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Inlialtsverzeiclmiss.
Die griechischen Apologeten des 2. Jahrhunderts
in der kirchlichen Ueberlieferung.
Selte
Erstes Capitel: Die hanclschriftliche Ueberlieferung
der Apologien im Mittelalter 1 — 97
§ 1. Die Tatianlianclschriften 1—9
§ 2. Das Verwandtschaftsverlialtniss der Tatianliand-
schriften 10—24
§ 3. Der Codex Parisinus 451 24-36
Excurs zu § 3: der Erzbiscliof Arethas von
Casarea, seine Studien und seine Bibliothek 36— 4G
§ 4. Das Verhaltniss der Codd. Mutin. III. D. 7, Paris.
174, Marcian. 343 und der Valeriancodd. zu Pa-
ris. 451 46-68
Excurs zu § 4: Die Justincodd. des 13. (14.) Jahr-
hunderts und die jiingeren Apologeten-Hand-
schriften in ihrem Verhaltniss zu Paris. 451 68 — 85
§ 5. Die Hauptresultate . 85—89
§ 6. Die Kesultate fiir den Text des Tatian und die
Tatianschohen 90 — 97
Zweites Capitel: Die Kenntniss und Beurtheilung der
Werke der Apologeten in der altenKirche und im
Mittelalter 98—298
§ 7. Einleitung 98—100
§ 8. Die Apologien des Quadratus und Aristides . , . 100 — 114
§ 9. Die dem Aristo von Pella beigelegte Schrift: Ja-
son's und Papiskus' Disputation iiber Christus . . 115—130
§ 10. Die Werke des Justin nebst einer Untersuchung
iiber die Schriften, welche den Nanien des Athena-
goras tragen 130—195
§ 1 1. Die Oratio des Tatian nebst einer Einleitung iiber
die Zeit dieses Apologeten 196—231
i? 12. Apohnarius von Hierapolis und seine Schriften . 232 — 239
§ 13. Melito und seine Schriften 240—278
§ 14. Die Schriften des Miltiades 278—282
§ 15. Die Schriften des Theophilus uiit Ausschluss des
ihm beigelegten Evangeliencommentars 282—298
Handschriften-Register 299
Zusatz und Berichtiffuna: 299
Druck von Ilundortstuiid & Pries in Loipzig.
DIE ALTERCATIO
STMONIS IIDAEI ET THEOPHILI CHRT8TIAXI
NEBST UNTEESUCHUXGEN
UBER DIE ANTUtJDISCHE P0LE3IIK IX DER ALTEX KIRCHE
UXD
DIE ACTA ARCHELAI
UNU DAS DIATESSAKON TATIA^ib
VOX
ADOLF HARNACK.
DER ARETIIASCODEX PARIS. GR. i-M.
ZUR HAXD8CHRIFTLICHEX UBERLIEFERUXG
DER GRIEC'HISCHEX APOLOGETEX
V(PN
OSCAR V. GEBHARDT.
LEIPZIG
J. C. HIXEICHS'SCHE BUC HH A ND I,U KU
1883.
Inhaltsiibersiclit.
Sieite
Die Alter catio Simoniis III daei et Theopliili I'liristiani
nebst Untersuchungen iiber die antijiidische Pole-
luik in der alten Kirche, von A. Harnack 1 — 136
S 1. Die Ueberlieferung und bisherige Bearbeitung der
Schrift ^Altercatio Simonis ludaei et Theophili Chri-
stiani" 1 — 15
§ 2. Der Text der Altercatio 15—49
§ 3. Analyse der Altercatio 49— 56
§ 4. Der Character und die Composition der Altercatio
nebst einer Einleitung in die antijiidische Literatur
der alten Kirche od— 91
§ o. Die Altercatio (resp. die Grundschrift derselben) in
ihreui Verhaltniss zu Tertullians Tractat adv. ludaeos,
zu Cyprians Testimonia, zu Lactantius' Institutiones
und zu Justins Dialog mit Trypho 91—115
§ 6. Die Grundschrift der Altercatio Simonis et Theo-
phili und die Altercatio lasonis et Papisci .... 115 — 130
Excurs: Die Auslegung iv dgx^ = ev Aoyw (vico) Genes.
1, 1 in der altchristlichen Literatur 130—134
Register iiber die Citato aus dem Alten Testament. . . 135 — 136
Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians, von
A. Harnack 137—153
Zur handschriftliche n Ueberliet'eruug dor griechi-
schen Apologeten. 1 Der Arethascodex, Paris. Gr. 451.
Von Osc. V. Gebhardt 154—196
Nachtrag zu S 134, von A. Harnack 196
Die Altercatio Simonis ludaei et Theophili Christiani,
nebst Untersuchungen iiber die antijiidische
Polemik in der alten Kirche.
§ 1. Die Ueberlieferung und bisherige Bearbeitung
der Schrift ,.Altercatio Simonis ludaei et Theophili
Christiani."
In dem 51. Capitel der Nachtrage des Gennadius von
MassiHa zu des Hieronymus Buch de viris inhistribi;s ') liest
man -): „Euagrius alius scripsit altercationem Simonis ludaei
et Theophili Christiani, quae paene omnibus nota est." Der
1) Ueber den Umfang des Tractates des Gennadius iiber die kirch-
lichen Schriftsteller haben die anf umfassenden textkritischen Studien be-
nihenden ^Quaestiones Gennadianae" von Jungmann (Festschrift fiir
Eckstein, Leipzig 1881) Licht verbreitet. Jungmann weist nach, dass
nicht nur die Capitel iiber Caesarius von Arelate und Honoratus von Mas-
silia, welche bereits Herding entfemt hatte, unecht sind, sondern auch
die liber Sidonius, Gelasius von Rom, Johannes von Antiochien (bei Her-
ding c. 93), Honoratus von Constantina, Cerealis, Eugenius, Pomerius,
Gennadius von Massilia und Johannes von Constantinopel (Herding c. 30).
Verluste hat, wie Jungmann wahrscheinlich macht, das Werk nicht er-
litten, wohl aber in mehreren Handschriften einzelne Zusatze zu sonst
echten Capiteln. Die Echtheit des 51. Capitels unterUegt keinem Zweil'el.
Die Abfassungszeit des ganzen Werkes lasst sich genau nicht bestimmen;
sie fallt aber gewiss wenig spater als um d. J. 480; s. Ebert, AUg. Gesch.
der Literatur des MA. im Abendlande 1. S. 426 f. Dazu Teuffel, Rom.
Literaturgesch.3 § 469, 13; Cazenove im Dictionary of Clmstian Biogra-
phy T. n. p. G31 ; Wagenmann in Herzog's RE.^ Bd. V. S. 61 f.
2) Edit. Herding. (1879) p. 93.
Textf; und Uutersuchungen I, 3. 1
2 Die Alterctitio Simonis et Theophili.
hier geiiaimte Euagrius wircl durch den Zusatz ..alius" von dem
im 1 1. Capitel aufgeflihrten Moncli Euagrius unterscliieden. In
der Folgezeit hat mit Ausnahme des Chronographen Marcelli-
nus Comes-^) (ad annum 423) und des Honorius Augu-
st od.^) kein Schriftsteller diesen Euagrius oder dessen Dialog
erwahnt; aber auch die beideu Geuannten haben die Angabe
des Gennadius lediglicli abgeschrieben ■^). Indessen die ISach-
richt bei Marcellinus, so unselbstandig sie ersclieint, ist doch
der Beachtung wiirdig. Gennadius bat die Zeit des Euagrius
nicht vermerkt. Die Stellung, die er ihni gegeben hat — in
der Nahe von Paulinus Nol. (c. 49), Nestorius (c. 54), Caelesti-
nus Rom. (c. 55) — , lasst zwar vermuthen, dass Euagrius nach
Gennadius gleichzeitig mit diesen, also im ersten Drittel des
5. Jahrhunderts gelebt hat, aber ausdriicklich ist dies nicht ge-
sagt, und Gennadius konnte hier ebenso irren, wie er bei Com-
modiau (c. 15) geirrt hat, der von ihm neben Prudentius und
Rufinus gestellt worden ist. Gewinnt unter solchen Umstan-
den schon die bestimmte Datirung des Marcellinus eine gewisse
Bedeutung so ist hier noch folgendes in Betracht zu ziehen.
Marcellinus ist fast iiberall ein sehr zuverlassiger Chronist; er
schildert in seiner Chronik hauptsachlich die Vorgange im Ost-
reich, und er giebt nur sehr selten literarische Notizen. Um so
auffalliger ist, dass er, freilich mit den Worten des Gennadius, des
Euagrius iiberhaupt gedenkt, und dass er das Werk desselben
so bestimmt datirt. Man muss daher annehmen — da der Ver-
dacht einer Interpolation durch nichts begriindet werden kann — ,
3) S. iiber diesen Teuffel, a. a. 0. § 4S4 ii. 1. Ebert, a. a 0. S. 425.
Das Chronicoii des Marcellinus reichte bis z. J. 518 (zweimal vom Verl'.
t'ortgesetzt bis 534, resp. 548); vgl. auch Holder-Egger, Neues Arehiv f.
iUtere deutscbe Geschichtskunde II S. 49—109; Wattenbach, Geschichts-
quellen'' S. 49 f. Abgedruckt ist das Chronicon nach den Ausgaben von
Sirmond und Roncalli bei Gallandi T X und bei Migne T. LI.
4) S. Fabricius-Harless, BibUotli. Gr. VII p. 434.
5) Marcellinus bei Gallandi, T. X p. 346, Chron. ad ami. 423: ,Iik1.
VI. Asclepiodoto et Mariniano Coss. Caelestinus Romanae ecclesiae XLI.
antistes creatus est ; vixit annos IX. Euagriusscripsitaltercationem
Simonis ludaei et Theophili Ghristiani, quae paene omnibus
nota est. Terrae iiiotu.'< multis in locis fuit et fruguni inedia sub-
secuta etc."
Die Uolitn-lici'iM-uiio-. 3
dass die Schrift des Euagrius wirklicli audi nocli inn d. .J.518
sehr bekannt geweseii. und dass deiii Marcellinus eine nahere
Kunde iiber die Zeit ihres Urspruiifrs zngekommen ist.
Ueber den Verfasser Euagrius — der Name ist ein sehr
hiiufiger'') — liisst sich nur soviel mit Bestimmtheit sageii,
dass er weder mit dem Monch Euagrius, dessen Schriften ja
Geiinadius sehr genaii kennt imd z. Th. iibersetzt hat, noch
uiit dem Bischof Euagrius von Antiochien (Hieron. de vir. inl.
125), der die vita Antonii in's Lateiuische iibersetzt hat und
ein Freuud des Hieronymus gewesen ist, identisch sein kann.
Vermuthen lasst sich, dass er im Westreiche zu such en ist, da
er eben lateinisch geschrieben hat.
Der Dialog, der um d. J. 500 „fast Allen bekannt" gewesen
ist, verfiel einer 1200jahrigen Vergessenheit. Selbst die Ge-
lehrten des 16. und 17. Jahrhunderts haben ihn nicht aufge-
spiirt, noch seiner gedacht'). Da fiel den Maurinern Martene
und Durand ein alter Codex aus einem Kloster in Vendome
(Monasterium Vindocinense) in die Hande, der unter anderem
einen anonymen Tractat — ohne jede Aufschrift, wie es scheint*^) —
enthielt, in welchem ein Jude Simon und ein Christ Theophilus
mit einauder disputiren. Der Tractat erschien in del* Hand-
schrift als das 4. Buch einer gleichfalls anonymen Schrift, die
ihm vorangestellt war: „libri tres altercationum (sen consulta-
tionum) Zacchaei Christiani et Apollonii Philosophi". Es sind
dieselben, welche d'Achery im 10- Bande des Spicilegiums
nach mehreren Codices zum ersten Male veroffentlicht und auf
Grund einer gelehrten Untersuchung auf die erste Halfte des
5. Jahrhunderts datirt hatte *•). Die beiden Mauriner schlossen
nun aus gewissen gemeinsamen Merkmalen, dass die Altercatio
Simonis et Theophili von demselben Verfasser herriihren miisse,
(i) S. Biblioth. Gr. VII p. 434. Dictionary of Christian Biography TI
p. 419 sq.
7) Ueber eine Ausnahme s. unten S. 4.
8) So glaube ich die nicht geniigencl klaren Mittheihmgen Marten e's
(p. 1) verstehen zu miissen. Nicht nnr der Verfassername , sondern auch
(lor Titel scheint im Vindocin. gefehlt zu haben; doch ist das letztere nicht
ganz sicher.
y) Vgl. die neue Ausgabc des Spicilegiums durch de la Barre (Paris.
1723 T. I p. k ij u. 1 sq.).
1*
4 Die Altercatio Sinionis et Theophili.
der die Consultationes geschrieben, dass mithin auch jeiie auf
die erste Halffce des 5. Jahrhimderts zu datiren sei. Erst iiacli-
dem Marten e dies festgestellt liatte, entdeckte er die Notiz iiber
die Altercatio bei Gennadius und Marcelliims und war nun ge-
wiss, die alte Schrift des Euagrins wirklich in Handen zu liaben.
In ,dem 5. Bande des Thesaurus novus anecdotorum (Paris.
1717 p. 1 sq.) druckte er die Altercatio nach dem Vindocinensis
ab, indem er sich begniigte, einige der grobsten Fehler zu
corrigiren, die Citate aus der h. Schrift, freihch weder sorg-
faltig noch vollstaudig, zu identificiren und ein paar Anmer-
kungen hinzuzufligen. In der kurzen Einleitung gab er spar-
liche Andeutungen liber seinen Fund, iiber den Ursprung der
Schrift und iiber die Identitat des Verfassers der Consultationes
mit dem der Altercatio. Schliesslich bemerkt er, dass auch
Tillemont die letztgenannte Hypothese theile.
Die Mauriner glaubten den Ruhm, auf die Altercatio zuerst
wieder aufmerksam gemacht zu haben, fiir sich in Anspruch
nehmen zu diirfen. Allein sie irrten sich. Schon 19 Jahre
friiher hatte der Prafect der vaticanischen Bibliothek, Zacagni,
in seinen „Collectauea Monumentorum veterum ecclesiae Graecae
ac Latinae, quae hactenus in Vaticana Bibliotheca delituerunt'"
(Romae 1698) auf dieselbe in drei Noten hingewiesen. P. 51
not. 1 bemerkte er zu Archelai et Manetis Disput. c. 31, wo
der Ausdruck „imaginaria lex" vorkommt: „Utitur et hac voce
Euagrii monachi vetus interpres in disputatione Theophili epi-
scopi Alexandrini cum Simone ludaeo cap. 13. , ubi sabbata
imaginariam requiem vocat septimae illius diei, in qua deum
mundi creatione absoluta requievisse pagina sacra testatur";
p. 53 n. 1 (c. 31) notirte Zacagni: „Non pauca primitivae eccle-
siae patres ex Judaeorum sententia loquebantur, ut ex his, quae
in capite sequenti, et ad Theophili Alexandrini disputationem
cum Simone ludaeo cap. 13 adnotavimus, lucide apparet"; und
p. 324 not. 1 bemerkte er zu einem Citat aus Jesaias in der
Schrift des Gregor von Nyssa „Testimonia adv. ludaeos": „Hunc
Esaiae locum inteUigendum esse de Christo Tertullianus et
Cyprianus autumant. Idem facit Theophilus Alexandrinus in
disputatione adhuc iuedita cum Simone ludaeo." Die ange-
t'iihrten Stellen finden sich in der That in der von den Mauri-
nern spater edirten Altercatio, so dass niclit zweifelhaft sein
Die Ueberlieferunpr. 5
kann, dass Zucagni cbeii diese Schrift in eiiiem Codex gefuiiden
uiid gelesen hat. Es ist aber ferner deutlich, dass Zacagni die
Schrift damals bereits commentirt hatte und Willens gewesen
ist, dieselbe demuacbst zu ediren. Warum die Ausfuhrung dieses
IManes unterblieben ist, wissen wir nicht. Zacagni ist erst im
,)ahre 1712 gestorben. Gauz unwahrscheinlich ist, dass der
Codex, den er benutzt hat, der Vindocinensis gewesen ist; ohne
Zweifel war es ein itahenischer. Derselbe ist bisher nicht bekannt
geworden. Dies scheint um so beklagenswerther zu sein, als
nach Zacagni's Angabe vermuthet werden kann, dass die Alter-
catio in seinem Codex durch eine bestimmte Angabe liber den
Verfasser charakterisirt gewesen ist. Sagt doch Zacagni ohne
Bedenken: „Vetus interpres Euagrii monachi in disputatione
Theophili episcopi Alexandrini cum Simone ludaeo." Er be-
zeichnet also unsere Schrift 1) als eine Uebersetzung aus deni
Griechischen , er schreibt sie 2) deni Monch Euagrius zu, und
er l)ehauptet, 3,, dass der eine Disputant der bekaunte Bischof
Theophilus von Alexandrien gewesen sei. Bevor man liber die
Provenienz dieser Angaben urtheilt, wird es von Bedeutung
sein, ihren Werth festzustellen. Dass der bekannte Monch
Euagrius ^^) nicht der Verfasser gewesen sein kann, ist bereits
oben in Klirze bemerkt worden; dass aber der Disputant
Theophilus mit dem alexandrinischen Bischof gleichen Namens
nichts zu thun hat, zeigt der Tractat selbst, der unzweifelhaft
fingii-te Personen vorflihrt, Es bleibt also nur die Angabe
iibrig, dass die Altercatio eine Uebersetzung aus dem Griechi-
schen sei. Nun wird sich allerdings durch eine genaue Be-
trachtung des Dialogs ergeben, dass er nach einer griechischen
Vorlage gearbeitet worden ist; allein es ist in hohem Masse
unwahrscheinlich, dass diese Beobachtung jener Angabe zu
Grunde liegt. Viehnehr erklart diese sich aufs einfachste daraus,
dass ja der Monch Euagrius in der That seine Werke sammt-
lich in griechischer Sprache verfasst hat. Wer ihu flir den
Verfasser hielt, der musste ftir die vorliegende lateinische Alter-
10) S. Gennad. c. 11. Dictionary 11. p. 422 sq. Die Chionologie ver-
bietet iiicht geradezu clie an sich sehr unwahrscheinliche Annahme, dass
der Monch Euagrius in einem seiner Werke den alexandrinischen Theo-
philus habe auftreten lassen.
6 Die Altcrcatici Simonii^ et Theophili.
catio Huf einen Uebersetzer schliessen. Die Formel also, mit
welcher Zacagni unsere Schrift citirt hat, erweist sich in jeder
Hinsicht als falsch und werthlos, so dass die Annahme sehr
nalie liegt, dass sie lediglich aus einer ungliickliclien Combi-
nation Zacagni's entstanden ist.
Allein diese Annahme ist doch eine irrige; denn Mont-
fancon in der Bibliotheca Bibliothecarum ^^) giebt den Titel
einer Handschrift des Klosters Monte Cassino wie folgt an:
„Liber Evagrii de altercatione Simonis ludaei et Theophili
episcopi Alexandrini" 12). Hieraus ist zu schliessen, dass der
Codex, welchen Zacagni eingesehen hat, ebenf'alls wirklich den
Titel „Evagrii" und in der Ueberschrift den Zusatz „episcopi
Alexandrini" enthalten hat, wenn er nicht geradezu mit dem
Cod. Casiuensis identisch gewesen ist^^). Auf jeden Fall ist
also anzunehmen, dass schon im MA. der Theophilus der Alter-
catio fiir den beriihmten Alexandrinischen Bischof gleichen
Naniens gehalten worden ist, und dass es Handschriften gegeben
hat, welche nicht, wie der Vindocinensis, anonyme waren, son-
dern den Namen des Euagrius trugen i*). Nur das konnte so-
mit fraghch sein, ob der Zusatz „monachus" zu „Euagrius" von
11) T. I p. 224 C.
12) Diesen Hinweis verdanke ich meinem Freuncle Dr. 0. von Geb-
hardt.
13) Diese Annahme ist sehr wahrscheinlich ; denn Zacagni sclu-eibt
(I.e. praef. XV): „Cum autem sacri loci reverentia ductus Casinum venis-
sem et ab antiquissiniis temporibus conditam ibi a doctissimis aeque ac
•sanctissimis coenobiarchis bibliothecam perlustrassem, inter alia non
pauca inedita adhuc vetera nionumenta Archelai integi'am cum
Manete disputationem in sexcentorum et amplius annorum codice reperi."
Unter die „ inedita vetera monumenta" dart" man vielleicht auch die Alter-
catio rechnen, und dies um so mehr, als der Titel, wie ihn der Cod. Casi-
nensis und Zacagni bieten, derselbe ist. Zacagni spricht auf dem Titel-
blatt seines Werkes „ Collectanea etc." zu Ehren der Bibliothek, deren
Prafect er gewesen, nur von vaticanisch en Handschriften, obgleich sein
Codex Vaticanus der Disputatio Archelai nur eine von ihm selbst genoni-
niene Abschrift des Casinen.sis ist. SoUte sich also in der Vaticana wirk-
lich eine Handschrift der Altercatio beiinden, so liegt die Annahme nahe,
dass auch sie eine Copie des Casinensis ist.
14) Gallandi hat (T. IX. p. XVII) die Angaben Zacagni's als falsche
Vermuthungen dieses Autors Vieurtheilt, da ihm die Notiz bei Montfaucon
entgangen war.
Die reberlic'tV'iunq-. 7
Zacagni selbst herriihrt. oder el)eiifcills hfindschnftlich iiber-
liefert war.
Der von Moiitfaucou erwiihiite Codex wird nocli in Monte
Ciissino aufbewalirt. Leider reiclit die Beschreibung der Hand-
schriften im 4. Bande der Bibliotheca Casinensis nur bis zur
Nr. 246; der Euagrius steht aber in Nr. 247. Eine Collation
der Handsclirift zn erlialten war leider nicht moglich, dock
verdanke ich der Giite de>s Praefecten der casinensischen Biblio-
thek Auskunt't iiber das Initium und den Schluss des Tractates:
Pag. 323: „Incipit liber evagrii monachi de altercatione sy-
luouis indei et theophili, episcopi alexandrini. Incipit: Gratissi-
mam tibi refero questioneni nuper factam sub oculis nostris
quam tu quoque . . ."
Desinit: „absconsa beneficia jn-aestans es (jui niiclii omnia
douare dignatus es. tibi sit honor .... saeculorum. Amen."
Zuntichst ist das „monaclii*' in der Ueberschrift zu consta-
tiren. Zacagni ist also bei seinen Angaben lediglicli der hand-
schrittliclien Ueberliefernng get'olgt '^). Der Schluss stimmt mit
dem Vindocinensis iiberein, nur bietet dieser „dignatus es omnia
ostendere". Dagegen ist der Anfang ein total anderer. Der
Vindocin. beginnt mit den Worten: „Fuit igitui; altercatio
legis etc.", walirend der Casin. in Form einer Anrede eine Ein-
leitung zu geben scheint, in welcher der Tractat als eine Aut-
zeichnung einer wirklich stattgehabten Disputation bezeichnet
werden soil. Diese Einleitung hat zunachst das Vorurtheil der
Urspruuglichkeit fur sich: denn der Eingang der Schrift im
Vindocin. („Fuit igitur") erscheint unertnigiich abrupt und legt
unter Beriicksichtigung des Umstaudes, dass ja auch jede Ueber-
schiift im Vindocin. fehlt, die Annahme nah^, dass das ursprilng-
liche Initium hier verloren gegangen ist. Leider lasst die so kurze
Angabe iiber den Casinensis, die mir zu Gebote steht, weitere
Schliisse nicht zu.
Ob der Vindocinensis noch erhalten ist, habe ich nicht t'est-
.stellen konnen. Verschollen ist jedenfalls ein Codex Centulensis
der Altercatio, der sich nach einem aus dem J. 831 stammenden
Katalog der Benedictinerabtei zu Saint Riquier daselbst befun-
15) Die Ca])iteleintheilung — Zacagni citirt das 13. Cap. — wird da.
gegen wohl schwerlich handschriftlich begriindet sein.
g Die Alhercatio Simonis et Theophili.
den hat. „Ceterum", schreibt Martene p. 3, „quam hie damus,
Altercatio visebatur olim in Centulensi nionasterio, ut constat
ex recensione librorum eiusdem coenobii tempore Ludovici Pii,
quam refert Hariulfus in chronico Centulensi Spicilegii torn. IV,"
Die Schrift filhrte hier ebenfalls keinen Verfassernamen ; in ihr
war auch Theophilus nicht als alexaudrinischer Bischof be-
zeichnet. Der Titel lautete: „Altercatio legis inter Simonem
ludaeum et Theophilum Christianuni'' '•^).
Da Zacagni seine Ausgabe der Altercatio nach deni Casi-
nensis nie veroffentlicht hat, der Codex selbst nicht weiter
eingesehen wurde, der Centulensis verschoUen und auch der
Vindocinensis nicht aufs neue verglichen worden ist, so blieb die
editio princeps Martene's die einzige Grundlage fiir spatere
Publicationen der Schrift. Soviel mir bekannt geworden, ist
sie nur noch zweimal abgedruckt worden, namlich von Gall an di
ini IX. Bande seiner Bibliotheca und von Migne im XX. der
Patrol. Lat. (p. 1165 — 1182). Beide haben sich mit einer blossen
Copie der editio princeps begniigt, ohne den Versuch zu machen,
den Text durch Conjecturen zu verbessern und schwierige
Stellen zu erklaren. Auf dem Texte Martene's, der bei ge-
nauerer Priifung sehr viele offenbare Fehler und Anstosse bietet,
hatte auch die folgende Untersuchung fussen mtissen, ware nicht
Prof. Zahn dem Verfasser durch .die giitige Mittheilung zuHiilfe
gekommen, dass nach Jaeck, Beschreibung von . . . Hand-
schriften in der Bibhothek zu Bamberg (Nlirnberg 1831 1) Bd. I,
Nr. 505, in Bamberg sich noch eine alte Handschrift. der Alter-
catio be^nde.
Der Codex pergam. Bambergensis B. Ill, 31 (klein Octav,
178 fol.), welcher hochst wahrscheinlich dem 10. Jahrhundert
angehort '^), enthalt hauptsachlich Augustinisches, fol. 107 — 109
den Sermo S. Augustini de Juda traditore, fol. 110^ — 128^ die
Altercatio, fol. 128 — 135 Tractatus S. Johannis Constantino-
politani in Eutropium. Rasuren und Correcturen von erster,
resp. einer gleich alten Hand sind sehr haufig, von spaterer
16) S. d'Achery, Spicileg. T. IV. p. 484.
17) Auf meine Bitte wurde mir von dem Bibliothekar der k. Biblio-
thek zu Bamberg, Dr. Leitschuh, der Codex freundlichst beliufs einer
Collationirung mitgetheilt.
Die Ueberliet'cning. ' 9
selten; hie und da tindeii sich Randbeinerkungen oline Bt'lan^^
Die Schriftzuge siud gross und deutlich.
])hs Initium der Altercatio lautet in B (Bamberg.): „Incipit
altercatio legis inter syraonem iudeiim et theoiilum cbristianum."
Dazu von bedeutend spiiterer Hand der Zusatz: „quaui scripsit
evagrius". Nun beginnt der Text mit den Worten: „Domino
fratri ualerio aelius (aber an dem Worte ist radirt und corri-
girt, die Buchstaben „el" sind von spaterer Hand) salutem.
gratissimam tibi referam quaestionem lactam nuper sub oculis
nostris, quam tu quoque cum cognoveris, gratanter accipies.
Fuit igitur altercatio legis inter quendam Simonem etc." Der
Schluss: „cuncta beneficia prestantur. tu es qui mihi omnia
donare dignatus es. Tibi sit honor . . . saeculorum. Amen."
B bietet also nicht nur die Einleitung, welche auch C
(Casiuen.) giebt, und zeigt uns, dass dieselbe bis auf die vier
Schlussworte vollstandig oben mitgetheilt worden ist, sonderu
er enthalt dazu noch eine Widmung an einen gewissen Valerius.
Leider aber ist der urspriingliche Name des Autors nicht mehr
zu ermitteln; denn erst eine spatere Hand hat ihn zu „Aelius"
gestaltet. Ob die Widmung (B) und die Einleitung (BC) ur-
spriinglich sind, oder ob sie nach V (Vindocin.) vielmehr als
Zusatze zu gelten haben, kann hier noch nicht entschieden
werden. Beachtenswerth ist, dass C, sowohl nach dem Initium,
als nach den Schlussworten zu schliessen, eine Mittelstellung
zwischeu B und V einnimmt. Um so mehr ist es zu bedauern,
dass \vir von C noch keine nahere Kenntniss besitzen.
Die Ueberlieferung der Altercatio in B und V ist namlich
eine sehr verschiedene. AUem zuvor ist zu constatiren, dass
wir erst durch B einen voUstandigen Text der Schrift erhalten,
dass V also grosse Liicken aufweist. Diese Liicken sind zum
Theil durch Fahrlassigkeit des Abschreibers entstanden ^ ^),
18) So ist z. B. in V die 3. Antwort des Theopliilus gleich an die
2. Frage des Simon angeschlossen und das Dazwischenliegende wegge-
lassen. Dadurch ist der Eingang sinnlos geworden. Der Jude fragt: , Quern
colis''? und der Ckrist antwortet: ,Sane si dicimus, et audenter proba-
mus". Die ofi'enbare Liicke hier wird von B in zufriedenstellender Weise
erganzt. Femer hat V am Schluss (Martene p. 16 Z. 14 v. u.) die Schluss-
worte der Rede des Simon weggelassen und nicht angegeben, dass Theo-
10 Die Altercatio Simonis et Theophili.
zum Theil augeiischeinlich absichtliche, Der Schreiber liat
iiHiiilicli nach Gatdlinken an den biblischen Citaten gekiirzt
und nanientlich im letzten Drittel der Schrift solche auch hie
und da ganz weggelassen. Dass B in diesen Fallen in der
Kegel das Urspriingliche bietet und nicht etwa interpolirt ist,
lilsst sicli an drei Beispielen besonders deutlich zeigen. P. 6
Z. 28 (bei Martene) wird Ps. 2, 1 citirt, wahrend B die ersten
0 Verse giebt. Auf diese aber kommt es im Znsammenliange
an; der erste Vers ist an sich belanglos flir das, was Theophilus
])eweisen will. P. 15 Z. 1 (bei Martene) sagt der Jude, der
72. Psalm, der ihm von Theophilus vorgehalten worden
sei, beziehe sich auf Salomon. In V ist aber der 72. Psalm
vorher gar nicht citirt gewesen, dagegen wohl nach dem Texte
wie ihn B bietet. EndHch p. 11 Z. 16 v. u. (bei Martene) steht
nach einem Citate aus Psalm 22: ,,et cetera quae tribus sequen-
tibus versibus dicuntur"; in B sind aber die Verse selbst ange-
fuhrt. Diese und ahnliche Falle zeigen, dass in V ein will-
kiirlich verstiimmelter Text vorliegt. Eine ganze Reihe von
Schwierigkeiten, welche sich bei genauerer Durcharbeitung des
Martene'schen Textes fiir den Verf'asser ergaben, waren mit
einem Schlage durch B beseitigt, an dessen Vollstandigkeit
nicht gezweifelt werden kann ^''').
Aber auch abgesehen von den verstiimmelten Abschnitten
in V ist die Verschiedenheit von V und B eine sehr grosse,
die Zahl der gemeinsamen Fehler eine sehr geringe. Eine sorg-
taltige Conservirung des Textes hat augenscheinlich nicht statt-
gefunden, und die Abschreiber miissen mit grosser Freiheit ge-
waltet haben. Man kann fast sagen, dass in B und V zwei
verschiedene Recensionen derselben Schrift vorliegen und man
hochst muthwillig im Einzelnen verfahren ist. Da wir nun
bisher allein auf diese beiden Handschriften angewiesen sind.
philus wiederum das Wort ergreift , wodurch ebenfalls ein Unsiim ent-
standen ist.
19) Mindestens an einer Stelle bin ich geneigt anzunehnien. dass in B
eine Glosse in den Text gekommen ist. P. 16, 2 (bei Martene) hat B nach
Erwahnung der siebentagigen Belagerung von Jericho noch an 11 Mace.
1 5 fiir die Nichtigkeit des Sabbathgebotes in seinem wortlichen Verstande
erinnert. Die Grriinde, wesshalb dieses Citat schwerlich dem Verfasser an-
gehort, werden in § 5 genannt werden.
Dio Ueberlit^fernncr. 11
SO ist es in sehr vieleii Fullen unmoo-lidi, eine Eutscheidung
zu tretfen. Unzweifelhaft hat V an einigen, nnd zwai* niclit
unwichtigen Stellen das Richtige bewahrt. So bietet er gleich
ini Eingange „taciam Nazaraenm ludaeum," wahrend B „laciani
natoreni Indaeuni" giebt; ferner ebenfalls im Eingange: „audi-
torem", wo B ein nnertragliclies „adintorem" liest. Es ist mir
sehr wahrscheinlich, dass in V die relativ altera Ueberlieferung an-
zuerkennen ist, aber ohne Kenntniss von C lasst sich das nicht
sicher entscheiden. Da uns nun V nicht in der Handschrift,
sondern nur in einem von Fehlern augenscheinhch nicht freien
Drucke vorliegt, so hielt ich es fiir angezeigt, der Textesrecen-
sion B zu Grunde zu legen. Der ini folgenden Abschnitte dar-
gebotene Text beansprucht nicht mehr zu sein als ein durch
V corrigirter Abdruck von B-"). Ein paar Stellen sind
iibrig gebheben, welch e auch durch B nicht geheilt erscheinen.
Ich habe in solchen Fallen von der Conjectur nur selten Ge-
V)rauch gemacht, Im Ganzen hoffe ich, dass die Schrift in dieser
noch inimer unvollkommenen Gestalt doch verstandlich sein
und eine feste Grundlage fur die historische Untersuchung ab-
geben wird. Zu bedauern ist, dass der Text gegen den Schluss
bin unsicherer wird. Der Schluss gerade enthalt besonders in-
teressante Ausfiihrungen.
Sind die nach Martene's Ausgabe veranstalteten Editionen
der Altercatio lediglich werthlose Abdriicke, so hat man sich
doch im 18. Jahrhundert um den Verfasser der Schrift bemiiht,
und diese Bemiihungen verdienen beriicksichtigt zu werden.
Es ist obeu benierkt worden, dass die Mauriner den Euagrius,
20) Um den Apparat nicht noch mehr imschwellen zu lassen, habe
ich orthographische Minutien und andere Kleinigkeiten bei Seite gelassen,
auch die Correcturen in B durchaus nicht voUstandig vermerkt und man-
ches stillschweigend verbessert. Ich wollte zunachst nur einen zusammen-
hlingenden und einigermassen lesbaren Text geben. Da das Latein des
5. Jahrhunderts, wie bekannt, haufig bereits ein sehr barbarisches gewesen
ist, so habe ich Anstand genommen, gewisse grammatische Unregeknassig-
keiten und syntactische Fehler durchgehends zu verbessern, um nicht den
Autor selbst zu corrigiren. Der Uebersicht wegen und um die Identifici-
rung der Citate zu erleichtern, ist der Text in Capites eingetheilt und
sind die Fragen des Juden gezahlt worden.
12 Die Altercatio Simonis et Theophili.
den Verfasser der Altercatio, mit dem unbekanuten Verfasser
der libri tres altercationum Zaccliaei Cliristiani et Apollonii
Pliilosophi identificirt baben. Dieses umfangreiche Werk, t'lir
welches es eiue Ueberlieferungsgeschicbte liberhaupt niclit giebt
— Niemaud bat es im Altertbume citii't — , ist aus inneren
Griinden von d'Acbery mit Recbt auf den Anfang des 5. Jahr-
bunderts datirt worden. Da es eine viel detaillirtere Anscbau-
ung von dem tbeologiscben Standpunkt u. s. w. seines Verfassers
ermogHcbt als die Altercatio, so ist es von Bedeutung zu wissen,
ob die Hypotbese der Mauriner begriindet ist. Diese baben
sicb auf folgende Beobacbtungen gestlitzt^i):
1) In dem Cod. V folge die Altercatio iinmittelbar jener
grosseren Scbrift und sei mit ibr enge verbunden,
2) der Name „Altercatio" sei beiden Dialogen gemeinsam,
3) die Anlage sei bier und dort dieselbe (,,eadem in utro-
que opere scribendi ratio, nimirum ad modum dialogi seu
disputationis, in qua gentilis vel ludaeus obiectiones vel diffi-
cultates suas proponit, quas ita expbcat ac solvit Cbristianus,
ut tandem persuadeat et vincat"),
4) endlicb der Stil sei derselbe („turgens et lacertosus").
Von diesen Argumeuten kommt nur das vierte und bocbstens
nocb das erste in Betracbt. Allein sie reicben lange nicbt aus,
um die Hypotbese der Identitat der Verfasser aucb nur wabr-
scbeinlicb zu macben. Der Stil zeigt allerdings gewisse Aehn-
licbkeiten, aber wenu die Scbriften aus derselben Zeit stammen
und vielleicbt aus derselben Provincialkircbe, so sind die Aebn-
lichkeiten damit geniigend erklart. Es kommt binzu, dass die
Altercatio Tbeopbili aus demselben Codex den Mauriuern be-
kannt ge worden ist, in welcbem sie die Altercatio Zaccbaei
lasen. Beide riibren dort wobl von demselben Scbreiber ber,
und viele grobe Barbarismen und Scbreibfebler, welcbe sicb in
beiden Tractaten finden, sind gewiss auf Rechnung des Copisten
zu setzen. Sie besonders lassen die Scbreibart als eine abubcbe
erscbeinen. Dass aber beide Scbriften als anonym ueben ein-
ander steben, ist docb eine ganz scbwacbe Stiitze far die
beliebte Hypotbese. Man darf aber ferner sagen: war, wie
Gennadius bericbtet, die Altercatio TbeopbiH zu seiner Zeit, d. b.
21) Thesaur. V p. Isq.
Die Tloberliofcnnifjf. 13
etwu zwt'i Menschenaltev nach ihrem Erscheiiieii, fast in Aller
Hiinden, so hatte er selbst doch p^ewiss erfaliren, dass der Verfasser
dieser Sclirift zAigleich der Alitor eines .sechsmal umfangreicheren,
viel auspruchsvolleren Werkes sei. Das Schweigen des Gennadins
ilber die Altercationes Zacchaei f'allt sehr in das Gewicht. Die
von den Maurinern angefiihrten Grvinde verschlagen also gar
nichts, mid auch die Beobaclitung, welche sie libersehen haben,
dass namlicb. die beiden Schriften sich inhaltlich zweimal be-
ruliren, kann die Identitat der Verfasser nicht erweisen. Die
Unmoglichkeit dieser Hypothese soil iiatiirlicli nicbt behauptet
werden, sondern nur ihre vollige Unzuverlassigkeit.
Dennoch ist die Hypothese wie eine ausgemachte Sache
beliandelt worden. Nicht nur de la Bar re in der neuen Aus-
gabe des Spicilegiums von d'Achery hat sie als solche genoin-
men, sondern auch Wolf'^^)^ Fabricius 2^), Gallandi^*),
Ceillier'^^) u. A. haben beigestimmt. Soweit im 19. Jalir-
hundert das Andenken an die Altercatio nicht iiberhaupt er-
losclien ist, gilt die Hypothese der Mauriner'^'').
Ceillier hat dieselbe mit einer anderen, von ihm aufge-
stellten iind schliesslich gleichfalls fiir sicher ausgegebenen
verkniipft. ,,Nos Gaules", beginnt er seinen Artikel iiber
Euagrius, den Priester und Schiiler des h. Martin, in der Hist,
litter., „ont leur Evagre, comme la Syrie et le Pont out eu
les leurs, et dans le meme temps, c'est-a-dire, a la fin du IV.
siecle et an commencement du V. L'Evagre des Gaules etoit
un pretre, qui avoit ete Moine sous S. Martin de Tours".
Ceillier meint jenen Euagrius, der in den Dialogen des Sulpicius
(HI, 1, 4; 2, 8) — und nur in diesen — ervs^ahnt wird, und von
dem man nichts anderes weiss, als dass er Monch, Priester und
Schiiler des h. Martin gewesen ist. Die Grlinde, durch welche
Ceillier die Identitat der beiden Euagrii feststellen will, sind
darum hochst vage. Er sagt: 1) der Verfasser der Altercatio
22) Bibl. Hebr. Ill p. 1141 num. 2173.
23) Bibl. med. Lat. U ix 350 edit. Hamb.
24) L. c. IX p. XVII.
25) Hist, ge'nerale XIII (1747) p. 567 sq. Hist, litter, de la France II
p. 119sq.
26) S. auch Travers Smith im Dictionary of Christian Biograph}'
II p. 423.
J4 Die Altercatio Simonis et Theophili.
sei eiii lateinischei' Schriftsteller, zugieich Priester uud Moncli.
Allein das letztere ist nur dann anzunelimen. wenn der Verf.
der Altercatio Theophili audi der der Altercatio Zacchaei ware.
Aus jener Schrift dagegen folgt durchaus nicht, dass ihr Ver-
fasser Priester 2'), noch weniger, dass er Monch gewesen ist.
2) Die Zeitbestimmung fiir Beide zeige die Identitat. Allerdings
verbietet die Chronologie die Annahme der Identitat nicht, aber
bei der Haufigkeit des Namens Euagrius ist jedes positive Ur-
theil von der Chronologie ans ganzlich unsicher. 3) Das Werk,
welches Gennadius meine, stamuie hochst wahrscheinHch von
einem gallischen Euagrius, da die Bemerkung, es sei fast
Allen bekannt, sich doch zunachst auf Gallien beziehe, wo
Gennadius selbst gelebt habe; 4) die Form des Dialogs passe
besonders gut fur den Schiiler des h. Martin, Euagrius, „qui
avoit sous les yeux I'exemple tout recent de S. Severe Sulpice,
son condisciple et son bote, qui venoit de pubher ses dia-
logues pour suppleer a ce qu'il avoit deja ecrit sur la vie de
S. Martin."
Alle diese Grlinde beweisen hochstens, dass der Monch
Euagrius des Sulpicius mit unsereni Verfasser identisch sein
kann, resp. dass wir keinen zweiten Euagrius kennen, der so
gut als der Verfasser der Altercatio gelten darf wie der Schiiler
des h. Martin. Aber mehr lasst sich nicht sagen. Von irgend
welcher Wahrscheinlichkeit, dass der Schiiler des h. Martin der
Verfasser der Altercatio sei, kann nicht die Rede sein; nur an
dem gallischen Ursprung des Dialogs wird man festhalten diir-
feu 2*). Ein Zweifel, ob die uns erhaltene Schrift mit der von
Gennadius angefiihrten wirklich identisch sei, ist durch nichts
gerechtfertigt. Innere Griinde zeigen, dass die von den Mauri-
nern veroffentlichte Altercatio nicht vor dem Anfang des 5. Jahr-
hunderts abgefasst sein kann 2'^); ein Indicium aber, dass sie
nach dem Jahre 450 entstanden sein miisse, ist nicht vorhan-
27) Ceillier (p. 122) schliesst dies freilich aus dem Umstande, dass
Theopliilus den Simon tauft. Aber es wird sich zeigen, dass dieser Schluss
kein sicherer ist.
28) Ceillier spriclit von dem hohen Alter des Vindocinensis ; aber
eine Altersbestimmung hat weder er noch Marten e gegeben.
29) Genannt sei der wichtigste: es wird bereits als kirchliche Lehre
behauptet (c. 4, 15) class Maria clauso utero geboren habe.
Dim- Toxt. 15
(k'lr'^'V V\ ir habeii alst) in dcr uns vorliegeiiden Altercatid
Theophili die Schritt eines AbendUinders, wahrscheinlich eines
Galliers, zu erkennen, die + 430 abgefasst ist and sicli urn das
.lain- 500 nach dem Zevigniss des Gennadins und Marcellimis
grosser Verbreitung erfreute.
Dieses Ergebiiiss ist an sich nicht geeigiiet. ein besonderes
Interesse fiir das Schriftstiick zu erwecken. Die kirchliche Lite-
ratur des 5. Jahrhunderts liegt uns in einem so grossen Um-
fange vor, dass ein kleiner Dialog aus jener Zeit, der in die
l)rennenden dogmatisclien und kirchenpolitischen Kampf'e durch-
aus nicht eingreift, kein Anrecht auf eine specielle Wiirdigung
zu haben scheint. Die Drucke und die kurze Analyse seines
Inhaltes bei Ceillier diirften seiner Bedeutung genligend ge-
recht geworden sein.
Dem ware in der That so, wenn sich nicht zeigen Hesse,
dass es mit dieseni Dialoge eine besondere Bewandtniss hat,
die ihm ein Recht auf Bevorzugung sichert. In dera folgenden
soil jene nachgewiesen werden. Voran steht eine Recension
des Textes nach BV.
30) Die Vulgata ist nocli nicht benutzt, vielmehr eino vorhieronymi-
aiiisclie Recension der lateinischen Bibeliibersetzung.
§ 2. Der Text der Schrift
Altercatio Simonis ludaei et Theophili Christiani.
I, 1. [Domino fratri valerio a . . ins salutem. Gratissimam
tibi referam quaestionem factara nuper sub oculis nostris; quam
tu quoque cum cognoveris, gratanter accipies]. Fuit igitur alter-
catio legis inter quendam Simonem ludaeum et Theophilum
Christianum. ludaeus igitur sic ait: Crucicola, signifer, Christia-
nae legis te profiteris auctorem. Habes et me patientem audi-
1. Gennad. Marcellin. . . . Altercatio inter Theophilum CJirisfiannm et
Simonem ludaeum V (i. e. ni fallor Martene, codice nullum titulum prae
se ferente). . . . Incipit altercatio legis inter symonem iudeum et theofilum
christianum B, add. B^: quam scripsit evagrius . . . Incipit liber evagrii
monachi de altercatione symonis iudei et theophili episcopi alexandrini C. —
2. Domino — salutem B, sed „aelius" super rasuram, el manu secunda . . .
desunt in VC. — 2 sq. Gratissimam — accipies BC {refero . . nuper factum
C) .... desunt in V. — 7. auctorem V . . . esse doctorem B (doctorem
coniec. Martene). — 7 s. auditorem V . . . adiutorem B.
|g Die Altercatio Simonis et Theophili.
torem, si modo interrogationibus meis non lenociniis sermonum
aut argumentis verborum sed legis praesentia conprobes veri-
tatem. Quod si tu me hodie viceris, facito Christianum; aut ego
cum te superavero, faciam Nazaraeum ludaeum.
5 Til.: Non glorietur gibberosus ut rectus.
2. Sim.: Quern colis?
Th.: Deum.
3. Sim.: Ego tecum de Christo crucifixo contendo, quern
vos dominum dicitis.
10 Th. : Sane dicimus et audenter probamus, dominum deum esse.
4. Sim.: Sacri venerandique Deuteronomii vox resultans
dicit: Videte quoniam ego sum, et non est alius praeter me deus.
Et Esaias dicit: Ego primus et ego noi-issimus, et praeter me
non est deus.
15 Th.: Sacratissima Christi vox est, quam si tu volueris cog-
noscere, oportet te primum credere et tunc demum poteris in-
tellegere. Esaias enim redarguit te dicens: Nisi credideritis,
non inteUegetis. Indubitanter igitur deum omnipotentem, invi-
sibilem, inmensum, inconprehensibilem novimus et scimus et
20 colimus, deinceps Christum deum et dei filium profitemur. Quod
autem dicit: Ego primus et ego nocissimivs, duos adventus Oliristi
significat.
5. Sim.: Quid illud quod ait: Praeter me non est deus"?
Th.: Christus deus, dei filius, de se dixit, quia praevidebat
25 antichristum venturum et se deum dicturum. De quo Zacharias
jiropheta dicit: Ecce suscito pastorem in terra, et quod dejiciet
iimi denotabit et disparsum non requiret et contribulatum non
salvahit et integrum, non consummabit et carnes electorum comedet
1. lenodnio B. — 2. aut V . . . nee B. — 2. verborum deest in V. —
3. Quod V . . . aut B. — 3. reviceris B. — 4. te cum B. — 4. Nazaraeum
V . . . natorem B. — 5. stent B. — 7 — 9. desunt in V. — 10. Sane si V. —
10. dominum deum esse om. V. — 11. libri Deuteronojnii B. — 12. quoniam
B . . . quod V. — 13. Et om. B. — 16. et om. B. — 18. deum V . . . domi-
num B. — 19. inmensum, inconprehe7isihilem om. V. — 24. et dei V. —
25. et se ex coniect. . . esse B . . . om. V. — 25. deum dicturum om. V. —
20. suseitabo Y. — 26. terram B. — 27. denotabit B . . . visifabif V. —
27. disparsum B . . . dispersos V.
12. Deut. 32, 39. — 13. Isa. 44, 6. — 17. Isa. 7, 9. — 2G. Zach. 11,
16. 17.
Der Text. 17
et talos corum evertet. Et (jladius coram super brachium eius
est et super ocuhmi dexteruin ipsius; hracliimn ipsius arejiens
arefet et oculus ipstits dexter ohcaecatus ohcaecahitur . Proinde
Christus dicit: Ego primus et novissimus et praeter me non
est deus. 5
6. Sim.: Ergo tu duos deos facis?
Th.: Deus uuus est, ex quo Christus et in quo deus, sicut
Abrahae adilicem Mambrae tres visi sunt, quibus occurrens unum
salutavit dicens: Si inveni grat.iam ante te, accipiam aqumn et
laventur pedes vestri, et refrigerate sub arbore. Quod tres sci- lo
licet videbantur ex praescientia divinitatis, quod arbor crucis
Christi credentibus tegmen refrigerii praestaret, aequo enim
proplieta in psalmo LXXXI. dicit: Deus stetit in sipiagoga deo-
rum, in medio autem deos discernens. Utique de Christo dicit,
qui in synagogis vestris docuit et virtutes magnas fecit. Proinde 15
in psalmo XLIV. dicit: Thromis tuus^ deus, in saecula saeculo-
riom, virga aeqiutatis virga regni tui; dilexisti iustitiam et odisti
imquitatem, propterea unxit te, deus, deus tuus oleo laetitiae plus
quam participes tuos. Quis deus vel quern deum dixit, ludaee?
Utique deus pater de Christo filio suo, pro quo et de quo re- 20
ceptissimus prophetarum Hieremias dicit: Hie est deus noster
et non est alius nee aestimabitur absque illo, qui invenit viam,
prudentiae et dedit earn lacob puerd suo et Israel dilecto suo.
Post liaec in terris visus est et cum hominibus conversatus est.
Item in psalmo XLV. dicit: Vacate et videte, quoniam ego sumlh
deus, exaltabor in gentibus et exaltabor in terra. Et in psalmo
1. talos oiu. V. — 1. Et om. V. — 1. eorum om. V. — 1. eius B . . .
ipsius V. — 2. brachium ipsiits om. V. — 3. obcaecabitar dexter V. — 4. ego
novissimus V (quae secuntur om. V). — 6. deos om. V. — 7. in om. B. —
8. vidif V. — 9. Domine, si Y. — 9. acci^je V. — 10. refriyera te V. —
10. arborem istam V. — lOsq. Quod scilicet Abraham videbat praesentiam
divinitatis V. — 12. tegmen credentibus V. — 12. de quo j^ropUeta V, —
13. LXXXI. dicit om. V. — 14. discernens B . . diiudicat V. — 15. syna-
goga deoruniY. — 15. magnas om. V. — 16. LXIV. B. — 18. unxit ^ .. .
benedixit^ V, — 18. deus prim. om. V. — 18sq. jjrae participibus tuis V. —
19. Quis dens propter V. — 20. Christum dei filium V. — 21. est om. V. —
21. noster om. V. — 22sq. omnem pirudentiam V. — 23. earn oni. V.
9. Gen. 18, 4. — 13. Ps. 82, 1. — 16. Ps. 45, 7. 8. — 21. Baruch. 3,
35—37. — 25. Ps. 46, 11.
Texte und Untersnchungen I, 3. 2
IS Die Altercatio Simonis et Theopliili.
LXVn.: Gantate domino, lysallite nomini eius , iter facite ei, qui
ascendit in occasum, dominus nomen est ilU. Longum erit, iit
exempla persequar plura; his paucis Veritas couprobatur.
II, 7. Him.: Recte qnidem ad colentes testimonia, unito
5spiritu fatentes, ori tuo consentientes; sed illud volo edisseras
mihi, sicubi in loco deus per semetipsum deum Christum
constituit, tunc demum Christum deum et dei filium credere
cogitabo.
Til.: Incredule ludaee, iam et de prophetis disputas? accipe
lOtamen interrogationi tuae responsum. Deus ad Moysen loquitur
dicens: Ecce dedi te deum Pharaom et Aaron f rater tuns erit
tuus proijlieta. Pervide, hunc Moysen typum Christi fuisse, gen-
tium incredibilium deum. Quanto magis Christus credentium
est deus? Sicut enim Moyses populum de Aegypto, de durissima
IsPharaonis servitute liberavit, ita et Christus populum suum de
idolorum servitute et de diaboli potestate liberavit.
8. Sim.: Si ergo Christus deus est et dei filius, quomodo
ergo in Genesi scriptum est: In lyrincipio fecit deus caelum et
terram'? Poterat utique dixisse: In principio fecit deus pater et
20 deus £lius caelum et terram.
Th.: Erras, ludaee, nee umquam invenies veritatem, nisi
veritatis intellegas originem. Nam si velles credere, poteris et
in principio eius invenire, quis est Christus, dei filius. Sic enim
in principio, ait, fecit deus caeluvi et terrain, hoc est in Christi
25 arbitrio et ad eius voluntatem et ad cuius imaginem hominem
1. XLVIl. B. — 2. super occasum V. — 2. est om. V. — 2. erit B . . .
est V. — 3. exemplaria (ex exemplar) B. — 4. accolent B (sed c primum
super rasur.). — 5. fatentes V . . . fruentis (ex fruentes) B. — 5. consen-
tientis B. — 5. illo B'. — 6. miJii om. V. — 6. dominum B. — 7. donii-
num B. — 7. credere om. V. — 10. interrogationihns tuis V, — 11. domi-
num 3. — 11. f rater tuus Aaron Y. — \2. propheta tuus V. — 12. Prae-
vide nunc V. — 14. etiim om. B. — 14. do secundum om. V. — 15. libera-
vit om. V. — 15. sic V. — 15. 2^oindum suum B . . . credentes Y. — 15 sq.
de idolorum servitute et om. V. — 19. Pot ue rat V. — 19. utique om. V. —
19. dicere B. — I9sq. fecit pater et dei filius V. — 22. velis V. — 21. poteras
B2. — 23. 2>f'^^i<'ipii^i>n B. — 23. qui B. — 24. in principio om. V. — 25.
voluntatem eius V. — -25. imaginem et similitiidinem nostrum B.
1. Ps. 68, 5. — 11. Exod. 7, 1. — IS. Gen. 1, 1.
Der Text. 19
lacere digiiatns est; (licit eiiim: Faciamus hoitu'nem, et rursus
infra dicit: Fecit deiis hominem ad ivuujineta et similitadmem dei;
ma^culum et femiuain fecit eos.
9. Sim.: Potuit hoc et ad angelos dixisse.
Th.: Erras, ludaee! Cui umquam angeloruni dixit deus: 5
Filius mens es tu, ego hodie genui te? Et rursus in psalmo
dicit: Ponam principent ilium ^ excelsum prae omnibus regibus
terrae. Angelis autem iubet, ut Cliristum adorent. Et iterum
in Cantico Deuteronomii dicit: Laetamini gentes cum eo et
adorent eum omnes angeli dei. 10
10. Sim.: Proba milii Christum principem esse.
Th.: lam dixi; nunc accipe aham probationem, si poteris
vel sic credere. Nam cum lesus filius Nave staret trans lor-
danem, vidit virum stantem, et gladius utraque parte acutus in
mauu eius. Dixit ilh lesus: Noster es aut adversariorum^ At 15
ille respondit: Ego sum princeps inilitiae maiestatis domini.
Ill, 11, Sim.: Et hoc volo mihi edisseras, quomodo est
fihus dei Christus; nam et omnes sancti Jilii dei dicti sunt.
Proinde sicut mihi probasti principem ilium esse, proba mihi
nunc ilium dei filium ex deo natum. Longe enim remota est 20
divinitas a coitibus humanis nee miscetur conplexui.
Th.: Loqueris quasi ludaeus. Nam Christus deus, dei filius,
primogenitus, verbo editus, ore prolatus. Sicut enim deus in
principio cum hominem e limo terrae faceret, flatum suum in
eundem spiravit, et factus est homo in animam vivam, ita et 25
verbum suum, hoc est Christum, ex utero cordis sui genui t,
sicut in Basilion libro secundo dicit: Et fuit verbum domini ad
Nathan prophetain dicens: Vade et die servo rneo David: Non
1. di(jnatHS est facere V. — Isq. et — hominem om. V. — 4. dicere B^. —
5. uniqiiaiii V . . . enim B. — 7, principem ponam V. — 7. omnibus om.
V. — S. ut om. V. — 9. Canticum B^Y. — 11. esse pirincipemY . — 12. ac-
cipe nunc V. — 12. potueris V. — 14. virum vidit V. — 14. acutus erat
B2. — 15. Dicit B. — 15. autB ... an V. — 15sq. At ille respondit om. V.
— 10. sum om. V. — 17. hoc modo B. — 18. dei om V. — 19. mihi om. V.
— 20. ilium om. V. — 21. anqjlexui V. — 22. deus filius V. — 23. prolatus,
vulvae incontaminatae iaculatus B. — 24. eum hominem in principio V. —
24. fecerat V. — 25. spiraverat V. — 25. et ita V. — 27. regnorum B.
1. Gen. 1, 26. 27. — G. Ps. 2, 7. Hebr. 1, 5. — 7. Ps. 89, 28. — 9. Deut.
32, 43. — 15. los. 5, 13sq. — IS. Ps. 82, 0.— 27. II Sam. 7,4. 5. 12—14. 16.
2*
20 Die Altevcatio Simonis et Theophili.
tvb aedijicabis mihi domum ad mhabi'tanduon, sed cum inpleti
fuerint dies tui et dormieris cum patribus tuis^ excitabo semen
tuum post te; hie aedijicabit domum nomini meo, et erigam domum
illius usque in saecula^ et ego ero illi in imtremy et ipse mihi
5 erit in filium^ et fides consequetur domum eius. Item in psalmo
11. dicit: Quare fremuerunt gentes et populi meditati sunt inania'?
Adstiterunt reges terrae et pjopuli convenerunt in unum adversus
dominwm et adversus Christum eius. Disrum.pamus vincula eorum
et proiciamus a nobis iugum ipsorum. Qui habitat in caelis in-
\<^ridebit eos et dominus stibsannabit eos. Tunc loquetur ad eos
in ira sua et in furore suo conturbabit eos. Ego autem consti-
tutus sum rex oh eo super 8ion montem sanctum eius, praedi-
cans praeceptum domini. Dominus dixit ad me: Filius meus es
tUj ego hodie genui te. Pete a me et dabo tibi gentes hereditatem
lo tuam, et possessionem tuam terminos terrae; reges eos in virga
ferrea et tamquam vas figuli confringis eos. Item in psalmo
XLIV.: Eructavit cor meum verbum bonum^ dico ego opera mea
reqi. Et Esaias dicit: Consummatas quidem et breviatas res
audivi; quoniatn verbum breviatum faciet deus in omni terra.
20 Hoc est verbum, quod verbera nostra sanavit, de quo in psalmo
CVI. dicit: Misit verbum, suum et sanavit eos. Item in alio
psalmo dicens deus testimonium perhibet, per prophetam dicens
quod caelum, de quo supra diximus, de Christo et in Christo,
qui est verbum dei, fecerit: Verbo domini caeli solidati sunt et
"ihspiritu oris eius omnis virtus eorum. Hoc est verbum, quod
velociter mundum percucurrit et animas errantium per legem
novam ad deum convertit, de quo in psalmo CXLVI. dicit:
1. habitandmn V. — 2. tid ad inhabitanditm B. — 2. ef — txis om.
V. — 2. siiscifaboY. — 3sq. domum iUlits B . . . thronum ems V. — 4sq.
erit mihi V. — 5. fidem consequetur et domns eius V. — 5. Item B ... etY.
— 7. Ab Adstiterunt usque 16. confringis eos om. V. — 18. Et om. V.
— 18. consammattir B. — 18. adbreviatas V. — 20. Hie est verbum, qui
V. — 21. CV. V. — 21. A dicit usque eos B in marg. — 22sq. psalmo
testimonium 2)erhibet propheta dicens quod V . . . caelum {22) per prophetam
dicens B ex dittogr. — 23. de secundum om. V. — 24. qui V . . . quod
B. — 24. firmati V. — 25. Hie V. — 25. est om. B. — 25. qui V. —
26. percurrit V. — 27. dominum B. — 27. CXLVII. B. — 27. dicit om. V.
6. Ps. 2, 1—9. — 17. Ps. 45, 2. — 18. Isa. 10, 22. 23. — 20. Isa. 53, 4.
— 21. Ps. 107, 20. — 24. Ps. 33, 6.
Der Text. 21
Qui emittit verhum smim tcrnie, velociter currit verbum ehis. Et
Esaias dicit: Ecce verbum dotnini factum est illis in maledictum^
a uolerunt illud. Nam si velles loliannem prophetam nostrum
audire et prophetico ore clamantem: In principio erat verbum^
et verbum erat apud deum, et dens erat verbum. Hoc erat in 5
principio apud deum. Omnia per lUum facta sunt, et sine illo
factum est nihil. Et rursus filius pari genere testimonium re'ddit
patri et nati^dtatis suae exordia testatur, dicens per Salomonem:
Ego ex ore altissimi prodioi primocjenitus ante omnem creaturam.
E(jo in caelis feci, ut oriretur lumen indejicieiis. Ego in altis 10
/labitavi, et thromis mens in columna mibis. Vides ergo, Simon,
exeuntibus patribus tuis de Aegypto, quia Christus erat, qui
in columna nubis praecedebat eos. Item illic in proverbiis eius-
dem: Dominus condidit me in initio verborum suorum, in prin-
cipio in opera sua, antequam terram faceret et antequam abyssos 15
constitueret et antequam omnes colles genuit me. Gum yararet
caelos aderam cum illo, et cum secerneret sedem suam, quando
fortia faciebat fundamenta terrae, eram simul cum illo disponens.
Ego eram, cui adgaudebat, cottidie autem adlaetabar in faciem
eius, cum laetaretur orbe perfecto. 20
12. Sim.: Potest hoc pro sapientia dictum esse.
Th.: Erras, ludaee, et velamine ignorantiae sensus tuus
contectus est. Non inmerito sanctissimus Moyses velaminis
tegmine faciem velabat, quod velamen corda vestra contexit.
Accede proinde ad dominum et crede Christum deum, dei filium, 23
et auferetur de sensibus tuis tegmen ignorantiae. Sapientiae
dictum existimas ignorans quoniam Christus est ipse dei virtus
et dei sapientia. Adeo reges vestri, qui per successionem regna-
1. verbum primum B . . . sermo V. — 3. si velles audire om. V. —
3. lyrophetam om. B. — 3. prophetam nostrum lohannem V. — 4. et om.
V. — 4sq. In V loh. v. Ic praemissum est v. lb et v. 2 deest. — 6. ilium
B . . . ipsum V. — 6. factum est V. — 6. ipso V. — 10. altissimis V. ^—
11. Simon om. V. — 13. illis B. — 14. in primum om. B. — 14. verborum
B . . . liarumY. — 15 sq. faceret et ante omnes colles V. (interposit. cm.).
— 16. patraret V. — 17. caelo B. — 19. laetabar V. — 20. orbi V. —
21. dixisse V. — 22. veluti velamen V. — 25. crede Christum deum om. V.
— 27. ignoras B. — 27. ip)se est V. — 28. Adeo ut B.
1. Ps. 147, 15.— 2. lerem. 6, 10. — 4. loh. 1, 1—3. — 9. Sirach. 24,
3. 4. — 14. Proverb. 8, 22—30.
22 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
bant, non poterant sapientiam et virtutem accipere nisi per
vocabulum nominis Christi dicerentur, Huius rei auctoreui
Danihelum dabo dicentem: Signabitur visus et i:)rop}ietia. Orie-
tur iusiitia seininterna et ungetur sanctus sanctorum. Et scies
5 et intelleges ah exitu sermonis in respondendo, et aedificabo Hie-
nisalem usque ad Christum regnantem, a deo veniente Ghristo
Christorum et rege regum vestrorum; ^inct^o Samariae deficiet
eormi illud. De quo reges vestri ungebantur, et omnes pro-
phetae siliierunt, quia de quo loquebantur venit, sicut Esaias
10 ait: Ego suin qtu loqnehar, et veni, ut evangelizem vohis. Proinde,
ut diximus, ipse est Christus Christorum, dominus dominorum.
Auctorem Esaiam dabo dicentem: Sic dicit doynijius Ghristo meo
domino^ cuius tenui dexteram, ut exaudiant eum, gentes: forti-
tudinem regum dis^-umpam^ aperiam ante eum portas aereas, et
15 civitates non claudentur. Et portas aereas aperiam et vectes
ferreos confringam^ et dabo tibi thesauros occultos. Cui ergo
tenuit dexteram pater nisi Ghristo filio suo, quem et omnes
gentes exaudiunt, sicut in psalmo dicit: Semper tu mecum tenuisti
manum dexteram meam? Aut quae civitas illi clausa est? Et
20 cui omnes portae apertae aereae patent? Aut numquid et de
nativitate eius audebit disputare, cum idem propheta dicat:
Factum est verhum domini ad Achaz dicens: Fete tibi signuvi
a domino deo tuo in profundutn aut in excelsutn. Et dixit Achaz:
Non petam neque tentabo dominum. Et ait: Audite nunc domus
25 David: Non pusillunx vobis certamen erit cum hominibus; et ideo
2. dicerentur om. V. — 4. iustitiae sempite^'nae B. — 4sq. Et scies et in-
telleges Y . . . Et Esaias elicit: Et intelleget B. — 5. exittis B. — 5. respon-
clendum B. — 5. aedificans B. — 6sq. ad Christum Christorum et regem
regum vestrormn V. — 7. regem Codd. . . . rege ex coniect. — 8. De quo
B . , . Deinde V. — 10. evangelizarem V. — 10. vobis om. B. — 12. Sic
om. B. — 13. cut tenuit V. — 14. aereas om. V. — 15. Et om. V. — 16. ab-
scond itos V. — 17. suo om. V. — 18. exaudieruntY. — 18. Tu mecum sem-
per Y. — 20. ap)ertae om. V. — 20. 2^ct^'>^h ^^oc est praecordia singulorum
fide Christi reserata, qui doctrina sua corda et praecordia reseravit B (Scho-
lion, ut vid.). — 21. isdem Y. — 21. dicat om. V. — 22. est om. V. —
22. inquit ad Y. — 22. Achah B. — 23. domino nostro B. — 23. proftm-
dum inferni sive in excelsum supra V. — 23. dicit B. — 24. p>eto et non Y.
3. Dan. 9, 24. 25. — 10. Isa. 52, 6. — 12. Isa. 45, 1—3. — IS. Ps. 73,
23. — 22. Isa. 7 10—14.
Der Text. 23
COS jjraesfabitis veiiamen cum deo, quoniavi dominus dabit vohls
siipmin : Ecce virgo in xitero concipiet et liariet JiUwn, et vocahitur
nomen eius Emmatmhel^ quod mterpretaiur Nohiscum deus.
13. Sim.: Ego prophetis credo. Praeterea Esaiam receptis-
simum accipio; sed de alia virgine earn dixisse arbitror. Cum 5
enim Salmanassar rex Assiriorura ducem simm misisset a^d Hieru-
salem exprobrare deum vivum, tunc Esaias prophetavit adversus
Salmanassar regem dicens: Spi-evit te et subsannavit fe, virgo
jilia Sion. Caput movit adversus te, Jilia Hierusalem. Quando
angelus de castris Assiriorum centum octoginta milia percussitio
in hoc fuit nobiscum deus.
Th.: Erras, ludaee, necdum removes incredulitatem. Si
ergo filiam Sion virginem dicis, quern filium peperit? vel quis
butvrum et mel raanducavit? aut quis infans fuit, qui priusquam
cognosceret patrem aut matrem, spolia Samariae detraxit? aut 15
quem filium de semine David liabuit? Esaias enim dicit: Ecce
virgo in utero accipiet, et pariet Jilium, et vocahitur nomen eius
Emnunmhel; butyrum et mel manducabit, et priusquam cognoscat
puer vocare patrem aut matrem^ accipiet virtuttm Damasci e
spolia Samariae contra regem Assiriorum. 20
14. Sim.: Enarra ergo mihi ista quid se habeant, ut credere
possim, quid mel aut butyrum intellegitur, aut quae spolia
Samariae Cliristus acceperit.
Th.: Si removeas incredulitatem, audies veritatem, ne forte
in te inpleatur illud quod in psalmo scriptum est: Sicxit aspides 25
surdae et obturantes awes suas., quae non exaudiunt voces in-
1. cum deo edidi . . . om. B . . . cum liominibus V. — 1. dominus
deus V. — 2. in titero om. V. — 5. aliam virginem dixisse V. — 7. ex-
prohrare V . . . praedicare B. — 8. Sprevit V . . . Exprueuit B. — 9. Capmt
suum ntovet adversum V. — 9. Quando etY. — 12. iiondum V. — 13. Sion
virginem B . . . lerusalem V. — 13. vel V . . . i«^ B. — 14. manducabit V.
— 15. ut matrem B. — 16. hahtdt B . . . aluitY. — 16. dixit V. — 17. con-
cipiet B2. — 18. comedet V. — 18. et secund. om. V. — 19. puer om.
V. — 19. aut edidi . . . vel Y . . . tit B. — 20. hahuit contra B. —
21. miki igitur V. — 25. inqileatur in te V. — 25. in psalmo om. V. —
25. aspndis B2. — 26. exaudiunt edidi . . . audiunt V . . . exaudiet B. —
26. vocem V.
S. Isa. 37, 22. — 9sq. Isa. 37, 30. — 16. Isa. 7, 14. 15; 8, 4. — 25.
Ps. 58, 5.
24 Die Altercatio Simonis et Theophili.
cantantium. Audenter etiam Esaias adversus incredulitatem
vestram clamat dicens: Erunt vobis verba lihri huius sicut verba
libri signati, quern si dederis liomini scienti Utteras ad lecjendwni,
dicit: Non possum legere; signatuni est enim. Aut si detur liber
histe liomini non scienti Utteras et dicas: Lege^ et dicet: Non didici.
Primuni quia Christus secundum nativitatem infantium omnium
butyrum et mel manducavit. Hoc credimus et sic fidem nostram
custodimus; et quia die octavo circumcisus est. Butyrum autem
unctio spiritus intellegitur: mel autem dulcedo est doctrinae
lOeius, quam nos adsequimur et sic fidem consequimur. Spolia
autem Samariae lioc genere detraxit, quod, cum infans esset,
muuera a magis accepit, aurum, tus et myrram; et postea ad-
ultus cum doceret et omnem veritatem dei demonstraret, relictis
idolis Samaria et Damascus bene crediderunt, relinquentes Assi-
15rium, id est diabolum,
IV, 15. Sim.: Bene quidem per omnia interrogationibus
meis patefacis mysteria, et quia Christum deum, dei filium, ore
dei prolatum, verbo genitum et ex virgine natum probasti.
Quomodo ergo ex semine David in Betlileem civitatem natum
20 adseveras ?
Th.: Auctorem Esaiam dabo dicentem: Exiet virga de ra-
dice lesse et Jlos de radice eius ascendet, et requiescet super eum
spiritus dei Virga enim Maria virgo fuit, quae ex semine David
processit, ex qua Christus flos patriarcharum secundum carnem
25nascitur. Deus enim, qui in Numeris signum fecit, ut asina
loqueretur, multum mains signum facere voluit, ut Christus ex
virgine nasceretur. Aut quid mihi et tibi esset certamen, nisi
virgo peperisset?
16. Sim.: Credo virginem, ut dicis, potuisse spiritu conci-
SOpere. Agitur si virgo potuit parere.
1. etiam V . . . enim B. — 2. verba secundum om. V. — 4sq. si dederis
non scienti V. — 5. et secuncl. oui. V. — 6. quia V . . . quidem B. — 7. iidem
B . . . vitam V. — S. octavo die V. — 9. est om. V. — 10. et sic fidem
consequimur om. V. — 13. del om. V. — 14sq. regem Assirium B-. — 16.
interrogationibus meis om. V. — 17. deum B ... et\. — 21. dicentem om.
V. — 23. domini V. — 27. nisi ut V. — 28. pareret B. — 29. ])otuisse om.
B. — 29. de spiritu V. — 29 sq. concejnsse B-. — 30. Agitur etc. om. B.
2. Isa. 29, 11. 12. — 21. Isa. 11, 1. 2. — 25. Num. 22, 28.
Der Text. 25
Th.: lucredule, saxum dens rumpere potuit et aquam in
siccitateui producere, quanto magis deus inhere potuit, ut virgo
partuui ederet! Et adliuc tibi aliud ponam testimonium, si tamen
credas Baruch Nerei filio, qui in Babylonia prophetavit.
17. Silt).: Ergo me tam infidelem existimas, ut Baruch dis- 5
cipuhim Hieremiae non recipiam, qui ah Hieremia toties missus
ad populum adlocutus est, qui et prophetiam suam Baruch con-
scribere iussit. Et quia sciehat Hieremias ilium prophetaturum,
adeo post Hieremiam populo praefuit in captivitate et prophe-
tavit, sed de Christo nihil meminit. l'^
Th.: Quomodo ergo prope finem libri sui de nativitate eius
et de habitu vestis et de passione eius et de resurrectione eius
prophetavit dicens: Hie unctus meus^ electus meus, vulvae in-
eontaminatae iaculatus, natus et jx^ssus dicitur. Quoniam et
tunicam illius desuper contextam et omnia haec, Simon, si 15
credideris, aut cum veneris in plenitudinem evangeliorum uostro-
rum, inpleta cognosces. Quod autem in Bethleem natus est,
audi Michaeam prophetam dicentem: Et tu Bethleem luda,
domus illius Efratha, non eris exigua, ut constituaris in milihus
luda. Ex te enim mihi prodietj ut sit princeps in Israel, et20
possessio eius a principio et a diehus saeculi.
V, 18. /SVm.: Multa cj[uidem legimus, sed non ita intellegi-
mus; proinde volo per singula quae te interrogo cognoscere
conprobata testimonio veritatis. Praeterea cj[uia deus circum-
cisionem celebrari praecepit, quam primum patriarchae Abrahae 25
tradidit, quam circumcisionem Christum habuisse superius pro-
fessus es, quomodo ergo mihi credere persuades, qui circumci-
sionem prohibes?
1. potuit rumpereY. — 2. siccitafemB^ . . . societatem B' . . . sitientem
V. — 2. virgo adhunc B. — 3. Et om. V. — 3. dico aliud (om. imiam)
V. — 4. filium V. — 4. Babilonem V. — 5. me infidelem tarn V. — 6. to-
ties V. — 7. ad om. V. — 8. sciebat V . . . sevibat B. — 8. ilium
Hieremias B. — 8sq. i)ro2)hetaturum, adeo 2>ost Hieremiam om. V (pergens:
populum effusum in capitivitateui). — 11. prope finem V . . . probes in B.
— 12. eius prim., de tertium om. V. — 14. Et quoniam V. — 15. td haec
omnia V. — 16. ita cum B. — 16. plenitudine V. — 18. luda om. V. —
19. exigua non eris V. — 21. et om. V. — 23. ita volo B. — 23. te om.
V. — 25. celebrari om. V. — 25. Abrahae om. V. — 27. suades V.
1. Exod. 17. — 8. lerem. 51, 59sq. 36, 4sq. — 13. ?— 18. Mich. 5, 2.
26 Die Altercatio Simonis et Theopbili.
Th.: Circumcidere earn em proliibemus, circumcisos autem
credere libenter liabemus. Abraham enim, priusquam circnm-
cideretur, amicus dei eJBfectus est per fidem, et iiistitiam adeptus
est per fidem, non per circumcision em. Sic enim dicit: Quia
bpatrem omiltariim gentium posui te ante dominum, quia credi-
disti. Proinde dicit: Credidit Abraham deo, et deputatum est ei
ad iustitiam. Hoc enim, priuscjuam circumcideretur, audivit, et
postea circumcisionem accepit, ostendens duos populos ad fidem
Christi venturos, unum ex circumcisione et unum ex praeputio
lOventurum. Nam si Cliristus circumcisus non fuisset, quomodo
mihi hodie crederes aut prophetis, quod ex semine David ve-
niret? Circumcisio enim signum est generis, non salutis.
19. Sim.: Ergo quomodo filium Moysi, cum esset in prae-
putio, angelus suffocabat, nisi Sefi'ora, mater eius, accepto calculo
15 circumcidisset puerum? et cum sanguis immineret, orabat dicens:
Stet sanguis circumcisionis pueri.
Th.: Contra te loqueris, ludaee, nam et superius tibi
ostendi, quomodo Moyses typum Christi fuit, et omnia quae-
cunque fecit, in imagine Christi praecurrebat. Nam Seffora
20mulier, quae puerum circumcidit, sinagoga intellegitur. Quod
autem dicitur: 8tet sanguis circumcisionis pueri., hoc est, quod
adveniente Christo restitit circumcisio puerorum; adeo deus ad
Moysen sic ait: Aedijlca mihi altar e de lapidihus non circum-
cisis , sed et f err am non inities in eis, quod scilicet adveniens
25 Christus ecclesiam aedificaturus erat de populo incircumciso.
20. Sim.: Proba mihi Christum neminem circumcidisse.
Th.: Crede, et ipse tibi probabis, cum coeperis plenitudinem
evangehorum revolvere; ibi invenies Matthaeum apostohim publi-
canum et Zacchaeum principem publicanorum et multos iuve-
2. enim credhnns B . . . enim qui V . . . enim ego. — 2sq. circum-
cisus esset V. — 3. per fidem om. V. — 4. Quia om. V. — 5. posiri B . . .
constititi V. — 5. dominum B . . . demn V. — 5. quia V . . . cui B. —
6. reputatum V. — 10. venturum om. V. — 13. filius B. — 15. puerum om.
V. — 15. oravit V. — 17. nam om. V. — 18. ostendi om. V. — 18. quo-
modo B . . . quod V. — 18. typum Codd. — 18. fuit Christi V. — 18. et
om. V. — 21 sq. Ab hoc est usque inierorum om. V. — 22 sq. in Moysem V.
— 23. ait B . . . dicit V. — 24. sed om. V. — 28 sq. puhlicanorum B.
4. Gen. 17, 5. — 6. Gen. 15, 6. — 16. Exod. 4, 25. — 23. Exod.
20, 25.
Dor Text. 27
nies incircnmcisos, qui cum ludaeis credidennit. Nam sicut
sacrificia et hostiae tauroram et hircorum et arietum et agno-
rimi iussa inmolabantur et proliibita siiblata sunt, et populus
minor, id est noster, maiori populo praelatus, et testamentum
novum veteri praepositum, ita et circumcisionem iam non carnis 5
sed cordis celebrare deus praecepit. Dicit enim deus ad Rebeccam
in Genesi: Diiae gentesm utero tuo sunt et duo populi de ventre
fuo dicidentur , et poindus popuhini superabit et niaior serviet
mmori. Et in Deuteronomio dicit: Eritis gentes in caput, in-
creduhis autem populus in cauda. Et lacob benedicens Efremui
et Manassem, inmutans manum, dexteram minori superponens,
inmutationeni creaturae demonstrabat. Pro testamento autem
novo sic dicit Esaias: Ecce facto nova, quae nunc orientur, et
ponam in deserto fiumina, hoc est in ecclesia evangelia. Et
Hieremias dicit: Ecce dies veniunt, dicit dominus, et consummaho\h
domum Jsrahel et donium luda testamentum novum, non tcde
testamentum, quod disposui patrihus vestris in die qua edu.ri
eos de terra Aegypti. Audi nunc de circumcisione lator legis
Moyses quid dicit: In novissimis diehus circumcidet deus cor
tuum et cor seminis ad dominum deum timm amandum. Et20
Hieremias dicit: Viri luda et qui inhahitatis Hierusalem, reno-
vate inter vos novitatem et ne seminaveritis in spinis. Gircum-
cidimini deo vestro et circamcidite praeputium cordis vestri, ne
exeat ira mea et exurat, et non sit, qui extinguat. Et ad lesum
Nave dicit deus: Fac tihi gladios petrinos et nimis actitos et'ih
sede secundo et circumcide jilios Israhel. Numquid tunc ferrum
non erat? Sed deus ad lesum Christum nostrum loquebatur,
1. sicut B ... Si saecnli V. — 2. et prim. om. V. — 2. hostias B. —
2. et hircorum om. V. — 3sq. popnlum minorem id est nostrum B. —
4. populo om. Y. — 6. deus prim. om. V. — G. enim om V. — 11 . manus
V. — 13. novissimo V. — 15. venient B^. — 18. legislator V. — 19. quid
om. B. — 19. deus B . . . dominus V. — 20. amandum ^ ... ad manda-
tum V. — 21. ait V. — 21. habitatis V. — 22. inter vos B . . . vobis V.
— 22. novitatem B . . . novale V. — 22. et nolite serere super s2nnasY. —
22 sq. Circumcidimini deo vestro om. B. — 23. praepiitia V. — 24. mea om.
V. — 24. Et om. B. — 25. dixit B. — 25. et prim. om. V. — 25 sq. et sede
secuudo om. V. — 26. circumcide secundo V. — 27. non erat B . . . deerat '
V. — 27. ad dominum nostrum I. Chr. V.
7. Gen. 25, 23. — 9. Deut. 28, 44. — 10. Gen. 4S, 14. — 13. Isa. 43. 19. —
15. lerem. 31, 31. 32. — 19. Deut. 30, 6. — 21. lerem. 4, 3. 4. — 25. los. 5, 2.
28 Die Altercatio Simonis et Theophili.
quod per apostolum suum spjritaliter corda circumciderit; adeo
apostolus noster Simon dictus est et postea Petrus nomeii
accepit.
21. Sim.: Manifestam quidem mihi probationem per scriptu-
oras ostendisti, sed circumcisio cordis quae esse potest? aut quod
praeputiuni de corde circumcidendum est?
Th.: Omnis concupiscentia libidinis de corde concipitur,
proinde circumcisio novi testamenti talis est, quam deus Christus,
filius dei, ostendit, ut circumcidamus nos libidinem, avaritiam,
lOmalitiam, cupiditatem, furta, fraudes, fornicationem, et omne
quod tibi non vis fieri, alii ne feceris. Haec est circumcisio
Christian orum, quam et primi sanctorum habuerunt, scilicet
Enoch, Noe, lob et Melchisedech, qui non carnis sed circum-
cisionem cordis habuerunt. Potuerat autem deus, si vellet, Adam
15 circumcisum formare.
VI, 22. Sim.: Aestuo vehementi cogitatione potuisse Chri-
stum tam maledictam et ludibriosam sustinere passionem, si
tamen vera sunt, quae dicitis, a patribus nostris crucis patibulo
eum esse suffixum. Scimus plane Anian maledictum a patribus
20 nostris pro merito suo esse crucifixum, qui genus nostrum pe-
tierat in perditionem, in cuius mortem peracta revohito anno
gratulamur et sollemnia votorum festa celebramus, quae a
patribus tradita accepimus, et Abessalon, qui ad caedem patris
patricida fuit, pependisse ilium in arbore legimus. Christus
25 autem si patibulum mortis huius sustinuit et in cruce pependit,
cur non hoc ipsum a patribus nostris accepimus nee passum in
1. apostolos suos V. — 1. circumcideret B. — 2. est ova.. V. — 4sq. niani-
festa sunt quae mihi ostendisti V. — 5. sed 'Q . . . etY. — h. aut 'Q . . . et
V. — 7. libidinis B . . . et libido V. — 7. de om. V. — 7. concipitur Y ...
concupiscitur B. — 8. dens et V. — 9. filius eius BiV. — 9. ut om. V. —
9 nos om. V. — 10. fornicationes V. — li! fieri non vis, alio non feceris
V. — 13. Noe, lob Y . . . et lob B. — 13. et om. B. — 13sq. cordis cir-
camcisionem V. — 14. Poterat B'^. — 14. autem om. V. — 14. si vellet om. "V.
— 16. Exaestuo V. — 16. potuisse om. V. — 17. sustinuisse V. — 18. nostris
om. V. — 18. patibulum Codd. — 19. eum om. B. — 19. plane om. V. —
20. crucifixum B . . . suspensum V. — 21. morte V. — 21. peracta revoluto
[anno]V . . . p)erevoluto annoBK — 22. ct om.Y. — 22. factaB. — 22 sq. quod ..
fraditum Y. — 23. patris om. V. — 24. ilium om. V. — 26. nostris om. B.
19. Esther 7. — 23. II Sam. 18.
Der Text. 29
scripturis nostris invenimus, ut, utsi inimicus genti nostrae
esset. gaiideremus? Erubescere poteris, Theopliile, si hoc dictum
minime comprobaveris. Nam scriptura est in Deuteronomio:
Maledictus omni's qui pendet in li(jno.
Th.: Primo huius dicti accipe rationem. Recole superius 5
Deuteronomii lectionem, de quibus dictum est. Sic enim ait
Movses: Si qiiis peccaverit in iudiciimi mortis^ pumatur exeinplo,
suspendetis eum in ligno; et maledictus erit omnis qui pepen-
derit in ligno. Sed hoc pro peccatore dixit, qui mortale pecca-
tum admiserit. Christus autem peccatum non habuit, sicutio
omnes prophetae testantur; sed pati necesse habuit, ut scrip turae
in})lerentur. Dicit enim Esaias: Quia peccatum non fecit neo
dolus inventus est in ore eius; sed domimis tradidit ilium pro
peccatis nostris. Et alibi dixisse prophetam ostendimus: Ecce
rerbuni domini factum est illis in maledictum, et noluerunt illud.Xb
Et iterum dicit: Inter maledictos deputatus est. Audi et in la-
mentatione Hieremiam dicentem: Christus dominus conprehensus
est in interitum eorum, sub cuius umbra vivimus inter gentes.
Scimus autem sanctissimum David plenum annis in pace requie-
visse nee aliquam passionem mortis aut crucis sustinuisse. Audi 20
ergo in psalmo XXI. dicentem Christum: EffoderuyU manus
meas et 2)edes meos, dinumeraoerunt omnia ossa mea. Ipsi autem
consideraverunt et conspexerunt me, diviserunt sibi vestimentum
meum et super vestem meam miserunt sortem. Tu autem., do-
mine.^ ne longe facias auxilium timm., in defensionem meam aspice, 25
1. ut si ^ ... lit siciit Y . . . nt utsi edicli. — Isq. rnimicum genti nostrae
yaucleremus affectum V. — 4. omnis B . . . homo V. — 5. Frimum V. —
7. pimiatur exemjjlo V . . . puniunlur B. — Ssq. et om.nis qui pendet in
ligno, maledictus erit V. — 9. 2>^'0 B . . . r/e V. — 9. dixit B . . . dicit V.
— 10. admiserit B . . . fecit V. — 10. habuit B . . . fecit V. — 11 sq. scriptura
impleretiir V. — 13. inventus est dolus V. — 13. illiim B . . . eum V. —
14. Ut B . . . nam V. — 14. prophetam dixisse V. — 15. ilium B. — 16.
maledicos reputatiisX. — 16sq. Hieremiam in lamentationeY. — 17. Hie-
riisalem B. — 17. spiritus vidtus nostri Christus V. — 18. eorum B . . .
yentis nostrae V. — 19sq. qiiievisse V. — 21. Foderunt V. — 22. vero V.
— 23. et viderunt me V. — 23 sq. vestimenta mea V. — 25. elongaveris V. —
25. in 'Q .. . ad Y. — 25. conspice Y.
4. Deut. 21, '^3. — 7. Deut. 21, 22. 23. — 12. Isa. 53, 9. 6. — 14.
lerem. 6, 10. — 16. Isa. 53, 12. — 17. Tliren. 4, 20. — 21. Ps. 22, 17—23.
30 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
libera de gladio anitnam meam et de manu cams umcam meam ;
salvum me fac de ore leonis et a cornibus miicorniunn Inmiili-
tatem mearti: narrabo nomen tuum fratribus tneis, in medio eccle-
siae laudabo te. Item apud Esaiam: Expandi manus meas ad
bplebent nan credentem, sed et contradicentem miki. qui a7nbulabant
vias non bonas, sed post peccata sua. Item apud Hieremiam:
Venite mittamus lignum in panem. eius et eradiceonus a terra
citam eius. Item in Deuteronomio: Et erit vita tua jJendens
ante oculos tuos, et tiinebis die ac 7iocte et non credes vitae tuae.
10 Item in psalmo CXVIIL: Gonjige clavis a timore tuo carnes
ineas. Item in psalmo CXL.: Dirigatur oratio mea sicut incensum
in conspectu tuo et elevatio manuum mearum sacrijiciuin vesper-
tinutn. Item apud Zachariam: Et intuebantur in me, in quern
transjixerunt. Item in psalmo LXXXVIL: Exclamavi ad te,
lodomine, tota die extendi manus meas ad te. Item in Numeris:
Nunc quasi homo deus suspenditur et sicut filius liominis minas
patitur. Et in Canticis Canticorum ex persona ecclesiae dicit:
Erater meus candidus et rubens et lancea conpunctus a militibus.
Qui candor quid aliud quam fidem populi demonstrat? Rubeum
20 autem passionem significat. Ad hoc venit in primo adventu
sue, ut omnem humilitatem et deformitatem usque ad mortem
crucis ostentaret. Audi denique in psalmo XXI. quid dicat:
Ego autem sum vermis et non homo, opprobrium hominum et
abiectio plebis. Omnes qui conspiciebant me, deridebant me,
'Ihlocuti sunt labiis et moverunt caput. Item illic: Exaruit velut
Isqq. A libera usque ad laudabo te (v. 4) om. V, pergens: et cetera
quae tribus sequentibus versibus dicuntur. — 4. apud B . . . j>er V. — 5. sed
om. V. — 5. miJii om. V. — 5. ambulabant B . . . ambulat V. — 7.
eradamus a V. — 8. j;ertf?ews ty'ita tna V. — lOsq. A Item in usque ad
meas (v. 11) om. V. — llsq. A Dirigatur usque ad tuo et (v. 12) om. V.
— 13. in utrumque om. V. — 15. expandi V. — 15. ad te manus meas
V. — 16. Nunc om. V. — 16. <')' B . . . neqtie V. — 18. rubicundus Y. —
18. et secund. om. V. — 19. Qui edidi ... quod B^ (eras. B^) .. quae
V. — 19sq. Eobeum autem B . . . rubor enim V. — 20. Ad hoc venit in B
. . . In hoc enim V. — 21 sq. mortem crucis ostentaret B . . . mortem sustinerct
V. — 22. quid dicat om. B. — 24. qui conspiciebant B . . . videntes V. —
24. deriserunt V. — 25. Aruit tamqnam V.
4. Isa. 65, 2. — 6. lerem. 11, 19. — 8. Deut. 28, 66. — 10. Ps. 119,
120. — 11. Ts. 141, 2. — 13. Zach. 12, 10. — 14. Ps. 88, 10. — Id. Num.
23, 19. — 18. Cant. 5, 10. — 23. Ps. 22, 7. 8. — 25. Ps. 22, 16.
Der Text. 31
testa virtus mea, et liiujua mea adhaesit fauetbns )neis, et in
pidverem mortis deduxisti me. Item in psalmo LXVIIL: Placehit
domino super vitulum novellum cornua j^t'oducenteni et ungulas.
Quid dicis, ludaee, numquid David cornutus fuit? Age nunc
intellege botruni ilium in Numeris, quem de teiTa reproraissionis 5
in palanga duo vectantes reportabant; quod utique figura tuit
Christi pendeutis in ligno, adveniente de terra repromissionis,
id est de Maria, quae ex genere terreno fuit. Subvectantes
autem palangam duorum populorum figuram ostendebant : unum
priorem, scilicet vestrum terga versum Christo dantem, aliumlu
vero posteriorem, botruni respicientem , scilicet noster populus
intellegitur.
23. Sim.: Quid de malagranatis dicturus es, quae ad Moysen
adlata sunt et cum eodem botro.
Tk: Rectissime malagranata botrum secuta sunt. Figura 15
scilicet ecclesiae fuit liabens intra se populum rubeo sanguinis
Christi censitum.
2-4. Sim.: Quid de iiculneis dicturus es, vel quibus argu-
mentis tractatibus tuis probabis ficum peccatum non esse, cum,
quando protoplastus Adam in transgressione fuit , folia ficus 2o
pudenda contexit, quod fuit prurigo et amaritudo peccati?
Tk.: Supra cutem istam intellegis, ludaee, nam arbor ficus
et tegmen foliarum veteris hominis figura intellegitur. Nam
si velles spiritalem hominem considerare, hoc est interiorem,
pomum de ficulneis ad Moysen de terra repromissionis adlatum 25
invenies spiritalem vitam, sicut Ezechiae regi ludaeae post
augmentum vitae suae potissimum medicinae massa ficus in
2. me om. V. — 2. in psalmo LXVIIL B . . . illic V. — 2sq. Placebo
domino V. — 3. procudentem B. — 4. erat V. — 5. botrum B . . . racemum
V. — 5. in terra V. — 6. in palanya om. V. — 6. vectentes V. — 7. ad-
veniens V. — 9. phalanguam V. — 11. botrum B . . . racemum V (hie et
in al. loc.). — 13. malagranatis edicli . . . malagranatas B . . . malagranata
V. — 14. et om. V. — 16. rubore V. — 17. censetum B. — 20. transgres-
sionem B. — 20. fuit B^ (evanuit B") . . • sua V. — 21. contexit pudenda V. —
22 sq. arborem ficus et foliarum tegmen V . . . arbor ficus et tegumenta
foliarum B. — 26. spiritalem vitam B {ut ante spirit, add. B^) ... apiri-
taliter V. — 26. ludae V. — 27. potissimum medicinae om. V. — 27. fici V-
2. Ps. 69, 32. — 5. Num. 13, 24sq.
32 Die Altercatio Simonis et Theophili.
sanitatem carnis suae fuisset; suffecerat enim deo dixisse: Ad-
diti sunt tihi ad tevvpus vitae tuae anni XV. Adiungit dicens:
Accijye tihi massam jicus veterem, et cataplasmare , et sanaberis,
ut scilicet confractus inpetu libidinis sanitatem recipias. Rever-
5 tamiir nunc ad humilitatem primi adventus Christi, de qua
agebamus. Audi Esaiam proplietam: Deus, quis oedidit audifMi
nostra, et hrachium domini cui revelatwm est'} Adnuntiavimus
de eo; sicut puer infans non est species eius neque honor, et
vidimus eum, et non habuit speciem neque decorem : homo in plaga
10 constitutus et sciens ferine infirmitatem, quia aversa est fades
eius, depreciatus est nee conputatus est. Hie peecata nostra por-
tavit et pro nobis in doloribus est. Ipse autem quod male traetatus
est, sieut ovis ad vietimam duetus est et sicut agnus coram ton-
dente se mutus, sic non aperuit os suum; in hxmiilitate iudicium
15 eius suhlatum est, nativitatem autem eiths quis enarrabit'? quia
tollitur a terra vita eius, a facinoribus poj)uli mei adductiis est
in mortem., et non dabo malignos pro sepultura eius, quia pecea-
tum non fecit nee dolus inventus est in ore eius; sed dominus
tradidit eum pro peccatis nostris, et inter iniquos deputatus est.
20 Item illic de humilitate primi adventus eius testatur dicens:
Posui dorsum meum ad Jlagella, maxillae autem meas ad palmas,
faciem autetn meam, non averti a foeditate sputorunn,, et fuit do-
minus adiutor mens. Et Hieremias dicit: Ego sieut ovis ad
1. sanitate 'B. — 1. fuisset ego (textum corruptum vix sanavi) ... ac-
cepissetB . . . accepisseY. — Isq. A suffecerat usque ad anni XV. om. V.
— 2. Adiungens et dicens V. — 3. veterem B . . . terrae V. — 4. con-
fractus inpetu B . . . confractis impietatihus V. — 5. humilitatem Christi
et adventus eius Y. — 5. qtto Y. — 6. audies Isaiam dicentem Y. — 6. Deus
B . . . Domine Y. — 7. Adnuntiabimus B. — 8. p^ier om. V. — 8. est
om. V. — 8. eius B . . . ei Y. — 8. honor B . . . decor Y. — 9. habebat
Y. — 9sq. plaga positus et qui scit infirmitates sustinere Y. — 10. adversata
Y. — 11. depreciata Y. — 11. coniputata sine est V. — 12sq. Ab Ipse usque
ad est primum (v. 13) om. V. — 13. vietimam B . . . occisionem Y. —
13sq. tundente B. — 14. mutus om. V. — \\. humilitatem B. — 16. tolletur
Y. — 16. facinoribus popidi mei B . . . malignis plebis meae Y. — 17. non
dabo malignos pro sepidtura eius B . . . dedi divites pro morte eius Y. —
19. tradidit B . . . voluit tradere V. — 19. rejmiatus Y. — 22. autem om. V.
— 22. foeditate Y . . . fidelitate B' . . . confusione B^.
1. Isa. 38, 5. — 2. Isa. 38, 21. II Reg. 20, 7. — 6. Isa. 53, 1—12. —
21. Isa. 50, 6. 7. — 23. lerem. 11, 19.
Der Text. 33
vt'ctimam ductus sum ef nesa'ebain. De quo agno in imaginem
Christi Moyses in Aegypto pascha celebravit et in liberationem
popnli, nee aliter poterat populus de domo servitutis et de
pressura Pharaonis liberari^ nisi agnus occideretur et pasclia
celebraretur et de sanguine eius limina domus signarentur, ut 5
cum venerit angelus ille vastator, viso signo sanguinis, qui in
domibus erant salvarentur. Quod sacramentum ante praedictum
adventum Christi inpletum est. Pro hoc enim in primo ad-
A'entu suo Christus occisus est, ut nos de potestate diaboli et
de idolorum cultura liberaret. Anniculus autem dictus est, lo
quia postea quam intinctus est in lordane, annum praedicavit
et sic passus est, et sanguine eius fronte signati censemur, ut
in secundo adventu, cum venerit vastatio mundi istius, salvi
esse possimus. Huius rei auctorem Ezechielum prophetam dabo,
qui et ipse duos adventus Christi significat dicens: Transilb
mediam Hierusalem, et notabis si'gmiiti in frontibus virorum
dolentium et geinentium ob iniquitates quae fiunt in terra; secun-
dum adventum vastationem non signatorum dicens: Ite in civi-
tatem et nolite parcere seni neque iuveni, et mulieres et parvulos
occidite gladio et deleantur; super quos autem signum inveneritis, 20
ne tetigeritis eos, et a Sanctis meis incipite. Hoc signum et
Raab meretrix, quae in figura ecclesiae fuit, coccum et spartum
in fenestra suspendit, ut cum lesus veniret Hierico debellare,
viso signo coccini Raab et qui in domo eius essent salvarentur.
Ita et in adventu Christi cum venerit Christus iilius dei saecu- 25
him istum igni cremare, ecclesia, et qui in ea fronte signati
1. quo qiiidem V. — 2. apud Aegyptum V. — 2. et om. V. — 3. po-
tuerat B'. — 3. dei de domo V. — Z. et \ . . . ant B. — 6. ille om. V. —
6. signo B . . . agno V. — 6 sq. qui et erant om. V. — 8. Pro B'V . . . propter
B2. — 9. Christus om. V. — 9sq. liberaret de diab. 2)otest. et de idol. cidt.
V. — 11. tinctus V. — 12. signati om. B. — 14. Vo^i possimus B pergit:
ut angelus ille vastator viso signo sanguinis in domo salvarentur.- — 14. Huius
om. B. — 16. per mediam V, — 16. notabis B . . . f7a V. — \1. ab iniqui-
tate quae fit V. — 17sq. Et rursum secundum, adventum significat V. —
19sq. et midieribus et parvulis nolite parcere gladio V. — 21. nee tetigeritis
et Sanctis meis nolite parcere V. — 21. et om. V. — 23. pependit V. —
23. lesus Nave V. — 23. devillare B. — 24. coccineo V. — 25. venerit B
. . . venire coeperit V. — 25 sq. secundum sacculurn V. — 26. ex igne V. —
26. ecclesiae V.
Isq. Exod. 12. — 15. Ezech. 9, 4.— 18. Ezech. 9, 5. 6. — 21sq. los. 2.
Teste nnd Untersuchungeu I, 3. 3
34 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
inventi fuerint, salvabuntur. Sicut Osee, q.ui ty^min Christi fuit,
iubetur accipere uxoreni fornicationis, hoc est ecclesiam, quani
de fornicatione idolorum Christus accepit. Dixit dominus haec:
Occwpa tihi uxorem fornicationis, hoc est de fornicatione ido-
5lorum illam accepit, quoniam initium fornicationis idolorum
servitus.
25. Sim.: Ergo ecclesia fornicaria est?
Th.: Quid enim interpretatiir fornicaria, nisi omnibus ad-
venientibus subiecta sit? Sic et ecclesia omnibus advenientibus
10 ad se cjuaestum fidei nuUi negat. Repudiata enim sinagoga
adsumsit sibi Christus ecclesiam. Audi enim Hieremiam dicen-
tem: Dimisi matrem vestram et dedi ei libellum reinidii, quod
dedi matri vestrae, quod dimisi eam. Et alius propheta dicit:
ludicamini ad matrem vestram, quia non sum vir eius. Hie est
15 enim Christus filius dei iustus , de quo et Salomon in persona
ludaeorum prophetavit dicens: Circumveniamus ergo iustum,
quia invMlis est nobis et contrarius est operibus nostris, et in-
properat nobis peccata legis, diffamat in nos peccata disciplinae
nostras; promittit scientiam dei se habere et filimn dei se nominat;
20 et f actus est nobis in traductionem cogitationum yiostrarum; gravis
est enitn nobis etiam ad videndum, quoniam dissimilis est aliis
vita illius et inmutatae sunt viae illius', tamquam nugaces aesti-
mati sumus ab illo et continet se a viis nostris quasi ab inmun-
ditiis, et praefert novissima iustorum et gloriatur patrem deum
1. inventi om. V. — 1. Sicut B . . . Sic et V. — 1. typum Codd. —
1. fuit B . . . tenuit V. — 2. iiihet V. — 2. fornicariam V. — Ssq. A Dixit
usque ad accepit om. V. — 3. Post haec repet. dixit B. — 5. q^iiia V. — 5. est
idolorum V. — 8sq. venientibus V. — 9. A subiecta usque ad advenienti-
bus om. V. — 10. negat B . . . denegare V. — 12. ei B ... illi V. —
13. quod B . . . quia V. — 14. eius om. V. — 15. enim B . . . etiam V. —
15. Christus filius dei iustus B . . . dei virtus Christus V. — 15. et om. V.
— 16. ergo om. V. — IT. quoniam V. — 17. inutilis est nobis et om. V. —
17. EfB ... enim (post inproperat) V. — 18sq. peccata nostra et discipli-
nae nostrae V. — 19 sq. usque ad p. 35 v. 7 [sermonibus ipsius) fere omnia
om. V exceptis verbis: Filiiim dei se nominat, videamus si sermones illius
vert sint : morte turpissima condcmnemiis eum. Erit enim respectus ex ser-
monibus nostris vel eius. Si enim est verus filius dei, suscipiet eum de
ma7iu contrariorum.
4. Osee 1, 2. — 12. lerem. 3, 8. — 14. Osee 2, 2. — 10. Sap. Sal.
2, 12—22.
Der Text. 35
se habere, et jiUiim del se nominal. Videamus ergo si sennonesr
illiiis veri sunt, et tenitemiLS quae Centura- sunt illi, et sciamus
(juae erunt nocissima illius; si enim verus del jilius est, suscipiet
ilium et liherahit ilium de vianidus contrariorum; contumelia et
formento interrogemus ilium, ut sciamus reverentiam illius et 5
probemus patientiam ipsius; morte turpissima condemnemus ilium.
Erit enim respectus ex sermonibus ipsi^is. Haec cogitaverunt et
erraverunt: excaecavit enim illos malitia ipsorum et nescierunt
sacramenta dei. Et Moyses in Deuteronomio dicit: Innocentem
rt iustum non occides. Surrexisse ilium a mortuis scripturae 10
testantur; invenimus in psalmo XV.: Quoniam non derelinques
animam meani in inferno, neque dabis sanctum tuum videre
corruptionem. Notas fecisti miJii vias vitae, adinplebis me laetitia
cum mdtu tuo. Item in psalmo XXIX.: Domine, eduxisti ab in-
fer is animam meam. Item in psalmo III. dicit: Ego dormtvi et 15
somnum coepi et exsurrexi., quoriiam dominus suscipiet me. Et
Osee testatur ilium a mortuis tertio die resurrexisse dicens:
Vivificabit nos post triduum in die tertia. Item ad Moysen do-
minus in Exodo dicens : Descende et testare populo et purijica
illos liodie et eras, et lavent vestimenta sua et sint parati in 20
tertia die. Tertia enim die apparuit dominus in monte Sina
et lonas ad praedicationem Ninnevitis ut mitteretur; quod
tj^um Christi demonstrabat, quod post triduum de ventre coeti,
qui infernus fuit, exiturus esset. Et Esaias dicit: Ahmc exsur-
qam, nunc clarificabor, nunc videbitis^ nunc erubescetis: vana-25
erit fortitudo spei vestrae, ignis vos consumet. Et in psalmo
7sq. et erraverunt om. B. — 8. eiiini illos B . . . eos V. — S. yjso-
nnn B . . . eorum V. — 10. antein ilium V. — lOsq. scriptura testatur in
psalmo dicens V. — 12. nee V. — 13. mihi fecisti V. — 15. III. dicit B
. . . indicit V. — 16. quia V. — 17. Osee om. B. — 17. A testatur usque
ad dicens om. V. — 18. Vivificavit B. — 18. post duos dies et die tertia
suscitabit nosY. — 18. Item B . . . EtY. — 19. dicens om. V. — 19. Des-
cende inquit Y. — 19. testificare Y. — 19. populum B. — 20. hodie et eras
om. V. — 20. et labent B . . . ut levent V. — 21sq. A Tertia usque exi-
turus esset (24) om. V. — 24. dicit om. V. — 24. exsurgam dicit dominus
Y. — 25. ridetis nunc erubescitis V. — 26. fortitudo B . . . formido Y. —
26 sq. Ab Et in psalmo usque ad clausit (p. 36 v. 4) om. V.
9. Exod. 23, 7. — 11. Ps. 16, 10. 11. — 14. Ps. 30, 4. — 15. Ps. 3, 6.
— 18. Osee 6, 2. — 19. Exod. 19, 10. 11. — 22. lona 1. 2. — 24. Isa. 33,
10. 11.
36 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
LXXVII. dicit: Et exsurrexit tamquam dormiens dommus et
tamquam ijotens crapulatus a vino . Quod vinum passionem eius
demonstrat. Nam et in passione eius ah hora sexta usque in
horam nonam tenebrae factae sunt; nox diem clausit, dicente
5 Amos proplieta: Occidet sol meridie et obtenebrabitur dies lucis,
et convertam dies festos vestros in luctum et omnia cantica vestra
in lamentationem. Et Hieremias dicit: Exterrita est quae ijarit,
taedium tenuit anima eius; occidit sol, cimi adhuc dies est^ con-
fusa est et maledicta; reliquos eor^im in gladium dabo in con-
iO spectn inimicorum eorum. Quod autem post resurrectionem in
caelos ascendit et ad dexteram patris sedet, scripturae omnes
testantur, dicente in psalmo LXVIL: Iter facite ei qui ascendit
super occasum, dominus nomen est illi. Turbabuntur a facie
eius, patris orfanorum et iudicis vidtiarum. Item in psalmo
15 XL VI. : Ascendit deus in iubilatione, et dominus in voce tubae.
Item in psalmo XVIII. : A summo caelo egressio eius, et occursus
eius usque ad summum caeli, et non est qui se abscondat a co-
lore eius. Lex domini inmaculata convertens animas. Item in
psalmo XVII.: Inclinavit caelum et descendit, et caligo sub pe-
'1K\ dibus eius, et ascendit super Gherubin et volavit super pennas
ventorum et posuit tenebras latibulum suum; prae fulgore in
conspectu eius nubes transierunt, grando et carbones ignis; et
intonuit de caelo dominus, et altzssimus dedit voceni suam; misit
de summo et accepit me et liberavit me et eripuit me ab inimicis
2hmeis potentissimis et ab his qui oderunt me. Et Esaias dicit:
Quis est hie qui venit ex Edom dominus, rubor vestimentorum
4sq. dicente Amos projjJietaB . . . et de morte ipsiusY. — 6sq. et am. cant,
vest, in lumen, om. V. — 7sq. Ab Exterrita usque ad eius om. V. — 8. sol
om. V. — 8. est B . . . esset V. — 8sq. A confiisa usque ad psalmo LXVIL
(v. 12) om. V (scribens: Quod autem in coelos ascendit testatur David in
psalmo LXVL). — 9. gladio B. — lOsq. in caelis B. — 12. Iter inqi(it\.
— 13. est om. V. — 13. A Turhabuntur usque ad riduarnin (v. 14) om.
V. — 14. patresBK — 14. indices B'. — 14 sq. psalmo XLVIL B . . . XLVL
V. — 15. et om. V. — 16. psalmo om. V. — Kisq. et occurs, eius usque ad
sum. caeli om. V. — 17. nee est qui se abscondit V. — ISsq. A Lex us-
que ad veritatem (p. 37 v. 2) om. V. — 19. discendit B. — 20. volavit
bis scripsit B.
1. Ps. 78, 65. — 5. Amos 8, 9. 10. — 7. lerem. 15, 9. — 12. Ps. 68, 5. 6.
— 15. Ps. 47, 6. — 16. Ps. 19, 7. 8. — 19. Ps. 18, 10—18.— 26. Isa. 63, 1.
Dev Text. 37
ex Bosor, sic jtrdeclarns in stola ct violentusf Et ex persona
Christi respondetur: Ecjo disputo iudicium et admmtio veritatem.
Item in psalmo XXIII. ascendente Christo in caelos ianitoribus
angelis dictum est: Tollife portas prindpis vestri^ et elevamini
portae acteniales^ et introihit rex fjloriae. At illi qui nesciebant 5
Christum verbo in virginem insinuatum, mirantes quod tali
habitu et trophaeam victricem reportans caelum conscenderet,
interrogant dicentes: Quis est iste rex <jloriae? Quibus respon-
sum datur: Dominus virtittum ipse est rex gloriae. Item in
psalmo CIX.: Dixit dominus domino meo: Sede ad dexterarni^i
laeam, donee ponam mimicos tuos scabelluni pedum tuorum. Vir-
(jam virtutis tuae em if tit dovdnus ex Sion, et dominare in medio
iniinicorum tuorum. Tecum principio in die virtutis tuae, in
splendor e sanctorum; ex utero ante luciferum genui te. luravit
dominus et non paenitebit eum: Tu es sacerdos in aetemum secun- 15
dnm ordinem Melchisedec^ dominus a dexteris tuis. Audi nunc
et de claritate regni secundi adventus eius apud Danihelum:
Videham nocte in visit, et ecce in nuhibus caeli quasi fllius lio-
minis, veniens venit usque ad veterein dieruni, et data est ei
potestas regia ; omnes reges terrae per genus et omnis claritas 20
servient ei, et fides eius aeterna, quae non movetur, et regnum
eius non corrumpetur. Item in psalmo XCIL: Dominus r€g7iavit,
decor em induit, induit dominus fortitu^dineni et praecinxit se
virtutem. Etenim confirmavit orbem terrae, qui non movebitur.
Parata est sedes tua, ex illo saeculo tu es. Et in psalmo XLIX : 25
Deus deoruni dominus locutus est et vocavit terram a solis ortu
usque ad occasum, ex Sion species decoris eius. Deus manifests
veniet, deus noster, et non silebit. Ignis in conspectu eius ardebit,
et in circuitu eius tempestas valida. Vocabit caelum sursum et
terram., discernere populum suum. Golligite illi sanctos eius, BO
■6. psalmo XXIII. B . . . XXIV. V. — 3. coelis Bi. — 4. principis B2
. . . principes VB'. — 4. vestri B . . . vestras V. — 5. sciebmit B. — 6. ver-
bum V. — 7. trophea B. — 7. ascender et V. — 8. dicentes orn. V. — It).
psalmo om. V. — 10 sq. a dextris nieis V. — llsq. A tuorum usque ad
dexteris tuis (v. 16) om. V. — 13. principium B2. — 16sq. Audi nunc etom.
V. — 17. regni sui B. — 2U. omnes reg. ter. per gen. om. V. — 21. serviet
V. — 21. movebitur V. — 22 sq. Ab Item in usque ad et iustitiam (p. 38
V. 5) om. V. — 29. vocavit B. — 30. discerneret B.
4. Ps. 24, 7. — 8. Ps. 24, 8. 10. — 10. Ps. 110. — 18. Dan. 7, 13. 14.
— 22. Ps. 93, Isq. — 26. Ps. 50, 1—6.
"38 Die Altercatio Simonis et Theophili.
eos qui dispommt testamentum eius in sacrificiis. Et adnuntiabunt
caeli iustitiam eius^ quoniam deus index est. Item in psalmo
XLIY. dicit: Accingere gladium tuum circa femor, i^otentissime
specie tua et indchritxidine tua; intende, prospere procede et regna
5 propter veritatem et mansuetudinem et iustitiam. Item in psalmo
XCV. dicit: Dicite in nationibus: Dominus regnavit a ligno. Item
apud Esaiam: Puer natus est nobis, cuiu^ imperixmn factxim est
super Jiumeros etus, et vocabitur nomen illius magni consilii
angelus. Et si volueris plenitudinem evangeliornm cognoscere.
10 invenies apud lohannem nostrum euntem ad passionem Chri-
stum crucem in humeris sibi portasse, pro quo dicit Esaias:
Cuius imperiiim factum est super hnmeros eius. Item in psalmo
LXXL: Deus, iudiciurn tuum regi da et iustitiam tuatn flio regis,
iudicare p}opulum tuum in iustitia et pauperes tuos in iudicio.
la Suscipiant Tnontes pacem. populo tua et colles iustitianm; iudicabit
egenos populi et salvos faciet jilios pauperumj et humiliabit ca-
lumniatorem; et permanebit cum sole et ante lunam in genera-
tiones generationum. Orietur in diebus eius iustitia et habundantia
pads, donee e^tollatur luna. Et dominabitur a mari usque ad
20 mare et a Jluminibus usque ad terminos orbis terrarum. Coram
illo decident Aethiopes, et inimici eius terravi Unguent, et adora-
bunt eum semper, tota die benedicent eum. Et erit firmamen-
tum in terra in summis Tuontibus, superextolletur super
Libanum fructus eixis., et fiorebunt de civitate sicut foenum
25 terrae. Sit nomen eius benedictum in saecida saecidorum, ante
solem permanet nomen eius, et ante lunam sedes eius, et be-
nedicentur in eo omnes tribus terrae., omnes gentes magnifica-
bunt eum.
26. Him.: Omnia quidem in Christo praefigurata manifesta
3oprobatione per scripturas meas milii ostendisti, et volueram
quidem credere, si non me psalmi istius deliberatio revocaret.
3. femur B'^. — 5sq. Item in jjsalmo dicit om. V. — 7. est piim. om. V.
— 7. factum est om. V. — 7. factiis B. — S. humerum V. — 8. illius B . . .
eius V. — 9. volueris omnem V. — 11. sibi in humeris V. — 11. cruceui
eum in umeros B. — 11. hnec elicit V. — 12 sq. A Cuius imperium usque
ad nmgnificabunt eum (v. 28) om. V. — ISsq. iudicavit egenusB. — 16. hu-
miliavit B. — 30. prae scripturis meis V.
3. Ps. 45, 4. 5. — 6. Ps. Ofi, 10. — 7. Isa. 9, 6. — 13. Ps. 72.
Der Text. 39
Nam hie psalmiis in Salomone dictus est; adeo titulus eius te
revincet. cum dicat: Psalnms in Halomone.
Th.: Invisor ille, qui protoplastum fefellit et populum ve-
strum modo decipit, per cuius invidiam mors in orbem terrarum
venit, hie videlicet et sensum cordis tui oceupavit, ut rem mani- 5
festam et in hice positam rursus non intellegas. Salomon enim
intra certa in ludaea quadraginta annis regnavit a Dan usque
ad Bersabee et postea dehquit, sieut in Basilion libro tertio
dicit: Et fecit Salomon malignum, et non ambulavit in via 2)atris
sui David, et aedificavit excelsum Chamos^ idolo Moab, et regi^^^
eornm, idolo Jiliorum Ammon., et Astaron, idolo abomination is
Sidonionim; et excitavit dominus satanam ipsi Salomoni Ader
Idvmaenm ad eradicandum eiin^; Christi autem regnum ultra
incognitas solitudines est porreetum; de quo deus per prophetam:
Et permanebit cum sole et ante liinam in generationes genera- 15
tionnnij et dominabifur a mari usque ad mare et a fiuvmie usque
ad terminos orbis terrae. Quid, de Salomone hoe dicit, cuius
regnum et annos superius tibi ostendi? Christus autem semper
et ubique regnat.
27. Sim.: Recedit, quia video, de mentibus meis inimicus2i)
patrum meorum diabolus. qui oculos cordis mei caecabat. Coepi
enim velle lumen veritatis agnoseere.
Th.: Crede ergo tu, ut possis de singulis inlumiiiatus de
Isq. est: Deus iudicium tuitm, queni duclam mihi proposuisti ; adeo ut ti-
tulus eitis te revincat V. — 4. modo om. V. — 4. dece^iit VB". — 4. ter-
rae V. — h. et om. V. — 5. sensus V. — 5. praeoccu2)avit V. — 6. hi-
ceni V. — 6. rursus B . . . errolhis V. — 7. intra certa ludaea B . . . in
ludaea V . . . intra certa in ludaea edidi. — 1. a Dan \ ... ah adam B. —
8. ad om. V. — 8. Basilion V . . . regnorum B. — 9. dicitur V. — 9. ma-
lum V. — 10. David 2>citr is sui, sed V. — lOsq. Verba ab aedificavit us-
que ad Sidoniorum in B misere deformata sunt falsis admixtis; V habet
idola. — 12. dominus B . . . deus V. — 13. ad eradicandum eutn om. V.
— 13 sq. Christi autem regnum in omni porreetum est orbe terrarum; ideo
de eo lyropheta commemorat dicens: Permanebit V. — 15. generat. generat.
B . . . saecula V. — 17. Non de Salomone dicit V. — 18sq. A Christus us-
que ad regnat om. V. — 20. Recide quia B . . . recedit, ut V. — 2(). de
sensu meo V. — 21. oculos cordis mei B . . . menfem meam V. — 22. enim
V . . . animum B. — 22. relle 0111. Y. — 23. tu ut j^ossis de sing. om. Y.
9. I Reg. 11, 6. 14. — 15. Ps. 72, 5. 8.
40 Die Altercatio Simonis et Theophili.
vinculis exire tenebranim, sicut Esaias de Christo dicit: Spintus
domini super me, propterea unxit me, et misit me hene nuntiare
pauperihus ^ sanare contritos corde, educere e vinculis adligatos
et e domo carceris sedentes in tenebris et umbra mortis, dare
5 lumen caecis. Quid enim iiitellegitur domus carceris et homines
in vinculis oppressi nisi saeculi istius homines ignorantiae cae-
citate detenti et diaboH peccatis vinculati? sicut in Genesi dicit:
Aderant tenebrae super abyssos, et dixit deus: Fiat lux; homines
tenebris ignorantiae caecati, sed adveniente kimine recedent
10 tenebrae.
VII, 28. 8i7n.: Occulta et inaudita mihi manifestasti , sed
adhuc animae meae inest scrupulnm diffidentiae, eo quod omnia
religiose colitis, sabbatum vero, quod deus custodiendum ser-
vandumque mandavit, neglegitis. Cibos praeterea et \inum
ISgentiliter sumitis, cum deus specialiter praeceperit, quaeque
debeant ex animalibus et piscibus esse edenda quaeque ex-
secranda nee morticina illorum tangenda. Nisi mihi et hoc
per scripturas probatum fuerit, periclitor credere.
Th.: lam et superius dixi tibi quod et diabolus invideat
20tibi, quod scilicet filius sis patrum tuorum, qui tot beneiiciis
fulti et ab Aegypto liberati — ad vicem muronim mare circum-
stetit undas — , heremo largis dapibus adparati caelestique cibo
manna saturati, in oblivione transgressi profanos deos, quos
1. tenebrarum om. B. — 1. sicut B . . . sic enim V. — 2. et om. V.
— 3. de vinculis V. — 4. Post carceris pergit V : aperire oculos caecoruin.
Quid aliud intelligi potest, nisi saeculi istius homines ignorantiae caecitate
detentos et diaholi vinculis alligatos, cetera omittens; in B clausula (v.
8sq.) enuntiationis corrupta est: hominmn teneb. ignor. caecatos. — 11.
Occulta B . . . multa quidem V. — 11. manif. mihi V. — 13. religiose B
. . . relegisse V. — 13. quod B . . . quern V. — 15. quae V. — Ifi. ex piscibus
V. — - 16. edenda B .. . sunienda V. — 16 sq. et quae excevenda '-el exse-
cranda V. — 17. mortua V. — 17sq. nisi hoc p. s. probaveris V. — 19. lani
sup. dixi, quod diab. V. — ^21. fulti V . . . fulcitus B. — 21. et ab B ... ex
"V. — 21. liberati V . . . liberatus B. — 21 sq. ad vicem mur. mare circums.
undas B . . . ad vicem metallini aeris rubri maris littora circumsteterunt
V (locus in utroque codice vix sanus est\ — 22. herem. larg. dap. ad-
paratus B . . . imde largis etiam dapibus apparati V. — 22. coelesti (sine
cibo) V. — 23. saturatus B. — 23. in om. V. — 23. transgressus B.
1. Isa. 61, 1. — 8. Gen. I, 2. 3.
Der Text. 41
colerent, uusi sunt postulare. Merito deus per Hieremiam iii-
crepat et obiurgat genus vestrum dicens: Si timtahit Aetliiopus
colorem et pardus vartetatem^ sic et vos mutamini a doctrina.
Mala sabbata, scilicet im^ginaria requies septimi diei tradita
fuit, primum quod lesus filius Nave, ut Hierico debellaret, per 5
septem dies ^deibus muros circuibat, arma bellica tractantes et
arcam testamenti gestantes; septima autem die septies circui-
erunt. Manifesta Veritas est quod aut sabbato coeperunt aut
in sabbato cadentibus muris Hierico debellaverunt. Et illud
quod in Machabaeis maximam victoriam de inimicirf suis sabbato 10
reportabant et ultionem adversariorum gladiis suis sabbato vin-
dicabant. Accedit et illud quod humanum sabbatum repellat
deus dicente Esaia: leiuniuin et dies festos vestfos et sabbata
cestra odit aniitia tnea. Facti estis mihi in habundantiavi ^ iam
)ion dimittain peccata vestra. Illud autem sabbatum deus desi- 15
derat, requiescere te debere ab operibus malignis, ut in septimo
millesimo anno, quod sabbatum sabbatorum intellegitur, mundus
ab operibus malis inveniaris. Haec erunt sabbata tenera sancta
deo, in quibus deus delectatur. Cibos autem, quos abigis, man-
ducare debes: non carnes suillas, sed facta porcina prohiberis 2o
admittere. Similiter aquam luto mixtam volutas, sororem tuam
tibi in coniugio copulas, sanguinem cum sanguine iungis, '
rapinis teiTam perscrutaris, festa tua pviblicas, in plateis oras.
Ecce quomodo peccas et non intellegis de te scriptum esse in
1. colere B. — Isq. Merito de vobls Hierem. dixit V. — 2. mutavit B. —
2. Aethiops V. — 3. mutamini a doctrina B . . . edocta V. — 5. filius om.
V. — 6. sej)tem diebiis vicissim V. — 6. tractantes et om. V. — 8. quod
om. V. — 9. debtllaveritB. — 9. Ab Et illud usque ad lindicabant (11) om.
V. — 12. et illud om. V. — 12sq. deus repelUt V. — 13. diem festum vestrum
V. — 14. vestra om. V. — 1-1. Facti estis mihi in habu». B . . . fecistis
mihi taedinm- V. — 14. iam om. V. — 16. debere om. V. — 16. malis nt
V . . . malignis et B. — 16. in septimo om. V. — 17. intellegitur B ... est
V. — IS. inven. ab op. malis V. — 18sq. e7-it sabbata tenera sancta deo, in
qua B . . . erunt sancta tenenda, in qua V (locus in utroque codice vix
sanus est). — 19. delectetur V. — 19. Cibus autem quod ambigis V. —
20. debes edidi . . . debere BV. — 20. porcorum V. — 21. aqua mixto luto
voluptas V. — 21. cum sororem B^. — 22. coniugio B . . . concubitu V. —
22. cum sanguine iungis B . . . sanguini incitas V. — 24. esse om. V.
2. lerem. 13, 23. — 5sq. los. 6.— lOsq. II Maccab. 15. — 13. Isa. 1, 13. 14.
42 Die Altercatio Simonis et Theophili.
psalmo XVI.: Saturati sunt 2>orcina et reliquerunt reliquias
parvidts sui's; hoc est peccatum vestrum posteritati vestrae
propaginis. De piscibus autem squamis cutem vestitis vesci-
mini; cetera autem, quae vitare fingitis, retibus extracta et in
5 multitudine piscium pennixta, penitus exsucata per liquamen
dulciter manducatis. Vinum autem Christianorum ostende milii
per scripturam ubi prohibitum acceperis, et recte me vincere
poteris. Ego autem ostendam tibi, ubi ludaicum vinum prohi-
betur, et azymas tuas manducare vetamur. Audi Esaiam pro-
lOphetam dicentem: Manns vestrae sangmne j^lenae su7it, lavammi,
mundi estate. Item in psahno XIII. dicit: Veloces pedes eorum
ad effundendum sanguinem. Gontritio et infelicitas in rii's eorum,
et viam pads non cognoverunt. Ecce quales pedes, et quibus
manibus vinum et azymas conficiunt! Et in Deuteronomio dicit:
\hDe vinea enim Sodomorum vinum eorum, et propago eoriim ex
Oomorra. Uva eorum uva fellis, et hotrus atnaritudinis in ipsis.
Furor draconuin vinum eorum, et furor aspidum insanabilis.
Nonne haec congregata sunt apud me et signata sunt in thesauris
meis? Si his tot et tantis testimoniis revictus, Simon, credere
20 nequiveris, saluti tuae contradicis. Lege scilicet Danihelum, et
invenies Nabuchodonosor dicentem: Nonne tres viros in foma-
cem misimus'!^ Ecce video quattuor vivos et fades quarti simili-
1. XVI. om. V. — \. liorcina'Q . . . fih'is V. — 1. reliquias B . . . quae
superfuerunt V. — 2. et posteritatis vestrae (sine propaginis) V. — 3.
squama cute vescimini B . . . sqtianiis cutem vestitis comeditis V. — 4. con-
figifis vitare V. — 5. multitiidinem B. — 5. exsiccata in liquamine V. —
7. scripturas V. — 7 sq. uhi sit prohibitum hibere et azymas (cetera desunt)
V. — 9. azymas V . . . escas B. — 9. Audi Esaiam B . . . audies V. —
9. In V Isa 59, 7 loco Isa. 1, 15 antecedit. — 10 sq. lavamini, mundi
estate om. V. — 11. Item in ps. XIII. dicit B . . . Et rursus V, — 12. A
Contritio usque ad conficiunt (v. 14) om. V. — 14. dicit om. V. — 15. enim
om. V. — 15. vinum B . . . vinea V. — 16. et om. B. — 16sq. In ipsis furor
B . . . ira V. — 17. et furor B . . . ira V. — 18sq. A Nonne usque ad
meis (v. 19) om. V. — 19. Si om. B. — 19. revictus om. V. — 19. rel si
credere B. — 20. nequiveris B . . . nolueris V. — 20. scilicet B . . . Simon
V. — 21. Nabuch. dicentem: Nonne B . . . Nahucod. barbarum, filium dei
ipse cognovit, quem tu tardus agnoscere: Nonne\. — 22 sq. similitudoB ...
si m His V.
1. Ps. 17, 14. — 10. Isa. 1, 15. — 11. Isa. 59, 7. — 15. Deut. 32.
32—34. — 21. Dan. 3, 24. 25.
Dor Text. 43
tudo JUii del: Quid dicis, ludaee? Nabuchodonosor barbarus
filium dei cognovit, quern tu tardas invenire. Et vide ue in
te inpleatur Ambacuc prophetae invectio. Videte, contemtores, et
inspicite et admiramini, quoni'am ego opus operor in diebus vestris,
quod non creditisj si quis enarraverit vobis. 5
VIII, 29. Sim.: Lator salutis, Theophile, aegrotorum bone
medice, nee ultra quid possum dicere; iube me catezizari et
signo fidei lesu Christi consecrari. Arbitror enim, per raanus
inpositionem accepturum me delictorum ablutionem.
TJi.: Immo beuedictionem: sic Isaac lacob benedixit, et perlo
manus benedictionem accepit, ut maior fieret ex minore; sic et
Efrem et Manasse per inpositionem manuum dilatati sunt.
30. Tunc Theophihis Simonem Indaeum tinxit, et adeptus
est fidem. Simon gratias agere coepit dicens: Gratias tibi ago,
lesus, quem nunquam vidi ad faciem, nunc autem credo in te. 15
Gratias tibi, lesus, quem nunquam audivi, nunc autem audio.
Invoco te, lesus, cuius sensum antea non habui, nunc autem
cupio in te sensum meum esse, per quem cognovi Theophiluni
discipulum tuum. Domine lesus, si fide dignus sum, et ad tuam
agnitionem confirma me. Tu enim errantibus viam demonstras 20
et perditos revocas et mortuos suscitas et infideles fide tua
confirmas et caecis oculos cordis inluminas. Tu es ipse taber-
naculum sanctum, qui fuisti cum patribus nostris in deserto;
1. flio B. — 1 sq. A Nabuch. usque ad invenire om. V. — 2. Et om.
V. — 3. Amb. ])^'oph- inventio B . . . invectio Abac, prophetae dicentis V.
— 3. contemptoreoi B. — 4. admiramini B . . . desperate V. — 5. nar-
raverit V. — 6. aegrorum V. — 7. nee ultra quid possum dicere B . . .
neque ultra differre i^ossuni V. — 7sq. catazizare et signum B. — 8. lesu
om. V. — 8. quod per ^'^\. — 8. manuum tuarumY. — 9sq. imp)ositionem
me peccatorum meorum aboUtionem, immo sicut lacob benedixit et per im-
2)os. manus accepit, ut maior fieret ex minore, sic Epphraim et Manasse
pier impos. dilatati sunt manuum (quae interposita sunt, omittens) V. — 13.
Judaeum om. V. — 13. tinxit V . . . unxit B. — 14. est om. B. — 14. agere
deo V. — 14. ago tibi V. — 15. non vidi facie ad f. V. — 15. in te spirit n
et tota mente V. — 16. ago tibi V. — 16. non audivi V. — 16. audito V. —
17. Invoco lesuY. — 17. ante V. — 19.«q. Domine lesu Christe, si quidem
dignus sum tua convocatione, confirma me. Etenim errantibus V. — 20.
veniens confirma B^. — 21. et secundum et tertium om. V. — 21sq. in
fide tua configuras V. — 22 sq. tabern. sanct. om. V.
3. Abac. 1, 5. — 10. Gen. 27. — 12. Gen. 48, 19.
44 Die Altercatio Simonis et Theophili.
tu candelabrum luminis, tu altarium et panis propositionis , tu
ara, tu victima voluntaria; tu es, clomine, vita et margarita,
cristalluiu, magnum aratrum. Oro, domine, ignorantiae et in-
credulitatis meae ne memineris; tu es enim, ubi cuncta bene-
5ficia praestantur. Tu es qui mihi omnia donare dignatus es,
Tibi sit honor et potestas et in cuncta et in mortalia in saecula
saeculorum. Amen.
1. tu es candelahrorum lumen, tu es Y. — 1. pi'opositlonum V. —
1 sq. tu es ara etY. — 2 sq. tit es ipse vita mea, margarita, cristallttin, iur/uni
argenteum V. — 3sq. ignorantiam meam infelicitatis meae Y. — 4sq. tu enim
absconsa beneficia praestans es, qui mihi dignatus es omnia ostendere Y
. . . absconsa beneficia praestans es, qui mihi omnia donare dignatus es C.
— 6sq. Tibi sit honor, potestas, laus, gloria hie et in cuncta saecula saecu-
lorum. Amen. Y.
Anmerkungen •").
P. 15, 5. Unter lex ist das gesammte A. T. zu verstehen. Im 4. Jahr-
hundert ist das Wort sogar Bezeichnung fiir beide Testamente geworden ;
s. z. B. Optat. I, 11: „Catliolicam facit simplex et verus intellectus in
lege". II, 5: „In qua lege scriptum est: Pax hoininibus in terra bonae
voluntatis?" S. Ronsch, Ztschr. f. hist. Theol. 1872 S. 221.
P. 15, 5. Es ist beaclitenswerth , dass der Jude Simon als ein Unbe-
kannter, der Christ Theophilus dagegen als ein den Lesern Bekannter
eingefiihrt ist. Man wird dies wohl zur schriftstellerischen Fiction rech-
nen diirfen; aber eben diese Fiction gab spiiter Anlass, in dem christ-
lichen Disputanten einen beriihmten Theophilus, also z. B. den alexandri-
nischen Bischof, zu erkennen.
P. 15, 6. Minucius Felix 9, 4; 29, 6: „Cruces etiam nee colimus nee
optamus", TertuU. Apolog. 1(3: „Qui crucis nos religiosos putat". Das
Wort „crucicola" (arai()o/ar(>7;<;) kommt bei den alteren lateinischen Kir-
chenvatern nicht vor. „Signifer" ist hier wohl in der Grundbedeutung
zu nehmen und nicht als „Anfuhrer" zu verstehen.
P. 16, 4. „Nazaraei" wird in der alteren Literatur als Bezeichnung
der Christen nur Act. 24, 5 und TertuU. adv. Marc. IV, 8 {„Unde et ipso
nomine nos ludaei Nazaraeos appellant per eum") gefunden. Im 4. Jahrh.
s. Epiphanius und Hieronpnus.
31) Parallelstellen aus Justin, TertuUian, Cyprian und Lactantius sind
hier nur sparlich mitgetheilt, weil sie in den folgenden Paragraphen auf-
gewiesen werden sollen. Eine eingehende Erklarung der Altercatio ist
nicht beabsichtigt, vielmehr werden nur einzelne der Erlauterung beson-
ders bediirftige Stellen zur Sprache kommeu.
Anmerkungen. 45
P. IG, 16. Tertull. adv. Marc. IV, 20: „naec erit fides, quae contu-
lerat etiam intellectum. Nisi credideritis, inquit, non intellegetis".
P. 16, 20. Die in der Altercatio solenne Bezeichnung I'vir Christus
..deus et dei filius" ist aueh die dem Justin geliiufige und entspricht dem
johanneischen 9sdc fxovoyevrjq.
P. 16, 21 sq. Die Beziehung von Isa. 44, 6 auf den duplex adventus
Christi. und von Deut. 32, 39 auf den Antichrist ist sehr originell und
altertliiinilicli.
P. 17. 20. Ygl. das „receptior" Tertullian's de pudicit. 20.
P. 17, 21. Auf diese Baruchstelle haben sich nach Hippol. c. Noet. 2
dieromischenMonarcliianer berufen; s. auch Tert. adv. Prax. 16. Kneucker
(das Buch Baruch 1879) halt sie fur eine christliche Interpolation.
P. 18, 4. 5. Der Text ist hier augenscheinlich verderbt.
P. 18, 23. Das ,,eius" ist auffallend; vieUeicht bezieht es sich auf
Veritas zuruck. Zu der Phrase in pri7icipio = in Christ 0 s. Routh,
Reliq. S. I p. 98 sq. Texte u. Unters. I, 1 S. 117f.
P. 19, 2. Zur Sache s. Barnab. 5, 5 u. Just., Dial. 62.
P. 19, 5sq. Hier stimmt der Text wortlich mit Hebr. 1, 5.
P. 19, 7. Die LXX bieten nQazoxoxov (fiir „principera"). Dieses
Wort hat der Verf um des ..principium" willen gewahlt.
P. 19, S. Hebr. 1, 6.
P. 19, 25sq. Die Parallelisirung der Entstehung des Christus mit der
Schopfung des Menschen ist beachtenswerth ; s. II Clem. 14, 2: inoiriaev
6 &eog TOP av^gwnov nQaev xal d-ijlv to agatv iatlv 6 XgiOTOC.
P. 19, 27. TertuUian citirt adv. Marc. IV, 14: „Sic et retro in Ba-
siliis Anna mater Samuelis"; adv. Marc. IV, 21; ,,Habes tertiam Basi-
liarum; si et quartam resolvas etc."
P. 20, 5. Die Worte ., fides (fidem) consequetur domum (domus) eius"
fehlen im Grundtext und bei den LXX; den Lateinern sind sie bekannt.
P. 20, 19. LXX: ).6yov avvxsXdiv y.al avvxifxvtov ev dixaioavv^ xz?..
P. 20, 25. AehnHches sehr oft bei den Apologeten ; zu „legera novam"
s. meine Note zu Barnab. 2, 6.
P. 21, 2. Der Verfasser hat irrthiimlich Jerem. 6, 10 als jesajanisch
citirt.
P. 21, 3. Der Text (..Nam si etc.") ist augenscheinlich in beiden Hand-
schriften verderbt. Martene's Conjectur „Non velles prophetam nostrum
lohannem etc." verbessert nichts. Zur Bezeichnung des Johannes als Pro-
pheten vgl. Tertull. adv. Marc. IV, 24: „Tam apostolus Moyses quam et
apostoU prophetae". In spaterer Zeit gilt bekanntlich Johannes als der
neutestamentliche Prophet xaz^ i^oxvv.
P. 21, 6sq. Wie alle alteren Vater, so lasst auch unser Vert'asser den
Satz Joh. 1, 3 mit otde tv geschlossen sein.
P. 21, 7. Vgl. die Theorie, welche Justin Apol. I, 36 entwickelt hat.
P. 21, 8. Das Buch Jesus Sirach wird hier als salomonisch einge-
fiihrt; s. Cypr. Testim. II, 1; Chrysost., Synops. (Migne t. LVI p. 370).
An letzterer SteUe wird mitgetheilt, dass Manche das Buch fiir salomonisch
46 Die Altercatio Simonis et TlieopMli.
halten. Zur Verwechselung gab der Umstand Anlass, dass das Buch
ebenso wie die Proverbien und die Weisheit Salomonis den Titel ?)
TiavccQezog aocpia fiihi-te; s. Lightfoot zu I Clem, ad Cor. 57 u.
vgl. Kihn, Theodor v. Mopsv. S. 77 n. 1. Die Worte von „primogeni-
tus" bis „indeficiens" stehen bekanntlich nicht ini griechischen Texte,
sondern sind ein alter lateinischer Zusatz; s. Fritzsche, Libri apocr. V.
T. p. 445.
P. 21, 12. Der christliclie Disputant wird bier wie an anderen Stellen
nicht als ein geborener Jude vorgestellt.
P. 21, 14. Die Stelle aus den Proverbien ist sehr -willkurlicli be-
handelt. So hat der Verf. „in principio" hinzugesetzt.
P. 21, 23. Tertull. de orat. 20, de bapt. 17: ,,sanctissimus apostolus".
— Man erinnert sich hier an II Cor. 3, 13sq. 16.
P. 22, 3sq. Das Citat aus Daniel (LXX, nicht Theodotion) ist durch
Zusatze entsteUt und weicht sehr stark von den griechischen Texten ab.
P. 22, 9. „siluerunt", s. Justin und die Apologeten. Das folgende
Citat aus Jesajas ist wiederum ein sehr freies, ebenso die daran sich
schliessenden.
P. 23, 6. Der Verfasser hat Salmanassar und Sanherib verwechselt.
P. 24, 6sq. S. Tertull. adv. Marc. Ill, 13. Der emphatisch dazwi-
.schengestellte Satz: ,,Hoc credimus et sic fidem nostraiu custodimus" ist
auffallend. Es scheint, als habe der Verfasser gegen den Doketismus
Zeugniss ablegen woUen.
P. 24, 8. Circumcisus ; s. Luc. 2, 21.
P. 24, 9. Dulcedo doctrinae; diese Auslegung kommt sonst meines
Wissens in alterer Zeit nicht vor.
P. 24, 11. S. Matth. 2, 11. Tertull. adv. Marc. Ill, 13. adv. lud. 9.
Just., Dial. 77. 78 fin. Ueber die Bekehrung des eigentlichen Samariens
spricht sich Justin (Apol. I, 53) sehr ungiinstig aus; aber unserem Ver-
fasser ist Saniarien Reprasentantin der Heidenwelt.
P. 24, 14sq. Justin (nach ilim Tertullian) deutet den rex Assyriae auf
Herodes ^Dial. 77. 103).
P. 24, 23 sq. Maria wird vom Verfasser fiir eine Davididin gehalten;
s. Just., Dial. 43 n. 2. Die „virga" wird von Justin, TertuUian u. A. auf
Christus bezogen; aber Tertull. adv. lud. 9 heisst es: „Et nascetux*, inc^uit,
virga de radice lesse, quod est Maria".
P. 24, 30. Im 2. und 3. Jahrhundert hat man diese Frage noch
nicht bejaht, im Gegentheil ausdriicklich verneint (im Gegensatz zum
Doketismus) ; s. Tert. de came 23; Orig. Honiil. 14 in Luc. Anders hat
erst Hieronymus geurtheilt (adv. Helvid.).
P. 25, 13sq. Diese Worte finden sich in keinem der uns bekannten
Biicher Baruchs; sie sind ohne Zweifel christUchen Ursprungs, und zwar
stammen sie friihestens aus dem 4. Jahrhundert. Ueber „iaculatus" (er-
zeugt) s. Ronsch, Itala u. Vulgata S. 300.
P. 25, 15. Die Erwahnung der „tunica" hier ist auffallend; wahr-
scheinlich ist eine Textescorruption zu statuiren. Unter der „tunica de-
Anmerkungen. 47
supei' contexta" ist vielleicht tier wunderbtir erzeugte Leib zii verstehen.
Das Bilcl kommt auch sonst vor.
P. 25, 19. „Illius" steht fur „Tot"; s. Ronsch, a. a. 0. S. 419f. Auch
bei Cypr. , Testini. II, 12 steht: „illius Effrata". Ueber die Form „pro-
diet" s. Ronsch, a. a. 0. S. 292 f. An derselben Stelle haben Augustin
(de civit. XVlII. 30. 32) und Cod. Weingart. dieselbe Form.
r. 25, 26. „Superius"; s. Ill, 14 (p. 24, 8).
r. 26, 12. S. Barnab. 9, 6; Just., Dial. 28; Tertull. adv. lud. 3.
P. 26, 13sq. S. Tert. adv. lud. 3.
P. 26, 27 sq. Auch TertuUian (de pudic. 9) nimmt an, dass alle ZoUner
in Palastina Heiden gewesen seien (speciell auch Zacchilus, s. adv. Marc.
IV, 37). Dagegen Hieron. ep. ad Danias. (s. d. Note Martene's): ,, Quasi
vero et Matthaeus non ex circumcisions fuerit publicanus, et iUe qui cum
Pharisaeo in templo orans oculos ad coelum non audebat erigere, non
ex Israel fuerit publicanus . , . aut cuiquam credibile possit videri ethni-
cum templum ingressum, aut dominum cum ethnico habuisse convivium".
Mt. 9, 9. Luc. 19, 2.
P. 27, 2sq. S. Barnab. 13 n. 5.
P. 27, 5. „Iam non"; der Verfasser gesteht also wie Justin zu, dass
die Beschneidung am Fleische einst geboten war.
P. 27, 12. Aehnlich Barnab. 13, 5; anders hat TertuUian (de bapt.
S) die Stelle erklart.
P. 27, 14. Bin vom 3. Jahrhundert ab haufig gebrauchtes Bild.
P. 28, 2. Diese AUegorie ist bei den alteren Vatern nicht gebrjiuch-
lich. Sie beziehen die gladii petrini auf Christus. Die Hervorhebung des
Petrus ist bemerkenswerth.
P. 29, Usq. Vgl. Luc. 24, 25 f. Auch Justin sieht hierin den letzten
Grund des Todesleidens.
P. 29, 14. S. .p. Ill, 11 (p. 21, 2).
P. 29, 19sq. S. Act. 2, 29 und Aehnliches bei Justin.
P. 30, 16. In dem Citat Num. 23 ist wohl absichtlich die Negation
weggelassen.
P. 30, 18. LXX: a.SeX(pi86q fiov Xevxog xal nvQQog ixXeloxiafiivoq
and fxvQLdScov. Hieraus hat der Uebersetzer die messianische Weissagung
gemacht: „lancea conpunctus a militibus".
P. 31, 20. Die Formen folia, foHarum habe ich nicht zu corrigiren gewagt.
. P. 33, 7sq. Der „praedictus adventus" kaun nur die zweite Ankunft
sein; aber von dieser war bisher eigentlich noch gar nicht die Rede.
P. 33, 11. ..Annum"; hiezu bemerkt Martene: Eamdem opinionem
secuti sunt inter Latinos Tertullianus (lib. c. ludaeos) et Lactantius (libro
IV. Institut.). Nullus vero, quern sciam, post saeculum quartum, si tamen
ununi excipias Orosium. Hinc scriptoris antiquitatem coUigas.
P. 34, 15sq. S. Just., Apol. I, 36.
P. 35, 9. Der Verfasser hat hier irrthiimlicher Weise das Deutero-
nium citirt; die SteUe steht im Exodus.
P. 36, 3sq. S. Mt. 27, 45.
48 Die Altercatio Simonis et Theophili.
P. 36, 7sq. Der Vers ist durch willkiirliche Textanderung zu einer
messianischen Weissagung umgestaltet worden.
P. 37, 5. Das „sciebant" des Cod. B ist kaum ertraglich; ich habe
daher die LA „nesciebant" vorgezogen.
P. 37, 7. Martene conjicirte „roinphaeam".
P. 37, 13 sq. Hier ist der Text in B augenscheinlich verderbt; in Y
fehlt die Stelle.
P. 37, 17. Der Verfasser folgte bei Anordnung der letzten Citate ziem-
lich streng dem Symbolum. Der Ausdruck ,,de claritate etc." zeigt, dass
er ein Symbolum vor Augen liatte, welches die Worte ndXiv naQaysvri-
oofxevov iv do^y xpizi/v xzL enthielt. Der Zusatz iv do^y ist ein orienta-
lischer: er kommt im romisclien Symbol nicht vor, wohl aber auch in
iilteren abendlandischen regulae fidei. S. Vetustiss, eccles. Rom. symbol,
illustr. (PP. App. 0pp. I, 2 p. 118 not. p. 140).
P. 88, 6. Ueber den alten Zusatz „a ligno" vgl. Miiller, Barnabas-
brief S. 213f.; Otto zu Just., Dial. 73 (Apol. I, 41).
P. 38, 10. S. Job. 19, 17.
P. 40, 8sq. „Homines, sq."; der Text ist hier wahrscheinlich verderbt.
P. 40, 14 sq. Im mosaischen Gesetz ist bekanntlich derWeingenuss nicht
verboten; der Satz ,,cibos et vinum gentiliter sumitis" ist daher auf-
fallend. Vielleicht ist nur im Allgemeinen auf den unbefangenen Tisoh-
verkehr der Christen mit Heiden angespielt. Allein wahrscheinlicher han-
delt es sich um eine asketische Zumuthung.
P. 40, 21 sq. Auch in B ist hier schwerlich der Text zuverlassig iiber-
liefert. Die -Worte „ad vicem murorum mare circumstetit undas" sind
vielleicht eine coiTumpirte Glosse.
P. 41, 4. Schon Zacagni hat in seiner Ausgabe der Acta Archelai
c. 31 zu den Worten: ,,Hoe in loco pervideo, magnificum dei famulum
Moysen imaginariam legem his, qui recte velint videre, tradidisse, et
legem veram etc " unsere Stelle verglichen.
P. 41, 6sq. Vor „arma bellica" oder nach „gestantes" ist vielleicht
etwas ausgefallen.
P. 41, 13. Die Jesajasstelle ist sehr willkiirlich zurechtgemacht.
P. 41, 16 sq. Zum septimus millesimus annus, der natiii'lich das 7. Jahr-
tausend bezeichnen soil, s. meine Noten zu Barnab. c. 15. Der Ausdruck
sabbatum sabbatorum kommt sonst meines Wissens nicht vor.
P. 4], 18. Der Ausdruck „sabbata tenera sancta deo" ist vielleicht
nicht zu halten ; ich habe aber nicht gewagt, ihn zu corrigiren. Hat man
an Isa. 58, 13: ta rgvipsQci. od^^ata (Justin., Dial. 12 fin.: xa rpvcpegh
xal nXrjStva aa^^iaxa.) zu denken?
P. 41. 20. Zu „non cames suillas" s. Barnab. 10, 1. 3.
P. 41, 21 sq. Worauf der Verfasser mit dem „aquam luto mixtam
volutas" abzielt, ist mir vollig unklar, und ich vermag keine Hyijothese
aufzustellen, um den Sinn seiner Worte zu erklaren. Auch der folgende
Vorwurf auf Blutschande, der den Juden gemacht wird, ist sehr auf-
fallend; nur im Allgemeinen erinnert man sich an Rom. 3, 13f. (s. auch
Aninei-kuiigen. 49
Matth. li). Dor Verf. muss, wie audi das Folgeude zeigt, erne gewisso
Kenntniss concreter Zustiinde in den jiidischen Gemeinden besitzen.
P. 42, 1. Die Psalmstelle ist vom Vevf. willkiirlich gemodelt worden.
P. 42, 3sq. Dieser Vorwurf", der gewiss nicht aus der Luft gegriit'en
ist, ist uieines Wissens von den Kirchenvatern sonst den Juden nicht ge-
niacht worden.
P. 42, G— 9. Die Unterseheidung von ,,vimuu ludaicuni" und ,,Chri-
stianuni" ist nicht deutlich. Will der Christ sagen, dass die Christen
sorglos Wein trinken diirfen, wahrend das Weinverbot bei den Juden —
ein solches scheint der Verfasser vorauszusetzen — durch das A. T. be-
reits festgestellt sei? Sicher ist diese Annahme nicht. Jedoch erhalt der
folgende Satz „azynias tuas manducare vetamur" sowie manches von dem
vorher Bemerkten eine willkommene Beleuchtung durch den 70. Kanon
der Apostel: El' xiq inlaxonog i} nQSoiivtsgog ?} Siaxovoq . . . vtjotsvoi
fxeza 'lovdaUov ?} koQzd^oi [xex' avxdtv tj Ssxaiac nag' avxdiv xa xifiq
eoQxrjg ^evia, oiov nL,vfxa ^ xi xoiovxov, xa&ai^fla&o}, fl dh ka'Cxoc,
A(poQi'C,eaS^cD. Dazu s. den 71. Kanon und den 37. und 38. der Synode von
Laodicea: „Man soil von den Juden keine ungesauerten Erode annehmen
und an ihremFrevel sich nicht betheiligen". Siehe auch den 35. Kanon
von Laodicea, den 50. von Elvira u. s. w.
P. 42, 11. Irrthiimlich hat der Verfasser den 14. Psalm statt Isa. 59
citirt. In Bezug auf diese Irrung ist es bemerkenswerth , dass Rom. 3,
lOf. die Stellen Ps. 14, 3 und Isa. 59, 7 verbunden sind.
P. 43, 7. „Catezizari", s. Ronsch a. a. 0. S. 248.
P. 48, 8 sq. AuffaUend ist, dass hier und im Folgenden die Handauf-
legung als das wichtigste Stuck bei der Taufe hervorgehoben ist. Statt
des ,,tinxit" Z. 13 best B „unxit". Diese LA ist vielleicht als die schwie-
rigere beizubehalten ; aber sie ware als Bezeichnung der Tauf handlung —
an diese muss doch gedacht werden — sehr auffallend. Ich vermuthe
daher einen blossen Schreibfehler.
P. 43, 14sq. Das Schlussgebet des Simon erinnert an die Gebete der
Thecla.
§ 3. Analyse der Altercatio.
Die Altercatio zerfallt in 29 Fragen und Antworten nebst
einem Sclilusscapitel. Sie kann zweckmassig in 7 Abschnitte und
einen Epilog eingetlieilt werden. Der Autor liisst den Juden die
Streitunterredung beginnen. Ziel derselben soil die Bekehrung
des uberwundenen Theiles sein. Als Beweisinstrument soil
lediglich die Schrift des Alten Testamentes gelten. Der Jude
stellt lueistens ganz kurze Fragen, welclie der Christ ausflihr-
lich beantwortet. Ist dieser mitliin in der Defensive vorgestellt,
so kommen die positiven Argumente des Juden fiir seine Re-
Texte und Uiitersuohungen I, 3. 4
50 Die Altercatio Simonis et Theophili.
ligion iiberliaupt nicht zur Geltung. Fast jede Antwort des
Christen befriedigt den Juden sofort; sie lasst ilira nur Raum
fiir nene Fragen, bis er sich am Schluss flir llberwunden und
liberzeugt erklart. Das Gespracb hat unter diesen Umstanden
niehr den Charakter der Unterreduug eines lernbegierigen, be-
scheideneu iind glaubigen Schiilers mit einem ungedukligen,
tadelsiichtigen und aiisfahrenden Lehrer, als den eines Disputs
ZAvischen zwei gleichgeriisteten Partnern. Am ScWnss der
Wechselreden geht der Christ zu heffcigen Angriffen gegen die
Juden in Bezug auf ihr Verhalten im practischen Leben liber.
1) Als Thema der Unterreduug bezeichnet der Jude den
gekreuzigten Christ us („Ego tecum de Christo crucifixo
contendo"). Der Christ stellt den Satz an die Spitze: „Dicimus
et audenter probamus, dominum deum esse". Der Jude beruft
sich fiir den strengen Monotheismus auf Deut. 32, 39 und Isa.
44, 6. Der Christ erkennt den deus omnipotens invisibihs an,
ihn kennen, wissen und verehren auch die Christen; aber
ausserdem bekennen sie sich zu Christus, dem Gott und
Sohn Gqttes. Das Orakel bei Jesajas: ,,Ich bin der Erste und
der Letzte", beziehe sich auf die zweifache Ankunft Christi; die
Worte „Ausser mir ist kein Gott" seien wider den Antichrist
gesprochen. Auf den Eiuwurf des Juden, dass die Christen also
zwei Gotter batten, wird erwiedert, dass nur ein Gott bei
ihnen verehrt werde, „ex quo Christus et in quo deus". Dieser
Christus sei im A. T., z. B. dem Abraham, erschienen und sei von
den Propheten mehrfach als Gott und Herr verkiindet worden.
2) Der Jude fragt nun weiter, ob denn irgendwo im A. T.
Gott selbst diesen Christus zu einem Gott eingesetzt resp. daflir
erklart habe; denn nur auf eine solche Autoritat hin konne
man ihn wirklich fiir Gott und Gottessohn halten. Der Christ
verweist ihn auf Exod. 7, 1. Dort sei ja Moses als Gott Pharao's
von Gott eingesetzt. Wie nun Moses zum Gott der Unglau-
bigen eingesetzt worden sei, so -sei Christus der Gott der
Glaubigen; jener mithin ein Typus dieses. Wie Moses das
Volk aus der harten agyptischen Sklaverei befreit habe, so
habe Christus die Glaubigen aus der Gewalt des Teufels erlost.
Der Jude ist durcli diese Antwort befriedigt; aber er vermag
nicht zu begreifen, warum es dann nicht Genes. 1, 1 einfach
heisse: ,,Am Anfang schufen der Vater und der Sohn Gottes
Die Analyse. 51
Himmel und Erde". Der Christ erwiedert, dass die Worte „im
Anfang" zu deuten seien „nacli dem Rathe Christi und nach
seinem Willen'*, und dass ja nach Genes. I, 26 f. ausdriicldich
(ler Mensch nach dem Bilde des Gottes Christus und durch ihn
geschaffen sei. Auf den Einwurf des Juden, dass jenes „Lasset uns
niachen" sich an die Engel gerichtet haben konne, wird gezeigt,
dass zu keiueni Engel je etwas Aehnliches von Gott gesagt
worden sei, dass diese vielmehr angewiesen seien, den Christus
anzubeten. Da der Jude noch nicht davon liberzeugt ist, dass
der „Anfangende" (princeps, principium) Christus sei, so wird er
auf Jos. 5, 13 f. A-erwiesen, wo sich der mit Josua Redende als
,,Anfuhrer der Heerschaar der Majestiit des Herrn" bezeichnet.
3) Der Jude ist nun einverstanden: Christus ist der Prin-
ceps; aber seine besondere Gottessohnschaft sei damit nicht
erwiesen; auch die Heiligen hiessen ja Sohne Gottes; anderer-
seits sei unbegreiflich, wie Gott einen wirklichen Sohn haben
konne, da an eine fleischliche Vermischung doch nicht zu
denken sei. Der Christ erwiedert, Christus als der Erst-
geborene sei durch das Wort hervorgebracht und durch ein
Sprechen Gottes in die Existenz getreten. Wie Gott den
Menschen durch seinen Hauch zur lebendigen Seele gemacht
habe, so habe er sein Wort — denn das ist Christus — aus dem
Schosse seines Herzens gezeugt. Dafiir wird eine Reihe von
SchriftsteUen angeflihrt, die unter Anderem aufs neue bewei-
sen, dass Christus schon bei der Erschaflfung des Himmels als
das Wort betheiligt gewesen sei, wie er auch als das erschie-
neue Wort im Fluge die ganze Welt durchlaufen und durch
das neue Gesetz die irrenden Seelen zu Gott bekehrt habe.
Ein Citat aus Proverb. 8 schliesst den Beweis ab. Der Jude
Dieint. die Aussagen hier konnten sich auf die „Weisheit" be-
zieheu. Theophilus erwiedert, dass eben Christus die Weisheit
und Kraft Gottes sei. Hatten doch auch die jiidischen Konige
nicht anders Weisheit und Kraft erlangen konnen ausser ..per
Tocabulum nominis Christi". So wurden sie gesalbt; als aber
der Verheissene kam, da verstummte der Prophetenmund, denn
er war der „Christus Christorum". Von ihm hat namentlich Je-
sajas geweissagt als der Kraft Gottes, dem Herrn aller Herren.
Er hat aber auch die Geburt des Gottessohnes, des Emmanuel,
aus der Jungfrau (c. 7, 10 f) vorherverkiindet. Der Jude will
4*
52 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
diese Weissagung zeitgeschichtlich deuten: Jerusalem sei die
Jungfrau ; in dem Siege uber Salmanassar lial)e sicli die Prophe-
zeiiing erfiillt. Theopliiliis widerlegt diese Deutung: kein Zug
der Weissagung sei nach dieser Auffassung erklarbar. Auf die
Frage Simon's, wie er selbst denn jenes „Butter uud Honig"
erklare, und inwiefern Christus die Beute Samariens empfangen
lialje, wird die Antwort gegebeu, Christus habe wie alle Saug-
linge Butter und Honig gegessen; ausserdem sei unter jener
die Salbung des Geistes, unter diesem die Slissigkeit der Lelire
Christi zu verstelien. Die Bevite Samariens aber habe er in
den Geschenken der Magier sowie in dem Glauben der be-
kehrten Samaritaner und Damascener empfangen.
4) Simon ist nun ilberzeugt, dass Christus sowohl der vom
Vater durchs Wort gezeugte Sohn Gottes als auch der aus der
Jungfrau Geborene sei. Aber wie darf man behaupten, dass
er aus dem Samen Davids in Bethlehem geboren sei? Theo-
philus citirt hierfiir Isa. 11, If. („Exiet virga de radice lesse
etc."); dann fahrt er fort: die „virga" war die „virgo Maria",
eine Davididin, aus der Christus nach dem Fleische geboren
ist. Der Gott, der eine Eselin redend machte, woUte das viel
grossere Wunderzeichen thun, dass Christus aus einer Jungfrau
geboren wurde. Dreht sich nicht — fragt er den Juden — der
ganze Streit zwischen mir und dir darum, ob die Jungfrau
wirklich als Jungfrau geboren habe? Der Jude bejaht dies: er
glaube, sagt er, dass eine Jungfrau vom Geiste empfangen
konne — aber als Jungfrau gebaren? Der Christ erwiedert,
dass Gott ja selbst einen Felsen sprengen konne, ausserdem
habe Baruch geweissagt, dass Maria den Christus clauso utero
gebaren werde; denn es heisse bei ihni: „B[ic unctus mens,
electus mens vulvae incontaminatae". Ganz unvermittelt fahrt
Theophilus nach dieser Digression iiber die bleibende Jung-
frauenschaft der Maria, die durch keine Frage des Juden ver-
anlasst war, fort, das, woruber Simon wirklich um Auskunft
gebeten hatte, zu beantworten: er verweist ihn wegen der Ge-
burt in Bethlehem auf den Propheten Micha (5, 2).
5) Simon geht nun zu einem neuen Punkte uber: die Be-
schneidung. Wie soil man den Christen, welche die Beschneidung
verwerfen, glauben, da Gott sie doch dem Abraham geboten,
und da Christus selbst beschnitten gewesen seiV Theophilus
Die Anah'se. 53
erwiedert, dass die Christen die Besclinittenen niclit zuriick-
weisen; Abraham aberhabe die Gerechtig-keit durch den Ghiuben,
nicht durch die Beschneidung erworben: diese habe er spater
erhalten zum Zeichen, dass zwei Volker ziim Glauben an Christus
gelangen sollten, die Beschnittenen und die Unbeschnittenen,
Christus musste beschnitten werden, damit seine Davids-Sohn-
schaft unbestreitbar sei; die Beschneidung sei somit ein natio-
nales Zeichen, kein Heilsunterpfand. Die Berufung des .Tuden
auf Exod. 4, 25 wird abgewiesen; denn Moses war ja ein Tj'pus
Christi ; unter Seffora sei also die Synagoge zu verstehen. Aus-
driicklich habe Gott zu Moses gesagt: „Baue mir einen Altar
a us unbeschnittenen Steinen und lege kein Messer an sie an"
(Exod. 20, 25). Hier erkenne man, dass der verheissene Christus
die Kirche aus einem unbeschnittenen Volke bauen sollte. Simon
fordert nun einen Beweis dafiir, dass Christus Niemanden be-
schnitten habe. Theophilus verweist ihn auf den unbeschnittenen
Zollner Matthaus, den Apostel, auf Zacchaus und viele Andere
in der evangelischen Geschichte. Dann aber fdhrt er an einer
Reihe von Schriftstellen durch, dass, ebenso wie die Opfer auf-
gehoben worden seien, wie ein neuer Bund an die Stelle des
alten getreten und das jiingere Volk dem alteren vorgezogen
worden sei, so auch nun die Beschneidung nicht mehr der
Vorhaut, sondern des Herzens gelte. Die Aufforderung speciell
an Josua („Fac tibi gladios petrinos et sede secundo et circum-
cide filios Israel'*) sei an Jesus Christus gerichtet, der durch seinen
Apostel die Herzen geistlich beschnitten habe: in Erfiillung.
dieser Weissagung sei auch Simon .,Petrus" genannt worden
Auf die Frage des Juden, worin die Beschneidung des Herzens
bestehe und wie man die „Vorhaut'' zu deuten habe, wird die
Antwort gegeben, dass die Entfernung der bosen Lust und
Siinde die christhche Beschneidung sei, welche auch die altesten
heiligen Manner, ein Henoch, Noah, Hiob und Melchisedek,
allein gekannt und geiibt batten. Ware es anders, so hatte
Gott den Adam auch ohne Vorhaut erschaffen konnen.
6) Der Jude ist befriedigt; aber er geht jetzt zu dem
starksten Einwurfe iiber : das schimpfliche Leiden Christi. Wenn
Christus wirklich, wie behauptet wird, an das Kreuz geschlagen
worden ist, so hat er die Strafe erhtten, welche der Verrather
Haman und der abtriinnige Absolon mit Recht erhalten haben.
54 Die Altercatio Simonis et Theophili.
Ferner, wenn es wahr ist, dass der ans Kreuz Gehenkte der
Messiss gewesen, wanim ist in den heiligeu Scliriften dieser
Tod niclit voransverkiindet, wahrend wir jetzt den Tod dieses
Gekreuzigten als des Feindes unseres Volkes bejubeln? Endlich:
ini Gesetze stelie: „Verfluclit sei, wer am Holze liangt". In
seiner ausfiihrlichen Antwort setzt Theophilns bei dem letzten
Einwurfe ein. Der Gehenkte ist nur dann nacli dem Gesetze
verfluclit, wenn er eine Todstinde begangen. Christus aber hat
keine Siinde gethan, wie alle Propheten bezeugen; er litt viel-
mehr, anf dass die Schrift erfiillt wiirde. Das Leiden Christi
ist an vielen Stellen der h. Schrift bezeugt; eine Anzahl der-
selben wird aufgezahlt, die sich nicht etwa anf David beziehen
konnen. Bei seiner ersten Anknnft soUte Christus jegHche Er-
niedriguilg und Entstellung bis zum Tode erdulden. Zuletzt
verweilt Theophihis bei der Stelie Num. 13, 24 f.: die Rebe (mit
der Tranbe) ist Christus, der am Holze hing; das Land der
Verheissung ist Maria; die beiden Hebestangen sind die zwei
Volker, und zwar die vordere, welche Christo den Riicken zu-
kehrt, das jiidische, die hintere, spatere, welche auf ihn hin-
blickt, das christliche aus den Heiden. Simon will nun audi
die Bedeutung des Granatapfels kennen lernen. Er stellt die
Kirche dar, welche das durch Christi Blut bezeichnete Volk
umfasst. Was aber sollen hier die Feigen, meint der Jude, da
doch Adam seine Scham mit Feigenblattern deckte? Der Christ
belehrt ihn, dass die Feigenblatter den alten Menschen ab-
bilden, die Feigenfrucht aber den inneren Menschen, wie ja
audi der Konig Ezechias durch einen Feigenkuchen geheilt
worden sei. Nach diesem Excurse fahrt Theophilus fort, Schrift-
stellen fiir die Niedrigkeit der ersten Ankunft Christi beizu-
bringen. In diesem Zusammenhang komrat er audi auf das
Passalamm, den Typus Christi, zu sprechen. Wie das Blut des
Lammes die Bedingung flir die Errettung Israels war, so hat
uns auch Christus durch seinen Tod aus der Gewalt des Teu-
fels und von dem Cult der Gotzen l)efreit, und wie das Lamm
einjahrig sein musste, so hat audi Christus nach seiner Taufe
ein Jahr gepredigt, dann hat er gelitten; wir aber werden
durch sein Blut an der Stirne gezeichnet und so bezeichnet,
dass wir bei der zweiten Ankunft, wenn die Zerstorang dieser
Welt eintritt, gerettet werden. Die doppelte Ankunft Christi
Die Analyse. 55
ist ausserdem von Ezechiel (9, 4f.) verkundet, nnd die Geschichte
von der Hure Kahab zeigt die Errettung der Kirche bei der
Wiederkunft Christi an. Sie imd alle, welche an der Stirne
mit deni Blute gezeichnet sind, werden dann beira Brande der
Erde gerettet werden. Auch aus der Prophetie des Hosea folge
iibrigens, dass die Hure ein Bild der Kirche sei. Christus hat
sie von der Hiirerei des Gotzendienstes an sich genommen.
Ausserdem gewahre die Kirche wie die Hure jedem, der zu ihr
kommt, den Erwerb des Glaubens. Die Synagoge sei aber von
Christus verworfen worden. Nach dieser zweiten Digression
kehrt Theophilus wieder zu Christus zuriick. Nicht nur sein
Tod, sondern auch seine Auferstehung am dritten Tage, die
naheren Umstande des Todes, die Himmelfahrt und die Herr-
lichkeit des Reiches der zv^^eiten Ankunft sind von vielen Pro-
pheten verkundet. Theophikis erwahnt gegen Ende die Stelle
Isa. 9, 6; diese Weissagung habe ihre besondere Erfullung noch
darin gefunden, dass Christus auf seinem Todesgang sein Kreuz
auf den Schultern getragen habe; er schliesst mit Citaten aus
dem 72. Psalm. Simon ist wiedernm iiberzeugt; aber er findet
noch Eines zu erinnern: der 72. Psalm beziehe sich deut-
lich, wie seine Ueberschrift sage, auf Salomo. Theophilus
beweist ihm aus dem Inhalte, dass der Psalm auf Salomo nicht
passe. Nun gesteht Simon, dass der Teufel ihn bereits ver-
lasse und ihm der Wunsch nach Erkenntniss der Wahrheit auf-
steige. Theophilus unterstlltzt ihn, indem er darauf hinweist,
dass nach Isa. 61, 1 Christus gekommen sei, um die in die
Bande der Finsterniss Geschlagenen zu befreien.
7) Der Beweis flir die Messianitat und Gottheit Christi ist
nun uberzeugungskraftig erbracht. Es ist aber fur den Juden
noch ein Anstoss libriggeblieben: die Christen hielten die
Sabbathe nicht, assen ohne Auswahl Alles und tranken nach
heidnischer Weise Wein; das sei im Gesetze verboten, und
wenn Theophilus nicht auch diese Anstosse wegniumen konne,
so konne er nimmer glauben. Theophilus lasst den Juden fur
diesen Einwurf zuerst hart an; dann belehrt er ihn, wie bereits
aus Jos. 6 hervorgehe, dass in Wahrheit kein Sabbathsgebot
gegeben sei: sieben Tage sollten die Juden um Jericho's Mauern
Ziehen. Bei Jesajas habe zudem Gott seinen Hass gegen die
Sabbathe ausdriicklich geaussert. Der Sabbath, den Gott ver-
56 Die Altercatio Simonis et Theophili.
lange, sei das Ablassen von alien bosen Werken, damit man
im 7. Jahrtausend, welches der Sabbatli der Sabbathe sei, von
den bosen Werken frei erfunden werde. Ferner, nicht Scliweine-
fleisch sei verboten, sondern scliweinische Thaten; die Juden
aber begingen ungescheut die grobsten Siinden uud Verbrechen
und prunkten mit iliren Festen nnd Gebeten. Gesetzesbestim-
mungen zudem, wie die, nur besclmppteFische zu essen, umgingen
sie selbst, indem sie alles, was das Netz biete, in der Briihe
mit Behagen genossen. Wein zu trinken, wie die Christen
thaten, sei nirgends in der Schrift verboten; dagegen warne
dieselbe vor dem „judischen Weine"; auch sei es den Christen
nicht gestattet, die jlidischen ungesanerten Brode zu essen.
Mit mehreren Prophetenstellen schliesst Theophilus, welche die
furchtbaren Verbrechen der Juden ' verkiindigen. Selbst ein
Nebukadnezar habe den Sohn Gottes erkannt (Dan. 3, 24 f.),
welchen Simon anzuerkennen zogere. Er moge zusehen, dass
er nicht unter das Gericht Habac. 1, 5 falle.
8) Epilog. Simon ist von dem „guten Arzt" Theophilus
gewonnen. Er verlangt nach der Taufe und der Handauflegung
zur Siindenvergebung. Theophilus tauft ihn, und Simon, der
nun den Glauben erlangt hat, schliesst mit einem Gebete zu
Jesus.
§ 4. Der Charakter und die Composition der Altercatio
nebst einer Einleitung in die antijiidische Literatur
der alten Kirche.
Schon die Verfasser der Histoire literaire de la France
haben sich gewundert^"-), dass gewisse Dinge in der Altercatio
nicht besprochen worden sind, die man in einem Werke dieser
Art, welches dem 5. Jahrhundert angehort, sucht. Sie selbst
nennen allerdings nicht eben die Themata, welche man am
meisten vermisst. Um die Eigenthlimlichkeit des Tractates
richtig zu erkennen, ist es nothwendig, einen Blick auf die
antijiidische Literatur der alten Kirche iiberhaupt zu werfeu
und sich die Bedingungen und die Art ihrer Polemik, soferu
32) L. c. T. II p. 121 sq.
Der Charaktcr und die Composition. 57
dieselbe eine Adresse an das Judenthum triigt, zu vergegen-
wartigeii.
Bevor es eine kircliliche Theologie gegeben hat — und in
strengem Sinn kann man von einer solchen erst sprechen, nacli-
dem der nentestamentliche Kanon festgestellt war, nachdem die
Methode der christlichen Philosoplien des 2. Jahrhunderts und
die Begriffe, mit welchen sie arbeiteten, Biirgerrecht in der
Glaubenslehre erlangt batten, und nachdem die mythologisclie
und enthusiastische Production von „Realitaten" eingeschrankt
war — bevor es eine kirchliche Theologie gegeben hat, war
der Nachweis der Concordanz zwischen deni Alten Testament
und den wirklichen oder nur vorausgesetzten Thatsachen, auf
welche die neue Gemeinde ihre Existenz griindete, fast das
ausschliessliche Thema des Nachdenkens. Das Bediirfniss, die
neue Religion ausreichend zu fundamentiren und die Anstosse,
welche sie zu bieten schien, zu beseitigen, war hier in weit
hoherem Masse wirksam, als das Bestreben; dem Glauben und
der Ethik einen reichen Stoff zuzufiihren und eine urafassende
Geschichts- und Weltbetrachtung zu gewinnen. Aus den Worten
Jesu selber, die in grosser Zahl aber in unsicherer Auspragung
den Gemeinden bekannt waren, las man fast nur Sittenregeln
heraus; sie erlauterten weder seine wunderbare Geschichte, noch
vermochten sie seine Wlirde als Gottessohn und Erloser aus-
reichend zu begriinden. Die Briefe der Apostel waren nicht
iiberall schon bekannt, sie waren zudem dunkel und ermangelten
zunachst noch der Autoritat, welche man in diesem Zusammen-
hang allein bedurfte — der Autoritat von gottlichen Anweisungen.
Wohl besassen die Gemeinden in den Apokalypsen und Pro-
phetenspriichen solche Anweisungen und Aufschliisse; aber als
Producte der Gegenwart forderten letztlich auch sie eine Legi-
timation und waren nicht im Stande, ihrerseits das zu bezeugen,
unter dessen Voraussetzung sie selbst allein bestanden. Unter
solchen Umstiinden mussten sich alle Bestrebungen auf das alte
Testament concentriren. Nicht nur als Beweisinstrument kam
es in Betracht, soudem es wurde recht eigentlich als die Ur-
kunde des Heiles selbst angesehen, welche sowohl das Evan-
gelium einschliesst als durch ihre Form dasselbe nach alien
Seiten sicherstellt. Es ist daher durchaus im Sinne der altesten
Kirchen, wenn man von dem ..alttestamentlichen Urevan-
58 Die Alter catio Sinlonis et Theophili.
gelium" gesprochen hat^^). Die frolie und heilsame Botscliaft
ist von den Propheten vollstandig, dentlich und in allgemein
verstandlicher Weise verklindet worden. Die gescliichtliclie
Durchfahrung derselben ist an dieser Verkiindiguug zu messen,
da jene sich eben in geschichtlichen Formen, d. h. in solchen
vollzogen hat, deren Werth als unmittelbare Gotteswirkungen
der Natur der Saclie nacli nicht so erkennbar ist, wie sich der
gottliche Ursprung^ bei Prophetenspriichen und Orakehi fest-
stellen lasst. Daruni die so haufig wiederholte und in der
altesten Kirche stereotyp gewordene Forniel, dieses und jenes
sei geschehen, resp. gesprochen worden, dam it die Schrift
erfullet wiirde. In dieser Formel erscheint das Verhaltniss
von Weissagung und ErfuHung recht eigentlich unigekehrt.
Die Weissagung ist hier nicht mehr „der Schatten des Zu-
kiinftigen^', sondern „das Zukunftige" besitzt seinen Werth darin,
dass es geweissagt worden ist. Daher die vollkomniene Sorg-
losigkeit in Bezug auf die Zweckmassigkeit und sachliche Noth-
wendigkeit vieler der Vorgange, die sich in der Geschichte des
Erlosers und an ihm selber ereignet batten. Sofern dieselben
iiberhaupt erwogen werden, ist immer die Betrachtung der alt-
testamenthchen Weissagung der Ort dafiir. Christus hat den
Kreuzestod erhtten, damit die Schrift erfullet wiirde; ein sach-
licher zureichender Grund fiir diesen Tod wird entweder iiber-
haupt nicht gesucht oder doch nicht fiir den wirklichen Kreuzes-
tod des historischen Jesus Christus, sondern hochstens fiir das
Geschick dessen, der da kommen sollte.
Diese formalistische und ungeschichtliche Betrachtung der
Thatsachen, auf welche die neue Gemeinde doch ihre Existenz
griindete. ist allerdings ein Beweis dafiir, dass der Complex der
angeblich oder wirklich geweissagten Dinge sich nicht deckte
mit derSumme der fiir den Glauben und die Erkenntniss wirklich
werthvollen und fruchtbaren Artikel. Leuchtet schon bei fliich-
tiger Betrachtung ein, dass jener einen sehr grossen Ueberschuss
iiber diese enthalten haben muss, so zeigt sich einer genaueren
Beobachtung das hier bestehende Verhaltniss iiberhaupt nicht
als ein quantitatives. Der Glaube der altesten Gemeinden lebte
33) S. Credner, Beitrilge z. Einl. in d. bibl. Schriften II (1838), be-
sondei-s S. 31 2 f.
Dor Charakter und die Composition. 59
in cler Zukunft und schatzte den gegenwartigen Heilsbesitz
und Alles was sich bisher fiir die Glaubigen ereignet hatte, als
eine Einleitung zu dem, was nocli kommen soUte. Wer sich
einmal iiberzeugt hatte, dass das schreckliche Eude vor der
Thlire stehe, dass er selbst aber zu den geretteten Heiligen
gehore, der konnte unmoglich einen Antrieb empfinden, sich
in die Details der Yergangenheit zu versenken. Umgekehrt
aber erschien bei jener Betrachtungsweise, nach welcher man
die zahh-eichen Weissagungen des A. T.'s auf die jiingste Yer-
gangenheit und die Stiftung der Gemeinde deutete, die Summe
dessen, was sich bereits erflillt hatte, als eine so grosse, dass
Alles, was noch zu erwarten stand, nur die Geltung eines letzten
Striches zu einer im Wesentlichen abgeschlossenen Ziffer be-
anspruchen konnte.
Driickt nun die erstgenannte Betrachtung unzweifelhaft das
eigentliche religiose Interesse der ersten Gemeinden aus, so muss
man fragen, unter welchen Verhiiltnissen die zweite iiberhaupt
hat aufkommen konnen. Man wird nicht irren, wenn man be-
hauptet, dass die Anstosse, welche die Geschicke des Stifters
der Gemeinde audi den Glaubigen boten, der erste und ent-
scheidende Aulass zu Reflexionen gewesen sind, die dem christ-
lichen Denken eine so folgenschwere Richtung geben sollten.
Aber man wird, sobald man den hier bestehenden Problemen
naher tritt, zwischen Judenchristen, flir welche das bisher ein-
leitend Ausgefllhrte nur theilweise gilt, und Heidenchristen
unterscheiden miissen. Schon in den Kreisen der ersten Chri-
sten aus den Juden ist die Beschaftigung mit dem A. T. zur
Erprobung der Messianitat des Jesus von Nazareth und zur
Wegraumung der Bedenken, die sich hier erheben mussten, die
vornebmste Aufgabe fiir das Nachsinnen gewesen. War audi
das ganze religiose Interesse durcli die Hoffnungen auf die
Zukunft mit Beschlag belegt, es musste docli noch Rauni und
Zeit bleiben, uni die Voraussetzungen zu erproben, welche allein
jene Hoffnungen zu sicheren machten. Soweit wir nach den
sparhchen Resten, die sich hier erhalten habeii, zu urtheilen
vermog^n, hat der religiose Glaube nur sehr langsam und all-
raahlich sich durch diese Beschaftigung mit dem alttestament-
liclien Urevangelium vertieft und erweitert; sie diente zunachst
nur der Missionspraxis und der Apologetik. So lange die Formel
(jQ Die Altercatio Simonis et Theophili.
in Kraft blieb: „Dies ist geschelieii, damit die Schrift erfiillet
wurde" — imd sie enthielt auch fur den Judenchristen gegen-
iiber vielen Stiicken aus dem Leben und der geschichtlichen
Erscheinung Jesu Christi die einzige Erklarnng — so lange
verhielt sich der lebendige Glanbe noch neutral zu den einzelnen
Stiicken, welclie in der Apologetik festgestellt wurden. Es ist
aber hier docli hinzuzufiigen , dass der Judenchrist, sofern er
nicht philosoj^hisch verbildet war, den Sinn fiir den Untersschied
des A. T.'s und des Evangeliums sicli in irgend welcber Weise
stets bewahren musste. Moclite er das Evangelium auch noch
so nahe an das A. T. heranriicken, mochte er noch so stark
die zukiinftige messianische Herrlichkeit gegeniiber dem, was
bisher offenbar geworden war, betonen, er hielt doch die Unter-
scheidung von A¥eissagung und ErfiiUung einigermassen fest
und besass in dieser Unterscheidung einen Massstab filr die
specifische Wlirdigung des Evangeliums.
Als die christliche Predigt in die Heidenwelt drang, anderte
sich an diesen Verhaltnissen in einer entscheidenden Hinsicht
nichts. Waren die Bedingungen, unter welchen die Griechen
Christen wurden, auch sehr verschieden von denen, unter wel-
chen der Jude das Evangelium horte und annahm, tauchten
auch viele neue Probleme und Schwierigkeiten auf dem neuen
Boden auf — die Umstande, welche eine eingehende Beschaf-
tigung rait dem A. T. erheischten und welche den Beweis aus
derWeissagung nothig machten. blieben hier und dort dieselben.
Sieht man von der ganz eigenthumlichen Art ab, in welcher
der Apostel Paulus sich mit dem A. T. auch in Bezug auf die
Christologie auseinandergesetzt hat — und man hat ein Recht
von ihr abzusehen — , so kann man nicht verkennen, dass die
Methode, nach welcher Judenchristen und Heidenchristen in dem
A. T. Christus und sein Evangelium wiedergefunden haben, und
die Bedeutung, welche sie dieser Erkenntniss beilegten, wesent-
lich dieselbe gewesen ist. Hieraus erklart sich denn auch die
auffallende Erscheinung, dass es einen Kreis von Ausfiihrungen
in der iiltesten christlichen Literatur giebt, iiber deren juden-
christlichen oder heidenchristlichen Ursprung man nicht ins
Klare kommen kann. Dies ist z. B. bei einigen Redestiicken in
der Apostelgeschichte der Fall, die, an sich betrachtet und so
wie sie uns iiberliefert sind, ebensogut aus einer judenchrist-
Der Clmraktor und dio Composition. 61
liclieu wie aus einer heideiichristliclien Feder geflossen sein
konneii.
Indessen ist audererseits docli uicht zu verkeunen, dass erst
auf heidenchristlichein Boden die einzelnen Stucke im Weissag-
uugsbeweise ilires saclilich werthvollen und geschichtlichen Inhal-
tes vollig beraubt und zu Ziffern in eineni Exempel herabgesetzt
worden sind. Dem bekehrten Juden war allein schon mit dem Satze:
„Jesus ist der Messias", eine Fillle von concreten Anschauungen ge-
geben, die dem Heidencliristen vollig abging. Hatte er es audi
nicht nothig, sicli aus dem Weissagungsbeweise das Bild des
Messias zu verdeutliclien und lebte er audi in seinem religiosen
Denken von der Zukunft, so gab es docli in jenem Beweise
eine Reilie von Stlicken, deren sacliliclier Wertli sich ilim un-
gesudit aufdriingte 3^). Anders bei dem Heidenchristen. Dass
Jesus ein Solin Abrahams und Da\dds gewesen, dass er in
Bethlehem geboren, dass er sidi selbst mit seiner Predigt nur
an das Yolk Israel gewendet hat, und unzaliliges Andere war
fiir den Heidencliristen im giinstigsten Falle gleichgiiltig, in
der Kegel zunadist ein Stein des Anstosses. Die Formel: es
ist geweissagt, musste liber diese Anstosse hinweghelfen, und
mit dieser Formel, in w^elcher er die sadilidie Bedeutung der
Thatsadien geradezu neutralisirte, setzte er die Anst5sse zu
Beweisen daftir um, dass die gesdiichtlidie Ersdieinung des
Erlosers eine von Anbeginn von Gott selbst geplante und ver-
lieissene gewesen sei.
Immerhin darf man die Differenz zwischen der Haltung
des Judenchristenthums und des Heidencliristentliums hier dodi
noch wesentlidi als eine quantitative beurtheilen. Denn das
wirklidie gesdiichtlidie Bild des Christus entsprach so wenig
den alteu Weissagungen und den im Judenthum herrschenden
messianischen Vorstellungen, dass auch die glaubigen Juden
eine Reilie von ihnen unverstandlichen Zligen sachlich auf sich
berulien lassen und durcli eine weitgreifeude CoiTectur der'Ge-
schichteJesu, sowie durch kilnstliche Interpretationen des A. T.'s
die formelle Concordanz zwischen Weissagung und ErfuUung
herstellen mussten. Allein es kamen nun zwei Umstande liinzu
34) Von dem alexandrinischen und ]iliilosophischen Judenthum i.st
hier abgesehen.
G2 Die Altercatio Simonis et Theophili.
(lurch welche die Bedeutupg des Weissagungsbeweises fiir den
Heidenchristeu eiue qualitativ andere wurde und der Beweis
selbst eine neue, zweite Abzweckung erhielt. Einmal namlich
wurde das Ausehen des A. T.'s in der Heidenkirche , die kein
geschichtliclies Verstandniss fiir dasselbe besass, noch gestei-
gert und das Evangelium vollig in dasselbe liineininterpretirt.
Soweit war dasJudenchristentlium niemals gegangen. Es konnte
diesem nicht einfallen, das Evangelium oline Rest in das A. T.
aufgehen zu lassen. Sodann sollte durch den Weissagungsbeweis
audi die Frage nach der Gliltigkeit des Gesetzes in heidenchrist-
licliem Sinne entschiedeu werden, und sofern dies keine Frage
mehr war, sollte deni Judentlium das Besitzrecht an dem alten
Testamente genommen und die Vorgescbichte des Christenthums
dem national-jiidischen Boden vollig entliol)en werden.
Es ist hier nicht der Ort, zu zeigen, welche Motive die
Heidenchristeu bestimmt haben, so radical mit der geschicht-
lichen Ueberlieferung zu brechen, in welcher das Evangelium
urspr'dnglich doch audi zu ilinen gekommen war. Auf die Ver-
anderungen, welche der Weissagungsbeweis seineni Umfange
und seinem Zwecke nach auf diesem Wege erhielt, musste aber
hingewiesen werden. Eines nur anderte sich dabei nicht: der
Werth, welcher jenem umstiindlichen Beweise beigelegt wurde,
oder, richtiger ausgediiickt, der Ort, den er behauptete. Er
blieb noch immer eine freilich unentbehrliche HiilfsHnie; aber
der Glaube selbst hat sich an ihr nicht orientiren konnen.
Worin er lebte und wovon er zelirte, das stand ihm vor jeder
Beweisfiihrung fest. Die Art, wie der Weissagungsbeweis das
christliche Selbstbewusstsein fundamentirte und die christlichen
Hoflfnungen legitimirte, brachte dem Glauben, seineii Ansprlichen
wie seinen Aussichten, keine wesentliche Vertiefung und For-
deruiig. Wohl finden sich in den altesten heidenchristlichen
oder fiir Heidenchristeu bestimmten Schriften audi zahlreiche
Ausfiihrungen des Weissagungsbeweises mit daran gehangten
Paranesen, aber dieselben sind nicht eigentlich aus jenem Beweise
hervorgewachsen , sondern scheinen ihm mehr angehangt zu
sein. Dogmatik und Zukunftshoffnung stelien noch immer in
einem zienilich losen Verhiiltniss zur Apologetik.
Zur Apologetik — aber muss der Beweis, dass Jesus in
alien Stiicken der verheissene Messias sei, dass das Gesetz ab-
Der Charaktcr und die Composition. 63
geschatft uiul die nene Gemeinde nicht nur die jetzt legitime,
sondern in Walirheit die erste and einzige sei, nicht als ein
polemischer aufgefasst werden? Richtet sich dieser Beweis nicht
direct gegen das Judenthum, resp. gegen christliche Auffassun-
gen, welche das Evangelinm in den Schranken desselben fest-
halteu wollten?
Bei fliichtiger Beobachtung mnss es so scheineu; aber
sobald man die Ausfiihrung des Beweises genauer betrachtet
und die Situation erwagt, in welcher sich die heidenchristlichen
Gemeinden seit dem Ausgang des 1. Jahrhunderts dem Juden-
thum und Judenchristenthum gegenliber befanden, wird man
diese Meiuung nicht langer festhalten. Die Art der Beweis-
fiihrung namlich zeigt, dass die wirklichen Einwendungen,
welche ein Jude oder Judenchrist hier zu machen hatte, sehr
selten wirklich beriicksichtigt oder hochstens gestreift werden,
und dass man sich andererseits bei so blassen, unhistorischen
und theoretisirenden Widerlegungen beruhigt, dass diese ganze
Polemik unmoglich aus einem brennenden Kampfe mit einem
wirklichen Gegner hervorgegangen sein kann-^^). Der Gegner
ist hier in der' That nur ein gedachter, er besitzt keinen
anderen Horizont als sein Widerpart; eben darum ist er nicht
der Jude, wie er wirklich war, sondern der Jude, wie ihn der
Christ flirchtete. Die Argumente, welche jener vorzubringen
hatte, waren, wenigstens zum grossten Theile, dem Christen
unverstandlich oder waren ihm unbekannt. Sie waren ihm unbe-
kannt; denn die Beruhrung der Heidenkirche mit der Synagoge
und den palastinensischen Ebioniten war bereits seit der Zeit
Domitians eine hochst unbedeutende. Zwar lernen wir aus der
talmudischen Literatur, dass wirkliche Auseinandersetzungen
zwischen Juden und Christen im 2. Jahrhundert noch stattge-
funden haben, aber wir ert'ahren es eigentlich nur aus ihr und
wir dlirfen mit Bestimmtheit annehmen, dass sie, von einzelnen
kleineren Gebieten Syriens und Palastinas abgesehen, sonst im
Reiche die Ausnahme bildete. Vor Abfall zum Judenthum haben
die Bischofe und Theologen des 2. Jahrhunderts hochst selten
zu warnen gebraucht, und sie konnten bereits am Ende des
35) Ueber Ausiiahmen , die aber immer nur theilwei.se gewesen sind,
unten.
(J4 Der Cod. Parisinus 4o\ und der Marcianus.
vov — Tia'/.OL/Lievoi). 21'^ {-Koo/.ioy6V6ia — ■/.oG/.ioyovia). 27* {eloi]-
utviov — do. avriov). 36c (^dnrjD.uzTSTO — sxcoqi'Csto vmi dnt]kld-
Ttxo). 44c (jiSQcc (iii^kM — \aioQicc /.at Uga ^i§Xii)). 47^ (f/yg
Tt'Uxiig — xrjg fOQttjg ijtOL TeXtzi^g). 78^ {xyjv xqovov — z. /.q.
dvrafiiv). 91* {/iey.oaye — yJ/.Qays liyiov). 219c (ot d-eoi — oi
deoi TiEQi ravTo). 26<i (xavxa Gco/.Qdrrjg avrog Ixelvog 6 naaiv
doldi/iiog — rav. oco. sxelvog /.ai nXdxiov ni ndoiv doidij-ioi) ^^*).
232c {xbv -/.Qaxioiov Xi(.i6v — x6v [.layiGxov nal ao. A.). 120^
(^oy.lrjmog /.ai L47r6l?Aov — 14g. 6/.10V /. !^7r.). Die letzten Falle
siiid besonclers bezeicliuend fur den Charakter vou Ma.; s.
auch 38c (rotr' I'gxiv — rjxoi). 45* {rfjg yjooag — xov xonov).
45c (jTQcorjv (.lev — nQtorov). 45<i {svlovg — xivag). 46* {'^SXQV-
(.levov — y.sxoQriyr]f.dvor). 79* {hslva a — si xivd). 95c {j,ii,xd
^Qaxaa — /.ux' oliya). 100<1 (dcpd-irog — acpd-aqxog). 101^ (qpa-
vog — cpaveqav). Wh^ijiQOGayoQEvovGLv — yaXovGiv). 132* (at; v-
aiQ£od-ai — ovvi€Gd-ai). 137^ {;/Mlnv(.iivovg — BiQi^f-ievovg). 199c
{dxoniag — ctnovoiag). 202c {diOGoyJgaxi — dixegaxi). 203^ (aTret-
Qiji-ievcc — dnoQQrjxa). 224* {dvaGnaGdvxav — dvanExaGdvxiov).
230^ {layxiGxinf^g — Xaxxr/.rjg). Die letzte Gnippe zeigt fast lauter
solche Falle, wo gelaufigere Ausdriicke an Stelle von iinge-
wijhnlicheren gesetzt sind. — Was bislier aiifgefiihrt ist, notliigt
nocli in keiner Weise zur Annahme, dass Ma. eine andere Vor-
lage als A zu Grunde liegt, und die wenigen Falle, wo Ma.
Worte, die in A stehen, weggelassen hat, kommen natllrlich
audi nicht in Betracht 1^^). An zwei Stellen, wo Ma. fehlerliaft
ist, sckeint die Abhangigkeit von A ganz besonders evident:
P. 53d steht in A (trjXQci falsclilich fiir (ilxQa; Ma. aber hat
aus (irjXQa „juj;T(>/" gemacht. P. 8* bietet A ebeufalls unrichtig:
dXtjd-ii dra(ioXoytjG€i€v (es muss dXr^d-eiav ofioXoyrJGai ch' heissen),
Ma. hat aber corrigirt: d?^ijd-fj 6f.ioXoy/jG&i£v. Soviel ich sehe,
bleiben in den 5 Buchern nur drei Stellen nach, wo die An-
nahme, Ma. folge einer anderen Vorlage als A, nnumganglich
erscheint: P. 22^^ giebt A eine Stelle aus Plutarch also wieder:
txL (prjGiv, oxL 6^ aXXostdtdv Uotov 0 avd-gconog sysvvi'jS-t], wahrend
154) Im Vorhergehenden war neben Socrates von Plato die Rede.
155) S. p. 7b, 7c, 7d, 9^ 12<i, 13c, 23^, 60c, cH, 93^. An zwei Stellen
hat Ma. lilngere Zusatze (89o, 104<i), die sowohl von Gaisford als von
Dindorf als solche beurtheilt werden.
Dov Cod. rarisimis 4")! \ni(l dio Valenancodd. Q5
Mil. unci die iibrigen Codd. xa/;' dgxag vor e§ einschieben.
P. 2o^^ fehlt in dem Satze: anocpaipszai di xal tzeql O^eaJv, wg
ovdei-itcig rjys/iiovlag sv avzoig oiGi]g in A das unentbehrliclie
i)ye^uoviag, welches Ma. nnd die iibrigen Codd. bieten. P. 47^^
fehlen in A die Worte xad^iEQio^ijvai xal tovrovg as^Eod-ai,
weil das Auge des Schreibers auf das gleich folgende Wort
jiai}cc7rE() (f. xad^iSQCo^fjvat) abirrte; Ma. und die iibrigen Codd.
bieten die Worte. Mindestens an den beiden letzten Stellen
hat Ma. wirklich das Richtige bewahrt gegen A. Somit bleibt
nnr die Annahme iibrig, dass der Schreiber von Ma. entweder
seine Abschrift aus A nach einer zweiten Handschritt hier nnd
da, aber selten, controlirt hat, oder dass er nicht direct aus A
getlossen ist, sondern aus einer schon corrigirten Abschrift dieses
Codex. Jedenfalls aber bleibt das Urtheil zu Recht bestehen,
dass Ma. wie Par. ' ein auf Grund der in A vorliegenden Ueber-
lieferung recensirter Text ist, und an diesem Urtheile kann
anch die Beobachtung nichts andern — Dindorf scheint ihr
besonderen Werth beizumessen — , dass die iibrigen Hand-
schriften der Praepar. an einigen Stellen niit Ma. gegen A
stehen; denn die iibrigen Handschriften sind sanimtlich j linger
und sind allem Anschein nach bereits von der Textrecension
abhangig, die in Ma. vorliegt,
4) A und der Archetypus der Valeriancodices.
Es ist oben § 2 nachgewiesen worden, dass der Archetypus
der Valeriancodices dem Par. ^ sehr nahe verwandt gewesen
sein muss, aber schwerlich mit ihm identisch ist; es ist ferner
§ 3 init. an ein em Exemplar jener Codd. gezeigt worden, dass
die ganze Gruppe derselben hochst wahrscheinlich ebenfalls nur
eine, wenn audi ganz verwilderte, Verzweigung des Cod. A
bildet. Dieser Beobachtung wird nun naher nachzugehen sein.
Fiir die apologetische Literatur kommen folgende sieben
Valeriancodd. in Betracht:
1) Claromont. 83, nunc Bodlej. 283 (scr. ann. 1532) '5«).
2) Bonon. plut. XXII (scr. ann. 1533) i").
3) Aeton. 88 (scr. ann. 1535)1-'^^).
156) S. V. Otto, 1. c. IV3 p. XXIV sq. Vn p. XVI
1.57) S. oben § 1 S. 6.
158) S. oben § 1 S. 4.
Texte und TTntorBUchangen.
6G Die Altercatio Simonis et Theophili.
Durch die Verkiiiipfung mit einer rationaleii Theologie
anderten sich die Hauptstticke des Weissagungsbeweises („de
Christo", „de lege") niclit, ebensoweuig Ziel und Absicht, denen
er gait 3'). Das ist an sich sclion bedeutsam. Es giebt wenige
Liiiien, welclie aus deni apostolischen Zeitalter so stetig und
gerade in das nacliapostolisclie und altkatliolische iibergelien,
als die durch den Weissagungsbeweis bezeichnete. Sie wird
verstarkt, in eine andere Beleuchtung geriickt u. s. w., aber sie
bleibt doch stets als dieselbe erkennbar, Hier ist eine der weni-
gen Stellen, wo eine Betrachtung der urchristlichen Zeit und
ihrer Verhaltnisse die richtige Auffassung der Entstehung der
altkatholischen Zustande nicht verhangnissvoll zu verwirren droht.
Aber doch konnte das Geschick, welches der Weissagungsbeweis
erlitt, indeui er jener rationalen Theologie unterstellt wurde,
fiir ihn selbst nicht ohne Folgen sein. In dem Judenchristenthume
stand er in dem Rahmen einer Geschichtsbetrachtung, die bei
alien Illusionen, die ihr anhingen, doch noch in etwas den Namen
einer geschichtlichen Betrachtung verdient; in dem Heiden-
christenthume , so lange es noch.keine Theologie besass und
von der Hoffnung lebte, war er auch mit einer geschicht-
lichen Orientirung liber die Menschheit verbunden, aber in dieser
Geschichtsbetrachtung — man lese den Barnabasbrief, den Hirten
oder jene Predigt, welche unter dem Namen des 2. Clemens-
briefes bekannt ist — war die Blusion zum Fundamente ge-
macht; in der Apologetik endlich, wie sie das Evangelium einer
rationalen Theologie unterordnete, wandelte sich alle Geschichts-
betrachtung in die Kosmologie um; jene ist nur wie zumScheine
festgehalten ; denn innerhalb der rationalen Theologie giebt es
kein Werden und keine neuen Epochen. Sie banut alle Er-
scheinungen in ein unveranderliches Schema.
Aus derVerbindung einer theistischen Kosmologie und Moral
mit dem Weissagungsbeweise ist die christliche Theologie der
Apologeten entstanden. Das Verstandniss flir die Grossen, welche
37) Man vgl. z. B. Justins Scliriften mit dem Barnabasbrief. Ein
Unterschied kann nur darin gesehen werden, dass 1) nicht melir oder
doch nicht in dem Masse wie friiher die Geschichte Jesu mit aus dem
A. T. erhobenen „Thatsachen" bereichert wird, und dass 2) fur die Me-
thode des Weissagungsbeweises gewisse Regain (s. z. B. Justin., Apol. I,
3f)) aufgestellt werden.
Der Charaktor unil tlin Composition. 67
in demBeweise eineRolle spielen, wiir ein dieser Theolo^e vollig
erlosclien, wenn es ilberhaupt jemals bestanden liatte. Der Inhalt
der Stilcke verschwiiidet giinzlicli hinter der chronologischen
Etiquettirung, die man ilinen giebt; das aber, was sie sachlich
beweisen soUen, wird erst in sie hineingelegt. Der Abstand
zwischen dem, was als Christenthum wirklich geglaubt wird und
in der Religion der Apologeten lebendig ist, und dem, was
alles ini Beweise beriibrt und behaiiptet wird, ist der denkbar
grosste. Man kann das am deutlicbsten an dem Christnsbilde
der Apologeten feststellen. Ihr Christus ist die in der Person
Jesu in einziger Weise erschienene und offenbar gewordene
Vernunft, das gottlicbe Weltgesetz und das Sittengesetz, nicht
Aveniger, aber auch nicht viel mehr; aber in dem Beweise fiir
diese These ist er der Davidssohn, der aus der Jungfrau Ge-
l:>orene, der Gekreuzigte, kurz alles das, was er wirklich gewesen
ist und was er nach dem Alten Testamente hat sein mlissen.
Sie siud iiberzeugt davon, dass er dies gewesen ist, weil dieser
Christus ihr en Christus erst legitimirt. Die beiden miteinander
zu verbinden und in Eins zu setzen, haben sie sich wenig ange-
legen sein lassen ■ — Justin, der alteste, noch am meisten, seine
spateren Nachfolger im 2. Jahrhundert Ilberhaupt nicht.
Mit dieser Theologie wandte man sich an das heidnische
Publicum, mit ihr schlug man die supponirten jildischen An-
griffe zuriick, und mit ihr suchte man in steigendem ]Masse die
Zweifel der Gebildeten innerhalb der Gemeinde zu beschwichtigen.
Da aber erschienen auf dem Kampfplatze zwei Gegner, auf
die man nicht vorbereitet war, und welche sich durch die Ar-
gumente der Apologeten nicht ilberzeugen liessen. Es war ein
christlicher und ein heidnischer; aber was sie jenen Theorien
entgegenstellten, war ein Theil von dem, was das Judenthum
der apologetischen Theologie zu sagen gehabt hatte , wenn es
ilberhaupt zu Wort gekommen ware, Der eine Gegner war
Marcion, seine Schule und die ihr verwandten gnostischen Ge-
nossenschaften, der andere war ein Einzelner, der hochst wahr-
scheinlich im zweiten Jahrhundert kaum einen Mitstreiter gehabt
hat. der Heide Celsus.
Celsus hat die Urkunden, auf welche sich die Juden und
Christen gemeinsam beriefen, studirt mit allem Bestreben un-
parteiisch und gerecht zu sein; er hat die neuen christlichen
(3S Die Altercatio Bimonis et Theophili.
Schriften liinzugezogen unci versucht, gescliichtliche Urtlieile
z:u gewinnen, um die Aiispriiche des Christenthuins zu contro-
liren. Resiiltat seiner Arbeit ist, dass er in dem ersten Theile
seiner „Walirlieitsgemiissen Darlegung" einen Juden auftreten
liisst, der das Christentlmm widerlegt. Man mag an diesem
Juden vieles aussetzen — unleugbar ist, dass er eine ungleich
walirere und lebendigere Figur ist als die ,,Juden",' niit denen
die Apologeten gekampft haben, Der Heide liat bier die Vor-
aussetzungen bestritten, unter welchen der Weissagungsbeweis
ihm entgegengebracbt worden ist. Aber man darf sagen, dass
ihm sein Gegenbeweis nicht das bedeutet hat, was er uns be-
deuten wiirde, wenn er in alien Stiicken richtig ware. Im
Grunde theilt Celsus die theologisclien Voraussetzungen seiner
Gegner, und desshalb ist ihm jeder gescliichtliche Beweis,
d. h. ein Beweis aus der wirklichen Geschichte, nur ein halber
und somit gar keiner. Es ist niederschlagend zu selien, vne
miichtig Zeitstromungen sind. Selbst ein so heller Kopf wie
Celsus ist so von ihnen befangen, dass er das Schatzbare, was
er selbst erarbeitet, unterschatzt und wenig Werthvolles dafur
eintauscht. Auf die christliche Apologetik des 2. Jahrhunderts
scheint diese Schrift keinen Eindruck gemacht zu haben. Spuren
eines solchen, die man gefundeu haben wollte, erweisen sich
als triigerische. Wir wissen nicht die Grunde fur diese auf-
fallende Beobachtung anzugeben und wundern uns, dass es bis
gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts gedauert hat, bis man es
fiir nothig erachtete, die Aiigriffe des Celsus speciell zu wider-
legen. Auf die hergebrachte Methode der Apologetik hat die
Schrift keinen Einfluss ausgeiibt. Man blieb dabei, die „;iudi-
schen'' Einwiirfe in einer so allgemeinen und wesenlosen Gestalt
zu supponiren, dass sie nur wie willkommene Stufen im Beweise
erschienen, und man gab deni Juden in jeder Frage eigentlich
nur ein einziges Mai das Wort, so dass er den Beweis immer
nur hervorruft, ihn aber niemals eigentlich beanstandet. —
Man sollte denken, dass die niarcionitische und gnostische
Interpretation des Alten Testamentes, die ungefahr gleichzeitig
mit der theologischen Apologetik (im Zeitalter Hadrians) be-
gann und den ganzen Weissagungsbeweis liber den Haufen warf,
mindestens auf die Weiterentwicklung dessejben von Einfluss
gewesen ist. Marcion und die Gnostiker, soweit sie hier in
Dpi- Chavakter mid die Composition. 69
Betracht koinmen, theilten im Allgemeinen iiiit tier Kirche die
Benrtheilung des Jndenthnms und der Synagoge. Man kaiin
bei ihnen nicht scharfore Verurtheilungen derselben lesen als
bei den gleichzeitigen kirchlichen Schriftstellern, und wie unter
diesen die Meinungen liber das Jndenthnm weit auseinander-
gingen, so finden sich audi bei den Gnostikern alle Nuancen
einer abschatzigen Benrtheilung vertreten. Aber das Unter-
scheidende ist bekanntlich hier dies, dass man in den gnosti-
schen Kreisen die Scheidung, Aveldie die Kirche zwiscben Altem
Testament und Judenthum vollzogen hatte, nidit acceptirte.
Jede Anssage liber dieses ist hier zugleidi ein Urtheil liber
jenes, kurz das Alte Testament wurde dem Jndenthnme liber-
hissen, daflir aber auch das Evangelium vollig von demselben
losgerissen. Die Betraditungsweise, die in vollem Gegensatze
zu der kirdilidien steht, ist ebendarum audi keine historische;
aber sie eroffnete dodi die Moghdikeit, eine grosse Reihe von
geschichtHchen Fragen gesdiiditlidi zu betraditen. Die Gno-
stiker traten wirkhch in eine solche Betrachtung ein. Im Gegen-
satze zu dem kirdihdien Weissagungsbeweise entwidi;elten sie
den Gottesbegriif, das Messiasbikl, die Zukunftshoffnungen aus
dem Alten Testamente und wiesen liberall die Differenzen mit
dem Evangelium und dem Christus desselben auf. Audi in der
Frage nadi dem Gesetz, seiner Absicht und seiner Gliltigkeit,
traten sie auf die Seite des Judenthums, indem sie die Beredi-
tigung der jlidischen Auffassung anerkannten. Marcion hat
sdiliesslidi die ganze allegorisdie Methode, nach weldier die
grosse Kirche das Alte Testament auslegte, ausdrucklich als
eine verfehlte bekampft; in seiner Behauptung, dass der Messias
des A. T.'s noch kommen und zeitweilig das Judenthum zu einer
politisdien Weltmacht erheben Averde, drlickt sich der scharfste
Gegensatz zur kirchlichen Auffassung aus.
Aber in dieser Behauptung trat Marcion auch geradezu auf
die Seite des Judenthums und bescheinigte dessen Lehren und
Hoffnungen. Nur bei fllichtiger Beobachtung erscheint es als
eine Paradoxic, dass die eifrigsten und entschlossensten Gegner
des Judenthums dasselbe innerhall) der Kirche zu Gelior ge-
bracht haben, Sie erkannten die Anspriiche und die Eigenart
desselben an, um es eben dadurch aufs nachdriicklichste von
sich zu stossen. Was sie aber wirklich erreichten, war dies,
70 Die Altercatio Simonis et Theophili.
dass sie bei uicht Wenigen das Zutrauen zu dem Weissagungs-
beweise erschiitterten und in der Kirche selbst eine Unter-
stromung — audi bei einigen ihrer angesehensten Theologen —
liervorriefen , in welcher das Misstrauen gegen denselben nie
ganz iiberwundeu wurde. Was das Judenthum selbst der Kirche
niemals hat zu Gehor bringen konnen, was fast unbenierkt ver-
hallte, als es von heidnischer Seite ausgesprochen wurde, das
bahnte sich einen Weg, langsani und verborgen freihch, als
Christen, wenn auch haretische, es verklindigten. Wir konnen
diesen Weg die folgenden Jahrhunderte hindurch beobachten;
als die Guostiker abstarben, standen die Manichaer auf dem
Plan. Welche Schwierigkeiten hat noch ein Augustin iiber-
winden miissen, bis er sich dem Glauben an den Weissagungs-
beweis unterworfen hat! Dennoch hat die Kirche alle Zweifel
niedergekampft und niedergeworfen , und es bedarf scharfer
Augen, um zu bemerken, dass sich flir sie etwas geiiudert hat.
Diese Aenderungen sind nun audi in der Apologetik selbst am
wenigsten zu constatiren. Sie verharrte, kleine Modihcationen
abgerechnet, in der einmal gegebenen Form, und sie hiitete sich,
vor dem grossen Publicum und den Glaubensgenossen von den
Einwendungen, die sich in ihrer eigenen Mitte erhoben batten,
niehr als die fliichtigste Notiz zu iiehmen. Vergleicht man z. B.
das Apologeticum des Tertullian mit seineii antignostischen
Schriften, so kann man sich nur wundern, wie wenig diese die
Haltung des Apologeten beeinflusst liaben. Allerdings — soweit
dieselben die gnostische Auffassung des Alten Testamentes be-
streiten und ilir denWeissagungsbeweis entgegenhalten,erscheint
dieser Beweis selljst nicht wesentlich modiiicirt und eingehender
ausgefiihrt. Was Tertullian in der zweiten Hiilfte des 3. Buches
gegen Marcion vorgebracht hat, das hatte nicht nur , ebensogut
in einer alteren oder gleichzeitigen Schrift adv. Graecos oder
adv. ludaeos stelien konnen, sondern es findet sich audi be-
kanntlich wirklich in dem tertullianischen Tractat adv. ludaeos
wieder. Es war die billigste Weise sich mit den Gnostikern
selbst abzufinden, dass man sie einfach wie „Juden" oder wie
Griechen l)ehandelte, und die Zusammenstellung von Marcioniten
und Juden hndet sich ja bekanntlich wirklich sehr hiiuiig. Allein
eine solche Methode reichte docli nur an bestimmten Orteii
und bei besonderen Situationen aus. Um den Gnostikern zu
Der Cliarakter und die Composition. 7|
begegnen, musste die Kirche selbst lornen. Das hat sie gethan.
Hire Bescluiftigung mit dem Neiien Testamente, ihre Unter-
sclieidang von altem mid neiicm Buiide, ihre gemassigtere theo-
logische Haltung gegeiiilber dem alttestauientlichen Judeiithum
der friiheren Zeiteu, ihre Fassiing des Gottesbegriffes unter den
Prtidicaten der Giite und Gerechtigkeit, die nicht resultatlosen
Versuche, die specifische Bedeutung des Evangeliums gegen-
iiber dem A. T. festzustellen, die Bemiihungen, irgendwie eine
Entwicklung innerhalb der Offeubarungsgeschichte zu consta-
tiren und annehmbar zu machen, endlich das Bestreben, den
wichtigsten Thatsachen aus der Geschichte Jesu einen religiosen
AVerth abzugewinnen — alle diese Versuche, in welchen es erst
zu einer kirchlichen Dogmatik gekommen ist, sind die Folge
der Einwendungen, welche die „Judeu", d. h, die Gnostiker
erhoben haben. Einzelne dieser Stllcke sind hie und da auch
in die sptiteren Apologien gedrungen. Aber die Kirche hat
ufFentlich niemals bekannt, was sie gelernt hat; viele ihrer
Theologen lernten es freilich selbst nicht. Was Eusebius _iu
dem ersten Buche seiner Kirchengeschichte seinen Lesern —
und er durfte auf die ganze gebiklete Welt rechnen — zu sagen
fur gut befunden hat, das ist gewiss mit besonderer Kunst und
Berechnung zusaramengestellt. Aber dass er es selbst wirklich
nicht viel besser und grlindlicher gewusst hat, zeigen seine
iibrigen Werke und seine sonstige theologische Haltung. Es
gab eben bis zu dem arianischen Kampfe, in welchem in letzter
Stunde noch ein grosses Problem die Christenheit vor dem
ganzlicheu Zerfliessen in die Nebel der Zeit schiitzte, in der
Christenheit eine Richtung, fiir welche der Inlialt der beiden
Testamente ledigiich ein colossaler Apparat war, um den Theis-
mus mit christlicher Etiquette als die Urreligion zu erweisen.
Durcli die Dogmatik, die thetische und polemischc Tlieo-
logie, ist dieApologetikimmerhin einigermassen entlastet worden.
Aber sie eii'uhr zugleich eine bedeutende und folgenreiche Modi-
fication durch das Interesse, welches ihr von Seiten der seit
dem Ende des 2. Jahrhunderts erst aufstrebenden theologischen
Wissenschaft zu Theil wurde. Sclion seit Justin war es bei
den christlichen Apologeten iiblich^^), innerhalb des Weissag-
38) S. Gelzer, S. Julius Africanus. 1. Theil (1880) S. 19f.
72 Die Altercatio Simonis et Theophili.
ungsbeweises versuchsweise einen Synchronismus zwischen
heiliger imd profaner Gescliichte herzustellen: Tatian und
Theopliilus namentlicli haben hierin sclioii Beachtenswerthes
geleistet. Die apologetisdie Methode, wie sie herrscliend war,
verlangte dem Heidenthume gegeniiber einen solchen Beweis,
und schon das alexandrinische Judenthum hat die Grundzlige
desselben, die auch nicht mehr verandert wurden, ausgearbeitet.
Den christliclien Theologen blieb nur die Aufgabe iibrig, ibn
mit den Weissagungen aiif Cbristus zu verknlipfen und naiuent-
lich die Zalilenangaben im Alten Testamente und bei den
Profanhistorikern so zu arrangiren, dass sie sich sammtlich
einer grossen Reclmung unterordneten, die mit dem Geburts-
jahre Christi, resp. dem durcb Christus am Schlusse des 6. Jahr-
tausends herbeizufiihrenden Weltende abschliesst. Die hier zu
losende Aufgabe stand also an sicb ganz in dem Dienste der
Apologetik, und sie hat, namentlich in den immer wiederholten
Nachweisungen, dass die Danielischen Jahrwochen gerade bis
auf Christus reichen, ihre apologetische Tendenz unverrlickt
bewahrt^"). Allein sie gewann doch allmahhch auch ein selb-
standiges Interesse und emancipirte sich bis zu einem gewissen
Grade von der Apologetik, wie das gleichzeitig auch bei anderen
Disciphnen der Fall gewesen ist, Schon Julius Africanus hat
„die Gescliichte nicht als ein ndQBQyov, um Moses' und der
jiidischen Weisheit Alter zu beweisen, summarisch abgehandelt,
sondern ihre Darstellung und die genaue Fixirung aller chrono-
logischen Einzelposten ist bei ihm zum Selbstzweck geworden".
Die Chronographie der Weltgeschichte, die so entstand, be-
halt zwar noch immer ihre apologetische Spitze, aber sie wird
zu umfangreich, zu gelehrt, ihr Apparat ein zu schwerfalliger,
39) Auf die wichtige und folgenreiclie Thatsaclie, dass die Apologeteu
sich bei der Losung der vorliegenden Aufgabe gezwungen salien, der
Danielischen Apokalyptik und somit auch der Eschatologie iiberhaupt ihre
Aufmerksamkeit zu schenken, kann hier nicht naher eingegangen werden.
Nur soviel, sei bemerkt, dass auf dieseni Umwege die Theologen wieder
zu einem Interesse kamen, welches urspriinglich das entscheidendste ge-
wesen ist, welches sie selbst aber fast ganz verloren hatten. Die gelehrte
Theologie hat ja iiberhaupt manche Einbussen, so gut sie es vermochte,
wieder eingebracht ; die urspriingliche Kriiftigkeit von Vorstellungen und
Interessen konnte sie freilich nicht wieder hervorbringen.
Der Cliaiakter uiid die Composition. 73
um iiocli im Rahmen der orewiihnlichen Apologetik eine Stelle
zu liebalteii. Die Folge hievon ist, dass neben dieser die ge-
lehrte, apologetische Tractatenliteratur seit dem 3. Jalirlmndert
aufkommt. Einzelne wichtige Punkte, wie die .Tahrwochen des
Daniel, die Schopfungsgeschiclite, Sina imd Sion u. s. w. werden
in exegetiscli-apologetischer Weise beliandelt, theils in Aus-
tuhrungen, die fiir das grosse Pnblicnm bestimmt sind, theils
in Dissertationen fllr die gelehrte Welt. Die Adresse, an welche
diese Abhandlungen gerichtet werden, ist noch im 3. bis 5. Jahr-
hnndert sehr haufig die jiidische; aber man darf daraus nicht
schliessen, dass man auf diesem Wege wirklicli das Jndenthum
bekiimpfen oder gewinnen wollte. Jene Abhandlungen galten
noch immer dem „heidnischen" Publicum ausserhalb und inner-
halb der Kirche^^). Die Adresse richtete sich an die Juden,
weil man wie friiher — und mit demselben Rechte — aus den
Schriften der heidnischen Gegner, selbst eines Porphyrins und
Julian, die Anklagen und Einwendungen der Juden heraus-
horte und dieselben in den eigenen Zweifeln und in den Kako-
doxien der Haretiker wiederfand. Wie man das Jndenthum
Avirklich beurtheilte, wessen man sich zu ihm versah, wie man
sich kirchlicherseits uamentlich seit den Tagen Constantins zu
ihm stellte, das lehren die Bestimmungen der grossen und
kleinen Synoden in jenen Jahrhundertfen. Man gab sie als Ver-
stockte einfach preis, man dachte nicht daran, sich mit ihnen
in Discussion einzulassen und man war — wenige ruhmliche
Ausnahmen abgerechnet — gar nicht Willens, sie zu bekehren.
Anders freilich gestalteten sich die Verhaltnisse dort, wo, wie
in dem aussersten Osten oder auch in einigen Strichen des
W^estens^'J, das Jndenthum eine sociale oder politische Macht
40) Daher auch die Tractate mit der Uebersclirift „adversus ludaeos
et Paganos (et Arianos)" so haufig sind.
41) Namentlich in Spanien und Siidfrankreich ; man vgl. die Bestim-
mungen der Synoden von Elvira, Agde (o06), Epaon (517), Orleans
(538 u. 541). Aus dem 49. Kanon der SjTiode von Elvira darf man eben-
sowenig auf Judaisiren spanischer Christen schhessen, wie aus der Sitte
mancher Muhamedaner, den christlichen Popen als Zauberer zu benutzen,
auf ihre Zuneigung zum Christenthum. Auch das Connubium zwischen
Juden und Christen, welches in Spanien und Siidgallien nicht ganz selten
gewesen sein muss, und die Unsitte, die Feste der Juden mitzufeiern oder
mit ihnen zu essen, .sind an sich kein Zeichen des Judaisirens. Wenn
74 Die Altercatio Simonis et Theophili.
gewesen ist unci eine wirkliche Yerjudung auch der Christen
in Folge einer Zwangslage zu befurchten war. Die christliclien
Schriften aber, die aus der Noth solcher Zustande heraus ge-
schrieben worden sind, untersclieiden sich so deutlich von jenen
anderen, dass ein Schwanken ilber die Situation im einzelnen
Fall gar niclit moglich ist.
Gelien wir nach diesen Vorbemerkungen zu deni Aus-
schnitte aus der altchristlichen Literatur liber, welcher sicli durcli
Form und Adresse als Polemik gegen das Judentlium kenn-
zeichnet. Nacli dem eben Ausgefiihrten wird offenbar geworden
sein, dass er — einzelne verhaltnissmassig spate Stiicke abge-
rechnet — nicbt den Anspruch erheben kann, flir eine besondere
Gattung in der altchristlichen Schriftstellerei zu gelten, viel-
mehr mit den an das grosse Publicum gerichteten Apologien,
aber auch mit solchen Werken wie Melitos ,^Ey.}.oyai'\ Cyprians
,,Testimonia" und Pseudogregors von Nyssa „Testimonia adv.
ludaeos" zusammengefasst werden muss. Nur Fines konnte
dazu verleiten, der sog. antijiidischen Literatur der alten Kirche
doch eine besondere Stellung einzuraumen — das ist die auf
den ersten Blick auffallende Beobachtuug, dass die Form des
Dialoges so test an ihr gehaftet zu haben scheint. Nicht nur
der christliche Pobel, wie z. B. in Antiochien, sei es nun aus Aberglaubeu
oder aus anderen naheliegenden Griinden, die jiidisclien Feste mitfeierte
(s. Clirysostoni., Homil. VIII adv. lud., 0pp. edid. Montfaucon [edit. Paris,
altera] T. I p. 712 — 843), so war dies freilich bedenklicher, und je weiter
man von Antiochien nach Osten und Siidosten vorschreitet, urn so deut-
licher erscheinen die Gefahren, welchen das Christenthum der dortigen
Gemeinden von Seiten der Juden ausgesetzt war (man vgl. namenthch
die Schriften der ostsyrischen und der in den Euphrat- und Tigrislandern
lebenden Schriftsteller des 4. u. 5. Jahrhunderts). Die Gefahren aber ent-
sprangen hier vornehmlich aus der Lage der Gemeinden gegeniiber einer
machtigen Judenschaft und waren gewiss am wenigsten, oder doch nur
indirect, seiche, die aus theoretischen Zweifeln sich* ergaben. Dagegen
hat sich von alten Zeiten her in einem Landstriche Kleinasiens wirkliches
Judaisiren, welches wohl auch theoretisch begriindet wurde, erhalten; s.
den 29. 35. 37. und 38. Kanon der Synode von Laodicea und den 70. u.
71. der apostolischen Kanones. Dazu Lightfoot. Ep. to the Coloss. edit.
I p. 66 sq. Auch die Hypsistarier und Euphemiten diirfen hierher ge-
rechnet werden, sowie noch einige Gruppen, von denen Epiphanius be-
richtet hat.
Der Charaktor uml die Coinposition. 75
die iiltesten liier in Betraclit kommenden Schriften sind in der
Kunstform des Dialoges abgefasst worden (die Disputation
Jasons und Papiskus' liber Cliristus; Justins Dialog mit Trypho),
sondern es ist auch eine Jiale^ig -/.aia lnvdauov^% ein Jia-
loyog XQtoxiavov y.al lovdalov, wv tcc ovot-taxa zov f.iev xqigtuc-
rnv Tifiod-iov, too di lovdalov i^xvXa, angeblicli ans der Zeit
des alexandrinischen Cyrill's^^^, ferner die Altercatio Simonis
ludaei et Tlieophili Cliristiani, der pseudoaugustinisclie Dialog
de altercatione ecclesiae et synagogae^^) hier zu nennen, und
Ins in das Mittelalter liinein lassen sich die Disputationes eccle-
siae et sjaiagogae, resp. Christiani et ludaei verfolgen^^). Es
gehen aber auch solche Schriften, welche die Form des Dia-
loges verschmaht haben, manchmal in dieselbe liber oder kommen
ihr doch sehr nahe. Das muss z. B. in der verlorengegangenen
"^TToder/.Ttxr) ngog 'lovdaiovg des Hippolyt der Fall gewesen
sein^*^), und auch an TertulHans Schrift adv. ludaeos — mag
man nun liber iliren Anlass denken wie man will — ist hier zu
erinnern. Aber eben die letztere Beobaclitung zeigt, dass f'lir
Tractate, die in der Form einer Polemik gegen das Judenthum
gehalten waren, der Dialog die gleichsam von selbst gebotene,
am niichsten liegende Kunstform war. Wo das Detail ein sehr
buntes und ermlidendes ist, die Art seiner Verwerthung aber
stets die gleiche bleibt, da kann man sich Abschnitte und Ruhe-
pausen nur klinstlich schaffen, und eigentlich nur hiezu, sowie
42) S. Bandini, Catal. Bibl. Mediceo-Laurent. I p. 165. Eine Probe
hat Bandini p. IGb'^ gegeben, aus der man aber wenig ersehen kann.
43) S. Mai, Nova Biblioth. VI, 2 p. 537sq. Spicil. Rom. IX p. Xlsq.
44) August. 0pp. (edit. Venet.) App. VII p. 2297 sq.
45) Thesaur. edid. Martene et Durand T. V p. 1497 sq. u. sonst; m.
vgl. die Werke, welche Renter, Gesch. der relig. Aufkliirung im Mittel-
alter Bd. I S. 309 n. 13 verzeichnet hat.
46) Wir besitzen von ihr nur ein Bruchstiick, welches Fabricius
nach einer Abschrift Montfaucons aus dem Cod. Vatic. 1431 zuerst ver-
otfentlicht hat (s. Lagarde, Hippol. Rom. p. 63sq.). Nach einer Angabe
Buns ens (Hippolj't u. s. Zeit. Bd. I S. 194), findet sich in den „Acta
Martjn-um" App. Ill p. 449 sq. ein nicht unbetriichtliches Stiick der 'Ano-
^sixiixfj in einer lateinischen Uebersetzung („Demonstratio adv. ludaeos").
Caspar! hat (Quellen, Bd. Ill S. 395) auf diese Notiz wieder aufmerksam
gemacht, war aber selbst nicht in der Lage ihr nachzugehen. Auch ich
muss die Sache hier auf sich beruhen lassen.
76 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
nm die Moglichkeit der „increpatio" und ,,castigatio" des Juden
ziigleicli zu gewinnen, hat sich der Dialog behauptet. Dal3ei
soil vorbehalten bleiben, dass moglicherweise einer der altesten
Dialoge, sei es nun der des Aristo oder Justin, hier vorbildlicli
nacligewirkt bat. Immerhin sind ja audi eineReihe von antijlidi-
schen Schriften unter Verzicht auf die Form des Dialoges ab-
gefasst worden, ja wahrscheinlich die grossere Zalil derselben^'),
wahrend diese Form docli audi in den apologetisdien Tractaten,
die der jiidischen Adresse entbeliren, seit Minudus Felix' Octa-
vius hie und da gefunden wird. Hier aber empfahl sie sidi
weniger oder verlangte dodi zu ihrer Durdifiihrung eine viel
grossere Kunst, als die war, iiber welclie Scliriftsteller gewolin-
liclien Schlages verfiigten.
Treten wir nun, um die Altercatio Theopliili gesdiichtlich
zu wurdigen, der an die Juden adressirten Literatur naher, so
haben wir freilich sogleidi den Verlust von vier Werkeii zu
beklagen, die, wenn sie erhalten waren, dieUntersudiung wesent-
hdi erleiditern wiirden. Es sind das 1) der Dialog des Jason
und Papiskus ^S), 2) die Schrift des Miltiades gegen die Juden,
3) die Eklogen des Melito ^'^) und 4) die sdion genannte '^no-
47) Der Kiirze wegen sei auf das unvollstandige Verzeichniss in Fabri-
cius-Harless, Biblioth. Gr. T. VII p. 745 sq. verwiesen.
48) Ueber ihn ist es jedoch moglich, aus den erhaltenen Bezeuguugen
einige Urtheile zu gewinnen (s. Texte u. Unters. I, II S. 115f.).
49) Die Eklogen, obgleich sie nicht zu den an das Judenthum direct
gerichteten Schriften gehoren, diirfen wir nach dem, was Eusebius iiber
sie bemerkt hat, hierher ziehen. Melito hat (h. e. IV, 26, 12sq.) das Werk
auf Bitten seines Freundes Onesimus zusammengestellt. Es umfasste sechs
Biicher — war also sehr umfangreich — und enthielt ,.Ausziige aus dem
Gesetz und den Propheten betreffs des Heilandes und unseres ganzen
Glaubens" (Exloyal ex xe zov vofiov xal rdJv 7iQO(pTjT(5v tisqI xov oiottj-
Qog xttl ndoTjg r^q niarecac rjfjKvv). Diese Schrift scheint also ganz ahn-
lich angelegt gewesen zu sein wie die ^Testimonia" des Cyprian (s. Texte
und Untersuchungen I, II S. 251), und es liegt daher nahe, anzunehmen,
dass sie die Quelle fur diese gewesen ist. AUeiu dagegen spricht, dass
1) Melito nur Stellen aus dem hebriiischen Kanon des A. T. zusammen-
gestellt hat, wahrend den Testimonien der alexandrinische zu Grunde
liegt, dass 2) Melito in seinem Werke detaillirte Angaben iiber den Um-
fang des alttestamentlichen Kanons und iiber die Reihenfolge der Bucher
in demselben gemacht hat, welche bei Cyprian ganz fehlen, und dass
Dor Charakter uiid die Composition. 77
det/.Tix/j des Hippolyt. So bleibeii aiis tilterer Zeit nur der
Dialog des Justin, die Schrift Tertullians „adv. ludaeos" imd
die „Testimonia" des Cyprian iiln-ig. Letzere Schrift, eine Com-
jiilation, welclie unter anderem den Weissagungsbeweis als ein
Stiick des katechetischen Unterrichts zeigt, ist mit den genannten
Werken enge verschwistert. Ans spiiterer Zeit sind eine Reihe von
Tractaten zur Vergleicliung herbeigezogen worden. Die pseudo-
cvprianischen Schrifteu „de montibus Sin a et Sion" und „adv.
ludaeos"'^^), die psendogregorianische interessante Sammlung
..Testimonia adv. ludaeos" '' ^) , die Tractate des Chrysostomus
gegen das Judenthum, die „Demonstratio c. Ind. de adventu
Cliristi" des Basilius von Seleucia ^-), die noch erhaltenen Reste
der antijildisclien Polemik des Cyrill von Alexandrien^^^^ (jas
von Mai veroffentlichte Fragment des Dialogs zwischen Tirao-
theus und Aquila^^), die Abhandlnng des Celsiis „de iudaica
incredulitate'*'^^), endlicli jene umfangreiche, aber sehr spate
Sclirift gegen die Juden. die unter dem Namen eines Anasta-
sius geht'^'^).
Der Dialog des Justin mit Tryplio ist die fiir uns iilteste
und zugleicli die bedeutendste und umfangreichste Schrift aus
dieser ganzen Gattung. Ob ein oder mehrere Gesprache mit
Juden die Ausarbeitung des Dialoges veranlasst haben — was
nicht unwahrscheinlich ist — , oder ob er frei von Justin er-
funden ist, das ist eine ziemlich gleichgliltige Frage; denn sicher
ist es, dass Justin, wie Engelhardt bemerkt hat^'), sich bei
Anfzeichnung des Dialogs frei bewegte und seinen Gegner fast
3) wir von einer Verbreitung dieses Bnches im Abendlande nichts wissen.
Ein vierter durchsclilagender Grand gegen die Hypothese wird sich in
eineni spilteren Abschnitt ergeben.
50) Hartel, Cypr. 0pp. T. III.
51) Zacagni, 1. c. p. 2S8— 329.
52) BibUotli. Lugd. T. VIII p. 495.
53) S. Cyrilli 0pp. ed. Migne T. IX p. 1422 u. a. a. St.
54) L. c.
55) Hartel. Cypr. 0pp. T. III. *
56) Bibliotb. Lugd. T. XIII p. 334sq. — Fraglich ist, ob Lactantius
seine Absicht, gegen die Juden zu sclireiben (Inst. div. VII, 1: .„Sed erit
nobis contra ludaeos separata materia, in qua illos erroris et sceleris re-
vincemus"), iiberhaupt ausgefiihrt hat.
57) Das Christenthum Justin des Miirtyrers S. 220.
78 Die Altercatio Simonis et Theophili.
iiumer nur das sagen liess, was ihm zur Fortfiihrung der eigenen
Gedanken und zur Durchflihrung seiner Beweise dienlich er-
scliien. Unter solcheu Umstanden ist es auch fur die Exposition
des Dialoges wenig bedeutend, dass Justin sich selbst und niclit
einer erfundenen Person die Rolle des Christen zugetheilt hat.
Indessen gewahrte ihm die von ihm gewahlte Form den Yor-
theil, in der Einleituug seine eigene Bekehrungsgeschichte er-
zahlen und so seine Schrift sehr wirksam einfiihren zu konnen.
Eben diese Einleitung zeigt nun aber, dass das ganze AVerk
an das griechische Pabhcum gerichtet ist und nicht, oder doch
nicht vornehmlich, auf jiidische Leser rechnete^^). Zwar lasst
sich nicht verkennen, dass Justin in demselben auch Fragen
erortert, die dem Heiden ferner lagen^^), Aber es ist ja nicht
die gebildete Welt ilberhaupt, an welche er sich richtet, son-
dern jene suchenden und nnbefriedigten Gemiither in ihr, die,
wie er selbst, von der Philosophie nicht berahigt und vielleicht
schon auf die palastinensischen Religionen aufmerksam geworden
sind, solche, die sich bis zu einem gewissen Grade bereits mit der
Frage, Christenthum oder Judenthum, befasst haben. In einer
wirklich fiir Juden geschriebenen Schrift hiitte die ganze aus-
fiihrliche Einleitung iiber das Christenthum als die wahre Philo-
sophie wenig Sinn gehabt, und auch der Schluss ware wolil
wirkungsvoller ausgefallen, wenn es Justins Absicht gewesen
ware, vor allem die Bekehrung der Juden zu betreibeu'^'^).
Den ganzen Stoff hat Justin in die beiden Abschnitte unterge-
bracht: de lege und de Christo; denn was vom 135. Capitel ab
noch folgt, ist nur die geschichtliche Consequenz dessen, was
in jenein beiden Theilen festgestellt worden ist. Was nun die
Ausfiihrung anbetrifft, so macht Justin, wie schon oftmals be-
58) So urtheilt auch Over beck („Ueber die Auftinge der patristischen
Literatur\ Histor. Ztschr. N. F. Bd. XII. S. 448 n. 1).
59) Andererseits lasst er seinen Jnden einige Bemerkungen maclien,
die den wirklichen Juden chfiraktei'isiren und zeigen, dass Justin
das daiualige Judenthum kannte. Aber sie kommen nicht hiiufig vor und
■geben dem Rialoge nicht das Gepriige. Die wichtige Ausfiihrung c. 47
ist ausserdem gewiss auch auf heidnische (und christHche) Leser berechnet.
60) Ueber die letzte Absicht des Dialogs wiire Avahrscheinlich ein
Zweifel nicht moglich, wenn wir etwas von jenem Marcus Pompejus (c. 8.
141) wiissten, dem er gewidmet ist. Die Widmung — eine solche muss
der Dialog urspriinglich gehabt haben — ist aber leider verloren gegangen.
Der Charaktor mid die Composition. 79
merkt uiid namentlich a'Oii Engelhardt betont worden ist, von
der philosophischen Theologie eiiien geringeren Gebrauch als in
seiner Apologie. Aber sie bleibt dock die Grundlage seiner
theologischen Orientirung, nnd dass ihre Formeln weniger stark
hervortreten, hat wohl nur darin seinen Grnnd, dass er nicht, wie
in der Apologie, in erster Linie Philosophen und Freunde der
Philosophie als seine Leser denkt, die von dem Christenthum
nnr Fabeln wussten. Die Leser, an welclie er sich hier wendet,
stelien der Sache, fiir die er eintritt, nm einen Schritt bereits
naher, als das grosse gebildete Publicum, vrelches in der Apo-
logie vorausgesetzt ist '^^). Der Gebrauch, den Justin von christ-
lichen Schriften neben den alttestanientlichen macht, ist von
dem in der Apologie kaum verschieden. Chrondgraphische
Ausfuhrungen finden sich in dem Dialoge so gut wie gar nicht.
Der Dialog des Jason und Papiskus scheint auf den ersten
Blick iusofern eine Sonderstellung einzunehmen, als der Christ
in demselben als ein geborener Hebriier, der Jude als ein Ale-
xandriner vorgestellt war. Man erwartet hiernach, dass der
Verfasser selbst ein jlidischer Christ gewesen, dass sein Werk
aus den besonderen Streitigkeiten zwischen Juden und Juden-
christen herausgewachsen war, und dass es also nicht eigentlich
in die Reihe der hier zu besprechenden Schriften gehort hat.
Dieses Vorurtheil scheint bgdeutend verstarkt zu werden durch
die uns noch erhaltene Nachricht, dass Clemens von Alexandrien
es dem Lucas zugeschrieben hat. Das Urtheil des Clemens
besagt in der That mindestens dies, dass der Dialog eine Reihe
von Merkmalen getragen haben muss, durch welche er sich von
den gewohnlichen apologetischen Schriften unterschieden hat
und in dem Masse mit der urchristlichen Literatur verwandt
erschien*'-^). Allein andererseits ist aus anderen uns erhaltenen
Nachrichten"^^) deutlich, dass die Schrift in einer ganzen Reihe
61) Die Schriften ngbq^'EXlrivuc; — nQoq 'lovSaiovg — 'ExXoyal (testi-
monial) stehen audi sonst walirscheinlicli und iiberliaupt in einer Stufen-
folge, indem die ersten die Bediirfnisse des grossen Publicunis, die zweiten
die der Geforderten und bereits nach Offenbaning Suchenden, die dritten
die der Katecliumenen vornehmlicli beriicksiclitigen.
62) S. liiezu die oben angefiihrte Abhandlung von Overbeck.
03) S. Texte u. Unters. I, II S. 115f. Wir werden unten noch einmal
auf diese Beobachtunofen zuriickkommen.
80 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
von Merkmalen die gewohnliclien Ziige der Apologetik getragen
liabeu muss. Das gilt niclit nur vom Weissagungsbeweis im
engsten Sinn des Wortes — wir haben iibrigens oben geseken,
dass dieser in seinen Grundziigen im 1. und 2. Jakrhuudert bei
Jiiden- und Heidenckristen derselbe geblieben ist — , sondern
auck namentlick von der Ckristologie, welcke der des Justin und
der Apologeten iiberkaupt almlick gewesen sein muss. Die Chri.sto-
logie ist aber stets Symptom der „Tkeologie". Der Dialog katte
also kockst vrakrsckeinlick ein doppeltes Gesickt: aber das Ar-
ckaistiscke kann nickt das Hervorsteckendste gewesen sein, und
dass es dies nickt gewesen ist, darliber belekrt auck die Ge-
sckickte des Dialoges in der Kircke. Die Figuren des Dialoges,
der mit der Bitte um die Taufe von Seiten des Juden sckloss.
waren kockst wakrsckeinlick frei erfundene. Was den Umfang
des bekandelten Stoffes anlangt, so muss sick der Verfasser
ganz wesentlick auf den locus de Ckristo besckrankt kaben;
denn Origenes nennt die Sckrift ,,avTiloyia tceql Xqlotov^'-, und
Celsus Afer giebt den Inkalt als „adsertio et vindicatio disposi-
tionis et plenitudinis Ckristi" an.
Tertulkans Sckrift adv. ludaeos^^) ist in ikrer ersten Hiilfte
der Anlage nack ein durckaus originales Product^^). Das
sckliesst nickt aus, dass altere grieckiscke Sckriften in ikr reick-
lick benutzt sind. Abkangigkeit von Justins Dialog ist bereits
von Anderen constatirt worden, Man kat die Ecktkeit der
zweiten Half'te bekanntlick beanstandet. Die Frage kommt an
dieser Stelle nickt in Betrackt, da auf alle Falle auck der zweite
Tkeil nock dem 3. Jakrkundert angekort. Das Eigentkiim-
licke dQs tertullianiscken Tractates ist zuvorderst dies, dass der
Gegner des Ckristen ein jildiscker Proselyt ist, und dass
Tertullian daker am Anfang von der Tkatsacke aus gegen den
jiidisckenParticularismus argumentirt, dass dieHeiden iiberkaupt
auck nack jildiscken Grundsiitzen zum Gesetz Gottes zugelassen
04) S. Neander, Antignosticus S. 463 f. Bohringer, Tertullian ~
S. 740. Hesselberg, Tert.'s Lehre I S. 62f. Grotemej-er, Tert.'s Leben
u. Schriften II (1S65) S. 18f. Hauck, Tert.'s Leben u. Schriften S. 88 f.
Bonwetsch, Die Schriften Tert.'s S. 40f. Kellner, Tert.'s Siimmtl.
Schriften II S. 26Gf.
65) S. die treffliche Analyse bei Hauck, a. a. 0.
Dcr Chiu-akter und die Composition. 81
werden konneii. Er maclit damit einen Gedanken zum Ans-
gangspunkt, der in der alteren ajDologetischen Literatur kaum
fur werthvoll erachtet worden ist. Allein audi Tertullian ist
nicht gesonuen, ihn ernstliaft zu nelimen. Er lenkt sehr rasch
ill die lierkommliclie Gegenliberstelluug von Gesetz tind Gesetz
ein, und wenn sicli audi seine Auffassung des mosaisdien Ge-
setzes in wesentlidieu Punkten bereits von der Justins unter-
scheidet, so bleibt die Argumentation dodi zienilidi dieselbe.
Von der Betraditung des Gesetzes geht Tertullian zu dem ver-
lieissenen neuen Gesetzgeber (c. 6) liber, um sehr rasdi auf die
Danieliscbe Weissagung zu komnien. Der Nadiweis, dass die
Zeitbestimmnngen bier genau auf Christus passen, ist ihm eine
entscheidende Hauptsadie. Was nun folgt, der sog. zweite Tlieil,
entlialt den lierkouimlidien Weissagungsbeweis in Bezug auf
die Person und die Gesdiicke Jesu ini Detail. Bemerkenswerth
ist, dass Tertullian in dem ganzen Tractat von NTlicben Schriften
kaum irgend Avelchen Gebraudi madit, und dass er hie und da
Einwendungen so vorbringt, als habe er einen wirklichen Gegner,
der seine Grlinde geltend madit, vor sich.
Die beiden ersten Blidier der „Testimouia" Cyyjrians *^*^)
bilden gegen liber dem dritten, das ursprlinglich gar nicht be-
absichtigt war (s. Praefat. ad lib. 1. II und dazu Praef. ad lib.
Ill), ein Gauzes: es wird in ihnen die Verwerfung der Juden,
die Substitution der Christen und das gauze Mysterium Christi
aus den heiligen Schriften beider Testamente dargestellt.
Sie enthalten wesentlich nichts anderes, als systematisch grup-
pirte Excerpte aus dem A. und N. T. Was der Verfasser hinzu-
gethan hat, sind die ausflihrlichen Capitelliberschriften und hie
vmd da — aber sehr selten — langere oder kiirzere zusammen-
fassende Bemerkungen, Es verdient alle Beachtuns;, dass diese
66) Die Echtheit der Testimonia (libelli tres ad Quirinum) ist von
Erasmus angezweifelt worden. Die Schrift wird jetzt mit Redit fiir
edit gehalten. Sie findet sich bereits im Cod. Sessor. saec. VIII. vel IX.,
dagegen niclit im Seguierianus saec. VI. vel. VII.; vgl. Hartal, 0pp.
Cypr. Prolegg. p. XXIII sq. Entscheidend aber isf, dass bereits Pelagius,
Augustin und Hieronymus die Schrift fiir cyprianisch gehalten haben; s.
August, c. duas epp. Pelag. IV, 21. 27; Hieron. Dial. c. Pelag. 32. Auch
sie kennen sie lediglich unter dem Titel „ad Quirinunl"; der vulgare:
„Testimoniorum libri adversus ludaeos" ist handschriftlich nicht bezeugt.
Texte und Untersuchungen I, 3. (]
82 Die Altercatio Simonis et Theophili.
Schrift, welche eine Einfiihrung in das Schriftganze imd ein
Compendium des Schriftinhaltes fur Katecliumenen und der
Unterweisung Bedlirftige entlialt, in der Form einer Auseinander-
setzung mit dem Judenthum, resp. einer Bekampfung desselben
(s. oben) auftritt. Aber noch melir: stofflich ist diese Samm-
lung ganz und gar, soweit sie sich auf das A. T. bezieht,
von den Arbeiten der Apologeten, und zwar vornebmlicb der
antijlidischen, abhangig''^'). Aus ihr lasst sicli daher auf Z week
und Absicht jener Schriften zurlickschliessen, und sie warnt
davor, sich durch die Form derselben irre leiten zu lassen.
Wichtig ist, dass sich aus ihr trotz aller Knappheit der Zustand
des christologischen Dogmas ermittehi lasst, wie er damals be-
stand. Die 6 ersten Capitel des 2. Buches bilden eine Climax:
Christus ist „primogenitus" , er ist die „sapientia dei", er ist
„sermo (manus, brachium) dei", er ist endlich ilberhaupt „deus".
Geht man von dieser Sammlung zu der mehr als ein Jahr-
hundert jiingeren iiber, die unter dem Namen des Gregor von
Nyssa bekannt ist (Testimonia adv. ludaeos), so fallt die Ueber-
einstimmung derselben mit jener und mit den altesten anti-
judischen Schriften im Stoff und bis zu einem gewissen Grade
auch in der hochst einfachen Art der Verwendung desselben
67) A priori liisst sich freilich sclion vermutlien, class ein Werk, wie
das vorliegende, erst zusammengestellt worden ist, nachdem in verschiede-
nen Specialschriften bereits ein reiches und gesiclitetes Material zur Hand
war. Die selbstilndige Auffindung und Gruppirung von mehr als 700
Bibelstellen (so viele in den drei Biichern) wiire ein sehr zeitraubendes
und miihevolles Geschiift gewesen, zumal bei dem damaligen Zustande
der BuchroUen. Mindestens die alttestamentlichen SteUen in den beiden
ersten Biichern miissen bereits gesammelt gewesen sein, und sie waren
es eben auch — um die Mitte des 3. Jahrhunderts — , nachdem man sich
bereits mehr als hundertfiinfzig Jahre lang um das Evangelium im A. T.
bemiiht hatte, und nachdem die alexandrinischen Juden schon langst mit
Stellensammlungen zu gewissen biblischen HauptbegrifFen, angeblichen und
wirklichen, vorangegangen waren. Gegen diese Annahme spricht nicht,
dass Cyprian (Praef. ad lib. I) sich fur seine Sammlung auf die .,medio-
cris memoria" beruft; denn Eigenes hat er natiirlich dazugethan. Es
lasst sich vielmehr aus einer Vergleichung der Vorrede zum 3. Buche
vermutlien, dass erst dieses ihm eigentlich Muhe gemacht hat. Hier
waren wohl entweder gar keine oder ganz unbedeutende Vorarbeiten
vorhanden.
Der Chiivaktor mid dio Composition. S3
sehr aiiff'''). Man kihmte sie daher I'iir eiiie selir alte Schrift
halten, wiircle nicht im ersten Capitel an den theologischen nnd
cliristoloj^ischen Testimonien des Alten Testaraentes durchweg
das Trinitatsdogma, wie es sich in der 2. Hiilfte des 4. Jalir-
hunderts fixirt hatte, erwiesen. Dieses Capitel scliliesst mit den
Worten: Idoh anodadei/MTai gIv ^€(o dice nXeiovtov rrjg aylag
■/.at of-ioovGiov TQiddog a\ vTioGzaosig. Dass nun gerade liier
die Zeit des Schriftstellers sich verrath, wiihrend der Weis-
sagungsbeweis sonst so stereotyp geblieben ist, ist nicht auf-
fallend. Wir haben oben gesehen, dass derselbe seit der Mitte
des 2. Jahrhunderts mit der rationalen Theologie verkniipft
worden ist. Also ist es audi zu erwarten, dass er die Aus-
bildung, welche dieselbe erfahren hat. an seinem Theile stets
deutlich machen wird., Hier, und hier vor allem, haben wir
einen chronologischen Anhaltspunkt zur Bestimmung von Schrif-
ten, die den Weissagungsbeweis in der Hauptsache wiedergeben
und deren Alter unsicher ist*^'').
Solche Anhaltspunkte werden sich alier auch in der Kegel
dort fin den, wo, wie z. B. in der Schrift des Basilius von Se-
leucia c. lud., die Rechnung nach Daniel die Hauptsache ist, oder
wo, wie in dem Gesprach des Timotheus und Aquilas, die dia-
logische Form festgehalten wird. Dort namlich wird der Schrift-
steller es selten unterlassen, chronologische Angaben iiber die
eigene Zeit zu machen, und hier werden die Situation, welche der
Verfasser schildert, der Rahmen und die Ausfiihrung des Bildes,
Fingerzeige fiir die Datirung geben. Mai hat von jenem Dialog
des Timotheus und Aquilas, der in den Tagen des Cyrill ge-
halten sein will, dessen Stil aber ein spateres Alter verrathen
68) Audi hier werden hie und da die Juden redend eingefiihrt, s.
z. B. c. 11 (Zacagni, 1. c. p. 313): igovai 6h navts;; ol 'lovdaioi, on tl
xbv avTov &sdv os^ead^s, tl fiij nsQcr^/nvsaS^e xxX.
G!l) Auch die Citationsfornieln konnen hie und da von chronologi-
scher Bedeutung werden, indessen hat sich seit dem Anfang des 3. Jahr-
hunderts in dieser Hinsicht wenig verandert. Sehr wichtig ist natiirlich
der Text der Bibelstellen fiir die chronologische Frage. Es gehort mit
zu den charakteristischen Ziigen der Liltesten Apologetik sowie der vor-
theologischen, dass man sich nicht scheut, den gewiinschten Sinn durch
Textesverilnderungen deutlicher zu. machen, resp. hervorzubringen. In
spaterer Zeit hort dieses Verfahren auf.
84 Cie Altercatio Simonis et TheopMli.
soil, nur den Anfaiig und den Scliluss mitgetheilt '**). Sie ge-
nligen in der That, um zu beweisen, dass er sehr jung ist.
Nicht nur wird in dem Dialog gezeigt, dass Christus der ^sog
&eu)v ist, spndern eine Reihe von Aiisdrlicken bekunden sekr
deutlich das spate Alter (z. B. av(p7]f.i6lv ts x6v [^aoilia y.ai tov
loayyslov eniayiouov). Bezeiclmend ist audi, dass der Christ,
von dem Juden uro die Taufe gebeten, dieselbe niclit ertheilen
kann, den Neubekehrten vielmehr zum Bischof fiihrt, dieser
aber den Tiniotheus zum Diacon, sodann zum Presbyter weiht,
worauf er, in dieser Eigenschaft, noch an demselben Tage die
Taufe an dem Juden vollzieht.
Wir konnen nun nach diesen Vorbemerkungen die Alter-
catio Simonis et Theophili ins Auge fassen; denn es ist nicht
nothwendig, auf die monographischen Tractate und die Predigten
adv. ludaeos des 3. bis 5. Jahrhunderts hier naher einzugehen,
da sie f'iir das geschichtliche Verstandniss jener Schrift nur
wenig austragen.
Erinnert man sich, dass die Altercatio am Anfang des
5. Jahrhunderts verfasst ist, so muss jedem Kenner der Dogmen-
geschichte der archaistische Charakter derselben auffallen.
Derselbe tritt nicht in der Art des Weissagungsbeweises an sich
hervor, sondern vielmehr in der Theologie und Christologie des
Yerfassers. l)ie kirchliche Trinitatslehre ist ebensowenig be-
riihrt wie die Zweinaturenlehre; dagegen sind die Formeln,
vrelche der Veifasser hier braucht, durchweg die des zweiten
Jahrhunderts ^ ^). Von der Menschheit Christi ist iiberhaupt
70) Spicil. Kom. T. IX. p. Xllsq. Mai bemerkt ausserclem: „Constat
dialogus longo vaticinioruin examine, quibus clemonstratur , lesum revera
deum esse et exspectatum illuin a ludaeis Messiain, suadente Cliristiano,
contradicente ludaeo".
71) Wohl wird Christus „deus et dei filius" genannt; aber diese Zu-
sammenstellung ist schon dem Justin gelaufig und sie ist dem Verfasser
kein Ausgangspunkt fiir weitere Speculationen. Die Stelle Gen. 18, 4. die
in spilterer Zeit (s. z. B. die pseudogregorianischen Testimonia, Zacagni
p. 291 sq.) stetsfiir die Trinitatslehre verwendet worden ist, wird von unserem
Verfasser I, 6 zwar citirt, aber ohne diese Verwendung. Die an Moses
gerichteten Worte (II, 7): „Ecce dedi te deum Pharaoni" werden unbe-
fangen angefiihrt, um die Cxottheit Christi verstaudHch zu machen; ebenso
wird (III, 11) eine Parallele gezogen zwischen der Erzeugung Christi und
der Erschaffung des Menschen. Der priiexistente Christus ist „verbo edi-
Der Charakter uiul die Composition. §&
eigentlich nirgends die Rede — c. Ill, 14 scheint der Doketismus
abgewelirt zu sein — , dagegen beschaftigt sich der Verfasser
nicht iiiir durcli den ganzen Tractat hindurch luit der zwei-
I'acben imd so verschiedenen Ankunft Christi, sondern er hat
aucli gleicli im Eingange deni Spruclie Isa. 44, 6 („Ego primus
et ego novissimus") eine Deutung aiif sie gegeben, mid seine
Bezieliung von Deut. 32, 39 („Praeter me non est deus") aiif
den Antichrist ist ebenso frappirend wie alterthtimlich. Er er-
wiihnt ferner das tausendjahrige Reich und setzt dasselbe der
„imaginaria requies diei septimi" (VII, 28) entgegen. Der all-
gemeine Weltbrand wird VI, 24 ausfuhrlich besprochen. Wo
der Kirche gedacht wird (VI, 24. 25), da werden nirgends be-
stimmte Institntionen in ihr hervorgehoben, vielmehr kommf
sie lediglich als die neue, wahre Gemeinde, das Volk Gottes,
gegenliber der Synagoge in Betracht. Der Verfasser scheiit
sich audi nicht, die Kirche mit der „fornicaria" zu vergleichen.
Anspielungen auf neutestamentliche Schriften sind sehr spar-
lich; die Ausfiihrungen ruhen ganz und gar auf deni A. T.,
welches zudem in freiester Weise ])enutzt wird. Der Verfasser
hat sich entweder selbst eine Reilie von alttestamentlichen
Spriichen nach seinem Gutdiinken zur Verstarkung seiner Be-
weise redigirt, oder er hat eine zu apologetischen Zwecken zu-
sammengestellte und bearbeitete Sammlung von Spriichen be-
nutzt. Seine allegorischen Erklarungen des A. T. sind zum
grosseren Theile die allbekannten; aber hie und da bringt er
eigenthiimhche Deutungen, von denen nianche anstossig naiv
sind '2).
Alle diese Merkmale lassen in dem Verfasser eher einen
tus, ore prolatus" (1. c, s. Justin). Nirgends ersclieint die Christologie
tiber die Linie hinausgefiihrt, bis zu welcher sie selion im 2. Jahrliundert
ausgebildet war.
72) Die ^Exegese" des Euagrius, wenn von einer solchen iiberhaupt
geredet werden kann, ist die der iilteren Apologeten. Von einer schul-
massigen Exegese, wie sie in Anlehnung an die Alexandriner und Antio-
chener auch im Abendlande im fiinften Jahrhundert betrieben wurde,
ist audi nicht eine Spur zu entdecken. Indessen ist diese Beobach-
tung fiir die Frage nach dem wirklichen Alter der Altercatio belanglos,
da der Weissagungsbeweis stets sprode gegen die kunstmassige Exegese
gebHeben ist. Die letztere hat es immer nur zu einzelnen apologetischen
Tractaten srebracht.
86 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
Zeitgenossen des Barnabas unci Justin als cles Augustin und
Nestorius vermutlien. Wissen wir auch, dass sicli im Abend-
lande wahrend des ganzen 4. Jahrhunderts das Alterthiiniliche
viel ztiher erlialten hat als im Morgenlande, und dass dasselbe
iiberall in einer antijiidisclien Polemik, resp. in der Form einer
solchen, besonders stark hervortreten musste, so soil docli Eu-
agrius nacli der Zeit des Augustin, resp. in den letzten Jaliren
desselben gesclirieben haben, und sein Werk triigt docli den
alterthlimlichen Stempel in einem weit liolieren Masse als die
Schriften eines Lactantius, die um ein Jahrliundert alter sind.
Dialoge pflegen docli sonst stets die Zeit zu verrathen, aus
welcher sie stammen, sei es in einer dogmatiscli-theologischen
Ausfuhrung sei es durch einen Hinweis auf die allgemeine Zeit-
lage. Nun — mindestens eine Ausfiibrung macht es in der
That evident, dass unser Dialog, wie er vorliegt, wirkhch dem
5. Jahrliundert angehort: es ist der Abschnitt, in welchem
der Verfasser auf die audi in der Geburt iiiclit verletzte Jung-
fraulichkeit der Maria eiiigegangen ist''''). Dieses Dogma ist
l^ekanntlich nicht alter als die Zeit des Hieronymus. Ein Schrift-
steller, welcher dasselbe so vertreten hat, wie unser Verfasser,
kann daher friihestens dem Aiifang des 5. Jahrhunderts oder
dem Ausgang des 4. angehoren''^).
Indessen gerade der liier bezeichnete Abschnitt beweist,
dass unser Dialog nach einer iilteren Vorlage gearbeitet ist.
Er erweist sicli namlich offenbar als eineEinschiebung.
Im dritten Capitel der Altercatio wareii die Fragen nach der
Gottessohnschaft Christi und der Jungfrauengeburt bereits er-
ledigt, wie der Jude selbst IV, 15 ausdriicklich constatirt. Er
verlangt nun nach einem Beweise dafiir; dass Christus ein Solin
Davids, und dass er in Bethlehem geboren sei. Dieser Beweis
Avird ilini von Theophilus in den beiden Prophetenstellen Isa.
73) S. c. IV, 1,5. IfJ.
74) S. Hieron. adv. Pelag. (0pp. ed. Mart. IV, 2 p. 512): „Solus Christu.s
clausas portas vulvae virginalis aperuit, quae tamen clausae iugiter per-
manserunt. Haec est porta orientalis clausa, per quam solus pontifex ingre-
ditur et egreditur, et niliilo minus semper clausa est". Aehnlich Ambro-
sius ; auders noch TertuUian, Origenes, Epiphanius, Pseudogregoi adv. lud.
(Zacagni, 1. c. p. 304sq.); s. Hase, Polemik * S. 313.
Der Cliiiriikter und (.lie Composition. S7
11. 1. 2 und Miclia 5, 2 gegeben"-^). Die beiden Stellen steben
aber niclit. wie man erwarten muss, neben einaiider, sondern da-
zwiscben ist von „Deus enim, qui in Numeris etc." (IV, 15 p. 24, 25)
bis ..inpleta cognosces'' (lY, 17 p. 25, 17) eine Satzgruppe einge-
scboben, die von der Jungfraulicbkeit der Maria post partum ban-
delt, in welclier sogar bebauptet wird, dass der ganze Streit zwi-
scben Juden und Cbristen darum sicb drebe, ob eine .Tungfrau als
Jungfrau geboren babe. Dass der Abscbnitt aus dem Zusammen-
liang des Dialogs berausfallt, muss Jedem sofort deutlicb sein,
der darauf aufmerksam gemacbt wird. Man konnte nun ver-
mutben, dass er nicbt von Euagrius selbst, sondern von einem
Spiiteren, einem Abscbreiber, eingefiigt sei; allein dieser Hypo-
tbese stebt die Beobacbtung im Wege, dass der Stil des Ab-
scbnittes volHg mit dem Stil des Ganzen stimmt, dass selbst
mebrere, nicbt eben gewobnlicbe Ausdrlicke identiscb sind''^),
und dass uamentlicb die Wendung, als setze der Cbrist Miss-
trauen in den jlidiscben Glauben an die Propbeten, audi sonst
in dem Dialog sicb findet. Die bezeicbnete SatzgTuppe ist also
ein integrirender Bestandtbeil der Scbrift des Euagrius; sie be-
weist aber dann, dass dieser eine altere Vorlage mecba-
niscb und daber wobl ziemlicb treu fiir seine neue
Scbrift copirt bat.
Sobald dieses an einem Punkte — und wir holFen mit
Sicberbeit — constatirt ist, fallen andere Beobacbtungen auf,
welcbe diese Hj'potbese stiitzen. In c. VII, 28 (p. 42, 9) ist mitten in
einen Abscbnitt, der von dem Verbot des vinum ludaicum ban-
delt, der Satz bineingestellt: „et azymas tuas manducare veta-
mur". Die alttestamentlicben Stellen, welcbe angefiihrt werden,
bezieben sicb nur auf den Wein, d. b, das Blutvergiessen wird
unter demBilde des Weines dargestellt und umgekebrt. Das Verbot
der Azyma ist aber wortlicb zu versteben. Dieses gebt obne Z weifel
zuriick auf den 7U. apostoliscben Kanon, resp. auf den 37. Kanon
von Laodicea — friiher ist es in der Literatur nicbt uacbweisbar.
Man kann audi bier den Verdacbt nicbt uiiterdriicken, dass der
Verfasser in eine altere Vorlage ein modernes Verbot liinein-
75) Der ersten Stelle sind die Worte hinzugefiigt (IV, 15): ,Virga
enim Maria virgo fuit, quae ex semine David processit, ex qua Christ us
flos patriarcharum secundum carnem nascitur".
7(5) Z. B. „plenitudo evangeliorum" ; s. V, 20. VI, 25.
g§ Die Altercatio Simonis et Theophili.
gestellt hat, olme zu beinerkeii, dass das so Zusammengescliweisste
gar nicht zusammenpasst. C. VI, 24 (p. 33, 7sq.) wird mit der
Formel „praedictns adventus" auf die Wiederkunft Christi liin-
gedeutet, aber von dieser war bislier nocli niclit die Rede. Also
scheint es, dass Euagrius aus seiner Vorlage aucli Stiicke weg-
gelassen, mindestens an einer Stelle aber die Auslassung nicht
geniigend verdeckt hat. Endlich ist hier des so rathselhaften
Anfanges der Schrift zu gedenken. Wie oben (§ 1) bemerkt,
beginntVmit denWorten: „Fuit igitur altercatio legis inter etc.";
B und C stellen dagegen eine kurze Einleitung voran, die aber
nur in B dnrch eine kurze Adresse („Domino fratri valerio a . . ius
saluteni") eine Etiquette erhalten hat. Es wird audi Anderen
so gehen, dass sie um des abrupten Anfanges in V willen zu-
nachstjene Einleitung fiir urspriinglich anzusehen geneigt sein
werden. Allein bei naherer Betrachtung lasst sich diese Hypo-
these scliAverlich halten. Erstlich namhch ist es nicht ersicht-
lich, waruni die Einleitung, wenn urspriinglich, fortgelassen
worden sein soUte, wahrend ihre Beifiigung sich sehr wohl
erklart. Zweitens zeigen alle Handschriften, dass die Altercatio
anonym cursirt hat''), 3) ist der Verfassername in der Adresse
von B unzweifelhaft, wie er auch ursprunglich gelautet haben
mag, ein unrichtiger, 4) endlich — und das scheint die Haupt-
sache — stinimt die Einleitung gar nicht mit dem Inhalte der
Schrift selbst zusammen. Nach jener soil der Verfasser von
einer Unterredung berichten, die er selbst soeben als Augen-
zeuge miterlebt hat; aber nicht ein Wort, nicht ein Zug deutet
in der Schrift selbst darauf hin. Hatte der Verfasser als Augen-
zeuge berichtet oder auch nur berichten woUen, so hiitte er
iiber die Situation und liber die Personen der Disputanten doch
wohl ein Wort verloren. So wie diese Einleitung ohne Ver-
bindung mit dem Folgenden dasteht, kann sie nur als ein
schlechter und erfolgloser Versuch gelten, das Auffallende des
Anfangs der Schrift zu ermassigen. Dieser Anfang ist aller-
dings ein ganz ungewohnlicher. Sieht man auch von dem selt-
samen „igitur" ab, welches sich auf die Ueberschrift zuriickbe-
ziehen kann, so lasst sich doch der gauze Eingaug und die
77) Der Zusatz in B: „quam scripsit evagi-ius" ist in spiiterer Zeit ge-
macht unci darf wohl auf die Lecture des Gennadius zuriickgefiihrt werden.
Der Charakter und die Composition. 89
unvermittelte tEintuhrung der Persoueii nur clurcli die Annahme
erkliiren, dass der Verfasser selbst etwas fortgelassen hat. Dies
wird aber sofort verstiiiidlich , wenu man die Hypotliese zu
Httlfe nimmt. dass er eiuen iilteren Dialog als Vorlage benutzte,
dessen Eingang er sich niclit aneigiien wollte oder konnte. 1st
aber die Annahme einer iilteren Vorlage bereits aus anderen
Griinden (s. oben) als erwiesen zu betrachten, so erscheint die
hier gegebene Erkliirung fast unumganglich.
Wir diirfen somit als gesichert annehmen, dass Euagi-iiis
einen alteren Dialog dnrch Zusatze und Auslassungen liber-
arbeitet hat. Es fragt sich, ob sich ausser den zwei genannten
Stucken (IV, 15—17 u. ein Theil von VII, 28) fioch andere als
Zusatze erweisen lassen. Als ein soldier erscheint ferner der
Satz p. 26, 8 — 10 (fiir „nam si" etwa „et si"), welcher den Zu-
sammenhang durchbricht und mit p. 20, 25; 31, 10; 34, 10 streitet.
Anderes ist unsicher oder irrelevant. Die Disposition zeigt
sich iiberall als eine sachgemasse und durchsichtige. Fiillt auch
bei fliichtiger Betrachtuug auf, dass das Capitel liber die Be-
schneidung (c. 5) zwischen die Abschnitte, welche von dem Ur-
sprung und der Geburt Christi (c. 4) und von seinem Leiden
(c. 6) handeln, gestellt ist, so erklart sich doch diese Stellung
bei genauerer Priifung daraus, dass der Jude von der Be-
schneidung Christi ausgeht. Die beiden langeren Excurse in
dem umfangreichen sechsten Abschnitte (zu Num. 13, 24 sq.
und liber die Kirche) fallen nicht aus dem Rahmen des Ganzen
heraus; kleinere Unebenheiten sind hie und da, aber nur selten
zu constatiren; Zusammenziehungen mogen an einigen Stellen
stattgefunden haben.
Da am Anfange der Disputation bestimmt worden ist, dass
die Beweise lediglich „praesentia legis" gefiihrt warden sollen,
und da diese Abmachung eingehalten wird, so sind schliesslich
noch die Stellen in Betracht zu ziehen, in welchen auf die
evangelische Geschichte, resp. auf neutestamentliche Schriften
angespielt wird. Der Verf. bezieht sich auf die Geburt Christi
in Bethlehem, auf seine Beschneiduug am 8. Tage, auf die An-
kunft der Magier, die Wahl des Matthaus, die Kreuztragung,
die Leidensgeschichte, iiberhaupt auf die Stiicke der regula lidei.
Hier ist nichts, was nicht auch im zweiten Jahrhundert ge-
schrieben sein konnte, zumal da der Verfasser jedes directe
90 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
Citat vermeidet. Aucli die melirmalige Yerweisuug auf die
,,pleuitudo evaugeliorum" ist nicht auffalleud. Auffallend aller-
dings ist die Erklaruug (V, 20) zu Isa. 43, 19: „et ponam in
deserto flnmina" — „lioc est in ecclesia evangelia''. Allein siebt
man genauer zu, so gehort diese Bemerkuug gar nicht in den
urspriingliclien Zusammenliang. In dieseni liandelt es sicli ledig-
lich wie im 2. Jalirliundert iim das testamentum novum et vetus,
von Evangelien ist gar nicht die Rede. Die Jesajasstelle selbst
ist mit den Worten eingeflihrt: ,,Pro testament© novo sic
dicit Esaias". Die specielle Erklarung der „flumina" als „evan-
gelia" fallt durchaus aus dem Zusammenhange heraus, wie auch
das gleich folgende Citat aus Jerem. 31, 31 beweist. — Nur zu-
falhg ist jedenfalls die Berlibrung III, 12 init. mit II Cor. 3, 13 sq.,
und auch darauf wird schwerHch Gewicht zu legen sein, dass
die beiden Stellen Isa. 59, 7 und Ps. 14, welche der Verfasser
VII, 28 verwechselt hat, Rom. 3, 10 sq. als verbunden erscheineu.
Die allegorische Deutung der „gladii petrini" auf Petrus (V, 20
lin.) hat keine neutestamenthche Grundlage und darf daher hier
iibergangen werden. Somit bleiben nur zwei Stellen lib rig,
welche Schwierigkeiten zu machen scheinen. C. II, 9 braucht
der Verfasser eine Wendung, welche sich mit Hebr. 1, 5. 6
wortlich beriihrt, und c. Ill, 11 findet sich in aller Form ein
Citat — das eiuzige — aus einer neutestamenthchen Schrift:
Jon. 1, 1 — 3. Allein die Beriihrung mit Hebr. 1, 5 kann eben-
falls eine zufallige sein; ausserdem ware es auch bei der An-
nahme, die Vorlage stammte aus dem 2. Jahrhundert, nicht
auffallend, dass der Verfasser den Hebraerbrief benutzt hatte.
Was aber das Citat Job. 1, Isq. betrifft, so ist es schwer, ein
Urtheil zu fallen, da in Folge einer Textescorruption die Art
der Ankniipfung desselben an das Vorhergehende nicht ganz
klar ist. Dass es den Zusammenhang durchbricht, ist deutlich;
andererseits ist es mit einer Reserve eingeflihrt („si velles lo-
hannem audire"), ferner wird nicht an das Buch des Johannes,
sondern an Johannes selbst, als propheta noster, appellirt'"'),
endhch schliesst das Citat mit den Worten: „et sine illo factum
est nihil", d. h. es beobachtet die alte Satzeintheilung.
Aus dem hier Ausgefiihrten ergiebt sich, dass audi von
78) Diese Bezeiclmung kann sehr alt, aber freilicli auch sehr jung sein.
Das Verhilltniss der Altorcatio zu auderen Schriften. 91
dieser Seite her an der wesentlicli treuen Reproduction der
Vorlage nicht gezweifelt zu werden braucht, Es kommt nun
nocli zu dem bereits eingangs Bemerkten eine Reilie von alter-
thumlichen Ziigen hinzu. Dazu rechne icli nicht, dass der Ver-
tasser sich nirgendwo auf das sachlich Werthvolle der im Weis-
sagungsbeweise enthaltenen Stlicke besinnt, sondern einfach die
Forniel, „damit die Schrift erfiillet werde", bei der Hand hat
(VI, 22 p. 29, 11 sq.), wohl aber folgende Beobachtungen : Die
Zeit der Wirksamkeit Jesu wird auf ein Jahr bestimmt (VI, 24);
von Matthaus wird behauptet, er sei Heidenchrist gewesen
(V, 20) — eine Annahme, die sich sonst nur noch bei Tertullian
Hndet; auch die guten Engel soUen von der Menschwerdung
des Sohnes Gottes nichts gewiisst haben (VI, 25 p. 37, 5sq.);
gegen den Doketismus wird III, 14 protestirt; endhch erscheint
auch die so rasch eintretende Taufe des Juden als alterthllm-
hch (VIII, 3U).
AUe diese Beobachtungen, mit der Christologie des Ver-
t'assers zusammengehalten, erlauben den Schluss, dass Euagrius
einen alten Dialog reproducirt und zwar im Ganzen treu repro-
ducirt hat. Dieser Dialog aber kann schwerHch j linger ge-
wesen sein als die Schriften Tertullians, sehr wohl aber
erheblich alter. Ware die Schrift des Euagrius ohne das Te-
stimonium des Gennadius auf uns gekommen und wlirde das
Stiick liber die Jungfraulichkeit der Maria in ihm fehlen, so
wlirde gewiss Niemand daran zweifeln, dass uns in ihm eine
sehr alte Urkunde aus der christlichen Literatur erhalten ist.
Wir besitzen aber noch Mittel, um die Zeit und den Ursprung
der von Euagrius reproducirten Grundschrift naher zu bestimmen.
§ 5. Die Altercatio (resp. die Grundschrift derselben)
in ihrem Verhaltniss zu Tertullians Tractat adv.
ludaeos, zu Cyprians Testimonia, zu Lactantius' In-
stitutiones und zu .Justins Dialog mit Trypho.
Die Gruppen von Schriftcitaten , welche in der Altercatio
enthalten sind, sowie manche Ausflihrungen linden sich zuni
Theil in anderen abendlandischen Schriften wieder. Die Ueber-
einstimmung ist nicht selten eine so frappante, dass sie nicht als
zufalUg erachtet werden kann. Wir beginnen mit Tert. adv. lud.:
92 Die Altercatio Simonis et Theophili.
1. Die Altercatio und Tertullians Schrift adv. ludaeos.
Die Berlilirungen zwischen diesen beiden Schrifteu sind
sehr bedeutende, so verschieden sonst der Inlialt derselbeii ist,
uud soviel reichlialtigeren Stoff die tertullianische Schrift ent-
lialt. Die wiclitigsten Berlihrungen sind folgende:
a) Die Behandluug der Besclineidungsfrage. Hier
finden sicli bei Tertullian folgende leitende Gedanken: Abraham
wurde, bevor er beschnitten war, ein Freund Gottes genannt
(c. 2); dazu Alterc. V, 18. — „Si circumcisio purgat hominem,
deus Adam incircumcisum cum faceret, cur eum non circumcidit?"
(c, 2); dazu Alterc. V, 21: „Potuerat deus Adam circumcisum
formare". — Abel, Noah, Henoch, Melchisedek und Lot werden
als unbeschnitten angefiihrt (c. 2); dazu Alterc. V, 21: Henoch,
Noah, Hiob und Melchisedek. — Von der Beschneidung heisst
es, dass sie war „in signum temporis illius, non in salutis prae-
rogativam" (c. 3) oder (1, c.) „in signum, non in salutem"; dazu
Alterc. V, 18: „Circumcisio signum est generis, non salutis".
Nach diesem Satze lasst die Altercatio den Juden sagen (Y, 19):
„Ergo quo modo filium Moysi, cum esset in praeputio, angelus
Suffocabat, nisi Seffora, mater eius, accepto calculo circumcidisset
puerum etc." d. h. es wird iiber Exod. 4, 25 gehandelt. Ter-
tullian aber fahrt 1. c. fort: ,,Sed et filius, in quit, Moysi turn
ab angelo praefocatus fuisset, si non Seffora mater eius calculo
praeputium infantis circumcidisset. Unde, inquit, maximum
periculum est, si praeputium carnis quis non circumciderit".
Tertullian fiihrt also hier den Einwurf eines Juden, der sich
auf Exod. 4, 25 stiitzt, an im Zusammenhang mit der Frage,
ob die Beschneidung „in salutem" gegeben sei. Der Einwurf
selbst steht, in directer Rede formulirt, in der Alter-
catio! Dieser merkwlirdigen Uebereinstimmung gegenliber will
es weniger besagen, dass Tertullian bald darauf Jerem. 4, 3sq.
combinirt mit 31, 31 sq. citirt; beide Spriiche werden audi in
der Alterc. V, 20 angefiihrt. Ebenso soil nur erwahnt werden,
dass Tertullian c. 9 die Geschichte Jos. 5, 2 („gladii petrini")
verwerthet (s. Alterc. V, 20 fin.). Er bezieht aber die „petrina
acies" auf Christus, niclit auf Petrus (nach I Cor. 10, 4).
b) Die Behandlung der Sabbathfrage. Tertullian stellt
(c. 4) den Satz voran: „intellegimus magis sabbatizare nos ab
Die Altcrcatio luul TortuUiaiis Schrift adv. hid 93
omni opere servili semper clebere"; in der Altercatio (VII, 28)
wircl dels Sabbatligebot als „requiescere debere ab operibus ina-
liguis" erklart. Tertullian citirt danii solbrt Isa. 1, 14; dieses
Citat geht in der Alterc. dem eben genannten unmittelbar vor-
her. Tertullian geht n\m zu Jos. 6, 4 sq. liber (die Belagerung
Jerichos); diese Stelle wird aber audi in der Altercatio un-
mittelbar vor Isa. 1, 14 verwerthet'".)
c) In der Alterc. VII, 26 wird die Beziehung des Psalm 72
auf Salomo abgelehnt. Er war kein Weltlierrscher: „Salomon
enim intra certa in ludaea quadraginta annis regnavit a Dan
usque ad Bersa1)ee . . . Christi autem regnum ultra incognitas
solitudines est porrectum . . . Christus semper et ubique regnat".
Bei Tertullian (c. 7) beisst es: „Quis enim omnibus gentibus
regnare potuisset, nisi Christus, dei filius, qui omnibus in aeter-
nuni regnaturus nuntiabatur? Nam si Salomon regnavit, sed
in finibus ludae tantum; a Bersabee usque Dan termini eius
regni signantur".
d) Bei der Erklaruug der Stelle Isa. 7, 13 sq. 8, 4 herrscht
grosse Uebereinstimmung; vgl, c. 9 mit Alterc. Ill, 13. 14. Die
Gedanken, dass Christus wie alle Kinder Butter und Honig ge-
gessen, dass die Beute Damaskus' und Samariens sich in den
Gaben der Magier darstelle sowie in der Bekehrung der Heiden
vom Gotzendienst, dass endlich der Ivonig der Assyrier der
Teufel sei, finden sich dort und hier. Letzteres ist um so auf-
fallender, als Tertullian an der Parallelstelle adv. Marc. Ill, 13
fin. unter dem Konig vielmehr den Herodes versteht.
e) In der Vorlage der Altercatio standen als Antwort auf
eiue Frage des Juden Isa. 11, 1 sq. und Mich. 5, 2 zusammen,
imd als virgo e radice lesse war Maria bezeichnet, die aus dem
Samen Davids stamme (IV, 15. 17). Genau so ist es bei Ter-
tullian {c. 9). „Et c^uoniam ex semine David genus trahere de-
beret virgo, ex qua nasci oportuit Christus etc." Es folgt Isa.
11, 1 sq. (virga de radice lesse, quod est Maria"); dann: „fuit
enim de patria Bethlehem etc."
f) Die Behandlung des Kreuzestodes. Hier sind die
79) Dazwischen steht freilich, aber nur in Cod. B, eine Erinnerung
an II Mace. 15. Dieses Citat ist aber eben desshalb hoclist wahrsclieinlich
eine spatere Glosse. Dafiir spricht audi die Form der Anfiihrung. In-
dessen habe ich es nicbt gewagrt, es aus dem Texte zu entfernen.
94 Die Altercatio Simonis et Theophili.
Parallelen am deutliclisten unci starksten. In der Altercat. VI, 22
beginnt der Jude damit, dass er erklart, der Kreuzestod sei die
allerschimpfUchste Todesart; in dem A. T. stiinde audi nicht
gesclirieben, dass der Christus ihn erleiden soUe, vielmehr heisse
es ini Deuterononiium: Verflucht ist jede.r an das Holz Gehangte.
Der Christ erwiedert, indem er mit den Worten beginnt: „Primo
huins dicti accipe rati on em. Recole superius Deuteronomii
lectionera, de quibus dictum est. Sic euim ait Moyses: ,Si quis
peccaverit in indicium mortis, puniatur exemplo, suspendetis
eum in ligno; et maledictus erit omnis qui pependerit in ligno'.
Sed hoc pro peccatore dixit, qui mortale peccatum admiserit.
Christus autem peccatum non habuit, sicut omnes prophetae
testantur; sed pati necesse habuit, ut scripturae inplerentur".
Bei Tertuliian (c. 10) beginnt der Abschnitt also: „De exitu
plane passionis eius ambigitis, negantes passionem crucis in
Christum praedicatam" (er redet die Juden hier also an, als er-
wiedere er auf einen Einwurf) „et argumentantes insuper
non esse credendum, ut ad id genus mortis exposuerit deus
filium suum, quod ipse dixit: ,Maledictus omnis qui pependerit
in ligno'. Sedhuius maledictionis sensum antecedit rerum
ratio. Dicit enim in Deuteronomio : ,Si autem fuerit in aliquo
delicto ad indicium mortis, et morietur et suspendetis eum in
ligno etc' Igitur non in banc passionem Christum maledixit,
sed distinctionem fecit, ut qui in aliquo delicto indicium mortis
habuisset et moreretur suspensus in ligno, hie maledictus a deo
esset . . . Alioquin Christus, qui dolum de ore suo locutus non
est . . . non pro meritis suis in id genus mortis, expositus est.
sed ut ea quae praedicta sunt a prophetis, per vos ei obventura,
implerentur". Die Uebereinstimmung zwischen beiden Ab-
schnitten ist in der Anlage und Ausfilhrung eine totale; sie
ist grosser, als dass sie sich durch den Hinweis auf das Stereo-
type des Weissagungsbeweises iiberhaupt erkliiren liesse. Es
verhalt sich hier der tertullianische Abschnitt zur Altercatio
wie eine Paraphrase zu einem Grundtext, und wiederum ver-
fiillt Tertuliian beinahe in die Form des Dialogs, wahrend die
Altercatio wirklich dialogisch ist.
Im Einzelnen , finden sich noch manche Parallelen zum
10. Capitel; vgl. ausser der Benutzung des 22. Psalms Alterc.
VI, 22 p. 31, 4 („cornutus"), VI, 25 p. 38, 6 (Ps. 96, 10:
Die Altercatio inul Tortullians Sclivift adv. Iiul. 95
,^reguavit a lig'iio''). Auf diese Stelle folgt in der Altercatio
unmittelbar, eingefiilirt dnrcli: „Item apud Esaiam" Isa. 9, 6.
Ebensofolgt bei Tertullian nach Ps. 96, 10: „Proiiide et Esaias''
und nun dieselbe Stelle. Die folgendeu Citate, namlicli Jerem.
11, 19; Isa. 53; Amos 8, 9 linden sich audi in der Alterc. VI,
22 — 25. Endlich: selir ausflihrlicli wird von Tertullian (c. 11)
Ezech. 9, 1 — 6 exegesirt; gerade diese Stelle aber ist audi in
der Alterc. VI, 24 besonders bervorgelioben. Unbedeutenderes
sei bei Seite gelassen: es ist nach deni liier Dargelegteii evident,
dass die Beriilirungen zwisclien beiden Scliriften niclit zufiillige
sein kounen; vielmelir ist auf ein wirkliches literarisclies Ab-
hangigkeitsverlialtniss zii erkeniien. Von den verscliiedenen
Mogliclikeiten, wie dasselbe zu denkeii sei, ist eine sofort aus-
zuscliliessen : Der Verfasser der Altercatio, Euagrius,
kaun nicht aus dem tertuUianisclien Tractat gescliopft
liaben. Diese Annabme verbietet sick, abgeselien davon, dass
die Uniwandelung der tertuUianisclien Sclirift in einen Dialog
an sich unwahrscheinlich und die Art der vorausgesetzten Be-
nutzung derselben durcli Euag-rius eine beispiellose ware, nament-
lich deshalb, v^eil die Redaction der Bibelsprliche bei beiden
als eine total verschiedene erscheint^^). Kauni ein Sprucli ist
dort und liier identisch; ilberall finden sich liochst bedeutende
Abweichungen, so dass jedenfalls zwei verschiedene Receiisionen
der sog. Itala anzunehmen wareii. Weiter aber: Alles spricht
dafiir, dass die Abhangigkeit auf Seiten Tertullians
liegt, und dass sie als eine Benutzung der Vorlage
der Altercatio durch Tertullian zu denken ist; diese
Vorlage muss dann aber eine griechische gewesen
sein. Der Beweis hierflir ist apagogisch zu flihren: Besteht
ein literarisches Abhangigkeitsverhaltniss, und ist die Moglich-
keit, dass Euagrius den Tractat Tertullians benutzt hat, ebenso
80) Zum Belege nur folgencle Probe : Jerem. 31,31. 32 (Alterc): „Ecce
dies veniunt, dicit dominus, et consummabo domum Ismel et domum luda
testamentum novum, non tale testamentum quod disposui patribus vestris
in die qua edusi eos de terra Aegypti". (Tertull.): ^Ecce enim dies ve-
nient, dicit dominus, et disponam domui ludae et domui lacob testamen-
tum novum, non tale quale iam dedi patribus eorum". Besonders deut-
lich sind auch die Differenzen in der oben citirten Stelle Deut. 21, 22 sq.;
aber es fehlen solche fast nirgends.
96 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
ausgeschlossen wie die andere, dass TertuUian den Euagrius
ausgeschrieben hat, so bleibt nur die Annahme iibrig, dass sie
beide aus einer gemeinsamen Quelle gescbopft liaben. Da nun
fiir Euagrius eine altere Vorlage bereits walirscheinlicli gemaclit
ist, so bietet sich die Hypothese von selbst dar, dass Tertullian
die Vorlage des Euagrius benutzt hat. Wer dieselbe treuer be-
wahrt hat, das kann nicht fragliqh sein. Euagrius' Altercatio stellt
sich als eine kurze, straffe, geschlossene, nur leicht ilberarbeitete
altere Schrift dar, TertuUians Tractat ist in seiner zweiten
Halfte ein mixtum compositum, in seiner ersten ermangelt er
zwar nicht des Zusammenhangs , geht aber von einer Special-
frage aus und beriihrt verschiedene Stoffe. Ferner, wo sich
Tertullian am starksten mit der Altercatio beriihrt, da nimmt
er auf jiidische Einwendungen Rlicksicht, wie wenn sie ihm
formulirt vorlagen (s. sub a. und f.) ; in der Altercatio erscheinen
sie wirklich als die formulirten Einwlirfe des Juden. Endlich,
Tertullian hat unstreitig, wie langst beobachtet und oben be-
merkt, seiner Gewohnheit gemass auch bei der Abfassung des
Tractates adv. ludaeos griechische Schriften (z. B. den Dialog
Justins) benutzt; lateinisch-christliche wareu ja damals ausser
seinen eigenen kaum vorhanden. War die Schrift, aus der er
das schopfte, was er mit der Altercatio des Euagrius gemein-
sam hat, eine griechische, so erkliirt sich die grosse Ver-
schiedenheit in den Schriftcitaten zwischen beiden Tractaten
von selbst*^').
Eine Vergleichung der Altercatio des Euagrius mit der
tertullianischen Schrift adv. ludaeos fiihrt also zu der Hypo-
these, dass die von Euagrius benutzte Vorlage eine
griechische gewesen ist, dass sie in Form eines Dia-
logs niedergeschrieben war, und dass sie alter ist als
die Schrift TertuUians, mithin wohl noch dem 2. Jahr-
hundert angehort.
81) An einer Stelle .scheint Tertullian die Vorlage treuer bewahrt zu
haben als Euagrius, dort namlich, wo dieser die „gladii petrini" auf Petrus
bezieht, TertuUian auf Christus als die „petra" (s. oben). Doch sagt auch
Tertullian (adv. Marc. IV, 13), Simon werde Petrus genannt, weil Jesus
selber Pels laeisse: „Affectavit Christus carissimo discipulorum de figuris
suis peculiai'iter nomeu communicare".
Die Altercatio unci Cyprians Testinionia. 97
2. Die Altercatio und Cyprians Testimonia.
Die Testimonien Cyprians — ein systematisch angelegter
Aiiszug ans der Bibel, der dem Laien die heiligen Scbriften
ersetzen konnte — haben sich in der abendliindischen Kirche
einer Aveiten Verbreitnng iind eines holien Ansehens erfreut.
Ausdriicklich werden sie von Aiigustin und Hieronymus citirt,
und von ihnen erfahren wir auch, dass Pelagius in einem „liber
testimoniorum" das cyprianische Werk hat nachabmen, resp.
erganzen woUen. Die neueren Untersucbungen liber die alt-
testamentlicbe Itala baben aber weiter gezeigt, dass Commo-
dian, Firmicus Maternus und Lactantius die Testimonien
benutzt baben ^2j jj^ Bezug auf den letzteren bat dies Ronscb
nacbgewiesen. Von den 68 alttestamentlicben Citaten, welche
sicb bei Lactantius Instit. IV, 6 — 21 linden ^■^), steben 52 aucb
in den Testimonien Cyprians. Der Umfang sowobl, in welcbem
die einzelnen Bibelverse und Versgruppen citirt werden, als auch
die Form des Bibeltextes, endlich die gleiche Anordnung der
Sprllche in einigen Fallen lassen keinen Zweifel darllber, dass
Lactantius die Testimonien ausgebeutet hat. Indessen hat er
nebenbei doch noch liber eine andere Quelle verfilgt; denn die
Hypotbese, er babe ein „erweitertes" Exemplar der Testimonien
benutzt, ist ganz unwahrscheinlicb und kann durch dieBeobacht-
ung nicht gestlltzt werden, dass in den uns bekannten Hand-
schriften der Testim. hie und da Zusatze gemacht worden sind.
Aebnlich stebt es bei Firmicus Maternus, worauf nach dem Vor-
gang Oeblers, Bursians und Zieglers namentlich Dom-
bart aufmerksam gemacht bat. Von den c. 70 Citaten bei
Firmicus fehlen nur 12 bei Cyprian; indessen steben die gemein-
samen c. 5S nur vorwiegend in den Testimonien und in der
Schrift an Fortunatus. Es kommt hinzu, dass Firmicus auch
82) S. Ronsch, Das carmen apolog. des Commodian (Ztschr. f. die
hist. Theol. 1872 S. 163f.); Derselbe, Beitrage zur patristischen Be-
zeugung der biblischen Textgestalt und Latinitat aus Lactantius (a. a. 0.
1871 S. 331 f.); Derselbe, Die ATliche Itala in den Schriften des Cyprian
(a. a. 0. 1875 S. 86 f.); Ziegler, Die lat. Bibeliibersetzungen vor Hierony-
mus S. 38; Dombart, Ueber die Bedeutung Commodians fiir die Text-
kiitik der Testimonia Cyprians (Ztschr. f. wissensch. Theol. 1879 S. 374 f.).
83) Nur in diesem Abschnitt hat Lactantius von den heiligen Schriften
Gebrauch gemacht.
Texte und Untersucbungen I, 3. 7
98 Die Altercatio Simonis et Theophili.
dort, wo er deutlich von den Testimonien abliangig ist, docli
die Benutzung eines vollstandigen Bibelexemplares verrath. Dies
ist besonders ersichtlicli c. 19, 3—6 vgl. mit Test. II, 19; denn
das (p. 104, 16 ed. Halm) eingeschobene: „item in sequentibus
hoc idem simili modo significat" zeigt, das Firmicus den Ort der
beiden Citate Joli. 6, 35; 7, 37 sq., welclie er bei Cyprian neben
einander vorfand, gekannt hat. Ist somit eine ausschliessliche
Benutzung der Testimonien nicht anzunehmen, so zeigt doch
audi hier der Umfang der Citate, ferner die Reihenfolge und
die Form, dass Firmicus direct oder indirect von Cyprian ab-
liangig sein muss. Fiir Commodians Carmen apologeticum hat,
nachdem schon Ronsch auf die frappirenden Parallelen liin-
gewiesen, Dombart den Beweis geliefert, dass audi sein Ver-
fasser aus den Testimonien geschopft hat. Von den c. 60 Bibel-
stellen, die sich in den vv. 223 — 542 findeu, stehen in den Testi-
monien 54. Auch hier ist wieder die Beobachtung zu machen,
dass Textgestalt und Ordnung der Citate hier und dort viel-
fach die namliche ist^^). Zugleich hat Dombart erwiesen, dass
Commodian bei Abfassung des Carmen apolog. nur die beiden
ersten Biicher der Testimonien vor sich geliabt hat. Indessen
steht es doch auch bei Commodian nicht so, dass man ilim
jeden Gebrauch, geschweige jede Kenntniss der heiligen Schrifteu
iiber die Testimonien hinaus absprechen miisste, vielmehr geht
aus manchen Stellen das Gegentheil deutlich liervor^^). Audi
darf auf das Zusammentreflfen in der Textgestalt der Citate
allein wenig gegeben werden, da hier der entgegengesetzte
Fall unzweifelhaft der auffallendere ware.
Immerhin muss es, wenigstens fur africanische Schriftsteller,
als erwiesen gelten, dass dieselben im 3. und 4. Jahrhundert
die Testimonia Cyprians fiir ihre Zwecke ausgebeutet habeu.
Wie steht es nun mit Euagrius und seiner Altercatio? Wenn
in dieser Schrift grosse Verwandtschaft mit den Testimonien,
84) Ueber die Beriihrungen zwischen den Instructiones Commodians
und den Testimonien s. Dombart, a. a. 0. S. 385f.
85) Z. B. aus der Stelle, welche Dombart S. 380 angefiilirt hat. Bei
Cyprian fehlt in alien Handscbriften Ps. 97, 1 das „a ligno", Commodian
bietet es. Die H3'pothese Dombarts, „a ligno" habe wahrscheinlich auch
bei Cyprian urspriinglich gestanden, ist precar.
Die Altercatio und Cyprians Testimonia. 99
oder gar eine durchgehende Abhangigkeit von denselben zu con-
statiren ware, so wiirde sie, resp. ihre Grundschrift, nicht mehr
als eine alte und originale Arbeit anzusehen sein, und es wiirde
damit die ganze H}^otliese der Grundschrift, die bisher sicher
scliien, ins Wanken gerathen.
Die Stellensammlungen in den Testimonien und in der
Altercatio sind wirklich zu eiuem Theile identisch. Eine Ueber-
sicht mag liier zunachst folgen, in welcher nur die belangreiclien
Parallelen Aufnahme gefunden liaben:
a) Testim. I, 8 („Quod circumcisio prima carnalis evacuata
sit et secunda spiritalis repromissa sit"). Es werden angefiihrt
Jerem. 4, 3 sq.; Deut. 30, 6; Jos. 5, 2; Coloss. 2, 11. Dann folgt
eine Bemerkung des Verfassers: „Item quod Adam primus a
deo factus incircumcisus et Abel iustus et Enoch qui deo pla-
cuit et trauslatus est et Noe, qui in terris omnibus ob delicta
pereuntibus solus, in quo humanum genus servaretur, electus
est, et Melchisedec sacerdos etc." In der Alterc. V, 20 werden
Deut. 30, 6; Jerem. 4, 3 sq.; Jos. 5, 2 zuni Belege citirt; dann
folgt (V, 21): „Haec est circumcisio Christianorum , quam et
primi sanctorum habuerunt, scilicet Enoch, Noe, lob et Melchi-
sedech . . . Potuerat deus Adam circumcisum formare".
b) Testim. II, 1 („Christum primogenitum esse et ipsum
esse sapientiam dei, per quem omnia facta sunt"). Schriftbeweis
nach Proverb. 8, 22 sq. und Sirach 24, 3sq.; dieselben beiden
Stellen, nur in umgekehrter Folge, nebeneinander Alterc. Ill, 11.
c) Testim. II, 3 („Quod Christus idem sit sermo dei"). An-
gefiihrt werden Ps. 45, 2; Ps. 33, 6; Isa. 10, 23; Ps. 107, 20;
Joh. 1, 1 sq. Unter demselben Titel folgen sich in der Alterc.
Ill, 11: Ps. 45, 2; Isa. 10, 22. 23; Ps. 107, 20; Ps. 33, 6; (Ps.
147, 15; Jerem. 6, 10); Joh. 1, 1.
d) Testim. II, 6 („Quod deus Christus"). Erst drei Citate, zu
welchen in der Altercatio keine Parallelen; dann Baruch 3, 35 sq.;
Zach. 10, llsq.; Osee 11, 9sq.; Ps. 45, 7sq.; Ps. 46, 11; Ps.
82, 5; Ps. 68, 5: Ps. 82, 1. In der Altercatio I, 6 unter dem-
selben Titel: Ps. 82, 1; Ps. 45, 7. 8; Baruch 3, 35—37; Ps. 46, 11;
Ps. OS, 5. Euagrius schliesst: „Longum erit, ut exempla perse-
quar plura; his paucis Veritas conprobatur".
e) Testim. II, 13 („Quod humihs in primo adventu suo ve-
IQO Die Altercatio Simonis et Theophili.
niret"). Hier wie in Alterc. VI, 24 wird Isa. 53, 1 sq. mit Isa.
50, 5sq. verbunden und vorangestellt.
f) Testim. II, 14 („Quod ipse sit iustus, quern ludaei occi-
suri essent"): Sap. Sal. 2, 12 — 22 wird mit Isa. 57, 1 sq. und
Exod. 23, 7 verbunden; auch in der Alterc. VI, 25 stelien das
erste und dritte Citat zusammen.
g) Testim. II, 15 („Quod ipse dictus sit ovis et agnus, qui
occidi haberet, et de sacramento passionis"): citirt werden Isa.
53, 7sq.; Jerem. 11, 18 sq. und Exod. 12. Dieselben Stelien
stelien in derselben Reihenfolge Alterc. VI, 24.
h) Testim. II, 20 („Quod cruci ilium fixuri essent ludaei").
Angefiilirt werden Isa. 65, 2; Jerem. 11, 19; Deut. 28, 66; Ps.
22, 17 sq.; Ps. 119, 120; Ps. 141, 2; Soph. 1, 7; Zach. 12, 10;
Ps. 88, 10; Num. 23, 19. Bis auf das Citat Sopli. 1, 7 steben
alle diese Stelien ebenso zusammen Alterc. VI, 22, und zwar
ist die Reihenfolge, abgeselien von der Stellung des
22. Psalms, genau die gleiche^^).
i) Testim. II, 22 („Quod in hoc signo crucis salus sit omni-
bus qui in frontibus notentur"): hier ist Ezech. 9, 4sq. ver-
bunden mit Exod. 12. In der Altercatio VI, 24 steht die Exo-
dusstelle voran.
k) Testim. II, 23 („Quod medio die in passione eius tene-
brae faturae essent"): Amos 8, 9 sq. und Jerem. 15, 9 sind ver-
l)unden, dann folgt Matth. 27, 45. In der Alterc. VI, 25 steht
die Verweisung auf Matth. 27, 45 voran, dann folgen Amos
8, 9 sq. und Jerem. 15, 9.
1) Testim. II, 24 („Quod a morte non vinceretur nee apud
inferos remansurus esset"): Ps. 16, 10; Ps. 30, 3; Ps. 3, 6. Die-
selben Stelien in derselben Folge auch Alterc. VI, 25.
m) Testim. 11, 25 („Quod ab inferis tertio die resurgeret"):
Osee 6, 2; Exod. 19, 10 sq. Dieselben Stelien in derselben
Folge Alterc. VI, 25.
n) Testim. II, 26. 28. 29 („Quod cum resurrexisset, acciperet
a patre omnem potestatem et potestas eius aeterna sit — quod
ipse index venturus sit — quod ipse sit rex in aeternum regna-
turus"): In diesen Abschnitten fiihrt Cyprian 19 alttestament-
86) Bevor Cod. B bekannt war, fehlte Ps. 119, 120 in der Citateureihe;
dieser Codex aber bietet die Stelle.
Die Altercatio uiid Cyprians Testimoiiia. 101
liche Stellen an: von diesen linden sich sieben in Alterc. VI, 25.
Die librigen 12 bei Cyprian sind znm gr()sseren Theil Psalm-
stellen.
o) Cyprians alttestamentliche Testimonia scbliessen in dgm
2. Buche (c. 30) mit Ps. 72; mit diesem Psalm scbliessen aber
anch die christologischen Ausfiihrnngen in der Alterc. VI, 25.
Die bier gegebenen Nacbweisungen werden in einer noch
iibersicbtlicberen Form hervortreten in folgender Zusaramen-
stellung:
Bei Euagrins finden sicb — man kann freilich etwas ver-
scbieden ztiblen — 134 alttestamentlicbe Citate; in dem ersten
Bucb der Testimonien sind deren 72, in dem zweiten 113. Von
diesen 113 findet sicb die Halfte, niimlicb 57, audi bei Euagrins,
von jenen 72 dagegen nur 17^'). Die letztere Zabl wird aber
nocb unbedeutender, wenn man beriicksicbtigt , dass nur an
einer Stelle (Testim. I, 8) sicb eine identiscbe Gruppe von
Citaten (s. oben sub a) bier findet. Fiir die Frage uacb dem
Verwandtscbaftsverbaltniss sind die librigen libereinstimmenden
Citate somit zuuacbst belanglos. Dagegen ist die Ziffer der
Uebereinstimmungen (57) der Altercatio und des 2. Buches der
Testimonien naber zu pracisiren: Cyprian bietet II, 1. 3. 6.
13 — 15. 20—25 vierundfunfzig alttestamentlicbe Citate; von
diesen finden sicb dreiundvierzig fast iiberall in der gleicben
Reibenfolge in der Alterc. § 6. 11. 20. 22—25. Die Verwandt-
scbaft der Altercatio und der Testimonien erstreckt sicb also
ausscbliesslicb oder docb fast ausscbliesslicb auf die Abscbnitte
Testim. I, 8; II, 1, 3. 6. 13—15. 20—25. Von einem zufalligen
Zusammentreffen kann bier nicbt die Rede sein.
A priori lassen sich vier (drei) Hyijotbesen aufstellen, um diese
Verwandtscbaft zu erklaren. Euagrins kann seiner Altercatio
die Testimonien zu Grunde gelegt, oder er kann gewisse Tlieile
der Testimonien seiner Scbrift einverleibt baben; weiter: Cyprian
kann fur seine Stellensammlungen eine iiltere Scbrift benutzt
baben, die uns in mebr oder weniger treuer Gestalt in der
Altercatio des Euagrins nocb vorKegt; endlich: die Altercatio
des Euagrins kann — auch vorausgesetzt, dass sie von vorn-
S7~) Das clritte Buch der Testimonien kommt hier iiberhanpt nicht in
Betracht.
JQ2 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
herein mit den Testimonien verwandt gewesen ist — docli noch
uachtraglich nach denselben corrigirt und erweitert worden
sein. Welche von diesen Hypothesen die riclitige ist, wird sicli,
wenn uberhaupt, nur aus einer eingehenden Untersuchung der
Textesgestalt der Citate ermitteln lassen — eine Aufgabe,
deren Losung aber bei dem gegenwartigen Stande der Itala-
forschung und bei der corrumpirten Ueberlieferung des Euagrius-
textes ''*) eine wenig aussichtsvolle zu sein scheint. Indessen lasst
sich wohl sovielbereits bebaupten, dass die erstgenannte Hypothese
iiberaus unwahrscheinlich ist, ja ausser Betracht bleiben darf.
Als eine Dialogisirung der beiden ersten Biicher der Testimo-
nien, resp. des zweiten, kann man die Altercatio durchaus nicht
betrachten. Der Aufriss derselben ist vielmehr von dem der
Testimonien ganzlich unabhangig und ein hocbst originaler.
Eine Vergleicbung lehrt, dass die bemerkenswertbesten Stucke
der Altercatio in den Testimonien fehlen, und dass audi in den
parallelen Abschnitten — es sind jedoch nur solcbe Absclmitte
parallel, die weder in einem Dialoge iiber Christus noch in
den Testimonien fehlen konnten — beachtenswerthe Unter-
schiede zu constatiren sind. Die Testimonien sind in der Auf-
fiihrung der Eradicate des praexistenten Christus (III, 1 — 6)
ausfiihrlicher als die Altercatio. Andererseits liegt dieser eine
88) Der Bibeltext des Cyprian (Testimonia) ist bekanntlich auch nur
in einer doppelten, vielfach corrigirten Gestalt auf uns gekomiuen; in-
dessen lasst sich hier, wie Ronscli und Dombart gezeigt haben, mit
Hulfe des Commodian und Lactantius dock Manches sicker stellen. So
darf es z. B. als erwiesen gelten, dass fiir die Testimonia die relativ
treuere Ueberlieferung nicht in A — dem Hart el gefolgt ist — , sondern
vielmehr in LBMW anzuerkennen ist. Hartel selbst ist dies nicht ent-
gangen ; durch seine, R 6 n s c h s und D o m b a r t s Bemiihungen ist es often-
bar ge worden, dass A nach einer der augustinischen Zeit nahestehenden
Recension der lateinischen Bibel durchcorrigirt ist. Um den Euagrius-
Text steht es aber, wie die Varianten in V und B und die Liicken in
V, welche gerade die Bibelcitate betreffen, beweisen, ganz verzweifelt.
Wenn ich oben bei der Textesconstruction vorherrschend mich an B ge-
schlossen habe, so war der Grund dieser, dass B allein einen voUstandigen
Text bietet, und ich ein mixtum compositum nicht geben woUte. Ich
glaubte auch der Verlockung, den Text nach Cyprian u. A. zu corrigiren,
widerstehen zu miissen, da vor der Collation des Cod. C eigenmachtige
Textesverbesserungen unrathsam erscheiiien.
Die Altei-catio und Cyprians Testiiuonia. 103
regula fidei zu Grimde, in welcher die Himmelfahrt eineii be-
sonderen Artikel gebildet hat (s. VI, 25), wiihrend Cyprian sie
ausgelassen, resp. ilir keinen besouderen Abschnitt gewidmet
liat^''). Grosse Abschnitte de Christo (Testim.) fehlen in der
Altercatio ganz, ohne dass sich ein Grund fur ihre Niclitbe-
rilcksichtigung namhaft maclien Hesse. Ferner, dort wo beide
die Kircbe beriicksichtigen, gehen sie vollig auseinander; end-
lich: fur die Hiilfte der alttestamentlicben Citate bei Euagrius
lassen sich aus den Testimonien uberhaupt keine Parallelen bei-
bringen. Hieraus ergiebt sich die Annahme, dass, wenn Eua-
grius von C}^rian abhangig sein sollte, er lediglich theilweise
niit dem Material desselben gearbeitet haben kann, indem er
cj'prianische Spruchgruppen gleichsam zur Fiillung eines Fach-
werkes verwendete. Die Hypothese, dass Euagrius einen alteren
Dialog umgearbeitet hat, ware mithin durch die Beobachtung
seiner Abhangigkeit von Cyprian noch nicht erschlittert.
Wie steht es aber mit der Form der Citate bei Euagrius
und Cyprian? An einer Reihe von Beispielen soil diese Frage
untersucht werden.
Ira ersten Buche ist die einzige gemeinsame Versgruppe
Testim. I, 8 vgl. mit Alterc. V, 20.
Cyprianus. Euagrius (Cod. V)^^).
Apud Hieremiam prophetam: Et leremias ait: Viri luda et
Haec dicit Dominus viris luda qui habitatis lerusalem, reno-
et qui inhabitant Hierusalem: vate vobis novale et nolite se-
renovate inter vos novitatem rere super spinas. Circumcidi-
et ne seminaveritis in spinis: mini deo vestro, et circumcidite
circumcidite vos Deo vestro et praeputia cordis vestri, ne exeat
circumcidite praeputium cordis ira et exurat, et non sit, qui
vestri, ne exeat sicut ignis ira extinguat .... Audi nunc de
mea et exurat et non sit qui circumcisione legislator Moyses
extinguat. Item Moyses dicit: quid dicit: In novissimis diebus
89) Die Himmelfahrt bildet schon bei Justin einen besonderen Artikel,
hat sich aber als solcher bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts noch nicht all-
gemein durchgesetzt (s. Symbol, eccl. Rom. vetust. in: Patr. App. 0pp.
I, 2; edit. II p. 138 sq.).
90) Die Stelle aus Jeremias ist der aus dem Deuteronomium der Ver-
gleichung wegen vorangestellt.
104 -Die Altercatio Simonis et Theophili.
In noVissimis cliebus circum- circumcidet dominus cor tuuiu
cidet Deus cor tuum et cor se- et cor semiuis ad dominum
minis tui ad Dominum Deum deum tuum ad mandatum. Et
amandum. Item apud lesum ad lesum Nave dicit deus: Fac
Nave: Et dixit Dominus ad tibi gladios petrinos nimis acu-
lesum: fac tibi cultellos petri- tos, et circumcide secundo filios
nos nimis acutos et adside et cir- Israel,
cumcide secundo filios Israel''^).
Die Unterscliiede zAvischen beiden Texten sind so grosse,
dass, wenn V den urspriingliclien Text der Altercatio bietet,
ilir Verf'asser aus Cyprians Testimonien direct nicht geschopft
haben kann. Legt man aber den Cod. B fiir die Altercatio zu
Grunde, so fallen sofort sieben sehr wiclitige Differenzen fort,
und die Texte erscheinen sicb selir ahnlicb^-). Indesseu bleiben
Unterscliiede auch dann noch. Der Eingang des Jeremias-Citates
lautet bei Cyprian anders als bei Euagrius: ferner bietet dieser
„gladios", jener „cultellos" (so aucb Lactantius): endlicli scbreibt
Euagrius: „et sede secundo et circumcide". Es ist aber wabr-
sclieiulich, dass nicbt B sondern V die urspriinglichen LAA
bietet; denn was B giebt, sind vulgarere Lesarten o^^.
Das Citat Proverb. S, 22—31 a (Test. II,' 1 vgl. Alterc. Ill, 1 1)
ist bei Euagrius (Cod. B und V) auf die Halfte zusammenge-
zogen. Dazu finden sicb betraclitliclie Abweicbungen: Das ..in
principio" steht an verscliiedener Stelle; statt „penes ilium dis-
ponens" (Test.) beisst es „simul cum illo disponens", statt „iu-
cundabar ante faciem eius" viekaelir „(ad)laetabar in faciem
eius". Das damit verbundene Citat Sir. 24, 3 — 6. 19 findet
sicb nur zu eineni Drittel bei Euagrius. V bietet dort ,.altissi-
mis", wo Cypr. und B „altis" lesen; ausserdem giebt Euagrius
ein „primogenitus" nacli „prodivi", welches keiner der uns be-
kannten Cypriancodices entbalt'^^).
91) Die Varianten sind nicht sehr bemerkenswerth; die wichtigsten
sind, dass M fiir „cultellos" „cultros" liest, dass fiir „et adside" gefunden
wird.,sede et" — .,adsidens et" — „adsidens", und dass B ..circumcides" bietet.
92 Der Raumersparniss wegen setze ich den Text von B nicht noch
einmal hierher, sondern ersuche den Leser ihn in § 2 aufzusucheu.
9:^) Das „ad mandatum" fiir ..amandum" bietet auch der vulgare
Text des Lactantius.
!»4) Baluzius: „primogenita".
Die Altercatio unil Cyprians Testimonia. 105
Ps. S9, 28— 34a steht Testim. II, 1; der erste Vers allein
findet sicliAlterc.il, 0, iind wiihrend Cyprian: „et ego primo-
genitum ponam ilium et excelsum prae regibus terrae" sclireibt,
bietet Euagriiis: „Principem ponam (B ponam principem)
ilium, excelsum prae (omnibus B) regibus terrae". Gleichlautend
sind die Citate Ps. 45, 2 und Ps. 33, 6; dagegen ist Isa. 10, 23
bei Cj'prian so wiedergegeben: „Verbum consummans et brevians
in iustitia: quoniam sermonem breviatum faciet deus in toto
orbe terrae", wahrend Euagrius bietet: „Consummatas quidem
et (ad)breviatas res audivi; quoniam verbum breviatum faciet
deus in omni terra". Ps. 107, 20 bieten alle Cypriancodd. mit
Ausnahme von A („sanabit") „curavit"; Euagrius: „sanavit".
Barucli 3, 35 sq. (Testim. II, 6) beginnt bei Cyjn-ian: „Hic
deus noster et non deputabitur alius absque illo, qui iuvenit
omnem viam prudentiae et dedit eam lacob". Dagegen lieisst
es bei Euagrius (V): ,,Hic deus et non est alius nee aestima-
bitur absque illo, qui invenit omnem prudentiam et dedit lacob";
B aber ist auch liier dem Cypriantext bedeutend verwandter,
wenn schon sich das „aestimabitur" u. A. ebenso wie in V findet.
Der Text von Ps. 45, 7 ist Testim. II, 6 ganz besonders schlecht
iiberliefert: aber die LAA des Euagrius „benedixit te" (V) fiir
„unxit te" und „prae participibus tuis" („plus quam participes
tuos") finden sich in keinem Cypfiancodex. Gleiclilautend ist
das Citat Ps. 46, 11; dagegen findet sich in Ps. 68, 5 die LA
von V „super occasum" in keinem Cypriancodex; ebensovs^enig
die LA „diiudicat" in Ps. 82, 1 (V), wahrend B mit den Cyprian-
codd. „disponens" bietet.
In dem langeren Citat Isa. 7, 10—14 (Testim. II, 9) weicht
der Cod. V sehr stark von Cyprians Text ab. Aber auch wenn
man B zu Grunde legt, finden sich sehr bedeutende Unter-
schiede. Cyprian beginnt: „Et adiecit dominus loqui ad Achaz
dicens"; Euagrius dagegen: „Factum est verbum domini ad
Achab dicens". Cypr. schreibt: „in altitudinem sursum et in
altitudinem deorsum"; Euagrius dagegen: „in profundum (inferni)
aut(Vsive) in excelsum (supra)". Cypr.: „domiuum deum meum";
Euagr.: „dominum". Cypr.: „et dixit audite itaque": EuagT. „et
ait audite nunc". Cypr.: „quoniamdeus praestat agonem"; Euagr:
„et ideo vos praestabitis certamen". In dieser Weise gehen bis
zum Schluss die Unterschiede fort.
106 Die Altercatio Simonis et Theophili.
Das erste Citat Testim. II, 11 ist kunstvoU aus den Versen
II Sam. 7, 4. 5. 12 — 14. 16 zusammengesetzt (s. auch I, 15, wo
derselbe Wortlaut zu finden ist). Dieselbe Zusammensetzung
findet sich audi bei Euagrius (III, 11) 9^); nur einige Satzchen
fehlen bier, namlich „haec dicit Dominus" — „qui erit de utero
tuo" — „et parabo regnum eius" — „et regnum eius usque iu
saeculuni in conspectu meo" — sowie das „erit" vor „cuui im-
pleti". Von diesen Satzen fehlt nierkwlirdiger Weise „qui erit
de utero tuo" auch bei Lactantius, wahrend das bei diesem sich
findende „omnipotens" und das „in nomine meo" (fiir „nomini
meo") von Euagrius so wenig wie von Cyprian geboten wird.
Die Michastelle (Testim. II, 12) lautet bei beiden wie folgt:
Cyprianus. Euagrius.
Et tu Betlileem domus illius Et tu Bethleem (luda) domus
Effrata numquid exigua es, ut illius Efratba non eris exigua,
constituaris in milibusluda? ex ut constituaris in milibus luda.
te mihi procedet, ut sit prin- Ex te enim mihi prodiet, ut
ceps apud Israel, et processiones sit princeps in Israel, et pos-
eius a principio, a diebus saeculi. sessio eius a principio (et) a
diebus saeculi.
Testim. II, 13 citirt Cyprian Is. 53, 1— 7a; II, 15 fiigt er
V. 7l3 — 9. 12 hinzu, es fehlt also v. 10. 11 ^6). Bei Euagrius
(VI, 24) steht V. 1— 4a. 7^—9 und aus dem 10. und 12. Vers
je ein Satz. Der Text ist aber, mag man nun B oder V zu
Grunde legen, ein ganz wesentHch anderer als bei Cyprian.
In dem Citat Is. 50, 5sq. bieten alle Cypriancodices „auxi-
liator", Euagrius „adiutor".
Bei Cyprian (II, 14) sowohl wie bei Euagrius geht das
Citat aus Sap. Sal. 2 von v. 2 — v. 22 a; der Text ist auch
wesentlich derselbe. Aber v. 18 u. v. 20 ^^ fehlen in den Te-
stimonien, wahrend sie sich bei Euagrius (B u. V) finden, und
zwar mit einem Zusatze zu v. 17. Euagrius kann daher nicht
aus den Testimonien geschopft haben-''^).
95) S. auch das identische Citat Lactant. IV, 13 unci dazu Ronsch,
Ztschr. f. d. histor. Theol. 1871 S. 538 f.
96) Diese Verse fehlen auch bei Lactant., div. instit. IV, 18; s. Ronsch,
a. a. 0. S. 560 f.
97) Lactantius (IV, 16) stimnit genau im Umfange des Citates mit
Cyprian; s. Ronsch, a. a. 0. S. 604 f.
Die Altercatio unci Cyprians Testimonia. 1(J7
Jerem. 11, 19 (Test. II, 15): „Ego sicut agnus sine malitia
perductus sum ad victimam": derselbe Vers bei Euagrius: „Ego
sicut ovis ad victimam ductus sum et nesciebam".
Das Citat Ps. 19, 6 sq. reicht bei Euagrius (wenigstens nach
B) weiter als in den Test. (II, 19).
Jos. 5, 1-4 (Test. II, 19) lautet: „Ego sum dux virtutis do-
mini, nunc adveni"; dagegen bei Euagrius: „Ego (sum) princeps
militiae maiestatis domini".
Is. 65, 2 (Testim. II, 20) heisst es: „Expandi manus meas
tota die ad plebem contumacem et contradicentem mihi"; da-
gegen bei Euagrius: „Expandi manus meas ad plebem non cre-
dentem sed et contradicentem".
Testim. II, 29 heisst es: „Item in psalmo XCVI: Dominus
regnavit, exultet terra, laetentur insulae multae" (97, 1); bald
darauf folgt Ps. 72, 1 sq. Bei Euagrius steht in dem parallelen
Abschnitt: „(Item in psalmo) XCV (dicit): Dicite in nationibus,
dominus regnavit a ligno" (96, 10). Bekanntlich findet sicli an
beideu Stellen (Ps. 96, 10. 97, 1) hie und da der alte Zusatz
„a ligno". Cyprian hat ihn aber iiberhaupt nicht (wohl aber
Commodian, Carm. apol. 291 bei Ps. 97, 1); aus den Testimo-
nien kann ihn also Euagrius nicht genommen haben.
Ein Drittheil der Bibelstellen , welche Cyprian und Eu-
agrius gemeinsam sind, ist in dem Bisherigen untersucht. Es
wird geniigen, um das Urtheil zu begriinden, dass Euagrius
nicht aus den Testimonien geschopft hat. Die Ab-
weichungen in der Form der Texte — auch wenn man bei den
Varianten stets den giinstigsten Fall gelten lasst — sind zu
bedeutend, als dass man sich davon iiberzeugen konnte, der
Yerfasser der Altercatio habe das, was er mit Cyprian gemein-
sam hat, den Testimonien entlehnt.
Dann aber bleibt zur Erkliirung des offenbaren Verwandt-
schaftsverhaltnisses nur die Hypothese librig, dass beide die-
selbe Quelle benutzt haben, welche den ihnen gemeinsamen
Schatz von Citaten enthielt. Diese Annahme, welche eine zwing-
ende ist, ist aber auch desshalb probabel, weil, wie wir sahen,
Cyprian schwerlich seine alttestamentlichen Citate in Buch I
und II vollig selbstandig gesammelt hat. Auf eine resp. meh-
rere Vorlagen deutet Manches in seinen Testimonien. Wolier
erklart es sich z. B., dass er I, 15 und II, 11 dasselbe Citat in
1(38 Die Altercatio Siinonis et Theopliili.
dem gleichen kiinstlich zurechtgemachten Umfange briugt? Das
VerMltniss , in welcliem Euagrius und er stehen, lasst keine
andere Deutung zu, als dass beide eine — wir diirfen mit hoch-
ster Wahrscheiulichkeit sagen — griechisclie Sclirift^*) benutzt
haben, in welcher an dem Faden der Gescliiclite Christi alt-
testamentliche Spriiche aufgereiht und zu Gruppen zusammen-
gestellt waren-'^). Die Recensionen der lateinischen Bibeliiber-
setzung, welche beide bei der Verwerthung des Originales
brauchten, waren natiirlich ahnlicli, aber sie waren docli zum
Theil selir verschieden. So erklaren sicli die Unterschiede wie
die Uebereinstimmungen in der Form ihrer Citate bei gleicher
Gruppirung. Der Bibeltext der Altercatio ist aber spater, wie
Cod. Bzeigt, stark modificirt, wie V darthut, misshandelt worden;
die Hypotliese ist niclit ganz zu verwerfen, dass derselbe nacli-
traglich geradezu nacli den Testimonien Correcturen und Er-
weiterungen erfahren hat, obschon ein sicherer Anhaltspunkt
— wenigstens fiir die letztere Annahme — niclit vorhanden ist.
Ist aber eine gemeinsame Quelle zu fordern, auf welche
die Gruppen von Citaten zurlickzufuhren sind, und muss diese
Quelle identisch sein mit der Grundschrift, welche die Ueber-
einstimmungen zwischen TertuUian und Euagrius erkliirt —
dies folgt aus solchen Stellen, in welchen die drei Schriftsteller
einander parallel sind — , so wird die H3^pothese, dass der Alter-
catio des Euagrius ein alter Dialog des 2. Jahrhunderts zu
■ 98) Dafiir biirgt schon der Zustand der cliristlichen Literatur am An-
fang des 3. Jahrhunderts. Die Moglichkeit, dass Cyprian die alte Schriffc
nicht im Original, sondern in irgend welcher Bearbeitung benutzt hat,
muss natiirlich olFen gelassen werden.
99) Eine eigenthiimliche Bewandtniss hat es mit dem einzigen wort-
lichen Citat aus dem N. T. bei Euagi-ius (Joh. 1, Isq. s. Ill, 11). Es ist
oben (S. 90) bemerkt worden, dass dieses Citat zwar auffallend ist. indess
nicht nothwendig als ein Zusatz des Euagrius aufgefasst werden muss.
Als diese Worte niedergeschrieben wurden, hatte ich noch nicht entdeckt,
dass derselbe Complex von ATlichen Schriftcitaten, welcher bei Euagrius
die Erwahnung von Joh, 1, Isq. hervorgerufen hat, bei Cj^prian (Test.
11, 3) ebenfalls in diese Stelle ausmundet. Man ist also versucht, anzu-
nehmen, dass diese Verbindung wirklich der Quelle angehort, dann aber
auch das „propheta noster" als Bezeichnung des Johannes, welcher
Ausdruck sich bei Cyprian nicht findet. Daif man an Just., Dial. SI
Die Altevcatio uud Liictautius' Institutiones. 109
Gruiide liegt, in holieiu Masse verstiirkt. Dieser alte Dialog muss
al)er, wie auch das Verhaltniss zur Stellengruppirung bei Cyprian
beweist, wesentlich treu von Euagrius reproducirt worden sein.
o. Die Altercatio und Lactantius' Institntiones.
Auf Uebereinstimmungen zwischen diesen beiden Werken
ist schon von den ersten Herausgebern der Altercatio aufmerk-
sani gemacht worden. Die Mauriner baben gemeint, Euagrius
liabe den Lactantius ausgescbrieben. Es ist allerdings richtig,
dass zwischen beiden ein Verwaudtschaftsverhaltniss besteht;
allein der grosste Theil der parallelen Stiicke (Identitat ganzer
Gruppen von Citaten) erkliirt sich daraus, dass Lactantius die
Testimonieu des Cyprian ausgescbrieben bat ^^O). Indessen bie-
von abgesebeu, bleibt docb nocb Einiges librig, was durch die
Beobachtung, dass Lactantius die Testimonien ausgescbrieben bat,
nicbt vollig erklart wird. So bebandelt Lactantius Instit. IV, 17
die Bescbneidungsfrage und lasst dann c. 18 eine Auseinander-
setzung folgen „de passione dominica et quod ea praenuntiata
fuerit". Aucb in der Alterc. folgt auf das Capitel liber die Be-
scbneidung (c. 5) das liber die Passion (c. 6). In der Erorterung
der Besclmeidung stebt aber bei Lactantius ein Satz, welcber
an ein en solcben des Euagrius erinnert. Dieser scbreibt: „Potue-
rat autem dens, si vellet, Adam circumcisum formare"; Lactan-
tius: „si deus id veUet, sic a principio formasset liominem, ut
praeputium non baberet". Indessen ist dies und Anderes docb
zu unsicber, um darauf zu bauen. Die Uebereinstimmungen
erklaren sicb vielleicbt scbon bei der Annabme, dass Lactantius
die Scbrift TertuUians adv. ludaeos gelesen bat.
Es biitte flir die Verbreitung im wesentlichen identiscber
und mit der Altercatio iibereinstimmender Gruppen von Scbrift-
citaten in der abendlandiscben Kircbe des 4. und der folgenden
100) Von den 6S alttestamentlichen Citaten des Lactantius stelien 32
auch bei Euagiius; von diesen 32 finden sich aber 30 auch bei Cyprian,
so dass, wenn icb riclitig sehe, nur 2 Stelien (Isa. 44, 6. 45, 1 — 3) Lactan-
tius und Euagi-ius iiber Cyprian hinaus gemeinsani sind. Der Text des Lac-
tantius ist wirklich — einige Diii'erenzen abgerechnet — der, welchen
Cyprian geboten bat. Man kann durch eine Vergleichung der Texte des
Lactantius und Euagrius noch einmal constatiren, dass dieser den Cyprian
nicht ausgescbrieben hat.
110 Die Altercatio Simonia et Tlieophili.
Jahrhunderte ein gewisses Interesse, die liier begonnenen Unter-
suchungen fortzusetzen und sie iiber andere, im weiteren oder
engeren Sinn antijudische Schriften auszudelmen. Indessen
mag das hier Gegebene im Rahmen dieser Studie um so mehr
ausreichen, als die etwa in Betracht kommenden Tractate und
Predigten hochstens in kleineren Anssdinitten Parallelen bieten,
und die Abhangigkeitsverbaltnisse nicbt mehr zu ermitteln
wareni*^!). Aber auch in der parallelen Literatnr des Morgen-
landes seit dem 4. Jahrhundert sind anffallende Beriihrungen
mit der Altercatio, resp. ihrer Grundschrift, soweit die Kennt-
niss des Verfassers reicht, niclit nachweisbar. Die pseudogTe-
gorianischen Testimonien, die nocli am meisten bieten, sind docli
wiederum so selbstandig, dass die Annahme eines anch nur
mittelbaren literarischen Abhangigkeitsverlialtnisses nicht sicher
indicirt ist.
4. Die Altercatio nnd Justins Dialog mit Trypbo.
Aber ist nicht der umfangreiche Dialog des Justin mit
Trypho die Grundlage flir die spatere antijudische Polemik und
das Arsenal ihrer Waffen gewesen? Besitzen wir in ihm nicht
den Schliissel zur Erklarung der Verwandtschaftsverhaltnisse,
die zwischen den spateren Apologeten besteheu, und ist nicht
etwa. die Grundschrift der Altercatio nur ein Auszug aus dem
Dialog? Diese Frage bedarf, bevor wir weiter gehen, der Be-
antwortung. Freilich zeigt bereits eine vergleicheude Ueber-
sicht, auch ohne Beriicksichtigung der Details, dass die Frage
hochst wahrscheinlich zu verneinen ist. Erstlich namlich ist
die Anlage des Dialogs mit Trypho eine andere als die der
Grundschrift der Altercatio. Diese behandelt fast ausschliess-
lich die Stiicke der Christologie in fester, durchsichtiger Glie-
derung; es fehlen in ihr die Ausfiihrungen, dass die Christen-
heit das wahre Israel sei, und die diesen verwandten ^*^-): der
101) Umsonst erwartet man auch von dem Tractate des Celsus Afer
„Ad Vigilium ep. de iud. incredul.", welcher als eine Einleitung der ver-
lorenen Uebersetzung des Dialogs zwischen Jason und Papiskus voran-
gestellt war, Aufschliisse und Hiilfe.
102) Die Vorstellung vom neuen Gesetz ist nur vorausgesetzt, nicht
entwickelt; s. die pnignante und alte Formel III, 11: ,Hic est verbum,
quod velociter mundum percucurrit et animas errantium per legem novam
ad deum convertit".
Die Altercatio und Justins Dialog mit Tryplio. til
Dialog dagegeii sucht die Controverspunkte wirklich zu er-
schopfen, \md wenii er seiner Anlage nach audi eine Disposition
nicht vermissen lasst, so ist er doch in den Ausfiihrungen an
vielen Stellen ungeordnet und verworren. Es ware somit niclit
leicht zu erkliiren, wie eine Sclirift von der Art der Altercatio
aus dem Dialog excerpirt worden sein konnte. Dazu kommt, dass
der gemeinsame Besitz der lateinischen Apologeten durchaus nur
die Cbristologie und die Beurtheilung der Beschneidung um-
fasst. Dariiber liinaus gehen sie auseinander. Ware also auch
die Grundsclirift der Altercatio wirklich ein Excerpt aus dem
Dialog, so miisste sie, und wenigstens niclit in erster Reihe
dieser, von den Spateren benutzt worden sein. Endlich linden
sich die identiscben Gruppen von Scbriftcitaten der Lateiner
in dem Dialog niclit wieder. Er bebandelt zwar eine grosse
Anzabl dieser Citate ebenfalls, aber in ganzlicb anderer Ordnung.
Hiernacb ist niindestens die Annabme eines Mittelgliedes
zwiscben dem Dialog mit Tr}^3bo einerseits, Tertullian, Cyprian,
Lactantius und Euagrius andererseits unvermeidlicb; anders
ausgedriickt: die Frage kann nur die sein, ob die Grundscbrift
der Altercatio liberbaupt mit Justins Dialoge verwandt ist.
Wird diese Frage bejabt, so muss entscbieden werden, in welcber
Art von Abbangigkeit die beiden Scbriften steben.
Um mit dem Aeusserlicbsten, aber aucb Wicbtigsten, zu be-
ginnen, so finden sicb von den c. 134 alttestanientlicben Citaten
der Altercatio nur 65, also nicbt ganz die Halfte, in dem so
umfangTeicben justiniscben Dialoge wieder. Es feblen dort audi
solcbe in grosser Zabl, welcbe dem Verfasser der Altercatio
von entscbeidender Wicbtigkeit gewesen sind^os) Diese Be-
obacbtung lebrt, dass die beiden Scbriften in der Hauptsacbe
unabbiingig von einander sein mlissen. Ferner ist die Auslegung
der Stellen, welcbe sie gemeinsam baben, durcbaus nicbt iiberall
dieselbe. Am deutlicbsten tritt dies bei Isa. 7, 1 sq. (Alterc. Ill;
Dial. 66—68. 71. 77. 78. 84) bervor. Die Erklarung, welcbe der
103) Selir beachtenswertli ist, dass Justin die Citate aus Schriften
des alexandrinischen Kanous (Sap. Sal. 2, 12—22; Sirach 24, 3. 4 und
Baruch 3, 35—37) nicht hat. Namentlich das erstere ist seit dem Ende
des 2. Jahrhunderts fiir eines der wichtigsten gehalten worden. Der Jude
TrA'pho setzt aber auch nicht eine personliche gottliche Sotpla in der
Weise voraus, wie Simon Alterc. Ill, 12.
112 Die Altercatio Simonis et Theophili.
Jude vorbringt, ist dort und hier ungefahr die gleiche, aber
seine Gegner legen im Einzelnen die Stelle anders aus, wenn
sie auch in der Bezugnahme auf Matth. 2 iibereinstimmeu. So
bezieht Justin den „rex Assyriae" auf den Konig Herodes, der
Verfasser der Altercatio auf den Teufel. Die frappante Aus-
legung von Isa, 44, 6 auf Christus und den Antichrist findet
sicli bei Justin nicht, obgleich audi er c. 32 (p. 108), c. 110
(p. 390) von dem Antichrist handelt. Von deni Millennium sprechen
beide (Alterc, VII, 28. Dial. 80. 81), aber in einem ganz ver-
schiedenen Zusammenhang.
Andererseits finden sich auch iiberraschende Ueberein-
stimmungen. Zwar die Parallele Alterc. I, 1 („Habes et me
patientem auditorem, si modo interrogationibus meis non leno-
ciniis sermonum aut argumentis verborum, sed legis praesentia
conprobes veritateni") mit Dial. 56 (p. 194): /mi gov leyovtog,
OVA rivaixof-ied-a, el (.iri 7cdvta eni rag yQa(pag dvi'jsg, und c. 68
(p. 240): si TovTo In dvd^Qtonsloig diddyf-iaoiv i] sni%eiQrif.iaGiv
sne(jaX6/iirjV duodsixv'vai , dvaoxeod-aL f.iov ov% av s'dei {/.idg
(of. den Vorwurf des Juden: al v(.isxBQai s^iqyijosig rsTexvao-
^dvai alaiv c. 79 p. 285), soli nicht besonders betont werden,
ebensowenig, dass der Verf. der Altercatio der Theorie, die
Justin Apol. I, 36 entwickelt hat, gefolgt ist; aber unzweifel-
haft beachtenswerth ist die Uebereinstimmung in der Behand-
lung der Beschneidungsfrage bei Beiden. Es kommen hier die
cc. 12. 14. 15. 16. 19. 23. 29. 43. 82. 92. 113. 114. 137 (Alterc.
V, VII) in Betracht. Die Gedanken, die der Verfasser der Alter-
catio entwickelt hat, finden sich zu einem grossen Theile und
in ganz ahnlicher Form bei Justin wied^r: 11 and ^A^QCcd[.i
y.axu adgxa nEQixof-ni elg onif-ielov edoifr^^^^) — dy.QO^voTicc Tijg
YMgdlag — es gilt die Siinden des Herzens zu beschneiden —
it yag nsQizo/tn) rji' dvayxala, ovx av dxQ6(hoT0v 6 S'eog e'nlaoe
Tov ^dd/ii; es folgt eine Aufzahlung der unbeschnittenen alt-
testamentlichen Gerechten, Abel, Henoch, Lot, Noah, Melchi-
sedek — Abraham war in der Vorhaut, als er gerecht gesprocheu
wurde — die steinernen Messer (Jos. 5, 2) sind die Worte
Christi, durch welche des Herzens Vorhaut beschnitten wird — ;
104) Das „Zeichen" lasst Justin stets seine Bedeutung durch das ha-
drianische Verbot, Jerusalem zu betreten, gemnuen.
Die Altercatto und Justins Dialog mit Ti^vpho. lj[3
endlich geht auch Justin, wio der Verfasser der Altercatio, zu
Angrififen auf die Art der jildischen Gesetzesbeobachtuugeii
uber (c. 12 p. 46, cf. 82 p. 298): JsvTSQag ijdt] yiQsia nsoizo-
/n]g, nai vfielg eni rfj aag/ii /neya (pQOvsiTe. aa^^atiCeiv vf.iug
o /Mivbg ro/iiog dia navjog id^ilei, y.al vi.ie7g f.iiav (XQyovvteg
)f(HdQai' €ia£ll€7p doYMte, f.iri vnnZvTeg dta xi v(.nv nQooezdyrj'
■/Ml iav atvi.ioi> agzov cfdyrjie, nenhiQtoxivaL to d^eXru-ict tov
&£ov (pars. Ov/. sv znvTOtg evdoxsl y.vQiog 6 dsog 'qf.iojv. Ei' rig
ioTiv sv v/iuv hrioQAog 7] y.XeTTTrig, navodo&w ei xig f-ioiyiog, fis-
Tavoijodzoj, y.al osaal^jSatiys tcc TQV(f€Qa yal dXr^d^iva odjSj^aTa
TOV d-£Ov xtX. Oi aQXOvzEg vinov ynivcovol zlsTrzcov, (piXovizeg
d(dQa, ditij-Aovzeg dtzanodoina.
Was die Christologie betriift, so stelit der Verfasser der
Altercatio genau auf demselben Standpunkt wie Justin. Die
Pradicate, welclie dieser an so vieleu Stellen seines Werkes
(vgl. z. B. c. 126. 127. 61. 62) Christus giebt [dgxt], TTQwzozoxog,
^soviwg, ^oyog, aocpia, dvva/iiig, ^s6c, doyjorodzriyng^^'^), finden
sich ebenso in der Altercatio — audi die pragnante Formel:
XQiazhg S-f.hg ^sov v'log haben sie gemeinsam, und ,,^o/oc"
ist beiden ein Pradicat neben anderen — ; einige, wie die von
Justin so haufig gebraucliten: li'd^og, nezga, ayyslog fehlen frei-
lich. Auch die Vorstellung, welche sich Justin von dem Hervor-
gehen des Logos aus Gott gebildet hat, ist ungefahr die nam-
liche, welche sich in der Altercatio findeti*^^). Nimmt man
hinzu, dass eine Reihe von alttestamentlichen Spruchen von
beiden Apologeten in gleicher Weise verwendet wird — die
jiidische Beziehung einiger derselben auf Salomo oder Ezechias
wird von beiden abgelehnt; s. Dial. 33. 34. 36. 83.85. 64 — ^o'),
105) Hier ist namentlicli die Parallele zwischen c. 61 des Dialogs und
Alterc. n, 10 interessant.
106) Der Einwurf des Juden Dial. 67 (p. 236) ist dem des Simon
Alterc. Ill, 11 ahnlich. Die Beziehung auf Psalm 82, 6 (1. c. und Dial.
123. 123) dagegen ist in beiden Scliriften in sehr verschiedenem Zusammen-
hang vorgebracht.
107) Beachtenswerth i.st die Parallele in der Ausleguug des 72. Psalms
(Dial. 34 u. Alterc. VII, 26), wo die Beziehung auf Salomo abgelehnt
wird: 2'aAo//(yv oi; /M6;fp< Twr 7rf pdrtuv r^? otxov/jiivtjg s^aolkevasv; doch
ist die Uebereinstimmung durchaus keine so grosse wie zwischen der
Altercatio und TertuUian.
Texte und UnterBuchungeu I, 3. 8
114 Die Altercatio Simonis et Theophili.
und class die Auslegung einiger weniger messianischer Stellen
eine ahnliche ist — man vgl. die von Ps. 22, Isa. 53, Jos. 2
(Dial. Ill fin.), Deut. 33, 13 sq., des Passah's — , so wird das
Wichtigste genannt sein, Dass auch die guten Engel den in
den Himmel anfsteigenden Christus nicht sofort erkannt haben,
sagt auch Justin (c. 36 p. 126; s. Alterc. VI, 25); ebenso lehnt
audi er (vgl. Alterc. II, 9) die Beziehung von Gen. 1, 26 auf
die Engel ab (c. 62 p. 218). Schliesslicli ist nocli auf die Art
hinzuweisen, in welclier beide Apologeten die Vertbeidigung
des Kreuzestodes Christi eingeleitet haben. Beide stellen das
Problem so bestimmt wie moglich auf, indem sie den Juden
bei Deut. 21, 23 einsetzen lassen "^^). AUein weiter reicht eigent-
lich die Uebereinstimmung nicht mehr; denn wahrend Trypho
von vornherein zugiebt (s. auch schon c. 36 n. 1), dass Christus
als 7ia^r[i6g geweissagt sei, und nur die schimpfliche Todesart
beanstandet (c. 89. 90), sagt Simon in der Altercatio: „non
passum Christum in scripturis nostris invenimus" '"^^). Bei Justin
findet sicli auch nicht der Versuch, aus dem Context das Gewicht
der Deuteroniumstelle zu beseitigen, wahrend umgekehrt die
Wen dung, welche Jastiu c. 94 (p. 344) der Argumentation ge-
geben hat, dem Verfasser der Altercatio unbekannt geblieben ist.
Fasst man alle diese Beobachtungen zusammen, so wird
man urtheilen mtissen, dass die Grundschrift der Altercatio
nicht als ein Excerpt aus dem Dialog des Justin betrachtet
werden kann, und dass iiberhaupt kein Grund vorhanden ist,
sie fiirj linger zu achten als jene Schrift. Ein literarisches Ver-
wandtschaftsverhaltniss scheint allerdings zwischen beiden Dia-
logen zu bestehen (s. namentlich die Behandlung der Beschneid-
ungsfrage); aber es ist schwierig und, wie es scheint, aussichts-
los, dasselbe genauer zu bestimmen. Ist es ein unmittelbares,
108) Dies blieb die Kegel in der Apologetik, und die Juden werden
wirklich von Anfang an diese Stelle besonders geltend gemacht haben.
,,Famosissinia quaestio est", sagt Hieronymus, Comment, in ep. ad Galat.
lib. XL 0pp. VII p. 436), „et nobis soleat a ludaeis pro infamia obiici,
quod salvator noster et dominus sub dei fuerit maledicto".
109) Auch Credner (Beitrage II S. 66) ist es aufgefalleu, dass Trypho
soviel von vornherein zugiebt. Er erklart diese Thatsache aber unrichtig,
wenn er sagt: „Zu Justins Zeit miissen die Juden ihren Vortheil noch
nicht gekanut haben".
I
Die Altorciitio lasonis et Fapisci. 115
tlaiiii liegt die Annahiuo niiher, class vielmehr -Iiistiii liier der
Spatere ist; ist es ein vermitteltes — und diese Hypothese
empfiehlt sicli, weil die wiclitigsten Abschnitte in der Altercatio
sicli bei Justin so nicht wiedertinden — , dann muss jede Mutli-
uiassung unteidrlickt werden. Aber flir die hier vorliegende
Frage geniigt die Feststellung, dass die Grundschrift der Alter-
catio nicht iiber TertuUian hinauf bis zu Justins Dialog sicher
zu verfolgeu ist, dass sie sich zwar niit diesera beriihrt, aber
nicbt von ihm abznleiten ist.
§ G. Die Grundschrift der Altercatio Simonis et Theo-
phili und die Altercatio lasonis et Pa])isci.
Fassen wir das bisherige Ergebniss zusammen: der Alter-
catio Simonis et Theophili liegt ein Dialog zwischen eineni
Juden und einem Christen zu Grunde, der aus dem 2. Jahr-
hundert stammt, der in der lateinischen Literatur der Folgezeit
mehrfach benutzt und am Antang des 5. Jalirhuudei'ts von einem
gallischen Theologen, Euagrius. in einer lateinischen Bearbeit-
nng aufs neue publicirt worden ist.
Dieses Ergebniss ist an sich wichtig und belangreich. Wir
diirfen in der bisher so vernachlassigten Altercatio des Eua-
grius einen Dialog aus der iiltesten christlichen Literatur, wenn
auch in Ueberarbeitung, erkennen. Aber lasst sich dieser Dialog
nicht vielleicht identificiren und naher bestimmen?
Wer, wie Reuter^i^), (jgj. Meinung ist, dass allein in den
mittleren Decennien des 2. Jahrhunderts christliche literarische
Urkunden zu Tausenden verf'asst und entstanden sind, der wird
natilrlich nicht darau denken konnen, die hier geforderte, bis-
her noch namenlose Schrift naher zu bestimmen; wer aber mit
dem Verfasser dieser Abhandlung anzunehmen geneigt ist, dass
wir den grossten Theil der im 2. Jahrhundert entstandeneu,
einflussreichen kirchlichen Schriftwerke wenigstens dem Titel
nach kennen'i'), der wird nicht sofort verzagen. Unter dem
Titel adversus ludaeos oder einem ahnlichen sind uns aus dem
110) Ztschi-. f. Kirchengesch. IV S. 509.
111) Diese Hypothese kanu natiivlich strict niemals be-wiesen werden;
aber es ist nicht schwer, sie wahrscheinlich zu machen.
8*
116 Die Altercatio Simonis et Theophili.
zweiten Jahrhundert, wie oben S. 76 f. g^ezeigt worden, nur sehr
wenige Schriften bekannt. An die verloreue Schrift des Miltiades
adv. ludaeos ist liier schwerlich zu denken, da uns nicht mit-
getheilt worden ist, dass sie in dialogischer Form abgefasst
war 112). Dagegen wird sich Jeder, der die Literatur des 2. Jabr-
hunderts iibersieht, bier sofort an den ebenfalls verlorenge-
gangenen, von Eusebius bereits unterschlagenen Dialog des
Jason und Pap is ens erinnern. Wir wissen iiberbanpt nur
von zwei antijiidischen Dialogen, die im 2. Jahrbundert ent-
standen sind, dem eben genannten und dem Dialog Justins mit
Trypho. Da, wie gezeigt worden, der letztere bier nicbt in
Frage kommen kann, so bestebt von vornberein — man darf
nicbt sagen eine gewisse Wabrscbeinlicbkeit, wobl aber ein
gewisses Vorurtbeil zu Recbt, dass wir den Dialog des Jason und
Papiscus als die Vorlage fur die Altercatio des Euagrius zu
beurtbeilen haben, resp. dass wir in diesem Dialog des 5. Jabr-
hunderts die Grundziige jener alten Streitscbrift wiedererkennen
diirfen.
Von der Altercatio lasonis et Papisci und ibrer bocbst
seltsamen und lebn-eicben Gescbicbte in der Kircbe ist in diesen
Untersucbungen bereits gebandelt worden ^^ 3). Indem auf die
dort gegebenen Ausfdbrungen verwiesen wird, soil bier die
Summe unseres bisberigen Wissens von dieser Scbrift kurz zu-
sammengefasst werden, "urn das oben pracisirte Vorurtbeil zu
erproben.
1) Die Streitrede des Jason und Papiscus liber Cbristus
(als jj'laaovog xat IlaTrioxov avriloyict ttsqI Xqiotov'^ von Ori-
genescitirt; Celsus hat dieNamenumgestellt; „Altercatio lasonis
et Papisci" sagt Hieronymus; „Disceptatio [concertatio] lasonis
et Papisci" Celsus Afer; JidXs^ig IlaTiiaxov ymI 'Idoovos Maxi-
mus Confessor) ist, aller Wabrscbeinlicbkeit nacb in dem Men-
scbenalter zwiscben c. 135 und 165, in griecbiscber Spracbe
112) Die Moglichkeit, dass sie ein Dialog gewesen ist, ist indess nicht
bestinmit zu bestreiten, und in diesem Falle kame sie allerdings in Be-
tractt. Doch ist diese Moglichkeit nicht weiter zu discutiren, da wir
keine Zeile aus dieser Schrift und kein einziges Urtheil iiber dieselbe be-
sitzen. An die Eclogen des Melito kann ebenfalls desshalb nicht gedacht
werden, weil sie nur eine Materialiensamnilung gewesen sind (s. oben S. 76).
113) S. Bd. I H. 1. 2 S. 115—130.
Die Altercatio lasonis et Papisci. lj[7
verfasst wordeii unci wurde bereits zu der Zeit, als Celsus die
Materialieu fur seinen ^^Aoyoo, ahjOt'ii;^^ sammelte, vielfach in
der Kirclie gelesen. In Alexandrien war sie zur Zeit des Clemens
und Origenes bekannt.
2) Die Schrift liatte einen geringen Umfang — ein avpygafi-
fiaTior nennt sie Origenes.
o) Sie handelte gegeniiber den Juden so vornelimlich —
darin von dem Dialog des Justin verscliieden — liber Christus,
dass Origenes sie kurzweg als avriloyla nsql Xqigtov bezeichnet
und Celsus Afer ihren Inhalt als: „adsertio et vindicatio dispo-
sitionis et plenitudinis Christi" angegeben hat.
4) In ihr war aufgezeiclinet, „wie ein Christ auf Grund
der jiidischen Schriften mit ein em Juden disputirt und den
Nachweis liefert, dass die von dem Christus handelnden Pro-
phezeiungen auf Jesus passen, wahrend sein Gegner in wackerer
und nicht unebener Weise die Rolle des Juden im Streite flihrt"
(Origenes).
5) Die Schrift gehorte zu der Klasse von Schriften, die
AUegorien und Diegesen enthielten (Origenes).
6) Der Christ bediente sich in der Schrift nicht nur der
„admonitio", sondern auch der „leuis increpatio", und milderte
dadurch die obstinate Harte des Herzens des Juden, so dass
derselbe allmiihlich Einsicht in die Wahrheit gewann, die Furcht
des Herrn in sich aufnahm und Jesus als den Sohn Gottes
glaubte. Er bittet am Schluss den Jason um die Ertheilung
des Taufzeichens (Celsus Afer).
7) Jason war als ein Christ aus den Hebraern, Papiscus
als ein alexandrinischer Jude vorgestellt; also war der Ver-
fasser selbst hochst wahrscheinlich von Geburt ein Hebraer
(Celsus Afer).
8) In dem Dialog war Deuter. 21, 23 angefuhrt, und zwar
in Uebereinstimmung mit der Uebersetzung des Aquila: ^loi-
doQia S^eoc 6 y,Qtf^ia[.ievog (Hieronymus).
9) In dem Dialog war Genes. 1, 1 erklart, als ob die Stelle
laute: „In fiHo fecit Deus caelum et terram". Mithin ver-
trat der Verfasser bereits die „hohere" Christologie. Hieronymus
sagt nicht, dass in dem Dialog die Worte: ,Jn filio fecit etc."
als Citat aus der Genesis gestanden hatten, sondern er berichtet,
dass Viele diese LA flir die des hebraischen Grundtextes halten,
1 18 I>ii-' Altt'i'catio Simonis et Theophili.
wie clenn audi ein solclier Satz in der Altercatio des Jason
und Papiscus gefunden werde.
10) In dem Dialog kara der Ausdruck „sieben Himmel"
vor (Maximus Confessor).
11) Der Dialog ist dem Celsus, Clemens Alexandrinus, Ori-
geues, Hieronymus und Celsus Afer ohne Verfassernamen
bekannt gewesen; erst Maximus Confessor nennt einen Aristo
von Pella als Autor, wiilirend Clemens Alexandrinus in den
Hypotyposen als solchen den Lucas bezeichnet hat.
12) Einer ungenannten Schrift eines Aristo von Pella bat
Eusebius eine Nacbricht iiber die Folgen des Judenaufstandes
unter Hadrian fiir die Juden entnommen. Es ist nicbt ganz
unwahrscbeinlich, dass diese Schrift eben der Dialog des Jason
und Papiscus gewesen ist; ferner spricht Einiges daflir, dass
Tertullian in seiner Schrift adv. ludaeos den Dialog benutzt
hat. Ist diese Hypothese begriindet, dann bestatigt sich die
Angabe des Maximus, dass Aristo von Pella der Verfasser des-
selben ist.
13) Zur Zeit, da Celsus und Clemens Alexandrinus (Hypo-
typosen) schrieben, erfreute sich der Dialog einer weiten Ver-
breitung und eines grossen Ansehens; aber seit dem Ausgang
des 2. Jahrhunderts (resp. Anfang des 3.) anderte sich das im
Orient. Nicht nur hat ihn Clemens in seinen spateren(?) Schriften
nicht mehr erwahnt, sondern Origenes flihlt sich durch die An-
fiihrung des Dialogs bei Celsus in Verlegenheit gesetzt, nimmt
dem Celsus dieselbe fast iibel und sagt geradezu , der Dialog
sei zwar nach Inhalt und Form achtungswerth, jedoch recht
„unbedeutend". „Er kann zwar bei dem grossen Haufen und
den Einfaltigeren etwas zur Stiirkung des Glaubens beitragen,
dagegen auf die Gebildeteren keinen Eindruck machen". Man
darf also zuversichtlich vermuthen, dass das Biichlein durch
seine alterthiimlichen, vielleicht apokalyptischen, jedenfalls ein-
faltig erscheinenden Ausfiihrungen in Misscredit bei den orien-
talischen .,Theologen" gekommen ist. Unter solchen Umstan-
den — vielleicht war dem Ansehen des Buches auch schon die
Nationalitiit des christlichen Disputanten gefahrlich — schob es
Eusebius, wie er es in ahnlichen Fallen zu thun pflegte, ganz
bei Seite; Hieronymus hat es zwar in Handen gehabt (in grie-
chischer Sprache, und nur in dieser), aber bei seinen Zeitge-
Die AltiMTiitio hisonis ct Piipisci. 119
iiossen anf keine Bekanntsclialt niit demselben gerechnet, es
audi in seinem Kataloge christlicher Schriftsteller unci Schriften
niclit erwahnt. In der griechischen Kirclie wird es nur noch
einmal — im 7. Jahrhuudert — von Maximus genannt, der
audi iibeiTaschender Weise den Verfasser anzugebeu weiss.
Dagegen hat nodi im Ausgang des 5. Jalirliunderts ein africa-
nisdier Bisdiof, Celsus, den alteii Dialog als ein „opus praeda-
runi atque memorabile gloriosumque" gefeiert. Er hat ihii
ubersetzt uud diese Uebersetzung niit einer langen Vorrede
.,de iudaica incredulitate" dem beriihinten Bisdiof Vigilius
gewidmet.
In diesen dreizehu Satzgruppen ist Alles entlialten, was
\vir ziir Zeit tiber den Dialog des Jason und Papiscus wissen ^i^).
Mit Ausnahme des sub 12 Bemerkten ist dieses unser Wissen
ein sidieres. Wie verhalt sidi nun die Altercatio des Euagrius,
resp. ihre Grundschrif't, hiezu? Kami eine Verwandtscliaft, kann
die Identittit der Grundsclirift und des alten Dialogs wirklich
t'lir wahrscheinlich gelten?
Zuniichst: Die Geschichte der Uebeiiieferung des alten Dia-
loges (13) ist der Hypothese glinstig. Er ist ini Orient in Ver-
gessenheit gerathen wie die Grundsclirift der Altercatio, und
wie diese im Anfang des 5. Jahrhunderts, nadidem sie im Occi-
dent maunigfache Dienste gethaii, in Gallien nocli eineii Be-
arbeiter gefunden hat. so hat der Dialog des Jason und Papiscus
im Ausgange desselben Jahrhunderts in Africa noch einen Lob-
redner und Uebersetzer erhalten. Ferner ist die Angabe be-
achtenswerth, dass der alte Dialog niir einen geringen Umfang
gehabt (2), namenthch aber die andere (3), dass er ledig-
lich oder doch ganz hauptsachlich von Christus gehandelt hat,
die ubrigen Stiicke also, die zwischen Juden und Christen
controvers waren, in ihm entweder gar niclit oder nur fliichtig
berllhrt gewesen sind. Auch in der Altercatio Sim. et Tlieoph.,
resp. in ihrer Gruudschrift, ist die Christologie, worauf mehrfach
oben hingedeutet worden ist, niclit nur die Hauptsache, sondern
fast ausschliessliches Tliema, audi sie ist daher als ^Avnloyla
7r£oi Xoiaroc, resp. als ,,adsertio et vindicatio dispositionis et
plenitudinis Chi-isti" zu bezeichnen. Weiter: beide Schriften
114) Doch s. unten S. 12G n. 123.
120 Die Altercatio Simonis et Theophili.
fuhren mcM deu Titel „Jidloyog'', sondern den andereu „Alter-
catio" (apTiloyia)^^^); in beiden Schriften ist das Alte Testa-
ment das ausscliliessliche Beweisinstrument gewesen (4), so dass
alle tlieoretische Argumentation ausgescblossen war (s. die starke
Betonimg dieses Punktes Alterc. I, 1), beide endlicb — doch dies
ist selbstverstandlicb — entbalten allegorische Auslegungen^i^)^
Die bisber genannten Uebereinstimmungen sind — wenn
aucb die sub 3 genannte bereits von grosser Bedeutung ist —
docb noch allgemeiner Natur. Entscbeidender sind folgende:
aucb von der Altercatio Simonis et Tbeopbili lasst sicb sagen —
wenn man sicb auf den Standpunkt der Kirchenvater stellt — ,
dass der Jude ,,in wackerer und nicbt uuebener Weise" den
Streit fiibrt (4). Dieses Lob kann docb nur den Sinn baben,
dass er zwar die notbigen Einwande folgerecbt vorbringt, aber
der Widerlegung und besseren Belebrung stets zugangbcb ist.
Dass Origenes in diesem Sinne dem Juden seine Anerkennung
bezeugt bat, gebt aus der genaueren Bescbreibung des Ganges
der Streitunterredung bei Celsus Afer deutlicb bervor. Die
Ziige, welcbe dieser (6) mitgetbeilt bat, stimmen aber
auf das frappanteste zu der Altercatio Sim. et Tbeopb.
Man kann den Gang der Streitunterredung, die Mittel,
welcbe der Cbrist braucbt, die stets wacbsende Zu-
stimmung des Juden bier gar nicbt zutreffender be-
scbreiben, als mit den Worten, in welcben Celsus die
Unterredung und ibren Erfolg in dem Dialoge des
Jason undPapiscus bescbrieben bat. Aucb in der Alter-
catio Sim. et Tbeopbili bittet schliesslich der Jude den Christen
um die Taufe, nacbdem er von Abscbnitt zu Abscbnitt „Ein-
sicbt in die Wabrheit" gewonnen, und nacbdem ibn der Cbrist
sowobl durcb Ermabnungen als durcb Sclieltreden zur Einkehr
gebracbt bat. Man kann dem nicbt entgegenbalten , dass dies
die stereotype Form soldier Dialoge gewesen sei; denn erstens
115) Ueber die Bedeutung dieses Titels s. Volkmann, die Rhetorik
der Griechen und Romer S. 149.
116) Origenes spricht von Diegesen. Das Wort hat eine weite Be-
deutung; im strengen Sinne finden sich Diegesen in der Altercatio Euagrii
nicht; aber Origenes sagt genau genommen nicbt einmal, dass der Dialog
des Jason solche enthalten hat, sondern rechnet ihn in die Classe von
Schriften. welcbe AUegorien und Diegesen umfassen.
Die Altomitio liisonis ot Papisci. 121
liisst sich von stereotypen Formeii im 2. Jahrliundert liberhaupt
iiiobt spreclien, uud zweitens zeigt der Dialog Justins mit Trypho
iius eiue wesentlich aiidere Methode und vor allem einen an-
deren Erfolg.
Weiter aber, die Stelle Deut. 21, 23, welcbe Hieronymus
in der Altercatio lasonis et Papisci gelesen hat (8), findet sich
auch in der Altercatio Sinionis et Theophili, nnd zwar ist ihre
Behandlung ein Hauptstiick in derselben i'^).
Feruer, der Jude Simon wundert sich, dass in der Genesis
c. I, 1 nicht voni Sohne als Schopfer die Rede ist, wenn er doch
nach Meinnug der Christen Sohn Gottes sein soil; Theophilus
erklart darauf, dass allerdings Genes. 1, 1 die Schopferthiitigkeit
des Sohnes bezeugt werde, deun die Worte „in principio" seien
gleich „in Christi arbitrio et ad voluntatem eius (II, 8)". Diese
Aiislegnng hat aber Hieronymus in der alteren Lite-
ratnr nur im Dialoge des Jason nnd Papiscus und bei
Tertullian gefunden (9).
Endlich, die Grundschrift der Altercatio ist, wie diese selbst
noch zeigt, weniger „philosophisch" als z. B. der Dialog des
Justin, wenn sie ancli die hohere Christologie vertreten hat.
Sie enthalt zudem Ausfiihrungen iiber das tausendjahrige Reich,
den Antichrist, die sichtbare ausserliche Wiederkunft Christi,
den Weltbrand, sowie seltsame Deutungen (s. gleich im Ein-
gang I, 4. 5) und anstossige Allegorien (VI, 24 fin. 25 init.),
kurz sie entspricht einigermassen dem Bilde der alten Alter-
catio, welches wir uns nach dem sub 13 Bemerkten, namentlich
nach den Urtheilen des Origenes, von ihr machen raiissen.
Lasst sich nach diesen Zeugnissen aus dem Inhalte und
der Ueberlieferung mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit
behaupten, dass die Vorlage des Euagrius der Dialog des Jason
und Papiscus gewesen ist, so bleiben doch andererseits nicht
geringe Bedeuken iibrig. Sehe icli recht, so sind es drei: Erst-
lich namlich sind die Nam en der Partner dort und hier ver-
117) Dass ■\vir die Worte, welehe Hieronymus in der Altercatio lasonis
gelesen: AoidofJia d^eov 6 XQSfidfievog — er selbst iiljersetzt sie genau
durch ,.Maledictio dei qui appensus est" — nicht in wortlicher Ueber-
tragung bei Euagrius finden, sondern vielmehr das vulgare „Maledictus
omnis qui pendet in ligno" kann naturlich nicht in Betracht kommen,
da Euagrius sich an den ihni gelaufigcn Bibeltext gehalten haben wird.
122 ^)i'' Alter<-.i(ii'> Siiuonis et Theopliili
schieclene, zweitens soil uach dem Zeiigniss des Celsus Afer
in der Altercatio lasonis et Papisci der Christ als geborener
Hebraer, der Jude als Alexandriner vorgestellt worden sein (7),
drittens hat in der alten Schrif't etwas liber die sieben Himmel
gestanden (lU), was wir in der Altercatio Euagrii jetzt nicht
lesen ^^^).
Es ist jedenfalls ein giinstiges Prajndiz in Ansehung dieser
Bedenken, dass sie sammtlich Punkte betreffeii, welche in einer
Ueberarbeitung eiiier urchristlichen Schrift, a priori geurtheilt,
der Erhaltung am wenigsten sicher waren. Wlirde es sich um
Diiferenzen in solchen Stucken hier und dort handeln, f'iir deren
Entstehung sich ein Grund nicht auffinden liesse, so wiirde die
Hypothese, welche hier empfohlen wird, bedeutend erschiittert
Averden. Dies ist aber nicht der Fall; zudem ist anch nicht
behauptet worden, dass die Altercatio des Enagrius lediglich
eine Uebersetzung der Altercatio lasonis et Papisci sei, viel-
mehr wurde oben (§ 4) constatirt, dass die ihrzn Grunde liegende
Schrift mindestens in einem Fall einen bedentenden Znsatz, wahr-
scheinlich in mehreren Kiirzuna-en erlitten hat. Wir miissen also
lib) Die Stelle iiber die Folgen des Barkochbakrieges fur die Juden,
welche moglicher- , ja walirscheinliclierweise in der alten Altercatio ge-
standen hat (12), findet sich in der spateren nicht. Indessen ist hier fol-
gendes zu beachten. Justin sowohl als Tertullian bringen die Notiz iiber
das Verbot Hadrians, Jerusalem zu betreten, im engsten Zusamnienhang
mit der Ausfuhrung, dass die Eescbneidung nicht ,,in salutem" gegeben,
sondern als ,,signum" zu betrachten sei, dessen gottlicher Zweck eben durch
jenes Verbot erst offenbar geworden sei (s. Just., Dial. vv. 11. und Ter-
tull. adv. lud. 3. [13]: ,,Dari enim liabebat circumcisio , sed in signum.
unde Israel in novissimo tempore dinosci haberet, quando secundum
sua merita in sanctam civitatem ingredi probiberetur". Die Ausfuhrung
iiber die bloss significative Bedeutuug der Beschneidung findet sich in
der Altercatio Simonis et Theophili ebenso, nur das Hadrianverbot fehlfc.
Man darf sagen, es musste fehlen. Denn die ganze Zuspitzung der Be-
griindung der Beschneidung auf dieses Verbot hatte im 5. Jahrhundert
keinen Sinn mehr. Es ware ein voUstiindiger Anachronismus gewesen,
wenn Euagrius es stehen gelassen hatte. Er hat aber auch sonst hochst
wahrscheinlich Stiicke aus der Grundschrift ausgelassen. Also selbst in
dem Falle, dass das von Eusebius und Tertullian gebotene Stiick der
Altercatio lasonis angehort hat — als Diegese etwa — , ist sein Fehlen in
der Altercatio Simonis et Theophili kein Grund gegen die zu crprobende
Hypothese.
Dir Alt.Tcatio liisoiii^ <•( I'iiinsci. 123
ciuf Differenzen gegeniiber erentuellen Berichten liber die ur-
spriingliche Beschaff'enlieit der Quelle gefasst sein.
Die beiden ersten der oben genannten Verschiedenheiten
zwischen den Altercationes hiingen jedeiifalls enge zusammen:
an die Stelle des alexandrinischen Juden Papiscus ist ein nicht
naber bezeichnetef .Tude Simon, an die Stelle des hebraiscben
Cbristen Jason der Christ Theophilns getreten 'i'')- Die Be-
nutzung desselben Sujets — auch bis in das Detail hinein —
bei Umnamung der Personen ist in der cbristlicben Literatur-
geschichte nicht selten. Solche Uranamungen sind durch ver-
schiedene Grilnde verursacht worden: man denke einerseits an
die Recensionen der Simon-Panlns-Petruslegenden, uberhanpt
an die clementinischen Romane nnd an die ihnen verwandten
Stiicke, andererseits an die verschiedenen Erzahlnngen, die
nnter verandertem Namen nach deni Muster der Theclalegende
und nach anderen beliebten Vorbildern ert'unden worden sind,
weiter an die stereotypen Dialoge zwischen Proconsuln und
Martyi-ern und an so vieles Aehnliche aus dem 3. bis 5. Jahr-
hundert. Es liegt in der Natur der Sache, dass namentlich
anonyme Schriften auf diese Weise umgegossen worden sind,
unter ihnen wiederum besonders solche, die nach dem Urtheile
einer spateren Zeit Werth voiles und Anstossiges in sich ver-
einigten. Bei des aber trifft bei dem Dialoge des Jason und
Papiscus zu. Er hat, soviel wir wissen, im Abendlande stets
nur anonym cursirt, und er enthielt nach dem Urtheil des Ori-
genes „Einfaltiges". Zu diesem „Einfaltigen" wird man aber
vielleicht audi schon dieses rechnen dlirfen, dass der Christ als
ein geborener Jude vorgestellt war. Es musste dies dem An-
sehen der Schrift in den folgenden Jahrhunderten hinderlich
sein. mindestens ihre Wirksamkeit in weiten Kreisen liemmen,
und konnte daher als ein entschiedener Missgriff erscheinen.
Indessen kann es nicht schwierig gewesen sein, diesen Anstoss
zu entfernen. War der alte Dialog auch von einem hebraiscben
119) Theophilns nennt in der Altercatio die jiidischen Konige „reges
vestri" (111, 12), spricht zu Simon von „patres tui" (III, 11) und „populus
vester" (VI, 2()). Hieraus ist zu schliessen, dass er selbst kein geborener
Hebraerist; doch erscheint er auch nicht als H e i d e n christ, sondern, den
Vcrhiiltnissen des 5 Jahrhnndevts angemessen, einfach als Christ.
124 Di« Altercatio Simonis et Theopliili.
Christen abgefasst uud desshalb der christliche Partner als ge-
borener Hebraer bezeichnet i^o)^ go muss er docli von allem
„Judenchristenthum" im dogmatischen Sinne vollig
frei gewesen sein. Dies zeigt sicli nicht nur darin, dass er
die philosophisch-apologetische, hohere Christologie vertreten
hat, sondern folgt niit Sicherheit aus seiner Geschichte in der
Kirche. Eine Schrift, die im 5. Jahrhundert noch als ein opus
gloriosum et memorabile bezeichnet worden ist, die Clemens
Alexandrinus dem Lucas zugesclirieben, Origenes immerhin in
Schutz genommen, und in der Celsus die gewohnliche apolo-
getische Manier erkannt hat, kann keine nationaleu und parti-
. cularistischen Ziige getragen haben. Die jlidische Nationalitat
des Jason kann unmoglich auf die Haltung des Dialoges von mass-
gebendem Einfluss gewesen sein. Dazu kommt, dass der Gegner als
ein alexandrinischer, d.h. ein philosophischer Jude vorgestellt
war, und das Thema des Streites ausschliesslich oder fast aus-
schliesslich die Christologie gewesen ist. Man wird daher wohl
noch einen Schritt weiter gehen und annehmen diirfen, dass
der Streit iiberhaupt nicht auf dem Niveau gefuhrt worden ist,
auf welchem etwa im apostolischen Zeitalter Juden und jiidische
Christen mit einander gekampft haben ^^ij Dann aber kann der
120) Es ist bemerkenswertli , dass Celsus Afer den Jason einen „He-
braeus Christianus" (s. Tert. adv. Marc. Ill, 12) den Papiscus einen
Alexandrinus ludaeus genannt hat.
121) Die von Clemens vertretene Meinung, dass Lucas der Verfasser
des Dialoges sei — Clemens hat ihm bekauntlich auch den Hebriterbrief
zuzuschreiben fiir zweckmassig befunden — •, ist von dem grossten Interesse.
Es ist meines Wissens der einzige Fall, dass eine apologetische Schrift
des 2. Jahi'hunderts in die urchristliche Literatur eingerechnet oder ihr
nahe geriickt worden ist. Dass die Person des Verfassers der Apostel-
geschichte hier ausersehen worden ist, giebt zu denken und wirft jedenfalls
auf die Overbeck'schen Aufstellungen iiber das Verhiiltniss des Justin
zu der Apostelgeschichte ein unerwartetes Licht. Man wird sich nach
jener Conjectur des Clemens, deren Motiv wir allerdings nicht mehr an-
zugeben vermogen (doch s. einen Versuch unten not. 124), den Standpunkt
des Verfassers der Altercatio lasonis als mit dem des Verfassers der Apostel-
geschichte als verwandt vorstellen diirfen. — Die Mittheilung des Clemens,
dass Lucas der Verfasser des Dialoges sei, hat in demselben, dem 6., Buche
der Hypotyposen gestanden, in welchem die Angabe iiber den Ursprung
des Marcusevangeliums, also wolil auch der iibrigen Evangelien, enthalten
Die Altorcatio lasonis ot Papisci. I25
Gang der Argumentation, wie wir ihn in der Altercatio Simonis
et Theophili vor uns haben, nnd wie er bei Annalime eines
wirkliclien Stveites mit einem wirklichen Juden nnbegreiflich
ist, sehr wolil schon der der alteren Altercatio gewesen sein,
und selbst der Mangel an concreten Ansflihrnngen nnd Ein-
wiirfen ist nicht mehr auifalleud.
Wir diirfen also anuehraen, dass die Beseitigung der he-
brjiisclien Nationalitat des christlichen Disputanten aus der
Altercatio lasonis et Papisci kein so schwieriges Unternehmen
gewesen ist. Vor allem die Einleitung wird ausser der Cor-
rectur einiger Satze eine Umarbeitung erheischt haben. Wie
steht es aber nm die Einleitung der Altercatio Simonis et
Theophili? Nun, wie bereits erwahnt, diese Schrift entbehrt
jeder Einleitung. Sie beginnt mit den Worten: „Fuit
(igitur) altercatio legis inter quendam Simonem lu-
daeum et Theophilum Christianum. ludaeus igitur
sic ait etc.'' Man muss angesichts dieses abrupten Initiums
dringend vermuthen, dass der Verfasser hier etwas unterschlagen
hat. Tritt man mit der Hypothese heran, dass er die Altercatio
lasonis et Papisci benutzt hat, deren Eingang er eben nicht
brauchen konnte, so erklart sich dieser unvermittelte Eingang
sehr wohl. Er ware aber zugleich wiederum ein Beweis dafiir,
wie leicht sich Euagrius — wir miissen ihm dafur dankbar
sein — seine Arbeit gemacht hat. Ist dies der Fall, dann muss
man aber allerdings vermuthen, dass er doch manches stehen ge-
lassen hat, was die urspriingliche Beschaffenheit seiner Vorlage
besonders deutlich verrath. Solche Indicien fehlen aber audi
nicht ganz. Auf den Antichrist und das tausendjahrige Reich
darf man sich allerdings nicht berufen; sie gehorten im 2. Jahr-
hundert zum Gemeingute und galten ja auch im Abendlande
lange noch. Folgende Punkte erscheinen jedocli der Beachtung
wertli :
1) Gleich im Eingange (Alterc. I, 1) wird der Christ von
dem Juden als „Nazaraeus" bezeichnet und zwar so, dass dieses
Wort synonym zu ,,Christianus" steht. Aus der ganzen alteren
Literatur sind aber nur zwei ahnliche Falle bekannt: Act. 24, 5
war. Aus clem 6. Buclie stammen weiter die Fragmente bei Eusebius,
h. e. II, 1; II, 15. mithin vielleicht auch VI, 14. S. Dindorf, 0pp. Clem.
Alex. Ill p. 494 sq.
126 I^if Altercatio Simonis et Theophili.
werden die Christen von Tertullus 7] rcov ^atcofjaiwv aiQeaig
genannt, und Tertull. adv. Marc. IV, 8 liest man: „Unde et
ipso nomine nos ludaei Nazaraeos appellant per eum". Darf
man nicht annehmen, dass diese hier gebrauchte seltene Be-
zeichnung auf eine Schrift zurlickgeht, in welcher die Christen
noch Nazaraer genannt waren, und wiirde in diesera Falle sich
dieser Name nicht trefflich erklaren, wenn der Christ in dieser
Schrift ein geborener Jude gewesen ist*^'^)?
2) Am Schlusse der Altercatio (VIII, 29) redet der Jude
den Christen also an : „Lator salutis, Theophile, aegrotorum bone
medice". Dieses Bild tritt ganz unvermittelt ein und ist durch
nichts im Vorhergehenden vorbereitet. Uebersetzt man die
Worte in das Griechische zurlick und nimmt an, dass der Name
des Christen ursprunglich Jason gelautet, so erhalt man ein
treffliches, vielleicht sogar ein doppeltes Wortspiel: "Jaotg —
^Idoiov — iaTQog. Nun aber sind gewiss die Namen Jason
und Papiscus im alten Dialoge fingirte und mit Absicht aus-
gewahlte gewesen ^'^■'). Es liegt mithin sehr nahe, dass von der
Bedeutung der Namen in der Schrift irgend einmal Gebrauch
gemacht worden ist. An der einzigen Stelle aber, wo in
122) Die spatere Zeit kennt — seit Epiplianius uud Hieronymus —
den Namen „Nazarener" nur als Bezeichnung fiir eine palastinensische
judenchristliche Secte.
123) So ist zu urtheilen trotz des interessanten Titels einer Schrift,
welche sich auf der Marcusbibliothek befindet, und auf welche Zahn (Acta
loannis p. LIV n. 2) aufmerksam gemacht hat: 'ApTijio?J/ Ilanloxov xal
4>i/.u)voq ^lovSaiutv, xaJv naQ 'E^tjaloiq ao(puiv n^uq ,u6vax6v xiva Ava-
axnaiov TiiQl nloxswq XQiaiiuvuJv xal vofxov E,S^aiojv. Mit Recht be-
merktZahn hiezu: „Da ist also der aus dem alten Dialog des Aristo von
Pella beriihmte Jude Papiscus, nach Celsus gleichfalls ein Alexandriner,
mit seinem noch beriihmteren Mitbiirger und Glaubensgenossen Philo als
Polemiker gegen das Christenthum zusammengestellt". Zahn nimmt also
an, dass die byzantinische Schrift (Cod. Venet. Graec. 505 fol. 79 — 87)
irgend wie auf eine Kenntniss des alten Dialogs bei ihrem Verfasser schliessen
lasst. Eine besondere Ueberlieferung iiber Papiscus ist gewiss nicht voraus-
zusetzen; man wird daher auch nicht auf die Existenz eines Papiscus
schliessen diirfen. Leider habe ich den bisher ungedruckten Tractat nicht
einsehen konnen. Doch verdanke ich Zahn die brief Uche Mittheilung
(17. Juli 1882): ,,Ein Zusammenhang mit der alten Schrift , Jason u. Papis-
cus- besteht weiter nicht, nach meinem unvoUstandigen Excerpt-.
Die Altt'icatio lasoiiis (>t I'iipisci 127
der Alterciitio Simonis et Theopliili Theojjliilus luit
eiiieiu Epitlieton ornaus becliiclit wordeu ist, ist er als
Arzt vorgestellt '-').
3) Der Jude in der Altercatio lasonis et Papisci war als
Alexandriner eiiigefiihrt. Simon in der Altercatio des Euagrius
unterscheidet sich aber darin von dem justinischen JudenTrypho,
dass er nicht nnr auf die „liobere" Messiasvorstellung bereit-
willig eiugeht und auf die Logoslehre — was Trypbo uicbt
tbut — , sondern auch (III, 12) den Einwurf maclit, dass Stellen,
welche der Cbrist auf Christus bezieht, vielmehr von der Weis-
heit gelten. Die gauze Haltung des Juden Simon ist eine
solche, dass der Hypotbese nicbts im Wege stebt, das Urbild
desselben sei ein alexandrinischer und nicbt ein palastinensiscber
Jude gewesen. Audi werden in der Altercatio die Scbriften
des alexandriniscben Bibelkanons (Sap. Sal,, Siracb, Barucb)
beuutzt, wabrend Justin sicb auf den palastinensiscben Kanon
bescbrjiukt.
4) Nur uusicber wird man sicb auf die Ausftibrungen VII, 28
p. 42, I sq. daflir berufen dlirfen, dass der Verfasser der Grund-
scbrift der Altercatio besondere jiidiscbe Umgebungen derSpeise-
verbote, liber die uns soust nicbts bericbtet ist, gekannt, und
dass er seinem Juden ein asketiscb gefarbtes Judentbum zuge-
scbrieben hat '-''). Es ist docli nicbt sicber, ob der Jude das
124) Man konnte hier auf den Gedanken gerathen, dass eben ,.clei'
Arzt" fill- die Hypothese des Clemens in Bezug auf den Verfasser von Be-
deutung gewesen ist. War der Verfasser als .,guter Arzt" am Schlusse
bezeichuet und stand dem Clemens bereits fest, dass der Schrift ein ehr-
wiirdiges Alter zukommen miisse, so kann ihn jene Bezeichnung auf Lucas
gefiihrt haben. Auf ahnliche Weise sind von den alexandriniscben Theo-
logen ahnliche luftige Combinationen — erinnert sei an die Verwendung
der Namen Clemens und Hermas — gebildet worden. Die Schlusse von
Schriftstiicken sind in der Tradition oft ebenso bedeutungsvoll geworden,
vde die Anfange; wie das erste Schriftcitat in der Altercatio nebst seiner
Erkliirung der Folgezeit, z. B. dem Origenes, zum Austoss gereichen musste,
so hat vieUeicht der Schluss der Schrift die autfallende Hypothese iiber den
Verfasser in alterer Zeit mithervorgerufen. Doch dies ist nur ein Versuch!
125) Dass es im 1. und 2. Jahrhundert ein Judentlnim gegeben hat,
welches den Weingenuss verabscheute , resp. verbot, kann aus manchen
Andeutungen in den Quellen, z. B. auch Testani. Isaschar 7, erschlossen
werden.
128 I>ie Altercatio Simonis et TheophTli.
„vinum sumere" iiberliaiipt oder nur das „vinum gentiliter
siimere" verboten wissen will. Anderes ist in dem Abschnitte
so unklar, dass man besser thut, ilm ftir die liier vorliegonde
Frage bei Seite zu lassen, zumal da gerade hier Euagrius selbst
offenkundig Hand an den Text seiner Vorlage gelegt hat.
Die Bedenken also, die sicli (aus der Umnamung der Per-
sonen in der Altercatio des Euagrius und ans der Beseitigung
der liebraisclien Nationalitat des christlicheu Disputanten) gegen
die Hypothese, die Schrift sei eine Bearbeitung der Altercatio
lasonis et Papisci, erhoben batten, konnen niclit als entschei-
dend betrachtet werden; sie lassen sicli niit guten Grlinden
beseitigen und vermogen gegen das Gewiclit der positiven Be-
obachtungen schwerlicb aufzukommen. Somit bleibt nur der
eineAnstoss noch iibrig, dass in der Altercatio des Jason und
Papiscus von den sieben Himmeln die Rede geweseu ist, von
welchen in der Altercatio Simonis et Tlieophili nichts zu lesen
steht. Man darf aber bier vermuthen, dass sie als eine im
5. Jahrhundert selbst bei Lateinern nicht mehr ertragliclie
„opinio ludaica", wie gewiss so manches Andere, von Euagrius
ausgemerzt worden sind. Die ,,sieben Himmel" kommen bekannt-
lich in der nachkanoniscben jlidischen Literatur so wie in der
christlich-apokalyptischen nicht selten vor. Aber sclion Origenes
hat (c. Cels. VI, 21) bemerkt: „Die Schriften, welche in den
Kirchen Gottes im Gebrauch sind, reden nicht von sieben Him-
meln, sie sprechen tiberhaupt nicht von einer bestimmten An-
zahl derselben; sie lehren nur eine Mehrzahl von Himmeln".
Seit der Mitte des 3. Jahrhunderts ist, soviel mir bekannt, die
Vorstellung von sieben Himmeln iiberall in der Kirche ausser
Kurs gesetzt worden, um dann viel spater und unter ganzlich
geanderten Verhaltnissen wieder aufzutauchen.
AUes dies zusammengefasst, wird man es vielleicht mit dem
Verfasser fur nicht unwahrscheinlich halten, dass wir in der
Altercatio des Euagrius die Uebersetzung der Altercatio des
Jason und Papiscus, freilich eine verstiimmelte Uebersetzung,
zu erkennen haben ^^^). Was Euagrius uns aufbehalten hat.
126) Dass in SiicTgallien griechisclie Literatur noch am Anfaug des
5. Jahrhunderts viel gelesen und auch iibersetzt worden ist, braucht nicht
besonders nachgewiesen zu werden.
Die Altercatio lasonis et i'iipisci. 129
diirin werden wir, weiiige Ausnahmeii abgereclinet, den Text
der alteii Sehrit't wiedererkennen durfeu. Dafiir blirgt das raecha-
nisclie, geistlose Verfahren des Literateii '■-^). Gewiss aber ist
uns Maiiclies liier vorenthalten, was gerade von besonderer Be-
deutung nnd von eigenthumlichem Interesse f'iir uns gewesen
wiire. Euagrius, vielleicht ein Grieche von Geburt in Gallien,
hat niclit uiehr gewollt oder gewagt, was dock noch 50 Jahre
spiiter in Nordafrica gewagt worden ist — den alten Dialog
einfach zn iibersetzen. Er hat gestrichen und geandert. Aber
am diesen Freis hat er es erreicht, dass sein Schriftchen, wie uns
Gennadius berichtet , bald sehr popular geworden ist. Ein Be-
weis, wie gross das Bedurfniss nach einer „Christologie des
Alten Testamentes" audi noch im 5. Jahrhundert gewesen ist.
Die wortliche Uebersetzung des alten, einst dem Lucas zuge-
schriebenen Dialoges, wie sie jener Africaner Celsus veranstaltet
hat, ist untergegangen: ihrer Verbreitung sind vielleicht doch
Hindernisse im Wege gestanden; die Bearbeitung des Euagrius
hat sich erhalten, und wir diirfen jetzt in derselljen einen immer-
hiu nicht werthlosen Zuwachs zu den so diirftigen Resten der
vorkatholischen Literatur, die uns erhalten sind, begriissen.
Denn dies bleibt bestehen, mag man audi die Beweise flir die
Identitat der Grundschrift der Altercatio Euagrii mit der alten
des Aristo noch niclit fiir ausreichende halten — wirldiche Evi-
denz ist hier nicht zu erzielen — , dass wir in jener Grundschrift
ein Werk des zweiten Jahrhunderts besitzen, und zwar dasjenige
Werk, welches die abendlandische, apologetische Literatur un-
gleich starker beeinflusst hat als Justins Dialog mit Trypho, ja
welches die eigentliche Wurzel des Alttestamentlichen Evange-
liums der Abendlander gewesen ist. An die Seite des justinischen
127) Spureli, dass die Altercatio Euagrii eine Uebersetzung aus dem
Griechischen sei, scheinen mir nicht ganz zu felilen. Indessen trage ich
Bedenken, meine hierfiir gesamnielten Beobachtungen mitzutheilen, da ich
uiir gesicherte Urtheile iiber die Latinitat de.s 5. Jahrhunderts nicht zu-
trauen darf. Auch von einer abschliessendeu Priifung der Bibelcitate
habe ich absehen zu miissen geglaubt, da eine wirklich griindliche Unter-
suchung hier bei dem Mangel einer brauchbaren Zusammeustellung der
^Italafragmente" von ganz besonderen Schwierigkeiten gedriickt ist und
bei einem .so schujalen Objecte, wie die Altercatio es immerhin ist, nicht
wohl begonnen werden kann.
Texts unci Untei-suchungen I, 3. *)
130 Die Altercatio Simonis et Theophili.
Dialogs geliort ohne Zweifel die verlorengegangene Altercatio,
welche von Tertullian und Cyprian benutzt und von Euagrius
bearbeitet und libersetzt worden ist.
Was wir aus der Altercatio Neues fur die Gescliichte der
Theologie im 2. Jalirhundert lernen konnen, ist allerdings un-
erheblich. Aber wenn der Theophilus des Euagrius der Jason
des Aristo ist, dann liegt es vor Augen, dass der Judenclirist
Aristo dieselbe Theologie in den Grrundzligen vertreten hat,
welche wir aus den Schriften der heidenchristlichen Vater vor
Irenaeus kennen. Die Nationalitat hat eben audi im 2. Jahr-
hundert nicht durchgehends die Denkweise bestimmt. Es hat
audi geboreue Juden unter den Christen gegeben, die flir eine
rationale Theologie und fur den Logos jedes geschichtliche Ver-
standniss des Alten Testamentes Preis gegeben und die alle-
■gorisch-christologische Deutung desselben vollstandig acceptirt
haben. Und mogen sie audi in einzelnen Fallen melir des
„Einfaltigen" bewahrt haben als ihre heidenchristlichen Briider,
so blieb dasselbe doch nur nocli ein Einschlag, den man ohne
Miihe beseitigen konnte.
Excurs.
Die Auslegung sv ctQij^ = sv loytij (vup) Genes. 1, 1 in
der altchristlichen Literatur.
Zur Zeit des Hieronymus glaubten sehr Vide, wie er mis
(Quaest. hebr. in libr. Genes, p. 3, recogu. P. de Lagarde
1868) berichtet, dass im hebraischen Grundtext Gen. 1, 1 „in
lilio" statt „in principio" stlinde. Hieronymus widerlegt diese
Meinung. Unzweifelhaft ist sie entstanden, weil von vielen clirist-
lichen Erklarern der Genesis der erste Vers in diesem Siune
gedeutet worden ist. Sagt doch Hilarius (Comiii. in Ps. 2)
geradezu, das hebraische Wort „Bresitli" habe drei Bedeutungen:
„in principio — in capite — in filio". Von dieser Annahme
war in der That nur ein Schritt zu jener falschen Meinung
nothig. Aber die Behauptung, „Bresith" konne mit „in filio"
ubersetzt werden, geht selbst unstreitig auf eine altere Meinung
zuriick, nach welcher der Begriff aQX^'j flir gieichbedeutend mit
Excurs. 131
dem des r)6g tor i^sov {loyug, amfiu) gelialten wordeii ist;
deiin oline die Aunalime eines solchen Mittelgliedes bleibt es
unvei'sttindlich, wie man zu der Identification von „Bi'esith" und
,.in filio" gekonimen ist. Wir besitzen nun in der That eine
Reihe von Zengnissen, welche beweisen, wie friihe schon jene
nrspriingliche Identification vollzogen worden ist. Eines der
altesten ist oline Zweifel das in der Altercatio lasonis et Papisci
(II, 8) enthaltene, and es ist desshalb das werthvoUste, weil
nicht nnr die BegrifFe ,,principinm" nnd ,,dei filius" hier gleicli-
gesetzt erscheinen, sondern dieses anch im Rahnien einer Er-
lanternng von Gen. 1, 1 gescliielit. Der Verfasser erklart ohne
Begriindnng das „in principio" dnrcli ,.m Christi arbitrio et ad
volnntatem eiiis". Er batte das schwerlich gewagt, ohne fiir
diese Umsetzung einen Beweis aus den Orakeln des A. T.'s zur
Hand zn haben. Ein solcher war aber der damaligen Exegese
v,-irklich gegeben. Proverb. 8, 22 (LXX) sagt die Weisheit von
sicli: KvQiog fXTtce' /<£ ctoyJiv odcov avzov. Die Weisheit identi-
ficirt nnser Verfasser ansdrlicklich (III, 12) mit deni praexistenten
Christus, Also gilt von dieseni das Pradicat ag/>J. Dieser Be-
weis musste aber noch verstarkt erscheinen, sobald einmal das
.Tohannesevangelium fiir inspirirt und kanonisch gait. Denn
eine Combination von Joh. 1, 1 mit Genes. 1, 1 ergab den Theo-
logen — anch ohne wie spatere Kliigler in dem ir des Johannes
ein hebriiisches Beth essentiae zu vermuthen — , dass der Logos
mit der dgyjl zu identificiren sei. Man darf vermuthen, dass
schon Tatian , als er den Satz niederschrieb (Orat. 5): ^sog i]v
ev ccQ/Jj, zi\v di agyjiv loyov dvra/iin' jraQeilycpctf^ier, an Genes. 1 ,
und Joh. 1, 1 gedacht hat. i^Qxtj ist ihm hier sowohl Anfang
des Seins — so an der ersten Stelle — als audi Princip des
Seins, so an der zweiten. Der Satz ist also acuminos. Er giebt
es aber ferner ausdriicklich als ein Stuck der christlichen
Ueberlieferung aus, dass der Logos oder vielmehr, wie er
unterscheidet, die Potenz des Logos (s. auch Alterc. Ill, 12:
Christus ipse est dei virtus) das Princip der Dinge sei. Wie
aber die 6vvaf.iig Xoyov absolut die (J.qyJ\ ist, so ist der aus
Gott hervorgegangene Logos die «?/>/ der Welt (1, c. touxov
I'ofiev Tov -/.oofiov T^v aQyi\v). Diese Auffassung findet sich
schon bei Justin, und zwar unter deutlicher Berufung auf
Proverb. 8, 22. Dialog, c. Tryph. 61 sagt er: Muqtvqlov di /.cd
132 Die Altercatio Simonis et Theopliili.
al^ko vf.ih', cj ffilot, a7Tu zwv yQaqiov dcoGco , otl aQxr]v ngb
TtdvTcov Tiov y.TiGf.ia%tov 6 dsog ysykvvriv.e dvvaf.iiv tiva i^
eavTov koyr/.ilv, rjrig y.al do^a v.vqiov vno xov nvEVf-iaxog zov
ayiov xaXfaxcu, noxt de viog, noxs ds aoq^ia, noxi ds ayyslog,
noxe ds -iJ-aog, noxi di y.ioiog y.ai ?.6yog, noxe di aoyioxodTi^yov
iccixov Xeyai, iv av^QOj;roc f^iogrprj cparivxa xq/ xov Nan] ^Ir^anv,
und ganz ahnlich lieisst es c. 62: Tovxo xb xot bvxi d.7to xov
uaxQog 7CQo(ihi^Ui.i' yii'vr^(.ia ngb Tcdvziov xtdv noir^f-idxcov avvrlv
xip TiaxQi, y.al tovxio 6 uaxijQ 7rQooof.iL^£7, cog 6 /.oyog Sia xov
^o^o/.ioji'Og idn'ilcoGsv, oxi v.al dgxi] jtqo ndviwv xiov Tioir^f^idicov
Tovx avxh y.al yevnjfza vnb xov dsov syeyai'VTjxo, o Gocpia dia
^oXof-uovog yxcXelxai , y.al fii^ d7Toy.a).vij.ieiog xf^g ysyerr^^uan^g
^IriGovxcjxov Navrjxovxo avih&hrovxog. DiesebeiclenStellensteben
aber der in der Altercatio entbaltenen Aiifiassung uocb niiber als
die Ausfiihrung- Tatians. Denu ganz wie dort ist aucb fiir Justin
„der Logos" noch nicht die Hauptbezeichnung (s, v. Engel-
hardt, das Cbristentbum Justins S. 2S3 f.) fiir den Sobn Gottes.
sondern es ist ein Pradicat neb en den andereu Pradicaten,
welcbe bei Justin und in der Altercatio dieselben sind. Der
Fortschritt bei Tatian ist hocbst wabrscheinlicb bedingt durcb
die starkere Anlehnung an das Jobannesevangelium. Seit der
Zeit des Justin ist die Bezeiclmung dgyji fiir den praexistenteu
Logos den Apologeten gelaufig (s. Athenag. Supplic. 10. Tlieo-
phil. ad Autol. II, 10: '0 loyog leysxaL dQyy\, oxi agyei y.al
•KVQcevEL ndvxiov xtov di avxov 6edrji^iLovQyr^(.iiviov). Origenes
nennt den Logos dqyjjv ysveoecog (in loann. p. 17) und beruft
sich dafiir auf Proverb. 8. Auf Philo gelit diese Betracbtung
nicht zurtick; denn weder bat Philo Genes. 1,1 in diesem Sinne
erklart noch, soviel bekaunt, den Logos iiberhaupt dgyij ge-
nannt (s. Siegfried, Philo von Alex. S. 219 f). Audi auf die
Stelle Coloss. 1, IS ist nicht zu verweisen; denn dort heisst
Christus a^/;;', sofern er der Erstgeborene vou den Todten ist.
Dagegen darf wohl an 1 Job. 1, 1 und 2, 13 erinnert werden,
obgleich bier der Gedanke ein wesentlich anderer ist, vor allem
aber an Apocal. 3, 14, wo Christus »} «t>Z») ^^]s y.xiGaiog xov
^eov heisst. Man schafft ein kiinstliches Dilemma, wenn man
bier fragt, ob dieser Ausdruck als initium creationis (creatorum)
oder als principium (activum creationis zu versteheu sei. In dem
Begriff der «(>X'/fiillt fiir die Speculation der Zeit beideszusammen:
Excm-s. 133
mit deui ,,initium" hat es an sich eine andere Bewandtniss als
mit dem. was dem.selben tblgt. Es ist. niemals ledig'lich primum
inter paria, sondern das Erste ist zngleich dasjenige, welclies
das Folgende irgendwie bestimmt und beherrscht. Der Titel
agyvi fiir Christns ist also lu'alt; aber es lasst sich nicht nach-
weisen, dass vor dem Verfasser der Altercatio Jemand Genes. 1, I
nach diesem Titel gedeutet hiitte. Spaterliin finden wir diese Er-
Idtirung auch nur dort, wo sich eine Abhangigkeit von der Alter-
catio vermuthen lasst. Wenn Tertullian adv. Hermog. 20 schreibt:
...... Dominus condidit me (sophiam) initium viarum suarum
in opera sua. Si enim per sophiam dei omnia facta sunt, et
caelum ergo et terram deus faciens in principio, id est initio,
in Sophia sua fecit", so hat er eben'noch nicht an die Identi-
ticirung von ..Anfang'- und „Sohn Gottes" gedacht, so wenig
^vie an der parallelen Stelle adv. Prax. 7 init. Von der selt-
samen Meinung Einiger, im Hebraischen stlinde Genes. 1, 1:
..In principio deus fecit sibi filium" hat Tertullian (adv. Prax. 5)
gehort und lehnt sie ab; aber von der in der Altercatio sich
fiudenden Ausleguug hat er keine Notiz nehmen wollen. Da-
gegen erlautert Clemens Alexandrinus (Strom. VI, 7, 58) eine
von ihm (s. auch schon VI, 5, 39) citirte SteUe aus der Prae-
dicatio Petri {sig ■O^eog eozir, og ccQxi]i' Tiarziov iuoirjoev, /.ai
rllovg e^ovoiav tyMv) also: ,,l\liqvvcov rbv nQCozoyovov v\ov h
nixQog yodq^ei, ovvelg azgi^iog to' ^Ei' agyj] P.noir-aev 6 ^edg
Tov ovQarhv aai Tt]v ytjv. Clemens erklart also Genes. 1, 1 wie
der Verfasser der Altercatio (s. auch VI, 16, 145); wir wissen
aber durch Maximus Confessor, dass Clemens den Dialog ge-
kannt und hoch gehalteu hat. Von Clemens ist die Erklarung
zu Origenes und Methodius iibergegangen, von denen indess
der erstere (Horn. I in Genes. 0pp. II p. 52) auch direct auf
die Altercatio zuriickgehen kann. Die lateinische Bearbeitung
derselben durch Euagrius so wie die Bemerkung, die man bei
Hilarius las (s. oben), sicherten der alten Erklarung im Abend-
lande auch noch fiir spatere Zeit eine gewisse Verbreitung.
Wii- finden sie in einigen apologetischen Tractaten des frlihen
Mittelalters. Aber auch in der Alterc. Zacchaei et Apollonii
1. II c. 3 (Gallandi IX p. 224) heisst es nach Anfiihrung von
Gen. 1, 1: .,Ille principium est, qui ludaeis, quis esset, inter-
rogantibus dixit: Principium, quod et loquor vobis(!)". So con-
J34 Die Altercatio Siuionis et Theophili.
struirte man in spaterer Zeit hie imd da bereits aus Genes.
1, 1. 2 die christliche Trinitatslelire (Deus-Principium-Spiritus).
Diese Auffassung hat indessen der anderen weichen milssen,
nach welcher der Sohn in dem „Gott sprach" erkannt wurde.
Die Identificiiung von Principium und Filius muss doch Vielen
als zu kiinstlich erschienen sein. Dazu kam, dass man jenen
Begriff in seiner wortlichen Fassung im Zusammenhang der
Gottes- und Schopfungslehre doch nicht entbehren woUte.
Hieronymus (1. c.) hat sich mit der uralten Erklarung in einer
fiir ihn sehr charakteristischen Weise abgefunden. Er sagt:
„Magis itaque secundum sensum, quam secundum verbi trans-
lationem de Christo accipi potest; qui tarn in ipsa fronte Gene-
seos, quae caput omnium hbrorum est, quam etiam in principio
loannis evangehstae coeh et terrae conditor approbatur". —
SchliessHch sei darauf hinge wiesen, dass Bartolocci (Biblioth.
Rabbin, part. Ill p. 2 num. 584) die Erklarung des Aristo von
Pella zu vertheidigen versucht hat, indem er auf das jerusa-
lemische Targum verweist, in welchem: „In sapientia creavit
deus etc." gestanden haben soil; s. hieruber Routh, Reliq.
S. I p. 100.
Citate aus dem Alteii Testament.
Genes
1, 1 18
1, 2. 3 40
1, 26. 27 19
.. 18, 4
.. 25, 23
27
.. 48, 14
48, 19
Exod. 4, 25
.. 7, 1
12
17
19, 10. 11 35
.. 20, 25 26
.. 23, 7 35
Num. 13, 24.sq 31
.. 22, 28 24
.. 23, 19 30
Deut. 21, 22. 23 29
.. 21, 23 29
.. 28, 44 27
.. 28, 66 30
,. 30, 6
., 32, 32—34
.. 32, 39
.. 32, 43
Jos. 2 ,
2 .
13sq.
Jos. 6
Seite
41
II Sam
I Keg.
n Reg
Esther
Ps. 2.
•)
. 7, 4sq. 12. 14.
IS .
16 . . 19
2S
11. 6. 14 . . .
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39
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42
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... 30
17-23. . . .
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2
4. 5
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.... 36
1 — 6
. . . .37
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5. 6
32
23
. . . 18. 36
... 31
38
5. 8
39
13(5
Die Altprcatio Simonis et Theophili.
Ps. 73, 23 .
., 78. 65 .
., 82, 1 .
•• 82, 6 .
„ 88, 10.
Seite
. 22
. 36
. 17
. 19
. 30
89, 28 1!
Isa. 52, 6 22
.. 53, 4 20
.. 53, Isq 32
.. 53. 9. 6 2!)
.. 53. 12 29
.. 59. 7 42
.. 61. 1 40
.. 63, 1 36
.. 65, 2 30
Jerem. 3, S 34
4. 3. 4 27
6. 10 21. 29
11, 19 30. 32
13, 23 41
15. 9 36
.. 31. 31. 32 27
.. 36. 4sq 25
., 51. 59 sq 25
Threiii 4. 20 29
Ezech. 9. 4 33
9. 5. 6 33
Dan. 3. 24. 25 42
.. 7, 13. 14 37
.. !), 24. 25 22
Osee 1, 2 34
.. 2. 2 34
., 6, 2 35
Amos 8. 9. 10 36
Jona 1.2 35
Micha 5. 2 25
Abac. 1. 5 43
Zachar. 11. 16. 17 16
12, 10 30
Baruch 3, 35—37 17
Pseuclobarucli 25
II Maec. 15 41
., 93, 1 sq 37
., 96, 10 38
., 107, 20 20
.. 110, Isq 37
., 119, 120 3b
., 141, 2 30
., 147, 15 21
Proverb. 8, 22sq 21
Cantic. 5, 10 30
Sap. Sal. 2, 12—22 34
Sirach. 24, 3. 4 21
Isa. 1, 13. 14 41
.. 1,15 42
.. 7, 9 16
„ 7, 10-14 22
„ 7, 14. 15 23
„ 8, 4 23
„ 9, 6 38
„ 10, 22. 23 ... 20 I
., 11. 1. 2 24 '
.. 29, 11, 12 24
„ 33, 10. 11 35
.. 37. 22 23
., 37, 36 23
.. 38, 5 32 ,
„ 38, 21 32
„ 43, 19 27
., 44, 6 16
.. 45, 1—3 22 ,
.. 50, 6. 7 32
Die Acta Archelai imd das Diatessaron Tatians.
Die Acta disputationis Archelai Episcopi Mesopotamiae et
Maiietis Haeresiarchae gehoren cler ersten Halfte des 4. Jahr-
liunderts. vielleiclit dem ersten Viertel desselben. an nnd sind,
wie Hieronj^mus versichert nnd ein grundlicher Keuner des
Sjrischen, K. Kessler. sich zn beweisen getrant, aus der syri-
schen Sprache in das Griechische iibersetzt worden. Uns liegen
sie bente vollsttindig „nur in einem mehrfach komipten und
von Hans aus nnklar stiHsirten lateinischen Texte vor", der, wie
schon Zacagni gezeigt hat, aus dem Griechischen geflossen
ist und viele Fehler und Missverstandnisse aufweist. Die latei-
nische Afterlibersetzung ist vollstandig nur in einem einzigen
Codex ( Casinensis) erhalten, wahrend eine Handschrift von Bobbio
nur einen kleinen Theil derselben wiedergiebt. Fragmente der
gi'iechischen Vorlage bieten aber Epiphanius und Cyrill von
Jerusalem. Die Acten, welche von einer nie gehaltenen Dispu-
tation berichten, bergen doch urkundliches Material; sie sind
von einem syrischen Geistlichen, vielleicht einem edessenischen,
abgefasst worden ^).
]) Hieronymus de vir. inl. 72: „Arclielaus, episcopus Mesopotamiae,
lilirum disputationis suae, quam habuit adversum Manichaeum exeuntem
de Perside, syro sermone composuit, qui translatus in gi-aecum habetur
;i multis. Claruit sub imperatofe Probo, qui Aureliano Tacitoque successe-
rat*. Die von Bigot in Bobbio entdeckten Fragmente gab zuerst
Valesius in den Noten zu den Kirch engeschichten des Socrates und
Sozomenos heraus; den ganzen lateinischen Text Zacagni in den Col-
lectanea Monumentorum veterum ecclesiae Graecae (Romae 169S\ zugleich
mit den griechischen Fragmenten, einer gelehrten Einleitung und Noten.
138 Die Acta Archelai unci das Diatessaron Tatians.
Nach den Nachweisungeii , welche Zalm (Tatians Diates-
saron 1881) liber die Verbreitung und den Gebrauch des tatiani-
schen Diatessarons in der syrischen Kirche gegeben hat, ist
es a priori wahrsclieinlich, dass der syrisclie Cleriker, welcher
unsere Acten verfasst hat, seine Evangeliencitate der tatiani-
schen Harmonie entnahm. Auch der Umstand, dass der Ver-
fasser c. 37 (p. 136 ed. Routh) den Tatian unter den Haretikern
nennt^), kann, so verhangnissvoll er der Zahn'schen Hjpothese
Dieser Text ist melirfacli abgedruckt worden, auch von Routh, ReUq.
Sacrae V. edit. II. p. Isq. Einer eingehenden Kritik hat zuerst Beau-
sobre (Hist, critique du manicheisme I p. 129) die Acten unterzogen.
Er wies nach. dass die Schrift eine Erdichtung sei, und dass sie sich nicht
einmal auf eine wirklich stattgehabte Disputation beziehe. Er glaubte
ferner zeigen zu konnen, dass die Acten nicht in syrischer Sprache, son-
dern in griechischer niedergeschrieben seien, und dass der Verfasser dem
Schauplatz der angeblichen Handlung fernstehe. Ihm hat sich von Zitt-
witz (Ztschr. f. die histor. Theologie 1873 S. 467f.) angesclilossen ; ferner
auch Jacobi (Ztschr. f. Kirchengesch. I S. 493 f), der mit beachtens-
werthen Griinden die Hypothese vertheidigte , die Acten seien + 325 in
Aegj^pten in griechischer Sprache niedergeschrieben worden. Oblasinski
(Acta disput. Archelai. Leipziger Inauguraldissert. 1874 S. 37 — 59) halt
ebenfalls die Angabe des Hieronymus iiber den Originaltext der Acten
fur belanglos, da Hieronymus nur einem miindlichen Geriichte gefolgt sei,
und da Photius (Cod. 85) — worauf sich auch Beausobre und Jacobi
stiitzen — einen Hegemonius als Verfasser auf die Autoritat des Hera-
clianus (c 500) hin nenne und von einer syrischen Urschrift nichts wisse.
Doch haben ausser Zacagni nicht nur Assemani (Bibl. orient. I p. 555),
Neander (Kirchengesch. I S. 816) und zum Theil auch Fliigel (Mani
S. 29 f) an dem syrischen Originale festgehalten , sondern auch Kessler
hat (Realencyklop. f. protest. Theol. u. Kirche 2. Aufl 9. Bd. S. 226) die
Nachricht des Hieronjauus fiir zuverliissig erklart. Kessler verweist auf
die ausfiihrliche Begriindung derselben in seinem grossen Werke iiber
Mani (Bd. 1 S. ]20f.), welches aber bisher. soviel wir wissen, noch nicht
erschienen ist. Wir folgen diesem sachkundigen Gelehrten so'^vie der
Autoritat des Hieronymus, wenn wir an der Annahme einer sjaischen Ur-
schrift festhalten. — Der theologische Standpunkt des Verfassers der Acten
ist in mancher Hinsicht (wie der des Aphraates) ein archaistischer. Dies
zeigt sich namentlich in der Christologie (s. c. 47 — 50, bes. p. 178 — 1S4),
welche mit der des Paulus von Samosata fast identisch ist; siehe aber auch
die uierkwiirdige Beurtheilung des Ap. Paulus p. 76. 107. 127f 135. 154.
171. 182. 1S5.
2) ,,Dicat autem iste quam destruxerit prophetiam ludaeorum ac He-
braeorum, seu linguas cessare fecit Graecorum, aut eorum, qui idola co-
Die Acta Archelai uiul das Diatessaron Tatians. 139
iiber die Art der Wirksainkeit Tatians in Syrien ist, in diesem
Vorurtlieile niclit erscliuttern, da das Diatessaron im kirchlichen
Gebraiiche verbleiben konnte und verblieben ist, audi wo man
wusste, dass sein Redactor nachmals akatholische Wege ge-
wandelt ist. Die Untersuchung also, wie sich die Evangelien-
citate des Verfassers zu dem Diatessaron verhalteu, ist auf jeden
Fall keine von vornherein aussichtslose, und die niclit geringe
Zalil von evangelisclien Citaten in den Acten — es sind ihrer
circa liundert — liisst vermutlien, dass das Vorurtlieil wirk-
licli controlirbar ist.
Andererseits freilicli lehrt bereits eine genauere Vorprlifung
der Frage, dass sich ein siclieres Resultat scliwerlich wird er-
reiclien lassen. Niclit nur das Vergleicliungsobject liegt uns trotz
Epliraeni und Apliraates in reclit unvoUstandiger und tlieil-
weise unsiclierer Gestalt vor, sondeni es lassen die Acten selbst,
die uns ja mit Ausiialime einiger Stiicke nur in eiiier mangel-
liaften Afteriibersetzung erlialten sind ■') , gerade fiir die Evan-
geliencitate am wenigsten eine treue Reproduction des Urtextes
erhoffen. Angenommen, der syrisclie Verfasser liabe au& dem
Diatessaron gescliopft, so ist es selir wolil moglicli, dass sein
griechisclier Uebersetzer liaufig den ilim gelaufigen Text sub-
stituirt hat, und was der Grieche iiocli stehen liess, kanii der
spate Lateiner in seiner Superversion voUig verwischt liaben.
Die Citate des Aphraates besitzen wir im Original resp. in dem
Wortlaute, in welcliem die syrische Kirclie das Diatessaron las,
mag audi Aphraates manchesmal frei und nach dem Gedacht-
nisse citirt haben. Mo singers Publication des Ephraem'schen
Commentars ist vom syrisdieii Diatessaron freilicli audi durch
zwei Mittelglieder getrennt. Aber Mosinger iibersetzte genau
aus dem Armenischen : denn er wusste, um was es sich handelt:
seine armenischen Vorlagen sind ferner ebenfalls reclit genaue
Reproductionen des Originals, dessen Charakter als eines exe-
getischen Commentars der Entstellung des Inhaltes an sich
lunt, vel quae alia dogmata destruxit, Valentiniani aut Marcionis ant Ta-
tiani aut Sabellii caeterorumque , qui propriam siljiinet ipsis scientiaui
fomposuerunt".
3) Ueber das Alter dieser UcViersetzuny- ist nur zu sagen, dass sie
wahrscheinlich nach dem Ausgang des 4. Jahrhunderts und vor Einbiir-
gerung der Vulgata in der abendlandischen Kirche abgefasst ist.
140 Die Acta Arclielai unci das Diatessaron Tatians.
schon gewisse Schraiiken zog. Dagegen sind die beilaiifigen
Citate in den Acten des Archelaus vor ihren Uebersetzern
durch nichts geschiitzt gewesen, und somit erscheint die Hotf-
nung von vornherein als eine sehr geringe, sichere Resultate
liber ihren urspriingiichen Wortlant nnd ihren Ursprung zu
erhalten.
Man konnte nun wenigstens erwarten, es werde moghch
sein, durch eine Yergleichung der griechisch erhaltenen Stlicke
mit der lateinischen Afterversion den Werth der letzteren in
Bezug auf die Evangeliencitate festznstellen. Allein auch in
dieser Erwartnng sieht man sich getanscht. Ein eigenthiim-
liches Missgeschick verfolgt den Forscher auch hier. Denn
das grosse Stiick, welches Cyrill in der 6. Katechese den Acten
entnommen hat (Routh, 1. c. p. 199 — 205), findet sich in der
lateinischen Recension liberhaupt nicht, und in dein umfang-
reichen Abschnitt, welchen wir dem Epiphanius verdanken
(Routh, 1. c. p. 43 — 70), sind nur fiinf Bibelcitate enthalten.
Von diesen fiinf sind zwei den Evangelien entnommen (p. 45:
Mtth. 7, IS; p. 46: Joh. 1, 18). Correct libersetzt sind vier;
aber Matth. 7, 18 heisst es im Griechischen: on ov dvvarai
dkvdQov y.aX6v xagnovg y.ay.nvg noif^oai, aids f.trjv davdgov y.a/.6v
yalovg zagnovg notijoai, dagegen im Lateinischen: ,,quia non
potest arbor mala bonos fructus facere, neque arbor bona malos
fructus facere"'. Der Grieche hat also die herkommliche Stellung
der Siitze: der Text des Lateiners beruht auf willklirlicher Um-
stellung^). Dieses eine Beispiel belehrt, wie vorsichtig man
gegeniiber Absonderlichkeiten des lateinischen Textes sein muss:
aber da es eben nur ein Beispiel ist, so ist an bestinimten
Directiven wenig gewonnen '").
Was ferner die Citationsformeln betriift, so entscheidet die
Untersuchung liber dieselben nicht mit Sicherheit das hier
schwebende Problem. Zwar c. 38 (p. 140) heisst es: .,Scriptum
est in evangelio salvatoris nostri" und nun folgt Matth. 25. 44;
4) Die richtige Stellun"- findet sich al)er auch in dem Lateiner c. I'd (p. 73).
5) Eine durchgehende Yergleichung des griechischen Fragmentes bei
Epiphanius mit der lateinischen Afterversion zeigt iibrigens, dass diese
trotz mancher Missverstiindnisse und Verstosse als eine recht treue be-
zeichnet werden darf. Damit ist aber freilich speciell fiir die Bibelcitate
noch immer wenig gewonnen.
I
Die Acta Aivlu'lui uiul das Diati'ssaroii Tatiaus. m
c. 40 (]). 143) wird M;ittli. 5, 17 einfacli als „senuo evHiigelicus"
bezeiclinet (s. audi c. 22 p. 93); c. 34 (p. 128) liest man: „Ait
dominus noster lesus Christus in evangelic", und es folgt Joh.
14. 15 f., ebenso lieisst es c. 32 (p. lib): „ln evangelic scriptum
est: Vcs de patre diabclc estis". Der Plural „evangelia" findet
sicli nicht nur c. 13 (p. 73): „Sicut scriptum est in evangelicrum
librc" — so hatte sicli auch Tatian selbst ausdriicken konnen — ,
und c. 45 (p. Ib5): „Sunt etiam alia multa, quae dici possent
et de apostolo Paulo et de evangeliis, ex quibus ostendere
possuraus etc.'' — auch diese Formel ist noch nicht geradezu
bedenklich — , sondern auch griechisch in dem Brief'e des Mani
c. 5 (p. 45): oms yuQ Toig elQrj!.uvoig iv tvayyeAiotg 7ic'.q avcov
Tov otoTfjQog rjutov tcigtsvovoiv. Allein diese Stelle kommt dess-
halb nicht in Betracht, weil der Brief, dem sie entnommen ist,
eine Urkunde ist, welche der Verfasser seinem Werke einver-
leibt hat. Sie entscheidet mithin nicht fiir seinen eigenen
Sprachgebrauch. Es bleiben somit nur drei Stellen iibrig,
welche die Hypothese, der Verfasser habe aus dem Diatessaron
geschopft, auscheinend zu erschiittern vermogen. C. 24 (p. 99)
wird Joh. 1, 5 mit den Worten citirt: ,,Evangelista testimonium
ferente": c. 45 (p. 164) heisst es: „Sed et sanctus loannes maxi-
mus evangelistarum ait" (Joh. 1, 16) und c. 35 (p. 131) liest
man: „Sed et spiritus evangelista Matthaeus diligenter signifi-
cavit domini nostri lesu Christi sermonem: Videte ne quis vos
seducat etc." Betrachtet man aber diese drei Stellen genauer,
so wird man die dritte hier wohl ausscheiden diirfen. Wie sie
lautet, ist sie grammatisch unertraglich. Entfernt man indess
die beiden Worte „evangelista Matthaeus" als eine Glosse, so
ist der Satz nicht zu beanstanden. Es bleiben mithin nur die
beiden Johannescitate. Vielleicht ist es nicht zufallig, dass nur
fiir den johanneischen Prolog der bestimmte Evangelist ge-
nannt ist. Auch wo man das Diatessaron las, wird man doch
gewusst haben, dass der evangelische Abschnitt vom Logos dem
Johannes gebiihrt. Hier ist die ausdriickliche Nennung des
Verfassers am wenigsten auflfallend. Aber wenn man diese Er-
klarung nicht gelten lassen will — ein Text, der durcli die
Hande zweier Uebersetzer gegangen ist, kaun sehr wohl in den
evangelischen Citatiousformeln Correcturen erlitten haben. Der
Umstand, dass eben nur zwei Stellen der Hj^jothese der Be-
142 Die Acta Arclielai und das Diatessaron Tatians.
nutzuiig des Diatessaroiis gefahrlich sincl, clarf umgekelirt unter
den ungiinstigen Verhaltnissen, die hier besteheu, als beachtens-
werth constatirt werden. Auf jeden Fall braucheii wir uns
durch die hier vorliegenden Beobachtungen nicht abschrecken
zu lassen, die aufgestellte Hypothese zu erproben.
Schliesslich sei nocli bemerkt, dass der Verfasser der Acta
eine nur einjahrige Lehrwirksamkeit Jesu annimmt''). Zahn
hat (a. a. 0. S. 249 — 26U) nachzuweisen gesucht, dass Tatian
die Lehrwirksamkeit Jesu liber einen Zeitraum von mehr als
zwei Jahren ansgedehnt habe. Dies mag richtig sein; aber wie
sich die Annahme einer einjahrigen Wirksamkeit Jesu noch hie
und da erhielt audi in solchen Kreisen, welche das Johannes-
evangelium lasen, so kann diese Annahme bei unserem Ver-
fasser nicht als Gegenargument gegen seine Benutzung des
Diatessarons verwendet werden.
Die Evangeliencitate in den Acten des Archelaus sind der be-
quemerenUebersicht wegen im Folgenden in drei Gruppen getheilt
worden. In die erste Gruppe sind solche Citate aufgenommen wor-
den, die fur die vorstehende Frage indifferent sind, in die zweite
diejenigen, welche der Annahme einer Benutzung des Diatessa-
rons ungiinstig sind oder zu sein scheinen, in die dritte end-
lich solche, welche jene Annahme in hoherem oder geringerem
Masse stiltzen oder zu stutzen scheinen. Zur Vergleichung ist
der Text des Diatessarons herangezogen worden, wie ihn Zahn
(a. a. 0. S. 112—219) construirt hat; Abweichungen an.einigen
Stellen sind dabei vorbehalten. Von einer Benutzung des latei-
nischen Tatians musste abgesehen werden; denn auch bei Vor-
aussetzung einer gemeinsamen Wurzel liegen dort und hier
so viele Willktirlichkeiten dazwischen, dass eine Vergleichung
von vornherein filr fruchtlos gelten durfte.
I. Die grosse Masse der Evangeliencitate in AM (Acta
disp. Archelai et Manetis) muss leider der ersten Classe zu-
geschrieben werden, und zwar aus sehr verschiedenen Griinden.
Bald ist in T (Tatiani Diatessaron) auf die betreffende Stelle
6) S. c. 34 (p. 127): ,,Nec in aliquo remoratus dominus noster lesus
intra unius anni spatium languentium multitudines reddidit sanitati";
c. 50 (p. 182): ,,Discipnli Christi per annum integrum manserunt cum eo".
Die Acta Arohelai uml da.s Diatessaron Tatians. 14;{
nur augespielt . bald in AM; viele Stellen felilen in T. wie ei-
aufGrund derbislierigen Zeugen wiederhergestellt werden konnte,
Liberhanpt; andere finden sich zwar, aljer T nnd AM weichen
vom Vnlgiirtexte haufig nicht ab, so dass ein Schluss nicht er-
lanbt ist. Immerhin aber haben die letzteren Fiille doch eine
gewisse Bedentnng, namentlich dann, wenn die Zahl der ent-
schieden giinstigen Falle (Grnppe III) eine erliebliche sein sollte.
T und AM liaben uamlich in Grnppe I, soweit sie beide fiir einen
Sprucli den vollstandigen Wortlaut liefern, denselben in der
gleichen evangelischen Recension. In die erste Gruppe
sind folgende Citate in AM zu rechnen: Mt. 2, 13 (p. 161);
•2, 16 (p. 161); 3, 7 (p. 120); 3, 16 (p. 179); 3, 17 (p. 178. 183);
5, 3 (p. 144. 151); 5, 8 (p. 153); 5, 17 (p. 143); 7, 6 (p. 202);
7, 15 (p. 153); 7, 24 (p. 167); 8, 26 (p. 162);. 10, 10 (p. 150);
10, 28 (p. 167); 10, 34 (p. 162. 201); 10, 37 (p. 172); 10, 40
(p. 169): 12, 32 (p. 177); 13, 11 (p. 99); 13, 13 (p. 202); 13, 25
(p. 74); 14 (p. 161); 14, 25 (p. 162); 15, 24 (p. 169); 17, 2
(p. 162); 18, 21 (p. 117); 19, 11 (p. 99); 22, 29 (p. 109); 22, 40
(p. 153); 23, 27 (p. 153); 24, 4. 5 (p. 131); 24, 23 f. (p. 131. 134)');
25, 41 (p. 200); 25, 44 (p. 140): Mr. 2, U (p. J 44); Lc. 4, 34
resp. Mr. 1, 24 (p. 174); 10, 22 (p. 136): 12, 49 (p. 200); 16, 16
(p. 75. 145); 16, 19 f. (p. 150); 23, 34 (p. 161); Job. 1, 12 (p. 109);
5, 17 (p. 115); 5, 45f. (p. 149. 165); 8, 44 (p. 74. 110. 118. 120.
126); 10, 27 (p. 99); 13, 27 (p. 126); 14, 12. 15. 16. 18; 16, 8-
14. 28 (p. 107. 127. 128)8); 19, 37 (p. 182).
II. In die zweite Classe gehoren nnr nenn Falle:
7) 111 V. 24 hat AM den Zusatz „falsi apostoli". Denselben bieten
audi Justin (Dial. 35), Hegesipp (Euseb. h. e. IV, 22), die clementinisclien
Homilien XYI, 21 und TertuUian (de praescr. 4). S. Anger, Synopse
p. 274. 195. Semisch, d. apostol. Denkwiirdigk. S. 391.
S) C. 16, 8 wird von Mani (p. 73) citirt: „ad arguendum mundum de
peccato et de iniustitia" (c. 27 p. 107 findet sich das Herkommliche).
Zacagni bemerkt dazu: „Videtur hie locus a Manete vel ab imperito li-
brario cormptus; nam in sacro iextu iustitia scribitur contrario sensu.
Varia autem sacrae scripturae loca dolose inteiiiolasse atque corrupisse
Manetem diserte Archelaus asserit infra cap. 53 et ex Epiphanio colligitur
in eiusdem haeresi num. 56". Vielleicht darf liierher die Keobachtung
gezogen werden, dass Mani in seinen Reden das ,,spiritu" Mtth. 5, 3 nicht
beachtet (c. 40 p. 144; c. 42 p. 151); wahrend, wie oben gezeigt worden.
man .sich auf Mtth. 7, 18 (c. 5 p. 45) nicht berufen darf.
144 Die Acta Avehelai unci das Diatessarou Tatians.
1) Mt. II, 11 lautet in AM (c. 49 p. 177): „Maior in natis
mulieruni nullus surrexit loanne baptista; qui autem minor est,
in regno caelorum maior est illo"**). In T heisst der Spruch
(Zalm § 26 S. 145) nach Ephraem: „Amen dico vobis, quod
nullus maior est loanne inter natos mulierum; sed qui minimus
est in regno caelorum, maior est eo". Mattliaus und Lucas
(7, 28) untersclieiden sich bei Wiedergabe dieses Verses darin,
dass Mattliaus den Spruch niit „Amen" beginnt, „non surrexit''
giebt (Lucas: „nullus est"), „baptista'" zu „Ioannes" hinzufiigt
und „regnum caelorum" (Lucas: „regnum dei") setzt. Von diesen
Eigenthumliclikeiten hat T die erste und vierte, wahrend er
sonst den Lucastext bietet; AM aber giebt den Text nach
Mattliaus mit der einen Ausnahme, dass er nicht „non", son-
dern mit Lucas „nullus" liest.
2) C. 47 (p. 171) sagt Manes, um zu beAveisen, dass Christus
kein wirklicher Menscli gewesen sei: „sed et Davidis esse non
dignatur audire". Auf welche Perikope sich dieser Satz be-
zieht, ist nicht auszumachen. Die Disputation liber die Davids-
sohnschaft (Mt. 22, 42 f.) hat hochst wahrscheinlich in T ge-
fehlt, und in der Perikope vom kananaischen Weib bot T die
Worte „Sohn Davids" nicht ^^); indessen hat der Mani der Acten
unzweifelhaftmarcionitische Schriften gelesen, wie unter anderem
die von ihm angefiihrten Antitheseii beweisen. Ob Christus
ein Solin Davids sei, war aber einer der wichtigsten Controvers-
punkte zwischen der Kirclie und den Marcioniten. Also kanu
es nicht auffallen, dass audi Mani diese Frage beriihrt, und
dass er sie beriihrt, kann keine Listanz gegen die Annahme
sein, der Verfasser der Acten habe bei seinen evangelischen
Citaten — um ein solches handelt es sich hier nicht — T
benutzt 11).
8) C. 42 (p. 153) wird in AM Lc. 5, 34 genau citirt; der-
selbe Spruch stand aber in T nach der Fassuiig Mr. 2 , 19
(Zahn § 14 S. 130).
4) T bietet fZahn i; 27 S. 14(i) den Text nach Mr. 3. 27:
9) So theilte der Verfasser der Acten ab und bezog' den ,,niinor" auf
Jesus selbst.
10) S. Ztschr. f. Kirchengesch. \Y S. 479. Zalm, a. a. 0. S. 71. s4. 309.
11) Die Stelle c. 34 (p. 126) kommt nicht in Betracht.
Die Aotii Archt'liii uml das Diatessaron Tatians. | 45
„Neiiio ])ott\st iiitrare in (Ionium I'ortis et depraodari thesaurum
eius, nisi prius t'orknn ligaverit, et tunc tliesaurum eius deprae-
dabitur" '-). AM dagegen beginnt in der Form des Matthaus
(12, 29): „Quis enim potest introire in domuni fortis et diripere
vasa eius", und schliesst daran den kurzen Nachsatz: „nisi illo
sit Ibrtior". Dieser Nachsatz ist schwerlicli eine Reminiscenz
aus Lc, 11, 22 i„si autem fortior illo venit"), sondern ist als
eine willkiirliche Verkiirznng zu beurtheilen. Auf die Differenz
„Nemo potest" — „Quis enim potest" allein ist aber scliwer-
lich Gewicht zu legen.
5) In dem von Cyrillus allein bewahrten griecliisclien Stiicke
der Acten wird citirt (p. 203): tw yaq s'xovtl doS^yjoEzai, duo
ds Tov fit] f'xniTog -/.at o doy.sl e'xsiv dg&iqasTai, also nach Lc.
8. 18. Ebenso giebt T den Spruch nach Lc. (§ 19 S. 137f.):
„Qui habet dabitur ei, et qui non habet, etiam quod putat se
habere, auferent ab eo". Soweit ware alles in Ordnung; ein
Bedenken kann nur daraus entstehen, dass in T (wie in Mr.)
der Spruch im Rahmen der Bergpredigt seine Stelle hatte
(Zahn S. 139), wahrend er in AM eineni Citat nach Mt. 13, 13
folgt, also in der Vorlage im Zusammenhang der Parabelrede
gestanden zu haben scheint. Allein dagegen ist folgendes zu
bemerken: 1) Audi AM hat den Spruch in der Fassung des
Lucas und nicht in der des Matthaus, 2) auch Lucas hat den
Spruch in Verbindung mit ein em Satze gegeben, der der Berg-
predigt angehort (8, 16) '■^), 3) die beiden Citate folgen in AM
nicht unmittelbar auf einander, so dass der Annahme nichts
im Wege steht, der Verfasser habe die Spriiche frei combinirt.
Somit ist das erhobene Bedenken nicht von Gewicht.
6) C. 38 (p. 140) heisst es in AM: „Discedite a me in ignem
aeternum, operarii iniquitatis". Dies ist Mt. 25, 41; aber die
„operarii iniquitatis" stammen aus Lc. 13, 27; Mt. hat: xaTr^-
gaf.ui'01. In T steht (§ 80 S. 201 nach Aphraates) der reine
Matthaustext. Hier bleiben die beiden Moglichkeiten offen, dass
entweder der Text des Aphraates keine treue Wiedergabe von
12) Die Bemerkung Zahns (S. 147), die Satzform sei niehr nach Mr.,
der Inhalt mehr Mt., ist nicht richtig, da Mr. und Mt. nur in der Satz-
form differiren.
13) Gegen Zahn S. 18!t.
Texte und Dutersuchungen 1, 3. {{)
146 Die Acta Archelai mid das Diatessavon Tatians.
T ist, oder class der Verf. oder der Uebersetzer der Acten ge-
dachtnissmassig Mt. 25, 41 mit Lc. 13, 27 verbunden hat.
7) C. 24 (p. 99) wird in AM Job. 1 , 5 also citirt: „Lux
lucet in tenebris". T bietet (§ 1 p. 113) „lacebat". Auf diese
Differenz wird unter Beriicksicbtigung der zwischen liegenden
Versionen Niemand etwas geben wollen.
8) C. 42 (p. 151) ist auf die Perikope vom Scherflein der
Wittwe angespielt (Mr. 12, 41f. Lc. 21, If.); nach Zabn (S. 84f.)
soil sie in T ganz gefeblt haben. Allein eine irgendwie erheb-
liclie Wabrsclieinlichkeit lasst sicli fiir diese Hypothese niclit
erbringen.
9) Aus der Perikope der Abweisung der Mutter und der
Briider durcb Christns ist von Zahn in T nur ein Satz con-
statirt (§ 30 S. 150): „Ecce mater tua et fratres tui quaerunt
te". Dieser Satz gehort Mr. (3, 32) an. In AM c. 47 (p. 170)
citirt Mani: ,,Quidam ei aliquando dixit: Maria mater tua et
fratres tui foris stant . . . euni, qui dixerat increpavit dicens:
Quae est mater mea, aut qui sunt fratres mei? et ostendit eos,
qui facerent voluntatem suam, et matres sibi esse et fratres".
AM bat unzweifelhaft einen gemischten Text (Mt. 12, 47 ist
Interpolation) nach Mt. und Lucas: den Satz aber, welcher in
T nacb Marcus gestanden bat, hat AM, wie es scheint, nach
Lucas aufgenommen. Indessen fragt es sich, ob in T der Satz
wirklich so, wie oben beraerkt worden ist, gelautet hat. Ephraem
citirt ihn in einer antimarcionitischen Polemik (p. 122 ed.
Moesinger) und legt dem Marcion selbst den Satz in den Muud.
Es ist also sogar unwahrscheinlich, dass wir aus Ephraem an
dieser Stelle den Text des Tatian zu erheben berechtigt sind.
Damit fallt aber der Einwurf gegen AM, und es bleibt nur zu
bemerken, dass AM einen gemischten Text aufweist. Schliess-
lich ist noch zu constatiren, dass c. 47 p. 171 audi in AM das
„Ecce", welches Mr. und T bieten, gefunden wird: ,Jlli enim,
qui dixerat: Ecce mater tua foris stat, respondit: Quae mihi
est mater aut fratres?
Zusammenfassend darf man sagen, dass die sub 2, 5, 7, S, 9
genannten Falle nichts gegen die Annahme einer Benutzung
von T in AM beweisen: 1, 4, 0 konnen bedenklich erscheinen.
Die sub 3 aufgeflihrte Stelle allein widerspricht der Annahme.
Die Acta Aiclii'lai uiid ilns Dintossaron Tatians. 147
III. In die dritte Klasse diirfen l(i Falle aufgenommen
werden.
1) Die Versuchungsgeschichte ist in T (§ 10 S. 125 f.) selir
kunstvoll aus den synoptischen Berichten zusamraengesetzt,
indera Mt. 4, If. die Grundlage hildet^^). Soweit der Text in
AM vorhanden ist, stimrat er niit T. „Statim in desertnm a
spiritn dnctus est lesus, ut tentaretur a diabolo" (c. 50 p. 182)
. . . „quadraginta diebns ieiunavit" (c. 44 p. IGl) . . . „Si filius
es dei" (p. 182) .... „Vade post me, Satana . . . dominnm deura
tnnni adorabis, et ipsi soli servies" (c. 32 p. 120).
2) In AM (c. 22 p. 93) lantet ein Citat: „Nemo lucernam
accendens ponit sub modio, sed super candelabrum, ut luceat
omnibus qui in domo sunt". Mt. 5, 15 lautet der Spruch: ovds
■/MiovGii' Xvyvov y.al rid-iaoiv avibv v^ro rov f.i6dior, aXX inl
Tt)v lv)[viav, y.al A«/(7r£f ndoiv To7g iv xfi ol-Aia. Lc. 8, 16 und
I 1 . 33 dagegen: ovddo, Ivyvnv ciWag xaXvTiTSi avtov okwei y
inoYMTio Klnr^q xi&rioiv [tig /.Qvnxrjv xid^rjOiv ovdi vno xov (,i6-
dtnv], a}J^ inl Xv^viag Tidi]Oiv [aXX snl xi]v Ivyviav], iva oi
UGnnQEvouEvni (Slentooiv xb cpiog [x. (f. (^Xi/iioGir]. In AM
liegt also entschieden Mt. zu Grunde, wahrend die Form des
Satzes lukanisch ist. T ist hier leider nur aus Aphraates zu
controliren (§ 17, S. 133), der nicht selten frei aus dem Ge-
daclitnisse citirt hat. Aber audi so ist noch deutlich, dass in
T die Satzform die lukanische war, wahrend Mt. 5, 15 mit-
verarbeitet ist: ..Niemand zilndet eine Leuchte an und stellt
sie unter den Scheffel oder unter das Bett, oder stellt sie an einen
verborgenen Ort, sondern er stellt sie oben auf den Leuchter,
damit Jedermann das Licht der Leuchte sehe". Aphraates
bringt also niehr aus Lucas als AM; aber der Aufriss ist hier
nnd dort der gleiche, und die Abweichungen erklaren sich un-
gezwungen bei der Annahme, dass in T der gauze Stoff aus
Mt. und Lc. bei diesem Verse aufgenommen war, AM und
Aphraates aber frei citirt haben.
3) Das Vater Unser ist in AM (c. 20 p. 90) wie in T nach
Mt. und nicht nach Lc. gegeben: ,,Orate patrem vestrum, qui
est in occulto .... Sic dicite cum oratis: Pater noster qui es
in caelis". Audi in eineni freilich freien Citat bei Aphraates
14) S. audi Ztscbr. f. Kirclion^esch. IV S. 477 f.
148 Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians.
heisst es (Zalin § IS S. 137): ,,Betet im Verborgenen zu dem
Verborgenen'". An einer anderen Stelle freilich: .,Bete zu
deineni Vater im Verborgenen'". AM liegt, wenn richtig liber-
setzt worden, die LA rqi iv rot y.ovTTTio zu Grunde. Ob Aphraates
das erste tuj gelesen hat, steht dahin.
4) Aus c. 5 (p. 45 f.), c. 13 (p. 73 f.), c. 16 (p. 82), c. 17
(p. 83) ergiebt sich, dass AM nacli Mt. 7, 18 gelesen hat: ov
dvvazai dhdqov xaXov 7,aQ7iovg xaxovg Ttoifjoai,, ovds f.ir]v
devdQOv xcxxov ycalovg xaQnovg noiijaai. Fur /.aXov hat aber
Mt. dyad^ov, fur ycaxovg vielmehr novrjQOcg, fur noir]aai ferner
Evsyxstv, filr 7.cr/.6v — oa/cQOv. Das xalnv in AM stammt ebenso
wie das tioleIv aus Lc. 6, 43. AM hat also, ganz wie wir das
bei T gewohnt sind, wirklich einen lukanisch modificirten Mat-
thaustext. Es bietet aber ausserdem AM (p. 83; den Satz: „de
fructibus arbor cognoscitur", als ausdrtickliches Schriftcitat.
Dieser Satz fehlt in der Bergpredigt bei Mt.; er findet sich aber
Mt. 12, 33 (£x Tov v-aQTiov to devdqov yivwoy.Exai) und ahnlich
Lc. 6, 44 {exaoTOV devdqov sx tov Idiov xaQfcov yi%'cooy.€Tat).
T aber bietet (§ 19 S. 138): „Nicht kann der gute Baum
schlechte Friichte geben, und nicht kann der schlechte Baum
gute Friichte geben (Mt.); denn an seinen Friichten wird
der Baum erkannt". Die Parallele zu AM ist hier frappant
(s. auch den Plural „Fruchte", den beide gegen Mt. haben).
Ein Bedenken konnte man nur daraus schopfen, dass in T
der Spruch innerhalb der Bergpredigt, also aus Lc. 6, angefiihrt
ist, wahrend er in AM aus dem 12. Cap. des Mt. stammt.
Allein auch T hat die Fassung nicht uach Lc. 6, 44, sondern
nach Mt. 12, 33. Es kann ausserdem der Spruch in T zweimal
gestanden haben.
5) C. 42 (p. 152) wird in AM auf Mt. 8, 10 angespielt
in den Worten: „Rursum video centurionem valde divitem
et saeculari praeditum potestate fidem habere plus quam
omnem Israelitam". Bei Mt. steht nur h tm 'logariX, da-
gegen in T (§ 20 S. 139): „Non in aliquo in Israel tantani
lidem inveni".
G) Mt. 8, 22 (Lc. 9, GO) lautet in AM (c. 48 p. 173): „Ait:
Diinitte mortuos sepelire mortuos suos". Es fehlt also das d/.o-
lovi^EL (.101 des Mt.; eben dasselbe fehlt aber auch in T (§ 22
Die Artn Arcliclui iind das Diato.ssiu-on Tatians. 140
S. 140): ,,Es spracli zii ilmi der Herr: Lass die Todteii ilirc
Todteu begTaben".
7) C. 18 (p. 87) lieisst es in AM: ,,Sicut eiiim si assumeu-
tiuii panni rudis assiiat qiiis vestiraento veteri, maior scissura
tit ... . Nemo ])otest vinum novum in utres veteres mittere,
alioqiiin rumpeutur utres, et vinnm effundetur . . . (sed vinum
novum in utres novos mittenduni est"'). In diesem Citat sind
die Texte Mt. 9, 16 f.; Mr. 2, 21 f.; Lc. 5, 36 f. mit einander
verbunden, und zwar so, dass der Inhalt dem Text in Mt. ent-
spriclit, die Form sowie der Schlusssatz lukaniscli ist, das „assuat'"
aber nur aus Mr. {hnQanTSL) belegt werden kann. In T (§ 14
S. 130, Aphraates) kann leider der Abschnitt kaum controlirt
werden; aber seine Composition in AM ist der Hypotliese, er
stamme aus T, sehr giinstig.
8) Aus der Perikope Mt. 16, 13 f. bietet AM c. 47. 48
(p. 171. 173) folgendes: „Apostolus Petrus discipulorum omnium
cminentissimus tunc agnoscere eum potuit, cum singuli opiniones
suas, quas de ipso habebant, promerent, ait: Tu es Christus,
filius dei vivi, et statim beatificat eum dicens: Quoniam reve-
lavit tibi pater mens caelestis ... Ei, qui dixit, Tu es Christus,
filius dei vivi, beatitudinem benedictionemque restituit . . .
Petrus aliquando cum iam beatificationem fuisset ab eo con-
secutus, ait ad lesum: Propitius esto domine, non erit tibi
istud, cum dixisset ei lesus, quia oporteret filium liominis ascen-
dere lerosolymam et occidi et tertia die resurgere; respondeus
ait Petro: Vade retro, Satana, quia non sapis quae dei sunt,
sed quae hominum sunt". Zunachst ist vielleicht bereits be-
merkenswertli, dass T nacli Ephraem p, 155. 229 die Worte:
.,quia scandalum es milii" nicht enthalten zu haben scheint.
Wenigstens ist es fraglicli, ob man sich auf p. 154 berufen
darf. Auf das ..hominum" im letzten Satz wird nichts zu geben
sein. Dagegen ist es gewiss nicht zufallig, dass audi AM von
einerGrilndung der Kirche aufPetrus nichts zu wissen scheint^'').
Zahn hat zwar § 42 (S. 163) und S. 243 £ meine Nachweisungen
aus Ephraem fiir bedeutungslos erklart: al)er er selbst ist wohl-
weislich stillschweigend iiber die von T gebotene Phrase: „et
portae inferi te non vincent" hinweggegangen. Auch AM weiss
15) S. Ztschr. f. Kirchengesch. IV S. 484f.
150 I^is Acta Archelai uml das Diatessaron Tatians.
von einer Segnung und Seligpreisung des Petrus als des Gruud-
felsens der Kirche nichts, obgleich die Perikope recht ausMir-
licli behandelt wird. Man kann es freilich noch immer fiir Zu-
lall erklaren, dass in AM ebenfalls davon nichts steht, und dies
um so mehr, als ja AM aacli die Worte: „Tu es petra et portae
inferi te non vincent", welche sicher in T enthalten waren,
nicht bietet. Allein das Schweigen bei Ephraem und in den
Acten flir ein zufalliges zu erklaren, ist desshalb m. E. nicht
gestattet, weil Ephraem die LA „te non vincent" aufweist. Aus
Angers Synopse (p. 117) kann man sich am kiirzesten liber
die mangelnde Bezeugung von Mt. 16, 18 belehren. Im zv^eiten
Jahrhundert hat kein Kirchenvater oder Haretiker auf diesen
Vers angespielt, auch dort nicht, wo man nach dem Context
eine Anspielung erwartet (z. B. Just. Dial. 100 p. 356; Iren. Ill,
18, 4. Ill, 13, 2 etc.). Erst Tertullian und der Verfasser der
clementinischen Homilien bezeugen ihn.
9) C. 21 (p. 91) finden sich in AM Fragmente aus der
grossen Rede Jesu gegen die Pharisaer. Dieselbe ist fur T
aus Ephraem und Aphraates nur sehr unvollstandig und un-
genau zu reconstruiren (§ 77 S. 197). Indessen ist soviel ge-
w^iss, dass Tatian auch hier Mt. 23 mit Lc. 11, 39 f. verschmolzen
hat (Mr. 12, 38f.). In AM lasst sich dieselbe Verschmelzung
nachweisen. Das „camelum glutire" ist aus Mt. 23, 24. Der
Spruch: „Vae vobis scribae et Pharisaei hypocritae, quare quod
deforis est catini et calicis lavatis; quod autem intus est, im-
munditia plenum est? Aut nescitis quia qui fecit quod foris
est, et quod de intus est fecit"', ist aus einer Combination von
Mt. 23, 25 mit Lc. 11,39 entstanden. Bei Aphraates steht der
Spruch anders; aber gerade hier ist sehr wahrscheinlich, dass
wir eine gedachtnissmassige Reproduction zu erkennen haben.
In AM wird ferner noch auf Mt. 23, 23 (Lc. 11, 42) und auf
Mt. 23, 6. 7 (Lc. 20, 46. Mr. 12. 38) angespielt. Hierbei kommt
auch der Ausdruck „primos discubitus in coenis" vor "'). Aphraates
(s. Zahn, a. a. 0. § 77 n. 1) bietet das „primos" nicht, was
Zahn weder zu belegen noch zu erklaren wusste. Es ist wohl
auch hier Willkiir des Aphraates anzunehmen.
ICi Cod.: ,,pniuos di.scipnlos suliito.s", was aus ciiicr Dittographie von
discubitus entstanden sein muss.
Die Acta Arohrlai un.l das Diatcssaion Tatians. ]5l
10) C. 40 (p. 1-14) wird in AM uiit den Worteii: ,,sed ct
(liscipulos in die sabbati vellere spicas ac manibus confricare
non prohibet", auf die lukanische Recension der Perikopc
(Lc. 6, 1) hingewiesen; denn weder Mt. noch Mr. bieten das
..confricare manibus". Aber auch T (§ 15 S. VM) hat: ..evellere
et fricare".
11) C. 40 (p. 144) heisst es in AM: „uoster dominus percu-
tienti unam maxillam iubet ^iuberet) etiani alteram ]3raeparari"'.
Das ist Lc. 6, 29, nicht Mt. 5, 39, wo ds^idv steht. Es bietet
aber auch T (§ 17 S. 133): „Qui perciitit maxillam tuam,
porrige ei et alteram partem" (so Ephraem p. 65 bis, p. 69 bis,
p. 70). resp.: ..si quis te percusserit in maxillam, praebe ei et
alteram" (so E p. 133). Der Matthiiustext ist auch bier durch
Lc. ersetzt.
12; Der nur von Lc. iiberheferte Sprucli vom Fall des Sa-
tans (10, 18) findet sich sowohl AM c. 20 (p. 90, s. p. 119),
als auch T § 29 (S. 148).
13) Ebenso steht der folgende, allein von Lc. bewahrte
Spruch (10, 19) in AM (c. 32 p. 122): „Dedit enim nobis pote-
statem calcandi super serpentes et scorpiones et omnem virtu-
tem inimici", und in T (§ 29 S. 148): ,,Ecce dedi vobis pote-
stateni calcandi serpentes et scorpiones et omnem virtuteni
inimici", gleichlautend.
14) C. 45 (p. 164) — den Hinweis auf diese Stelle ver-
danke ich Zahn — wird vom Verfasser der Acten Joh. 1, 17
eng mit dem vorhergehenden Verse verbunden. Das xcxqiv avil
yaQLTog soil sich darin zeigen, dass die Christen in dem mosai-
schen Gesetz die erste %c(Qig erhalten haben, an deren Stelle
dann durch Christus eine andere y,('(Qig getreten sei. Moses,
d. h. das Gesetz, wird zwar schon gegeniiber den Zauberern
als ..Veritas" bezeichnet, da es ex plenitudine lesu stammt, aber
durch Christus ist docli noch eine andere „gratia in nobis com-
pleta" (..Vides, quomodo lamnem et Mambrem hominibus coni-
parat corruptis mente et reprobis circa fidem; Moysen vero
veritati. Sed et S. loannes . . ait, gratiam gratia praestare et
differe; ex plenitudine enim lesu legem Moysi accepisse nos
dicit; aliam autem gratiam pro ilia gratia per lesum Christum
esse completam in nobis"i. Diese Exegese fiigt sich nicht wohl
j^52 r>ie Acta Arclielai unci das Diatessaron Tatians.
zii cleiii iiberlieferten Texte Job. 1, 16. 17; sie fugt sich ent-
schieden besser zii clem Texte in T, Avie Ephraem ihu gegebeii
(§ 6 S. 121): :,Per Moyseii lex data est, sed Veritas eius per
lesum facta est", obgleich audi so niclit alle Scbwierigkeiten
weggeraumt sind.
15) In dem griechiscb erhaltenen Stiick von AM (c. 5
p. 46) wird auf Job. 1, 18 angespielt in den Worten: /.at tov
f-iovoysvtj TOV £5t Tiuv zoXniov TOV uaTQog y.aTa^avTa Xqigtov;
c. 7 (p. 52) lesen wir: tov viov avTov dneoTSiXev o ayaS^og
TiaTrjQ i>i Tiov xolTtiov; c. 47 (p. 169): „ipse testimonium dat,
quia de sinibus ])atris descendit". Hieraus darf gescblossen
werden, dass der Evangelientext, welcber AM zu Grunde liegt,
gelautet bat: 6 (.lovoyevrjg (viog) 6 wv ex twv y.6Xncov tov na-
TQoc, gegen den Vulgartext. An dieser Annabme kann nicht
irre macben, dass c. 32 (p. 121) zu lesen steht: „Dominum nemo
vidit unquam nisi unigenitus filius, qui est in sinu patris"; denn
dieses Citat, wie es sicb denn auch ebenso Iren. Ill, 1 1 findet,
ist augenscbeinlicb vom Uebersetzer dem ibm gelaufigen Texte
conform gemacbt. Es beisst aber aucb in T (§6 S. 121 n. 6),
wie Zabn gezeigt bat: „unigenitus, qui est ex sinu patris".
16) C. 47 (p. 169) liest man in AM: „Non veni facere
voluntatem meam, sed eius qui misit me". Zacagni bat fiir
dieses Citat auf Job. 6, 38 verwiesen: otl '/.aTa^e^rjxci ccnb tov
ovQavov ovx iva nouo to d-sXrif-icc to i/iiov , alia to d^ih]/iia
TOV nhiipavTog /lie. Diese Stelle ist aucb gewiss gemeint; da
sie aber nicbt genau wiedergegeben ist, so konnte man aucb
an Job, 5, 30 denken. In T aber lesen wir nacb Eplir. 234
(§ 35 S. 156) fast wortlicb wie in AM: ,.Nou veni facere
voluntatem meam, sed voluntatem eius qui misit me". Dazu
bemerkt Zabn (n. 4): ,,Auf Job. 5, 30 wird das nicbt zurlick-
gebn". AM bestatigt also bier, dass in T das yMva^ij-irjKa and
TOV ovQuvov ovx ^J'« 710110 durcli das einfacbe ,,non veni facere"
Aviedergegebeu war.
Die in dieser Zusammenstellung aufgefiibrten Fiille sind
flir die Entscbeidung der Frage, ob in AM wirklicb T benutzt
ist, von verscbiedenem Gewicbt. Am belangreicbsten sind die
Nrr. 1; 4; 5; 15; 16; verbaltnissmassig am unbedeutendsten die
Nrr. 3; 6: 10—13; mebr Gewicbt kommt Nrr. 2; 7—9: 14 zu.
Immerbin dai'f man sagen, dass das Vorurtbeil, der syriscbe
Die Acta Anlielai mid das Diatcssanm Tatians. 153
Verfasser der Acta Archolai habe aus dem Diatessaron ^e-
schopft, durcli eiiie genaue Untersuchuiig der von ihm beige-
l)racliten Evangeliencitate iiicht erschiittert , sondern verstarkt
wird. Es darf mitliin far wabrsclieinlich gehalten werden,
dass die Lilckeubaftigkeit und Uiisicberheit des lievveises t'iir
diese These wirklich lediglich in der besonders ungiinstigeu
Art der Ucberlieferung von T iind AM ibren Grund bat.
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