. Knonau a. a. 0. Ausführlich
handelt über Erch. mit viel Phantasie Grandidier, Oeuvres hist. incd. I.
5) In der schon oben S. 319 angeführten Todtenklage um Constantius
heifst es, dafs Kaiser Heinrich und König Rotbert, Frankreich, Deutsch-
land und Langobardien um ihn trauern. Strafsburg und Lyon werden
besonders genannt.
6) Ueber diese vgl. Steichele, Das Bisth. Augsburg III (1872) S. 31-55.
7) Waagen, Treasures of Art in Great-Britain I, 196, schreibt seiner
Hand das Evangeliar Harl. 2970 und ein anderes in München zu, mit der
Inschrift: „Dens propitius esto Udalrico peccatori"; dieses (23,630) ist je-
400 IH« Ottonen. § 8. Alamannien.
Entfaltung geistiger Thätigkeit hervorgerufen haben, wenn nicht die
schweren Zeiten, welche Ludolfs Aufstand und der Ungernkrieg über
Stadt und Sprengel brachten, seine Wirksamkeit gehemmt hätten.
Die Folgen dieser Ereignisse sind gewifs noch lange fühlbar gewesen;
doch finden wir zu Bischof Liutolds Zeit (989 — 996) in einem Briefe
des Wigo von Feuchtwangen *) den blühenden Zustand der Augs-
.burger Schule gerühmt, und zugleich zeigen uns diese zufällig er-
haltenen Briefe ein lebhaftes litterarisches Streben in dem Kloster
Feuchtwangen, im nördlichsten Winkel des Augsburger Bisthums.
Wir dürfen daraus wohl den Schlufs ziehen, dafs noch an vielen
Orten eifrig gelehrt und gelernt wurde, ohne dafs uns eine Nachricht
aufbewahrt ist, dafs auch vieles geschrieben worden ist, was später
unbeachtet zu Grunde ging. Ueber S. Ulrichs segensreiche Wirk-
samkeit aber ist uns glücklicherweise ein reichhaltiger und vortreff-
licher Bericht zugekommen, dessen Verfasser, der Priester Gerhard,
ein jüngerer Zeitgenosse des Bischofs, zugleich durch seine gute
Schreibart und Darstellung den gesegneten Erfolg von Udalrichs Be-
strebungen bezeugt. Die ausserordentlich angesehene Stellung dieses
Bischofs, sein Einnufs bei Hofe, die mannhafte Verteidigung seiner
Stadt und seines Sprengeis gegen die Aufrührer und gegen die Un-
gern geben seiner Biographie eine besondere Wichtigkeit und stellen
sie dem Leben des Erzbischofs Brun zur Seite; doch ist die Sprache
sehr gesucht und oft ganz fehlerhaft, griechische und deutsche Worte
werden eingemischt. Auch die Zeit seines Nachfolgers Heinrich
(973 — 982) zog Gerhard in seine Darstellung2). Liutold oder
Ludolf bewirkte 993 die Canonisation S. Ulrichs, das erste Beispiel
doch jünger und der Schreiber vielleicht der Sammler des Cod. Udalrici;
s. NA. X, 410.
J) B. Pez Thes. VI, 115. Vgl. Hirsch, Heinrich II, I, 127. Diese Briefe
sind, nebst einem neuen, nach der Hds. wiederholt bei Steichele a. a. 0.
S. 341 — 349 mit Nachrichten über das Kloster, welches sich nicht halten
konnte und Collegiatstift wurde. Ueber diese Briefe handelt Bessert in
d. Württemberg. Vierteljahrsheften IV (1881), Heft 1 — 4, „als Quelle für
die Geschichte des Württ. Franken".
3) Vita S. Oudalriä ed. Waitz, MG. SS. IV, 377—428. Migne CXXXV
aus Mabillon. Uebers. v. Grandaur, Geschichtschr. 31 (X, 4, 2) 1891 mit
Excurs über die Schlacht auf dem Lechfeld. Zur Ergänzung Ekkehards
Excurs MG. II, 107—109; bei M. v. Knonau mit Comm. S. 211—224. Auf
S. 225 ist die Correctur ultra in eis citraque nicht zu rechtfertigen, da diese
incorrecte Ausdrucksweise im Mittelalter ganz gewöhnlich ist. — Vgl. Stalin
I, 424. Giesebrecht, Geschichte der Kaiserzeit I, 784. Ruland in Steichele's
Archiv für die Geschichte des Bisthums Augsburg I, 7. K. Raffler: Ueber
den h. Ulrich, Augsb. 1866. Jul. Koch: Gesch. u. Cult des h. Ulrich, Hall.
Diss. 1875. Augsburger Bischofsverz. SS. XIII, 333, und mit d. Aebten
von St. Ulrich u. Afra, S. 278.
Vita Udalrici. Regensburg. 401
eines solchen Actes, und von da an wurde das Leben desselben
immer von neuem, später auch in deutscher Sprache überarbeitet;
schon Bischof Gebhard (996 — 999), früher Abt von Ellwangen,
dem die Zeitgenossen hohes Lob zollen, machte den Anfang damit,
aber geschichtlichen Werth hat nur das ursprüngliche Werk. Lehr-
reich sind diese Bearbeitungen nur, insofern man darin recht deut-
lich sehen kann, wie das geschichtliche Element sich immer mehr
verliert und dafür der rhetorische Schmuck, die herkömmlichen
Phrasen überhand nehmen, bis nur noch eine gewöhnliche mit Wun-
dern überladene Legende übrig bleibt1).
§ 9. Baiern.
Ein Geschichtswerk aus Baiern ist uns aus diesem Zeiträume
nicht aufbewahrt, wohl aber mögen manche Aufzeichnungen vorhan-
den gewesen sein, welche für uns verloren sind, wie die Salzbur-
ger Annalen von 835 an, und Regensburger Annalen, von
denen Spuren sich in späteren Werken nachweisen lassen2). Doch
hatte auch gerade dieses Land besonders schwer durch die Ver-
heerungen der Ungern gelitten; manches blühende Kloster Avar zer-
stört, andere durch Herzog Arnulfs Säcularisationen kaum minder
hart getroffen, und erst allmählich begann eine neue Entwickelung
und wissenschaftliche Thätigkeit.
In Regensburg starb am 23. Sept. 972 der Bischof Michael,
der in seinem Epitaphium3) sehr gepriesen wird. Als sein Nach-
folger wirkte bis 994 der treffliche Bischof Wolf gang, ein Schwabe
von Geburt, der zuerst in Reichenau die Schule besucht hatte, wo
er mit Heinrich, des Bischofs Poppo von Würzburg Bruder, Freund-
schaft schlofs und ihn. nach Würzburg begleitete, um die Vorträge
des italienischen Grammatikers Stephan zu hören. Als 956 Hein-
rich Erzbischof von Trier wurde, mufste Wolfgang ihm auch dahin
folgen, und theils als Lehrer, theils als Decan für die Herstellung
der Zucht thätig sein. Allein nach Heinrichs frühem Tode 964 liofs
er sich durch nichts, auch nicht durch die Bemühungen des Cölner
Erzbischofs Brun, ihn zu gewinnen, abhalten seinem Herzenswunsch
zu folgen und im Kloster Einsiedeln Mönch zu werden. Dann trieb
es ihn, den Ungern das Evangelium zu predigen; hier aber trat ihm
!) Eine sehr fabelhafte Version NA. VII, 139.
2) S. oben S. 149. Ann. S. Emm. brevissimi 792. 817. 930— 10G2 und
saec. XI (103G— 104G) ed. Jaffe SS. XVII, 571 sind sehr anbedeutend.
3) Dümmler, Otto I S. 594.
Wattenb ach, freschichtsqucllcn I. ß. Aufl. 26
402
III. Ottonen. § 9. Baiern.
Bischof Piligrim von Passau entgegen und bewirkte seine Erhebung
zum Bischof von Regensburg, wo er nun zu thätigem Wirken in
der Welt gezwungen war und sich auch auf diesem Felde aus-
gezeichnet bewährte. Er hat einen Biographen gefunden, aber nicht
in Baiern, sondern in Franken, und auch diese Schrift ist uns leider
verloren ; nur in der späteren Bearbeitung von Otloh sind Fragmente
davon erhalten1). Wolfgang war der Erzieher Kaiser Heinrichs II,
und auch Poppo, Markgraf Liutpolds Sohn, der 1016 Erzbischof von
Trier wurde, war in Regensburg erzogen2). Auch Tagino, 1004 bis
1012 Erzbischof von Magdeburg, war vorher Yitzthum der Regens-
burger Kirche, ein Zögling Wolfgangs und von ihm zu seinem Nach-
folger bestimmt, aber damals vom Kaiser nicht bestätigt3). Balde-
rich, nach ihm Vitzthum, wurde 1008 Bischof von Lüttich.
Vorzüglich machte Wolfgang sich verdient durch die Herstellung
des altberühmten Stiftes zu St. Emmeram, welches ganz unter der
Herrschaft der Bischöfe gewesen war; jetzt zuerst erhielt es durch
ihn einen eigenen Abt an Ramwold, den er aus St. Maximin
berief, und der mit Ernst und Eifer die klösterliche Zucht her-
stellte4). Er brachte Reliquien mit5), besorgte für seine Mönche
eine Abschrift oder Bearbeitung der Homiliensammlung des Paulus
Diaconus6), und legte ein Güterverzeichniss an, wovon sich nur die
Vorrede mit frommen Ermahnungen erhalten hat7). Doch hatte auch
schon 961 Otto I in einer Urkunde die Frömmigkeit und die Stu-
dien der Mönche rühmen können8). Ramwold erlangte, nachdem er
eine neue Kirche erbaut hatte, vom Abt Winidhar von Ellwangen
(978 — 987) Reliquien der h. Gemini9). Er war es auch, der durch
*) MG. SS. IV, 521—542. Vgl. über Wolfgang Hirsch Heinrich II,
I, 112 f. In Verona ist ein schönes Missale mit seinem Namen, in welchem
mit Goldschrift zum 25. Oct. 992 die Ordination des Bischofs Otbert ein-
getragen ist, der es also von ihm erhalten zu haben scheint. Arch. XII,
660. NA. III, 207.
2) Thietmar 1. V, Prol. Gesta Trevirorum, MG. SS. VIII, 175. Notiz
über eine 1017 von ihm in Trier vollzogene Altarweihe in einem Missal
in Koblenz, Lamprecht, Initial-Ornamentik, S. 29 n. 60. Gedicht d. Cambr.
Hs. Sponso sponsa. Der ihm beigelegte Brief an Bened. IX u. dessen Ant-
wort sind Fiction nach Bresslau, Konr. II, II, 514 — 518, u. Lesser, Erzb.
Poppo. Leipz. 1888.
3) Thietmar V, 25. V. Wolfg. c. 36. Vgl. Hirsch, 1. c. I, 172. 275.
4) Consuetudines S. Emmerammi, aus Einsiedeln stammend nach 0. Ring-
holz, Stud. u. Mitth. a. d. Bened. u. Cist. Orden 1886 (NA. XII, 450).
5) MG. SS. XV, 2, 1094.
c) Zeumer, NA. X, 389; der Prolog S. 390.
7) Holder-Egger, NA. XIII, 562—564.
8) Dümmler, Jahrbücher unter Otto I, S. 320.
tJ) NA. VII, 620, vgl. VIII, 369.
St. Emmeram. Tegernsee. Froumund. 403
Aribo und Adalpert den herrlichen 870 für Karl den Kahlen ge-
schriebenen Evangeliencodex herstellen liefs1), der durch Kaiser
Arnulf aus Saint-Denis dorthin gekommen war, und zu der roman-
haften Translatio S. Dionysii den Anlafs gegeben hat. In diesem
Kloster hat sich in einer Handschrift ein merkwürdiges Bruchstück
über den Herzog Arnulf erhalten, merkwürdig sowohl als vereinzelte
Spur verlorener geschichtlicher Aufzeichnungen, als auch durch den
heftigen Widerwillen gegen den Sachsenkönig, welcher sich darin
ausspricht, und die Yerherrlichung des tapferen Herzogs, auf den in
späterer Zeit die Geistlichkeit so übel zu sprechen war. Das Frag-
ment ist in Regensburg geschrieben und zwar noch zu Lebzeiten
des Herzogs (921 — 937) oder doch sehr bald nach seinem Tode2).
In St. Emmeram war Gozpert Mönch geworden, nachdem er
in der Augsburger Kirche von früher Jugend an seine Ausbildung
erbalten hatte; 982 wurde er (nach Hartwich, oben S. 364) Abt von
Tegernsee und veranlafste hier zu eifriger Beschäftigung mit dem
klassischen Alterthume. Statius, Persius, Horaz, Cicero's Briefe,
Boethius wurden gelesen und abgeschrieben; natürlich auch Priscian,
aus dem man hier wie überall die lateinische Grammatik lernte.
Boethius Schrift vom Tröste der Philosophie schrieb Froumund in
Cöln ab und sandte sie nach Tegernsee3); Glossen zum Priscian in
Feuchtwangen und im Pantaleonkloster4). Dieser Froumund war
Scholaster in Tegernsee und sammelte in einer noch erhaltenen
Handschrift eigene und fremde Briefe und Gedichte; daraus allein
ist uns dieses eifrige Studium in Tegernsee und die lebhafte Ver-
bindung mit den gleich strebsamen Mönchen und Clerikern in
St. Emmeram, Feuchtwangen, Augsburg, Würzburg bekannt gewor-
!) Sanftl, Diss. in aureum etc. codicem, Ratisb. 1786, p. 28. Nach
Woltmann, Gesch. d. Malerei I, 260 nachgeahmt in einem Missal Hein-
richs II, Monac. 4456.
2) Fragmentum de Arnulfo duce Bavariae ed. Jaffe, MG. SS. XVII, 570.
cf. 568; ib. p. 567 ein Catalog der Bibliothek von St. Emmeram aus Ram-
wolds Zeit, ein anderer im Serapeum II, 260. — Vgl. Giesebrecht I, 807.
Die entgegengesetzte Auffassung Arnulfs bei Herrn, von Altaich in Böh-
mers Fontes III, 563, MG. SS. XVII, 370. — Zwei Epitaphien saec. X.
aus St. Emm. NA. V, 432. Verse über die Reform von Niedermünster
durch die Herzogin Witwe Judith und ihren Sohn Heinrich den Zänker bei
Hirsch I, 122. Von der Aebtissin Outa c. 1002 — 1005 gestiftetes schönes
Evangeliar, Woltmann, Gesch. d. Malerei I, 258, NA. X, 410.
3) Pez. Thes. I, Praef. p. XV. Die Handschrift ist jetzt in Maihingen,
und zeigt auch Beziehung zum Kl. Blandigny bei Gent, s. Schepss, Hand-
schriftl. Studien zu Boeth. de cons. im Progr. d. k. Studienaust. zu Würz-
burg 1881, S. 6; NA. VH, 177. Vgl. über die Glossen auch Schepss,
NA. IX, 173-194.
*) Wiener SB. XCVI, 511. Zeitschr. f. D. Piniol. XV, 420.
26*
404 HI- Ottonen. § 9. Baiern.
den I). Der gezierte und mit Gelehrsamkeit prunkende Stil der Zeit,
auf den die italienischen Grammatiker eingewirkt haben mögen,
findet sich auch hier in vollem Maafse. Als feingebildeter Biblio-
thekar in St. Emmeram erscheint hier Reginbald2).
Schon früher, noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts lehrte,
vielleicht in Wessobrunn3), ein sehr gelehrter Mönch, Meister Be-
nedict, die Grammatik; ihm übergab S. Ulrich seinen Neffen Adal-
bero zur Erziehung.
In Salzburg lehrte ein hochgefeierter Mönch aus St. Gallen,
Chunibert, den Herzog Berthold (938 — 947 oder 948) sich vom
Abt Kralo (942 — 948) erbeten hatte; doch meldet davon nur der
Sanctgaller Ekkeharcl, welcher irrig den Herzog Heinrich nennt.
Als Abt von Nieder-Altaich, und zwar zu Herzog Bertholds Zeit,
kennt ihn aber auch Hermann von Altaich4). Etwas später, unter
Erzbischof Friedrich (954 — 990), versammelte in Salzburg ein ge-
wisser Liudfrit zahlreiche Schüler5), und Erzbischof Günther (ord.
1024 Jan. 26, f 1025 Nov. 1) hatte seine gelehrte Ausbildung unter
Bischof Notker von Lüttich erhalten6). Im Jahre 987 war auch
hier das altehrwürdige Stift zu St. Peter durch Erzbischof Friedrich
vom Dom getrennt und als selbständiges Kloster erhielt es einen
Abt Tito, der bis dahin Domprobst gewesen war. Sein Name findet
sich im Necrologium von St. Emmeram als der dortigen Congrega-
tion angehörig; vielleicht machte er da sein Noviziat7). Die Verse
des Abtes Gerhard von Seon wurden schon oben S. 319 erwähnt.
In Benedictbeuern erhielt im Anfange des elften Jahrhunderts
*) Codex epistolaris Froumundi (Monac. 19412) von 983 bis in Hein-
richs II Zeit bei Pez Thes. VI, 110—199. Mab. Anall. p. 435. Vgl. Hein-
reich II von Hirsch I, 126. II, 225—230. Bei Günthner, Geschichte der
litterarischen Anstalten in Baiern I, 170 die Inschrift eines Remigius in
Sedulii opus paschale (Monac. 19456): „Ego Froumundus cepi hunc libel-
lum scribere, sed pueri nostri quos docui meo juvamine perscripserunt."
Ueber den von Schmeller Froumund zugeschriebenen Ruodlieb Giesebr.
II, 624. Müll. u. Scherer (3. A.) II, 152. Ausg. v. Seiler 1882. Ders.
über den Cod. ep. in Zachers Zeits. f. D. Philol. XIV, Heft 4. G. Schepss:
Zu Froumunds Briefcodex und zu Ruodlieb, Zeitscbr. f. D. Philol. XV,
S. 423 ff.
2) Schepss in d. angef. Programm, S. 12.
3) Nach der Vermuthung Leutners, Hist. Wessofont. I, 63.
4) Casus S. Galli ed. Meyer v. Knonau S. 333 mit dessen Anmerkung
Giesebrecht, Ann. Altah. S. 11. Abweichend Hirsch I, 130.
5) V. Godeh. ant. c. 6, MG. SS. XI, 172; vgl. oben S. 324. In einer
später geänderten Stelle spricht Wolfher von einem celebre Studium in
Passau, aber wohl nur durch eine Verwechselung; vgl. Hirsch I, 132.
6) Sermo in purificatione von ihm, Cod. lat. Monac. 18090 aus Tegern-
see, Catal. II, 3, 131.
7) Heinrich II von Hirsch I, 129.
Salzburg. Benedictbeuern. Nieder-Altaich. 405
der Probst Adalbero wegen seiner eifrigen Studien den Beinamen
des Bücherfasses1). In Freising liefs Bischof Abraham2), von
957 — 994, vielleicht 993, fleifsig Bücher abschreiben, auch in weiter
Ferne. Sein Caplan, später Erzcaplan Gotschalk besorgte ihm Ab-
schriften in Metz und in Toul; dann folgte er ihm bis 1006 selbst
als Bischof, und nun war es der Schulmeister Antrieb, welcher mit
seinen Schülern für ihn thätig war3). Aus Tegernsee wandte man
sich an ihn, um ein Exemplar der Historia tripertita zur Abschrift
zu erhalten4). Geschichtliche Aufzeichnungen fehlen aber leider
gänzlich; nur ein Martyrologium mit nekrologischen Notizen hat sich
aus Abrahams Zeit erhalten5).
Jener Chunibert aus St. Gallen ist, wie erwähnt, auch in Nie-
der-Altaich Abt gewesen, aber bald wieder fortgegangen; später
hausten hier nach dem Verfall der klösterlichen Zucht Canoniker.
Unter ihnen war ein alter Priester, Namens Udalgis, der sich als
Lehrer grofsen Ruhm erwarb. Vornehme Jünglinge wurden ihm
gern anvertraut, um sich hier in freierer Weise ohne die strengere
Ordensregel in den Wissenschaften auszubilden, und mehrere Bischöfe
sind aus seiner Schule hervorgegangen6). Der berühmteste unter
seinen Schülern aber ist Godehard (geb. 961), der in Salzburg
seine Studien fortsetzte, die gesunkene Klosterzucht in mehreren
Klöstern wieder herstellte und auch Altaich zu neuer Blüthe erhob,
nachdem dort im Jahre 990 wieder ein Schwabe, Erchembert, nach
Benedicts Regel zum Abt erwählt war.
Aus der Altaicher Schule kam auch Piligrim, ein Neffe des
Erzbischofs Friedrich, aus vornehmer Familie, welcher 971 in Pas sau
auf Adalbert folgte, wo er am 22. Mai 991 gestorben ist. Für Pas-
*) Vas librorum, MG. SS. IX, 219.
2) Er soll ein Slave gewesen sein; die ihm zugeschriebenen Freisinger
Slovenica sind aber älter, nach Miklosich: Die christl. Terminologie der
slav. Sprachen, Wien 1875.
3) ..Abrahamo episcopo jubente, archicapellano ipsius Gotesalcho im-
petranto a Rutberto probabili abbatc Tullensi, eo loci famulitio sanetae
Mariae sanetique Corbiniani per Dnrandum liber iste illustrissimus scriptus
est." Docen in Aretin's Beiträgen VII, 533. Jetzt Cocl. lat. Mon. G294.
Vgl. ferner im Catal. I, 3, 80. 82. 84. 91. 100. 105 u. über Cod. lat. 6426
Gr. Hundt, Bayr. Urkk. d. 11. ik 12. Jahrh. in d. Abh. d. Manch. Akad.
III. Cl. XIV, 2, S. 49. Die früher hier angeführte „Benedictio in scripto-
rio" ist aus Grimalds Sacramentar, bei Günthner I, 190.
4) Meichelbeck, Hist. Frising I1». p. 472.
5) Dümrnler, Forschungen XV, 165 ; Berichtigungen von Gr. Hundt
a. a. O. S. 47.
G) Vita Godeh. ant. c. 2, MG. SS. XI, 171. In der zweiten Vita Prol.
p. 197 wird aber Rumold als Godchards erster Lehrer genannt.
406
III. Ottonen. § 9. Baiern. § 10. Frankreich. Reims.
sau eröffneten sich nach der Ueberwältigung der heidnischen Ungern
grofse Aussichten; schon Adalbert hatte sich einen Bischof von Lorch
genannt, wovon man in der Vita Severini las, Laurentius trat als
Schutzpatron dem h. Stephan zur Seite, und dem viel jüngeren Salz-
burg gegenüber glaubte Pilgrim, der sich ebenfalls Bischof von Lorch
nannte, die Errichtung, oder wie er es darstellte, die Herstellung
eines Erzbisthums Lorch erreichen zu können. Auch Fälschungen
scheute er zu diesem Zwecke nicht, doch blieben seine Bestrebungen
erfolglos1). Pilgrims Name aber blieb gefeiert in Passau und ist
sogar in die Nibelungensage gekommen, über welche er zuerst ein
lateinisches Epos durch seinen Sänger Conrad dichten liefs.
In Eichstedt liefs Bischof Starchand (933 — 966), ein Freund
Ulrichs von Augsburg, viele Bücher abschreiben und verfafste selbst
Gebete; sein Nachfolger Reginold (bis 989) wird wegen seiuer
Beredsamkeit Chrysostomus genannt; er verstand griechisch und
hebräisch, besonders aber war er ein grofser Musiker und soll zur
Uebertragung des h. Willibald ein gar schönes Gedicht verfertigt
haben, auch Wunnibald und Blasius hat er besungen2).
Bei einer so lebhaften litterarischen Thätigkeit kann es auch
an geschichtlichen Aufzeichnungen nicht ganz gefehlt haben; viel ist
jedoch nicht vorhanden gewesen, da wir sonst doch bei den späte-
ren Schriftstellern Spuren davon antreffen müfsten, und gröfsere Ge-
schichtswerke scheinen hier nicht entstanden zu sein. Jene gram-
matisch-philosophische Bildung, welche vielfach hochgeschätzt und
eifrig erstrebt wurde, befördert durch Italiener wie Gunzo und
Stephan, führte zur Geschichtschreibung nur, insofern sie zu dem
erforderlichen Bildungsgrade verbalf; eine unmittelbare Beziehung
zur Geschichte hatte sie nicht und leitete eher ab von der Beschäf-
tigung mit der eigenen einheimischen Vorzeit, wie wir denn auch
gesehen haben, dafs die Hauptpunkte dieser gelehrten Studien, wie
Reichenau, St. Gallen, Lüttich, keineswegs auch die productivsten
für Geschichtswerke waren.
§ 10. Frankreich. Reims.
An gelehrter Thätigkeit hat es in dieser Periode in Frankreich
nicht gefehlt; trotz aller Verheerungen und Unglücksfälle erhielt sich
ein bedeutender Grad von Bildung, der sich durch eine grofse An-
J) Vgl. oben S. 51.
*-') Anon. Haser. MG. SS. VII, 255. 257.
Die Schulen in Reims. Hucbald von St. Amand. 407
zahl von Lehrern, Scholastern fortpflanzte. Diese waren in Frank-
reich wie in Deutschland wohl alle von geistlichem Stande; es
scheint jedoch, dafs sie dort nicht so allgemein wie hier bestimmten
Stiftern angehörten, sondern mehr nach italienischer Weise in un-
abhängiger Stellung Schüler um sich sammelten. Ihre ganze Rich-
tung ging vorherrschend auf Grammatik, Dialektik und Rhetorik,
und trug daher ebenso wenig Frucht für die Geschichte, wie die
verwandten Bestrebungen in deutschen Klöstern.
In Reims waren die beiden Schulen der Domherren und der
Landgeistlichkeit nach Flodoards Angabe (IV, 9) gänzlich verfallen,
als Hinkmars Nachfolger Fulko (882 — 900) zu ihrer Herstellung
zwei Schüler Heirichs von Auxerre1) berief, Meister Remigius von
Auxerre, der die jungen Cleriker in den freien Künsten unterwies,
während der Erzbischof selbst mit ihnen Theologie trieb, und Huc-
bald den Kahlkopf von St. Amand. Dieser war ein Mönch in
jenem merkwürdigen Kloster, welches auf der Grenzscheide beider
Sprachen im Hennegau gelegen, uns zugleich das deutsche Ludwigs-
lied und das älteste Denkmal französischer Dichtung aufbewahrt
hat2). Ein Neffe und Schüler des Milo, der zu Karls des Kahlen
Zeit als Schriftsteller gefeiert war3), übersandte er diesem um 876
seines Oheims Werk de sobrietate mit einer poetischen Widmung4)
und liefs bald ein eigenes ebenso künstliches wie geschmackloses
Gedicht in laudem calvorum folgen, in welchem jedes Wort mit C
anfängt5). Nachdem Fulko, Abt von St. Bertin, zum Erzbischof von
Reims erhoben war, erbat dessen Nachfolger Rodulf ihn vom Abt
') Ademari Chron. III, 5. Remigius, als theolog. Schriftsteller be-
kannt, (Hist. litt, de la France VI, 99 f., vgl. Prantl, Gesch. d. Logik II, 44)
ging nach Fulko's Tod nach Paris, wo Odo von Cluny sein Schüler war.
Andere Schüler von ihm sind die in Vita Joh. Gorz. erwähnten Hildebold
(oben S. 377) und Blidulf, Archidiaconus der Metzer Kirche; auch Erzb.
Seulf v. Reims, Flod. IV, 18. Vgl. Huemer: Ueber ein Glossenwerk zum
Sedulius, Wiener SB. XCVI, 505 — 551. Von R. scheinen, wie Dümmler
mir mittheilt, die 2 Briefe an Dado von Verdun zu sein, worin von der
Herkunft der Ungern die Rede ist, Spicil. XII, 349, Mart. Coli. I. 320,
auch im Cod. Vindobon. 156, f. 110. Später lehrte in Auxerre zur Zeit
des gefeierten Bischofs Robert der ital. Grammatiker Wido, gest. 1095, s.
Dümmler im NA. I, 181—183.
2) Fragmenta Elnonensia, von Hoffmann, Gent 1837, 4. Neue Aufl.
1845. Facs. bei G. Paris, Les plus anciens Monuments de la langue Fran-
caise, 1875.
») S. über ihn Dümmler, NA. IV, 521-526. Ebert II, 277-285.
4) Diese gedruckt bei Mart. Thes. T, 45. Vollständig herausgegeben
von Desplanque, Etüde sur un poeme inedit de Milon, moine de Saint-
Amand, Lille 1871.
5) Herausgegeben von J. Desilve, Valenciennes 1875. Dess. Schrift
De schola Elnonensi, 1889, habe ich nicht gesehen.
408 HI- Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
Gauscelin von St. Amand, um seine mangelhaften Schnlkenntnisse
zu ergänzen1); bald nachher aber mufs er jenem Rufe nach Reims
gefolgt sein, wo er eine Zeit lang als Lehrer wirkte, bis sein Gön-
ner Fulko starb. Heimgekehrt, hat er aufser anderen erbaulichen
Schriften 907 ein Leben der h. Rictrudis, der ersten Aebtissin von
Marchiennes, verfafst, welches er dem Bischof Stephan von Lüttich
übersandte2) und, wenn die Yermuthung des Herausgebers richtig
ist, auf Veranlassung desselben Bischofs, die metrische Vita S. Lam-
berti, worin zuerst die von den früheren Biographen verschwiegene
Ursache seiner Ermordung berührt wird3). Aufserdem verfafste er
ein Leben des angelsächsischen Glaubensboten Liafwin, welches
besonders durch die Erwähnung der altsächsischen Landesversamm-
lung sehr merkwürdig ist4). Dieses in Anlehnung an Altfrids Leben
Liudgers mit grofser Belesenheit und sorgsamem Fleifse ausgearbei-
tete Werk widmete er dem Bischof Balderich von Utrecht, und
theilte es aufserdem dem Archidiaconus Peter von Cambrai und
Odilo, dem Mönch von St. Medardus, zur Prüfung mit. Neunzig-
jährig soll er 930 gestorben sein. Um sein Kloster machte er sich
auch dadurch verdient, dafs er die Gebeine des von seinem Vater
Karl dem Kahlen geblendeten und um 876 verstorbenen Karlmann
von Echternach nach Saint-Amand brachte, was in einem Epitaph
auf seine und Milo's gemeinsame Grabstätte berichtet wird5).
Reims war in diesem Jahrhundert auch der Mittelpunkt der
französischen Politik und namentlich für die lothringischen Händel
von der gröfsten Bedeutung. Hier konnte man unmöglich ohne ge-
schichtliche Aufzeichnungen auskommen; hier bedurfte man anderer
*) Zur Sicherung seines Unterhaltes wies der Abt ihm 889 ein Land-
gut an, welches er später den Mönchen von St. Bertin überliefs. Folq.
ed. Guerard p. 131. MG. SS. XIII, 623.
2) Vita S. Rictrudis, Mab. II, 939—950. Acta SS. Mai III, 81—89.
3) Vie de S. Lambert, ecrite en vers par Hucbald de Saint-Amand,
et documents du X siecle, par J. Demarteau, Liege 1878. Vgl. oben S. 264,
u. Dümmler, NA. IV, 555.
4) Hucbaldi Vita S. Lebuini ed. Pertz, MG. SS. II, 360—364 im Aus-
zug aus Sur. VI, 277 — 286, doch nach der Handschrift berichtigt. Der Rest
ist aus den Lebensbeschreibungen von Willibrord, Bonifaz, Gregor und
Liudger erweitert. Uebersetzung des Auszuges von Arndt hinter der Vita
Bonifacii. Vgl. über seine Quellen u. besonders die Versammlung zu
Marklo, W. Kentzler, Forsch. VI, 343—354 u. Entgegnung von S. Abel
355. 356. Eine Schrift über die Vita u. den Ursprung von Deventer von
Verloren wird Revue hist. XXXI, 236 angeführt.
5) Acta SS. Jim. III, 36. S. über Hucbald Hist. litt, de la France VI,
210—221; Dümmler, NA. IV, 560—563. — Hans Müller, Hucbalds echte
und unechte Schriften über Musik (Leipz. 1884, 4) weist nach, dafs die
Schrift de harmonica institutione, aber nicht die Musica enchiriadis, von
ihm ist.
Yita Lebuini. Flodoard. 409
Werke als rhetorisch ausgeschmückter Legenden, und Hinkmar selbst
hatte das beste Beispiel gegeben. Er fand einen Nachfolger an
Flodoard (894 — 966), der als Archivar der Kirche sowohl, wie
durch seine sehr angesehene Stellung ganz besonders zu dieser Auf-
gabe befähigt war. Begonnen hatte auch er in derselben Weise wie
so viele seiner Zeitgenossen. Unter Pabst Leo VII (936 — 939) be-
suchte er Rom, wo er vom Pabste sehr gut aufgenommen wurde,
und als Denkmal seiner Frömmigkeit, seiner umfassenden Gelehr-
samkeit und seiner Dankbarkeit verfafste er in leidlichen Hexametern
ein gewaltiges Werk, dessen erste zwei Theile die Thaten Christi
und der ersten Heiligen in Palästina und Antiochien feiern, während
der dritte in 14 Büchern die Geschichte der römischen Päbste in
Verse bringt, verbunden mit zahlreichen Legenden der Heiligen.
Noch bei Lebzeiten seines Gönners Leo VII hat er die Arbeit voll-
endet, welche er dem Erzbischof Rotbert von Trier widmete1); der
letzte Theil derselben ist nicht ohne geschichtlichen Werth2). Der-
selbe Erzbischof von Trier war es auch, der zur Zeit des Concils
von Ingelheim Flodoard dringend aufforderte und mahnte, die Ge-
schichte der Reimser Kirche3) zu schreiben, mit welcher Flo-
doard noch 952 beschäftigt gewesen ist. Schon in jenem Gedicht hat
Flodoard auch urkundliche Nachrichten der Reimser Kirche benutzt,
deren Beziehungen zum päbstlichen Stuhl sorgfältig hervorgehoben
werden. Das sind die Anfänge der Studien, aus welchen diese bis
948 geführte Geschichte der Reimser Kirche hervorging, ein Werk,
in welchem die Rücksicht auf die Form ganz zurücktritt gegen die
Vollständigkeit und Zuverlässigkeit des Inhalts, denn diese Geschichte
*) Nach handschriftlicher Ueberlieferung freilich Rotger, s. oben S. 365.
Es mag ursprünglich, wie in der Widmung der Reimser Geschichte, nur R.
gestanden haben.
2) Dieser ist gedruckt bei Mab. III, 2, 569—608 und bei Muratori III
wiederholt. Stücke bei Mab. II, 30. 127. 1095—1100. Vollst, jetzt bei
Migne CXXXV, 494-886. Vgl. über das ganze Werk Eist. litt, de la
France "VI, 318 — 321. Entlehnung der Characteristiken aus den Epitaphien
der Päbste, NA. XIII, 236.
3) Flodoard i Historia Reinen sis ecclesiae, mit Anhang bis auf Adalbero,
cd. Sirmond. 1611; Colvener. Duaci 1617, Bibl. Patrum Lugd. XVII, 500;
Bouquet VIII, 154-175 unvollständig; edd. Heller et Waitz, MG. SS. XIII,
405 — 599 (ohne den Anhang). Kritik von Longnon im Report, des travaux
historiques. Die II, 19 aufgenommene Visio Raduini (oben S. 211) kommt
abgesondert vor u. ist NA. XI, 262 gedruckt. Der Ausg. von Pithou (1588)
sind Visiones Flotildae von 940 angehängt. — Oeuvres de Flodoard ed.
Le Jeune (Text mit Uebersctzung) Reims 1854. — Series archiepp. Ron.
(nur Namen) SS. XIII, 381. 750. Annales Remenses 830-999, nicht gleich-
zeitig, ib. 81; Ann. S. Dionysii Remenses 845 — 1190. p. 82 — 84; Ann. S,
Nicasii Rem. 1197 — 1309, p. '84 bis 86,
410 HI- Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
ist eine urkundliche in so hohem Grade, dafs sie für die Zeit der
Erzbischöfe Hinkmar und Fulko grofsentheils geradezu aus Regesten
der wichtigsten Urkunden, besonders päbstlicher Schreiben besteht.
Auch für die frühere Zeit lag ihm noch einiges urkundliche Material
vor, vorzüglich war er hier jedoch auf Hinkmars Vita Remigii und
einige andere Legenden angewiesen; Wundergeschichten erzählt er
gerne und mit grofser Gläubigkeit. Die Verarbeitung des Stoffes
mufs man als mangelhaft bezeichnen;' sie läfst sich oft ganz ver-
missen, aber der materielle Werth seines Werkes ist dadurch um so
gröfser für uns. Derjenige Theil desselben, welcher die Geschichte
seiner Zeit behandelt, findet sich grofsentheils wiederholt in seinem
zweiten Hauptwerke, den Annalen, welche von 919 — 966 reichen1).
Doch hatte er diese, wie G. Monod (Revue Crit. 1873, II, 263) nach-
gewiesen hat, schon früher mit den Ereignissen gleichzeitig begon-
nen und darin Rücksichten zu nehmen gehabt, welche für die Histo-
ria Remensis nicht mehr noth wendig waren; er unterbrach sie, um
die Historia zu schreiben, und nur der Bericht über 948 scheint
dann umgekehrt wieder aus der Historia in die Annalen herüber-
genommen zu sein. Ob der Anfang der Annalen verloren ist, ob
ein anderes Werk vorhanden war, welches die Geschichte bis zum
Jahre 919 führte, ist unbekannt; unmöglich wäre es ja nicht, dafs
der Anfang frühzeitig zu Grunde gegangen wäre, und ohne die An-
nahme einer bis dahin reichenden Aufzeichnung ist gerade dieser
Anfangspunkt unbegreiflich. Sicher aber ist, dafs auch Richer nicht
mehr Hülfsmittel für die Zeit von 882 an, wo Hinkmars Jahrbücher
aufhören, vor sich hatte; nicht einmal die Annalen von St. Vaast
waren ihm bekannt. Für jenen Zeitraum nun berichtet Flodoard
mit der gröfsten Treue Jahr für Jahr die Ereignisse, wie er sie er-
fuhr, grosse und kleine, ohne auf ihren inneren Zusammenhang ein-
zugehen, in derselben objectiven Weise, die wir schon bei anderen
ähnlichen Werken bezeichneten, in einfacher ungesuchter Sprache.
Was ihn aber auszeichnet, ist die Fülle seiner Nachrichten, nicht
über Frankreich allein, sondern auch über Lothringen und das ost-
fränkische Reich, mit dem er manche Berührung hatte, und ferner
seine fleckenlose Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit. Er war in
höherem Alter in das Kloster Saint-Basle eingetreten, wo 952 wieder
Mönche anstatt der Canoniker eingeführt wurden und legte 963 die
Prälatur, wie er sagt, siebenzigj ährig nieder. Drei Jahre später ist
*) Flodoardi Annales ed. Pertz MG. SS. III, 363-408. Baehr, S. 188.
Giesebr. I, 779. Ueber den von Pertz nicht benutzten Cod. Paris. Fonds
latin 9768, nach Nithard, s. NA. VI, 482. Cod. Christ. 633, NA. X, 224.
Flodoard von Reims. Gerbert. 411
er gestorben, und fast bis an den Tag seines Todes hat er das
Werk fortgesetzt, dann ist noch ein Zusatz über die Jahre von
976 — 978 nachgetragen worden: darauf aber verging lange Zeit,
bevor sich ein Nachfolger fand. In den politischen Wirren, von
welchen auch die Metropole, lange Zeit ein Zankapfel der Parteien,
viel zu leiden hatte, gingen Zucht und Lehre fast zu Grunde, bis
der Beginn einer besseren Zeit in dem nahen Lothringen auch hier-
her seine Einwirkung erstreckte. Zwei Metzer Domherren, welche
nacheinander auf den erzbischöflichen Stuhl erhoben wurden, Odel-
rich, 961 — 969, und besonders Adalbero von 969 — 988, ein Zögling
der Klosterschule zu Gorze1), stellten die Ordnung wieder her, und
bald zog der neu erwachte Glanz der Reimser Schule Schaaren lern-
begieriger Jünglinge zu der alten Kathedrale.
Bald nach Flodoards Tod, um das Jahr 967, hatte ein junger
Mönch, Gerbert, das Kloster Aurillac in der Auvergne verlassen,
um in der spanischen Mark Lehrer aufzusuchen, welche namentlich
seiner Liebe zu mathematischen Studien genügten. Im Jahre 970
folgte er dem Grafen von Barcelona und dem Bischof Hatto von
Vieh, seinem Lehrer, nach Rom und wurde hier bereits als ein aus-
gezeichnet begabter Jüngling vom Pabste dem Kaiser Otto zugesandt.
Noch fehlte es ihm aber an philosophischer Ausbildung, und deshalb
begleitete er den Reimser Archidiaconus Garamnus2), einen berühm-
ten Lehrer der Logik, nach Reims, wo er einige Zeit seine Studien
fortsetzte, bald aber selbst als Lehrer einen aufserordentlichen Ruf
gewann3). Ganz Gallien, sagt Richer, erglänzte von ihm durch-
leuchtet, wie von einem strahlenden Lichte. Nachdem er sich
später einige Zeit bei Otto II aufgehalten und von ihm die Abtei
Bobio erhalten hatte, die er nicht behaupten konnte, kehrte er zu-
rück4), und nahm während der Minderjährigkeit Otto's III in Reims
eine sehr bedeutende politische Stellung ein. Diese Periode ist es
besonders, über welche uns seine Briefsammlung die wichtigsten
Aufschlüsse giebt, obgleich viele der darin enthaltenen Anspielungen
uns jetzt unverständlich sind, und durch die absichtliche Duukel-
*) Gesta epp. Camerac. I, 102.
2) Der Name ist Hypothese, Richer hat nur den Anfangsbuchstaben,
und in den Reimser Urkunden der Zeit findet sich nur dieser Name.
3) Er war auch Lehrer des Königs Robert nach der Satire des Bischofs
Adalbero von LaoD, wo er Neptanebus genannt ist, was auf Gerbert ge-
deutet wird. Pechenard de schola Rem. X saeculi Par. 1876 habe ich
nicht sehen können.
4) Vor Otto's II Tod, nach D. J. Witte, Lothringen in der zweiten
Hälfte des zehnten Jahrhunderts (Diss. Gott. 1869) S. 43, wo auch viel
Widerspruch gegen Ollcris neue Anordnung der Briefe ist.
412 HI. Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
heit der Schreibart die Benutzung sehr erschwert wird1). Als später
(991) der Erzbischof Arnulf von Reims entsetzt und Gerbert sein
Nachfolger wurde, zeichnete dieser selbst die Verhandlungen der
Synoden zu St. Basle, Mouson und Coucy auf, welche durch diese
Verhältnisse veranlafst wurden2), und die aufserordentliche Klarheit,
Schärfe und Gediegenheit der Darstellung, sowie die Meisterschaft
im Ausdruck lassen uns sehr bedauern, dafs er uns aufserdem keine
Werke geschichtlichen Inhaltes hinterlassen hat. Besonders merk-
würdig sind die Acten der Synode von St. Basle durch die heftige
und rücksichtslose Opposition gegen den römischen Stuhl, welche
sich darin ausspricht, und die eine nicht minder heftige und cha-
rakteristische Entgegnung von Seiten des römischen Abtes Leo her-
vorrief3).
Hat aber Gerbert nicht selbst Geschichte geschrieben, so ver-
aulafste er doch, clafs nach langer Unterbrechung in Reims diese
Thätigkeit wieder aufgenommen wurde. Er beauftragte damit einen
') Gerberti epistolae bei Duchesne II, 789 — 844. Opera ed. Olleris,
1867, 4. Verse von ihm in N. Jahrb. f. Philol. 1867, XCV, 708—710.
Die Briefsammlung von Gerbert als eine Geschichtsquelle. Krit. Monogr.
Nach den Hss. von N. Bubnow, Petersb. 1888 (russisch). Lettres publ.
avec uue introd. et des notes par Jul. Havet, Paris 1889 (NA. XV, 223).
Anz. beider von Kehr, HZ, LXIV, 274 — 277. Zur Zeitbestimmung der
Briefe auch Sickel, Mitth. d. Inst. XII, 209 ff. Vgl. Wilmans in Ranke's
Jahrbüchern II, 2, 141—175. Giesebr. I, 787. Hock, Gerbert oder Pabst
Sylvester II und sein Jahrhundert, Wien 1837. M. Büdinger, Ueber Ger-
berts wissenschaftliche und politische Stellung, Cassel 1851. Cantor, Mathe-
matische Beiträge S. 304 ff. eingehend über seine mathematischen Schriften;
Gesch. d. Mathematik I, 728-751: Zts. f. Math. u. Physik, Hist. litt. Abth.
XXXIII, 3, 101 ff. gegen die Verwerfung der Geometria Gerberti von H.
Weissenborn, Gerbert. Beiträge zur Kenntnifs d. Math. d. MA. Berl. 1888.
Prantl, Gesch. d. Logik II, 53—57, H. Reuter, Gesch. der relig. Aufklärung
im Mittelalter (1875) I, 78—84. K. Schultess, P. Silv. II als Lehrer u.
Staatsmann. Wiss. Beil. zum Osterprogr. d. Wilh. Gymn. in Hamb. 1891.
Ders. Die Sagen von P. Silvester II, Hamb. 1893. A. Graf, Die Quellen
der Legenden von S., Nuova Antologia 1890 Mz. 16. Dafs der Sermo de
<li<)iütate sacerdotali nicht von ihm sein kann, erweist Jul. Harttung, NA.
I, 587 — 593. Ders. bezweifelt Forsch. XVII, 390 seinen Aufruf zum Kreuz-
zug; dagegen H. v. Sybel, Gesch. d. ersten Kreuzzuges (1881) S. 458.
Die Questio Girberti papae im Pariser Cod. 10444 enthält eine philos. Unter-
suchung, NA. II, 625. Cod. Vat. 3101, Arch. XII, 232. Merkwürdige Sagen
über Gerbert bei Gualt. Mapes de nugis curialium ed. Wright (Camden
Society) 1850. Vgl. auch Döllingers Pabstfabeln. Ein Gedicht über seine
Magie e cod. Salem, s. XIII, Ortus remensis, bei Gerbert, Iter Alem. (1765)
p. 246. ed. II p. 258. Mone's Anz. II, 188.
2) MG. SS. III, 658-693.
3) MG. SS. III, 686-690. Vgl. oben S. 306. Im Cod. Christ. 1283
(Arch. XII, 315) folgen auf einen Bericht über Arnulfs Absetzung u. Ger-
berts Nachfolge sehr bittere Verse Tres contra Dominum, die K. Palm
Forsch. XIII, 579 aus einer Abschrift mitgetheilt hat. Der Cod. hat nach
Gerbert. Richer. 413
seiner Schüler, den Richer, einen Mönch von Saint-Remi1), der
sich mit nicht gewöhnlichem Eifer dem Studium der alten Lateiner
und der Philosophie, der Medicin und der Mathematik hingab. Von
seinen Vorgängern wich Richer ab, indem er die schlichte anna-
listische Form verliefs; ihm schwebte das höhere Ziel einer künst-
lerisch durchgebildeten und das innere Wesen der Dinge erfassen-
den Geschichtschreibung vor. Nachdem er die Widmung an Gerbert
und den Anfang seines Werkes (bis II, 78) geschrieben, scheint eine
Unterbrechung eingetreten zu sein, worauf er, bevor noch 997 König
Robert sich von Gerbert abwandte, diesen Anfang noch einmal über-
arbeitete und bis zum Jahre 995 fortführte; einige kurze Notizen
über die folgenden Jahre auf dem letzten Blatte seiner Handschrift,
in welchen die veränderte Stimmung gegen den König sich deutlich
zeigt, deuten die Absicht einer weiteren Fortsetzung an, zu welcher
er aber, vielleicht durch Gerberts Absetzung (998) verhindert, nicht
mehr gekommen ist. Nach Monod's Vermuthung hat er ihn zum
Kaiserhof begleitet2).
Zum Ausgangspunkte seines Werkes nahm Richer nach einer
kurzen Einleitung das Ende von Hinkmars Werk (882); er ver-
suchte es, die Lücke zwischen diesem Zeitpunkte und Flodoards
Annalen (919) auszufüllen, was aber nur sehr unvollkommen gelin-
gen konnte, weil es ihm offenbar an schriftlichen Denkmälern über
diese Periode, aufser Flodoards Geschichte von Reims, fast gänzlich
fehlte. Er hatte, vermuthlich in Chartres, wohin ihn das Studium
der Medicin führte, sagenhafte Nachrichten über die Herkunft des
Grafenhauses von Blois erfahren3), und sonst noch einige Notizen,
Mitth. von Dümmler immer Gilb. u. v. 7 cupiere; aufserdem vor v. 10 den
tautologischen Vers „Romam vexat adhuc census amor immoderatus.". Sie
finden sich aber auch bei Giesebr. III, 1263 (von v. 7. an) auf Wiebert
angewandt, und scheinen mir dahin besser zu passen.
!) Hier war 945 die Regel durch Erzbischof Hugo mit Rath des Abts
Erchambold von Fleury hergestellt und Hinkmar (-f* 967) als erster selb-
ständiger Abt eingesetzt. Gerhard von Brogne (oben S. 388) wird dabei
von Flodoard auffallender Weise gar nicht erwähnt. Schon 948 führte
Berner Mönche von St. Remi nach Homblieres im Vermandois, da die
dortigen Nonnen zu liederlich waren und trotz aller Mühe blieben, s. In-
ventio, translatio et miracula S. Huhegundis a. 946 auet. Bernero, Mab. V,
214—221. Andere kamen 952 nach St. Basic und durch Erzbischof
Adalbero 971 unter Lietald nach Mouson, 972 nach St. Thierry, dit du
Mont d'or.
2) S. G. Monod, Etudes sur l'hist. de Hugues Capet. Les sources
historiques. Revue hist. XXVIII, 241-272.
3) Vermuthlich eine Gesta. S. C. v. Kalckstein, Geschichte d. frz.
Königthums unter den ersten Capetingern, 1 (1877) S. 47(5 — 482, wo seine
ganz entstellten Nachrichten von K. Odo besprochen sind.
414 HI. Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
welche er mit äufserster chronologischer Verwirrung ganz willkürlich
in Verbindung brachte; wie sehr ihm jede Entstellung zuzuschreiben
ist, zeigt der folgende Abschnitt, wo Flodoards Annalen seine Quelle
sind, nebst einigen ungeschickt eingeschobenen Stellen der Geschichte
von Reims1). Wo diese enden, (966), erreicht er die Zeit, welche
er schon selbst mit durchlebt hatte, und je mehr er sich der
Gegenwart näherte, desto mehr hatte er Ereignisse zu berühren,
deren Mittelpunkt grofsentheils der erzbischöfliche Stuhl von Reims
gebildet hatte. Hier konnte es ihm, der im Auftrage Gerberts seine
Geschichte schrieb, an zuverlässiger Kunde nicht fehlen; für die
frühere Zeit kam es ihm auch zu statten, dafs sein Vater Rudolf
ein Dienstmann König Ludwigs IV gewesen war, dessen Gunst er
sich durch seine Tapferkeit und Klugheit erworben hatte.
Aeufserlich war also Richer für diese Zeit vortrefflich ausge-
rüstet, um ein Geschichtswerk von nicht gewöhnlichem Werthe
zu schreiben, aber leider fehlte es ihm gänzlich an der inneren Be-
fähigung. Es fehlte ihm vor allen Dingen ganz an geschichtlichem
Sinn. Nicht die Thatsachen, nicht die Wahrheit sind ihm das
wesentliche, sondern mehr noch die Form der Darstellung. Das
Studium der Alten, vorzüglich des sehr stark von ihm benutzten
Sallust2), führte ihn, wie wir das im Mittelalter nur zu häufig wahr-
nehmen, blofs zu dem Bestreben, in der äufseren Form ihnen nach-
zueifern, namentlich erdichtete Reden den handelnden Personen in
den Mund zu legen und alterthümliche Benennungen anzuwenden,
wo sie nicht an ihrem Orte sind, nämlich für die eigenthümlichen
Zustände und Verhältnisse der Gegenwart. Bei Richer aber geht
das Streben nach rhetorischem Schmucke so weit, dafs die Darstel-
lung der Thatsachen dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Schil-
derungen von Schlachten und Belagerungen, sowie besonders auch
von Krankheiten, bei denen er seine medicinische Gelehrsamkeit zur
Schau trägt, wiederholen sich in übertriebener Weitschweifigkeit, und
bei genauerer Untersuchung findet man bald, dafs der Verfasser sich
hier nicht selten ganz seiner Phantasie überläfst. Dieses führt uns
auf den zweiten grofsen Fehler Richers, nämlich seinen Mangel an
Wahrhaftigkeit und Genauigkeit. Eine unbefangene Darstellung darf
man bei seinem Standpunkte überhaupt nicht erwarten, aber auch
da, wo keine Parteirücksichten ihn verleiteten, begeht er die gröfs-
J) Vgl. die Dissertation von Reimann, worin Richers Unzuverlässigkeit
im einzelnen nachgewiesen ist, namentlich auch die Uneclitheit seiner Zu-
sätze zum Ingelheimer Concil.
2) F. Vogel in Actis Sem. Erlang. If, 418—421.
Richers Geschichtswerk. 415
ten Fehler, welche besonders deutlich hervortreten, wo wir seine
Quelle, die Annalen Flodoards, zur Vergleichung bei der Hand haben.
Flüchtig und ungenau erscheint er da im höchsten Grade. Tritt
nun aber gar noch ein bestimmter Beweggrund hinzu, von der Wahr-
heit abzuweichen, so sehen wir ihn jedem Antrieb der Art folgen;
er übertreibt und vergröfsert, was er bei Flodoard vorfindet, aber
er geht auch so weit, sein eigenes Werk zu verfälschen, um eine
krankhafte nationale Eitelkeit zu befriedigen. Ein besonders gün-
stiges Geschick hat uns seine eigene Handschrift aufbewahrt, und
diese zeigt uns, wie er im ersten Buche das, was er früher geschrie-
ben hatte, verändert hat, um anstatt Giselberts und der Lothringer
den König Heinrich und die Deutschen dem westfränkischen Könige
unterworfen erscheinen zu lassen. Doch bleibt es zweifelhaft, ob
hier wirklich eine absichtliche Entstellung anzunehmen ist, oder ob
er sich selbst durch seine ganz falsche Auffassung der älteren Ge-
schichte irre leiten liefs; gewonnen wird aber für ihn auch
dadurch nicht viel, wenn man annimmt, er habe einer oberflächlichen
Theorie zu Liebe die überkommenen Thatsachen willkürlich ver-
ändert1).
Als Historiker können wir demnach Richer unmöglich hoch
stellen; so sehr er im einzelnen nach rhetorischem Schmucke strebt,
so wenig ist er doch auf ein richtiges Yerhältnifs der Theile bedacht
gewesen, und es wird durch ganz zufällige Umstände bestimmt, wo
er auf alle Einzelheiten mit gröster Ausführlichkeit eingeht, oder
wiederum wichtige Ereignisse nur leicht berührt oder ganz übergeht.
Dazu ist seine Sprache gesucht und oft durch unpassende Ausdrücke
kaum verständlich, so dafs wir sein Werk auch nicht in Rücksicht
auf die Form loben können, wenn wir von der Wahrhaftigkeit der
Darstellung absehen wollten. Demungeachtet aber hat doch Richers
Buch für uns einen hohen Werth; er ist unser einziger Bericht-
erstatter über jene hochwichtige Zeit, in welcher die Herrschaft von
den Karolingern auf die Capetinger überging, und seine ausführliche
Darstellung gerade dieser letzten Jahre enthält eine grofse Fülle
wichtiger Nachrichten, die wir ihm allein verdanken, die freilich nur
mit grofser Behutsamkeit zu gebrauchen sind, aber doch als eine
sehr wesentliche Bereicherung unserer geschichtlichen Kenntnifs be-
]) Nach Wittich in den Forschungen III, 105—141 hätte Richer I, 34
bis 40 eine lothringische Quelle benutzt, und weil er von Giselberts Er-
hebung erst bei dem Eintritt dieser Quelle berichtet, die Stellen, wo er
vorher erwähnt wurde, verändert, um oberflächlich die Einheit herzustellen.
Vgl. auch Waitz, Heinrich I, 3. Ausgabe, S. 2(> ff.
416 HI. Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
trachtet werden müssen *). Denn bis auf unsere Tage ist Richers
Werk fast ganz verborgen geblieben; nur in grofsen Zwischenräumen
haben Ekkehard, Hugo von Flavigny, Trithemius davon Gebrauch
gemacht und dadurch eine sehr unbestimmte Kunde von diesem
Schriftsteller erhalten; sein Werk aber galt für verloren, bis Pertz
es 1833 in Bamberg von neuem entdeckte und 1839 zum ersten
Male bekannt machte2).
Schon früher als Saint-Remi war das Kloster Fleury oder
Saint-Benoit-sur-Loire durch Odo von Cluny der strengeren
Zucht unterworfen worden; von hier hatte St. Remi seinen ersten
Abt Hinkmar erhalten. In Fleury wurde 988 Abbo Abt, der, in
der Klosterschule ausgebildet, schon als Lehrer gewirkt hatte, als
er sich noch nach Paris und Reims zu weiteren Studien begab. In
der Astronomie machte er Fortschritte, fand aber übrigens seine
Erwartungen nicht befriedigt. In Orleans vervollkommnete er sich
in der Musik, und übernahm dann eine Mission nach England, wo
Erzbischof Dunstan die klösterliche Zucht herstellte. Heimgekehrt,
gewann er als Abt eine grofse Wirksamkeit, und übernahm auch für
den König eine Gesandtschaft an den Pabst, deren er 996 in einem
Briefe an den Abt Hatto III von Fulda3) gedenkt; mit diesem, der
um dieselbe Zeit einen ähnlichen Auftrag auszuführen hatte, war er
in Reims bekannt geworden, und hatte einen Austausch von Reli-
quien mit ihm beredet. Yor dem Tode des Königs Hugo (996)
verfafste er für diesen und seinen Sohn eine Sammlung von kano-
nischen und anderen Aussprüchen, mit besonderer Betonung des
J) Für die Zeit Otto's II wird seine Glaubwürdigkeit vertheidigt von
Ad. Matthaei: Händel Otto's II mit Lothringen, Hall. Diss. 1882; für die
Erhebung der neuen Könige (IV, 12. 13) von Julien Havet, Revue bist. XLV,
S. 290-297, vgl. NA. XVII, 224.
2) Richeri Historiarum libri IV ed. Pertz, MG. SS. III, 561—657, mit
Schriftprobe. Zwei andere Seiten in W. Arndts Schrifttafeln, t. 47, 2. A. 49.
Besonderer Abdruck, Han. 1839. Neue Ausg. von Waitz 1877 mit ge-
nauerer Beachtung der in der Handschrift vorgenommenen Aenderungen.
Mit französischer Uebersetzung von Guadet, Paris 1845, und publiee par
l'Acad. Imp. de Reims avec traduction, notes etc. par A. M. Poinsignon,
1856. Uebersetzung von Freiherr v. d. Osten-Sacken, mit Einleitung von
Wattenbach, Berlin 1854; neue Ausg. 1891, Geschichtschr. 37 (X, 10).
Reimann de Richeri vita et scriptis, Olsnae 1845. Giesebr. I, 788. Mauren-
brecher S. 69 — 74. Die Handschrift wird schon in dem Catalog der Michels-
berger Bibliothek von Ruotger zwischen 1112 u. 1113 (Schannat Vindem.
I, 52) erwähnt; auch ein Vegez kam dahin aus Reims: Veget. ed. Lang
p. XXXI. Ekkehard hatte jedoch eine von der unserigen verschiedene
Handschrift.
3) Baluzii Miscell. I, 409. Schannat, Hist. Fuld. p. 132.
Fleury. Abbo. Aimoin. 417
königlichen Amtes und des den Mönchen gebührenden Schutzes1).
Endlich wurde er 1004 in dem Priorat La Reole an der Garonne
in einem Tumult der Aquitanen erschlagen. Sein Leben beschrieb
Aimoin2), ein Mönch seines Klosters, der ihn auf seiner letzten
Reise begleitet hatte, mit einem Briefe an Herveus, Schatzmeister
von St. Martin, der unter Abbo in Fleury gebildet, die 1001 ver-
brannte Martinskirche wieder herstellte. Sie wurde 1008 eingeweiht,
1012 starb Herveus3).
Nach Fleury war aus Montecassino, während es von den Lan-
gobarden verwüstet in Trümmern lag, der Leib des heiligen Bene-
dict entführt worden, eine Thatsache, welche freilich später von den
Cassinesen hartnäckig geleugnet wurde (vgl. oben S. 306). Die Ge-
schichte dieser Uebertragung, welche einen grofsen Aufschwung des
Klosters zur Folge hatte, verfafste schon im neunten Jahrhundert
Adrevald oder Adalbert4), und fügte ein Buch über die Wunder des
heiligen Benedict hinzu, welches von Adelerius fortgesetzt wurde.
Diesen schloss sich nun auch Aimoin an, indem er im Jahre 1005
ein zweites und drittes Buch der Wunder schrieb. Geschichtliche
Nachrichten über die Könige von Frankreich kommen gelegentlich
darin vor5) und wurden, obwohl sie weder genau noch ausführlich
sind, doch bei dem Mangel an anderen Quellen, besonders da auch
Richers Werk nur wenig bekannt geworden war, von Späteren häufig
benutzt6).
a) Conrat (Cohn) Gesch. d. Quellen u. Litt. d. röm. Rechts (1889) I,
259—261.
2) Vita Abbonis abb. Floriacensis auct. Aimoino, Mab. VI, 1, 37—58.
Abbo liefs des Josephus Bell. Jud. durch den Laien Rotbert abschreiben,
Hagen, Catal. Bern. p. 240. Ausführl. handelt bes. über Abbo, Cuissard-
Gaucheron: L'ecole de Fleury-sur-Loire ä la fin du 10. siecle, Mem. de
la Soc. Arch. de POrleanais XIV (1875) 551—717. Sackur, Die Cluniac.
I, 274 ff. Vom Jahre 626 an bis 1060 war auch in Fleury eine Ostertafel
mit Annalen versehen, gedruckt als Ckron. Floriacense, Duchesne III, 355
bis 357. Pertz giebt mit Weglassung des aus der Hist. miscella, den
Ann. S. Amandi und S. Columbae entnommenen den Rest II, 254 von 853
an als Annales Floriacenses. Andere, gröfstentheils übereinstimmend, bis
1044, vom Rande einer Ostertafel in Bern als Ann. Flor, brtves SS. XIII,
87. Catal. abb. bis 818 SS. XV, 1, 500.
3) S. Hugonis archidiaconi Tornacensis dialogus ad Fulbertum (ep.
Carnot.) de quodam miraculo, quod contigit in translatione S. Martini,
Mab. Anall. ed. II. p. 213 seqq.
4) Adrevaldus qui et Adalbertus. Die von Mabillon geleugnete Iden-
tität erweist E. de Gertain in der Ausgabe für die Societc de l'histoire de
France: Les Miracles de Saint Benoit, Paris 1855. Ex Adventu corporis
S. Benedicts in agrum Flor. SS. XV, 1, 480—482. 574".
5) Benutzt ist dazu das Fraijm. ex antiqua Membrana Flor, monasterii,
s. J. Havet, Revue hist. XLV, 290—297.
fl) Ex Miraculis S. Bened. Floriac. SS. XV, 1, 474—500. Ex Aimoin i
Wattenbach, Geschichtsquellen I. 6. Aufl. 27
418 HL Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
Von zweifelhaftem Werthe ist der Bericht über die Illatio
S. Benedicti, d. h. die Uebertragung in die Marienkirche, und
nach der Flucht vor den Normannen 883, die Rückbringung aus
Orleans an demselben 4. December, voll von Wundergeschichten, von
dem Hersfelder Mönch Diederich nach längerem Aufenthalt in
Fleury verfafst für den Abt Richard von Amorbach, der von 1018
bis 1039 auch Abt von Fulda gewesen ist1).
Die Aufzeichnung der Wunder des h. Benedict hatte Aimoin
nach dem 4. Cap. seines dritten Buches abgebrochen, um auf den
Wunsch seiner Klosterbrüder eine Geschichte der Aebte von Fleury
zu schreiben, wovon uns nur das Leben Abbo's erhalten ist. Seine
Arbeiten nahm etwas später Andreas wieder auf, indem er 1041
das Leben des Abtes Gauzlin beschrieb, Hugo Capet's Bastard,
welcher auf Abbo folgte und 1030 als Erzbischof von Bourges ge-
storben ist2). Doch behielt er auch als Erzbischof die Abtei, welche
1026 abbrannte und unter seiner Leitung neu gebaut wurde. Seine
Biographie enthält viele für Kunstgeschichte und Litteraturgeschichte
wichtige Nachrichten; auch von dem gefeierten Scholasticus Con-
s tantin, dem Freund Gerberts, erfahren wir hier, dafs er von dem
Bischof Arnulf von Orleans die Abtei Saint-Mesmin de Micy erhal-
ten hat3). Die Mirakel aber führte Andreas, häufig sich selbst wie-
derholend, fort bis 1043; von anderer Hand sind nach 1056 Zusätze
dazu gemacht4). Endlich hat noch Radulfus Tortarius, geb.
1063, ein fruchtbarer Dichter5), die Mirakel bis 1114 fortgeführt
Flor. Mir. SS. IX, 374—376. Vgl. H. Hahn: Ein übersehener Brief des
Pabstes Zacharias, NA. I, 580—583.
. >) Bei Mab. Act. IV, 2, 50—55. Vgl. C. v. Kalckstein, Forsch. XIV,
120. Im Cod. Vat. Christ. 586 f. 71 heifst der Verf. Diedericus nach Reiffer-
scheid, Wiener SB. LIX, 139. Eine Hs., wo er Thiadericus genannt wird,
war in der Klosterbibl. von Amelungsborn, Dürre im Progr. d. Gymn. zu
Holzminden 1876 S. 23.
2) Ausg. von L. Delisle in den Memoires de la Societe archeologique
de l'Orleanais, T. II, 1853. Der Anfang NA. II, 605 in der irrigen Mei-
nung, dafs es ungedruckt sei. Weil die Ausg. wenig zugänglich und nach
einer fehlerhaften Abschrift gemacht war, ist im NA. III, S. 349—383,
eine Ausgabe von P. Ewald gedruckt. Ueber das schöne, ihm aus Ramsey
geschickte Sacramentar, Delisle, Sacram. p. 216.
3) Ein Gedicht an ihn, ein zweites an einen unbekannten Bovo, ed.
Dümmler NA. II, 222 — 228. Beide auch bei H. Hagen, Carmina Medü
Aevi p. 130 — 136. Verbesserungen zum ersten Romania 1877 S. 286.
4) Dieser Theil ist nur in der Ausg. von Certain gedruckt; Berichti-
gungen nach der Hs.. Cod. Vat. Christ. 592 NA. III, 344—349, von P.
Ewald.
5) Eine Abhandlung über ihn von Certain, Bibl. de l'Ecole des chavtes
L 489-521.
Miracula S. Benedicts Aimoin. 419
und das ganze Werk in Verse gebracht; den Schlufs bilden einige
Aufzeichnungen von Hugo de Sancta Maria.
Doch von Aimoin haben wir noch ein Werk anzuführen.
Noch bei Lebzeiten Abbo's verfafst und diesem gewidmet ist
ein früheres Werk von ihm, eine Geschichte der Franken, welche
bis zur Thronbesteigung Pippins reichen sollte, die aber unvollendet
blieb und nur bis in die Mitte des siebenten Jahrhunderts geführt
ist1). Selbständigen Werth hat sie deshalb durchaus nicht; sie gleicht
vielmehr den damals so häufigen Ucberarbeitungen alter Legenden,
und ist wie diese mehr eine sprachliche und formale als eine ge-
schichtliche Leistung. Eine später im Kloster St. Germain-des-Pres
hinzugefügte Fortsetzung bis 1040 ist aus bekannten Quellen zusam-
mengesetzt, mit einigen Zusätzen über die Geschichte des Klosters;
eine weitere Fortsetzung reicht bis 1165.
Schon frühzeitig, seit dem Anfange des neunten Jahrhunderts,
wurden Annalen im Kloster der heiligen Columba zu Sens ge-
schrieben2), und mit Hülfe derselben in einer uns nicht erhaltenen
ausführlicheren Gestalt bis 956 verfafste ein unbekannter Geistlicher
eine etwas ausführlichere, aber doch immer sehr magere Chronik des
westfränkischen Reiches von der Schlacht bei Tertry, mit besonderer
Beziehung auf das Erzbisthum Sens, bis zum Ende des Jahrhunderts
nach mündlicher Ueberlieferung und persönlicher Erinnerung fort-
schreitend; wichtig ist dagegen wieder der von einem Zeitgenossen
herrührende Theil von 1000 bis 1015 3). Dieses Werk wurde nicht
nur in der wenig späteren Chronik des Odorannus von Sens4),
') Aimoini Historia Francorum ed. Breulius, 1603 f. und in Frehers
Corpus Franc. Hist. mit den Fortsetzungen. Ohne dieselben Duchesne III,
1—120. Bouq. III, 21—139. Ueber die Handschriften Waitz, Archiv XI,
314. Vgl. oben S. 110.
2) Ann. S. Columbae Senonensis 708—1218 ed. Pertz, MG. SS. I, 102
bis 109. Bis 840 in den Ann. S. Maximini ausgeschrieben, oben S. 363.
Nach einem vollständigeren Exemplar bis 922 sind sie von Albricus be-
nutzt, s. MG. SS. XXIII, 661. Verwandte Notizen aus einem Martyrolo-
gium bei Delisle, Notice sur plus. Manuscrits de la bibl. d'Orleans, Not.
et Extr. XXXI, 1, 68 — 70. Sacram. p. 164.
3) Nach Lot, Les derniers Carolingiens, Paris 1891, NA. XVII, 631.
Das Buch selbst war mir nicht zugänglich.
4) Odoranni monachi S. Petri Vivi Senonensis Chronicon collectum a. 1045.
Duchesne II, 636. Mit seinen übrigen Schriften bei Duru, Bibl. hist. de
TYonne II, 187—446. Daraus auch bei Migne CXLII. Eine Folge der
Erzbb. mit Notizen aus der Stockh. Hs. im Anz. d. Germ. Mus. XXII, 39.
Delisle, Sacram. p. 106 u. 371. Obedienz-Erklärungen für die Erzbischofc
von Sens, NA. III, 199—202, und von Besancon S. 196—198.
27*
420 HI. Ottonen. § 10. Frankreich. Reims.
sondern auch von Hugo von Fleury und Anderen viel benutzt, von
Ordericus Vitalis vollständig in sein "Werk aufgenommen1).
Von grösserem "Werthe, aber der deutschen Geschichte und
unserer Aufgabe schon sehr fern liegend, ist die Chronik der Nor-
mannen von Rollo bis auf den Tod Richards I (996), von Dudo,
Decan zu St. Quentin, am Anfange des elften Jahrhunderts verfafst.
Er schrieb nach mündlicher Ueberlieferung, hauptsächlich nach den
Erzählungen des Grafen Rudolf von Ivri, des Bruders Herzog
Richards I, und giebt uns eine wahre Volksgeschichte in reichhal-
tiger lebendiger, wenn auch mit viel Schönrednerei aufgeschmückter
Erzählung2). In dieser schwülstigen Ueberladung und in der Ver-
zierung mit inhaltlosen Versen in vielförmigen Metren nach dem
Vorbild des Boethius, entspricht Dudo ganz dem Charakter der
Schulen seiner Zeit, die unter Rollo's frommen Nachfolgern auch in
der Normandie wieder auflebten. Schon die Ermordung des Her-
zogs Wilhelm Langschwert (942 Dec. 17) veranlafste ein gleichzei-
tiges, ziemlich rohes Gedicht, welches Dudo's Darstellung bestätigt3).
Bald begegneten sich am erzbischöflichen und herzoglichen Hofe,
wrie einst bei Karl dem Grofsen, Irländer'und Franken in heftiger
Feindschaft. Moriuth gewann die Gunst des sehr weltlichen und
lebenslustigen Erzbischofs Hugo (942 — 989) und der Fürsten durch
seine Lobverse; Warnerius dagegen, ein Mönch von Saint-Ouen,
sehr gelehrt in seiner Weise, widmete sich ganz dem Dienste des
Erzbischofs Robert (989 — 1037), Herzog Richards Sohn, und be-
x) Historia Francorum Senonensis a. 688 — 1015 (1034) ed. Waitz, MG.
SS. IX, 364 — 369. Simeon Luce, La Continuation d'Aimoin et le Ms.
lat. 12711 de la Bibl. Nat. (Not. et Doc. pour la Soc. d'hist. de France),
Paris 1884, p. 57 — 70, über das Exemplar mit Interpolationen aus St. Ger-
main-des-pres, woraus die ältesten Ausgaben genommen sind, vgl. B. Krusch,
HZ. LVI, 367. Chronicon S. Petri Vivi auct. Clario monacho — 1124, cont.
— 1179 — 1267 ex cod. bei Duru II, 449—597; Excerpte MG. SS. XXVI,
30—36. Chronique de l'Abbayie de Saint-Pierre-le Vif de Sens, redigee
vers la fin du 13. siecle, par G. de Courlon. Texte et trad. par G. Juilliot.
Sens 1876.
2) Dudonis libri III de moribus et actis primorum Normanniae ducum,
Duchesne SS. Normannici, Paris, f. 1619. Excerpt bei Bouq. X, 141, MG.
SS. IV. 93 — 106. Neue Ausg. in 4 Büchern von Jules Lair, Caen 1865, 4.
Migne CXLI. — Unbedeutend, weil ganz aus den Bertin. und Vedast.
Annalen genommen, ist das Chronicon de Gestis Normannorum in Fraucia
820-897. MG. SS. I, 532—536.
3) Complainte sur l'assassinat de Guillaume Longue-epee, duc de Nor-
mandie. Poeme inedit du X. siecle. „Entdeckt von G. Paris, herausgegebeu
von Jules Lair in der Bibl. de l'Ecole des chartes XXXI, 389 — 406.
L. Delisle, Notice sur des Mss. du Fonds Libri cons. ä la Laurent, ä Flo-
rence (1886) p. 40 über ein älteres u. besseres Exemplar, mit Facsimile.
Dudo von St. Quentin. 421
kämpfte mit beifsenden Versen den Gegner, dem er grobe Unwissen-
heit vorwarf1).
Aus ähnlicher Schule war auch Dudo hervorgegangen. Seine
Erzählung, ganz ohne schriftliche Quellen, ist natürlich in den An-
fängen ganz sagenhaft und auch später sehr unzuverlässig, dabei
normannisch ruhmredig in hohem Grade; den Charakter ihres Ur-
sprungs verleugnet sie nirgends. Sehr eingehend ist das mit schar-
fer und besonnener Kritik von E. Dümmler nachgewiesen'2); der
gleichzeitige Versuch von J. Lair, von Dudo's Nachrichten für die
Geschichte etwas mehr zu retten, steht dagegen sehr zurück.
Gewidmet hat Dudo sein Werk dem Bischof Adalbero von
Laon (977 — 1030), der wegen seines politischen Verhaltens übel
berüchtigt, in seinen alten Tagen (nach Mabillon um 1006) ein lan-
ges Gedicht in der Form eines Gesprächs mit König Rotbert ver-
fafste, worin er seinem ganzen Groll gegen Odilo und seine Clunia-
censer, ihre Begünstigung durch den König und die Erhebung mön-
chischer und niedrig geborener Bischöfe Luft gemacht hat. Für die
Kenntnifs der Sitten und Zustände ist es nicht unergiebig3).
§ 11. Cluny.
Als die herrschende Richtung in den französischen Schulen im
zehnten Jahrhundert trat uns jene rhetorisch-philosophische Bildung
entgegen, welche auf den Lehren der alten Grammatiker beruhte
und nicht auf kirchlichem Grunde erwachsen war. In scharfem
!) Warnerii ad Robertum archiep Rotom,. satira in poetam Scotum nomine
Moriuth, cod. Paris. 8121 A. Jules Lair, Et. hist. p. 15; er verspricht eine
Ausgabe. Ein zweites Gedicht desselben W. an Rob. ist NA. II, 601
erwähnt.
2) Forschungen VI, 361 — 390, IX, 651, vgl. die frühere Untersuchung
von Waitz: Ueber die Quellen zur Geschichte der Begründung der nor-
mannischen Herrschaft in Frankreich, Gott. Nachr. 1866, N. 6. G. Körting:
"Wilhelms von Poitiers Gesta Guilelmi ducis Norm, et regis Anglorum,
Progr. der Dresd. Kreuzschule 1875. Mit Dudo beschäftigt sich auch Joh.
Steenstrup: Normannerne, Kop. 1876: vgl. die Rec. von E. Beauvois, Revue
hist. IV, 426 — 430. In dem an dieses Buch anknüpfenden Aufsatz von
Karl von Amira: Die Anfänge des normannischen Rechts, HZ. XXXIX,
241 — 268, wird S. 245 f. die Glaubwürdigkeit des Dudo gegen Dümmler
und Waitz in Schutz genommen und die vermeintliche altnordische
Ueberlieferung über die Herkunft Rollo's zurückgewiesen. Vgl. auch HZ.
XLIV, 188.
3) Bouq. X, 64 — 67 mit ausführlichem Commentar von Adr. Valesius.
Ueber einen von ihm an Bischof Fulco von Amiens gerichteten dialectischen
Tractat s. Prantl, Gesch. d. Logik II, 58. HS. aus St. Emm. in München,
lat. 14272; Frgm. in Orleans, cod. 169, beschr. v. Samuel Brandt, Wiener
SB. CX, 167-174.
422 ni- Ottonen. § 11. Cluny.
Gegensatze zu diesem Treiben entfaltete sich gleichzeitig in Cluny
eine streng mönchische Askese, welche das Studium des profanen
Alterthums für sündlich erklärte, geistesverwandt mit der auf glei-
cher Grundlage ruhenden Klosterreform in Lothringen, mit welcher
auch häufige Berührungen stattfanden. Die Geschichtschreibung
konnte nicht gedeihen, wo man alles Irdische verachtete und ver-
warf, aber indem man die Tugenden der gefeierten Häupter dieser
Richtung anderen zum Vorbilde aufstellte, entstanden doch Lebens-
beschreibungen, welche um so wichtiger sind, je gröfser auch für
die weltlichen Angelegenheiten damals die Bedeutung jener Männer
war. Aber auch die Kenntnifs dieser ganzen Richtung und nament-
lich die Entstehung und das Wachsthum der Cluniacenser Congre-
gation, welche bald eine so aufserordentliche politische Bedeutung
gewann, ist von unmittelbarer Wichtigkeit für den Geschichtsforscher;
nur ist zu bedauern, dafs der legendenartige, auf Erbauung abzielende
Ton der Biographieen uns gerade über diejenigen Umstände, welche
geschichtlich bedeutend sind, am wenigsten Aufklärung finden läfst.
Ueber das Leben des ersten Abtes Odo (927 — 942) besitzen wir
eine Schrift seines Schülers Johannes1). Das Leben des Abtes
Majolus (949 — 994) beschrieb bald nach seinem Tode, nicht ohne
gute Nachrichten von ihm nahestehenden Zeitgenossen zu erhalten,
in blüthenreicher salbungsvoller Rede der Mönch Syrus2), dessen
Schrift aber nach der Untersuchung von L. Traube3) unvollendet
blieb und von Aldebald aus Heirici Vita et miracula S. Germani
interpoliert ist, welche Verunstaltung er in einer zweiten Bearbei-
tung noch vermehrte. Den echten Text des Syrus haben wir also
nicht, wohl aber kannte ihn Odilo, der in seinem Elogium4) die
falschen Zuthaten des Aldebald unbeachtet gelassen zu haben scheint.
Dadurch wird eine Revision der Untersuchungen von W. Schultze
und Sackur nothwendig5).
Sein Nachfolger Odilo (994 — 1049) fand mehrere Biographen
!) Mab. V, 150—186. Excc. ed. L. v. Heinemann SS. XV, 2, 586—588.
Ueber die jüngeren Bearbeitungen Sackur, NA. XV, 105 — 116. Ueber
seine Wirksamkeit Sackur, Die Cluniacenser (Halle 1892) S. 43 ff. Ueber
den Odo zugeschriebenen Tractatus de reversione b. Martini de Burgundia
vgl. C. v. Kalckstein, Robert der Tapfere (Berl. 1871) S. 312.
2) Mab. V, 786. Auszüge MG. SS. IV, 649-655.
3) NA. XVII, 402-407.
4) Acta SS. Maj. II, 683.
5) W. Schultze für Odilo, Forsch. XXIV, 153-172. Sackur f. Syrus
NA. XII, 503—516. Entgegnung von Schultze NA. XIV, 545-564. —
Epistola de morte Maioli NA. XVI, 180. — Vgl. Sackur, Die Cluniac.
I, 209 ff.
Die Aebto von Cluny. 423
in ähnlichem Stile1); er selbst verfafste aufser dem Leben des Ma-
jolus auch ein sogenanntes Epitaphium der Kaiserin Adalheid2).
Er hat derselben sehr nahe gestanden, besonders in der letzten Zeit
ihres Lebens, in welcher sie sich fast ganz frommen Uebungen und
Klosterstiftungen hingab. Hierüber enthält seine Schrift viele Lob-
preisungen, über ihr Leben in der Welt ist sie sehr kurz und be-
gnügt sich mit den allgemeinsten Umrissen; nur bei den Leiden und
Gefahren ihrer Gefangenschaft und Flucht verweilt Odilo etwas
länger. Der geschichtliche Gewinn aus dieser Arbeit ist daher nicht
bedeutend, und nur einige wenige brauchbare Nachrichten lassen
sich daraus entnehmen.
§. 12. Italien. Liudprand.
Liudprandi Opera ed. Pertz, MG. SS. III, 264—363 und besonderer Abdruck in Octav.
Neue Ausg. v. Dümmler 1877. Koepke, De vita et scriptis Liudprandi, Berol. 1842.
Uebersetzt (die Antapodosis im Auszug) von Freih. v. d. Osten - Sacken, mit Ein-
leitung von Wattenbach, Berlin 1853; 2. A. 1889, Geschichtschr. 29 (X, 2). Waitz
in Schmidts Zeitschrift II, 99. W. Giesebrecht, Geschichte der Kaiserzeit l, 779.
781. Maurenbrecher S. 46 — 55. Peiper, Forsch. XII, 443 über einige Entlehnungen
aus Boethius, nebst Emendationen. Liudprand von Cremona und seine Quellen, von
C. Dändliker u. J. J. Müller, in M. Büdingers Untersuchungen zur Mittl. Gesch. I
(L. 1871), über welche ich das ablehnende Urtheil E. Dümmlers, HZ. XXVI, 273 bis
281 theile. Gegenbemerkungen von Büd. XXVIII, 233—238. Fr. Koehler, Beiträge
zur Textkritik L. im NA. VIII, 47-89. L.Ranke, Weltgesch. VIII, 634-655. Nicht
gesehen habe ich Hantsch, Progr. d. Gymn. zu Leoben 1888, Colini Baldeschi, Liud-
prando, Giarre 1889.
Auch Italien beginnt in dieser Periode sich wieder zu schrift-
stellerischer Productivität zu erheben, und nach langer Unterbrechung
erscheint hier wieder ein Geschichtschreiber, welcher den bedeutend-
sten seiner Zeitgenossen zur Seite tritt. Es ist Liudprand, der so
den italienischen Namen wieder zu Ehren brachte. Wie Paulus
Warnefrids Sohn, stammte auch er aus vornehmem laugobardischen
Geschlechte; auf die Römer sieht er als ganz entartet mit tiefer
Verachtung herab. Aber ein Italiener ist er ganz und gar, und voll-
ständig zeigt sich in ihm jener Charakter der dort herrschenden
*) Jotsaldi de vita et virtutibus Odilonis abb. libri 111, Mab. VI, 1, 679
bis 710. Ein Brief der Mönche von Souvigny (Silviniacensium) über
Odilo's letzte Handlungen u. die Wunder ib. p. 673. Exe. aus Jotsald
SS. XV, 812. Vgl. Sackur, NA.^ XV, 117-126. Cluniac. I, 300 ff. —
Widmungsverse von Odilo an einen Kaiser Otto bei Jäck, ßeschr. d.
Barab. Hss. S. 119.
2) Odilonis Epitaphium Adelhaidis ed. Pertz, MG. SS. IV, 633—645.
Uebersetzung von Hüffer, 1856; 2. A. 1891, Geschichtschr. 35 (X, 8).
Giesebr. I, 789. Das zweite Buch bilden in dem von ihr gestifteten Kloster
Seltz zwischen Strafsburg und Speier aufgezeichnete Miracula S. Adalheidis.
Vorangeschickt ist S. 636 ein metrisches Epitaphium Ottunis Magni.
424 HI- Ottonen. § 12. Italien. Liudprand.
grammatischen Ausbildung, deren wir im vorigen Abschnitt gedach-
ten. Auch erhielt er wie Paulus seinen Unterricht nicht in einer
Klosterschule, sondern am Hofe zu Pavia, wo er früh die Aufmerk-
samkeit des Königs Hugo auf sich zog und durch seine schöne
Stimme die Gunst 4esselben gewann.
Obwohl es in seinen Schriften nicht an Bibelstellen fehlt und
er den Griechen mit orthodoxem Eifer entgegen tritt, so hat doch
seine Gelehrsamkeit, die er nur gar zu gern zur Schau trägt, einen
überwiegend weltlichen Charakter, und Horaz, Vergil, Terenz, Ovid,
Juvenal, Cicero sind die Schriftsteller, deren Aussprüche ihm immer
gegenwärtig sind, die er mit Yorliebe anführt1). Nach dem Muster
des Boethius schmückt er seine Schriften gern mit Versen in viel-
förmigen Metren, und er zeigt darin eine solche Gewandtheit, dafs
man an jene früher erwähnte Aeufserung des Panegyristen Berengars
erinnert wird, dafs auf Verse jetzt niemand Werth lege, weil jeder-
mann dergleichen zu machen verstehe.
Schon Liudprands Vater und Stiefvater waren als Gesandte in
Constantinopel gewesen und hatten dort mancherlei Verbindungen
angeknüpft, welche dann Liudprand, als eine Sendung des Königs
Berengar, dessen Kanzler (V, 30) er geworden war, ihn 949 nach
Byzanz führte2), erneute und benutzte, um sich nicht nur mit der
griechischen Sprache, sondern auch mit der Geschichte und den
Einrichtungen des Reiches bekannt zu machen. Später hat er sich
mit Berengar und mehr noch mit der Königin Willa erzürnt; er
suchte und fand eine Zuflucht am Hofe des Königs Otto, und hier
traf er im Februar 956 zusammen mit dem spanischen Bischof Rece-
mund von Elvira3), der ihn aufforderte, ein Werk über die Ge-
schichte seiner Zeit zu verfassen. Zwei Jahre später 958 machte
sich Liudprand wirklich an die Arbeit in Frankfurt, und ungeachtet
eines vielbewegten Lebens und mancher Unterbrechungen arbeitete
er daran fort bis zum Jahre 962, auch noch, als Otto schon zum
Kaiser gekrönt war und ihn zum Bischof von Cremona erhoben hatte.
Bald darauf aber, so scheint es, legte er dieses "Werk bei Seite,
welches ohnehin durch den grofsen Umschwung der Dinge in Italien
seinen Zweck grofsentheils verloren hatte. Denn dieser hatte vor-
!) Diese Nachweise sind von Koehler in der oben angeführten Ab-
handlung bedeutend vermehrt.
2) Aus seinen damaligen Mittheilungen sind nach Dümmlers Vermu-
thung die Nachrichten des Constantinus Porphyrogenitus de admin. imp.
c. 26 über König Hugo geschöpft. Wiener SB. XX, 358; vgl. Dändliker
S. 53.
3) S. darüber Dümmler, Jahrbb. unter Otto I. S. 278.
Liudprands Antapodosis. 425
züglich darin bestanden, allen denen, welche ihm gutes oder böses
erwiesen hatten, nach Verdienst zu vergelten, besonders aber seinem
Hasse gegen Berengar und Willa Luft zu machen ; darum nannte er
es das Buch der Vergeltung, Antapodosis. Er hat darin auch
weidlich auf seine Feinde gescholten; was aber eigentlich Berengar
und Willa ihm angethan hatten, erfahren wir nicht, da er in den
sechs Büchern seines Werkes nicht weiter gelangt ist, als bis zu
jener Gesandtschaftsreise an den griechischen Hof im Jahre 949.
Als seine Absicht bezeichnet Liudprand, alles zu berichten, was
sich seit Kaiser Karls des Dritten1) Zeit begeben, die Thaten der
Kaiser und Könige von ganz Europa, wie er selbst sagt. Er erzählt
von allem, was ihm bekannt geworden, von Deutschland, mit beson-
derer Vorliebe vom griechischen Reiche, am meisten und eingehend-
sten aber doch natürlicher Weise von Italien. Eigentliche Ordnung
ist nicht darin zu finden, und auch die chronologische Folge sehr
ungenau. Ueberhaupt darf man sich nirgends auf ihn verlassen;
wie Widukind schreibt er nur nach mündlicher Kunde und verfällt
besonders über ferner liegende Vorfälle in grofse Irrthümer. Aber
Widukind ist frei von der Leidenschaft, welche den rachsüchtigen
Italiener nur zu oft hinreifst. In seinem Ingrimm hält er sich bei
den einzelnen, oft unbedeutenden Vorfällen übermäfsig auf; er ge-
fällt sich in der Mittheilung von Anekdoten, besonders wenn sie
boshaft und anstöfsig sind, in der rhetorischen Ausmalung der Be-
gebenheiten, in gezierten, den Umständen wenig angemessenen Reden.
Im einzelnen ist sein Urtheil oft richtig und treffend, seine Ansicht
von den geschichtlichen Verhältnissen wohl begründet, wie er denn
auch in Otto dem Grofsen sogleich den Mann erkannte, von dem
allein Italien Abhülfe seiner Leiden und Gebrechen, die Herstellung
der Zucht und Ordnung erwarten konnte, und diesem ohne Wanken
treu blieb. Seine Erwiederungen auf die leeren Anmafsungen der
Griechen sind ungemein treffend. Aber von einer höheren Begabung
zum Geschichtschreiber giebt doch sein Werk, als Ganzes betrachtet,
kein günstiges Zeugnifs. Dafür gewährt uns andererseits gerade
seine behagliche, memoirenartige Art zu erzählen einen Einblick in
die Sitten, Zustände und Denkweise der Zeit, der vom höchsten
Werthe ist.
Als Otto der Grofse sich dauernd und ernstlich mit den ita-
lienischen Verhältnissen zu befassen begann, fand er die Hülfe des
]) Der Beiname des Dicken kommt erst im 12. Jahrh. vor, und ist
deshalb nach Dümmler Ostfr. It, 292 nicht mehr erlaubt.
426 HI- Ottonen. § 12. Italien. Liudprand.
gelehrten und in den politischen Verhältnissen des Landes erfahrenen
Mannes sehr schätzbar; er verlieh ihm schon 961 das Bisthum Cre-
mona1) und übertrug ihm 963 eine Gesandtschaft an den Pabst
Johann XII; bald darauf war er zugegen in der Kirchenversammlung,
durch welche dieser Pabst entsetzt wurde, und über diese Vorgänge
(960 bis 964) hat er eine eigene Schrift verfafst2). Hier versuchte
er eine würdigere Sprache anzunehmen, er bringt weder griechische
Floskeln noch Verse an und mäfsigt seine Leidenschaftlichkeit; doch
blickt sein eigenthümlicher Stil überall durch, und der Anspielungen
auf römische Dichter hat er sich auch hier nicht enthalten. Da er
in höherem Auftrage oder doch für das Auge des Kaisers schrieb,
so ist seine Darstellung keineswegs unbefangen; er verschweigt
manches, und man darf nicht vergessen, dafs diese scheinbar so rein
objeetive und actenmäfsige Erzählung doch nur eine Parteischrift ist,
dafs er es namentlich vorzieht, manche Vorfälle und Umstände nicht
zu erwähnen. Aber im wesentlichen hat sich dennoch, was er mit-
theilt, als richtig bewährt.
Im Sommer 968 ging Liudprand abermals nach Constantinopel
als Brautwerber für Otto II, und über diese Sendung stattete er
dem Kaiser einen Bericht ab, der ebenfalls erhalten ist, aber wie
jene beiden anderen Werke, am Schlüsse unvollständig; der Gesaudt-
schaftsbericht ist nur aus der Ausgabe des Canisius bekannt und
daher auch der Text unzuverlässig. In diesem Bericht nun hat
sich Liudprand wieder ganz der üblen Laune überlassen, welche
durch die schlechte Behandlung, die ihm in Constantinopel wider-
fuhr, in ihm erregt war, und er strömt über von Spott und Hohn.
Der Uebermuth der Griechen hatte ihn aufs tiefste gekränkt, und er
bietet alle seine Beredsamkeit auf, um die Kaiser zur Züchtigung
derselben zu bewegen und diese Aufgabe als leicht und mühelos
darzustellen. Uebertrieben ist daher seine Schilderung; das Bild
namentlich, welches er vom Kaiser Nikephorus entwirft, ist nur in
Bezug auf seinen Geiz zutreffend, seine kriegerischen Eigenschaften
und die Wehrkraft des Reiches unterschätzt er durchaus. Aber im
übrigen ist seine Schilderung wahr, und gewährt uns ein so eigen-
thümliches und lebendiges Bild des griechischen Reiches, dafs Giese-
brecht sie mit Recht fast vollständig in seine Geschichte der Kaiser-
a) Hierhin übertrug Liudprand den auf recht niederträchtige Weise
gestohlenen S. Hymerius aus Ameria. Die später geschriebene kurze Er-
zählung MG. SS. III, 266 aus Ughelli.
2) Wieder abgedruckt bei Watterich, I, 49—63. Vgl. auch Giesebr.
I, 830. Auf Leo VIII bezogene Spottverse NA. VIII, 383.
Liudprands Schriften. 427
zeit (I, 523 — 546) aufgenommen hat, als Seiteustück zu der Gesandt-
schaft des Abtes Johannes von Gorze an den Kalifen von Cordova1).
Liudprands Bericht endet mit seiner Abreise von Korfu am
siebenten Januar 969; im Sommer desselben Jahres überbrachte er
als Bote (nuncius) des Kaisers Briefe von diesem und vom Pabste,
die sich auf eine römische Synode vom 26. Mai 969 beziehen, an
eine Synode zu Mailand, deren Beschlüsse Otto am 9. Nov. 969 be-
stätigte2). Ueber seine weiteren Schicksale ist nichts bekannt, nur
eine Nachricht von sehr zweifelhaftem Werthe läfst ihn an der
glänzenden Gesandtschaft Theil nehmen, welche endlich 971 die
kaiserliche Braut wirklich in Empfang nahm, und auf dieser Reise
sterben.
Im Jahre 984 musterte der Bischof Odelrich von Cremona die
Urkunden und Bücher im Schatzhaus seiner Kirche: viel war malo-
rum manibus entfremdet, und geschichtliche Werke finden sich nicht
im Verzeichnifs, auch nichts von Liudprand, aber „turibulum quod
Luizonis fuit, de manu raptorum liberavimus3)." Bekanntschaft mit
seinen Schriften ist in Italien nur bei Gregor von Farfa nach-
gewiesen.
In Deutschland sind Liudprands Schriften frühzeitig bekannt
geworden und von den gelehrteren, vielbelesenen Schriftstellern be-
nutzt, während sie der gröfseren Menge unbekannt blieben. Schon
Hrotsuit scheint die Antapodosis gekannt zu haben ; dann haben der
Biograph Gerhards von Brogne, Ekkehard und Sigebert, Ragewin4),
Magnus von Reichersberg, Alberich und Heinrich von Herford, Diet-
rich von Niem5) und endlich Trithemius aus dieser und der Historia
Ottonis geschöpft.
Für die kritische Bearbeitung des Textes, mit Ausnahme der
Legatio, von welcher keine Handschrift sich erhalten hat, glaubte
Pertz eine vollkommen sichere Grundlage gefunden zu haben in der
Freisinger Handschrift, welche für die griechischen Stellen vom
Schreiber gelassene Lücken zeigt, die von einer anderen Hand aus-
1) Aufsatz von Zanelli im Arch. stör. Ital. XIII (1884), 2. Heft, die
Richtigkeit der Thatsachen anerkennend. Erklärung des Wortes „mandro-
gerontes" c. 55 als Gaukler, aus der Com. Querolus entnommen, nachge-
wiesen von L. Havet, Revue crit. 1878, I, 197 (NA. IV, 210).
2) Mitgetheilt von C. Cipolla, Mem. Acad. Taurin. 2 Ser. 42. Bd. s.
NA. XVII, 450.
3) Hist. patr. Mon. XIII. C. D. Langobardiae p. 1442—1445. Arch.
stör. Lomb. 1880, fasc. 26, p. 252—254.
4) Die von Prutz über Radewin, S. 48, vermifsten Stellen sind Anta-
pod. I, 37 u. III, 14.
5) Nach Lindner, Forsch. XXI, 90. 9J,
428 III. Ottoncn. § 12. Italien. Liudprand.
gefüllt sind. Diese Hand konnte nach der Ansicht von Pertz nur
die Hand des Autors sein, und von derselben ist die Historia Otto-
nis vollständig geschrieben. Diese Meinung war allgemein angenom-
men und galt für unzweifelhaft, bis R. Koehler im NA. VIII, S. 47
bis 89, vollkommen schlagend und überzeugend nachwies, dafs sie
durchaus unhaltbar sei. Es kommen Fehler und Versehen vor,
welche ganz unmöglich von dem Verfasser selbst herrühren können.
Da nun Koehler in Metz Excerpte griechischer Stellen aus Liudprand
gefunden hatte, welche auf ein correcteres Exemplar zurückgehen,
und eine Beschäftigung mit dieser Schrift im zehnten Jahrhundert
beweisen, so hat er daran die schon oben S. 373 angeführte Ver-
muthung geknüpft, dafs Bischof Dietrich den Nachlafs Liudprands
gerettet und die Abschrift besorgt haben möge. Nach seiner Mei-
nung wäre auch die Umschrift der griechischen Worte nach der
Aussprache mit lateinischen Buchstaben erst hier hinzugefügt, allein
dieselbe findet sich auch in der aus anderer Quelle stammenden
Berliner Handschrift. Die Manuscripte werden schon etwas beschä-
digt gewesen sein, und dadurch erklärt es sich, dafs sowohl der
Legatio wie der Historia Ottonis der Schlufs fehlt, in beiden Fällen
aber nur ein kleines Stück.
Es ist selbstverständlich, dafs nun eine neue Ausgabe ein drin-
gendes Bedürfnifs ist; die ganze Grundlage der Kritik ist verändert,
und wenn schon früher einzelne Verbesserungen nicht zu umgehen
waren, so werden nun überhaupt die oft viel besseren Lesarten
anderer Handschriften nicht mehr als willkürliche Correcturen eines
Ueberarbeiters betrachtet werden können. Eine Anzahl einleuchten-
der Emendationen hat schon R. Koehler vorgeschlagen, viel mehr
aber bleiben noch übrig. Doch wird es immer schwer sein, die
ursprüngliche Form und alte Emendationen zu unterscheiden1).
Für die Zeit des Königs Hugo nicht ohne Bedeutung ist das
Buch von den Wundern des h. Columban2). Der König Hugo
verlieh nämlich um das Jahr 930 die Abtei Bobio seinem Kanzler
Gerlannus, aber alle Stiftsgüter waren von räuberischen Machthabern
in Besitz genommen. Unfähig, ihrer Herr zu werden, rief Gerlan
den Heiligen selbst zu Hülfe und brachte ihn in feierlichem Aufzuge
nach Pavia: er liefs sein Kloster nicht im Stich und that die ge-
1) Die aus der Ashburnhamschen Bibl. nach Florenz gekommene Hs.
ist eine Abschrift der Freising-Münchener nach Holder-Egger, NA. XI, 260.
264. Von der mit der Classe 5 verwandten Berliner Hs. 1 Seite in Arndts
Schrifttafeln 23; 2. A. 24.
2) Mab. II, 40—55. Rosetti, Bobbio illustrato III, 149—181. Verse
aus B. ohne geschichtl. Inhalt NA. V, 623.
Miracula S. Columbani. Rom. 429
wünschten Wunder. Da entfiel den Räubern der Muth und sie
steckten die Stäbchen (fustes), welche symbolisch den Verzicht be-
deuteter], in die Pilgertasche (pera) des Heiligen, der nun im Triumph
wieder nach seiner Ruhestätte gebracht wurde. Von Dauer ist frei-
lich auch die "Wirkung dieses Auftrittes nicht gewesen.
§ 13. Italien. Chroniken.
Bei manchen Schwächen bewies doch Liudprand einen tüchtigen
und auf das wahre Beste des Landes gerichteten Sinn, indem er
sich mit aller Entschiedenheit dem Manne anschlofs, von welchem
allein die Herstellung eines geordneten Zustandes in Italien sowohl
wie in der römischen Kirche zu hoffen war. In höchst merkwür-
diger Weise spricht sich das Verlangen nach der alten kaiserlichen
Gewalt, wie Karl der Grofse und seine nächsten Nachfolger sie geübt
hatten, auch in einer kleinen Schrift aus, welche in Sant Andrea
um die Mitte des zehnten Jahrhunderts verfafst zu sein scheint, ehe
noch Otto eine neue Ordnung der Dinge begründet hatte1). Er-
zählt wird darin von der alten guten Zeit, wo noch der Kaiser oder
sein Stellvertreter in Rom die übermüthigen Grofsen im Zaum hielt
und jedem zu seinem Rechte verhalf, wo man sogar gegen Verwandte
des Pabstes Recht bekommen konnte. Ueber die älteren Zeiten ist
der Verfasser schlecht unterrichtet, aber die Verhältnisse unter den
Karolingern schildert er, als ob er sie genau kennte, mit eindring-
licher Einfachheit bis zu dem unglücklichen Moment, wo, wie er es
darstellt, durch Karls des Kahlen Usurpation die kaiserliche Auto-
rität in Rom dahin gegeben wurde. Allein diese Preisgebung hat,
wie F. Hirsch nachgewiesen hat, gar nicht stattgefunden, und der
Verfasser malt sich die alte Zeit nur nach seinen Wünschen aus.
Ueber die Ottonischen Einrichtungen in Rom belehrt uns eine
Schrift, welche unter Otto III entstanden ist und mit einer Be-
schreibung von Rom Nachrichten über die damalige Verfassung ver-
bindet2). Auf ein schon von Bethmann im Arch. IX, 623 mitge-
*) De imperatoria potestate in vrbe Roma, MG. SS. III, 719 — 722. Vgl.
Wilmans in Ranke's Jahrbüchern II, 2, 235. Giesebr. I, 344. 782. Be-
nutzung bei Bened. de S. Andrea u. in dem mit Unrecht bezweifelten Priv.
Otto's III für Silvester II ist erwiesen in dem Aufsatz von J. Jung, Forsch.
XIV, 409 — 456, dessen Ansichten aber in manchen Stücken angegriffen und
widerlegt sind von F. Hirsch, Forsch. XX, 127 — 164. Derselbe rechtfer-
tigt HZ. LVII, S. 258-261, seine Kritik gegen A. Gasquet: Jean VIII et
la fin de l'empire Carolingien, 1886. — Benutzung bei Ekkehard nachge-
wiesen von B. Simson, Forsch. XXV, 374.
2) Graphia aureae urbis Romae hei Ozanam, Documents inedits p. 155
430 III. Ottoncn. § 13. Italien. Chroniken.
theiltes, aber ganz übersehenes Fragment aus Ivrea hat L. Weiland
aufmerksam gemacht1); es bezieht sich auf die Usurpation des Franco
(Bonif. VII) und dessen Bekämpfung durch den 974 von Otto II
abgesandten Grafen Sicco, sowie die Yerdrängung Benedicts VII
durch ihn im J. 980.
Die eifrig kaiserliche Gesinnung der lombardischen Bischöfe,
welche durch die kirchenfeindlichen Angriffe Arduins von Ivrea zu
gröfster Lebhaftigkeit angefacht wurde, spricht sich in zwei rhyth-
mischen Gedichten aus, welche aus der Umgebung des Bischofs
Leo von Vercelli (999 — 1026) stammen, eines auf Otto III und
den durch ihn erhobenen Pabst Gregor V, das andere eine Klage
um Otto's III frühen Tod2), nebst der Verherrlichung seines Nach-
folgers Heinrichs II, von dem die Niederwerfung Arduins erhofft
wird3).
Während es also in Italien durchaus nicht an Männern fehlte,
welche leidlich zu schreiben verstanden, verfafste um das Jahr 968
ein Mönch des Klosters St. Andrea am Berg Soracte4), Benedict,
eine Chronik, welche an Rohheit der Gedanken wie der Sprache
unübertroffen ist5). Wäre die Ausführung nicht gar zu ungeschickt,
so könnte man in dem Versuche, eine Weltgeschichte seit Christi
bis 183; gehört auch die Beschreibung in der vorliegenden Form dem
12. Jahrhundert, so pafst doch der zweite Theil nur in die Zeit Otto's III
nach Giesebr. I, 866. Ueber die Fortsetzung der Pabstgeschichte ib. p. 782.
Watterich I, p. XIV — XXIII. Wunderliches Gedicht aus Rom zu Marie
Himmelfahrt viell. 999 Sancta Maria quid est bei Gies. I, 890.
1) Nachrichten von d. k. Ges. d. Wiss. in Gott. 1885, S. 69—72, mit
Zuziehung von Benedicts VII Epitaph bei Baronius a. 984, Watterich I, 86.
2) Hs. in Halle, NA. VIII, 383.
3) Es genügt jetzt, die kritische Ausgabe Dümmlers anzuführen, An-
selm der Peripatetiker S. 72 — 82. Brief des Bischofs Leo von Vercelli an
Heinrich II nach Arduins Tod, Forsch. VIII, 387. Excommunication des
Grafen Ubert Forsch. XIII, 600-602. Vgl. S. Löwenfeld: Leo von Ver-
celli, Gott. Diss. 1877. Ueber die Zeitbestimmung zweier Briefe von ihm,
Schnürer, Piligrim v. Cöln, Diss. Monast. 1883. Hinzuweisen ist auch auf
die Schriften seines Vorgängers Atto von 924 bis c. 960 (Opera ed. Bu-
rontius, Verc. 1768 f.) vorzüglich de pressuris ecclesiasticis II, 322 — 352.
Gott. Diss. über ihn von J. Schultz 1886, vgl. NA. XI, 641.
4) S. Andrea in flumine, in der Ebene, nach Tomasetti, Arch. Rom.
VII, 382.
5) Chron. Benedicti de S. Andrea, entdeckt von Pertz und zuerst ge-
druckt MG. SS. III, 695 — 722 mit Weglassung des Anfanges; vgl. Archiv
V, 146, X, 381, Giesebr. I, 782. Auszüge daraus bei O. Abel, Paulus Dia-
conus S. 203; Wattenbach, Der Mönch von St. Gallen S. 98. Benutzt von
Martinus Pol. nach Weiland, Arch. XII, 33. Die Hs., welche Pertz für
sein Autograph hielt, ist in schöner regelmässiger Bücherschrift geschrieben,
2 S. facs. bei Ern. Monaci, Arch. paleogr. Ital. II, t. 3. Das im Chron.
S. 697 enthaltene Epigramm des Pabstes Damasus wird emendirt von de
Rossi, Bull, di Archeol. Christ. IV, 3, 1, S. 30.
Benedict von St. Andrea. Chron. Salernitanum. 431
Geburt zusammenzustellen, einen Fortschritt erkennen, aber es ist
nur eine Compilation der dürftigsten Art. Wie wenig geschicht-
lichen Sinn der Verfasser besafs, zeigt sich auch darin, dafs er zu-
erst die Sage von Karls Zug nach dem Morgenlande aufnahm;
mitten zwischen Stellen aus Einhards Werken schiebt er sie ein,
ohne einen Widerspruch darin zu gewahren. Im Mittelpunkt aller
Dinge und Begebenheiten steht ihm einzig sein Kloster; zu allen
weifs er es in Beziehung zu bringen. Gegen die fremden Herr-
scher, welcher nach Italien kommen, ist er sehr aufgebracht, worin
Maurenbrecher seinen Patriotismus erkennt, während J. Jung (Forsch.
XIV, 426) vielmehr seinen klerikalen Standpunkt darin findet: er
begeistert sich für den Pabstkönig, und ist deshalb auch gegen Al-
berich sehr eingenommen. Ueber seine eigene Zeit, über Alberich
und die Stadtgeschichte von Rom gewährt übrigens Benedict bei
dem Mangel an anderen Quellen wichtige Aufschlüsse, welche man
aus seiner verworrenen und aller Grammatik hohnsprechenden
Schreibart mit Vorsicht und Mühe zu entnehmen hat.
Einen eigenthümlichen inneren Gegensatz zeigt uns die um die-
selbe Zeit geschriebene Chronik eines Salernitaners bis zum
Jahre 974 1). Der Verfasser hat nämlich seinen grammatischen
Cursus durchgemacht, er ist sehr stolz auf seine gelehrte Bildung
und giebt zuweilen wunderlich spitzfindige sprachliche Untersuchun-
gen zum besten. Auch kann er ziemlich fehlerfrei schreiben, wenn
er sich Mühe giebt; dazwischen aber kommen wieder Stellen, wo er
alle seine Gelehrsamkeit vergifst und mit allen Flexionsformen ein
leichtsinniges Spiel treibt. Zum Geschichtschreiber war er wohl
etwas besser befähigt als Benedict, aber auf einen hohen Standpunkt
hat auch er keinen Anspruch. Er knüpft an Paulus Geschichte der
Langobarden an und erzählt nun weiter von den langobardischen
Fürstenthümern in Unteritalien, was ihm gerade einfällt, ohne viel
Ordnung und ohne alle Kritik; Erchempert hat er, wie Dümmler
bemerkt, stark benutzt und was er aus eigener Kunde hinzufügt,
hat keinen grossen Werth. Trauen darf man ihm nicht viel, aber
seine lebendig vorgetragenen, oft ganz novellenartigen Erzählungen
geben doch einen erwünschten Einblick in das Leben und Treiben
l) Chron. Salernitanum ed. Pertz, MG. SS. III, 467—571 (S. 548 de mar-
tyrio S. Procopii ex cod. Bamb. Wiederholt SS. Langob. p. 457. Die Ke-
gententafeln am Anfang ib. p. 491; bei Caravita II, 36 e cod. Cas. 269). —
Bruchstücke übersetzt in Abels Paulus Diaconus S. 192 — 202. Zu ver-
gleichen ist: Schipa, Storia del principato longob. di Salerno, Nap. 1887.
Einige Einwendungen von F. Hirsch, Hz. LX1, S. 188.
432 HI. Ottonen. § 13. Italien. Chroniken.
jener Länder, und für die Geschichte Unteritaliens sind wir oft
allein auf seine Nachrichten angewiesen.
Ungleich besser als diese Schriften ist die Chronik Venedig 's
von dem Diaconus Johannes, dem Caplan und vielleicht Verwandten
des Dogen Peters II Urseolus (991 — 1009), der wiederholt als Ge-
sandter an Otto III und Heinrich II geschickt wurde1). Seine
Sprache ist die eines Geschäftsmannes, ungeschmückt, auch nicht
frei von Verstössen gegen die Regeln der Grammatik, aber leicht
verständlich und dem Gegenstande angemessen ; seine venetianischen
Provinzialismen sind in einer solchen Schrift für seine Landsleute
ganz an ihrem Platze und unendlich viel angenehmer, als die un-
geschickten Phrasen der halbgelehrten Mönche. Im Anfang auf
Paulus Diaconus und Legenden gestützt und begreiflicher Weise
mangelhaft, führt er seine Geschichte fort bis 1008; sie gewinnt an
Reichthum des Inhalts mit dem Fortschritt der Erzählung und wird
besonders wichtig, wo er von den Berührungen mit den Kaisern
berichtet, bei denen er selbst betheiligt war Die treffliche Regie-
rung des Dogen Peters II bildet den Hauptgegenstand seiner Dar-
stellung. Ueberhaupt erkennt man hier gleich, dafs der Verfasser
das Leben nicht nur aus der Ferne sah, sondern selbst mitten darin
stand.
In dem älteren Theile dieser Chronik herrscht eine grofse Ver-
wirrung. Ueber diese Vorgeschichte von Venedig vor der Wahl
des ersten Dogen und die Chronologie der nächsten zwei Jahrhun-
derte hat Andreas Dandolo in seinen Annalen bessere Nachrichten;
es scheint ihm ein altes Dogenverzeichnifs vorgelegen zu haben, mit
den kurzen Charakteristiken der ersten Dogen, welche bei Johannes
fehlen.
a) Johannis diaconi Chron. Venetum et Gradense ed. Pertz, MG. SS. VII,
4—38. Vgl. Giesebr. I, 790; Kohlschütter, Venedig unter Peter II (Goett.
Diss. 1868) S. 61 — 65 gegen. die von Pertz angenommene successive gleich-
zeitige Abfassung; auch gegen die Annahme, dafs das Chron. Grad, von
demselben Verfasser sei. Zustimmend Henry Simonsfeld: Andreas Dan-
dolo u. seine Geschichtswerke (München 1876) S. 56 — 79. Monticolo, La
cronaca del diacono Giovannino e la storia politica di Venezia sino al
1099, Pistoja 1882, 4. Früher nannte man diese Chronik das Chron. Sa-
gornini. Ein merkwürdiger Brief des Dogen von Venedig an Heinrich I
bei Dümmler, Gesta Berengarii S. 157. — Chronica patriarcharum Graden-
sium bis 1049, ed. Waitz, SS. Langob. p. 392 — 397, als die ursprüngliche
Fassung, e cod. Barberin. XI, 145. Vgl. auch G. Monticolo im Arch. Ve-
net. XV, 1 ff. Derselbe: I manoscritti e le fonti della cronaca del diac.
Giovanni, Bull. delP Instituto stör. Italiano, N. 9, S. 37—327. Von dems.
die Ausgabe: Fonti per la storia d'Italia IX. Cronache Veneziane anti-
chissime, 1890; vgl. NA. XVI, 210; Simonsfeld HZ. LXVII, 360—365.
Chron. Venetum et Gradense. 433
Sehr alte Elemente sind ferner in den ersten Büchern des sog.
Chronicon Altinate1), die mit ihrer höchst barbarischen Sprache nach
Simonsfeld schon im Anfang des 10. Jahrhunderts zusammengestellt,
später mit Zusätzen vermengt und bis ins 13. Jahrhundert fortgeführt
sind; die ursprüngliche Form bleibt häufig zweifelhaft. Das zweite
Buch desselben nach der Dresdener Handschrift ist nach Simonsfeld
im ersten Theil des Chronicon Gradense im Cod. Urbinas über-
arbeitet2). Derselbe hat werthvolle Venetianische Annalen des
11. und 12. Jahrhunderts zuerst veröffentlicht 3) und das Verhältnifs
aller dieser und anderer Quellen zu den Annalen des Andreas Dan-
dolo, des Dogen von 1343 — 1354, (bis 1280) so wie die sehr ver-
wickelten Fragen über die handschriftliche Ueberlieferung der Werke
desselben genau untersucht.
Wenig erfreulich ist die historische Thätigkeit im Kloster No-
nantula; dem Inhalt nach in frühe Zeit hinaufreichend, hat sie
uns doch wesentlich nur spätere Aufzeichnungen verwirrter und
fabelreicher Tradition hinterlassen. Ein Leben des ersten Abtes
Anselm4) (f 803) mit der Gründungsgeschichte aus der Zeit des
Königs Aistulf, aber erst im Anfang des elften Jahrhunderts mit
viel chronologischer Verwirrung und wenig Inhalt geschrieben, und
Translationsgeschichten des h. Silvester; dann will ihr Glück, dafs
der Pabst Adrian III 885 in der Nähe des Klosters stirbt und bei
ihnen begraben wird. Bald wird er als Heiliger verehrt und thut
Wunder; eine Ueberlieferung davon erhält sich mündlich oder schrift-
lich, aber weiter weifs man nichts von ihm, und da man doch eine
Legende von ihm haben will, wird im ausgehenden elften Jahrhun-
dert der Zeitgenosse Karls des Grofsen Adrian I mit ihm zu einer
Person verarbeitet. Da hatte man Stoff genug, und nahm zu Ein-
hard u. a. noch den über diurnus, von dem vielleicht bei jener
!) Ausg. vom Abb. Antonio Rossi im Archivio stör. Ital. VIII, u. nach
der besseren Dresd. Hds. im Appendice, Tomo V, 1847; jetzt als Chron.
Venetum vulgo Altinate v. Simonsfeld, MG. SS. XIV, 1 — 97, nach-=4, sehr
von einander abweichenden Handschriften. Eine in Hss. damit verbundene
sagenhafte Darstellung der Troj. rÖm. Gesch. ed. Simonsfeld, NA. XI,
239—251. Ders. gegen Phantastereien des Dott. Rob. Galli im Arch. Ven.
XXXV, parte 1 (1888).
2) Ueber die verschiedenen Bestandtheile, aus welchen dieses und
auch schon das Chron. Altinate in dem betr. Abschnitt zusammengesetzt
ist, handelt G. Waitz, NA. II, 375—381.
3) NA. I, 397—410; vgl.' Dand. S. 90-96. Sie sind wiederholt im
Arch. Ven. XII mit Abh. von R. Fulin; MG. SS. XIV, 70.
4) Vita Anselmi, SS. Langob. p. 56ß— 570. Mit allen übrigen Stücken
gedruckt bei Bortolotti, Vita di S. Anselmo abb. di Nonantula, con appen-
dici ed illustrazioni e tavole 3, Modena 1892.
Wattenbach, Geschichtsquellcn I. 6. Aull. 28
434
III. Ottonen. § 14. Italien. Biographieen.
Gelegenheit ein Exemplar im Kloster geblieben war, und so kam
das Monstrum zu Stande, welches noch nie gedruckt, aber in durch
Mabillon bekannt gewordenen Auszügen zu gläubig angenommen ist
und Schaden angerichtet hat1). Dann um 911 die Translatio
SS. Senesii et Theopompi aus Treviso, welche unter der Königin
Adalheid gegen die Pest nach Pavia gebracht wurden, aber erst
unter Abt Rudolf (1002 — 1035) geschrieben; eine Abtreihe bis 933
und eine zweite mit einigen geschichtlichen Nachrichten bis auf den-
selben Rudolf2), unter dem durch Erzbischof Aribert die Mönchs-
regel wieder hergestellt wurde. Damit beginnt denn auch erst die
Zeit, aus welcher schriftliche Aufzeichnungen uns erhalten sind.
§. 14. Italien. Biographieen.
Gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts verschwindet in
Italien jene Barbarei, welche hier weit greller als in den anderen
Theilen des karolingischen Reiches hervorgetreten war. Die bessere
Ordnung der politischen und kirchlichen Verhältnisse macht sich
auch hier fühlbar. Auf Veranlassung des Kaisers Otto II schrieb
ein Bischof Gumpold von Mantua, von dem sonst wenig bekannt
ist, ein Leben des böhmischen Herzogs und Märtyrers Wenceslaus
(f 935). Er stand indessen der Zeit wie den Ereignissen zu fern,
um viel davon zu wissen, und suchte die Dürftigkeit des Inhalts
durch schwülstige Phrasen zu verdecken. Hochtrabende sallustische
Ausdrücke paaren sich bei ihm in widerlicher Mischung mit der
kirchlichen Phraseologie. Im Prolog werden auf solche Weise die
Bestrebungen der Menschen geschildert und dabei die freien Künste
mit Umschreibungen bezeichnet, welche Büdinger ohne Grund auf
Gerberts Disputation mit Otrich bezogen hat3). Es ist deshalb
auch nicht nöthig, die Entstehung der Schrift nach Errichtung des
Prager Bisthums anzunehmen, von welcher Gumpold noch nichts
weifs und von der man doch kaum annehmen kann, dafs er sie,
1) S. Th. v. Sickel, Die Vita Hadriani Nonantulana und die Diurnus-
Hs. V. im NA. XVIII, 107-133.
2) SS. Langob. p. 571—573 als Nomina abbatum Nonantul., sonst Chro-
nicon Nonantulanum genannt. Bischof Joh. von Arezzo schenkte an Non.
um 876 ein prächtiges Sacramentar, Delisle, Sacram. p. 128. — Unbedeu-
tend und fabelhaft ist das Leben des Johannes, ersten Abtes des von
Sigifrid II gestifteten Klosters zu Parma, der um 990 starb, erst gegen 1050
nach mündlicher Ueberlieferung verfafst, Mab. V, 715 — 724.
3) Diese, wie mir scheint, allein richtige Deutung jener Stelle verdanke
ich freundlicher Mittheilung von Jaffe.
Vita Wenceslai, Adalberti. 435
wenn er später schrieb, nicht sollte erfahren oder berücksichtigt
haben1).
Ein zweites Leben desselben Märtyrers schrieb später im elften
Jahrhundert, doch unabhängig von Gumpold, Laurentius, ein Mönch
von Monte Cassino; dieser beruft sich auf die Erzählungen eines
Landsmannes des Märtyrers und mag durch diesen Kunde erhalten
haben von einer schon früher in Böhmen und vielleicht in slavischer
Sprache verfafsten Legende, auf die wir später noch einmal zurück-
kommen werden2).
Eine bedeutende Einwirkung übte auf Italien die damals auch
hier eindringende streng mönchische Askese, welche theils von Cluny
aus über die Alpen sich verbreitete, theils unabhängig davon und
in anderer Gestalt in Italien selbst aufkam. Zu den Hauptträgern
dieser Richtung gehört der griechische Calabrese Nilus, der durch
seine aufs äufserste getriebene Yerachtung alles Irdischen einen so
grofsen Eindruck auf Otto III machte. Sein Leben ist von einem
Landsmanne in grieschischer Sprache geschrieben und enthält einige
werthvolle Nachrichten, vorzüglich aber viele anziehende Einzelheiten
zur Culturgeschichte Italiens3).
Von demselben Geiste erfüllt, aber ungleich wichtiger für die
deutsche Geschichte, ist das Leben des heiligen Adalbert, des
Bischofs von Prag und Apostels der Preufsen (f 997), auf den
Wunsch seines schwärmerischen Freundes, des Kaisers Otto's III,
verfafst von Johannes Canaparius, dem Abte des Alexiusklosters
in Rom, in welchem Adalbert sich eine Zeit lang aufgehalten hatte4).
*) Gumpoldi Vita Vencezlavi ducis, von Pertz entdeckt und herausge-
geben MG. SS. IV, 211—223; wiederholt Migne CXXXV; Fontes Rer. Boh.
(Pragae 1872) I, 146—166. Vgl. Büdinger, Zur Kritik altböhmischer Ge-
schichte, Wien 1857. Besonders abgedruckt aus der Zeitschr. f. österr.
Gymnasien 1857. Heft VII. Hierin ist Gumpolds Existenz urkundlich
nachgewiesen. Ueber die verschiedenen späteren Legenden vgl. Friedjung,
Kaiser Karl IV und sein Antheil am geistigen Leben seiner Zeit (Wien 1876)
S. 150—161.
2) Auszugsweise mitgetheilt von Pertz, Archiv V, 137 — 143; vollstän-
dig von Dudik, Iter Romanum I, 304—318, Fontes Boh. 167—182. Die
Legende Crescente fide bei Dudik, S. 319—326, Fontes 183—190. Ueber
die wenig glaubwürdigen Legenden von Wenzels Mutter Ludmila s. die
Vorrede von Holder-Egger zu der Ausgabe der ältesten, die jedoch auch
erst aus dem 12. Jh. ist, während diejenige, welche bisher für die älteste
galt, nur ein Theil von dem bezüglichen Werk des Pseudo-Christann ist,
MG. SS. XV, 1, 572.
3) Acta SS. Sept. VII, 336. Auszüge MG. SS. IV, 615—618. Giese-
brecht I, 788.
4) Johannis Canaparü Vita S. Adalberti ed. Pertz, MG. SS. IV, 581 bis
595. Ausg. von AI. Batowski bei Bielowski S. 157 — 183 mit Varianten
einer Handschrift aus Kielce. Uebersetzt von Hüffer 1857; 2. A. 1891.
8T. MICHAELA
436 HI- Ottonen. § 14. Italien. Biographieen.
Der Verfasser hat Adalbert selbst nahe gestanden, benutzte auch
einen Aufsatz des Domprobsts Willico von Prag, und schreibt da-
her aus voller Kenntnifs des Gegenstandes und mit grofser Wärme,
in reiner, wenn auch von biblischen Phrasen erfüllter Sprache; über
die politischen Verhältnisse, welche der Wirksamkeit Adalberts in
Böhmen im Wege standen, darf man freilich bei ihm keine Auf-
klärung suchen. Die wenig spätere Ueberarbeitung dieses Lebens
von Bruno von Querfurt erwähnten wir schon oben (S. 354). Bruno
gehörte zu dem Kreise jener Asketen, welche in dem Kloster Classe
bei Ravenna lebten, aus deren Mitte der Camaldulenser Orden seinen
Ursprung nahm. Das Leben des Abtes Romuald hat um die
Mitte des elften Jahrhunderts der Hauptvertreter dieser Richtung,
Petrus Damiani, geschrieben; aus den salbungsvollen Sentenzen
lassen sich einige geschichtliche Nachrichten auslesen, welche in den
Mon. Germ. SS. IV, 846—854 mitgetheilt sind.
Geschichtsehr. 34 (X, 7). Vgl. oben S. 354 u. den böhmischen Landtags-
schlufs von 992 in Wattenbach's Beiträgen S. 51 und bei Erben, Regesta
Bohemiae p. 33 ; diesen finde ich nicht berücksichtigt in dem sonst sehr
hervorragenden und scharfsinnigen Aufsatz von Loserth: Der Sturz des
Hauses Slawnik, W. Arch. LXV, 19—54, worin Adalberts Mifserfolg in
Prag zurückgeführt wird auf die Rivalität seines Hauses, eines fürstlichen
chorwatischen, das mit Polen verbündet war, mit den Przemysliden. Die
Miracula S. Adalberti sind neu herausgegeben in den Mon. Pol IV, 221
bis 238, nebst einer neuen Legende.
BEILAGE.
Verzeiclmifs vollständig* oder im Auszug gedruckter
Necrologien.
I. Deutsches Reich.
ERZBISTHUM MAINZ.
Sprengel von Mainz.
Mainz, Dom: Font. III, 141 aus Schannat, Vind. I, 1 — 4; Jaffe, Bibl. III,
721; C. Will im Correspondenzbl. d. Gesammtvereins 1878, N. 8. 9.
nach Abschrift von Bodmann. Fragmente eines jüngeren s. XII. cd.
Schenk von Schweinsberg im Correspondenzblatt 1876 N. 4; dass.
v. März bis Oct. C. Will wie oben. Auszüge aus St. Alban und Marien-
greden Falk im Correspondenzbl. XXI, N. 5; letzteres vollständig
C. Will wie oben. — Dominicaner: Bockenheimer, Beitr. z. Gesch. d. Stadt
Mainz IV. — St. Agnes ord. Cist. : Auszug bei Bodmann, Rheingauer
Alterth. S. 134. 130 Note, sowie F. W.E.Roth, Die Druckerei zu
Eltville u. ihre Erzeugnisse (1886) S. 21 Anm. 2. (Mitth. v. F.W. E. Roth,
dem ich auch einige der folgenden Notizen verdanke.)
Bleidenstadt: Font. III, 152. C. Will: Monumenta Blidenstat. (1874) S. 35
bis 37 Liber confraternitatis ; S. 38 — 42 Necrologium.
Clarenthal bei Wiesbaden: Kremer, Origines Nass. II, 412 — 422.
Eberbach ord. Cist. im Rheingau: in 2 Fassungen s. XVII. XVIII. bei
Roth, Fontes rerum Nass. I, 3, 1 — 9 u. 9—61.
Engelport auf dem Hunsrück: Reisach u. Linde, Archiv f. rhein. Gesch.
(1835) II, 3—94, von Stramberg.
Erfurt, St. Marien: Mone, Anz. 1835 S. 141—146; vgl. Mone's Zeitschr. f.
Gesch. des Oberrheins IV, 253; St. Peter: Schannat, Vind. II, 17:
Dominicaner: A. Zacke über das Todtenbuch des Dominicanerklostcrs
und die Predigerkirche zu Erfurt, 1861. Ein thüringisches unbe-
kannter Herkunft ed. Wregele, Zeitschr. f. thür. Gesch. II, 118; Font.
IV, 457.
438 Necrologien.
Fritzlar, Collegiatkirche : Zts. d. Vereins f. hess. Gesch. N. F. II, Suppl.
Kassel 1863.
Fulda: Diptychon Font. III p. X aus Schannat, Vind. I, 16; Leibn. SS.
III, 761. Ein anderes s. XI : Dümmler, Forsch. XVI, 171—177. An-
nales necrolog. s. oben S. 63. Liebfrauenkloster: Font. IV, 451—455.
Gottesthal, Cist. Nonnen, im Rheingau bei Winkel: Bruchstück in Bod-
manns Rheing. Alterth. S. 177 u. daraus bei Roth, Fontes rerum Nass.
I, 1, 198 n.
Kaufungen: MG. SS. IV, 791. Font. IV, 457.
Lorsch: Adonis Martyrol. ed. Rom. 1745 p. 689 e cod. Vat. Pal. 485, vgl.
Dümmler in d. Zeitschr. f. D. Alt. XVIII, 308; p. 704 e cod. Pal. 499.
Jüngeres bei Schannat, Vind. I, 23 e cod. Wirceburgensi (Würzb.
Archiv). Font. III, 144 nach Schannat und Pal. 499.
Nordhausen, Stift zum h. Kreuz: G. Schmidt in d. Festschrift d. Harzvereins
1870.
Ruppertsberg: Fragm. ed. Sauer, Nass. Ann. XVII, 1.
Schmerlenbach, bei Aschaffenburg: NA. IV, 376.
Seligenstadt: Stillbauer, Necr. u. kurze Chronik der Abtei S. im Programm
d. Realgymn. 1880. Fragm. ed. Falk, NA. XIV, 173.
Bisthum Worms.
Worms : Notizen aus Nonnenmünster bei dem Mon. Kirsgart. ed. Ludewig,
Rell. II, 29; vgl. Falk, NA. XIV, 173.
Rosenthal: Kremer, Origines Nass. II, 422 — 426. Adolf Köllner, Gesch. d.
Herrschaft Kirchheim-Boland u. Stauf (Wiesb. 1854) S. 353—357. In
diese Gegend gehören auch die Notizen aus einem Nonnenkloster über
Wildgrafen und die von Randeck, Bolanden und Stein, bei C. Greith,
Spicil. Vat. p. 96 e cod. Vat. 4763.
Sanct Jacob auf dem Donnersberge, vom Orden St. Paul des Einsiedlers:
Köllner a. a. 0. S. 336—340.
Wimpfen, Petersstift: Schannat, Vind. II, 64, Auszug. Orig. in d. Darmst.
Hofbibl. n. 2297.
Bisthum Speier.
Speier, Dom: Fragment eines älteren, Font. IV, 315. Jüngeres ib. 317.
Stücke daraus gaben Mone, Anz. 1836 S. 98, Remling, Geschichte d.
Bischöfe von Speier I, 413; vollständig v. Reimer, Zeitschr. f. Gesch.
d. Oberrh. XXVI, 414-444.
Lichtenthai: Schannat, Vind. litt. I, 164—172.
Weifseiiburg: Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. XIII, 492 e cod. Weifs.
81. Zwei andere ed. Mooyer im Archiv f. Unterfranken XIII, 3, 3 bis
43. 50—67. Auszüge aus letzteren Font. IV, 310—314.
Neurologien. 439
Bisthum Strafsburg.
Strafsburg: Mone's Anz. 1838 S. 9—21; Font. III p. XV. Die Handschrift
jetzt in Donaueschingen n. 512. Ein anderes ed. Mooyer im Archiv
f. Unterfranken XIII, 8, 69 — 91. Fragm. ed. Koppmann in d. Fest-
gabe f. Archivar Wehrmann, Hamb. 1879. Exe. Font. IV, 309. Das
in Melk verwahrte Memorienbuch hat W. "Wiegand herausgegeben, Zts.
f. Gesch. d. Oberrh. N. F. III. Daraus sind die von Liblin, Revue
d 'Alsace mitgetheilten Auszüge, s. NA. XVII, 242. Memorienbuch des
Frauenhauses v. A. Woltmann, im Repertor. f. Kunstwissenschaft I,
Heft 3 u. 4.
Gengenbach: Baumann, NA. VII, 32.
Honau : Mone, Zeitschr. f. Geschichte des Oberrheins IV, 251.
Bisthum Constanz1).
Constanz: Auszug von J. F. Böhmer im Geschichtsfreund XIII, 231 — 233;
wiederholt Font. IV, 138; vgl. NA. VII, 33. Necrol. I, 282—296.
Dominicanerinnen: Thurg. Beitr. III, 45, vgl. NA. VIII, 438.
Aarau: Hunziker, Das Jahrzeitenbuch der Leutkirche von Aarau, Aarau
1872.
Adelberg : Fragm. Necrol. I, 143.
Beromünster: Herrgott, Geneal. Habsb. III, 850; Geschichtsfreund V, 83
bis 157 ; Necrol. I, 345—356.
Bischofszeil: Necrol. I, 382.
Blaubeuren, NA. VII, 30; Tubingius, Chron. Blaub. in Sattlers Grafen v.
Wirtemberg, 2. Aufl. IV, 281: Necrol. I, 166—170. 659.
Denkendorf: Necrol. I, 172.
Einsiedeln: Grandidier, Hist. d'Alsace, Pieces justif. p. 268; Font. IV, 144,
Herrgott, Geneal. Habsb. III, 833, u. Geschichtsfreund I, 417—419,
420 — 424, nach Tschudi, unbrauchbar, s. NA. VIII, 429; Necrol. I,
358—363.
Engelberg: Geschichtsfreund XXVI, 245—284 von Schneller. Necrol. I,
365-382.
Fahr (Aargau): NA. VIII, 435: Necrol. I, 384.
Feldbach (Thurgau): Freiberger Diöc. Arch. VII, 292; Necrol. I, 389—397.
Fraubrunnen: Schweizerischer Geschichtsforscher XI, 313 — 319; Mohr, Re-
gesten d. Eidgenoss. II, 105: Necrol. I, 405—420.
Frauenthal: Necrol. I, 421.
Freiburg im Breisgau, Franciscaner: NA. VIII, 444.
Geifs, Pfarrkirche, Canton Luzern: Geschichtsfreund XXII, 209—220.
Günthersthal: Necrol. I, 296—309.
') Die Neurologien von Constanz, Cur u. Augsburg hat L. Baumann, MG.Necro-
logia Germ. I (1888), herausgegeben, jedoch abgekürzt und nach 1300 nur im Auszug,
so dafs für Localgeschichte die besonderen Ausgaben ihren Werth behalten.
440 Necrologien.
Hermetschwil: Quellen z. Schweiz. Gesch. III, 3, 134 — 166; Necrol. I,
423—439.
Hitzkirch: Geschichtsfreund XI, 92—104; Necrol. I, 440.
Höfen: Hefs, Monumenta Guelf. p. 159—164; Necrol. I, 173—176.
Isny: NA. VII, 35; Necrol. I, 177-179.
Kempten: Necrol. I, 171.
Königsfelden: Argovia V, 52, v. Th. v. Liebenau; Necrol. I, 357.
Lindau: Zts. f. Schwaben u. Neuburg IV, 97, ed. Primbs; Necrol. I,
179—197.
Loewenthal, Dominicanerinnen: Sambeth im Verein f. Gesch. d. Bodensees,
Heft 15. Auszug; Necrol. I, 197—201.
Luzern, Benedictiner: Geschichtsfreund IV, 219 — 245; Chorherren: ib. 245
bis 258; vgl. NA. VIII, 430.
Magdenau: Necrol. I, 445—454.
Marchthal, s. NA. VII, 25; Necrol. I, 201.
Maria-Hof: Anniversarienbuch des Klosters Maria-Hof bei Neidingen, ed.
Fickler, Schulprogr. von Donaueschingen 1845, 1846, sehr fehlerhaft;
Necrol. I, 309—314.
Mehrerau bei Bregenz: von Jos. Bergmann in den Denkschriften der "Wiener
Akademie V, 1—72; Necrol. I, 145—152.
Muri: Herrgott, Geneal. Habsb. III, 839, ohne Werth, s. NA. VIII, 434;
Necrol. I, 455.
Petershausen: Necrol. I, 315—323. 664—678.
Reichenau: Aeltestes (von Keller übersehen) ex cod. Vindob. Gerbert, Mon.
vet. Liturgiae I, 482—492, vgl. Denis I, 3030; Exe. Font. IV, 140;
Saec. IX. faesim. v. F. Keller, Mittheilungen der Antiquar. Ges. in
Zürich (1848) VI, 2. Exe. Font. IV, 141—144. Herrgott, Geneal.
Habsb. III, 831, aus dem Verbrüderungsbuch; Necrol. I, 271 — 282.
Rheinau: Quellen z. Schweiz. Gesch. III, 2, 72—76; Necrol. I, 456—461.
Roth in Oberschwaben: Stadelhofer, Hist. Rothensis (Aug. 1787) S. 5—6.
12—16. 22-24. 27—29. 55, Auszüge; Necrol. I, 202.
Salem: Necrol. I, 323.
Sanct Blasien: Fragment in Endlichers Codd. philol. p. 134, vgl. Büdinger
in den Wiener Sylvesterspenden 1858, und dazu Mooyer im Anz. d.
Germ. Mus. 1860 Sp. 353, 1861 Sp. 113. Dasselbe Font. IV, 148.
Mone, Quellens. III, 609 — 619 mit den Verbrüderungen. Necrol. I,
323. — Bernolds von St. Blasien Necrolog MG. SS. V, 391; Necrol. I,
657.
Sanct Gallen: Sanctgaller Todtenbuch und Verbrüderungen, herausgegeben
von E. Dümmler u. H. Wartmann (Mittheilungen zur vaterl. Gesch. XI.
St. Gallen 1869). Ueber die Mittheilungen einzelner nekrol. Notizen
s. NA. VIII, 440; Necrol. I, 462—487.
Sanct Georgen im Schwarzwald: NA. VII, 29.
Sanct Peter bei Freiburg: Baumann im Freib. Diöc. Arch. XIV (1881)
S. 63-96; Necrol. I, 334-338.
Neurologien. 441
Sanct Urban: Geschichtsfreund XVI, 1; Necrol. I, 497.
Schachdorf, Canton Uri: Geschichtsfreund III, 160 — 169.
Schaffhausen, Allerheiligen: Mone, Quellens. III, 620, vgl. NA. VII, 36.
Necrol. I, 498—502; Francisc. ib. 502— 511.
Schönenwerd (Solothurn): Urkundio I, 79.
Schussenried: Necrol. I, 205.
Schwarzenbach, Canton Luzern: Geschichtsfreund III, 195 — 209.
Seedorf (Uri): Geschichtsfr. XII, 54, gefälscht, s. NA. VIII, 431; Necrol.
I, 511—521.
Sindelfingen: Haug, Chron. Sindelfing. p. 6 — 11; Necrol. I, 209—212.
Sion bei Klingnau: Necrol. I, 521—526.
Steinen, Canton Schwyz: Geschichtsfr. XXIX, 361 — 364.
Stetten bei Hechingen: Locher, Mitth. f. d. Gesch. in Hohenzoll. XIX; Ne-
crol. I, 212.
Tennenbach im Breisgau: Necrol. I, 338 — 342.
Thännikon: Geschichtsfreund III, 116-128; Necrol. I, 527—533.
Tobel: Pupikofer, Geschichte des Thurgaues I.Beil. S. 36— 40; Necrol. I,
537—547.
Tuggen, Dorf: Geschichtsfreund XXV.
Urspring bei Blaubeuern: Necrol. I, 214.
Wald bei Sigmaringen: Necrol. I, 218.
WeiDgarten: Hefs, Monumenta Guelfica p. 133; Necrol. I, 221—238.
Weifscnau: Mone's Zeitschr. VIII, 317—326; vgl. Mooyer ib. IX, 65-76;
vgl. NA. VII, 35; Necrol. I, 153—165.
Wettingen: Herrgott, Geneal. Habsb. III, 839; Necrol. I, 588—600.
Wiblingen: Necrol. I, 238.
Willisau, Pfarrkirche: Geschichtsfr. XXIX, 166—253.
Wurmsbach (St. Gallen): Herrgott, Geneal. Habsb. III, 848; Necrol. I, 600.
Zürich, Chorherren: Grünauer in: Aelteste Denkmale der Züricher Litte-
ratur, von M. Büdinger u. E. Grünauer, Zürich 1866. Necrol. I, 547 — 588.
— Frauenmünster, Fragmente: Mitth. der Antiq. Gesellschaft VIII Anm.
S. 12. 13; Necrol. I, 537-547.
Zurzach: Necrol. I, 606.
Zwiefalten: Hefs, Monumenta Guelf. p. 234; vgl. Stalin II, 22, NA. VII. 33:
Necrol. I, 240—268.
Bisthum Cur.
Cur: Denkschriften der Wiener Akademie IV, 193 — 216 von Jos. Bergmann.
Necrologium Curiense d. i. die Jahrzeitbüchcr der Kirche zu Cur. Be-
arbeitet und herausgegeben von W. v. Juvalt. Mit 11 Tafeln Facsimile.
Cur 1867. Ausg. von Baumann, Necrol. I, 619—646.
Marienberg im Vintschgau: Neciol. I, 649 — 653.
Münster in Graubündten: Necrol. I, 648.
Pfäffers: A. Birlinger, L. viv. et defunetorum. Alemannia IX (1881) S. 57
bis 71; Necrol. I, 646—648.
442 Necrologien.
Bisthum Augsburg.
Augsburg, Dom: MB. XXXV, 1, 3— 119; 'Necrol. I, 55—73; von St. Ulrich
und Afra: Braun, Notitia lit. VI, 48—55; Necrol. I, 120—128.
Benedictbeuern: Necrol. I, 3 — 7.
Deggingen: Necrol. I, 73 — 75.
Diefsen: Oefele II, 654. MB. VIII, 300. Notae Diessenses ed. Jaffe, MG.
SS. XVII, 325, vgl. NA. VII, 38; Necrol. I, 7—32.
Donauwörth: Necrol. I, 118.
Ellwangen: Württemb. GQ. II von Giefel; Necrol. I, 75—78.
Fuessen: Necrol. I, 79—87.
Fultenbach: NA. VII, 31; Necrol. I, 87.
Hohenwart: Necrol. I, 33—35.
Irsee bei Kaufbeuern: Necrol. I, 139.
Kaisheim bei Donauwörth: Necrol. I, 88 — 94.
Neresheim: Necrol. I, 95—98.
Niederschönefeld: Oberbayerisches Archiv XXI Heft 3.
Ottobeuern: Hefs, Monumenta Guelfica p. 289; Baumann, Zts. f. Schwaben
u. Neuburg V, 3, 358; Necrol. I, 99—118.
Polling: benutzt in der Succincta Informatio de Mon. Pollingano, Ginzb.
1760; wenige unbrauchbare Trümmer nach Baumann.
Steingaden : Necrol. I, 35.
Thierhaupten : MB. XV, 140—144. Fragment im Anz. d. Germ. Mus. XXII,
8; Necrol. I, 38—41.
Ursberg: Necrol. I, 128—138.
Wessobrunn: Leutner, Historia Wessofontana II, 1 — 14; Necrol. I, 42 — 52.
Bisthum Eichstedt.
Eichstedt: MG. SS. VII, 248.
Bergen bei Neuburg (?): Archiv f. Unterfranken XIV, 1. 154 — 158, Frag-
ment.
Nürnberg, St. Aegidien: Würfel, Diptycha eccl. Egyd. Nur. 1757; St. Ca-
therinen, herausgegeben von Würfel, Altorf 1769; Franciscaner: Oetter,
Hist. Bibliothek II, 35—62.
Bisthum Würzburg.
Würzburg, Dom: saec. IX. Eckhart, Comm. de Orient, Francia I, 830;
Dümmler, Forsch. VI, 115—119; Fragment im Archiv f. Unterfranken
XIV, 1, 131—154, vgl. XV, 2, 371. Corpus Regulae seu Kalendarium
Domus S. Kiliani Wirceburgensis, saecula IX— XIV amplectens. Her-
ausgeg. u. erläutert von F. X. Wegele. Abh. d. Münch. Akad. III. Cl.
XIII. Bd. 3. Abth. 1877. — Liber regulae Haug. ed. Emil Ulrich, Arch.
d. bist. V. f. Unterfr. u. Aschaff. XXX (1886) S. 249—335. — St. Stephan:
Wegele, Zur Litteratur der Fränkischen Necrologien (1864) S. 45—69.
Neurologien. 443
Amorbach: benutzt in Gropps. Hist. Amorb. 1736.
Ansbach: Jung, Miscellanea II, 63.
Brunnbach: J. Kühles, Liber mortuorum monasterii Brunnbacensis, im Ar-
chiv f. Unterfranken u. Aschaffenburg XXI, 1. 2. 1871.
Ebrach: Gropp, Monumenta sepulcralia Ebracensia, 1730, 4.
Hailsbronn: Jung, Miscell. II, 32 — 46. Ausgabe von Kerler im 33. Jahres-
bericht des hist. Vereins für Mittelfranken (1865) S. 124—129. Neue
Ausg. v. Dr. Scheins bei Stillfried, Kloster H. (Berlin 1877) S. 328
bis 394. Sep.-Abdr. bei Scheins: Aus den Archivalien des Klosters
Hailsbronn.
Heidenfeld: Wegele, Zur Litteratur etc. S. 1 — 39.
Mergentheim, Dominicaner: Zeitschrift für das Wirtemb. Franken, Band 5
(1861) von H.Bauer.
Oehringen: Wibel, Hohenlohische Kirchen und Reform. Historie II (1753),
134—162.
Schwarzach: Wegele, Zur Litteratur etc. S. 1 — 39.
Bisthum Bamberg.
Bamberg, Dom: Aeltestes bei Jaffe, Bibl. V, 555: anderes e cod. Vindob.
1845, Font. IV, 507, vgl. Hist. Zeitschr. XX, 428. Domcapitel, bei
Schweitzer: Vollständiger Auszug aus den vorzüglichsten Calendarien
des ehemaligen Fürstenthums Bamberg, im 7. Bericht des hist. Ver-
eins zu Bamberg, 1844. Exe. Font. IV, 505. Jaffe, Bibl. V, 555 bis
560. — Michelsberg, ältestes: Hirsch, Heinr. II. I, 556. Bibl. V, 560
bis 563; jüngeres: Schannat, Vind. II, 47 u. bei Schweitzer; Font. IV,
500—504; Bibl. V, 563—579. — Franciscaner: 36. Bericht d. hist. V
f. 1873, S. 1—83.
Banz, Siebenter Bericht des historischen Vereins zu Bamberg, 1844.
St. Martin in Forchheim und Neunkirchen im Brand, s. den Auszug von
Schweitzer.
Bisthum Prag.
Prag, Mansionarien: Dobner, Mon. III, 299—316; Strahof: Dlabacz, Chro-
nologicum Necrologicum abbatum et canonicorum Sioneorum, Prag
1817; S. Annae: Emier in d. SB. d. k. boehm. G. d. W. 1878.
Glatz: Fragmente, Zts. f. Schles. Gesch. XXI, 381—388.
Hohenfurt: Millauer, Fragmente aus dem Necrologe des Zist.-Stifts Holicn-
furt, Prag 1819.
Krumau, Ciarissen: Höfler SS. Ilussitici II, 78—85 (Fontes Rer. Auslr.
SS. VI).
Opatowitz: Dobner, Mon. Hist. Boh. III, 9—19.
Ostrau: Emier in d. SB. d. k. boehm. G. d. W. 1878.
Podlasitsch: Dudik, Forschungen in Schweden S. 404. vgl. S. 228.
Wittingau: Mitth. d. Vereins f. Gesch. d. Deutschen in Bochmen 1878,
S. 220 ff. v. Loserth.
444 Necrologien.
Bisthum Olmüz.
Olmüz, Domcapitel: Arch. d. W. Ak. LIX, 639—657; LXV, 231—254;
Minoriten: Loserth ib. S. 231— 254.
Hradisch: Dobner, Mon. III, 9—19; vgl. Mein ert, Wiener Jahrb. XLVIII,
Anz. S. 57.
Bisthum Halberstadt.
Halberstadt, Dom: Mooyer in d. N. Mitth. d. thür.-sächs. Vereins VIII, 3,
58; St. Bonifaz: G. Schmidt in d. Zeitschr. d. Harzvereins, VI (1873)
3. u. 4. Heft, aus d. 13. u. 14. Jahrhundert. St. Johannis-Kloster,
Fragment ed. 0. v. Heinemann, Zeitschr. d. Harzvereius II, 2, 1 — 14.
Drübeck: Zeitschrift des Harzvereins III (1870) S. 381—392. 453—487.
Huisburg: Ed. Jacobs, Das Todtenbuch des Kloster Huisburg, in der Zeit-
schrift des Harzvereins V, 1872.
Ilsenburg: Leibn. SS. III, 684.
Quedlinburg: Mooyer in d. N. Mittheilungen VIII, 3, 46. 70. Dahin gehört
vielleicht auch das Fragment S. 83—87.
Wienhusen: Zeitschrift des hist. Vereins f. Niedersachsen 1855 S. 183,
vgl. 371, von H. Boettger.
Bisthum Verden.
Verden: Pratje, Altes und neues aus Bremen u. Verden IX, 263; ed. Hol-
stein, Arch. d. V. f. Gesch. d. Herzogth. Bremen u. Verden zu Stade,
XI (1886) S. 146-192.
Lüneburg, St. Michaelis: Wedekind, Noten III; S. Maria fratrum Minorum :
Gebhardi, Hist. geneal. Abhandlungen IV, 215.
Bisthum Hildesheim.
Hildesheim, Dom: Leibn. SS. I, 763; Vaterl. Archiv f. Niedersachsen (1840)
I, 67. St. Michaelis: Leibn. SS. II, 103; vgl. Mooyer, N. Mitth. VIII,
3, 68; Archiv des hist. Vereins f. Niedersachsen 1842. 1843. Ein
Fragment Arch. VII, 416.
Amelungsborn: Arch. f. Niedersachsen 1877, S. 6 ff. v. Dürre.
Braunschweig, St. Blasien: Fragment bei Wedekind, Noten I, 423; Dürre,
Die beiden ältesten Memorienbücher. Arch. f. Niedersachsen 1884.
Derneburg (nicht Dorstadt): Mooyer im Archiv des histor. Vereins f. Nieder-
sachsen 1849, vgl. 1850 S. 368, 1851 S. 68. Zeitschrift des Harz-
vereins HI (1870), S. 381—392. Nach Dürre ib. VII (1874), S. 178
bis 188 gehört es nach Derneburg; so auch v. Heinemann, Wolfenb.
Hss. II, 14.
Marienberg bei Helmstedt: Zeitschrift des Harzvereins XV, 202—204 von
0. v. Heinemann.
Woeltingerode: Mooyer im Archiv d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1851
S. 48—71.
A4
K
Necrologien. 445
Bisthum Paderborn.
Paderborn, Dom: Zeitschr. f. Gesch. Westfalens X, 115 — 167; vgl. Scheffer-
Boichorst, Annales Patherbrunnenses S. 73 Anm. 1.
Abdinghof: erwähnt von Scheffer-Boichorst 1. c. S. 32.
Geseke: Seibertz, Quellen d. Westphäl. Gesch. III, 298—318.
Neuenheerse (Herisi): Wilmans, Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I,
504, Auszug; Zeitschr. f. Westf. Gesch. XXXVI, 2, 29 ff. von Evelt.
ERZBISTHÜM COELN.
Sprengel von Cöln.
Cöln, Dom: Lacomblet, Archiv f. Gesch. des Niederrheins II, 10—22. Ein
anderes von Mooyer ib. III, 374 ff. Font. III, 342. Nachträge aus
einem dritten bei Ennen u. Eckertz II, 604 — 621. Einige alte Notizen
Forsch. VI, 123, vgl. auch Ecclesiae Colon, codd. (1874) cod. 45
p. 106, cod. 88 p. 125. — St. Gereon: Lacomblet, Arch. III, 112—117;
Grofs, Sanct-Martin: Font. III, 347; vollständig bei Jo. Hub. Kessel,
Monumenta hist. eccl. Col. (1862) 1 — 108, ohne Tageszahlen; Marien-
greden: Lacomblet, Archiv II, 49—65, vgl. NA. XIII, 603—606.; Pan-
taleon: ungedruckt, im Berliner Cod. Boruss. qu. 234: Memorienbuch
des Stifts St. Ursula ed. Dornbusch in d. Annalen d. hist. V. f. den
Niederrhein 28. 29. (1876) S. 49—85. — Im 9. Heft d. Mitth. aus dem
Stadtarchiv von Cöln verzeichnet Korth die dort vorhandenen Necro-
logien aus 21 Stiftern der Stadt; ib. X, 91 wird ein Necr. von St. Cu-
nibert nachgewiesen.
Brühl, Franciscaner: Ann. f. d. Niederrh. XXXIV (1879) S. 105—123, von
Virnich.
Deutz : Lacomblet, Archiv V, 265.
Düsseldorf: Lacomblet, Archiv III, 126—129.
Essen: Archiv f. Geschichte des Niederrheins N. F. I, 63—84.
Gerresheim: Archiv f. Geschichte des Niederrheins N. F. I, 90 — 102.
Gladbach: Font. III, 357. Auszug bei Eckertz und Növer, Gladbach
S. 309. Vollst, von G. Eckertz, Zts. d. Aachener Geschichtsvereins II,
191 ff. u. in bes. Ausgabe.
Grafschaft: Seibertz, Quellen d. Westf. Gesch. III, 422—460.
Kaiserswerth: Lacomblet, Arch. III, 117 — 126.
Kentrop bei Hamm an der Lippe: Archiv f. Geschichte d. Niederrheins
N. F. I, 102-110.
Marienstatt, Cist. auf dem Westerwald: Auszug bei Lotz, Die Baudenkm.
im Reg.-Bez. Wiesbaden (Berlin 1880) S. 315 n.
Rolandswerth: Auszug bei Flofs, Das Kloster Rolandswerth, 1868.
Siegburg: Annalen des hist. Vereins f. d. Niederrhein 1860 S. 221 — 225,
von Eckertz.
446 Necrologien.
Wedinghausen bei Arnsberg: Seibertz, Landes- u. Rechtsgesch. v. West-
falen I, 251—255.
Werden: Leibn. SS. III, 747. Daraus Font. III, 389, vgl. Martene, Coli.
VI, 679. Notizen aus einer Berliner Handschrift Arch. VIII, 842.
Xanten: Binterim und Mooren, Die alte und neue Erzdiöcese Köln I, 375;
Notizen aus einem Necrolog SS. XIII, 43 — 45.
Bisthum Lüttich.
Lüttich: Diptychon Leodiense (Verbrüderungsbuch) ed. Wilthemius, 1659
folio. Schuermans, Le diptyque consulaire de Liege, Bull, des Comm.
roy. d'art et d'archeologie 1884. Fragment d'un obituaire du XII. siecle.
Bull, de Liege IX, 511.
Aachen: Necrologium b. Mariae Virginis Aquensis ed. Quix, 1830, 4. —
Windesheimer Chorherren in Aachen: J. Greving, Zts. d. Aachener
G.V. 1891, S. 61 ff.
Andennes, Chapitre d'Andennes : Analectes pour servir ä l'hist. eccl. de
Belgique XV.
Brogne: Obituaire de l'abb. de Brogne ou de Samt-Gerard, ib. XVIII.
Burtscheid: einige Aebtissinnen bei Roth in Vollmöllers Rom. Forsch.
VI, 494.
Floreffe: Analectes XIII.
Heinsberg: Meyer u. Erhard's Zeitschr. V (1842) 134—200, von Quix. Zts.
d. Aachener G. V. I, 248-286, v. Kessel.
Münsterbilsen : Bulletin de Tlnstitut archeologique Liegeois XII, 1, S. 27.
Namur, La Paix-Notre-Dame: Analectes XVI, 433.
Saint-Trond: Anal. XVI, 313.
Wenau: Zeitschr. d, Aachener Geschichtsvereins IV, 251 — 317, von E. v.
Oidtmann.
Bisthum Utrecht.
Utrecht, Dom: Einige sehr alte Notizen NA. II, 291—293. Matthaeus,
Fundationes et fata ecclesiarum Ultraj. S. 34 (Fragmente, spät).
Todestage einzelner Bischöfe aus einem Liber memor. eccl. maj. bei
Matthaeus de rebus Ultraj ectinis. — St. Peter: Matthaeus, Fundatt.
p. 116; Salvator: ib. 75—108. Neue Ausg. im Archief voor de Gesch.
van het aartsbisdom Utrecht, 11 u. 12 deel (1882, 1883).
Blumenthal (Nova lux) bei Utrecht : Bijdragen en Mededeelingen IX,
222—353.
Egmond: Van den Bergh, Oorkondenbok van Holland I, 332.
Elten: Het necrologium en het tynsboek van het adelyk Jufferenstift te
Hoog-Elten, ed. Kist, Leyden 1853; vgl. über die Gräfin Liutgardis
von Hamaland Holder-Egger, Waitz-Aufsätze S. 658.
Necrologien. 447
Bisthum Münster.
Münster: s. Ficker, Die Münsterischen Chroniken S. XLV. LH. Necrolog
der Fraterherren, Zts. d. hist. V. zu Münster, VI.
Feldwirth (Filwerth) in Friesland: Acta SS. Iul. VII, 178.
Marienfeld: v. Ledebur in Dorows Denkmälern alter Sprache und Kunst
II, 123—232.
Notteln: R. Wilmans in der Zeitschr. f. vaterl. Gesch. (Münster 1857)
VIII, 158.
Vreden : benutzt von F. Tenhagen über die ältesten Aebtissinnen, Zts. f.
Gesch. u. Alt. Westf. XLVIII, 141 ff.
Unbekanntes Nonnenkloster: Bresslau, NA. III, 137, vgl. S. 102 u. 659.
Bisthum Osnabrück.
Osnabrück: Mittheilungen d. hist. Vereins f. Osnabrück IV, 1—231.
Bisthum Minden.
Hameln: Urkundenbuch von 0. Meinardus I (1887) S. 609— 632.
Möllenbeck: Schannat, Vind. I, 138 — 142. Schrader in Wigands Archiv
f. d. Gesch. Westfalens V, 432. Mooyer in Meyer und Erhards Zeit-
schrift II, 1—105. III, 89.
Visbeck : Font. IV, 495—500, vgl. Scheffer-Boichorst, Ann. Patherb. S. 193.
Hs. in Hannover n. 190 bei Bodemann S. 30.
ERZBISTHUM HAMBURG -BREMEN.
Sprengel von Bremen.
Bremen: Mooyer im Vaterl. Archiv f. Niedersachsen 1835 S. 282—309.
Hamburg: Langebek, SS. Dan. V, 387. Neue Ausgabe von Koppmann,
Zeitschr. f. Hamb. Gesch. N.F. III, 21—183.
Bisthum Lübeck.
Lübeck, Marienkirche: Wehrmann, Zts. f. Lüb. Gesch. VI (1890) S. 49— 160,
u. bes. Ausgabe.
Cismar: Quellensammlung d. Ges. f. Schi. Holst. Lauenb. Gesch. IV (1874)
S. 272—395 von K. Kohlmann.
Bisthum Schwerin.
Neuenkamp: Ledeburs Archiv XVI, 33. Fragment. Pomm. ÜB. I (1877)
S. 504-516.
Rostock, Dominicaner: Fragment ed. Krause, Rostocker Progr. 1875.
Bisthum Kammin.
Kammin: Ledeburs Archiv XVIII, 97 — 117.
Colbatz: Pomm. Urkundenbuch I (1877) S. 493— 496.
Marienkron, Kartäuser-Kl. b. Rügenwalde: Balt. Stud. XXVI (1876) Heft 1.
448
Neurologien.
ERZBISTHUM MAGDEBURG.
Sprengel von Magdeburg.
Magdeburg: aus einer Handschrift von Stablo (Mart. Coli. VI, 668) N.
Mitth. X, 2, 259 — 265 von Dümmler; Anniversarien der Erzbischöfe
ib. 265—267 von Winter. — St. Sebastian: Magdeb. Geschichtsbl.
1874, 2. Heft, von Holstein.
Halle, St. Moritz: Würdtwein, Subsidia dipl. X, 407—412.
Neuwerk bei Halle: Geschichtsbl. f. Magd. v. K. Janicke IT, 2 (1867) S. 154
bis 178; von Ed. Bodemann.
Bisthum Merseburg.
Merseburg: Hesse in Hoefer's Zeitschr. f. Archivkunde I, 101; neue Aus-
gabe von Dümmler, N. Mitth. XI, 223—264. Ein jüngeres N. Mitth.
II, 229 von Förstemann, vgl. Mooyer ib. V, 1, 49-81. 160. V, 3, 89
bis 99. VI, 2, 83—106. Wilmans im Arch. XI, 144.
Pegau: Mencken, SS. II, 118 — 155. Fragmente bei Endlicher, Codd.
philol. p. 148.
Bisthum Naumburg.
Naumburg: Schöttgen et Kreifsig II, 160. Lepsius, Kl. Schriften I, 31
bis 33. Fragment ed. Perlbach, Neue Mitth. XVII, 249—255.
Zeitz: Schöttgen et Kreifsig II, 152.
Bisthum Meifsen.
Meifsen: Schöttgen et Kreifsig II, 97.
Altenzelle: Bericht der deutschen Gesellschaft zu Leipzig 1841 S. 1 ff., vgl.
1844 S. 27. Archiv f. Sachs. Geschichte 1843 S. 24.
Chemnitz: Mencken, SS. II, 118; CD. Sax. Reg. VI. von Ermisch.
Görlitz, Minoriten: SS. Rerum Lusat. (1839) I, 265 von Köhler. Verbesse-
rungen von E. Wernicke im N. Laus. Mag. L. (1873) 121 — 128.
Pirna, Dominicaner: Berichte der deutschen Gesellschaft zu Leipzig 1843
S. 19 von Leyser.
ERZBISTHUM GNESEN.
Bisthum Breslau.
Breslau, St. Vincenz: Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. u. Alterthum Schlesiens
X, 411—480 von Paul Hein aus d. Berlin. HS. theol. lat. f. 378 (Arch.
VIII, 843 irrig auf Posen bezogen); Kreuzstift: Zeitschr. VII, 303 bis
343 von Arthur König.
Böhmisch-Schlesisches unbekannter Herkunft, Zeitschr. V, 107 — rl 15.
Necrologien. 449
Schlesisches, aus verschiedenen Quellen gesammelt von C. Grünhagen, Zeit-
schrift IX, 182-190.
Czarnowanz: Zeitschrift I, 226.
Heinrichau: Zeitschrift IV, 278—310.
Kamenz: Zeitschrift IV, 311 — 337.
Leubus: Wattenbach, Monumenta Lubensia (Bresl. 1861) S. 35 — 59.
Bisthum Krakau.
Krakau: Lotowsky, Katalog biskupow Krakowskich Tom. IV Krak. 1853;
neue Ausgabe in Bielowski's Monumenta Poloniae II, 905 ff.
Bisthum Posen.
Lubin: Verbrüderungsbuch bei Zeifsberg: Kleinere Geschichtsquellen Po-
lens, 1877.
Bisthum Leslau.
Leslau: Ephemerides Wladislavienses MG. SS. XIX, 687—689.
ERZBISTHUM RIGA.
Riga, Dom: Notae necrol. in einem Missale s. XV. G. Berkholz in SB.
d. Ges. f. Gesch. d. Ostseeprovinzen Russl. 1874, S. 5.
Lond, Oliva: s. NA. XIII, 248.
Ronneburg: SS. Rer. Pruss. II, 147 von Strehlke.
Deutsch-Ordens-Necrologe: Perlbach, Forsch. XVII, 357—371.
Pomesanien: ib. S. 368.
Samland, Todestage der Bischöfe, ib. S. 370.
Die Ermläudischen Anniversarienbücher (Frauenburg, Gutstadt, Pelplin):
Monumenta Warm. III, 2. SS. I, 208—299 von Woelky. Pelplin auch
Mon. Pol. IV.
ERZBISTHUM GRAN.
Jaszö: Wattenbach, Bemerkungen zu einigen öst. Geschichtsquellen, Archiv
d. Wiener Ak. XLII, 497-499.
ERZBISTHUM SALZBURG.
Sprengel von Salzburg.
(herausgegeben von F. Herzberg-Fränkel, M. G. Necrologia II, 1892.)
Salzburg: Monumenta Boica XIV, 365 — 405. Ausgabe von Wiedemann
im Arch. d. W. Ak. XX VIII, 1 — 286 unbrauchbar, s. Lit. Centralbl.
1863 S. 292-296. Auszug Font. IV, 576-583; Fragment des Necrol.
d. Dombrüderschaft im Arch. d. W. Ak. Llll, 245—258. Necrol. II,
Wattenbach, Geschichtsqnellcn. T. G. Aufl. 29
450 Neurologien.
77—199. — St. Erendrudis ib. 65—76. — St. Peter: A. v. Meiller im
Arch. d. W. Ak. XIX, 209 — 396. Vgl. das Verbrüderungsbuch des
Stiftes St. Peter, mit Erläuterungen von Th. G. v. Karajan, Wien 1852.
in folio. — Necrol. II, 1—64; NA. XII, 53—107 (verfasst 784).
Admunt: Pez, SS. Her. Austr. II, 198 — 210. Ein anderes von A. v. Meiller
im Arch. d. W. Ak. XIX, 407-410. Friefs ib. LXVI, 315—506.
Necrol. II, 281-309.
Au, bei Gars: MB. I, 250. Fragment, Necrol. II, 199.
Baumburg: MB. II, 264—268. Necrol. II, 237—255.
Chiemsee: Necrol. II, 203—212.
Eberndorf im Jaunthal: Schroll im Wiener Archiv LXVIII (1886).
Gars: Necrol. II, 201.
Gurk: B. Schroll im Wiener Arch. LXXV, 237 ff. (1889). Necrol. II.
448—454.
Michaelbeuern: Filz, Gesch. v. M. S. 860. Necrol. II, 212—216. 467.
Millstatt : B. Schroll im Wiener Arch. LXXXVII (1891) S. 265 — 317.
Necrol. II, 455-466.
Ossiach: B. Schroll im Wiener Arch. LXXIII (1888) S. 275 ff? Necrol. II,
443-447.
Raitenhaslach: Necrol. II, 255—283.
Reun : Pusch et Froelich, Diplomataria Styriae II, 333; Fragmente eines
älteren, Arch. d. W. Ak. LVIII, 217—229, v. Zeifsberg; Necrol. II,
341—356.
Sanct Lambrecht: M. Pangerl in den Fontes Rer. Austr. Dipll. XXIX. 1869:
Necrol. II, 309-340.
Sanct Paul im Lavantthal: B. Schroll im Arch. f. Gesch. v. Kärnten, 10. Jahr-
gang 1886.
Seckau: Pusch et Froelich, Diplomataria Styriae II, 353; Necrol. II,
356-435.
Seitz: Pusch et Froelich p. 329.
Seon: MB. II, 158—162; Necrol. II, 217—236.
Vorau: Necrol. II, 436—440.
Bisthum Brixen.
Wüten : Hefs, Monumenta Guelfica S. 292, wenige Excerpte. Seb. Brunner
im Arch. d. W. Ak. XLII, 233 — 250, chronologisch geordnete Aus-
züge 1142—1698 aus einem Necrol. s. XVIII.
Bisthum Freising.
Freising: Eckhart, Comment. de Orient. Francia 1, 835: Font. IV, 586.
Ein anderes von Rudhart, Quellen u. Erörterungen VIT, 441—481;
Font. IV, 586 — 588. Necrol. eccl. cath. saec. X. XL ed. Dümmler e cod.
Monac. 6421, Forsch. XV, 162—166.
Ebersberg: Oefele II, 15 — 18. Ausg. v. W. Scherer, Wiener SB. Uli,
232-238.
Neurologien. 451
Fürstenfeld: MB. IX, 337, mangelhafte Auszüge. Ueber das wiedererwor-
bene Ms. M. Mayer, Zur Kritik der Fürst. Geschichtsquellen S. 5.
Landshut, Franciscaner: Primbs in d. Verhandl. d. hist. Vereins f. Nieder-
bayern XIII, 4. Heft.
Raitenbuch: angeführt von Greinwald, Origg. Raitenb. Monachii 1797.
Tegernsee: Oefele I, G32— 638. Freyberg, Gesch. v. Tegernsee S. 203— 220,
vgl. Mooyer in d. Westfäl. Prov.-Blüttern ITT, 1.
Undersdorf: MB. XIV, 168-170.
Bisthum Regensburg.
Regensburg, St. Emmeram : MB. XIV, 365, vgl. Mooyer in d. Verhandl. f.
Oberpfalz XIII, 275—405 u. NA. II, 449; Niedermünster: Gerbert, Mo-
numenta Vet. Liturgiae I, 492—500; Font. III, 483, vgl. Archiv IV,
315; Obermünster: Font. III, 485; Minoriten, Verhandl. f. Oberpfalz
XXV, von K. Primbs; S. Jacobi, in neuer Abschrift benutzt von Hugo
Graf Walderdorff, Hist. V. v. Oberpfalz und Regensburg XXXIV.
Münchsmünster: A. Nagel, Notitiae origines domus Boicae illustrantes
(Mon. 1804) p. LIII— LVI.
Oberaltaich: MB. XII, 278. Ein älteres in unbrauchbarer Ausgabe von
Wiedemann im Archiv d. W. Ak. XXVI, 313—354, vgl. Lit. Centralbl.
1863 S. 174; Font. IV, 572-576, vgl. p. LXII.
Prüfening: MG. SS. XVII, 609.
Seldenthal: MB. XV, 506-550.
Seligenpforten im Nordgau: Hist. dipl. Magazin fürs Vaterland I, 37 — 67.
Weltenburg: MB. XIII, 473—493; Font. IV, 568-572.
Windberg: MB. XIV, 90-108.
Bisthum Passau.
Passau: Fragment bei Dümmler, Piligrim von Passau S. 101.
Dürrenstein: Duellii Miscellanea I, 164 — 167.
Gaming: Zeifsberg, Zur Gesch. d. Karthause Gaming, Arch. d. W. Ak. LX,
563-596.
Heiligenkreuz: Zeitschr. f. Oesterr. Gym. XXVIII (1877) S. 1—11, v. Zeifs-
berg, Fragmente.
Klein Mariazell : Wiss. Studien u. Mitth. a. d. Bened. Orden, Heft 2, S. 106
bis 120, v. V. Staufer.
Klosterneuburg: Fischer, Geschichte von Klosterneuburg II, 101. Zeibig
im Arch. d. W. Ak. VII, 271.
Lilienfeld: Hanthaler, Rccensus Archivi Campilil. II, 423—438, mit Fäl-
schungen. Neue Ausg. von Zeifsberg, Fontes Rer. Austr. II, XLI, 1
bis 238.
Melk: H. Pez, SS. Rer. Austr. I, 304. Zwei Fragmente in Keiblingers Ge-
schichte von Melk 1, 1160 1165.
29 *
452 Necrologien.
Niederaltaich : Handschriftlich in Jena, Arch. XI, 509. Benutzt von Jaffe,
MG. XVII, 351: Dümmler, Otto I, S. 160. Anderes in Wien, Arch.
X, 488.
Ranshofen: MG. SS. IV, 791, vgl. auch Pritz, Geschichte von Ranshofen,
im Arch. d. W. Ak. XVII, 377 ff.
Hetz, Dominicaner: Duellii Miscellanea II, 169. Seb. Brunner, Der Pre-
diger-Orden in Wien und Oesterreich, Wien 1867.
Sanct Andrä an der Traisen: A. v. Meiller, Arch. d. W. Ak. XIX, 397
bis 407.
Sanct Florian: Stülz, Geschichte von St. Florian S. 193. Ein anderes im
Notizenblatt d. W. Ak. 1852 S. 291. Dahin gehört auch das Necrol.
des Pfarrers Albert von Waldkirchen MG. SS. IX, 754. Albin Czerny,
Das älteste Todtenbuch des Stiftes St. Florian, Arch. d. W. Ak. LVI,
257—368. Necrol. Calender Heinrichs II, Probst von St. Florian 1313
bis 1321, nebst 3 anderen Fragmenten, Beitr. z. Landesk. v. Ob.-Oest.
XXX (1878) von Czerny.
Sanct Polten: Duellii Exe. geneal. p. 125 — 166. Fontes Rer. Austr. Dipl.
XXI, 441 — 753 von Wiedemann vollständig, aber unzuverlässig. Be-
richtigungen und Ergänzungen von Fr. Stark im Arch. d. W. Ak.
XXXIV, 371-433; vgl. XXXV, 457—462. XXXVI, 473-483. Lit.
Centralbl. 1865 S. 1209-1211.
Spital am Pyrn : B. Schroll im Arch. d. Wiener Ak. LXXII (1888) S. 201 ff.
Wien, Schotten: H. Pez, SS. Rer. Austr. I, 695, vgl. SB. XIII, 107; Mi-
noriten ib. II, 471 — 519; Dominicaner (1309 — 1867) in dem oben an-
geführten Buch von Seb. Brunn er.
Wilhering: Stülz, Geschichte von Wilhering, S. 435 — 445.
ERZBISTHUM TRIER.
Sprengel von Trier.
Trier: Diptychon aus ottonischer Zeit ohne Tage, nur Namen, neue Ausg.
mit Facs. von Fr. X. Kraus, Westd. Zts. IV, 138—156. Stellen aus
dem verschollenen alten Necrol. der Domkirche in Browers Annales
Treverenses, s. Dümmler in den N. Mitth. XI, 228, Anm. 16. R. Wil-
mans, Kaiserurkunden S. 432 Anm. 6; das von Sauerland e miss. Bamb.
im Hist. Jahrb. VIII, 475 — 487 mitgetheilte gehört nach Paderborn. —
St. Maximin: Hontheim, Prodr. II, p. 966— 994, vgl. Arch. XI, 290.
Kraus im Jahrb. d. Alterthumsfreunde im Rheinland, Heft 57 — 58.
Arnstein: Auszug bei Wenck, Hist. Abhandlungen, 1. Stück, S. 138 — 140:
Kremer, Origines Nass. II, 410—412. Besser bei Schliephake, Gesch.
von Nassau I, 477—481. Becker, Nassauische Annalen, XVI, Wiesb.
1881.
Dietkirchen an der Lahn: E. Joachim, Nass. Annalen XIV, 2. Heft.
Echternach: Reiffenberg, Monuments de Namur VII, 210—232. Publica-
Neurologien. 453
tions de Plnstitut de Luxembourg XXVII (N. S. V) 1873 p. 140 bis
169, ein jüngeres von 1511. Ein anderes e cod. Paris von Sackur, NA.
XV, 132-136.
Laach: Dronke in Mone's Anzeiger 1839 S. 610. Wegeier, Geschichte des
Klosters Laach, Bonn 1854. Ein älteres von dems. in d. Annalen d.
hist. V. f. d. Niederrhein 1874, Heft 26. 27. S. 268—316.
Limburg an der Lahn, Franciscaner: Wenck, Urkundenbuch I, 83.
Prüm: Annales necrologici s. oben S. 64. Bemerkungen zum Martyrol. NA.
IV, 308.
Rommersdorf, Prämonstratenser: Auszug bei Wegeier, Die Abtei R. (Cobl.
1882), Orig. in d. Bibl. zu Wiesbaden.
Schoenau, Nonnen: Seelbuch ed. F. W. E. Roth in Studien u. Mitth. aus
dem Bened. Orden IV (1883) S. 357 ff.
Wetzlar: Wigand, Wetzlarische Beiträge I, 65—69.
Bisthum Metz1).
Metz: Dümmler, Forsch. XIII, 596—600 aus Jaffe's Nachlafs; S. 597 ein
Fragment s. IX mit Himildruda comitissa zum 27. März. Auszug aus
dem Necr. S. Petri Mett. in: Voyage lit. de deux Religieux Bened.
II, 115.
Bisthum Toul.
Etival: Auszug in Annales de l'Est VI, 27 ff. Eine Seite facs. in den
Schrifttafeln von Prou.
Pont-ä-Mousson : Auszug im Voyage lit. de deux Religieux Bened. (Paris
1717) II, 115.
Remiremont: Font. IV, 462.
Bisthum Verdun.
Verdun: Necrologien von Sainte-Croix und Saint-Vannes oft benutzt von
Clouet, Hist. de Verdun, 1867. Ein Necrol. von St. Vannes hat Sackur
herausgegeben NA. XV, 126—132; vgl. W. Lippert ib. S. 608—610.
II. Burgund.
(Vgl. das eben angeführte Werk von A. Molinier.)
ERZBIST H UM ARLES.
Marseille: Obituaire de St. Victor im Repertoire de la Societe de statistique
de Marseille XXXV (1872) S. 177 ff.
') Ueber diese drei Bisthümcr gibt A. Molinier, Les Obituaires Francais au Moyen
Age (Paris 1890) S. 213-218 den Nachweis der Handschriften.
454
Neurologien.
ERZBISTHÜM BESANQON.
Besancon : Chifflet, Vesontio IT, 157 giebt ex vet. Missali S. Stephani, No-
mina amicorum nostrorum defunctorum , bis auf Poppo von Aquileja
(•j- 1042); vgl. auch Chifflet, Lettre touchant Beatrice comtesse de
Chalon (Dijon 1656) S. 155. Martyrologium Vesont. mit einigen Sterbe-
daten bei Dunod, Hist. de Besancon I, Preuves p. XIV ss. Saint- Vin-
cent bei Dunod, Hist. de Bourgogne II. — Chäteau-Chalon: Obituarium
Castri-Caroli, Mem. de la Soc. du Jura, II. Serie, I, 137 ff. von
Vayssiere, 1875. — Villars: Sackur, Cluniac. I, 383—386.
Basel: Font. IV, 145—147. — Pairis: Citat aus d. Jahr 1168, Schweiz.
Geschichtsforscher X, 45, Anm.
Lausanne: Mem. et Doc. de la Suisse Romande XVIII, 89 — 246, vom
Abbe Gremaud. — La Chartreuse de la Lance, von dems. ib. XXXIV
(1879).
ERZBISTHÜM LYON.
Lyon: Todestage der Erzbischöfe, Arch. VII, 213. Obituarium Lugdunensis
ecclesiae, par M. Guigue, Lyon 1867, 4. Obituarium S. Pauli Lugd.,
par M. Guigue, Bourg-en-Bresse 1872; S. Petri von dems., Lyon 1880.
— Saint-Tbomas en Forez: Lyon 1873 von Gras.
Autun : im Cartulaire de Teglise d'Autun, par M. de Cbarmasse, p. 327.
— Hugonis Flaviniacensis Necrologium MG. SS. VIII, 285—287.
Beaune: Martyrologe de l'insigne collegiale N. D. de Beaune, par l'abbe
Boudrot. Mem. de la Soc. etc. de Beaune, t. 3—5. Reg. t. 7.
Saint-Pierre-hors-les-murs de Macon: Necrol. eccl. S. Petri Matisc. publie
par M. Guigue 1874.
Dijon: Necrol. S. Benigui in d. oben angef. Lettre von Chifflet, S. 207.
Necrol. S. Stephani Divion. in Fyot, Hist. de St. Etienne de Dijon
(Dijon 1696), Preuves p. 251.
Clairvaux : Le tresor de Clairvaux, vom Abbe Lalore, S. 174 — 183.
ERZBISTHÜM VIENNE.
Vienne: Chevalier, Hagiologium Viennense, Documents inedits relatifs au
Dauphine II, Gren. 1868.
Grenoble: Necrol. des Dominicains de Gren. cd. Chevalier, Doc. ined. V,
Romans 1870, p. 1 — 15. — Saint-Robert-de-Cornillon, Priorat von La
Chaise-Dieu: Necrologium prioratus S. Roberti Cormlionis 0. S. B. ex
cod. s. XIII. Documents inedits relatifs au Dauphine, par M. i'Abbe
Chevalier. 2. Vol. Gren. 1868.
Genf: Obituaire de Feglise cath. de St. Pierre de Geneve, von A.Sarrasin.
Mem. de la Soc. d'hist. de Geneve, N. S. I, 1883. Memorie estratte
Neurologien. 455
del necrologio della chiesa di San Francesco di Ginevra, s. XVI, bei
Cibrario e Promis p. 350. — Talloires bei Annecy: NA. XI, 102.
Saint- Jean-de-Maurienne: Auszüge aus zwei Necrologien vom Abbe Albrieux
in: Documents publies par PAcad. de Savoie II (Chambery 1861),
p. 335—385. Auszug bei Cibrario e Promis p. 332—339.
ERZBISTHUM TARENTAISE.
Tarentaise: Zwei Notizen Arch. VII, 176. Schlechte Ausg. des Calenders
von Fleury u. Million im Recueil de mem. et doc. de la Val d'Isere,
Mem. II, 437—467.
Sitten: Memoires et Documents de la Suisse Romande XVIII, 247 — 293,
und von der nahen Pfarrkirche zu Granges S. 294 — 331, vom Abbe
Gremaud. — S. Mariae de Abundantia: Monumenta Hist. Patr. III,
325—434.
Aosta, Dom: M. Hist. Patr. SS. III, 545-668; Petri et Ursi ib. 517— 540.
Auszug bei Cibrario e Promis p. 342 — 349.
ERZBISTHILM AIX.
Saint-Mary de Forcalquier (Sisteron): ed. Joseph Roman, Digne 1887.
III. Italien.
ERZBISTHUM TURIN.
Turin, Dom: Monumenta Hist. Patr. SS. III, 499—608; von S. Solutore
213—230; von S. Andrea 193-208, MG. SS. VII, 130.
Ivrea: Zwei Notizen bei Dümmler, Anselm S. 83 Anm. 1.
Novalese: MG. SS. VII, 130.
ERZBISTHUM GENUA.
Genua: Necrol. von San Francesco di Castelletto, Atti della Societn Li-
gure X, 387. — Ventimiglia: Miscellanea di Storia Italiaua, Vol. V, 72.
ERZBISTHUM MAILAND.
Mailand: Calendarium Ambrosianum bei Muratori SS. I, 2, 235; Cal. Si-
tonianum ib. II, 2, 1035.
Monza : Frisi, Memorie di Monza III, 100 — 151.
Vcrcelli: Necrol. Euscbianum, angeführt von Mandelli, Commune di Vcr-
celli II, 337.
Casalc S. Evasii: Monumenta Hist. Patr. SS. III, 453—510.
Bergamo: Miscellanea di Storia Italiana, Vol. XIII.
456
Necrologien.
Brescia: Muratori, Antt. V, 759 — 761, Exe. ex necrologio antiquissimo mo-
nialium S. Juliae in civitate Brixiana (Verbrüderungsbuch s. IX). Auch.
bei Odorici, Storie Bresciana IV, 70—75. A. Valentini, Codice necrol.
liturg. del mon. di S. Salv. e Giulia in Brescia, trascr. ed. £11. (Brescia
1887); leider sehr mangelhaft, nach Mühlbacher, Mitth. d. Inst. X,
469-479.
Cremona: NA. III, 136 von H. Brefslau. Arch. stör
26 bis 28, von Novati.
Lomb. 1880, fasc.
PATRIARCHAT VON AQÜILEGIA.
Udine: NA. III, 135 von Brefslau.
Cividale: NA. III, 135 von Brefslau.
Verona : S. Vito e Modesto, saec. XIII ex. bei Biancolini, Notizie delle Chiese
di Verona VII, 147 — 156. S. Trinitatis in dess. Serie de1 vescovi
p. 66 — 71. — San Michele di Campagna im Bisthum Verona, saec.
XIII— XVI, bei Biancolini Notizie, Va, 194—200.
Trient: MG. SS. XIII, 368.
Freudenthal: Wilkowicz, Die Necrologe der Karthause Freudenthal. Mittb.
des Museal Vereins f. Krain, 2. Jahrg.
ERZBISTHUM BOLOGNA.
Bologna: Sarti II, 196-200.
Modena: Muratori, Antt. III, 725 — 727 (ed. 1740 f.) NA. III, 137 von
Brefslau.
Piacenza, S. Sabini: NA. V, 438—442 von Brefslau.
TOSCANA.
Lucca: Baluzii Miscellenea ed. Mansi I, 431. 432. NA. III, 137 von
H. Brefslau.
Siena: Ozanam, Documents inedits (Paris 1850) p. 195—200 mit vielen
annalistischen Notizen.
Pistoja: Zacharia, Bibliotheca Pistoriensis I, 90.
Florenz: Bandini, Bibl. Laur. IV, 546—555. Aus dem Necrol. der Cano-
nica Frey, Berl. SB. 1883, I, 699-713.
ROM.
San Pietro in Vaticano: Dudik, Iter Rom. I, 79 — 82.
Sanctae Mariae trans Tiberim: NA. XI, 100, v. Brefslau.
San Ciriaco in Via lata: Martinelli, II primo trofeo della santiss. Croce
(Roma 1645) S. 145, vgl. Arch. paleogr. Ital. II, 1, tav. 5.
Neurologien. 457
UNTERITALIEN.
Monte Cassino: Muratori SS. VII, 939—948. Gattula, Accessiones ad Hist.
Casinensem p. 839 — 861.
La Cava: Einige Notizen bei Reifferscheid, Wiener SB. LXXI, 38.
Atri: Bindi, Monuraenti degli Abruzzi 1889 s. NA. XVI, 644.
S. Maria de Gualdo: Montfaucon, Bibl. MSS. I, 132.
Salerno: Forsch. XVIII, 475. Confraternitätsbuch mit Necrol. von C. Abig-
nenti, Arch. stör, per la prov. Napol. XIII, 449 ff.
Lecce: Forsch. XVIII, 476.
Palermo: Forsch. XVIII, 471—475. Alle von Winkelmann.
IV. Frankreich1).
ERZBISTHUM REIMS.
Reims: Varin, Arch. legislat. de la ville de Reims (1844) II, 1, 62 ff. —
Templiers: E. de Barthelemy, Mel. hist. (Doc. inedits) IV, 304—336.
Laon: Etwas daraus angeführt von Ravaisson im Catal. des Bibl. des
Dep. I, 188.
Saint-Vaast-d'Arras : Doc. inedits publ. par l'Acad. d'Arras, N. 7, von Van
Drival; vgl. Molinier S. 211. — Anchin: benutzt von Bethmann zu den
Ann. Aquic. SS. XVI, 503—506.
Amiens: Necrol. de l'eglise d'A., par l'abbe Roze, 1885. — Corbie: Aebte
mit Todestagen in der Ausgabe des Polypticon Irminonis von Guerard,
S. 338.
Therouanne: Duchet et Giry, Cartul. de l'eglise de Th. (1881) p. 307— 329.
— Guines: Franks, Archaeologia 46, 242 e psalterio.
Tournai, St. Nicolas des pres, später St. Medard: Mein, de la Soc. hist. et
litt, de Tournai XI, 327-429. — Brügge, St. Donatian: G. Gelliordts
van Severen, Comptes rendus de la Comm. roy. IV. serie, XVI,
283—371.
ERZBISTHUM SENS.
Sens: Einige Notizen im Anz. d. Germ. Mus. XXII (1875), 39, vgl. Arch.
XII, 293; in Isidori Opp. ed. Arev. II, 332. Fragm. Bouq. VII, 275.
Delisle, Sacram. p. 164.
Paris, Notre-Dame: Guerard, Cartulaire de l'eglise de Notre-Dame a Paris
IV, 1—207; Delisle, Sacram. S. 372—388, vgl. S. 149. 150, Namen s.
IX. X. — Saint-Germain-des-pres: Bouillart, Hist. de Saint-Germain,
') Hierfür ist A. Mulinier, Les Ühituaires Francais p. 157 — 350, zu vergleichen,
wo auch die handschriftlich vorhandenen und irgendwo henutzten nachgewiesen sind.
458 Necrologien.
App. p. CVII. A. Longnon, Not. et Doc. publ. par la Soc. de l'hist.
de France (1884) p. 19—55, Notice sur le plus ancien obituaire de
Fabb. etc. geschr. 858/69 mit dem Mart. von Usuard, viell. von ihm
selbst: der ursprüngl. Text S. 41 — 53 abgedruckt; die Namen geordnet
u. erklärt; S. 55 Liste der 128 Mönche unter Ebroin 841—847. —
Saint-Denis: Felibien, Preuves p. 207—219. Delisle, Sacram, p. 388
aus dem Sacram. Lat. 2290. — Argenteuil: Mabillon, Acta SS. 0. S.
B. III, 2, 364. — St. Maur des fosses, Fragm. ed. Prou, Mem. de la
Soc. de rhist. de Paris XIV (1887), p. 209—238. — Corbeil, Saint-
Spire: Mem. de la Soc. de Rambouillet VI, 148—173.
Chartres : Cartulaire de Notre-Dame-de-Chartres III (Chartr. 1865), 1 — 226,
par MM. de Lepinois et Merlet.
Meaux : Verschiedene bei Toussaint Duplessis, Hist. de l'eglise de Meaux II.
Fleury: Mart, Coli. VI, 650—652.
Orleans, St. Avit: Vignat, Cartul. du Chapitre etc. Orl. 1888.
Auxerre: Mart. Coli. VI, 685. Vollständiger bei Lebeuf, Memoires d'Auxerre
II. App. p. 246—259. Nouvelle edition par MM. Challe et Quentin,
IV, 8 — 21. — La Charite sur Loire publ. par M. de TEspinasse, 1887.
Troyes : Collection des doc. inedits relatifs ä la ville et la Champagne
merid. publ. par la Soc. acad. de l'Aube, Voll. II (Troyes 1882) von
Lalore. Vgl. auch über andere dessen Collection des principaux obi-
tuaires du dioc. de Troyes.
ERZBISTHÜM ROUEN.
Rouen: Recueil des Historiens des Gaules XXIII (1876), 357—370: Hospit.
Mariae Magdalenae p. 415. — Jumieges: ib. 417—423. — Le Bec:
Recueil XXIII, 576—582, vgl. L. Delisle, Bibl. de l'Ecole des eh. 1876,
S. 521. — Sainte-Foy de Longueville: Recueil XXIII, 432-438. -
Ea (Auga): ib. 449— 451. — Le Trcport (Ulterior portus): ib. 451.
Evreux: ib. 460—475. — Lyre: ib. 470—475. — La Croix-Saint-Leufroy:
ib. 475-480.
Saint-Evroul (ütica d. Lexov.) : ib. 484—491.
Lessay (S. Trinit. de Exaquio d. Const.) : ib. 546. — Hotel-Dieu de Saint-
L6: ib. 547—549. — La Perine (Perrinense): ib. 549—553. — Montc-
bourg: ib. 553 — 556.
Mont-Saint-Michel (d. Abrinc): Delisle, Sacram. p. 389. — Saint-Evroul
de Mortaing: Recueil XXIII, 582.
Saint-Martin de Seez: Fragm. bei Delisles Instruct. p. 82.
ERZBISTHÜM TOURS.
Tours: Martyrologium TJsuardi ad usum ecclesiae Turonensis cum obitibus
et fundationibus (saec. XIII), par M. l'abbc Bourasse, in den Memoires
de la Societe Archeologique de Touraine XVII (Tours 1865), S. 16—82.
Necrologien. 459
— Necrologium b. Martini Turon. et Majoris monasterii obituarium,
publ. (schlecht) par M. Nobilleau , Tours 1875. — Necrol. S. Juliani
Turon. Mem. etc. XXIII (1873), S. 242 ff. vod Quincarlet.
ERZBISTHUM BORDEAUX.
Bordeaux: Obituaires de l'eglise Saint- Andre de Bordeaux (13. u. 14. Jahr-
hundert), Archives bist, de la Gironde XVIII, 1 — 260.
Fontevraud (Poitiers): Pavillou, Vie de Robert d'Arbrissel, p. 577; ib. p. 563
ex martyrol. prioratus de Fontanis ord. Fontebraldensis.
ERZBISTHUM BOURGES.
Chateauroux, Cordeliers (1213 — 1782): par Hubert, Paris, Dicard 1886.
Limoges: Labbe, Bibliotheca nova II, 759 — 763. Documents hist. concer-
nant principaleraent la Marche et le Limousin, par A. Leroux, E. Mo-
linier et Ant. Thomas, Tome I. 1883. Duples-Agier, Chroniques de
St. Martial de Limoges.
Tülle: Obituaire de la cath. publ. par M. Clement Simon, Bulletin de la
Soc. scientif. de la Correze XI (1889), p. 478-497.
ERZBISTHUM NARBONNE.
Narbonne: Neue Ausgabe der Hist. de Languedoc VIII, 251 — 258. —
Carcassonne: Mahul, Cartulaire de Carcassonne.
V. England.
Canterbury: Wharton, Anglia Sacra I, 52—54. Stubbs, Chronicles 11, 557.
London, St. Paul: Documents of St. Paul, ed. Simpson (Camden Soc. 1880),
p. 61 ff.
Lincoln: Giraldi Cambr. Opera ed. Dimock, VII (1877).
Durham: Publications of the Surtees Society, XXXI (1856).
Glasgow: Publ. of the Bannatyne Club, vol. 79, II, 614.
Aberdeen: Publ. of the Maitland Club, vol. 63, Registr. ep. Abcrd. II,
p. 1 u. 207.
Dublin: The book of obits, ed. Crosthwaite, Dubl. 1844. 4.
VI. Dennemark.
Fragment aus einem Cistercienserkloster s. XII e cod. Berol. theol. f. 1 19
ed. IL Wesemann, Jahrbücher für Laudeskunde von Schleswig-Holstein
X (Kiel 1869), S. 262—270. — Aus einem Psalterium Franks, Archac-
ologia XL VI, 246.
460
Necrologien.
Kopenhagen: Langebek, SS. Dan. VIII, 538 — 550.
Lund: ib. III, 434-465. 474—579. IV, 27—66.
Lygumkloster : ib. IV, 578—587.
Nestved: ib. IV, 298-318.
Ripen: ib. V, 534-570.
Rothschild: ib. III, 266-275.
Norwegen: ib. V, 385. 386.
Island: ib. II, 504—519. VIII, 552-568.
Wisby: ib. VI, 557—566.
Aus einem Necrolog von Barcelona NA. VI, 235; von Monte Aragon ib. 280.
REGISTER
Aachen. 280; Necrol. 446.
Aaraii, Necrolog. 439.
Abbo, Abt v. Fleury. 416. 417.
— von St. Germain. 299.
Abdinghof, Necrol. 445.
Aberdeen, Necrol. 459.
Ablavius. 67.
Abraham (957— 994) B.v. Freising. 405.
— Jacobson. 333.
Acta abb. Fuld. 240; epp.Cenom.302;
Friderici ep. Traj.390; Sanctorum.
10. 11.
Adalbaldus artifex. 160.
Adalbero (966—988) Erzb. v. Reims.
411.
— (887—910) B. v. Augsb. 260. 287.
— I (929—962) B. v. Metz. 369. 372.
— II (984—1005) B. v. Metz. 344. 372.
373. 375.
— vas librorum. 405.
Adalbert (968—981) Erzb. v. Magd.
351. 367. 368.
— (982—997) B. v. Prag. 353. 354.
435. 436.
— Abt v. Echternach. 366.
Adalbold (1010—1026) B. v. Utrecht.
361. 389-391.
Adalgis, Priester. 279. 280.
Adalhard, Abt v. Corbie. 250.
— B.v. Ivrea. 311.
Adalheid, Kaiserin. 320.
Adalram (821-836) Erzb. v. Salzburg.
221. 292.
Adam, Abt v. Masmünster. 152.
Adelberg, Necrol. 439.
Adelperga. 166.
Adelerius von Fleury. 417.
Ademar v. Chabannes. 303.
Adhemar, Aquit. Mönch. 210.
Admunt, Necrolog. 450.
Ado, Erzb. v. Vienne. 219. 257; Mar-
tyrol. 60.
Adrevald (Adalbert) v. Fleury. 417.
Adso, Abt v. Montierender. 317. 320.
377. 378.
Adventius (858—875) B. v. Metz. 268.
Adventus S. Benedicti. 417.
— S. Landoaldi. 385.
— SS. Wandregisili, Ansberti et Vul-
franni. 384.
Aedde Stephanus. 132.
Aeneas Silvius. 2. 6.
Aethicus. 111.
Agius. 255.
Agnellus. 309.
Agnes, Pfalzgr. v. Weimar. 321.
Agobardi Apologeticus. 211.
Aimoin v. Fleury. 109. 110. 299.
417—419.
Albrich, St. Galler Mönch. 287.
Albuinus heremita. 363.
Albwin, Abt v. Nienburg. 253.
Alcuin. 148. 152 ff.; V. Willibr. 132;
Epp. 161.
Aldebald von Cluny. 422.
Alderich, Erzb. v. Sens. 163. 236. 257.
294.
Aldrich, B. von Le Maus. 302.
Alpert v. Metz. 374. 375.
Altenzelle, Necrolog. 448.
Altfrid (839—849) B. v. Münster. 245.
Aluberht, Bischof. 244.
Alvarus Pelagius. 6.
Amalarius (809—814) Erzb. v. Trier.
257.
Amalrich. Erzb. v. Tours. 300.
Ambricho (864—899) B. v. Regensb.
289.
Amelungsborn, Necrolog. 414.
Amersfoort. 374.
Amiens, Necrolog. 457.
Amorbach, Necrolog. 443.
Anamodus. 289.
Anastasius bibliothecarius. 304.
462
Register.
Anchin, Necrolog. 457.
Andennes, Necrolog. 446.
Andreas, Abt v. Miclielsberg. 87.
— presb. Bergom. 309.
— Dandolo. 432. 433.
— von Fleury. 418.
Angelomus. 326.
Angelsachsen. 130 ff.
Angilbert, Abt v. Corbie. 171.
— Abt von St. Riquier. 171—178. 216.
Ritter. 215.
Angilram (769—791) B. v. Metz. 168.
172. 196.
— Abt von St. Riquier. 173.
Aniane. 206. 210.
Annales Alamannici. 147. 148. 286. 368
393; Alcuini. 148; Andegav. 101
Angl. 244; Aquitan. 205; Arelat
57. 101; Augienses. 287. 393
Aug. breviss. 286.
— Barcinon. 298 ; Bavarici breves
149; Bertiniani. 207. 292—296
Burgund. 101. 104.
— chronographi vet. 131; Colon. 362
363; Colon, breves. 363; Colon
breviss. 263; Corb. 150. 254. 328
— Einhardi. 197. 201; Einsidl. 394
Engolism. 299.
— Flaviniac. 146; Flodoardi. 410
Floriac. 299. 417 ; Fuld. 223—226
368; Fuld. ant. 150; necrol. 63
— Guelferbytani. 147.
— Halb. 345; Heremi. 394: Hersfeld.
340. 341; Hild. 341. 349. 350.
— Juvavenses. 149.
— Laubac. 141 : Lauresham. 145. 205.
247: Lauriss. maj. 191 — 204; Lau-
riss. min. 204; Lauson. 146: Leod
381; Lindisfarn. 148; Lob. 381
Loisel. 191: Lugdun. 299.
— Masciac. 299 : Maximiani. 146
Mett. 128. 203; Monast. 254
Mosellani. 141. 143. 145: Murbac
147.
— Nazar. 147. 148; Nivern. 298:
Normann. 363.
— Petaviaui. 141. 144. 145; plebei
191; Prüm. 259; breves. 364;
— Quedl. 340-344. 358; Rem. 409.
— Salisb. 149.
— Sanctae Columbae Sen. 419.
- Sancti Amandi. 141 ; Bertini.
382; Blasii necrol. 63; Boni-
fatii. 241 ; breviss. 241 ; Dionysii
Rem. 409: Emin. 149; breviss.
401; Call. Bai. 141; Regum. 141:
br. 287. 394; breviss. 287; maj.
393; Germ. Paris. 148; Maximini.
363; Medardi Suess. 199; Megin-
radi. 394; Nicasii Rem. 409; Petri
Col. 263; Quintini. 188. 298:
Victoris Massil. 205. 298.
— Sith. 224-226; Tiliani. 141; Turon.
97.
— Vedastini.297; Veneti. 433; Wein-
gart. 394; Weissenburg. 340. 394;
Werthin. 254; Xant. 262.
Annalium veterum fragmenta. 203.
Annius Viterbiensis. 8.
Anno (884—916) ß. v. Freising. 288.
— (950—978) B. v. Worms. 364.
Anonymus Cuspiniani. 55; de situ or-
bis. 294; Mellicensis. 86; Raven-
nas. 67; Vales. 56.
Ansbach, Necrolog. 443.
Anscher. 174. 175.
Ansibert, B. v. Rouen. 114.
Anskar (831—865) Erzb. v. Hamburg.
247-249.
Anso, Abt v. Lobbes. 130.
Antrich, Freisinger Lehrer. 405.
Aosta, Necrolog. 455.
Apollinarius Sidonius. 88.
Aquilegia. 216; Evang. 65.
Ardo Smaragdus. 210.
Argenteuil, Necrolog 458.
Aribo (764—783) B. v. Freising. 123.
154.
Arichis. 166. 169.
Aiies 57.
Arn (785-821) Erzb. v. Salzb. 149.
154 158. 195
— (855—893) B.'v. Würzburg. 290.
Arnstein, Necrolog. 452.
Arnulf (996—1023) B. v. Halb. 345.
— Graf von Flandern. 384. 386. 388.
389.
Arx, lldefons von. 22.
Aspert (891-893) B. v. Regensb. 289.
Astronomus. 210.
Atri, Necrolog. 457.
Atto, B. v. Vercelli. 430.
Au, Necrolog. 450.
Auctarium Prosperi. 82.
Audoenus. 114.
Audradus Modicus 216.
Augsburg. 287. 399— 401: Necrol. 442.
Ausonius. 88.
Autun, Necrolog. 454.
Auxerre. 302; Necrolog. 458.
Auxilius. 305.
Register,
463
Aventin. 5.
Azo, B. v. Ivrea. 310.
B, sächsischer Priester. 380.
Baehr. 33.
Balderich II. (1008—1018) B. v. Lütt.
391.
— (970—987) B. v. Speier. 323.
— (917—976) B. v. Utrecht. 37G. 377.
Baldo, Salzburger Lehrer. 269. 292.
Balthard, Abt v. Hersfeld. 241.
Balther. 121.
Balzani, Ugo. 12.
Bamberg. 319. 391: Necrolog 443.
Banz, Necrolog. 443.
Barcelona, Necrolog. 460.
Baronius. 9.
Basel, Necrolog. 454.
Baturich (817—848) B.v.Regensb.289.
Baudonivia. 92.
Baugulf, Abt v. Fulda. 231.
Baumburg, Necrolog. 450.
Beatus Rhenanus. 7.
Beaune, Necrolog. 454.
Bebo, Diaconus. 319.
Beda. 130. 131; Chron. cont. 131;
de rat. temp. 58 ; Martyrol. 60.
Benedict, Abt v. Aniane. 205.
— Grammatiker. 404.
— von St. Andrea. 430.
Benedictbeuern. 404; Necrol. 442.
Benedictus levita. 22. 242.
Benevent. 307.
Beornrad, Erzb. v. Sens. 235.
Bergamo, Necrolog. 455.
Bergen, Necrolog. 442.
Bergh- Saint- Vinoc. 383.
Bernardus, rex Italiae. 278.
Berner von St. Remi. 413.
Bernold (821—840) B. v. Strassb. 279.
Bernowin. 171.
Bernward (992—1022) B. v. Hildes-
heim. 318. 346—349.
Beromünster, Necrolog. 439.
Bertharius Virdun. 267. 377.
Besan<?on, Necrolog. 454.
Bethrnann, C. L. 23.
Bischofsheim. 137. 232.
Bischofszeil, Necrolog. 439.
Biso (886—908) B. v. Paderborn. 253.
Blandigny, Saint-Pierre au mont Blan-
din de Gand. 384—386. 388. 413.
Blaubeuren, Necrolog. 439.
Bleidenstadt. 240: Necrol. 437.
Bluhme 22.
Blumenthal, Necrolog. 446.
Bobio. 116. 118. 216. 428.
Bobolenus. 120.
Boeddeken. 253.
Boehmer. 30.
Boethius. 66.
Bolland. 10.
Bologna, Necrolog. 456.
Bonifatius. 134—136. 238. 282. 375.
Bordeaux, Necrolog. 459.
Boretius, Alfred. 22. 23.
Bouquet. 12. 26.
Bovo, Abt v. Corvey. 254. 255.
Boyneburg. 13.
Braunschweig, Necrolog. 444.
Bremen. 247. 248; Necrolog 447.
Brescia, Necrolog. 456.
Breslau, Necrolog. 448.
Breves notitiae Salisb. 158.
Breviarium historiale. 2.
Brogne. 387—389: Necrolog. 446.
Brouwer. 9.
Brügge, Necrolog. 457.
Brühl, Necrolog. 445.
Brun (940—962) Erzb. v. Cöln. 321—
323. 360-361.
— Abt v. Magdeb. u. Nienburg. 353.
Brun-Bonifacius, Erzb. 354. 355. 436.
Brunellus. 6.
Brunwart, Abt v. Hersfeld. 241.
Brunnbach, Necrolog. 443.
Bruun Candidus. 232—234.
Büchler. 18.
Bun, Abt v. Hersfeld. 241.
Burchard (1000—1025) B. v. Worms.
392.
Burtscheid, Necrolog. 446.
Canisius, Heinrich. 9.
Canterbury, Necrolog. 459.
Carmen de S. Bavone. 385.
Carmina Centulensia. 301.
Caroli M. Expeditio hisp. 188.
Carolus Magnus. 150ff. 277. 278; et
Leo III. 176.
— II. Calvus. 294. 300.
— III. 273.
Casale S. Evasii, Necrolog. 455.
Cassiodor. 65—72 : Chron. 68: Getica.
68—71: Hist. trip. 71; Instit. 71 :
Variae. 71. 72.
Casus S. Galli. 268. 394.
Catalogus Brixiensis 310.
— Pontt. Rom. 55. 58. 59; provin-
ciarum. 171: regum et impp. 168.
— archiepp. Lugd. 299: Rem. 409:
Senon. 419; Trev.366: Vienn.219.
464
Register.
Catal. epp. Ambian. 382; Argent. 399;
Atreb. 298; August. 400; Basil.
276; Constant. 269; Mett. 374;
Morin. 382; Rat. 289.
— abb.Aug.269; Blandin. 385; Corb.
255; Floriac. 417; Fuld. 240;
Gand. 387; Nonant. 434; Prüm.
364; S. Bertini. 382; S. Emm.
289; S. Galli. 269; S. Vedasti.
298; SS. Udalr. et Afrae. 400;
Weissenb. 340; Werthin. 245.
— praepositorum S. Audomari. 382.
Celtis. 3. 4.
Centuriatoren. 8.
Chartres, Necrolog. 458.
Chateau-Chalon, Necrolog. 454.
Chateauroux, Necrolog. 459.
Chelles. 114. 300.
Chemnitz, Necrolog. 448.
Chiemsee, Necrolog. 450.
Childebrand. 126.
Childerich. 89.
Chilperich. 90.
Christian, Abt v. St. Pantaleon. 362.
— v. Stablo. 267.
Chrodegang (742—766) B. v. Metz.
144. 191.
Chronica de sex aetatibus mundi. 205.
— S. Benedicti. 307.
Chronicon ad a. 334. 54; ad a. 796.
204. 226; ad a. 805. 196. 202. 203.
298; univ. ad a. 741. 129. 201.
202; Altinate. 433; Aquitan. 205.
299; Augustauum.82: breve Alam.
204; Brix. 310; Canisianum. 82;
Cuspiniani. 55; de gestis Norm.
292. 420; Floriac. 417; Fontanell.
220; Fuld. perd. 241; Gothanum.
164; Gradense. 432: imperiale.
83; Lauson. Chartul. 146; Moissiac.
205; Nonant. 434; paschale. 58.
Pithoeanum. 83; Sagornini. 432;
Salern. 431; S. Petri vivi. 420;
S. Victoris. 205; Ulricianum. 82;
Vedast. 298; Venetum. 432.
Chunibert, Lehrer in Salzburg. 404.
Churrer, Caspar. 7.
Cismar, Necrolog. 447.
Cividale, Necrolog. 456.
Clairvaux, Necrolog. 454.
Ciarenthal, Necrolog. 437.
Clarius, Mönch in Sens. 420.
Claudius v. Turin. 155. 205. 207.
Clausula de Pippino. 127.
Clemens Scottus. 155; alius. 207. 231.
294.
Cluny. 421. 422.
Coblenz, Castorstift. 65.
Codex Carolinus. 190; Einsidl. 281.
Einsidl. Vitae Caroli. 206.
Cod. epistolaris Fuld. 234.
Coeln. 263. 360-363; Necrol. 445.
Colbatz, Necrolog. 447.
Columban. 116—119.
Compilatio Fuld. 240. 241. 368.
Conquestio dorn. Chludovici. 211.
Conrad I, König. 273.
— (934-976) B. v. Constanz. 398.
— von Hirschau. 87.
— von St. Avold. 373.
— B. Pilgrims Sänger. 406.
Conring. 13.
Constantin, Abt von St. Symphorian.
373. 374.
Constantinus scholasticus. 418.
— Porphyrogenitus. 424.
Constantius Luxoviensis. 319. 399.
Constanz. 269. 398; Necrol. 439.
Constructio Farfensis. 309.
Consularia Constantinop. 58; Italica.
55.
Continuator Reginonis. 367 — 369.
Contzen. 33.
Conversio Carantanorum. 291.
Corbeil, Necrolog. 458.
Corbie. 114. 118. 249-252; Necrol.
457.
Cornelius. 30.
Corvey. 249 — 255. 319. 328 — 333.
359. 360.
Cosmographia anon. Rav. 67.
Cozroh. 288.
Crantz. 149. 204.
Cremona, Necrolog. 456.
Cuono von St. Avold. 373.
Cur, Necrolog. 441.
Cuspinian. 3. 5. 55.
Cysoing. 174.
Czarnowanz, Necrolog. 449.
D'Achery 11.
Dado (880-923) B. v. Verdun. 267.
275.
Dahlmann. 22. 33.
Dedicatio St. Petri Bab. 391.
Deggingen, Necrolog. 442.
De imp. pot. in Urbe Roma. 429.
Denkendorf, Necrolog. 439.
Derneburg, Necrolog. 444.
Deuil. 389.
Deutscher Orden, Necrolog. 449.
Deutz, Necrolog. 445.
Register.
465
Dicuil. 154.
Diederich, Hersf. Mönch. 418.
Diekamp. 30.
Diessen, Necrolog. 442.
Dietkirchen, Necrolog. 452.
Dijon, Necrolog. 454.
Dionysius chronographus. 128.
— exiguus. 58.
Diptycha. 64.
Diptychon St. Maximini. 364.
Dodanae liber manualis. 211.
Domus Carol. Genealogia. 168.
Donat v. Fiesole. 153.
Donauwörth, Necrolog. 442.
Dortmund. 174.
Drogo von Bergh-St. Vinoc. 383.
Drübeck, Necrolog. 444.
Dubduin. 271.
Dublin, Necrolog. 459.
Du Chesne. 12.
Dudo von St. Quentin. 420.
Duemge. 18.
Duemmler. 24.
Dürrenstein, Necrolog. 451.
Düsseldorf, Necrolog. 445.
Dungal. 153. 157. 292.
Durham, Necrolog. 459.
Dysibod. 40.
Eberbach, Necrolog. 437.
Eberhard, Markgr. v. Friaul. 174.
Eberhart v. Gandersheim. 337.
Eberndorf, Necrolog. 450.
Ebersberg, Necrolog. 450.
Ebo, Erzb. v. Reims. 296.
Ebrach, Necrolog. 443.
Ebrachar (959—971) B. v. Lüttich.
380.
Ebrardus. 168.
Eburnant v. Hornbach. 374.
Ecbasis captivi. 377.
Echternach. 132; Necrolog. 452.
Eckhart. 15. 16.
Egbert (977—993) Erzb. v. Trier. 365.
366.
Egebert, Lütticher Lehrer. 389.
Eginhard u. Emma. 174.
Eginold, Abt v. Gorze. 369.
Egmond. 262. 366; Necrolog. 446.
Eichstedt. 290. 406; Necrolog. 442.
Eigil, Erzb. v. Sens. 258.
— Abt von Fulda. 232.
Eika, Alteneyk. 266.
Einhard. 178—189. 226. 223; Ann.
197—201.
Einsiedeln. 286; Necrolog. 439.
Waftenbach, Geschichtsquellen. T. 6. Aufl.
Ekkehard d. Rothe, Domscholaster
in Magdeburg. 351.
— I in Sanctgallen 395.
— II palatinus. 316. 317.
— IV. 269. 393—395.
Elevatio S. Bavonis. 386.
— Macharii. 386.
Elias, B. v. Angouleme. 301.
— Abt v. Gr. St. Martin. 361.
Ellwangen. 282; Necrolog. 442.
Elogium Liberii papae. 59.
Elten, Necrolog. 446.
Endlicher. 30.
Engelberg, Necrolog. 439.
Engelmod v. Corbie. 252.
Engelport, Necrolog. 437.
Engilmar, Abt. 291.
Enhardus. 226.
Ennodius. 48. 72.
Epistola Adelardi Blandin. 388; An-
dreae abb. S. Pancr. 385; Hulde-
richi Aug. 6; Luciferi. 6; Milonis
ep. Mind. 398; Notkeri 395; Othel-
boldi abb. Gand. 386.
Epistolae Alati. 291.
— Austrasicae. 110.
Epitaphium Adalberonis II. 373; Adal-
heidis imp. 423; Aggiardi. 188;
Ansäe reg. 166; Bavonis. 132.
386; Bened. VII. 430; Bernaldi.
278; Brun. Col. 361; Chrode-
gangi. 371; Ebracharii. 100; Ger-
mani. 91; Geroldi. 278; GregoriiV.
392; Heinrici com. 261; Lotharii I.
216; Lud. II. imp. 216; Lulli. 137;
Mich. Rat. 401; Ott. M. 423; Pa-
cifici. 311; Petri abb. 310; Ra-
toldi. 251; Ricfridi. 376; Rud.
diac. 362; Rutlandi. 188; Sende-
baldi. 371; Walahfr. 281; Waren-
trudis. 222.
Erchanbald (882—912) B. v. Eich-
stedt. 290.
— (965-991) B. v. Strassb. 398. 399.
ErchanbertiBreviarium.219; Cont.273.
Erchempert von Montecassino. 61. 307.
Erectio Magdeburg. 357.
Erfurt, Necrolog. 437.
Erich, Herzog. 216.
Erinfrid v. Fulda. 231.
Erlebold, Abt von Reichenau. 277.
279. 280. 283.
Ermenrichv.Ellwangen.282— 284. 290.
Ermoldus Nigellus. 208.
Erstein im Elsass. 299.
Essen, Necrolog. 445.
30
466
Register.
Etival, Necrolog. 453.
Eu, Necrolog. 458.
Eugenius Vulgarius. 305.
Eugippius. 44 — 49.
Eusebius. 52.
Everger (985—999) Erzb. v. Cöln. 362.
Evreux, Necrolog. 458.
Ewald, Paul. 33.
Excerptum ex Chron. Orosii. 57.
Fabricius, J. A. 16.
Fahr, Necrolog. 439.
Farfa. 309.
Fasti consulares, Rav. 55—57; Vin-
dobon. 55.
Faustinus. 155.
Faviana. 50.
Feldbach, Necrolog. 439.
Feldwerth, Necrolog. 447.
Feuchtwangen. 400.
Ficker, Julius. 30. 31.
Fiducia. 172.
Fincke, J. P. 16.
Fingen, Schottenabt. 372.
Flacius Illyricus. 6. 8.
Flavianus. 165.
Flavigny. 202. 259.
Fleury. 416 -418; Necrolog. 458.
Flodoardus. 409-411.
Florbert, Abt v. Gent. 384. 386.
Florennes, Necrolog. 446.
Florenz, Necrolog. 456.
Flores temporum. 2.
Florus diac. Lugdun. 60. 211.
Foecunda ratis. 389.
Folcmar (965—969) Erzb. v. Coeln.
361. 362.
Folcwin, Abt v. Lobbes u. St. Bertin.
381. 382.
Fontevraud, Necrolog. 459.
Forchheim, Necrolog 443.
Formulae. 110; Alsat. 275; Aug. 275.
279; Salisb. 275.
Fragmentum Chesnianum. 145. 204.
— de Arnulfo duce. 403; de Bonif.
VII. 430; de Lud. jun. 228; de
Pippino duce. 128.
— ex libro aureo Eptern. 128; ex
membr. Floriac. 417.
Franco (854—901) B. v. Lüttich. 266.
Francorum regum historia. 219.
Frankenchronik, Lorscher. 204.
Fraubrunnen, Necrolog. 439.
Frauenbildung. 320. 321.
Frauenburg, Necrolog. 449.
Frauenthal, Necrolog. 439.
Frecht, Martin. 7.
Frechulf, B. v. Lisieux. 217.
Freckenhorst. 246.
Fredegar. 104—107; Cont. 126— 128.
Fredigardus. 301.
Freher. 16.
Freiburg, Necrolog. 439.
Freising. 122. 123. 154. 288. 405;
Necrolog. 450.
Freudenthal, Necrolog. 456.
Friderich (954—990) Erzb. v. Salzb.
404.
— (—838) B. v. Utrecht. 390.
Fridugis. 160.
Friedrich, J. 41.
Fritzlar, Necrolog. 438.
Frodebert, B. v. Tours. 111.
Frothar (813-848) B. v. Toul 268.
Froumund. 403. 404.
Fürstenfeld, Necrolog. 451.
Füssen. 284; Necrolog. 442.
Fulco (882—900) Erzb. v. Reims. 216.
407.
Fulda. 150. 180. 205. 223—241; Ne-
crolog. 438.
Fultenbach, Necrolog. 442.
Fundatio Blandin. 384; Corb. 250;
Werthin. 245.
Galiffe. 34.
Gallus. 119. 120.
Gallus Ohem. 276.
Gaming, Necrolog. 451.
Gandersheim. 255. 256. 334—337.
Garemann, Abt v. Hornbach. 374.
Gars, Necrolog. 450.
Gauderich, B. v. Velletri. 303.
Gauzelin (922—963) B. v. Toul. 377.
Gebhard (996—999) B. v. Augsb. 401.
Gebehard II (980—995) B. v. Constanz.
398.
Geddo, Lehrer in Magdeburg. 351.
Geifs, Necrolog. 439.
Genealogia S. Arnulfi 168; Arnulfi
com. 389; Carolorum Mettensis.
168; ducum Brabantiae. 168; re-
gum Francorum. 168.
Genf, Necrolog. 454.
Gengenbach, Necrolog. 439.
Gent. 384—386.
Genua, Necrolog. 455.
Geographus Bawarus. 289.
Gerbert (Silvester II). 317. 318. 372.
411. 412.
Gerbirg, Aebt. v. Gandersheim. 321.
334.
I
Register.
467
Gerfrid (809—839) B. v. Münster. 246.
Gerhard (963—994) B. v. Toul. 377.
— Abt v. Brogne. 387—389.
— Abt v. Seon. 319.
— Augsburger Priester. 400.
Germain. 11.
Gero (969—976) Erzb. v. Coeln. 362.
Gerold, Graf. 278.
Gerresheim, Necrolog. 444.
Geseke, Necrolog. 445.
Gesta Aldrici Cenom. 303; Beringarii
311; Dagoberti. 109; Francorum.
107—109; Heinrici IV. 5; Oddo-
nis I. 334; Theoderici. 72; Witi-
gowonis. 397.
— Pontt. Rom. 59. 303. 430.
— archiepp. Magd. 352. 353.
— epp. Autisiod. 302; Cenom. 302.
303; Halb. 345. 357; Leod. 383;
Mett. 168. 374; Neap. 307. 308;
Verdun. 267.
— abb. Fontanell. 220; Lob. 381; S.
Bertini. 382.
Giesebrecht. 34.
Girard von Rossillon. 299.
Gisiler (981—1004) Erzb. v. Magd. 351.
Gladbach, Necrolog. 445.
Glanfeuil. 300.
Glasgow, Necrolog. 459.
Glatz, Necrolog. 443.
Glossae Salomonis. 275.
Gnesen. 353.
Godefrid (950—961) B. v. Speier. 323.
Godehard (1022—1038) B. v.Hild. 405.
Goderamnus, Abt in Hild. 348.
Godesscalk (994 — 1006) B. v. Freis.
405.
— can. Leod. 264.
— Ketzer. 215. 237.
— Kalligraph. 152.
Goerlitz, Necrolog. 448.
Gogo. 110.
Goldmann. 35.
Gorze. 369—371.
Gottesthal, Necrolog. 438.
Gozbald (841—855) B. v. Würzburg.
222. 282. 283. 289. 290.
Gozbert, Abt v. Hersfeld. 341.
— Abt v. St. Gallen. 270.
— dessen Neffe. 270.
Gozpert, Abt von Tegernsee. 403.
Grafschaft, Necrolog. 445.
Grandval, Granfelden. 120. 271. 302.
Graphia aureae urbis Romae. 429.
Grautoff. 30.
Gregorii I. Dialogi. 171.
Gregor V. 392.
— Turon. 92—101; hist. epit. 105.
— v. Utrecht. 244.
Grenoble, Necrolog. 454.
Gretser. 9.
Griechen. 322.
Grimald, Abt v. St. Gallen. 222. 268.
271. 279. 280. 282. 283.
Gudinus. 319.
Günthersthal, Necrolog. 439.
Guido Pisanus. 67.
Guimann von St. Vaast. 298.
Guines, Necrolog. 457.
Gumpold, B. v. Mantua. 434.
Gundram, k. Caplan. 282.
Gunthar (849—863) Erzb. v. Coeln. 263.
— (1024—1025) Erzb. v. Salzb. 404.
Gunzo von Novara. 315. 316.
Gurk, Necrolog. 450.
Gutstadt, Necrolog. 449.
Haeusser, L. 34.
Hailsbronn, Necrolog. 443.
Haimin von St. Vaast. 297.
Haimo (840-853) B. v. Halb. 344.
— von Auxerre. 302.
Halberstadt. 344. 345. 357; Nee. 444.
Halle, Necrolog. 448.
Hamb erger. 16.
Hamburg. 248; Necrolog, 447.
Hameln. 136; Necrolog. 447.
Hariulf. 172. 301.
Hartgar (840—854) B. v. Lüttich. 266.
Hartmann, Abt v. St. Gallen. 394.
— Mönch in St. Gallen. 273. 396.
— Schedel. 2.
Hartmut, Abt v. St. Gallen. 271.
Haslach. 120.
Hathumod. 255.
Hatto (891—913) Erzb. v. Mainz. 243.
260.
— I, Abt v. Fulda. 235.
— III, Abt v. Fulda. 416.
Hazecha v. Quedlinburg. 321. 324.
Hedwig, Herzogin v. Schwaben. 320.
Heerwagen. 7.
Hegel, Karl. 30.
Heidenfeld, Necrolog. 443.
Heidenheim. 137.
Heiligenkreuz, Necrolog. 451.
Heimo (991—1024) B. v. Verdun. 377.
Heinrich II, Kaiser. 319.
— (956-964) Erzb. v. Trier. 401.
— Gandavensis. 86.
Heinrichau, Necrolog. 449.
Heiusberg, Necrolog. 446.
30*
468
Register.
Heirich v. Auxerre. 301.
Heito (806—823) B. v. Basel. 276.
277. 280.
Helisachar. 217.
Helmold. 7.
Henschen, Gotfried. 10.
Herford. 252. 253. 337. 338.
Heribert (999—1021) Erzb. v. Coeln.
363.
Heriger, Abt v. Lobbes. 382. 383. 385.
Herimanni Aug. Martyrol. 61.
Hermann, Wormser Cler. 392.
Hermetschwil, Necrolog. 440.
Hersfeld. 241.
Herveus, Schatzmeister v. St. Martin.
417.
Hetti (814-847) Erzb. v. Trier. 257.
Hibernicus exul. 153.
Hieronymi Chron. 53; Martyrol. 60;
de viris ill. 118.
Hildebald, Erzb. v. Coeln. 263. 267.
— B. v. Soissons. 302.
Hildebold, Lehrer. 377.
Hildegar, B. v. Meaux. 112.
Hildegrim (853—888) B. v. Halb. 246.
Hildesheim. 345—350; Necrol. 444.
Hildeward (968—996) B. v. Halb. 344.
Hilduin (842— 849) Erzb. v. Coeln. 263.
— Abt v. St. Denis. 236.
Hincmar, Erzb. v. Reims. 295. 296:
de ord. pal. 252.
— B. v. Laon. 296.
Hinschius. 22.
Hippolytus Portuensis. 54.
Historia Abb. Agaun. 103; Daretis
Frigii. 105; Francorum regum.
219; Francorum Senon. 420; Fri-
derici I. 2; Langob. cod. Goth.
164; Lombardica. 61; Lud. VII.
110; Miscella. 166; Sanguinis
Domini. 397; Wambae regis. 84.
Historiae Francorum Steinveld. 168.
Hitto (810—835) B. v. Freising. 288.
Hitzkircb, Necrolog. 440.
Hofannalen. 145.
Höfen, Necrolog. 440.
Hofschule. 156. 222. 236. 294. 322.
Hohenfurt, Necrolog. 443.
Hohenwart, Necrolog. 442.
Holder-Egger. 27.
Honau, Necrolog. 439.
Honorii lmago mundi. 2.
Honorius de SS. eccl. 86.
Hornbach. 275. 374.
Hotel-Dieu de Saint-L6. 458.
Hrabanus Maurus. 60. 222. 234—238.
Hradisch, Necrolog. 444.
Hrotrohc. 123.
Hrotsuit. 334—336.
Hubald, Lütticher Lehrer. 380.
Huber, Alfons. 31.
Hubert (708—727) B. v. Lüttich. 265.
— Priester v. St. Vaast. 297.
Hucbald v. St. Amand. 301. 407. 408.
Hugo (942—989) Erzb. v. Rouen. 420.
— (945-947) B. v. Lüttich. 363. 380.
— Abt v. Saint-Qu entin. 215.
— Archid. v. Tournay 417.
— de S. Maria. 419.
— x. Trimberg. 87.
Huisburg, Necrolog. 444.
Humbert (832—841) B. v. Würzbum.
290.
Hunibald. 8.
Huoggi, Abt v. Fulda. 240.
Husward. 60.
Huy. 174.
Hydatius. 58. 83.
Ibrahim-ibn-Jaküb. 333.
Idacius (Hydatius). 58. 83.
Ildefons von Toledo. 86.
Illatio S. Benedicti. 418.
llsenburg, Necrolog. 444.
Immo, B. v. Arezzo. 375. 390.
— Abt v. Gorze u. Prüm. 398.
— Abt v. Münster. 395.
— Abt v. St, Gallen. 395.
— Abt v. Waussor. 372.
Imperator. 330.
Importunus, B. v. Paris. 111.
Indiculus Arnonis. 158.
Ingramnus, B. v. Laon. 199.
Invectiva in Romam. 305.
Inventio S. Gisleni. 388; Hunegundis.
413; Maurini. 362.
Irland. 115. 116.
Irmingart, Kaiserin. 277. 278.
Irmintrud, Gem. Karls d. K. 300.
Irsee, Necrolog. 442.
Isarhofen. 290.
Isidorus Hispalensis. 84 — 86: cont.
103; Pacensis. 84.
Island, Necrolog. 460.
Isny, Necrolog. 440.
Iso von St. Gallen. 271. 275.
Israel, irl. Bischof. 322.
Ivrea, Necrolog. 455.
Jacobus Jauuensis. 61.
Jaffe. 31. 32.
Janssen. 30.
Register.
469
Jaszo, Necrolog. 449.
Johannes Canaparius, Abt. 435.
— Abt v. Gorze. 369—371.
— Abt v. Montecassino. 307.
— Abt v. St. Arnulf. 370. 371.
— Abt v. St. Maximin. 395.
— Biclariensis. 83.
— Calaber. 318.
— von Cluny. 422.
— Fuldensis. 231.
— diac. Neap. 307. 308.
— diac. Rom. 304.
— Scotus. 300.
— Trithemius. 2. 8. 86.
— diac. Ven. 432.
— Herzog v. Neapel. 308.
Jonas, B. v. Orleans. 265.
— y. Susa. 116. 118. 119.
Jordanis. 5. 65. 72—79.
Joseph Anglicus. 153.
— Lehrer. 300.
Jotsaldus von Cluny. 423.
Judith, Kaiserin. 218. 280. 295.
Julian, B. v. Toledo. 84.
Julius Africanus. 52.
Jumieges, Necrolog. 458.
Kaddroe, Abt. 372.
Kaiserswerth, Necrolog. 445.
Kaisheim, Necrolog. 442.
Kalender. 55.
Kaltenbrurmer. 33.
Kamenz, Necrolog. 449.
Kammin, Necrolog. 447.
Kaufungen, Necrolog. 438.
Kempten, Necrolog. 440.
Kentropp, Necrolog. 445.
Klein Mariazeil, Necrolog. 451.
Klosterneuburg, Necrolog. 451.
Knust. 22.
Koenigsfelden, Necrolog. 440.
Koner. 30.
Kopenhagen, Necrolog. 460.
Krakau, Necrolog. 449.
Krause. 17.
— Victor. 23.
Krumau, Necrolog. 443.
Kunigunde, Kaiserin. 321.
Laach, Necrolog. 453.
La Cava, Necrolog. 457.
La Charite sur Loire, Necr. 458.
La Chartreuse de la Lance. 454.
La-Croix-Saint-Leufroy, Necr. 458.
Lambert (—708) B. v. Mastricht. 264.
— von Hersfeld. 7. 17.
Lammspring. 255. 256.
Landerich, B. v. Meaux. 110.
Landshut, Necrolog. 451.
Landulfus Sagax. 166.
Langobarden. 164 ff. ; Herkunft. 164.
Laon, Necrolog. 457.
La Perine, Necrolog. 458.
Lappenberg. 23. 30.
Laufen am Neckar. 290.
Laurentius Casin. 435.
Lausanne. 146; Necrolog. 454.
Laus Hispaniae. 86.
Le Bec, Necrolog. 458.
Lecce, Necrolog. 457.
Legenda aurea. 61.
Legenden. 61.
Leibniz. 13 — 16.
Leidrad, B. v. Lyon. 154.
Le Mans. 302.
Leo VII. 409.
— B. v. Vercelli. 430.
— Abt u. Legat. 306. 412.
— Archipresbyter. 308.
Leobgyth. 238.
Leslau, Necrolog. 449.
Lessais, Necrolog. 458.
Le Treport, Necrolog. 458.
Leubus, Necrolog. 449.
Liafwin. 133. 246. 386.
Libellus de Maj. domus. 128. 168.
— supplex mon. Fuld. 232.
Liber generationis. 54. 104; Heremi
394; hist. Francorum. 107—109;
pontificalis. 303; vitae Einsidl.
394.
Libri Carolini. 157. 161.
Lichtenthai, Necrolog. 438.
Lieder. 36.
Ligurinus. 4.
Lilienfeld, Necrolog. 451.
Limburg au der Lahn, Necr. 453.
Limoges, Necrolog. 459.
Lincoln, Necrolog. 459.
Lindau, Necrolog. 440.
Liudfrit, Lehrer in Salzburg. 404.
Liudger (804—809) B. v. Münster.
243—245.
Liudprand. 372. 423-428.
Liudulf, Mainzer Priester. 242.
Liuphram (836—859) Erzb. v. Salz-
burg. 292.
Liutbert (863—889) Erzb. v. Mainz.
228. 229. 243.
— (849-871) B. v. Münster. 246.
Liutbirg, Klausnerin. 254. 320.
Liuthard, Abt v. St, Gallen. 397.
470
Register.
Liuthard, Probst. 267.
Liutward v. Vercelli. 273.
Livinus. 132. 386.
Lobbes. 130. 381. 382. 392.
Loewenfeld. 33.
Loewenthal, Necrolog. 440.
Lond, Necrolog. 449.
London, Necrolog. 459.
Lorch. 50.
Lorenz, Ottokar. 35.
Lorsch. 144. 204; Necrolog. 438.
Lothar, Kaiser. 281.
Lubin, Necrolog. 449.
Lucca, Necrolog. 456.
Ludolf, Hiob. 14.
Ludwig der Fromme. 277. 278. 294.
— der Deutsche. 221—223. 292.
Ludwigsieich. 216.
Lübeck, Necrolog. 447.
Lüneburg, Necrolog. 444.
Lüttich. 264—266. 379—383. 391;
Necrol. 446.
Lullus (754—786) Erzb. v. Mainz. 135
bis 137.
Lund, Necrolog. 460.
Lupoid v. Bebenburg. 6.
Lutra, Lure. 116.
Luxeuil. 117. 378.
Luzern, Necrolog. 440.
Lygumkloster, Necrolog. 460.
Lyon, Necrolog. 454.
Lyre, Necrolog. 458.
Maassen. 26.
Mabillon. 11.
Madalwin. 50.
Magdeburg. 350—354. 357 ; Necrolog.
448.
Magdenau, Necrolog. 440.
Magno, Erzb. v. Sens. 156.
Mahthild, Königin. 320. 338. 339.
— Aebt. v. Quedl. 331. 339.
Mailand. 84. 310; Necrol. 455.
Mainz. 135. 227. 228. 242. 243. 395;
Necrolog. 437.
Majolus, Abt v. Cluny. 422.
Ma'lmedy. 267.
Manlius. 3.
Manno, Probst. 294.
Marcellinus comes. 56.
Marchelm (Marcellinus). 133.
Marchthal, Necrolog. 440.
Marculf. 110.
Marcward, Abt v. Prüm. 257. 258.
Mariahof, Necrolog. 440.
Marienberg bei Helmstedt. 444.
Marienberg im Vintschgau, Necrolog.
441.
Marienfeld, Necrolog. 447.
Marienkron, Necrolog. 447.
Marienstatt, Necrolog. 445.
Marius Aventicensis. 83. 102.
Marseille, Necrolog. 453.
Martinus Bracarensis. 84.
Martyrium S. Procopii. 431.
Martyrologien. 59—61.
Martyrologium Augiense. 60. 276.
Massai in Berry. 299.
Matthaeus Palmerius. 82.
Matthias Palmerius. 82.
Mauriner. 11. 12.
Maximilian, Kaiser. 3. 4.
Maximian, ß. v. Ravenna. 57. 309.
Maximus von Zaragoza. 86.
Meaux, Necrolog. 458.
Mediolani Descriptio. 165.
Megingoz (791-794) B. v. Würzb. 135.
Meginhard von Fulda. 228. 229. 239.
240.
Meginrat, h. 286.
Mehrerau, Necrolog. 440.
Meissen, Necrolog. 448.
Melanchthon. 6. 7.
Melk, Necrolog. 451.
Mencke. 16.
Merkel, Joh. 22.
Merseburg. 356. 357; Necrolog. 448.
Meseritz. 353.
Metz. 105. 144. 168. 203. 268. 369 bis
374 : Necrol. 453.
Michael (944—972) B. v. Regensburg.
401.
Michaelbeuern, Necrolog. 450.
Michelsberg. 416.
Mico von St. Riquier. 301.
Millstatt, Necrolog. 450.
Milo von St. Amand. 407.
Mirabilia Romae. 55.
Miracula sanctae Adalheidis. 423;
Bertae. 299; Glodesindis. 371;
Verenae.397;WaldburgaeHeidenh.
137; Monh. 290; Tiel. 390.
— sancti Adalberti. 354. 436; Adelplii.
287; Agrippini. 308: Angilberti.
175; Apri. 378.
— Basoli. 378; Bavonis. 385; Bene-
dicti. 417; Bercharii. 378; Bern-
wardi. 348: Bertini. 301; Colum-
bani. 428; Eugenii. 389.
— Galli. 270; Genesii. 284; Germani.
299. 302: Goaris. 258: Gorgonii.
370.
Register.
471
— Mansueti. 378; Marci. 285. 396;
Martialis. 301; Mauri. 300; Maxi-
mini. 364.
— Othmari. 271; Pantaleonis. 362;
Pirminii. 374; Quintini. 188; Re-
macli. 267; Richarii. 173.
— Vedasti. 297; Waideberti. 378:
Wandregisili. 220; Wigberti. 341;
Willehadi. 247.
— Sanctorum Fuld. 238.
Modena, Necrolog. 456.
Modestus. 234.
Modoin, B. v. Autun. 156. 281.
Moellenbeck, Necrolog. 447.
Moengal Marcellus. 271.
Moissac. 206.
Mombritius. 9.
Monimsen. 24.
Monachus Engolismensis. 200.
— Sangallensis. 187.
Mone. 30.
Monheim. 290.
Monte Aragon, Necrolog. 460.
Montebourg, Necrolog. 448.
Montecassino. 167. 306. 307. 417.
457.
Montier-en-Der. 377.
Mont-Saint-Michel, Necrolog. 458.
Monumenta Germaniae. 17 — 27.
Monza, Necrolog. 455.
Moriuth. 420.
Mühlbacher. 31.
Müller, Joh. 17.
Münchsmünster, Necrolog. 451.
Münsterbilsen, Necrolog. 446.
Münster in Graubündten. 441.
Münster in Westfalen. 245. 447.
Muratori. 11.
Murbach. 147.
Muri, Necrolog. 440.
Namur, Necrolog. 446.
Narbonne, Necrolog. 459.
Narratio clericorum Rem. 296.
Naso. 156.
Naumburg, Necrolog. 448.
Neapel. 305. 307.
Necrologien. 63
Neresheim, Necrolog. 442.
Nestved, Necrolog. 460.
Neuenheerse, Necrolog. 445.
Neuenkamp, Necrolog. 447.
Neunkirchen, Necrolog. 443.
Neuweiler bei Zabern. 287.
Neuwerk bei Halle, Necr. 448.
Nibelung. 127.
Nicolaus v. Siegen. 87.
Nieder- Altaich. 289. 405: Necrol. 452.
Niedermünster, Regensb. 403.
Niederschoenefeld, Necrol. 442.
Nienburg. 353.
Nithard. 174. 212—215.
Nivelle. 129.
Nonantula. 433. 434.
Nonsb erger Märtyrer. 43.
Nordhausen. 338. 339; Necr. 438.
Norwegen, Necrolog. 460.
Nota de unct. Pippini. 127.
Notae Bronienses 388; dedic. Fuld.
241 ; S. Vict. Xant. 262.
Notitia de servitio monasteriorum. 206.
Notker, (972 — 1008) B. v. Lüttich.
380-383. 385.
— balbulus. 60. 187. 272—274. 395.
— Pfefferkorn. 318.
Notteln, Necrolog. 447.
Novalese, Necrolog. 455.
Nuenar, Graf. 5.
Nürnberg, Necrolog. 442.
Oberaltaich, Necrolog. 451.
Odbert von Utrecht. 390.
Odelrich (961—969) Erzb. v. Reims.
411.
Odilo, Abt v. Cluny. 422.
— von St. Medard. 199.
Odo, Abt von Cluny. 422.
— Abt v. Glanfeuil. 300.
Odorannus von Sens. 419.
Odulf, Custos von St. Riquier. 301.
Oehringen, Necrolog. 443.
Ohtrich, Otricus, Magd. Lehrer. 351.
Oliva, Necrolog. 449.
Olmüz, Necrolog. 444.
Opatowitz, Necrolog. 443.
Origo et exordium gentis Francorum.
168.
— gentis Langob. 164.
— Suevorum. 333.
Orleans, Necrolog. 458.
Orosius. 80.
Ortwinus Gratius. 6.
Osnabrück, Necrolog. 447.
Ossiach, Necrolog. 450.
Ostertafeln. 55. 58.
Ostgothen 65 ff.
Ostrau, Necrolog. 443.
Otgar (825—847) Erzb. v. Mainz. 242.
Otger, Paladin Karls. 174.
Otricus. 258.
Otto I. 315—317; II. 317. 318; III.
318.
472
Register.
Otto Frisingensis. 2. 5.
Ottobeuern, Necrolog. 442.
Otwin (954—984) B. d. Hild. 34G. 364.
— Abt v. Gent. 385.
Ovidius de vetula. 6.
Pacificus, Archidiaconus. 310.
Paderborn. 253; Necrol. 445.
Pairis, Necrolog. 454.
Palacky. 30.
Palermo, Necrolog. 457.
Panegyricus Berengarii 311.
Papebroch. 10.
Paris. 108. 299; Necrol. 457.
Paschasius Radbertus. 251.
Passau. 50. 290. 291. 405. 406; Necrol.
451.
Passio Adalberti Prag. 353. 354: Afrae.
42; Bonifatii. 136. 375; Christo-
phori. 324 ; Desiderii. 1 14 ; Dionysii.
109; Floriani 42; Friderici Traj.
390; Quatuor Coronat. 43; Sigis-
mundi. 103; Thebaeorum 39. 41;
Undecim inilium virg. 39. 41 ;
Victoris et Ursi 103.
Paulinus (787-802) Patr. v. Aquil.
151. 216.
Paullini. 14.
Paulus, Erzb. v. Rouen. 300.
— Diaconus. 152. 163-171: Coli.
homil. 168; Gesta epp. Mett. 168;
Hist. Lang. 5. 169-171; Cont.
Casin. 307; Rom. 204. 304: Hist.
Rom. 52. 166.
— Lang. 3.
Pavia. 157.
Pegau, Necrol. 448.
Pelplin, Necrolog. 449.
Portz. 20—22.
Petershausen. 398; Necrolog. 440.
Petrus Damiani. 436.
— Diaconus de SS. ill. 86.
— Gallus Wagner. 87.
— Luder. 2.
— subd. Neap. 308.
— Pisanus. 152.
— de Vinea. 6.
Peutinger. 4. 5. 7.
Pez, B. u. H. 13.
Pfävers, Verbrüderungsbuch. 64.
Piacenza, Necrolog. 456.
Picho. 277.
Piligrim (971—991) B. v. Passau. 405.
Pirmin. 275. 374.
Pirna, Necrolog. 448.
Pistoja, Necrolog. 456.
Planctus Caroli. 216.
Podlasitsch, Necrolog. 443.
Poeta Saxo. 256.
Polling, Necrolog. 442.
Pomesanien, Necrolog. 449.
Pont-ä-Mousson, Necrolog. 453.
Pontificale Romanum. 59.
Poppo (1016—1047) Erzb. v. Trier.
402.
— (941—961) B. v. Würzb. 316.
Porphyrius. 44.
Potthast. 10. 17. 32.
Prag. 435; Necrolog. 443.
Pregitzer. 14.
Presbyter Ultraject. 136.
Primordia Gandeshem. 336.
Prologus legis Salicae. 90.
Prosper. 81; Cont. Havn. 84.
Prudentius. 294.
Prüfening, Necrolog. 451.
Prüm. 257—259. 364; Necrol. 453.
Purchard II, Abt von St. Gallen. 395.
— von Reichenau. 387.
Quedlinburg. 321. 339. 340; Necrolog.
444.
Querimonia Romanorum. 303.
Radbert Paschasius. 251.
Radbod (899-907) B. v. Utrecht, 375.
376.
Radegunde. 91.
Rado cancellarius. 163.
Radulfus de Diceto. 87.
— Tartarius. 418.
Raitenbuch, Necrolog. 451.
Raitenhaslach, Necrolog. 450.
Ramwold, Abt von St. Emmeram. 402.
Ranke, L. 29.
Ranshofen, Necrolog. 452.
Ratbod (883-915) Erzb. v. Trier. 257.
Ratgar, Abt v. Fulda. 231. 232.
Ratherius. 379. 380.
Ratleik. 183. 222.
Ratpert, Mönch in St. Gallen. 268.
269. 272. 273.
Ratram, Mönch in Corbie. 251.
Raumer, Fr. von. 29.
Ravenna. 55. 309.
Reccheo. 234.
Regensburg. 86. 122. 289. 401—403;
Necrol. 451.
Regimar, Priester. 221.
Reginbald, Bibl. v. St. Emm. 404.
Reginbert (834—835) B. v. Hild. 345.
— Bibl. in Reichenau. 276. 287.
Register.
473
Regino v. Prüm. 257. 259—262.
Reginold (966—989) B. v. Eichstedt.
406.
Regum Merov. geneal. et cat. 168.
Reichenau. 147. 276-287. 392. 393.
396 — 398; Verbrüderungsbuch u.
Necr. 64. 276. 440.
Reichsanna] en. 190 ff.
Reims. 296. 407—416; Necr. 457.
Relatio S. Richarii. 173.
— S. Vedasti. 297.
— S. Walarici. 388.
Remigius v. Auxerre. 301. 402.
Remiremont. 129; Necrolog. 453.
Renatus Profuturus Frigeridus. 96. ■
Rettberg. 39—41.
Retz, Necrolog. 452.
Revelatio Steph. papae. 127.
Reversio S. Martini. 422.
Rheinau. 286; Necrolog. 441.
Rhythmische Gedichte. 215.
Ricburg, Aebtissin. 338.
Richard, Abt v. Fulda. 418.
Richarius (922—945) B. v. Lüttich.
259. 261.
Richbod (795-804) Erzb. v. Trier.
257. 369.
Richer. 413—416.
Richthofen. 22.
Riculf (786-813) Erzb. v. Mainz. 172.
242.
Riga, Necrolog. 449.
Rimbert (865—888) Erzb. v. Hamb.
248. 249. 254.
Rinaudo. 12.
Ripen, Necrolog. 460.
Robert (989—1037) Erzb. v. Rouen.
420.
Rochus v. Ilsenburg. 344.
Rodbert (930—956) Erzb. v. Trier.
365. 409.
Rodoin, Probst. 199.
Rodrad, Mönch in Corbie 250.
Rösler. 17.
Rolandswerth, Necrolog. 455.
Rom. 305. 306. 429. 430. 456.
Rommersdorf, Necrolog. 453.
Ronneburg, Necrolog. 449.
Rorico. 110.
Rosenthal, Necrolog. 438.
Rostock, Necrolog. 447.
Roswey, Heribert van. 10.
Rotenhan. 5.
Rotein. 64.
Roterius. 103.
Rotger (917—930) Erzb. v. Trier. 365.
Roth, Necrolog. 441.
Rothschild, Necrolog. 460.
Rouen. 108. 114; Necrol. 458.
Rudolf v. Fulda. 227. 228. 238. 239.
Rudpert, Mönch v. Reichenau. 398.
Rüxner. 8.
Rufinus. 52.
Ruinart. 11.
Ruodlieb. 327.
Ruopert, Mönch v. Mettlach. 366.
Ruotger von Coeln. 361.
Ruotpert (883-897) B. v. Metz. 369.
379.
Rupert v. Salzburg. 121. 122.
Ruppertsberg, Necrolog. 438.
Saint-Amand. 142. 407.
— Avold. 373.
— Bavon. 384—388.
— Benoit-sur-Loire. 416—418.
— Bertin. 382. 388.
— Claude. 294.
— Denis. 107. 109. 110. 127. 203.
387. 388. 458.
— Evre. 377. 378.
— Evroul (Utica). 458; de Mortaing.
458.
— Germain-des-pres. 112. 299. 457.
— Ghislain. 387. 388.
— Hubert. 265.
— Jean-de-Maurienne. 455.
— Martial. 301. ^
— Martin de Seez, Necr. 458.
de Tours. 160. 458.
— Mary-de-Forcalquier, Necr. 455.
— Maur.-des-fosses, Necr. 458.
— Maurice. 103.
— Medard. 211.
— Mihiel. 377.
— Omer. 392.
— Pierre bei Macon, Necrol. 454.
— Remi. 413.
— Riquier. 173. 213—215. 301.
— Robert de Cornillon, Necr. 454.
— Trond, Necrolog. 446.
— Vaast. 297. 457.
— Vannes, Necrolog. 453.
— Wandrille. 220.
Sainte-Foy-do-Longueville. dös.
Salem, Necrolog. 440.
Salerno, Necrolog. 457.
Salomo III. (890-920) B. v. Const.
274. 275.
Salvianus. 46.
Salzburg. 121. 122. 149. 188. 291.
292. 321. 101. 119.
474
Register.
Samland, Necrolog. 449.
Samuel (Beornrad) Erzb. v. Sens. 235.
- (841—856) B. v. Worms. 235.
Sanct Andrä, Necrolog. 452.
— Arnulf, Metz. 257. 369. 370.
— Blasien, Necrolog. 440.
— Emmeram. 289. 402—404. 451.
— Florian. 42; Necrolog. 452.
— Gallen. 64. 119. 120. 236. 268 bis
275. 287. 316. 318. 369. 392 bis
396. 398. 440.
— Georgen, Necrolog 440.
— Jacob auf d. Donnersberg. 438.
— Jacob, Lüttich. 391.
— Lambrecht, Necrolog. 450.
— Maximin. 363. 364. 367. 369. 452.
— Michael, Hild. 347—348. 350. 444.
— Pantaleon. 362.
— Paul im Lavantthal, Necrol. 450.
— Peter bei Freiburg, Necrol. 440.
— Peter, Salzburg 121. 450.
— Poelten, Necrolog. 452.
— Symphorian, Metz. 373.
— Urban, Necrolog. 441.
— Vincenz, Metz. 373.
Sancta Maria de Abundantia, Necr.455.
de Gualdo, Necr. 457.
Sant Andrea. 429—431.
Schachdorf, Necrolog. 441.
Schaffhausen, Necrolog. 441.
Schienen, Kloster. 285.
Schmauss. 10.
Schmerlenbach, Necrolog. 438.
Schoenau, Necrolog. 453.
Schoenenwerd, Necrolog. 441.
Schorkel, Siegmund. 7.
Schottenmönche. 115—121. 124. 125.
153. 266. 268. 271. 279. 286. 292.
301. 310. 372. 420.
Schussenried, Necrolog. 441.
Schwarzach, Necrolog. 443.
Schwarzenbach, Necrolog. 441.
Seckau, Necrolog. 450.
Secundus von Trient. 165.
Sedulius Scottus. 266.
Seedorf, Necrolog. 441.
Seitz, Necrolog. 450.
Seidenthal, Necrolog. 451.
Seligenpforten, Necrolog. 451.
Seligenstadt, Necrolog. 438.
Seltz. 423.
Semler. 17.
Sens. 419. 420. 457.
Seon, Necrolog. 450.
Sermo de S. Ferrutio. 240.
Servatus Lupus. 236. 258. 301.
Severin. 44—50. 308.
Severus Sulpitius. 57. 101.
Sichardus. 7.
Sickel. 24.
Siegburg, Necrolog. 445.
Siena, Necrolog. 456.
Sigebertus de SS. eccl. 86.
Sigehard, Mönch von St. Maximin. 364.
Sigeward. 253.
Sigloard. 216.
Sigulf, Abt v. Ferneres. 160. 163.
Sindelfingen, Necrolog. 441.
Sion, Necrolog. 441.
Sirmond. 9.
Sitten, Necrolog. 455.
Smaragdus, Abt. 326.
Sobius, Jacob. 6.
Soest. 362.
Solenhofen. 282.
Sophia, Aebt. v. Gand. 336.
Soupher, Gervasius. 5.
Speier. 323. 324. 438.
Spital, Necrolog. 452.
Staatskalender, röm. 54 ff.
Stabius. 3. 5.
Stablo. 259. 265. 267. 383.
Starchand (933—966) B. v. Eichstedt.
406.
Steffanus, Magister. 165.
Stein, Freih. vom. 17—20. 28.
Steinen, Necrolog. 441.
Steingaden, Necrolog. 442.
Stenzel. 29. 30.
Stepeiin von St. Trond. 386.
Stephan (901-920) B. v. Lüttich. 379.
— v. Novara. 316. 317.
— Mönch von St. Pantaleon. 362.
Stetten, Necrolog. 441.
Strassburg. 208. 398. 399. 439.
Struve, B. G. 16.
Stumpf, K. F. 31.
Sturm, Abt v. Fulda. 230.
Sulpicius, Alexander. 96; Severus 62.
Suntheim, Ladislaus. 3.
Surius, Laurentius. 9.
Symeon, Mönch. 310.
Symmachus. 66.
Syrus v. Cluny. 422.
Tabula Peutingeriana. 4.
Tacitus. 36.
Tado, Erzb. v. Mailand. 310.
Tagino (1004—1012) Erzb. v. Magdeb.
352.
Talloires, Necrolog. 455.
Tarentaise, Necrolog. 455.
Register.
475
Tatto, Lehrer in Reichenau. 277. 279.
280.
Tegernsee. 123. 364. 403; Necr. 451.
Tengnagel. 9.
Tennenbach, Necrolog. 441.
Tentzel. 14.
Teuffei. 33.
Thännikon, Necrolog. 441.
Thangmar. 346—349.
Thegan. 208. 209. 258.
Theoderich, K. d. Ostgothen. 65 ff.;
Gesta. 72.
Theodericus(965— 984) B. v. Metz. 371.
Theodofrid, Abt v. Corbie 111.
Theodorus. 284.
Theodulf, B. v. Orl. 153.
Theofrid v. Echternach. 115. 133.
Theophano, Kaiserin. 320.
Therouanne, Necrolog. 457.
Thiatbrat, Bischof. 245.
Thierhaupten, Necrolog. 442.
Thietgaud (847—863) Erzb. v. Trier.
257.
Thietmar (1009—1018) B. v. Merseb.
355—360.
Thomas, Lehrer. 294.
Tiel an der Waal. 390.
Timo, Pfalzgraf. 288.
Tobel, Necrolog. 441.
Toeppen. 30.
Toul. 268. 377. 378.
Tournai, Necrolog. 457.
Tours, Necrolog. 458.
Traditiones Corbejenses. 252.
Translatio Adelphi. 287 ; Agapiti et
Fei. 290; Albini. 362; Alexandri.
238. 239; Alexandri Fris. 288;
Araalbergae. 384; Athanasii. 308.
— Baltechildis. 300; Bavonis. 385;
Benedicti. 306; Bertae. 299; Cal-
listi Cisonium. 174; Chrisanthi et
Dariae. 258; Epiphanii. 346;
Evergisli. 362.
— Fortunatae.285; Germani. 148.299;
Habundii. 310 ; Hermetis. 29 1 ; Hu-
berti. 265; Hymerii. 426.
— Januarii. 285; Justi. 267; Justini.
251 ; Landoaldi. 387 ; Lewinnae.
383; Livini et Brictii. 387.
— Magni. 284; Marcellini et Petri.
188; Mauri. 300; Maurini. 362;
Mederici. 299; Metronis. 379.
— Patrocli. 362; Pusinnae. 253; Qui-
rini Malm. 267; Radbodi. 376;
Ragnoberti. 300; Reginae. 259:
Remigii. 296.
Translatio Sebastiani. 199. 211; Senesii
et Theopompi. 434; Severi. 242;
Severini. 308; Silvestri. 433; So-
sii. 308; Tiburtii, Marc, et P.
189. 199; Viti. 251.
Trient, Necrolog. 456.
Trier. 257. 259. 363—366. 452.
Trithemius. 2. 8.
Troyes, Necrolog. 458.
Tuggen, Necrolog. 441.
Tülle, Necrol. 459.
Turin, Necrolog. 455.
Tutilo. 272.
Tuto (894—920) B. v. Regensb. 289.
Udalgis, Lehrer. 405.
Udalrich (924—973) B. v. Augsb. 399
bis 401.
Udalschalk (Augsb.). 288.
Udine, Necrolog. 456.
Uffing. 253. 345.
Ughelli. 11.
Ulmar von St. Vaast. 297.
Ulrich, Graf v. Ebersberg. 321.
— von Hütten. 6.
Undersdorf, Necrolog. 451.
Ursberg, Necrolog. 442.
Urspring, Necrolog. 441.
Usuardus. 60.
Utrecht. 132. 133. 244. 374—377. 389
bis 391; Necrol. 446.
Vegetius. 219.
Venantius Fortunatus. 91. 92. 113.
Ventimiglia, Necrolog. 455.
Verbrüderungsbücher. 64. 269.
Vercelli, Necrolog. 455.
Verden, Necrolog. 444.
Verdun. 267. 377; Necrol. 453.
Verona. 310—312. 456.
Versus aevi Carol. 215; Sax. 327.
— de Adalberto. 354; de Bobolcno
117; de Leone VIII. 426; de S.
Martine 376; de epp. Mett. 168;
de ord. comprov. 292; de Ott. III.
430: de Roma. 300; de rotamundi.
lllj de Will. Norm. occ. 420.
— Johannis sapientis. 300.
Victor Cartenensis. 83.
— Sangallensis. 399.
— Tunnunensis. 83.
Victurius. 58.
Vicnnc, Necrolog. 454.
Villars, Necrolog. 454.
Virgil (767-784) B. v. Salzburg. 121
bis 123.
476
Register.
Visbeck, Necrolog. 447.
Visio Baronti. 278; Bernoldi. 278;
domni Caroli. 188. 24B; Flotil-
dae. 409; paup. mulierculae. 277;
Raduini. 211. 409; Rotcharii.
278; Wettini. 277. 279. 280.
Vita abb. Agaun. 103; Abbonis Flor.
417; Adalberonis Aug. 287; Adal-
beronis II. Mett. 373; Adalberti
Prag. 354. 435; Adalberti diac.
366; Adalhardi. 251; Agili. 116.
123; Alcuini. 163; Amandi. 115;
Angilberti. 174. 175; Aniarii. 97;
Anselmi Non. 433; Ansfridi. 375;
Anskarii. 248: Antonii Lirin ensis.
48; Arnoldi. 188; Arnulfi Mett.
129; Athanasii. 308; Attalae. 116.
118; Audoeni. 114.
— Balderici. II. Leod. 392; Balthil-
dis. 114; Basini. 98; Baugulfi.
232; Bened. Anian. 210: Berlin-
dis. 383: Bernwardi. 348; Ber-
tulfi Bob. 116. 118; Bertulfi Ren-
tic. 384; Bonifatii. 134—136;
Brunonis. Colon. 361; Burchardi
Wirz. 134; Burchardi Worm.
392; Burgundofarae. 116. 118.
— Cadroae. 372; Caroli M. 184;
Chiliani. 124; Chlodovaldi. 113;
Chrodegangi. 371; Chrothildis.
113; Cokimbani. 116—119; Cor-
biniani. 122. 123; Cuonradi ep.
Const. 398.
— Dagoberti III. 114; Deicoli 116;
Deoderici Mett. 373; Desiderii
Cadurc. 114; Donati. 153: Droc-
tovei. 112.
— Eigilis. 233. 234: Eligii. 114; Em-
meramrni. 122. 123; Epiplianii.
72; Erinfridi. 231; Erminonis.
130; Eustasii. 116. 118. 123;
Ewaldorum. 133.
— Faronis. 112; Findani. 286: Flo-
rentii. 120; Florini. 43; Fol-
quini Morin. 382; Fridolini. 120.
— Galli. 119. 120. 270; Gamulberti.
154; Gaugerici. 114; Gauzlini
Flor. 418; Gebehardi ep. Const.
398; Gerardi Bron. 388; Gere-
trudis. 129; Gerhardi. Tüll. 377.
Germani Grandivall. 120; Ger-
mani Paris. 113 ; Glodesindis. 371 ;
Goaris. 258; Gregorii I. 131. 169.
303; Greg. Traject. 245; Greg.
Turonensis. 95.
— Hadriani Non. 433; Haimonis 344;
Hariolfi. 283; Harlindis. 266;
Hathumodae. 256; Heinrici II.
391; Herasmi. 291; Hludowici
Pii. 208—210; Hostiani. 103.
Hrodberti. 122. 291; Huberti. 265;
Hugonis Gemmet. 174.
— Idae. 253. 345; Joh. Gorz. 370;
Joh. Parm. 434; Joh. Reomensis.
119.
— Lamberti. 264. 379, metr. 408; Le-
buini. 134. 246. 408; Leobae. 238;
Leodegarii. 114; Liudgeri. 245;
Liutbirgis. 254; Livini. 131. 386;
Lulli. 137; Ludmilae. 435.
— Macharii. 386; Magni. 284; Maho-
meti. 352; Mahthildis. 338. 339;
Mainulfi. 253. 254; Majoli. 422;
Martini. 62; Maximiliani. 43. 50;
Maximini. 235; Meginrati. 286;
Meingoldi. 174.
— Nili. 435; Notkeri Leod. 381; Odi-
liae. 115; Odilonis. 423; Odonis
Clun. 422; Odulfi. 390; Othraari.
270; Pascasii Radb. 251; Pir-
minii. 275. 374; Quinque fratr. Pol.
355; Quirini. 50.
— Rabani. 238; Radbodi. 376; Rade-
gundis. 92; Ragnoberti. 300; Re-
ginswindis. 290; Reinilae. 266;
Reinoldi. 174. 362; Remacli. 264.
383; Remedii s. Remigii. 97; Ri-
charii. 163. 173; Rictrudis. 409;
Rigoberti. 194; Rimberti. 249:
Romani Jur. 119; Romualdi. 436.
— Salabergae. 116; Servatii. 383;
Severi Ray. 242; Severini. 44 bis
50; Simeonis Achivi. 286; Sturmi.
230. 232; Sualonis. 282.
— Theodardi. 265; Thiadildis. 246;
Trudberti. 120. 122; Udalrici. 400;
Ursmari. 379; Vedasti. 97. 163.
— Walae.251; Waldburgis.290; Walt-
geri.253; Wandregisili. 107; Wen-
ceslai. 434. 435; Wiboradae. 396;
Wigberti. 241; Wilfridi. 132; Wil-
lebaldi. 137: Willehadi. 247; Wil-
lelmi Gellon. 211; Willibrordi.
132; Winnoci. 383; Wolfkangi.
402; Wynnebaldi. 137.
Vivian, Graf. 300.
Völkertafel, fränkische. 111.
Vorau, Necrolog. 450.
Vreden, Necrolog. 447.
Wachler. 33.
Wadilcoz, Reichenauer Mönch. 276.
Register.
477
Waitz. 23. 24. 33. 34.
Wala. 250.
Walahfrid.' 209. 270. 276-281.
Walbeck. 356.
Walcaud in Trier 260.
Wald, Necrolog. 441.
Waldo (884—906) ß. v. Freising. 274.
275. 288.
— Abt v. Seh warzach u. St. Maximin.
236. 258.
— Abt v. St. Gallen, Reichenau, St.
Denis. 269. 276.
Waldram, Mönch in St. Gallen. 273.
275.
Waltcaud (810—831) B. v. Lüttich.
265.
Waltharms. 174. 395.
Walther. 30.
Walther von Speier. 323.
Wandalbert v. Prüm. 60. 258.
WTarin, Abt v. Corvey. 250. 251.
Warnerius von St. Ouen. 420.
Wattenbach. 24. 28. 33.
Watterich. 32.
WTechel. 7.
Wedinghausen, Necrolog. 446.
Weihenstephan. 288.
Weiland, L. 23.
Weingarten, Necrolog. 441.
Weissenau, Necrolog. 441.
Weissenburg 340; Necrolog. 438.
Weltenburg. 64. 451.
Wenau, Necrolog. 446.
Werden. 245. 246. 253. 345; Necro-
log. 446.
Werinhar (1001—1029) B. v. Strass-
burg. 319.
Wessobrunn. 404. 442.
Westgothen. 79 ff.
Wettin 120. 278. 279.
Wettingen, Necrolog. 441.
Wetzlar, Necrolog. 453.
Wiblingen, Necrolog! 441.
Wicfrid (962—984) ß. v. Verdun. 377.
Wicterb, Agilolfinger. 155.
Wido, ital. Grammatiker. 407.
Widukind v. Corvey. 328—333.
Wien, Necrolog. 452.
Wienhusen, Necrolog. 444.
Wigand, Pfarrer. 258.
Wigbert, Abt v. Fritzlar. 241.
Wigo v. FeuchtwaDgen 400.
Wiker, Abt v. St. Maximin. 364.
Wildeshausen. 239.
Wilhering, Necrolog. 452.
Will, Cornelius. 31.
Willehad (787—789) B. v. Bremen 246.
Willehelm (954—968) Erzb. v. Mainz.
367. 368. 393.
Willibald (745-781) B. v. Eichstedt,
137.
— v. St. Victor. 135.
Willibert (870-889) Erzb. v. Coeln.
263.
Willibrord. 132.
Willico, Prager Domprobst. 354. 436.
Willisau, Necrolog. 441.
Wüten, Necrolog. 450.
Windberg, Necrolog. 451.
Winidharius. 156.
Wipert, Gefährte Bruns. 355.
Wisby, Necrolog. 460.
Witgar (887) B. v. Augsburg. 223.
Witger, Flandr. Priester 389.
Wittingau, Necrolog. 443.
Wizo. 158. 160.
Woeltingerode, Necrolog. 444.
Wolfgang (972—994) B. v. Regensb.
401. 402.
Wolfhard v. Herrieden. 61. 290.
Worms. 392; Necrolog. 438.
Würzburg. 124. 134. 289. 290. 316;
Necrol. 442.
Wurmsbach, Necrolog. 441.
Xanten. 262; Necrolog. 446.
Zeitz, Necrolog. 448.
Zeumer. 23. 27.
Zürich. 272. 373; Necrol. 441.
Zurzach. 397. 441.
Zwiefalten, Necrolog. 441.
998
Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin N.
FOR REFERENCE
NOT TO BE TAKEN FROM THIS ROOM
z 8797
2238 '
•W3
1893
Wattenbach, W. Z
2233
Deutschlands geschichtsquellen .W3
im mittelalter . 1893
8797
LIBRARY
Pontifical Institute of ' ' Sf jdies
113 Sl ET
TORONTO, ONT., CAN ADA M5S 1J4