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Full text of "Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians"

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Inlialtsverzeiclmiss. 

Die  griechischen  Apologeten  des  2.  Jahrhunderts 
in  der  kirchlichen  Ueberlieferung. 

Selte 

Erstes  Capitel:  Die  hanclschriftliche  Ueberlieferung 

der  Apologien  im  Mittelalter 1 — 97 

§     1.     Die  Tatianlianclschriften 1—9 

§     2.     Das    Verwandtschaftsverlialtniss    der   Tatianliand- 

schriften 10—24 

§    3.     Der  Codex  Parisinus  451 24-36 

Excurs   zu  §  3:    der  Erzbiscliof  Arethas    von 

Casarea,  seine  Studien  und  seine  Bibliothek        36— 4G 
§    4.     Das  Verhaltniss   der  Codd.  Mutin.  III.  D.  7,  Paris. 
174,  Marcian.   343  und  der  Valeriancodd.  zu  Pa- 
ris. 451 46-68 

Excurs  zu  §  4:  Die  Justincodd.  des  13.  (14.)  Jahr- 
hunderts und  die  jiingeren  Apologeten-Hand- 
schriften  in  ihrem  Verhaltniss  zu  Paris.  451        68 — 85 

§     5.     Die  Hauptresultate .         85—89 

§     6.     Die  Kesultate  fiir  den  Text  des  Tatian  und   die 

Tatianschohen 90 — 97 

Zweites  Capitel:  Die  Kenntniss  und  Beurtheilung  der 
Werke  der  Apologeten  in  der  altenKirche  und  im 

Mittelalter 98—298 

§     7.     Einleitung 98—100 

§     8.     Die  Apologien  des  Quadratus  und  Aristides  .    ,    .  100 — 114 
§     9.    Die  dem  Aristo  von  Pella  beigelegte  Schrift:   Ja- 
son's und  Papiskus'  Disputation  iiber  Christus  .    .  115—130 
§  10.     Die  Werke  des  Justin  nebst  einer  Untersuchung 
iiber  die  Schriften,  welche  den  Nanien  des  Athena- 

goras  tragen 130—195 

§  1 1.     Die  Oratio  des  Tatian  nebst  einer  Einleitung  iiber 

die  Zeit  dieses  Apologeten 196—231 

i?  12.     Apohnarius  von  Hierapolis  und  seine  Schriften    .  232 — 239 

§  13.     Melito  und  seine  Schriften 240—278 

§  14.    Die  Schriften  des  Miltiades 278—282 

§  15.    Die  Schriften  des  Theophilus   uiit  Ausschluss  des 

ihm  beigelegten  Evangeliencommentars 282—298 

Handschriften-Register 299 

Zusatz  und  Berichtiffuna: 299 


Druck  von  Ilundortstuiid  &  Pries  in  Loipzig. 


DIE  ALTERCATIO 

STMONIS  IIDAEI  ET  THEOPHILI  CHRT8TIAXI 

NEBST  UNTEESUCHUXGEN 
UBER  DIE  ANTUtJDISCHE  P0LE3IIK  IX  DER  ALTEX  KIRCHE 

UXD 

DIE  ACTA  ARCHELAI 

UNU   DAS   DIATESSAKON   TATIA^ib 

VOX 

ADOLF  HARNACK. 

DER  ARETIIASCODEX  PARIS.  GR.  i-M. 

ZUR  HAXD8CHRIFTLICHEX  UBERLIEFERUXG 
DER  GRIEC'HISCHEX  APOLOGETEX 

V(PN 

OSCAR  V.  GEBHARDT. 


LEIPZIG 

J.    C.    HIXEICHS'SCHE    BUC  HH  A  ND  I,U  KU 
1883. 


Inhaltsiibersiclit. 


Sieite 
Die  Alter catio  Simoniis  III daei  et  Theopliili  I'liristiani 
nebst  Untersuchungen  iiber  die  antijiidische  Pole- 

luik  in  der  alten  Kirche,  von  A.  Harnack 1 — 136 

S  1.  Die  Ueberlieferung  und  bisherige  Bearbeitung  der 
Schrift  ^Altercatio  Simonis  ludaei  et  Theophili  Chri- 

stiani" 1 —  15 

§  2.   Der  Text  der  Altercatio 15—49 

§  3.   Analyse  der  Altercatio 49—  56 

§  4.  Der  Character  und  die  Composition  der  Altercatio 
nebst  einer  Einleitung  in  die  antijiidische  Literatur 

der  alten  Kirche od—  91 

§  o.  Die  Altercatio  (resp.  die  Grundschrift  derselben)  in 
ihreui  Verhaltniss  zu  Tertullians  Tractat  adv.  ludaeos, 
zu  Cyprians  Testimonia,  zu  Lactantius'  Institutiones 

und  zu  Justins  Dialog  mit  Trypho 91—115 

§  6.   Die  Grundschrift    der  Altercatio  Simonis  et  Theo- 
phili und  die  Altercatio  lasonis  et  Papisci    ....     115 — 130 
Excurs:  Die  Auslegung  iv  dgx^  =  ev  Aoyw  (vico)  Genes. 

1,  1  in  der  altchristlichen  Literatur 130—134 

Register  iiber  die  Citato  aus  dem  Alten  Testament.    .    .     135 — 136 
Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians,  von 

A.  Harnack 137—153 

Zur    handschriftliche  n  Ueberliet'eruug  dor    griechi- 
schen  Apologeten.    1    Der  Arethascodex,  Paris.  Gr.  451. 

Von  Osc.  V.  Gebhardt 154—196 

Nachtrag  zu  S    134,  von  A.  Harnack 196 


Die  Altercatio  Simonis  ludaei  et  Theophili  Christiani, 

nebst  Untersuchungen  iiber  die  antijiidische 

Polemik  in  der  alten  Kirche. 

§   1.     Die   Ueberlieferung  und   bisherige   Bearbeitung 

der  Schrift   ,.Altercatio  Simonis  ludaei    et   Theophili 

Christiani." 

In  dem  51.  Capitel  der  Nachtrage  des  Gennadius  von 
MassiHa  zu  des  Hieronymus  Buch  de  viris  inhistribi;s  ')  liest 
man  -):  „Euagrius  alius  scripsit  altercationem  Simonis  ludaei 
et  Theophili  Christiani,   quae   paene   omnibus  nota  est."     Der 


1)  Ueber  den  Umfang  des  Tractates  des  Gennadius  iiber  die  kirch- 
lichen  Schriftsteller  haben  die  anf  umfassenden  textkritischen  Studien  be- 
nihenden  ^Quaestiones  Gennadianae"  von  Jungmann  (Festschrift  fiir 
Eckstein,  Leipzig  1881)  Licht  verbreitet.  Jungmann  weist  nach,  dass 
nicht  nur  die  Capitel  iiber  Caesarius  von  Arelate  und  Honoratus  von  Mas- 
silia,  welche  bereits  Herding  entfemt  hatte,  unecht  sind,  sondern  auch 
die  liber  Sidonius,  Gelasius  von  Rom,  Johannes  von  Antiochien  (bei  Her- 
ding c.  93),  Honoratus  von  Constantina,  Cerealis,  Eugenius,  Pomerius, 
Gennadius  von  Massilia  und  Johannes  von  Constantinopel  (Herding  c.  30). 
Verluste  hat,  wie  Jungmann  wahrscheinlich  macht,  das  Werk  nicht  er- 
litten,  wohl  aber  in  mehreren  Handschriften  einzelne  Zusatze  zu  sonst 
echten  Capiteln.  Die  Echtheit  des  51.  Capitels  unterUegt  keinem  Zweil'el. 
Die  Abfassungszeit  des  ganzen  Werkes  lasst  sich  genau  nicht  bestimmen; 
sie  fallt  aber  gewiss  wenig  spater  als  um  d.  J.  480;  s.  Ebert,  AUg.  Gesch. 
der  Literatur  des  MA.  im  Abendlande  1.  S.  426 f.  Dazu  Teuffel,  Rom. 
Literaturgesch.3  §  469,  13;  Cazenove  im  Dictionary  of  Clmstian  Biogra- 
phy T.  n.  p.  G31  ;  Wagenmann  in  Herzog's  RE.^  Bd.  V.  S.  61  f. 

2)  Edit.  Herding.    (1879)  p.  93. 

Textf;  und  Uutersuchungen  I,  3.  1 


2  Die  Alterctitio  Simonis  et  Theophili. 

hier  geiiaimte  Euagrius  wircl  durch  den  Zusatz  ..alius"  von  dem 
im  1 1.  Capitel  aufgeflihrten  Moncli  Euagrius  unterscliieden.  In 
der  Folgezeit  hat  mit  Ausnahme  des  Chronographen  Marcelli- 
nus  Comes-^)  (ad  annum  423)  und  des  Honorius  Augu- 
st od.^)  kein  Schriftsteller  diesen  Euagrius  oder  dessen  Dialog 
erwahnt;  aber  auch  die  beideu  Geuannten  haben  die  Angabe 
des  Gennadius  lediglicli  abgeschrieben  ■^).  Indessen  die  ISach- 
richt  bei  Marcellinus,  so  unselbstandig  sie  ersclieint,  ist  doch 
der  Beachtung  wiirdig.  Gennadius  bat  die  Zeit  des  Euagrius 
nicht  vermerkt.  Die  Stellung,  die  er  ihni  gegeben  hat  —  in 
der  Nahe  von  Paulinus  Nol.  (c.  49),  Nestorius  (c.  54),  Caelesti- 
nus  Rom.  (c.  55)  — ,  lasst  zwar  vermuthen,  dass  Euagrius  nach 
Gennadius  gleichzeitig  mit  diesen,  also  im  ersten  Drittel  des 
5.  Jahrhunderts  gelebt  hat,  aber  ausdriicklich  ist  dies  nicht  ge- 
sagt,  und  Gennadius  konnte  hier  ebenso  irren,  wie  er  bei  Com- 
modiau  (c.  15)  geirrt  hat,  der  von  ihm  neben  Prudentius  und 
Rufinus  gestellt  worden  ist.  Gewinnt  unter  solchen  Umstan- 
den  schon  die  bestimmte  Datirung  des  Marcellinus  eine  gewisse 
Bedeutung  so  ist  hier  noch  folgendes  in  Betracht  zu  ziehen. 
Marcellinus  ist  fast  iiberall  ein  sehr  zuverlassiger  Chronist;  er 
schildert  in  seiner  Chronik  hauptsachlich  die  Vorgange  im  Ost- 
reich,  und  er  giebt  nur  sehr  selten  literarische  Notizen.  Um  so 
auffalliger  ist,  dass  er,  freilich  mit  den  Worten  des  Gennadius,  des 
Euagrius  iiberhaupt  gedenkt,  und  dass  er  das  Werk  desselben 
so  bestimmt  datirt.  Man  muss  daher  annehmen  —  da  der  Ver- 
dacht  einer  Interpolation  durch  nichts  begriindet  werden  kann — , 


3)  S.  iiber  diesen  Teuffel,  a.  a.  0.  §  4S4  ii.  1.  Ebert,  a.  a  0.  S.  425. 
Das  Chronicoii  des  Marcellinus  reichte  bis  z.  J.  518  (zweimal  vom  Verl'. 
t'ortgesetzt  bis  534,  resp.  548);  vgl.  auch  Holder-Egger,  Neues  Arehiv  f. 
iUtere  deutscbe  Geschichtskunde  II  S.  49—109;  Wattenbach,  Geschichts- 
quellen''  S.  49  f.  Abgedruckt  ist  das  Chronicon  nach  den  Ausgaben  von 
Sirmond  und  Roncalli  bei  Gallandi  T    X  und  bei  Migne  T.  LI. 

4)  S.  Fabricius-Harless,  BibUotli.  Gr.  VII  p.  434. 

5)  Marcellinus  bei  Gallandi,  T.  X  p.  346,  Chron.  ad  ami.  423:  ,Iik1. 
VI.  Asclepiodoto  et  Mariniano  Coss.  Caelestinus  Romanae  ecclesiae  XLI. 
antistes  creatus  est ;  vixit  annos  IX.  Euagriusscripsitaltercationem 
Simonis  ludaei  et  Theophili  Ghristiani,  quae  paene  omnibus 
nota  est.  Terrae  iiiotu.'<  multis  in  locis  fuit  et  fruguni  inedia  sub- 
secuta  etc." 


Die  Uolitn-lici'iM-uiio-.  3 

dass  die  Schrift  des  Euagrius  wirklicli  audi  nocli  inn  d.  .J.518 
sehr  bekannt  geweseii.  und  dass  deiii  Marcellinus  eine  nahere 
Kunde  iiber  die  Zeit  ihres  Urspruiifrs  zngekommen  ist. 

Ueber  den  Verfasser  Euagrius  —  der  Name  ist  ein  sehr 
hiiufiger'')  —  liisst  sich  nur  soviel  mit  Bestimmtheit  sageii, 
dass  er  weder  mit  dem  Monch  Euagrius,  dessen  Schriften  ja 
Geiinadius  sehr  genaii  kennt  imd  z.  Th.  iibersetzt  hat,  noch 
uiit  dem  Bischof  Euagrius  von  Antiochien  (Hieron.  de  vir.  inl. 
125),  der  die  vita  Antonii  in's  Lateiuische  iibersetzt  hat  und 
ein  Freuud  des  Hieronymus  gewesen  ist,  identisch  sein  kann. 
Vermuthen  lasst  sich,  dass  er  im  Westreiche  zu  such  en  ist,  da 
er  eben  lateinisch  geschrieben  hat. 

Der  Dialog,  der  um  d.  J.  500  „fast  Allen  bekannt"  gewesen 
ist,  verfiel  einer  1200jahrigen  Vergessenheit.  Selbst  die  Ge- 
lehrten  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  haben  ihn  nicht  aufge- 
spiirt,  noch  seiner  gedacht').  Da  fiel  den  Maurinern  Martene 
und  Durand  ein  alter  Codex  aus  einem  Kloster  in  Vendome 
(Monasterium  Vindocinense)  in  die  Hande,  der  unter  anderem 
einen  anonymen  Tractat — ohne  jede  Aufschrift,  wie  es  scheint*^)  — 
enthielt,  in  welchem  ein  Jude  Simon  und  ein  Christ  Theophilus 
mit  einauder  disputiren.  Der  Tractat  erschien  in  del*  Hand- 
schrift  als  das  4.  Buch  einer  gleichfalls  anonymen  Schrift,  die 
ihm  vorangestellt  war:  „libri  tres  altercationum  (sen  consulta- 
tionum)  Zacchaei  Christiani  et  Apollonii  Philosophi".  Es  sind 
dieselben,  welche  d'Achery  im  10-  Bande  des  Spicilegiums 
nach  mehreren  Codices  zum  ersten  Male  veroffentlicht  und  auf 
Grund  einer  gelehrten  Untersuchung  auf  die  erste  Halfte  des 
5.  Jahrhunderts  datirt  hatte  *•).  Die  beiden  Mauriner  schlossen 
nun  aus  gewissen  gemeinsamen  Merkmalen,  dass  die  Altercatio 
Simonis  et  Theophili  von  demselben  Verfasser  herriihren  miisse, 

(i)  S.  Biblioth.  Gr.  VII  p.  434.  Dictionary  of  Christian  Biography  TI 
p.  419 sq. 

7)  Ueber  eine  Ausnahme  s.  unten  S.  4. 

8)  So  glaube  ich  die  nicht  geniigencl  klaren  Mittheihmgen  Marten e's 
(p.  1)  verstehen  zu  miissen.  Nicht  nnr  der  Verfassername ,  sondern  auch 
(lor  Titel  scheint  im  Vindocin.  gefehlt  zu  haben;  doch  ist  das  letztere  nicht 
ganz  sicher. 

y)  Vgl.  die  neue  Ausgabc  des  Spicilegiums  durch  de  la  Barre  (Paris. 
1723  T.  I  p.  k  ij  u.   1  sq.). 

1* 


4  Die  Altercatio  Sinionis  et  Theophili. 

der  die  Consultationes  geschrieben,  dass  mithin  auch  jeiie  auf 
die  erste  Halffce  des  5.  Jahrhimderts  zu  datiren  sei.  Erst  iiacli- 
dem  Marten e  dies  festgestellt  liatte,  entdeckte  er  die  Notiz  iiber 
die  Altercatio  bei  Gennadius  und  Marcelliims  und  war  nun  ge- 
wiss,  die  alte  Schrift  des  Euagrins  wirklich  in  Handen  zu  liaben. 
In  ,dem  5.  Bande  des  Thesaurus  novus  anecdotorum  (Paris. 
1717  p.  1  sq.)  druckte  er  die  Altercatio  nach  dem  Vindocinensis 
ab,  indem  er  sich  begniigte,  einige  der  grobsten  Fehler  zu 
corrigiren,  die  Citate  aus  der  h.  Schrift,  freihch  weder  sorg- 
faltig  noch  vollstaudig,  zu  identificiren  und  ein  paar  Anmer- 
kungen  hinzuzufligen.  In  der  kurzen  Einleitung  gab  er  spar- 
liche  Andeutungen  liber  seinen  Fund,  iiber  den  Ursprung  der 
Schrift  und  iiber  die  Identitat  des  Verfassers  der  Consultationes 
mit  dem  der  Altercatio.  Schliesslich  bemerkt  er,  dass  auch 
Tillemont  die  letztgenannte  Hypothese  theile. 

Die  Mauriner  glaubten  den  Ruhm,  auf  die  Altercatio  zuerst 
wieder  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  fiir  sich  in  Anspruch 
nehmen  zu  diirfen.  Allein  sie  irrten  sich.  Schon  19  Jahre 
friiher  hatte  der  Prafect  der  vaticanischen  Bibliothek,  Zacagni, 
in  seinen  „Collectauea  Monumentorum  veterum  ecclesiae  Graecae 
ac  Latinae,  quae  hactenus  in  Vaticana  Bibliotheca  delituerunt'" 
(Romae  1698)  auf  dieselbe  in  drei  Noten  hingewiesen.  P.  51 
not.  1  bemerkte  er  zu  Archelai  et  Manetis  Disput.  c.  31,  wo 
der  Ausdruck  „imaginaria  lex"  vorkommt:  „Utitur  et  hac  voce 
Euagrii  monachi  vetus  interpres  in  disputatione  Theophili  epi- 
scopi  Alexandrini  cum  Simone  ludaeo  cap.  13. ,  ubi  sabbata 
imaginariam  requiem  vocat  septimae  illius  diei,  in  qua  deum 
mundi  creatione  absoluta  requievisse  pagina  sacra  testatur"; 
p.  53  n.  1  (c.  31)  notirte  Zacagni:  „Non  pauca  primitivae  eccle- 
siae patres  ex  Judaeorum  sententia  loquebantur,  ut  ex  his,  quae 
in  capite  sequenti,  et  ad  Theophili  Alexandrini  disputationem 
cum  Simone  ludaeo  cap.  13  adnotavimus,  lucide  apparet";  und 
p.  324  not.  1  bemerkte  er  zu  einem  Citat  aus  Jesaias  in  der 
Schrift  des  Gregor  von  Nyssa  „Testimonia  adv.  ludaeos":  „Hunc 
Esaiae  locum  inteUigendum  esse  de  Christo  Tertullianus  et 
Cyprianus  autumant.  Idem  facit  Theophilus  Alexandrinus  in 
disputatione  adhuc  iuedita  cum  Simone  ludaeo."  Die  ange- 
t'iihrten  Stellen  finden  sich  in  der  That  in  der  von  den  Mauri- 
nern  spater  edirten  Altercatio,   so  dass    niclit   zweifelhaft   sein 


Die  Ueberlieferunpr.  5 

kann,  dass  Zucagni  cbeii  diese  Schrift  in  eiiiem  Codex  gefuiiden 
uiid  gelesen  hat.  Es  ist  aber  ferner  deutlich,  dass  Zacagni  die 
Schrift  damals  bereits  commentirt  hatte  und  Willens  gewesen 
ist,  dieselbe  demuacbst  zu  ediren.  Warum  die  Ausfuhrung  dieses 
IManes  unterblieben  ist,  wissen  wir  nicht.  Zacagni  ist  erst  im 
,)ahre  1712  gestorben.  Gauz  unwahrscheinlich  ist,  dass  der 
Codex,  den  er  benutzt  hat,  der  Vindocinensis  gewesen  ist;  ohne 
Zweifel  war  es  ein  itahenischer.  Derselbe  ist  bisher  nicht  bekannt 
geworden.  Dies  scheint  um  so  beklagenswerther  zu  sein,  als 
nach  Zacagni's  Angabe  vermuthet  werden  kann,  dass  die  Alter- 
catio  in  seinem  Codex  durch  eine  bestimmte  Angabe  liber  den 
Verfasser  charakterisirt  gewesen  ist.  Sagt  doch  Zacagni  ohne 
Bedenken:  „Vetus  interpres  Euagrii  monachi  in  disputatione 
Theophili  episcopi  Alexandrini  cum  Simone  ludaeo."  Er  be- 
zeichnet  also  unsere  Schrift  1)  als  eine  Uebersetzung  aus  deni 
Griechischen ,  er  schreibt  sie  2)  deni  Monch  Euagrius  zu,  und 
er  l)ehauptet,  3,,  dass  der  eine  Disputant  der  bekaunte  Bischof 
Theophilus  von  Alexandrien  gewesen  sei.  Bevor  man  liber  die 
Provenienz  dieser  Angaben  urtheilt,  wird  es  von  Bedeutung 
sein,  ihren  Werth  festzustellen.  Dass  der  bekannte  Monch 
Euagrius  ^^)  nicht  der  Verfasser  gewesen  sein  kann,  ist  bereits 
oben  in  Klirze  bemerkt  worden;  dass  aber  der  Disputant 
Theophilus  mit  dem  alexandrinischen  Bischof  gleichen  Namens 
nichts  zu  thun  hat,  zeigt  der  Tractat  selbst,  der  unzweifelhaft 
fingii-te  Personen  vorflihrt,  Es  bleibt  also  nur  die  Angabe 
iibrig,  dass  die  Altercatio  eine  Uebersetzung  aus  dem  Griechi- 
schen sei.  Nun  wird  sich  allerdings  durch  eine  genaue  Be- 
trachtung  des  Dialogs  ergeben,  dass  er  nach  einer  griechischen 
Vorlage  gearbeitet  worden  ist;  allein  es  ist  in  hohem  Masse 
unwahrscheinlich,  dass  diese  Beobachtung  jener  Angabe  zu 
Grunde  liegt.  Viehnehr  erklart  diese  sich  aufs  einfachste  daraus, 
dass  ja  der  Monch  Euagrius  in  der  That  seine  Werke  sammt- 
lich  in  griechischer  Sprache  verfasst  hat.  Wer  ihu  flir  den 
Verfasser  hielt,  der  musste  ftir  die  vorliegende  lateinische  Alter- 


10)  S.  Gennad.  c.  11.  Dictionary  11.  p.  422 sq.  Die  Chionologie  ver- 
bietet  iiicht  geradezu  clie  an  sich  sehr  unwahrscheinliche  Annahme,  dass 
der  Monch  Euagrius  in  einem  seiner  Werke  den  alexandrinischen  Theo- 
philus habe  auftreten  lassen. 


6  Die  Altcrcatici  Simonii^  et  Theophili. 

catio  Huf  einen  Uebersetzer  schliessen.  Die  Formel  also,  mit 
welcher  Zacagni  unsere  Schrift  citirt  hat,  erweist  sich  in  jeder 
Hinsicht  als  falsch  und  werthlos,  so  dass  die  Annahme  sehr 
nalie  liegt,  dass  sie  lediglich  aus  einer  ungliickliclien  Combi- 
nation Zacagni's  entstanden  ist. 

Allein  diese  Annahme  ist  doch  eine  irrige;  denn  Mont- 
fancon  in  der  Bibliotheca  Bibliothecarum  ^^)  giebt  den  Titel 
einer  Handschrift  des  Klosters  Monte  Cassino  wie  folgt  an: 
„Liber  Evagrii  de  altercatione  Simonis  ludaei  et  Theophili 
episcopi  Alexandrini"  12).  Hieraus  ist  zu  schliessen,  dass  der 
Codex,  welchen  Zacagni  eingesehen  hat,  ebenf'alls  wirklich  den 
Titel  „Evagrii"  und  in  der  Ueberschrift  den  Zusatz  „episcopi 
Alexandrini"  enthalten  hat,  wenn  er  nicht  geradezu  mit  dem 
Cod.  Casiuensis  identisch  gewesen  ist^^).  Auf  jeden  Fall  ist 
also  anzunehmen,  dass  schon  im  MA.  der  Theophilus  der  Alter- 
catio  fiir  den  beriihmten  Alexandrinischen  Bischof  gleichen 
Naniens  gehalten  worden  ist,  und  dass  es  Handschriften  gegeben 
hat,  welche  nicht,  wie  der  Vindocinensis,  anonyme  waren,  son- 
dern  den  Namen  des  Euagrius  trugen  i*).  Nur  das  konnte  so- 
mit  fraghch  sein,  ob  der  Zusatz  „monachus"  zu  „Euagrius"  von 


11)  T.  I  p.  224  C. 

12)  Diesen  Hinweis  verdanke  ich  meinem  Freuncle  Dr.  0.  von  Geb- 
hardt. 

13)  Diese  Annahme  ist  sehr  wahrscheinlich ;  denn  Zacagni  sclu-eibt 
(I.e.  praef.  XV):  „Cum  autem  sacri  loci  reverentia  ductus  Casinum  venis- 
sem  et  ab  antiquissiniis  temporibus  conditam  ibi  a  doctissimis  aeque  ac 
•sanctissimis  coenobiarchis  bibliothecam  perlustrassem,  inter  alia  non 
pauca  inedita  adhuc  vetera  nionumenta  Archelai  integi'am  cum 
Manete  disputationem  in  sexcentorum  et  amplius  annorum  codice  reperi." 
Unter  die  „  inedita  vetera  monumenta"  dart"  man  vielleicht  auch  die  Alter- 
catio  rechnen,  und  dies  um  so  mehr,  als  der  Titel,  wie  ihn  der  Cod.  Casi- 
nensis  und  Zacagni  bieten,  derselbe  ist.  Zacagni  spricht  auf  dem  Titel- 
blatt  seines  Werkes  „ Collectanea  etc."  zu  Ehren  der  Bibliothek,  deren 
Prafect  er  gewesen,  nur  von  vaticanisch en  Handschriften,  obgleich  sein 
Codex  Vaticanus  der  Disputatio  Archelai  nur  eine  von  ihm  selbst  genoni- 
niene  Abschrift  des  Casinen.sis  ist.  SoUte  sich  also  in  der  Vaticana  wirk- 
lich eine  Handschrift  der  Altercatio  beiinden,  so  liegt  die  Annahme  nahe, 
dass  auch  sie  eine  Copie  des  Casinensis  ist. 

14)  Gallandi  hat  (T.  IX.  p.  XVII)  die  Angaben  Zacagni's  als  falsche 
Vermuthungen  dieses  Autors  Vieurtheilt,  da  ihm  die  Notiz  bei  Montfaucon 
entgangen  war. 


Die  reberlic'tV'iunq-.  7 

Zacagni  selbst  herriihrt.  oder  el)eiifcills  hfindschnftlich  iiber- 
liefert  war. 

Der  von  Moiitfaucou  erwiihiite  Codex  wird  nocli  in  Monte 
Ciissino  aufbewalirt.  Leider  reiclit  die  Beschreibung  der  Hand- 
schriften  im  4.  Bande  der  Bibliotheca  Casinensis  nur  bis  zur 
Nr.  246;  der  Euagrius  steht  aber  in  Nr.  247.  Eine  Collation 
der  Handsclirift  zn  erlialten  war  leider  nicht  moglich,  dock 
verdanke  ich  der  Giite  de>s  Praefecten  der  casinensischen  Biblio- 
thek  Auskunt't  iiber  das  Initium  und  den  Schluss  des  Tractates: 

Pag.  323:  „Incipit  liber  evagrii  monachi  de  altercatione  sy- 
luouis  indei  et  theophili,  episcopi  alexandrini.  Incipit:  Gratissi- 
mam  tibi  refero  questioneni  nuper  factam  sub  oculis  nostris 
quam  tu  quoque  .  .  ." 

Desinit:  „absconsa  beneficia  jn-aestans  es  (jui  niiclii  omnia 
douare  dignatus  es.  tibi  sit  honor  ....  saeculorum.    Amen." 

Zuntichst  ist  das  „monaclii*'  in  der  Ueberschrift  zu  consta- 
tiren.  Zacagni  ist  also  bei  seinen  Angaben  lediglicli  der  hand- 
schrittliclien  Ueberliefernng  get'olgt  '^).  Der  Schluss  stimmt  mit 
dem  Vindocinensis  iiberein,  nur  bietet  dieser  „dignatus  es  omnia 
ostendere".  Dagegen  ist  der  Anfang  ein  total  anderer.  Der 
Vindocin.  beginnt  mit  den  Worten:  „Fuit  igitui;  altercatio 
legis  etc.",  walirend  der  Casin.  in  Form  einer  Anrede  eine  Ein- 
leitung  zu  geben  scheint,  in  welcher  der  Tractat  als  eine  Aut- 
zeichnung  einer  wirklich  stattgehabten  Disputation  bezeichnet 
werden  soil.  Diese  Einleitung  hat  zunachst  das  Vorurtheil  der 
Urspruuglichkeit  fur  sich:  denn  der  Eingang  der  Schrift  im 
Vindocin.  („Fuit  igitur")  erscheint  unertnigiich  abrupt  und  legt 
unter  Beriicksichtigung  des  Umstaudes,  dass  ja  auch  jede  Ueber- 
schiift  im  Vindocin.  fehlt,  die  Annahme  nah^,  dass  das  ursprilng- 
liche  Initium  hier  verloren  gegangen  ist.  Leider  lasst  die  so  kurze 
Angabe  iiber  den  Casinensis,  die  mir  zu  Gebote  steht,  weitere 
Schliisse  nicht  zu. 

Ob  der  Vindocinensis  noch  erhalten  ist,  habe  ich  nicht  t'est- 
.stellen  konnen.  Verschollen  ist  jedenfalls  ein  Codex  Centulensis 
der  Altercatio,  der  sich  nach  einem  aus  dem  J.  831  stammenden 
Katalog  der  Benedictinerabtei  zu  Saint  Riquier  daselbst  befun- 


15)  Die  Ca])iteleintheilung  —  Zacagni  citirt  das  13.  Cap.  —  wird  da. 
gegen  wohl  schwerlich  handschriftlich  begriindet  sein. 


g  Die  Alhercatio  Simonis  et  Theophili. 

den  hat.  „Ceterum",  schreibt  Martene  p.  3,  „quam  hie  damus, 
Altercatio  visebatur  olim  in  Centulensi  nionasterio,  ut  constat 
ex  recensione  librorum  eiusdem  coenobii  tempore  Ludovici  Pii, 
quam  refert  Hariulfus  in  chronico  Centulensi  Spicilegii  torn.  IV," 
Die  Schrift  filhrte  hier  ebenfalls  keinen  Verfassernamen ;  in  ihr 
war  auch  Theophilus  nicht  als  alexaudrinischer  Bischof  be- 
zeichnet.  Der  Titel  lautete:  „Altercatio  legis  inter  Simonem 
ludaeum  et  Theophilum  Christianuni''  '•^). 

Da  Zacagni  seine  Ausgabe  der  Altercatio  nach  deni  Casi- 
nensis  nie  veroffentlicht  hat,  der  Codex  selbst  nicht  weiter 
eingesehen  wurde,  der  Centulensis  verschoUen  und  auch  der 
Vindocinensis  nicht  aufs  neue  verglichen  worden  ist,  so  blieb  die 
editio  princeps  Martene's  die  einzige  Grundlage  fiir  spatere 
Publicationen  der  Schrift.  Soviel  mir  bekannt  geworden,  ist 
sie  nur  noch  zweimal  abgedruckt  worden,  namlich  von  Gall  an  di 
ini  IX.  Bande  seiner  Bibliotheca  und  von  Migne  im  XX.  der 
Patrol.  Lat.  (p.  1165 — 1182).  Beide  haben  sich  mit  einer  blossen 
Copie  der  editio  princeps  begniigt,  ohne  den  Versuch  zu  machen, 
den  Text  durch  Conjecturen  zu  verbessern  und  schwierige 
Stellen  zu  erklaren.  Auf  dem  Texte  Martene's,  der  bei  ge- 
nauerer  Priifung  sehr  viele  offenbare  Fehler  und  Anstosse  bietet, 
hatte  auch  die  folgende  Untersuchung  fussen  mtissen,  ware  nicht 
Prof.  Zahn  dem  Verfasser  durch  .die  giitige  Mittheilung  zuHiilfe 
gekommen,  dass  nach  Jaeck,  Beschreibung  von  .  .  .  Hand- 
schriften  in  der  Bibhothek  zu  Bamberg  (Nlirnberg  1831 1)  Bd.  I, 
Nr.  505,  in  Bamberg  sich  noch  eine  alte  Handschrift.  der  Alter- 
catio be^nde. 

Der  Codex  pergam.  Bambergensis  B.  Ill,  31  (klein  Octav, 
178  fol.),  welcher  hochst  wahrscheinlich  dem  10.  Jahrhundert 
angehort  '^),  enthalt  hauptsachlich  Augustinisches,  fol.  107 — 109 
den  Sermo  S.  Augustini  de  Juda  traditore,  fol.  110^ — 128^  die 
Altercatio,  fol.  128 — 135  Tractatus  S.  Johannis  Constantino- 
politani  in  Eutropium.  Rasuren  und  Correcturen  von  erster, 
resp.    einer   gleich  alten  Hand   sind   sehr   haufig,    von  spaterer 


16)  S.  d'Achery,  Spicileg.  T.  IV.  p.  484. 

17)  Auf  meine  Bitte  wurde  mir  von  dem  Bibliothekar  der  k.  Biblio- 
thek  zu  Bamberg,  Dr.  Leitschuh,  der  Codex  freundlichst  beliufs  einer 
Collationirung  mitgetheilt. 


Die  Ueberliet'cning.  '  9 

selten;  hie  und  da  tindeii  sich  Randbeinerkungen  oline  Bt'lan^^ 
Die  Schriftzuge  siud  gross  und  deutlich. 

])hs  Initium  der  Altercatio  lautet  in  B  (Bamberg.):  „Incipit 
altercatio  legis  inter  syraonem  iudeiim  et  theoiilum  cbristianum." 
Dazu  von  bedeutend  spiiterer  Hand  der  Zusatz:  „quaui  scripsit 
evagrius".  Nun  beginnt  der  Text  mit  den  Worten:  „Domino 
fratri  ualerio  aelius  (aber  an  dem  Worte  ist  radirt  und  corri- 
girt,  die  Buchstaben  „el"  sind  von  spaterer  Hand)  salutem. 
gratissimam  tibi  referam  quaestionem  lactam  nuper  sub  oculis 
nostris,  quam  tu  quoque  cum  cognoveris,  gratanter  accipies. 
Fuit  igitur  altercatio  legis  inter  quendam  Simonem  etc."  Der 
Schluss:  „cuncta  beneficia  prestantur.  tu  es  qui  mihi  omnia 
donare  dignatus  es.     Tibi  sit  honor  .  .  .  saeculorum.     Amen." 

B  bietet  also  nicht  nur  die  Einleitung,  welche  auch  C 
(Casiuen.)  giebt,  und  zeigt  uns,  dass  dieselbe  bis  auf  die  vier 
Schlussworte  vollstandig  oben  mitgetheilt  worden  ist,  sonderu 
er  enthalt  dazu  noch  eine  Widmung  an  einen  gewissen  Valerius. 
Leider  aber  ist  der  urspriingliche  Name  des  Autors  nicht  mehr 
zu  ermitteln;  denn  erst  eine  spatere  Hand  hat  ihn  zu  „Aelius" 
gestaltet.  Ob  die  Widmung  (B)  und  die  Einleitung  (BC)  ur- 
spriinglich  sind,  oder  ob  sie  nach  V  (Vindocin.)  vielmehr  als 
Zusatze  zu  gelten  haben,  kann  hier  noch  nicht  entschieden 
werden.  Beachtenswerth  ist,  dass  C,  sowohl  nach  dem  Initium, 
als  nach  den  Schlussworten  zu  schliessen,  eine  Mittelstellung 
zwischeu  B  und  V  einnimmt.  Um  so  mehr  ist  es  zu  bedauern, 
dass  \vir  von  C  noch  keine  nahere  Kenntniss  besitzen. 

Die  Ueberlieferung  der  Altercatio  in  B  und  V  ist  namlich 
eine  sehr  verschiedene.  AUem  zuvor  ist  zu  constatiren,  dass 
wir  erst  durch  B  einen  voUstandigen  Text  der  Schrift  erhalten, 
dass  V  also  grosse  Liicken  aufweist.  Diese  Liicken  sind  zum 
Theil    durch    Fahrlassigkeit    des    Abschreibers    entstanden  ^  ^), 


18)  So  ist  z.  B.  in  V  die  3.  Antwort  des  Theopliilus  gleich  an  die 
2.  Frage  des  Simon  angeschlossen  und  das  Dazwischenliegende  wegge- 
lassen.  Dadurch  ist  der  Eingang  sinnlos  geworden.  Der  Jude  fragt:  ,  Quern 
colis''?  und  der  Ckrist  antwortet:  ,Sane  si  dicimus,  et  audenter  proba- 
mus".  Die  ofi'enbare  Liicke  hier  wird  von  B  in  zufriedenstellender  Weise 
erganzt.  Femer  hat  V  am  Schluss  (Martene  p.  16  Z.  14  v.  u.)  die  Schluss- 
worte der  Rede  des  Simon  weggelassen  und  nicht  angegeben,  dass  Theo- 


10  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

zum  Theil  augeiischeinlich  absichtliche,  Der  Schreiber  liat 
iiHiiilicli  nach  Gatdlinken  an  den  biblischen  Citaten  gekiirzt 
und  nanientlich  im  letzten  Drittel  der  Schrift  solche  auch  hie 
und  da  ganz  weggelassen.  Dass  B  in  diesen  Fallen  in  der 
Kegel  das  Urspriingliche  bietet  und  nicht  etwa  interpolirt  ist, 
lilsst  sicli  an  drei  Beispielen  besonders  deutlich  zeigen.  P.  6 
Z.  28  (bei  Martene)  wird  Ps.  2,  1  citirt,  wahrend  B  die  ersten 
0  Verse  giebt.  Auf  diese  aber  kommt  es  im  Znsammenliange 
an;  der  erste  Vers  ist  an  sich  belanglos  flir  das,  was  Theophilus 
])eweisen  will.  P.  15  Z.  1  (bei  Martene)  sagt  der  Jude,  der 
72.  Psalm,  der  ihm  von  Theophilus  vorgehalten  worden 
sei,  beziehe  sich  auf  Salomon.  In  V  ist  aber  der  72.  Psalm 
vorher  gar  nicht  citirt  gewesen,  dagegen  wohl  nach  dem  Texte 
wie  ihn  B  bietet.  EndHch  p.  11  Z.  16  v.  u.  (bei  Martene)  steht 
nach  einem  Citate  aus  Psalm  22:  ,,et  cetera  quae  tribus  sequen- 
tibus  versibus  dicuntur";  in  B  sind  aber  die  Verse  selbst  ange- 
fuhrt.  Diese  und  ahnliche  Falle  zeigen,  dass  in  V  ein  will- 
kiirlich  verstiimmelter  Text  vorliegt.  Eine  ganze  Reihe  von 
Schwierigkeiten,  welche  sich  bei  genauerer  Durcharbeitung  des 
Martene'schen  Textes  fiir  den  Verf'asser  ergaben,  waren  mit 
einem  Schlage  durch  B  beseitigt,  an  dessen  Vollstandigkeit 
nicht  gezweifelt  werden  kann  ^'''). 

Aber  auch  abgesehen  von  den  verstiimmelten  Abschnitten 
in  V  ist  die  Verschiedenheit  von  V  und  B  eine  sehr  grosse, 
die  Zahl  der  gemeinsamen  Fehler  eine  sehr  geringe.  Eine  sorg- 
taltige  Conservirung  des  Textes  hat  augenscheinlich  nicht  statt- 
gefunden,  und  die  Abschreiber  miissen  mit  grosser  Freiheit  ge- 
waltet  haben.  Man  kann  fast  sagen,  dass  in  B  und  V  zwei 
verschiedene  Recensionen  derselben  Schrift  vorliegen  und  man 
hochst  muthwillig  im  Einzelnen  verfahren  ist.  Da  wir  nun 
bisher  allein   auf  diese   beiden  Handschriften  angewiesen  sind. 


philus  wiederum  das  Wort  ergreift ,   wodurch  ebenfalls  ein  Unsiim  ent- 
standen  ist. 

19)  Mindestens  an  einer  Stelle  bin  ich  geneigt  anzunehnien.  dass  in  B 
eine  Glosse  in  den  Text  gekommen  ist.  P.  16,  2  (bei  Martene)  hat  B  nach 
Erwahnung  der  siebentagigen  Belagerung  von  Jericho  noch  an  11  Mace. 
1 5  fiir  die  Nichtigkeit  des  Sabbathgebotes  in  seinem  wortlichen  Verstande 
erinnert.  Die  Grriinde,  wesshalb  dieses  Citat  schwerlich  dem  Verfasser  an- 
gehort,  werden  in  §  5  genannt  werden. 


Dio  Ueberlit^fernncr.  11 

SO  ist  es  in  sehr  vieleii  Fullen  unmoo-lidi,  eine  Eutscheidung 
zu  tretfen.  Unzweifelhaft  hat  V  an  einigen,  nnd  zwai*  niclit 
unwichtigen  Stellen  das  Richtige  bewahrt.  So  bietet  er  gleich 
ini  Eingange  „taciam  Nazaraenm  ludaeum,"  wahrend  B  „laciani 
natoreni  Indaeuni"  giebt;  ferner  ebenfalls  im  Eingange:  „audi- 
torem",  wo  B  ein  nnertragliclies  „adintorem"  liest.  Es  ist  mir 
sehr  wahrscheinlich,  dass  in  V  die  relativ  altera  Ueberlieferung  an- 
zuerkennen  ist,  aber  ohne  Kenntniss  von  C  lasst  sich  das  nicht 
sicher  entscheiden.  Da  uns  nun  V  nicht  in  der  Handschrift, 
sondern  nur  in  einem  von  Fehlern  augenscheinhch  nicht  freien 
Drucke  vorliegt,  so  hielt  ich  es  fiir  angezeigt,  der  Textesrecen- 
sion  B  zu  Grunde  zu  legen.  Der  ini  folgenden  Abschnitte  dar- 
gebotene  Text  beansprucht  nicht  mehr  zu  sein  als  ein  durch 
V  corrigirter  Abdruck  von  B-").  Ein  paar  Stellen  sind 
iibrig  gebheben,  welch e  auch  durch  B  nicht  geheilt  erscheinen. 
Ich  habe  in  solchen  Fallen  von  der  Conjectur  nur  selten  Ge- 
V)rauch  gemacht,  Im  Ganzen  hoffe  ich,  dass  die  Schrift  in  dieser 
noch  inimer  unvollkommenen  Gestalt  doch  verstandlich  sein 
und  eine  feste  Grundlage  fur  die  historische  Untersuchung  ab- 
geben  wird.  Zu  bedauern  ist,  dass  der  Text  gegen  den  Schluss 
bin  unsicherer  wird.  Der  Schluss  gerade  enthalt  besonders  in- 
teressante  Ausfiihrungen. 


Sind  die  nach  Martene's  Ausgabe  veranstalteten  Editionen 
der  Altercatio  lediglich  werthlose  Abdriicke,  so  hat  man  sich 
doch  im  18.  Jahrhundert  um  den  Verfasser  der  Schrift  bemiiht, 
und  diese  Bemiihungen  verdienen  beriicksichtigt  zu  werden. 

Es  ist  obeu  benierkt  worden,  dass  die  Mauriner  den  Euagrius, 


20)  Um  den  Apparat  nicht  noch  mehr  imschwellen  zu  lassen,  habe 
ich  orthographische  Minutien  und  andere  Kleinigkeiten  bei  Seite  gelassen, 
auch  die  Correcturen  in  B  durchaus  nicht  voUstandig  vermerkt  und  man- 
ches  stillschweigend  verbessert.  Ich  wollte  zunachst  nur  einen  zusammen- 
hlingenden  und  einigermassen  lesbaren  Text  geben.  Da  das  Latein  des 
5.  Jahrhunderts,  wie  bekannt,  haufig  bereits  ein  sehr  barbarisches  gewesen 
ist,  so  habe  ich  Anstand  genommen,  gewisse  grammatische  Unregeknassig- 
keiten  und  syntactische  Fehler  durchgehends  zu  verbessern,  um  nicht  den 
Autor  selbst  zu  corrigiren.  Der  Uebersicht  wegen  und  um  die  Identifici- 
rung  der  Citate  zu  erleichtern,  ist  der  Text  in  Capites  eingetheilt  und 
sind  die  Fragen  des  Juden  gezahlt  worden. 


12  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

den  Verfasser  der  Altercatio,  mit  dem  unbekanuten  Verfasser 
der  libri  tres  altercationum  Zaccliaei  Cliristiani  et  Apollonii 
Pliilosophi  identificirt  baben.  Dieses  umfangreiche  Werk,  t'lir 
welches  es  eiue  Ueberlieferungsgeschicbte  liberhaupt  niclit  giebt 
—  Niemaud  bat  es  im  Altertbume  citii't  — ,  ist  aus  inneren 
Griinden  von  d'Acbery  mit  Recbt  auf  den  Anfang  des  5.  Jahr- 
bunderts  datirt  worden.  Da  es  eine  viel  detaillirtere  Anscbau- 
ung  von  dem  tbeologiscben  Standpunkt  u.  s.  w.  seines  Verfassers 
ermogHcbt  als  die  Altercatio,  so  ist  es  von  Bedeutung  zu  wissen, 
ob  die  Hypotbese  der  Mauriner  begriindet  ist.  Diese  baben 
sicb  auf  folgende  Beobacbtungen  gestlitzt^i): 

1)  In  dem  Cod.  V  folge  die  Altercatio  iinmittelbar  jener 
grosseren  Scbrift  und  sei  mit  ibr  enge  verbunden, 

2)  der  Name  „Altercatio"   sei  beiden  Dialogen  gemeinsam, 

3)  die  Anlage  sei  bier  und  dort  dieselbe  (,,eadem  in  utro- 
que  opere  scribendi  ratio,  nimirum  ad  modum  dialogi  seu 
disputationis,  in  qua  gentilis  vel  ludaeus  obiectiones  vel  diffi- 
cultates  suas  proponit,  quas  ita  expbcat  ac  solvit  Cbristianus, 
ut  tandem  persuadeat  et  vincat"), 

4)  endlicb  der  Stil  sei  derselbe  („turgens  et  lacertosus"). 
Von  diesen  Argumeuten  kommt  nur  das  vierte  und  bocbstens 
nocb  das  erste  in  Betracbt.  Allein  sie  reicben  lange  nicbt  aus, 
um  die  Hypotbese  der  Identitat  der  Verfasser  aucb  nur  wabr- 
scbeinlicb  zu  macben.  Der  Stil  zeigt  allerdings  gewisse  Aehn- 
licbkeiten,  aber  wenu  die  Scbriften  aus  derselben  Zeit  stammen 
und  vielleicbt  aus  derselben  Provincialkircbe,  so  sind  die  Aebn- 
lichkeiten  damit  geniigend  erklart.  Es  kommt  binzu,  dass  die 
Altercatio  Tbeopbili  aus  demselben  Codex  den  Mauriuern  be- 
kannt  ge worden  ist,  in  welcbem  sie  die  Altercatio  Zaccbaei 
lasen.  Beide  riibren  dort  wobl  von  demselben  Scbreiber  ber, 
und  viele  grobe  Barbarismen  und  Scbreibfebler,  welcbe  sicb  in 
beiden  Tractaten  finden,  sind  gewiss  auf  Rechnung  des  Copisten 
zu  setzen.  Sie  besonders  lassen  die  Scbreibart  als  eine  abubcbe 
erscbeinen.  Dass  aber  beide  Scbriften  als  anonym  ueben  ein- 
ander  steben,  ist  docb  eine  ganz  scbwacbe  Stiitze  far  die 
beliebte  Hypotbese.  Man  darf  aber  ferner  sagen:  war,  wie 
Gennadius  bericbtet,  die  Altercatio  TbeopbiH  zu  seiner  Zeit,  d.  b. 


21)  Thesaur.  V  p.  Isq. 


Die  Tloberliofcnnifjf.  13 

etwu  zwt'i  Menschenaltev  nach  ihrem  Erscheiiieii,  fast  in  Aller 
Hiinden,  so  hatte  er  selbst  doch  p^ewiss  erfaliren,  dass  der  Verfasser 
dieser  Sclirift  zAigleich  der  Alitor  eines  .sechsmal  umfangreicheren, 
viel  auspruchsvolleren  Werkes  sei.  Das  Schweigen  des  Gennadins 
ilber  die  Altercationes  Zacchaei  f'allt  sehr  in  das  Gewicht.  Die 
von  den  Maurinern  angefiihrten  Grvinde  verschlagen  also  gar 
nichts,  mid  auch  die  Beobaclitung,  welche  sie  libersehen  haben, 
dass  namlicb.  die  beiden  Schriften  sich  inhaltlich  zweimal  be- 
ruliren,  kann  die  Identitat  der  Verfasser  nicht  erweisen.  Die 
Unmoglichkeit  dieser  Hypothese  soil  iiatiirlicli  nicbt  behauptet 
werden,  sondern  nur  ihre  vollige  Unzuverlassigkeit. 

Dennoch  ist  die  Hypothese  wie  eine  ausgemachte  Sache 
beliandelt  worden.  Nicht  nur  de  la  Bar  re  in  der  neuen  Aus- 
gabe  des  Spicilegiums  von  d'Achery  hat  sie  als  solche  genoin- 
men,  sondern  auch  Wolf'^^)^  Fabricius  2^),  Gallandi^*), 
Ceillier'^^)  u.  A.  haben  beigestimmt.  Soweit  im  19.  Jalir- 
hundert  das  Andenken  an  die  Altercatio  nicht  iiberhaupt  er- 
losclien  ist,  gilt  die  Hypothese  der  Mauriner'^''). 

Ceillier  hat  dieselbe  mit  einer  anderen,  von  ihm  aufge- 
stellten  iind  schliesslich  gleichfalls  fiir  sicher  ausgegebenen 
verkniipft.  ,,Nos  Gaules",  beginnt  er  seinen  Artikel  iiber 
Euagrius,  den  Priester  und  Schiiler  des  h.  Martin,  in  der  Hist, 
litter.,  „ont  leur  Evagre,  comme  la  Syrie  et  le  Pont  out  eu 
les  leurs,  et  dans  le  meme  temps,  c'est-a-dire,  a  la  fin  du  IV. 
siecle  et  an  commencement  du  V.  L'Evagre  des  Gaules  etoit 
un  pretre,  qui  avoit  ete  Moine  sous  S.  Martin  de  Tours". 
Ceillier  meint  jenen  Euagrius,  der  in  den  Dialogen  des  Sulpicius 
(HI,  1,  4;  2,  8)  —  und  nur  in  diesen  —  ervs^ahnt  wird,  und  von 
dem  man  nichts  anderes  weiss,  als  dass  er  Monch,  Priester  und 
Schiiler  des  h.  Martin  gewesen  ist.  Die  Grlinde,  durch  welche 
Ceillier  die  Identitat  der  beiden  Euagrii  feststellen  will,  sind 
darum  hochst  vage.     Er  sagt:    1)  der  Verfasser   der  Altercatio 


22)  Bibl.  Hebr.  Ill  p.  1141  num.  2173. 

23)  Bibl.  med.  Lat.  U  ix  350  edit.  Hamb. 

24)  L.  c.  IX  p.  XVII. 

25)  Hist,  ge'nerale  XIII  (1747)  p.  567  sq.     Hist,  litter,  de  la  France  II 
p.  119sq. 

26)  S.  auch  Travers  Smith   im  Dictionary   of  Christian  Biograph}' 
II  p.  423. 


J4  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

sei  eiii  lateinischei'  Schriftsteller,  zugieich  Priester  uud  Moncli. 
Allein  das  letztere  ist  nur  dann  anzunelimen.  wenn  der  Verf. 
der  Altercatio  Theophili  audi  der  der  Altercatio  Zacchaei  ware. 
Aus  jener  Schrift  dagegen  folgt  durchaus  nicht,  dass  ihr  Ver- 
fasser  Priester  2'),  noch  weniger,  dass  er  Monch  gewesen  ist. 
2)  Die  Zeitbestimmung  fiir  Beide  zeige  die  Identitat.  Allerdings 
verbietet  die  Chronologie  die  Annahme  der  Identitat  nicht,  aber 
bei  der  Haufigkeit  des  Namens  Euagrius  ist  jedes  positive  Ur- 
theil  von  der  Chronologie  ans  ganzlich  unsicher.  3)  Das  Werk, 
welches  Gennadius  meine,  stamuie  hochst  wahrscheinHch  von 
einem  gallischen  Euagrius,  da  die  Bemerkung,  es  sei  fast 
Allen  bekannt,  sich  doch  zunachst  auf  Gallien  beziehe,  wo 
Gennadius  selbst  gelebt  habe;  4)  die  Form  des  Dialogs  passe 
besonders  gut  fur  den  Schiiler  des  h.  Martin,  Euagrius,  „qui 
avoit  sous  les  yeux  I'exemple  tout  recent  de  S.  Severe  Sulpice, 
son  condisciple  et  son  bote,  qui  venoit  de  pubher  ses  dia- 
logues pour  suppleer  a  ce  qu'il  avoit  deja  ecrit  sur  la  vie  de 
S.  Martin." 

Alle  diese  Grlinde  beweisen  hochstens,  dass  der  Monch 
Euagrius  des  Sulpicius  mit  unsereni  Verfasser  identisch  sein 
kann,  resp.  dass  wir  keinen  zweiten  Euagrius  kennen,  der  so 
gut  als  der  Verfasser  der  Altercatio  gelten  darf  wie  der  Schiiler 
des  h.  Martin.  Aber  mehr  lasst  sich  nicht  sagen.  Von  irgend 
welcher  Wahrscheinlichkeit,  dass  der  Schiiler  des  h.  Martin  der 
Verfasser  der  Altercatio  sei,  kann  nicht  die  Rede  sein;  nur  an 
dem  gallischen  Ursprung  des  Dialogs  wird  man  festhalten  diir- 
feu  2*).  Ein  Zweifel,  ob  die  uns  erhaltene  Schrift  mit  der  von 
Gennadius  angefiihrten  wirklich  identisch  sei,  ist  durch  nichts 
gerechtfertigt.  Innere  Griinde  zeigen,  dass  die  von  den  Mauri- 
nern  veroffentlichte  Altercatio  nicht  vor  dem  Anfang  des  5.  Jahr- 
hunderts  abgefasst  sein  kann  2'^);  ein  Indicium  aber,  dass  sie 
nach  dem  Jahre  450   entstanden  sein  miisse,   ist  nicht  vorhan- 


27)  Ceillier  (p.  122)  schliesst  dies  freilich  aus  dem  Umstande,  dass 
Theopliilus  den  Simon  tauft.  Aber  es  wird  sich  zeigen,  dass  dieser  Schluss 
kein  sicherer  ist. 

28)  Ceillier  spriclit  von  dem  hohen  Alter  des  Vindocinensis ;  aber 
eine  Altersbestimmung  hat  weder  er  noch  Marten e  gegeben. 

29)  Genannt  sei  der  wichtigste:  es  wird  bereits  als  kirchliche  Lehre 
behauptet  (c.  4,  15)  class  Maria  clauso  utero  geboren  habe. 


Dim-  Toxt.  15 

(k'lr'^'V  V\  ir  habeii  alst)  in  dcr  uns  vorliegeiiden  Altercatid 
Theophili  die  Schritt  eines  AbendUinders,  wahrscheinlich  eines 
Galliers,  zu  erkennen,  die  +  430  abgefasst  ist  and  sicli  urn  das 
.lain-  500  nach  dem  Zevigniss  des  Gennadins  und  Marcellimis 
grosser  Verbreitung  erfreute. 

Dieses  Ergebiiiss  ist  an  sich  nicht  geeigiiet.  ein  besonderes 
Interesse  fiir  das  Schriftstiick  zu  erwecken.  Die  kirchliche  Lite- 
ratur  des  5.  Jahrhunderts  liegt  uns  in  einem  so  grossen  Um- 
fange  vor,  dass  ein  kleiner  Dialog  aus  jener  Zeit,  der  in  die 
l)rennenden  dogmatisclien  und  kirchenpolitischen  Kampf'e  durch- 
aus  nicht  eingreift,  kein  Anrecht  auf  eine  specielle  Wiirdigung 
zu  haben  scheint.  Die  Drucke  und  die  kurze  Analyse  seines 
Inhaltes  bei  Ceillier  diirften  seiner  Bedeutung  genligend  ge- 
recht  geworden  sein. 

Dem  ware  in  der  That  so,  wenn  sich  nicht  zeigen  Hesse, 
dass  es  mit  dieseni  Dialoge  eine  besondere  Bewandtniss  hat, 
die  ihm  ein  Recht  auf  Bevorzugung  sichert.  In  dera  folgenden 
soil  jene  nachgewiesen  werden.  Voran  steht  eine  Recension 
des  Textes  nach  BV. 

30)  Die  Vulgata  ist  nocli  nicht  benutzt,  vielmehr  eino  vorhieronymi- 
aiiisclie  Recension  der  lateinischen  Bibeliibersetzung. 

§  2.    Der  Text  der  Schrift 
Altercatio  Simonis  ludaei  et  Theophili  Christiani. 

I,  1.  [Domino  fratri  valerio  a  .  .  ins  salutem.  Gratissimam 
tibi  referam  quaestionem  factara  nuper  sub  oculis  nostris;  quam 
tu  quoque  cum  cognoveris,  gratanter  accipies].  Fuit  igitur  alter- 
catio legis  inter  quendam  Simonem  ludaeum  et  Theophilum 
Christianum.  ludaeus  igitur  sic  ait:  Crucicola,  signifer,  Christia- 
nae  legis  te  profiteris  auctorem.    Habes  et  me  patientem  audi- 


1.  Gennad.  Marcellin.  .  .  .  Altercatio  inter  Theophilum  CJirisfiannm  et 
Simonem  ludaeum  V  (i.  e.  ni  fallor  Martene,  codice  nullum  titulum  prae 
se  ferente).  .  .  .  Incipit  altercatio  legis  inter  symonem  iudeum  et  theofilum 
christianum  B,  add.  B^:  quam  scripsit  evagrius  .  .  .  Incipit  liber  evagrii 
monachi  de  altercatione  symonis  iudei  et  theophili  episcopi  alexandrini  C.  — 
2.  Domino  —  salutem  B,  sed  „aelius"  super  rasuram,  el  manu  secunda  .  .  . 
desunt  in  VC.  —  2  sq.  Gratissimam  —  accipies  BC  {refero  .  .  nuper  factum 
C)  ....  desunt  in  V.  —  7.  auctorem  V  .  .  .  esse  doctorem  B  (doctorem 
coniec.  Martene).  —  7  s.  auditorem  V  .  .  .  adiutorem  B. 


|g  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

torem,  si  modo  interrogationibus  meis  non  lenociniis  sermonum 
aut  argumentis  verborum  sed  legis  praesentia  conprobes  veri- 
tatem.    Quod  si  tu  me  hodie  viceris,  facito  Christianum;  aut  ego 
cum  te  superavero,  faciam  Nazaraeum  ludaeum. 
5  Til.:  Non  glorietur  gibberosus  ut  rectus. 

2.  Sim.:  Quern  colis? 
Th.:  Deum. 

3.  Sim.:  Ego  tecum  de  Christo  crucifixo  contendo,  quern 
vos  dominum  dicitis. 

10  Th. :  Sane  dicimus  et  audenter  probamus,  dominum  deum  esse. 

4.  Sim.:  Sacri  venerandique  Deuteronomii  vox  resultans 
dicit:  Videte  quoniam  ego  sum,  et  non  est  alius  praeter  me  deus. 
Et  Esaias  dicit:  Ego  primus  et  ego  noi-issimus,  et  praeter  me 
non  est  deus. 

15  Th.:  Sacratissima  Christi  vox  est,  quam  si  tu  volueris  cog- 

noscere,  oportet  te  primum  credere  et  tunc  demum  poteris  in- 
tellegere.  Esaias  enim  redarguit  te  dicens:  Nisi  credideritis, 
non  inteUegetis.  Indubitanter  igitur  deum  omnipotentem,  invi- 
sibilem,   inmensum,   inconprehensibilem   novimus   et  scimus  et 

20  colimus,  deinceps  Christum  deum  et  dei  filium  profitemur.  Quod 
autem  dicit:  Ego  primus  et  ego  nocissimivs,  duos  adventus  Oliristi 
significat. 

5.  Sim.:  Quid  illud  quod  ait:  Praeter  me  non  est  deus"? 
Th.:  Christus  deus,  dei  filius,  de  se  dixit,  quia  praevidebat 

25  antichristum  venturum  et  se  deum  dicturum.  De  quo  Zacharias 
jiropheta  dicit:  Ecce  suscito  pastorem  in  terra,  et  quod  dejiciet 
iimi  denotabit  et  disparsum  non  requiret  et  contribulatum  non 
salvahit  et  integrum,  non  consummabit  et  carnes  electorum  comedet 

1.  lenodnio  B.  —  2.  aut  V  .  .  .  nee  B.  —  2.  verborum  deest  in  V.  — 
3.  Quod  V  .  .  .  aut  B.  —  3.  reviceris  B.  —  4.  te  cum  B.  —  4.  Nazaraeum 
V  .  .  .  natorem  B.  —  5.  stent  B.  —  7 — 9.  desunt  in  V.  —  10.  Sane  si  V.  — 
10.  dominum  deum  esse  om.  V.  —  11.  libri  Deuteronojnii  B.  —  12.  quoniam 
B  .  .  .  quod  V.  —  13.  Et  om.  B.  —  16.  et  om.  B.  —  18.  deum  V  .  .  .  domi- 
num B.  —  19.  inmensum,  inconprehe7isihilem  om.  V.  —  24.  et  dei  V.  — 
25.  et  se  ex  coniect.  .  .  esse  B  .  .  .  om.  V.  —  25.  deum  dicturum  om.  V.  — 
20.  suseitabo  Y.  —  26.  terram  B.  —  27.  denotabit  B  .  .  .  visifabif  V.  — 
27.  disparsum  B  .  .  .  dispersos  V. 

12.  Deut.  32,  39.  —  13.  Isa.  44,  6.  —  17.  Isa.  7,  9.  —  2G.  Zach.  11, 
16.  17. 


Der  Text.  17 

et  talos  corum  evertet.  Et  (jladius  coram  super  brachium  eius 
est  et  super  ocuhmi  dexteruin  ipsius;  hracliimn  ipsius  arejiens 
arefet  et  oculus  ipstits  dexter  ohcaecatus  ohcaecahitur .  Proinde 
Christus  dicit:  Ego  primus  et  novissimus  et  praeter  me  non 
est  deus.  5 

6.  Sim.:  Ergo  tu  duos  deos  facis? 

Th.:  Deus  uuus  est,  ex  quo  Christus  et  in  quo  deus,  sicut 
Abrahae  adilicem  Mambrae  tres  visi  sunt,  quibus  occurrens  unum 
salutavit  dicens:    Si  inveni  grat.iam  ante  te,    accipiam  aqumn  et 
laventur  pedes  vestri,  et  refrigerate  sub  arbore.     Quod  tres  sci-  lo 
licet  videbantur  ex  praescientia   divinitatis,    quod   arbor  crucis 
Christi  credentibus   tegmen   refrigerii    praestaret,   aequo    enim 
proplieta  in  psalmo  LXXXI.  dicit:  Deus  stetit  in  sipiagoga  deo- 
rum,  in  medio  autem  deos  discernens.     Utique  de  Christo  dicit, 
qui  in  synagogis  vestris  docuit  et  virtutes  magnas  fecit.    Proinde  15 
in  psalmo  XLIV.  dicit:   Thromis  tuus^  deus,  in  saecula  saeculo- 
riom,  virga  aeqiutatis  virga  regni  tui;  dilexisti  iustitiam  et  odisti 
imquitatem,  propterea  unxit  te,  deus,  deus  tuus  oleo  laetitiae  plus 
quam  participes  tuos.     Quis  deus  vel  quern  deum  dixit,  ludaee? 
Utique  deus  pater  de  Christo  filio  suo,   pro  quo  et  de  quo  re- 20 
ceptissimus  prophetarum  Hieremias   dicit:  Hie   est  deus  noster 
et  non    est  alius  nee  aestimabitur  absque  illo,    qui  invenit  viam, 
prudentiae  et  dedit  earn  lacob  puerd  suo   et  Israel  dilecto  suo. 
Post  liaec  in  terris  visus   est  et  cum  hominibus  conversatus  est. 
Item  in  psalmo  XLV.  dicit:   Vacate  et  videte,    quoniam  ego  sumlh 
deus,  exaltabor  in  gentibus  et  exaltabor  in  terra.     Et  in  psalmo 

1.  talos  oiu.  V.  —  1.  Et  om.  V.  —  1.  eorum  om.  V.  —  1.  eius  B  . .  . 
ipsius  V.  —  2.  brachium  ipsiits  om.  V.  —  3.  obcaecabitar  dexter  V.  —  4.  ego 
novissimus  V  (quae  secuntur  om.  V).  —  6.  deos  om.  V.  —  7.  in  om.  B.  — 
8.  vidif  V.  —  9.  Domine,  si  Y.  —  9.  acci^je  V.  —  10.  refriyera  te  V.  — 
10.  arborem  istam  V.  —  lOsq.  Quod  scilicet  Abraham  videbat  praesentiam 
divinitatis  V.  —  12.  tegmen  credentibus  V.  —  12.  de  quo  j^ropUeta  V,  — 
13.  LXXXI.  dicit  om.  V.  —  14.  discernens  B  .  .  diiudicat  V.  —  15.  syna- 
goga  deoruniY.  —  15.  magnas  om.  V.  —  16.  LXIV.  B.  —  18.  unxit  ^  .. . 
benedixit^  V,  —  18.  deus  prim.  om.  V.  —  18sq.  jjrae  participibus  tuis  V.  — 
19.  Quis  dens  propter  V.  —  20.  Christum  dei  filium  V.  —  21.  est  om.  V.  — 
21.  noster  om.  V.  —  22sq.  omnem  pirudentiam  V.  —  23.  earn  oni.  V. 


9.  Gen.  18,  4.  —  13.  Ps.  82,  1.  —  16.  Ps.  45,  7.  8.   —  21.  Baruch.  3, 
35—37.  —  25.  Ps.  46,  11. 

Texte  und  Untersnchungen  I,  3.  2 


IS  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

LXVn.:  Gantate  domino,  lysallite  nomini  eius ,  iter  facite  ei,  qui 
ascendit  in  occasum,  dominus  nomen  est  ilU.  Longum  erit,  iit 
exempla  persequar  plura;  his  paucis  Veritas  couprobatur. 

II,  7.    Him.:   Recte   qnidem  ad  colentes  testimonia,    unito 

5spiritu  fatentes,  ori  tuo  consentientes;  sed  illud  volo  edisseras 

mihi,    sicubi    in    loco    deus    per    semetipsum    deum    Christum 

constituit,  tunc  demum  Christum  deum   et  dei  filium  credere 

cogitabo. 

Til.:  Incredule  ludaee,  iam  et  de  prophetis  disputas?  accipe 

lOtamen  interrogationi  tuae  responsum.  Deus  ad  Moysen  loquitur 
dicens:  Ecce  dedi  te  deum  Pharaom  et  Aaron  f rater  tuns  erit 
tuus  proijlieta.  Pervide,  hunc  Moysen  typum  Christi  fuisse,  gen- 
tium incredibilium  deum.  Quanto  magis  Christus  credentium 
est  deus?  Sicut  enim  Moyses  populum  de  Aegypto,  de  durissima 

IsPharaonis  servitute  liberavit,  ita  et  Christus  populum  suum  de 
idolorum  servitute  et  de  diaboli  potestate  liberavit. 

8.  Sim.:  Si  ergo  Christus  deus  est  et  dei  filius,  quomodo 
ergo  in  Genesi  scriptum  est:  In  lyrincipio  fecit  deus  caelum  et 
terram'?  Poterat  utique  dixisse:  In  principio  fecit  deus  pater  et 

20  deus  £lius  caelum  et  terram. 

Th.:  Erras,  ludaee,  nee  umquam  invenies  veritatem,  nisi 
veritatis  intellegas  originem.  Nam  si  velles  credere,  poteris  et 
in  principio  eius  invenire,  quis  est  Christus,  dei  filius.  Sic  enim 
in  principio,  ait,  fecit  deus  caeluvi  et  terrain,  hoc  est  in  Christi 

25  arbitrio  et  ad  eius  voluntatem  et  ad  cuius  imaginem  hominem 


1.  XLVIl.  B.  —  2.  super  occasum  V.  —  2.  est  om.  V.  —  2.  erit  B  . .  . 
est  V.  —  3.  exemplaria  (ex  exemplar)  B.  —  4.  accolent  B  (sed  c  primum 
super  rasur.).  —  5.  fatentes  V  .  .  .  fruentis  (ex  fruentes)  B.  —  5.  consen- 
tientis  B.  —  5.  illo  B'.  —  6.  miJii  om.  V.  —  6.  dominum  B.  —  7.  donii- 
num  B.  —  7.  credere  om.  V.  —  10.  interrogationihns  tuis  V,  —  11.  domi- 
num 3.  —  11.  f rater  tuus  Aaron  Y.  —  \2.  propheta  tuus  V.  —  12.  Prae- 
vide  nunc  V.  —  14.  etiim  om.  B.  —  14.  do  secundum  om.  V.  — 15.  libera- 
vit om.  V.  —  15.  sic  V.  —  15.  2^oindum  suum  B  .  .  .  credentes  Y.  —  15 sq. 
de  idolorum  servitute  et  om.  V.  —  19.  Pot ue rat  V.  —  19.  utique  om.  V.  — 
19.  dicere  B.  —  I9sq.  fecit  pater  et  dei  filius  V.  —  22.  velis  V.  —  21.  poteras 
B2.  —  23.  2>f'^^i<'ipii^i>n  B.  —  23.  qui  B.  —  24.  in  principio  om.  V.  —  25. 
voluntatem  eius  V.  — -25.  imaginem  et  similitiidinem  nostrum  B. 


1.  Ps.  68,  5.  —  11.  Exod.  7,  1.  —  IS.  Gen.  1,  1. 


Der  Text.  19 

lacere  digiiatns  est;  (licit  eiiim:  Faciamus  hoitu'nem,  et  rursus 
infra  dicit:  Fecit  deiis  hominem  ad  ivuujineta  et  similitadmem  dei; 
ma^culum  et  femiuain  fecit  eos. 

9.  Sim.:  Potuit  hoc  et  ad  angelos  dixisse. 

Th.:  Erras,  ludaee!  Cui  umquam  angeloruni  dixit  deus:  5 
Filius  mens  es  tu,  ego  hodie  genui  te?  Et  rursus  in  psalmo 
dicit:  Ponam  principent  ilium ^  excelsum  prae  omnibus  regibus 
terrae.  Angelis  autem  iubet,  ut  Cliristum  adorent.  Et  iterum 
in  Cantico  Deuteronomii  dicit:  Laetamini  gentes  cum  eo  et 
adorent  eum  omnes  angeli  dei.  10 

10.  Sim.:  Proba  milii  Christum  principem  esse. 

Th.:  lam  dixi;  nunc  accipe  aham  probationem,  si  poteris 
vel   sic   credere.     Nam  cum  lesus  filius  Nave  staret  trans  lor- 
danem,  vidit  virum  stantem,  et  gladius  utraque  parte  acutus  in 
mauu  eius.     Dixit  ilh  lesus:   Noster  es  aut  adversariorum^   At  15 
ille  respondit:  Ego  sum  princeps  inilitiae  maiestatis  domini. 

Ill,   11,  Sim.:   Et   hoc  volo   mihi  edisseras,    quomodo   est 
fihus   dei   Christus;    nam    et    omnes  sancti  Jilii   dei  dicti  sunt. 
Proinde  sicut  mihi  probasti  principem  ilium  esse,  proba  mihi 
nunc  ilium  dei  filium  ex  deo  natum.     Longe  enim  remota  est  20 
divinitas  a  coitibus  humanis  nee  miscetur  conplexui. 

Th.:  Loqueris  quasi  ludaeus.  Nam  Christus  deus,  dei  filius, 
primogenitus,  verbo  editus,  ore  prolatus.  Sicut  enim  deus  in 
principio  cum  hominem  e  limo  terrae  faceret,  flatum  suum  in 
eundem  spiravit,  et  factus  est  homo  in  animam  vivam,  ita  et  25 
verbum  suum,  hoc  est  Christum,  ex  utero  cordis  sui  genui t, 
sicut  in  Basilion  libro  secundo  dicit:  Et  fuit  verbum  domini  ad 
Nathan  prophetain  dicens:    Vade  et  die  servo  rneo  David:    Non 


1.  di(jnatHS  est  facere  V.  —  Isq.  et  —  hominem  om.  V.  —  4.  dicere  B^.  — 
5.  uniqiiaiii  V  .  . .  enim  B.  —  7,  principem  ponam  V.  —  7.  omnibus  om. 
V.  —  S.  ut  om.  V.  —  9.  Canticum  B^Y.  —  11.  esse pirincipemY .  —  12.  ac- 
cipe nunc  V.  —  12.  potueris  V.  —  14.  virum  vidit  V.  —  14.  acutus  erat 
B2.  —  15.  Dicit  B.  —  15.  autB  ...  an  V.  —  15sq.  At  ille  respondit  om.  V. 

—  10.  sum  om.  V.  —  17.  hoc  modo  B.  —  18.  dei  om  V.  —  19.  mihi  om.  V. 

—  20.  ilium  om.  V.  —  21.  anqjlexui  V.  —  22.  deus  filius  V.  —  23.  prolatus, 
vulvae  incontaminatae  iaculatus  B.  —  24.  eum  hominem  in  principio  V.  — 
24.  fecerat  V.  —  25.  spiraverat  V.  —  25.  et  ita  V.  —  27.  regnorum  B. 

1.  Gen.  1,  26.  27.  — G.  Ps.  2,  7.  Hebr.  1,  5.  —  7.  Ps.  89,  28.  —  9.  Deut. 
32,   43.  —  15.  los.  5,  13sq.  —  IS.  Ps.  82,  0.—  27.  II  Sam.  7,4.  5.  12—14.  16. 

2* 


20  Die  Altevcatio  Simonis  et  Theophili. 

tvb  aedijicabis  mihi  domum  ad  mhabi'tanduon,  sed  cum  inpleti 
fuerint  dies  tui  et  dormieris  cum  patribus  tuis^  excitabo  semen 
tuum  post  te;  hie  aedijicabit  domum  nomini  meo,  et  erigam  domum 
illius  usque  in  saecula^  et  ego  ero  illi  in  imtremy  et  ipse  mihi 
5  erit  in  filium^  et  fides  consequetur  domum  eius.  Item  in  psalmo 
11.  dicit:  Quare  fremuerunt  gentes  et  populi  meditati  sunt  inania'? 
Adstiterunt  reges  terrae  et  pjopuli  convenerunt  in  unum  adversus 
dominwm  et  adversus  Christum  eius.  Disrum.pamus  vincula  eorum 
et  proiciamus  a  nobis  iugum  ipsorum.     Qui  habitat  in  caelis  in- 

\<^ridebit  eos  et  dominus  stibsannabit  eos.  Tunc  loquetur  ad  eos 
in  ira  sua  et  in  furore  suo  conturbabit  eos.  Ego  autem  consti- 
tutus  sum  rex  oh  eo  super  8ion  montem  sanctum  eius,  praedi- 
cans  praeceptum  domini.  Dominus  dixit  ad  me:  Filius  meus  es 
tUj  ego  hodie  genui  te.    Pete  a  me  et  dabo  tibi  gentes  hereditatem 

lo  tuam,  et  possessionem  tuam  terminos  terrae;  reges  eos  in  virga 
ferrea  et  tamquam  vas  figuli  confringis  eos.  Item  in  psalmo 
XLIV.:  Eructavit  cor  meum  verbum  bonum^  dico  ego  opera  mea 
reqi.  Et  Esaias  dicit:  Consummatas  quidem  et  breviatas  res 
audivi;   quoniatn   verbum   breviatum   faciet  deus   in  omni  terra. 

20  Hoc  est  verbum,  quod  verbera  nostra  sanavit,  de  quo  in  psalmo 
CVI.  dicit:  Misit  verbum,  suum  et  sanavit  eos.  Item  in  alio 
psalmo  dicens  deus  testimonium  perhibet,  per  prophetam  dicens 
quod  caelum,  de  quo  supra  diximus,  de  Christo  et  in  Christo, 
qui  est  verbum  dei,  fecerit:   Verbo  domini  caeli  solidati  sunt  et 

"ihspiritu  oris  eius  omnis  virtus  eorum.  Hoc  est  verbum,  quod 
velociter  mundum  percucurrit  et  animas  errantium  per  legem 
novam  ad  deum  convertit,    de    quo    in   psalmo   CXLVI.  dicit: 

1.  habitandmn  V.  —  2.  tid  ad  inhabitanditm  B.  —  2.  ef — txis  om. 
V.  —  2.  siiscifaboY.  —  3sq.  domum  iUlits  B  .  .  .  thronum  ems  V.  —  4sq. 
erit  mihi  V.  —  5.  fidem  consequetur  et  domns  eius  V.  —  5.  Item  B  ...  etY. 

—  7.  Ab  Adstiterunt  usque  16.  confringis  eos  om.  V.  —  18.  Et  om.  V. 

—  18.  consammattir  B.  —  18.  adbreviatas  V.  —  20.  Hie  est  verbum,  qui 
V.  —  21.  CV.  V.  —  21.  A  dicit  usque  eos  B  in  marg.  —  22sq.  psalmo 
testimonium  2)erhibet  propheta  dicens  quod  V  .  .  .  caelum  {22)  per  prophetam 
dicens  B  ex  dittogr.  —  23.  de  secundum  om.  V.  —  24.  qui  V  .  .  .  quod 
B.  —  24.  firmati  V.  —  25.  Hie  V.  —  25.  est  om.  B.  —  25.  qui  V.  — 
26.  percurrit  V.  —  27.  dominum  B.  —  27.  CXLVII.  B.  —  27.  dicit  om.  V. 


6.  Ps.  2,  1—9.  —  17.  Ps.  45,  2.  —  18.  Isa.  10,  22.  23.  —  20.  Isa.  53,  4. 
—  21.  Ps.  107,  20.  —  24.  Ps.  33,  6. 


Der  Text.  21 

Qui  emittit  verhum  smim  tcrnie,  velociter  currit  verbum  ehis.  Et 
Esaias  dicit:  Ecce  verbum  dotnini  factum  est  illis  in  maledictum^ 
a  uolerunt  illud.  Nam  si  velles  loliannem  prophetam  nostrum 
audire  et  prophetico  ore  clamantem:  In  principio  erat  verbum^ 
et  verbum  erat  apud  deum,  et  dens  erat  verbum.  Hoc  erat  in  5 
principio  apud  deum.  Omnia  per  lUum  facta  sunt,  et  sine  illo 
factum  est  nihil.  Et  rursus  filius  pari  genere  testimonium  re'ddit 
patri  et  nati^dtatis  suae  exordia  testatur,  dicens  per  Salomonem: 
Ego  ex  ore  altissimi prodioi primocjenitus  ante  omnem  creaturam. 
E(jo  in  caelis  feci,  ut  oriretur  lumen  indejicieiis.  Ego  in  altis  10 
/labitavi,  et  thromis  mens  in  columna  mibis.  Vides  ergo,  Simon, 
exeuntibus  patribus  tuis  de  Aegypto,  quia  Christus  erat,  qui 
in  columna  nubis  praecedebat  eos.  Item  illic  in  proverbiis  eius- 
dem:  Dominus  condidit  me  in  initio  verborum  suorum,  in  prin- 
cipio in  opera  sua,  antequam  terram  faceret  et  antequam  abyssos  15 
constitueret  et  antequam  omnes  colles  genuit  me.  Gum  yararet 
caelos  aderam  cum  illo,  et  cum  secerneret  sedem  suam,  quando 
fortia  faciebat  fundamenta  terrae,  eram  simul  cum  illo  disponens. 
Ego  eram,  cui  adgaudebat,  cottidie  autem  adlaetabar  in  faciem 
eius,  cum  laetaretur  orbe  perfecto.  20 

12.  Sim.:  Potest  hoc  pro  sapientia  dictum  esse. 

Th.:  Erras,  ludaee,  et  velamine  ignorantiae  sensus  tuus 
contectus  est.  Non  inmerito  sanctissimus  Moyses  velaminis 
tegmine  faciem  velabat,  quod  velamen  corda  vestra  contexit. 
Accede  proinde  ad  dominum  et  crede  Christum  deum,  dei  filium,  23 
et  auferetur  de  sensibus  tuis  tegmen  ignorantiae.  Sapientiae 
dictum  existimas  ignorans  quoniam  Christus  est  ipse  dei  virtus 
et  dei  sapientia.    Adeo  reges  vestri,  qui  per  successionem  regna- 

1.  verbum  primum  B  .  .  .  sermo  V.  —  3.  si  velles  audire  om.  V.  — 
3.  lyrophetam  om.  B.  —  3.  prophetam  nostrum  lohannem  V.  —  4.  et  om. 
V.  —  4sq.  In  V  loh.  v.  Ic  praemissum  est  v.  lb  et  v.  2  deest.  —  6.  ilium 
B  .  .  .  ipsum  V.  —  6.  factum  est  V.  —  6.  ipso  V.  —  10.  altissimis  V.  ^— 
11.  Simon  om.  V.  —  13.  illis  B.  —  14.  in  primum  om.  B.  —  14.  verborum 
B  .  .  .  liarumY.  —  15 sq.  faceret  et  ante  omnes  colles  V.  (interposit.  cm.). 

—  16.  patraret  V.  —  17.  caelo  B.  —  19.  laetabar  V.  —  20.   orbi  V.  — 
21.  dixisse  V.  —  22.  veluti  velamen  V.  —  25.  crede  Christum  deum  om.  V. 

—  27.  ignoras  B.  —  27.  ip)se  est  V.  —  28.  Adeo  ut  B. 

1.  Ps.  147,  15.—  2.  lerem.  6,  10.  —  4.  loh.  1,  1—3.  —  9.  Sirach.  24, 
3.  4.  —  14.  Proverb.  8,  22—30. 


22  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

bant,  non  poterant  sapientiam  et  virtutem  accipere  nisi  per 
vocabulum  nominis  Christi  dicerentur,  Huius  rei  auctoreui 
Danihelum  dabo  dicentem:  Signabitur  visus  et  i:)rop}ietia.  Orie- 
tur  iusiitia  seininterna  et  ungetur  sanctus  sanctorum.  Et  scies 
5  et  intelleges  ah  exitu  sermonis  in  respondendo,  et  aedificabo  Hie- 
nisalem  usque  ad  Christum  regnantem,  a  deo  veniente  Ghristo 
Christorum  et  rege  regum  vestrorum;  ^inct^o  Samariae  deficiet 
eormi  illud.  De  quo  reges  vestri  ungebantur,  et  omnes  pro- 
phetae  siliierunt,    quia  de  quo  loquebantur  venit,    sicut  Esaias 

10  ait:  Ego  suin  qtu  loqnehar,  et  veni,  ut  evangelizem  vohis.  Proinde, 
ut  diximus,  ipse  est  Christus  Christorum,  dominus  dominorum. 
Auctorem  Esaiam  dabo  dicentem:  Sic  dicit  doynijius  Ghristo  meo 
domino^  cuius  tenui  dexteram,  ut  exaudiant  eum,  gentes:  forti- 
tudinem  regum  dis^-umpam^  aperiam  ante  eum  portas  aereas,  et 

15  civitates  non  claudentur.  Et  portas  aereas  aperiam  et  vectes 
ferreos  confringam^  et  dabo  tibi  thesauros  occultos.  Cui  ergo 
tenuit  dexteram  pater  nisi  Ghristo  filio  suo,  quem  et  omnes 
gentes  exaudiunt,  sicut  in  psalmo  dicit:  Semper  tu  mecum  tenuisti 
manum  dexteram  meam?   Aut   quae   civitas  illi   clausa  est?   Et 

20  cui  omnes  portae  apertae  aereae  patent?  Aut  numquid  et  de 
nativitate  eius  audebit  disputare,  cum  idem  propheta  dicat: 
Factum  est  verhum  domini  ad  Achaz  dicens:  Fete  tibi  signuvi 
a  domino  deo  tuo  in  profundutn  aut  in  excelsutn.  Et  dixit  Achaz: 
Non  petam  neque  tentabo  dominum.    Et  ait:  Audite  nunc  domus 

25  David:  Non  pusillunx  vobis  certamen  erit  cum  hominibus;  et  ideo 


2.  dicerentur  om.  V.  —  4.  iustitiae  sempite^'nae  B.  —  4sq.  Et  scies  et  in- 
telleges Y  .  .  .  Et  Esaias  elicit:  Et  intelleget  B.  —  5.  exittis  B.  —  5.  respon- 
clendum  B.  —  5.  aedificans  B.  —  6sq.  ad  Christum  Christorum  et  regem 
regum  vestrormn  V.  —  7.  regem  Codd.  .  .  .  rege  ex  coniect.  —  8.  De  quo 
B  .  ,  .  Deinde  V.  —  10.  evangelizarem  V.  —  10.  vobis  om.  B.  —  12.  Sic 
om.  B.  —  13.  cut  tenuit  V.  —  14.  aereas  om.  V.  —  15.  Et  om.  V.  —  16.  ab- 
scond itos  V.  —  17.  suo  om.  V.  —  18.  exaudieruntY.  —  18.  Tu  mecum  sem- 
per Y.  —  20.  ap)ertae  om.  V.  —  20.  2^ct^'>^h  ^^oc  est  praecordia  singulorum 
fide  Christi  reserata,  qui  doctrina  sua  corda  et  praecordia  reseravit  B  (Scho- 
lion,  ut  vid.).  —  21.  isdem  Y.  —  21.  dicat  om.  V.  —  22.  est  om.  V.  — 
22.  inquit  ad  Y.  —  22.  Achah  B.  —  23.  domino  nostro  B.  —  23.  proftm- 
dum  inferni  sive  in  excelsum  supra  V.  —  23.  dicit  B.  —  24.  p>eto  et  non  Y. 


3.  Dan.  9,  24.  25.  —  10.  Isa.  52,  6.  —  12.  Isa.  45,  1—3.  —  IS.  Ps.  73, 
23.  —  22.  Isa.  7    10—14. 


Der  Text.  23 

COS  jjraesfabitis  veiiamen  cum  deo,  quoniavi  dominus  dabit  vohls 
siipmin :  Ecce  virgo  in  xitero  concipiet  et  liariet  JiUwn,  et  vocahitur 
nomen  eius  Emmatmhel^  quod  mterpretaiur  Nohiscum  deus. 

13.  Sim.:  Ego  prophetis  credo.  Praeterea  Esaiam  receptis- 
simum  accipio;  sed  de  alia  virgine  earn  dixisse  arbitror.  Cum  5 
enim  Salmanassar  rex  Assiriorura  ducem  simm  misisset  a^d  Hieru- 
salem  exprobrare  deum  vivum,  tunc  Esaias  prophetavit  adversus 
Salmanassar  regem  dicens:  Spi-evit  te  et  subsannavit  fe,  virgo 
jilia  Sion.     Caput  movit  adversus  te,  Jilia  Hierusalem.     Quando 

angelus  de  castris  Assiriorum  centum  octoginta  milia  percussitio 
in  hoc  fuit  nobiscum  deus. 

Th.:  Erras,  ludaee,  necdum  removes  incredulitatem.  Si 
ergo  filiam  Sion  virginem  dicis,  quern  filium  peperit?  vel  quis 
butvrum  et  mel  raanducavit?  aut  quis  infans  fuit,  qui  priusquam 
cognosceret  patrem  aut  matrem,  spolia  Samariae  detraxit?  aut  15 
quem  filium  de  semine  David  liabuit?  Esaias  enim  dicit:  Ecce 
virgo  in  utero  accipiet,  et  pariet  Jilium,  et  vocahitur  nomen  eius 
Emnunmhel;  butyrum  et  mel  manducabit,  et  priusquam  cognoscat 
puer  vocare  patrem  aut  matrem^  accipiet  virtuttm  Damasci  e 
spolia  Samariae  contra  regem  Assiriorum.  20 

14.  Sim.:  Enarra  ergo  mihi  ista  quid  se  habeant,  ut  credere 
possim,  quid  mel  aut  butyrum  intellegitur,  aut  quae  spolia 
Samariae  Cliristus  acceperit. 

Th.:  Si  removeas  incredulitatem,  audies  veritatem,  ne  forte 
in  te  inpleatur  illud  quod  in  psalmo  scriptum  est:  Sicxit  aspides  25 
surdae  et  obturantes  awes  suas.,   quae  non   exaudiunt  voces  in- 


1.  cum  deo  edidi  .  .  .  om.  B  .  .  .  cum  liominibus  V.  —  1.  dominus 
deus  V.  —  2.  in  titero  om.  V.  —  5.  aliam  virginem  dixisse  V.  —  7.  ex- 
prohrare  V  .  .  .  praedicare  B.  —  8.  Sprevit  V  .  .  .  Exprueuit  B.  —  9.  Capmt 
suum  ntovet  adversum  V.  —  9.  Quando  etY.  —  12.  iiondum  V.  —  13.  Sion 
virginem  B  .  .  .  lerusalem  V.  —  13.  vel  V  .  .  .  i«^  B.  —  14.  manducabit  V. 
—  15.  ut  matrem  B.  —  16.  hahtdt  B  .  .  .  aluitY.  —  16.  dixit  V.  —  17.  con- 
cipiet  B2.  —  18.  comedet  V.  —  18.  et  secund.  om.  V.  —  19.  puer  om. 
V.  —  19.  aut  edidi  .  .  .  vel  Y  .  .  .  tit  B.  —  20.  hahuit  contra  B.  — 
21.   miki  igitur  V.  —  25.  inqileatur  in  te  V.  —  25.   in  psalmo  om.  V.  — 

25.  aspndis  B2.  —  26.  exaudiunt  edidi  .  .  .  audiunt  V  .  .  .  exaudiet  B.  — 

26.  vocem  V. 


S.  Isa.  37,  22.  —  9sq.  Isa.  37,  30.  —  16.   Isa.  7,   14.   15;  8,  4.  —  25. 
Ps.  58,  5. 


24  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

cantantium.  Audenter  etiam  Esaias  adversus  incredulitatem 
vestram  clamat  dicens:  Erunt  vobis  verba  lihri  huius  sicut  verba 
libri  signati,  quern  si  dederis  liomini  scienti  Utteras  ad  lecjendwni, 
dicit:  Non  possum  legere;  signatuni  est  enim.  Aut  si  detur  liber 
histe  liomini  non  scienti  Utteras  et  dicas:  Lege^  et  dicet:  Non  didici. 
Primuni  quia  Christus  secundum  nativitatem  infantium  omnium 
butyrum  et  mel  manducavit.  Hoc  credimus  et  sic  fidem  nostram 
custodimus;  et  quia  die  octavo  circumcisus  est.  Butyrum  autem 
unctio   spiritus  intellegitur:   mel  autem  dulcedo   est  doctrinae 

lOeius,  quam  nos  adsequimur  et  sic  fidem  consequimur.  Spolia 
autem  Samariae  lioc  genere  detraxit,  quod,  cum  infans  esset, 
muuera  a  magis  accepit,  aurum,  tus  et  myrram;  et  postea  ad- 
ultus  cum  doceret  et  omnem  veritatem  dei  demonstraret,  relictis 
idolis  Samaria  et  Damascus  bene  crediderunt,  relinquentes  Assi- 

15rium,  id  est  diabolum, 

IV,  15.  Sim.:  Bene  quidem  per  omnia  interrogationibus 
meis  patefacis  mysteria,  et  quia  Christum  deum,  dei  filium,  ore 
dei  prolatum,  verbo  genitum  et  ex  virgine  natum  probasti. 
Quomodo  ergo  ex  semine  David  in  Betlileem   civitatem  natum 

20  adseveras  ? 

Th.:  Auctorem  Esaiam  dabo  dicentem:  Exiet  virga  de  ra- 
dice  lesse  et  Jlos  de  radice  eius  ascendet,  et  requiescet  super  eum 
spiritus  dei  Virga  enim  Maria  virgo  fuit,  quae  ex  semine  David 
processit,  ex  qua  Christus  flos  patriarcharum  secundum  carnem 

25nascitur.  Deus  enim,  qui  in  Numeris  signum  fecit,  ut  asina 
loqueretur,  multum  mains  signum  facere  voluit,  ut  Christus  ex 
virgine  nasceretur.  Aut  quid  mihi  et  tibi  esset  certamen,  nisi 
virgo  peperisset? 

16.  Sim.:  Credo  virginem,  ut  dicis,  potuisse  spiritu  conci- 

SOpere.     Agitur  si  virgo  potuit  parere. 


1.  etiam  V  .  .  .  enim  B.  —  2.  verba  secundum  om.  V.  —  4sq.  si  dederis 
non  scienti  V.  —  5.  et  secuncl.  oui.  V.  —  6.  quia  V  .  . .  quidem  B.  —  7.  iidem 
B  .  .  .  vitam  V.  —  S.  octavo  die  V.  —  9.  est  om.  V.  —  10.  et  sic  fidem 
consequimur  om.  V.  —  13.  del  om.  V.  —  14sq.  regem  Assirium  B-.  —  16. 
interrogationibus  meis  om.  V.  —  17.  deum  B  ...  et\.  —  21.  dicentem  om. 
V.  —  23.  domini  V.  —  27.  nisi  ut  V.  —  28.  pareret  B.  —  29.  ])otuisse  om. 
B.  —  29.  de  spiritu  V.  —  29 sq.  concejnsse  B-.  —  30.  Agitur  etc.  om.  B. 

2.  Isa.  29,  11.  12.  —  21.  Isa.  11,  1.  2.  —  25.  Num.  22,  28. 


Der  Text.  25 

Th.:  lucredule,  saxum  dens  rumpere  potuit  et  aquam  in 
siccitateui  producere,  quanto  magis  deus  inhere  potuit,  ut  virgo 
partuui  ederet!  Et  adliuc  tibi  aliud  ponam  testimonium,  si  tamen 
credas  Baruch  Nerei  filio,  qui  in  Babylonia  prophetavit. 

17.  Silt).:  Ergo  me  tam  infidelem  existimas,  ut  Baruch  dis-  5 
cipuhim  Hieremiae  non  recipiam,  qui  ah  Hieremia  toties  missus 
ad  populum  adlocutus  est,  qui  et  prophetiam  suam  Baruch  con- 
scribere  iussit.  Et  quia  sciehat  Hieremias  ilium  prophetaturum, 
adeo  post  Hieremiam  populo  praefuit  in  captivitate  et  prophe- 
tavit, sed  de  Christo  nihil  meminit.  l'^ 

Th.:  Quomodo  ergo  prope  finem  libri  sui  de  nativitate  eius 
et  de  habitu  vestis  et  de  passione  eius  et  de  resurrectione  eius 
prophetavit  dicens:  Hie  unctus  meus^  electus  meus,  vulvae  in- 
eontaminatae  iaculatus,  natus  et  jx^ssus  dicitur.  Quoniam  et 
tunicam  illius  desuper  contextam  et  omnia  haec,  Simon,  si  15 
credideris,  aut  cum  veneris  in  plenitudinem  evangeliorum  uostro- 
rum,  inpleta  cognosces.  Quod  autem  in  Bethleem  natus  est, 
audi  Michaeam  prophetam  dicentem:  Et  tu  Bethleem  luda, 
domus  illius  Efratha,  non  eris  exigua,  ut  constituaris  in  milihus 
luda.  Ex  te  enim  mihi  prodietj  ut  sit  princeps  in  Israel,  et20 
possessio  eius  a  principio  et  a  diehus  saeculi. 

V,  18.  /SVm.:  Multa  cj[uidem  legimus,  sed  non  ita  intellegi- 
mus;  proinde  volo  per  singula  quae  te  interrogo  cognoscere 
conprobata  testimonio  veritatis.  Praeterea  cj[uia  deus  circum- 
cisionem  celebrari  praecepit,  quam  primum  patriarchae  Abrahae  25 
tradidit,  quam  circumcisionem  Christum  habuisse  superius  pro- 
fessus  es,  quomodo  ergo  mihi  credere  persuades,  qui  circumci- 
sionem prohibes? 

1.  potuit  rumpereY.  —  2.  siccitafemB^  .  .  .  societatem  B'  .  .  .  sitientem 
V.  —  2.  virgo  adhunc  B.  —  3.  Et  om.  V.  —  3.  dico  aliud  (om.  imiam) 
V.  —  4.  filium  V.  —  4.  Babilonem  V.  —  5.  me  infidelem  tarn  V.  —  6.  to- 
ties V.  —  7.  ad  om.  V.  —  8.  sciebat  V  .  .  .  sevibat  B.  —  8.  ilium 
Hieremias  B.  —  8sq.  i)ro2)hetaturum,  adeo  2>ost  Hieremiam  om.  V  (pergens: 
populum  effusum  in  capitivitateui).  —  11.  prope  finem  V  .  .  .  probes  in  B. 
—  12.  eius  prim.,  de  tertium  om.  V.  —  14.  Et  quoniam  V.  —  15.  td  haec 
omnia  V.  —  16.  ita  cum  B.  —  16.  plenitudine  V.  —  18.  luda  om.  V.  — 
19.  exigua  non  eris  V.  —  21.  et  om.  V.  —  23.  ita  volo  B.  —  23.  te  om. 
V.  —  25.  celebrari  om.  V.  —  25.  Abrahae  om.  V.  —  27.  suades  V. 


1.  Exod.  17.  —  8.  lerem.  51,  59sq.  36,  4sq.  —  13.  ?— 18.  Mich.  5,  2. 


26  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopbili. 

Th.:  Circumcidere  earn  em  proliibemus,  circumcisos  autem 
credere  libenter  liabemus.  Abraham  enim,  priusquam  circnm- 
cideretur,  amicus  dei  eJBfectus  est  per  fidem,  et  iiistitiam  adeptus 
est  per  fidem,  non  per  circumcision  em.  Sic  enim  dicit:  Quia 
bpatrem  omiltariim  gentium  posui  te  ante  dominum,  quia  credi- 
disti.  Proinde  dicit:  Credidit  Abraham  deo,  et  deputatum  est  ei 
ad  iustitiam.  Hoc  enim,  priuscjuam  circumcideretur,  audivit,  et 
postea  circumcisionem  accepit,  ostendens  duos  populos  ad  fidem 
Christi  venturos,  unum  ex  circumcisione  et  unum  ex  praeputio 
lOventurum.  Nam  si  Cliristus  circumcisus  non  fuisset,  quomodo 
mihi  hodie  crederes  aut  prophetis,  quod  ex  semine  David  ve- 
niret?  Circumcisio  enim  signum  est  generis,  non  salutis. 

19.  Sim.:  Ergo  quomodo  filium  Moysi,  cum  esset  in  prae- 
putio, angelus  suffocabat,  nisi  Sefi'ora,  mater  eius,  accepto  calculo 

15  circumcidisset  puerum?  et  cum  sanguis  immineret,  orabat  dicens: 
Stet  sanguis  circumcisionis  pueri. 

Th.:  Contra  te  loqueris,  ludaee,  nam  et  superius  tibi 
ostendi,  quomodo  Moyses  typum  Christi  fuit,  et  omnia  quae- 
cunque  fecit,    in    imagine  Christi    praecurrebat.     Nam  Seffora 

20mulier,  quae  puerum  circumcidit,  sinagoga  intellegitur.  Quod 
autem  dicitur:  8tet  sanguis  circumcisionis  pueri.,  hoc  est,  quod 
adveniente  Christo  restitit  circumcisio  puerorum;  adeo  deus  ad 
Moysen  sic  ait:  Aedijlca  mihi  altar e  de  lapidihus  non  circum- 
cisis ,  sed  et  f err  am  non  inities  in  eis,  quod  scilicet  adveniens 

25  Christus  ecclesiam  aedificaturus  erat  de  populo  incircumciso. 

20.  Sim.:  Proba  mihi  Christum  neminem  circumcidisse. 
Th.:  Crede,  et  ipse  tibi  probabis,  cum  coeperis  plenitudinem 

evangehorum  revolvere;  ibi  invenies  Matthaeum  apostohim  publi- 
canum  et  Zacchaeum  principem  publicanorum  et  multos  iuve- 

2.  enim  credhnns  B  .  .  .  enim  qui  V  . .  .  enim  ego.  —  2sq.  circum- 
cisus esset  V.  —  3.  per  fidem  om.  V.  —  4.  Quia  om.  V.  —  5.  posiri  B  .  . . 
constititi  V.  —  5.  dominum  B  .  . .  demn  V.  —  5.  quia  V  .  .  .  cui  B.  — 
6.  reputatum  V.  —  10.  venturum  om.  V.  —  13.  filius  B.  —  15.  puerum  om. 
V.  —  15.  oravit  V.  —  17.  nam  om.  V.  —  18.  ostendi  om.  V.  —  18.  quo- 
modo B  .  .  .  quod  V.  —  18.  typum  Codd.  —  18.  fuit  Christi  V.  —  18.  et 
om.  V.  —  21  sq.  Ab  hoc  est  usque  inierorum  om.  V.  —  22  sq.  in  Moysem  V. 
—  23.  ait  B  .  .  .  dicit  V.  —  24.  sed  om.  V.  —  28  sq.  puhlicanorum  B. 


4.   Gen.    17,  5.  —  6.   Gen.   15,  6.   —    16.  Exod.  4,  25.  —  23.  Exod. 
20,  25. 


Dor  Text.  27 

nies  incircnmcisos,  qui  cum  ludaeis  credidennit.  Nam  sicut 
sacrificia  et  hostiae  tauroram  et  hircorum  et  arietum  et  agno- 
rimi  iussa  inmolabantur  et  proliibita  siiblata  sunt,  et  populus 
minor,  id  est  noster,  maiori  populo  praelatus,  et  testamentum 
novum  veteri  praepositum,  ita  et  circumcisionem  iam  non  carnis  5 
sed  cordis  celebrare  deus  praecepit.  Dicit  enim  deus  ad  Rebeccam 
in  Genesi:  Diiae  gentesm  utero  tuo  sunt  et  duo  populi  de  ventre 
fuo  dicidentur ,  et  poindus  popuhini  superabit  et  niaior  serviet 
mmori.  Et  in  Deuteronomio  dicit:  Eritis  gentes  in  caput,  in- 
creduhis  autem  populus  in  cauda.  Et  lacob  benedicens  Efremui 
et  Manassem,  inmutans  manum,  dexteram  minori  superponens, 
inmutationeni  creaturae  demonstrabat.  Pro  testamento  autem 
novo  sic  dicit  Esaias:  Ecce  facto  nova,  quae  nunc  orientur,  et 
ponam  in  deserto  fiumina,  hoc  est  in  ecclesia  evangelia.  Et 
Hieremias  dicit:  Ecce  dies  veniunt,  dicit  dominus,  et  consummaho\h 
domum  Jsrahel  et  donium  luda  testamentum  novum,  non  tcde 
testamentum,  quod  disposui  patrihus  vestris  in  die  qua  edu.ri 
eos  de  terra  Aegypti.  Audi  nunc  de  circumcisione  lator  legis 
Moyses  quid  dicit:  In  novissimis  diehus  circumcidet  deus  cor 
tuum  et  cor  seminis  ad  dominum  deum  timm  amandum.  Et20 
Hieremias  dicit:  Viri  luda  et  qui  inhahitatis  Hierusalem,  reno- 
vate inter  vos  novitatem  et  ne  seminaveritis  in  spinis.  Gircum- 
cidimini  deo  vestro  et  circamcidite  praeputium  cordis  vestri,  ne 
exeat  ira  mea  et  exurat,  et  non  sit,  qui  extinguat.  Et  ad  lesum 
Nave  dicit  deus:  Fac  tihi  gladios  petrinos  et  nimis  actitos  et'ih 
sede  secundo  et  circumcide  jilios  Israhel.  Numquid  tunc  ferrum 
non   erat?  Sed   deus  ad  lesum  Christum  nostrum  loquebatur, 

1.  sicut  B  ...  Si  saecnli  V.  —  2.  et  prim.  om.  V.  —  2.  hostias  B.  — 
2.  et  hircorum  om.  V.  —  3sq.  popnlum  minorem  id  est  nostrum  B.  — 
4.  populo  om.  Y.  —  6.  deus  prim.  om.  V.  —  G.  enim  om  V.  —  11 .  manus 
V.  —  13.  novissimo  V.  —  15.  venient  B^.  —  18.  legislator  V.  —  19.  quid 
om.  B.  —  19.  deus  B  .  .  .  dominus  V.  —  20.  amandum  ^  ...  ad  manda- 
tum  V.  —  21.  ait  V.  —  21.  habitatis  V.  —  22.  inter  vos  B  .  . .  vobis  V. 
—  22.  novitatem  B  .  .  .  novale  V.  —  22.  et  nolite  serere  super  s2nnasY. — 
22 sq.  Circumcidimini  deo  vestro  om.  B.  —  23.  praepiitia  V.  —  24.  mea  om. 
V.  —  24.  Et  om.  B.  —  25.  dixit  B.  —  25.  et  prim.  om.  V.  —  25  sq.  et  sede 
secuudo  om.  V.  —  26.  circumcide  secundo  V.  —  27.  non  erat  B  .  .  .  deerat  ' 
V.  —  27.  ad  dominum  nostrum  I.  Chr.  V. 


7.  Gen.  25,  23.  —  9.  Deut.  28,  44.  —  10.  Gen.  4S,  14.  —  13.  Isa.  43.  19.  — 
15.  lerem.  31,  31.  32.  —  19.  Deut.  30,  6.  —  21.  lerem.  4,  3.  4.  —  25.  los.  5,  2. 


28  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

quod  per  apostolum  suum  spjritaliter  corda  circumciderit;  adeo 
apostolus  noster  Simon  dictus  est  et  postea  Petrus  nomeii 
accepit. 

21.  Sim.:  Manifestam  quidem  mihi  probationem  per  scriptu- 
oras  ostendisti,  sed  circumcisio  cordis  quae  esse  potest?  aut  quod 
praeputiuni  de  corde  circumcidendum  est? 

Th.:  Omnis  concupiscentia  libidinis  de  corde  concipitur, 
proinde  circumcisio  novi  testamenti  talis  est,  quam  deus  Christus, 
filius  dei,  ostendit,  ut  circumcidamus  nos  libidinem,  avaritiam, 

lOmalitiam,  cupiditatem,  furta,  fraudes,  fornicationem,  et  omne 
quod  tibi  non  vis  fieri,  alii  ne  feceris.  Haec  est  circumcisio 
Christian orum,  quam  et  primi  sanctorum  habuerunt,  scilicet 
Enoch,  Noe,  lob  et  Melchisedech,  qui  non  carnis  sed  circum- 
cisionem  cordis  habuerunt.    Potuerat  autem  deus,  si  vellet,  Adam 

15  circumcisum  formare. 

VI,  22.  Sim.:  Aestuo  vehementi  cogitatione  potuisse  Chri- 
stum tam  maledictam  et  ludibriosam  sustinere  passionem,  si 
tamen  vera  sunt,  quae  dicitis,  a  patribus  nostris  crucis  patibulo 
eum  esse  suffixum.    Scimus  plane  Anian  maledictum  a  patribus 

20  nostris  pro  merito  suo  esse  crucifixum,  qui  genus  nostrum  pe- 
tierat  in  perditionem,  in  cuius  mortem  peracta  revohito  anno 
gratulamur  et  sollemnia  votorum  festa  celebramus,  quae  a 
patribus  tradita  accepimus,  et  Abessalon,  qui  ad  caedem  patris 
patricida   fuit,    pependisse   ilium   in  arbore  legimus.     Christus 

25  autem  si  patibulum  mortis  huius  sustinuit  et  in  cruce  pependit, 
cur  non  hoc  ipsum  a  patribus  nostris  accepimus  nee  passum  in 


1.  apostolos  suos  V.  —  1.  circumcideret  B.  —  2.  est  ova..  V.  —  4sq.  niani- 
festa  sunt  quae  mihi  ostendisti  V.  —  5.  sed  'Q  .  .  .  etY.  —  h.  aut  'Q  .  .  .  et 
V.  —  7.  libidinis  B  .  .  .  et  libido  V.  —  7.  de  om.  V.  —  7.  concipitur  Y  ... 
concupiscitur  B.  —  8.  dens  et  V.  —  9.  filius  eius  BiV.  —  9.  ut  om.  V.  — 
9  nos  om.  V.  —  10.  fornicationes  V.  —  li!  fieri  non  vis,  alio  non  feceris 
V.  —  13.  Noe,  lob  Y  .  .  .  et  lob  B.  —  13.  et  om.  B.  —  13sq.  cordis  cir- 
camcisionem  V.  —  14.  Poterat  B'^.  —  14.  autem  om.  V.  —  14.  si  vellet  om.  "V. 
—  16.  Exaestuo  V.  —  16.  potuisse  om.  V.  —  17.  sustinuisse  V.  —  18.  nostris 
om.  V.  —  18.  patibulum  Codd.  —  19.  eum  om.  B.  —  19.  plane  om.  V.  — 
20.  crucifixum  B  .  .  .  suspensum  V.  —  21.  morte  V.  —  21.  peracta  revoluto 
[anno]V  . . . p)erevoluto  annoBK  — 22.  ct  om.Y.  —  22.  factaB.  —  22 sq.  quod  .. 
fraditum  Y.  —  23.  patris  om.  V.  —  24.  ilium  om.  V.  —  26.  nostris  om.  B. 

19.  Esther  7.  —  23.  II  Sam.  18. 


Der  Text.  29 

scripturis  nostris  invenimus,  ut,  utsi  inimicus  genti  nostrae 
esset.  gaiideremus?  Erubescere  poteris,  Theopliile,  si  hoc  dictum 
minime  comprobaveris.  Nam  scriptura  est  in  Deuteronomio: 
Maledictus  omni's  qui  pendet  in  li(jno. 

Th.:  Primo  huius  dicti  accipe  rationem.  Recole  superius  5 
Deuteronomii  lectionem,  de  quibus  dictum  est.  Sic  enim  ait 
Movses:  Si  qiiis  peccaverit  in  iudiciimi  mortis^  pumatur  exeinplo, 
suspendetis  eum  in  ligno;  et  maledictus  erit  omnis  qui  pepen- 
derit  in  ligno.  Sed  hoc  pro  peccatore  dixit,  qui  mortale  pecca- 
tum  admiserit.  Christus  autem  peccatum  non  habuit,  sicutio 
omnes  prophetae  testantur;  sed  pati  necesse  habuit,  ut  scrip turae 
in})lerentur.  Dicit  enim  Esaias:  Quia  peccatum  non  fecit  neo 
dolus  inventus  est  in  ore  eius;  sed  domimis  tradidit  ilium  pro 
peccatis  nostris.  Et  alibi  dixisse  prophetam  ostendimus:  Ecce 
rerbuni  domini  factum  est  illis  in  maledictum,  et  noluerunt  illud.Xb 
Et  iterum  dicit:  Inter  maledictos  deputatus  est.  Audi  et  in  la- 
mentatione  Hieremiam  dicentem:  Christus  dominus  conprehensus 
est  in  interitum  eorum,  sub  cuius  umbra  vivimus  inter  gentes. 
Scimus  autem  sanctissimum  David  plenum  annis  in  pace  requie- 
visse  nee  aliquam  passionem  mortis  aut  crucis  sustinuisse.  Audi  20 
ergo  in  psalmo  XXI.  dicentem  Christum:  EffoderuyU  manus 
meas  et  2)edes  meos,  dinumeraoerunt  omnia  ossa  mea.  Ipsi  autem 
consideraverunt  et  conspexerunt  me,  diviserunt  sibi  vestimentum 
meum  et  super  vestem  meam  miserunt  sortem.  Tu  autem.,  do- 
mine.^  ne  longe  facias  auxilium  timm.,  in  defensionem  meam  aspice,  25 


1.  ut  si  ^  ...  lit  siciit  Y  .  .  .  nt  utsi  edicli.  —  Isq.  rnimicum  genti  nostrae 
yaucleremus  affectum  V.  —  4.  omnis  B  .  .  .  homo  V.  —  5.  Frimum  V.  — 
7.  pimiatur  exemjjlo  V  .  .  .  puniunlur  B.  —  Ssq.  et  om.nis  qui  pendet  in 
ligno,  maledictus  erit  V.  —  9.  2>^'0  B  .  .  .  r/e  V.  —  9.  dixit  B  .  .  .  dicit  V. 

—  10.  admiserit  B  .  .  .  fecit  V.  —  10.  habuit  B  .  .  .  fecit  V.  —  11  sq.  scriptura 
impleretiir  V.  —  13.  inventus  est  dolus  V.  —  13.  illiim  B  .  .  .  eum  V.  — 
14.  Ut  B  .  .  .  nam  V.  —  14.  prophetam  dixisse  V.  —  15.  ilium  B.  —  16. 
maledicos  reputatiisX.  —  16sq.  Hieremiam  in  lamentationeY.  —  17.  Hie- 
riisalem  B.  —  17.  spiritus  vidtus  nostri  Christus  V.  —  18.  eorum  B  .  .  . 
yentis  nostrae  V.  —  19sq.  qiiievisse  V.  —  21.  Foderunt  V.  —  22.  vero  V. 

—  23.  et  viderunt  me  V.  —  23  sq.  vestimenta  mea  V.  —  25.  elongaveris  V.  — 
25.  in  'Q  ..  .  ad  Y.  —  25.  conspice  Y. 


4.  Deut.  21,   '^3.   —  7.   Deut.  21,  22.  23.  —   12.  Isa.   53,  9.  6.   —  14. 
lerem.  6,  10.  —  16.  Isa.  53,  12.  —  17.  Tliren.  4,  20.  —  21.  Ps.  22,  17—23. 


30  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

libera  de  gladio  anitnam  meam  et  de  manu  cams  umcam  meam ; 
salvum  me  fac  de  ore  leonis  et  a  cornibus  miicorniunn  Inmiili- 
tatem  mearti:  narrabo  nomen  tuum  fratribus  tneis,  in  medio  eccle- 
siae  laudabo  te.  Item  apud  Esaiam:  Expandi  manus  meas  ad 
bplebent  nan  credentem,  sed  et  contradicentem  miki.  qui  a7nbulabant 
vias  non  bonas,  sed  post  peccata  sua.  Item  apud  Hieremiam: 
Venite  mittamus  lignum  in  panem.  eius  et  eradiceonus  a  terra 
citam  eius.  Item  in  Deuteronomio:  Et  erit  vita  tua  jJendens 
ante  oculos  tuos,  et  tiinebis  die  ac  7iocte  et  non  credes  vitae  tuae. 

10  Item  in  psalmo  CXVIIL:  Gonjige  clavis  a  timore  tuo  carnes 
ineas.  Item  in  psalmo  CXL.:  Dirigatur  oratio  mea  sicut  incensum 
in  conspectu  tuo  et  elevatio  manuum  mearum  sacrijiciuin  vesper- 
tinutn.  Item  apud  Zachariam:  Et  intuebantur  in  me,  in  quern 
transjixerunt.     Item    in  psalmo    LXXXVIL:     Exclamavi  ad  te, 

lodomine,  tota  die  extendi  manus  meas  ad  te.  Item  in  Numeris: 
Nunc  quasi  homo  deus  suspenditur  et  sicut  filius  liominis  minas 
patitur.  Et  in  Canticis  Canticorum  ex  persona  ecclesiae  dicit: 
Erater  meus  candidus  et  rubens  et  lancea  conpunctus  a  militibus. 
Qui  candor  quid  aliud  quam  fidem  populi  demonstrat?  Rubeum 

20  autem  passionem  significat.  Ad  hoc  venit  in  primo  adventu 
sue,  ut  omnem  humilitatem  et  deformitatem  usque  ad  mortem 
crucis  ostentaret.  Audi  denique  in  psalmo  XXI.  quid  dicat: 
Ego  autem  sum  vermis  et  non  homo,  opprobrium  hominum  et 
abiectio  plebis.      Omnes    qui  conspiciebant   me,    deridebant  me, 

'Ihlocuti  sunt  labiis  et  moverunt  caput.     Item  illic:   Exaruit   velut 

Isqq.  A  libera  usque  ad  laudabo  te  (v.  4)  om.  V,  pergens:  et  cetera 
quae  tribus  sequentibus  versibus  dicuntur.  —  4.  apud  B  .  .  .  j>er  V.  —  5.  sed 
om.  V.  —  5.  miJii  om.  V.  —  5.  ambulabant  B  .  .  .  ambulat  V.  —  7. 
eradamus  a  V.  —  8.  j;ertf?ews  ty'ita  tna  V.  —  lOsq.  A  Item  in  usque  ad 
meas  (v.  11)  om.  V.  —  llsq.  A  Dirigatur  usque  ad  tuo  et  (v.  12)  om.  V. 
—  13.  in  utrumque  om.  V.  —  15.  expandi  V.  —  15.  ad  te  manus  meas 
V.  —  16.  Nunc  om.  V.  —  16.  <')'  B  .  .  .  neqtie  V.  —  18.  rubicundus  Y.  — 
18.  et  secund.  om.  V.  —  19.  Qui  edidi  ...  quod  B^  (eras.  B^)  ..  quae 
V.  —  19sq.  Eobeum  autem  B  .  .  .  rubor  enim  V.  —  20.  Ad  hoc  venit  in  B 
.  .  .  In  hoc  enim  V.  —  21  sq.  mortem  crucis  ostentaret  B  .  .  .  mortem  sustinerct 
V.  —  22.  quid  dicat  om.  B.  —  24.  qui  conspiciebant  B  .  .  .  videntes  V.  — 
24.  deriserunt  V.  —  25.  Aruit  tamqnam  V. 

4.  Isa.  65,  2.  —  6.  lerem.  11,  19.  —  8.  Deut.  28,  66.  —  10.  Ps.  119, 
120.  —  11.  Ts.  141,  2.  —  13.  Zach.  12,  10.  —  14.  Ps.  88,  10.  —  Id.  Num. 
23,  19.  —  18.  Cant.  5,  10.  —  23.  Ps.  22,  7.  8.  —  25.  Ps.  22,  16. 


Der  Text.  31 

testa  virtus  mea,  et  liiujua  mea  adhaesit  fauetbns  )neis,  et  in 
pidverem  mortis  deduxisti  me.  Item  in  psalmo  LXVIIL:  Placehit 
domino  super  vitulum  novellum  cornua  j^t'oducenteni  et  ungulas. 
Quid  dicis,  ludaee,  numquid  David  cornutus  fuit?  Age  nunc 
intellege  botruni  ilium  in  Numeris,  quem  de  teiTa  reproraissionis  5 
in  palanga  duo  vectantes  reportabant;  quod  utique  figura  tuit 
Christi  pendeutis  in  ligno,  adveniente  de  terra  repromissionis, 
id  est  de  Maria,  quae  ex  genere  terreno  fuit.  Subvectantes 
autem  palangam  duorum  populorum  figuram  ostendebant :  unum 
priorem,  scilicet  vestrum  terga  versum  Christo  dantem,  aliumlu 
vero  posteriorem,  botruni  respicientem ,  scilicet  noster  populus 
intellegitur. 

23.  Sim.:  Quid  de  malagranatis  dicturus  es,  quae  ad  Moysen 
adlata  sunt  et  cum  eodem  botro. 

Tk:  Rectissime  malagranata  botrum  secuta  sunt.     Figura  15 
scilicet  ecclesiae  fuit  liabens  intra  se  populum  rubeo  sanguinis 
Christi  censitum. 

2-4.  Sim.:   Quid  de  iiculneis  dicturus  es,   vel   quibus  argu- 
mentis  tractatibus  tuis  probabis  ficum  peccatum  non  esse,  cum, 
quando  protoplastus  Adam   in   transgressione  fuit ,    folia  ficus  2o 
pudenda  contexit,  quod  fuit  prurigo  et  amaritudo  peccati? 

Tk.:  Supra  cutem  istam  intellegis,  ludaee,  nam  arbor  ficus 
et  tegmen  foliarum  veteris  hominis  figura  intellegitur.  Nam 
si  velles  spiritalem  hominem  considerare,  hoc  est  interiorem, 
pomum  de  ficulneis  ad  Moysen  de  terra  repromissionis  adlatum  25 
invenies  spiritalem  vitam,  sicut  Ezechiae  regi  ludaeae  post 
augmentum  vitae  suae  potissimum    medicinae   massa    ficus  in 


2.  me  om.  V.  —  2.  in  psalmo  LXVIIL  B  .  .  .  illic  V.  —  2sq.  Placebo 
domino  V.  —  3.  procudentem  B.  —  4.  erat  V.  —  5.  botrum  B  .  .  .  racemum 
V.  —  5.  in  terra  V.  —  6.  in  palanya  om.  V.  —  6.  vectentes  V.  —  7.  ad- 
veniens  V.  —  9.  phalanguam  V.  —  11.  botrum  B  .  .  .  racemum  V  (hie  et 
in  al.  loc.).  —  13.  malagranatis  edicli  .  .  .  malagranatas  B  .  .  .  malagranata 
V.  —  14.  et  om.  V.  —  16.  rubore  V.  —  17.  censetum  B.  —  20.  transgres- 
sionem  B.  —  20.  fuit  B^  (evanuit  B")  .  .  •  sua  V.  —  21.  contexit  pudenda  V.  — 
22  sq.  arborem  ficus  et  foliarum  tegmen  V  .  .  .  arbor  ficus  et  tegumenta 
foliarum  B.  —  26.  spiritalem  vitam  B  {ut  ante  spirit,  add.  B^)  ...  apiri- 
taliter  V.  —  26.  ludae  V.  —  27.  potissimum  medicinae  om.  V.  —  27.  fici  V- 


2.  Ps.  69,  32.  —  5.  Num.  13,  24sq. 


32  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

sanitatem  carnis  suae  fuisset;  suffecerat  enim  deo  dixisse:  Ad- 
diti  sunt  tihi  ad  tevvpus  vitae  tuae  anni  XV.  Adiungit  dicens: 
Accijye  tihi  massam  jicus  veterem,  et  cataplasmare ,  et  sanaberis, 
ut  scilicet  confractus  inpetu  libidinis  sanitatem  recipias.  Rever- 
5  tamiir  nunc  ad  humilitatem  primi  adventus  Christi,  de  qua 
agebamus.  Audi  Esaiam  proplietam:  Deus,  quis  oedidit  audifMi 
nostra,  et  hrachium  domini  cui  revelatwm  est'}  Adnuntiavimus 
de  eo;  sicut  puer  infans  non  est  species  eius  neque  honor,  et 
vidimus  eum,  et  non  habuit  speciem  neque  decorem :  homo  in  plaga 

10  constitutus  et  sciens  ferine  infirmitatem,  quia  aversa  est  fades 
eius,  depreciatus  est  nee  conputatus  est.  Hie  peecata  nostra  por- 
tavit  et  pro  nobis  in  doloribus  est.  Ipse  autem  quod  male  traetatus 
est,  sieut  ovis  ad  vietimam  duetus  est  et  sicut  agnus  coram  ton- 
dente  se  mutus,  sic  non  aperuit  os  suum;  in  hxmiilitate  iudicium 

15  eius  suhlatum  est,  nativitatem  autem  eiths  quis  enarrabit'?  quia 
tollitur  a  terra  vita  eius,  a  facinoribus  poj)uli  mei  adductiis  est 
in  mortem.,  et  non  dabo  malignos  pro  sepultura  eius,  quia  pecea- 
tum  non  fecit  nee  dolus  inventus  est  in  ore  eius;  sed  dominus 
tradidit  eum  pro  peccatis  nostris,  et  inter  iniquos  deputatus  est. 

20 Item  illic  de  humilitate  primi  adventus  eius  testatur  dicens: 
Posui  dorsum  meum  ad  Jlagella,  maxillae  autem  meas  ad  palmas, 
faciem  autetn  meam,  non  averti  a  foeditate  sputorunn,,  et  fuit  do- 
minus adiutor   mens.     Et  Hieremias  dicit:    Ego   sieut  ovis  ad 

1.  sanitate 'B.  —  1.  fuisset  ego  (textum  corruptum  vix  sanavi)  ...  ac- 
cepissetB  .  .  .  accepisseY.  —  Isq.  A  suffecerat  usque  ad  anni  XV.  om.  V. 

—  2.  Adiungens  et  dicens  V.  —  3.  veterem  B  .  .  .  terrae  V.  —  4.  con- 
fractus inpetu  B  .  .  .  confractis  impietatihus  V.  —  5.  humilitatem  Christi 
et  adventus  eius  Y.  —  5.  qtto  Y.  —  6.  audies  Isaiam  dicentem  Y.  —  6.  Deus 
B  .  .  .  Domine  Y.  —  7.  Adnuntiabimus  B.  —  8.  p^ier  om.  V.  —  8.  est 
om.  V.  —  8.  eius  B  .  . .  ei  Y.  —  8.  honor  B  . . .  decor  Y.  —  9.  habebat 
Y.  —  9sq.  plaga  positus  et  qui  scit  infirmitates  sustinere  Y.  —  10.  adversata 
Y.  —  11.  depreciata  Y.  —  11.  coniputata  sine  est  V.  —  12sq.  Ab  Ipse  usque 
ad  est  primum  (v.  13)  om.  V.  —  13.  vietimam  B  .  .  .  occisionem  Y.  — 
13sq.  tundente  B.  —  14.  mutus  om.  V.  —  \\.  humilitatem  B.  —  16.  tolletur 
Y.  —  16.  facinoribus  popidi  mei  B  .  .  .  malignis  plebis  meae  Y.  —  17.  non 
dabo  malignos  pro  sepidtura  eius  B  .  .  .  dedi  divites  pro  morte  eius  Y.  — 
19.  tradidit  B  . . .  voluit  tradere  V.  —  19.  rejmiatus  Y.  —  22.  autem  om.  V. 

—  22.  foeditate  Y  .  .  .  fidelitate  B'  .  .  .  confusione  B^. 

1.  Isa.  38,  5.  —  2.  Isa.  38,  21.  II  Reg.  20,  7.  —  6.    Isa.  53,  1—12.  — 
21.  Isa.  50,  6.  7.  —  23.  lerem.  11,  19. 


Der  Text.  33 

vt'ctimam  ductus  sum  ef  nesa'ebain.  De  quo  agno  in  imaginem 
Christi  Moyses  in  Aegypto  pascha  celebravit  et  in  liberationem 
popnli,  nee  aliter  poterat  populus  de  domo  servitutis  et  de 
pressura  Pharaonis  liberari^  nisi  agnus  occideretur  et  pasclia 
celebraretur  et  de  sanguine  eius  limina  domus  signarentur,  ut  5 
cum  venerit  angelus  ille  vastator,  viso  signo  sanguinis,  qui  in 
domibus  erant  salvarentur.  Quod  sacramentum  ante  praedictum 
adventum  Christi  inpletum  est.  Pro  hoc  enim  in  primo  ad- 
A'entu  suo  Christus  occisus  est,  ut  nos  de  potestate  diaboli  et 
de  idolorum  cultura  liberaret.  Anniculus  autem  dictus  est,  lo 
quia  postea  quam  intinctus  est  in  lordane,  annum  praedicavit 
et  sic  passus  est,  et  sanguine  eius  fronte  signati  censemur,  ut 
in  secundo  adventu,  cum  venerit  vastatio  mundi  istius,  salvi 
esse  possimus.  Huius  rei  auctorem  Ezechielum  prophetam  dabo, 
qui  et  ipse  duos  adventus  Christi  significat  dicens:  Transilb 
mediam  Hierusalem,  et  notabis  si'gmiiti  in  frontibus  virorum 
dolentium  et  geinentium  ob  iniquitates  quae  fiunt  in  terra;  secun- 
dum adventum  vastationem  non  signatorum  dicens:  Ite  in  civi- 
tatem  et  nolite  parcere  seni  neque  iuveni,  et  mulieres  et  parvulos 
occidite  gladio  et  deleantur;  super  quos  autem  signum  inveneritis,  20 
ne  tetigeritis  eos,  et  a  Sanctis  meis  incipite.  Hoc  signum  et 
Raab  meretrix,  quae  in  figura  ecclesiae  fuit,  coccum  et  spartum 
in  fenestra  suspendit,  ut  cum  lesus  veniret  Hierico  debellare, 
viso  signo  coccini  Raab  et  qui  in  domo  eius  essent  salvarentur. 
Ita  et  in  adventu  Christi  cum  venerit  Christus  iilius  dei  saecu-  25 
him  istum  igni  cremare,  ecclesia,   et  qui  in  ea  fronte  signati 


1.  quo  qiiidem  V.  —  2.  apud  Aegyptum  V.  —  2.  et  om.  V.  —  3.  po- 
tuerat  B'.  —  3.  dei  de  domo  V.  —  Z.  et  \  .  .  .  ant  B.  —  6.  ille  om.  V.  — 
6.  signo  B  .  .  .  agno  V.  —  6  sq.  qui  et  erant  om.  V.  —  8.  Pro  B'V  .  .  .  propter 
B2.  —  9.  Christus  om.  V.  —  9sq.  liberaret  de  diab.  2)otest.  et  de  idol.  cidt. 
V.  —  11.  tinctus  V.  —  12.  signati  om.  B.  —  14.  Vo^i  possimus  B  pergit: 
ut  angelus  ille  vastator  viso  signo  sanguinis  in  domo  salvarentur.- —  14.  Huius 
om.  B.  —  16.  per  mediam  V,  —  16.  notabis  B  .  .  .  f7a  V.  —  \1.  ab  iniqui- 
tate  quae  fit  V.  —  17sq.  Et  rursum  secundum,  adventum  significat  V.  — 
19sq.  et  midieribus  et  parvulis  nolite  parcere  gladio  V.  —  21.  nee  tetigeritis 
et  Sanctis  meis  nolite  parcere  V.  —  21.  et  om.  V.  —  23.  pependit  V.  — 
23.  lesus  Nave  V.  —  23.  devillare  B.  —  24.  coccineo  V.  —  25.  venerit  B 
.  .  .  venire  coeperit  V.  —  25  sq.  secundum  sacculurn  V.  —  26.  ex  igne  V.  — 
26.  ecclesiae  V. 

Isq.  Exod.  12. —  15.  Ezech.  9,  4.—  18.  Ezech.  9,  5.  6.  —  21sq.  los.  2. 
Teste  nnd  Untersuchungeu  I,  3.  3 


34  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

inventi  fuerint,  salvabuntur.  Sicut  Osee,  q.ui  ty^min  Christi  fuit, 
iubetur  accipere  uxoreni  fornicationis,  hoc  est  ecclesiam,  quani 
de  fornicatione  idolorum  Christus  accepit.  Dixit  dominus  haec: 
Occwpa  tihi  uxorem  fornicationis,  hoc  est  de  fornicatione  ido- 
5lorum  illam  accepit,  quoniam  initium  fornicationis  idolorum 
servitus. 

25.  Sim.:  Ergo  ecclesia  fornicaria  est? 
Th.:   Quid  enim  interpretatiir  fornicaria,  nisi  omnibus  ad- 
venientibus  subiecta  sit?  Sic  et  ecclesia  omnibus  advenientibus 

10  ad  se  cjuaestum  fidei  nuUi  negat.  Repudiata  enim  sinagoga 
adsumsit  sibi  Christus  ecclesiam.  Audi  enim  Hieremiam  dicen- 
tem:  Dimisi  matrem  vestram  et  dedi  ei  libellum  reinidii,  quod 
dedi  matri  vestrae,  quod  dimisi  eam.  Et  alius  propheta  dicit: 
ludicamini  ad  matrem  vestram,  quia  non  sum  vir  eius.    Hie  est 

15  enim  Christus  filius  dei  iustus ,  de  quo  et  Salomon  in  persona 
ludaeorum  prophetavit  dicens:  Circumveniamus  ergo  iustum, 
quia  invMlis  est  nobis  et  contrarius  est  operibus  nostris,  et  in- 
properat  nobis  peccata  legis,  diffamat  in  nos  peccata  disciplinae 
nostras;  promittit  scientiam  dei  se  habere  et  filimn  dei  se  nominat; 

20  et  f actus  est  nobis  in  traductionem  cogitationum  yiostrarum;  gravis 
est  enitn  nobis  etiam  ad  videndum,  quoniam  dissimilis  est  aliis 
vita  illius  et  inmutatae  sunt  viae  illius',  tamquam  nugaces  aesti- 
mati  sumus  ab  illo  et  continet  se  a  viis  nostris  quasi  ab  inmun- 
ditiis,  et  praefert  novissima  iustorum  et  gloriatur  patrem  deum 

1.  inventi  om.  V.  —  1.  Sicut  B  .  .  .  Sic  et  V.  —  1.  typum  Codd.  — 
1.  fuit  B  .  .  .  tenuit  V.  —  2.  iiihet  V.  —  2.  fornicariam  V.  —  Ssq.  A  Dixit 
usque  ad  accepit  om.  V.  —  3.  Post  haec  repet.  dixit  B.  —  5.  q^iiia  V.  —  5.  est 
idolorum  V.  —  8sq.  venientibus  V.  —  9.  A  subiecta  usque  ad  advenienti- 
bus om.  V.  —  10.  negat  B  .  .  .  denegare  V.  —  12.  ei  B  ...  illi  V.  — 
13.  quod  B  .  .  .  quia  V.  —  14.  eius  om.  V.  —  15.  enim  B  .  .  .  etiam  V.  — 
15.  Christus  filius  dei  iustus  B  .  .  .  dei  virtus  Christus  V.  —  15.  et  om.  V. 
—  16.  ergo  om.  V.  —  IT.  quoniam  V.  —  17.  inutilis  est  nobis  et  om.  V.  — 
17.  EfB  ...  enim  (post  inproperat)  V.  —  18sq.  peccata  nostra  et  discipli- 
nae nostrae  V.  —  19  sq.  usque  ad  p.  35  v.  7  [sermonibus  ipsius)  fere  omnia 
om.  V  exceptis  verbis:  Filiiim  dei  se  nominat,  videamus  si  sermones  illius 
vert  sint :  morte  turpissima  condcmnemiis  eum.  Erit  enim  respectus  ex  ser- 
monibus nostris  vel  eius.  Si  enim  est  verus  filius  dei,  suscipiet  eum  de 
ma7iu  contrariorum. 


4.    Osee  1,  2.  —    12.  lerem.  3,  8.  —  14.  Osee  2,  2.  —   10.  Sap.   Sal. 
2,  12—22. 


Der  Text.  35 

se  habere,  et  jiUiim  del  se  nominal.  Videamus  ergo  si  sennonesr 
illiiis  veri  sunt,  et  tenitemiLS  quae  Centura-  sunt  illi,  et  sciamus 
(juae  erunt  nocissima  illius;  si  enim  verus  del  jilius  est,  suscipiet 
ilium  et  liherahit  ilium  de  vianidus  contrariorum;  contumelia  et 
formento  interrogemus  ilium,  ut  sciamus  reverentiam  illius  et  5 
probemus  patientiam  ipsius;  morte  turpissima  condemnemus  ilium. 
Erit  enim  respectus  ex  sermonibus  ipsi^is.  Haec  cogitaverunt  et 
erraverunt:  excaecavit  enim  illos  malitia  ipsorum  et  nescierunt 
sacramenta  dei.  Et  Moyses  in  Deuteronomio  dicit:  Innocentem 
rt  iustum  non  occides.  Surrexisse  ilium  a  mortuis  scripturae  10 
testantur;  invenimus  in  psalmo  XV.:  Quoniam  non  derelinques 
animam  meani  in  inferno,  neque  dabis  sanctum  tuum  videre 
corruptionem.  Notas  fecisti  miJii  vias  vitae,  adinplebis  me  laetitia 
cum  mdtu  tuo.  Item  in  psalmo  XXIX.:  Domine,  eduxisti  ab  in- 
fer is  animam  meam.  Item  in  psalmo  III.  dicit:  Ego  dormtvi  et  15 
somnum  coepi  et  exsurrexi.,  quoriiam  dominus  suscipiet  me.  Et 
Osee  testatur  ilium  a  mortuis  tertio  die  resurrexisse  dicens: 
Vivificabit  nos  post  triduum  in  die  tertia.  Item  ad  Moysen  do- 
minus in  Exodo  dicens :  Descende  et  testare  populo  et  purijica 
illos  liodie  et  eras,  et  lavent  vestimenta  sua  et  sint  parati  in  20 
tertia  die.  Tertia  enim  die  apparuit  dominus  in  monte  Sina 
et  lonas  ad  praedicationem  Ninnevitis  ut  mitteretur;  quod 
tj^um  Christi  demonstrabat,  quod  post  triduum  de  ventre  coeti, 
qui  infernus  fuit,  exiturus  esset.  Et  Esaias  dicit:  Ahmc  exsur- 
qam,  nunc  clarificabor,  nunc  videbitis^  nunc  erubescetis:  vana-25 
erit  fortitudo   spei  vestrae,   ignis  vos   consumet.     Et  in  psalmo 

7sq.  et  erraverunt  om.  B.  —  8.  eiiini  illos  B  .  .  .  eos  V.  —  S.  yjso- 
nnn  B  . .  .  eorum  V.  —  10.  antein  ilium  V.  —  lOsq.  scriptura  testatur  in 
psalmo  dicens  V.  —  12.  nee  V.  —  13.  mihi  fecisti  V.  —  15.  III.  dicit  B 
.  .  .  indicit  V.  —  16.  quia  V.  —  17.  Osee  om.  B.  —  17.  A  testatur  usque 
ad  dicens  om.  V.  —  18.  Vivificavit  B.  —  18.  post  duos  dies  et  die  tertia 
suscitabit  nosY.  —  18.  Item  B  .  .  .  EtY.  —  19.  dicens  om.  V.  —  19.  Des- 
cende inquit  Y.  —  19.  testificare  Y.  —  19.  populum  B.  —  20.  hodie  et  eras 
om.  V.  —  20.  et  labent  B  . .  .  ut  levent  V.  —  21sq.  A  Tertia  usque  exi- 
turus esset  (24)  om.  V.  —  24.  dicit  om.  V.  —  24.  exsurgam  dicit  dominus 
Y.  —  25.  ridetis  nunc  erubescitis  V.  —  26.  fortitudo  B  .  .  .  formido  Y.  — 
26  sq.  Ab  Et  in  psalmo  usque  ad  clausit  (p.  36  v.  4)  om.  V. 

9.  Exod.  23,  7.  —  11.  Ps.  16,  10.  11.  —  14.  Ps.  30,  4.  —  15.  Ps.  3,  6. 
—  18.  Osee  6,  2.  —  19.  Exod.  19,  10.  11.  —  22.  lona  1.  2.  —  24.  Isa.  33, 
10.  11. 


36  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

LXXVII.  dicit:  Et  exsurrexit  tamquam  dormiens  dommus  et 
tamquam  ijotens  crapulatus  a  vino .  Quod  vinum  passionem  eius 
demonstrat.  Nam  et  in  passione  eius  ah  hora  sexta  usque  in 
horam  nonam  tenebrae  factae  sunt;  nox  diem  clausit,  dicente 
5  Amos  proplieta:  Occidet  sol  meridie  et  obtenebrabitur  dies  lucis, 
et  convertam  dies  festos  vestros  in  luctum  et  omnia  cantica  vestra 
in  lamentationem.  Et  Hieremias  dicit:  Exterrita  est  quae  ijarit, 
taedium  tenuit  anima  eius;  occidit  sol,  cimi  adhuc  dies  est^  con- 
fusa  est  et  maledicta;  reliquos   eor^im   in  gladium  dabo  in  con- 

iO  spectn  inimicorum  eorum.  Quod  autem  post  resurrectionem  in 
caelos  ascendit  et  ad  dexteram  patris  sedet,  scripturae  omnes 
testantur,  dicente  in  psalmo  LXVIL:  Iter  facite  ei  qui  ascendit 
super  occasum,  dominus  nomen  est  illi.  Turbabuntur  a  facie 
eius,    patris   orfanorum    et  iudicis  vidtiarum.     Item  in  psalmo 

15  XL VI. :  Ascendit  deus  in  iubilatione,  et  dominus  in  voce  tubae. 
Item  in  psalmo  XVIII. :  A  summo  caelo  egressio  eius,  et  occursus 
eius  usque  ad  summum  caeli,  et  non  est  qui  se  abscondat  a  co- 
lore eius.  Lex  domini  inmaculata  convertens  animas.  Item  in 
psalmo  XVII.:  Inclinavit  caelum   et  descendit,  et  caligo  sub  pe- 

'1K\  dibus  eius,  et  ascendit  super  Gherubin  et  volavit  super  pennas 
ventorum  et  posuit  tenebras  latibulum  suum;  prae  fulgore  in 
conspectu  eius  nubes  transierunt,  grando  et  carbones  ignis;  et 
intonuit  de  caelo  dominus,  et  altzssimus  dedit  voceni  suam;  misit 
de  summo  et  accepit  me  et  liberavit  me  et  eripuit  me  ab  inimicis 

2hmeis  potentissimis  et  ab  his  qui  oderunt  me.  Et  Esaias  dicit: 
Quis   est  hie   qui  venit  ex  Edom  dominus,   rubor  vestimentorum 


4sq.  dicente  Amos projjJietaB  . .  .  et  de  morte  ipsiusY.  —  6sq.  et  am.  cant, 
vest,  in  lumen,  om.  V.  —  7sq.  Ab  Exterrita  usque  ad  eius  om.  V.  —  8.  sol 
om.  V.  —  8.  est  B  .  .  .  esset  V.  —  8sq.  A  confiisa  usque  ad  psalmo  LXVIL 
(v.  12)  om.  V  (scribens:  Quod  autem  in  coelos  ascendit  testatur  David  in 
psalmo  LXVL).  —  9.  gladio  B.  —  lOsq.  in  caelis  B.   —  12.  Iter  inqi(it\. 

—  13.  est  om.  V.  —  13.  A  Turhabuntur  usque  ad  riduarnin  (v.  14)  om. 
V.  —  14.  patresBK  —  14.  indices  B'.  —  14 sq.  psalmo  XLVIL  B  .  .  .  XLVL 
V.  —  15.  et  om.  V.  —  16.  psalmo  om.  V. —  Kisq.  et  occurs,  eius  usque  ad 
sum.  caeli  om.  V.  —  17.  nee  est  qui  se  abscondit  V.  —  ISsq.  A  Lex  us- 
que ad  veritatem  (p.  37  v.  2)  om.  V.  —  19.  discendit  B.  —  20.  volavit 
bis  scripsit  B. 

1.  Ps.  78,  65.  —  5.  Amos  8,  9.  10.  —  7.  lerem.  15,  9.  —  12.  Ps.  68,  5.  6. 

—  15.  Ps.  47,  6.  —  16.  Ps.  19,  7.  8.  —  19.  Ps.  18,  10—18.—  26.  Isa.  63,  1. 


Dev  Text.  37 

ex  Bosor,  sic  jtrdeclarns  in  stola  ct  violentusf  Et  ex  persona 
Christi  respondetur:  Ecjo  disputo  iudicium  et  admmtio  veritatem. 
Item  in  psalmo  XXIII.  ascendente  Christo  in  caelos  ianitoribus 
angelis  dictum  est:  Tollife  portas  prindpis  vestri^  et  elevamini 
portae  acteniales^  et  introihit  rex  fjloriae.  At  illi  qui  nesciebant  5 
Christum  verbo  in  virginem  insinuatum,  mirantes  quod  tali 
habitu  et  trophaeam  victricem  reportans  caelum  conscenderet, 
interrogant  dicentes:  Quis  est  iste  rex  <jloriae?  Quibus  respon- 
sum  datur:  Dominus  virtittum  ipse  est  rex  gloriae.  Item  in 
psalmo  CIX.:  Dixit  dominus  domino  meo:  Sede  ad  dexterarni^i 
laeam,  donee  ponam  mimicos  tuos  scabelluni  pedum  tuorum.  Vir- 
(jam  virtutis  tuae  em  if  tit  dovdnus  ex  Sion,  et  dominare  in  medio 
iniinicorum  tuorum.  Tecum  principio  in  die  virtutis  tuae,  in 
splendor e  sanctorum;  ex  utero  ante  luciferum  genui  te.  luravit 
dominus  et  non  paenitebit  eum:  Tu  es  sacerdos  in  aetemum  secun- 15 
dnm  ordinem  Melchisedec^  dominus  a  dexteris  tuis.  Audi  nunc 
et  de  claritate  regni  secundi  adventus  eius  apud  Danihelum: 
Videham  nocte  in  visit,  et  ecce  in  nuhibus  caeli  quasi  fllius  lio- 
minis,  veniens  venit  usque  ad  veterein  dieruni,  et  data  est  ei 
potestas  regia ;  omnes  reges  terrae  per  genus  et  omnis  claritas  20 
servient  ei,  et  fides  eius  aeterna,  quae  non  movetur,  et  regnum 
eius  non  corrumpetur.  Item  in  psalmo  XCIL:  Dominus  r€g7iavit, 
decor  em  induit,  induit  dominus  fortitu^dineni  et  praecinxit  se 
virtutem.  Etenim  confirmavit  orbem  terrae,  qui  non  movebitur. 
Parata  est  sedes  tua,  ex  illo  saeculo  tu  es.  Et  in  psalmo  XLIX :  25 
Deus  deoruni  dominus  locutus  est  et  vocavit  terram  a  solis  ortu 
usque  ad  occasum,  ex  Sion  species  decoris  eius.  Deus  manifests 
veniet,  deus  noster,  et  non  silebit.  Ignis  in  conspectu  eius  ardebit, 
et  in  circuitu  eius  tempestas  valida.  Vocabit  caelum  sursum  et 
terram.,   discernere  populum    suum.      Golligite   illi  sanctos   eius,  BO 

■6.  psalmo  XXIII.  B  .  .  .  XXIV.  V.  —  3.  coelis  Bi.  —  4.  principis  B2 
.  .  .  principes  VB'.  —  4.  vestri  B  .  .  .  vestras  V.  —  5.  sciebmit  B.  —  6.  ver- 
bum  V.  —  7.  trophea  B.  —  7.  ascender  et  V.  —  8.  dicentes  orn.  V.  —  It). 
psalmo  om.  V.  —  10  sq.  a  dextris  nieis  V.  —  llsq.  A  tuorum  usque  ad 
dexteris  tuis  (v.  16)  om.  V.  —  13.  principium  B2.  —  16sq.  Audi  nunc  etom. 
V.  —  17.  regni  sui  B.  —  2U.  omnes  reg.  ter.  per  gen.  om.  V.  —  21.  serviet 
V.  —  21.  movebitur  V.  —  22  sq.  Ab  Item  in  usque  ad  et  iustitiam  (p.  38 
V.  5)  om.  V.  —  29.  vocavit  B.  —  30.  discerneret  B. 

4.  Ps.  24,  7.  —  8.  Ps.  24,  8.  10.  —  10.  Ps.  110.  —  18.  Dan.  7,  13.  14. 
—  22.  Ps.  93,  Isq.  —  26.  Ps.  50,  1—6. 


"38  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

eos  qui  dispommt  testamentum  eius  in  sacrificiis.  Et  adnuntiabunt 
caeli  iustitiam  eius^  quoniam  deus  index  est.  Item  in  psalmo 
XLIY.  dicit:  Accingere  gladium  tuum  circa  femor,  i^otentissime 
specie  tua  et  indchritxidine  tua;  intende,  prospere  procede  et  regna 
5  propter  veritatem  et  mansuetudinem  et  iustitiam.  Item  in  psalmo 
XCV.  dicit:  Dicite  in  nationibus:  Dominus  regnavit  a  ligno.  Item 
apud  Esaiam:  Puer  natus  est  nobis,  cuiu^  imperixmn  factxim  est 
super  Jiumeros  etus,  et  vocabitur  nomen  illius  magni  consilii 
angelus.     Et  si  volueris  plenitudinem  evangeliornm  cognoscere. 

10  invenies  apud  lohannem  nostrum  euntem  ad  passionem  Chri- 
stum crucem  in  humeris  sibi  portasse,  pro  quo  dicit  Esaias: 
Cuius  imperiiim  factum  est  super  hnmeros  eius.  Item  in  psalmo 
LXXL:  Deus,  iudiciurn  tuum  regi  da  et  iustitiam  tuatn  flio  regis, 
iudicare  p}opulum    tuum  in  iustitia  et  pauperes  tuos  in  iudicio. 

la  Suscipiant  Tnontes  pacem.  populo  tua  et  colles  iustitianm;  iudicabit 
egenos  populi  et  salvos  faciet  jilios  pauperumj  et  humiliabit  ca- 
lumniatorem;  et  permanebit  cum  sole  et  ante  lunam  in  genera- 
tiones  generationum.  Orietur  in  diebus  eius  iustitia  et  habundantia 
pads,   donee  e^tollatur  luna.     Et  dominabitur  a  mari  usque  ad 

20  mare  et  a  Jluminibus  usque  ad  terminos  orbis  terrarum.  Coram 
illo  decident  Aethiopes,  et  inimici  eius  terravi  Unguent,  et  adora- 
bunt  eum  semper,  tota  die  benedicent  eum.  Et  erit  firmamen- 
tum  in  terra  in  summis  Tuontibus,  superextolletur  super 
Libanum   fructus    eixis.,    et  fiorebunt    de    civitate   sicut    foenum 

25  terrae.  Sit  nomen  eius  benedictum  in  saecida  saecidorum,  ante 
solem  permanet  nomen  eius,  et  ante  lunam  sedes  eius,  et  be- 
nedicentur  in  eo  omnes  tribus  terrae.,  omnes  gentes  magnifica- 
bunt  eum. 

26.  Him.:  Omnia  quidem  in  Christo  praefigurata  manifesta 

3oprobatione  per  scripturas  meas  milii  ostendisti,  et  volueram 
quidem  credere,   si  non  me  psalmi  istius  deliberatio  revocaret. 


3.  femur  B'^.  —  5sq.  Item  in  jjsalmo  dicit  om.  V.  —  7.  est  piim.  om.  V. 
—  7.  factum  est  om.  V.  —  7.  factiis  B.  —  S.  humerum  V.  —  8.  illius  B  .  .  . 
eius  V.  —  9.  volueris  omnem  V.  —  11.  sibi  in  humeris  V.  —  11.  cruceui 
eum  in  umeros  B.  —  11.  hnec  elicit  V.  —  12  sq.  A  Cuius  imperium  usque 
ad  nmgnificabunt  eum  (v.  28)  om.  V.  —  ISsq.  iudicavit  egenusB.  —  16.  hu- 
miliavit  B.  —  30.  prae  scripturis  meis  V. 


3.  Ps.  45,  4.  5.  —  6.  Ps.  Ofi,  10.  —  7.  Isa.  9,  6.  —  13.  Ps.  72. 


Der  Text.  39 

Nam  hie  psalmiis  in  Salomone  dictus  est;  adeo  titulus  eius  te 
revincet.  cum  dicat:  Psalnms  in  Halomone. 

Th.:  Invisor  ille,  qui  protoplastum  fefellit  et  populum  ve- 
strum  modo  decipit,  per  cuius  invidiam  mors  in  orbem  terrarum 
venit,  hie  videlicet  et  sensum  cordis  tui  oceupavit,  ut  rem  mani-  5 
festam  et  in  hice  positam  rursus  non  intellegas.  Salomon  enim 
intra  certa  in  ludaea  quadraginta  annis  regnavit  a  Dan  usque 
ad  Bersabee  et  postea  dehquit,  sieut  in  Basilion  libro  tertio 
dicit:  Et  fecit  Salomon  malignum,  et  non  ambulavit  in  via  2)atris 
sui  David,  et  aedificavit  excelsum  Chamos^  idolo  Moab,  et  regi^^^ 
eornm,  idolo  Jiliorum  Ammon.,  et  Astaron,  idolo  abomination  is 
Sidonionim;  et  excitavit  dominus  satanam  ipsi  Salomoni  Ader 
Idvmaenm  ad  eradicandum  eiin^;  Christi  autem  regnum  ultra 
incognitas  solitudines  est  porreetum;  de  quo  deus  per  prophetam: 
Et  permanebit  cum  sole  et  ante  liinam  in  generationes  genera-  15 
tionnnij  et  dominabifur  a  mari  usque  ad  mare  et  a  fiuvmie  usque 
ad  terminos  orbis  terrae.  Quid,  de  Salomone  hoe  dicit,  cuius 
regnum  et  annos  superius  tibi  ostendi?  Christus  autem  semper 
et  ubique  regnat. 

27.  Sim.:  Recedit,   quia  video,   de  mentibus  meis  inimicus2i) 
patrum  meorum  diabolus.  qui  oculos  cordis  mei  caecabat.    Coepi 
enim  velle  lumen  veritatis  agnoseere. 

Th.:   Crede  ergo  tu,  ut  possis   de  singulis  inlumiiiatus  de 


Isq.  est:  Deus  iudicium  tuitm,  queni  duclam  mihi proposuisti ;  adeo  ut  ti- 
tulus eitis  te  revincat  V.  —  4.  modo  om.  V.  —  4.  dece^iit  VB".  —  4.  ter- 
rae V.  —  h.  et  om.  V.  —  5.  sensus  V.  —  5.  praeoccu2)avit  V.  —  6.  hi- 
ceni  V.  —  6.  rursus  B  .  .  .  errolhis  V.  —  7.  intra  certa  ludaea  B  .  .  .  in 
ludaea  V  .  .  .  intra  certa  in  ludaea  edidi.  —  1.  a  Dan  \  ...  ah  adam  B.  — 
8.  ad  om.  V.  —  8.  Basilion  V  .  .  .  regnorum  B.  —  9.  dicitur  V.  —  9.  ma- 
lum V.  —  10.  David  2>citr is  sui,  sed  V.  —  lOsq.  Verba  ab  aedificavit  us- 
que ad  Sidoniorum  in  B  misere  deformata  sunt  falsis  admixtis;  V  habet 
idola.  —  12.  dominus  B  . .  .  deus  V.  —  13.  ad  eradicandum  eutn  om.  V. 
—  13 sq.  Christi  autem  regnum  in  omni  porreetum  est  orbe  terrarum;  ideo 
de  eo  lyropheta  commemorat  dicens:  Permanebit  V.  —  15.  generat.  generat. 
B  .  .  .  saecula  V.  —  17.  Non  de  Salomone  dicit  V.  —  18sq.  A  Christus  us- 
que ad  regnat  om.  V.  —  20.  Recide  quia  B  .  .  .  recedit,  ut  V.  —  2().  de 
sensu  meo  V.  —  21.  oculos  cordis  mei  B  .  .  .  menfem  meam  V.  —  22.  enim 
V  .  .  .  animum  B.  —  22.  relle  0111.  Y.  —  23.   tu    ut  j^ossis  de  sing.  om.  Y. 

9.  I  Reg.  11,  6.  14.  —  15.  Ps.  72,  5.  8. 


40  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

vinculis  exire  tenebranim,  sicut  Esaias  de  Christo  dicit:  Spintus 
domini  super  me,  propterea  unxit  me,  et  misit  me  hene  nuntiare 
pauperihus  ^  sanare  contritos  corde,  educere  e  vinculis  adligatos 
et  e   domo   carceris  sedentes   in   tenebris    et  umbra  mortis,    dare 

5  lumen  caecis.  Quid  enim  iiitellegitur  domus  carceris  et  homines 
in  vinculis  oppressi  nisi  saeculi  istius  homines  ignorantiae  cae- 
citate  detenti  et  diaboH  peccatis  vinculati?  sicut  in  Genesi  dicit: 
Aderant  tenebrae  super  abyssos,  et  dixit  deus:  Fiat  lux;  homines 
tenebris  ignorantiae   caecati,   sed    adveniente   kimine  recedent 

10  tenebrae. 

VII,  28.  8i7n.:  Occulta  et  inaudita  mihi  manifestasti ,  sed 
adhuc  animae  meae  inest  scrupulnm  diffidentiae,  eo  quod  omnia 
religiose  colitis,  sabbatum  vero,  quod  deus  custodiendum  ser- 
vandumque    mandavit,    neglegitis.     Cibos    praeterea   et   \inum 

ISgentiliter  sumitis,  cum  deus  specialiter  praeceperit,  quaeque 
debeant  ex  animalibus  et  piscibus  esse  edenda  quaeque  ex- 
secranda  nee  morticina  illorum  tangenda.  Nisi  mihi  et  hoc 
per  scripturas  probatum  fuerit,  periclitor  credere. 

Th.:  lam  et  superius   dixi   tibi  quod   et    diabolus  invideat 

20tibi,  quod  scilicet  filius  sis  patrum  tuorum,  qui  tot  beneiiciis 
fulti  et  ab  Aegypto  liberati  —  ad  vicem  muronim  mare  circum- 
stetit  undas  — ,  heremo  largis  dapibus  adparati  caelestique  cibo 
manna  saturati,    in    oblivione    transgressi  profanos   deos,    quos 


1.  tenebrarum  om.  B.  —  1.  sicut  B  .  .  .  sic  enim  V.  —  2.  et  om.  V. 
—  3.  de  vinculis  V.  —  4.  Post  carceris  pergit  V :  aperire  oculos  caecoruin. 
Quid  aliud  intelligi  potest,  nisi  saeculi  istius  homines  ignorantiae  caecitate 
detentos  et  diaholi  vinculis  alligatos,  cetera  omittens;  in  B  clausula  (v. 
8sq.)  enuntiationis  corrupta  est:  hominmn  teneb.  ignor.  caecatos.  —  11. 
Occulta  B  .  .  .  multa  quidem  V.  —  11.  manif.  mihi  V.  —  13.  religiose  B 
.  .  .  relegisse  V.  —  13.  quod  B  .  .  .  quern  V.  —  15.  quae  V.  —  Ifi.  ex  piscibus 
V.  — -  16.  edenda  B  ..  .  sunienda  V.  —  16 sq.  et  quae  excevenda  '-el  exse- 
cranda  V.  —  17.  mortua  V.  —  17sq.  nisi  hoc  p.  s.  probaveris  V.  —  19.  lani 
sup.  dixi,  quod  diab.  V.  — ^21.  fulti  V  . .  .  fulcitus  B.  —  21.  et  ab  B  ...  ex 
"V.  —  21.  liberati  V  .  .  .  liberatus  B.  —  21  sq.  ad  vicem  mur.  mare  circums. 
undas  B  .  . .  ad  vicem  metallini  aeris  rubri  maris  littora  circumsteterunt 
V  (locus  in  utroque  codice  vix  sanus  est\  —  22.  herem.  larg.  dap.  ad- 
paratus  B  .  .  .  imde  largis  etiam  dapibus  apparati  V.  —  22.  coelesti  (sine 
cibo)  V.  —  23.  saturatus  B.  —  23.  in  om.  V.  —  23.  transgressus  B. 

1.  Isa.  61,  1.  —  8.  Gen.  I,  2.  3. 


Der  Text.  41 

colerent,  uusi  sunt  postulare.     Merito  deus  per  Hieremiam  iii- 
crepat  et  obiurgat  genus  vestrum  dicens:  Si  timtahit  Aetliiopus 
colorem   et  pardus  vartetatem^  sic  et  vos  mutamini  a   doctrina. 
Mala  sabbata,   scilicet  im^ginaria  requies  septimi  diei  tradita 
fuit,  primum  quod  lesus  filius  Nave,  ut  Hierico  debellaret,  per  5 
septem  dies  ^deibus  muros  circuibat,  arma  bellica  tractantes  et 
arcam  testamenti  gestantes;  septima  autem   die  septies  circui- 
erunt.    Manifesta  Veritas  est  quod  aut  sabbato  coeperunt  aut 
in   sabbato   cadentibus   muris  Hierico   debellaverunt.      Et  illud 
quod  in  Machabaeis  maximam  victoriam  de  inimicirf  suis  sabbato  10 
reportabant  et  ultionem  adversariorum  gladiis  suis  sabbato  vin- 
dicabant.     Accedit  et  illud   quod  humanum   sabbatum  repellat 
deus    dicente  Esaia:  leiuniuin  et  dies  festos  vestfos  et  sabbata 
cestra  odit  aniitia  tnea.     Facti  estis  mihi  in  habundantiavi ^  iam 
)ion  dimittain  peccata  vestra.    Illud  autem  sabbatum  deus  desi-  15 
derat,  requiescere  te  debere  ab  operibus  malignis,  ut  in  septimo 
millesimo  anno,  quod  sabbatum  sabbatorum  intellegitur,  mundus 
ab  operibus  malis  inveniaris.    Haec  erunt  sabbata  tenera  sancta 
deo,  in  quibus  deus  delectatur.     Cibos  autem,  quos  abigis,  man- 
ducare  debes:  non  carnes  suillas,   sed  facta  porcina  prohiberis  2o 
admittere.    Similiter  aquam  luto  mixtam  volutas,  sororem  tuam 
tibi    in    coniugio    copulas,    sanguinem    cum    sanguine    iungis,     ' 
rapinis  teiTam  perscrutaris,  festa  tua  pviblicas,   in  plateis  oras. 
Ecce  quomodo  peccas  et  non  intellegis  de  te  scriptum  esse  in 


1.  colere  B.  —  Isq.  Merito  de  vobls  Hierem.  dixit  V.  —  2.  mutavit  B.  — 
2.  Aethiops  V.  —  3.  mutamini  a  doctrina  B  .  .  .  edocta  V.  —  5.  filius  om. 
V.  —  6.  sej)tem  diebiis  vicissim  V.  —  6.  tractantes  et  om.  V.  —  8.  quod 
om.  V.  —  9.  debtllaveritB.  —  9.  Ab  Et  illud  usque  ad  lindicabant  (11)  om. 
V.  —  12.  et  illud  om.  V.  —  12sq.  deus  repelUt  V.  —  13.  diem  festum  vestrum 
V.  —  14.  vestra  om.  V.  —  1-1.  Facti  estis  mihi  in  habu».  B  .  .  .  fecistis 
mihi  taedinm-  V.  —  14.  iam  om.  V.  —  16.  debere  om.  V.  —  16.  malis  nt 
V  .  .  .  malignis  et  B.  —  16.  in  septimo  om.  V.  —  17.  intellegitur  B  ...  est 
V.  —  IS.  inven.  ab  op.  malis  V.  —  18sq.  e7-it  sabbata  tenera  sancta  deo,  in 
qua  B  .  .  .  erunt  sancta  tenenda,  in  qua  V  (locus  in  utroque  codice  vix 
sanus  est).  —  19.  delectetur  V.  —  19.  Cibus  autem  quod  ambigis  V.  — 
20.  debes  edidi  .  .  .  debere  BV.  —  20.  porcorum  V.  —  21.  aqua  mixto  luto 
voluptas  V.  —  21.  cum  sororem  B^.  —  22.  coniugio  B  .  .  .  concubitu  V.  — 
22.  cum  sanguine  iungis  B  .  .  .  sanguini  incitas  V.  —  24.  esse  om.  V. 


2.  lerem.  13,  23.  — 5sq.  los.  6.— lOsq.  II  Maccab.  15.  — 13.  Isa.  1,  13.  14. 


42  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

psalmo  XVI.:  Saturati  sunt  2>orcina  et  reliquerunt  reliquias 
parvidts  sui's;  hoc  est  peccatum  vestrum  posteritati  vestrae 
propaginis.  De  piscibus  autem  squamis  cutem  vestitis  vesci- 
mini;  cetera  autem,  quae  vitare  fingitis,  retibus  extracta  et  in 
5  multitudine  piscium  pennixta,  penitus  exsucata  per  liquamen 
dulciter  manducatis.  Vinum  autem  Christianorum  ostende  milii 
per  scripturam  ubi  prohibitum  acceperis,  et  recte  me  vincere 
poteris.  Ego  autem  ostendam  tibi,  ubi  ludaicum  vinum  prohi- 
betur,  et  azymas  tuas  manducare  vetamur.     Audi  Esaiam  pro- 

lOphetam  dicentem:  Manns  vestrae  sangmne  j^lenae  su7it,  lavammi, 
mundi  estate.  Item  in  psahno  XIII.  dicit:  Veloces  pedes  eorum 
ad  effundendum  sanguinem.  Gontritio  et  infelicitas  in  rii's  eorum, 
et  viam  pads  non  cognoverunt.  Ecce  quales  pedes,  et  quibus 
manibus  vinum  et  azymas  conficiunt!  Et  in  Deuteronomio  dicit: 

\hDe  vinea  enim  Sodomorum  vinum  eorum,  et  propago  eoriim  ex 
Oomorra.  Uva  eorum  uva  fellis,  et  hotrus  atnaritudinis  in  ipsis. 
Furor  draconuin  vinum  eorum,  et  furor  aspidum  insanabilis. 
Nonne  haec  congregata  sunt  apud  me  et  signata  sunt  in  thesauris 
meis?   Si  his  tot  et  tantis  testimoniis  revictus,  Simon,  credere 

20  nequiveris,  saluti  tuae  contradicis.  Lege  scilicet  Danihelum,  et 
invenies  Nabuchodonosor  dicentem:  Nonne  tres  viros  in  foma- 
cem  misimus'!^   Ecce  video  quattuor  vivos  et  fades  quarti  simili- 

1.  XVI.  om.  V.  —  \. liorcina'Q  .  .  .  fih'is  V.  —  1.  reliquias  B  .  .  .  quae 
superfuerunt  V.  —  2.  et  posteritatis  vestrae  (sine  propaginis)  V.  —  3. 
squama  cute  vescimini  B  .  .  .  sqtianiis  cutem  vestitis  comeditis  V.  —  4.  con- 
figifis  vitare  V.  —  5.  multitiidinem  B.  —  5.  exsiccata  in  liquamine  V.  — 
7.  scripturas  V.  —  7  sq.  uhi  sit  prohibitum  hibere  et  azymas  (cetera  desunt) 
V.  —  9.  azymas  V  .  .  .  escas  B.  —  9.  Audi  Esaiam  B  .  .  .  audies  V.  — 
9.  In  V  Isa  59,  7  loco  Isa.  1,  15  antecedit.  —  10  sq.  lavamini,  mundi 
estate  om.  V.  —  11.  Item  in  ps.  XIII.  dicit  B  .  .  .  Et  rursus  V,  —  12.  A 
Contritio  usque  ad  conficiunt  (v.  14)  om.  V.  —  14.  dicit  om.  V. —  15.  enim 
om.  V.  —  15.  vinum  B  .  .  .  vinea  V.  —  16.  et  om.  B.  —  16sq.  In  ipsis  furor 
B  . .  .  ira  V.  —  17.  et  furor  B  .  .  .  ira  V.  —  18sq.  A  Nonne  usque  ad 
meis  (v.  19)  om.  V.  —  19.  Si  om.  B.  —  19.  revictus  om.  V.  —  19.  rel  si 
credere  B.  —  20.  nequiveris  B  .  .  .  nolueris  V.  —  20.  scilicet  B  .  .  .  Simon 
V.  —  21.  Nabuch.  dicentem:  Nonne  B  .  .  .  Nahucod.  barbarum,  filium  dei 
ipse  cognovit,  quem  tu  tardus  agnoscere:  Nonne\.  —  22  sq.  similitudoB  ... 
si m  His  V. 


1.  Ps.   17,    14.  —    10.  Isa.   1,    15.  —   11.  Isa.   59,  7.  —   15.  Deut.  32. 
32—34.  —  21.  Dan.  3,  24.  25. 


Dor  Text.  43 

tudo  JUii  del:  Quid  dicis,  ludaee?  Nabuchodonosor  barbarus 
filium  dei  cognovit,  quern  tu  tardas  invenire.  Et  vide  ue  in 
te  inpleatur  Ambacuc  prophetae  invectio.  Videte,  contemtores,  et 
inspicite  et  admiramini,  quoni'am  ego  opus  operor  in  diebus  vestris, 
quod  non  creditisj  si  quis  enarraverit  vobis.  5 

VIII,  29.  Sim.:  Lator  salutis,  Theophile,  aegrotorum  bone 
medice,  nee  ultra  quid  possum  dicere;  iube  me  catezizari  et 
signo  fidei  lesu  Christi  consecrari.  Arbitror  enim,  per  raanus 
inpositionem  accepturum  me  delictorum  ablutionem. 

TJi.:  Immo  beuedictionem:  sic  Isaac  lacob  benedixit,  et  perlo 
manus  benedictionem  accepit,  ut  maior  fieret  ex  minore;  sic  et 
Efrem  et  Manasse  per  inpositionem  manuum  dilatati  sunt. 

30.  Tunc  Theophihis  Simonem  Indaeum  tinxit,  et  adeptus 
est  fidem.  Simon  gratias  agere  coepit  dicens:  Gratias  tibi  ago, 
lesus,  quem  nunquam  vidi  ad  faciem,  nunc  autem  credo  in  te.  15 
Gratias  tibi,  lesus,  quem  nunquam  audivi,  nunc  autem  audio. 
Invoco  te,  lesus,  cuius  sensum  antea  non  habui,  nunc  autem 
cupio  in  te  sensum  meum  esse,  per  quem  cognovi  Theophiluni 
discipulum  tuum.  Domine  lesus,  si  fide  dignus  sum,  et  ad  tuam 
agnitionem  confirma  me.  Tu  enim  errantibus  viam  demonstras  20 
et  perditos  revocas  et  mortuos  suscitas  et  infideles  fide  tua 
confirmas  et  caecis  oculos  cordis  inluminas.  Tu  es  ipse  taber- 
naculum  sanctum,  qui  fuisti  cum  patribus  nostris  in  deserto; 


1.  flio  B.  —  1  sq.  A  Nabuch.  usque  ad  invenire  om.  V.  —  2.  Et  om. 
V.  —  3.  Amb.  ])^'oph-  inventio  B  .  .  .  invectio  Abac,  prophetae  dicentis  V. 
—  3.  contemptoreoi  B.  —  4.  admiramini  B  .  .  .  desperate  V.  —  5.  nar- 
raverit  V.  —  6.  aegrorum  V.  —  7.  nee  ultra  quid  possum  dicere  B  .  .  . 
neque  ultra  differre  i^ossuni  V.  —  7sq.  catazizare  et  signum  B.  —  8.  lesu 
om.  V.  —  8.  quod  per  ^'^\.  —  8.  manuum  tuarumY.  —  9sq.  imp)ositionem 
me  peccatorum  meorum  aboUtionem,  immo  sicut  lacob  benedixit  et  per  im- 
2)os.  manus  accepit,  ut  maior  fieret  ex  minore,  sic  Epphraim  et  Manasse 
pier  impos.  dilatati  sunt  manuum  (quae  interposita  sunt,  omittens)  V.  —  13. 
Judaeum  om.  V.  —  13.  tinxit  V  .  .  .  unxit  B.  —  14.  est  om.  B.  —  14.  agere 
deo  V.  —  14.  ago  tibi  V.  —  15.  non  vidi  facie  ad  f.  V.  —  15.  in  te  spirit n 
et  tota  mente  V.  —  16.  ago  tibi  V.  —  16.  non  audivi  V.  —  16.  audito  V.  — 
17.  Invoco  lesuY.  —  17.  ante  V.  —  19.«q.  Domine  lesu  Christe,  si  quidem 
dignus  sum  tua  convocatione,  confirma  me.  Etenim  errantibus  V.  —  20. 
veniens  confirma  B^.  —  21.  et  secundum  et  tertium  om.  V.  —  21sq.  in 
fide  tua  configuras  V.  —  22 sq.  tabern.  sanct.  om.  V. 

3.  Abac.  1,  5.  —  10.  Gen.  27.  —  12.  Gen.  48,  19. 


44  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

tu  candelabrum  luminis,  tu  altarium  et  panis  propositionis ,  tu 
ara,  tu  victima  voluntaria;  tu  es,  clomine,  vita  et  margarita, 
cristalluiu,  magnum  aratrum.  Oro,  domine,  ignorantiae  et  in- 
credulitatis  meae  ne  memineris;  tu  es  enim,  ubi  cuncta  bene- 
5ficia  praestantur.  Tu  es  qui  mihi  omnia  donare  dignatus  es, 
Tibi  sit  honor  et  potestas  et  in  cuncta  et  in  mortalia  in  saecula 
saeculorum.     Amen. 


1.  tu  es  candelahrorum  lumen,  tu  es  Y.  —  1.  pi'opositlonum  V.  — 
1  sq.  tu  es  ara  etY.  —  2  sq.  tit  es  ipse  vita  mea,  margarita,  cristallttin,  iur/uni 
argenteum  V.  —  3sq.  ignorantiam  meam  infelicitatis  meae  Y.  —  4sq.  tu  enim 
absconsa  beneficia  praestans  es,  qui  mihi  dignatus  es  omnia  ostendere  Y 
.  .  .  absconsa  beneficia  praestans  es,  qui  mihi  omnia  donare  dignatus  es  C. 
—  6sq.  Tibi  sit  honor,  potestas,  laus,  gloria  hie  et  in  cuncta  saecula  saecu- 
lorum.   Amen.    Y. 


Anmerkungen  •"). 

P.  15,  5.  Unter  lex  ist  das  gesammte  A.  T.  zu  verstehen.  Im  4.  Jahr- 
hundert  ist  das  Wort  sogar  Bezeichnung  fiir  beide  Testamente  geworden ; 
s.  z.  B.  Optat.  I,  11:  „Catliolicam  facit  simplex  et  verus  intellectus  in 
lege".  II,  5:  „In  qua  lege  scriptum  est:  Pax  hoininibus  in  terra  bonae 
voluntatis?"     S.  Ronsch,  Ztschr.  f.  hist.  Theol.  1872  S.  221. 

P.  15,  5.  Es  ist  beaclitenswerth ,  dass  der  Jude  Simon  als  ein  Unbe- 
kannter,  der  Christ  Theophilus  dagegen  als  ein  den  Lesern  Bekannter 
eingefiihrt  ist.  Man  wird  dies  wohl  zur  schriftstellerischen  Fiction  rech- 
nen  diirfen;  aber  eben  diese  Fiction  gab  spiiter  Anlass,  in  dem  christ- 
lichen  Disputanten  einen  beriihmten  Theophilus,  also  z.  B.  den  alexandri- 
nischen  Bischof,  zu  erkennen. 

P.  15,  6.  Minucius  Felix  9,  4;  29,  6:  „Cruces  etiam  nee  colimus  nee 
optamus",  TertuU.  Apolog.  1(3:  „Qui  crucis  nos  religiosos  putat".  Das 
Wort  „crucicola"  (arai()o/ar(>7;<;)  kommt  bei  den  alteren  lateinischen  Kir- 
chenvatern  nicht  vor.  „Signifer"  ist  hier  wohl  in  der  Grundbedeutung 
zu  nehmen  und  nicht  als  „Anfuhrer"  zu  verstehen. 

P.  16,  4.  „Nazaraei"  wird  in  der  alteren  Literatur  als  Bezeichnung 
der  Christen  nur  Act.  24,  5  und  TertuU.  adv.  Marc.  IV,  8  {„Unde  et  ipso 
nomine  nos  ludaei  Nazaraeos  appellant  per  eum")  gefunden.  Im  4.  Jahrh. 
s.  Epiphanius  und  Hieronpnus. 


31)  Parallelstellen  aus  Justin,  TertuUian,  Cyprian  und  Lactantius  sind 
hier  nur  sparlich  mitgetheilt,  weil  sie  in  den  folgenden  Paragraphen  auf- 
gewiesen  werden  sollen.  Eine  eingehende  Erklarung  der  Altercatio  ist 
nicht  beabsichtigt,  vielmehr  werden  nur  einzelne  der  Erlauterung  beson- 
ders  bediirftige  Stellen  zur  Sprache  kommeu. 


Anmerkungen.  45 

P.  IG,  16.  Tertull.  adv.  Marc.  IV,  20:  „naec  erit  fides,  quae  contu- 
lerat  etiam  intellectum.    Nisi  credideritis,  inquit,  non  intellegetis". 

P.  16,  20.  Die  in  der  Altercatio  solenne  Bezeichnung  I'vir  Christus 
..deus  et  dei  filius"  ist  aueh  die  dem  Justin  geliiufige  und  entspricht  dem 
johanneischen  9sdc  fxovoyevrjq. 

P.  16,  21  sq.  Die  Beziehung  von  Isa.  44,  6  auf  den  duplex  adventus 
Christi.  und  von  Deut.  32,  39  auf  den  Antichrist  ist  sehr  originell  und 
altertliiinilicli. 

P.  17.  20.    Ygl.  das  „receptior"  Tertullian's  de  pudicit.  20. 

P.  17,  21.  Auf  diese  Baruchstelle  haben  sich  nach  Hippol.  c.  Noet.  2 
dieromischenMonarcliianer  berufen;  s.  auch  Tert.  adv.  Prax.  16.  Kneucker 
(das  Buch  Baruch  1879)  halt  sie  fur  eine  christliche  Interpolation. 

P.  18,  4.  5.    Der  Text  ist  hier  augenscheinlich  verderbt. 

P.  18,  23.  Das  ,,eius"  ist  auffallend;  vieUeicht  bezieht  es  sich  auf 
Veritas  zuruck.  Zu  der  Phrase  in  pri7icipio  =  in  Christ 0  s.  Routh, 
Reliq.  S.  I  p.  98  sq.  Texte  u.  Unters.  I,  1  S.  117f. 

P.  19,  2.    Zur  Sache  s.  Barnab.  5,  5  u.  Just.,  Dial.  62. 

P.  19,  5sq.    Hier  stimmt  der  Text  wortlich  mit  Hebr.  1,  5. 

P.  19,  7.  Die  LXX  bieten  nQazoxoxov  (fiir  „principera").  Dieses 
Wort  hat  der  Verf  um  des  ..principium"  willen  gewahlt. 

P.  19,  S.    Hebr.  1,  6. 

P.  19,  25sq.  Die  Parallelisirung  der  Entstehung  des  Christus  mit  der 
Schopfung  des  Menschen  ist  beachtenswerth ;  s.  II  Clem.  14,  2:  inoiriaev 
6  &eog  TOP  av^gwnov  nQaev  xal  d-ijlv  to  agatv  iatlv  6  XgiOTOC. 

P.  19,  27.  TertuUian  citirt  adv.  Marc.  IV,  14:  „Sic  et  retro  in  Ba- 
siliis  Anna  mater  Samuelis";  adv.  Marc.  IV,  21;  ,,Habes  tertiam  Basi- 
liarum;  si  et  quartam  resolvas  etc." 

P.  20,  5.  Die  Worte  ., fides  (fidem)  consequetur  domum  (domus)  eius" 
fehlen  im  Grundtext  und  bei  den  LXX;  den  Lateinern  sind  sie  bekannt. 

P.  20,  19.    LXX:  ).6yov  avvxsXdiv  y.al  avvxifxvtov  ev  dixaioavv^  xz?.. 

P.  20,  25.  AehnHches  sehr  oft  bei  den  Apologeten ;  zu  „legera  novam" 
s.  meine  Note  zu  Barnab.  2,  6. 

P.  21,  2.  Der  Verfasser  hat  irrthiimlich  Jerem.  6,  10  als  jesajanisch 
citirt. 

P.  21,  3.  Der  Text  (..Nam  si  etc.")  ist  augenscheinlich  in  beiden  Hand- 
schriften  verderbt.  Martene's  Conjectur  „Non  velles  prophetam  nostrum 
lohannem  etc."  verbessert  nichts.  Zur  Bezeichnung  des  Johannes  als  Pro- 
pheten  vgl.  Tertull.  adv.  Marc.  IV,  24:  „Tam  apostolus  Moyses  quam  et 
apostoU  prophetae".  In  spaterer  Zeit  gilt  bekanntlich  Johannes  als  der 
neutestamentliche  Prophet  xaz^  i^oxvv. 

P.  21,  6sq.  Wie  alle  alteren  Vater,  so  lasst  auch  unser  Vert'asser  den 
Satz  Joh.  1,  3  mit  otde  tv  geschlossen  sein. 

P.  21,  7.    Vgl.  die  Theorie,  welche  Justin  Apol.  I,  36  entwickelt  hat. 

P.  21,  8.  Das  Buch  Jesus  Sirach  wird  hier  als  salomonisch  einge- 
fiihrt;  s.  Cypr.  Testim.  II,  1;  Chrysost.,  Synops.  (Migne  t.  LVI  p.  370). 
An  letzterer  SteUe  wird  mitgetheilt,  dass  Manche  das  Buch  fiir  salomonisch 


46  Die  Altercatio  Simonis  et  TlieopMli. 

halten.  Zur  Verwechselung  gab  der  Umstand  Anlass,  dass  das  Buch 
ebenso  wie  die  Proverbien  und  die  Weisheit  Salomonis  den  Titel  ?) 
TiavccQezog  aocpia  fiihi-te;  s.  Lightfoot  zu  I  Clem,  ad  Cor.  57  u. 
vgl.  Kihn,  Theodor  v.  Mopsv.  S.  77  n.  1.  Die  Worte  von  „primogeni- 
tus"  bis  „indeficiens"  stehen  bekanntlich  nicht  ini  griechischen  Texte, 
sondern  sind  ein  alter  lateinischer  Zusatz;  s.  Fritzsche,  Libri  apocr.  V. 
T.  p.  445. 

P.  21,  12.  Der  christliclie  Disputant  wird  bier  wie  an  anderen  Stellen 
nicht  als  ein  geborener  Jude  vorgestellt. 

P.  21,  14.  Die  Stelle  aus  den  Proverbien  ist  sehr  -willkurlicli  be- 
handelt.     So  hat  der  Verf.  „in  principio"  hinzugesetzt. 

P.  21,  23.  Tertull.  de  orat.  20,  de  bapt.  17:  ,,sanctissimus  apostolus". 
—  Man  erinnert  sich  hier  an  II  Cor.  3,   13sq.  16. 

P.  22,  3sq.  Das  Citat  aus  Daniel  (LXX,  nicht  Theodotion)  ist  durch 
Zusatze  entsteUt  und  weicht  sehr  stark  von  den  griechischen  Texten  ab. 

P.  22,  9.  „siluerunt",  s.  Justin  und  die  Apologeten.  Das  folgende 
Citat  aus  Jesajas  ist  wiederum  ein  sehr  freies,  ebenso  die  daran  sich 
schliessenden. 

P.  23,  6.    Der  Verfasser  hat  Salmanassar  und  Sanherib  verwechselt. 

P.  24,  6sq.  S.  Tertull.  adv.  Marc.  Ill,  13.  Der  emphatisch  dazwi- 
.schengestellte  Satz:  ,,Hoc  credimus  et  sic  fidem  nostraiu  custodimus"  ist 
auffallend.  Es  scheint,  als  habe  der  Verfasser  gegen  den  Doketismus 
Zeugniss  ablegen  woUen. 

P.  24,  8.    Circumcisus ;  s.  Luc.  2,  21. 

P.  24,  9.  Dulcedo  doctrinae;  diese  Auslegung  kommt  sonst  meines 
Wissens  in  alterer  Zeit  nicht  vor. 

P.  24,  11.  S.  Matth.  2,  11.  Tertull.  adv.  Marc.  Ill,  13.  adv.  lud.  9. 
Just.,  Dial.  77.  78  fin.  Ueber  die  Bekehrung  des  eigentlichen  Samariens 
spricht  sich  Justin  (Apol.  I,  53)  sehr  ungiinstig  aus;  aber  unserem  Ver- 
fasser ist  Saniarien  Reprasentantin  der  Heidenwelt. 

P.  24,  14sq.  Justin  (nach  ilim  Tertullian)  deutet  den  rex  Assyriae  auf 
Herodes  ^Dial.  77.  103). 

P.  24,  23  sq.  Maria  wird  vom  Verfasser  fiir  eine  Davididin  gehalten; 
s.  Just.,  Dial.  43  n.  2.  Die  „virga"  wird  von  Justin,  TertuUian  u.  A.  auf 
Christus  bezogen;  aber  Tertull.  adv.  lud.  9  heisst  es:  „Et  nascetux*,  inc^uit, 
virga  de  radice  lesse,  quod  est  Maria". 

P.  24,  30.  Im  2.  und  3.  Jahrhundert  hat  man  diese  Frage  noch 
nicht  bejaht,  im  Gegentheil  ausdriicklich  verneint  (im  Gegensatz  zum 
Doketismus) ;  s.  Tert.  de  came  23;  Orig.  Honiil.  14  in  Luc.  Anders  hat 
erst  Hieronymus  geurtheilt  (adv.  Helvid.). 

P.  25,  13sq.  Diese  Worte  finden  sich  in  keinem  der  uns  bekannten 
Biicher  Baruchs;  sie  sind  ohne  Zweifel  christUchen  Ursprungs,  und  zwar 
stammen  sie  friihestens  aus  dem  4.  Jahrhundert.  Ueber  „iaculatus"  (er- 
zeugt)  s.  Ronsch,  Itala  u.  Vulgata  S.  300. 

P.  25,  15.  Die  Erwahnung  der  „tunica"  hier  ist  auffallend;  wahr- 
scheinlich  ist  eine  Textescorruption  zu  statuiren.     Unter  der  „tunica  de- 


Anmerkungen.  47 

supei'  contexta"  ist  vielleicht  tier  wunderbtir  erzeugte  Leib  zii  verstehen. 
Das  Bilcl  kommt  auch  sonst  vor. 

P.  25,  19.  „Illius"  steht  fur  „Tot";  s.  Ronsch,  a.  a.  0.  S.  419f.  Auch 
bei  Cypr. ,  Testini.  II,  12  steht:  „illius  Effrata".  Ueber  die  Form  „pro- 
diet"  s.  Ronsch,  a.  a.  0.  S.  292 f.  An  derselben  Stelle  haben  Augustin 
(de  civit.  XVlII.  30.  32)  und  Cod.  Weingart.  dieselbe  Form. 

r.  25,  26.    „Superius";  s.  Ill,  14  (p.  24,  8). 

r.  26,  12.    S.  Barnab.  9,  6;  Just.,  Dial.  28;  Tertull.  adv.  lud.  3. 

P.  26,  13sq.    S.  Tert.  adv.  lud.  3. 

P.  26,  27  sq.  Auch  TertuUian  (de  pudic.  9)  nimmt  an,  dass  alle  ZoUner 
in  Palastina  Heiden  gewesen  seien  (speciell  auch  Zacchilus,  s.  adv.  Marc. 
IV,  37).  Dagegen  Hieron.  ep.  ad  Danias.  (s.  d.  Note  Martene's):  ,, Quasi 
vero  et  Matthaeus  non  ex  circumcisions  fuerit  publicanus,  et  iUe  qui  cum 
Pharisaeo  in  templo  orans  oculos  ad  coelum  non  audebat  erigere,  non 
ex  Israel  fuerit  publicanus  .  ,  .  aut  cuiquam  credibile  possit  videri  ethni- 
cum  templum  ingressum,  aut  dominum  cum  ethnico  habuisse  convivium". 
Mt.  9,  9.  Luc.  19,  2. 

P.  27,  2sq.    S.  Barnab.  13  n.  5. 

P.  27,  5.  „Iam  non";  der  Verfasser  gesteht  also  wie  Justin  zu,  dass 
die  Beschneidung  am  Fleische  einst  geboten  war. 

P.  27,  12.  Aehnlich  Barnab.  13,  5;  anders  hat  TertuUian  (de  bapt. 
S)  die  Stelle  erklart. 

P.  27,  14.    Bin  vom  3.  Jahrhundert  ab  haufig  gebrauchtes  Bild. 

P.  28,  2.  Diese  AUegorie  ist  bei  den  alteren  Vatern  nicht  gebrjiuch- 
lich.  Sie  beziehen  die  gladii  petrini  auf  Christus.  Die  Hervorhebung  des 
Petrus  ist  bemerkenswerth. 

P.  29,  Usq.  Vgl.  Luc.  24,  25  f.  Auch  Justin  sieht  hierin  den  letzten 
Grund  des  Todesleidens. 

P.  29,  14.    S.  .p.  Ill,  11  (p.  21,  2). 

P.  29,  19sq.    S.  Act.  2,  29  und  Aehnliches  bei  Justin. 

P.  30,  16.  In  dem  Citat  Num.  23  ist  wohl  absichtlich  die  Negation 
weggelassen. 

P.  30,  18.  LXX:  a.SeX(pi86q  fiov  Xevxog  xal  nvQQog  ixXeloxiafiivoq 
and  fxvQLdScov.  Hieraus  hat  der  Uebersetzer  die  messianische  Weissagung 
gemacht:  „lancea  conpunctus  a  militibus". 

P.  31, 20.  Die  Formen  folia,  foHarum  habe  ich  nicht  zu  corrigiren  gewagt. 
.  P.  33,  7sq.  Der  „praedictus  adventus"  kaun  nur  die  zweite  Ankunft 
sein;  aber  von  dieser  war  bisher  eigentlich  noch  gar  nicht  die  Rede. 

P.  33,  11.  ..Annum";  hiezu  bemerkt  Martene:  Eamdem  opinionem 
secuti  sunt  inter  Latinos  Tertullianus  (lib.  c.  ludaeos)  et  Lactantius  (libro 
IV.  Institut.).  Nullus  vero,  quern  sciam,  post  saeculum  quartum,  si  tamen 
ununi  excipias  Orosium.    Hinc  scriptoris  antiquitatem  coUigas. 

P.  34,  15sq.    S.  Just.,  Apol.  I,  36. 

P.  35,  9.  Der  Verfasser  hat  hier  irrthiimlicher  Weise  das  Deutero- 
nium  citirt;  die  SteUe  steht  im  Exodus. 

P.  36,  3sq.     S.  Mt.  27,  45. 


48  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

P.  36,  7sq.  Der  Vers  ist  durch  willkiirliche  Textanderung  zu  einer 
messianischen  Weissagung  umgestaltet  worden. 

P.  37,  5.  Das  „sciebant"  des  Cod.  B  ist  kaum  ertraglich;  ich  habe 
daher  die  LA  „nesciebant"  vorgezogen. 

P.  37,  7.    Martene  conjicirte  „roinphaeam". 

P.  37,  13  sq.  Hier  ist  der  Text  in  B  augenscheinlich  verderbt;  in  Y 
fehlt  die  Stelle. 

P.  37,  17.  Der  Verfasser  folgte  bei  Anordnung  der  letzten  Citate  ziem- 
lich  streng  dem  Symbolum.  Der  Ausdruck  ,,de  claritate  etc."  zeigt,  dass 
er  ein  Symbolum  vor  Augen  liatte,  welches  die  Worte  ndXiv  naQaysvri- 
oofxevov  iv  do^y  xpizi/v  xzL  enthielt.  Der  Zusatz  iv  do^y  ist  ein  orienta- 
lischer:  er  kommt  im  romisclien  Symbol  nicht  vor,  wohl  aber  auch  in 
iilteren  abendlandischen  regulae  fidei.  S.  Vetustiss,  eccles.  Rom.  symbol, 
illustr.  (PP.  App.  0pp.  I,  2  p.  118  not.  p.  140). 

P.  88,  6.  Ueber  den  alten  Zusatz  „a  ligno"  vgl.  Miiller,  Barnabas- 
brief  S.  213f.;  Otto  zu  Just.,  Dial.  73  (Apol.  I,  41). 

P.  38,  10.    S.  Job.  19,  17. 

P.  40,  8sq.    „Homines,  sq.";  der  Text  ist  hier  wahrscheinlich  verderbt. 

P.  40,  14  sq.  Im  mosaischen  Gesetz  ist  bekanntlich  derWeingenuss  nicht 
verboten;  der  Satz  ,,cibos  et  vinum  gentiliter  sumitis"  ist  daher  auf- 
fallend.  Vielleicht  ist  nur  im  Allgemeinen  auf  den  unbefangenen  Tisoh- 
verkehr  der  Christen  mit  Heiden  angespielt.  Allein  wahrscheinlicher  han- 
delt  es  sich  um  eine  asketische  Zumuthung. 

P.  40,  21  sq.  Auch  in  B  ist  hier  schwerlich  der  Text  zuverlassig  iiber- 
liefert.  Die -Worte  „ad  vicem  murorum  mare  circumstetit  undas"  sind 
vielleicht  eine  coiTumpirte  Glosse. 

P.  41,  4.  Schon  Zacagni  hat  in  seiner  Ausgabe  der  Acta  Archelai 
c.  31  zu  den  Worten:  ,,Hoe  in  loco  pervideo,  magnificum  dei  famulum 
Moysen  imaginariam  legem  his,  qui  recte  velint  videre,  tradidisse,  et 
legem  veram  etc  "  unsere  Stelle  verglichen. 

P.  41,  6sq.  Vor  „arma  bellica"  oder  nach  „gestantes"  ist  vielleicht 
etwas  ausgefallen. 

P.  41,  13.    Die  Jesajasstelle  ist  sehr  willkiirlich  zurechtgemacht. 

P.  41,  16  sq.  Zum  septimus  millesimus  annus,  der  natiii'lich  das  7.  Jahr- 
tausend  bezeichnen  soil,  s.  meine  Noten  zu  Barnab.  c.  15.  Der  Ausdruck 
sabbatum  sabbatorum  kommt  sonst  meines  Wissens  nicht  vor. 

P.  4],  18.  Der  Ausdruck  „sabbata  tenera  sancta  deo"  ist  vielleicht 
nicht  zu  halten ;  ich  habe  aber  nicht  gewagt,  ihn  zu  corrigiren.  Hat  man 
an  Isa.  58,  13:  ta  rgvipsQci.  od^^ata  (Justin.,  Dial.  12  fin.:  xa  rpvcpegh 
xal  nXrjStva  aa^^iaxa.)  zu  denken? 

P.  41.  20.    Zu  „non  cames  suillas"  s.  Barnab.  10,  1.  3. 

P.  41,  21  sq.  Worauf  der  Verfasser  mit  dem  „aquam  luto  mixtam 
volutas"  abzielt,  ist  mir  vollig  unklar,  und  ich  vermag  keine  Hyijothese 
aufzustellen,  um  den  Sinn  seiner  Worte  zu  erklaren.  Auch  der  folgende 
Vorwurf  auf  Blutschande,  der  den  Juden  gemacht  wird,  ist  sehr  auf- 
fallend;  nur  im  Allgemeinen  erinnert  man  sich  an  Rom.  3,  13f.  (s.  auch 


Aninei-kuiigen.  49 

Matth.  li).  Dor  Verf.  muss,  wie  audi  das  Folgeude  zeigt,  erne  gewisso 
Kenntniss  concreter  Zustiinde  in  den  jiidischen  Gemeinden  besitzen. 

P.  42,  1.    Die  Psalmstelle  ist  vom  Vevf.  willkiirlich  gemodelt  worden. 

P.  42,  3sq.  Dieser  Vorwurf",  der  gewiss  nicht  aus  der  Luft  gegriit'en 
ist,  ist  uieines  Wissens  von  den  Kirchenvatern  sonst  den  Juden  nicht  ge- 
niacht  worden. 

P.  42,  G— 9.  Die  Unterseheidung  von  ,,vimuu  ludaicuni"  und  ,,Chri- 
stianuni"  ist  nicht  deutlich.  Will  der  Christ  sagen,  dass  die  Christen 
sorglos  Wein  trinken  diirfen,  wahrend  das  Weinverbot  bei  den  Juden  — 
ein  solches  scheint  der  Verfasser  vorauszusetzen  —  durch  das  A.  T.  be- 
reits  festgestellt  sei?  Sicher  ist  diese  Annahme  nicht.  Jedoch  erhalt  der 
folgende  Satz  „azynias  tuas  manducare  vetamur"  sowie  manches  von  dem 
vorher  Bemerkten  eine  willkommene  Beleuchtung  durch  den  70.  Kanon 
der  Apostel:  El'  xiq  inlaxonog  i}  nQSoiivtsgog  ?}  Siaxovoq  .  .  .  vtjotsvoi 
fxeza  'lovdaUov  ?}  koQzd^oi  [xex'  avxdtv  tj  Ssxaiac  nag'  avxdiv  xa  xifiq 
eoQxrjg  ^evia,  oiov  nL,vfxa  ^  xi  xoiovxov,  xa&ai^fla&o},  fl  dh  ka'Cxoc, 
A(poQi'C,eaS^cD.  Dazu  s.  den  71.  Kanon  und  den  37.  und  38.  der  Synode  von 
Laodicea:  „Man  soil  von  den  Juden  keine  ungesauerten  Erode  annehmen 
und  an  ihremFrevel  sich  nicht  betheiligen".  Siehe  auch  den  35.  Kanon 
von  Laodicea,  den  50.  von  Elvira  u.  s.  w. 

P.  42,  11.  Irrthiimlich  hat  der  Verfasser  den  14.  Psalm  statt  Isa.  59 
citirt.  In  Bezug  auf  diese  Irrung  ist  es  bemerkenswerth ,  dass  Rom.  3, 
lOf.  die  Stellen  Ps.  14,  3  und  Isa.  59,  7  verbunden  sind. 

P.  43,  7.    „Catezizari",  s.  Ronsch  a.  a.  0.  S.  248. 

P.  48,  8  sq.  AuffaUend  ist,  dass  hier  und  im  Folgenden  die  Handauf- 
legung  als  das  wichtigste  Stuck  bei  der  Taufe  hervorgehoben  ist.  Statt 
des  ,,tinxit"  Z.  13  best  B  „unxit".  Diese  LA  ist  vielleicht  als  die  schwie- 
rigere  beizubehalten ;  aber  sie  ware  als  Bezeichnung  der  Tauf handlung  — 
an  diese  muss  doch  gedacht  werden  —  sehr  auffallend.  Ich  vermuthe 
daher  einen  blossen  Schreibfehler. 

P.  43,  14sq.  Das  Schlussgebet  des  Simon  erinnert  an  die  Gebete  der 
Thecla. 


§  3.     Analyse  der  Altercatio. 

Die  Altercatio  zerfallt  in  29  Fragen  und  Antworten  nebst 
einem  Sclilusscapitel.  Sie  kann  zweckmassig  in  7  Abschnitte  und 
einen  Epilog  eingetlieilt  werden.  Der  Autor  liisst  den  Juden  die 
Streitunterredung  beginnen.  Ziel  derselben  soil  die  Bekehrung 
des  uberwundenen  Theiles  sein.  Als  Beweisinstrument  soil 
lediglich  die  Schrift  des  Alten  Testamentes  gelten.  Der  Jude 
stellt  lueistens  ganz  kurze  Fragen,  welclie  der  Christ  ausflihr- 
lich  beantwortet.  Ist  dieser  mitliin  in  der  Defensive  vorgestellt, 
so  kommen  die  positiven  Argumente  des  Juden  fiir  seine  Re- 

Texte  und  Uiitersuohungen  I,  3.  4 


50  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

ligion  iiberliaupt  nicht  zur  Geltung.  Fast  jede  Antwort  des 
Christen  befriedigt  den  Juden  sofort;  sie  lasst  ilira  nur  Raum 
fiir  nene  Fragen,  bis  er  sich  am  Schluss  flir  llberwunden  und 
liberzeugt  erklart.  Das  Gespracb  hat  unter  diesen  Umstanden 
niehr  den  Charakter  der  Unterreduug  eines  lernbegierigen,  be- 
scheideneu  iind  glaubigen  Schiilers  mit  einem  ungedukligen, 
tadelsiichtigen  und  aiisfahrenden  Lehrer,  als  den  eines  Disputs 
ZAvischen  zwei  gleichgeriisteten  Partnern.  Am  ScWnss  der 
Wechselreden  geht  der  Christ  zu  heffcigen  Angriffen  gegen  die 
Juden  in  Bezug  auf  ihr  Verhalten  im   practischen  Leben  liber. 

1)  Als  Thema  der  Unterreduug  bezeichnet  der  Jude  den 
gekreuzigten  Christ  us  („Ego  tecum  de  Christo  crucifixo 
contendo").  Der  Christ  stellt  den  Satz  an  die  Spitze:  „Dicimus 
et  audenter  probamus,  dominum  deum  esse".  Der  Jude  beruft 
sich  fiir  den  strengen  Monotheismus  auf  Deut.  32,  39  und  Isa. 
44,  6.  Der  Christ  erkennt  den  deus  omnipotens  invisibihs  an, 
ihn  kennen,  wissen  und  verehren  auch  die  Christen;  aber 
ausserdem  bekennen  sie  sich  zu  Christus,  dem  Gott  und 
Sohn  Gqttes.  Das  Orakel  bei  Jesajas:  ,,Ich  bin  der  Erste  und 
der  Letzte",  beziehe  sich  auf  die  zweifache  Ankunft  Christi;  die 
Worte  „Ausser  mir  ist  kein  Gott"  seien  wider  den  Antichrist 
gesprochen.  Auf  den  Eiuwurf  des  Juden,  dass  die  Christen  also 
zwei  Gotter  batten,  wird  erwiedert,  dass  nur  ein  Gott  bei 
ihnen  verehrt  werde,  „ex  quo  Christus  et  in  quo  deus".  Dieser 
Christus  sei  im  A.  T.,  z.  B.  dem  Abraham,  erschienen  und  sei  von 
den  Propheten  mehrfach  als  Gott  und  Herr  verkiindet  worden. 

2)  Der  Jude  fragt  nun  weiter,  ob  denn  irgendwo  im  A.  T. 
Gott  selbst  diesen  Christus  zu  einem  Gott  eingesetzt  resp.  daflir 
erklart  habe;  denn  nur  auf  eine  solche  Autoritat  hin  konne 
man  ihn  wirklich  fiir  Gott  und  Gottessohn  halten.  Der  Christ 
verweist  ihn  auf  Exod.  7,  1.  Dort  sei  ja  Moses  als  Gott  Pharao's 
von  Gott  eingesetzt.  Wie  nun  Moses  zum  Gott  der  Unglau- 
bigen  eingesetzt  worden  sei,  so  -sei  Christus  der  Gott  der 
Glaubigen;  jener  mithin  ein  Typus  dieses.  Wie  Moses  das 
Volk  aus  der  harten  agyptischen  Sklaverei  befreit  habe,  so 
habe  Christus  die  Glaubigen  aus  der  Gewalt  des  Teufels  erlost. 
Der  Jude  ist  durcli  diese  Antwort  befriedigt;  aber  er  vermag 
nicht  zu  begreifen,  warum  es  dann  nicht  Genes.  1,  1  einfach 
heisse:    ,,Am  Anfang  schufen   der  Vater  und  der  Sohn  Gottes 


Die  Analyse.  51 

Himmel  und  Erde".  Der  Christ  erwiedert,  dass  die  Worte  „im 
Anfang"  zu  deuten  seien  „nacli  dem  Rathe  Christi  und  nach 
seinem  Willen'*,  und  dass  ja  nach  Genes.  I,  26  f.  ausdriicldich 
(ler  Mensch  nach  dem  Bilde  des  Gottes  Christus  und  durch  ihn 
geschaffen  sei.  Auf  den  Einwurf  des  Juden,  dass  jenes  „Lasset  uns 
niachen"  sich  an  die  Engel  gerichtet  haben  konne,  wird  gezeigt, 
dass  zu  keiueni  Engel  je  etwas  Aehnliches  von  Gott  gesagt 
worden  sei,  dass  diese  vielmehr  angewiesen  seien,  den  Christus 
anzubeten.  Da  der  Jude  noch  nicht  davon  liberzeugt  ist,  dass 
der  „Anfangende"  (princeps,  principium)  Christus  sei,  so  wird  er 
auf  Jos.  5,  13  f.  A-erwiesen,  wo  sich  der  mit  Josua  Redende  als 
,,Anfuhrer  der  Heerschaar  der  Majestiit  des  Herrn"  bezeichnet. 
3)  Der  Jude  ist  nun  einverstanden:  Christus  ist  der  Prin- 
ceps; aber  seine  besondere  Gottessohnschaft  sei  damit  nicht 
erwiesen;  auch  die  Heiligen  hiessen  ja  Sohne  Gottes;  anderer- 
seits  sei  unbegreiflich,  wie  Gott  einen  wirklichen  Sohn  haben 
konne,  da  an  eine  fleischliche  Vermischung  doch  nicht  zu 
denken  sei.  Der  Christ  erwiedert,  Christus  als  der  Erst- 
geborene  sei  durch  das  Wort  hervorgebracht  und  durch  ein 
Sprechen  Gottes  in  die  Existenz  getreten.  Wie  Gott  den 
Menschen  durch  seinen  Hauch  zur  lebendigen  Seele  gemacht 
habe,  so  habe  er  sein  Wort  —  denn  das  ist  Christus  —  aus  dem 
Schosse  seines  Herzens  gezeugt.  Dafiir  wird  eine  Reihe  von 
SchriftsteUen  angeflihrt,  die  unter  Anderem  aufs  neue  bewei- 
sen,  dass  Christus  schon  bei  der  Erschaflfung  des  Himmels  als 
das  Wort  betheiligt  gewesen  sei,  wie  er  auch  als  das  erschie- 
neue  Wort  im  Fluge  die  ganze  Welt  durchlaufen  und  durch 
das  neue  Gesetz  die  irrenden  Seelen  zu  Gott  bekehrt  habe. 
Ein  Citat  aus  Proverb.  8  schliesst  den  Beweis  ab.  Der  Jude 
Dieint.  die  Aussagen  hier  konnten  sich  auf  die  „Weisheit"  be- 
zieheu.  Theophilus  erwiedert,  dass  eben  Christus  die  Weisheit 
und  Kraft  Gottes  sei.  Hatten  doch  auch  die  jiidischen  Konige 
nicht  anders  Weisheit  und  Kraft  erlangen  konnen  ausser  ..per 
Tocabulum  nominis  Christi".  So  wurden  sie  gesalbt;  als  aber 
der  Verheissene  kam,  da  verstummte  der  Prophetenmund,  denn 
er  war  der  „Christus  Christorum".  Von  ihm  hat  namentlich  Je- 
sajas  geweissagt  als  der  Kraft  Gottes,  dem  Herrn  aller  Herren. 
Er  hat  aber  auch  die  Geburt  des  Gottessohnes,  des  Emmanuel, 
aus   der  Jungfrau  (c.  7,  10  f)  vorherverkiindet.     Der  Jude  will 

4* 


52  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

diese  Weissagung  zeitgeschichtlich  deuten:  Jerusalem  sei  die 
Jungfrau ;  in  dem  Siege  uber  Salmanassar  lial)e  sicli  die  Prophe- 
zeiiing  erfiillt.  Theopliiliis  widerlegt  diese  Deutung:  kein  Zug 
der  Weissagung  sei  nach  dieser  Auffassung  erklarbar.  Auf  die 
Frage  Simon's,  wie  er  selbst  denn  jenes  „Butter  uud  Honig" 
erklare,  und  inwiefern  Christus  die  Beute  Samariens  empfangen 
lialje,  wird  die  Antwort  gegebeu,  Christus  habe  wie  alle  Saug- 
linge  Butter  und  Honig  gegessen;  ausserdem  sei  unter  jener 
die  Salbung  des  Geistes,  unter  diesem  die  Slissigkeit  der  Lelire 
Christi  zu  verstelien.  Die  Bevite  Samariens  aber  habe  er  in 
den  Geschenken  der  Magier  sowie  in  dem  Glauben  der  be- 
kehrten  Samaritaner  und  Damascener  empfangen. 

4)  Simon  ist  nun  ilberzeugt,  dass  Christus  sowohl  der  vom 
Vater  durchs  Wort  gezeugte  Sohn  Gottes  als  auch  der  aus  der 
Jungfrau  Geborene  sei.  Aber  wie  darf  man  behaupten,  dass 
er  aus  dem  Samen  Davids  in  Bethlehem  geboren  sei?  Theo- 
philus  citirt  hierfiir  Isa.  11,  If.  („Exiet  virga  de  radice  lesse 
etc.");  dann  fahrt  er  fort:  die  „virga"  war  die  „virgo  Maria", 
eine  Davididin,  aus  der  Christus  nach  dem  Fleische  geboren 
ist.  Der  Gott,  der  eine  Eselin  redend  machte,  woUte  das  viel 
grossere  Wunderzeichen  thun,  dass  Christus  aus  einer  Jungfrau 
geboren  wurde.  Dreht  sich  nicht  —  fragt  er  den  Juden  —  der 
ganze  Streit  zwischen  mir  und  dir  darum,  ob  die  Jungfrau 
wirklich  als  Jungfrau  geboren  habe?  Der  Jude  bejaht  dies:  er 
glaube,  sagt  er,  dass  eine  Jungfrau  vom  Geiste  empfangen 
konne  —  aber  als  Jungfrau  gebaren?  Der  Christ  erwiedert, 
dass  Gott  ja  selbst  einen  Felsen  sprengen  konne,  ausserdem 
habe  Baruch  geweissagt,  dass  Maria  den  Christus  clauso  utero 
gebaren  werde;  denn  es  heisse  bei  ihni:  „B[ic  unctus  mens, 
electus  mens  vulvae  incontaminatae".  Ganz  unvermittelt  fahrt 
Theophilus  nach  dieser  Digression  iiber  die  bleibende  Jung- 
frauenschaft  der  Maria,  die  durch  keine  Frage  des  Juden  ver- 
anlasst  war,  fort,  das,  woruber  Simon  wirklich  um  Auskunft 
gebeten  hatte,  zu  beantworten:  er  verweist  ihn  wegen  der  Ge- 
burt  in  Bethlehem  auf  den  Propheten  Micha  (5,  2). 

5)  Simon  geht  nun  zu  einem  neuen  Punkte  uber:  die  Be- 
schneidung.  Wie  soil  man  den  Christen,  welche  die  Beschneidung 
verwerfen,  glauben,  da  Gott  sie  doch  dem  Abraham  geboten, 
und   da  Christus    selbst  beschnitten   gewesen   seiV    Theophilus 


Die  Anah'se.  53 

erwiedert,  dass  die  Christen  die  Besclinittenen  niclit  zuriick- 
weisen;  Abraham  aberhabe  die  Gerechtig-keit  durch  den  Ghiuben, 
nicht  durch  die  Beschneidung  erworben:  diese  habe  er  spater 
erhalten  zum  Zeichen,  dass  zwei  Volker  ziim  Glauben  an  Christus 
gelangen  sollten,  die  Beschnittenen  und  die  Unbeschnittenen, 
Christus  musste  beschnitten  werden,  damit  seine  Davids-Sohn- 
schaft  unbestreitbar  sei;  die  Beschneidung  sei  somit  ein  natio- 
nales  Zeichen,  kein  Heilsunterpfand.  Die  Berufung  des  .Tuden 
auf  Exod.  4,  25  wird  abgewiesen;  denn  Moses  war  ja  ein  Tj'pus 
Christi ;  unter  Seffora  sei  also  die  Synagoge  zu  verstehen.  Aus- 
driicklich  habe  Gott  zu  Moses  gesagt:  „Baue  mir  einen  Altar 
a  us  unbeschnittenen  Steinen  und  lege  kein  Messer  an  sie  an" 
(Exod.  20,  25).  Hier  erkenne  man,  dass  der  verheissene  Christus 
die  Kirche  aus  einem  unbeschnittenen  Volke  bauen  sollte.  Simon 
fordert  nun  einen  Beweis  dafiir,  dass  Christus  Niemanden  be- 
schnitten habe.  Theophilus  verweist  ihn  auf  den  unbeschnittenen 
Zollner  Matthaus,  den  Apostel,  auf  Zacchaus  und  viele  Andere 
in  der  evangelischen  Geschichte.  Dann  aber  fdhrt  er  an  einer 
Reihe  von  Schriftstellen  durch,  dass,  ebenso  wie  die  Opfer  auf- 
gehoben  worden  seien,  wie  ein  neuer  Bund  an  die  Stelle  des 
alten  getreten  und  das  jiingere  Volk  dem  alteren  vorgezogen 
worden  sei,  so  auch  nun  die  Beschneidung  nicht  mehr  der 
Vorhaut,  sondern  des  Herzens  gelte.  Die  Aufforderung  speciell 
an  Josua  („Fac  tibi  gladios  petrinos  et  sede  secundo  et  circum- 
cide  filios  Israel'*)  sei  an  Jesus  Christus  gerichtet,  der  durch  seinen 
Apostel  die  Herzen  geistlich  beschnitten  habe:  in  Erfiillung. 
dieser  Weissagung  sei  auch  Simon  .,Petrus"  genannt  worden 
Auf  die  Frage  des  Juden,  worin  die  Beschneidung  des  Herzens 
bestehe  und  wie  man  die  „Vorhaut''  zu  deuten  habe,  wird  die 
Antwort  gegeben,  dass  die  Entfernung  der  bosen  Lust  und 
Siinde  die  christhche  Beschneidung  sei,  welche  auch  die  altesten 
heiligen  Manner,  ein  Henoch,  Noah,  Hiob  und  Melchisedek, 
allein  gekannt  und  geiibt  batten.  Ware  es  anders,  so  hatte 
Gott  den  Adam  auch  ohne  Vorhaut  erschaffen  konnen. 

6)  Der  Jude  ist  befriedigt;  aber  er  geht  jetzt  zu  dem 
starksten  Einwurfe  iiber :  das  schimpfliche  Leiden  Christi.  Wenn 
Christus  wirklich,  wie  behauptet  wird,  an  das  Kreuz  geschlagen 
worden  ist,  so  hat  er  die  Strafe  erhtten,  welche  der  Verrather 
Haman  und  der  abtriinnige  Absolon  mit  Recht  erhalten  haben. 


54  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Ferner,  wenn  es  wahr  ist,  dass  der  ans  Kreuz  Gehenkte  der 
Messiss  gewesen,  wanim  ist  in  den  heiligeu  Scliriften  dieser 
Tod  niclit  voransverkiindet,  wahrend  wir  jetzt  den  Tod  dieses 
Gekreuzigten  als  des  Feindes  unseres  Volkes  bejubeln?  Endlich: 
ini  Gesetze  stelie:  „Verfluclit  sei,  wer  am  Holze  liangt".  In 
seiner  ausfiihrlichen  Antwort  setzt  Theophilns  bei  dem  letzten 
Einwurfe  ein.  Der  Gehenkte  ist  nur  dann  nacli  dem  Gesetze 
verfluclit,  wenn  er  eine  Todstinde  begangen.  Christus  aber  hat 
keine  Siinde  gethan,  wie  alle  Propheten  bezeugen;  er  litt  viel- 
mehr,  anf  dass  die  Schrift  erfiillt  wiirde.  Das  Leiden  Christi 
ist  an  vielen  Stellen  der  h.  Schrift  bezeugt;  eine  Anzahl  der- 
selben  wird  aufgezahlt,  die  sich  nicht  etwa  anf  David  beziehen 
konnen.  Bei  seiner  ersten  Anknnft  soUte  Christus  jegHche  Er- 
niedriguilg  und  Entstellung  bis  zum  Tode  erdulden.  Zuletzt 
verweilt  Theophihis  bei  der  Stelie  Num.  13,  24  f.:  die  Rebe  (mit 
der  Tranbe)  ist  Christus,  der  am  Holze  hing;  das  Land  der 
Verheissung  ist  Maria;  die  beiden  Hebestangen  sind  die  zwei 
Volker,  und  zwar  die  vordere,  welche  Christo  den  Riicken  zu- 
kehrt,  das  jiidische,  die  hintere,  spatere,  welche  auf  ihn  hin- 
blickt,  das  christliche  aus  den  Heiden.  Simon  will  nun  audi 
die  Bedeutung  des  Granatapfels  kennen  lernen.  Er  stellt  die 
Kirche  dar,  welche  das  durch  Christi  Blut  bezeichnete  Volk 
umfasst.  Was  aber  sollen  hier  die  Feigen,  meint  der  Jude,  da 
doch  Adam  seine  Scham  mit  Feigenblattern  deckte?  Der  Christ 
belehrt  ihn,  dass  die  Feigenblatter  den  alten  Menschen  ab- 
bilden,  die  Feigenfrucht  aber  den  inneren  Menschen,  wie  ja 
audi  der  Konig  Ezechias  durch  einen  Feigenkuchen  geheilt 
worden  sei.  Nach  diesem  Excurse  fahrt  Theophilus  fort,  Schrift- 
stellen  fiir  die  Niedrigkeit  der  ersten  Ankunft  Christi  beizu- 
bringen.  In  diesem  Zusammenhang  komrat  er  audi  auf  das 
Passalamm,  den  Typus  Christi,  zu  sprechen.  Wie  das  Blut  des 
Lammes  die  Bedingung  flir  die  Errettung  Israels  war,  so  hat 
uns  auch  Christus  durch  seinen  Tod  aus  der  Gewalt  des  Teu- 
fels  und  von  dem  Cult  der  Gotzen  l)efreit,  und  wie  das  Lamm 
einjahrig  sein  musste,  so  hat  audi  Christus  nach  seiner  Taufe 
ein  Jahr  gepredigt,  dann  hat  er  gelitten;  wir  aber  werden 
durch  sein  Blut  an  der  Stirne  gezeichnet  und  so  bezeichnet, 
dass  wir  bei  der  zweiten  Ankunft,  wenn  die  Zerstorang  dieser 
Welt  eintritt,    gerettet  werden.     Die  doppelte  Ankunft  Christi 


Die  Analyse.  55 

ist  ausserdem  von  Ezechiel  (9,  4f.)  verkundet,  nnd  die  Geschichte 
von  der  Hure  Kahab  zeigt  die  Errettung  der  Kirche  bei  der 
Wiederkunft  Christi  an.  Sie  imd  alle,  welche  an  der  Stirne 
mit  deni  Blute  gezeichnet  sind,  werden  dann  beira  Brande  der 
Erde  gerettet  werden.  Auch  aus  der  Prophetie  des  Hosea  folge 
iibrigens,  dass  die  Hure  ein  Bild  der  Kirche  sei.  Christus  hat 
sie  von  der  Hiirerei  des  Gotzendienstes  an  sich  genommen. 
Ausserdem  gewahre  die  Kirche  wie  die  Hure  jedem,  der  zu  ihr 
kommt,  den  Erwerb  des  Glaubens.  Die  Synagoge  sei  aber  von 
Christus  verworfen  worden.  Nach  dieser  zweiten  Digression 
kehrt  Theophilus  wieder  zu  Christus  zuriick.  Nicht  nur  sein 
Tod,  sondern  auch  seine  Auferstehung  am  dritten  Tage,  die 
naheren  Umstande  des  Todes,  die  Himmelfahrt  und  die  Herr- 
lichkeit  des  Reiches  der  zv^^eiten  Ankunft  sind  von  vielen  Pro- 
pheten  verkundet.  Theophikis  erwahnt  gegen  Ende  die  Stelle 
Isa.  9,  6;  diese  Weissagung  habe  ihre  besondere  Erfullung  noch 
darin  gefunden,  dass  Christus  auf  seinem  Todesgang  sein  Kreuz 
auf  den  Schultern  getragen  habe;  er  schliesst  mit  Citaten  aus 
dem  72.  Psalm.  Simon  ist  wiedernm  iiberzeugt;  aber  er  findet 
noch  Eines  zu  erinnern:  der  72.  Psalm  beziehe  sich  deut- 
lich,  wie  seine  Ueberschrift  sage,  auf  Salomo.  Theophilus 
beweist  ihm  aus  dem  Inhalte,  dass  der  Psalm  auf  Salomo  nicht 
passe.  Nun  gesteht  Simon,  dass  der  Teufel  ihn  bereits  ver- 
lasse  und  ihm  der  Wunsch  nach  Erkenntniss  der  Wahrheit  auf- 
steige.  Theophilus  unterstlltzt  ihn,  indem  er  darauf  hinweist, 
dass  nach  Isa.  61,  1  Christus  gekommen  sei,  um  die  in  die 
Bande  der  Finsterniss  Geschlagenen  zu  befreien. 

7)  Der  Beweis  flir  die  Messianitat  und  Gottheit  Christi  ist 
nun  uberzeugungskraftig  erbracht.  Es  ist  aber  fur  den  Juden 
noch  ein  Anstoss  libriggeblieben:  die  Christen  hielten  die 
Sabbathe  nicht,  assen  ohne  Auswahl  Alles  und  tranken  nach 
heidnischer  Weise  Wein;  das  sei  im  Gesetze  verboten,  und 
wenn  Theophilus  nicht  auch  diese  Anstosse  wegniumen  konne, 
so  konne  er  nimmer  glauben.  Theophilus  lasst  den  Juden  fur 
diesen  Einwurf  zuerst  hart  an;  dann  belehrt  er  ihn,  wie  bereits 
aus  Jos.  6  hervorgehe,  dass  in  Wahrheit  kein  Sabbathsgebot 
gegeben  sei:  sieben  Tage  sollten  die  Juden  um  Jericho's  Mauern 
Ziehen.  Bei  Jesajas  habe  zudem  Gott  seinen  Hass  gegen  die 
Sabbathe  ausdriicklich  geaussert.     Der  Sabbath,  den  Gott  ver- 


56  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

lange,  sei  das  Ablassen  von  alien  bosen  Werken,  damit  man 
im  7.  Jahrtausend,  welches  der  Sabbatli  der  Sabbathe  sei,  von 
den  bosen  Werken  frei  erfunden  werde.  Ferner,  nicht  Scliweine- 
fleisch  sei  verboten,  sondern  scliweinische  Thaten;  die  Juden 
aber  begingen  ungescheut  die  grobsten  Siinden  uud  Verbrechen 
und  prunkten  mit  iliren  Festen  nnd  Gebeten.  Gesetzesbestim- 
mungen  zudem,  wie  die,  nur  besclmppteFische  zu  essen,  umgingen 
sie  selbst,  indem  sie  alles,  was  das  Netz  biete,  in  der  Briihe 
mit  Behagen  genossen.  Wein  zu  trinken,  wie  die  Christen 
thaten,  sei  nirgends  in  der  Schrift  verboten;  dagegen  warne 
dieselbe  vor  dem  „judischen  Weine";  auch  sei  es  den  Christen 
nicht  gestattet,  die  jlidischen  ungesanerten  Brode  zu  essen. 
Mit  mehreren  Prophetenstellen  schliesst  Theophilus,  welche  die 
furchtbaren  Verbrechen  der  Juden  '  verkiindigen.  Selbst  ein 
Nebukadnezar  habe  den  Sohn  Gottes  erkannt  (Dan.  3,  24  f.), 
welchen  Simon  anzuerkennen  zogere.  Er  moge  zusehen,  dass 
er  nicht  unter  das  Gericht  Habac.  1,  5  falle. 

8)  Epilog.  Simon  ist  von  dem  „guten  Arzt"  Theophilus 
gewonnen.  Er  verlangt  nach  der  Taufe  und  der  Handauflegung 
zur  Siindenvergebung.  Theophilus  tauft  ihn,  und  Simon,  der 
nun  den  Glauben  erlangt  hat,  schliesst  mit  einem  Gebete  zu 
Jesus. 


§  4.    Der  Charakter  und  die  Composition  der  Altercatio 

nebst   einer    Einleitung   in    die    antijiidische    Literatur 

der  alten  Kirche. 

Schon  die  Verfasser  der  Histoire  literaire  de  la  France 
haben  sich  gewundert^"-),  dass  gewisse  Dinge  in  der  Altercatio 
nicht  besprochen  worden  sind,  die  man  in  einem  Werke  dieser 
Art,  welches  dem  5.  Jahrhundert  angehort,  sucht.  Sie  selbst 
nennen  allerdings  nicht  eben  die  Themata,  welche  man  am 
meisten  vermisst.  Um  die  Eigenthlimlichkeit  des  Tractates 
richtig  zu  erkennen,  ist  es  nothwendig,  einen  Blick  auf  die 
antijiidische  Literatur  der  alten  Kirche  iiberhaupt  zu  werfeu 
und  sich   die  Bedingungen  und  die  Art  ihrer  Polemik,    soferu 


32)  L.  c.  T.  II  p.  121  sq. 


Der  Charaktcr  und  die  Composition.  57 

dieselbe  eine  Adresse  an  das  Judenthum  triigt,  zu   vergegen- 
wartigeii. 

Bevor  es  eine  kircliliche  Theologie  gegeben  hat  —  und  in 
strengem  Sinn  kann  man  von  einer  solchen  erst  sprechen,  nacli- 
dem  der  nentestamentliche  Kanon  festgestellt  war,  nachdem  die 
Methode  der  christlichen  Philosoplien  des  2.  Jahrhunderts  und 
die  Begriffe,  mit  welchen  sie  arbeiteten,  Biirgerrecht  in  der 
Glaubenslehre  erlangt  batten,  und  nachdem  die  mythologisclie 
und  enthusiastische  Production  von  „Realitaten"  eingeschrankt 
war  —  bevor  es  eine  kirchliche  Theologie  gegeben  hat,  war 
der  Nachweis  der  Concordanz  zwischen  deni  Alten  Testament 
und  den  wirklichen  oder  nur  vorausgesetzten  Thatsachen,  auf 
welche  die  neue  Gemeinde  ihre  Existenz  griindete,  fast  das 
ausschliessliche  Thema  des  Nachdenkens.  Das  Bediirfniss,  die 
neue  Religion  ausreichend  zu  fundamentiren  und  die  Anstosse, 
welche  sie  zu  bieten  schien,  zu  beseitigen,  war  hier  in  weit 
hoherem  Masse  wirksam,  als  das  Bestreben;  dem  Glauben  und 
der  Ethik  einen  reichen  Stoff  zuzufiihren  und  eine  urafassende 
Geschichts-  und  Weltbetrachtung  zu  gewinnen.  Aus  den  Worten 
Jesu  selber,  die  in  grosser  Zahl  aber  in  unsicherer  Auspragung 
den  Gemeinden  bekannt  waren,  las  man  fast  nur  Sittenregeln 
heraus;  sie  erlauterten  weder  seine  wunderbare  Geschichte,  noch 
vermochten  sie  seine  Wlirde  als  Gottessohn  und  Erloser  aus- 
reichend zu  begriinden.  Die  Briefe  der  Apostel  waren  nicht 
iiberall  schon  bekannt,  sie  waren  zudem  dunkel  und  ermangelten 
zunachst  noch  der  Autoritat,  welche  man  in  diesem  Zusammen- 
hang  allein  bedurfte  —  der  Autoritat  von  gottlichen  Anweisungen. 
Wohl  besassen  die  Gemeinden  in  den  Apokalypsen  und  Pro- 
phetenspriichen  solche  Anweisungen  und  Aufschliisse;  aber  als 
Producte  der  Gegenwart  forderten  letztlich  auch  sie  eine  Legi- 
timation und  waren  nicht  im  Stande,  ihrerseits  das  zu  bezeugen, 
unter  dessen  Voraussetzung  sie  selbst  allein  bestanden.  Unter 
solchen  Umstiinden  mussten  sich  alle  Bestrebungen  auf  das  alte 
Testament  concentriren.  Nicht  nur  als  Beweisinstrument  kam 
es  in  Betracht,  soudem  es  wurde  recht  eigentlich  als  die  Ur- 
kunde  des  Heiles  selbst  angesehen,  welche  sowohl  das  Evan- 
gelium  einschliesst  als  durch  ihre  Form  dasselbe  nach  alien 
Seiten  sicherstellt.  Es  ist  daher  durchaus  im  Sinne  der  altesten 
Kirchen,  wenn  man  von  dem  ..alttestamentlichen  Urevan- 


58  Die  Alter catio  Sinlonis  et  Theophili. 

gelium"  gesprochen  hat^^).  Die  frolie  und  heilsame  Botscliaft 
ist  von  den  Propheten  vollstandig,  dentlich  und  in  allgemein 
verstandlicher  Weise  verklindet  worden.  Die  gescliichtliclie 
Durchfahrung  derselben  ist  an  dieser  Verkiindiguug  zu  messen, 
da  jene  sich  eben  in  geschichtlichen  Formen,  d.  h.  in  solchen 
vollzogen  hat,  deren  Werth  als  unmittelbare  Gotteswirkungen 
der  Natur  der  Saclie  nacli  nicht  so  erkennbar  ist,  wie  sich  der 
gottliche  Ursprung^  bei  Prophetenspriichen  und  Orakehi  fest- 
stellen  lasst.  Daruni  die  so  haufig  wiederholte  und  in  der 
altesten  Kirche  stereotyp  gewordene  Forniel,  dieses  und  jenes 
sei  geschehen,  resp.  gesprochen  worden,  dam  it  die  Schrift 
erfullet  wiirde.  In  dieser  Formel  erscheint  das  Verhaltniss 
von  Weissagung  und  ErfuHung  recht  eigentlich  unigekehrt. 
Die  Weissagung  ist  hier  nicht  mehr  „der  Schatten  des  Zu- 
kiinftigen^',  sondern  „das  Zukunftige"  besitzt  seinen  Werth  darin, 
dass  es  geweissagt  worden  ist.  Daher  die  vollkomniene  Sorg- 
losigkeit  in  Bezug  auf  die  Zweckmassigkeit  und  sachliche  Noth- 
wendigkeit  vieler  der  Vorgange,  die  sich  in  der  Geschichte  des 
Erlosers  und  an  ihm  selber  ereignet  batten.  Sofern  dieselben 
iiberhaupt  erwogen  werden,  ist  immer  die  Betrachtung  der  alt- 
testamenthchen  Weissagung  der  Ort  dafiir.  Christus  hat  den 
Kreuzestod  erhtten,  damit  die  Schrift  erfullet  wiirde;  ein  sach- 
licher  zureichender  Grund  fiir  diesen  Tod  wird  entweder  iiber- 
haupt nicht  gesucht  oder  doch  nicht  fiir  den  wirklichen  Kreuzes- 
tod des  historischen  Jesus  Christus,  sondern  hochstens  fiir  das 
Geschick  dessen,  der  da  kommen  sollte. 

Diese  formalistische  und  ungeschichtliche  Betrachtung  der 
Thatsachen,  auf  welche  die  neue  Gemeinde  doch  ihre  Existenz 
griindete.  ist  allerdings  ein  Beweis  dafiir,  dass  der  Complex  der 
angeblich  oder  wirklich  geweissagten  Dinge  sich  nicht  deckte 
mit  derSumme  der  fiir  den  Glauben  und  die  Erkenntniss  wirklich 
werthvollen  und  fruchtbaren  Artikel.  Leuchtet  schon  bei  fliich- 
tiger  Betrachtung  ein,  dass  jener  einen  sehr  grossen  Ueberschuss 
iiber  diese  enthalten  haben  muss,  so  zeigt  sich  einer  genaueren 
Beobachtung  das  hier  bestehende  Verhaltniss  iiberhaupt  nicht 
als  ein  quantitatives.    Der  Glaube  der  altesten  Gemeinden  lebte 


33)  S.  Credner,  Beitrilge  z.  Einl.  in  d.  bibl.  Schriften  II  (1838),  be- 
sondei-s  S.  31 2  f. 


Dor  Charakter  und  die  Composition.  59 

in  cler  Zukunft  und  schatzte  den  gegenwartigen  Heilsbesitz 
und  Alles  was  sich  bisher  fiir  die  Glaubigen  ereignet  hatte,  als 
eine  Einleitung  zu  dem,  was  nocli  kommen  soUte.  Wer  sich 
einmal  iiberzeugt  hatte,  dass  das  schreckliche  Eude  vor  der 
Thlire  stehe,  dass  er  selbst  aber  zu  den  geretteten  Heiligen 
gehore,  der  konnte  unmoglich  einen  Antrieb  empfinden,  sich 
in  die  Details  der  Yergangenheit  zu  versenken.  Umgekehrt 
aber  erschien  bei  jener  Betrachtungsweise,  nach  welcher  man 
die  zahh-eichen  Weissagungen  des  A.  T.'s  auf  die  jiingste  Yer- 
gangenheit und  die  Stiftung  der  Gemeinde  deutete,  die  Summe 
dessen,  was  sich  bereits  erflillt  hatte,  als  eine  so  grosse,  dass 
Alles,  was  noch  zu  erwarten  stand,  nur  die  Geltung  eines  letzten 
Striches  zu  einer  im  Wesentlichen  abgeschlossenen  Ziffer  be- 
anspruchen  konnte. 

Driickt  nun  die  erstgenannte  Betrachtung  unzweifelhaft  das 
eigentliche  religiose  Interesse  der  ersten  Gemeinden  aus,  so  muss 
man  fragen,  unter  welchen  Verhiiltnissen  die  zweite  iiberhaupt 
hat  aufkommen  konnen.  Man  wird  nicht  irren,  wenn  man  be- 
hauptet,  dass  die  Anstosse,  welche  die  Geschicke  des  Stifters 
der  Gemeinde  audi  den  Glaubigen  boten,  der  erste  und  ent- 
scheidende  Aulass  zu  Reflexionen  gewesen  sind,  die  dem  christ- 
lichen  Denken  eine  so  folgenschwere  Richtung  geben  sollten. 
Aber  man  wird,  sobald  man  den  hier  bestehenden  Problemen 
naher  tritt,  zwischen  Judenchristen,  flir  welche  das  bisher  ein- 
leitend  Ausgefllhrte  nur  theilweise  gilt,  und  Heidenchristen 
unterscheiden  miissen.  Schon  in  den  Kreisen  der  ersten  Chri- 
sten aus  den  Juden  ist  die  Beschaftigung  mit  dem  A.  T.  zur 
Erprobung  der  Messianitat  des  Jesus  von  Nazareth  und  zur 
Wegraumung  der  Bedenken,  die  sich  hier  erheben  mussten,  die 
vornebmste  Aufgabe  fiir  das  Nachsinnen  gewesen.  War  audi 
das  ganze  religiose  Interesse  durcli  die  Hoffnungen  auf  die 
Zukunft  mit  Beschlag  belegt,  es  musste  docli  noch  Rauni  und 
Zeit  bleiben,  uni  die  Voraussetzungen  zu  erproben,  welche  allein 
jene  Hoffnungen  zu  sicheren  machten.  Soweit  wir  nach  den 
sparhchen  Resten,  die  sich  hier  erhalten  habeii,  zu  urtheilen 
vermog^n,  hat  der  religiose  Glaube  nur  sehr  langsam  und  all- 
raahlich  sich  durch  diese  Beschaftigung  mit  dem  alttestament- 
liclien  Urevangelium  vertieft  und  erweitert;  sie  diente  zunachst 
nur  der  Missionspraxis  und  der  Apologetik.  So  lange  die  Formel 


(jQ  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

in  Kraft  blieb:  „Dies  ist  geschelieii,  damit  die  Schrift  erfiillet 
wurde"  —  imd  sie  enthielt  auch  fur  den  Judenchristen  gegen- 
iiber  vielen  Stiicken  aus  dem  Leben  und  der  geschichtlichen 
Erscheinung  Jesu  Christi  die  einzige  Erklarnng  —  so  lange 
verhielt  sich  der  lebendige  Glanbe  noch  neutral  zu  den  einzelnen 
Stiicken,  welclie  in  der  Apologetik  festgestellt  wurden.  Es  ist 
aber  hier  docli  hinzuzufiigen ,  dass  der  Judenchrist,  sofern  er 
nicht  philosoj^hisch  verbildet  war,  den  Sinn  fiir  den  Untersschied 
des  A.  T.'s  und  des  Evangeliums  sicli  in  irgend  welcber  Weise 
stets  bewahren  musste.  Moclite  er  das  Evangelium  auch  noch 
so  nahe  an  das  A.  T.  heranriicken,  mochte  er  noch  so  stark 
die  zukiinftige  messianische  Herrlichkeit  gegeniiber  dem,  was 
bisher  offenbar  geworden  war,  betonen,  er  hielt  doch  die  Unter- 
scheidung  von  A¥eissagung  und  ErfiiUung  einigermassen  fest 
und  besass  in  dieser  Unterscheidung  einen  Massstab  filr  die 
specifische  Wlirdigung  des  Evangeliums. 

Als  die  christliche  Predigt  in  die  Heidenwelt  drang,  anderte 
sich  an  diesen  Verhaltnissen  in  einer  entscheidenden  Hinsicht 
nichts.  Waren  die  Bedingungen,  unter  welchen  die  Griechen 
Christen  wurden,  auch  sehr  verschieden  von  denen,  unter  wel- 
chen der  Jude  das  Evangelium  horte  und  annahm,  tauchten 
auch  viele  neue  Probleme  und  Schwierigkeiten  auf  dem  neuen 
Boden  auf  —  die  Umstande,  welche  eine  eingehende  Beschaf- 
tigung  rait  dem  A.  T.  erheischten  und  welche  den  Beweis  aus 
derWeissagung  nothig  machten.  blieben  hier  und  dort  dieselben. 
Sieht  man  von  der  ganz  eigenthumlichen  Art  ab,  in  welcher 
der  Apostel  Paulus  sich  mit  dem  A.  T.  auch  in  Bezug  auf  die 
Christologie  auseinandergesetzt  hat  —  und  man  hat  ein  Recht 
von  ihr  abzusehen — ,  so  kann  man  nicht  verkennen,  dass  die 
Methode,  nach  welcher  Judenchristen  und  Heidenchristen  in  dem 
A.  T.  Christus  und  sein  Evangelium  wiedergefunden  haben,  und 
die  Bedeutung,  welche  sie  dieser  Erkenntniss  beilegten,  wesent- 
lich  dieselbe  gewesen  ist.  Hieraus  erklart  sich  denn  auch  die 
auffallende  Erscheinung,  dass  es  einen  Kreis  von  Ausfiihrungen 
in  der  iiltesten  christlichen  Literatur  giebt,  iiber  deren  juden- 
christlichen  oder  heidenchristlichen  Ursprung  man  nicht  ins 
Klare  kommen  kann.  Dies  ist  z.  B.  bei  einigen  Redestiicken  in 
der  Apostelgeschichte  der  Fall,  die,  an  sich  betrachtet  und  so 
wie  sie  uns  iiberliefert  sind,   ebensogut  aus   einer  judenchrist- 


Der  Clmraktor  und  dio  Composition.  61 

liclieu  wie  aus  einer  heideiichristliclien  Feder  geflossen  sein 
konneii. 

Indessen  ist  audererseits  docli  uicht  zu  verkeunen,  dass  erst 
auf  heidenchristlichein  Boden  die  einzelnen  Stucke  im  Weissag- 
uugsbeweise  ilires  saclilich  werthvollen  und  geschichtlichen  Inhal- 
tes  vollig  beraubt  und  zu  Ziffern  in  eineni  Exempel  herabgesetzt 
worden  sind.  Dem  bekehrten  Juden  war  allein  schon  mit  dem  Satze: 
„Jesus  ist  der  Messias",  eine  Fillle  von  concreten  Anschauungen  ge- 
geben,  die  dem  Heidencliristen  vollig  abging.  Hatte  er  es  audi 
nicht  nothig,  sicli  aus  dem  Weissagungsbeweise  das  Bild  des 
Messias  zu  verdeutliclien  und  lebte  er  audi  in  seinem  religiosen 
Denken  von  der  Zukunft,  so  gab  es  docli  in  jenem  Beweise 
eine  Reilie  von  Stlicken,  deren  sacliliclier  Wertli  sich  ilim  un- 
gesudit  aufdriingte  3^).  Anders  bei  dem  Heidenchristen.  Dass 
Jesus  ein  Solin  Abrahams  und  Da\dds  gewesen,  dass  er  in 
Bethlehem  geboren,  dass  er  sidi  selbst  mit  seiner  Predigt  nur 
an  das  Yolk  Israel  gewendet  hat,  und  unzaliliges  Andere  war 
fiir  den  Heidencliristen  im  giinstigsten  Falle  gleichgiiltig,  in 
der  Kegel  zunadist  ein  Stein  des  Anstosses.  Die  Formel:  es 
ist  geweissagt,  musste  liber  diese  Anstosse  hinweghelfen,  und 
mit  dieser  Formel,  in  w^elcher  er  die  sadilidie  Bedeutung  der 
Thatsadien  geradezu  neutralisirte,  setzte  er  die  Anst5sse  zu 
Beweisen  daftir  um,  dass  die  gesdiichtlidie  Ersdieinung  des 
Erlosers  eine  von  Anbeginn  von  Gott  selbst  geplante  und  ver- 
lieissene  gewesen  sei. 

Immerhin  darf  man  die  Differenz  zwischen  der  Haltung 
des  Judenchristenthums  und  des  Heidencliristentliums  hier  dodi 
noch  wesentlidi  als  eine  quantitative  beurtheilen.  Denn  das 
wirklidie  gesdiichtlidie  Bild  des  Christus  entsprach  so  wenig 
den  alteu  Weissagungen  und  den  im  Judenthum  herrschenden 
messianischen  Vorstellungen,  dass  auch  die  glaubigen  Juden 
eine  Reilie  von  ihnen  unverstandlichen  Zligen  sachlich  auf  sich 
berulien  lassen  und  durcli  eine  weitgreifeude  CoiTectur  der'Ge- 
schichteJesu,  sowie  durch  kilnstliche  Interpretationen  des  A.  T.'s 
die  formelle  Concordanz  zwischen  Weissagung  und  ErfuUung 
herstellen  mussten.    Allein  es  kamen  nun  zwei  Umstande  liinzu 

34)  Von  dem  alexandrinischen  und  ]iliilosophischen  Judenthum  i.st 
hier  abgesehen. 


G2  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

(lurch  welche  die  Bedeutupg  des  Weissagungsbeweises  fiir  den 
Heidenchristeu  eiue  qualitativ  andere  wurde  und  der  Beweis 
selbst  eine  neue,  zweite  Abzweckung  erhielt.  Einmal  namlich 
wurde  das  Ausehen  des  A.  T.'s  in  der  Heidenkirche ,  die  kein 
geschichtliclies  Verstandniss  fiir  dasselbe  besass,  noch  gestei- 
gert  und  das  Evangelium  vollig  in  dasselbe  liineininterpretirt. 
Soweit  war  dasJudenchristentlium  niemals  gegangen.  Es  konnte 
diesem  nicht  einfallen,  das  Evangelium  oline  Rest  in  das  A.  T. 
aufgehen  zu  lassen.  Sodann  sollte  durch  den  Weissagungsbeweis 
audi  die  Frage  nach  der  Gliltigkeit  des  Gesetzes  in  heidenchrist- 
licliem  Sinne  entschiedeu  werden,  und  sofern  dies  keine  Frage 
mehr  war,  sollte  deni  Judentlium  das  Besitzrecht  an  dem  alten 
Testamente  genommen  und  die  Vorgescbichte  des  Christenthums 
dem  national-jiidischen  Boden  vollig  entliol)en  werden. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  zu  zeigen,  welche  Motive  die 
Heidenchristeu  bestimmt  haben,  so  radical  mit  der  geschicht- 
lichen  Ueberlieferung  zu  brechen,  in  welcher  das  Evangelium 
urspr'dnglich  doch  audi  zu  ilinen  gekommen  war.  Auf  die  Ver- 
anderungen,  welche  der  Weissagungsbeweis  seineni  Umfange 
und  seinem  Zwecke  nach  auf  diesem  Wege  erhielt,  musste  aber 
hingewiesen  werden.  Eines  nur  anderte  sich  dabei  nicht:  der 
Werth,  welcher  jenem  umstiindlichen  Beweise  beigelegt  wurde, 
oder,  richtiger  ausgediiickt,  der  Ort,  den  er  behauptete.  Er 
blieb  noch  immer  eine  freilich  unentbehrliche  HiilfsHnie;  aber 
der  Glaube  selbst  hat  sich  an  ihr  nicht  orientiren  konnen. 
Worin  er  lebte  und  wovon  er  zelirte,  das  stand  ihm  vor  jeder 
Beweisfiihrung  fest.  Die  Art,  wie  der  Weissagungsbeweis  das 
christliche  Selbstbewusstsein  fundamentirte  und  die  christlichen 
Hoflfnungen  legitimirte,  brachte  dem  Glauben,  seineii  Ansprlichen 
wie  seinen  Aussichten,  keine  wesentliche  Vertiefung  und  For- 
deruiig.  Wohl  finden  sich  in  den  altesten  heidenchristlichen 
oder  fiir  Heidenchristeu  bestimmten  Schriften  audi  zahlreiche 
Ausfiihrungen  des  Weissagungsbeweises  mit  daran  gehangten 
Paranesen,  aber  dieselben  sind  nicht  eigentlich  aus  jenem  Beweise 
hervorgewachsen ,  sondern  scheinen  ihm  mehr  angehangt  zu 
sein.  Dogmatik  und  Zukunftshoffnung  stelien  noch  immer  in 
einem  zienilich  losen  Verhiiltniss  zur  Apologetik. 

Zur  Apologetik  —  aber  muss  der  Beweis,  dass  Jesus  in 
alien  Stiicken  der  verheissene  Messias  sei,  dass  das  Gesetz  ab- 


Der  Charaktcr  und  die  Composition.  63 

geschatft  uiul  die  nene  Gemeinde  nicht  nur  die  jetzt  legitime, 
sondern  in  Walirheit  die  erste  and  einzige  sei,  nicht  als  ein 
polemischer  aufgefasst  werden?  Richtet  sich  dieser  Beweis  nicht 
direct  gegen  das  Judenthum,  resp.  gegen  christliche  Auffassun- 
gen,  welche  das  Evangelinm  in  den  Schranken  desselben  fest- 
halteu  wollten? 

Bei  fliichtiger  Beobachtung  mnss  es  so  scheineu;  aber 
sobald  man  die  Ausfiihrung  des  Beweises  genauer  betrachtet 
und  die  Situation  erwagt,  in  welcher  sich  die  heidenchristlichen 
Gemeinden  seit  dem  Ausgang  des  1.  Jahrhunderts  dem  Juden- 
thum und  Judenchristenthum  gegenliber  befanden,  wird  man 
diese  Meiuung  nicht  langer  festhalten.  Die  Art  der  Beweis- 
fiihrung  namlich  zeigt,  dass  die  wirklichen  Einwendungen, 
welche  ein  Jude  oder  Judenchrist  hier  zu  machen  hatte,  sehr 
selten  wirklich  beriicksichtigt  oder  hochstens  gestreift  werden, 
und  dass  man  sich  andererseits  bei  so  blassen,  unhistorischen 
und  theoretisirenden  Widerlegungen  beruhigt,  dass  diese  ganze 
Polemik  unmoglich  aus  einem  brennenden  Kampfe  mit  einem 
wirklichen  Gegner  hervorgegangen  sein  kann-^^).  Der  Gegner 
ist  hier  in  der'  That  nur  ein  gedachter,  er  besitzt  keinen 
anderen  Horizont  als  sein  Widerpart;  eben  darum  ist  er  nicht 
der  Jude,  wie  er  wirklich  war,  sondern  der  Jude,  wie  ihn  der 
Christ  flirchtete.  Die  Argumente,  welche  jener  vorzubringen 
hatte,  waren,  wenigstens  zum  grossten  Theile,  dem  Christen 
unverstandlich  oder  waren  ihm  unbekannt.  Sie  waren  ihm  unbe- 
kannt;  denn  die  Beruhrung  der  Heidenkirche  mit  der  Synagoge 
und  den  palastinensischen  Ebioniten  war  bereits  seit  der  Zeit 
Domitians  eine  hochst  unbedeutende.  Zwar  lernen  wir  aus  der 
talmudischen  Literatur,  dass  wirkliche  Auseinandersetzungen 
zwischen  Juden  und  Christen  im  2.  Jahrhundert  noch  stattge- 
funden  haben,  aber  wir  ert'ahren  es  eigentlich  nur  aus  ihr  und 
wir  dlirfen  mit  Bestimmtheit  annehmen,  dass  sie,  von  einzelnen 
kleineren  Gebieten  Syriens  und  Palastinas  abgesehen,  sonst  im 
Reiche  die  Ausnahme  bildete.  Vor  Abfall  zum  Judenthum  haben 
die  Bischofe  und  Theologen  des  2.  Jahrhunderts  hochst  selten 
zu   warnen  gebraucht,   und   sie  konnten  bereits   am  Ende   des 


35)  Ueber  Ausiiahmen ,  die  aber  immer  nur  theilwei.se  gewesen  sind, 
unten. 


(J4  Der  Cod.  Parisinus  4o\  und  der  Marcianus. 

vov — Tia'/.OL/Lievoi).  21'^  {-Koo/.ioy6V6ia — ■/.oG/.ioyovia).  27*  {eloi]- 
utviov  —  do.  avriov).  36c  (^dnrjD.uzTSTO  —  sxcoqi'Csto  vmi  dnt]kld- 
Ttxo).  44c  (jiSQcc  (iii^kM  —  \aioQicc  /.at  Uga  ^i§Xii)).  47^  (f/yg 
Tt'Uxiig  —  xrjg  fOQttjg  ijtOL  TeXtzi^g).  78^  {xyjv  xqovov — z.  /.q. 
dvrafiiv).  91*  {/iey.oaye  —  yJ/.Qays  liyiov).  219c  (ot  d-eoi  —  oi 
deoi  TiEQi  ravTo).  26<i  (xavxa  Gco/.Qdrrjg  avrog  Ixelvog  6  naaiv 
doldi/iiog  —  rav.  oco.  sxelvog  /.ai  nXdxiov  ni  ndoiv  doidij-ioi)  ^^*). 
232c  {xbv  -/.Qaxioiov  Xi(.i6v  —  x6v  [.layiGxov  nal  ao.  A.).  120^ 
(^oy.lrjmog  /.ai  L47r6l?Aov — 14g.  6/.10V  /.  !^7r.).  Die  letzten  Falle 
siiid  besonclers  bezeicliuend  fur  den  Charakter  vou  Ma.;  s. 
auch  38c  (rotr'  I'gxiv — rjxoi).  45*  {rfjg  yjooag  —  xov  xonov). 
45c  (jTQcorjv  (.lev — nQtorov).  45<i  {svlovg — xivag).  46*  {'^SXQV- 
(.levov  —  y.sxoQriyr]f.dvor).  79*  {hslva  a  —  si  xivd).  95c  {j,ii,xd 
^Qaxaa — /.ux'  oliya).  100<1  (dcpd-irog — acpd-aqxog).  101^  (qpa- 
vog — cpaveqav).  Wh^ijiQOGayoQEvovGLv — yaXovGiv).  132*  (at; v- 
aiQ£od-ai  —  ovvi€Gd-ai).  137^  {;/Mlnv(.iivovg — BiQi^f-ievovg).  199c 
{dxoniag — ctnovoiag).  202c  {diOGoyJgaxi — dixegaxi).  203^  (aTret- 
Qiji-ievcc — dnoQQrjxa).  224*  {dvaGnaGdvxav  —  dvanExaGdvxiov). 
230^  {layxiGxinf^g — Xaxxr/.rjg).  Die  letzte  Gnippe  zeigt  fast  lauter 
solche  Falle,  wo  gelaufigere  Ausdriicke  an  Stelle  von  iinge- 
wijhnlicheren  gesetzt  sind.  —  Was  bislier  aiifgefiihrt  ist,  notliigt 
nocli  in  keiner  Weise  zur  Annahme,  dass  Ma.  eine  andere  Vor- 
lage  als  A  zu  Grunde  liegt,  und  die  wenigen  Falle,  wo  Ma. 
Worte,  die  in  A  stehen,  weggelassen  hat,  kommen  natllrlich 
audi  nicht  in  Betracht  1^^).  An  zwei  Stellen,  wo  Ma.  fehlerliaft 
ist,  sckeint  die  Abhangigkeit  von  A  ganz  besonders  evident: 
P.  53d  steht  in  A  (trjXQci  falsclilich  fiir  (ilxQa;  Ma.  aber  hat 
aus  (irjXQa  „juj;T(>/"  gemacht.  P.  8*  bietet  A  ebeufalls  unrichtig: 
dXtjd-ii  dra(ioXoytjG€i€v  (es  muss  dXr^d-eiav  ofioXoyrJGai  ch'  heissen), 
Ma.  hat  aber  corrigirt:  d?^ijd-fj  6f.ioXoy/jG&i£v.  Soviel  ich  sehe, 
bleiben  in  den  5  Buchern  nur  drei  Stellen  nach,  wo  die  An- 
nahme, Ma.  folge  einer  anderen  Vorlage  als  A,  nnumganglich 
erscheint:  P.  22^^  giebt  A  eine  Stelle  aus  Plutarch  also  wieder: 
txL  (prjGiv,  oxL  6^  aXXostdtdv  Uotov  0  avd-gconog  sysvvi'jS-t],  wahrend 


154)  Im  Vorhergehenden  war  neben  Socrates  von  Plato  die  Rede. 

155)  S.  p.  7b,  7c,  7d,  9^  12<i,  13c,  23^,  60c,  cH,  93^.  An  zwei  Stellen 
hat  Ma.  lilngere  Zusatze  (89o,  104<i),  die  sowohl  von  Gaisford  als  von 
Dindorf  als  solche  beurtheilt  werden. 


Dov  Cod.  rarisimis  4")!  \ni(l  dio  Valenancodd.  Q5 

Mil.  unci  die  iibrigen  Codd.  xa/;'  dgxag  vor  e§  einschieben. 
P.  2o^^  fehlt  in  dem  Satze:  anocpaipszai  di  xal  tzeql  O^eaJv,  wg 
ovdei-itcig  rjys/iiovlag  sv  avzoig  oiGi]g  in  A  das  unentbehrliclie 
i)ye^uoviag,  welches  Ma.  nnd  die  iibrigen  Codd.  bieten.  P.  47^^ 
fehlen  in  A  die  Worte  xad^iEQio^ijvai  xal  tovrovg  as^Eod-ai, 
weil  das  Auge  des  Schreibers  auf  das  gleich  folgende  Wort 
jiai}cc7rE()  (f.  xad^iSQCo^fjvat)  abirrte;  Ma.  und  die  iibrigen  Codd. 
bieten  die  Worte.  Mindestens  an  den  beiden  letzten  Stellen 
hat  Ma.  wirklich  das  Richtige  bewahrt  gegen  A.  Somit  bleibt 
nnr  die  Annahme  iibrig,  dass  der  Schreiber  von  Ma.  entweder 
seine  Abschrift  aus  A  nach  einer  zweiten  Handschritt  hier  nnd 
da,  aber  selten,  controlirt  hat,  oder  dass  er  nicht  direct  aus  A 
getlossen  ist,  sondern  aus  einer  schon  corrigirten  Abschrift  dieses 
Codex.  Jedenfalls  aber  bleibt  das  Urtheil  zu  Recht  bestehen, 
dass  Ma.  wie  Par. '  ein  auf  Grund  der  in  A  vorliegenden  Ueber- 
lieferung  recensirter  Text  ist,  und  an  diesem  Urtheile  kann 
anch  die  Beobachtung  nichts  andern  —  Dindorf  scheint  ihr 
besonderen  Werth  beizumessen  — ,  dass  die  iibrigen  Hand- 
schriften  der  Praepar.  an  einigen  Stellen  niit  Ma.  gegen  A 
stehen;  denn  die  iibrigen  Handschriften  sind  sanimtlich  j  linger 
und  sind  allem  Anschein  nach  bereits  von  der  Textrecension 
abhangig,  die  in  Ma.  vorliegt, 

4)  A  und  der  Archetypus  der  Valeriancodices. 

Es  ist  oben  §  2  nachgewiesen  worden,  dass  der  Archetypus 
der  Valeriancodices  dem  Par.  ^  sehr  nahe  verwandt  gewesen 
sein  muss,  aber  schwerlich  mit  ihm  identisch  ist;  es  ist  ferner 
§  3  init.  an  ein  em  Exemplar  jener  Codd.  gezeigt  worden,  dass 
die  ganze  Gruppe  derselben  hochst  wahrscheinlich  ebenfalls  nur 
eine,  wenn  audi  ganz  verwilderte,  Verzweigung  des  Cod.  A 
bildet.     Dieser  Beobachtung  wird  nun  naher  nachzugehen  sein. 

Fiir  die  apologetische  Literatur  kommen  folgende  sieben 
Valeriancodd.  in  Betracht: 

1)  Claromont.  83,  nunc  Bodlej.  283  (scr.  ann.  1532) '5«). 

2)  Bonon.  plut.  XXII  (scr.  ann.  1533)  i"). 

3)  Aeton.  88  (scr.  ann.  1535)1-'^^). 


156)  S.  V.  Otto,  1.  c.  IV3  p.  XXIV  sq.  Vn  p.  XVI 
1.57)  S.  oben  §  1  S.  6. 
158)  S.  oben  §  1  S.  4. 

Texte  und  TTntorBUchangen. 


6G  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Durch  die  Verkiiiipfung  mit  einer  rationaleii  Theologie 
anderten  sich  die  Hauptstticke  des  Weissagungsbeweises  („de 
Christo",  „de  lege")  niclit,  ebensoweuig  Ziel  und  Absicht,  denen 
er  gait  3').  Das  ist  an  sich  sclion  bedeutsam.  Es  giebt  wenige 
Liiiien,  welclie  aus  deni  apostolischen  Zeitalter  so  stetig  und 
gerade  in  das  nacliapostolisclie  und  altkatliolische  iibergelien, 
als  die  durch  den  Weissagungsbeweis  bezeichnete.  Sie  wird 
verstarkt,  in  eine  andere  Beleuchtung  geriickt  u.  s.  w.,  aber  sie 
bleibt  doch  stets  als  dieselbe  erkennbar,  Hier  ist  eine  der  weni- 
gen  Stellen,  wo  eine  Betrachtung  der  urchristlichen  Zeit  und 
ihrer  Verhaltnisse  die  richtige  Auffassung  der  Entstehung  der 
altkatholischen  Zustande  nicht  verhangnissvoll  zu  verwirren  droht. 
Aber  doch  konnte  das  Geschick,  welches  der  Weissagungsbeweis 
erlitt,  indeui  er  jener  rationalen  Theologie  unterstellt  wurde, 
fiir  ihn  selbst  nicht  ohne  Folgen  sein.  In  dem  Judenchristenthume 
stand  er  in  dem  Rahmen  einer  Geschichtsbetrachtung,  die  bei 
alien  Illusionen,  die  ihr  anhingen,  doch  noch  in  etwas  den  Namen 
einer  geschichtlichen  Betrachtung  verdient;  in  dem  Heiden- 
christenthume ,  so  lange  es  noch.keine  Theologie  besass  und 
von  der  Hoffnung  lebte,  war  er  auch  mit  einer  geschicht- 
lichen Orientirung  liber  die  Menschheit  verbunden,  aber  in  dieser 
Geschichtsbetrachtung  —  man  lese  den  Barnabasbrief,  den  Hirten 
oder  jene  Predigt,  welche  unter  dem  Namen  des  2.  Clemens- 
briefes  bekannt  ist  —  war  die  Blusion  zum  Fundamente  ge- 
macht;  in  der  Apologetik  endlich,  wie  sie  das  Evangelium  einer 
rationalen  Theologie  unterordnete,  wandelte  sich  alle  Geschichts- 
betrachtung in  die  Kosmologie  um;  jene  ist  nur  wie  zumScheine 
festgehalten ;  denn  innerhalb  der  rationalen  Theologie  giebt  es 
kein  Werden  und  keine  neuen  Epochen.  Sie  banut  alle  Er- 
scheinungen  in  ein  unveranderliches  Schema. 

Aus  derVerbindung  einer  theistischen  Kosmologie  und  Moral 
mit  dem  Weissagungsbeweise  ist  die  christliche  Theologie  der 
Apologeten  entstanden.  Das  Verstandniss  flir  die  Grossen,  welche 


37)  Man  vgl.  z.  B.  Justins  Scliriften  mit  dem  Barnabasbrief.  Ein 
Unterschied  kann  nur  darin  gesehen  werden,  dass  1)  nicht  melir  oder 
doch  nicht  in  dem  Masse  wie  friiher  die  Geschichte  Jesu  mit  aus  dem 
A.  T.  erhobenen  „Thatsachen"  bereichert  wird,  und  dass  2)  fur  die  Me- 
thode  des  Weissagungsbeweises  gewisse  Regain  (s.  z.  B.  Justin.,  Apol.  I, 
3f))  aufgestellt  werden. 


Der  Charaktor  unil  tlin  Composition.  67 

in  demBeweise  eineRolle  spielen,  wiir  ein  dieser  Theolo^e  vollig 
erlosclien,  wenn  es  ilberhaupt  jemals  bestanden  liatte.  Der  Inhalt 
der  Stilcke  verschwiiidet  giinzlicli  hinter  der  chronologischen 
Etiquettirung,  die  man  ilinen  giebt;  das  aber,  was  sie  sachlich 
beweisen  soUen,  wird  erst  in  sie  hineingelegt.  Der  Abstand 
zwischen  dem,  was  als  Christenthum  wirklich  geglaubt  wird  und 
in  der  Religion  der  Apologeten  lebendig  ist,  und  dem,  was 
alles  ini  Beweise  beriibrt  und  behaiiptet  wird,  ist  der  denkbar 
grosste.  Man  kann  das  am  deutlicbsten  an  dem  Christnsbilde 
der  Apologeten  feststellen.  Ihr  Christus  ist  die  in  der  Person 
Jesu  in  einziger  Weise  erschienene  und  offenbar  gewordene 
Vernunft,  das  gottlicbe  Weltgesetz  und  das  Sittengesetz,  nicht 
Aveniger,  aber  auch  nicht  viel  mehr;  aber  in  dem  Beweise  fiir 
diese  These  ist  er  der  Davidssohn,  der  aus  der  Jungfrau  Ge- 
l:>orene,  der  Gekreuzigte,  kurz  alles  das,  was  er  wirklich  gewesen 
ist  und  was  er  nach  dem  Alten  Testamente  hat  sein  mlissen. 
Sie  siud  iiberzeugt  davon,  dass  er  dies  gewesen  ist,  weil  dieser 
Christus  ihr  en  Christus  erst  legitimirt.  Die  beiden  miteinander 
zu  verbinden  und  in  Eins  zu  setzen,  haben  sie  sich  wenig  ange- 
legen  sein  lassen  ■ —  Justin,  der  alteste,  noch  am  meisten,  seine 
spateren  Nachfolger  im  2.  Jahrhundert  Ilberhaupt  nicht. 

Mit  dieser  Theologie  wandte  man  sich  an  das  heidnische 
Publicum,  mit  ihr  schlug  man  die  supponirten  jildischen  An- 
griffe  zuriick,  und  mit  ihr  suchte  man  in  steigendem  ]Masse  die 
Zweifel  der  Gebildeten  innerhalb  der  Gemeinde  zu  beschwichtigen. 

Da  aber  erschienen  auf  dem  Kampfplatze  zwei  Gegner,  auf 
die  man  nicht  vorbereitet  war,  und  welche  sich  durch  die  Ar- 
gumente  der  Apologeten  nicht  ilberzeugen  liessen.  Es  war  ein 
christlicher  und  ein  heidnischer;  aber  was  sie  jenen  Theorien 
entgegenstellten,  war  ein  Theil  von  dem,  was  das  Judenthum 
der  apologetischen  Theologie  zu  sagen  gehabt  hatte ,  wenn  es 
ilberhaupt  zu  Wort  gekommen  ware,  Der  eine  Gegner  war 
Marcion,  seine  Schule  und  die  ihr  verwandten  gnostischen  Ge- 
nossenschaften,  der  andere  war  ein  Einzelner,  der  hochst  wahr- 
scheinlich  im  zweiten  Jahrhundert  kaum  einen  Mitstreiter  gehabt 
hat.  der  Heide  Celsus. 

Celsus  hat  die  Urkunden,  auf  welche  sich  die  Juden  und 
Christen  gemeinsam  beriefen,  studirt  mit  allem  Bestreben  un- 
parteiisch  und  gerecht  zu  sein;  er  hat  die  neuen  christlichen 


(3S  Die  Altercatio  Bimonis  et  Theophili. 

Schriften  liinzugezogen  unci  versucht,  gescliichtliche  Urtlieile 
z:u  gewinnen,  um  die  Aiispriiche  des  Christenthuins  zu  contro- 
liren.  Resiiltat  seiner  Arbeit  ist,  dass  er  in  dem  ersten  Theile 
seiner  „Walirlieitsgemiissen  Darlegung"  einen  Juden  auftreten 
liisst,  der  das  Christentlmm  widerlegt.  Man  mag  an  diesem 
Juden  vieles  aussetzen  —  unleugbar  ist,  dass  er  eine  ungleich 
walirere  und  lebendigere  Figur  ist  als  die  ,,Juden",'  niit  denen 
die  Apologeten  gekampft  haben,  Der  Heide  liat  bier  die  Vor- 
aussetzungen  bestritten,  unter  welchen  der  Weissagungsbeweis 
ihm  entgegengebracbt  worden  ist.  Aber  man  darf  sagen,  dass 
ihm  sein  Gegenbeweis  nicht  das  bedeutet  hat,  was  er  uns  be- 
deuten  wiirde,  wenn  er  in  alien  Stiicken  richtig  ware.  Im 
Grunde  theilt  Celsus  die  theologisclien  Voraussetzungen  seiner 
Gegner,  und  desshalb  ist  ihm  jeder  gescliichtliche  Beweis, 
d.  h.  ein  Beweis  aus  der  wirklichen  Geschichte,  nur  ein  halber 
und  somit  gar  keiner.  Es  ist  niederschlagend  zu  selien,  vne 
miichtig  Zeitstromungen  sind.  Selbst  ein  so  heller  Kopf  wie 
Celsus  ist  so  von  ihnen  befangen,  dass  er  das  Schatzbare,  was 
er  selbst  erarbeitet,  unterschatzt  und  wenig  Werthvolles  dafur 
eintauscht.  Auf  die  christliche  Apologetik  des  2.  Jahrhunderts 
scheint  diese  Schrift  keinen  Eindruck  gemacht  zu  haben.  Spuren 
eines  solchen,  die  man  gefundeu  haben  wollte,  erweisen  sich 
als  triigerische.  Wir  wissen  nicht  die  Grunde  fur  diese  auf- 
fallende  Beobachtung  anzugeben  und  wundern  uns,  dass  es  bis 
gegen  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  gedauert  hat,  bis  man  es 
fiir  nothig  erachtete,  die  Aiigriffe  des  Celsus  speciell  zu  wider- 
legen.  Auf  die  hergebrachte  Methode  der  Apologetik  hat  die 
Schrift  keinen  Einfluss  ausgeiibt.  Man  blieb  dabei,  die  „;iudi- 
schen''  Einwiirfe  in  einer  so  allgemeinen  und  wesenlosen  Gestalt 
zu  supponiren,  dass  sie  nur  wie  willkommene  Stufen  im  Beweise 
erschienen,  und  man  gab  deni  Juden  in  jeder  Frage  eigentlich 
nur  ein  einziges  Mai  das  Wort,  so  dass  er  den  Beweis  immer 
nur  hervorruft,  ihn  aber  niemals  eigentlich  beanstandet.  — 

Man  sollte  denken,  dass  die  niarcionitische  und  gnostische 
Interpretation  des  Alten  Testamentes,  die  ungefahr  gleichzeitig 
mit  der  theologischen  Apologetik  (im  Zeitalter  Hadrians)  be- 
gann  und  den  ganzen  Weissagungsbeweis  liber  den  Haufen  warf, 
mindestens  auf  die  Weiterentwicklung  dessejben  von  Einfluss 
gewesen   ist.     Marcion   und  die  Gnostiker,   soweit  sie  hier  in 


Dpi-  Chavakter  mid  die  Composition.  69 

Betracht  koinmen,  theilten  im  Allgemeinen  iiiit  tier  Kirche  die 
Benrtheilung  des  Jndenthnms  und  der  Synagoge.  Man  kaiin 
bei  ihnen  nicht  scharfore  Verurtheilungen  derselben  lesen  als 
bei  den  gleichzeitigen  kirchlichen  Schriftstellern,  und  wie  unter 
diesen  die  Meinungen  liber  das  Jndenthnm  weit  auseinander- 
gingen,  so  finden  sich  audi  bei  den  Gnostikern  alle  Nuancen 
einer  abschatzigen  Benrtheilung  vertreten.  Aber  das  Unter- 
scheidende  ist  bekanntlich  hier  dies,  dass  man  in  den  gnosti- 
schen  Kreisen  die  Scheidung,  Aveldie  die  Kirche  zwiscben  Altem 
Testament  und  Judenthum  vollzogen  hatte,  nidit  acceptirte. 
Jede  Anssage  liber  dieses  ist  hier  zugleidi  ein  Urtheil  liber 
jenes,  kurz  das  Alte  Testament  wurde  dem  Jndenthnme  liber- 
hissen,  daflir  aber  auch  das  Evangelium  vollig  von  demselben 
losgerissen.  Die  Betraditungsweise,  die  in  vollem  Gegensatze 
zu  der  kirdilidien  steht,  ist  ebendarum  audi  keine  historische; 
aber  sie  eroffnete  dodi  die  Moghdikeit,  eine  grosse  Reihe  von 
geschichtHchen  Fragen  gesdiiditlidi  zu  betraditen.  Die  Gno- 
stiker  traten  wirkhch  in  eine  solche  Betrachtung  ein.  Im  Gegen- 
satze  zu  dem  kirdihdien  Weissagungsbeweise  entwidi;elten  sie 
den  Gottesbegriif,  das  Messiasbikl,  die  Zukunftshoffnungen  aus 
dem  Alten  Testamente  und  wiesen  liberall  die  Differenzen  mit 
dem  Evangelium  und  dem  Christus  desselben  auf.  Audi  in  der 
Frage  nadi  dem  Gesetz,  seiner  Absicht  und  seiner  Gliltigkeit, 
traten  sie  auf  die  Seite  des  Judenthums,  indem  sie  die  Beredi- 
tigung  der  jlidischen  Auffassung  anerkannten.  Marcion  hat 
sdiliesslidi  die  ganze  allegorisdie  Methode,  nach  weldier  die 
grosse  Kirche  das  Alte  Testament  auslegte,  ausdrucklich  als 
eine  verfehlte  bekampft;  in  seiner  Behauptung,  dass  der  Messias 
des  A.  T.'s  noch  kommen  und  zeitweilig  das  Judenthum  zu  einer 
politisdien  Weltmacht  erheben  Averde,  drlickt  sich  der  scharfste 
Gegensatz  zur  kirchlichen  Auffassung  aus. 

Aber  in  dieser  Behauptung  trat  Marcion  auch  geradezu  auf 
die  Seite  des  Judenthums  und  bescheinigte  dessen  Lehren  und 
Hoffnungen.  Nur  bei  fllichtiger  Beobachtung  erscheint  es  als 
eine  Paradoxic,  dass  die  eifrigsten  und  entschlossensten  Gegner 
des  Judenthums  dasselbe  innerhall)  der  Kirche  zu  Gelior  ge- 
bracht  haben,  Sie  erkannten  die  Anspriiche  und  die  Eigenart 
desselben  an,  um  es  eben  dadurch  aufs  nachdriicklichste  von 
sich  zu  stossen.     Was  sie  aber  wirklich  erreichten,  war  dies, 


70  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

dass  sie  bei  uicht  Wenigen  das  Zutrauen  zu  dem  Weissagungs- 
beweise  erschiitterten  und  in  der  Kirche  selbst  eine  Unter- 
stromung  —  audi  bei  einigen  ihrer  angesehensten  Theologen  — 
liervorriefen ,  in  welcher  das  Misstrauen  gegen  denselben  nie 
ganz  iiberwundeu  wurde.  Was  das  Judenthum  selbst  der  Kirche 
niemals  hat  zu  Gehor  bringen  konnen,  was  fast  unbenierkt  ver- 
hallte,  als  es  von  heidnischer  Seite  ausgesprochen  wurde,  das 
bahnte  sich  einen  Weg,  langsani  und  verborgen  freihch,  als 
Christen,  wenn  auch  haretische,  es  verklindigten.  Wir  konnen 
diesen  Weg  die  folgenden  Jahrhunderte  hindurch  beobachten; 
als  die  Guostiker  abstarben,  standen  die  Manichaer  auf  dem 
Plan.  Welche  Schwierigkeiten  hat  noch  ein  Augustin  iiber- 
winden  miissen,  bis  er  sich  dem  Glauben  an  den  Weissagungs- 
beweis  unterworfen  hat!  Dennoch  hat  die  Kirche  alle  Zweifel 
niedergekampft  und  niedergeworfen ,  und  es  bedarf  scharfer 
Augen,  um  zu  bemerken,  dass  sich  flir  sie  etwas  geiiudert  hat. 
Diese  Aenderungen  sind  nun  audi  in  der  Apologetik  selbst  am 
wenigsten  zu  constatiren.  Sie  verharrte,  kleine  Modihcationen 
abgerechnet,  in  der  einmal  gegebenen  Form,  und  sie  hiitete  sich, 
vor  dem  grossen  Publicum  und  den  Glaubensgenossen  von  den 
Einwendungen,  die  sich  in  ihrer  eigenen  Mitte  erhoben  batten, 
niehr  als  die  fliichtigste  Notiz  zu  iiehmen.  Vergleicht  man  z.  B. 
das  Apologeticum  des  Tertullian  mit  seineii  antignostischen 
Schriften,  so  kann  man  sich  nur  wundern,  wie  wenig  diese  die 
Haltung  des  Apologeten  beeinflusst  liaben.  Allerdings  —  soweit 
dieselben  die  gnostische  Auffassung  des  Alten  Testamentes  be- 
streiten  und  ilir  denWeissagungsbeweis  entgegenhalten,erscheint 
dieser  Beweis  selljst  nicht  wesentlich  modiiicirt  und  eingehender 
ausgefiihrt.  Was  Tertullian  in  der  zweiten  Hiilfte  des  3.  Buches 
gegen  Marcion  vorgebracht  hat,  das  hatte  nicht  nur ,  ebensogut 
in  einer  alteren  oder  gleichzeitigen  Schrift  adv.  Graecos  oder 
adv.  ludaeos  stelien  konnen,  sondern  es  findet  sich  audi  be- 
kanntlich  wirklich  in  dem  tertullianischen  Tractat  adv.  ludaeos 
wieder.  Es  war  die  billigste  Weise  sich  mit  den  Gnostikern 
selbst  abzufinden,  dass  man  sie  einfach  wie  „Juden"  oder  wie 
Griechen  l)ehandelte,  und  die  Zusammenstellung  von  Marcioniten 
und  Juden  hndet  sich  ja  bekanntlich  wirklich  sehr  hiiuiig.  Allein 
eine  solche  Methode  reichte  docli  nur  an  bestimmten  Orteii 
und  bei  besonderen  Situationen  aus.     Um  den  Gnostikern  zu 


Der  Cliarakter  und  die  Composition.  7| 

begegnen,  musste  die  Kirche  selbst  lornen.  Das  hat  sie  gethan. 
Hire  Bescluiftigung  mit  dem  Neiien  Testamente,  ihre  Unter- 
sclieidang  von  altem  mid  neiicm  Buiide,  ihre  gemassigtere  theo- 
logische  Haltung  gegeiiilber  dem  alttestauientlichen  Judeiithum 
der  friiheren  Zeiteu,  ihre  Fassiing  des  Gottesbegriffes  unter  den 
Prtidicaten  der  Giite  und  Gerechtigkeit,  die  nicht  resultatlosen 
Versuche,  die  specifische  Bedeutung  des  Evangeliums  gegen- 
iiber  dem  A.  T.  festzustellen,  die  Bemiihungen,  irgendwie  eine 
Entwicklung  innerhalb  der  Offeubarungsgeschichte  zu  consta- 
tiren  und  annehmbar  zu  machen,  endlich  das  Bestreben,  den 
wichtigsten  Thatsachen  aus  der  Geschichte  Jesu  einen  religiosen 
AVerth  abzugewinnen  —  alle  diese  Versuche,  in  welchen  es  erst 
zu  einer  kirchlichen  Dogmatik  gekommen  ist,  sind  die  Folge 
der  Einwendungen,  welche  die  „Judeu",  d.  h,  die  Gnostiker 
erhoben  haben.  Einzelne  dieser  Stllcke  sind  hie  und  da  auch 
in  die  sptiteren  Apologien  gedrungen.  Aber  die  Kirche  hat 
ufFentlich  niemals  bekannt,  was  sie  gelernt  hat;  viele  ihrer 
Theologen  lernten  es  freilich  selbst  nicht.  Was  Eusebius  _iu 
dem  ersten  Buche  seiner  Kirchengeschichte  seinen  Lesern  — 
und  er  durfte  auf  die  ganze  gebiklete  Welt  rechnen  —  zu  sagen 
fur  gut  befunden  hat,  das  ist  gewiss  mit  besonderer  Kunst  und 
Berechnung  zusaramengestellt.  Aber  dass  er  es  selbst  wirklich 
nicht  viel  besser  und  grlindlicher  gewusst  hat,  zeigen  seine 
iibrigen  Werke  und  seine  sonstige  theologische  Haltung.  Es 
gab  eben  bis  zu  dem  arianischen  Kampfe,  in  welchem  in  letzter 
Stunde  noch  ein  grosses  Problem  die  Christenheit  vor  dem 
ganzlicheu  Zerfliessen  in  die  Nebel  der  Zeit  schiitzte,  in  der 
Christenheit  eine  Richtung,  fiir  welche  der  Inlialt  der  beiden 
Testamente  ledigiich  ein  colossaler  Apparat  war,  um  den  Theis- 
mus  mit  christlicher  Etiquette  als  die  Urreligion  zu  erweisen. 
Durcli  die  Dogmatik,  die  thetische  und  polemischc  Tlieo- 
logie,  ist  dieApologetikimmerhin  einigermassen  entlastet  worden. 
Aber  sie  eii'uhr  zugleich  eine  bedeutende  und  folgenreiche  Modi- 
fication durch  das  Interesse,  welches  ihr  von  Seiten  der  seit 
dem  Ende  des  2.  Jahrhunderts  erst  aufstrebenden  theologischen 
Wissenschaft  zu  Theil  wurde.  Sclion  seit  Justin  war  es  bei 
den  christlichen  Apologeten  iiblich^^),  innerhalb  des  Weissag- 


38)  S.  Gelzer,  S.  Julius  Africanus.    1.  Theil  (1880)  S.  19f. 


72  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

ungsbeweises  versuchsweise  einen  Synchronismus  zwischen 
heiliger  imd  profaner  Gescliichte  herzustellen:  Tatian  und 
Theopliilus  namentlicli  haben  hierin  sclioii  Beachtenswerthes 
geleistet.  Die  apologetisdie  Methode,  wie  sie  herrscliend  war, 
verlangte  dem  Heidenthume  gegeniiber  einen  solchen  Beweis, 
und  schon  das  alexandrinische  Judenthum  hat  die  Grundzlige 
desselben,  die  auch  nicht  mehr  verandert  wurden,  ausgearbeitet. 
Den  christliclien  Theologen  blieb  nur  die  Aufgabe  iibrig,  ibn 
mit  den  Weissagungen  aiif  Cbristus  zu  verknlipfen  und  naiuent- 
lich  die  Zalilenangaben  im  Alten  Testamente  und  bei  den 
Profanhistorikern  so  zu  arrangiren,  dass  sie  sich  sammtlich 
einer  grossen  Reclmung  unterordneten,  die  mit  dem  Geburts- 
jahre  Christi,  resp.  dem  durcb  Christus  am  Schlusse  des  6.  Jahr- 
tausends  herbeizufiihrenden  Weltende  abschliesst.  Die  hier  zu 
losende  Aufgabe  stand  also  an  sicb  ganz  in  dem  Dienste  der 
Apologetik,  und  sie  hat,  namentlich  in  den  immer  wiederholten 
Nachweisungen,  dass  die  Danielischen  Jahrwochen  gerade  bis 
auf  Christus  reichen,  ihre  apologetische  Tendenz  unverrlickt 
bewahrt^").  Allein  sie  gewann  doch  allmahhch  auch  ein  selb- 
standiges  Interesse  und  emancipirte  sich  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  von  der  Apologetik,  wie  das  gleichzeitig  auch  bei  anderen 
Disciphnen  der  Fall  gewesen  ist,  Schon  Julius  Africanus  hat 
„die  Gescliichte  nicht  als  ein  ndQBQyov,  um  Moses'  und  der 
jiidischen  Weisheit  Alter  zu  beweisen,  summarisch  abgehandelt, 
sondern  ihre  Darstellung  und  die  genaue  Fixirung  aller  chrono- 
logischen  Einzelposten  ist  bei  ihm  zum  Selbstzweck  geworden". 
Die  Chronographie  der  Weltgeschichte,  die  so  entstand,  be- 
halt  zwar  noch  immer  ihre  apologetische  Spitze,  aber  sie  wird 
zu  umfangreich,  zu  gelehrt,  ihr  Apparat  ein  zu  schwerfalliger, 


39)  Auf  die  wichtige  und  folgenreiclie  Thatsaclie,  dass  die  Apologeteu 
sich  bei  der  Losung  der  vorliegenden  Aufgabe  gezwungen  salien,  der 
Danielischen  Apokalyptik  und  somit  auch  der  Eschatologie  iiberhaupt  ihre 
Aufmerksamkeit  zu  schenken,  kann  hier  nicht  naher  eingegangen  werden. 
Nur  soviel,  sei  bemerkt,  dass  auf  dieseni  Umwege  die  Theologen  wieder 
zu  einem  Interesse  kamen,  welches  urspriinglich  das  entscheidendste  ge- 
wesen ist,  welches  sie  selbst  aber  fast  ganz  verloren  hatten.  Die  gelehrte 
Theologie  hat  ja  iiberhaupt  manche  Einbussen,  so  gut  sie  es  vermochte, 
wieder  eingebracht ;  die  urspriingliche  Kriiftigkeit  von  Vorstellungen  und 
Interessen  konnte  sie  freilich  nicht  wieder  hervorbringen. 


Der  Cliaiakter  uiid  die  Composition.  73 

um  iiocli  im  Rahmen  der  orewiihnlichen  Apologetik  eine  Stelle 
zu  liebalteii.  Die  Folge  hievon  ist,  dass  neben  dieser  die  ge- 
lehrte,  apologetische  Tractatenliteratur  seit  dem  3.  Jalirlmndert 
aufkommt.  Einzelne  wichtige  Punkte,  wie  die  .Tahrwochen  des 
Daniel,  die  Schopfungsgeschiclite,  Sina  imd  Sion  u.  s.  w.  werden 
in  exegetiscli-apologetischer  Weise  beliandelt,  theils  in  Aus- 
tuhrungen,  die  fiir  das  grosse  Pnblicnm  bestimmt  sind,  theils 
in  Dissertationen  fllr  die  gelehrte  Welt.  Die  Adresse,  an  welche 
diese  Abhandlungen  gerichtet  werden,  ist  noch  im  3.  bis  5.  Jahr- 
hnndert  sehr  haufig  die  jiidische;  aber  man  darf  daraus  nicht 
schliessen,  dass  man  auf  diesem  Wege  wirklicli  das  Jndenthum 
bekiimpfen  oder  gewinnen  wollte.  Jene  Abhandlungen  galten 
noch  immer  dem  „heidnischen"  Publicum  ausserhalb  und  inner- 
halb  der  Kirche^^).  Die  Adresse  richtete  sich  an  die  Juden, 
weil  man  wie  friiher  —  und  mit  demselben  Rechte  —  aus  den 
Schriften  der  heidnischen  Gegner,  selbst  eines  Porphyrins  und 
Julian,  die  Anklagen  und  Einwendungen  der  Juden  heraus- 
horte  und  dieselben  in  den  eigenen  Zweifeln  und  in  den  Kako- 
doxien  der  Haretiker  wiederfand.  Wie  man  das  Jndenthum 
Avirklich  beurtheilte,  wessen  man  sich  zu  ihm  versah,  wie  man 
sich  kirchlicherseits  uamentlich  seit  den  Tagen  Constantins  zu 
ihm  stellte,  das  lehren  die  Bestimmungen  der  grossen  und 
kleinen  Synoden  in  jenen  Jahrhundertfen.  Man  gab  sie  als  Ver- 
stockte  einfach  preis,  man  dachte  nicht  daran,  sich  mit  ihnen 
in  Discussion  einzulassen  und  man  war  —  wenige  ruhmliche 
Ausnahmen  abgerechnet  —  gar  nicht  Willens,  sie  zu  bekehren. 
Anders  freilich  gestalteten  sich  die  Verhaltnisse  dort,  wo,  wie 
in  dem  aussersten  Osten  oder  auch  in  einigen  Strichen  des 
W^estens^'J,  das  Jndenthum  eine  sociale  oder  politische  Macht 


40)  Daher  auch  die  Tractate  mit  der  Uebersclirift  „adversus  ludaeos 
et  Paganos  (et  Arianos)"  so  haufig  sind. 

41)  Namentlich  in  Spanien  und  Siidfrankreich ;  man  vgl.  die  Bestim- 
mungen der  Synoden  von  Elvira,  Agde  (o06),  Epaon  (517),  Orleans 
(538  u.  541).  Aus  dem  49.  Kanon  der  SjTiode  von  Elvira  darf  man  eben- 
sowenig  auf  Judaisiren  spanischer  Christen  schhessen,  wie  aus  der  Sitte 
mancher  Muhamedaner,  den  christlichen  Popen  als  Zauberer  zu  benutzen, 
auf  ihre  Zuneigung  zum  Christenthum.  Auch  das  Connubium  zwischen 
Juden  und  Christen,  welches  in  Spanien  und  Siidgallien  nicht  ganz  selten 
gewesen  sein  muss,  und  die  Unsitte,  die  Feste  der  Juden  mitzufeiern  oder 
mit  ihnen  zu  essen,  .sind  an  sich  kein  Zeichen    des  Judaisirens.    Wenn 


74  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

gewesen  ist  unci  eine  wirkliche  Yerjudung  auch  der  Christen 
in  Folge  einer  Zwangslage  zu  befurchten  war.  Die  christliclien 
Schriften  aber,  die  aus  der  Noth  solcher  Zustande  heraus  ge- 
schrieben  worden  sind,  untersclieiden  sich  so  deutlich  von  jenen 
anderen,  dass  ein  Schwanken  ilber  die  Situation  im  einzelnen 
Fall  gar  niclit  moglich  ist. 


Gelien  wir  nach  diesen  Vorbemerkungen  zu  deni  Aus- 
schnitte  aus  der  altchristlichen  Literatur  liber,  welcher  sicli  durcli 
Form  und  Adresse  als  Polemik  gegen  das  Judentlium  kenn- 
zeichnet.  Nacli  dem  eben  Ausgefiihrten  wird  offenbar  geworden 
sein,  dass  er  —  einzelne  verhaltnissmassig  spate  Stiicke  abge- 
rechnet  —  nicbt  den  Anspruch  erheben  kann,  flir  eine  besondere 
Gattung  in  der  altchristlichen  Schriftstellerei  zu  gelten,  viel- 
mehr  mit  den  an  das  grosse  Publicum  gerichteten  Apologien, 
aber  auch  mit  solchen  Werken  wie  Melitos  ,^Ey.}.oyai'\  Cyprians 
,,Testimonia"  und  Pseudogregors  von  Nyssa  „Testimonia  adv. 
ludaeos"  zusammengefasst  werden  muss.  Nur  Fines  konnte 
dazu  verleiten,  der  sog.  antijiidischen  Literatur  der  alten  Kirche 
doch  eine  besondere  Stellung  einzuraumen  —  das  ist  die  auf 
den  ersten  Blick  auffallende  Beobachtuug,  dass  die  Form  des 
Dialoges  so  test  an  ihr  gehaftet  zu  haben  scheint.    Nicht  nur 


der  christliche  Pobel,  wie  z.  B.  in  Antiochien,  sei  es  nun  aus  Aberglaubeu 
oder  aus  anderen  naheliegenden  Griinden,  die  jiidisclien  Feste  mitfeierte 
(s.  Clirysostoni.,  Homil.  VIII  adv.  lud.,  0pp.  edid.  Montfaucon  [edit.  Paris, 
altera]  T.  I  p.  712 — 843),  so  war  dies  freilich  bedenklicher,  und  je  weiter 
man  von  Antiochien  nach  Osten  und  Siidosten  vorschreitet,  urn  so  deut- 
licher  erscheinen  die  Gefahren,  welchen  das  Christenthum  der  dortigen 
Gemeinden  von  Seiten  der  Juden  ausgesetzt  war  (man  vgl.  namenthch 
die  Schriften  der  ostsyrischen  und  der  in  den  Euphrat-  und  Tigrislandern 
lebenden  Schriftsteller  des  4.  u.  5.  Jahrhunderts).  Die  Gefahren  aber  ent- 
sprangen  hier  vornehmlich  aus  der  Lage  der  Gemeinden  gegeniiber  einer 
machtigen  Judenschaft  und  waren  gewiss  am  wenigsten,  oder  doch  nur 
indirect,  seiche,  die  aus  theoretischen  Zweifeln  sich*  ergaben.  Dagegen 
hat  sich  von  alten  Zeiten  her  in  einem  Landstriche  Kleinasiens  wirkliches 
Judaisiren,  welches  wohl  auch  theoretisch  begriindet  wurde,  erhalten;  s. 
den  29.  35.  37.  und  38.  Kanon  der  Synode  von  Laodicea  und  den  70.  u. 
71.  der  apostolischen  Kanones.  Dazu  Lightfoot.  Ep.  to  the  Coloss.  edit. 
I  p.  66 sq.  Auch  die  Hypsistarier  und  Euphemiten  diirfen  hierher  ge- 
rechnet  werden,  sowie  noch  einige  Gruppen,  von  denen  Epiphanius  be- 
richtet  hat. 


Der  Charaktor  uml  die  Coinposition.  75 

die  iiltesten  liier  in  Betraclit  kommenden  Schriften  sind  in  der 
Kunstform  des  Dialoges  abgefasst  worden  (die  Disputation 
Jasons  und  Papiskus'  liber  Cliristus;  Justins  Dialog  mit  Trypho), 
sondern  es  ist  auch  eine  Jiale^ig  -/.aia  lnvdauov^%  ein  Jia- 
loyog  XQtoxiavov  y.al  lovdalov,  wv  tcc  ovot-taxa  zov  f.iev  xqigtuc- 
rnv  Tifiod-iov,  too  di  lovdalov  i^xvXa,  angeblicli  ans  der  Zeit 
des  alexandrinischen  Cyrill's^^^,  ferner  die  Altercatio  Simonis 
ludaei  et  Tlieophili  Cliristiani,  der  pseudoaugustinisclie  Dialog 
de  altercatione  ecclesiae  et  synagogae^^)  hier  zu  nennen,  und 
Ins  in  das  Mittelalter  liinein  lassen  sich  die  Disputationes  eccle- 
siae et  sjaiagogae,  resp.  Christiani  et  ludaei  verfolgen^^).  Es 
gehen  aber  auch  solche  Schriften,  welche  die  Form  des  Dia- 
loges  verschmaht  haben,  manchmal  in  dieselbe  liber  oder  kommen 
ihr  doch  sehr  nahe.  Das  muss  z.  B.  in  der  verlorengegangenen 
"^TToder/.Ttxr)  ngog  'lovdaiovg  des  Hippolyt  der  Fall  gewesen 
sein^*^),  und  auch  an  TertulHans  Schrift  adv.  ludaeos  —  mag 
man  nun  liber  iliren  Anlass  denken  wie  man  will  —  ist  hier  zu 
erinnern.  Aber  eben  die  letztere  Beobaclitung  zeigt,  dass  f'lir 
Tractate,  die  in  der  Form  einer  Polemik  gegen  das  Judenthum 
gehalten  waren,  der  Dialog  die  gleichsam  von  selbst  gebotene, 
am  niichsten  liegende  Kunstform  war.  Wo  das  Detail  ein  sehr 
buntes  und  ermlidendes  ist,  die  Art  seiner  Verwerthung  aber 
stets  die  gleiche  bleibt,  da  kann  man  sich  Abschnitte  und  Ruhe- 
pausen  nur  klinstlich  schaffen,  und  eigentlich  nur  hiezu,  sowie 


42)  S.  Bandini,  Catal.  Bibl.  Mediceo-Laurent.  I  p.  165.  Eine  Probe 
hat  Bandini  p.  IGb'^  gegeben,  aus  der  man  aber  wenig  ersehen  kann. 

43)  S.  Mai,  Nova  Biblioth.  VI,  2  p.  537sq.   Spicil.  Rom.  IX  p.  Xlsq. 

44)  August.  0pp.  (edit.  Venet.)  App.  VII  p.  2297  sq. 

45)  Thesaur.  edid.  Martene  et  Durand  T.  V  p.  1497 sq.  u.  sonst;  m. 
vgl.  die  Werke,  welche  Renter,  Gesch.  der  relig.  Aufkliirung  im  Mittel- 
alter Bd.  I  S.  309  n.  13  verzeichnet  hat. 

46)  Wir  besitzen  von  ihr  nur  ein  Bruchstiick,  welches  Fabricius 
nach  einer  Abschrift  Montfaucons  aus  dem  Cod.  Vatic.  1431  zuerst  ver- 
otfentlicht  hat  (s.  Lagarde,  Hippol.  Rom.  p.  63sq.).  Nach  einer  Angabe 
Buns  ens  (Hippolj't  u.  s.  Zeit.  Bd.  I  S.  194),  findet  sich  in  den  „Acta 
Martjn-um"  App.  Ill  p.  449 sq.  ein  nicht  unbetriichtliches  Stiick  der  'Ano- 
^sixiixfj  in  einer  lateinischen  Uebersetzung  („Demonstratio  adv.  ludaeos"). 
Caspar!  hat  (Quellen,  Bd.  Ill  S.  395)  auf  diese  Notiz  wieder  aufmerksam 
gemacht,  war  aber  selbst  nicht  in  der  Lage  ihr  nachzugehen.  Auch  ich 
muss  die  Sache  hier  auf  sich  beruhen  lassen. 


76  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

nm  die  Moglichkeit  der  „increpatio"  und  ,,castigatio"  des  Juden 
ziigleicli  zu  gewinnen,  hat  sich  der  Dialog  behauptet.  Dal3ei 
soil  vorbehalten  bleiben,  dass  moglicherweise  einer  der  altesten 
Dialoge,  sei  es  nun  der  des  Aristo  oder  Justin,  hier  vorbildlicli 
nacligewirkt  bat.  Immerhin  sind  ja  audi  eineReihe  von  antijlidi- 
schen  Schriften  unter  Verzicht  auf  die  Form  des  Dialoges  ab- 
gefasst  worden,  ja  wahrscheinlich  die  grossere  Zalil  derselben^'), 
wahrend  diese  Form  docli  audi  in  den  apologetisdien  Tractaten, 
die  der  jiidischen  Adresse  entbeliren,  seit  Minudus  Felix'  Octa- 
vius  hie  und  da  gefunden  wird.  Hier  aber  empfahl  sie  sidi 
weniger  oder  verlangte  dodi  zu  ihrer  Durdifiihrung  eine  viel 
grossere  Kunst,  als  die  war,  iiber  welclie  Scliriftsteller  gewolin- 
liclien  Schlages  verfiigten. 

Treten  wir  nun,  um  die  Altercatio  Theopliili  gesdiichtlich 
zu  wurdigen,  der  an  die  Juden  adressirten  Literatur  naher,  so 
haben  wir  freilich  sogleidi  den  Verlust  von  vier  Werkeii  zu 
beklagen,  die,  wenn  sie  erhalten  waren,  dieUntersudiung  wesent- 
hdi  erleiditern  wiirden.  Es  sind  das  1)  der  Dialog  des  Jason 
und  Papiskus  ^S),  2)  die  Schrift  des  Miltiades  gegen  die  Juden, 
3)  die  Eklogen  des  Melito  ^'^)  und  4)  die  sdion  genannte  '^no- 


47)  Der  Kiirze  wegen  sei  auf  das  unvollstandige  Verzeichniss  in  Fabri- 
cius-Harless,  Biblioth.  Gr.  T.  VII  p.  745 sq.  verwiesen. 

48)  Ueber  ihn  ist  es  jedoch  moglich,  aus  den  erhaltenen  Bezeuguugen 
einige  Urtheile  zu  gewinnen  (s.  Texte  u.  Unters.  I,  II  S.  115f.). 

49)  Die  Eklogen,  obgleich  sie  nicht  zu  den  an  das  Judenthum  direct 
gerichteten  Schriften  gehoren,  diirfen  wir  nach  dem,  was  Eusebius  iiber 
sie  bemerkt  hat,  hierher  ziehen.  Melito  hat  (h.  e.  IV,  26,  12sq.)  das  Werk 
auf  Bitten  seines  Freundes  Onesimus  zusammengestellt.  Es  umfasste  sechs 
Biicher  —  war  also  sehr  umfangreich  —  und  enthielt  ,.Ausziige  aus  dem 
Gesetz  und  den  Propheten  betreffs  des  Heilandes  und  unseres  ganzen 
Glaubens"  (Exloyal  ex  xe  zov  vofiov  xal  rdJv  7iQO(pTjT(5v  tisqI  xov  oiottj- 
Qog  xttl  ndoTjg  r^q  niarecac  rjfjKvv).  Diese  Schrift  scheint  also  ganz  ahn- 
lich  angelegt  gewesen  zu  sein  wie  die  ^Testimonia"  des  Cyprian  (s.  Texte 
und  Untersuchungen  I,  II  S.  251),  und  es  liegt  daher  nahe,  anzunehmen, 
dass  sie  die  Quelle  fur  diese  gewesen  ist.  AUeiu  dagegen  spricht,  dass 
1)  Melito  nur  Stellen  aus  dem  hebriiischen  Kanon  des  A.  T.  zusammen- 
gestellt hat,  wahrend  den  Testimonien  der  alexandrinische  zu  Grunde 
liegt,  dass  2)  Melito  in  seinem  Werke  detaillirte  Angaben  iiber  den  Um- 
fang  des  alttestamentlichen  Kanons  und  iiber  die  Reihenfolge  der  Bucher 
in  demselben  gemacht  hat,  welche  bei  Cyprian  ganz  fehlen,   und    dass 


Dor  Charakter  uiid  die  Composition.  77 

det/.Tix/j  des  Hippolyt.  So  bleibeii  aiis  tilterer  Zeit  nur  der 
Dialog  des  Justin,  die  Schrift  Tertullians  „adv.  ludaeos"  imd 
die  „Testimonia"  des  Cyprian  iiln-ig.  Letzere  Schrift,  eine  Com- 
jiilation,  welclie  unter  anderem  den  Weissagungsbeweis  als  ein 
Stiick  des  katechetischen  Unterrichts  zeigt,  ist  mit  den  genannten 
Werken  enge  verschwistert.  Ans  spiiterer  Zeit  sind  eine  Reihe  von 
Tractaten  zur  Vergleicliung  herbeigezogen  worden.  Die  pseudo- 
cvprianischen  Schrifteu  „de  montibus  Sin  a  et  Sion"  und  „adv. 
ludaeos"'^^),  die  psendogregorianische  interessante  Sammlung 
..Testimonia  adv.  ludaeos" '' ^) ,  die  Tractate  des  Chrysostomus 
gegen  das  Judenthum,  die  „Demonstratio  c.  Ind.  de  adventu 
Cliristi"  des  Basilius  von  Seleucia  ^-),  die  noch  erhaltenen  Reste 
der  antijildisclien  Polemik  des  Cyrill  von  Alexandrien^^^^  (jas 
von  Mai  veroffentlichte  Fragment  des  Dialogs  zwischen  Tirao- 
theus  und  Aquila^^),  die  Abhandlnng  des  Celsiis  „de  iudaica 
incredulitate'*'^^),  endlicli  jene  umfangreiche,  aber  sehr  spate 
Sclirift  gegen  die  Juden.  die  unter  dem  Namen  eines  Anasta- 
sius  geht'^'^). 

Der  Dialog  des  Justin  mit  Tryplio  ist  die  fiir  uns  iilteste 
und  zugleicli  die  bedeutendste  und  umfangreichste  Schrift  aus 
dieser  ganzen  Gattung.  Ob  ein  oder  mehrere  Gesprache  mit 
Juden  die  Ausarbeitung  des  Dialoges  veranlasst  haben  —  was 
nicht  unwahrscheinlich  ist  — ,  oder  ob  er  frei  von  Justin  er- 
funden  ist,  das  ist  eine  ziemlich  gleichgliltige  Frage;  denn  sicher 
ist  es,  dass  Justin,  wie  Engelhardt  bemerkt  hat^'),  sich  bei 
Anfzeichnung  des  Dialogs  frei  bewegte  und  seinen  Gegner  fast 


3)  wir  von  einer  Verbreitung  dieses  Bnches  im  Abendlande  nichts  wissen. 
Ein  vierter  durchsclilagender  Grand  gegen  die  Hypothese  wird  sich  in 
eineni  spilteren  Abschnitt  ergeben. 

50)  Hartel,  Cypr.  0pp.  T.  III. 

51)  Zacagni,  1.  c.  p.  2S8— 329. 

52)  BibUotli.  Lugd.  T.  VIII  p.  495. 

53)  S.  Cyrilli  0pp.  ed.  Migne  T.  IX  p.  1422  u.  a.  a.  St. 

54)  L.  c. 

55)  Hartel.  Cypr.  0pp.  T.  III.  * 

56)  Bibliotb.  Lugd.  T.  XIII  p.  334sq.  —  Fraglich  ist,  ob  Lactantius 
seine  Absicht,  gegen  die  Juden  zu  sclireiben  (Inst.  div.  VII,  1:  .„Sed  erit 
nobis  contra  ludaeos  separata  materia,  in  qua  illos  erroris  et  sceleris  re- 
vincemus"),  iiberhaupt  ausgefiihrt  hat. 

57)  Das  Christenthum  Justin  des  Miirtyrers  S.  220. 


78  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

iiumer  nur  das  sagen  liess,  was  ihm  zur  Fortfiihrung  der  eigenen 
Gedanken  und  zur  Durchflihrung  seiner  Beweise  dienlich  er- 
scliien.  Unter  solcheu  Umstanden  ist  es  auch  fur  die  Exposition 
des  Dialoges  wenig  bedeutend,  dass  Justin  sich  selbst  und  niclit 
einer  erfundenen  Person  die  Rolle  des  Christen  zugetheilt  hat. 
Indessen  gewahrte  ihm  die  von  ihm  gewahlte  Form  den  Yor- 
theil,  in  der  Einleituug  seine  eigene  Bekehrungsgeschichte  er- 
zahlen  und  so  seine  Schrift  sehr  wirksam  einfiihren  zu  konnen. 
Eben  diese  Einleitung  zeigt  nun  aber,  dass  das  ganze  AVerk 
an  das  griechische  Pabhcum  gerichtet  ist  und  nicht,  oder  doch 
nicht  vornehmlich,  auf  jiidische  Leser  rechnete^^).  Zwar  lasst 
sich  nicht  verkennen,  dass  Justin  in  demselben  auch  Fragen 
erortert,  die  dem  Heiden  ferner  lagen^^),  Aber  es  ist  ja  nicht 
die  gebildete  Welt  ilberhaupt,  an  welche  er  sich  richtet,  son- 
dern  jene  suchenden  und  nnbefriedigten  Gemiither  in  ihr,  die, 
wie  er  selbst,  von  der  Philosophie  nicht  berahigt  und  vielleicht 
schon  auf  die  palastinensischen  Religionen  aufmerksam  geworden 
sind,  solche,  die  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  bereits  mit  der 
Frage,  Christenthum  oder  Judenthum,  befasst  haben.  In  einer 
wirklich  fiir  Juden  geschriebenen  Schrift  hiitte  die  ganze  aus- 
fiihrliche  Einleitung  iiber  das  Christenthum  als  die  wahre  Philo- 
sophie wenig  Sinn  gehabt,  und  auch  der  Schluss  ware  wolil 
wirkungsvoller  ausgefallen,  wenn  es  Justins  Absicht  gewesen 
ware,  vor  allem  die  Bekehrung  der  Juden  zu  betreibeu'^'^). 
Den  ganzen  Stoff  hat  Justin  in  die  beiden  Abschnitte  unterge- 
bracht:  de  lege  und  de  Christo;  denn  was  vom  135.  Capitel  ab 
noch  folgt,  ist  nur  die  geschichtliche  Consequenz  dessen,  was 
in  jenein  beiden  Theilen  festgestellt  worden  ist.  Was  nun  die 
Ausfiihrung  anbetrifft,  so  macht  Justin,  wie  schon  oftmals  be- 


58)  So  urtheilt  auch  Over  beck  („Ueber  die  Auftinge  der  patristischen 
Literatur\    Histor.  Ztschr.  N.  F.  Bd.  XII.  S.  448  n.  1). 

59)  Andererseits  lasst  er  seinen  Jnden  einige  Bemerkungen  maclien, 
die  den  wirklichen  Juden  chfiraktei'isiren  und  zeigen,  dass  Justin 
das  daiualige  Judenthum  kannte.  Aber  sie  kommen  nicht  hiiufig  vor  und 
■geben  dem  Rialoge  nicht  das  Gepriige.  Die  wichtige  Ausfiihrung  c.  47 
ist  ausserdem  gewiss  auch  auf  heidnische  (und  christHche)  Leser  berechnet. 

60)  Ueber  die  letzte  Absicht  des  Dialogs  wiire  Avahrscheinlich  ein 
Zweifel  nicht  moglich,  wenn  wir  etwas  von  jenem  Marcus  Pompejus  (c.  8. 
141)  wiissten,  dem  er  gewidmet  ist.  Die  Widmung  —  eine  solche  muss 
der  Dialog  urspriinglich  gehabt  haben  —  ist  aber  leider  verloren  gegangen. 


Der  Charaktor  mid  die  Composition.  79 

merkt  uiid  namentlich  a'Oii  Engelhardt  betont  worden  ist,  von 
der  philosophischen  Theologie  eiiien  geringeren  Gebrauch  als  in 
seiner  Apologie.  Aber  sie  bleibt  dock  die  Grundlage  seiner 
theologischen  Orientirung,  nnd  dass  ihre  Formeln  weniger  stark 
hervortreten,  hat  wohl  nur  darin  seinen  Grnnd,  dass  er  nicht,  wie 
in  der  Apologie,  in  erster  Linie  Philosophen  und  Freunde  der 
Philosophie  als  seine  Leser  denkt,  die  von  dem  Christenthum 
nnr  Fabeln  wussten.  Die  Leser,  an  welclie  er  sich  hier  wendet, 
stelien  der  Sache,  fiir  die  er  eintritt,  nm  einen  Schritt  bereits 
naher,  als  das  grosse  gebildete  Publicum,  vrelches  in  der  Apo- 
logie vorausgesetzt  ist '^^).  Der  Gebrauch,  den  Justin  von  christ- 
lichen  Schriften  neben  den  alttestanientlichen  macht,  ist  von 
dem  in  der  Apologie  kaum  verschieden.  Chrondgraphische 
Ausfuhrungen  finden  sich  in  dem  Dialoge  so  gut  wie  gar  nicht. 
Der  Dialog  des  Jason  und  Papiskus  scheint  auf  den  ersten 
Blick  iusofern  eine  Sonderstellung  einzunehmen,  als  der  Christ 
in  demselben  als  ein  geborener  Hebriier,  der  Jude  als  ein  Ale- 
xandriner  vorgestellt  war.  Man  erwartet  hiernach,  dass  der 
Verfasser  selbst  ein  jlidischer  Christ  gewesen,  dass  sein  Werk 
aus  den  besonderen  Streitigkeiten  zwischen  Juden  und  Juden- 
christen  herausgewachsen  war,  und  dass  es  also  nicht  eigentlich 
in  die  Reihe  der  hier  zu  besprechenden  Schriften  gehort  hat. 
Dieses  Vorurtheil  scheint  bgdeutend  verstarkt  zu  werden  durch 
die  uns  noch  erhaltene  Nachricht,  dass  Clemens  von  Alexandrien 
es  dem  Lucas  zugeschrieben  hat.  Das  Urtheil  des  Clemens 
besagt  in  der  That  mindestens  dies,  dass  der  Dialog  eine  Reihe 
von  Merkmalen  getragen  haben  muss,  durch  welche  er  sich  von 
den  gewohnlichen  apologetischen  Schriften  unterschieden  hat 
und  in  dem  Masse  mit  der  urchristlichen  Literatur  verwandt 
erschien*'-^).  Allein  andererseits  ist  aus  anderen  uns  erhaltenen 
Nachrichten"^^)  deutlich,  dass  die  Schrift  in  einer  ganzen  Reihe 


61)  Die  Schriften  ngbq^'EXlrivuc;  — nQoq  'lovSaiovg  —  'ExXoyal  (testi- 
monial) stehen  audi  sonst  walirscheinlicli  und  iiberliaupt  in  einer  Stufen- 
folge,  indem  die  ersten  die  Bediirfnisse  des  grossen  Publicunis,  die  zweiten 
die  der  Geforderten  und  bereits  nach  Offenbaning  Suchenden,  die  dritten 
die  der  Katecliumenen  vornehmlicli  beriicksiclitigen. 

62)  S.  liiezu  die  oben  angefiihrte  Abhandlung  von  Overbeck. 

03)  S.  Texte  u.  Unters.  I,  II  S.  115f.  Wir  werden  unten  noch  einmal 
auf  diese  Beobachtunofen  zuriickkommen. 


80  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

von  Merkmalen  die  gewohnliclien  Ziige  der  Apologetik  getragen 
liabeu  muss.  Das  gilt  niclit  nur  vom  Weissagungsbeweis  im 
engsten  Sinn  des  Wortes  —  wir  haben  iibrigens  oben  geseken, 
dass  dieser  in  seinen  Grundziigen  im  1.  und  2.  Jakrhuudert  bei 
Jiiden-  und  Heidenckristen  derselbe  geblieben  ist  — ,  sondern 
auck  namentlick  von  der  Ckristologie,  welcke  der  des  Justin  und 
der  Apologeten  iiberkaupt  almlick  gewesen  sein  muss.  Die  Chri.sto- 
logie  ist  aber  stets  Symptom  der  „Tkeologie".  Der  Dialog  katte 
also  kockst  vrakrsckeinlick  ein  doppeltes  Gesickt:  aber  das  Ar- 
ckaistiscke  kann  nickt  das  Hervorsteckendste  gewesen  sein,  und 
dass  es  dies  nickt  gewesen  ist,  darliber  belekrt  auck  die  Ge- 
sckickte  des  Dialoges  in  der  Kircke.  Die  Figuren  des  Dialoges, 
der  mit  der  Bitte  um  die  Taufe  von  Seiten  des  Juden  sckloss. 
waren  kockst  wakrsckeinlick  frei  erfundene.  Was  den  Umfang 
des  bekandelten  Stoffes  anlangt,  so  muss  sick  der  Verfasser 
ganz  wesentlick  auf  den  locus  de  Ckristo  besckrankt  kaben; 
denn  Origenes  nennt  die  Sckrift  ,,avTiloyia  tceql  Xqlotov^'-,  und 
Celsus  Afer  giebt  den  Inkalt  als  „adsertio  et  vindicatio  disposi- 
tionis  et  plenitudinis  Ckristi"  an. 

Tertulkans  Sckrift  adv.  ludaeos^^)  ist  in  ikrer  ersten  Hiilfte 
der  Anlage  nack  ein  durckaus  originales  Product^^).  Das 
sckliesst  nickt  aus,  dass  altere  grieckiscke  Sckriften  in  ikr  reick- 
lick  benutzt  sind.  Abkangigkeit  von  Justins  Dialog  ist  bereits 
von  Anderen  constatirt  worden,  Man  kat  die  Ecktkeit  der 
zweiten  Half'te  bekanntlick  beanstandet.  Die  Frage  kommt  an 
dieser  Stelle  nickt  in  Betrackt,  da  auf  alle  Falle  auck  der  zweite 
Tkeil  nock  dem  3.  Jakrkundert  angekort.  Das  Eigentkiim- 
licke  dQs  tertullianiscken  Tractates  ist  zuvorderst  dies,  dass  der 
Gegner  des  Ckristen  ein  jildiscker  Proselyt  ist,  und  dass 
Tertullian  daker  am  Anfang  von  der  Tkatsacke  aus  gegen  den 
jiidisckenParticularismus  argumentirt,  dass  dieHeiden  iiberkaupt 
auck  nack  jildiscken  Grundsiitzen  zum  Gesetz  Gottes  zugelassen 


04)  S.  Neander,  Antignosticus  S.  463  f.  Bohringer,  Tertullian  ~ 
S.  740.  Hesselberg,  Tert.'s  Lehre  I  S.  62f.  Grotemej-er,  Tert.'s  Leben 
u.  Schriften  II  (1S65)  S.  18f.  Hauck,  Tert.'s  Leben  u.  Schriften  S.  88 f. 
Bonwetsch,  Die  Schriften  Tert.'s  S.  40f.  Kellner,  Tert.'s  Siimmtl. 
Schriften  II  S.  26Gf. 

65)  S.  die  treffliche  Analyse  bei  Hauck,  a.  a.  0. 


Dcr  Chiu-akter  und  die  Composition.  81 

werden  konneii.  Er  maclit  damit  einen  Gedanken  zum  Ans- 
gangspunkt,  der  in  der  alteren  ajDologetischen  Literatur  kaum 
fur  werthvoll  erachtet  worden  ist.  Allein  audi  Tertullian  ist 
nicht  gesonuen,  ihn  ernstliaft  zu  nelimen.  Er  lenkt  sehr  rasch 
ill  die  lierkommliclie  Gegenliberstelluug  von  Gesetz  tind  Gesetz 
ein,  und  wenn  sicli  audi  seine  Auffassung  des  mosaisdien  Ge- 
setzes  in  wesentlidieu  Punkten  bereits  von  der  Justins  unter- 
scheidet,  so  bleibt  die  Argumentation  dodi  zienilidi  dieselbe. 
Von  der  Betraditung  des  Gesetzes  geht  Tertullian  zu  dem  ver- 
lieissenen  neuen  Gesetzgeber  (c.  6)  liber,  um  sehr  rasdi  auf  die 
Danieliscbe  Weissagung  zu  komnien.  Der  Nadiweis,  dass  die 
Zeitbestimmnngen  bier  genau  auf  Christus  passen,  ist  ihm  eine 
entscheidende  Hauptsadie.  Was  nun  folgt,  der  sog.  zweite  Tlieil, 
entlialt  den  lierkouimlidien  Weissagungsbeweis  in  Bezug  auf 
die  Person  und  die  Gesdiicke  Jesu  ini  Detail.  Bemerkenswerth 
ist,  dass  Tertullian  in  dem  ganzen  Tractat  von  NTlicben  Schriften 
kaum  irgend  Avelchen  Gebraudi  madit,  und  dass  er  hie  und  da 
Einwendungen  so  vorbringt,  als  habe  er  einen  wirklichen  Gegner, 
der  seine  Grlinde  geltend  madit,  vor  sich. 

Die  beiden  ersten  Blidier  der  „Testimouia"  Cyyjrians  *^*^) 
bilden  gegen  liber  dem  dritten,  das  ursprlinglich  gar  nicht  be- 
absichtigt  war  (s.  Praefat.  ad  lib.  1.  II  und  dazu  Praef.  ad  lib. 
Ill),  ein  Gauzes:  es  wird  in  ihnen  die  Verwerfung  der  Juden, 
die  Substitution  der  Christen  und  das  gauze  Mysterium  Christi 
aus  den  heiligen  Schriften  beider  Testamente  dargestellt. 
Sie  enthalten  wesentlich  nichts  anderes,  als  systematisch  grup- 
pirte  Excerpte  aus  dem  A.  und  N.  T.  Was  der  Verfasser  hinzu- 
gethan  hat,  sind  die  ausflihrlichen  Capitelliberschriften  und  hie 
vmd  da  —  aber  sehr  selten  —  langere  oder  kiirzere  zusammen- 
fassende  Bemerkungen,    Es  verdient  alle  Beachtuns;,  dass  diese 


66)  Die  Echtheit  der  Testimonia  (libelli  tres  ad  Quirinum)  ist  von 
Erasmus  angezweifelt  worden.  Die  Schrift  wird  jetzt  mit  Redit  fiir 
edit  gehalten.  Sie  findet  sich  bereits  im  Cod.  Sessor.  saec.  VIII.  vel  IX., 
dagegen  niclit  im  Seguierianus  saec.  VI.  vel.  VII.;  vgl.  Hartal,  0pp. 
Cypr.  Prolegg.  p.  XXIII  sq.  Entscheidend  aber  isf,  dass  bereits  Pelagius, 
Augustin  und  Hieronymus  die  Schrift  fiir  cyprianisch  gehalten  haben;  s. 
August,  c.  duas  epp.  Pelag.  IV,  21.  27;  Hieron.  Dial.  c.  Pelag.  32.  Auch 
sie  kennen  sie  lediglich  unter  dem  Titel  „ad  Quirinunl";  der  vulgare: 
„Testimoniorum  libri  adversus  ludaeos"  ist  handschriftlich  nicht  bezeugt. 
Texte  und  Untersuchungen  I,  3.  (] 


82  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Schrift,  welche  eine  Einfiihrung  in  das  Schriftganze  imd  ein 
Compendium  des  Schriftinhaltes  fur  Katecliumenen  und  der 
Unterweisung  Bedlirftige  entlialt,  in  der  Form  einer  Auseinander- 
setzung  mit  dem  Judenthum,  resp.  einer  Bekampfung  desselben 
(s.  oben)  auftritt.  Aber  noch  melir:  stofflich  ist  diese  Samm- 
lung  ganz  und  gar,  soweit  sie  sich  auf  das  A.  T.  bezieht, 
von  den  Arbeiten  der  Apologeten,  und  zwar  vornebmlicb  der 
antijlidischen,  abhangig''^').  Aus  ihr  lasst  sicli  daher  auf  Z week 
und  Absicht  jener  Schriften  zurlickschliessen,  und  sie  warnt 
davor,  sich  durch  die  Form  derselben  irre  leiten  zu  lassen. 
Wichtig  ist,  dass  sich  aus  ihr  trotz  aller  Knappheit  der  Zustand 
des  christologischen  Dogmas  ermittehi  lasst,  wie  er  damals  be- 
stand.  Die  6  ersten  Capitel  des  2.  Buches  bilden  eine  Climax: 
Christus  ist  „primogenitus" ,  er  ist  die  „sapientia  dei",  er  ist 
„sermo  (manus,  brachium)  dei",  er  ist  endlich  ilberhaupt  „deus". 
Geht  man  von  dieser  Sammlung  zu  der  mehr  als  ein  Jahr- 
hundert  jiingeren  iiber,  die  unter  dem  Namen  des  Gregor  von 
Nyssa  bekannt  ist  (Testimonia  adv.  ludaeos),  so  fallt  die  Ueber- 
einstimmung  derselben  mit  jener  und  mit  den  altesten  anti- 
judischen  Schriften  im  Stoff  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
auch  in  der  hochst   einfachen  Art   der  Verwendung  desselben 


67)  A  priori  liisst  sich  freilich  sclion  vermutlien,  class  ein  Werk,  wie 
das  vorliegende,  erst  zusammengestellt  worden  ist,  nachdem  in  verschiede- 
nen  Specialschriften  bereits  ein  reiches  und  gesiclitetes  Material  zur  Hand 
war.  Die  selbstilndige  Auffindung  und  Gruppirung  von  mehr  als  700 
Bibelstellen  (so  viele  in  den  drei  Biichern)  wiire  ein  sehr  zeitraubendes 
und  miihevolles  Geschiift  gewesen,  zumal  bei  dem  damaligen  Zustande 
der  BuchroUen.  Mindestens  die  alttestamentlichen  SteUen  in  den  beiden 
ersten  Biichern  miissen  bereits  gesammelt  gewesen  sein,  und  sie  waren 
es  eben  auch  —  um  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  — ,  nachdem  man  sich 
bereits  mehr  als  hundertfiinfzig  Jahre  lang  um  das  Evangelium  im  A.  T. 
bemiiht  hatte,  und  nachdem  die  alexandrinischen  Juden  schon  langst  mit 
Stellensammlungen  zu  gewissen  biblischen  HauptbegrifFen,  angeblichen  und 
wirklichen,  vorangegangen  waren.  Gegen  diese  Annahme  spricht  nicht, 
dass  Cyprian  (Praef.  ad  lib.  I)  sich  fur  seine  Sammlung  auf  die  .,medio- 
cris  memoria"  beruft;  denn  Eigenes  hat  er  natiirlich  dazugethan.  Es 
lasst  sich  vielmehr  aus  einer  Vergleichung  der  Vorrede  zum  3.  Buche 
vermutlien,  dass  erst  dieses  ihm  eigentlich  Muhe  gemacht  hat.  Hier 
waren  wohl  entweder  gar  keine  oder  ganz  unbedeutende  Vorarbeiten 
vorhanden. 


Der  Chiivaktor  mid  dio  Composition.  S3 

sehr  aiiff''').  Man  kihmte  sie  daher  I'iir  eiiie  selir  alte  Schrift 
halten,  wiircle  nicht  im  ersten  Capitel  an  den  theologischen  nnd 
cliristoloj^ischen  Testimonien  des  Alten  Testaraentes  durchweg 
das  Trinitatsdogma,  wie  es  sich  in  der  2.  Hiilfte  des  4.  Jalir- 
hunderts  fixirt  hatte,  erwiesen.  Dieses  Capitel  scliliesst  mit  den 
Worten:  Idoh  anodadei/MTai  gIv  ^€(o  dice  nXeiovtov  rrjg  aylag 
■/.at  of-ioovGiov  TQiddog  a\  vTioGzaosig.  Dass  nun  gerade  liier 
die  Zeit  des  Schriftstellers  sich  verrath,  wiihrend  der  Weis- 
sagungsbeweis  sonst  so  stereotyp  geblieben  ist,  ist  nicht  auf- 
fallend.  Wir  haben  oben  gesehen,  dass  derselbe  seit  der  Mitte 
des  2.  Jahrhunderts  mit  der  rationalen  Theologie  verkniipft 
worden  ist.  Also  ist  es  audi  zu  erwarten,  dass  er  die  Aus- 
bildung,  welche  dieselbe  erfahren  hat.  an  seinem  Theile  stets 
deutlich  machen  wird.,  Hier,  und  hier  vor  allem,  haben  wir 
einen  chronologischen  Anhaltspunkt  zur  Bestimmung  von  Schrif- 
ten,  die  den  Weissagungsbeweis  in  der  Hauptsache  wiedergeben 
und  deren  Alter  unsicher  ist*^''). 

Solche  Anhaltspunkte  werden  sich  alier  auch  in  der  Kegel 
dort  fin  den,  wo,  wie  z.  B.  in  der  Schrift  des  Basilius  von  Se- 
leucia  c.  lud.,  die  Rechnung  nach  Daniel  die  Hauptsache  ist,  oder 
wo,  wie  in  dem  Gesprach  des  Timotheus  und  Aquilas,  die  dia- 
logische  Form  festgehalten  wird.  Dort  namlich  wird  der  Schrift- 
steller  es  selten  unterlassen,  chronologische  Angaben  iiber  die 
eigene  Zeit  zu  machen,  und  hier  werden  die  Situation,  welche  der 
Verfasser  schildert,  der  Rahmen  und  die  Ausfiihrung  des  Bildes, 
Fingerzeige  fiir  die  Datirung  geben.  Mai  hat  von  jenem  Dialog 
des  Timotheus  und  Aquilas,  der  in  den  Tagen  des  Cyrill  ge- 
halten  sein  will,   dessen  Stil  aber  ein  spateres  Alter  verrathen 


68)  Audi  hier  werden  hie  und  da  die  Juden  redend  eingefiihrt,  s. 
z.  B.  c.  11  (Zacagni,  1.  c.  p.  313):  igovai  6h  navts;;  ol  'lovdaioi,  on  tl 
xbv  avTov  &sdv  os^ead^s,  tl  fiij  nsQcr^/nvsaS^e  xxX. 

G!l)  Auch  die  Citationsfornieln  konnen  hie  und  da  von  chronologi- 
scher  Bedeutung  werden,  indessen  hat  sich  seit  dem  Anfang  des  3.  Jahr- 
hunderts in  dieser  Hinsicht  wenig  verandert.  Sehr  wichtig  ist  natiirlich 
der  Text  der  Bibelstellen  fiir  die  chronologische  Frage.  Es  gehort  mit 
zu  den  charakteristischen  Ziigen  der  Liltesten  Apologetik  sowie  der  vor- 
theologischen,  dass  man  sich  nicht  scheut,  den  gewiinschten  Sinn  durch 
Textesverilnderungen  deutlicher  zu.  machen,  resp.  hervorzubringen.  In 
spaterer  Zeit  hort  dieses  Verfahren  auf. 


84  Cie  Altercatio  Simonis  et  TheopMli. 

soil,  nur  den  Anfaiig  und  den  Scliluss  mitgetheilt '**).  Sie  ge- 
nligen  in  der  That,  um  zu  beweisen,  dass  er  sehr  jung  ist. 
Nicht  nur  wird  in  dem  Dialog  gezeigt,  dass  Christus  der  ^sog 
&eu)v  ist,  spndern  eine  Reihe  von  Aiisdrlicken  bekunden  sekr 
deutlich  das  spate  Alter  (z.  B.  av(p7]f.i6lv  ts  x6v  [^aoilia  y.ai  tov 
loayyslov  eniayiouov).  Bezeiclmend  ist  audi,  dass  der  Christ, 
von  dem  Juden  uro  die  Taufe  gebeten,  dieselbe  niclit  ertheilen 
kann,  den  Neubekehrten  vielmehr  zum  Bischof  fiihrt,  dieser 
aber  den  Tiniotheus  zum  Diacon,  sodann  zum  Presbyter  weiht, 
worauf  er,  in  dieser  Eigenschaft,  noch  an  demselben  Tage  die 
Taufe  an  dem  Juden  vollzieht. 

Wir  konnen  nun  nach  diesen  Vorbemerkungen  die  Alter- 
catio Simonis  et  Theophili  ins  Auge  fassen;  denn  es  ist  nicht 
nothwendig,  auf  die  monographischen  Tractate  und  die  Predigten 
adv.  ludaeos  des  3.  bis  5.  Jahrhunderts  hier  naher  einzugehen, 
da  sie  f'iir  das  geschichtliche  Verstandniss  jener  Schrift  nur 
wenig  austragen. 

Erinnert  man  sich,  dass  die  Altercatio  am  Anfang  des 
5.  Jahrhunderts  verfasst  ist,  so  muss  jedem  Kenner  der  Dogmen- 
geschichte  der  archaistische  Charakter  derselben  auffallen. 
Derselbe  tritt  nicht  in  der  Art  des  Weissagungsbeweises  an  sich 
hervor,  sondern  vielmehr  in  der  Theologie  und  Christologie  des 
Yerfassers.  l)ie  kirchliche  Trinitatslehre  ist  ebensowenig  be- 
riihrt  wie  die  Zweinaturenlehre;  dagegen  sind  die  Formeln, 
vrelche  der  Veifasser  hier  braucht,  durchweg  die  des  zweiten 
Jahrhunderts  ^  ^).     Von    der    Menschheit  Christi    ist    iiberhaupt 


70)  Spicil.  Kom.  T.  IX.  p.  Xllsq.  Mai  bemerkt  ausserclem:  „Constat 
dialogus  longo  vaticinioruin  examine,  quibus  clemonstratur ,  lesum  revera 
deum  esse  et  exspectatum  illuin  a  ludaeis  Messiain,  suadente  Cliristiano, 
contradicente  ludaeo". 

71)  Wohl  wird  Christus  „deus  et  dei  filius"  genannt;  aber  diese  Zu- 
sammenstellung  ist  schon  dem  Justin  gelaufig  und  sie  ist  dem  Verfasser 
kein  Ausgangspunkt  fiir  weitere  Speculationen.  Die  Stelle  Gen.  18,  4.  die 
in  spilterer  Zeit  (s.  z.  B.  die  pseudogregorianischen  Testimonia,  Zacagni 
p.  291  sq.)  stetsfiir  die  Trinitatslehre  verwendet  worden  ist,  wird  von  unserem 
Verfasser  I,  6  zwar  citirt,  aber  ohne  diese  Verwendung.  Die  an  Moses 
gerichteten  Worte  (II,  7):  „Ecce  dedi  te  deum  Pharaoni"  werden  unbe- 
fangen  angefiihrt,  um  die  Cxottheit  Christi  verstaudHch  zu  machen;  ebenso 
wird  (III,  11)  eine  Parallele  gezogen  zwischen  der  Erzeugung  Christi  und 
der  Erschaffung  des  Menschen.     Der  priiexistente  Christus  ist  „verbo  edi- 


Der  Charakter  uiul  die  Composition.  §& 

eigentlich  nirgends  die  Rede  —  c.  Ill,  14  scheint  der  Doketismus 
abgewelirt  zu  sein  — ,  dagegen  beschaftigt  sich  der  Verfasser 
nicht  iiiir  durcli  den  ganzen  Tractat  hindurch  luit  der  zwei- 
I'acben  imd  so  verschiedenen  Ankunft  Christi,  sondern  er  hat 
aucli  gleicli  im  Eingange  deni  Spruclie  Isa.  44,  6  („Ego  primus 
et  ego  novissimus")  eine  Deutung  aiif  sie  gegeben,  mid  seine 
Bezieliung  von  Deut.  32,  39  („Praeter  me  non  est  deus")  aiif 
den  Antichrist  ist  ebenso  frappirend  wie  alterthtimlich.  Er  er- 
wiihnt  ferner  das  tausendjahrige  Reich  und  setzt  dasselbe  der 
„imaginaria  requies  diei  septimi"  (VII,  28)  entgegen.  Der  all- 
gemeine  Weltbrand  wird  VI,  24  ausfuhrlich  besprochen.  Wo 
der  Kirche  gedacht  wird  (VI,  24.  25),  da  werden  nirgends  be- 
stimmte  Institntionen  in  ihr  hervorgehoben,  vielmehr  kommf 
sie  lediglich  als  die  neue,  wahre  Gemeinde,  das  Volk  Gottes, 
gegenliber  der  Synagoge  in  Betracht.  Der  Verfasser  scheiit 
sich  audi  nicht,  die  Kirche  mit  der  „fornicaria"  zu  vergleichen. 
Anspielungen  auf  neutestamentliche  Schriften  sind  sehr  spar- 
lich;  die  Ausfiihrungen  ruhen  ganz  und  gar  auf  deni  A.  T., 
welches  zudem  in  freiester  Weise  ])enutzt  wird.  Der  Verfasser 
hat  sich  entweder  selbst  eine  Reilie  von  alttestamentlichen 
Spriichen  nach  seinem  Gutdiinken  zur  Verstarkung  seiner  Be- 
weise  redigirt,  oder  er  hat  eine  zu  apologetischen  Zwecken  zu- 
sammengestellte  und  bearbeitete  Sammlung  von  Spriichen  be- 
nutzt.  Seine  allegorischen  Erklarungen  des  A.  T.  sind  zum 
grosseren  Theile  die  allbekannten;  aber  hie  und  da  bringt  er 
eigenthiimhche  Deutungen,  von  denen  nianche  anstossig  naiv 
sind '2). 

Alle  diese  Merkmale  lassen  in   dem  Verfasser   eher  einen 

tus,  ore  prolatus"  (1.  c,  s.  Justin).  Nirgends  ersclieint  die  Christologie 
tiber  die  Linie  hinausgefiihrt,  bis  zu  welcher  sie  selion  im  2.  Jahrliundert 
ausgebildet  war. 

72)  Die  ^Exegese"  des  Euagrius,  wenn  von  einer  solchen  iiberhaupt 
geredet  werden  kann,  ist  die  der  iilteren  Apologeten.  Von  einer  schul- 
massigen  Exegese,  wie  sie  in  Anlehnung  an  die  Alexandriner  und  Antio- 
chener  auch  im  Abendlande  im  fiinften  Jahrhundert  betrieben  wurde, 
ist  audi  nicht  eine  Spur  zu  entdecken.  Indessen  ist  diese  Beobach- 
tung  fiir  die  Frage  nach  dem  wirklichen  Alter  der  Altercatio  belanglos, 
da  der  Weissagungsbeweis  stets  sprode  gegen  die  kunstmassige  Exegese 
gebHeben  ist.  Die  letztere  hat  es  immer  nur  zu  einzelnen  apologetischen 
Tractaten  srebracht. 


86  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

Zeitgenossen  des  Barnabas  unci  Justin  als  cles  Augustin  und 
Nestorius  vermutlien.  Wissen  wir  auch,  dass  sicli  im  Abend- 
lande  wahrend  des  ganzen  4.  Jahrhunderts  das  Alterthiiniliche 
viel  ztiher  erlialten  hat  als  im  Morgenlande,  und  dass  dasselbe 
iiberall  in  einer  antijiidisclien  Polemik,  resp.  in  der  Form  einer 
solchen,  besonders  stark  hervortreten  musste,  so  soil  docli  Eu- 
agrius  nacli  der  Zeit  des  Augustin,  resp.  in  den  letzten  Jaliren 
desselben  gesclirieben  haben,  und  sein  Werk  triigt  docli  den 
alterthlimlichen  Stempel  in  einem  weit  liolieren  Masse  als  die 
Schriften  eines  Lactantius,  die  um  ein  Jahrliundert  alter  sind. 
Dialoge  pflegen  docli  sonst  stets  die  Zeit  zu  verrathen,  aus 
welcher  sie  stammen,  sei  es  in  einer  dogmatiscli-theologischen 
Ausfuhrung  sei  es  durch  einen  Hinweis  auf  die  allgemeine  Zeit- 
lage.  Nun  —  mindestens  eine  Ausfiibrung  macht  es  in  der 
That  evident,  dass  unser  Dialog,  wie  er  vorliegt,  wirkhch  dem 
5.  Jahrliundert  angehort:  es  ist  der  Abschnitt,  in  welchem 
der  Verfasser  auf  die  audi  in  der  Geburt  iiiclit  verletzte  Jung- 
fraulichkeit  der  Maria  eiiigegangen  ist'''').  Dieses  Dogma  ist 
l^ekanntlich  nicht  alter  als  die  Zeit  des  Hieronymus.  Ein  Schrift- 
steller,  welcher  dasselbe  so  vertreten  hat,  wie  unser  Verfasser, 
kann  daher  friihestens  dem  Aiifang  des  5.  Jahrhunderts  oder 
dem  Ausgang  des  4.  angehoren''^). 

Indessen  gerade  der  liier  bezeichnete  Abschnitt  beweist, 
dass  unser  Dialog  nach  einer  iilteren  Vorlage  gearbeitet  ist. 
Er  erweist  sicli  namlich  offenbar  als  eineEinschiebung. 
Im  dritten  Capitel  der  Altercatio  wareii  die  Fragen  nach  der 
Gottessohnschaft  Christi  und  der  Jungfrauengeburt  bereits  er- 
ledigt,  wie  der  Jude  selbst  IV,  15  ausdriicklich  constatirt.  Er 
verlangt  nun  nach  einem  Beweise  dafiir;  dass  Christus  ein  Solin 
Davids,  und  dass  er  in  Bethlehem  geboren  sei.  Dieser  Beweis 
Avird  ilini  von  Theophilus  in  den  beiden  Prophetenstellen  Isa. 


73)  S.  c.  IV,  1,5.  IfJ. 

74)  S.  Hieron.  adv.  Pelag.  (0pp.  ed.  Mart.  IV,  2  p.  512):  „Solus  Christu.s 
clausas  portas  vulvae  virginalis  aperuit,  quae  tamen  clausae  iugiter  per- 
manserunt.  Haec  est  porta  orientalis  clausa,  per  quam  solus  pontifex  ingre- 
ditur  et  egreditur,  et  niliilo  minus  semper  clausa  est".  Aehnlich  Ambro- 
sius ;  auders  noch  TertuUian,  Origenes,  Epiphanius,  Pseudogregoi  adv.  lud. 
(Zacagni,  1.  c.  p.  304sq.);  s.  Hase,  Polemik  *  S.  313. 


Der  Cliiiriikter  und  (.lie  Composition.  S7 

11.  1.  2  und  Miclia  5,  2  gegeben"-^).  Die  beiden  Stellen  steben 
aber  niclit.  wie  man  erwarten  muss,  neben  einaiider,  sondern  da- 
zwiscben  ist  von  „Deus  enim,  qui  in  Numeris  etc."  (IV,  15  p.  24,  25) 
bis  ..inpleta  cognosces''  (lY,  17  p.  25,  17)  eine  Satzgruppe  einge- 
scboben,  die  von  der  Jungfraulicbkeit  der  Maria  post  partum  ban- 
delt,  in  welclier  sogar  bebauptet  wird,  dass  der  ganze  Streit  zwi- 
scben  Juden  und  Cbristen  darum  sicb  drebe,  ob  eine  .Tungfrau  als 
Jungfrau  geboren  babe.  Dass  der  Abscbnitt  aus  dem  Zusammen- 
liang  des  Dialogs  berausfallt,  muss  Jedem  sofort  deutlicb  sein, 
der  darauf  aufmerksam  gemacbt  wird.  Man  konnte  nun  ver- 
mutben,  dass  er  nicbt  von  Euagrius  selbst,  sondern  von  einem 
Spiiteren,  einem  Abscbreiber,  eingefiigt  sei;  allein  dieser  Hypo- 
tbese  stebt  die  Beobacbtung  im  Wege,  dass  der  Stil  des  Ab- 
scbnittes  volHg  mit  dem  Stil  des  Ganzen  stimmt,  dass  selbst 
mebrere,  nicbt  eben  gewobnlicbe  Ausdrlicke  identiscb  sind''^), 
und  dass  uamentlicb  die  Wendung,  als  setze  der  Cbrist  Miss- 
trauen  in  den  jlidiscben  Glauben  an  die  Propbeten,  audi  sonst 
in  dem  Dialog  sicb  findet.  Die  bezeicbnete  SatzgTuppe  ist  also 
ein  integrirender  Bestandtbeil  der  Scbrift  des  Euagrius;  sie  be- 
weist  aber  dann,  dass  dieser  eine  altere  Vorlage  mecba- 
niscb  und  daber  wobl  ziemlicb  treu  fiir  seine  neue 
Scbrift  copirt  bat. 

Sobald  dieses  an  einem  Punkte  —  und  wir  holFen  mit 
Sicberbeit  —  constatirt  ist,  fallen  andere  Beobacbtungen  auf, 
welcbe  diese  Hj'potbese  stiitzen.  In  c.  VII,  28  (p.  42, 9)  ist  mitten  in 
einen  Abscbnitt,  der  von  dem  Verbot  des  vinum  ludaicum  ban- 
delt,  der  Satz  bineingestellt:  „et  azymas  tuas  manducare  veta- 
mur".  Die  alttestamentlicben  Stellen,  welcbe  angefiihrt  werden, 
bezieben  sicb  nur  auf  den  Wein,  d.  b,  das  Blutvergiessen  wird 
unter  demBilde  des  Weines  dargestellt  und  umgekebrt.  Das  Verbot 
der  Azyma  ist  aber  wortlicb  zu  versteben.  Dieses  gebt  obne  Z weifel 
zuriick  auf  den  7U.  apostoliscben  Kanon,  resp.  auf  den  37.  Kanon 
von  Laodicea  —  friiher  ist  es  in  der  Literatur  nicbt  uacbweisbar. 
Man  kann  audi  bier  den  Verdacbt  nicbt  uiiterdriicken,  dass  der 
Verfasser  in   eine  altere  Vorlage  ein  modernes  Verbot  liinein- 


75)  Der  ersten  Stelle  sind  die  Worte  hinzugefiigt  (IV,  15):  ,Virga 
enim  Maria  virgo  fuit,  quae  ex  semine  David  processit,  ex  qua  Christ  us 
flos  patriarcharum  secundum  carnem  nascitur". 

7(5)  Z.  B.  „plenitudo  evangeliorum" ;  s.  V,  20.  VI,  25. 


g§  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

gestellt  hat,  olme  zu  beinerkeii,  dass  das  so  Zusammengescliweisste 
gar  nicht  zusammenpasst.  C.  VI,  24  (p.  33,  7sq.)  wird  mit  der 
Formel  „praedictns  adventus"  auf  die  Wiederkunft  Christi  liin- 
gedeutet,  aber  von  dieser  war  bislier  nocli  niclit  die  Rede.  Also 
scheint  es,  dass  Euagrius  aus  seiner  Vorlage  aucli  Stiicke  weg- 
gelassen,  mindestens  an  einer  Stelle  aber  die  Auslassung  nicht 
geniigend  verdeckt  hat.  Endlich  ist  hier  des  so  rathselhaften 
Anfanges  der  Schrift  zu  gedenken.  Wie  oben  (§  1)  bemerkt, 
beginntVmit  denWorten:  „Fuit  igitur  altercatio  legis  inter  etc."; 
B  und  C  stellen  dagegen  eine  kurze  Einleitung  voran,  die  aber 
nur  in  B  dnrch  eine  kurze  Adresse  („Domino  fratri  valerio  a . .  ius 
saluteni")  eine  Etiquette  erhalten  hat.  Es  wird  audi  Anderen 
so  gehen,  dass  sie  um  des  abrupten  Anfanges  in  V  willen  zu- 
nachstjene  Einleitung  fiir  urspriinglich  anzusehen  geneigt  sein 
werden.  Allein  bei  naherer  Betrachtung  lasst  sich  diese  Hypo- 
these  scliAverlich  halten.  Erstlich  namhch  ist  es  nicht  ersicht- 
lich,  waruni  die  Einleitung,  wenn  urspriinglich,  fortgelassen 
worden  sein  soUte,  wahrend  ihre  Beifiigung  sich  sehr  wohl 
erklart.  Zweitens  zeigen  alle  Handschriften,  dass  die  Altercatio 
anonym  cursirt  hat''),  3)  ist  der  Verfassername  in  der  Adresse 
von  B  unzweifelhaft,  wie  er  auch  ursprunglich  gelautet  haben 
mag,  ein  unrichtiger,  4)  endlich  —  und  das  scheint  die  Haupt- 
sache  —  stinimt  die  Einleitung  gar  nicht  mit  dem  Inhalte  der 
Schrift  selbst  zusammen.  Nach  jener  soil  der  Verfasser  von 
einer  Unterredung  berichten,  die  er  selbst  soeben  als  Augen- 
zeuge  miterlebt  hat;  aber  nicht  ein  Wort,  nicht  ein  Zug  deutet 
in  der  Schrift  selbst  darauf  hin.  Hatte  der  Verfasser  als  Augen- 
zeuge  berichtet  oder  auch  nur  berichten  woUen,  so  hiitte  er 
iiber  die  Situation  und  liber  die  Personen  der  Disputanten  doch 
wohl  ein  Wort  verloren.  So  wie  diese  Einleitung  ohne  Ver- 
bindung  mit  dem  Folgenden  dasteht,  kann  sie  nur  als  ein 
schlechter  und  erfolgloser  Versuch  gelten,  das  Auffallende  des 
Anfangs  der  Schrift  zu  ermassigen.  Dieser  Anfang  ist  aller- 
dings  ein  ganz  ungewohnlicher.  Sieht  man  auch  von  dem  selt- 
samen  „igitur"  ab,  welches  sich  auf  die  Ueberschrift  zuriickbe- 
ziehen   kann,    so   lasst  sich  doch   der   gauze  Eingaug  und  die 


77)  Der  Zusatz  in  B:  „quam  scripsit  evagi-ius"  ist  in  spiiterer  Zeit  ge- 
macht  unci  darf  wohl  auf  die  Lecture  des  Gennadius  zuriickgefiihrt  werden. 


Der  Charakter  und  die  Composition.  89 

unvermittelte  tEintuhrung  der  Persoueii  nur  clurcli  die  Annahme 
erkliiren,  dass  der  Verfasser  selbst  etwas  fortgelassen  hat.  Dies 
wird  aber  sofort  verstiiiidlich ,  wenu  man  die  Hypotliese  zu 
Httlfe  nimmt.  dass  er  eiuen  iilteren  Dialog  als  Vorlage  benutzte, 
dessen  Eingang  er  sich  niclit  aneigiien  wollte  oder  konnte.  1st 
aber  die  Annahme  einer  iilteren  Vorlage  bereits  aus  anderen 
Griinden  (s.  oben)  als  erwiesen  zu  betrachten,  so  erscheint  die 
hier  gegebene  Erkliirung  fast  unumganglich. 

Wir  diirfen  somit  als  gesichert  annehmen,  dass  Euagi-iiis 
einen  alteren  Dialog  dnrch  Zusatze  und  Auslassungen  liber- 
arbeitet  hat.  Es  fragt  sich,  ob  sich  ausser  den  zwei  genannten 
Stucken  (IV,  15—17  u.  ein  Theil  von  VII,  28)  fioch  andere  als 
Zusatze  erweisen  lassen.  Als  ein  soldier  erscheint  ferner  der 
Satz  p.  26,  8 — 10  (fiir  „nam  si"  etwa  „et  si"),  welcher  den  Zu- 
sammenhang  durchbricht  und  mit  p.  20,  25;  31,  10;  34, 10  streitet. 
Anderes  ist  unsicher  oder  irrelevant.  Die  Disposition  zeigt 
sich  iiberall  als  eine  sachgemasse  und  durchsichtige.  Fiillt  auch 
bei  fliichtiger  Betrachtuug  auf,  dass  das  Capitel  liber  die  Be- 
schneidung  (c.  5)  zwischen  die  Abschnitte,  welche  von  dem  Ur- 
sprung  und  der  Geburt  Christi  (c.  4)  und  von  seinem  Leiden 
(c.  6)  handeln,  gestellt  ist,  so  erklart  sich  doch  diese  Stellung 
bei  genauerer  Priifung  daraus,  dass  der  Jude  von  der  Be- 
schneidung  Christi  ausgeht.  Die  beiden  langeren  Excurse  in 
dem  umfangreichen  sechsten  Abschnitte  (zu  Num.  13,  24  sq. 
und  liber  die  Kirche)  fallen  nicht  aus  dem  Rahmen  des  Ganzen 
heraus;  kleinere  Unebenheiten  sind  hie  und  da,  aber  nur  selten 
zu  constatiren;  Zusammenziehungen  mogen  an  einigen  Stellen 
stattgefunden  haben. 

Da  am  Anfange  der  Disputation  bestimmt  worden  ist,  dass 
die  Beweise  lediglich  „praesentia  legis"  gefiihrt  warden  sollen, 
und  da  diese  Abmachung  eingehalten  wird,  so  sind  schliesslich 
noch  die  Stellen  in  Betracht  zu  ziehen,  in  welchen  auf  die 
evangelische  Geschichte,  resp.  auf  neutestamentliche  Schriften 
angespielt  wird.  Der  Verf.  bezieht  sich  auf  die  Geburt  Christi 
in  Bethlehem,  auf  seine  Beschneiduug  am  8.  Tage,  auf  die  An- 
kunft  der  Magier,  die  Wahl  des  Matthaus,  die  Kreuztragung, 
die  Leidensgeschichte,  iiberhaupt  auf  die  Stiicke  der  regula  lidei. 
Hier  ist  nichts,  was  nicht  auch  im  zweiten  Jahrhundert  ge- 
schrieben  sein   konnte,    zumal  da   der  Verfasser  jedes   directe 


90  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

Citat  vermeidet.  Aucli  die  melirmalige  Yerweisuug  auf  die 
,,pleuitudo  evaugeliorum"  ist  nicht  auffalleud.  Auffallend  aller- 
dings  ist  die  Erklaruug  (V,  20)  zu  Isa.  43,  19:  „et  ponam  in 
deserto  flnmina"  —  „lioc  est  in  ecclesia  evangelia''.  Allein  siebt 
man  genauer  zu,  so  gehort  diese  Bemerkuug  gar  nicht  in  den 
urspriingliclien  Zusammenliang.  In  dieseni  liandelt  es  sicli  ledig- 
lich  wie  im  2.  Jalirliundert  iim  das  testamentum  novum  et  vetus, 
von  Evangelien  ist  gar  nicht  die  Rede.  Die  Jesajasstelle  selbst 
ist  mit  den  Worten  eingeflihrt:  ,,Pro  testament©  novo  sic 
dicit  Esaias".  Die  specielle  Erklarung  der  „flumina"  als  „evan- 
gelia"  fallt  durchaus  aus  dem  Zusammenhange  heraus,  wie  auch 
das  gleich  folgende  Citat  aus  Jerem.  31,  31  beweist.  —  Nur  zu- 
falhg  ist  jedenfalls  die  Berlibrung  III,  12  init.  mit  II  Cor.  3,  13  sq., 
und  auch  darauf  wird  schwerHch  Gewicht  zu  legen  sein,  dass 
die  beiden  Stellen  Isa.  59,  7  und  Ps.  14,  welche  der  Verfasser 
VII,  28  verwechselt  hat,  Rom.  3,  10  sq.  als  verbunden  erscheineu. 
Die  allegorische  Deutung  der  „gladii  petrini"  auf  Petrus  (V,  20 
lin.)  hat  keine  neutestamenthche  Grundlage  und  darf  daher  hier 
iibergangen  werden.  Somit  bleiben  nur  zwei  Stellen  lib  rig, 
welche  Schwierigkeiten  zu  machen  scheinen.  C.  II,  9  braucht 
der  Verfasser  eine  Wendung,  welche  sich  mit  Hebr.  1,  5.  6 
wortlich  beriihrt,  und  c.  Ill,  11  findet  sich  in  aller  Form  ein 
Citat  —  das  eiuzige  —  aus  einer  neutestamenthchen  Schrift: 
Jon.  1,  1 — 3.  Allein  die  Beriihrung  mit  Hebr.  1,  5  kann  eben- 
falls  eine  zufallige  sein;  ausserdem  ware  es  auch  bei  der  An- 
nahme,  die  Vorlage  stammte  aus  dem  2.  Jahrhundert,  nicht 
auffallend,  dass  der  Verfasser  den  Hebraerbrief  benutzt  hatte. 
Was  aber  das  Citat  Job.  1,  Isq.  betrifft,  so  ist  es  schwer,  ein 
Urtheil  zu  fallen,  da  in  Folge  einer  Textescorruption  die  Art 
der  Ankniipfung  desselben  an  das  Vorhergehende  nicht  ganz 
klar  ist.  Dass  es  den  Zusammenhang  durchbricht,  ist  deutlich; 
andererseits  ist  es  mit  einer  Reserve  eingeflihrt  („si  velles  lo- 
hannem  audire"),  ferner  wird  nicht  an  das  Buch  des  Johannes, 
sondern  an  Johannes  selbst,  als  propheta  noster,  appellirt'"'), 
endhch  schliesst  das  Citat  mit  den  Worten:  „et  sine  illo  factum 
est  nihil",  d.  h.  es  beobachtet  die  alte  Satzeintheilung. 

Aus   dem  hier  Ausgefiihrten   ergiebt  sich,    dass  audi  von 


78)  Diese  Bezeiclmung  kann  sehr  alt,  aber  freilicli  auch  sehr  jung  sein. 


Das  Verhilltniss  der  Altorcatio  zu  auderen  Schriften.  91 

dieser  Seite  her  an  der  wesentlicli  treuen  Reproduction  der 
Vorlage  nicht  gezweifelt  zu  werden  braucht,  Es  kommt  nun 
nocli  zu  dem  bereits  eingangs  Bemerkten  eine  Reilie  von  alter- 
thumlichen  Ziigen  hinzu.  Dazu  rechne  icli  nicht,  dass  der  Ver- 
tasser  sich  nirgendwo  auf  das  sachlich  Werthvolle  der  im  Weis- 
sagungsbeweise  enthaltenen  Stlicke  besinnt,  sondern  einfach  die 
Forniel,  „damit  die  Schrift  erfiillet  werde",  bei  der  Hand  hat 
(VI,  22  p.  29,  11  sq.),  wohl  aber  folgende  Beobachtungen :  Die 
Zeit  der  Wirksamkeit  Jesu  wird  auf  ein  Jahr  bestimmt  (VI,  24); 
von  Matthaus  wird  behauptet,  er  sei  Heidenchrist  gewesen 
(V,  20)  —  eine  Annahme,  die  sich  sonst  nur  noch  bei  Tertullian 
Hndet;  auch  die  guten  Engel  soUen  von  der  Menschwerdung 
des  Sohnes  Gottes  nichts  gewiisst  haben  (VI,  25  p.  37,  5sq.); 
gegen  den  Doketismus  wird  III,  14  protestirt;  endhch  erscheint 
auch  die  so  rasch  eintretende  Taufe  des  Juden  als  alterthllm- 
hch  (VIII,  3U). 

AUe  diese  Beobachtungen,  mit  der  Christologie  des  Ver- 
t'assers  zusammengehalten,  erlauben  den  Schluss,  dass  Euagrius 
einen  alten  Dialog  reproducirt  und  zwar  im  Ganzen  treu  repro- 
ducirt  hat.  Dieser  Dialog  aber  kann  schwerHch  j  linger  ge- 
wesen sein  als  die  Schriften  Tertullians,  sehr  wohl  aber 
erheblich  alter.  Ware  die  Schrift  des  Euagrius  ohne  das  Te- 
stimonium des  Gennadius  auf  uns  gekommen  und  wlirde  das 
Stiick  liber  die  Jungfraulichkeit  der  Maria  in  ihm  fehlen,  so 
wlirde  gewiss  Niemand  daran  zweifeln,  dass  uns  in  ihm  eine 
sehr  alte  Urkunde  aus  der  christlichen  Literatur  erhalten  ist. 
Wir  besitzen  aber  noch  Mittel,  um  die  Zeit  und  den  Ursprung 
der  von  Euagrius  reproducirten  Grundschrift  naher  zu  bestimmen. 

§  5.     Die  Altercatio   (resp.  die  Grundschrift  derselben) 

in    ihrem    Verhaltniss    zu    Tertullians     Tractat     adv. 

ludaeos,   zu   Cyprians  Testimonia,    zu  Lactantius'  In- 

stitutiones  und  zu  .Justins  Dialog  mit  Trypho. 

Die  Gruppen  von  Schriftcitaten ,  welche  in  der  Altercatio 
enthalten  sind,  sowie  manche  Ausflihrungen  linden  sich  zuni 
Theil  in  anderen  abendlandischen  Schriften  wieder.  Die  Ueber- 
einstimmung  ist  nicht  selten  eine  so  frappante,  dass  sie  nicht  als 
zufalUg  erachtet  werden  kann.  Wir  beginnen  mit  Tert.  adv.  lud.: 


92  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

1.    Die  Altercatio  und  Tertullians  Schrift  adv.  ludaeos. 

Die  Berlilirungen  zwischen  diesen  beiden  Schrifteu  sind 
sehr  bedeutende,  so  verschieden  sonst  der  Inlialt  derselbeii  ist, 
uud  soviel  reichlialtigeren  Stoff  die  tertullianische  Schrift  ent- 
lialt.     Die  wiclitigsten  Berlihrungen  sind  folgende: 

a)  Die  Behandluug  der  Besclineidungsfrage.  Hier 
finden  sicli  bei  Tertullian  folgende  leitende  Gedanken:  Abraham 
wurde,  bevor  er  beschnitten  war,  ein  Freund  Gottes  genannt 
(c.  2);  dazu  Alterc.  V,  18.  —  „Si  circumcisio  purgat  hominem, 
deus  Adam  incircumcisum  cum  faceret,  cur  eum  non  circumcidit?" 
(c,  2);  dazu  Alterc.  V,  21:  „Potuerat  deus  Adam  circumcisum 
formare".  —  Abel,  Noah,  Henoch,  Melchisedek  und  Lot  werden 
als  unbeschnitten  angefiihrt  (c.  2);  dazu  Alterc.  V,  21:  Henoch, 
Noah,  Hiob  und  Melchisedek.  —  Von  der  Beschneidung  heisst 
es,  dass  sie  war  „in  signum  temporis  illius,  non  in  salutis  prae- 
rogativam"  (c.  3)  oder  (1,  c.)  „in  signum,  non  in  salutem";  dazu 
Alterc.  V,  18:  „Circumcisio  signum  est  generis,  non  salutis". 
Nach  diesem  Satze  lasst  die  Altercatio  den  Juden  sagen  (Y,  19): 
„Ergo  quo  modo  filium  Moysi,  cum  esset  in  praeputio,  angelus 
Suffocabat,  nisi  Seffora,  mater  eius,  accepto  calculo  circumcidisset 
puerum  etc."  d.  h.  es  wird  iiber  Exod.  4,  25  gehandelt.  Ter- 
tullian aber  fahrt  1.  c.  fort:  ,,Sed  et  filius,  in  quit,  Moysi  turn 
ab  angelo  praefocatus  fuisset,  si  non  Seffora  mater  eius  calculo 
praeputium  infantis  circumcidisset.  Unde,  inquit,  maximum 
periculum  est,  si  praeputium  carnis  quis  non  circumciderit". 
Tertullian  fiihrt  also  hier  den  Einwurf  eines  Juden,  der  sich 
auf  Exod.  4,  25  stiitzt,  an  im  Zusammenhang  mit  der  Frage, 
ob  die  Beschneidung  „in  salutem"  gegeben  sei.  Der  Einwurf 
selbst  steht,  in  directer  Rede  formulirt,  in  der  Alter- 
catio! Dieser  merkwlirdigen  Uebereinstimmung  gegenliber  will 
es  weniger  besagen,  dass  Tertullian  bald  darauf  Jerem.  4,  3sq. 
combinirt  mit  31,  31  sq.  citirt;  beide  Spriiche  werden  audi  in 
der  Alterc.  V,  20  angefiihrt.  Ebenso  soil  nur  erwahnt  werden, 
dass  Tertullian  c.  9  die  Geschichte  Jos.  5,  2  („gladii  petrini") 
verwerthet  (s.  Alterc.  V,  20  fin.).  Er  bezieht  aber  die  „petrina 
acies"  auf  Christus,  niclit  auf  Petrus  (nach  I  Cor.  10,  4). 

b)  Die  Behandlung  der  Sabbathfrage.  Tertullian  stellt 
(c.  4)  den  Satz  voran:  „intellegimus  magis  sabbatizare  nos  ab 


Die  Altcrcatio  luul  TortuUiaiis  Schrift  adv.  hid  93 

omni  opere  servili  semper  clebere";  in  der  Altercatio  (VII,  28) 
wircl  dels  Sabbatligebot  als  „requiescere  debere  ab  operibus  ina- 
liguis"  erklart.  Tertullian  citirt  danii  solbrt  Isa.  1,  14;  dieses 
Citat  geht  in  der  Alterc.  dem  eben  genannten  unmittelbar  vor- 
her.  Tertullian  geht  n\m  zu  Jos.  6,  4  sq.  liber  (die  Belagerung 
Jerichos);  diese  Stelle  wird  aber  audi  in  der  Altercatio  un- 
mittelbar vor  Isa.  1,  14  verwerthet'".) 

c)  In  der  Alterc.  VII,  26  wird  die  Beziehung  des  Psalm  72 
auf  Salomo  abgelehnt.  Er  war  kein  Weltlierrscher:  „Salomon 
enim  intra  certa  in  ludaea  quadraginta  annis  regnavit  a  Dan 
usque  ad  Bersa1)ee  .  .  .  Christi  autem  regnum  ultra  incognitas 
solitudines  est  porrectum  .  .  .  Christus  semper  et  ubique  regnat". 
Bei  Tertullian  (c.  7)  beisst  es:  „Quis  enim  omnibus  gentibus 
regnare  potuisset,  nisi  Christus,  dei  filius,  qui  omnibus  in  aeter- 
nuni  regnaturus  nuntiabatur?  Nam  si  Salomon  regnavit,  sed 
in  finibus  ludae  tantum;  a  Bersabee  usque  Dan  termini  eius 
regni  signantur". 

d)  Bei  der  Erklaruug  der  Stelle  Isa.  7,  13  sq.  8,  4  herrscht 
grosse  Uebereinstimmung;  vgl,  c.  9  mit  Alterc.  Ill,  13.  14.  Die 
Gedanken,  dass  Christus  wie  alle  Kinder  Butter  und  Honig  ge- 
gessen,  dass  die  Beute  Damaskus'  und  Samariens  sich  in  den 
Gaben  der  Magier  darstelle  sowie  in  der  Bekehrung  der  Heiden 
vom  Gotzendienst,  dass  endlich  der  Ivonig  der  Assyrier  der 
Teufel  sei,  finden  sich  dort  und  hier.  Letzteres  ist  um  so  auf- 
fallender,  als  Tertullian  an  der  Parallelstelle  adv.  Marc.  Ill,  13 
fin.  unter   dem  Konig  vielmehr  den  Herodes   versteht. 

e)  In  der  Vorlage  der  Altercatio  standen  als  Antwort  auf 
eiue  Frage  des  Juden  Isa.  11,  1  sq.  und  Mich.  5,  2  zusammen, 
imd  als  virgo  e  radice  lesse  war  Maria  bezeichnet,  die  aus  dem 
Samen  Davids  stamme  (IV,  15.  17).  Genau  so  ist  es  bei  Ter- 
tullian {c.  9).  „Et  c^uoniam  ex  semine  David  genus  trahere  de- 
beret  virgo,  ex  qua  nasci  oportuit  Christus  etc."  Es  folgt  Isa. 
11,  1  sq.  (virga  de  radice  lesse,  quod  est  Maria");  dann:  „fuit 
enim  de  patria  Bethlehem  etc." 

f)  Die  Behandlung  des  Kreuzestodes.     Hier  sind  die 

79)  Dazwischen  steht  freilich,  aber  nur  in  Cod.  B,  eine  Erinnerung 
an  II  Mace.  15.  Dieses  Citat  ist  aber  eben  desshalb  hoclist  wahrsclieinlich 
eine  spatere  Glosse.  Dafiir  spricht  audi  die  Form  der  Anfiihrung.  In- 
dessen  habe  ich  es  nicbt  gewagrt,  es  aus  dem  Texte  zu  entfernen. 


94  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Parallelen  am  deutliclisten  unci  starksten.  In  der  Altercat.  VI,  22 
beginnt  der  Jude  damit,  dass  er  erklart,  der  Kreuzestod  sei  die 
allerschimpfUchste  Todesart;  in  dem  A.  T.  stiinde  audi  nicht 
gesclirieben,  dass  der  Christus  ihn  erleiden  soUe,  vielmehr  heisse 
es  ini  Deuterononiium:  Verflucht  ist  jede.r  an  das  Holz  Gehangte. 
Der  Christ  erwiedert,  indem  er  mit  den  Worten  beginnt:  „Primo 
huins  dicti  accipe  rati  on  em.  Recole  superius  Deuteronomii 
lectionera,  de  quibus  dictum  est.  Sic  euim  ait  Moyses:  ,Si  quis 
peccaverit  in  indicium  mortis,  puniatur  exemplo,  suspendetis 
eum  in  ligno;  et  maledictus  erit  omnis  qui  pependerit  in  ligno'. 
Sed  hoc  pro  peccatore  dixit,  qui  mortale  peccatum  admiserit. 
Christus  autem  peccatum  non  habuit,  sicut  omnes  prophetae 
testantur;  sed  pati  necesse  habuit,  ut  scripturae  inplerentur". 
Bei  Tertuliian  (c.  10)  beginnt  der  Abschnitt  also:  „De  exitu 
plane  passionis  eius  ambigitis,  negantes  passionem  crucis  in 
Christum  praedicatam"  (er  redet  die  Juden  hier  also  an,  als  er- 
wiedere  er  auf  einen  Einwurf)  „et  argumentantes  insuper 
non  esse  credendum,  ut  ad  id  genus  mortis  exposuerit  deus 
filium  suum,  quod  ipse  dixit:  ,Maledictus  omnis  qui  pependerit 
in  ligno'.  Sedhuius  maledictionis  sensum  antecedit  rerum 
ratio.  Dicit  enim  in  Deuteronomio :  ,Si  autem  fuerit  in  aliquo 
delicto  ad  indicium  mortis,  et  morietur  et  suspendetis  eum  in 
ligno  etc'  Igitur  non  in  banc  passionem  Christum  maledixit, 
sed  distinctionem  fecit,  ut  qui  in  aliquo  delicto  indicium  mortis 
habuisset  et  moreretur  suspensus  in  ligno,  hie  maledictus  a  deo 
esset  .  .  .  Alioquin  Christus,  qui  dolum  de  ore  suo  locutus  non 
est  .  .  .  non  pro  meritis  suis  in  id  genus  mortis,  expositus  est. 
sed  ut  ea  quae  praedicta  sunt  a  prophetis,  per  vos  ei  obventura, 
implerentur".  Die  Uebereinstimmung  zwischen  beiden  Ab- 
schnitten  ist  in  der  Anlage  und  Ausfilhrung  eine  totale;  sie 
ist  grosser,  als  dass  sie  sich  durch  den  Hinweis  auf  das  Stereo- 
type des  Weissagungsbeweises  iiberhaupt  erkliiren  liesse.  Es 
verhalt  sich  hier  der  tertullianische  Abschnitt  zur  Altercatio 
wie  eine  Paraphrase  zu  einem  Grundtext,  und  wiederum  ver- 
fiillt  Tertuliian  beinahe  in  die  Form  des  Dialogs,  wahrend  die 
Altercatio  wirklich  dialogisch  ist. 

Im  Einzelnen  ,  finden  sich  noch  manche  Parallelen  zum 
10.  Capitel;  vgl.  ausser  der  Benutzung  des  22.  Psalms  Alterc. 
VI,   22   p.  31,  4  („cornutus"),    VI,  25    p.  38,  6   (Ps.  96,   10: 


Die  Altercatio  inul  Tortullians  Sclivift  adv.  Iiul.  95 

,^reguavit  a  lig'iio'').  Auf  diese  Stelle  folgt  in  der  Altercatio 
unmittelbar,  eingefiilirt  dnrcli:  „Item  apud  Esaiam"  Isa.  9,  6. 
Ebensofolgt  bei  Tertullian  nach  Ps.  96,  10:  „Proiiide  et  Esaias'' 
und  nun  dieselbe  Stelle.  Die  folgendeu  Citate,  namlicli  Jerem. 
11,  19;  Isa.  53;  Amos  8,  9  linden  sich  audi  in  der  Alterc.  VI, 
22 — 25.  Endlich:  selir  ausflihrlicli  wird  von  Tertullian  (c.  11) 
Ezech.  9,  1 — 6  exegesirt;  gerade  diese  Stelle  aber  ist  audi  in 
der  Alterc.  VI,  24  besonders  bervorgelioben.  Unbedeutenderes 
sei  bei  Seite  gelassen:  es  ist  nach  deni  liier  Dargelegteii  evident, 
dass  die  Beriilirungen  zwisclien  beiden  Scliriften  niclit  zufiillige 
sein  kounen;  vielmelir  ist  auf  ein  wirkliches  literarisclies  Ab- 
hangigkeitsverlialtniss  zii  erkeniien.  Von  den  verscliiedenen 
Mogliclikeiten,  wie  dasselbe  zu  denkeii  sei,  ist  eine  sofort  aus- 
zuscliliessen :  Der  Verfasser  der  Altercatio,  Euagrius, 
kaun  nicht  aus  dem  tertuUianisclien  Tractat  gescliopft 
liaben.  Diese  Annabme  verbietet  sick,  abgeselien  davon,  dass 
die  Uniwandelung  der  tertuUianisclien  Sclirift  in  einen  Dialog 
an  sich  unwahrscheinlich  und  die  Art  der  vorausgesetzten  Be- 
nutzung  derselben  durcli  Euag-rius  eine  beispiellose  ware,  nament- 
lich  deshalb,  v^eil  die  Redaction  der  Bibelsprliche  bei  beiden 
als  eine  total  verschiedene  erscheint^^).  Kauni  ein  Sprucli  ist 
dort  und  liier  identisch;  ilberall  finden  sich  liochst  bedeutende 
Abweichungen,  so  dass  jedenfalls  zwei  verschiedene  Receiisionen 
der  sog.  Itala  anzunehmen  wareii.  Weiter  aber:  Alles  spricht 
dafiir,  dass  die  Abhangigkeit  auf  Seiten  Tertullians 
liegt,  und  dass  sie  als  eine  Benutzung  der  Vorlage 
der  Altercatio  durch  Tertullian  zu  denken  ist;  diese 
Vorlage  muss  dann  aber  eine  griechische  gewesen 
sein.  Der  Beweis  hierflir  ist  apagogisch  zu  flihren:  Besteht 
ein  literarisches  Abhangigkeitsverhaltniss,  und  ist  die  Moglich- 
keit,  dass  Euagrius  den  Tractat  Tertullians  benutzt  hat,  ebenso 


80)  Zum  Belege  nur  folgencle  Probe :  Jerem.  31,31.  32  (Alterc):  „Ecce 
dies  veniunt,  dicit  dominus,  et  consummabo  domum  Ismel  et  domum  luda 
testamentum  novum,  non  tale  testamentum  quod  disposui  patribus  vestris 
in  die  qua  edusi  eos  de  terra  Aegypti".  (Tertull.):  ^Ecce  enim  dies  ve- 
nient,  dicit  dominus,  et  disponam  domui  ludae  et  domui  lacob  testamen- 
tum novum,  non  tale  quale  iam  dedi  patribus  eorum".  Besonders  deut- 
lich  sind  auch  die  Differenzen  in  der  oben  citirten  Stelle  Deut.  21,  22  sq.; 
aber  es  fehlen  solche  fast  nirgends. 


96  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

ausgeschlossen  wie  die  andere,  dass  TertuUian  den  Euagrius 
ausgeschrieben  hat,  so  bleibt  nur  die  Annahme  iibrig,  dass  sie 
beide  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  gescbopft  liaben.  Da  nun 
fiir  Euagrius  eine  altere  Vorlage  bereits  walirscheinlicli  gemaclit 
ist,  so  bietet  sich  die  Hypothese  von  selbst  dar,  dass  Tertullian 
die  Vorlage  des  Euagrius  benutzt  hat.  Wer  dieselbe  treuer  be- 
wahrt  hat,  das  kann  nicht  fragliqh  sein.  Euagrius'  Altercatio  stellt 
sich  als  eine  kurze,  straffe,  geschlossene,  nur  leicht  ilberarbeitete 
altere  Schrift  dar,  TertuUians  Tractat  ist  in  seiner  zweiten 
Halfte  ein  mixtum  compositum,  in  seiner  ersten  ermangelt  er 
zwar  nicht  des  Zusammenhangs ,  geht  aber  von  einer  Special- 
frage  aus  und  beriihrt  verschiedene  Stoffe.  Ferner,  wo  sich 
Tertullian  am  starksten  mit  der  Altercatio  beriihrt,  da  nimmt 
er  auf  jiidische  Einwendungen  Rlicksicht,  wie  wenn  sie  ihm 
formulirt  vorlagen  (s.  sub  a.  und  f.) ;  in  der  Altercatio  erscheinen 
sie  wirklich  als  die  formulirten  Einwlirfe  des  Juden.  Endlich, 
Tertullian  hat  unstreitig,  wie  langst  beobachtet  und  oben  be- 
merkt,  seiner  Gewohnheit  gemass  auch  bei  der  Abfassung  des 
Tractates  adv.  ludaeos  griechische  Schriften  (z.  B.  den  Dialog 
Justins)  benutzt;  lateinisch-christliche  wareu  ja  damals  ausser 
seinen  eigenen  kaum  vorhanden.  War  die  Schrift,  aus  der  er 
das  schopfte,  was  er  mit  der  Altercatio  des  Euagrius  gemein- 
sam  hat,  eine  griechische,  so  erkliirt  sich  die  grosse  Ver- 
schiedenheit  in  den  Schriftcitaten  zwischen  beiden  Tractaten 
von  selbst*^'). 

Eine  Vergleichung  der  Altercatio  des  Euagrius  mit  der 
tertullianischen  Schrift  adv.  ludaeos  fiihrt  also  zu  der  Hypo- 
these, dass  die  von  Euagrius  benutzte  Vorlage  eine 
griechische  gewesen  ist,  dass  sie  in  Form  eines  Dia- 
logs niedergeschrieben  war,  und  dass  sie  alter  ist  als 
die  Schrift  TertuUians,  mithin  wohl  noch  dem  2.  Jahr- 
hundert  angehort. 


81)  An  einer  Stelle  .scheint  Tertullian  die  Vorlage  treuer  bewahrt  zu 
haben  als  Euagrius,  dort  namlich,  wo  dieser  die  „gladii  petrini"  auf  Petrus 
bezieht,  TertuUian  auf  Christus  als  die  „petra"  (s.  oben).  Doch  sagt  auch 
Tertullian  (adv.  Marc.  IV,  13),  Simon  werde  Petrus  genannt,  weil  Jesus 
selber  Pels  laeisse:  „Affectavit  Christus  carissimo  discipulorum  de  figuris 
suis  peculiai'iter  nomeu  communicare". 


Die  Altercatio  unci  Cyprians  Testinionia.  97 

2.    Die  Altercatio  und  Cyprians  Testimonia. 

Die  Testimonien  Cyprians  —  ein  systematisch  angelegter 
Aiiszug  ans  der  Bibel,  der  dem  Laien  die  heiligen  Scbriften 
ersetzen  konnte  —  haben  sich  in  der  abendliindischen  Kirche 
einer  Aveiten  Verbreitnng  iind  eines  holien  Ansehens  erfreut. 
Ausdriicklich  werden  sie  von  Aiigustin  und  Hieronymus  citirt, 
und  von  ihnen  erfahren  wir  auch,  dass  Pelagius  in  einem  „liber 
testimoniorum"  das  cyprianische  Werk  hat  nachabmen,  resp. 
erganzen  woUen.  Die  neueren  Untersucbungen  liber  die  alt- 
testamentlicbe  Itala  baben  aber  weiter  gezeigt,  dass  Commo- 
dian,  Firmicus  Maternus  und  Lactantius  die  Testimonien 
benutzt  baben  ^2j  jj^  Bezug  auf  den  letzteren  bat  dies  Ronscb 
nacbgewiesen.  Von  den  68  alttestamentlicben  Citaten,  welche 
sicb  bei  Lactantius  Instit.  IV,  6 — 21  linden  ^■^),  steben  52  aucb 
in  den  Testimonien  Cyprians.  Der  Umfang  sowobl,  in  welcbem 
die  einzelnen  Bibelverse  und  Versgruppen  citirt  werden,  als  auch 
die  Form  des  Bibeltextes,  endlich  die  gleiche  Anordnung  der 
Sprllche  in  einigen  Fallen  lassen  keinen  Zweifel  darllber,  dass 
Lactantius  die  Testimonien  ausgebeutet  hat.  Indessen  hat  er 
nebenbei  doch  noch  liber  eine  andere  Quelle  verfilgt;  denn  die 
Hypotbese,  er  babe  ein  „erweitertes"  Exemplar  der  Testimonien 
benutzt,  ist  ganz  unwahrscheinlicb  und  kann  durch  dieBeobacht- 
ung  nicht  gestlltzt  werden,  dass  in  den  uns  bekannten  Hand- 
schriften  der  Testim.  hie  und  da  Zusatze  gemacht  worden  sind. 
Aebnlich  stebt  es  bei  Firmicus  Maternus,  worauf  nach  dem  Vor- 
gang  Oeblers,  Bursians  und  Zieglers  namentlich  Dom- 
bart  aufmerksam  gemacht  bat.  Von  den  c.  70  Citaten  bei 
Firmicus  fehlen  nur  12  bei  Cyprian;  indessen  steben  die  gemein- 
samen  c.  5S  nur  vorwiegend  in  den  Testimonien  und  in  der 
Schrift  an  Fortunatus.     Es  kommt  hinzu,    dass  Firmicus  auch 

82)  S.  Ronsch,  Das  carmen  apolog.  des  Commodian  (Ztschr.  f.  die 
hist.  Theol.  1872  S.  163f.);  Derselbe,  Beitrage  zur  patristischen  Be- 
zeugung  der  biblischen  Textgestalt  und  Latinitat  aus  Lactantius  (a.  a.  0. 
1871  S.  331  f.);  Derselbe,  Die  ATliche  Itala  in  den  Schriften  des  Cyprian 
(a.  a.  0.  1875  S.  86 f.);  Ziegler,  Die  lat.  Bibeliibersetzungen  vor  Hierony- 
mus S.  38;  Dombart,  Ueber  die  Bedeutung  Commodians  fiir  die  Text- 
kiitik  der  Testimonia  Cyprians  (Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  1879  S.  374  f.). 

83)  Nur  in  diesem  Abschnitt  hat  Lactantius  von  den  heiligen  Schriften 
Gebrauch  gemacht. 

Texte  und  Untersucbungen  I,  3.  7 


98  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

dort,  wo  er  deutlich  von  den  Testimonien  abliangig  ist,  docli 
die  Benutzung  eines  vollstandigen  Bibelexemplares  verrath.  Dies 
ist  besonders  ersichtlicli  c.  19,  3—6  vgl.  mit  Test.  II,  19;  denn 
das  (p.  104,  16  ed.  Halm)  eingeschobene:  „item  in  sequentibus 
hoc  idem  simili  modo  significat"  zeigt,  das  Firmicus  den  Ort  der 
beiden  Citate  Joli.  6,  35;  7,  37  sq.,  welclie  er  bei  Cyprian  neben 
einander  vorfand,  gekannt  hat.  Ist  somit  eine  ausschliessliche 
Benutzung  der  Testimonien  nicht  anzunehmen,  so  zeigt  doch 
audi  hier  der  Umfang  der  Citate,  ferner  die  Reihenfolge  und 
die  Form,  dass  Firmicus  direct  oder  indirect  von  Cyprian  ab- 
liangig sein  muss.  Fiir  Commodians  Carmen  apologeticum  hat, 
nachdem  schon  Ronsch  auf  die  frappirenden  Parallelen  liin- 
gewiesen,  Dombart  den  Beweis  geliefert,  dass  audi  sein  Ver- 
fasser  aus  den  Testimonien  geschopft  hat.  Von  den  c.  60  Bibel- 
stellen,  die  sich  in  den  vv.  223 — 542  findeu,  stehen  in  den  Testi- 
monien 54.  Auch  hier  ist  wieder  die  Beobachtung  zu  machen, 
dass  Textgestalt  und  Ordnung  der  Citate  hier  und  dort  viel- 
fach  die  namliche  ist^^).  Zugleich  hat  Dombart  erwiesen,  dass 
Commodian  bei  Abfassung  des  Carmen  apolog.  nur  die  beiden 
ersten  Biicher  der  Testimonien  vor  sich  geliabt  hat.  Indessen 
steht  es  doch  auch  bei  Commodian  nicht  so,  dass  man  ilim 
jeden  Gebrauch,  geschweige  jede  Kenntniss  der  heiligen  Schrifteu 
iiber  die  Testimonien  hinaus  absprechen  miisste,  vielmehr  geht 
aus  manchen  Stellen  das  Gegentheil  deutlich  liervor^^).  Audi 
darf  auf  das  Zusammentreflfen  in  der  Textgestalt  der  Citate 
allein  wenig  gegeben  werden,  da  hier  der  entgegengesetzte 
Fall  unzweifelhaft  der  auffallendere  ware. 

Immerhin  muss  es,  wenigstens  fur  africanische  Schriftsteller, 
als  erwiesen  gelten,  dass  dieselben  im  3.  und  4.  Jahrhundert 
die  Testimonia  Cyprians  fiir  ihre  Zwecke  ausgebeutet  habeu. 
Wie  steht  es  nun  mit  Euagrius  und  seiner  Altercatio?  Wenn 
in  dieser  Schrift  grosse  Verwandtschaft   mit    den  Testimonien, 


84)  Ueber  die  Beriihrungen  zwischen  den  Instructiones  Commodians 
und  den  Testimonien  s.  Dombart,  a.  a.  0.  S.  385f. 

85)  Z.  B.  aus  der  Stelle,  welche  Dombart  S.  380  angefiilirt  hat.  Bei 
Cyprian  fehlt  in  alien  Handscbriften  Ps.  97,  1  das  „a  ligno",  Commodian 
bietet  es.  Die  H3'pothese  Dombarts,  „a  ligno"  habe  wahrscheinlich  auch 
bei  Cyprian  urspriinglich  gestanden,  ist  precar. 


Die  Altercatio  und  Cyprians  Testimonia.  99 

oder  gar  eine  durchgehende  Abhangigkeit  von  denselben  zu  con- 
statiren  ware,  so  wiirde  sie,  resp.  ihre  Grundschrift,  nicht  mehr 
als  eine  alte  und  originale  Arbeit  anzusehen  sein,  und  es  wiirde 
damit  die  ganze  H}^otliese  der  Grundschrift,  die  bisher  sicher 
scliien,  ins  Wanken  gerathen. 

Die  Stellensammlungen  in  den  Testimonien  und  in  der 
Altercatio  sind  wirklich  zu  eiuem  Theile  identisch.  Eine  Ueber- 
sicht  mag  liier  zunachst  folgen,  in  welcher  nur  die  belangreiclien 
Parallelen  Aufnahme  gefunden  liaben: 

a)  Testim.  I,  8  („Quod  circumcisio  prima  carnalis  evacuata 
sit  et  secunda  spiritalis  repromissa  sit").  Es  werden  angefiihrt 
Jerem.  4,  3  sq.;  Deut.  30,  6;  Jos.  5,  2;  Coloss.  2,  11.  Dann  folgt 
eine  Bemerkung  des  Verfassers:  „Item  quod  Adam  primus  a 
deo  factus  incircumcisus  et  Abel  iustus  et  Enoch  qui  deo  pla- 
cuit  et  trauslatus  est  et  Noe,  qui  in  terris  omnibus  ob  delicta 
pereuntibus  solus,  in  quo  humanum  genus  servaretur,  electus 
est,  et  Melchisedec  sacerdos  etc."  In  der  Alterc.  V,  20  werden 
Deut.  30,  6;  Jerem.  4,  3  sq.;  Jos.  5,  2  zuni  Belege  citirt;  dann 
folgt  (V,  21):  „Haec  est  circumcisio  Christianorum ,  quam  et 
primi  sanctorum  habuerunt,  scilicet  Enoch,  Noe,  lob  et  Melchi- 
sedech  .  .  .    Potuerat  deus  Adam  circumcisum  formare". 

b)  Testim.  II,  1  („Christum  primogenitum  esse  et  ipsum 
esse  sapientiam  dei,  per  quem  omnia  facta  sunt").  Schriftbeweis 
nach  Proverb.  8,  22  sq.  und  Sirach  24,  3sq.;  dieselben  beiden 
Stellen,  nur  in  umgekehrter  Folge,  nebeneinander  Alterc.  Ill,  11. 

c)  Testim.  II,  3  („Quod  Christus  idem  sit  sermo  dei").  An- 
gefiihrt werden  Ps.  45,  2;  Ps.  33,  6;  Isa.  10,  23;  Ps.  107,  20; 
Joh.  1,  1  sq.  Unter  demselben  Titel  folgen  sich  in  der  Alterc. 
Ill,  11:  Ps.  45,  2;  Isa.  10,  22.  23;  Ps.  107,  20;  Ps.  33,  6;  (Ps. 
147,  15;  Jerem.  6,  10);  Joh.  1,  1. 

d)  Testim.  II,  6  („Quod  deus  Christus").  Erst  drei  Citate,  zu 
welchen  in  der  Altercatio  keine  Parallelen;  dann  Baruch  3,  35 sq.; 
Zach.  10,  llsq.;  Osee  11,  9sq.;  Ps.  45,  7sq.;  Ps.  46,  11;  Ps. 
82,  5;  Ps.  68,  5:  Ps.  82,  1.  In  der  Altercatio  I,  6  unter  dem- 
selben Titel:  Ps.  82,  1;  Ps.  45,  7.  8;  Baruch  3,  35—37;  Ps.  46,  11; 
Ps.  OS,  5.  Euagrius  schliesst:  „Longum  erit,  ut  exempla  perse- 
quar  plura;  his  paucis  Veritas  conprobatur". 

e)  Testim.  II,  13  („Quod  humihs  in  primo  adventu  suo  ve- 


IQO  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

niret").    Hier  wie  in  Alterc.  VI,  24  wird  Isa.  53,  1  sq.  mit  Isa. 
50,  5sq.  verbunden  und  vorangestellt. 

f)  Testim.  II,  14  („Quod  ipse  sit  iustus,  quern  ludaei  occi- 
suri  essent"):  Sap.  Sal.  2,  12 — 22  wird  mit  Isa.  57,  1  sq.  und 
Exod.  23,  7  verbunden;  auch  in  der  Alterc.  VI,  25  stelien  das 
erste  und  dritte  Citat  zusammen. 

g)  Testim.  II,  15  („Quod  ipse  dictus  sit  ovis  et  agnus,  qui 
occidi  haberet,  et  de  sacramento  passionis"):  citirt  werden  Isa. 
53,  7sq.;  Jerem.  11,  18  sq.  und  Exod.  12.  Dieselben  Stelien 
stelien  in  derselben  Reihenfolge  Alterc.  VI,  24. 

h)  Testim.  II,  20  („Quod  cruci  ilium  fixuri  essent  ludaei"). 
Angefiilirt  werden  Isa.  65,  2;  Jerem.  11,  19;  Deut.  28,  66;  Ps. 
22,  17  sq.;  Ps.  119,  120;  Ps.  141,  2;  Soph.  1,  7;  Zach.  12,  10; 
Ps.  88,  10;  Num.  23,  19.  Bis  auf  das  Citat  Sopli.  1,  7  steben 
alle  diese  Stelien  ebenso  zusammen  Alterc.  VI,  22,  und  zwar 
ist  die  Reihenfolge,  abgeselien  von  der  Stellung  des 
22.  Psalms,  genau  die  gleiche^^). 

i)  Testim.  II,  22  („Quod  in  hoc  signo  crucis  salus  sit  omni- 
bus qui  in  frontibus  notentur"):  hier  ist  Ezech.  9,  4sq.  ver- 
bunden mit  Exod.  12.  In  der  Altercatio  VI,  24  steht  die  Exo- 
dusstelle  voran. 

k)  Testim.  II,  23  („Quod  medio  die  in  passione  eius  tene- 
brae  faturae  essent"):  Amos  8,  9  sq.  und  Jerem.  15,  9  sind  ver- 
l)unden,  dann  folgt  Matth.  27,  45.  In  der  Alterc.  VI,  25  steht 
die  Verweisung  auf  Matth.  27,  45  voran,  dann  folgen  Amos 
8,  9  sq.  und  Jerem.  15,  9. 

1)  Testim.  II,  24  („Quod  a  morte  non  vinceretur  nee  apud 
inferos  remansurus  esset"):  Ps.  16,  10;  Ps.  30,  3;  Ps.  3,  6.  Die- 
selben Stelien  in  derselben  Folge  auch  Alterc.  VI,  25. 

m)  Testim.  11,  25  („Quod  ab  inferis  tertio  die  resurgeret"): 
Osee  6,  2;  Exod.  19,  10  sq.  Dieselben  Stelien  in  derselben 
Folge  Alterc.  VI,  25. 

n)  Testim.  II,  26.  28.  29  („Quod  cum  resurrexisset,  acciperet 
a  patre  omnem  potestatem  et  potestas  eius  aeterna  sit  —  quod 
ipse  index  venturus  sit  —  quod  ipse  sit  rex  in  aeternum  regna- 
turus"):   In  diesen  Abschnitten  fiihrt  Cyprian  19  alttestament- 


86)  Bevor  Cod.  B  bekannt  war,  fehlte  Ps.  119,  120  in  der  Citateureihe; 
dieser  Codex  aber  bietet  die  Stelle. 


Die  Altercatio  uiid  Cyprians  Testimoiiia.  101 

liche  Stellen  an:  von  diesen  linden  sich  sieben  in  Alterc.  VI,  25. 
Die  librigen  12  bei  Cyprian  sind  znm  gr()sseren  Theil  Psalm- 
stellen. 

o)  Cyprians  alttestamentliche  Testimonia  scbliessen  in  dgm 
2.  Buche  (c.  30)  mit  Ps.  72;  mit  diesem  Psalm  scbliessen  aber 
anch  die  christologischen  Ausfiihrnngen  in  der  Alterc.  VI,  25. 

Die  bier  gegebenen  Nacbweisungen  werden  in  einer  noch 
iibersicbtlicberen  Form  hervortreten  in  folgender  Zusaramen- 
stellung: 

Bei  Euagrins  finden  sicb  —  man  kann  freilich  etwas  ver- 
scbieden  ztiblen  —  134  alttestamentlicbe  Citate;  in  dem  ersten 
Bucb  der  Testimonien  sind  deren  72,  in  dem  zweiten  113.  Von 
diesen  113  findet  sicb  die  Halfte,  niimlicb  57,  audi  bei  Euagrins, 
von  jenen  72  dagegen  nur  17^').  Die  letztere  Zabl  wird  aber 
nocb  unbedeutender,  wenn  man  beriicksicbtigt ,  dass  nur  an 
einer  Stelle  (Testim.  I,  8)  sicb  eine  identiscbe  Gruppe  von 
Citaten  (s.  oben  sub  a)  bier  findet.  Fiir  die  Frage  uacb  dem 
Verwandtscbaftsverbaltniss  sind  die  librigen  libereinstimmenden 
Citate  somit  zuuacbst  belanglos.  Dagegen  ist  die  Ziffer  der 
Uebereinstimmungen  (57)  der  Altercatio  und  des  2.  Buches  der 
Testimonien  naber  zu  pracisiren:  Cyprian  bietet  II,  1.  3.  6. 
13 — 15.  20—25  vierundfunfzig  alttestamentlicbe  Citate;  von 
diesen  finden  sicb  dreiundvierzig  fast  iiberall  in  der  gleicben 
Reibenfolge  in  der  Alterc.  §  6.  11.  20.  22—25.  Die  Verwandt- 
scbaft  der  Altercatio  und  der  Testimonien  erstreckt  sicb  also 
ausscbliesslicb  oder  docb  fast  ausscbliesslicb  auf  die  Abscbnitte 
Testim.  I,  8;  II,  1,  3.  6.  13—15.  20—25.  Von  einem  zufalligen 
Zusammentreffen  kann  bier  nicbt  die  Rede  sein. 

A  priori  lassen  sich  vier  (drei)  Hyijotbesen  aufstellen,  um  diese 
Verwandtscbaft  zu  erklaren.  Euagrins  kann  seiner  Altercatio 
die  Testimonien  zu  Grunde  gelegt,  oder  er  kann  gewisse  Tlieile 
der  Testimonien  seiner  Scbrift  einverleibt  baben;  weiter:  Cyprian 
kann  fur  seine  Stellensammlungen  eine  iiltere  Scbrift  benutzt 
baben,  die  uns  in  mebr  oder  weniger  treuer  Gestalt  in  der 
Altercatio  des  Euagrins  nocb  vorKegt;  endlich:  die  Altercatio 
des  Euagrins  kann  —  auch  vorausgesetzt,  dass  sie  von  vorn- 


S7~)  Das  clritte  Buch  der  Testimonien  kommt  hier  iiberhanpt  nicht  in 
Betracht. 


JQ2  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

herein  mit  den  Testimonien  verwandt  gewesen  ist  —  docli  noch 
uachtraglich  nach  denselben  corrigirt  und  erweitert  worden 
sein.  Welche  von  diesen  Hypothesen  die  riclitige  ist,  wird  sicli, 
wenn  uberhaupt,  nur  aus  einer  eingehenden  Untersuchung  der 
Textesgestalt  der  Citate  ermitteln  lassen  —  eine  Aufgabe, 
deren  Losung  aber  bei  dem  gegenwartigen  Stande  der  Itala- 
forschung  und  bei  der  corrumpirten  Ueberlieferung  des  Euagrius- 
textes  ''*)  eine  wenig  aussichtsvolle  zu  sein  scheint.  Indessen  lasst 
sich  wohl  sovielbereits  bebaupten,  dass  die  erstgenannte  Hypothese 
iiberaus  unwahrscheinlich  ist,  ja  ausser  Betracht  bleiben  darf. 
Als  eine  Dialogisirung  der  beiden  ersten  Biicher  der  Testimo- 
nien, resp.  des  zweiten,  kann  man  die  Altercatio  durchaus  nicht 
betrachten.  Der  Aufriss  derselben  ist  vielmehr  von  dem  der 
Testimonien  ganzlich  unabhangig  und  ein  hocbst  originaler. 
Eine  Vergleicbung  lehrt,  dass  die  bemerkenswertbesten  Stucke 
der  Altercatio  in  den  Testimonien  fehlen,  und  dass  audi  in  den 
parallelen  Abschnitten  —  es  sind  jedoch  nur  solcbe  Absclmitte 
parallel,  die  weder  in  einem  Dialoge  iiber  Christus  noch  in 
den  Testimonien  fehlen  konnten  —  beachtenswerthe  Unter- 
schiede  zu  constatiren  sind.  Die  Testimonien  sind  in  der  Auf- 
fiihrung  der  Eradicate  des  praexistenten  Christus  (III,  1 — 6) 
ausfiihrlicher  als  die  Altercatio.     Andererseits  liegt  dieser  eine 


88)  Der  Bibeltext  des  Cyprian  (Testimonia)  ist  bekanntlich  auch  nur 
in  einer  doppelten,  vielfach  corrigirten  Gestalt  auf  uns  gekomiuen;  in- 
dessen lasst  sich  hier,  wie  Ronscli  und  Dombart  gezeigt  haben,  mit 
Hulfe  des  Commodian  und  Lactantius  dock  Manches  sicker  stellen.  So 
darf  es  z.  B.  als  erwiesen  gelten,  dass  fiir  die  Testimonia  die  relativ 
treuere  Ueberlieferung  nicht  in  A  —  dem  Hart  el  gefolgt  ist — ,  sondern 
vielmehr  in  LBMW  anzuerkennen  ist.  Hartel  selbst  ist  dies  nicht  ent- 
gangen ;  durch  seine,  R  6  n  s  c  h  s  und  D  o  m  b  a  r  t  s  Bemiihungen  ist  es  often- 
bar  ge worden,  dass  A  nach  einer  der  augustinischen  Zeit  nahestehenden 
Recension  der  lateinischen  Bibel  durchcorrigirt  ist.  Um  den  Euagrius- 
Text  steht  es  aber,  wie  die  Varianten  in  V  und  B  und  die  Liicken  in 
V,  welche  gerade  die  Bibelcitate  betreffen,  beweisen,  ganz  verzweifelt. 
Wenn  ich  oben  bei  der  Textesconstruction  vorherrschend  mich  an  B  ge- 
schlossen  habe,  so  war  der  Grund  dieser,  dass  B  allein  einen  voUstandigen 
Text  bietet,  und  ich  ein  mixtum  compositum  nicht  geben  woUte.  Ich 
glaubte  auch  der  Verlockung,  den  Text  nach  Cyprian  u.  A.  zu  corrigiren, 
widerstehen  zu  miissen,  da  vor  der  Collation  des  Cod.  C  eigenmachtige 
Textesverbesserungen  unrathsam  erscheiiien. 


Die  Altei-catio  und  Cyprians  Testiiuonia.  103 

regula  fidei  zu  Grimde,  in  welcher  die  Himmelfahrt  eineii  be- 
sonderen  Artikel  gebildet  hat  (s.  VI,  25),  wiihrend  Cyprian  sie 
ausgelassen,  resp.  ilir  keinen  besouderen  Abschnitt  gewidmet 
liat^'').  Grosse  Abschnitte  de  Christo  (Testim.)  fehlen  in  der 
Altercatio  ganz,  ohne  dass  sich  ein  Grund  fur  ihre  Niclitbe- 
rilcksichtigung  namhaft  maclien  Hesse.  Ferner,  dort  wo  beide 
die  Kircbe  beriicksichtigen,  gehen  sie  vollig  auseinander;  end- 
lich:  fur  die  Hiilfte  der  alttestamentlicben  Citate  bei  Euagrius 
lassen  sich  aus  den  Testimonien  uberhaupt  keine  Parallelen  bei- 
bringen.  Hieraus  ergiebt  sich  die  Annahme,  dass,  wenn  Eua- 
grius von  C}^rian  abhangig  sein  sollte,  er  lediglich  theilweise 
niit  dem  Material  desselben  gearbeitet  haben  kann,  indem  er 
cj'prianische  Spruchgruppen  gleichsam  zur  Fiillung  eines  Fach- 
werkes  verwendete.  Die  Hypothese,  dass  Euagrius  einen  alteren 
Dialog  umgearbeitet  hat,  ware  mithin  durch  die  Beobachtung 
seiner  Abhangigkeit  von  Cyprian  noch  nicht  erschlittert. 

Wie  steht  es  aber  mit  der  Form  der  Citate  bei  Euagrius 
und  Cyprian?  An  einer  Reihe  von  Beispielen  soil  diese  Frage 
untersucht  werden. 

Ira  ersten  Buche  ist  die  einzige  gemeinsame  Versgruppe 
Testim.  I,  8  vgl.  mit  Alterc.  V,  20. 

Cyprianus.  Euagrius  (Cod.  V)^^). 

Apud  Hieremiam  prophetam:  Et  leremias  ait:  Viri  luda  et 

Haec  dicit  Dominus  viris  luda  qui  habitatis  lerusalem,   reno- 

et   qui  inhabitant  Hierusalem:  vate  vobis  novale  et  nolite  se- 

renovate    inter   vos    novitatem  rere  super  spinas.    Circumcidi- 

et   ne   seminaveritis   in  spinis:  mini  deo  vestro,  et  circumcidite 

circumcidite  vos  Deo  vestro  et  praeputia  cordis  vestri,  ne  exeat 

circumcidite  praeputium  cordis  ira  et  exurat,    et   non  sit,   qui 

vestri,  ne  exeat  sicut  ignis  ira  extinguat  ....    Audi  nunc  de 

mea  et  exurat  et  non  sit  qui  circumcisione  legislator  Moyses 

extinguat.    Item  Moyses  dicit:  quid  dicit:  In  novissimis  diebus 


89)  Die  Himmelfahrt  bildet  schon  bei  Justin  einen  besonderen  Artikel, 
hat  sich  aber  als  solcher  bis  zur  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  noch  nicht  all- 
gemein  durchgesetzt  (s.  Symbol,  eccl.  Rom.  vetust.  in:  Patr.  App.  0pp. 
I,  2;  edit.  II  p.  138  sq.). 

90)  Die  Stelle  aus  Jeremias  ist  der  aus  dem  Deuteronomium  der  Ver- 
gleichung  wegen  vorangestellt. 


104  -Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

In  noVissimis  cliebus  circum-  circumcidet  dominus  cor  tuuiu 
cidet  Deus  cor  tuum  et  cor  se-  et  cor  semiuis  ad  dominum 
minis  tui  ad  Dominum  Deum  deum  tuum  ad  mandatum.  Et 
amandum.  Item  apud  lesum  ad  lesum  Nave  dicit  deus:  Fac 
Nave:  Et  dixit  Dominus  ad  tibi  gladios  petrinos  nimis  acu- 
lesum:  fac  tibi  cultellos  petri-  tos,  et  circumcide  secundo  filios 
nos  nimis  acutos  et  adside  et  cir-  Israel, 
cumcide  secundo  filios  Israel''^). 

Die  Unterscliiede  zAvischen  beiden  Texten  sind  so  grosse, 
dass,  wenn  V  den  urspriingliclien  Text  der  Altercatio  bietet, 
ilir  Verf'asser  aus  Cyprians  Testimonien  direct  nicht  geschopft 
haben  kann.  Legt  man  aber  den  Cod.  B  fiir  die  Altercatio  zu 
Grunde,  so  fallen  sofort  sieben  sehr  wiclitige  Differenzen  fort, 
und  die  Texte  erscheinen  sicb  selir  ahnlicb^-).  Indesseu  bleiben 
Unterscliiede  auch  dann  noch.  Der  Eingang  des  Jeremias-Citates 
lautet  bei  Cyprian  anders  als  bei  Euagrius:  ferner  bietet  dieser 
„gladios",  jener  „cultellos"  (so  aucb  Lactantius):  endlicli  scbreibt 
Euagrius:  „et  sede  secundo  et  circumcide".  Es  ist  aber  wabr- 
sclieiulich,  dass  nicbt  B  sondern  V  die  urspriinglichen  LAA 
bietet;  denn  was  B  giebt,  sind  vulgarere  Lesarten  o^^. 

Das  Citat  Proverb.  S,  22—31  a  (Test.  II,'  1  vgl.  Alterc.  Ill,  1 1) 
ist  bei  Euagrius  (Cod.  B  und  V)  auf  die  Halfte  zusammenge- 
zogen.  Dazu  finden  sicb  betraclitliclie  Abweicbungen:  Das  ..in 
principio"  steht  an  verscliiedener  Stelle;  statt  „penes  ilium  dis- 
ponens"  (Test.)  beisst  es  „simul  cum  illo  disponens",  statt  „iu- 
cundabar  ante  faciem  eius"  viekaelir  „(ad)laetabar  in  faciem 
eius".  Das  damit  verbundene  Citat  Sir.  24,  3  —  6.  19  findet 
sicb  nur  zu  eineni  Drittel  bei  Euagrius.  V  bietet  dort  ,.altissi- 
mis",  wo  Cypr.  und  B  „altis"  lesen;  ausserdem  giebt  Euagrius 
ein  „primogenitus"  nacli  „prodivi",  welches  keiner  der  uns  be- 
kannten  Cypriancodices  entbalt'^^). 


91)  Die  Varianten  sind  nicht  sehr  bemerkenswerth;  die  wichtigsten 
sind,  dass  M  fiir  „cultellos"  „cultros"  liest,  dass  fiir  „et  adside"  gefunden 
wird.,sede  et"  —  .,adsidens  et"  —  „adsidens",  und  dass  B  ..circumcides" bietet. 

92  Der  Raumersparniss  wegen  setze  ich  den  Text  von  B  nicht  noch 
einmal  hierher,  sondern  ersuche  den  Leser  ihn  in  §  2  aufzusucheu. 

9:^)  Das  „ad  mandatum"  fiir  ..amandum"  bietet  auch  der  vulgare 
Text  des  Lactantius. 

!»4)  Baluzius:   „primogenita". 


Die  Altercatio  unil  Cyprians  Testimonia.  105 

Ps.  S9,  28— 34a  steht  Testim.  II,  1;  der  erste  Vers  allein 
findet  sicliAlterc.il,  0,  iind  wiihrend  Cyprian:  „et  ego  primo- 
genitum  ponam  ilium  et  excelsum  prae  regibus  terrae"  sclireibt, 
bietet  Euagriiis:  „Principem  ponam  (B  ponam  principem) 
ilium,  excelsum  prae  (omnibus  B)  regibus  terrae".  Gleichlautend 
sind  die  Citate  Ps.  45,  2  und  Ps.  33,  6;  dagegen  ist  Isa.  10,  23 
bei  Cj'prian  so  wiedergegeben:  „Verbum  consummans  et  brevians 
in  iustitia:  quoniam  sermonem  breviatum  faciet  deus  in  toto 
orbe  terrae",  wahrend  Euagrius  bietet:  „Consummatas  quidem 
et  (ad)breviatas  res  audivi;  quoniam  verbum  breviatum  faciet 
deus  in  omni  terra".  Ps.  107,  20  bieten  alle  Cypriancodd.  mit 
Ausnahme  von  A  („sanabit")  „curavit";   Euagrius:  „sanavit". 

Barucli  3,  35  sq.  (Testim.  II,  6)  beginnt  bei  Cyjn-ian:  „Hic 
deus  noster  et  non  deputabitur  alius  absque  illo,  qui  iuvenit 
omnem  viam  prudentiae  et  dedit  eam  lacob".  Dagegen  lieisst 
es  bei  Euagrius  (V):  ,,Hic  deus  et  non  est  alius  nee  aestima- 
bitur  absque  illo,  qui  invenit  omnem  prudentiam  et  dedit  lacob"; 
B  aber  ist  auch  liier  dem  Cypriantext  bedeutend  verwandter, 
wenn  schon  sich  das  „aestimabitur"  u.  A.  ebenso  wie  in  V  findet. 
Der  Text  von  Ps.  45,  7  ist  Testim.  II,  6  ganz  besonders  schlecht 
iiberliefert:  aber  die  LAA  des  Euagrius  „benedixit  te"  (V)  fiir 
„unxit  te"  und  „prae  participibus  tuis"  („plus  quam  participes 
tuos")  finden  sich  in  keinem  Cypfiancodex.  Gleiclilautend  ist 
das  Citat  Ps.  46,  11;  dagegen  findet  sich  in  Ps.  68,  5  die  LA 
von  V  „super  occasum"  in  keinem  Cypriancodex;  ebensovs^enig 
die  LA  „diiudicat"  in  Ps.  82,  1  (V),  wahrend  B  mit  den  Cyprian- 
codd. „disponens"  bietet. 

In  dem  langeren  Citat  Isa.  7,  10—14  (Testim.  II,  9)  weicht 
der  Cod.  V  sehr  stark  von  Cyprians  Text  ab.  Aber  auch  wenn 
man  B  zu  Grunde  legt,  finden  sich  sehr  bedeutende  Unter- 
schiede.  Cyprian  beginnt:  „Et  adiecit  dominus  loqui  ad  Achaz 
dicens";  Euagrius  dagegen:  „Factum  est  verbum  domini  ad 
Achab  dicens".  Cypr.  schreibt:  „in  altitudinem  sursum  et  in 
altitudinem  deorsum";  Euagrius  dagegen:  „in  profundum  (inferni) 
aut(Vsive)  in  excelsum  (supra)".  Cypr.:  „domiuum  deum  meum"; 
Euagr.:  „dominum".  Cypr.:  „et  dixit  audite  itaque":  EuagT.  „et 
ait  audite  nunc".  Cypr.:  „quoniamdeus  praestat  agonem";  Euagr: 
„et  ideo  vos  praestabitis  certamen".  In  dieser  Weise  gehen  bis 
zum  Schluss  die  Unterschiede  fort. 


106  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Das  erste  Citat  Testim.  II,  11  ist  kunstvoU  aus  den  Versen 
II  Sam.  7,  4.  5.  12 — 14.  16  zusammengesetzt  (s.  auch  I,  15,  wo 
derselbe  Wortlaut  zu  finden  ist).  Dieselbe  Zusammensetzung 
findet  sich  audi  bei  Euagrius  (III,  11)  9^);  nur  einige  Satzchen 
fehlen  bier,  namlich  „haec  dicit  Dominus"  —  „qui  erit  de  utero 
tuo"  —  „et  parabo  regnum  eius"  —  „et  regnum  eius  usque  iu 
saeculuni  in  conspectu  meo"  —  sowie  das  „erit"  vor  „cuui  im- 
pleti".  Von  diesen  Satzen  fehlt  nierkwlirdiger  Weise  „qui  erit 
de  utero  tuo"  auch  bei  Lactantius,  wahrend  das  bei  diesem  sich 
findende  „omnipotens"  und  das  „in  nomine  meo"  (fiir  „nomini 
meo")  von  Euagrius  so  wenig  wie  von  Cyprian  geboten  wird. 

Die  Michastelle  (Testim.  II,  12)  lautet  bei  beiden  wie  folgt: 
Cyprianus.  Euagrius. 

Et  tu  Betlileem  domus  illius  Et  tu  Bethleem  (luda)  domus 
Effrata  numquid  exigua  es,  ut  illius  Efratba  non  eris  exigua, 
constituaris  in  milibusluda?  ex  ut  constituaris  in  milibus  luda. 
te  mihi  procedet,  ut  sit  prin-  Ex  te  enim  mihi  prodiet,  ut 
ceps  apud  Israel,  et  processiones  sit  princeps  in  Israel,  et  pos- 
eius  a  principio,  a  diebus  saeculi.     sessio   eius  a   principio  (et)  a 

diebus  saeculi. 

Testim.  II,  13  citirt  Cyprian  Is.  53,  1— 7a;  II,  15  fiigt  er 
V.  7l3  —  9.  12  hinzu,  es  fehlt  also  v.  10.  11  ^6).  Bei  Euagrius 
(VI,  24)  steht  V.  1— 4a.  7^—9  und  aus  dem  10.  und  12.  Vers 
je  ein  Satz.  Der  Text  ist  aber,  mag  man  nun  B  oder  V  zu 
Grunde  legen,  ein  ganz  wesentHch  anderer  als  bei  Cyprian. 

In  dem  Citat  Is.  50,  5sq.  bieten  alle  Cypriancodices  „auxi- 
liator",  Euagrius  „adiutor". 

Bei  Cyprian  (II,  14)  sowohl  wie  bei  Euagrius  geht  das 
Citat  aus  Sap.  Sal.  2  von  v.  2 — v.  22  a;  der  Text  ist  auch 
wesentlich  derselbe.  Aber  v.  18  u.  v.  20  ^^  fehlen  in  den  Te- 
stimonien,  wahrend  sie  sich  bei  Euagrius  (B  u.  V)  finden,  und 
zwar  mit  einem  Zusatze  zu  v.  17.  Euagrius  kann  daher  nicht 
aus  den  Testimonien  geschopft  haben-''^). 

95)  S.  auch  das  identische  Citat  Lactant.  IV,  13  unci  dazu  Ronsch, 
Ztschr.  f.  d.  histor.  Theol.  1871  S.  538  f. 

96)  Diese  Verse  fehlen  auch  bei  Lactant.,  div.  instit.  IV,  18;  s.  Ronsch, 
a.  a.  0.  S.  560  f. 

97)  Lactantius  (IV,   16)  stimnit  genau  im  Umfange  des  Citates  mit 
Cyprian;  s.  Ronsch,  a.  a.  0.  S.  604 f. 


Die  Altercatio  unci  Cyprians  Testimonia.  1(J7 

Jerem.  11,  19  (Test.  II,  15):  „Ego  sicut  agnus  sine  malitia 
perductus  sum  ad  victimam":  derselbe  Vers  bei  Euagrius:  „Ego 
sicut  ovis  ad  victimam  ductus  sum  et  nesciebam". 

Das  Citat  Ps.  19,  6  sq.  reicht  bei  Euagrius  (wenigstens  nach 
B)  weiter  als  in  den  Test.  (II,  19). 

Jos.  5,  1-4  (Test.  II,  19)  lautet:  „Ego  sum  dux  virtutis  do- 
mini,  nunc  adveni";  dagegen  bei  Euagrius:  „Ego  (sum)  princeps 
militiae  maiestatis  domini". 

Is.  65,  2  (Testim.  II,  20)  heisst  es:  „Expandi  manus  meas 
tota  die  ad  plebem  contumacem  et  contradicentem  mihi";  da- 
gegen bei  Euagrius:  „Expandi  manus  meas  ad  plebem  non  cre- 
dentem  sed  et  contradicentem". 

Testim.  II,  29  heisst  es:  „Item  in  psalmo  XCVI:  Dominus 
regnavit,  exultet  terra,  laetentur  insulae  multae"  (97,  1);  bald 
darauf  folgt  Ps.  72,  1  sq.  Bei  Euagrius  steht  in  dem  parallelen 
Abschnitt:  „(Item  in  psalmo)  XCV  (dicit):  Dicite  in  nationibus, 
dominus  regnavit  a  ligno"  (96,  10).  Bekanntlich  findet  sicli  an 
beideu  Stellen  (Ps.  96,  10.  97,  1)  hie  und  da  der  alte  Zusatz 
„a  ligno".  Cyprian  hat  ihn  aber  iiberhaupt  nicht  (wohl  aber 
Commodian,  Carm.  apol.  291  bei  Ps.  97,  1);  aus  den  Testimo- 
nien  kann  ihn  also  Euagrius  nicht  genommen  haben. 

Ein  Drittheil  der  Bibelstellen ,  welche  Cyprian  und  Eu- 
agrius gemeinsam  sind,  ist  in  dem  Bisherigen  untersucht.  Es 
wird  geniigen,  um  das  Urtheil  zu  begriinden,  dass  Euagrius 
nicht  aus  den  Testimonien  geschopft  hat.  Die  Ab- 
weichungen  in  der  Form  der  Texte  —  auch  wenn  man  bei  den 
Varianten  stets  den  giinstigsten  Fall  gelten  lasst  —  sind  zu 
bedeutend,  als  dass  man  sich  davon  iiberzeugen  konnte,  der 
Yerfasser  der  Altercatio  habe  das,  was  er  mit  Cyprian  gemein- 
sam hat,  den  Testimonien  entlehnt. 

Dann  aber  bleibt  zur  Erkliirung  des  offenbaren  Verwandt- 
schaftsverhaltnisses  nur  die  Hypothese  librig,  dass  beide  die- 
selbe  Quelle  benutzt  haben,  welche  den  ihnen  gemeinsamen 
Schatz  von  Citaten  enthielt.  Diese  Annahme,  welche  eine  zwing- 
ende  ist,  ist  aber  auch  desshalb  probabel,  weil,  wie  wir  sahen, 
Cyprian  schwerlich  seine  alttestamentlichen  Citate  in  Buch  I 
und  II  vollig  selbstandig  gesammelt  hat.  Auf  eine  resp.  meh- 
rere  Vorlagen  deutet  Manches  in  seinen  Testimonien.  Wolier 
erklart  es  sich  z.  B.,  dass  er  I,  15  und  II,  11  dasselbe  Citat  in 


1(38  Die  Altercatio  Siinonis  et  Theopliili. 

dem  gleichen  kiinstlich  zurechtgemachten  Umfange  briugt?  Das 
VerMltniss ,  in  welcliem  Euagrius  und  er  stehen,  lasst  keine 
andere  Deutung  zu,  als  dass  beide  eine  —  wir  diirfen  mit  hoch- 
ster  Wahrscheiulichkeit  sagen  —  griechisclie  Sclirift^*)  benutzt 
haben,  in  welcher  an  dem  Faden  der  Gescliiclite  Christi  alt- 
testamentliche  Spriiche  aufgereiht  und  zu  Gruppen  zusammen- 
gestellt  waren-'^).  Die  Recensionen  der  lateinischen  Bibeliiber- 
setzung,  welche  beide  bei  der  Verwerthung  des  Originales 
brauchten,  waren  natiirlich  ahnlicli,  aber  sie  waren  docli  zum 
Theil  selir  verschieden.  So  erklaren  sicli  die  Unterschiede  wie 
die  Uebereinstimmungen  in  der  Form  ihrer  Citate  bei  gleicher 
Gruppirung.  Der  Bibeltext  der  Altercatio  ist  aber  spater,  wie 
Cod.  Bzeigt,  stark  modificirt,  wie  V  darthut,  misshandelt  worden; 
die  Hypotliese  ist  niclit  ganz  zu  verwerfen,  dass  derselbe  nacli- 
traglich  geradezu  nacli  den  Testimonien  Correcturen  und  Er- 
weiterungen  erfahren  hat,  obschon  ein  sicherer  Anhaltspunkt 
—  wenigstens  fiir  die  letztere  Annahme  —  niclit  vorhanden  ist. 
Ist  aber  eine  gemeinsame  Quelle  zu  fordern,  auf  welche 
die  Gruppen  von  Citaten  zurlickzufuhren  sind,  und  muss  diese 
Quelle  identisch  sein  mit  der  Grundschrift,  welche  die  Ueber- 
einstimmungen zwischen  TertuUian  und  Euagrius  erkliirt  — 
dies  folgt  aus  solchen  Stellen,  in  welchen  die  drei  Schriftsteller 
einander  parallel  sind  — ,  so  wird  die  H3^pothese,  dass  der  Alter- 
catio   des  Euagrius    ein    alter  Dialog   des    2.   Jahrhunderts   zu 


■  98)  Dafiir  biirgt  schon  der  Zustand  der  cliristlichen  Literatur  am  An- 
fang  des  3.  Jahrhunderts.  Die  Moglichkeit,  dass  Cyprian  die  alte  Schriffc 
nicht  im  Original,  sondern  in  irgend  welcher  Bearbeitung  benutzt  hat, 
muss  natiirlich  olFen  gelassen  werden. 

99)  Eine  eigenthiimliche  Bewandtniss  hat  es  mit  dem  einzigen  wort- 
lichen  Citat  aus  dem  N.  T.  bei  Euagi-ius  (Joh.  1,  Isq.  s.  Ill,  11).  Es  ist 
oben  (S.  90)  bemerkt  worden,  dass  dieses  Citat  zwar  auffallend  ist.  indess 
nicht  nothwendig  als  ein  Zusatz  des  Euagrius  aufgefasst  werden  muss. 
Als  diese  Worte  niedergeschrieben  wurden,  hatte  ich  noch  nicht  entdeckt, 
dass  derselbe  Complex  von  ATlichen  Schriftcitaten,  welcher  bei  Euagrius 
die  Erwahnung  von  Joh,  1,  Isq.  hervorgerufen  hat,  bei  Cj^prian  (Test. 
11,  3)  ebenfalls  in  diese  Stelle  ausmundet.  Man  ist  also  versucht,  anzu- 
nehmen,  dass  diese  Verbindung  wirklich  der  Quelle  angehort,  dann  aber 
auch  das  „propheta  noster"  als  Bezeichnung  des  Johannes,  welcher 
Ausdruck  sich  bei  Cyprian   nicht  findet.     Daif  man  an  Just.,    Dial.  SI 


Die  Altevcatio  uud  Liictautius'  Institutiones.  109 

Gruiide  liegt,  in  holieiu  Masse  verstiirkt.  Dieser  alte  Dialog  muss 
al)er,  wie  auch  das  Verhaltniss  zur  Stellengruppirung  bei  Cyprian 
beweist,  wesentlich  treu  von  Euagrius  reproducirt  worden  sein. 

o.    Die  Altercatio  und  Lactantius'  Institntiones. 

Auf  Uebereinstimmungen  zwischen  diesen  beiden  Werken 
ist  schon  von  den  ersten  Herausgebern  der  Altercatio  aufmerk- 
sani  gemacht  worden.  Die  Mauriner  baben  gemeint,  Euagrius 
liabe  den  Lactantius  ausgescbrieben.  Es  ist  allerdings  richtig, 
dass  zwischen  beiden  ein  Verwaudtschaftsverhaltniss  besteht; 
allein  der  grosste  Theil  der  parallelen  Stiicke  (Identitat  ganzer 
Gruppen  von  Citaten)  erkliirt  sich  daraus,  dass  Lactantius  die 
Testimonieu  des  Cyprian  ausgescbrieben  bat  ^^O).  Indessen  bie- 
von  abgesebeu,  bleibt  docb  nocb  Einiges  librig,  was  durch  die 
Beobachtung,  dass  Lactantius  die  Testimonien  ausgescbrieben  bat, 
nicbt  vollig  erklart  wird.  So  bebandelt  Lactantius  Instit.  IV,  17 
die  Bescbneidungsfrage  und  lasst  dann  c.  18  eine  Auseinander- 
setzung  folgen  „de  passione  dominica  et  quod  ea  praenuntiata 
fuerit".  Aucb  in  der  Alterc.  folgt  auf  das  Capitel  liber  die  Be- 
scbneidung  (c.  5)  das  liber  die  Passion  (c.  6).  In  der  Erorterung 
der  Besclmeidung  stebt  aber  bei  Lactantius  ein  Satz,  welcber 
an  ein  en  solcben  des  Euagrius  erinnert.  Dieser  scbreibt:  „Potue- 
rat  autem  dens,  si  vellet,  Adam  circumcisum  formare";  Lactan- 
tius: „si  deus  id  veUet,  sic  a  principio  formasset  liominem,  ut 
praeputium  non  baberet".  Indessen  ist  dies  und  Anderes  docb 
zu  unsicber,  um  darauf  zu  bauen.  Die  Uebereinstimmungen 
erklaren  sicb  vielleicbt  scbon  bei  der  Annabme,  dass  Lactantius 
die  Scbrift  TertuUians  adv.  ludaeos  gelesen  bat. 

Es  biitte  flir  die  Verbreitung  im  wesentlichen  identiscber 
und  mit  der  Altercatio  iibereinstimmender  Gruppen  von  Scbrift- 
citaten  in  der  abendlandiscben  Kircbe  des  4.  und  der  folgenden 


100)  Von  den  6S  alttestamentlichen  Citaten  des  Lactantius  stelien  32 
auch  bei  Euagiius;  von  diesen  32  finden  sich  aber  30  auch  bei  Cyprian, 
so  dass,  wenn  icb  riclitig  sehe,  nur  2  Stelien  (Isa.  44,  6.  45,  1  —  3)  Lactan- 
tius und  Euagi-ius  iiber  Cyprian  hinaus  gemeinsani  sind.  Der  Text  des  Lac- 
tantius ist  wirklich  —  einige  Diii'erenzen  abgerechnet  —  der,  welchen 
Cyprian  geboten  bat.  Man  kann  durch  eine  Vergleichung  der  Texte  des 
Lactantius  und  Euagrius  noch  einmal  constatiren,  dass  dieser  den  Cyprian 
nicht  ausgescbrieben  hat. 


110  Die  Altercatio  Simonia  et  Tlieophili. 

Jahrhunderte  ein  gewisses  Interesse,  die  liier  begonnenen  Unter- 
suchungen  fortzusetzen  und  sie  iiber  andere,  im  weiteren  oder 
engeren  Sinn  antijudische  Schriften  auszudelmen.  Indessen 
mag  das  hier  Gegebene  im  Rahmen  dieser  Studie  um  so  mehr 
ausreichen,  als  die  etwa  in  Betracht  kommenden  Tractate  und 
Predigten  hochstens  in  kleineren  Anssdinitten  Parallelen  bieten, 
und  die  Abhangigkeitsverbaltnisse  nicbt  mehr  zu  ermitteln 
wareni*^!).  Aber  auch  in  der  parallelen  Literatnr  des  Morgen- 
landes  seit  dem  4.  Jahrhundert  sind  anffallende  Beriihrungen 
mit  der  Altercatio,  resp.  ihrer  Grundschrift,  soweit  die  Kennt- 
niss  des  Verfassers  reicht,  niclit  nachweisbar.  Die  pseudogTe- 
gorianischen  Testimonien,  die  nocli  am  meisten  bieten,  sind  docli 
wiederum  so  selbstandig,  dass  die  Annahme  eines  anch  nur 
mittelbaren  literarischen  Abhangigkeitsverlialtnisses  nicht  sicher 
indicirt  ist. 

4.  Die  Altercatio  nnd  Justins  Dialog  mit  Trypbo. 
Aber  ist  nicht  der  umfangreiche  Dialog  des  Justin  mit 
Trypho  die  Grundlage  flir  die  spatere  antijudische  Polemik  und 
das  Arsenal  ihrer  Waffen  gewesen?  Besitzen  wir  in  ihm  nicht 
den  Schliissel  zur  Erklarung  der  Verwandtschaftsverhaltnisse, 
die  zwischen  den  spateren  Apologeten  besteheu,  und  ist  nicht 
etwa.  die  Grundschrift  der  Altercatio  nur  ein  Auszug  aus  dem 
Dialog?  Diese  Frage  bedarf,  bevor  wir  weiter  gehen,  der  Be- 
antwortung.  Freilich  zeigt  bereits  eine  vergleicheude  Ueber- 
sicht,  auch  ohne  Beriicksichtigung  der  Details,  dass  die  Frage 
hochst  wahrscheinlich  zu  verneinen  ist.  Erstlich  namlich  ist 
die  Anlage  des  Dialogs  mit  Trypho  eine  andere  als  die  der 
Grundschrift  der  Altercatio.  Diese  behandelt  fast  ausschliess- 
lich  die  Stiicke  der  Christologie  in  fester,  durchsichtiger  Glie- 
derung;  es  fehlen  in  ihr  die  Ausfiihrungen,  dass  die  Christen- 
heit  das  wahre  Israel  sei,   und  die  diesen  verwandten  ^*^-):    der 


101)  Umsonst  erwartet  man  auch  von  dem  Tractate  des  Celsus  Afer 
„Ad  Vigilium  ep.  de  iud.  incredul.",  welcher  als  eine  Einleitung  der  ver- 
lorenen  Uebersetzung  des  Dialogs  zwischen  Jason  und  Papiskus  voran- 
gestellt  war,  Aufschliisse  und  Hiilfe. 

102)  Die  Vorstellung  vom  neuen  Gesetz  ist  nur  vorausgesetzt,  nicht 
entwickelt;  s.  die  pnignante  und  alte  Formel  III,  11:  ,Hic  est  verbum, 
quod  velociter  mundum  percucurrit  et  animas  errantium  per  legem  novam 
ad  deum  convertit". 


Die  Altercatio  und  Justins  Dialog  mit  Tryplio.  til 

Dialog  dagegeii  sucht  die  Controverspunkte  wirklich  zu  er- 
schopfen,  \md  wenii  er  seiner  Anlage  nach  audi  eine  Disposition 
nicht  vermissen  lasst,  so  ist  er  doch  in  den  Ausfiihrungen  an 
vielen  Stellen  ungeordnet  und  verworren.  Es  ware  somit  niclit 
leicht  zu  erkliiren,  wie  eine  Sclirift  von  der  Art  der  Altercatio 
aus  dem  Dialog  excerpirt  worden  sein  konnte.  Dazu  kommt,  dass 
der  gemeinsame  Besitz  der  lateinischen  Apologeten  durchaus  nur 
die  Cbristologie  und  die  Beurtheilung  der  Beschneidung  um- 
fasst.  Dariiber  liinaus  gehen  sie  auseinander.  Ware  also  auch 
die  Grundsclirift  der  Altercatio  wirklich  ein  Excerpt  aus  dem 
Dialog,  so  miisste  sie,  und  wenigstens  niclit  in  erster  Reihe 
dieser,  von  den  Spateren  benutzt  worden  sein.  Endlich  linden 
sich  die  identiscben  Gruppen  von  Scbriftcitaten  der  Lateiner 
in  dem  Dialog  niclit  wieder.  Er  bebandelt  zwar  eine  grosse 
Anzabl  dieser  Citate  ebenfalls,  aber  in  ganzlicb  anderer  Ordnung. 

Hiernacb  ist  niindestens  die  Annabme  eines  Mittelgliedes 
zwiscben  dem  Dialog  mit  Tr}^3bo  einerseits,  Tertullian,  Cyprian, 
Lactantius  und  Euagrius  andererseits  unvermeidlicb;  anders 
ausgedriickt:  die  Frage  kann  nur  die  sein,  ob  die  Grundscbrift 
der  Altercatio  liberbaupt  mit  Justins  Dialoge  verwandt  ist. 
Wird  diese  Frage  bejabt,  so  muss  entscbieden  werden,  in  welcber 
Art  von  Abbangigkeit  die  beiden  Scbriften  steben. 

Um  mit  dem  Aeusserlicbsten,  aber  aucb  Wicbtigsten,  zu  be- 
ginnen,  so  finden  sicb  von  den  c.  134  alttestanientlicben  Citaten 
der  Altercatio  nur  65,  also  nicbt  ganz  die  Halfte,  in  dem  so 
umfangTeicben  justiniscben  Dialoge  wieder.  Es  feblen  dort  audi 
solcbe  in  grosser  Zabl,  welcbe  dem  Verfasser  der  Altercatio 
von  entscbeidender  Wicbtigkeit  gewesen  sind^os)  Diese  Be- 
obacbtung  lebrt,  dass  die  beiden  Scbriften  in  der  Hauptsacbe 
unabbiingig  von  einander  sein  mlissen.  Ferner  ist  die  Auslegung 
der  Stellen,  welcbe  sie  gemeinsam  baben,  durcbaus  nicbt  iiberall 
dieselbe.  Am  deutlicbsten  tritt  dies  bei  Isa.  7,  1  sq.  (Alterc.  Ill; 
Dial.  66—68.  71.  77.  78.  84)  bervor.    Die  Erklarung,  welcbe  der 


103)  Selir  beachtenswertli  ist,  dass  Justin  die  Citate  aus  Schriften 
des  alexandrinischen  Kanous  (Sap.  Sal.  2,  12—22;  Sirach  24,  3.  4  und 
Baruch  3,  35—37)  nicht  hat.  Namentlich  das  erstere  ist  seit  dem  Ende 
des  2.  Jahrhunderts  fiir  eines  der  wichtigsten  gehalten  worden.  Der  Jude 
TrA'pho  setzt  aber  auch  nicht  eine  personliche  gottliche  Sotpla  in  der 
Weise  voraus,  wie  Simon  Alterc.  Ill,  12. 


112  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Jude  vorbringt,  ist  dort  und  hier  ungefahr  die  gleiche,  aber 
seine  Gegner  legen  im  Einzelnen  die  Stelle  anders  aus,  wenn 
sie  auch  in  der  Bezugnahme  auf  Matth.  2  iibereinstimmeu.  So 
bezieht  Justin  den  „rex  Assyriae"  auf  den  Konig  Herodes,  der 
Verfasser  der  Altercatio  auf  den  Teufel.  Die  frappante  Aus- 
legung  von  Isa,  44,  6  auf  Christus  und  den  Antichrist  findet 
sicli  bei  Justin  nicht,  obgleich  audi  er  c.  32  (p.  108),  c.  110 
(p.  390)  von  dem  Antichrist  handelt.  Von  deni  Millennium  sprechen 
beide  (Alterc,  VII,  28.  Dial.  80.  81),  aber  in  einem  ganz  ver- 
schiedenen  Zusammenhang. 

Andererseits  finden  sich  auch  iiberraschende  Ueberein- 
stimmungen.  Zwar  die  Parallele  Alterc.  I,  1  („Habes  et  me 
patientem  auditorem,  si  modo  interrogationibus  meis  non  leno- 
ciniis  sermonum  aut  argumentis  verborum,  sed  legis  praesentia 
conprobes  veritateni")  mit  Dial.  56  (p.  194):  /mi  gov  leyovtog, 
OVA  rivaixof-ied-a,  el  (.iri  7cdvta  eni  rag  yQa(pag  dvi'jsg,  und  c.  68 
(p.  240):  si  TovTo  In  dvd^Qtonsloig  diddyf-iaoiv  i]  sni%eiQrif.iaGiv 
sne(jaX6/iirjV  duodsixv'vai ,  dvaoxeod-aL  f.iov  ov%  av  s'dei  {/.idg 
(of.  den  Vorwurf  des  Juden:  al  v(.isxBQai  s^iqyijosig  rsTexvao- 
^dvai  alaiv  c.  79  p.  285),  soli  nicht  besonders  betont  werden, 
ebensowenig,  dass  der  Verf.  der  Altercatio  der  Theorie,  die 
Justin  Apol.  I,  36  entwickelt  hat,  gefolgt  ist;  aber  unzweifel- 
haft  beachtenswerth  ist  die  Uebereinstimmung  in  der  Behand- 
lung  der  Beschneidungsfrage  bei  Beiden.  Es  kommen  hier  die 
cc.  12.  14.  15.  16.  19.  23.  29.  43.  82.  92.  113.  114.  137  (Alterc. 
V,  VII)  in  Betracht.  Die  Gedanken,  die  der  Verfasser  der  Alter- 
catio entwickelt  hat,  finden  sich  zu  einem  grossen  Theile  und 
in  ganz  ahnlicher  Form  bei  Justin  wied^r:  11  and  ^A^QCcd[.i 
y.axu  adgxa  nEQixof-ni  elg  onif-ielov  edoifr^^^^)  —  dy.QO^voTicc  Tijg 
YMgdlag  —  es  gilt  die  Siinden  des  Herzens  zu  beschneiden  — 
it  yag  nsQizo/tn)  rji'  dvayxala,  ovx  av  dxQ6(hoT0v  6  S'eog  e'nlaoe 
Tov  ^dd/ii;  es  folgt  eine  Aufzahlung  der  unbeschnittenen  alt- 
testamentlichen  Gerechten,  Abel,  Henoch,  Lot,  Noah,  Melchi- 
sedek  —  Abraham  war  in  der  Vorhaut,  als  er  gerecht  gesprocheu 
wurde  —  die  steinernen  Messer  (Jos.  5,  2)  sind  die  Worte 
Christi,  durch  welche  des  Herzens  Vorhaut  beschnitten  wird  — ; 


104)  Das  „Zeichen"  lasst  Justin  stets  seine  Bedeutung  durch  das  ha- 
drianische  Verbot,  Jerusalem  zu  betreten,  gemnuen. 


Die  Altercatto  und  Justins  Dialog  mit  Ti^vpho.  lj[3 

endlich  geht  auch  Justin,  wio  der  Verfasser  der  Altercatio,  zu 
Angrififen  auf  die  Art  der  jildischen  Gesetzesbeobachtuugeii 
uber  (c.  12  p.  46,  cf.  82  p.  298):  JsvTSQag  ijdt]  yiQsia  nsoizo- 
/n]g,  nai  vfielg  eni  rfj  aag/ii  /neya  (pQOvsiTe.  aa^^atiCeiv  vf.iug 
o  /Mivbg  ro/iiog  dia  navjog  id^ilei,  y.al  vi.ie7g  f.iiav  (XQyovvteg 
)f(HdQai'  €ia£ll€7p  doYMte,  f.iri  vnnZvTeg  dta  xi  v(.nv  nQooezdyrj' 
■/Ml  iav  atvi.ioi>  agzov  cfdyrjie,  nenhiQtoxivaL  to  d^eXru-ict  tov 
&£ov  (pars.  Ov/.  sv  znvTOtg  evdoxsl  y.vQiog  6  dsog  'qf.iojv.  Ei'  rig 
ioTiv  sv  v/iuv  hrioQAog  7]  y.XeTTTrig,  navodo&w  ei  xig  f-ioiyiog,  fis- 
Tavoijodzoj,  y.al  osaal^jSatiys  tcc  TQV(f€Qa  yal  dXr^d^iva  odjSj^aTa 
TOV  d-£Ov  xtX.  Oi  aQXOvzEg  vinov  ynivcovol  zlsTrzcov,  (piXovizeg 
d(dQa,  ditij-Aovzeg  dtzanodoina. 

Was  die  Christologie  betriift,  so  stelit  der  Verfasser  der 
Altercatio  genau  auf  demselben  Standpunkt  wie  Justin.  Die 
Pradicate,  welclie  dieser  an  so  vieleu  Stellen  seines  Werkes 
(vgl.  z.  B.  c.  126.  127.  61.  62)  Christus  giebt  [dgxt],  TTQwzozoxog, 
^soviwg,  ^oyog,  aocpia,  dvva/iiig,  ^s6c,  doyjorodzriyng^^'^),  finden 
sich  ebenso  in  der  Altercatio  —  audi  die  pragnante  Formel: 
XQiazhg  S-f.hg  ^sov  v'log  haben  sie  gemeinsam,  und  ,,^o/oc" 
ist  beiden  ein  Pradicat  neben  anderen  — ;  einige,  wie  die  von 
Justin  so  haufig  gebraucliten:  li'd^og,  nezga,  ayyslog  fehlen  frei- 
lich.  Auch  die  Vorstellung,  welche  sich  Justin  von  dem  Hervor- 
gehen  des  Logos  aus  Gott  gebildet  hat,  ist  ungefahr  die  nam- 
liche,  welche  sich  in  der  Altercatio  findeti*^^).  Nimmt  man 
hinzu,  dass  eine  Reihe  von  alttestamentlichen  Spruchen  von 
beiden  Apologeten  in  gleicher  Weise  verwendet  wird  —  die 
jiidische  Beziehung  einiger  derselben  auf  Salomo  oder  Ezechias 
wird  von  beiden  abgelehnt;  s.  Dial.  33.  34.  36.  83.85.  64  —  ^o'), 


105)  Hier  ist  namentlicli  die  Parallele  zwischen  c.  61  des  Dialogs  und 
Alterc.  n,  10  interessant. 

106)  Der  Einwurf  des  Juden  Dial.  67  (p.  236)  ist  dem  des  Simon 
Alterc.  Ill,  11  ahnlich.  Die  Beziehung  auf  Psalm  82,  6  (1.  c.  und  Dial. 
123.  123)  dagegen  ist  in  beiden  Scliriften  in  sehr  verschiedenem  Zusammen- 
hang  vorgebracht. 

107)  Beachtenswerth  i.st  die  Parallele  in  der  Ausleguug  des  72.  Psalms 
(Dial.  34  u.  Alterc.  VII,  26),  wo  die  Beziehung  auf  Salomo  abgelehnt 
wird:  2'aAo//(yv  oi; /M6;fp<  Twr  7rf pdrtuv  r^?  otxov/jiivtjg  s^aolkevasv;  doch 
ist  die  Uebereinstimmung  durchaus  keine  so  grosse  wie  zwischen  der 
Altercatio  und  TertuUian. 

Texte  und  UnterBuchungeu  I,  3.  8 


114  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

und  class  die  Auslegung  einiger  weniger  messianischer  Stellen 
eine  ahnliche  ist  —  man  vgl.  die  von  Ps.  22,  Isa.  53,  Jos.  2 
(Dial.  Ill  fin.),  Deut.  33,  13 sq.,  des  Passah's  — ,  so  wird  das 
Wichtigste  genannt  sein,  Dass  auch  die  guten  Engel  den  in 
den  Himmel  anfsteigenden  Christus  nicht  sofort  erkannt  haben, 
sagt  auch  Justin  (c.  36  p.  126;  s.  Alterc.  VI,  25);  ebenso  lehnt 
audi  er  (vgl.  Alterc.  II,  9)  die  Beziehung  von  Gen.  1,  26  auf 
die  Engel  ab  (c.  62  p.  218).  Schliesslicli  ist  nocli  auf  die  Art 
hinzuweisen,  in  welclier  beide  Apologeten  die  Vertbeidigung 
des  Kreuzestodes  Christi  eingeleitet  haben.  Beide  stellen  das 
Problem  so  bestimmt  wie  moglich  auf,  indem  sie  den  Juden 
bei  Deut.  21,  23  einsetzen  lassen  "^^).  AUein  weiter  reicht  eigent- 
lich  die  Uebereinstimmung  nicht  mehr;  denn  wahrend  Trypho 
von  vornherein  zugiebt  (s.  auch  schon  c.  36  n.  1),  dass  Christus 
als  7ia^r[i6g  geweissagt  sei,  und  nur  die  schimpfliche  Todesart 
beanstandet  (c.  89.  90),  sagt  Simon  in  der  Altercatio:  „non 
passum  Christum  in  scripturis  nostris  invenimus"  '"^^).  Bei  Justin 
findet  sicli  auch  nicht  der  Versuch,  aus  dem  Context  das  Gewicht 
der  Deuteroniumstelle  zu  beseitigen,  wahrend  umgekehrt  die 
Wen  dung,  welche  Jastiu  c.  94  (p.  344)  der  Argumentation  ge- 
geben  hat,  dem  Verfasser  der  Altercatio  unbekannt  geblieben  ist. 
Fasst  man  alle  diese  Beobachtungen  zusammen,  so  wird 
man  urtheilen  mtissen,  dass  die  Grundschrift  der  Altercatio 
nicht  als  ein  Excerpt  aus  dem  Dialog  des  Justin  betrachtet 
werden  kann,  und  dass  iiberhaupt  kein  Grund  vorhanden  ist, 
sie  fiirj  linger  zu  achten  als  jene  Schrift.  Ein  literarisches  Ver- 
wandtschaftsverhaltniss  scheint  allerdings  zwischen  beiden  Dia- 
logen  zu  bestehen  (s.  namentlich  die  Behandlung  der  Beschneid- 
ungsfrage);  aber  es  ist  schwierig  und,  wie  es  scheint,  aussichts- 
los,  dasselbe  genauer  zu  bestimmen.     Ist  es  ein  unmittelbares, 


108)  Dies  blieb  die  Kegel  in  der  Apologetik,  und  die  Juden  werden 
wirklich  von  Anfang  an  diese  Stelle  besonders  geltend  gemacht  haben. 
,,Famosissinia  quaestio  est",  sagt  Hieronymus,  Comment,  in  ep.  ad  Galat. 
lib.  XL  0pp.  VII  p.  436),  „et  nobis  soleat  a  ludaeis  pro  infamia  obiici, 
quod  salvator  noster  et  dominus  sub  dei  fuerit  maledicto". 

109)  Auch  Credner  (Beitrage  II  S.  66)  ist  es  aufgefalleu,  dass  Trypho 
soviel  von  vornherein  zugiebt.  Er  erklart  diese  Thatsache  aber  unrichtig, 
wenn  er  sagt:  „Zu  Justins  Zeit  miissen  die  Juden  ihren  Vortheil  noch 
nicht  gekanut  haben". 


I 


Die  Altorciitio  lasonis  et  Fapisci.  115 

tlaiiii  liegt  die  Annahiuo  niiher,  class  vielmehr  -Iiistiii  liier  der 
Spatere  ist;  ist  es  ein  vermitteltes  —  und  diese  Hypothese 
empfiehlt  sicli,  weil  die  wiclitigsten  Abschnitte  in  der  Altercatio 
sicli  bei  Justin  so  nicht  wiedertinden  — ,  dann  muss  jede  Mutli- 
uiassung  unteidrlickt  werden.  Aber  flir  die  hier  vorliegende 
Frage  geniigt  die  Feststellung,  dass  die  Grundschrift  der  Alter- 
catio nicht  iiber  TertuUian  hinauf  bis  zu  Justins  Dialog  sicher 
zu  verfolgeu  ist,  dass  sie  sich  zwar  niit  diesera  beriihrt,  aber 
nicbt  von  ihm  abznleiten  ist. 


§  G.    Die  Grundschrift  der  Altercatio  Simonis  et  Theo- 
phili  und  die  Altercatio  lasonis  et  Pa])isci. 

Fassen  wir  das  bisherige  Ergebniss  zusammen:  der  Alter- 
catio Simonis  et  Theophili  liegt  ein  Dialog  zwischen  eineni 
Juden  und  einem  Christen  zu  Grunde,  der  aus  dem  2.  Jahr- 
hundert  stammt,  der  in  der  lateinischen  Literatur  der  Folgezeit 
mehrfach  benutzt  und  am  Antang  des  5.  Jalirhuudei'ts  von  einem 
gallischen  Theologen,  Euagrius.  in  einer  lateinischen  Bearbeit- 
nng  aufs  neue  publicirt  worden  ist. 

Dieses  Ergebniss  ist  an  sich  wichtig  und  belangreich.  Wir 
diirfen  in  der  bisher  so  vernachlassigten  Altercatio  des  Eua- 
grius einen  Dialog  aus  der  iiltesten  christlichen  Literatur,  wenn 
auch  in  Ueberarbeitung,  erkennen.  Aber  lasst  sich  dieser  Dialog 
nicht  vielleicht  identificiren  und  naher  bestimmen? 

Wer,  wie  Reuter^i^),  (jgj.  Meinung  ist,  dass  allein  in  den 
mittleren  Decennien  des  2.  Jahrhunderts  christliche  literarische 
Urkunden  zu  Tausenden  verf'asst  und  entstanden  sind,  der  wird 
natilrlich  nicht  darau  denken  konnen,  die  hier  geforderte,  bis- 
her noch  namenlose  Schrift  naher  zu  bestimmen;  wer  aber  mit 
dem  Verfasser  dieser  Abhandlung  anzunehmen  geneigt  ist,  dass 
wir  den  grossten  Theil  der  im  2.  Jahrhundert  entstandeneu, 
einflussreichen  kirchlichen  Schriftwerke  wenigstens  dem  Titel 
nach  kennen'i'),  der  wird  nicht  sofort  verzagen.  Unter  dem 
Titel  adversus  ludaeos  oder  einem  ahnlichen  sind  uns  aus  dem 


110)  Ztschi-.  f.  Kirchengesch.  IV  S.  509. 

111)  Diese  Hypothese  kanu  natiivlich  strict  niemals  be-wiesen  werden; 
aber  es  ist  nicht  schwer,  sie  wahrscheinlich  zu  machen. 

8* 


116  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

zweiten  Jahrhundert,  wie  oben  S.  76  f.  g^ezeigt  worden,  nur  sehr 
wenige  Schriften  bekannt.  An  die  verloreue  Schrift  des  Miltiades 
adv.  ludaeos  ist  liier  schwerlich  zu  denken,  da  uns  nicht  mit- 
getheilt  worden  ist,  dass  sie  in  dialogischer  Form  abgefasst 
war  112).  Dagegen  wird  sich  Jeder,  der  die  Literatur  des  2.  Jabr- 
hunderts  iibersieht,  bier  sofort  an  den  ebenfalls  verlorenge- 
gangenen,  von  Eusebius  bereits  unterschlagenen  Dialog  des 
Jason  und  Pap  is  ens  erinnern.  Wir  wissen  iiberbanpt  nur 
von  zwei  antijiidischen  Dialogen,  die  im  2.  Jahrbundert  ent- 
standen  sind,  dem  eben  genannten  und  dem  Dialog  Justins  mit 
Trypho.  Da,  wie  gezeigt  worden,  der  letztere  bier  nicbt  in 
Frage  kommen  kann,  so  bestebt  von  vornberein  —  man  darf 
nicbt  sagen  eine  gewisse  Wabrscbeinlicbkeit,  wobl  aber  ein 
gewisses  Vorurtbeil  zu  Recbt,  dass  wir  den  Dialog  des  Jason  und 
Papiscus  als  die  Vorlage  fur  die  Altercatio  des  Euagrius  zu 
beurtbeilen  haben,  resp.  dass  wir  in  diesem  Dialog  des  5.  Jabr- 
hunderts  die  Grundziige  jener  alten  Streitscbrift  wiedererkennen 
diirfen. 

Von  der  Altercatio  lasonis  et  Papisci  und  ibrer  bocbst 
seltsamen  und  lebn-eicben  Gescbicbte  in  der  Kircbe  ist  in  diesen 
Untersucbungen  bereits  gebandelt  worden  ^^  3).  Indem  auf  die 
dort  gegebenen  Ausfdbrungen  verwiesen  wird,  soil  bier  die 
Summe  unseres  bisberigen  Wissens  von  dieser  Scbrift  kurz  zu- 
sammengefasst  werden,  "urn  das  oben  pracisirte  Vorurtbeil  zu 
erproben. 

1)  Die  Streitrede  des  Jason  und  Papiscus  liber  Cbristus 
(als  jj'laaovog  xat  IlaTrioxov  avriloyict  ttsqI  Xqiotov'^  von  Ori- 
genescitirt;  Celsus  hat  dieNamenumgestellt;  „Altercatio  lasonis 
et  Papisci"  sagt  Hieronymus;  „Disceptatio  [concertatio]  lasonis 
et  Papisci"  Celsus  Afer;  JidXs^ig  IlaTiiaxov  ymI  'Idoovos  Maxi- 
mus  Confessor)  ist,  aller  Wabrscbeinlicbkeit  nacb  in  dem  Men- 
scbenalter  zwiscben  c.  135  und  165,    in   griecbiscber  Spracbe 


112)  Die  Moglichkeit,  dass  sie  ein  Dialog  gewesen  ist,  ist  indess  nicht 
bestinmit  zu  bestreiten,  und  in  diesem  Falle  kame  sie  allerdings  in  Be- 
tractt.  Doch  ist  diese  Moglichkeit  nicht  weiter  zu  discutiren,  da  wir 
keine  Zeile  aus  dieser  Schrift  und  kein  einziges  Urtheil  iiber  dieselbe  be- 
sitzen.  An  die  Eclogen  des  Melito  kann  ebenfalls  desshalb  nicht  gedacht 
werden,  weil  sie  nur  eine  Materialiensamnilung  gewesen  sind  (s.  oben  S.  76). 

113)  S.  Bd.  I  H.  1.  2  S.  115—130. 


Die  Altercatio  lasonis  et  Papisci.  lj[7 

verfasst  wordeii  unci  wurde  bereits  zu  der  Zeit,  als  Celsus  die 
Materialieu  fur  seinen  ^^Aoyoo,  ahjOt'ii;^^  sammelte,  vielfach  in 
der  Kirclie  gelesen.  In  Alexandrien  war  sie  zur  Zeit  des  Clemens 
und  Origenes  bekannt. 

2)  Die  Schrift  liatte  einen  geringen  Umfang  —  ein  avpygafi- 
fiaTior  nennt  sie  Origenes. 

o)  Sie  handelte  gegeniiber  den  Juden  so  vornelimlich  — 
darin  von  dem  Dialog  des  Justin  verscliieden  —  liber  Christus, 
dass  Origenes  sie  kurzweg  als  avriloyla  nsql  Xqigtov  bezeichnet 
und  Celsus  Afer  ihren  Inhalt  als:  „adsertio  et  vindicatio  dispo- 
sitionis  et  plenitudinis  Christi"  angegeben  hat. 

4)  In  ihr  war  aufgezeiclinet,  „wie  ein  Christ  auf  Grund 
der  jiidischen  Schriften  mit  ein  em  Juden  disputirt  und  den 
Nachweis  liefert,  dass  die  von  dem  Christus  handelnden  Pro- 
phezeiungen  auf  Jesus  passen,  wahrend  sein  Gegner  in  wackerer 
und  nicht  unebener  Weise  die  Rolle  des  Juden  im  Streite  flihrt" 
(Origenes). 

5)  Die  Schrift  gehorte  zu  der  Klasse  von  Schriften,  die 
AUegorien  und  Diegesen  enthielten  (Origenes). 

6)  Der  Christ  bediente  sich  in  der  Schrift  nicht  nur  der 
„admonitio",  sondern  auch  der  „leuis  increpatio",  und  milderte 
dadurch  die  obstinate  Harte  des  Herzens  des  Juden,  so  dass 
derselbe  allmiihlich  Einsicht  in  die  Wahrheit  gewann,  die  Furcht 
des  Herrn  in  sich  aufnahm  und  Jesus  als  den  Sohn  Gottes 
glaubte.  Er  bittet  am  Schluss  den  Jason  um  die  Ertheilung 
des  Taufzeichens  (Celsus  Afer). 

7)  Jason  war  als  ein  Christ  aus  den  Hebraern,  Papiscus 
als  ein  alexandrinischer  Jude  vorgestellt;  also  war  der  Ver- 
fasser  selbst  hochst  wahrscheinlich  von  Geburt  ein  Hebraer 
(Celsus  Afer). 

8)  In  dem  Dialog  war  Deuter.  21,  23  angefuhrt,  und  zwar 
in  Uebereinstimmung  mit  der  Uebersetzung  des  Aquila:  ^loi- 
doQia  S^eoc  6  y,Qtf^ia[.ievog  (Hieronymus). 

9)  In  dem  Dialog  war  Genes.  1,  1  erklart,  als  ob  die  Stelle 
laute:  „In  fiHo  fecit  Deus  caelum  et  terram".  Mithin  ver- 
trat  der  Verfasser  bereits  die  „hohere"  Christologie.  Hieronymus 
sagt  nicht,  dass  in  dem  Dialog  die  Worte:  ,Jn  filio  fecit  etc." 
als  Citat  aus  der  Genesis  gestanden  hatten,  sondern  er  berichtet, 
dass  Viele  diese  LA  flir  die  des  hebraischen  Grundtextes  halten, 


1 18  I>ii-'  Altt'i'catio  Simonis  et  Theophili. 

wie   clenn   audi   ein    solclier  Satz  in   der  Altercatio   des  Jason 
und  Papiscus  gefunden  werde. 

10)  In  dem  Dialog  kara  der  Ausdruck  „sieben  Himmel" 
vor  (Maximus  Confessor). 

11)  Der  Dialog  ist  dem  Celsus,  Clemens  Alexandrinus,  Ori- 
geues,  Hieronymus  und  Celsus  Afer  ohne  Verfassernamen 
bekannt  gewesen;  erst  Maximus  Confessor  nennt  einen  Aristo 
von  Pella  als  Autor,  wiilirend  Clemens  Alexandrinus  in  den 
Hypotyposen  als  solchen  den  Lucas  bezeichnet  hat. 

12)  Einer  ungenannten  Schrift  eines  Aristo  von  Pella  bat 
Eusebius  eine  Nacbricht  iiber  die  Folgen  des  Judenaufstandes 
unter  Hadrian  fiir  die  Juden  entnommen.  Es  ist  nicbt  ganz 
unwahrscbeinlich,  dass  diese  Schrift  eben  der  Dialog  des  Jason 
und  Papiscus  gewesen  ist;  ferner  spricht  Einiges  daflir,  dass 
Tertullian  in  seiner  Schrift  adv.  ludaeos  den  Dialog  benutzt 
hat.  Ist  diese  Hypothese  begriindet,  dann  bestatigt  sich  die 
Angabe  des  Maximus,  dass  Aristo  von  Pella  der  Verfasser  des- 
selben  ist. 

13)  Zur  Zeit,  da  Celsus  und  Clemens  Alexandrinus  (Hypo- 
typosen) schrieben,  erfreute  sich  der  Dialog  einer  weiten  Ver- 
breitung  und  eines  grossen  Ansehens;  aber  seit  dem  Ausgang 
des  2.  Jahrhunderts  (resp.  Anfang  des  3.)  anderte  sich  das  im 
Orient.  Nicht  nur  hat  ihn  Clemens  in  seinen  spateren(?)  Schriften 
nicht  mehr  erwahnt,  sondern  Origenes  flihlt  sich  durch  die  An- 
fiihrung  des  Dialogs  bei  Celsus  in  Verlegenheit  gesetzt,  nimmt 
dem  Celsus  dieselbe  fast  iibel  und  sagt  geradezu ,  der  Dialog 
sei  zwar  nach  Inhalt  und  Form  achtungswerth,  jedoch  recht 
„unbedeutend".  „Er  kann  zwar  bei  dem  grossen  Haufen  und 
den  Einfaltigeren  etwas  zur  Stiirkung  des  Glaubens  beitragen, 
dagegen  auf  die  Gebildeteren  keinen  Eindruck  machen".  Man 
darf  also  zuversichtlich  vermuthen,  dass  das  Biichlein  durch 
seine  alterthiimlichen,  vielleicht  apokalyptischen,  jedenfalls  ein- 
faltig  erscheinenden  Ausfiihrungen  in  Misscredit  bei  den  orien- 
talischen  .,Theologen"  gekommen  ist.  Unter  solchen  Umstan- 
den  —  vielleicht  war  dem  Ansehen  des  Buches  auch  schon  die 
Nationalitiit  des  christlichen  Disputanten  gefahrlich  —  schob  es 
Eusebius,  wie  er  es  in  ahnlichen  Fallen  zu  thun  pflegte,  ganz 
bei  Seite;  Hieronymus  hat  es  zwar  in  Handen  gehabt  (in  grie- 
chischer  Sprache,  und  nur  in  dieser),    aber  bei  seinen  Zeitge- 


Die  AltiMTiitio   hisonis  ct  Piipisci.  119 

iiossen  anf  keine  Bekanntsclialt  niit  demselben  gerechnet,  es 
audi  in  seinem  Kataloge  christlicher  Schriftsteller  unci  Schriften 
niclit  erwahnt.  In  der  griechischen  Kirclie  wird  es  nur  noch 
einmal  —  im  7.  Jahrhuudert  —  von  Maximus  genannt,  der 
audi  iibeiTaschender  Weise  den  Verfasser  anzugebeu  weiss. 
Dagegen  hat  nodi  im  Ausgang  des  5.  Jalirliunderts  ein  africa- 
nisdier  Bisdiof,  Celsus,  den  alteii  Dialog  als  ein  „opus  praeda- 
runi  atque  memorabile  gloriosumque"  gefeiert.  Er  hat  ihii 
ubersetzt  uud  diese  Uebersetzung  niit  einer  langen  Vorrede 
.,de  iudaica  incredulitate"  dem  beriihinten  Bisdiof  Vigilius 
gewidmet. 

In  diesen  dreizehu  Satzgruppen  ist  Alles  entlialten,  was 
\vir  ziir  Zeit  tiber  den  Dialog  des  Jason  und  Papiscus  wissen  ^i^). 
Mit  Ausnahme  des  sub  12  Bemerkten  ist  dieses  unser  Wissen 
ein  sidieres.  Wie  verhalt  sidi  nun  die  Altercatio  des  Euagrius, 
resp.  ihre  Grundschrif't,  hiezu?  Kami  eine  Verwandtscliaft,  kann 
die  Identittit  der  Grundsclirift  und  des  alten  Dialogs  wirklich 
t'lir  wahrscheinlich  gelten? 

Zuniichst:  Die  Geschichte  der  Uebeiiieferung  des  alten  Dia- 
loges  (13)  ist  der  Hypothese  glinstig.  Er  ist  ini  Orient  in  Ver- 
gessenheit  gerathen  wie  die  Grundsclirift  der  Altercatio,  und 
wie  diese  im  Anfang  des  5.  Jahrhunderts,  nadidem  sie  im  Occi- 
dent maunigfache  Dienste  gethaii,  in  Gallien  nocli  eineii  Be- 
arbeiter  gefunden  hat.  so  hat  der  Dialog  des  Jason  und  Papiscus 
im  Ausgange  desselben  Jahrhunderts  in  Africa  noch  einen  Lob- 
redner  und  Uebersetzer  erhalten.  Ferner  ist  die  Angabe  be- 
achtenswerth,  dass  der  alte  Dialog  niir  einen  geringen  Umfang 
gehabt  (2),  namenthch  aber  die  andere  (3),  dass  er  ledig- 
lich  oder  doch  ganz  hauptsachlich  von  Christus  gehandelt  hat, 
die  ubrigen  Stiicke  also,  die  zwischen  Juden  und  Christen 
controvers  waren,  in  ihm  entweder  gar  niclit  oder  nur  fliichtig 
berllhrt  gewesen  sind.  Auch  in  der  Altercatio  Sim.  et  Tlieoph., 
resp.  in  ihrer  Gruudschrift,  ist  die  Christologie,  worauf  mehrfach 
oben  hingedeutet  worden  ist,  niclit  nur  die  Hauptsache,  sondern 
fast  ausschliessliches  Tliema,  audi  sie  ist  daher  als  ^Avnloyla 
7r£oi  Xoiaroc,  resp.  als  ,,adsertio  et  vindicatio  dispositionis  et 
plenitudinis   Chi-isti"   zu   bezeichnen.     Weiter:    beide    Schriften 


114)  Doch  s.  unten  S.  12G  n.  123. 


120  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

fuhren  mcM  deu  Titel  „Jidloyog'',  sondern  den  andereu  „Alter- 
catio"  (apTiloyia)^^^);  in  beiden  Schriften  ist  das  Alte  Testa- 
ment das  ausscliliessliche  Beweisinstrument  gewesen  (4),  so  dass 
alle  tlieoretische  Argumentation  ausgescblossen  war  (s.  die  starke 
Betonimg  dieses  Punktes  Alterc.  I,  1),  beide  endlicb  —  doch  dies 
ist  selbstverstandlicb  —  entbalten  allegorische  Auslegungen^i^)^ 
Die  bisber  genannten  Uebereinstimmungen  sind  —  wenn 
aucb  die  sub  3  genannte  bereits  von  grosser  Bedeutung  ist  — 
docb  noch  allgemeiner  Natur.  Entscbeidender  sind  folgende: 
aucb  von  der  Altercatio  Simonis  et  Tbeopbili  lasst  sicb  sagen  — 
wenn  man  sicb  auf  den  Standpunkt  der  Kirchenvater  stellt  — , 
dass  der  Jude  ,,in  wackerer  und  nicbt  uuebener  Weise"  den 
Streit  fiibrt  (4).  Dieses  Lob  kann  docb  nur  den  Sinn  baben, 
dass  er  zwar  die  notbigen  Einwande  folgerecbt  vorbringt,  aber 
der  Widerlegung  und  besseren  Belebrung  stets  zugangbcb  ist. 
Dass  Origenes  in  diesem  Sinne  dem  Juden  seine  Anerkennung 
bezeugt  bat,  gebt  aus  der  genaueren  Bescbreibung  des  Ganges 
der  Streitunterredung  bei  Celsus  Afer  deutlicb  bervor.  Die 
Ziige,  welcbe  dieser  (6)  mitgetbeilt  bat,  stimmen  aber 
auf  das  frappanteste  zu  der  Altercatio  Sim.  et  Tbeopb. 
Man  kann  den  Gang  der  Streitunterredung,  die  Mittel, 
welcbe  der  Cbrist  braucbt,  die  stets  wacbsende  Zu- 
stimmung  des  Juden  bier  gar  nicbt  zutreffender  be- 
scbreiben,  als  mit  den  Worten,  in  welcben  Celsus  die 
Unterredung  und  ibren  Erfolg  in  dem  Dialoge  des 
Jason  undPapiscus  bescbrieben  bat.  Aucb  in  der  Alter- 
catio Sim.  et  Tbeopbili  bittet  schliesslich  der  Jude  den  Christen 
um  die  Taufe,  nacbdem  er  von  Abscbnitt  zu  Abscbnitt  „Ein- 
sicbt  in  die  Wabrheit"  gewonnen,  und  nacbdem  ibn  der  Cbrist 
sowobl  durcb  Ermabnungen  als  durcb  Sclieltreden  zur  Einkehr 
gebracbt  bat.  Man  kann  dem  nicbt  entgegenbalten ,  dass  dies 
die  stereotype  Form  soldier  Dialoge  gewesen  sei;  denn  erstens 


115)  Ueber  die  Bedeutung  dieses  Titels  s.  Volkmann,  die  Rhetorik 
der  Griechen  und  Romer  S.  149. 

116)  Origenes  spricht  von  Diegesen.  Das  Wort  hat  eine  weite  Be- 
deutung; im  strengen  Sinne  finden  sich  Diegesen  in  der  Altercatio  Euagrii 
nicht;  aber  Origenes  sagt  genau  genommen  nicbt  einmal,  dass  der  Dialog 
des  Jason  solche  enthalten  hat,  sondern  rechnet  ihn  in  die  Classe  von 
Schriften.  welcbe  AUegorien  und  Diegesen  umfassen. 


Die  Altomitio  liisonis  ot  Papisci.  121 

liisst  sich  von  stereotypen  Formeii  im  2.  Jahrliundert  liberhaupt 
iiiobt  spreclien,  uud  zweitens  zeigt  der  Dialog  Justins  mit  Trypho 
iius  eiue  wesentlich  aiidere  Methode  und  vor  allem  einen  an- 
deren  Erfolg. 

Weiter  aber,  die  Stelle  Deut.  21,  23,  welcbe  Hieronymus 
in  der  Altercatio  lasonis  et  Papisci  gelesen  hat  (8),  findet  sich 
auch  in  der  Altercatio  Sinionis  et  Theophili,  nnd  zwar  ist  ihre 
Behandlung  ein  Hauptstiick  in  derselben  i'^). 

Feruer,  der  Jude  Simon  wundert  sich,  dass  in  der  Genesis 
c.  I,  1  nicht  voni  Sohne  als  Schopfer  die  Rede  ist,  wenn  er  doch 
nach  Meinnug  der  Christen  Sohn  Gottes  sein  soil;  Theophilus 
erklart  darauf,  dass  allerdings  Genes.  1,  1  die  Schopferthiitigkeit 
des  Sohnes  bezeugt  werde,  deun  die  Worte  „in  principio"  seien 
gleich  „in  Christi  arbitrio  et  ad  voluntatem  eius  (II,  8)".  Diese 
Aiislegnng  hat  aber  Hieronymus  in  der  alteren  Lite- 
ratnr  nur  im  Dialoge  des  Jason  nnd  Papiscus  und  bei 
Tertullian  gefunden  (9). 

Endlich,  die  Grundschrift  der  Altercatio  ist,  wie  diese  selbst 
noch  zeigt,  weniger  „philosophisch"  als  z.  B.  der  Dialog  des 
Justin,  wenn  sie  ancli  die  hohere  Christologie  vertreten  hat. 
Sie  enthalt  zudem  Ausfiihrungen  iiber  das  tausendjahrige  Reich, 
den  Antichrist,  die  sichtbare  ausserliche  Wiederkunft  Christi, 
den  Weltbrand,  sowie  seltsame  Deutungen  (s.  gleich  im  Ein- 
gang  I,  4.  5)  und  anstossige  Allegorien  (VI,  24  fin.  25  init.), 
kurz  sie  entspricht  einigermassen  dem  Bilde  der  alten  Alter- 
catio, welches  wir  uns  nach  dem  sub  13  Bemerkten,  namentlich 
nach  den  Urtheilen  des  Origenes,  von  ihr  machen  raiissen. 

Lasst  sich  nach  diesen  Zeugnissen  aus  dem  Inhalte  und 
der  Ueberlieferung  mit  einer  nicht  geringen  Wahrscheinlichkeit 
behaupten,  dass  die  Vorlage  des  Euagrius  der  Dialog  des  Jason 
und  Papiscus  gewesen  ist,  so  bleiben  doch  andererseits  nicht 
geringe  Bedeuken  iibrig.  Sehe  icli  recht,  so  sind  es  drei:  Erst- 
lich    namlich   sind   die  Nam  en  der  Partner  dort  und  hier  ver- 


117)  Dass  ■\vir  die  Worte,  welehe  Hieronymus  in  der  Altercatio  lasonis 
gelesen:  AoidofJia  d^eov  6  XQSfidfievog  —  er  selbst  iiljersetzt  sie  genau 
durch  ,.Maledictio  dei  qui  appensus  est"  —  nicht  in  wortlicher  Ueber- 
tragung  bei  Euagrius  finden,  sondern  vielmehr  das  vulgare  „Maledictus 
omnis  qui  pendet  in  ligno"  kann  naturlich  nicht  in  Betracht  kommen, 
da  Euagrius   sich   an  den  ihni  gelaufigcn  Bibeltext  gehalten  haben  wird. 


122  ^)i''   Alter<-.i(ii'>  Siiuonis  et  Theopliili 

schieclene,  zweitens  soil  uach  dem  Zeiigniss  des  Celsus  Afer 
in  der  Altercatio  lasonis  et  Papisci  der  Christ  als  geborener 
Hebraer,  der  Jude  als  Alexandriner  vorgestellt  worden  sein  (7), 
drittens  hat  in  der  alten  Schrif't  etwas  liber  die  sieben  Himmel 
gestanden  (lU),  was  wir  in  der  Altercatio  Euagrii  jetzt  nicht 
lesen  ^^^). 

Es  ist  jedenfalls  ein  giinstiges  Prajndiz  in  Ansehung  dieser 
Bedenken,  dass  sie  sammtlich  Punkte  betreffeii,  welche  in  einer 
Ueberarbeitung  eiiier  urchristlichen  Schrift,  a  priori  geurtheilt, 
der  Erhaltung  am  wenigsten  sicher  waren.  Wlirde  es  sich  um 
Diiferenzen  in  solchen  Stucken  hier  und  dort  handeln,  f'iir  deren 
Entstehung  sich  ein  Grund  nicht  auffinden  liesse,  so  wiirde  die 
Hypothese,  welche  hier  empfohlen  wird,  bedeutend  erschiittert 
Averden.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall;  zudem  ist  anch  nicht 
behauptet  worden,  dass  die  Altercatio  des  Enagrius  lediglich 
eine  Uebersetzung  der  Altercatio  lasonis  et  Papisci  sei,  viel- 
mehr  wurde  oben  (§  4)  constatirt,  dass  die  ihrzn  Grunde  liegende 
Schrift  mindestens  in  einem  Fall  einen  bedentenden  Znsatz,  wahr- 
scheinlich  in  mehreren  Kiirzuna-en  erlitten  hat.    Wir  miissen  also 


lib)  Die  Stelle  iiber  die  Folgen  des  Barkochbakrieges  fur  die  Juden, 
welche  moglicher- ,  ja  walirscheinliclierweise  in  der  alten  Altercatio  ge- 
standen hat  (12),  findet  sich  in  der  spateren  nicht.  Indessen  ist  hier  fol- 
gendes  zu  beachten.  Justin  sowohl  als  Tertullian  bringen  die  Notiz  iiber 
das  Verbot  Hadrians,  Jerusalem  zu  betreten,  im  engsten  Zusamnienhang 
mit  der  Ausfuhrung,  dass  die  Eescbneidung  nicht  ,,in  salutem"  gegeben, 
sondern  als  ,,signum"  zu  betrachten  sei,  dessen  gottlicher  Zweck  eben  durch 
jenes  Verbot  erst  offenbar  geworden  sei  (s.  Just.,  Dial.  vv.  11.  und  Ter- 
tull.  adv.  lud.  3.  [13]:  ,,Dari  enim  liabebat  circumcisio ,  sed  in  signum. 
unde  Israel  in  novissimo  tempore  dinosci  haberet,  quando  secundum 
sua  merita  in  sanctam  civitatem  ingredi  probiberetur".  Die  Ausfuhrung 
iiber  die  bloss  significative  Bedeutuug  der  Beschneidung  findet  sich  in 
der  Altercatio  Simonis  et  Theophili  ebenso,  nur  das  Hadrianverbot  fehlfc. 
Man  darf  sagen,  es  musste  fehlen.  Denn  die  ganze  Zuspitzung  der  Be- 
griindung  der  Beschneidung  auf  dieses  Verbot  hatte  im  5.  Jahrhundert 
keinen  Sinn  mehr.  Es  ware  ein  voUstiindiger  Anachronismus  gewesen, 
wenn  Euagrius  es  stehen  gelassen  hatte.  Er  hat  aber  auch  sonst  hochst 
wahrscheinlich  Stiicke  aus  der  Grundschrift  ausgelassen.  Also  selbst  in 
dem  Falle,  dass  das  von  Eusebius  und  Tertullian  gebotene  Stiick  der 
Altercatio  lasonis  angehort  hat  —  als  Diegese  etwa  — ,  ist  sein  Fehlen  in 
der  Altercatio  Simonis  et  Theophili  kein  Grund  gegen  die  zu  crprobende 
Hypothese. 


Dir   Alt.Tcatio   liisoiii^  <•(    I'iiinsci.  123 

ciuf  Differenzen   gegeniiber   erentuellen  Berichten  liber   die  ur- 
spriingliche  Beschaff'enlieit  der  Quelle  gefasst  sein. 

Die  beiden  ersten  der  oben  genannten  Verschiedenheiten 
zwischen  den  Altercationes  hiingen  jedeiifalls  enge  zusammen: 
an  die  Stelle  des  alexandrinischen  Juden  Papiscus  ist  ein  nicht 
naber  bezeichnetef  .Tude  Simon,  an  die  Stelle  des  hebraiscben 
Cbristen  Jason  der  Christ  Theophilns  getreten 'i'')-  Die  Be- 
nutzung  desselben  Sujets  —  auch  bis  in  das  Detail  hinein  — 
bei  Umnamung  der  Personen  ist  in  der  cbristlicben  Literatur- 
geschichte  nicht  selten.  Solche  Uranamungen  sind  durch  ver- 
schiedene  Grilnde  verursacht  worden:  man  denke  einerseits  an 
die  Recensionen  der  Simon-Panlns-Petruslegenden,  uberhanpt 
an  die  clementinischen  Romane  nnd  an  die  ihnen  verwandten 
Stiicke,  andererseits  an  die  verschiedenen  Erzahlnngen,  die 
nnter  verandertem  Namen  nach  deni  Muster  der  Theclalegende 
und  nach  anderen  beliebten  Vorbildern  ert'unden  worden  sind, 
weiter  an  die  stereotypen  Dialoge  zwischen  Proconsuln  und 
Martyi-ern  und  an  so  vieles  Aehnliche  aus  dem  3.  bis  5.  Jahr- 
hundert.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  namentlich 
anonyme  Schriften  auf  diese  Weise  umgegossen  worden  sind, 
unter  ihnen  wiederum  besonders  solche,  die  nach  dem  Urtheile 
einer  spateren  Zeit  Werth voiles  und  Anstossiges  in  sich  ver- 
einigten.  Bei  des  aber  trifft  bei  dem  Dialoge  des  Jason  und 
Papiscus  zu.  Er  hat,  soviel  wir  wissen,  im  Abendlande  stets 
nur  anonym  cursirt,  und  er  enthielt  nach  dem  Urtheil  des  Ori- 
genes  „Einfaltiges".  Zu  diesem  „Einfaltigen"  wird  man  aber 
vielleicht  audi  schon  dieses  rechnen  dlirfen,  dass  der  Christ  als 
ein  geborener  Jude  vorgestellt  war.  Es  musste  dies  dem  An- 
sehen  der  Schrift  in  den  folgenden  Jahrhunderten  hinderlich 
sein.  mindestens  ihre  Wirksamkeit  in  weiten  Kreisen  liemmen, 
und  konnte  daher  als  ein  entschiedener  Missgriff  erscheinen. 
Indessen  kann  es  nicht  schwierig  gewesen  sein,  diesen  Anstoss 
zu  entfernen.    War  der  alte  Dialog  auch  von  einem  hebraiscben 


119)  Theophilns  nennt  in  der  Altercatio  die  jiidischen  Konige  „reges 
vestri"  (111,  12),  spricht  zu  Simon  von  „patres  tui"  (III,  11)  und  „populus 
vester"  (VI,  2()).  Hieraus  ist  zu  schliessen,  dass  er  selbst  kein  geborener 
Hebraerist;  doch  erscheint  er  auch  nicht  als  H  e  i  d  e  n  christ,  sondern,  den 
Vcrhiiltnissen  des  5    Jahrhnndevts  angemessen,  einfach  als  Christ. 


124  Di«  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

Christen  abgefasst  uud  desshalb  der  christliche  Partner  als  ge- 
borener  Hebraer  bezeichnet  i^o)^  go  muss  er  docli  von  allem 
„Judenchristenthum"  im  dogmatischen  Sinne  vollig 
frei  gewesen  sein.  Dies  zeigt  sicli  nicht  nur  darin,  dass  er 
die  philosophisch-apologetische,  hohere  Christologie  vertreten 
hat,  sondern  folgt  niit  Sicherheit  aus  seiner  Geschichte  in  der 
Kirche.  Eine  Schrift,  die  im  5.  Jahrhundert  noch  als  ein  opus 
gloriosum  et  memorabile  bezeichnet  worden  ist,  die  Clemens 
Alexandrinus  dem  Lucas  zugesclirieben,  Origenes  immerhin  in 
Schutz  genommen,  und  in  der  Celsus  die  gewohnliche  apolo- 
getische  Manier  erkannt  hat,  kann  keine  nationaleu  und  parti- 
. cularistischen  Ziige  getragen  haben.  Die  jlidische  Nationalitat 
des  Jason  kann  unmoglich  auf  die  Haltung  des  Dialoges  von  mass- 
gebendem  Einfluss  gewesen  sein.  Dazu  kommt,  dass  der  Gegner  als 
ein  alexandrinischer,  d.h.  ein  philosophischer  Jude  vorgestellt 
war,  und  das  Thema  des  Streites  ausschliesslich  oder  fast  aus- 
schliesslich  die  Christologie  gewesen  ist.  Man  wird  daher  wohl 
noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und  annehmen  diirfen,  dass 
der  Streit  iiberhaupt  nicht  auf  dem  Niveau  gefuhrt  worden  ist, 
auf  welchem  etwa  im  apostolischen  Zeitalter  Juden  und  jiidische 
Christen  mit  einander  gekampft  haben  ^^ij     Dann  aber  kann  der 


120)  Es  ist  bemerkenswertli ,  dass  Celsus  Afer  den  Jason  einen  „He- 
braeus  Christianus"  (s.  Tert.  adv.  Marc.  Ill,  12)  den  Papiscus  einen 
Alexandrinus  ludaeus  genannt  hat. 

121)  Die  von  Clemens  vertretene  Meinung,  dass  Lucas  der  Verfasser 
des  Dialoges  sei  —  Clemens  hat  ihm  bekauntlich  auch  den  Hebriterbrief 
zuzuschreiben  fiir  zweckmassig  befunden  — •,  ist  von  dem  grossten  Interesse. 
Es  ist  meines  Wissens  der  einzige  Fall,  dass  eine  apologetische  Schrift 
des  2.  Jahi'hunderts  in  die  urchristliche  Literatur  eingerechnet  oder  ihr 
nahe  geriickt  worden  ist.  Dass  die  Person  des  Verfassers  der  Apostel- 
geschichte  hier  ausersehen  worden  ist,  giebt  zu  denken  und  wirft  jedenfalls 
auf  die  Overbeck'schen  Aufstellungen  iiber  das  Verhiiltniss  des  Justin 
zu  der  Apostelgeschichte  ein  unerwartetes  Licht.  Man  wird  sich  nach 
jener  Conjectur  des  Clemens,  deren  Motiv  wir  allerdings  nicht  mehr  an- 
zugeben  vermogen  (doch  s.  einen  Versuch  unten  not.  124),  den  Standpunkt 
des  Verfassers  der  Altercatio  lasonis  als  mit  dem  des  Verfassers  der  Apostel- 
geschichte als  verwandt  vorstellen  diirfen.  —  Die  Mittheilung  des  Clemens, 
dass  Lucas  der  Verfasser  des  Dialoges  sei,  hat  in  demselben,  dem  6.,  Buche 
der  Hypotyposen  gestanden,  in  welchem  die  Angabe  iiber  den  Ursprung 
des  Marcusevangeliums,  also  wolil  auch  der  iibrigen  Evangelien,  enthalten 


Die  Altorcatio  lasonis  ot  Papisci.  I25 

Gang  der  Argumentation,  wie  wir  ihn  in  der  Altercatio  Simonis 
et  Theophili  vor  uns  haben,  nnd  wie  er  bei  Annalime  eines 
wirkliclien  Stveites  mit  einem  wirklichen  Juden  nnbegreiflich 
ist,  sehr  wolil  schon  der  der  alteren  Altercatio  gewesen  sein, 
und  selbst  der  Mangel  an  concreten  Ansflihrnngen  nnd  Ein- 
wiirfen  ist  nicht  mehr  auifalleud. 

Wir  diirfen  also  anuehraen,  dass  die  Beseitigung  der  he- 
brjiisclien  Nationalitat  des  christlichen  Disputanten  aus  der 
Altercatio  lasonis  et  Papisci  kein  so  schwieriges  Unternehmen 
gewesen  ist.  Vor  allem  die  Einleitung  wird  ausser  der  Cor- 
rectur  einiger  Satze  eine  Umarbeitung  erheischt  haben.  Wie 
steht  es  aber  nm  die  Einleitung  der  Altercatio  Simonis  et 
Theophili?  Nun,  wie  bereits  erwahnt,  diese  Schrift  entbehrt 
jeder  Einleitung.  Sie  beginnt  mit  den  Worten:  „Fuit 
(igitur)  altercatio  legis  inter  quendam  Simonem  lu- 
daeum  et  Theophilum  Christianum.  ludaeus  igitur 
sic  ait  etc.''  Man  muss  angesichts  dieses  abrupten  Initiums 
dringend  vermuthen,  dass  der  Verfasser  hier  etwas  unterschlagen 
hat.  Tritt  man  mit  der  Hypothese  heran,  dass  er  die  Altercatio 
lasonis  et  Papisci  benutzt  hat,  deren  Eingang  er  eben  nicht 
brauchen  konnte,  so  erklart  sich  dieser  unvermittelte  Eingang 
sehr  wohl.  Er  ware  aber  zugleich  wiederum  ein  Beweis  dafiir, 
wie  leicht  sich  Euagrius  —  wir  miissen  ihm  dafur  dankbar 
sein  —  seine  Arbeit  gemacht  hat.  Ist  dies  der  Fall,  dann  muss 
man  aber  allerdings  vermuthen,  dass  er  doch  manches  stehen  ge- 
lassen  hat,  was  die  urspriingliche  Beschaffenheit  seiner  Vorlage 
besonders  deutlich  verrath.  Solche  Indicien  fehlen  aber  audi 
nicht  ganz.  Auf  den  Antichrist  und  das  tausendjahrige  Reich 
darf  man  sich  allerdings  nicht  berufen;  sie  gehorten  im  2.  Jahr- 
hundert  zum  Gemeingute  und  galten  ja  auch  im  Abendlande 
lange  noch.  Folgende  Punkte  erscheinen  jedocli  der  Beachtung 
wertli : 

1)  Gleich  im  Eingange  (Alterc.  I,  1)  wird  der  Christ  von 
dem  Juden  als  „Nazaraeus"  bezeichnet  und  zwar  so,  dass  dieses 
Wort  synonym  zu  ,,Christianus"  steht.  Aus  der  ganzen  alteren 
Literatur  sind  aber  nur  zwei  ahnliche  Falle  bekannt:  Act.  24,  5 


war.  Aus  clem  6.  Buclie  stammen  weiter  die  Fragmente  bei  Eusebius, 
h.  e.  II,  1;  II,  15.  mithin  vielleicht  auch  VI,  14.  S.  Dindorf,  0pp.  Clem. 
Alex.  Ill  p.  494  sq. 


126  I^if  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

werden  die  Christen  von  Tertullus  7]  rcov  ^atcofjaiwv  aiQeaig 
genannt,  und  Tertull.  adv.  Marc.  IV,  8  liest  man:  „Unde  et 
ipso  nomine  nos  ludaei  Nazaraeos  appellant  per  eum".  Darf 
man  nicht  annehmen,  dass  diese  hier  gebrauchte  seltene  Be- 
zeichnung  auf  eine  Schrift  zurlickgeht,  in  welcher  die  Christen 
noch  Nazaraer  genannt  waren,  und  wiirde  in  diesera  Falle  sich 
dieser  Name  nicht  trefflich  erklaren,  wenn  der  Christ  in  dieser 
Schrift  ein  geborener  Jude  gewesen  ist*^'^)? 

2)  Am  Schlusse  der  Altercatio  (VIII,  29)  redet  der  Jude 
den  Christen  also  an :  „Lator  salutis,  Theophile,  aegrotorum  bone 
medice".  Dieses  Bild  tritt  ganz  unvermittelt  ein  und  ist  durch 
nichts  im  Vorhergehenden  vorbereitet.  Uebersetzt  man  die 
Worte  in  das  Griechische  zurlick  und  nimmt  an,  dass  der  Name 
des  Christen  ursprunglich  Jason  gelautet,  so  erhalt  man  ein 
treffliches,  vielleicht  sogar  ein  doppeltes  Wortspiel:  "Jaotg  — 
^Idoiov  —  iaTQog.  Nun  aber  sind  gewiss  die  Namen  Jason 
und  Papiscus  im  alten  Dialoge  fingirte  und  mit  Absicht  aus- 
gewahlte  gewesen  ^'^■').  Es  liegt  mithin  sehr  nahe,  dass  von  der 
Bedeutung  der  Namen  in  der  Schrift  irgend  einmal  Gebrauch 
gemacht  worden  ist.     An  der  einzigen  Stelle  aber,   wo  in 


122)  Die  spatere  Zeit  kennt  —  seit  Epiplianius  uud  Hieronymus  — 
den  Namen  „Nazarener"  nur  als  Bezeichnung  fiir  eine  palastinensische 
judenchristliche  Secte. 

123)  So  ist  zu  urtheilen  trotz  des  interessanten  Titels  einer  Schrift, 
welche  sich  auf  der  Marcusbibliothek  befindet,  und  auf  welche  Zahn  (Acta 
loannis  p.  LIV  n.  2)  aufmerksam  gemacht  hat:  'ApTijio?J/  Ilanloxov  xal 
4>i/.u)voq  ^lovSaiutv,  xaJv  naQ  'E^tjaloiq  ao(puiv  n^uq  ,u6vax6v  xiva  Ava- 
axnaiov  TiiQl  nloxswq  XQiaiiuvuJv  xal  vofxov  E,S^aiojv.  Mit  Recht  be- 
merktZahn  hiezu:  „Da  ist  also  der  aus  dem  alten  Dialog  des  Aristo  von 
Pella  beriihmte  Jude  Papiscus,  nach  Celsus  gleichfalls  ein  Alexandriner, 
mit  seinem  noch  beriihmteren  Mitbiirger  und  Glaubensgenossen  Philo  als 
Polemiker  gegen  das  Christenthum  zusammengestellt".  Zahn  nimmt  also 
an,  dass  die  byzantinische  Schrift  (Cod.  Venet.  Graec.  505  fol.  79  —  87) 
irgend wie  auf  eine  Kenntniss  des  alten  Dialogs  bei  ihrem  Verfasser  schliessen 
lasst.  Eine  besondere  Ueberlieferung  iiber  Papiscus  ist  gewiss  nicht  voraus- 
zusetzen;  man  wird  daher  auch  nicht  auf  die  Existenz  eines  Papiscus 
schliessen  diirfen.  Leider  habe  ich  den  bisher  ungedruckten  Tractat  nicht 
einsehen  konnen.  Doch  verdanke  ich  Zahn  die  brief Uche  Mittheilung 
(17.  Juli  1882):  ,,Ein  Zusammenhang  mit  der  alten  Schrift  , Jason  u.  Papis- 
cus- besteht  weiter  nicht,  nach  meinem  unvoUstandigen  Excerpt-. 


Die  Altt'icatio  lasoiiis  (>t  I'iipisci  127 

der  Alterciitio  Simonis  et  Theopliili  Theojjliilus  luit 
eiiieiu  Epitlieton  ornaus  becliiclit  wordeu  ist,  ist  er  als 
Arzt  vorgestellt  '-'). 

3)  Der  Jude  in  der  Altercatio  lasonis  et  Papisci  war  als 
Alexandriner  eiiigefiihrt.  Simon  in  der  Altercatio  des  Euagrius 
unterscheidet  sich  aber  darin  von  dem  justinischen  JudenTrypho, 
dass  er  nicht  nnr  auf  die  „liobere"  Messiasvorstellung  bereit- 
willig  eiugeht  und  auf  die  Logoslehre  —  was  Trypbo  uicbt 
tbut  — ,  sondern  auch  (III,  12)  den  Einwurf  maclit,  dass  Stellen, 
welche  der  Cbrist  auf  Christus  bezieht,  vielmehr  von  der  Weis- 
heit  gelten.  Die  gauze  Haltung  des  Juden  Simon  ist  eine 
solche,  dass  der  Hypotbese  nicbts  im  Wege  stebt,  das  Urbild 
desselben  sei  ein  alexandrinischer  und  nicbt  ein  palastinensiscber 
Jude  gewesen.  Audi  werden  in  der  Altercatio  die  Scbriften 
des  alexandriniscben  Bibelkanons  (Sap.  Sal,,  Siracb,  Barucb) 
beuutzt,  wabrend  Justin  sicb  auf  den  palastinensiscben  Kanon 
bescbrjiukt. 

4)  Nur  uusicber  wird  man  sicb  auf  die  Ausftibrungen  VII,  28 
p.  42,  I  sq.  daflir  berufen  dlirfen,  dass  der  Verfasser  der  Grund- 
scbrift  der  Altercatio  besondere  jiidiscbe  Umgebungen  derSpeise- 
verbote,  liber  die  uns  soust  nicbts  bericbtet  ist,  gekannt,  und 
dass  er  seinem  Juden  ein  asketiscb  gefarbtes  Judentbum  zuge- 
scbrieben  hat '-'').     Es  ist  docli  nicbt  sicber,  ob    der  Jude  das 


124)  Man  konnte  hier  auf  den  Gedanken  gerathen,  dass  eben  ,.clei' 
Arzt"  fill-  die  Hypothese  des  Clemens  in  Bezug  auf  den  Verfasser  von  Be- 
deutung  gewesen  ist.  War  der  Verfasser  als  .,guter  Arzt"  am  Schlusse 
bezeichuet  und  stand  dem  Clemens  bereits  fest,  dass  der  Schrift  ein  ehr- 
wiirdiges  Alter  zukommen  miisse,  so  kann  ihn  jene  Bezeichnung  auf  Lucas 
gefiihrt  haben.  Auf  ahnliche  Weise  sind  von  den  alexandriniscben  Theo- 
logen  ahnliche  luftige  Combinationen  —  erinnert  sei  an  die  Verwendung 
der  Namen  Clemens  und  Hermas  —  gebildet  worden.  Die  Schlusse  von 
Schriftstiicken  sind  in  der  Tradition  oft  ebenso  bedeutungsvoll  geworden, 
vde  die  Anfange;  wie  das  erste  Schriftcitat  in  der  Altercatio  nebst  seiner 
Erkliirung  der  Folgezeit,  z.  B.  dem  Origenes,  zum  Austoss  gereichen  musste, 
so  hat  vieUeicht  der  Schluss  der  Schrift  die  autfallende  Hypothese  iiber  den 
Verfasser  in  alterer  Zeit  mithervorgerufen.    Doch  dies  ist  nur  ein  Versuch! 

125)  Dass  es  im  1.  und  2.  Jahrhundert  ein  Judentlnim  gegeben  hat, 
welches  den  Weingenuss  verabscheute ,  resp.  verbot,  kann  aus  manchen 
Andeutungen  in  den  Quellen,  z.  B.  auch  Testani.  Isaschar  7,  erschlossen 
werden. 


128  I>ie  Altercatio  Simonis  et  TheophTli. 

„vinum  sumere"  iiberliaiipt  oder  nur  das  „vinum  gentiliter 
siimere"  verboten  wissen  will.  Anderes  ist  in  dem  Abschnitte 
so  unklar,  dass  man  besser  thut,  ilm  ftir  die  liier  vorliegonde 
Frage  bei  Seite  zu  lassen,  zumal  da  gerade  hier  Euagrius  selbst 
offenkundig  Hand  an  den  Text  seiner  Vorlage  gelegt  hat. 

Die  Bedenken  also,  die  sicli  (aus  der  Umnamung  der  Per- 
sonen  in  der  Altercatio  des  Euagrius  und  ans  der  Beseitigung 
der  liebraisclien  Nationalitat  des  christlicheu  Disputanten)  gegen 
die  Hypothese,  die  Schrift  sei  eine  Bearbeitung  der  Altercatio 
lasonis  et  Papisci,  erhoben  batten,  konnen  niclit  als  entschei- 
dend  betrachtet  werden;  sie  lassen  sicli  niit  guten  Grlinden 
beseitigen  und  vermogen  gegen  das  Gewiclit  der  positiven  Be- 
obachtungen  schwerlicb  aufzukommen.  Somit  bleibt  nur  der 
eineAnstoss  noch  iibrig,  dass  in  der  Altercatio  des  Jason  und 
Papiscus  von  den  sieben  Himmeln  die  Rede  geweseu  ist,  von 
welchen  in  der  Altercatio  Simonis  et  Tlieophili  nichts  zu  lesen 
steht.  Man  darf  aber  bier  vermuthen,  dass  sie  als  eine  im 
5.  Jahrhundert  selbst  bei  Lateinern  nicht  mehr  ertragliclie 
„opinio  ludaica",  wie  gewiss  so  manches  Andere,  von  Euagrius 
ausgemerzt  worden  sind.  Die  ,,sieben  Himmel"  kommen  bekannt- 
lich  in  der  nachkanoniscben  jlidischen  Literatur  so  wie  in  der 
christlich-apokalyptischen  nicht  selten  vor.  Aber  sclion  Origenes 
hat  (c.  Cels.  VI,  21)  bemerkt:  „Die  Schriften,  welche  in  den 
Kirchen  Gottes  im  Gebrauch  sind,  reden  nicht  von  sieben  Him- 
meln, sie  sprechen  tiberhaupt  nicht  von  einer  bestimmten  An- 
zahl  derselben;  sie  lehren  nur  eine  Mehrzahl  von  Himmeln". 
Seit  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  ist,  soviel  mir  bekannt,  die 
Vorstellung  von  sieben  Himmeln  iiberall  in  der  Kirche  ausser 
Kurs  gesetzt  worden,  um  dann  viel  spater  und  unter  ganzlich 
geanderten  Verhaltnissen  wieder  aufzutauchen. 

AUes  dies  zusammengefasst,  wird  man  es  vielleicht  mit  dem 
Verfasser  fur  nicht  unwahrscheinlich  halten,  dass  wir  in  der 
Altercatio  des  Euagrius  die  Uebersetzung  der  Altercatio  des 
Jason  und  Papiscus,  freilich  eine  verstiimmelte  Uebersetzung, 
zu   erkennen   haben  ^^^).     Was  Euagrius   uns  aufbehalten  hat. 


126)  Dass  in  SiicTgallien  griechisclie  Literatur  noch  am  Anfaug  des 
5.  Jahrhunderts  viel  gelesen  und  auch  iibersetzt  worden  ist,  braucht  nicht 
besonders  nachgewiesen  zu  werden. 


Die  Altercatio  lasonis  et  i'iipisci.  129 

diirin  werden  wir,  weiiige  Ausnahmeii  abgereclinet,  den  Text 
der  alteii  Sehrit't  wiedererkennen  durfeu.  Dafiir  blirgt  das  raecha- 
nisclie,  geistlose  Verfahren  des  Literateii  '■-^).  Gewiss  aber  ist 
uns  Maiiclies  liier  vorenthalten,  was  gerade  von  besonderer  Be- 
deutung  nnd  von  eigenthumlichem  Interesse  f'iir  uns  gewesen 
wiire.  Euagrius,  vielleicht  ein  Grieche  von  Geburt  in  Gallien, 
hat  niclit  uiehr  gewollt  oder  gewagt,  was  dock  noch  50  Jahre 
spiiter  in  Nordafrica  gewagt  worden  ist  —  den  alten  Dialog 
einfach  zn  iibersetzen.  Er  hat  gestrichen  und  geandert.  Aber 
am  diesen  Freis  hat  er  es  erreicht,  dass  sein  Schriftchen,  wie  uns 
Gennadius  berichtet ,  bald  sehr  popular  geworden  ist.  Ein  Be- 
weis,  wie  gross  das  Bedurfniss  nach  einer  „Christologie  des 
Alten  Testamentes"  audi  noch  im  5.  Jahrhundert  gewesen  ist. 
Die  wortliche  Uebersetzung  des  alten,  einst  dem  Lucas  zuge- 
schriebenen  Dialoges,  wie  sie  jener  Africaner  Celsus  veranstaltet 
hat,  ist  untergegangen:  ihrer  Verbreitung  sind  vielleicht  doch 
Hindernisse  im  Wege  gestanden;  die  Bearbeitung  des  Euagrius 
hat  sich  erhalten,  und  wir  diirfen  jetzt  in  derselljen  einen  immer- 
hiu  nicht  werthlosen  Zuwachs  zu  den  so  diirftigen  Resten  der 
vorkatholischen  Literatur,  die  uns  erhalten  sind,  begriissen. 
Denn  dies  bleibt  bestehen,  mag  man  audi  die  Beweise  flir  die 
Identitat  der  Grundschrift  der  Altercatio  Euagrii  mit  der  alten 
des  Aristo  noch  niclit  fiir  ausreichende  halten  —  wirldiche  Evi- 
denz  ist  hier  nicht  zu  erzielen  — ,  dass  wir  in  jener  Grundschrift 
ein  Werk  des  zweiten  Jahrhunderts  besitzen,  und  zwar  dasjenige 
Werk,  welches  die  abendlandische,  apologetische  Literatur  un- 
gleich  starker  beeinflusst  hat  als  Justins  Dialog  mit  Trypho,  ja 
welches  die  eigentliche  Wurzel  des  Alttestamentlichen  Evange- 
liums  der  Abendlander  gewesen  ist.  An  die  Seite  des  justinischen 


127)  Spureli,  dass  die  Altercatio  Euagrii  eine  Uebersetzung  aus  dem 
Griechischen  sei,  scheinen  mir  nicht  ganz  zu  felilen.  Indessen  trage  ich 
Bedenken,  meine  hierfiir  gesamnielten  Beobachtungen  mitzutheilen,  da  ich 
uiir  gesicherte  Urtheile  iiber  die  Latinitat  de.s  5.  Jahrhunderts  nicht  zu- 
trauen  darf.  Auch  von  einer  abschliessendeu  Priifung  der  Bibelcitate 
habe  ich  absehen  zu  miissen  geglaubt,  da  eine  wirklich  griindliche  Unter- 
suchung  hier  bei  dem  Mangel  einer  brauchbaren  Zusammeustellung  der 
^Italafragmente"  von  ganz  besonderen  Schwierigkeiten  gedriickt  ist  und 
bei  einem  .so  schujalen  Objecte,  wie  die  Altercatio  es  immerhin  ist,  nicht 
wohl  begonnen  werden  kann. 

Texts  unci  Untei-suchungen  I,  3.  *) 


130  Die  Altercatio  Simonis  et  Theophili. 

Dialogs  geliort  ohne  Zweifel  die  verlorengegangene  Altercatio, 
welche  von  Tertullian  und  Cyprian  benutzt  und  von  Euagrius 
bearbeitet  und  libersetzt  worden  ist. 

Was  wir  aus  der  Altercatio  Neues  fur  die  Gescliichte  der 
Theologie  im  2.  Jalirhundert  lernen  konnen,  ist  allerdings  un- 
erheblich.  Aber  wenn  der  Theophilus  des  Euagrius  der  Jason 
des  Aristo  ist,  dann  liegt  es  vor  Augen,  dass  der  Judenclirist 
Aristo  dieselbe  Theologie  in  den  Grrundzligen  vertreten  hat, 
welche  wir  aus  den  Schriften  der  heidenchristlichen  Vater  vor 
Irenaeus  kennen.  Die  Nationalitat  hat  eben  audi  im  2.  Jahr- 
hundert  nicht  durchgehends  die  Denkweise  bestimmt.  Es  hat 
audi  geboreue  Juden  unter  den  Christen  gegeben,  die  flir  eine 
rationale  Theologie  und  fur  den  Logos  jedes  geschichtliche  Ver- 
standniss  des  Alten  Testamentes  Preis  gegeben  und  die  alle- 
■gorisch-christologische  Deutung  desselben  vollstandig  acceptirt 
haben.  Und  mogen  sie  audi  in  einzelnen  Fallen  melir  des 
„Einfaltigen"  bewahrt  haben  als  ihre  heidenchristlichen  Briider, 
so  blieb  dasselbe  doch  nur  nocli  ein  Einschlag,  den  man  ohne 
Miihe  beseitigen  konnte. 


Excurs. 

Die  Auslegung  sv  ctQij^  =  sv  loytij  (vup)  Genes.  1,  1  in 
der  altchristlichen  Literatur. 

Zur  Zeit  des  Hieronymus  glaubten  sehr  Vide,  wie  er  mis 
(Quaest.  hebr.  in  libr.  Genes,  p.  3,  recogu.  P.  de  Lagarde 
1868)  berichtet,  dass  im  hebraischen  Grundtext  Gen.  1,  1  „in 
lilio"  statt  „in  principio"  stlinde.  Hieronymus  widerlegt  diese 
Meinung.  Unzweifelhaft  ist  sie  entstanden,  weil  von  vielen  clirist- 
lichen  Erklarern  der  Genesis  der  erste  Vers  in  diesem  Siune 
gedeutet  worden  ist.  Sagt  doch  Hilarius  (Comiii.  in  Ps.  2) 
geradezu,  das  hebraische  Wort  „Bresitli"  habe  drei  Bedeutungen: 
„in  principio  —  in  capite  —  in  filio".  Von  dieser  Annahme 
war  in  der  That  nur  ein  Schritt  zu  jener  falschen  Meinung 
nothig.  Aber  die  Behauptung,  „Bresith"  konne  mit  „in  filio" 
ubersetzt  werden,  geht  selbst  unstreitig  auf  eine  altere  Meinung 
zuriick,  nach  welcher  der  Begriff  aQX^'j  flir  gieichbedeutend  mit 


Excurs.  131 

dem  des  r)6g  tor  i^sov  {loyug,  amfiu)  gelialten  wordeii  ist; 
deiin  oline  die  Aunalime  eines  solchen  Mittelgliedes  bleibt  es 
unvei'sttindlich,  wie  man  zu  der  Identification  von  „Bi'esith"  und 
,.in  filio"  gekonimen  ist.  Wir  besitzen  nun  in  der  That  eine 
Reihe  von  Zengnissen,  welche  beweisen,  wie  friihe  schon  jene 
nrspriingliche  Identification  vollzogen  worden  ist.  Eines  der 
altesten  ist  oline  Zweifel  das  in  der  Altercatio  lasonis  et  Papisci 
(II,  8)  enthaltene,  and  es  ist  desshalb  das  werthvoUste,  weil 
nicht  nnr  die  BegrifFe  ,,principinm"  nnd  ,,dei  filius"  hier  gleicli- 
gesetzt  erscheinen,  sondern  dieses  anch  im  Rahnien  einer  Er- 
lanternng  von  Gen.  1,  1  gescliielit.  Der  Verfasser  erklart  ohne 
Begriindnng  das  „in  principio"  dnrcli  ,.m  Christi  arbitrio  et  ad 
volnntatem  eiiis".  Er  batte  das  schwerlich  gewagt,  ohne  fiir 
diese  Umsetzung  einen  Beweis  aus  den  Orakeln  des  A.  T.'s  zur 
Hand  zn  haben.  Ein  solcher  war  aber  der  damaligen  Exegese 
v,-irklich  gegeben.  Proverb.  8,  22  (LXX)  sagt  die  Weisheit  von 
sicli:  KvQiog  fXTtce'  /<£  ctoyJiv  odcov  avzov.  Die  Weisheit  identi- 
ficirt  nnser  Verfasser  ansdrlicklich  (III,  12)  mit  deni  praexistenten 
Christus,  Also  gilt  von  dieseni  das  Pradicat  ag/>J.  Dieser  Be- 
weis musste  aber  noch  verstarkt  erscheinen,  sobald  einmal  das 
.Tohannesevangelium  fiir  inspirirt  und  kanonisch  gait.  Denn 
eine  Combination  von  Joh.  1,  1  mit  Genes.  1,  1  ergab  den  Theo- 
logen  —  anch  ohne  wie  spatere  Kliigler  in  dem  ir  des  Johannes 
ein  hebriiisches  Beth  essentiae  zu  vermuthen  — ,  dass  der  Logos 
mit  der  dgyjl  zu  identificiren  sei.  Man  darf  vermuthen,  dass 
schon  Tatian ,  als  er  den  Satz  niederschrieb  (Orat.  5):  ^sog  i]v 
ev  ccQ/Jj,  zi\v  di  agyjiv  loyov  dvra/iin'  jraQeilycpctf^ier,  an  Genes.  1  , 
und  Joh.  1,  1  gedacht  hat.  i^Qxtj  ist  ihm  hier  sowohl  Anfang 
des  Seins  —  so  an  der  ersten  Stelle  —  als  audi  Princip  des 
Seins,  so  an  der  zweiten.  Der  Satz  ist  also  acuminos.  Er  giebt 
es  aber  ferner  ausdriicklich  als  ein  Stuck  der  christlichen 
Ueberlieferung  aus,  dass  der  Logos  oder  vielmehr,  wie  er 
unterscheidet,  die  Potenz  des  Logos  (s.  auch  Alterc.  Ill,  12: 
Christus  ipse  est  dei  virtus)  das  Princip  der  Dinge  sei.  Wie 
aber  die  6vvaf.iig  Xoyov  absolut  die  (J.qyJ\  ist,  so  ist  der  aus 
Gott  hervorgegangene  Logos  die  «?/>/  der  Welt  (1,  c.  touxov 
I'ofiev  Tov  -/.oofiov  T^v  aQyi\v).  Diese  Auffassung  findet  sich 
schon  bei  Justin,  und  zwar  unter  deutlicher  Berufung  auf 
Proverb.  8,  22.    Dialog,  c.  Tryph.  61  sagt  er:  Muqtvqlov  di  /.cd 


132  Die  Altercatio  Simonis  et  Theopliili. 

al^ko  vf.ih',  cj  ffilot,  a7Tu  zwv  yQaqiov  dcoGco ,  otl  aQxr]v  ngb 
TtdvTcov  Tiov  y.TiGf.ia%tov  6  dsog  ysykvvriv.e  dvvaf.iiv  tiva  i^ 
eavTov  koyr/.ilv,  rjrig  y.al  do^a  v.vqiov  vno  xov  nvEVf-iaxog  zov 
ayiov  xaXfaxcu,  noxt  de  viog,  noxs  ds  aoq^ia,  noxi  ds  ayyslog, 
noxe  ds  -iJ-aog,  noxi  di  y.ioiog  y.ai  ?.6yog,  noxe  di  aoyioxodTi^yov 
iccixov  Xeyai,  iv  av^QOj;roc  f^iogrprj  cparivxa  xq/  xov  Nan]  ^Ir^anv, 
und  ganz  ahnlich  lieisst  es  c.  62:  Tovxo  xb  xot  bvxi  d.7to  xov 
uaxQog  7CQo(ihi^Ui.i'  yii'vr^(.ia  ngb  Tcdvziov  xtdv  noir^f-idxcov  avvrlv 
xip  TiaxQi,  y.al  tovxio  6  uaxijQ  7rQooof.iL^£7,  cog  6  /.oyog  Sia  xov 
^o^o/.ioji'Og  idn'ilcoGsv,  oxi  v.al  dgxi]  jtqo  ndviwv  xiov  Tioir^f^idicov 
Tovx  avxh  y.al  yevnjfza  vnb  xov  dsov  syeyai'VTjxo,  o  Gocpia  dia 
^oXof-uovog  yxcXelxai ,  y.al  fii^  d7Toy.a).vij.ieiog  xf^g  ysyerr^^uan^g 
^IriGovxcjxov Navrjxovxo avih&hrovxog.  DiesebeiclenStellensteben 
aber  der  in  der  Altercatio  entbaltenen  Aiifiassung  uocb  niiber  als 
die  Ausfiihrung-  Tatians.  Denu  ganz  wie  dort  ist  aucb  fiir  Justin 
„der  Logos"  noch  nicht  die  Hauptbezeichnung  (s,  v.  Engel- 
hardt,  das  Cbristentbum  Justins  S.  2S3  f.)  fiir  den  Sobn  Gottes. 
sondern  es  ist  ein  Pradicat  neb  en  den  andereu  Pradicaten, 
welcbe  bei  Justin  und  in  der  Altercatio  dieselben  sind.  Der 
Fortschritt  bei  Tatian  ist  hocbst  wabrscheinlicb  bedingt  durcb 
die  starkere  Anlehnung  an  das  Jobannesevangelium.  Seit  der 
Zeit  des  Justin  ist  die  Bezeiclmung  dgyji  fiir  den  praexistenteu 
Logos  den  Apologeten  gelaufig  (s.  Athenag.  Supplic.  10.  Tlieo- 
phil.  ad  Autol.  II,  10:  '0  loyog  leysxaL  dQyy\,  oxi  agyei  y.al 
•KVQcevEL  ndvxiov  xtov  di  avxov  6edrji^iLovQyr^(.iiviov).  Origenes 
nennt  den  Logos  dqyjjv  ysveoecog  (in  loann.  p.  17)  und  beruft 
sich  dafiir  auf  Proverb.  8.  Auf  Philo  gelit  diese  Betracbtung 
nicht  zurtick;  denn  weder  bat  Philo  Genes.  1,1  in  diesem  Sinne 
erklart  noch,  soviel  bekaunt,  den  Logos  iiberhaupt  dgyij  ge- 
nannt  (s.  Siegfried,  Philo  von  Alex.  S.  219  f).  Audi  auf  die 
Stelle  Coloss.  1,  IS  ist  nicht  zu  verweisen;  denn  dort  heisst 
Christus  a^/;;',  sofern  er  der  Erstgeborene  vou  den  Todten  ist. 
Dagegen  darf  wohl  an  1  Job.  1,  1  und  2,  13  erinnert  werden, 
obgleich  bier  der  Gedanke  ein  wesentlich  anderer  ist,  vor  allem 
aber  an  Apocal.  3,  14,  wo  Christus  »}  «t>Z»)  ^^]s  y.xiGaiog  xov 
^eov  heisst.  Man  schafft  ein  kiinstliches  Dilemma,  wenn  man 
bier  fragt,  ob  dieser  Ausdruck  als  initium  creationis  (creatorum) 
oder  als  principium  (activum  creationis  zu  versteheu  sei.  In  dem 
Begriff  der  «(>X'/fiillt  fiir  die  Speculation  der  Zeit  beideszusammen: 


Excm-s.  133 

mit  deui  ,,initium"  hat  es  an  sich  eine  andere  Bewandtniss  als 
mit  dem.  was  dem.selben  tblgt.    Es  ist.  niemals  ledig'lich  primum 
inter  paria,    sondern  das  Erste   ist  zngleich  dasjenige,   welclies 
das  Folgende   irgendwie  bestimmt  und   beherrscht.     Der  Titel 
agyvi  fiir  Christns  ist  also  lu'alt;  aber  es  lasst  sich  nicht  nach- 
weisen,  dass  vor  dem  Verfasser  der  Altercatio  Jemand  Genes.  1,  I 
nach  diesem  Titel  gedeutet  hiitte.    Spaterliin  finden  wir  diese  Er- 
Idtirung  auch  nur  dort,  wo  sich  eine  Abhangigkeit  von  der  Alter- 
catio vermuthen  lasst.  Wenn  Tertullian  adv.  Hermog.  20  schreibt: 
......  Dominus  condidit  me  (sophiam)  initium  viarum  suarum 

in  opera  sua.  Si  enim  per  sophiam  dei  omnia  facta  sunt,  et 
caelum  ergo  et  terram  deus  faciens  in  principio,  id  est  initio, 
in  Sophia  sua  fecit",  so  hat  er  eben'noch  nicht  an  die  Identi- 
ticirung  von  ..Anfang'-  und  „Sohn  Gottes"  gedacht,  so  wenig 
^vie  an  der  parallelen  Stelle  adv.  Prax.  7  init.  Von  der  selt- 
samen  Meinung  Einiger,  im  Hebraischen  stlinde  Genes.  1,  1: 
..In  principio  deus  fecit  sibi  filium"  hat  Tertullian  (adv.  Prax.  5) 
gehort  und  lehnt  sie  ab;  aber  von  der  in  der  Altercatio  sich 
fiudenden  Ausleguug  hat  er  keine  Notiz  nehmen  wollen.  Da- 
gegen  erlautert  Clemens  Alexandrinus  (Strom.  VI,  7,  58)  eine 
von  ihm  (s.  auch  schon  VI,  5,  39)  citirte  SteUe  aus  der  Prae- 
dicatio  Petri  {sig  ■O^eog  eozir,  og  ccQxi]i'  Tiarziov  iuoirjoev,  /.ai 
rllovg  e^ovoiav  tyMv)  also:  ,,l\liqvvcov  rbv  nQCozoyovov  v\ov  h 
nixQog  yodq^ei,  ovvelg  azgi^iog  to'  ^Ei'  agyj]  P.noir-aev  6  ^edg 
Tov  ovQarhv  aai  Tt]v  ytjv.  Clemens  erklart  also  Genes.  1,  1  wie 
der  Verfasser  der  Altercatio  (s.  auch  VI,  16,  145);  wir  wissen 
aber  durch  Maximus  Confessor,  dass  Clemens  den  Dialog  ge- 
kannt  und  hoch  gehalteu  hat.  Von  Clemens  ist  die  Erklarung 
zu  Origenes  und  Methodius  iibergegangen,  von  denen  indess 
der  erstere  (Horn.  I  in  Genes.  0pp.  II  p.  52)  auch  direct  auf 
die  Altercatio  zuriickgehen  kann.  Die  lateinische  Bearbeitung 
derselben  durch  Euagrius  so  wie  die  Bemerkung,  die  man  bei 
Hilarius  las  (s.  oben),  sicherten  der  alten  Erklarung  im  Abend- 
lande  auch  noch  fiir  spatere  Zeit  eine  gewisse  Verbreitung. 
Wii-  finden  sie  in  einigen  apologetischen  Tractaten  des  frlihen 
Mittelalters.  Aber  auch  in  der  Alterc.  Zacchaei  et  Apollonii 
1.  II  c.  3  (Gallandi  IX  p.  224)  heisst  es  nach  Anfiihrung  von 
Gen.  1,  1:  .,Ille  principium  est,  qui  ludaeis,  quis  esset,  inter- 
rogantibus  dixit:  Principium,  quod  et  loquor  vobis(!)".    So  con- 


J34  Die  Altercatio  Siuionis  et  Theophili. 

struirte  man  in  spaterer  Zeit  hie  imd  da  bereits  aus  Genes. 
1,  1.  2  die  christliche  Trinitatslelire  (Deus-Principium-Spiritus). 
Diese  Auffassung  hat  indessen  der  anderen  weichen  milssen, 
nach  welcher  der  Sohn  in  dem  „Gott  sprach"  erkannt  wurde. 
Die  Identificiiung  von  Principium  und  Filius  muss  doch  Vielen 
als  zu  kiinstlich  erschienen  sein.  Dazu  kam,  dass  man  jenen 
Begriff  in  seiner  wortlichen  Fassung  im  Zusammenhang  der 
Gottes-  und  Schopfungslehre  doch  nicht  entbehren  woUte. 
Hieronymus  (1.  c.)  hat  sich  mit  der  uralten  Erklarung  in  einer 
fiir  ihn  sehr  charakteristischen  Weise  abgefunden.  Er  sagt: 
„Magis  itaque  secundum  sensum,  quam  secundum  verbi  trans- 
lationem  de  Christo  accipi  potest;  qui  tarn  in  ipsa  fronte  Gene- 
seos,  quae  caput  omnium  hbrorum  est,  quam  etiam  in  principio 
loannis  evangehstae  coeh  et  terrae  conditor  approbatur".  — 
SchliessHch  sei  darauf  hinge wiesen,  dass  Bartolocci  (Biblioth. 
Rabbin,  part.  Ill  p.  2  num.  584)  die  Erklarung  des  Aristo  von 
Pella  zu  vertheidigen  versucht  hat,  indem  er  auf  das  jerusa- 
lemische  Targum  verweist,  in  welchem:  „In  sapientia  creavit 
deus  etc."  gestanden  haben  soil;  s.  hieruber  Routh,  Reliq. 
S.  I  p.  100. 


Citate  aus  dem  Alteii  Testament. 


Genes 


1,  1 18 

1,  2.  3 40 

1,  26.  27 19 


..       18,  4 

..       25,  23 

27 

..       48,  14 

48,  19 

Exod.  4,  25 

..        7,   1 

12 

17 

19,  10.   11 35 

..        20,  25 26 

..        23,  7 35 

Num.  13,  24.sq 31 

..       22,  28 24 

..       23,  19 30 

Deut.  21,  22.  23 29 

..      21,  23 29 

..      28,  44 27 

..      28,  66 30 

,.      30,  6 

.,      32,  32—34 

..      32,  39 

..      32,  43 


Jos.  2  , 


2     . 

13sq. 


Jos.  6 

Seite 
41 

II  Sam 

I  Keg. 
n  Reg 
Esther 
Ps.  2. 
•) 

.  7,  4sq.  12.  14. 
IS  . 

16  .  .   19 
2S 

11.  6.  14  .  .  . 

20,  7  .... 

7 

39 

32 

28 

1—9 

•>o 

.  .  .     19 

..  3, 

.,  i6, 

:,       17, 

..  18, 
..  19, 
..  22, 
..  22, 
..  22, 
..  24, 
..  24, 
..  30, 
„  33, 
..  45, 
..  45, 
..  45, 
..  46, 
,.  47, 
..  50, 
..  58. 
..  68, 
..  69, 
,.  72 
,.  72. 

3 

...  35 

lOsq 

35 

14 

42 

10 — .18.  .  ,  , 

....  36 

7.  S 

.  .  36 

7.  8 

.  .  30 

16 

...  30 

17-23.  .  .  . 

7 

8.  10  ...  . 

4 

6 

29 

37 

37 

35 

20 

2 

4.  5 

20 

3S 

7.  S 

17 

11 

.  17 

6 

....  36 

1 — 6 

.  .  .   .37 

5 

5.  6 

32 

23 

.  .  .  18.  36 
...  31 

38 

5.  8 

39 

13(5 


Die  Altprcatio  Simonis  et  Theophili. 


Ps.  73,  23  . 

.,  78.  65  . 

.,  82,  1    . 

••  82,  6    . 

„  88,  10. 


Seite 
.  22 
.  36 
.  17 
.  19 
.   30 


89,  28 1! 


Isa.   52,  6 22 

..      53,  4 20 

..      53,  Isq 32 

..      53.  9.  6 2!) 

..      53.  12 29 

..      59.  7 42 

..      61.  1        40 

..     63,  1 36 

..     65,  2 30 

Jerem.  3,  S 34 

4.  3.  4 27 

6.  10 21.  29 

11,  19       30.  32 

13,  23 41 

15.  9 36 

..       31.  31.  32 27 

..        36.  4sq 25 

.,        51.  59  sq 25 

Threiii  4.  20 29 

Ezech.  9.  4 33 

9.  5.  6 33 

Dan.  3.  24.  25 42 

..      7,  13.  14 37 

..      !),  24.  25 22 

Osee  1,  2 34 

..     2.  2 34 

.,     6,  2 35 

Amos  8.  9.  10 36 

Jona  1.2 35 

Micha  5.  2 25 

Abac.  1.  5 43 

Zachar.  11.  16.  17 16 

12,  10 30 

Baruch  3,  35—37 17 

Pseuclobarucli 25 

II  Maec.  15 41 


.,    93,   1  sq 37 

.,    96,  10 38 

.,     107,  20 20 

..     110,   Isq 37 

.,     119,   120 3b 

.,    141,  2 30 

.,    147,  15 21 

Proverb.  8,  22sq 21 

Cantic.  5,  10 30 

Sap.  Sal.  2,  12—22 34 

Sirach.  24,  3.  4 21 

Isa.  1,  13.  14 41 

..      1,15 42 

..      7,  9 16 

„     7,   10-14 22 

„     7,  14.   15 23 

„      8,  4 23 

„     9,  6 38 

„      10,  22.  23 ...  20  I 

.,      11.  1.  2 24  ' 

..      29,   11,  12 24 

„     33,  10.  11 35 

..      37.  22 23 

.,     37,  36 23 

..      38,  5 32  , 

„      38,  21 32 

„     43,  19 27 

.,     44,  6 16 

..     45,   1—3 22  , 

..      50,  6.  7 32 


Die  Acta  Archelai  imd  das  Diatessaron   Tatians. 

Die  Acta  disputationis  Archelai  Episcopi  Mesopotamiae  et 
Maiietis  Haeresiarchae  gehoren  cler  ersten  Halfte  des  4.  Jahr- 
liunderts.  vielleiclit  dem  ersten  Viertel  desselben.  an  nnd  sind, 
wie  Hieronj^mus  versichert  nnd  ein  grundlicher  Keuner  des 
Sjrischen,  K.  Kessler.  sich  zn  beweisen  getrant,  aus  der  syri- 
schen  Sprache  in  das  Griechische  iibersetzt  worden.  Uns  liegen 
sie  bente  vollsttindig  „nur  in  einem  mehrfach  komipten  und 
von  Hans  aus  nnklar  stiHsirten  lateinischen  Texte  vor",  der,  wie 
schon  Zacagni  gezeigt  hat,  aus  dem  Griechischen  geflossen 
ist  und  viele  Fehler  und  Missverstandnisse  aufweist.  Die  latei- 
nische  Afterlibersetzung  ist  vollstandig  nur  in  einem  einzigen 
Codex  ( Casinensis)  erhalten,  wahrend  eine  Handschrift  von  Bobbio 
nur  einen  kleinen  Theil  derselben  wiedergiebt.  Fragmente  der 
gi'iechischen  Vorlage  bieten  aber  Epiphanius  und  Cyrill  von 
Jerusalem.  Die  Acten,  welche  von  einer  nie  gehaltenen  Dispu- 
tation berichten,  bergen  doch  urkundliches  Material;  sie  sind 
von  einem  syrischen  Geistlichen,  vielleicht  einem  edessenischen, 
abgefasst  worden  ^). 


])  Hieronymus  de  vir.  inl.  72:  „Arclielaus,  episcopus  Mesopotamiae, 
lilirum  disputationis  suae,  quam  habuit  adversum  Manichaeum  exeuntem 
de  Perside,  syro  sermone  composuit,  qui  translatus  in  gi-aecum  habetur 
;i  multis.  Claruit  sub  imperatofe  Probo,  qui  Aureliano  Tacitoque  successe- 
rat*.  Die  von  Bigot  in  Bobbio  entdeckten  Fragmente  gab  zuerst 
Valesius  in  den  Noten  zu  den  Kirch engeschichten  des  Socrates  und 
Sozomenos  heraus;  den  ganzen  lateinischen  Text  Zacagni  in  den  Col- 
lectanea Monumentorum  veterum  ecclesiae  Graecae  (Romae  169S\  zugleich 
mit  den  griechischen  Fragmenten,  einer  gelehrten  Einleitung  und  Noten. 


138  Die  Acta  Archelai  unci  das  Diatessaron  Tatians. 

Nach  den  Nachweisungeii ,  welche  Zalm  (Tatians  Diates- 
saron 1881)  liber  die  Verbreitung  und  den  Gebrauch  des  tatiani- 
schen  Diatessarons  in  der  syrischen  Kirche  gegeben  hat,  ist 
es  a  priori  wahrsclieinlich,  dass  der  syrisclie  Cleriker,  welcher 
unsere  Acten  verfasst  hat,  seine  Evangeliencitate  der  tatiani- 
schen  Harmonie  entnahm.  Auch  der  Umstand,  dass  der  Ver- 
fasser  c.  37  (p.  136  ed.  Routh)  den  Tatian  unter  den  Haretikern 
nennt^),  kann,  so  verhangnissvoll  er  der  Zahn'schen  Hjpothese 


Dieser  Text  ist  melirfacli  abgedruckt  worden,  auch  von  Routh,  ReUq. 
Sacrae  V.  edit.  II.  p.  Isq.  Einer  eingehenden  Kritik  hat  zuerst  Beau- 
sobre  (Hist,  critique  du  manicheisme  I  p.  129)  die  Acten  unterzogen. 
Er  wies  nach.  dass  die  Schrift  eine  Erdichtung  sei,  und  dass  sie  sich  nicht 
einmal  auf  eine  wirklich  stattgehabte  Disputation  beziehe.  Er  glaubte 
ferner  zeigen  zu  konnen,  dass  die  Acten  nicht  in  syrischer  Sprache,  son- 
dern  in  griechischer  niedergeschrieben  seien,  und  dass  der  Verfasser  dem 
Schauplatz  der  angeblichen  Handlung  fernstehe.  Ihm  hat  sich  von  Zitt- 
witz  (Ztschr.  f.  die  histor.  Theologie  1873  S.  467f.)  angesclilossen ;  ferner 
auch  Jacobi  (Ztschr.  f.  Kirchengesch.  I  S.  493  f),  der  mit  beachtens- 
werthen  Griinden  die  Hypothese  vertheidigte ,  die  Acten  seien  +  325  in 
Aegj^pten  in  griechischer  Sprache  niedergeschrieben  worden.  Oblasinski 
(Acta  disput.  Archelai.  Leipziger  Inauguraldissert.  1874  S.  37  —  59)  halt 
ebenfalls  die  Angabe  des  Hieronymus  iiber  den  Originaltext  der  Acten 
fur  belanglos,  da  Hieronymus  nur  einem  miindlichen  Geriichte  gefolgt  sei, 
und  da  Photius  (Cod.  85)  —  worauf  sich  auch  Beausobre  und  Jacobi 
stiitzen  —  einen  Hegemonius  als  Verfasser  auf  die  Autoritat  des  Hera- 
clianus  (c  500)  hin  nenne  und  von  einer  syrischen  Urschrift  nichts  wisse. 
Doch  haben  ausser  Zacagni  nicht  nur  Assemani  (Bibl.  orient.  I  p.  555), 
Neander  (Kirchengesch.  I  S.  816)  und  zum  Theil  auch  Fliigel  (Mani 
S.  29  f)  an  dem  syrischen  Originale  festgehalten ,  sondern  auch  Kessler 
hat  (Realencyklop.  f.  protest.  Theol.  u.  Kirche  2.  Aufl  9.  Bd.  S.  226)  die 
Nachricht  des  Hieronjauus  fiir  zuverliissig  erklart.  Kessler  verweist  auf 
die  ausfiihrliche  Begriindung  derselben  in  seinem  grossen  Werke  iiber 
Mani  (Bd.  1  S.  ]20f.),  welches  aber  bisher.  soviel  wir  wissen,  noch  nicht 
erschienen  ist.  Wir  folgen  diesem  sachkundigen  Gelehrten  so'^vie  der 
Autoritat  des  Hieronymus,  wenn  wir  an  der  Annahme  einer  sjaischen  Ur- 
schrift festhalten.  —  Der  theologische  Standpunkt  des  Verfassers  der  Acten 
ist  in  mancher  Hinsicht  (wie  der  des  Aphraates)  ein  archaistischer.  Dies 
zeigt  sich  namentlich  in  der  Christologie  (s.  c.  47  —  50,  bes.  p.  178 — 1S4), 
welche  mit  der  des  Paulus  von  Samosata  fast  identisch  ist;  siehe  aber  auch 
die  uierkwiirdige  Beurtheilung  des  Ap.  Paulus  p.  76.  107.  127f  135.  154. 
171.  182.  1S5. 

2)  ,,Dicat  autem  iste  quam  destruxerit  prophetiam  ludaeorum  ac  He- 
braeorum,  seu  linguas  cessare  fecit  Graecorum,  aut  eorum,  qui  idola  co- 


Die  Acta  Archelai  uiul  das  Diatessaron  Tatians.  139 

iiber  die  Art  der  Wirksainkeit  Tatians  in  Syrien  ist,  in  diesem 
Vorurtlieile  niclit  erscliuttern,  da  das  Diatessaron  im  kirchlichen 
Gebraiiche  verbleiben  konnte  und  verblieben  ist,  audi  wo  man 
wusste,  dass  sein  Redactor  nachmals  akatholische  Wege  ge- 
wandelt  ist.  Die  Untersuchung  also,  wie  sich  die  Evangelien- 
citate  des  Verfassers  zu  dem  Diatessaron  verhalteu,  ist  auf  jeden 
Fall  keine  von  vornherein  aussichtslose,  und  die  niclit  geringe 
Zalil  von  evangelisclien  Citaten  in  den  Acten  —  es  sind  ihrer 
circa  liundert  —  liisst  vermutlien,  dass  das  Vorurtlieil  wirk- 
licli  controlirbar  ist. 

Andererseits  freilicli  lehrt  bereits  eine  genauere  Vorprlifung 
der  Frage,  dass  sich  ein  siclieres  Resultat  scliwerlich  wird  er- 
reiclien  lassen.  Niclit  nur  das  Vergleicliungsobject  liegt  uns  trotz 
Epliraeni  und  Apliraates  in  reclit  unvoUstandiger  und  tlieil- 
weise  unsiclierer  Gestalt  vor,  sondeni  es  lassen  die  Acten  selbst, 
die  uns  ja  mit  Ausiialime  einiger  Stiicke  nur  in  eiiier  mangel- 
liaften  Afteriibersetzung  erlialten  sind  ■') ,  gerade  fiir  die  Evan- 
geliencitate  am  wenigsten  eine  treue  Reproduction  des  Urtextes 
erhoffen.  Angenommen,  der  syrisclie  Verfasser  liabe  au&  dem 
Diatessaron  gescliopft,  so  ist  es  selir  wolil  moglicli,  dass  sein 
griechisclier  Uebersetzer  liaufig  den  ilim  gelaufigen  Text  sub- 
stituirt  hat,  und  was  der  Grieche  iiocli  stehen  liess,  kanii  der 
spate  Lateiner  in  seiner  Superversion  voUig  verwischt  liaben. 
Die  Citate  des  Aphraates  besitzen  wir  im  Original  resp.  in  dem 
Wortlaute,  in  welcliem  die  syrische  Kirclie  das  Diatessaron  las, 
mag  audi  Aphraates  manchesmal  frei  und  nach  dem  Gedacht- 
nisse  citirt  haben.  Mo  singers  Publication  des  Ephraem'schen 
Commentars  ist  vom  syrisdieii  Diatessaron  freilicli  audi  durch 
zwei  Mittelglieder  getrennt.  Aber  Mosinger  iibersetzte  genau 
aus  dem  Armenischen :  denn  er  wusste,  um  was  es  sich  handelt: 
seine  armenischen  Vorlagen  sind  ferner  ebenfalls  reclit  genaue 
Reproductionen  des  Originals,  dessen  Charakter  als  eines  exe- 
getischen   Commentars    der  Entstellung    des   Inhaltes   an   sich 


lunt,  vel  quae  alia  dogmata  destruxit,  Valentiniani  aut  Marcionis  ant  Ta- 
tiani  aut  Sabellii  caeterorumque ,  qui  propriam  siljiinet  ipsis  scientiaui 
fomposuerunt". 

3)  Ueber  das  Alter  dieser  UcViersetzuny-  ist  nur  zu  sagen,  dass  sie 
wahrscheinlich  nach  dem  Ausgang  des  4.  Jahrhunderts  und  vor  Einbiir- 
gerung  der  Vulgata  in  der  abendlandischen  Kirche  abgefasst  ist. 


140  Die  Acta  Arclielai  unci  das  Diatessaron  Tatians. 

schon  gewisse  Schraiiken  zog.  Dagegen  sind  die  beilaiifigen 
Citate  in  den  Acten  des  Archelaus  vor  ihren  Uebersetzern 
durch  nichts  geschiitzt  gewesen,  und  somit  erscheint  die  Hotf- 
nung  von  vornherein  als  eine  sehr  geringe,  sichere  Resultate 
liber  ihren  urspriingiichen  Wortlant  nnd  ihren  Ursprung  zu 
erhalten. 

Man  konnte  nun  wenigstens  erwarten,  es  werde  moghch 
sein,  durch  eine  Yergleichung  der  griechisch  erhaltenen  Stlicke 
mit  der  lateinischen  Afterversion  den  Werth  der  letzteren  in 
Bezug  auf  die  Evangeliencitate  festznstellen.  Allein  auch  in 
dieser  Erwartnng  sieht  man  sich  getanscht.  Ein  eigenthiim- 
liches  Missgeschick  verfolgt  den  Forscher  auch  hier.  Denn 
das  grosse  Stiick,  welches  Cyrill  in  der  6.  Katechese  den  Acten 
entnommen  hat  (Routh,  1.  c.  p.  199 — 205),  findet  sich  in  der 
lateinischen  Recension  liberhaupt  nicht,  und  in  dein  umfang- 
reichen  Abschnitt,  welchen  wir  dem  Epiphanius  verdanken 
(Routh,  1.  c.  p.  43 — 70),  sind  nur  fiinf  Bibelcitate  enthalten. 
Von  diesen  fiinf  sind  zwei  den  Evangelien  entnommen  (p.  45: 
Mtth.  7,  IS;  p.  46:  Joh.  1,  18).  Correct  libersetzt  sind  vier; 
aber  Matth.  7,  18  heisst  es  im  Griechischen:  on  ov  dvvarai 
dkvdQov  y.aX6v  xagnovg  y.ay.nvg  noif^oai,  aids  f.trjv  davdgov  y.a/.6v 
yalovg  zagnovg  notijoai,  dagegen  im  Lateinischen:  ,,quia  non 
potest  arbor  mala  bonos  fructus  facere,  neque  arbor  bona  malos 
fructus  facere"'.  Der  Grieche  hat  also  die  herkommliche  Stellung 
der  Siitze:  der  Text  des  Lateiners  beruht  auf  willklirlicher  Um- 
stellung^).  Dieses  eine  Beispiel  belehrt,  wie  vorsichtig  man 
gegeniiber  Absonderlichkeiten  des  lateinischen  Textes  sein  muss: 
aber  da  es  eben  nur  ein  Beispiel  ist,  so  ist  an  bestinimten 
Directiven  wenig  gewonnen '"). 

Was  ferner  die  Citationsformeln  betriift,  so  entscheidet  die 
Untersuchung  liber  dieselben  nicht  mit  Sicherheit  das  hier 
schwebende  Problem.  Zwar  c.  38  (p.  140)  heisst  es:  .,Scriptum 
est  in  evangelio  salvatoris  nostri"    und  nun  folgt  Matth.  25.  44; 


4)  Die  richtige  Stellun"-  findet  sich  al)er  auch  in  dem  Lateiner  c.  I'd  (p.  73). 

5)  Eine  durchgehende  Yergleichung  des  griechischen  Fragmentes  bei 
Epiphanius  mit  der  lateinischen  Afterversion  zeigt  iibrigens,  dass  diese 
trotz  mancher  Missverstiindnisse  und  Verstosse  als  eine  recht  treue  be- 
zeichnet  werden  darf.  Damit  ist  aber  freilich  speciell  fiir  die  Bibelcitate 
noch  immer  wenig  gewonnen. 


I 


Die  Acta  Aivlu'lui  uiul  das  Diati'ssaroii  Tatiaus.  m 

c.  40  (]).  143)  wird  M;ittli.  5,  17  einfacli  als  „senuo  evHiigelicus" 
bezeiclinet  (s.  audi  c.  22  p.  93);  c.  34  (p.  128)  liest  man:  „Ait 
dominus  noster  lesus  Christus  in  evangelic",  und  es  folgt  Joh. 
14.  15  f.,  ebenso  lieisst  es  c.  32  (p.  lib):  „ln  evangelic  scriptum 
est:  Vcs  de  patre  diabclc  estis".  Der  Plural  „evangelia"  findet 
sicli  nicht  nur  c.  13  (p.  73):  „Sicut  scriptum  est  in  evangelicrum 
librc"  —  so  hatte  sicli  auch  Tatian  selbst  ausdriicken  konnen  — , 
und  c.  45  (p.  Ib5):  „Sunt  etiam  alia  multa,  quae  dici  possent 
et  de  apostolo  Paulo  et  de  evangeliis,  ex  quibus  ostendere 
possuraus  etc.''  —  auch  diese  Formel  ist  noch  nicht  geradezu 
bedenklich  — ,  sondern  auch  griechisch  in  dem  Brief'e  des  Mani 
c.  5  (p.  45):  oms  yuQ  Toig  elQrj!.uvoig  iv  tvayyeAiotg  7ic'.q  avcov 
Tov  otoTfjQog  rjutov  tcigtsvovoiv.  Allein  diese  Stelle  kommt  dess- 
halb  nicht  in  Betracht,  weil  der  Brief,  dem  sie  entnommen  ist, 
eine  Urkunde  ist,  welche  der  Verfasser  seinem  Werke  einver- 
leibt  hat.  Sie  entscheidet  mithin  nicht  fiir  seinen  eigenen 
Sprachgebrauch.  Es  bleiben  somit  nur  drei  Stellen  iibrig, 
welche  die  Hypothese,  der  Verfasser  habe  aus  dem  Diatessaron 
geschopft,  auscheinend  zu  erschiittern  vermogen.  C.  24  (p.  99) 
wird  Joh.  1,  5  mit  den  Worten  citirt:  ,,Evangelista  testimonium 
ferente":  c.  45  (p.  164)  heisst  es:  „Sed  et  sanctus  loannes  maxi- 
mus  evangelistarum  ait"  (Joh.  1,  16)  und  c.  35  (p.  131)  liest 
man:  „Sed  et  spiritus  evangelista  Matthaeus  diligenter  signifi- 
cavit  domini  nostri  lesu  Christi  sermonem:  Videte  ne  quis  vos 
seducat  etc."  Betrachtet  man  aber  diese  drei  Stellen  genauer, 
so  wird  man  die  dritte  hier  wohl  ausscheiden  diirfen.  Wie  sie 
lautet,  ist  sie  grammatisch  unertraglich.  Entfernt  man  indess 
die  beiden  Worte  „evangelista  Matthaeus"  als  eine  Glosse,  so 
ist  der  Satz  nicht  zu  beanstanden.  Es  bleiben  mithin  nur  die 
beiden  Johannescitate.  Vielleicht  ist  es  nicht  zufallig,  dass  nur 
fiir  den  johanneischen  Prolog  der  bestimmte  Evangelist  ge- 
nannt  ist.  Auch  wo  man  das  Diatessaron  las,  wird  man  doch 
gewusst  haben,  dass  der  evangelische  Abschnitt  vom  Logos  dem 
Johannes  gebiihrt.  Hier  ist  die  ausdriickliche  Nennung  des 
Verfassers  am  wenigsten  auflfallend.  Aber  wenn  man  diese  Er- 
klarung  nicht  gelten  lassen  will  —  ein  Text,  der  durcli  die 
Hande  zweier  Uebersetzer  gegangen  ist,  kaun  sehr  wohl  in  den 
evangelischen  Citatiousformeln  Correcturen  erlitten  haben.  Der 
Umstand,   dass   eben  nur  zwei  Stellen  der  Hj^jothese  der  Be- 


142  Die  Acta  Arclielai  und  das  Diatessaron  Tatians. 

nutzuiig  des  Diatessaroiis  gefahrlich  sincl,  clarf  umgekelirt  unter 
den  ungiinstigen  Verhaltnissen,  die  hier  besteheu,  als  beachtens- 
werth  constatirt  werden.  Auf  jeden  Fall  braucheii  wir  uns 
durch  die  hier  vorliegenden  Beobachtungen  nicht  abschrecken 
zu  lassen,  die  aufgestellte  Hypothese  zu  erproben. 

Schliesslich  sei  nocli  bemerkt,  dass  der  Verfasser  der  Acta 
eine  nur  einjahrige  Lehrwirksamkeit  Jesu  annimmt'').  Zahn 
hat  (a.  a.  0.  S.  249  —  26U)  nachzuweisen  gesucht,  dass  Tatian 
die  Lehrwirksamkeit  Jesu  liber  einen  Zeitraum  von  mehr  als 
zwei  Jahren  ansgedehnt  habe.  Dies  mag  richtig  sein;  aber  wie 
sich  die  Annahme  einer  einjahrigen  Wirksamkeit  Jesu  noch  hie 
und  da  erhielt  audi  in  solchen  Kreisen,  welche  das  Johannes- 
evangelium  lasen,  so  kann  diese  Annahme  bei  unserem  Ver- 
fasser nicht  als  Gegenargument  gegen  seine  Benutzung  des 
Diatessarons  verwendet  werden. 


Die  Evangeliencitate  in  den  Acten  des  Archelaus  sind  der  be- 
quemerenUebersicht  wegen  im  Folgenden  in  drei  Gruppen  getheilt 
worden.  In  die  erste  Gruppe  sind  solche  Citate  aufgenommen  wor- 
den,  die  fur  die  vorstehende  Frage  indifferent  sind,  in  die  zweite 
diejenigen,  welche  der  Annahme  einer  Benutzung  des  Diatessa- 
rons ungiinstig  sind  oder  zu  sein  scheinen,  in  die  dritte  end- 
lich  solche,  welche  jene  Annahme  in  hoherem  oder  geringerem 
Masse  stiltzen  oder  zu  stutzen  scheinen.  Zur  Vergleichung  ist 
der  Text  des  Diatessarons  herangezogen  worden,  wie  ihn  Zahn 
(a.  a.  0.  S.  112—219)  construirt  hat;  Abweichungen  an.einigen 
Stellen  sind  dabei  vorbehalten.  Von  einer  Benutzung  des  latei- 
nischen  Tatians  musste  abgesehen  werden;  denn  auch  bei  Vor- 
aussetzung  einer  gemeinsamen  Wurzel  liegen  dort  und  hier 
so  viele  Willktirlichkeiten  dazwischen,  dass  eine  Vergleichung 
von  vornherein  filr  fruchtlos  gelten  durfte. 

I.  Die  grosse  Masse  der  Evangeliencitate  in  AM  (Acta 
disp.  Archelai  et  Manetis)  muss  leider  der  ersten  Classe  zu- 
geschrieben  werden,  und  zwar  aus  sehr  verschiedenen  Griinden. 
Bald  ist  in  T  (Tatiani  Diatessaron)  auf  die  betreffende  Stelle 

6)  S.  c.  34  (p.  127):  ,,Nec  in  aliquo  remoratus  dominus  noster  lesus 
intra  unius  anni  spatium  languentium  multitudines  reddidit  sanitati"; 
c.  50  (p.  182):  ,,Discipnli  Christi  per  annum  integrum  manserunt  cum  eo". 


Die  Acta  Arohelai  uml  da.s  Diatessaron  Tatians.  14;{ 

nur  augespielt .  bald  in  AM;  viele  Stellen  felilen  in  T.  wie  ei- 
aufGrund  derbislierigen  Zeugen  wiederhergestellt  werden  konnte, 
Liberhanpt;  andere  finden  sich  zwar,  aljer  T  nnd  AM  weichen 
vom  Vnlgiirtexte  haufig  nicht  ab,  so  dass  ein  Schluss  nicht  er- 
lanbt  ist.  Immerhin  aber  haben  die  letzteren  Fiille  doch  eine 
gewisse  Bedentnng,  namentlich  dann,  wenn  die  Zahl  der  ent- 
schieden  giinstigen  Falle  (Grnppe  III)  eine  erliebliche  sein  sollte. 
T  und  AM  liaben  uamlich  in  Grnppe  I,  soweit  sie  beide  fiir  einen 
Sprucli  den  vollstandigen  Wortlaut  liefern,  denselben  in  der 
gleichen  evangelischen  Recension.  In  die  erste  Gruppe 
sind  folgende  Citate  in  AM  zu  rechnen:  Mt.  2,  13  (p.  161); 
•2,  16  (p.  161);  3,  7  (p.  120);  3,  16  (p.  179);  3,  17  (p.  178.  183); 
5,  3  (p.  144.  151);  5,  8  (p.  153);  5,  17  (p.  143);  7,  6  (p.  202); 
7,  15  (p.  153);  7,  24  (p.  167);  8,  26  (p.  162);.  10,  10  (p.  150); 
10,  28  (p.  167);  10,  34  (p.  162.  201);  10,  37  (p.  172);  10,  40 
(p.  169):  12,  32  (p.  177);  13,  11  (p.  99);  13,  13  (p.  202);  13,  25 
(p.  74);  14  (p.  161);  14,  25  (p.  162);  15,  24  (p.  169);  17,  2 
(p.  162);  18,  21  (p.  117);  19,  11  (p.  99);  22,  29  (p.  109);  22,  40 
(p.  153);  23,  27  (p.  153);  24,  4.  5  (p.  131);  24,  23  f.  (p.  131.  134)'); 
25,  41  (p.  200);  25,  44  (p.  140):  Mr.  2,  U  (p.  J 44);  Lc.  4,  34 
resp.  Mr.  1,  24  (p.  174);  10,  22  (p.  136):  12,  49  (p.  200);  16,  16 
(p.  75.  145);  16,  19 f.  (p.  150);  23,  34  (p.  161);  Job.  1,  12  (p.  109); 
5,  17  (p.  115);  5,  45f.  (p.  149.  165);  8,  44  (p.  74.  110.  118.  120. 
126);  10,  27  (p.  99);  13,  27  (p.  126);  14,  12.  15.  16.  18;  16,  8- 
14.  28  (p.  107.  127.  128)8);   19,  37  (p.  182). 

II.    In  die  zweite  Classe  gehoren  nnr  nenn  Falle: 


7)  111  V.  24  hat  AM  den  Zusatz  „falsi  apostoli".  Denselben  bieten 
audi  Justin  (Dial.  35),  Hegesipp  (Euseb.  h.  e.  IV,  22),  die  clementinisclien 
Homilien  XYI,  21  und  TertuUian  (de  praescr.  4).  S.  Anger,  Synopse 
p.  274.  195.    Semisch,  d.  apostol.  Denkwiirdigk.  S.  391. 

S)  C.  16,  8  wird  von  Mani  (p.  73)  citirt:  „ad  arguendum  mundum  de 
peccato  et  de  iniustitia"  (c.  27  p.  107  findet  sich  das  Herkommliche). 
Zacagni  bemerkt  dazu:  „Videtur  hie  locus  a  Manete  vel  ab  imperito  li- 
brario  cormptus;  nam  in  sacro  iextu  iustitia  scribitur  contrario  sensu. 
Varia  autem  sacrae  scripturae  loca  dolose  inteiiiolasse  atque  corrupisse 
Manetem  diserte  Archelaus  asserit  infra  cap.  53  et  ex  Epiphanio  colligitur 
in  eiusdem  haeresi  num.  56".  Vielleicht  darf  liierher  die  Keobachtung 
gezogen  werden,  dass  Mani  in  seinen  Reden  das  ,,spiritu"  Mtth.  5,  3  nicht 
beachtet  (c.  40  p.  144;  c.  42  p.  151);  wahrend,  wie  oben  gezeigt  worden. 
man  .sich  auf  Mtth.  7,  18  (c.  5  p.  45)  nicht  berufen  darf. 


144  Die  Acta  Avehelai  unci  das  Diatessarou  Tatians. 

1)  Mt.  II,  11  lautet  in  AM  (c.  49  p.  177):  „Maior  in  natis 
mulieruni  nullus  surrexit  loanne  baptista;  qui  autem  minor  est, 
in  regno  caelorum  maior  est  illo"**).  In  T  heisst  der  Spruch 
(Zalm  §  26  S.  145)  nach  Ephraem:  „Amen  dico  vobis,  quod 
nullus  maior  est  loanne  inter  natos  mulierum;  sed  qui  minimus 
est  in  regno  caelorum,  maior  est  eo".  Mattliaus  und  Lucas 
(7,  28)  untersclieiden  sich  bei  Wiedergabe  dieses  Verses  darin, 
dass  Mattliaus  den  Spruch  niit  „Amen"  beginnt,  „non  surrexit'' 
giebt  (Lucas:  „nullus  est"),  „baptista'"  zu  „Ioannes"  hinzufiigt 
und  „regnum  caelorum"  (Lucas:  „regnum  dei")  setzt.  Von  diesen 
Eigenthumliclikeiten  hat  T  die  erste  und  vierte,  wahrend  er 
sonst  den  Lucastext  bietet;  AM  aber  giebt  den  Text  nach 
Mattliaus  mit  der  einen  Ausnahme,  dass  er  nicht  „non",  son- 
dern  mit  Lucas  „nullus"  liest. 

2)  C.  47  (p.  171)  sagt  Manes,  um  zu  beAveisen,  dass  Christus 
kein  wirklicher  Menscli  gewesen  sei:  „sed  et  Davidis  esse  non 
dignatur  audire".  Auf  welche  Perikope  sich  dieser  Satz  be- 
zieht,  ist  nicht  auszumachen.  Die  Disputation  liber  die  Davids- 
sohnschaft  (Mt.  22,  42  f.)  hat  hochst  wahrscheinlich  in  T  ge- 
fehlt,  und  in  der  Perikope  vom  kananaischen  Weib  bot  T  die 
Worte  „Sohn  Davids"  nicht  ^^);  indessen  hat  der  Mani  der  Acten 
unzweifelhaftmarcionitische  Schriften  gelesen,  wie  unter  anderem 
die  von  ihm  angefiihrten  Antitheseii  beweisen.  Ob  Christus 
ein  Solin  Davids  sei,  war  aber  einer  der  wichtigsten  Controvers- 
punkte  zwischen  der  Kirclie  und  den  Marcioniten.  Also  kanu 
es  nicht  auffallen,  dass  audi  Mani  diese  Frage  beriihrt,  und 
dass  er  sie  beriihrt,  kann  keine  Listanz  gegen  die  Annahme 
sein,  der  Verfasser  der  Acten  habe  bei  seinen  evangelischen 
Citaten  —  um  ein  solches  handelt  es  sich  hier  nicht  —  T 
benutzt  11). 

8)  C.  42  (p.  153)  wird  in  AM  Lc.  5,  34  genau  citirt;  der- 
selbe  Spruch  stand  aber  in  T  nach  der  Fassuiig  Mr.  2 ,  19 
(Zahn  §  14  S.  130). 

4)  T  bietet  fZahn  i;  27  S.   14(i)  den  Text  nach  Mr.  3.  27: 


9)  So  theilte  der  Verfasser  der  Acten  ab  und  bezog'  den  ,,niinor"  auf 
Jesus  selbst. 

10)  S.  Ztschr.  f.  Kirchengesch.  \Y  S.  479.    Zalm,  a.  a.  0.  S.  71.  s4.  309. 

11)  Die  Stelle  c.  34  (p.  126)  kommt  nicht  in  Betracht. 


Die  Aotii  Archt'liii  uml  das  Diatessaron  Tatians.  |  45 

„Neiiio  ])ott\st  iiitrare  in  (Ionium  I'ortis  et  depraodari  thesaurum 
eius,  nisi  prius  t'orknn  ligaverit,  et  tunc  tliesaurum  eius  deprae- 
dabitur" '-).  AM  dagegen  beginnt  in  der  Form  des  Matthaus 
(12,  29):  „Quis  enim  potest  introire  in  domuni  fortis  et  diripere 
vasa  eius",  und  schliesst  daran  den  kurzen  Nachsatz:  „nisi  illo 
sit  Ibrtior".  Dieser  Nachsatz  ist  schwerlicli  eine  Reminiscenz 
aus  Lc,  11,  22  i„si  autem  fortior  illo  venit"),  sondern  ist  als 
eine  willkiirliche  Verkiirznng  zu  beurtheilen.  Auf  die  Differenz 
„Nemo  potest"  —  „Quis  enim  potest"  allein  ist  aber  scliwer- 
lich  Gewicht  zu  legen. 

5)  In  dem  von  Cyrillus  allein  bewahrten  griecliisclien  Stiicke 
der  Acten  wird  citirt  (p.  203):  tw  yaq  s'xovtl  doS^yjoEzai,  duo 
ds  Tov  fit]  f'xniTog  -/.at  o  doy.sl  e'xsiv  dg&iqasTai,  also  nach  Lc. 
8.  18.  Ebenso  giebt  T  den  Spruch  nach  Lc.  (§  19  S.  137f.): 
„Qui  habet  dabitur  ei,  et  qui  non  habet,  etiam  quod  putat  se 
habere,  auferent  ab  eo".  Soweit  ware  alles  in  Ordnung;  ein 
Bedenken  kann  nur  daraus  entstehen,  dass  in  T  (wie  in  Mr.) 
der  Spruch  im  Rahmen  der  Bergpredigt  seine  Stelle  hatte 
(Zahn  S.  139),  wahrend  er  in  AM  eineni  Citat  nach  Mt.  13,  13 
folgt,  also  in  der  Vorlage  im  Zusammenhang  der  Parabelrede 
gestanden  zu  haben  scheint.  Allein  dagegen  ist  folgendes  zu 
bemerken:  1)  Audi  AM  hat  den  Spruch  in  der  Fassung  des 
Lucas  und  nicht  in  der  des  Matthaus,  2)  auch  Lucas  hat  den 
Spruch  in  Verbindung  mit  ein  em  Satze  gegeben,  der  der  Berg- 
predigt angehort  (8,  16)  '■^),  3)  die  beiden  Citate  folgen  in  AM 
nicht  unmittelbar  auf  einander,  so  dass  der  Annahme  nichts 
im  Wege  steht,  der  Verfasser  habe  die  Spriiche  frei  combinirt. 
Somit  ist  das  erhobene  Bedenken  nicht  von  Gewicht. 

6)  C.  38  (p.  140)  heisst  es  in  AM:  „Discedite  a  me  in  ignem 
aeternum,  operarii  iniquitatis".  Dies  ist  Mt.  25,  41;  aber  die 
„operarii  iniquitatis"  stammen  aus  Lc.  13,  27;  Mt.  hat:  xaTr^- 
gaf.ui'01.  In  T  steht  (§  80  S.  201  nach  Aphraates)  der  reine 
Matthaustext.  Hier  bleiben  die  beiden  Moglichkeiten  offen,  dass 
entweder  der  Text  des  Aphraates  keine  treue  Wiedergabe  von 


12)  Die  Bemerkung  Zahns  (S.  147),  die  Satzform  sei  niehr  nach  Mr., 
der  Inhalt  mehr  Mt.,  ist  nicht  richtig,  da  Mr.  und  Mt.  nur  in  der  Satz- 
form differiren. 

13)  Gegen  Zahn  S.  18!t. 

Texte  und  Dutersuchungen  1,  3.  {{) 


146  Die  Acta  Archelai  mid  das  Diatessavon  Tatians. 

T  ist,  oder  class  der  Verf.  oder  der  Uebersetzer  der  Acten  ge- 
dachtnissmassig  Mt.  25,  41  mit  Lc.    13,  27  verbunden  hat. 

7)  C.  24  (p.  99)  wird  in  AM  Job.  1  ,  5  also  citirt:  „Lux 
lucet  in  tenebris".  T  bietet  (§  1  p.  113)  „lacebat".  Auf  diese 
Differenz  wird  unter  Beriicksicbtigung  der  zwischen  liegenden 
Versionen  Niemand  etwas  geben  wollen. 

8)  C.  42  (p.  151)  ist  auf  die  Perikope  vom  Scherflein  der 
Wittwe  angespielt  (Mr.  12,  41f.  Lc.  21,  If.);  nach  Zabn  (S.  84f.) 
soil  sie  in  T  ganz  gefeblt  haben.  Allein  eine  irgendwie  erheb- 
liclie  Wabrsclieinlichkeit  lasst  sicli  fiir  diese  Hypothese  niclit 
erbringen. 

9)  Aus  der  Perikope  der  Abweisung  der  Mutter  und  der 
Briider  durcb  Christns  ist  von  Zahn  in  T  nur  ein  Satz  con- 
statirt  (§  30  S.  150):  „Ecce  mater  tua  et  fratres  tui  quaerunt 
te".  Dieser  Satz  gehort  Mr.  (3,  32)  an.  In  AM  c.  47  (p.  170) 
citirt  Mani:  ,,Quidam  ei  aliquando  dixit:  Maria  mater  tua  et 
fratres  tui  foris  stant  .  .  .  euni,  qui  dixerat  increpavit  dicens: 
Quae  est  mater  mea,  aut  qui  sunt  fratres  mei?  et  ostendit  eos, 
qui  facerent  voluntatem  suam,  et  matres  sibi  esse  et  fratres". 
AM  bat  unzweifelhaft  einen  gemischten  Text  (Mt.  12,  47  ist 
Interpolation)  nach  Mt.  und  Lucas:  den  Satz  aber,  welcher  in 
T  nacb  Marcus  gestanden  bat,  hat  AM,  wie  es  scheint,  nach 
Lucas  aufgenommen.  Indessen  fragt  es  sich,  ob  in  T  der  Satz 
wirklich  so,  wie  oben  beraerkt  worden  ist,  gelautet  hat.  Ephraem 
citirt  ihn  in  einer  antimarcionitischen  Polemik  (p.  122  ed. 
Moesinger)  und  legt  dem  Marcion  selbst  den  Satz  in  den  Muud. 
Es  ist  also  sogar  unwahrscheinlich,  dass  wir  aus  Ephraem  an 
dieser  Stelle  den  Text  des  Tatian  zu  erheben  berechtigt  sind. 
Damit  fallt  aber  der  Einwurf  gegen  AM,  und  es  bleibt  nur  zu 
bemerken,  dass  AM  einen  gemischten  Text  aufweist.  Schliess- 
lich  ist  noch  zu  constatiren,  dass  c.  47  p.  171  audi  in  AM  das 
„Ecce",  welches  Mr.  und  T  bieten,  gefunden  wird:  ,Jlli  enim, 
qui  dixerat:  Ecce  mater  tua  foris  stat,  respondit:  Quae  mihi 
est  mater  aut  fratres? 

Zusammenfassend  darf  man  sagen,  dass  die  sub  2,  5,  7,  S,  9 
genannten  Falle  nichts  gegen  die  Annahme  einer  Benutzung 
von  T  in  AM  beweisen:  1,  4,  0  konnen  bedenklich  erscheinen. 
Die  sub  3  aufgeflihrte  Stelle  allein  widerspricht  der  Annahme. 


Die  Acta  Aiclii'lai  uiid  ilns  Dintossaron  Tatians.  147 

III.  In  die  dritte  Klasse  diirfen  l(i  Falle  aufgenommen 
werden. 

1)  Die  Versuchungsgeschichte  ist  in  T  (§  10  S.  125  f.)  selir 
kunstvoll  aus  den  synoptischen  Berichten  zusamraengesetzt, 
indera  Mt.  4,  If.  die  Grundlage  hildet^^).  Soweit  der  Text  in 
AM  vorhanden  ist,  stimrat  er  niit  T.  „Statim  in  desertnm  a 
spiritn  dnctus  est  lesus,  ut  tentaretur  a  diabolo"  (c.  50  p.  182) 
.  .  .  „quadraginta  diebns  ieiunavit"  (c.  44  p.  IGl)  .  .  .  „Si  filius 
es  dei"  (p.  182)  ....  „Vade  post  me,  Satana  .  .  .  dominnm  deura 
tnnni  adorabis,  et  ipsi  soli  servies"  (c.  32  p.   120). 

2)  In  AM  (c.  22  p.  93)  lantet  ein  Citat:  „Nemo  lucernam 
accendens  ponit  sub  modio,  sed  super  candelabrum,  ut  luceat 
omnibus  qui  in  domo  sunt".  Mt.  5,  15  lautet  der  Spruch:  ovds 
■/MiovGii'  Xvyvov  y.al  rid-iaoiv  avibv  v^ro  rov  f.i6dior,  aXX  inl 
Tt)v  lv)[viav,  y.al  A«/(7r£f  ndoiv  To7g  iv  xfi  ol-Aia.  Lc.  8,  16  und 
I  1 .  33  dagegen:  ovddo,  Ivyvnv  ciWag  xaXvTiTSi  avtov  okwei  y 
inoYMTio  Klnr^q  xi&rioiv  [tig  /.Qvnxrjv  xid^rjOiv  ovdi  vno  xov  (,i6- 
dtnv],  a}J^  inl  Xv^viag  Tidi]Oiv  [aXX  snl  xi]v  Ivyviav],  iva  oi 
UGnnQEvouEvni  (Slentooiv  xb  cpiog  [x.  (f.  (^Xi/iioGir].  In  AM 
liegt  also  entschieden  Mt.  zu  Grunde,  wahrend  die  Form  des 
Satzes  lukanisch  ist.  T  ist  hier  leider  nur  aus  Aphraates  zu 
controliren  (§  17,  S.  133),  der  nicht  selten  frei  aus  dem  Ge- 
daclitnisse  citirt  hat.  Aber  audi  so  ist  noch  deutlich,  dass  in 
T  die  Satzform  die  lukanische  war,  wahrend  Mt.  5,  15  mit- 
verarbeitet  ist:  ..Niemand  zilndet  eine  Leuchte  an  und  stellt 
sie  unter  den  Scheffel  oder  unter  das  Bett,  oder  stellt  sie  an  einen 
verborgenen  Ort,  sondern  er  stellt  sie  oben  auf  den  Leuchter, 
damit  Jedermann  das  Licht  der  Leuchte  sehe".  Aphraates 
bringt  also  niehr  aus  Lucas  als  AM;  aber  der  Aufriss  ist  hier 
nnd  dort  der  gleiche,  und  die  Abweichungen  erklaren  sich  un- 
gezwungen  bei  der  Annahme,  dass  in  T  der  gauze  Stoff  aus 
Mt.  und  Lc.  bei  diesem  Verse  aufgenommen  war,  AM  und 
Aphraates  aber  frei  citirt  haben. 

3)  Das  Vater  Unser  ist  in  AM  (c.  20  p.  90)  wie  in  T  nach 
Mt.  und  nicht  nach  Lc.  gegeben:  ,,Orate  patrem  vestrum,  qui 
est  in  occulto  ....  Sic  dicite  cum  oratis:  Pater  noster  qui  es 
in   caelis".     Audi  in   eineni  freilich   freien  Citat  bei  Aphraates 


14)  S.  audi  Ztscbr.  f.  Kirclion^esch.  IV  S.  477  f. 


148  Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians. 

heisst  es  (Zalin  §  IS  S.  137):  ,,Betet  im  Verborgenen  zu  dem 
Verborgenen'".  An  einer  anderen  Stelle  freilich:  .,Bete  zu 
deineni  Vater  im  Verborgenen'".  AM  liegt,  wenn  richtig  liber- 
setzt  worden,  die  LA  rqi  iv  rot  y.ovTTTio  zu  Grunde.  Ob  Aphraates 
das  erste  tuj  gelesen  hat,  steht  dahin. 

4)  Aus  c.  5  (p.  45  f.),  c.  13  (p.  73  f.),  c.  16  (p.  82),  c.  17 
(p.  83)  ergiebt  sich,  dass  AM  nacli  Mt.  7,  18  gelesen  hat:  ov 
dvvazai  dhdqov  xaXov  7,aQ7iovg  xaxovg  Ttoifjoai,,  ovds  f.ir]v 
devdQOv  xcxxov  ycalovg  xaQnovg  noiijaai.  Fur  /.aXov  hat  aber 
Mt.  dyad^ov,  fur  ycaxovg  vielmehr  novrjQOcg,  fur  noir]aai  ferner 
Evsyxstv,  filr  7.cr/.6v  —  oa/cQOv.  Das  xalnv  in  AM  stammt  ebenso 
wie  das  tioleIv  aus  Lc.  6,  43.  AM  hat  also,  ganz  wie  wir  das 
bei  T  gewohnt  sind,  wirklich  einen  lukanisch  modificirten  Mat- 
thaustext.  Es  bietet  aber  ausserdem  AM  (p.  83;  den  Satz:  „de 
fructibus  arbor  cognoscitur",  als  ausdrtickliches  Schriftcitat. 
Dieser  Satz  fehlt  in  der  Bergpredigt  bei  Mt.;  er  findet  sich  aber 
Mt.  12,  33  (£x  Tov  v-aQTiov  to  devdqov  yivwoy.Exai)  und  ahnlich 
Lc.  6,  44  {exaoTOV  devdqov  sx  tov  Idiov  xaQfcov  yi%'cooy.€Tat). 
T  aber  bietet  (§  19  S.  138):  „Nicht  kann  der  gute  Baum 
schlechte  Friichte  geben,  und  nicht  kann  der  schlechte  Baum 
gute  Friichte  geben  (Mt.);  denn  an  seinen  Friichten  wird 
der  Baum  erkannt".  Die  Parallele  zu  AM  ist  hier  frappant 
(s.  auch  den  Plural  „Fruchte",  den  beide  gegen  Mt.  haben). 
Ein  Bedenken  konnte  man  nur  daraus  schopfen,  dass  in  T 
der  Spruch  innerhalb  der  Bergpredigt,  also  aus  Lc.  6,  angefiihrt 
ist,  wahrend  er  in  AM  aus  dem  12.  Cap.  des  Mt.  stammt. 
Allein  auch  T  hat  die  Fassung  nicht  uach  Lc.  6,  44,  sondern 
nach  Mt.  12,  33.  Es  kann  ausserdem  der  Spruch  in  T  zweimal 
gestanden  haben. 

5)  C.  42  (p.  152)  wird  in  AM  auf  Mt.  8,  10  angespielt 
in  den  Worten:  „Rursum  video  centurionem  valde  divitem 
et  saeculari  praeditum  potestate  fidem  habere  plus  quam 
omnem  Israelitam".  Bei  Mt.  steht  nur  h  tm  'logariX,  da- 
gegen  in  T  (§  20  S.  139):  „Non  in  aliquo  in  Israel  tantani 
lidem  inveni". 

G)  Mt.  8,  22  (Lc.  9,  GO)  lautet  in  AM  (c.  48  p.  173):  „Ait: 
Diinitte  mortuos  sepelire  mortuos  suos".  Es  fehlt  also  das  d/.o- 
lovi^EL  (.101   des  Mt.;  eben  dasselbe  fehlt  aber  auch  in  T  (§  22 


Die  Artn   Arcliclui  iind  das  Diato.ssiu-on  Tatians.  140 

S.   140):    ,,Es   spracli   zii   ilmi   der  Herr:    Lass    die   Todteii   ilirc 
Todteu  begTaben". 

7)  C.  18  (p.  87)  lieisst  es  in  AM:  ,,Sicut  eiiim  si  assumeu- 
tiuii  panni  rudis  assiiat  qiiis  vestiraento  veteri,  maior  scissura 
tit  ...  .  Nemo  ])otest  vinum  novum  in  utres  veteres  mittere, 
alioqiiin  rumpeutur  utres,  et  vinnm  effundetur  .  .  .  (sed  vinum 
novum  in  utres  novos  mittenduni  est"').  In  diesem  Citat  sind 
die  Texte  Mt.  9,  16  f.;  Mr.  2,  21  f.;  Lc.  5,  36  f.  mit  einander 
verbunden,  und  zwar  so,  dass  der  Inhalt  dem  Text  in  Mt.  ent- 
spriclit,  die  Form  sowie  der  Schlusssatz  lukaniscli  ist,  das  „assuat'" 
aber  nur  aus  Mr.  {hnQanTSL)  belegt  werden  kann.  In  T  (§  14 
S.  130,  Aphraates)  kann  leider  der  Abschnitt  kaum  controlirt 
werden;  aber  seine  Composition  in  AM  ist  der  Hypotliese,  er 
stamme  aus  T,  sehr  giinstig. 

8)  Aus  der  Perikope  Mt.  16,  13  f.  bietet  AM  c.  47.  48 
(p.  171.  173)  folgendes:  „Apostolus  Petrus  discipulorum  omnium 
cminentissimus  tunc  agnoscere  eum  potuit,  cum  singuli  opiniones 
suas,  quas  de  ipso  habebant,  promerent,  ait:  Tu  es  Christus, 
filius  dei  vivi,  et  statim  beatificat  eum  dicens:  Quoniam  reve- 
lavit  tibi  pater  mens  caelestis  ...  Ei,  qui  dixit,  Tu  es  Christus, 
filius  dei  vivi,  beatitudinem  benedictionemque  restituit  .  .  . 
Petrus  aliquando  cum  iam  beatificationem  fuisset  ab  eo  con- 
secutus,  ait  ad  lesum:  Propitius  esto  domine,  non  erit  tibi 
istud,  cum  dixisset  ei  lesus,  quia  oporteret  filium  liominis  ascen- 
dere  lerosolymam  et  occidi  et  tertia  die  resurgere;  respondeus 
ait  Petro:  Vade  retro,  Satana,  quia  non  sapis  quae  dei  sunt, 
sed  quae  hominum  sunt".  Zunachst  ist  vielleicht  bereits  be- 
merkenswertli,  dass  T  nacli  Ephraem  p,  155.  229  die  Worte: 
.,quia  scandalum  es  milii"  nicht  enthalten  zu  haben  scheint. 
Wenigstens  ist  es  fraglicli,  ob  man  sich  auf  p.  154  berufen 
darf.  Auf  das  ..hominum"  im  letzten  Satz  wird  nichts  zu  geben 
sein.  Dagegen  ist  es  gewiss  nicht  zufallig,  dass  audi  AM  von 
einerGrilndung  der  Kirche  aufPetrus  nichts  zu  wissen  scheint^''). 
Zahn  hat  zwar  §  42  (S.  163)  und  S.  243 £  meine  Nachweisungen 
aus  Ephraem  fiir  bedeutungslos  erklart:  al)er  er  selbst  ist  wohl- 
weislich  stillschweigend  iiber  die  von  T  gebotene  Phrase:  „et 
portae  inferi  te  non  vincent"  hinweggegangen.    Auch  AM  weiss 


15)  S.  Ztschr.  f.  Kirchengesch.  IV  S.  484f. 


150  I^is  Acta  Archelai  uml  das  Diatessaron  Tatians. 

von  einer  Segnung  und  Seligpreisung  des  Petrus  als  des  Gruud- 
felsens  der  Kirche  nichts,  obgleich  die  Perikope  recht  ausMir- 
licli  behandelt  wird.  Man  kann  es  freilich  noch  immer  fiir  Zu- 
lall  erklaren,  dass  in  AM  ebenfalls  davon  nichts  steht,  und  dies 
um  so  mehr,  als  ja  AM  aacli  die  Worte:  „Tu  es  petra  et  portae 
inferi  te  non  vincent",  welche  sicher  in  T  enthalten  waren, 
nicht  bietet.  Allein  das  Schweigen  bei  Ephraem  und  in  den 
Acten  flir  ein  zufalliges  zu  erklaren,  ist  desshalb  m.  E.  nicht 
gestattet,  weil  Ephraem  die  LA  „te  non  vincent"  aufweist.  Aus 
Angers  Synopse  (p.  117)  kann  man  sich  am  kiirzesten  liber 
die  mangelnde  Bezeugung  von  Mt.  16,  18  belehren.  Im  zv^eiten 
Jahrhundert  hat  kein  Kirchenvater  oder  Haretiker  auf  diesen 
Vers  angespielt,  auch  dort  nicht,  wo  man  nach  dem  Context 
eine  Anspielung  erwartet  (z.  B.  Just.  Dial.  100  p.  356;  Iren.  Ill, 
18,  4.  Ill,  13,  2  etc.).  Erst  Tertullian  und  der  Verfasser  der 
clementinischen  Homilien  bezeugen  ihn. 

9)  C.  21  (p.  91)  finden  sich  in  AM  Fragmente  aus  der 
grossen  Rede  Jesu  gegen  die  Pharisaer.  Dieselbe  ist  fur  T 
aus  Ephraem  und  Aphraates  nur  sehr  unvollstandig  und  un- 
genau  zu  reconstruiren  (§  77  S.  197).  Indessen  ist  soviel  ge- 
w^iss,  dass  Tatian  auch  hier  Mt.  23  mit  Lc.  11,  39  f.  verschmolzen 
hat  (Mr.  12,  38f.).  In  AM  lasst  sich  dieselbe  Verschmelzung 
nachweisen.  Das  „camelum  glutire"  ist  aus  Mt.  23,  24.  Der 
Spruch:  „Vae  vobis  scribae  et  Pharisaei  hypocritae,  quare  quod 
deforis  est  catini  et  calicis  lavatis;  quod  autem  intus  est,  im- 
munditia  plenum  est?  Aut  nescitis  quia  qui  fecit  quod  foris 
est,  et  quod  de  intus  est  fecit"',  ist  aus  einer  Combination  von 
Mt.  23,  25  mit  Lc.  11,39  entstanden.  Bei  Aphraates  steht  der 
Spruch  anders;  aber  gerade  hier  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass 
wir  eine  gedachtnissmassige  Reproduction  zu  erkennen  haben. 
In  AM  wird  ferner  noch  auf  Mt.  23,  23  (Lc.  11,  42)  und  auf 
Mt.  23,  6.  7  (Lc.  20,  46.  Mr.  12.  38)  angespielt.  Hierbei  kommt 
auch  der  Ausdruck  „primos  discubitus  in  coenis"  vor  "').  Aphraates 
(s.  Zahn,  a.  a.  0.  §  77  n.  1)  bietet  das  „primos"  nicht,  was 
Zahn  weder  zu  belegen  noch  zu  erklaren  wusste.  Es  ist  wohl 
auch  hier  Willkiir  des  Aphraates  anzunehmen. 


ICi  Cod.:   ,,pniuos  di.scipnlos  suliito.s",  was  aus  ciiicr  Dittographie  von 
discubitus  entstanden  sein  muss. 


Die  Acta  Arohrlai  un.l   das  Diatcssaion  Tatians.  ]5l 

10)  C.  40  (p.  1-14)  wird  in  AM  uiit  den  Worteii:  ,,sed  ct 
(liscipulos  in  die  sabbati  vellere  spicas  ac  manibus  confricare 
non  prohibet",  auf  die  lukanische  Recension  der  Perikopc 
(Lc.  6,  1)  hingewiesen;  denn  weder  Mt.  noch  Mr.  bieten  das 
..confricare  manibus".  Aber  auch  T  (§  15  S.  VM)  hat:  ..evellere 
et  fricare". 

11)  C.  40  (p.  144)  heisst  es  in  AM:  „uoster  dominus  percu- 
tienti  unam  maxillam  iubet  ^iuberet)  etiani  alteram  ]3raeparari"'. 
Das  ist  Lc.  6,  29,  nicht  Mt.  5,  39,  wo  ds^idv  steht.  Es  bietet 
aber  auch  T  (§  17  S.  133):  „Qui  perciitit  maxillam  tuam, 
porrige  ei  et  alteram  partem"  (so  Ephraem  p.  65  bis,  p.  69  bis, 
p.  70).  resp.:  ..si  quis  te  percusserit  in  maxillam,  praebe  ei  et 
alteram"  (so  E  p.  133).  Der  Matthiiustext  ist  auch  bier  durch 
Lc.  ersetzt. 

12;  Der  nur  von  Lc.  iiberheferte  Sprucli  vom  Fall  des  Sa- 
tans  (10,  18)  findet  sich  sowohl  AM  c.  20  (p.  90,  s.  p.  119), 
als  auch  T  §  29  (S.  148). 

13)  Ebenso  steht  der  folgende,  allein  von  Lc.  bewahrte 
Spruch  (10,  19)  in  AM  (c.  32  p.  122):  „Dedit  enim  nobis  pote- 
statem  calcandi  super  serpentes  et  scorpiones  et  omnem  virtu- 
tem  inimici",  und  in  T  (§  29  S.  148):  ,,Ecce  dedi  vobis  pote- 
stateni  calcandi  serpentes  et  scorpiones  et  omnem  virtuteni 
inimici",  gleichlautend. 

14)  C.  45  (p.  164)  —  den  Hinweis  auf  diese  Stelle  ver- 
danke  ich  Zahn  —  wird  vom  Verfasser  der  Acten  Joh.  1,  17 
eng  mit  dem  vorhergehenden  Verse  verbunden.  Das  xcxqiv  avil 
yaQLTog  soil  sich  darin  zeigen,  dass  die  Christen  in  dem  mosai- 
schen  Gesetz  die  erste  %c(Qig  erhalten  haben,  an  deren  Stelle 
dann  durch  Christus  eine  andere  y,('(Qig  getreten  sei.  Moses, 
d.  h.  das  Gesetz,  wird  zwar  schon  gegeniiber  den  Zauberern 
als  ..Veritas"  bezeichnet,  da  es  ex  plenitudine  lesu  stammt,  aber 
durch  Christus  ist  docli  noch  eine  andere  „gratia  in  nobis  com- 
pleta"  (..Vides,  quomodo  lamnem  et  Mambrem  hominibus  coni- 
parat  corruptis  mente  et  reprobis  circa  fidem;  Moysen  vero 
veritati.  Sed  et  S.  loannes  .  .  ait,  gratiam  gratia  praestare  et 
differe;  ex  plenitudine  enim  lesu  legem  Moysi  accepisse  nos 
dicit;  aliam  autem  gratiam  pro  ilia  gratia  per  lesum  Christum 
esse  completam  in  nobis"i.    Diese  Exegese  fiigt  sich  nicht  wohl 


j^52  r>ie  Acta  Arclielai  unci  das  Diatessaron  Tatians. 

zii  cleiii  iiberlieferten  Texte  Job.  1,  16.  17;  sie  fugt  sich  ent- 
schieden  besser  zii  clem  Texte  in  T,  Avie  Ephraem  ihu  gegebeii 
(§  6  S.  121):  :,Per  Moyseii  lex  data  est,  sed  Veritas  eius  per 
lesum  facta  est",  obgleich  audi  so  niclit  alle  Scbwierigkeiten 
weggeraumt  sind. 

15)  In  dem  griechiscb  erhaltenen  Stiick  von  AM  (c.  5 
p.  46)  wird  auf  Job.  1,  18  angespielt  in  den  Worten:  /.at  tov 
f-iovoysvtj  TOV  £5t  Tiuv  zoXniov  TOV  uaTQog  y.aTa^avTa  Xqigtov; 
c.  7  (p.  52)  lesen  wir:  tov  viov  avTov  dneoTSiXev  o  ayaS^og 
TiaTrjQ  i>i  Tiov  xolTtiov;  c.  47  (p.  169):  „ipse  testimonium  dat, 
quia  de  sinibus  ])atris  descendit".  Hieraus  darf  gescblossen 
werden,  dass  der  Evangelientext,  welcber  AM  zu  Grunde  liegt, 
gelautet  bat:  6  (.lovoyevrjg  (viog)  6  wv  ex  twv  y.6Xncov  tov  na- 
TQoc,  gegen  den  Vulgartext.  An  dieser  Annabme  kann  nicht 
irre  macben,  dass  c.  32  (p.  121)  zu  lesen  steht:  „Dominum  nemo 
vidit  unquam  nisi  unigenitus  filius,  qui  est  in  sinu  patris";  denn 
dieses  Citat,  wie  es  sicb  denn  auch  ebenso  Iren.  Ill,  1 1  findet, 
ist  augenscbeinlicb  vom  Uebersetzer  dem  ibm  gelaufigen  Texte 
conform  gemacbt.  Es  beisst  aber  aucb  in  T  (§6  S.  121  n.  6), 
wie  Zabn  gezeigt  bat:    „unigenitus,  qui  est  ex  sinu  patris". 

16)  C.  47  (p.  169)  liest  man  in  AM:  „Non  veni  facere 
voluntatem  meam,  sed  eius  qui  misit  me".  Zacagni  bat  fiir 
dieses  Citat  auf  Job.  6,  38  verwiesen:  otl  '/.aTa^e^rjxci  ccnb  tov 
ovQavov  ovx  iva  nouo  to  d-sXrif-icc  to  i/iiov ,  alia  to  d^ih]/iia 
TOV  nhiipavTog  /lie.  Diese  Stelle  ist  aucb  gewiss  gemeint;  da 
sie  aber  nicbt  genau  wiedergegeben  ist,  so  konnte  man  aucb 
an  Job,  5,  30  denken.  In  T  aber  lesen  wir  nacb  Eplir.  234 
(§  35  S.  156)  fast  wortlicb  wie  in  AM:  ,.Nou  veni  facere 
voluntatem  meam,  sed  voluntatem  eius  qui  misit  me".  Dazu 
bemerkt  Zabn  (n.  4):  ,,Auf  Job.  5,  30  wird  das  nicbt  zurlick- 
gebn".  AM  bestatigt  also  bier,  dass  in  T  das  yMva^ij-irjKa  and 
TOV  ovQuvov  ovx  ^J'«  710110  durcli  das  einfacbe  ,,non  veni  facere" 
Aviedergegebeu  war. 

Die  in  dieser  Zusammenstellung  aufgefiibrten  Fiille  sind 
flir  die  Entscbeidung  der  Frage,  ob  in  AM  wirklicb  T  benutzt 
ist,  von  verscbiedenem  Gewicbt.  Am  belangreicbsten  sind  die 
Nrr.  1;  4;  5;  15;  16;  verbaltnissmassig  am  unbedeutendsten  die 
Nrr.  3;  6:  10—13;  mebr  Gewicbt  kommt  Nrr.  2;  7—9:  14  zu. 
Immerbin    dai'f  man   sagen,   dass   das  Vorurtbeil,    der  syriscbe 


Die  Acta   Anlielai  mid  das  Diatcssanm  Tatians.  153 

Verfasser  der  Acta  Archolai  habe  aus  dem  Diatessaron  ^e- 
schopft,  durcli  eiiie  genaue  Untersuchuiig  der  von  ihm  beige- 
l)racliten  Evangeliencitate  iiicht  erschiittert ,  sondern  verstarkt 
wird.  Es  darf  mitliin  far  wabrsclieinlich  gehalten  werden, 
dass  die  Lilckeubaftigkeit  und  Uiisicberheit  des  lievveises  t'iir 
diese  These  wirklich  lediglich  in  der  besonders  ungiinstigeu 
Art  der  Ucberlieferung  von  T  iind  AM  ibren  Grund  bat. 


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