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KSHASSER. |
HARVARD UNIVERSITY.
BER AmRIST
OF THE
MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY.
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DIE
AMPHORIDEEN UND CYSTOIDEEN
BEITRÄGE
ZUR
MORPHOLOGIE UND PHYLOGENIE
ECHINODERMEN
VON
ERNST HAECKEL
(JENA)
MIT TAFEL I—-V UND 25 FIGUREN IM TEXT
„Die Phantasie ist ein unentbehrliches Gut; denn sie ist es, durch welche neue
Kombinationen zur Veranlassung wichtiger Entdeckungen gemacht werden.
Die Kraft der Unterscheidung des isolirenden Verstandes sowohl als der
erweiternden und zum Allgemeinen strebenden Phantasie sind dem Natur-
forscher in einem harmonischen Wechselwirken nothwendig. Durch
Störung dieses Gleichgewichts wird der Naturforscher von der Phantasie
zu Träumereien hingerissen, während diese Gabe den talentvollen Natur-
forscher von hinreichender Verstandesstärke zu den wichtigsten Entdeck-
ungen führt.“
JOHANNES Mürrer (1834).
VORWORT.
Die Beiträge zur Morphologie und Phylogenie der Echinodermen, welche in
der vorliegenden Abhandlung über die Amphorideen und Uystoideen zu-
sammengefasst sind, beruhen auf palaeontologischen und vergleiehend-anatomischen
Untersuchungen, die ich im Laufe des Jahres 1895 ausgeführt habe. Diese Studien
wurden veranlasst durch die Bearbeitung der Echinodermen für den zweiten Theil
meiner „Systematischen Phylogenie“. Im Verlaufe derselben, und besonders bei den
Untersuchungen über den Ursprung des Sternthier-Stammes, gerieth ich unbeabsichtigt
in tiefer eingehende Betrachtung der Cystoödeen und ihrer nahen Beziehungen zu den
Holothurien himein. Das lebhafte Interesse für den räthselvollen Organismus der
Echinodermen, welches mir im Jahre 1854 der nähere Verkehr mit meinem unver-
gesslichen Lehrer, Jonanses Mürver eingeflösst hatte, wurde dadurch neu angeregt.
Eingehende Betrachtungen über die vergleichende Anatomie und Ontogenie der
Echinodermen, welche ich vor dreissig Jahren mit meinem theueren Freunde und
damaligen Kollegen Carı Geeengaur m Jena gehabt hatte, kamen mir wieder in
lebendige Erinnerung. Dazu trat der Umstand, dass ich bei meinen zahlreichen
zoologischen Forschungs-Reisen an die Meeresküste seit mehr als vierzig Jahren diesem
wunderbaren Thier-Stamme stets ein besonderes Interesse bewahrt hatte. Zeugniss
dafür legen einige kleinere Arbeiten ab, welche ich früher über die Augen und
Nerven der Seesterne (1359), sowie über die Kometen-Form der Seesterne und den
(Generations-Wechsel der Echinodermen (1878) ausgeführt habe; nieht minder der
Versuch, den ich vor dreissig Jahren in meiner „Generellen Morphologie“ unternahm,
den Ursprung des Stammes von den decentralisirten Asterideen und diese von Wurm-
thieren abzuleiten (1866). Die Erkenntniss, dass die hier versuchte Ableitung und
die damit verknüpfte „Cormus-Theorie‘“ der Echinodermen nicht haltbar sei, hatte
sich schon seit längerer Zeit mir aufgedrängt; sie wurde zur Gewissheit durch das
neue Licht, welches die Pentactaea-Theorie von Rıcmarp Semox über die Stammes-
geschichte der Echimodermen verbreitete (1388).
1*
4 Ernst HAECKEL E
Indem ich nun den Versuch durchführte, die systematische Phylogenie- der
KEechinodermen auf Grund der Pentactaea-Theorie neu zu gestalten, wurde mir nicht
nur deren hoher Erklärungswerth für das Verständniss des schwierigen Echmodermen-
Problems klar, sondern auch die Nothwendigkeit, einige empfindliche Lücken in
dem umfassenden Hypothesen-Gebäude derselben auszufüllen und einige Folgerungen
zu berichtigen. Besonderen Anlass dazu gab das vergleichende Studium von mehreren
inhaltreichen neueren Werken über die Palaeontologie der Cystoideen, welche
Senox theilweise unbekannt geblieben waren. Die wichtigen Thatsachen, welche in
(diesen neueren palaeontologischen Werken — besonders denjenigen von ANGELIN und
Barkannpe — niedergelegt und durch sehr zahlreiche vorzügliche Abbildungen
illustrirt sind, haben überhaupt bisher nicht die gebührende Aufmerksamkeit und
kritische Würdigung gefunden. Je mehr ich mich in deren Studium vertiefte, desto
mehr drängte sich mir die Ueberzeugung auf, dass alle bisherigen Versuche der
Uystoideen-Klassifikation unhaltbar seien, und dass ein natürliches System derselben
auf ganz neuer Basis zu errichten sei.
Naturgetreue und sorgfältig ausgeführte Abbildungen von mehreren hundert
Arten fossiler Uystoideen besitzen wir jetzt in sehr grosser Zahl, in den älteren
Werken von Buch und Forses, von Vorsorrn und Eıcnwarn, von Biruiınes und Harz,
in den neueren Werken von (@Qurxstepr und WooDwArRD, von AÄNGELIN und BARrRANDE.
So werthvoll nun auch die morphologischen Anschauungen sind, welche wir uns aus
diesen und anderen (uellen über den merkwürdigen Organismus der palaeozoischen
Uystoideen bilden können, so erschien es mir doch unerlässlich, dieselben durch die
eigene Untersuchung der wichtigsten Typen zu ergänzen. Da meine eigene Samm-
lung von fossilen Uystoideen (grossentheils ein Geschenk von Dr. Frreprıen Route)
nicht sehr reichhaltig ist, suchte ich mir Material aus verschiedenen Sammlungen zu
verschaffen. Für liberale Ueberlassung von solchem bin ich zunächst memen hiesigen
Kollegen, den Professoren G. E. Live und Jonanses Waurtuer, verpflichtet, ferner den
Professoren Karr Zrrrer in München und W. Waasen in Wien, Dr. Janus im Wien
und Dr. Srürrz in Bonn. Indem ich diesen verehrten Herren für die freundliche
Unterstützung meiner palaeontologischen Studien memen verbindlichsten Dank ab-
statte, kann ich nicht unterlassen, zugleich meinen lieben Kollegen und früheren
Schülern, den Professoren Rıcnarn Semox und Jonanses Warruer, für ihre lebendige
Theilnahme an meimen theoretischen Untersuchungen noch besonders zu danken.
Beide Naturforscher hatten sich vor längerer Zeit selbst mit dem Studium der
Echinodermen eingehend beschäftigt und haben die schwierige Erkenntniss dieses
eigenartigen T'hier-Stammes durch ausgezeichnete anatomische, ontogenetische und
palaeontologische Untersuchungen wesentlich gefördert. Vertraut mit den eigenthiüm-
lichen Schwierigkeiten, welche sich seinem Studium entgegenstellen, und überzeugt,
dass das Verständniss seiner Organisation und Entwickelung nur an der Hand der
Descendenz- Theorie gewonnen werden kann, nahmen beide Freunde an meinen
erneuten Untersuchungen das lebhafteste Interesse. In eingehenden Gesprächen über
die vielen und grossen Aufgaben, welche uns die Morphologie und Phylogenie der
5] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 5)
Eehinodermen stellt, haben wir unsere Anschauumgen gegenseitig gefördert und sind
uns über manche Fragen klar geworden, die uns noch vor Jahresfrist kaum lösbar
erschienen.
Die allgemeinen Grundsätze der Entwickelungs-Lehre und meine persönliche
Auffassung ihrer Anwendung sind in der vorliegenden Abhandlung dieselben geblieben,
welche ich zuerst in der „‚Generellen Morphologie‘ auf mechanisch-kausaler Grundlage
ausgeführt habe. Dazu gehört in erster Linie die Annahme der progressiven
Vererbung,
von der fundamentalen Bedeutung derselben, wie von der damit untrennbar verknüpften
der vielbestrittenen .„.‚Vererbun®e erworbener Eisenschaften“: ich bin
< fe) )
funktionellen Anpassung ebenso fest überzeugt, wie Lamarck und Darwin, wie
GEGENBAUR, Huxtey, FÜRBRINGER, Üorpe, Lester Warn, die Gebrüder Oskar und Rıcnarv
Herrwie, und viele andere Naturforscher. Ich theile die Ansicht von Herserr Spencer,
dass die progressive Vererbung nicht nur em wnentbehrlicher Grundpfeiler der
Epigenesis-Theorie, sondern der natürlichen Entwickelungs-Lehre überhaupt ist; die
entgegengesetzte „Keimplasma-Theorie“ von Weısmann führt uns zur Irrlehre
der Präformation und zur vitalistischen Teleologie zurück. (Vergl. meine Betrach-
tungen „Zur Phylogenie der Australischen Fauna“, in der Einleitung zu Semox’s
Zoologischen Forschungs-Reisen in Australien, 1893; „das Problem der progressiven
Vererbung“, pag. VI ff.).
Die wichtigsten Ergebnisse meiner Untersuchungen habe ich am 13. Dezember
1895 der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft m Jena vorgetragen und
in einer vorläufigen Mittheilung über „Die cambrische Stammgruppe der Echino-
dermen“ publizirt (im XXX. Bande der Jena. Zeitschrift für Naturwissenschaft). Bej
der weiteren Ausführung derselben für die vorliegende Abhandlung war ich schliesslich
genöthigt, die ganze bisherige Litteratur über CUystoideen durchzuarbeiten und das
System derselben bis auf die Genera hinab zu revidiren. Diese Aufgabe war sehr:
schwierig, da das bisherige System der Uystoideen eingestandener Maassen völlig
ungenügend ist; viele beschriebene Gattungen (mindestens ein Viertel, oder selbst ein
Drittel der ganzen Zahl) sind ungenügend bekannt, die Deutung der palaeontologischen
Befunde ist äusserst widerspruchsvoll und mangelhaft. Vielfach musste ich den
Versuch wagen, durch theoretische Vergleichungen die empirischen Lücken in den
Beobachtungen auszufüllen; auch musste ich bei der Rekonstruktion der fossilen
Fragmente der plastischen Phantasie denjenigen Spielraum emräumen, olme welchen
derartige palaeontologische Untersuchungen iiberhaupt nicht durchzuführen sind.
Das neue System der Cystoideen — und der nunmehr von ihnen getrennten
Amphorideen —, welches hier vorliegt, ist gewiss noch sehr der Verbesserung be-
dürftig und wird gleich allen ähnlichen Versuchen gewiss nur theilweise sich dem
erstrebten „Natürlichen System‘ nähern. Indessen habe ich mich nach Kräften
bemüht, wenigstens das bisher herrschende Chaos zu lichten und durch Aufstellung
bestimmter Definitionen für die Familien, Subfamilien und Genera brauchbare Angrifts-
Punkte für die Herstellung eines künftigen besseren Systems zu schaffen. Weiter als
bis zu den Gattungen hinabzugehen, schien mir nicht rathsam; auch wollte ich keine
6 Ernst HAECKEL AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. [6
erschöpfende Monographie der Cystoideen liefern. Eine solche wird jetzt von
Professor Orro Jarken in Berlin auf Grund mehrjähriger, sehr eingehender Studien
vorbereitet. Die Ergebnisse derselben, welche dieser kenntnissreiche Palaeontologe in
einem Vortrage „über die Organisation der Cystoideen‘“ 1895 (auf der fünften Jahres-
Versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Strassburg) mitgetheilt hat,
weichen allerdings von den meinigen bedeutend ab. Die Ursache dieser Differenz
scheint mir einerseits in unserer verschiedenen Beurtheilung der Skelet-Strukturen und
des Ambulacral- Systems zu liegen, anderseits m dem Umstande, dass ich der ver-
eleichenden Ontogenie der Echmodermen das grösste Gewicht beilege und dabei
scharf die palingenetischen Prozesse von den cenogenetischen zu scheiden mich
bemiihe. Jedenfalls darf man der umfassenden Monographie der Cystoideen von Orro
‚Jauken mit lebhaftem Interesse entgegen sehen; denn die genaue Kenntniss dieser
ältesten Behinodermen — gleichviel wie man ihre vermuthliche Organisation aus den
unvollständig erhaltenen fossilen Resten beurtheilt — gehört zu den unentbehrlichen
Vor -Bedingungen für die annähernde Lösung des grossen „Echinodermen-
Problems“. Möchten die vorliegenden Beiträge zu derselben nicht ganz unwürdig
des grossen Meisters sein, dessen Lehre ich mein besonderes Interesse für die Echino-
dermen-Forschung verdanke, des unsterblichen ‚Jonanses Mürzer!
Jena, am 16. Februar 1896.
ERNST HAECKEL.
EINLEITUNG.
Als Jomanses Mürter (1) vor fünfzig Jahren die seltsame, bis dahin unbe-
kannte Keimesgeschiehte der Echinodermen entdeckte, begann sich über die räthsel-
hafte Organisation dieses merkwürdigen Thierstammes ein ungeahntes Lieht zu ver-
breiten. Die bilateralen pelagischen Larven der fünfstrahligen Sternthiere wiesen
unzweideutig auf eine nahe Verwandtschaft mit den scheinbar so entfernt stehenden
Wurmthieren hin. Durch die Anwendung der Descendenz-Theorie gewann diese
Form-Verwandtschaft später die kausale Bedeutung der Stammverwandtschaft (3).
Zahlreiche und werthvolle Untersuchungen, welche über die vergleichende Anatomie
und Ontogenie der Echinodermen im Laufe der letzten drei Decennien angestellt
wurden, haben unsere Erkenntniss mächtig gefördert; sie haben auch die wichtigen
Fragen nach Ursprung und Verwandtschaft des Stammes bedeutend aufgeklärt. Die
weittragende Bedeutung dieser Fortschritte tritt uns nahe, wenn wir die zusammen-
fassende Darstellung des ganzen Stammes in den besten älteren und neueren Lehr-
bichern der vergleichenden Anatomie neben einander stellen. Uarı GeeexBaur hatte
1870 in seinen klassischen „Grundzügen der vergleichenden Anatomie“ den ersten
Versuch gemacht, diese Wissenschaft durch Anwendung der Descendenz-Theorie zu
reformiren (2). Die Fruchtbarkeit dieses geistvollen Versuches, gerade für das
schwierige Gebiet der Echinodermen, erwies sich in der grossen Zahl von Arbeiten,
welche in den nachfolgenden 25 Jahren die Morphologie und Phylogenie dieses Stam-
mes vielseitig förderten. Eine klare und kritische Uebersicht über die erfreulichen
Ergebnisse derselben hat uns kürzlich Arsorp Lane im vierten Theile seines aus-
gezeichneten „Lehrbuchs der vergleichenden Anatomie“ gegeben (5).
Die phylogenetischen Hypothesen, welche zur Erklärung der Entstehung und
der eigenthümlichen Bildungs-Verhältnisse der Echinodermen aufgestellt worden sind,
gehen aber heute noch weit auseinander, ebenso wie die verschiedenen Ansichten über
die Verwandtschafts-Beziehungen der einzelnen Klassen. Ich theile die Ansicht von
Lang, dass unter allen jenen Erklärungs-Versuchen die Pentactaea-Theorie von
Rıcmarn Senox (4) bei Weitem am meisten geeignet ist, die verwickelten Thatsachen
8 ERNST HAEcKEL [8
zu erklären. Bekanntlich hat dieser Forscher zuerst klar und bestimmt auf die
bedeutungsvolle Uebereinstimmung hingewiesen, welche zwischen den verschiedenen
Larven aller Echinodermen-Klassen auf emer gewissen, von ihm als Pentactula
bezeichneten Entwickelungs-Stufe besteht. Gegen dieses gemeinsame Durchgangs-
Stadium hin konvergiren die bilateralen Larven (Dipleurula) aller verschiedenen
Klassen, während sie nachher wieder divergent aus emander gehen. Srmox zieht
aus dieser vergleichend-ontogenetischen Thatsache — an der Hand des biogenetischen
Grundgesetzes — den Schluss, dass die Pentactula-Larve die palingenetische,
durch zähe Vererbung bedingte, Wiederholung einer uralten, längst ausgestorbenen,
gemeinsamen Stammform des ganzen Sternthier-Stammes ist: Pentactaea. Zugleich
bemüht er sich zu zeigen, dass unter allen lebenden Eehimodermen die Holo-
thurien, und unter diesen die Synaptiden, diejenigen sind, welche der Pentactaea
im Körperbau am nächsten stehehen, und welche das meiste Licht auf den Ursprung
des ganzen Stammes fallen lassen.
Fast gleichzeitig hatte von anderer Seite, auf Grund palaeontologischer Argu-
‚mente, Neumark (8) den Versuch gemacht, eine andere Klasse, die Uystoideen,
als die gemeinsame Stammgruppe aller Echmodermen hinzustellen. Zunächst sprach
fiir diese Ansicht schon das hohe Alter dieser Klasse; sie erscheint schon im unteren
cambrischen System reich vertreten, während die meisten anderen Klassen erst in dem
darauf folgenden silurischen System erscheinen. Aber auch der einfache Körper-
bau der Uystoideen, sowie der Umstand, dass sie durch verschiedene Uebergangs-
Formen mit den anderen Klassen verknüpft erscheinen, konnte diese Auffassung recht-
fertigen. Allerdings zeigte Semon bald darauf (32), dass Neumayr m der speziellen
Deutung dieser Zwischenformen viel zu weit gegangen sei, und wies auf die Schwächen
seiner Theorie hin, welche durch unsere unvollkommene Kenntniss des CUystoideen-
Baues bedingt sind. Indessen fand die Ansicht Neumayr’s auch späterhin noch
manche Vertheidiger — wie mir scheint, bis zu einem gewissen Grade, mit Recht.
Bei sorgfältiger kritischer Prüfung aller bezüglichen Verhältnisse glaube ich
zu finden, dass beide Klassen, sowohl die Holothurien als die C'ystoideen, zu den ältesten
Gruppen des Echinodermen-Stammes gehören, dass jedoch keme von beiden als die
gemeinsame Stammgruppe aller übrigen Klassen betrachtet werden darf. Beide
Klassen sind sehr nahe verwandt, trotzdem sie bisher als höchst verschieden ange-
sehen wurden; aber gerade die wichtigen Uebereinstimmungen im Körperbau,
welche dafür sprechen, sind bisher von den Sternthier-Forschern theils ganz
übersehen, theils nicht genügend gewürdigt worden. Die beiden Theorien von Semox
und Nevnayr lassen sich in Beziehung auf sehr wichtige Punkte vereinigen, obwohl
sie sich bei äusserlicher Betrachtung zu widersprechen scheinen. Als die wirkliche
Stammeruppe aller Echinodermen aber betrachte ich eine ältere und primitivere Klasse,
welche ich als Amphoridea (oder „Urnensterne‘) bezeichnet habe (50, p.2). Man
könnte dieselbe auch, im Anschlusse an die Pentactaea-Theorie, als Pentactaria
bezeichnen, wenn nicht dieser Name aus mehrfachen Gründen tmzweckmässig
erschiene. Zahlreiche, höchst wichtige, fossile Reste derselben finden sich im cambri-
z 0)
9] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. )
schen und silurischen System begraben, wurden aber bisher irrthiimlich als Cystor-
deen beschrieben. Ihre innere Organisation lässt sich theilweise mit Hiülfe der
Pentacetaea-Theorie hypothetisch errathen.
Amphorideen und Uystoideen sind nach memer Auffassung ihrer Or-
eanisation dureh eine so tiefe morphologische Kluft geschieden, dass ich beide Klassen
in der nachstehenden systematischen Darstellung ganz von einander trenne. Die
echten Cystoideen sind Anthodiaten, gleich allen übrigen Echinodermen; sie be-
sitzen das radiale ..Anthodium“ oder die „Ambulacral-Rosette*, welche für diesen
Stamm so charakteristisch erscheint. Diese typische Bildung fehlt dagegen noch
canz bei ihren unmittelbaren Vorfahren, bei den älteren Amphorideen. Diese wich-
tige Klasse bildet nieht nur die gemeinsame Stammgruppe aller Anthodiaten, sondern
sie zeigt uns auch deutlich den langen und uralten Weg, auf welchem sie aus Hel-
minthen sich entwickelt hat.
Erste Klasse der Eehinodermen:
Amphoridea, Ersst Harerer, 1895.
Amphoridea, E. HAEcKEL, 1895; „Die Cambrische Stammgruppe der Echinodermen“ (Jenaische Zeit-
schrift für Naturwissenschaft Bd. XXX).
Cystoidea, AUTORUN, partim!
Schimodermen mit bilateral-symmetrischer Grundform des Körpers, ohne radıales
Anthodium. ohne Ambulacra. Theca bilateral oder monaxon, am Aboral-Pol der
Hauptaxe mit einem freien Schwanze, oder direkt, seltener durch einen Stiel befestigt.
Tegument ursprünglich ein beweglicher Leder - Panzer mit Stückel-Skelet, meistens
ein Platten-Panzer, welcher aus sehr zahlreichen polygonalen Täfelchen irregulär
zusammengesetzt ist; selten sind letztere theilweise zu grösseren Tateln verschmolzen.
Mundöffnung stets central, am Oral-Pol der Hauptaxe, ursprünglich ein Querspalt,
meistens kreisrund, selten radial gespalten, mit 3—5 Lippen. After stets excentrisch,
auf der Ventral-Seite, mit Klappen-Pyramide. Zwischen Mund und After meistens
ein Gonoporus („dritte Oeffnung‘*), selten noch ein Hydroporus („vierte Oetinung**).
Skeletale Gliedmassen tehlen oder sind nur am Munde entwickelt, als ein Paar
laterale Brachiolen (Mundarme), oder .als ein Peristom-Kranz von radialen Brachiolen ;
Pinnuletten fehlen auf der Theca ganz.
Die Klasse der Amphorideen, die älteste und primitivste von allen
Eehinodermen, enthält die gemeinsamen Stammformen dieses Stammes; sie ist einer-
Festschrift für Gegenbaur. 2
14
10 Ersst HaEcKEL [10
seits (unten) durch Uebergangs-Formen mit den Vermalien-Ahnen verknüpft, ander-
seits (oben) mit den (ystordeen und Holothurien. Die Klasse ist auf die älteren Perio-
den des palaeozoischen Zeitalters beschränkt, auf das Cambrische, Silurische und
Devonische System. Schon im mittleren Cambrium (in der „Primordial-Fauna“
von Böhmen) finden sich Vertreter mehrerer Familien. Die grosse Mehrzahl der
bekannten Amphorideen ist versteinert (oder in Abdriicken) im Unter-Silur gefunden
worden; spärlicher sind sie schon im Ober-Silur und noch dürftiger m Devon
vertreten. In der Stemkohlen-Periode scheint die Klasse bereits ganz ausgestorben
zu sein; vielleicht waren damals noch vereinzelte Ueberreste am Leben. Die meisten
Arten von Amphorideen smd im Unter-Silur von Nord-Europa gefunden worden
(Skandinavien, Russland, Böhmen, England); viele auch im Unter-Silur von Nord-
amerika (Canada, New-York, Ohio). Die Zahl der fossilen Genera von Amphorideen,
die wir nachstehend in genügend sicherer Definition charakterisiren konnten, beträgt 26;
dazu kommen noch 4 hypothetische Genera der Stamm-Familie (Eoeystida), welche
als Vorläufer der ersteren mit Sicherheit angenommen werden können (O).
Grenzen der Amphorideen-Klasse. Von allen übrigen Kehmodermen,
und namentlich auch von den nächstverwandten Üystoideen, unterscheiden sich die
Amphorideen auffallend und bestimmt durch den gänzlichen Mangel des Antho-
dium, d. h. jener charakteristischen Ambulacral-Rosette, welche aus den perradialen
Subvektoren des Tegumentes und den darunter gelegenen Prinzipal-Kanälen des Am-
bulaeral-Systems zusammengesetzt ist. Dieses letztere, für den Echinodermen-Stamm
so höchst charakteristische Organ-System erstreckte sich hier noch nicht auf die Theca,
sondern beschränkte sich auf die unmittelbare Umgebung des Mundes und die vom
Peristom ausgehenden Tentakeln (oder Brachiolen). Das Ambulacral-System bestand also
(auch bei den höchst entwickelten Amphorideen!) nur aus denjenigen T'heilen, welche
uns die vergleichende Ontogenie im Pentactula-Stadium aller übrigen Echino-
dermen übereinstimmend nachweist: 1. dem /ydroeireus (dem den Mund umgebenden
Hydrocöl-Ring), 2. dem Hydroductus (dem „Steinkanal“, welcher innen m dem Hydro-
eireus, aussen auf der Tegument-Oberfläche mündete), und 3. den circoralen Ten-
takel-Kanälen, welche vom Hydrocircus unmittelbar in die den Mund umgebenden
„Primär-Tentakeln“ hinein gingen. Dagegen fehlten den Amphorideen noch voll-
ständig die Prinzipal-Kanäle des Ambulacral-Systems, jene bedeutungsvollen perra-
dialen Kanäle, welche vom Hydrocireus centrifugal in die Wand der T'heca hineim-
wachsen und zusammen mit den darüber gelegenen Subvektoren (— den pervadialen
Flimmer-Rinnen des Kapsel-Tegumentes —) die eigentlichen „Ambulacra“ herstellen.
Bei den bilateralen Anomoeystiden war noch nicht das Pentactula- Stadium,
vielleicht noch nieht emmal die Bildung des Hydrocöl-Ringes erreicht; hier unten
lässt sich die Grenze der Amphorideen gegen ihre Helminthen-Ahnen nur unsicher
und willkürlich feststellen.
11] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN, al
Klassifikation der Amphorideen.
Als vier Familien der Amphorideen habe ich m meiner vorläufigen Mittheilung
über diese „cambrische Stammgruppe der Eehinodermen“* (50) folgende vier Gruppen
unterschieden: 1. Archaeoeystida oder Protamphorida (bilateral, mit lockerem
Stückel-Skelet, ohne festes Tafel-Skelet, ohne Brachiolen); 2. Aristocystida oder
Caryoeystida (monaxon, mit festem Tafel-Skelet, ohne Brachiolen); 8. Palaeoceys-
tida oder Echinosphaerida (monaxon, mit festem Platten-Panzer, mit einem Peristom-
Kranz von radialen Brachiolen); 4. Anomocystida oder Pleuroeystida (bilateral,
mit festem Platten-Panzer, mit einem Paar lateralen Brachiolen).
Diese vier Familien, welche ich für natürliche Gruppen der Klasse halte, und
welche durch deutliche Definitionen getrennt werden können, behalte ich auch hier
bei. Nur verbessere ich die Reihenfolge der vier Gruppen, indem ich die bilateralen
Anomocystida unmittelbar an die primitive Stammgruppe der Archaeoeystida anschliesse,
und diese letzteren passender als Kocystida bezeiehne. (— Die uralte Gattung
Archaeoeystis, von der wir nur ein einziges unvollständiges Exemplar aus dem böh-
iwnischen Cambrium kennen, dürfte besser den Palaeocystiden angeschlossen werden —).
Wenn man dann als massgebend die primäre bilaterale und die sekundäre mona-
one Grundform der Theca betrachtet, so kann man die vier Familien paarweise in
zwei Ordnungen zusammenstellen, die ich als Amphoralien und Amphoronien unter-
scheide. Die älteren Amphoralia (Zoeystida und Anomoeystida) haben die primäre
bilateral-symmetrische Grundform der Theca und theilweise auch die Fähigkeit der
freien Lokomotion bewahrt. Die jüngeren Amphoronia hmgesen (Aristocystida
und Palaeoeystida) haben sich der festsitzenden Lebensweise angepasst und dadurch
die bilaterale Grundform der Theca sekundär in die monaxone verwandelt. Die
weitere Eintheilung dieser vier Familien in zehn Subfamilien ergiebt die nachstehende
Synopsis.
Ersst HAEcKEL 12
IV
System der Amphoridea.
Ordines: Familiae: Subfamiliae: Genera.
I. Ordnung:
Amphoralia I. | a) Amphoraeida.
(= Amphoridea Eocystida. Peristom ohne Tentakel- f
Be Kranz, mit nur einem 1. Amphoraca ©
(= Protamphorida.)
Theca bilateral- symme-
trisch, wenig oder nicht
dorso-ventral depri-
mirt. Tegument mit
beweglichem Leder-
Panzer und Stückel-
Skelet. Peristom ohne
Brachiolen.
bilateralia.) Paar Mundfühlern.
b) Pentactaeida.
Peristom mit Tentakel- l 2. Eoeystis ©
Kranz, mit drei bis Pentactnea ©
fünf oder mehr Mund- Protamphora ©
fühlern.
T'heca bilateral-symme-
trisch, Rücken- und
Bauchseite mehr oder
weniger verschieden.
Am Aboral-Pol ist die
Theea mit einem stiel-
artigen Schwanz ver-
sehen, der zeitweise
zur Befestigung dienen II.
kann; seltener ist sie
festgewachsen.
x
—
mc
a) Placoeystida.
‚sal- Te "al- =: m .
und Ventral | 5. Trochoeystis.
s ne: Ge ei 6. Trigonoeystis.
zunalalı allirl | 7. Placocystis.
getäfelt. 5
b) Ateloeystida.
Dorsal-Panzer mit vielen
kleinen, Ventral-Pan- [ 8. Anomocystis.
zer mit wenigen grossen 9. Atelocystis.
Platten.
c) Pleurocystida.
Dorsal-Panzer mit weni-
gen grossen, Ventral- [10. Mitrocystis.
Panzer mit vielen | \11. Plewrocystis.
kleinen Platten.
Anomoeystida
(= Pleurocystida.)
Theca bilateral-symme-
trisch, stark dorso-
ventral deprimirt. Te-
gument mit Platten-
Panzer und Tafel-
Skelet. Peristom mit
einem Paar lateralen,
gegliederten Brachi-
olen.
—
II. Ordnung:
a) Pirocystida. 12. Aristocystis.
(= Amphoridea
monaxonid).
‚pn . .
[ heca monaxon, meist
birnförmig oder ei-
förmig, oft fast kugelig.
Rücken- und Bauch-
Seite nicht verschieden,
Aristoeystida
(= Holocystida.)
Theea monaxon, meist
birnförmig oder ei-
förmig, nicht dorso-
ventral deprimirt. Te- |
gument mit Platten- |
Platten-Panzer irregulär,
aus einer sehr grossen
Zahl von kleinen poly-
gonalen Tafeln zu-
sammengesetzt, ohne
Poren-Rauten.
b) Oroeystidae.
Deutocystis.
Amphoracystis.
Pirocystis.
Oraterina.
Dendrocystis.
Achradoeystis.
Platten- Panzer subre- :
gulär, aus einer mäs- Orocystis.
sigen Zahl von grossen, Helioeystis.
meist hexagonalen Ta- | 21. Caryocystis.
feln zusammengesetzt, 22. Holocystis.
oft mit Poren-Rauten. |
— abgesehen von den Panzer. Peristom nicht
Oeffnungen in der Ven- radial,ohneBrachiolen.
tralläche. Am Aboral- IV
Pol ist die Theca auf- Ä
gewachsen oder durch
einen Stiel befestigt,
selten im Alter frei. Theca monaxon, meist
eiförmig oder fast |
kugelig, nicht dorso- |
ventral deprimirt. Te- |
gument mit Platten- |
Panzer. Peristom ra- |
dial, mit einem Kranz
von Brachiolen,
—
wo
O0
’alaeoeystida
(= Archaeocystida.)
a) Trinemaecystida,
Drei Mundarme.
Arachnocystis.
m. 3 o
Trinemacystis.
Echinosphaera.
Citrocystis.
Palaeoeystis.
DD ww
os
b) Citrocystida.
Fünf Mundarme.
e) Comaroeystida.
_ Vier Mundarme.
d) Acanthoeystida.
Zahlreiche Mundarme
28. (omarocystis.
29. Acanthoeystis.
0. „Archaeoeystis.
Amphoronia Ill.
Tun Tu nt en
[VE N}
Io 0
13] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN, 13
Theeca der Amphorideen,
Die Theca oder „Kapsel“ der Amphorideen ist der einzige Körpertheil, ‚den
wir von dieser fossilen Thierklasse kennen (— abgesehen von den Mundarmen oder
Brachiolen, welche an der Mundöffnung der Theca bei zwei von den vier Familien
sich finden —). Da wir demgemäss aus der Beschattenheit der Theca und ihrer
Oeffnungen auf die gesammte übrige Organisation dieser ältesten Echmodermen
schliessen müssen, verdienen alle wahrnehmbaren Form- und Struktur-Verhältnisse
die genaueste Analyse. Gewöhnlich wird die Theca der Cystoideen, von denen man
bisher die Amphorideen nieht unterschieden hatte, als Kelch ((alyxr) bezeichnet, wie
bei den nächstverwandten Crinoideen; indessen ist diese Bezeichnung desshalb un-
zweekmässig, weil bei den ersteren nicht, wie bei den letzteren, der Gegensatz (des
dorsalen „Kelchs"* (Calyx = Hypotheca) und der ventralen „Kelchdecke* (Epiealy
— Epitheca) ausgeprägt ist. Wir haben an der Theca der Amphorideen zu betrachten:
l. die reale Gesammtform, 2. die ideale Grundform, 3. den Mangel der Radial-
Struktur und des Anthodium, 4. die aborale Stielbildung, 5. die Thecal-Ostien, 6. die
Zusammensetzung des Panzers, 7. die Brachiolen.
1. Die reale Gesammtform der Theca wird bei den Amphorideen ge-
wöhnlich ebenso, wie bei den Uystoideen, als „birnförmig, eiförmig oder fast kugelig“*
dargestellt, „seltener eylindrisch, irregulär oder bilateral“; sie würde demnach —
wenn man von den Oeffnungen absieht — gewöhnlich monaxon sein, ihr Quer-
schnitt kreisrund. Wenn man jedoch die Formen-Gruppen in dieser Hinsicht genauer
vergleicht, so ergiebt sich alsbald ein tiefgreitender Unterschied zwischen den beiden
Ordnungen der Amphoralien und Amphoronien. Die reale Kapsel-Form der Am-
phoralien (Kocystida und Anomoeystida) ist bilateral-symm etrisch; die Theca
ist dorso-ventral deprimirt, ihre Rückenfläche von der Bauchtfläche deutlich geschieden,
der Gegensatz beider Antimeren scharf ausgeprägt, rechte und linke Kapselhälfte
spiegelgleich. Diese bilaterale Symmetrie fehlt, — wenn man von den Thecal-
Ostien absieht! — bei den Amphoronien (Aristocystida und Palaeoeystida); hier
ist die reale Gesammtform der Theca wirklich monaxon, ihr Querschnitt kreisrund;
der Gegensatz von Rücken und Bauch, Rechts uud Links, ist äusserlich nieht aus-
geprägt. Nur eine Axe springt hier sofort in die Augen, die vertikale Hauptaxe, an
deren oberem (oralen) Pol die centrale Mundöffnung hegt, am unteren (aboralen) Pol
die Insertions-Basis oder der Stiel.
2. Die ideale Grundform der Theca ist bei allen Amphorideen
dipleurisch oder bilateral-symmetrisch (im engeren Sinne); ebensowohl bei den äusserlich
bilateralen Amphoralien, wie bei den äusserlich monaxonen Amphoronien. Stets wird
die Sagittal-Ebene oder Median-Ebene, welche den ganzen Körper in zwei spiegel-
gleiche Hälften theilt, durch drei geometrische Punkte fest bestimmt: I. Das Centrum
des Mundes (am ÖOral-Pol der Hauptaxe), II. das Centrum des Afters (an der
Ventral-Seite), und III. das Centrum der aboralen Basis oder des Kapsel-Stiels (am
14 Ernst HAECKEL [14
Aboral-Pol der Hauptaxe). Die Linie, welche die Mittelpunkte des centralen Mundes
und des excentrischen Afters direkt verbindet, ist die Mittellinie der Bauchseite, die
ventrale Median-Linie; die entgegengesetzte Fläche der Theca, in welche auch
die Basis oder die Stiel-Insertion fällt, ist als Dorsal-Seite zu betrachten (ebenso wie
bei allen übrigen festsitzenden Echinodermen). Als die drei Euthynen oder
„idealen Richt-Axen“ würden demnach bei sämmtlichen Amphorideen zu betrachten
sein: 1. Die Hauptaxe, Prinzipal-Axe (oder Längsaxe); an ihrem Oral-Pol liegt der
Mund, am entgegengesetzten Aboral-Pol die Insertions-Basis oder der Stiel (— bei
den Inomocystida der Schwanz -—). 11. Die Sagittal-Axe oder Dorsoventral-
Axe; sie steht senkrecht auf der Mitte der Hauptaxe in der Median-Ebene; ihr ven-
traler Pol wird durch die Lage des Afters m der Bauchlinie bestimmt, der entgegen-
gesetzte ist der dorsale Pol. III Die Lateral-Axe oder Transversal-Axe, senk-
recht auf der Median-Ebene, verbindet den rechten und linken Pol. Die Median-
Ebene oder „Sagittal-Ebene“, welche wir durch die prinzipale und sagittale Axe
legen, trennt die beiden Antimeren, rechte und linke Körperhälfte; diese erschemen
bei den meisten Amphorideen völlig symmetrisch gleich; nur die einseitige Lage
einer Oetinung bedingt meistens einen geringen Unterschied (auffallend bei Mitro-
cystis und Pleuryeystis). Es ist jedoch sehr wahrschemlich, dass bei allen Am-
phorideen — ebenso wie bei allen übrigen Echinodermen — eine gewisse Ungleich-
heit beider Antimeren schon durch die primär einseitige Lage des Hydroporus be-
dingt ist, wenn dieselbe auch äusserlich wenig oder gar nicht hervortritt. Dann
würde also, streng genommen, die ideale bilaterale Grundform sämmtlicher Amphori-
deen nicht eudipleurisch (völlig symmetrisch) sein, sondern dysdipleurisch (mehr
oder weniger asymmetrisch).
3. Der völlige Mangel der Radial-Struktur in der Theca sämmtlicher
Amphorideen muss hier noch besonders betont werden; denn er gehört zu jenen höchst
wichtigen Merkmalen dieser Klasse, welche dieselbe vor allen übrigen Eehinodermen
unterscheiden. Zwar wird fast allgemein angegeben, dass alle Uystoideen (— zu
denen man bisher die Amphorideen rechnete —) ebenso „Radiaer-Thiere“ seien,
wie alle übrigen Echmodermen; aber vergebens fragt man nach irgend einer Begrün-
dung dieser weittragenden Behauptung. Die bilateral- symmetrischen Anomocystiden
zeigen keine Spur von Radial-Struktur, ebenso wenig als die Helminthen und
Crustaceen, denen sie äusserlich oft so ähnlich sind; und dasselbe eilt von den
monaxonen Aristocystiden, welche viel äussere Aehnlichkeit mit Ascidien besitzen. Nur
eine Familie der Amphorideen könnte in dieser Beziehung Zweifel erwecken, die
Palaeocystiden; hier ist der Mund von eimem Kranze von Brachiolen (— oder
„skeletalen Mundfühlern‘“ —) umgeben: 3 bei den Trinemacystiden, 5 bei den
Kchinosphaeriden, 15-25 bei den Acanthocystiden. Allein dieser strahlige Fühler-
Kranz der Palaeoeystiden lässt nicht den mindesten Einfluss auf die bilaterale oder
monaxone Grundform ihrer Theca erkennen, oder auf irgend einem Theil ihrer übrigen
Organisation; er verhält sich vielmehr genau so, wie der „radiale Tentakel-Kranz“
bei festsitzenden bilateralen Metazoen verschiedener Klassen: Bryozoen, Aseidien,
15] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 15
Rotatorien u. A. (— Stephanoceros mit pentaradialem Fühler-Kranz! Vergl. Taf. V,
Fig. 12 —). So wenig man desshalb diese Helminthen als „Radiär-Thiere* be-
trachtet, so wenig ist dies bei den Amphorideen gestattet.
4. Der Stiel oder Schwanz der Amphorideen (Pedunmeulus, Cauda).
Die Mehrzahl der Amphorideen schemt (im erwachsenen Zustande) auf dem Boden
des Meeres eine festsitzende Lebensweise zefihrt zu haben, «leich den meisten
Cystoideen. Von vielen Autoren wird das für alle Echinodermen angenommen, welche
wir zu dieser Klasse rechnen. Eme genauere Untersuchung des sogenannten „Stieles“,
der zur Anheftung dienen sollte, und eine kritische Erwägung seiner Beziehungen
zur Grundform und zur Lebensweise dieser Benthos-Thiere hat mich jedoch zu der
Ueberzeugung geführt, dass em grosser Theil der Amphorideen — und besonders
der bilateralen Amphoralien — treie Ortsbewegung besass und sich nur zeitweise
(oder gar nicht) am Boden festsetzte; theils direkt mit dem Aboral-Pol der Theca,
theils mittelst eines Stieles. Dieser sogenannte „Stiel’“ ist nur bei sehr wenigen
(Gattungen dieser Klasse ähnlich entwickelt wie bei vielen Cystoideen und bei den
meisten Urinoideen. Ich unterscheide folgende Fälle als wahrscheinlich:
I. Anomocystida (Taf. II, Fig. 1—16). Der „Stiel“ ist gegliedert, dorsoventral
abgeplattet, am Proximal-Ende vorne breit und nimmt nach hmten gegen das Distal-
ünde stark ab; es schemt, dass die ringförmigen Stiel-Glieder sich oft gleich den
höhren eines Teleskops in einander schieben konnten, ähnlich wie die „Schwanz-
ringe“ am hinteren Schwanz oder „Fuss“ der Rototorien — ımd wie bei diesen
dürfte auch bei den Anomoeystiden der kräftige muskulöse Schwanz bald als Organ
der freien Ortsbewegung, bald als Werkzeug der Anheftung (mit dem .Distal-Ende)
fungirt haben. II. Die Eocystida (Taf. V) die wir uns als verbindende Ueber-
ganes-Formen von den freilebenden Wiirmer-Ahnen zu den Anomocystülen vorstellen,
werden sich vermuthlich ähnlich den letzteren verhalten haben. Il. Ein Theil der
monaxonen Amphoronia war zwar nicht festgewachsen, steckte aber mit dem
grössten Theile der Theca (oder doch deren unterer Hemisphäre) im Schlamme
(ähnlich vielen Acephalen), so besonders diejenigen Aristocystiden, deren eiförmige
Theca unten am Aboral-Pol zugespitzt ist (Deutocystis). Bei einigen Aristocystiden
(Oraterina, Aristocystis) ist das Basal-Ende der konischen oder eiförmigen Theca unten
abgerundet und zeigte eine grubenförmige Vertiefung; wahrschemlich diente diese
„Zapfenhöhle“ zum Umfassen eines fremden Körpers beim Ansetzen (wie bei manchen
Ascidien und Korallen). Das Individuum von Aristocystis, au welchem Barraxpe
unten in der Zapfenhöhle eine Spirale abbildet (12, Pl. 10, Fig. 14—16), sass wahr-
schemlich auf den Scheitel einer Schnecken-Schale auf. IV. Viele Aristocystida
(Taf. U, Fig. 17—28) waren am Aboral-Pol des birnförmigen oder fast kugeligen
Körpers unmittelbar aufgewachsen, oder die birnförmige Kapsel verdünnt sich hier
allmählich und wird zu emem kurzen, ungegliederten Stiel; seine weite konische
Höhle ist der unterste Theil der Leibeshöhle. V. Bei den meisten Palaeocystida
(Taf. I), sowie bei einigen anderen Amphorideen (Dendrocystis, Achradoeystis) ent-
wickelt sich dieser basale Stiel-Fortsatz zu einem selbständigen, scharf abgesetzten
16 Ersst HAccKEL [16
Stiel, der germeelt ist oder in eine Reihe von Gliedern zerfällt, wie bei den meisten
Urmoideen und emem Theile der Uystoideen.
5. Theeal-Ostien der Amphorideen. Bei allen Amphorideen lässt die
Theca deutlich die beiden Darm-Oeffnungen erkennen, den centralen Mund (am Oral-
Pol der Hauptaxe) und den excentrischen After, welcher in einiger Entfernung davon
in der Mittellinie der Bauchseite liegt. Dazu kommt bei den meisten Gattungen
dieser Klasse noch eime dritte Oetfnung, die zwischen beiden liegt und wohl mit
echt als Geschlechtsöffnung (Gonoporus) gedeutet wird; wahrscheinlich ist dieselbe
allgemein verbreitet und nur im emigen Gattungen wegen ihrer geringen Grösse
oder versteckten Lage übersehen (Holocystis? Dendroeystis?). Endlich zeigt Aristo-
eystis auch sehr dentlich eme vierte Oeffnung (Hydroporus?) in der Nähe des Mundes,
A. Der Mund (Osculum) liest bei allen Amphorideen am Oral-Pol der
Hauptaxe, zeigt aber in seiner Form und Ausbildung mancherlei Verschiedenheiten.
— Bei den bilateralen Anomocystiden, Taf. II, Fig. 1-16 (— und wahr-
schemlich ebenso bei vielen Eocevstiden-Ahnen —) liegt die Mundöftnung vorm
auf der Bauchseite (unter dem Stirnrande des Rückenschildes) und bildet einen trans-
versalen Spalt, welcher meistens breit ist, entsprechend der Distanz der beiden
lateralen Brachiolen oder Mundarme:; rücken diese nahe zusammen (bei einigen
Arten von Pleuroeystis), so wird auch der Mundspalt klein. Bei Mitrocystis erscheint
das kurze und breite Mundrohr in Länesfalten «eleet oder durch eimen Platten-
Kranz gestützt (ähnlich dem Kalkrna der Holothurien?) Auch bei Aristoeystis
ist der Mund noch em breiter Querspalt; bei den meisten übrigen Aristocystiden
(Taf. II, Fig. 17—28) ist er kreisrund, bisweilen in ein kurzes eylindrisches Mundrohr
verlängert, dessen Mündung glatt abgeschnitten ist (Deutocystis, Orocystis, Heliocystis
u. A.); bei Dendroeystis verlängert sich dieses Mundrohr zu emem anselnlichen
Rüssel. Bei den Palaeocystiden (Taf. I) wird die Gestalt der Mundspalte durch die
Zahl der Mundarme bestimmt, welche von ihrem Rande abgehen; sie ist dreispaltig
bei Arachnoeystis und Eehinosphaera, füinfspaltig bei Palaeoeystis, ein Längsspalt bei
Comaroeystis (mit 2 lateralen Arm-Paaren).
B. Der Atter (Anus) liegt wahrschemlich stets excentrisch in der Mittel-
Imie der Ventral-Seite und ist meistens mit einer anschnlichen „Klappen-Pyramide“
bedeckt, welche auch bei den Cystoideen und bei einigen Holothurien wiederkehrt
(Psolus u. A.). Bei den bilateralen Anomocystiden scheint dieselbe zu fehlen
oder doch sehr klein zu sein; überhaupt ist die Lage und Beschaftenheit des Afters
in dieser Familie zweifelhaft, und die Deutung, die wir derselben unten geben
werden, ganz unsicher. Vielleicht liegt der After bei allen Anomoeystiden versteckt
auf der Bauchseite, am Ausschnitte der Schwanzwurzel: dann würde die asymmetrische
Oetimung (links), welche wir unten als After deuten werden, vermuthlich der
Gonoporus sein. Bei den Aristocystiden und Palaeoceystiden ist der After
stets deutlich zu erkennen, bald nahe dem Munde gelegen, bald entfernt auf der
Bauchseite. Die Klappen-Pyramide, welche ihn bedeckt, ist aus einer wechselnden
Zahl von dreieckigen Tafeln zusammengesetzt (3
15, meistens 5 oder 6).
17] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. ir
©. Die Geschlechts-Oeffnung (Gonoporaus). Zwischen Mund und After
liegt bei den meisten Amphorideen (— vielleicht bei allen? —) eime kleinere
„dritte Oeffnune“, welche früher für den After gehalten wurde, jetzt aber als
Genital-Porus gedeutet wird. Indem wir uns dieser neueren Deutung
anschliessen (sowohl für die Amphorideen, wie fir die Uystoideen). stützen wir uns
hauptsächlich auf die Homologie mit den Holothurien. Da wir alle Angehörigen
dieser drei niederen Echinodermen-Rlassen als Monorchonien betrachten, dürfen
wir auch für alle eine einfache Genital-Oefinung annehmen. Gewöhnlich ist dieselbe
ein kleines rundes Loch, bisweilen mit einer Klappen-Pyramide bedeckt. Meistens
liegt sie etwas asymmetrisch, nicht in der Mittellinie der Bauchfläche, sondern
etwas seitlich von derselben auf der linken Seite. Bei Aristoeystis liegt sie
auf der rechten Seite; diese Gattung ist auch dadurch ausgezeichnet, dass sie
noch eine „vierte Veffnung“ besitzt — wahrscheinlich den Hydroporus? —;
sie liegt gleich hinter dem rechten Mundwinkel. Bei den übrigen Amphorideen dürfte
gewöhnlich der Hydroporus mit dein (gleich dahinter gelegenen) Gonoporus verschmolzen
sein. Deutocystis ist dadurch ausgezeichnet, dass im der Mitte zwischen Mund und
After, asymmetrisch links von der ventralen Mittellinie, eme grössere herzförmige
Oefflnung liegt, welche dreitheilig ist; wahrschemlich sind die beiden paarigen hinteren
Löcher derselben Genital-Poren, das vordere unpaare der Hydroporus (wie bei der
Tiefsee-Holothurie Elpidia purpurea). Behr unsicher ist die Lage und Bedeutung der
Thecal-Ostien bei den Anomoeystiden (Vergl. unten). Pleuroeystis zeichnet sich unter
diesen durch den Besitz von drei grossen dorsalen „Kamm-Rauten“ aus, welche den
übrigen fehlen; die beiden vorderen lateralen sind vielleicht Madreporiten die
hintere unpaare ein Gonoporus (?).
6. Der Kapsel-Panzer der Amphorideen. Als vier verschiedene
Hauptformen der Skeletbildung unter den Amphorideen wunterscheide ich: I. den
Leder-Panzer der Eocystiden, 11. den bilateralen Tatel-Panzer der Anomoeystiden,
Ill. den irregulären Platten-Panzer der Piroeystiden und Palaeoeystiden, und IV. den
subregulären Tafel-Panzer der Oroeystiden. A. Die Eocystida (Taf. V, Fig. 10 —15),
als die gemeinsame Stammgruppe aller Echinodermen, besassen wohl noch keinen
zusammenhängenden Platten-Panzer, sondern einen Leder-Panzer, verstärkt durch
ein primitives Stückel-Skelet; ähnlich wie bei den Holothurien waren in dem
verdiekten Corium sehr zahlreiche kleine Kalk-Stücke (Spieula, Stäbe, Vierstrahler,
Rädchen, Plättchen u. s. w.) ohne festen Zusammenhang eingestreut. Ebenso wenig wie
bei den Holothurien, war auch bei den Eoeystiden dieses primitive Dermal-Skelet der
Erhaltung in fossilem Zustande fähig; diese wurde nur dann möglich, wenn die
Tätelehen grösser wurden und sich locker an einander legten; vielleicht ist Lapillo-
eystis fragiis aus dem böhmischen Cambrium der Ueberrest einer solchen Eoeystide?
(12, Pl. 2, Fie. 27-30.)
B. Die Anomocystida (Taf. II, Fig. 1—16) zeichnen sich vor allen
übrigen Eehinodermen sowohl durch die rein bilaterale Zusammensetzung als durch
die eigenthümliche Struktur ihres Tafel-Panzers aus. Derselbe gleicht äusserlich eher
Festschrift für Gegenbaur, 3
18 Ernst HAECKEL [18
dem Panzer einer niederen Crustacee oder selbst einer Schildkröte, als der Theca
irgend eines Echinodermen. Entsprechend der starken dorsoventralen Depres-
sion des bilateral-symmetrischen Körpers besteht der Panzer hier aus einem kon-
vexen Rückenschild und emem konkaven oder planen Bauchschild; beide sind
verbunden durch einen marginalen Panzer-Gürtel (oder durch eine dehnbare
Gürtel-Haut?). Bei den ältesten Formen (Trochoeystis) sind beide Schilder im
ähnlicher Weise aus zahlreichen kleinen polygonalen Täfelchen zusammengesetzt,
ohne bestimmte Anordnung. Bei Placocystis verschmelzen dieselben sowohl oben wie
unten in der Weise, dass der dorsale und der ventrale Panzer aus wenigen grossen
Tafeln symmetrisch zusammengesetzt erscheint. Bei Atelocystis und Anomoeystis tritt
die Concrescenz der Panzer-Platten nur unten in der ventralen Hälfte der Theca
ein, bei Mitroeystis und Pleuroeystis umgekehrt nur oben in der dorsalen Hälfte.
C. Die beiden Gruppen der Piroceystida (die grosse Mehrzahl der Aristo-
cystida, Taf. I, Fig. 17—28) und der Palaeocystida (Taf. I) besitzen einen
Platten-Panzer von sehr primitiver Beschaffenheit. Sehr zahlreiche (meistens mehrere
Hundert) kleine polygonale Täfelchen sind ohne alle Ordnung an einander gelegt
und meistens durch Naht fest verbunden; seltener scheint die Verbindung der Täfel-
chen oder „Asseln‘‘ eine lockere zu sem, so dass der gepflasterte Leder-Panzer dehn-
bar war (so bei Dendrocystis, Craterina u. A.). Die Panzer-Platten sind bald solid,
bald mit feineren oder gröberen „Poren“ versehen (selten mit Doppel-Poren oder
Poren-Rauten); aber gewöhnlich (oder immer?) ist die Oberfläche der Theca noch
von einer homogenen dichten „Deckschicht‘‘ überzogen, so dass die Poren sich
nicht nach aussen öffnen können.
D. Die Orocystida (die jüngere und höher entwickelte Abtheilung der
Aristocystida) unterscheiden sich von der vorhergehenden Ahnen-Gruppe dadurch,
dass die zahlreichen kleinen Panzer-Platten gruppenweise verschmelzen und grössere
Tafeln bilden; diese erscheinen meist hexagonal und häufig in transversale Zonen
oder longitudinale Reihen ziemlich regelmässig geordnet. Die Versuche, die ein-
zelnen Tafel-Zonen (z. B. bei Orocystis, und Caryocystis) mit denjenigen der höheren
Uystoideen (Glyptocystida) und mancher Crinoideen zu vergleichen, sind nutzlos, da
bei den Orocystiden ebenso wenig als bei den übrigen Amphorideen eine korrelative
Beziehung der einzelnen Tafeln zu bestimmten Organen besteht. Oft sind hier die
grossen Tafeln reich mit Ormamenten verziert, mit Rippen-Sternen, konzentrischen
Anwachs-Linien, Körner-Reihen und Poren-Rauten. Alle diese Einzelbildungen der
äusseren Tafel-Fläche besitzen nur untergeordnetes Interesse und können wohl zur
Unterscheidung von Species, aber nicht von grossen Gruppen verwendet werden.
Insbesondere besitzen die sogenannten „Poren-Rauten‘ der Orocystiden durchaus
nicht die hohe Bedeutung, die man ihnen bisher fast allgemein zuschrieb (Vergl.
unten pag. 22).
7. Brachiolen der Amphorideen. Gleich allen übrigen Echinodermen sind
auch die Amphorideen mit Ambuletten ausgestattet, d. h. mit „äusseren Anhängen
des Ambulacral-Systems“, welche als Tast- und Greif-Organe, sowie als Kiemen
19] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 19
fungirten. Da aber die thecalen Ambulacren und die perradialen Prinzipal-Kanäle,
welche allen übrigen Klassen zukommen, in dieser Klasse gänzlich fehlen, so können
wir hier nur die Existenz von Oral-Ambuletten, oder beweglichen „„Mundfühlern“,
mit Sicherheit annehmen. Bei einem Theile der Amphorideen lagern sich in diesen
Mundfühlern oder „Oral-Tentakeln“ kleine Kalk-Partikeln ab (wie bei vielen Holo-
thurien); und indem diese zu grösseren, gelenkig verbundenen Kalksstiicken zusammen-
treten, entstehen gegliederte Mundärmcehen (Brachiola). Solche sind uns in ver-
steinertem Zustande (— wenn auch selten vollständig —) von zwei Familien erhalten,
von den Anomocystiden und den Palaeocystiden. Die bilateralen Anomoeystida
(Taf. U, Fig. 1—16) besassen wahrscheinlich alle ein Paar Brachiolen, welche
zu beiden Seiten des Mundes eingelenkt waren; sie erimnern in Lage und Form
an die gegliederten Antennen der Crustaceen; am stärksten entwiekelt sind sie bei
Pleurocystis, wo ihre Gliederung und Zusammensetzung echten (einzeiligen) Armen
von Crinoideen gleicht (mit einer Subvektiv-Rinne, die von zwei Reihen Saumplätt-
chen eingefasst ist). — Die monaxone Theeca der polynemalen Palaeoeystida (Taf. I)
trug dagegen am Oral-Pol einen Peristom-Kranz von mehreren, mindestens drei Brachio-
len; meistens sind sie sehr schwach und zart, selten stärker entwickelt. Arachno-
cystis zeichnet sich durch drei sehr lange und schlanke zweizeilige Aermchen aus,
Comarocystis durch vier einzeilige Brachiolen, welche gegliederte Pinnulae tragen.
Echinosphaera und Palaeoeystis besassen fünf Mundarme, die bei ersterer aus dreitheiligem
Mundrohr, bei letzterer getrennt entspringen. Bei Acanthoeystis und Archaeocystis
steigt die Zahl der dünnen, emzeilig gegliederten Arme auf 15—25. Bei allen diesen
Palaeocystiden sind die Mundarme als echte Peristom-Organe anzusehen, gleich den
Mundarmen der Holothurien. In den beiden Familien der Aristoeystiden und
Eoeystiden, denen solche Brachiolen ganz fehlen, müssen wir annehmen, dass die
Mundfühler weich und unverkalkt blieben.
Die Tafel-Poren der Amphorideen und Cystoideen,
Die Kalktafeln der Lederhaut, welche den Platten-Panzer der Theca zusammen-
setzen, sind sowohl bei den Amphorideen wie bei den Cystoideen gewöhnlich deutlich
porös, und die makroskopischen Poren in denselben zeigen oft eine charakteristische
Form und Anordnung. Darauf hin unterschied schon Jonanses Mürter, der zuerst
(1854) die wenigen, damals bekannten Cystoideen zu gruppiren versuchte, drei Ab-
theilungen: 1. Aporita ohne Kelch-Poren, 2. Diploporita mit Doppelporen in
Facetten der einzelnen Kelch-Tafeln, 3. Rhomboporita oder Rhombifera, mit
Poren-Rauten an den Nähten der Kelch-Tafeln (25, pag. 64, 66). Als vierte Gruppe
würden die erst später entdeckten Haploporita anzufügen sein, mit einfachen
Kelch-Poren (8, pag. 412). Die meisten jüngeren Autoren folgten dieser Eintheilung
und fügten die später entdeckten Gattungen im jene Gruppen ein, so z. B. Zımren in
seinem „Handbuche“ (29, pag. 413). Erschüttert wurde diese herrschende Auffassung
erst 1887 durch Barrasoe (12, pag. 30—42); er zeigte: 1. dass bei nahe verwandten
3*+
20 Ernst HAECKEL [20
Oystoideen, ja selbst bei verschiedenen Arten einer Gattung (z. B. Aristocystis) die
Verhältnisse der Porosität sehr variabel sind, 2. dass bei vielen Cystoideen die Panzer-
Platten aus drei über einander liegenden Schichten bestehen; sowohl an der inneren
als an der äusseren Fläche findet sich eme solide, homogene, nicht poröse Deckschicht
(„Epiderme interne et externe“) und zwischen beiden liegt die dicke kompakte Kalk-
Tafel („Enveloppe solide“), welche meistens von Poren durchsetzt ist; 3. die Min-
dungen dieser Poren-Kanäle sind bald an der inneren, bald an der äusseren Fläche,
bald an beiden Flächen durch die Deekschicht geschlossen ; 4. die „Poren“ können
daher nicht die hohe physiologische Bedeutung besitzen, welche man ihnen zuschrieb,
in der irrthümlichen Annahme, dass sie sich nach innen und nach aussen öffneten,
gleich den ventralen „Kelehporen“ der Urimoideen.
Auf Grund dieser wichtigen und sehr sorgfältigen Beobachtungen von BarraxDE
wurde die Kritik der Poren weiter ausgeführt durch Neumayr (8, pag. 402, 406); er
betonte besonders, dass die Poren-Bildungen in den verschiedenen Gruppen eine sehr
ungleiche Bildung und Bedeutung besitzen, aber zur systematischen Eintheilung nicht
verwerthet werden können. Dagegen hat in neuester Zeit Orro Jarkern der Poren-
Bildung eine ganz hervorragende Bedeutung zugeschrieben und sie in enge Beziehung
zum Ambulacral-System gebracht; er nimmt an, dass die ganze Körperwand der
Cystoideen, als der ältesten Echinodermen , anfänglich porös war und Wasser
zur Speisung des Ambulacral-Systems eintreten liess; er vergleicht dieses „Hydrophoren-
System“ mit den „Hydrospiren“ der Blastoideen, den ventralen Kelch-Poren der
Crmoideen u. s. w. (49, pag. 115).
Meine eigenen Untersuchungen tiber die Poren der Amphorideen und Cystoideen
haben mich zu der Ansicht von Neumaryr geführt, und zu der Ueberzeugung, dass
dieselben weder in physiologischer noch in morphologischer Hinsicht die hohe Bedeu--
tung besitzen, die man ihnen irrthümlich zuschrieb. Dass gerade die Palaeontologen,
die sich vorzugsweise mit diesen Bildungen beschäftigten, dabei zu ganz irrthümlichen
und unhaltbaren Ansichten gelangten, erklärt sich theils aus ihrer unvollkommenen
Kenntniss der Skelet-Struktur der Echinodermen überhaupt, theils aus unbegründeter
Vergleichung dieser „„Kelch-Poren“ der Oystoideen mit den ganz davon verschiedenen
Poren-Bildungen anderer Echinodermen. Manche Palaeontologen halten noch heute an
der früher herrschenden Ansicht fest, dass der Panzer der ÜOystoideen, ebenso wie
derjenige der Echinideen, eine äussere „Schale‘ sei, die der eutieularen „Schale“ der
Mollusken und Urustaceen zu vergleichen sei. Glaubte doch selbst noch Barkaxpe, der
die feine Struktur des Oystoideen-Panzers so genau kannte, dass derselbe eime solche
iussere Schale darstelle und dass das darin verborgene „eigentliche Thier“ nur locker
mit ihr verbunden sei und sie theilweise verlassen könne. Dem gegenüber muss
stets die längst festgestellte Thatsache betont werden, dass alle Echinodermen-Skelete
ohne Ausnahme — innere Dermal-Skelete sind, entstanden durch Ablagerung
von kohlensaurem Kalk in der Lederhaut, ganz analog den Schuppen der Fische
und den Panzer-Platten der Reptilien. Ursprünglich sind alle diese Corium-Bildungen
noch von der Epidermis äusserlich bedeckt. Ebenso wenig als eine Schildkröte oder
21] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 21
ein Gürtelthier aus seiner „Schale“ herauskriechen kann, ebenso wenig ist dies den
Amphorideen und Uystoideen möglich.
Verhängnissvoll für die Auffassung der Poren bei den Ü'ystoideen war besonders
der Umstand, dass schon die ältesten Beobachter derselben sie mit den ambulacralen
Poren der Echinideen-,‚Schale“ verglichen; Echinus und Echinosphaera erschienen ihnen
als nächst verwandte Formen. Da die Poren bei den Zchinideen zum Austritte der
Fisschen dienen, glaubte man auch bei den Cystoideen ohne Weiteres dasselbe an-
nehmen zu können. Dieser Vergleich war aber eben so wenig berechtigt, wie
derjenige mit den dorsalen Haut-Poren der Asterideen, durch welche deren fingerförmige
Papular-Kiemen austreten. Wieder ganz anderer Art smd die ventralen Kelchporen
in der Kelehdecke der Ürinoideen, welche abgelösten Distal-Theilen von Stemkanälen
entsprechen. Man darf diese echten „Hydroporen“, welche hydrocölen Ursprungs
und entodermal sind, nicht mit den äusseren Dermoporen der Uystoideen vergleichen,
welche im Corium liegen und ganz verschiedenen (mesodermalen) Ursprung haben.
Die Litteratur iiber die Kelchporen der Cystoideen ist der umfangreichste und
detaillirteste Theil ihrer gesammten Morphologie und nach meiner Ueberzeugung
zugleich der werthloseste Theil derselben. Die Verwirrung und die Widersprüche,
welche sich sowohl m der Beschreibung als in der Deutung der Poren finden, sind
so gross, dass es heute noch unmöglich ist, sich davon ein klares Bild zu machen.
Es gehört zu den dringendsten Aufgaben in der weiteren Erforschung dieser ältesten
Echinodermen, dass mit Hülfe der neueren Untersuchungs-Methoden (besonders von
vertikalen und horizontalen Schlitfen) zunächst die anatomischen und histologischen
Verhältnisse genau festgestellt und verglichen werden, besonders das Verhalten der
Poren-Kanäle zu der inneren und äusseren Deekschicht der Tateln. Soweit ich selbst
im Stande war, mir Klarheit darüber zu verschaffen, bin ich zu folgenden Schlüssen
gelanst:
1. Simmtliche Thecal-Poren der Amphorideen und Cystoideen — eben sowohl
die einfachen Poren-Kanäle in den Panzer-Platten, als die „Doppel-Poren“ einzelner
Gruppen, und die „Poren-Rauten‘ der Mehrzahl, — sind Hohlräume des Tegumentes,
welche dasselbe nicht vollständig durchsetzen.
2. Niemals durchbrechen diese dermalen Poren-Kanäle vollständig die Leibes-
wand, so dass sie eine direkte Verbindung zwischen dem umgebenden Seewasser und
der inneren Leibeshöhle vermitteln könnten.
3. Niemals stehen die dermalen Poren-Kanäle in einer direkten morpholo-
gischen oder physiologischen Beziehung zum Ambulacral-System oder zu dessen
Ursprungs-Organ, dem Hydrocoel; insbesondere sind sie nicht gleichwerthig den
„ventralen Kelch-Poren“ in der Kelehdecke der Crinoideen. Auch zeigen die Gruppen
der Poren-Kanäle niemals eine radiale Anordnung und eine gesetzmässige Beziehung
zum Anthodium.
4. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass ein grosser Theil dieser Poren-
Kanäle im lebenden Thiere mit unverkalktem Bindegewebe erfüllt und von ermäh-
renden Blutgefässen durchzogen war, ähnlich den „Haversischen Kanälen“ in den
29 Ernst HAECKEL [22
Knochen und Panzer-Platten der Wirbelthiere; dies gilt namentlich von den „Poren-
Rauten“, und von den „einfachen Poren-Kanälen“, welche regellos vertheilt in grosser
Zahl die dieken Panzer-Platten von Aristocystis, Craterina u. A. durchziehen, gerade
oder gebogen von der inneren zur äusseren Fläche aufsteigend.
5. Ein anderer Theil dieser Poren-Kanäle hat vielleicht sich direkt nach
aussen geöffnet, partiellen Eintritt von Wasser in das Tegument gestattet und somit
die Respiration vermittelt (— wie vielfach angenommen wird —); oder es haben
sich an der Oberfläche der Haut diünnhäutige (einem Handschuhfinger ähnliche)
Papular-Kiemen erhoben, die aussen von Seewasser umspült waren, imnen aber Blut
aus dem Corium zugeführt erhielten. Vielleicht standen derartige Kiemenschläuche,
ähnlich denjenigen der Asterideen, paarweise auf den „Doppel-Poren“, welche
zahlreich in Grübehen oder auf Wärzchen der Tafeln mehrerer Familien sich finden
(Viele Pomocystiden, Fungocystiden, ein Theil der Agelacystiden u. A.)
6. Die sogenannten „Poren-Rauten‘“, welche der Mehrzahl der Amphorideen
und Cystoideen zukommen, deuten schon durch ihre Vertheilung und Lage an den
Verbindungs-Nähten der Panzer-Platten darauf hin, dass sie diesen ernährende Blutge-
fässe zuführten; denn in diesen Nähten findet das Wachsthum der Tafeln statt, wie
es oft die konzentrischen Anwachs-Linien deutlich zeigen. Die parallelen Rauten-
Kanäle stehen senkrecht auf der Sutur zwischen je zwei Platten; wenn sie kurz und
von gleicher Länge sind, erscheint die Sutur als ein quergestreiftes Band (z. D.
Palaeocystis, Taf. I, Fig. 5B); wenn dagegen die Kanäle in der Mitte der Naht am
längsten sind und nach beiden Enden derselben gleichmässig an Länge abnehmen,
bilden sie zusammen die charakteristische Rhomben-Figur. „Jeder Kanal schloss
wahrscheinlich ein Blutgefäss ein, welches an beiden Enden des Röhrchens in das
Bindegewebe eintrat, das die Oberfläche der Tafel bekleidete.
7. Indessen ist es auch möglich, dass ein Theil der Naht-Kanäle in den
„„Poren-Rauten“ bloss Bänder einschloss, welche quer über die Sutur von einer Platte
zur andern gingen — bei beweglichen Panzern vielleicht auch kleine Hautmuskeln,
welche eime geringe Verschiebung der Platten ermöglichten (wie bei der Aseidie
Chelyosoma, Taf. V, Fig. 8). Bei manchen älteren Amphorideen und Cystoideen
sehen solche Suturen wie die groben Nähte von zwei Kleider-Lappen oder Leder-
Platten aus, die locker zusammengenäht sind, z. B. Lichenoeystis (Taf. IV, Fig. 22).
8. Die „Poren-Rauten‘ der Oystoideen sind keineswegs eine besondere, nur
dieser Klasse zukommenden Einrichtung, wie früher allgemein behauptet: wurde; sie
dürfen daher auch nicht zur Charakteristik dieser Klasse und zu ihrer Trennung von
den Crinoideen benützt werden. Schon Nevmayr (8) und Lane (5, pag. 977) haben
darauf aufmerksam gemacht, dass ganz dieselben Bildungen auch bei vielen älteren
Orinoideen und Echinideen vorkommen, besonders bei jugendlichen Formen und im
Apical-Theil des Kelches. Wacusmuru und Springer (22) haben dieselben bei mehreren
Palacriniden als tiefsehende parallele Schlitze oder Porenkanäle der Tafeln beschrieben,
welche ganz denjenigen der Öystoideen gleichen; bei Oyathoerinus fanden sie dieselben
nur in den älteren silurischen Species ausgebildet, nicht in den jüngeren, devonischen
23] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 23
PB]
und carbonischen Arten (22, I, pag. 84). Die unübertreflich schönen und naturge-
treuen Abbildungen, welche Anders (13) von zahlreichen silurischen Amphorideen,
Cystoiden und Orinoideen gegeben hat, beweisen überzeugend, dass die stufen-
weise Entwickelung der Poren-Rauten in mehreren Familien aller drei Klassen in
ganz analoger Weise polyphyletisch sich vollzogen hat. (Vergl. z. B. von den Am-
phorideen Echinosphaera und Caryocystis, 13, Tab. 14; von den Cystoideen
Sycoeystis (= Echinoencrinus, Tab. 13), von den Orinoideen Crotaloerinus, Tab. 7,
8, 17, ete., Corymboerinus, Tab. 9, Marsupioerinus, Tab. 10 u. s. w.) Ja sogar die-
selbe charakteristische Ausbildung von „Poren-Triangeln“, welche einige Cystoideen
in den Knoten-Punkten von je drei zusammenstossenden Tafeln zeigen, kehrt im
einigen Crinoideen wieder (z. B. Euerinus, Tab. 10, Meloerinus und Abacoerinus, 13,
Tab. 7 und 23). Und doch hat man trotzdem bis im die neueste Zeit die Palacrinide
Porocrinus zu den Cystoideen gestellt und von dem sonst gleichgebauten Poterioerinus
getrennt — bloss weil die erstere in den Knotenpunkten zwischen je drei Kelchtafeln
eine winzige dreieckige Ergänzungstafel mit „Poren-Rauten‘“ zeigte, die letztere da-
gegen nicht. Ueberhaupt ist es auffallend, dass die meisten Palaeontologen den
Poren-Rauten der Crinoideen gar keine oder nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt
haben, während sie denselben Bildungen bei den Cystoideen den höchsten morpho-
logischen und systematischen Werth beilesten. Diese befremdende Thatsache erklärt
sich zum Theil wohl durch die falsche Deutung dieser Tegument-Bildungen, zum
Theil dadurch, dass die Aufmerksamkeit und das Interesse der Palaeontologen bei
den Orinoideen durch andere Verhältnisse gefesselt war, vor Allem durch die Zahl
und Anordnung der Tafeln im Kelche, durch die Bildung der Arme u. s. w. Bei
den einfacher gebauten Oystoideen war dies nicht der Fall. In der Klasse der Behin-
ideen kommen dieselben Poren-Rauten seltener vor (bei Palechiniden, Saleniden u. A.);
bier hat Niemand darauf irgend welchen Werth gelegt.
9. Die Kamm-Rauten (Pectinirhombi — „FPeetinated rhombs“ —) sind eigen-
thümliche Bildungen der Theca, welche nur in der einen Familie der Callocystida
allgemein verbreitet vorkommen, bei den @/yptocystida in emigen Gattungen; unter
den alten und weit entfernten Anomoeystida scheint sie nur das Genus Pleurocystis
zu besitzen (?). Die Kamm-Rauten haben äusserlich grosse Aehnlichkeit mit „‚Poren-
Rauten‘“ und werden gewöhnlich von diesen nicht getrennt; auch ist es möglich, dass
sie durch weitere Entwiekelung aus letzteren hervorgegangen sind. Es ist aber auch
möglich, dass diese Aehnlichkeit auf Konvergenz beruht, und nicht auf einem phy-
logenetischen Zusammenhang der beiderlei Bildungen. Die Cystoideen, bei denen
Kamm-Rauten vorkommen, sind sämmtlich Megaplacten, mit einer geringen Zahl
von grossen Panzer-Platten ausgestattet ; meistens zeigen sie nur drei Peetinirhomben,
an ganz bestimmten und konstanten Stellen: ein paar adanale hinten zu beiden
Seiten des Afters, und eine unpaare frontal-basale unten vorn, dem After gegenüber.
Die physiologische Deutung dieser eigenthümlichen Gebilde ist unsicher; wahrschein-
lich fungirten sie als Madreporiten. Das Nähere darüber unten bei den Callocystiden.
24 Erxst HAECKEL [24
Malacom der Amphorideen.
Die Organisation des Weichkörpers, und namentlich des maassgebenden Ambu-
lacral-Systems, lässt sich bei den palaeozoischen Amphorideen nur insoweit annähernd
erkennen, als uns einerseits die vergleichende Morphologie ihrer fossilen Skelete,
anderseits die vergleichende Anatomie und Ontogenie der übrigen Eehinodermen,
dafür unvollkommene Anhaltspunkte liefern. Immerhin halte ich diese Erkenntniss-
(Quellen für so bedeutungsvoll, dass ich mir daraufhin folgende hypothetische
Vorstellungen vom Bau des Malacoms in den vier verschiedenen Familien der
Amphorideen gebildet habe: (vergl. hierzu Tat. V.)
1. Tegument-System. Die Hautdecke aller Amphorideen bestand, wie bei
den übrigen Echinodermen, aus zwei verschiedenen Schichten, Oberhaut und Leder-
haut. Die Oberhaut (Epidermis) oder das „äussere Körper-Epithel“ iberzog die
gesammte Oberfläche des Körpers und aller seiner Anhänge als eine einfache Zellen-
schicht; diese war aus dem Exoderm der Larve hervorgegangen und auf einem grossen
Theile der Oberfläche mit Flimmer-Haaren bedeckt (— bei den Eoeystiden vielleicht
überall —). Die Lederhaut (Corium vel Cutis), unmittelbar unter der Epidermis
gelegen, war dagegen aus dem Mesoderm (bezüglich dem Mesenchym) der Larve
entstanden und bildete eme dicke Bindegewebs-Lage, innerhalb deren sämmtliche
Skelet-Theile erzeugt wurden.
2. Subvektiv-System. Der besondere Theil des Tegumentes, welcher als
Subvektiv- oder Epineural-System in der Morphologie und Physiologie der Echino-
dermen eine so wichtige Rolle spielt, erscheint bei den Amphorideen weit unbedeu-
tender als bei den Anthodiaten. Da das „Anthodium“ oder die „Ambulacral-
Rosette‘ der letzteren den ersteren noch gänzlich fehlte, waren auch „Subvektoren‘
oder perradiale Zufuhr-Rinnen an der Theca nicht vorhanden. Vielmehr beschränkte
sich ihr Subvektiv-System auf die Ausbildung von Flimmer-Rinnen an der Ventral-
Seite der Tentakeln (bei den Eocystiden und Aristocystiden) oder der Brachiolen (bei
den Anomoeystiden und Palaeocystiden); diese „Subvektakeln“ führten direkt zur
Mundöftnung und vermittelten deren Nahrungs- Zufuhr.
3. Muskel-System. Da die Ausbildung des Muskel-Systems stets in Kor-
relation zu derjenigen des Skelets steht, werden sich die vier Familien der Ampho-
rideen darin ziemlich verschieden verhalten haben. Die Eocystiden, deren bewegliche
Lederhaut nur ein unzusammenhängendes Spieular-Skelet enthielt, besassen noch die
ursprüngliche, durch Vererbung übertragene Muskulatur ihrer Vermalien- Ahnen,
einen „subkutanen Hautmuskelschlauch“, der aus einer äusseren Ringmuskel-Schicht
und einer inneren Längmuskel-Schicht bestand. Ihr diekes kontraktiles Perisom wird
in ähnlicher Weise wie bei den Holothurien und bei vielen Wurmthieren beweglich
gewesen sein. In den drei iibrigen Familien hingegen, wo sich im Corium ein festes
und zusammenhängendes Tabular-Skelet entwickelte, wird sich die darunter gelegene
Muskulatur im grössten Theile des Perisoms rückgebildet haben, um so stärker
[89]
5] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 25
entwickelt dagegen an denjenigen Theilen, welche beweglich blieben, an den circo
ralen Tentakeln und an dem aboralen Stiel oder Schwanz.
4. Nerven-System. Entsprechend der niedrigen Bildungsstufe, auf welcher
das centrale Nerven-System bei den Echinodermen überhaupt stehen bleibt, wird es
auch bei deren niedersten und ältesten Klasse eme höchst primitive Bildung besessen
haben. Es bestand wahrscheinlich bei allen Amphorideen aus einem eircoralen
Nervenring, welcher seine ursprüngliche superficiale Lage m der Epidermis
des Mundfeldes beibehielt (wie bei den Orinoideen und Asterideen). Von diesem runden,
den Mund eng umschliessenden Nervenrimg gingen periphere Nervenfäden an die
verschiedenen Körpertheile ab. Es fehlten aber den Amphorideen noch ganz die
Prinzipal-Nerven, welche allen iibrigen Echinodermen zukommen, d. h. jene
perradialen Hauptstämme, welche zwischen den ambulaeralen Prinzipal-Kanälen und
den oberflächlichen Subvektoren in der Körperwand aller Anthodiaten verlaufen.
Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass die ursprüngliche bilaterale Anordnung
der peripheren Nerven, welche die Amphorideen von ihren Vermalien-Ahnen durch
Vererbung erhalten hatten, bei den meisten (oder allen?) Gliedern dieser Klasse
noch fortbestand. Sicher möchten wir dies für die älteren Amphoralien annehmen,
die bilateralen Eocystiden und Anomoeystiden ; hier werden noch, wie bei den meisten
Wurmthieren, ein paar longitudinale laterale Nervenstimme vom Schlundring an das
Perisom gegangen sein; bei den Anomocystiden verliefen sie wahrschemlich im der
weichen Marginal-Haut, zwischen Ricken-Panzer und Bauch-Panzer. Aber auch bei
den jüngeren Amphoronien (Aröstocystiden und Palaeoeystiden), wo die bilaterale
Theca sich bereits durch Anpassung an festsitzende Lebensweise in eine monaxone
verwandelt hatte, dürften sich diese paarigen Lateral-Nerven noch erhalten haben ;
auch ihnen fehlten noch die perradialen Prinzipal-Nerven, welche mit den Ambulacren
erst bei den Cystoideen zur Ausbildung gelangten. Dagegen dürfen wir als sicher
annehmen, dass bei allen Amphorideen — ebenso wie bei allen (ystoideen — vom
Nervenring nach vorn besondere Tentakel-Nerven abgingen und au der Oral-Fläche
der Tentakeln bis zu deren Spitze verlieten.
5. Sensillen-System. Als besondere Sinnes-Organe können wir bei allen
Amphorideen die eircoralen Tentakeln betrachten, welche im verschiedener Zahl
den Mund umgaben: 2 bei Amphoraea und den Anomocystiden, 3 bei Eocystis und
Arachnoeystis, 4 bei Comaroeystis, 5 bei Pentactaea, Echinosphaera und Palaeoeystis,
mehr als 5 bei vielen anderen Gattungen (15 bei Protamphora und Acanthoeystis,
25 bei Palamphora und Archaeoeystis, u. s. w.). Bei den zahlreichen Gattungen der
Aristocystiden lässt sich die Zahl der Oral-Tentakeln nicht bestimmen, da sie hier
zart und weichhäutig blieben, wie bei den Kocystiden, den Holothurien und den Hel-
minthen (Bryozoen, Rotatorien). In den beiden Familien der Anomoeystiden und
Palaeocystiden hingegen sind dieselben wohl erhalten, da die vergrösserten Tentakeln
Kalk in ihrer Dorsal-Wand ablagerten und sich so in gegliederte Mundarme oder
3rachiolen verwandelten. Da sich hier bisweilen (z. B. bei Pleurocystis und
Araehmoeystis) eine Subvektiv-Rinne und als deren Einfassung eine Doppelreihe von
Festschrift für Gegenbaur. 4
26 Ernst HAcCcKEL [26
Saumplättchen an der Ventral-Seite der Brachiolen deutlich erkennen lässt, ähnlich
wie bei den Crinoideen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die Tentakeln getiedert
oder verzweigt waren, ähnlich wie bei dendrochiroten Holothurien. In emigen Gat-
tungen tragen die gefiederten Brachiolen sogar entwickelte Seiten-Zweige, gleich den
Pinnulae der Crimoideen, und hier werden wahrscheinlich zahlreiche kleine Tentakeln
dritter und höherer Ordnung von den Aesten sich erhoben haben. Die tetranemale
Comarocystis hat solche gegliederte Pinnulae sehr deutlich konservirt. Der Bau
aller dieser Oral-Tentakeln wird ähnlich wie bei den nächstverwandten Holothurien
gewesen sein; ihr exodermaler Ueberzug wird theilweise ein difterenzirtes Sinnes-
Epithel gewesen sein, während die innere Höhle, als Fortsatz des Hydrocoels, eine
entodermale Auskleidung von Flimmer-Epithel besass.
6. Darm-System. Vom Darmkanal der Amphorideen smd allgemein die
beiden Oeffnungen an der fossilen Theca erhalten, der centrale Mund und der ex-
centrische After (S. oben page. 16), Gewöhnlich liegen dieselben nicht weit von
einander; wir können daraus schliessen, dass das Darmrohr eme hufeisenförmige
Biesung gemacht hat, wie bei vielen festsitzenden Helminthen (Bryozoen, Brachiopoden
und anderen Pleuropygiern); bei grösseren Formen verlief der Darmkanal vielleicht
in emer oder mehreren Spiral-Windungen, wie bei vielen Urimoideen und Echönideen.
Im Uebrigen dürfte der Darmkanal der meisten Amphorideen eine ziemlich einfache
Beschaffenheit gehabt haben, wie bei den Holothurien. Vermuthlich simd die drei
ursprünglichen Abschnitte desselben, der exodermale Vorderdarm (Schlund), der
entodermale Mitteldarm (Magen) und der entodermale Hinterdarm (Dünndarm)
theilweise deutlich erhalten geblieben. Das dorsale Mesenterium, welches
ursprünglich bei allen Astrolarven das Darmrohr am Perisom befestigt und die beiden
Coelomtasehen trennt, hat vielleicht bei den älteren Amphorideen noch sehr primitive
3ildungs-Verhältnisse gezeigt, während es bei den jüngeren Formen, den Windungen
des verlängerten Enteron folgend, komplizirte Drehungen und Lage-Veränderungen
annahm, ähnlich wie bei Holothurien, Crmoideen, Echinideen u. s. w.
7. Coelom-System. Die geräumige Leibeshöhle, welche wir im der
Theca aller Amphorideen finden, ist sicher zum grössten Theile von zwei volummösen
Organen erfüllt gewesen, dem Darmrohr und den Geschlechts-Drüsen. Der übrige
Theil derselben dürfte mit demselben Fluidum (— einer Mischung von Seewasser
und Blut? —) ausgefüllt gewesen sein, wie bei den übrigen Eehinodermen. Wie.
bei diesen, ist sicher das Coelom aus ein paar lateralen Enterocoel- Säcken entstanden,
welche den hinteren Abschnitt der beiden primären, aus dem Mitteldarm hervor-
gewachsenen Coelom-Taschen darstellten, deren vorderer Abschnitt die beiden Hydro-
eoel-Säcke lieferte. Vielleicht wird auch das ventrale Mesenterium, als mediane
Scheidewand zwischen beiden Säcken, gegenüber dem dorsalen Gekröse, theilweise
erhalten geblieben sein. Im Uebrigen wird sich die spätere Leibeshöhle als „Mega-
coel“ bei den Amphorideen wohl ganz einfach verhalten haben, ähnlich wie bei
den Holotlanien; insbesondere fehlten die komplizirten Sinus-Bildungen, welche als
separirte Kammern des sekundären Ooelom bei den höheren Eehmodermen (Pentorehonien)
27] AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 27
eine so grosse Rolle spielen; sicher fehlte der Paraxon-Sinus, ebenso wie die Paraxon-
Drüse und der damit verbundene ringförmige Genital-Sinus.
8. Blutgefäss-System. Das eigenthümliche System von „wandungslosen
Konnektiv-Lakunen“ oder von „bluterfüllten, netzartig verbundenen Hohl-
räumen im Bindegewebe“, welches neuerdings für alle Echinodermen als „absolut
charakteristisch“ gilt (5, pag. 1040), ist vermuthlich schon bei der Stammgruppe der
Amphorideen allgemein vorhanden gewesen. Ich deute als solche Blutgetässe
die „Poren-Kanäle“ ın den Tafeln der Theca, über deren anatomisches Verhalten
und physiologische Bedeutung die Ansichten so weit aus emander gehen (Vergl.
oben pag. 21). Insbesondere glaube ich, dass die „einfachen Poren-Kanäle“ in der
dieken Schale der FPirocystiden, die „hauten-Kanäle* in den Poren-Rauten der
Oroeystiden und Palaeocystiden nichts Anderes waren als ernährende Blutgefässe des
Corium; besonders scheint mir das Verhalten der Rauten-Kanäle zu den Suturen
zwischen den benachbarten Panzer-Platten (— im welchen deren Wachsthum statt-
findet! —) zu Gunsten jener Annahme zu sprechen. Ausserdem haben wahrschemlich
alle Amphorideen, gleich den nächstverwandten Holothurien, zwei grosse Darm-
gefässe besessen, em dorsales und ein ventrales, — uralte Erbstücke von den
praecambrischen Vermalien-Ahnen.
9. Genital-System. Die vergleichende Anatomie der Amphorideen und
der übrigen Echimodermen gestattet uns die sichere Annahme, dass die Amphori-
den Monorchonien waren, gleich den Cystoiden und Holothurien. Da die
Pentaradial-Struktur in dieser ältesten Echinodermen-Rlasse überhaupt noch nicht
ausgebildet und an ihrer fossilen Theca keine Spur derselben zu finden ist, so
erscheint die Möglichkeit, dass die Amphorideen fünf Gonaden besassen (gleich den
den Pentorchonien) für uns ganz ausgeschlossen. Sicher waren nur ein Paar Gonaden
vorhanden, wie bei den Holothurien und bei den Helminthen-Ahnen, und dem
entsprechend fehlte auch die Paraxon-Drüse der Pentorchonien, jenes räthselhafte
„Axial-Organ oder Dorsal-Organ“ der höheren Echinodermen, welches nach unserer
Ansicht aus dem Gonaden-Stamm der Monorchonien durch Arbeitswechsel entstan-
den ist. Wahrscheinlich besassen die Gonaden bei allen Amphorideen eine sehr einfache
Bildung; sie lagen als ein Paar laterale Schläuche, oder meistens wohl verästelte oder
traubenförmige Drüsen, m den beiden Seitenhälften der Leibeshöhle, getrennt durch
das «dorsale Mesenterium, in welchem ihr gemeinsamer Ausführgang eingeschlossen
war und aufsteigend zum Tegument verlief. Hier mindete der Gonoduetus nach aussen
durch den Gonoporus, die einfache unpaare Geschlechtsöffnung, welche bei den meisten
Amphorideen zwischen Mund und After zu finden ist, meistens etwas links (seltener
rechts) von der ventralen Mittellinie. Doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
dass bisweilen (oder allgemein?) der Geschlechtsleiter sich in den Enddarm öffnete
(„Kloake“), und dass jene sogenannte „dritte“ Oeffnung der Hydroporus war.
(Zur Erläuterung der vorstehenden hypothetischen Darstellung des Malacoms
vergl. Taf. V nebst Erklärung.)
4*
28 Ersst HAECKEL [28
Ambulacral-System der Amphorideen.
Das charakteristische Ambulacral-System der Echimodermen, welches diesem
ganzen Thier-Stamme seinen exklusiven Stempel aufdrückt, zeigt m der Klasse der
Amphorideen primitivere Bildungs - Verhältnisse, als in allen übrigen Klassen des
Stammes. Die typischen Ambulacra, d. h. die eigentlichen „Ambulacral-Felder“
mit ihrem zusammengesetzten Bau, fehlen hier noch vollständig, und somit auch die
radialen Prinzipal-Kanäle, welche in den Perradien der Theca verlaufen und deren
„Radiär-Form“ in erster Linie bestimmen. In keiner der vier Familien, welche wir
in der Amphorideen-Klasse unterscheiden, besteht irgend eine Andeutung von Radial-
Struktur der Theca. Wir müssen daher annehmen, dass das Ambulacral-System hier
noch auf jener primitiven Bildungs-Stufe stehen geblieben war, welche uns die ver-
gleichende Ontogenie vorübergehend m dem Pentactula-Stadium der lebenden
Echmodermen-Klassen nachweist; es war ein Hydrocireus oder „„Wassergefäss-Ring“*
um den Mund vorhanden, und Fühler-RKanäle, welche von diesem in die Mundfühler
singen; ferner ein Hydroductus oder „Stemkanal“, dessen imneres Ende asymmetrisch
in den Ringkanal mündete, dessen äusseres Ende auf der Oberfläche der Theca sich
direkt nach aussen öffnete. Diese letztere Oetinung, der Hydroporus, ist der
einzige Theil des Ambulacral - Systems der Amphorideen, von welchem ihre fossilen
Theca-Reste uns unmittelbar Kunde geben; alle übrigen Verhältnisse desselben miissen
wir aus der vergleichenden Anatomie und Ontogenie erschliessen. Die werthvollsten
Aufschlüsse geben uns dabei die Holothurien, die einzige noch lebende Echino-
dermen-Klasse, welche mit den Amphorideen und Cystoideen zu den Monorchonien
gehört. Von den beiden Oeflnungen, welche bei den Holothurien zwischen Mund und
After liegen (häufig zu einer verschmolzen), ist die vordere der Hydroporus, die
hintere der Gonoporus; wir dürfen schliessen, dass bei den nahe verwandten
Amphorideen diese beiden genau in derselben relativen Lage befindlichen Oeffnungen
auch die gleiche Bedeutung haben (Aristoeystis u. A.) Gewöhnlich liegt allerdings
zwischen Mund und After nur eine Oefinung; dann ist wahrschemlich die Genital-
Oetfnung entweder mit dem Hydroporus oder mit dem After vereinigt. Vielleicht
miindeten auch bei den meisten Amphorideen die Gonaden in den Enddarm und
dann dürfte die „dritte Oeflnung“ nur als Hydroporus zu deuten sein. Ueber das
Ambulacral-System der vier Familien ist noch Folgendes zu bemerken.
l. Das Ambulacral-System der bilateralen Anomocystiden (Taf. II,
Fig. 1-16) ist durchaus problematisch; man könnte vermuthen, dass es hier über-
haupt noch nicht selbstständig entwickelt war, oder dass es nur durch ein paar
laterale Hydrocoel-Kanäle vertreten war, welche um den Mund herum eimen huf-
eisenförmigen, hinten oflenen Bogen bildeten, vielleicht auch einen geschlossenen
Ring, von welchem em paar „Tentakel-Kanäle“ zu den beiden gegliederten,
antennenähnlichen Brachiolen gingen. Bei Pleuroeystis, wo die letzteren sehr stark
und ansehnlich entwickelt sind, scheinen sie ächten Brachiolen ähnlich gebaut zu
sein, mit zwei Reihen Saumplättchen an der Ventral-Seite; diese Gattung ist auch
39] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 2,9
durch drei dorsale Kamm-Rauten ausgezeichnet; die paarigen vorderen sind vielleicht
Madreporiten, die unpaare hintere dagegen „Genital-Porus“ (2).
II. Das Ambulacral-System der monaxonen Aristocystiden (Taf. II,
Fig. 17—28) ist kaum weniger unsicher, als dasjenige der bilateralen Anomocystiden;
auch hier fehlt das Anthodium. Als einzige Spur desselben könnte nur der Hydro-
porus gedeutet werden; aber dieser ist (— als „vierte Oeffnung der Theca‘“ —) nur
selten nachweisbar (bei Aristocystis); und auch dann ist seine Deutung unsicher.
ebenso bei
den Pirocystiden, wie bei den Oroeystiden — keinerlei Andeutung davon, dass etwa
Die Mundötfnung zeigt bei den zahlreichen Gattungen dieser Familie
Radial-Kanäle von ihr auf die Theca ausgegangen wären. Das pentaradiale
Anthodium, welches als „subtegminale Ambulaeral-Rosette“* von drei Gattungen dieser
Familien beschrieben wurde (Aristoeystis, Piroeystis und Craterina) gehört nicht zu
. diesen, sondern zu Glyptocystiden (s. unten). Thatsächlich ist an der fossilen T'heca
der Aristocystiden ebenso wenig eine Spur von radialem Körperbau und von einem
Ambulacral-System zu entdecken, als bei den äusserlich sehr ähnlichen Ascidien;
nur der Bau des Platten-Panzers bei den ersteren, sowie ihre nahen Beziehungen zu
Palaeoeystiden und Pomocystiden, haben zu der Annahme geführt, dass sie wirklich
Echinodermen seien. (Vergl. unten: „Hydrophora palmata“.)
III. Das Ambulacral-System der Palaeocystiden (Taf. I) ist an der Theca
dieser Familie ebenso wenig erkennbar, als in den beiden vorhergehenden Familien
der Amphorideen; allein hier treten zum ersten Male fossil erhaltene Brachiolen
auf, als skeletale „Arme‘‘, welche den Mund umgeben. Da der Bau dieser
gegliederten Mundarme demjenigen von manchen Cystoideen und Crinoideen gleicht,
da sich insbesondere an ihrer Ventral-Seite bisweilen eine Subvektiv-Rinne und eine
Einfassung von zwei Reihen klemer Saumplättchen erkennen lässt, so glauben wir
zu der Annahme berechtigt zu sein, dass unter dieser Rinne ein ambulacraler Arm-
Kanal verliet, und dass derselbe Aestchen an die (fossil nicht konservirten) Tentakel-
chen abgab, die von den Armen getragen wurden. Die „Mundarme“ waren hier ver-
muthlich auch schon durch einen geschlossenen Hydrocireus verbunden, der den
Mund umgab. Es fehlten aber noch vollständig die eigentlichen „Prinzipal-Kanäle“,
die „Radial-Kanäle* der Theca, welche von dem Mundringe centrifugal in aboraler
Direktion abgehen. Mit der Entstehung der letzteren bei den Pomocystiden und
Fungoeystiden beginnt erst der eigentliche Öystoideen-T'ypus, und damit das typische
Anthodium oder die „Ambulacral-Rosette‘* der Anthodiaten.
IV. Das Ambulacral-System der Eocystiden — und namentlich der
Amphoraeiden, als der gemeinsamen Stamm-Gruppe aller Echinodermen — ist uns,
da tossile Reste dieser ältesten Stamm-Familie fehlen, nur hypothetisch durch die
vergleichende Anatomie der übrigen Amphorideen zugänglich. Wir dürfen danach
vermuthen, dass bei den ältesten Eoeystiden dieses Organ-System noch nicht selbst-
ständig entwickelt, sondern durch em paar laterale Hydrocoel-Kanäle vertreten war,
welche als Exeretions-Drüsen fungirten und durch ein paar dorsale Hydroporen nach
aussen mündeten. Dann entsendeten dieselben jederseits emen Kanal in die beiden
30 Ernst HAECKEL [30
lateralen Tentakeln (wie bei den Anomoeystiden) und verbanden sich vor dem
Munde durch eine bogenförmige Anastomose. Später schloss sich dieser hufeisen-
förmige Bogen zu einem vollständigen Mundring, und num wuchsen von diesem auch
ambulacrale Kanäle in die sekundären Tentakeln hinem, welche sich zwischen den
beiden primären lateralen entwickelten. (Vergl. Taf. V.)
Erste Familie der Amphorideen:
Eocystida, E. Harorer.
Archaeocystida, E. HAECKEL, 1895, 50, pag. 4.
Protamphorida, E. HAECKEL, ibid. (Vergl. pag. 12).
Taf. V, Fig. 10—15.
Familien-Charakter: Amphorideen mit bilateraler Theca, ohne zusammen-
hängenden Platten-Panzer, mit dehnbarer Lederhaut, m welche zahlreiche isolirte
Kalkstückel eingelagert sein können. Dorsale und ventrale Seite des Körpers mehr
oder weniger verschieden. Mund am vorderen oder oberen Pole der Hauptaxe, von
kontraktilen Tentakeln umgeben, aber ohne skeletale Brachiolen.
Die Familie der Eoeystida (= Archaeocystida und Protamphorida) bildet
die hypothetische Stammgruppe der Amphorideen, und somit sämmt-
licher Eehinodermen. Wir müssen annehmen, dass diese wichtige Thiergruppe
während der cambrischen und präcambrischen Zeiträume durch zahlreiche verschiedene
Formen vertreten war und dass diese eine lange Reihe von verbindenden Zwischen-
formen zwischen den bilateralen Astrelminthen (— den Vermalien-Ahnen der Echmo-
dermen —) und den ältesten pentaradialen Formen des Stammes herstellten. Ob
aber unter den fossilen Eehinodermen-Resten sich Vertreter dieser palaeozoischen
Stammgruppe finden, ist sehr zweifelhaft; denn es ist m hohem Grade wahrschein-
lich, dass dieselben noch keinen zusammenhängenden, der Versteinerung fähigen
Platten-Panzer besassen, dass vielmehr ihre Skelet-Bildung sieh auf die Ablagerung
von kleinen isolirten Kalksticken in der Lederhaut beschränkte, wie bei den Holo-
thurien. Unter den bekannten Petrefacten könnte möglicherweise Lapilloeystis
fragilis hierher gehören, welche BarrANDE aus dem Cambrium von ÜOentral-Böhmen
beschrieben hat (12, pag. 182, Pl. 2, Fig. 27—30). Das Skelet dieses eiförmigen
Körpers, der 28 mm lang und 22 mm breit ist, besteht aus Tausenden von kleinen
polygonalen Kalkplättchen, welche unregelmässig geformt sind und ohne bestimmte
Ordnung locker m das Corium eingelagert zu sem scheinen.
Die Organisation dieser ausgestorbenen Stammgruppe und speziell ihrer ältesten
Stammform, der hypothetischen Amphoraea, lässt sich bis zu einem gewissen
Grade dureh Verwerthung der mancherlei Anhaltspunkte errathen, welche uns eimer-
31] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 31
seits die vergleichende Anatomie und Ontogenie der Echinodermen bietet, anderseits
ihre Palaeontologie und Systematik. Aber wir müssen gleich hinzufügen, dass die
dadurch erlangten Vorstellungen nur den Werth von provisorischen Hypo-
thesen haben, und dass sie natürlich abhängen von dem jeweiligen Zustande unserer
empirischen Kenntnisse und unseres philosophischen Schlussvermögens. Ich selbst
möchte die nothwendige Vorsicht hierbei um so mehr betonen, als ich meine
Anschaungen darüber im Laufe der Zeit mehrfach geändert habe. (Vergl. unten
die „Aphorismen“). Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei der Umstand, dass uns
die Organisation der fossilen Amphorideen nur sehr unvollständig bekannt ist, und
doch die Form in den einzelnen Familien beträchtliche Verschiedenheiten darbietet.
Die Anomocystiden haben mit gepanzerten Helminthen (oder selbst Crustaceen) —
die Aristocystiden mit getäfelten Ascidien grössere Aehnlichkeit als mit ächten Echino-
‘dermen; wenn nicht beide Familien durch konnektente Brückenformen mit den
Palaeoeystiden, und durch diese wieder mit den ältesten Cystoideen (Pomoeystiden)
verknüpft wären, würde man nicht berechtigt sein, sie überhaupt für wirkliche
Eehimodermen zu halten.
Die Pentactaea von Rıcnarp Semox, welche dieser scharfsinnige Natur-
forscher in seinen Studien über „Die Entwickelung der Synapta digitata und die
Stammesgeschichte der Eehinodermen‘“ (4) so klar definirt und als gemeinsame
hypothetische Stammform derselben erläutert hatte, halte ich auch heute noch als
solehe für bedeutungsvoll; ich habe auch m meiner „Vorläufigen Mittheilung‘“ (50)
mich 1895 dahin geäussert, dass ihre hypothetische Organisation derjenigen der
fossilen Amphorideen entspricht. Zugleich habe ich dort darauf hingewiesen, dass
dieser finfstrahligen Stammform wahrscheinlich ältere, dreistrahlige und zweiseitige
Formen vorausgegangen seien. Die fortgesetzte eingehende Untersuchung der
Amphorideen hat mich m dieser Auffassung bestärkt, und ich möchte jetzt an Stelle
der früher skizzirten Ahnen-Reihe eher die nachfolgende Stufenreihe (— jedoch nur
als heuristische Hypothese! —) in Vorschlag bringen:
I. Erste Stufe: Amphoraea (dinema), älteste Stammform der Echinodermen
im weiteren Sinne! Vertreter der zweiarmigen Eocystiden. Körper frei beweglich,
bilateral, im Ganzen den ältesten Anomocystiden ähnlich organısirt (Trigonoeystis,
Trochoeystis), aber mit lockerem Stückel-Skelet, ohne das feste Tafel-Skelet dieser
Familie. Bauchfläche und Rückenfläche waren an dem eiförmigen, bilateral-sym-
metrischen Körper dieser helminthoiden Stammform verschieden; Mund vom, After
hinten. Ueber dem Munde erhoben sich ein paar hohle Tentakeln, deren Hohlraum in
direkter Kommunikation mit ein paar lateralen Hydrocoel-Kanälen stand. Die letzteren,
als laterale Ausstülpungen des Mitteldarmes entstanden, und von diesem abgeschnürt,
fungirten als Exeretions-Organe nnd mündeten durch ein paar Hydroporen nach
aussen. Wahrscheinlich standen beide Hydrocoel-Röhren bereits durch einen trans-
versalen Bogen unter dem Schlunde in Verbindung. (Vergl. Taf. V, Fig. 10.)
I. Zweite Stufe: Eoeystis (trinema). Dreiarmige Eocystiden -Gruppe.
Zwischen den beiden lateralen Mundfühlern der Amphoraea entwickelt sich oben in der
oo
188)
Ernst HAECKEL [32
Mitte ein unpaarer dritter Fühler, der Frontal-Tentakel. Dieses trinemale Stadium
würde unter den gepanzerten Aristocystiden seme entsprechende Parallel-Stufe in
Arachnoeystis finden. Wahrschemlich war der Entstehung des dritten Tentakels
vorausgegangen die Anpassung am testsitzende Lebensweise (Anheftung des birn-
förmigen Körpers durch eimen aboralen Stiel oder Schwanz), sowie die Verwandlung
des subpharyngalen Hydrocoel-Bogens m emen geschlossenen eircoralen Ring
(Hydroeireus); dieser kam dadurch zu Stande, dass die beiden Schenkel des hufeisen-
förmigen, den Schlund unten umfassenden Hydrocoel-Bogens oben über demselben
zusammenwuchsen und anostomosirten. (Vergel. Taf. V, Fig. 11.)
Ill. Dritte Stufe: Pentactaea (pentanema). Fünfarmige Bocystiden.
Das dreiarmige Stadium der Eoeystiden geht in das fimfarmige über, indem die
beiden lateralen Tentakeln sich gabelförmig theilen; die Gabelung geht später bis
zur Basis derselben herab, die beiden Gabeläste jeder Seite werden selbstständig und
rücken auseinander. Dieser hypothetische Prozess findet seine reale Wiederholung
in der Familie der gepanzerten Palaeocystiden. Bei Echinosphaera, die wir von
trinemalen, Arachnoeystis ähnlichen Ahnen ableiten können, spalten sich die beiden
paarieen Brachiolen schon nahe dem Ursprung; bei Palaeoeystis sind die fünf so
entstandenen Arme selbstständig geworden und entspringen getrennt vom Mundrohr;
wir bezeichnen dann die beiden vorderen Seiten-Arme (zwischen denen vorn der
unpaare Frontal-Tentakel steht) als pectorale, die beiden hinteren als posterale (oder
paranale). Dass die fünf Primär-Tentakeln, die auf diese Weise entstanden
sind, den ersten Ausgangspunkt für die ganze weitere Pentanomie der Echinodermen
darstellen, dass von ihnen der fünfstrahlige Bau zunächst des Ambulaeral-Systems,
und weiterhin aller übrigen Organe veranlasst wird, ist im Sinne der Pentactaea-
Theorie jetzt wohl von den meisten Echinologen anerkannt. Besonders bemerkens-
werth erscheint mir die Analogie der hypothetischen Pentactaea mit der festsitzenden
pentanemalen Rotatorie Stephanoceros Bichhornü (Taf. V, Fig. 12). Der ausgezeichneten
Definition, welche Semox (4) von seiner Pentactaea-Stammform gegeben hat, stimme
ich in allen wesentlichen Punkten bei, und besonders in der Annahme, dass das
Ambulaeral-System derselben bloss aus dem cireoralen Hydrocoel-Ring bestand, aus
den fünf „Protentakel-Kanälen“, welche von diesen in die fünf Primär-Tentakeln
hinein gingen, und aus dem Hydroductus oder dem „primären Stemkanal“, welcher
im Dorsal-Mesenterium lag und mit dem inneren Ende im den Hydrocircus, mit dem
äusseren Ende durch den Hydroporus nach aussen mündete. Ergänzend wäre noch hinzu
zu fügen, dass der birnförmige, durch einen kurzen aboralen Stiel befestigte Körper
der Pentactaea asymmetrisch war, indem die Anheftung mit dem rechten Theile
der Riickenseite erfolgt war; die Mundscheibe mit dem pentanemalen Tentakel-Kranze
wird schief nach links gerichtet gewesen sein. Die geometrische Grundform der
Pentactaea zeigte demnach zum ersten Male jene eigenthümliche Verbindung von
bilateraler Asymmetrie und pentaradialer Form, welche für den grössten Theil des
Echinodermen-Stammes so charakteristisch ist. (Vergl. Tat. V, Fig. 12, 13.)
33] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 33
IV. Vierte Stufe: Palamphora (polynema). Vielarmige Eoeystiden.
Das pentanemale Stadium der Pentactaea geht in das polynemale der Palamphora
über, indem sich sekundäre Tentakeln zwischen den fünf primären vom Mundringe
aus entwickeln; im jeden Tentakel schickt der Hydrocireus einen blinden Ausläufer
hinein. Die vergleichende Ontogenie der Echinodermen zeigt uns, dass dieses Wachs-
thum der Tentakel-Zahl meistens gesetzmässig erfolgt. Wenn sich zwischen den
finf perradialen Primär-Tentakeln fünf interradiale sekundäre entwickeln, entsteht ein
Kranz von zehn Mundfühlern, wie ihn viele ältere Holothurien zeigen: Decamphora,
Wenn dagegen die fünf Primär-Tentakeln sich verlängern und an ihrer Basis paarige
Seiten-Aeste treiben, so entstehen Stadien mit 15 Tentakeln (Protamphora), mit 25
Tentakeln (Palamphora), mit zahlreichen (7 X 5 oder mehr) Mundfühlern. Diese
Bildungsstufen entsprechen denjenigen, die sich unter den ältesten Cystoideen, den
Pomoeystiden, wiederholen, wenn die fünf Primär-Tentakeln, in aboraler Direktion
auf die Theca wandernd, fünf perradiale Prinzipal-Kanäle bilden und diese paarweise
stehende, laterale Seitenäste treiben (Vergl. unten das System der Pomocystiden).
Die fossile Lapilloeystis fragilis aus dem böhmischen Cambrium hat wahrschemlich
15.)
Man kann die vier vorstehend aufgeführten Typen der Eocystiden, die
zur Gruppe der Palamphoriden gehört. (Vergl. Tat. V, Fig. 13
vermuthlich in der cambrischen und präcambrischen Zeit durch viele verschiedene Genera
und Species vertreten waren, als Vertreter von vier Subfamilien dieser Gruppe
betrachten, und diese wieder zu zwei Familien veremigen: Amphoraeida und Pen-
tactaeida. Die Familie der Amphoracida würde dann die dinemalen Amphorel-
lina (Amphoraea und Verwandte) umfassen, die Familie der Pentactacida dagegen
die trmemalen Eocvstellina (Zocystis), die pentanemalen Pentactellina (Fen-
tactaea) und die polynemalen Palamphorellina (Palamphora).
Zweite Familie der Amphorideen:
Anomoeystida, Woonwarn, 1880.
Anomalocystida, WOODWARD, 1880: 26, pag. 193, Pl. VI.
Pleurocystida, NEUMAYR, 1889; 8, pag. 413.
Pleuroeystida, BERNARD, 1895; 30, pag. 206.
Anomalocystida, ZirTeL, 1895; 7, pag. 156.
“Amomocystida, E. Harcker, 1895; 50, pag. 6.
Taf. II, Fig. 1—16.
Familien-Charakter: Amphorideen mit bilateraler, stark dorso-ventral
deprimirter Theca und zusammenhängendem Platten - Panzer; dorsaler und ventraler
Panzer mehr oder weniger verschieden, meistens durch einen Marginal-Gürtel getrennt.
Festschrift für Gegenbaur. v
34 Ernst HAECKEL 134
Mund am vorderen Pol der horizontalen Hauptaxe, auf der Bauchseite, mit ein paar
lateralen gegliederten Brachiolen (oder skeletalen Mundarmen).
Die Familie der Anomocystida (oder Pleuroeystida) umfasst eine Anzahl von
höchst merkwürdigen, theils cambrischen, theils silurischen Amphorideen , welche in
der äusseren Gestalt eher einer CUrustacee als einem Echinodermen gleichen ; that-
sächlich ist auch eine Gattung derselben (Placoeystis) von Wernerey als Crustacee
beschrieben worden. Wie bei diesen ist der Körper vollkommen bilateral gebaut,
mit eimer dorsalen und ventralen Kapselhälfte; vorm neben dem Munde sitzen em
paar Brachiolen, welche Antennen gleichen ; hinten sieht der gegliederte Stiel einem
Urustaceen-Schwanz ähnlich. Nach meiner Ansicht ist diese auftallende Uonvergenz
der Form nur durch gleichartige Anpassung an dieselbe Lebensweise erklärbar und
durch die Annahme, dass die Anomoeystiden — wenn auch in der Jugend mit dem
Stiel angeheftet — doch im Alter frei waren und sich kriechend (vielleicht selbst
schwimmend) auf dem Meeresboden fortbewegten ; dabei scheint der abgelöste Stiel als
Lokomotions - Organ — wie ein CUrustaceen- Schwanz — mitgewirkt zu haben. Die
Hauptaxe des Körpers lag dabei horizontal, wie bei den Holothurien; der Mund vorn.
Als besondere Familie der Öystoideen: Anomaloeystida, wurde diese interes-
sante Gruppe 1872 von Mexx aufgestellt und von Woonwarn 1880 genauer beschrieben
(26, page. 8). Die ältesten bekannten Formen stammen aus Nord-Amerika und wurden
von Biruıses als Pleurocystites (1854) und Ateleoeystitis (1858) beschrieben (15);
von Harn als Anomaloeystites (1859). Später gab Koxmer einer ähnlichen britischen
Form den Namen Placoeystites (1869). Endlich gab Barkanpe (1887) vortreftliche
Abbildungen von zwei älteren böhmischen Gattungen: Mitrocystites und Trochoeystites ;
eine dritte, von ihm Balanocystites genannte Form ist ungenügend bekannt. Ich
behalte hier diese sechs Gattungsnamen, als typische Vertreter der Familie, bei,
wenn ich sie auch theilweise etwas anders definire (und die Endieung ceystites durch
die kürzere und bessere cystis ersetze).
Die bilaterale Grundform, welche die Anomoeystiden auszeichnet, findet sich
allgemein in folgenden sechs Eigenthiimlichkeiten ausgesprochen: 1. die Theca ist
dorsoventral abgeplattet; die eine, untere Seite, welche bei dem kriechenden Thiere
auf dem Boden lag, ist plan oder konkav, die entgegengesetzte obere frei und konvex;
erstere kann als ventrale, letztere als dorsale Fläche unterschieden werden. 2. Die
horizontale Längsaxe der Theca, identisch mit der vertikalen Hauptaxe der übrigen
Amphorideen — ist dadurch bestimmt, dass an ihrem vorderen Ende (Oral-Pol) die
Mundötfnung liegt, am hinteren Ende (Aboral-Pol oder Caudal-Pol) der Ansatz des
Stieles (= Schwanz). 3. Demnach theilt eine ideale Median-Ebene, welche durch
diese horizontale Längsaxe und dureh die vertikale (Rücken und Bauch verbindende)
Sagittal-Axe gelegt wird, den Körper in zwei spiegelgleiche Hälften: rechtes und
linkes Antimer. 4. Die Symmetrie dieser beiden Antimeren ist niemals ganz voll-
kommen, sondern stets mehr oder minder gestört; meistens liegt eine grössere Oeffnung
(After?) asymmetrisch auf einer Seite. 5. Diese Asymmetrie ist gewöhnlich auch in
der bilateralen Anordnung der Panzerplatten angedeutet, indem einzelne links grösser
35] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 35
sind als rechts (oder umgekehrt). 6. Vorn am Munde liegen ein paar Brachiolen
oder gegliederte Mundärmehen, ähnlich einem Antennen-Paar; sie fanden sich wahr-
schemlich bei allen Anomoeystida, sind aber nicht überall fossil erhalten,
Die Theca der Anomoecystida ist allgemein dergestalt dorsoventral abge-
plattet, dass von den drei Richtaxen oder Euthynen die längste die horizontale
Hauptaxe ist, die kürzeste dagegen die vertikale Sagittalaxe; zwischen beiden
Euthynen in der Mitte steht die Transversal-Axe (mit rechtem und linkem Pol). Der
Umriss der abgeplatteten Panzerkapsel ist bald fast kreisrund oder herzförmig
(Trochoeystis), bald parabolisch oder abgestutzt ciförmig (Mitroeystis); elliptisch
(‚Anomoeystis) oder fast rechteckig (Ateloeystis); bimförmig (Placocystis) oder dreieckig
(Trigonoeystis, Pleuroeystis). Vorm ist der Stimrand bei den meisten Anomoeystiden
bogenförmig abgerundet; dagegen ist er breit abgestutzt bei Ateloeystis, zugespitzt bei
Pleuroeystis. Hinten ist der aborale Rand der Theca meistens mehr oder weniger tief
ausgeschnitten, besonders auf der Bauchseite.
Der Platten-Panzer der Theea ist bei allen Anomoeystiden auf der dorsalen
und ventralen Fläche verschieden, und zwar meistens sehr auffallend. Wir können
in dieser Beziehung drei Unterfamilien unterscheiden, von denen jede durch zwei
Gattungen repräsentirt ist: I. Subfamilie: Placocvstida: Die dorsalen und ventralen
Panzer sind nur wenig verschieden, beide in ähnlicher Weise aus gleichartigen Platten
zusammengesetzt: bei Trochocystis (Tat. II, Fig. 1—4) aus zahlreichen und kleinen
Tätelchen, ohne reguläre Anordnung; bei Placoeystis aus wenigen grossen Tafeln,
welche bilateral geordnet sind (Fig. 5—7). II. Subfamilie: Ateloeystida: Die Platten
sind auf der konvexen Rickenseite zahlreicher und kleiner als auf der ebenen oder
konkaven Bauchseite; sie sind zwar allgemein bilateral geordnet, aber bei Anomoeystis
theilweise asymmetrisch (Fig. 3, 9); bei Ateloeystis fast ganz symmetrisch (Fig. 10—12).
II. Subfamilie: Pleurocystida: Die Platten sind gerade umgekehrt differenzirt,
wie bei den vorigen; sie sind auf der konkaven Ventral-Seite zahlreicher und kleiner
als auf der konvexen Dorsalseite; bei Mitroeystis (Fig. 13, 14) ist diese Differenz noch
nicht so auffallend, wie bei Pleurocystis (Fig. 15, 16).
Die Struktur der Panzerplatten, welche meistens sehr dünn, aber fest zu sein
scheinen, zeigt in den sieben Gattungen der Familie ebenfalls Verschiedenheiten.
Sie sind sehr fein granulirt (oder porös?) bei Trochoeystis und Mitroeystis. Bei Placo-
cystis scheinen sie ganz glatt und homogen zu sein. Anomoecystis und Atelocystis
zeichnen sich durch sehr feine aber scharfe (uerstreifung der Tafeln aus. Pleuroeystis
endlich zeigt auf den grossen Dorsal-Tateln bald radiale Rippen und konzentrische
(den Nähten parallel laufende) Streifen, bald „Poren-Rauten“ oder rhombische Naht-
bänder, die sich ähnlich denjenigen der Palaeoeystiden verhalten.
Die Thecal-Ostien schemen in den Gattungen der Anomoeystiden auftallende
Verschiedenheiten bezüglich ihrer Zahl, Lage und Form darzubieten. ‚Jedoch ist ihre
Deutung meistens schwierig und sehr unsicher. Nur der Mund liegt überall vorn in
der Mitte, am Oral-Pol der Längsaxe, und zwar an der Ventral-Seite. Er ist weit
und rundlich bei Trochoeystis, dagegen sehr eng und klein bei Pleuroeystis; bei den
5*
36 Ernst HAECKEL [36
fünf übrigen Gattungen bildet er einen Querspalt, der namentlich bei Ateloeystis sehr
breit wird. Der grosse Mund von Mitrocystis scheint die Oeffnung eines ansehn-
lichen Sehlundrohres zu bilden, dessen Wand in (10—20) Längsfalten gelegt ist,
oder vielleicht aus Kalkplatten zusammengesetzt, ähnlich dem peripharyngalen
Kalkring der Holothurien. Unmittelbar nach aussen von den beiden Mundwinkeln
stehen rechts und links die paarigen Brachiolen.
Die After-Oeffnung scheint in ihrer Lage charakteristische Differenzen
darzubieten, die vielleicht als Genus-Charaktere zu verwerthen sind; doch müssen sie
noch näher untersucht werden. Bei Trochoeystis und den meisten übrigen Anomoeysti-
den scheint der After hinten am Bauche zu liegen, sonst Imks am hinteren 'Thecal-
Rande, neben der Schwanz-Wurzel. Bei Mitroeystis und besonders bei Pleuroeystis
tritt hier (hinten links) em besonderer „Aftersack* hervor, der an Dendroeystis
erinnert. Dagegen scheint bei Atelocystis der After in der Median-Linie des Rückens,
unmittelbar iiber der Schwanz-Wurzel zu liegen (?). (Vergl. oben pag. 16.)
Gonoporus und Hydroporus sind wahrscheinlich bei einigen Anomoeystiden
(wie bei den meisten Amphorideen ?) vereinigt, übrigens oft nicht sicher nachweisbar.
Bei Trochoeystis liegt eine „dritte Oetinung“ rechts neben dem Munde, bei Ateloeystis
in der Median-Linie des Riickens (in einer besonderen Geschlechts-Platte?), vor dem
After. Pleuroeystis (Taf. II, Fig. 15, 16) zeichnet sich durch den Besitz von drei
grossen Oeflnungen aus, welche von emem erhöhten ovalen oder rhombischen Rande
umgeben sind; sie scheinen durch ein paar schmale, fein quergestreifte Klappen ver-
schlossen werden zu können, und gleichen den Peetinirhomben der Calloeystiden.
(Vergl. pag. 23). Zwei von diesen drei Dorsal-Ostien liegen symmetrisch im Vor-
dertheil der Theca (hinter den Brachiolen), die dritte unpaare dagegen hinten,
schräg vor der Schwanzwurzel; erstere sind vielleicht Madreporiten, letztere der
Gonoporus. (?)
Die beiden Brachiolen oder „ÄAermehen“, welche zu beiden Seiten des
Mundes am Stirnrande stehen, kommen wahrscheinlich allen Anomoeystiden zu; da sie
aber leicht abbrechen und verloren gehen, sind sie bei einigen noch nicht gefunden
(bei den böhmischen Formen Trochoeystis und Mitrocystis). Sie gleichen in Lage und
Form den Antennen der Arthropoden. Am stärksten entwickelt smd sie bei Pleuroeystis
(Fig. 15, 16); sie sind hier länger als die Theca, gleichen einfachen Urmoideen-Armen
und sind aus einer sehr grossen Zahl von kurzen Gliedern zusammengesetzt, welche
in zwei alternirenden Reihen stehen (emer dorsalen und einer ventralen). Am inneren
(der Längsaxe des Thieres zugekehrten) Rande verläuft eine Armrinne („Ambulacral-
Rinne“), welche mit emer Doppelreihe von kleinen Saumplättchen emgefasst ist. Wahr-
scheimlich traten hier zahlreiche kleine Tentaken vor. Bei den meisten Anomo-
eystiden entspringen wahrschemlich die beiden Arme dicht bei einander, oberhalb
der kleinen Mundöffnung, wie bei Pleuroeystis. Bei Placoeystis und Atelocystis da-
gegen liegt der Mund als ein breiter Querspalt unterhalb des breiten, quer abge-
stutzten Stirnrandes, und die beiden lateralen Arme stehen weit auseinander, ein-
gelenkt an den beiden Ecken des letzteren (Fig. 1, 2, pag. 40).
AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. >
>
I
—
=]
Der Stiel oder die „Säule“ der Anomoeystiden — den wir in dieser Familie
wohl geradezu als „Schwanz“ bezeichnen dürfen, ist meistens ungefähr so lang als
der Körper und stets gegen das Ende hin stark verdünnt und zugespitzt. Bei
Pleurocystis ist er fast eylindrisch und dicht geringelt (Fig. 15, 16); bei Zrochocystis
schlank kegelförmig und zweizeilig (Fig. 3, 4). Bei den meisten übrigen Gattungen
ist der Schwanz im vorderen (proximalen) Theile breit und stark abgeplattet, im
Er diente
Trigonoeystis hat den Schwanz verloren.
hinteren (termmalen) Theile sehr dünn und schwach (Fig. 1, 2, pag. 40).
wahrscheinlich als Locomotions-Organ.
System der Anomocystida.
Il. Subfamilia:
Placoecystida, Hkl. Mund vorn zwischen zwei lateralen
Dorsal-Panzer und Ventral- Panzer Oeffnungen, eine kleinere links | 1. Trochoeystis
wenig verschieden, in ähnlicher (Hydroporus?) und eine grössere (Defence)
Weise aus gleichartigen Platten rechts (Gonoporus?). Panzer mit | Are
zusammengesetzt. (After hinten vielen kleinen Platten.
ventral?) Mund vorn ventral, daneben nur
eine laterale Oeflnung rechts. | 2. Trigonoeystis
Panzer mit vielen kleinen Platten. (brigona).
Schwanz fehlt ganz. |
Mund vorn zwischen ein paar late-
ralen Brachiolen. After hinten, | 3. Placoeystis
(Gonoporus dorsal?). Panzer mit (erustacen).
wenigen grossen Platten. |
II. Subfamilia:
Ateloeystida, Hkl. Mund vorn, rundlich, zwischen ein
Dorsal-Panzer aus einer grösseren paar dicht benachbarten Brachi- | 4. Anomoeystis
Zahl von kleineren Platten, Ven- olen. After hinten dorsal, hinter (cornuta).
tral-Panzer aus einer kleineren dem Gonoporus? |
Zahl von grösseren Platten zu- , Mund vorn, ein breiter Querspalt
sammengesetzt. (After hinten zwischen ein paar lateralen, weit | R :
dorsal ?) abstehenden Brachiolen. After | ” rue
hinten dorsal. Zwischen beiden (Gregenbauri):
ein dorsaler Gonoporus.
III. Subfamilia:
Pleuroeystida, Hkl. Mund vorn ventral (— ohne Brachi- e B
: - : : | 6. Mitroeystis
Dorsal-Panzer aus wenigen sehr olen?). After hinten links. (Gono- era)
grossen Platten, Ventral- Panzer porus rechts ?) | ae
aus sehr vielen kleinen Platten Mund vorn ventral, zwischen ein
zusammengesetzt. (After hinten paar starken lateralen Brachiolen.
links?) After hinten links? Dorsal drei | 7. Pleuroeystis
Oeffnungen: ein paar vordere (squamosa).
(Hydroporen?) und eine unpaare |
hintere (Gonoporus?)
38 Ernst HAECKEL [38
5. Genus: Trochoeystis, Barkaspe, 1859.
Trochocystites, BARRANDE, 12, pag. 185. Bullet. Societ. G&ol. France, 1859, tome XVI, pag. 516.
NaßsIaBies3,04:
Anomoeystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten wenig verschieden ist;
sowohl das konvexe dorsale als das konkave ventrale Schild ist aus sehr zahlreichen
kleinen Platten ohne bestimmte Ordnung zusammengesetzt. Margmal-Panzer aus
wenigen sehr grossen Randtafeln gebildet. Stiel schlank, zugespitzt, aus zwei alter-
nirenden Tatel-Reihen gebildet. Mund vorn in der Mitte (zwischen zwei Brachiolen?).
Neben dem Munde zwei ansehnliche Oeffnungen, rechts eine grössere (Gonoporus?),
links eine kleinere (Hydroporus?). (After hinten ventral ?)
Species typica: Trochocystis bohemica, Banane, 1859.
Trochocystites bohemicus, BARRANDE 12, pag. 188, Pl. 3, Pl. 4, II, Fig. 1—7.
Fundort: Cambrium von Böhmen, Frankreich und Spanien.
Das Genus Trochoeystis, welches im europäischen Cambrium ziemlich ver-
breitet vorkommt, kann unter den bekannten Anomoeystiden als die einfachste und
älteste Form angesehen werden. Die Tätelung des Panzers ist auf der dorsalen und
ventralen Seite nahezu gleich und besteht aus sehr zahlreichen kleinen Platten,
welche meistens hexagonal, von ziemlich gleicher Grösse und nicht deutlich m Reihen
eeordnet sind. Auf den Durchmesser kommen sowohl in longitudimaler als in trans-
versaler Richtung 12—16 Tafeln. Am Rande der kreisrunden oder herzförmigen
Kapsel werden das konvexe Rückenschild und das konkave Bauchschild durch einen
breiten lateralen Gürtel getrennt, welche aus 12 grossen Tafeln zu bestehen scheint.
Der schwanzähnliche Anhang oder „Stiel“, welcher vom Aboral-Pol der Kapsel
abgeht, ist aus zwei alternirenden Tafel-Reihen zusammengesetzt und spitzt sich von der
Wurzel bis zum Distal-Ende allmählich zu. An dem breiteren Oral-Pol liegen drei
Oeffnungen neben emander, von denen die mittlere (grösste) jedenfalls der Mund ist;
von den beiden anderen (seitlichen) ist die Imke wahrscheinlich der Hydroporus, die
rechte der Gonoporus. Der After dürfte hinten auf der Bauchseite liegen, am
Anfange der Schwanzwurzel. Brachiolen sind nieht erhalten. In einigen Figuren von
Barranpe (Pl. 3, Fig. 14—18, 21—22) springt am Munde vorn eine grössere
Mundplatte vor, und zu beiden Seiten derselben ein paar kleinere Plättchen, viel-
leicht die Basal-Platten von Mundfühlern ?
6. Genus: Trigonoeystis, E. Hazrcxer (nov. gen.).
Are UL, DRS Al, 2
Anomocystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten wenig verschieden ist;
sowohl das konvexe dorsale als das konkave ventrale Schild ist aus sehr zahlreichen
kleinen Platten unregelmässig zusammengesetzt. Marginal-Panzer aus wenigen grossen
39] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 39
Randtafeln gebildet. Stiel oder Schwanz fehlt. Mund vom in der Mitte, rechts
daneben eime zweite kleinere Oetfnung (Gonoporus?). (After hinten ventral?)
Species typica: Trigonocystis trigona, E. Harcker.
Trochocystites bohemicus, variet., BARRANDE, 12, pag. 188, Pl. 3, Fig. 29-38.
Fundort: Cambrium von Böhmen.
Das Genus Trigonocystis gründe ich für einige Formen von Anomocystiden,
welche von Barraspe sehr genau abgebildet, aber nur als Varietäten seines Trocho-
cystites bohemicus betrachtet wurden. Sie sind offenbar von letzterem generisch ver-
schieden, sowohl durch den Mangel des Schwanzes als durch die Abwesenheit einer
„dritten (linken) Oeflnung“ am Peristom. Vorn neben dem centralen Munde ist nur
rechts eine zweite Oetinung sichtbar, auf der Bauchseite, wahrscheinlich Gonoporus
und Hydroporus vereinigt. Der After schemt an dem spitzen Hinter-Ende zu liegen
und durch eine dreiklappige kleine Pyramide geschlossen zu sein (Fig. 2a). Dass
der Schwanz hier nicht zufällig abgefallen ist, sondern wirklich fehlt, ergiebt sich
aus der symmetrischen Form und Anordnung der Platten am spitzen Hinter-Ende.
Im Uebrigen ist die Täfelung am Ricken- und Bauch-Schild wenig verschieden,
ähnlich wie bei TZrochoeystis. Am Rande scheint auch hier der Gürtel der grossen
Marginal-Tafeln weit vom Rücken-Schild vorzuspringen und mit dem Bauch-Schilde
durch eime weiche Randhaut verbunden zu sem. Die von Barraxpe abgebildeten
Formen scheinen zwei verschiedenen Species anzugehören: I. Trigonoeystis trigona (12,
Pl. 3, Fig. 29—38) und II. Trigonoeystis ovalis (ibid. Fig. 23—28).
zo
7. Genus: Plaeoeystis, Koxıser, 1869.
Placoeystites, KoNIncK, 1869; Bulletin Acad@m. Bruxelles, Ser. II, Tom. 28, pag. 57.
Placoeystites (= Anomaloeystites), WOODWARD, 26, pag. 8, Pl. VI, Fig. 6—8.
Taf. II, Fig. 5—7.
Anomoeystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten wenig verschieden ist;
sowohl das konvexe dorsale als das konkave ventrale Schild ist aus einer geringen
Zahl von sehr grossen, bilateral-symmetrisch geordneten Platten zusammengesetzt. Stiel
dreieckig, von der breiten Wurzel gesen das dünne Distal-Ende stark verjüngt. Mund
vorn ventral, After hinten ventral (?), Gonoporus zwischen Beiden dorsal (?).
Species typica: Placoeystis erustacea, E. Hareker.
Anomalocystites balamoides, MEER, 1873; Geol. Surv. Obio, Pl. II, Vol. I, pag 41, Pl. 3—6.
Anoplura balamoides WETHERBY, 1879; Journ. Cincinnati Soc. Nat. Hist. Vol. II, No. 4, pag. 162,
BISVARSENS Sa le:
Ateleoeystites balanoides, WOODWARD, 1880, 32, pag. 8, Pl. VI, Fig. 6—15.
Fundort: Unter Silur von Nord-Amerika (Cincinnati).
Das Genus Placoeystis wurde ursprünglich von Koxiser (1869) für die-
jenige britische Anomoeystide gegründet, die wir hier, nach dem Vorgange von
o
40 Ernst HAECKEL [40
Woonwarn, als Ateloeystis Forbesiana aufführen. Wir behalten aber jenen Gattungs-
Namen bei für eine andere Form, welehe Woonwarn als Atelocystis balanoides auftührt
(32, page. 8, PL=VI, Bi26 28). Die ähnliche Form, welche daselbst (Fig. 9—15)
abgebildet ist und welche von Weirnersey als Urustacee beschrieben wurde
(Enoplura balanoides), scheint eine andere Species desselben Genus zu sem.
Vor den übrigen Anomoeystiden zeichnet sich diese Gattung dadurch aus,
dass der Körper auf beiden Seiten (oben und unten) mit einer geringen Zahl
von sehr grossen, bilateral geordneten Panzer-Platten belegt ist. Im der hinteren
Hälfte der eiförmigen Theca liegen auf der konvexen Rückseite 3 grosse Platten:
eine mediane siebeneckige (mit einer kleinen
Oetfnung) und ein paar laterale fünfeckige;
auf der konkaven Bauchseite 4 grosse drei-
eckige Platten: em paar mediale (hinten
tief ausgeschnitten) und ein paar laterale.
In der vorderen (unvollständig erhaltenen)
Hälfte der Kapsel liegen ebenfalls nur
wenige grosse Tafeln. Der dreieckige, einem
Orustaceen-Sechwanz ähnliche Stiel besteht
in der breiten Proximal-Hälfte aus sehr
kurzen und breiten, m der schmäleren
Distalhälfte aus längeren und schmalen Plat-
Fie. 1. Pig. 2.
: ten. Die Grundform von Placoeystis er-
Placoeystis erustacea (Restaurirt): n : 5 G N
N schemt fast vollkommen bilateral® eine
Fie 2 Ventral-Ansicht. o Mund, a After, g Gonoporus? leichte Störung der Symmetrie bedingt nur
eine eentrale Bauchplatte. Der After scheint
eine mediane Lage zu haben, in der hinteren Hälfte. Bei dem böhmischen Anomoeystis
ensifer, der wohl auch zu Placocystis gehört, stehen vorn ein paar gerliederte Brachi-
olen zu beiden Seiten des engen Mundes, (Unter-Silur, d 3, von Trubm, Anomalo-
., ‘ T (12 . /
eystites ensifer, Barranpe, 12, pag. 95, 7]. 5, IV, Fig. 1—4).
Ss. Genns: Anomoeystis, Harn, 1859.
Anomaloeystites, Haun, 19, Palaeontology of New-York, Vol. III, pag. 132.
War InakRie, 8,9.
Anomoeystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten sehr verschieden ist;
die polygonalen Platten bilateral geordnet, aber wenig ditferenzirt; auf der konvexen
Dorsalseite zahlreicher aber kleiner als auf der konkaven Ventral-Seite. Stiel zwei-
zeilig, am Thecal-Ende verdiekt. Beide Brachiolen nahe bei einander sitzend am
abgerundeten Stirnrande, iiber dem kleinen Munde. After median, hinter der
Anal-Platte auf der Dorsal-Seite (?).
41] AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 41
Species typica: Anomocystis cornuta, Harr.
Anomalocystites cormutus, Haır, 19, Vol. III, pag. 133, Pl. VII A, Fig. 5—7.
Fundort: Unter-Silur von Nord-America (Unter-Helderberg).
Das Genus Anomocystis und das nachfolgende Ateloeystis (—- beide öfter
verwechselt —) zeichnen sich vor den übrigen Anomocystiden dadurch aus, dass die
Panzer-Platten auf der konvexen Rückenseite zahlreicher und kleiner sind als auf der
konkaven oder ebenen Bauchseite. Man kann sie daher in einer besonderen Subfamilie
vereinigen: Atelocystida. Bei der älteren Anomocystis ist der Unterschied beider
Thecal-Flächen noch gering, bei der jüngeren Atelocystis schärfer ausgeprägt. Beide
Genera wurden fast gleichzeitig für zwei verschiedene silurische Formen aus Nord-
Amerika aufgestellt: Ateloeystites Huwleyi 1858 von Birumes (15, pag. 72) und Anomo-
cystites cornutus 1859 von Harr, (19, Vol. Il, pag. 1352). Spätere Autoren haben beide
(rattungen für identisch erklärt und die Beschreibung mehrerer neuer Arten hinzu-
sefügt (Vergl. Woopwarn, 26). Ich finde indessen bei genauer Vergleichung der
Beschreibung und der Abbildungen, welche beide amerikanische Autoren (und später
besonders Koxiner) gegeben haben, genügende Gründe, beide Genera aus einander
zu halten. Die Theca von Anomoeystis (sowohl Anomoecystis cornuta als Anomoeystis
disparilis) ist im Umriss fast eiförmig und vorn mit abgerundetem Frontal-Rand,
an welchem ein paar Brachiolen dieht neben emander über dem kleinen Munde
sitzen („joining the angles at the summit of the convex side“, Harz 19, pag. 133).
Dagegen ist die Kapsel von Atelocystis (sowohl Atelocystis Forbesii und Atelocystis
Huxleyi, als Ateloeystis Gegenbauri) im Umriss fast rechteckig, mit breitem quer
abeestutzten Frontal-Rand, an dessen beiden Ecken die beiden Aermehen weit
aus einander sitzen, über der breiten, eimen (Juerspalt bildenden Mundöttnung. Ein
weiterer Unterschied beider Genera besteht in der Täfelung ihres Platten-Panzers.
Die polygonalen Tafeln sind sowohl auf der dorsalen als auf der ventralen Fläche
bei Anomocystis an Grösse und Form weniger verschieden als bei Atelocystis; auch
liegen die beiden dorsalen Oetinunsen (Gonoporus und After) bei der letzteren weiter
vorn als bei der ersteren. Soweit aus der Abbildung der Anomocystis cornuta von
Harn zu ersehen ist, liegt hier der After ganz hinten, über der Schwanzwurzel, am
hintern Rande der Uaudal-Platte (Tat. II, Fig. Sa), der Gonoporus hmgegen am
vorderen Rande der letzteren.
). Genus: Ateloeystis, Bırrınas, 1858.
Ateleocystites, Bıtuıngs, 15, pag. 72, Pl. I, I.
Taf. II, Fig. 10—12.
Anomocystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten sehr verschieden ist;
die polygonalen Platten bilateral geordnet und stark differenzirt; auf der konvexen
Dorsalseite zahlreicher aber kleiner als auf der konkaven Ventral-Seite. Stiel zweizeilig,
Festschrift für Gegenbaur. 6
42 Ernst HAECKEL [42
an der Basis breit und flach, Mund ein breiter (Juerspalt zwischen den beiden
Brachiolen, welche auf den lateralen Ecken des breiten Stirnrandes weit von einander
sitzen. After median, in der Anal-Platte.
Species typica: Atelocystis Gegenbauri, E. Harerer, nov. spec. Taf. H, Fig. 12.
Fundort: Ober-Silur von England (Wenlock-Kalk von Dudley).
Das Genus Ateloeystis ist dem vorhergehenden Anomocystis nahe verwandt,
unterscheidet sich aber von ihm durch die bereits angeführten Merkmale. Dieselben
sind deutlich an den sorgfältigen Abbildungen zu erkennen, welche Woopwarn von
der obersilurischen Atelocystis Forbesiana (von Dudley) gegeben hat (32, pag. 5,
Pl. VI, Fig. 16—21). Ich finde fast dieselbe Täfelung, nur mit geringen spezifischen
Differenzen, bei der neuen Art, welche ich auf Taf. II, Fig. 12 abgebildet habe und
welche ich meinem Freunde GEGENBAUR zu Ehren benenne; sie stammt ebenfalls aus
dem obersilurischen Wenlock-Kalk von England.
Als venerische Eigenthümlichkeit von Atelocystis, gegenüber der älteren
te)
Ancmocystis, betrachte ich sowohl die stärkere Ditferenzirung des Platten-Panzers,
als die eigenthümliche Stirnbildung. Der Frontal-Rand der viereckigen Theca ist
sehr breit und fast gerade abgestutzt; die beiden schwachen Brachiolen stehen an
den beiden Eeken desselben, weit von einander entfernt (Fig. 12). Bei Anomocystis
dagesen stehen sie nahe beı einander auf der Mitte des abgerundeten Stirnrandes.
Der konkave Schwanz-Ausschnitt nimmt bei der letzteren fast den ganzen Hinterrand
der Theca ein, bei der ersteren kaum ein Drittel desselben.
Die Täfelung der Theca ist bei Atelocystis sowohl oben als unten viel mehr
difterenzirt. Auf dem konvexen Dorsalschild sind ungefähr 20 grosse Tafeln
streng symmetrisch geordnet, in fünf Längsreihen und vier (Juerreihen. Die äussere
marginale Längsreihe besteht jederseits aus drei langen Randplatten, die folgende
laterale aus vier, die unpaare Median-Reihe aus sechs. In dieser Mittelreihe liegen
vorn eine frontale und eine oceipitale binter einander: dann drei charakteristische
Platten: em paar symmetrische Sacral-Tafeln, welche die runde Genital-Platte (mit
dem Gonoporus, g) einschliessen, und hinter dieser die hexagonale Anal-Tatel (mit dem
&
After, a). In dem planen oder konkaven Ventral-Schilde tritt eine unpaare centrale
Sternal-Tafel durch besondere Grösse und asymmetrische Form hervor, ebenso wie
bei Anomoeystis, Fig. 9 und Mitroeystis, Fig. 14. Hinten stossen an dieselbe ein
paar grosse symmetrische Abdominal-Platten (die mit ihrem Hinterrande den Schwanz-
Ausschnitt bilden und bei Anomoeystis viel kleiner sind). Seitlich werden diese drei
grossen Ventral-Tafeln von den drei langen Marginal-Schildern eingefasst. Vorn
liegen vor der asymmetrisch geformten Sternal-Tafel vier kleine Täfelehen, drei am
Stirnrande zwischen den Brachiolen; die vierte schiebt sich rechts unsymmetrisch
zwischen das rechte Aermchen und den schief abgestutzten rechten Vorderrand der
Sternal-Platte ein.
43] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 43
Die Brachiolen sind bei memer Atelocystis Gegenbauri bedeutend grösser als bei
Atelocystis Forbesiana, fast so lang als die Theca und aus 10—12 Gliedern zusammen-
gesetzt. Der Stiel oder Schwanz besitzt ungefähr dieselbe Länge, ist an der Wurzel
abgeplattet und mit breiter Basis in den Caudal-Ausschnitt am hinteren Thecal-
Rande eingefügt; er läuft am dünnen Distal-Ende zugespitzt aus.
10. Genus: Mitroeystis, Barkasoe, 1887.
Motrocystites, BARRANDE, 12, pag. 164, Pl. 4.
Al 20 AA all
Anomocystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten sehr verschieden ist.
Die irregulären polygonalen Tafeln im Dorsal-Panzer (dessen Mitte eine sehr grosse
Central-Platte einnimmt) viel grösser und weniger zahlreich als im Ventral-Panzer,
Marginal - Panzer mit wenigen sehr grossen Randtafeln. Stiel schwanzförmig, abge-
plattet, aus breiter Basis rasch verjüngt, zweizeilig. Mund ein breiter ventraler
(Querspalt mit Längsrinnen. Hinten ein paar ventrale Oeffnungen zu beiden Seiten
des Stiel-Ansatzes (links After?, rechts Gonoporus?).
Species typica: Mitrocystis mitra, Barkaxpe, 1887.
Mitrocystites mitra, BARR., 12, pag. 167, Pl. 4, I, Fig. 1—50. Pl. 5, I, Fig. 1—-30.
Fundort: Ober-Cambrium und Unter-Silur von Böhmen.
Das Genus Mitrocystis und das nachfolgende Pleuroeystis zeichnen sich vor
den vorhergehenden Anomoeystiden dadurch aus, dass die Panzer-Platten auf der
konkaven Bauchseite viel klemer und zahlreicher sind, als auf der konvexen Rücken-
seite. Die Theca ist bei der böhmischen Mitroeystites mitra im Umriss parabolisch oder
halbeiförmig, vorn abgerundet, hinten quer abgestutzt. Das Rickenschild zeigt
eine sehr grosse, asymmetrisch geformte Uentral-Tatel, deren längste Axe von vorn
und Imks nach hinten und rechts gerichtet ist. Sie wird rings umgeben von
ungefähr 12 grossen Marginal-Tafeln, von denen die hinteren 2—3 mal so gross
sind als die vorderen; Form und Lage der Randplatten ist rechts und links etwas
verschieden. Das Bauchschild (wahrschemlich dehnbar, wie bei Trochoeystis und
Pleurocystis) ist aus zahlreichen, klemen, polygonalen Tafeln ohne bestimmte Ordnung
zusammengesetzt. Ein paar hintere, präcaudale Tafeln zeichnen sich dureh beson-
dere Grösse aus, und die linke von diesen, welche den After umschliesst, springt am
linken Rande der Theca etwas vor. Der Mund von ‚Witroeystis, vorm auf der Bauch-
seite gelegen, bildet eine weite Oeffnung am Ende eines kurzen Schlundrohrs, dessen
reusenförmige Wand durch einen Kranz von 20— 30 longitudinalen Kalkplatten gestützt
wird. Barranoe beschreibt keine zweite Oetinung der Kapsel, bildet aber eine
solche sehr deutlich am hinteren Rande der linken Präcaudal-Platte ab, gleich
links neben der Schwanz-Wurzel. Der Schwanz oder Stiel, sehr ähnlich einem
6*
44 Ernst HAEcKEL 44
Urustaceen-Schwanz, besteht in der vorderen Hälfte aus 2 Reihen von kurzen und
breiten, alternirenden Platten, in der hinteren Hälfte aus sehr kleinen Plättchen,
(ähnlich wie bei Placoeystis, Fig. 1, 2, pag. 40).
ll. Genus: Pleuroeystis, Birumes, 1854.
Pleurocystites, BILLINGS, 1854; Canadian Journal, Vol. II, pag. 250.
Taf.-II, Fig. 15, 16.
Anomoeystida, deren Platten-Panzer auf beiden Seiten sehr verschieden ist.
Dorsal-Panzer aus wenigen sehr grossen hexagonalen Tafeln zusammengesetzt, welche
bilateral-symmetrisch geordnet sind und Porenrauten tragen. Ventral-Panzer dehnbar,
aus einem Pflaster von sehr zahlreichen und kleinen Tafeln gebildet. Stiel kräftig
(meist länger als die Theca) sehr biegsam, hinten zugespitzt, anmulat. Mund vorn
ventral, zwischen ein Paar starken Brachiolen. After asymmetrisch auf einem lateralen
Hügel, links neben dem Ansatz des Stiels. Auf der Dorsal-Seite drei grosse Oeft-
nungen („Kammrauten‘), vorn em paar laterale (Hydroporen?) hinten eine unpaare
(Gonoporus ?).
Species typica: Pleuroeystis filitextä, Bıruınas, 1858.
Pleurocystites filitextus, BiLLings, 15, pag. 50, Pl. II, Fig. 1a, 1b.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika (Canada).
Das Genus Pleurocystis, von Birumes 1854 begründet, gehört zu den merk-
würdiesten Amphorideen und stellt unter den Anomoeystiden die höchste und am
meisten differenzirte Form dar. Sechs verschiedene, vortreflich konservirte Arten
derselben wurden von Birumes im Unter-Silur von Canada gefunden und sehr sorg-
fältig abgebildet (15, pag. 46—53, Pl. 1, 2). Die Theca ist von bimförmigem oder
fast dreieckigem Umriss, vorn zugespitzt, hinten verbreitert. Ihr Platten-Panzer ist
nur auf der konvexen Rückenseite entwickelt und besteht hier aus wenigen (5—7)
sehr grossen hexagonalen Tafeln, zu denen vorn und hinten noch einige kleinere
kommen. Auf beiden Seiten greifen die Ränder des Rücken-Panzers nach unten
über. Dagegen ist der grösste Theil der ebenen Bauchfläche von einer dehnbaren
Lederhaut bedeckt, die mit sehr zahlreichen kleinen Plättchen gepflastert ist (40—50
bei Pleuroeystis filiteeta, 200 und mehr bei Pleurocystis squamosa). Thecal-
OÖstien sind bei Pleurocystis fünf vorhanden, vorn der Mund, hinten links
der After, und drei grosse Rhomben-Spalten auf der Rückenseite. Der Mund ist ein
kleiner Spalt vorn auf der Bauchseite, zwischen beiden Brachiolen.. Der After
liegt auf dem Gipfel eines Hügels, welcher hinten links neben der Schwanz-W urzel
vorspringt (ähnlich wie bei Dendroeystis). Von den drei Rauten-Spalten des Rückens
liegt eine unpaare (Gonoporus?) hinten, gleich vor dem Ansatze des Stiels, asym-
metrisch und schräg auf der rechten Seite. Die beiden anderen Rhomben-Ostien
45| ÄAMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 45
(Madreporiten ?) liegen paarig im vorderen Theile des Rückens, rechts und links
über dem Seitenrande; das Iimke ist stets etwas grösser als das rechte. Alle drei
Rauten-Spalten sind von einem erhöhten und vorspringenden Rande eingefasst, der
eine elliptische, lanzettliche oder rhombische Gestalt hat. Ihre schmale und lange
Oetinung bildet einen Spalt auf der Naht zwischen zwei grossen Panzer -Platten;
ein paar quergestreifte Klappen, welche von letzteren abgegliedert sind, schliessen
den Spalt. Die Lage und Form der Kapsel-Oefinungen bedingt eine leichte Asym-
metrie der bilateralen Ricken-Schale, während ihre grossen Tateln symmetrisch
geordnet sind. Der Stiel von Pleuroeystis ist ausgesprochen annulat, etwas länger
als die Kapsel und verjüngt sich von der dieken eylindrischen Basis allmählich
gegen die feine distale Spitze, Wahrschemlich war dieser schwanzähnliche Anhang
beim erwachsenen Thiere frei und fungirte als Lokomotions-Organ. Die beiden
lateralen Brachiolen sind grossen Antennen von Urustaceen ähnlich, und stärker als
bei allen anderen Anomocvystiden. Sie entsprmgen dicht bei einander über dem
Munde, sind eylindrisch, länger als die Kapsel, und aus zwei Reihen von alterniren-
den Armeliedern zusammengesetzt (einer dorsalen und einer ventralen Reihe). Dazu
kommen noch zwei Reihen von Saumplättchen, welche die orale (der Hauptaxe
zugekehrte) Armrinne einfasseh. Die Arme waren offenbar sehr beweglich und
trugen zahlreiche Tentakeln.
Dritte Familie der Amphorideen:
Aristoeystida, E. Harcrer, 1895.
Aristocystida, E. HAECKEL (— non NEUMAYR, 8! —), 50, pag. 5.
Aristoeystida et Echinosphaeritida, ZwereL, 1895 (7, pag. 153, partim!)
Taf. U, Fig. 17—28.
Familien-Charakter: Amphorideen mit monaxoner, meistens birnförmiger
oder eiförmiger Theca, deren Querschnitt kreisrund ist. Platten-Panzer vollständig,
aus zahlreichen kleinen polygonalen Tafeln ohne bestimmte Ordnung zusammen-
gesetzt, auf der dorsalen und ventralen Seite nicht verschieden. Mund einfach, am
oberen Pole der vertikalen Hauptaxe, ohne radiales Peristom, von Tentakeln umgeben,
aber ohne gegliederte Brachiolen.
Die Familie der Aristocystida umfasst diejenigen (cambrischen und
silurischen) Amphorideen, welche neben den Anomoeystida die ältesten von allen
gepanzerten Echinodermen sind, und welche unter allen fossilen Formen der panzer-
losen Stammgruppe der Eocystida am nächsten stehen. Ich schreibe beiden Familien
im Wesentlichen dieselbe hypothetische Organisation zu und nehme an, dass die
Aristocystiden in der ältesten eambrischen oder in der vorhergehenden präcambrischen
+6 Ernst HAECKEL [46
Periode aus den HBocystiden durch Erwerbung eines dermalen Platten-Panzers hervor-
gegangen sind. Sie können als die wahren „‚Aristokraten des Echino-
dermen-Stammes“ betrachtet werden, als die konservativen, höchst werthvollen
„alten Ritter“, deren fossile Thecal-Panzer uns allein direkte palaeontologische Kunde
von dem einfachen und ursprünglichen Körperbau der ältesten Pelmatozoen, der test-
sitzenden und gepanzerten Echinodermen geben.
In dem Umfange, in welchem ich die Familie der Aristocystida 1895 (50, pag. 5)
definirt habe, umfasst sie elf verschiedene Genera; diese waren in dem bisherigen,
vorzugsweise die Platten-Struktur berücksichtigenden , System der Uystoideen von
Nevmayr auf drei verschiedene Familien vertheilt worden: 1. Aristocystida (8, pag. 412),
Il. Sphaeronitida (8, pag. 412), III. Echinosphaerida (8, pag. 413). Diese Anordnung ist
auch neuerdings von Berxarn (30, pag. 203) und Zrrven (7, pag. 152) mit eimigen Ver-
besserungen angenommen worden. Ich kann derselben nicht folgen, da ich sowohl ın
der Deutung der fossil erhaltenen Körpertheile als in den Prinzipien der Klassifikation
abweiche. Nach meimer Ansicht können in der Familie der Aristocystida zwei
Gruppen nächstverwandter Gruppen vereinigt werden, von denen die eme „Poren-
Rauten“ besitzt, die andere nicht: Piroeystida und Orocystida. Zur Subtamilie der
Pirocystida (ohne ausgeprägte Poren-Rauten) stelle ich vier nächstverwandte
böhmische Genera (Aristocystis, Deutocystis, Pirocystis und Craterina; diesen schliesst
sich wahrschemlich nahe an die böhmische Dendroeystis und die baltische Achrado-
cystis). Die Subtamilie der Oroeystida (mit deutlichen Poren-hauten) bilde ich aus
der böhmischen Oroeystis, den baltischen Genera Helioeystis und Caryocystis und der
nordamerikanischen Holoeystis.
Die gemeinsamen Charaktere aller dieser Aristocystida sind nun folgende:
1. Die gepanzerte T'heca ist monaxon; 2. ihre bilateral-symmetrische Grundform wird
durch die Lage der beiden Darmöffnungen bestimmt (den centralen Mund am Oral-
Pol, den excentrischen After auf der Ventral-Seite); 3. Brachiolen fehlen ganz;
auch deutet die Form des Mundes nicht darauf hin, dass dergleichen vorhanden
waren; 4. Ambulacra und Subvektoren fehlen völlig (sowohl superficiale als subteg-
minale); 5. daher ist auch am fossilen Körper keine Spur von fünfstrahligem Bau
zu entdecken (— an lebenden Thieren war derselbe vermuthlich durch den Ten-
takel-Kranz angedeutet).
Die Theca der Aristocevstiden ist, an sich betrachtet, monaxon, weder
bilateral, noch radial — wenn man von den Oeffnungen derselben absieht. Sie ist
bei den meisten Gattungen eiförmig oder birmförmig, unten dünner und durch einen
kurzen Stiel befestigt, oben dieker und am Peristom abgeplattet. Seltener ist die
Kapsel nahezu kugelig (bei Achradocystis und Heliocystis); — oder langgestreckt,
spindelförmig oder eylindrisch (bei Caryocystis, Holocystis). Craterina zeichnet sich
dadurch aus, dass der „‚kraterförmige Kelch“ einen flachen Kegel bildet, dessen weite
kreisrunde Oeffnung oben vermuthlich mit einer weichhäutigen (oder nur mit klemen
Plättchen locker belegten) „„Kelchdecke“ geschlossen war. Am Aboral-Pole scheint
die Kapsel unten oft unmittelbar aufgesessen zu haben. Craterina und einige Formen
47 AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 47
von Aristocystis zeigen hier eine nabelförmige Insertionshöhle mit verdiektem Rande,
ähnlich derjenigen mancher Aseidien und Korallen. Diese „Zapfenhöhle“ war ver-
muthlich von dem fremden Körper ausgefüllt, auf dem das Thier festsass. Die
meisten Aristocystiden waren wohl unten mittelst eines sehr kurzen und dicken
Stiels befestiet. Im Alter scheinen die Thiere ott frei gewesen zu sein und sich
vom Stiel abgelöst zu haben (Aröstoeystis, Deutocystis u. A.). Selten ist der Stiel
länger als die Kapsel (Dendrocystis, Achradocystis).
Der Platten-Panzer der Theca zeigt bei den Aristocystiden eine ziemlich
mannigfaltige Bildung; man kann zwei Haupttypen derselben und danach zwei Sub-
familien unterscheiden: Pfroceystida und Oroeystida. Die ersteren zeigen eine ältere
und primitivere, irreguläre, die letzteren eine jüngere und vollkommnere, mehr
reguläre Beschaftenheit; jedoch sind beide Typen nicht scharf zu trennen, sondern
durch Uebergangsformen verbunden. Bei den Pirocystida bildet der Panzer ein
irreeuläres Pflaster und ist ohne Ordnung aus sehr zahlreichen und kleinen Tafeln
zusammengesetzt, meistens von unregelmässig polygonaler Form und oft von
ungleieher Grösse; die Täfelchen sind bald solid, bald von einfachen Poren, bald
von Doppelporen durchsetzt; sie zeigen aber keine deutlichen Poren-Rauten, Bei
den Oroeystida hingegen sind die Tafeln bedeutend grösser und weniger zahlreich,
meistens subregulär hexagonal und oft ziemlich regelmässig im Reihen oder Kränze
geordnet; auf ihrer Oberfläche treten gewöhnlich Sternrippen und dazwischen Poren-
Rauten deutlich hervor, jedoch sind letztere in sehr verschiedenem Grade ausgebildet
(schwach z. B. bei Holocystis, sehr stark bei Orocystis). Nach meiner Auffassung
besitzt die Bildung der „Poren-Rauten“ oder Nahtbänder keine Bedeutung fir das
Ambulacral-System und keinen hohen svstematischen Werth (Vergl. oben S. 23).
bei vielen Aristoeystiden ist die dicke poröse Plattenschicht des Panzers nach aussen
durch eine solide homogene Deckschicht völlig abgeschlossen; bei einigen findet sich
auch an ihrer inneren Fläche eine ähnliche innere Deckschicht.
Thecal-Ostien sind bei den meisten Amphorideen drei vorhanden; der
centrale Mund (am oberen Pole der vertikalen Hauptaxe), der excentrische After auf
der Bauchseite, und der kleine Gonoporus zwischen beiden. In zwei Genera (Den-
drocystis und Holocystis) soll diese letztere „dritte Oeffnung“ fehlen; indessen ist sie
vielleicht nur übersehen — oder sie ist mit dem After verschmolzen. Von besonderem
Interesse ist die grosse Aristocystis, weil hier stets sehr deutlich vier Oeffnungen zu
unterscheiden smd; von den beiden kleineren, zwischen Mund und After gelegenen,
ist die vordere (adorale) nach memer Ansicht der Hydroporus, die hintere (adanale)
der Gonoporus; ich stütze diese Deutung auf das ähnliche Verhalten mancher Holo-
thurien (Vergl. pag. 18). |
Der Mund, der stets die Mitte des Peristom-Feldes einnimmt, zeigt in dieser
Familie interessante Verschiedenheiten. Er ist bei Aristocystis ein breiter (uerspalt,
mit emer dorsalen Oberlippe und ventralen Unterlippe. Als einfache kreisrunde Oeffnung
stellt sich der Mund bei Piroeystis, Caryocystis und Achradoeystis (?) dar; dagegen
ist er bei Deutocystis, Orocystis und Heliocystis in em kurzes eylindrisches Mundrohr
48 Ersst HAECcKEL (48
ausgezogen, dessen obere Oefinung glatt abgestutzt erscheint. Dendrocystis zeichnet
sich durch auftallende Verlängerung dieses Mundrohrs aus, welches zu emem schlanken
kegelförmigen oder pyramidalen Rüssel ausgezogen ist; am oberen Ende desselben
liegt die kleine Mundöftnung.
Ein subtegminales Anthodium, bestehend aus einem pentagonalen
Mundring und fünf fächerförmigen „Ambulacral-Rinnen“ (mit je fünf oder sechs
Aesten) ist von Barranne bei drei Gattungen von Aristocystiden unter der Bezeich-
nung „„Hydrophores palmdes“ beschrieben worden. Neumayr hat darauf hin diese
drei Genera (Aristoeystis, Pirocystis und Üraterina) in emer besonderen Gruppe:
Aristocystina vereinigt (8, pag. 412). Vergl. auch Zırren (7, pag. 153) und
Beryarn (30, pag. 202). Ein sorgfältiges kritisches Studium der Darstellung von
Barranoe hat mich überzeugt, dass die isolirten Fragmente, welche jene Hydrophora
palmata tragen, nicht zu Aristocystiden gehören, sondern zu Gl/yptocystiden. (Vergl.
unten pag. 92.)
Der After liegt bei allen Aristoeystiden auf der Bauchseite der 'Theca, excentrisch,
bei Pirocystis, Holoeystis und Achradocystis (?) ganz nahe am Munde, bei den meisten
übrigen in einiger Entfernung, im oberen Drittel der Theca. Oroeystis zeichnet sich
dadurch aus, dass sich der After am Ende eines konischen Hüsels erhebt, ebenso
wie der daneben gelesene Mund; beide Oetfnungen sind hier durch eme tiefe Bucht
getrennt, sehr ähnlich wie Ingestions- und Egestions-Oeftnung vieler Ascidien. Bei
Caryocystis liegt der After in der unteren Hälfte des Körpers, bei Dendrocystis ganz
unten in einer besonderen ventralen Aussackung, neben dem Ansatz des Stiels.
Wahrscheinlich ist der After allgemein mit einer Klappen-Pyramide bedeckt; die
Zahl ihrer dreieckigen Tafeln beträgt meistens 5—6, selten 4, 7 oder 8. Oft sind
dieselben nicht erhalten.
Der Gonoporus liegt als „dritte Kelchöftnung“ bei den meisten Aristocystiden
in der Nähe des Mundes, links von der ventralen Mittellinie; bei Aristocystis dagegen
rechts von derselben, dicht oberhalb der Afteröffnung. Bei Holocystis und Dendro-
cystis soll sie fehlen; vielleicht ist sie hier mit dem After vereinigt. Sehr interessant
ist die dreitheilige Form des herzförmigen Gonoporus von Deutocystis; ich vermuthe,
dass das vordere unpaare Loch der Hydroporus ist, die beiden paarigen hinteren Löcher
die Gonoporen (ähnlich wie bei der Tiefsee-Holothurie Zlpidia). Bei Aristocystis
ist der Hydroporus wahrscheinlich ein kleines Loch unmittelbar unter dem rechten
Mundwinkel. Bei den übrigen Gattungen der Aristocystida scheint der Hydroporus
mit dem Gonoporus verschmolzen zu sem, wie es auch bei manchen Holothurien
(besonders Elasipoden) der Fall ist. Indessen ist zu bedenken, dass diese Oeffnungen
auch bei manchen lebenden Echinodermen wegen ihrer geringen Grösse oder ver-
steckten Lage schwer aufzufinden sind.
49]
I. Subfamilia:
Piroeystida.
Platten-Panzer irregulär,
aus einer sehr grossen
Zahl von kleinen, poly-
gonalen Tafeln zusam-
mengesetzt. Porenrauten
fehlen an den Nähten
der Tafeln wahrschein-
lich allgemein.
II. Subfamilia:
Orocystida.
Platten-Panzer subregu-
lär, aus einer mässigen
Zahl von grossen, meist
hexagonalen Tafeln zu-
sammengesetzt. Poren-
rauten an den Nähten
der Tafeln gewöhnlich
vorhanden.
Festschrift für Gegenbaur.
ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN.
System der Aristocystida.
[Theca eiförmig oder birn-
förmig, Dre Stiel oder
mit ganz kurzem unge-
gliedertem Stiel. (Bis-
weilen ist die Theca unten
zugespitzt oder abge-
rundet, nicht festsitzend,
sondern frei.)
Theca birnförmig oder fast
kugelig, mit einem langen,
gegliederten Stiel.
Theca eiförmig oder fast
kugelig, ohne Stiel oder
mit ganz kurzem Stiel.
Theca lang gestreckt,
eylindrisch oder spindel-
förmig, mit kürzerem
oder längerem Stiel.
Thecal-Östien 4, zwi-
schen Mund und After
vorn ein Hydroporus,
hinten ein Gonoporus.
Theca birnförmig, unge-
stielt.
Thecal-Östien 3, zwi-
schen Mund und After
ein dreitheiliger Gono-
porus. Theca eiförmig,
ungestielt, mit polygo-
nalen Platten.
Thecal-Östien 3, zwi-
schen Mund und After
ein einfacher Gonoporus.
Theeaeiförmig, ungestielt,
——— m U ..20770
mit runden Platten in-
komplet bedeckt.
Thecal-Östien 3, zwi-
schen Mund und After
ein einfacher Gonoporus.
Theca birnförmig, kurz-
gestielt, mit polygonalen
Platten.
Thecal-Östien 2? |
trichterförmig, mit ba-
saler Zapfenhöhle und
mit weicher ventraler
Kelchdecke.
Thecal-Ostien 2°? Mund
mit einem grossen Rüssel.
Theca umgekehrt birn-
förmig. |
Theeal-Ostien 3? Mund |
einfach? Theca kugelig. j
neben dem After, beide
durch eine tiefe u
getrennt.
Thecal-Östien 3, Man)
höher als der After, beide
ohne Zwischenbucht. |
Thecal-Ostien 3, Mund
weit entfernt von dem
hinten (oder mitten) ge- |
Thecal-OÖstien 3, Mund |
legenen After.
Thecal-Östien 2°? Mund
und After dicht neben
einander am Oral-Pol.
11
„
>
[>11
{or}
-ı
[e.e)
49
Aristoeystis
(bohemica).
Deutoecystis
(modesta).
Amphoraeystis
(irregularis).
. Piroeystis
(pirum).
. Craterina
(excavata).
. Dendroeystis
(Sedgwicki)
. Achradoeystis
(Grewingküi).
. Oroeystis
(Helmhackert).
9. Helioeystis
(radiata).
0. Caryoeystis
(testudinaria).
. Holoeystis
(eylindrica).
”
50 Ernst HAECKEL [50
rm
i.
12. Genus: Aristoeystis, Barkasoe, 188
Aristocystites, BARRANDE, 12, pag. 95—114, Pl. 9—14.
Vatsllhlie Is 18:
Aristocystida mit irregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus sehr zahl-
reichen polvgonalen Tafeln ohne Poren-Rauten. Theca eiförmig, unten am Aboral-
Pol abgerundet, stiellos, frei oder festsitzend (oft mit einem Grübchen). Im oberen,
diekeren Oral-Theile sind vier Thecal-Ostien deutlich, hinter dem centralen Munde
ein Hydroporus, vor dem ventralen After ein Gonoporus.
Species typica: Aristocystis bohemica, Barrınpe, 1887.
Aristocystites bohemicus. BARRANDE, 12, pag. 108, Pl. 9—14.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d 4).
Das Genus Aristocystis gründete Barraspe auf eime ansehnliche und sehr
interessante Amphoridee, welche im einer bestimmten Zone des böhmischen Unter-
Silur (d 4) massenhaft vorkommt, besonders bei Zahorzan. Seine sehr ausführliche
Beschreibung und die zahlreichen Abbildungen geben uns ein vollständiges Bild von
dieser eigenthümliehen, durch die Einfachheit ihres Baues ausgezeichneten Form. Die
Theca ist eiförmig oder birnförmig, 70—80 mm lang, im oberen Drittel 40—50 mm
breit. Das untere diinnere Ende ist abgerundet und zeigt häufig am Aboral-Pol
— oder etwas seitlich von demselben — eine kleine runde Grube, mittelst welcher
das Thier wahrscheinlich (einer Ascidie ähnlich) am Boden festsass, einen festen
Körper umfassend. Von älteren Thieren nimmt Barraxspe an, dass sie ganz frei
waren. Im oberen Drittel der Kapsel treten vier Oeffnungen sehr deutlich
hervor. Barraspe hat dieselben an zahlreichen Exemplaren sehr genau beschrieben
und abgebildet (12, Pl. 9, 10); er betrachtet desshalb Aristocystis als Vertreter einer
besonderen Uystoideen-Gruppe, da er bei den übrigen Thieren dieser Klasse stets nur
3 oder 2 Oeffnungen, bisweilen nur eine fand (12, pag. 45, 49). Oben am Oral-Pol
ler vertikalen Hauptaxe liegt die einfache Mundöftfnung, welche einen breiten
(Juerspalt bildet, mit eimer dorsalen Oberlippe und ventralen Unterlippe. Dicht unter
demselben, am rechten Mundwinkel, zeigt sich ein kleinerer (Juerspalt, den ich für
den Hydroporus halte. Weiter vom Munde entfernt, bald in der ventralen Mittel-
linie, bald rechts davon liegt der kleine kreisrunde Gonoporus; und unmittelbar
unter diesem der grosse kreisrunde After, welcher durch eine Klappen-Pyramide
8 dreieckigen Klappen) geschlossen wird. Der Zwischenraum zwischen den
(mit 6
beiden vorderen spaltförmigen und den beiden hinteren kreisrunden Oefinungen ist
von wechselnder Länge (10—20 mm). Der Platten-Panzer von Aristocystis ist
fest und sehr dick, wohlerhalten und besteht aus drei Schichten. Die diekste mitt-
lere Schicht bilden zahlreiche polygonale Platten von mittlerer Grösse, die bald ganz
unregelmässig, bald ziemlich regelmässig (hexagonal und in 12—18 transversalen
51] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN.
1
a
Reihen geordnet) sind. Sie werden von zahlreichen, feinen, gebogenen Kanälen
(nach meiner Ansicht Blutgefässen) durchzogen, welche einfach (oder verästelt) von
der inneren zur äusseren Fläche emporsteigen; das blinde äussere Ende derselben
ist durch die solide Deckplatte nach aussen abgeschlossen; das offene innere Ende
soll die poröse innere Deckplatte durchbohren. Ein Anthodium subtegminale
(zusammengesetzt aus fünf fächerförmigen, sechstheiligen „Aydrophora palmata“)
soll bei Aröstocystis vom Munde ausgehen und an der inneren Kapselfläche des
Peristom liegen; es wird auch von Neumark (8, pag. 412) und von Zimmer (7, pag.
153) angenommen. Vergleicht man jedoch kritisch die Beschreibung und Abbildung,
welche Barraınpe von demselben gibt, (12, pag. 41, 104, Pl. 14, Fig. 1-6), so
gelangt man zu der Ueberzeugung, dass die drei, derselben zu Grunde liegenden
Fragmente nicht zu Aristoeystis gehören, sondern zu Palmacystis oder einer ver-
wandten Glyptocystide. Barranoe selbst betont, dass er diese Bildung niemals
bei den zahlreichen typischen Exemplaren von Aristocystis bohemica gefunden habe:
er stellt die drei fraglichen Peristom-Fragmente (— die in einer ganz anderen
Gegend gefunden wurden! —) nur desshalb zu dieser Gattung, weil ihm die
Struktur der Panzer-Platten ähnlich erscheint.
13. Genus: Deutoeystis, Barranoe, 1837.
Deutocystites, BARRANDE, 12, pag. 145, Pl. 15, 16.
Anz, 106 de, le), 20:
Aristocystida mit irregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus sehr zahl-
reichen, ungleichen, rundlichen oder polygonalen Tafeln, ohne Porenrauten. Theca
eiförmig, unten am Aboral-Pol zugespitzt, stiellos. Oben am Oral-Pol springt das
kurze Mundrohr vor, unterhalb desselben auf der Bauchseite die grosse After-Oeft-
nung mit Klappen-Pyramide; zwischen dem centralen Mund und dem ventralen
After liegt links der dreitheilige Gonoporus (— vereinigt mit dem Hydroporus? —).
Species typica: Deutocystis modesta. Barranpe, 1887.
Deutocystites modestus, BARR., pag. 149, Pl. 15, IL, Fig. 1—26.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d2—d4).
Das Genus Deutocystis wird durch die eigenthümliche Amphoridee vertreten,
welche Barranoe als Deutocystites modestus sehr sorgfältig geschildert hat. Dieselbe
schliesst sich am nächsten an die vorhergehende Aristoeystis an, unterscheidet sich
aber von ihr wesentlich durch das Verhalten der Theecal-Ostien. Die Kapsel ist
regelmässig eiförmig (30—60 mm lang, 20—40 mm breit); der untere aborale Pol
ist spitz und schemt ohne Stiel im Schlamm gesteckt zu haben. Am oberen
dickeren Theile liegen, ziemlich nahe beisammen, die drei Kapsel-Oeffnungen, in
der Mitte (am Oral-Pol der Hauptaxe) die einfache Mundöftfnung, welche rüssel-
rmx
‘
59 Ernst HAEcKEL [52
förmig vortritt, und mit einem Kranze von fünf grösseren Platten umgeben ist.
Unterhalb derselben auf der Bauchseite liegt die grössere After-Oeffnung, mit einer
pentagonalen Klappen-Pyramide. Zwischen beiden Darmöffnungen in der Mitte,
asymmetrisch auf der rechten Seite, zeichnet sich eine kleinere herzförmige Oetfnung
durch ihre konstant dreitheilige Form aus (Taf. II, Fig. 19, 20). Von den drei Ostien
dieser Apertura cordiformis betrachte ich das grössere, dem Munde zugekehrte,
unpaare als den Hydroporus; die beiden klemeren, paarigen, dem After zuge-
kehrten Oeflnungen als Gonoporen. Dasselbe interessante Verhältniss zeigt eine
Tietsee-Holothurie: Zlpidia purpurea. Der Platten-Panzer ist dick, aus sehr zahl-
reichen, subregulär-polygonalen Tateln von geringer Grösse zusammengesetzt. Einzelne
grössere Platten springen hier und da an verschiedenen (wechselnden) Stellen gewölbt
vor. Die Tafeln sind zwar fein porös, aber ohne Porenrauten, mit innerer und
äusserer solider Deckschicht.
14. Genus: Amphoraeystis, E. Harcrer (nov. gen.).
Aristocystida mit irregulärem und inkompletem Platten-Panzer, zusammen-
gesetzt aus sehr zahlreichen und ungleichen rundlichen Tafeln, ohne Poren-Rauten
Theca eiförmig, unten am Aboral-Pol zugespitzt, stiellos. Oben am Oral - Pol
springt em starkes eylindrisches Mundrohr vor, unterhalb desselben auf der Bauch-
seite liegt die grosse After-Oeffnung, zwischen beiden links der kleine runde Gonoporus.
0)
Species typica: Amphoracystis irregularis, E. Harcker.
Deutocystites ürregularıs, BARRANDE, 12, pag. 147, Pl. 15, I, Fig. 1—11.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d4, Zahorzan).
Das Genus Amphoracystis gründe ich für die interessante kleine Amphoridee,
welche Barranpe als Deutocystis irregularis beschrieben hat. Sie unterscheidet sich von
der echten Deutocystis (modesta) durch mehrere sehr wesent-
liche Eigenthümlichkeiten. Der Platten-Panzer besteht nicht,
wie bei allen anderen Aristocystiden, aus polygonalen Tafeln,
welche mit ihren Rändern und Ecken zusammenstossen,
sondern aus runden, meist elliptischen, theilweise auch kreis-
runden Tafeln von sehr verschiedener Grösse; dieselben sind
ohne alle Ordnung im das Bindegewebe des Corium ein-
gelagert, so dass zwischen ihnen mehr oder weniger deut-
liche (meist dreieckige) Lücken offen bleiben. Die grösseren
Tafeln sind in der Mitte verdickt und hügelförmig vor-
gewölbt. Ich glaube, dass man diese inkomplete Tabu-
Fig. 3. lation der Theca, welche einem schlechten Strassen-Pflaster
Amphoracystis irregularis. gleicht, als eine ursprüngliche und sehr primitive Form
"Die Theca nach BARRANDE (|. c.), - D =
© Mundrohr, a After, g Gonoporus, der Bildung des Dermal-Skelets ansehen darf; man könnte dar-
53] AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 53
auf hin auch Amphoracystis zuden Eoeystiden stellen, oder als Uebergangs-Form von diesen
zu den ächten, komplet getäfelten Pirocystiden betrachten. Die untersilurische Form,
welche Barranpe als Deutocystites modestissimus beschrieben hat (12, pag. 148, Pl. 16,
Fig. 6—18) scheint den Uebergang von Amphoraeystis (irregularis) zu Deutocystis
(modesta) zu vermitteln. Von der ächten Deutocystis, deren eiförmige stiellose Kapsel
äusserlich sehr ähnlich ist, unterscheidet sich Amphoracystis ausserdem durch den
sänzlichen Mangel von Poren-Kanälen m den Panzer-Platten, sowie durch den ein-
fachen (— nicht dreitheiligen! —) Gonoporus. Die grosse rhombische After-Oeft-
nung (Fig. 3a) scheint mit einer vierklappigen Pyramide bedeckt gewesen zu sein.
15. Genus: Piroeystis, Barraxpe, 1887.
Pyrocystites (— melius Pirocystites! —), BARR., 12, pag. 170, Pl. 29.
Tat. II, Rig,-21, 22.
Aristocystida mit irregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus sehr zahl-
reichen polygonalen Tafeln, ohne Poren-Rauten. Theca birnförmig, unten am Aboral-
Pol in einen kurzen dicken Stiel übergehend. Oben am abgerundeten Oral-Pol liegt
central der kleine warzenförmige Mund, excentrisch der grosse After mit Klappen-
Pyramide, zwischen beiden der kleine runde Gonoporus.
Species typica: Piroeystis pirum, Barranpe, 1887.
Pyrocustites pirum, BARR., 12, pag. 174, Pl. 29, Fig. 6—28.
Fundort: Ober-Cambrium und Unter-Silur von Böhmen.
Das Genus Piroceystis gründete Barraspe für eine cambrische Amphoridee,
welche er als nächstverwandt mit Aristocystis und Craterina betrachtet; namentlich
soll die Struktur des dieken porösen Platten-Panzers dieselbe sein. Die Gattung soll
sich besonders durch typische Birnform der Kapsel unterscheiden, wie auch der
Name andeutet. Das untere Ende der Birne geht in eimen dicken kurzen Stiel über.
Am oberen abgerundeten Ende liegt in der Mitte der kleine, runde, etwas warzen-
förmig vorspringende Mund; etwas entfernt davon springt auf der Bauchseite die
ansehnliche, brustwarzen-ähnliche After-Pyramide vor, mit 6 dreieckigen Klappen
bedeckt. In der Mitte zwischen Mund und After, etwas links von der ventralen
Mittellinie, ist deutlich die kleine kreisrunde „Dritte Oetfnung“ zu erkennen, wahr-
scheinlich der Gonoporus (l. ec. Pl. 29, Fig. 7). Ausser der typischen Species Piro-
cystis pirum zieht Barranoe zu dieser Gattung noch eine zweite Art: Pirocystis
desiderata (l. e. Pl. 29, Fig. 29—34). Die beiden kleinen Fragmente, auf welche
er dieselbe gründet, sind abgelöste Kelchdecken, an deren Innenfläche sich ein deut-
liches subtegminales Anthodium zeigt, mit fünf „Hydrophora palmata“ ; nach meiner
Ansicht gehören diese zu Glyptocystiden (vgl. zur Kritik derselben oben S. 48 und
unten pag. 92, sowie Glyptocystis und Palmacystis).
54 Ernst HAECKEL [54
16. Genus: Craterina, Barkanor, 1887.
Craterina, BARR., 12, pag. 121—142, Pl. 17—21.
? Calix, MArıEe Rovautt; 12, pag. 140.
Aristocystida mit irregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus sehr zahl-
reichen, ungleichen, polygonalen Tafeln, ohne Poren-Rauten. Theca umgekehrt-
kegelförmig, unten am Aboral-Pol stiellos, befestigt durch eine Zapfen-Höhle. Die
weite obere Oetinung des Kelches durch eine weiche Kelchdecke (?) geschlossen,
mit zwei Oetfnungen (?), centralem Mund und excentrischem After.
SZ
Craterina bohemiea, Barkaxor, 1887.
Craterina bohemica (et excavata) BARR. 12, pag. 129-135, Pl. 17—21; Pl. 31, 34, 35.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d4, Zahorzan).
Das Genus (raterina gründete BarraspE für eine grosse angebliche Uystoidee,
welche massenhaft in den unter-silurischen Schichten von Böhmen (d 4) sich findet.
Die Theca gleicht einem flachen Trichter oder einem umgekehrten Kegel, dessen
obere Miindung kreisrund ist, der untere Scheitel aufgewachsen, mit einer Zapfen-
Höhle zum Ansatz. Die Höhe des Kegels ist bald ungefähr seinem horizontalen
Durchmesser gleich (Craterina excavata), bald kaum halb so gross (Craterina bohemica),
bald grösser (Craterina infundibulum). Nach diesen geringen Differenzen des krater-
förmigen Kelches unterscheidet Barranpe nicht weniger als 14 Arten. Trotzdem aber
Hunderte von solchen konischen Kelchen gefunden wurden, konnte niemals eine
vollständige Kelchdecke beobachtet werden. Es scheint, dass die weite Mündung
des Kelches durch eine weiche Ventral-Membran geschlossen und diese nur mit
kleinen Plättchen locker gepflastert war. Da dieselbe sich fast niemals erhalten
konnte, bleibt auch die Zahl und Lage der Oeffnungen in dieser Kelchdecke
unsicher; es scheint jedoch, dass oben im derselben unweit des centralen Mundes der
excentrische After lag (12, Pl. 17, Fig. 2); die „dritte Oeffnung“ ist an diesem
Fragment nicht sichtbar. Die subtegminalen Subvektoren, welche Barkaxpe als
„Hydrophora palmata® an zwei klemen Theca-Fragmenten fand, und zu Üraterina
zieht (12, pag. 125, Pl. 17, I. Fig. 7; Pl. 34, Fig. 19, 20), gehören sicher nicht zu
dieser Gattung, sondern zu einer Glyptocystide (vergl. oben pag. 48, unten pag. 94).
Die Zusammensetzung und Struktur der porösen Panzer-Platten ist bei Craterina die-
selbe wie bei den nächst verwandten Gattungen Pirocystis und Aristocystis.
17. Genus: Dendroeystis, Barranne, 1887.
Dendrocystites, BARR. 12, pag. 142, Pl. 26, 27.
Taf. II, Fig. 23, 24.
Aristoeystida mit irregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus sehr zahl-
reichen, ungleichen, polygonalen Tafeln ohne Porenrauten. Theca umgekehrt birn-
55] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 55
förmig, dehnbar, wegen der Verschiebbarkeit der dünnen Tafeln von wechselndem
Umriss. Unten am Basal-Pol ein starker konischer Stiel, der sich gegen das Ende
dünn auszieht.e. Oben am Oral-Pol ein langer pyramidaler Rüssel, an dessen Ende
sich der Mund öffnet. Unten neben dem dicken Stiel- Ursprung der After mit
grosser Klappen-Pyramide.
Species typica: Dendrocystis Sedgwicki, Barrınpr, 1887.
Dendrocystites Sedgwickti, BARRANDE, 12, pag. 142, Pl. 26, 27.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d2—d4).
Das Genus Dendrocystis wird nur durch eine einzige, sehr eigenthümliche
Amphorideen-Form gebildet, die wahrscheinlich den einzigen bekannten Vertreter
einer selbstständigen Familie darstellt: Dendrocystida. Barkanpe hat von der-
selben zahlreiche gute Abbildungen gegeben; seine Beschreibung ist jedoch sehr
mangelhaft. Später hat Neumaryr (1889, 8, pag. 407) eine andere Deutung ihrer
Organisation versucht — wie mir scheint, nieht glücklich. Die Theca ist umgekehrt
birnförmig und erreicht (ohne Stiel) einen Durchmesser von 30—40 mm. Ihre
diinne Wand ist aus sehr zahlreichen polvygonalen Tafeln zusammengesetzt, die in
Grösse, Form und Anordnung keinerlei Regelmässigkeit zeigen. Die kleinen Platten
sind völlig solid und porenlos, innen und aussen von einer feinen, soliden, homo-
genen Deckschicht überzogen. Die auftallende Unregelmässigkeit und Mannigfaltig-
keit der Körperform in den zahlreichen, von Barraspe abgebildeten Exemplaren
erklärt sich wohl nur durch die Annahme, dass der dünne Plattenpanzer sehr dehn-
bar und beweglich war; bei der Versteinerung wurde er in der verschiedensten Weise
oefaltet und zusammengedrückt. Von beiden Polen der vertikalen Hauptaxe geht
ein einziger, hohler, starker Fortsatz aus, dessen dicke Basis sich gegen das Ende
allmählich verdünnt. Eimer von diesen beiden Fortsätzen ist jedenfalls der Kapsel-
Stiel; der andere wird von Barkanpe als ein Rüssel, von Neumayr als der einzige
entwickelte Arm gedeutet. Ich schliesse mich vorläufig der ersteren Deutung an,
möchte jedoch die Frage aufwerfen, ob nicht umgekehrt der grössere (in BARRANDE’S
Figuren nach unten gekehrte) Fortsatz der Rüssel, der kleinere (obere) der Stiel ist?
Der grössere untere Fortsatz („Stiel“) ist etwas länger als die Theca, an dem
konischen proximalen Theile fast ein Drittel so diek und mit zahlreichen kleinen
Platten unregelmässig getäfelt; am distalen Theile verdünnt er sich in eine doppelt
so lange, cylindrische Röhre, die am Ende nur von einer Reihe hohler Glieder
gebildet wird. Ist die terminale Oeffnung der Mund oder das abgebrochene Ende
der Ansatz-Basis? Oder steckte die Röhre im Schlamm? — Der kleinere obere
Fortsatz („Rüssel“) ist etwas kürzer als die Theca und bildet eine schlanke drei-
seitige (— oder fünfseitige? —) Pyramide; ihre Höhle öftnet sich oben am zuge-
spitzten Ende durch einen kleinen Mund (?); ihre dünne Wand ist aus mehreren
(3—5?) transversalen: Reihen von alternirenden Tafeln zusammengesetzt. Sowohl der
\
56 Ernst HAECKEL [56
Rüssel als der Stiel sind in den zahlreichen Figuren von Barraspe bald gerade, bald
gebogen dargestellt. Thecal-Ostien hat derselbe nicht finden können; er bildet
aber sehr deutlich ab: 1. Die terminalen Oeffnungen an den beiden Enden der Fort-
sätze (besonders des unteren!) und II. eine grosse excentrische Klappen-Pyramide,
die unzweifelhaft dem After der übrigen Amphorideen und Cystoideen entspricht.
Dieselbe wird von 5—6 dreieckigen Klappen gebildet, ist an der Basis von einem
Kranze kleiner Täfelehen (12—18?) umgeben und springt im unteren dickeren
Theile der birnförmigen Kapsel bedeutend vor (in den meisten Figuren von Bar-
RANDE auf der linken Seite) dicht neben dem Stiel- Abgang (12, Pl. 26, Fig. 1,
2, 14, 16, 18 u. s. w.) In mehreren Figuren hängt hier eine ventrale Ausstülpung,
wie ein (— mit Nahrung oder Geschlechts-Produkten? —) vollgestopfter Bruchsack
neben. dem Stiel-Ansatz herab. Gegenüber (— auf der rechten Seite der eitirten
Figuren —) ist die T'heca dünner und flacher; in einigen Figuren sieht es aus, als
ob hier unten (rechts neben dem Stiel-Ansatz) eine dritte grosse Oetinung vorspringe,
der Gonoporus? (l. e. Pl. 26, Fig. 1, 6, 10, 18;B1.727, Fig. 2, 6, 19, 20 me
Die Theca von Dendrocystis erlangt in Folge dieser eigenthümlichen Bildung eine
ausgesprochen bilateral-symmetrische Form, während keine Spur einer penta-
radialen Struktur zu erkennen ist. Wahrscheinlich war der „Rüssel“ an seiner
Basis von emem Kranze von weichen Mundtentaken umgeben. Die Deutung von
Neumayr, dass der „Rüssel“ ein einziger, hoch entwickelter „Arm“ sei, scheint mir
nicht begründet; die „doppelte, überaus regelmässige Porenreihe“, die er in einer
Figur findet (12, Pl. 26, Fig. 13), existirt nach des Darstellung von Barraxpe nicht.
18. Genus: Achradocystis, Vorsorru, 1870.
Achradocystites, VOLBORTH, M&m. Acad. Petersburg, Vol. XVI.
Cyeloerinus (?) EICHWALD, 1860, Lethaea Rossica, Vol. I, pag. 637, Tab. 32, Fig. 20, 21.
Aristocystida mit irregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus sehr zahl-
reichen und kleinen, polygonalen Tafeln, ohne Porenrauten. Theca kugelig oder
eiförmig, unten mit einem langen gegliederten Stiel. After mit Klappen-Pyramide,
in der Mitte der Höhe. Zwischen eentralem Mund und ventralem After ein Gonoporus (?).
Species typica: Achradocystis Grewingkii, Voızorrm, 1870.
Achradocystites Grewingkii, VOLBORTH, 1870; M&m. Acad. Petersb. Vol. XVI, Fig. 3, 4.
Das Genus Achradocystis gründete VoLBorTH für ein einzelnes Exemplar
einer kugeligen Uystoidee, welche er in untersilurischen Geschieben von Esthland
zusammen mit Echinosphaeriten fand. Leider fehlte der oberste orale Theil der
kugeligen Theca; doch ist es sehr wahrscheinlich, dass hier zwischen dem centralen
Munde und dem ventralen After ein Gonoporus lag. Der After (im halber Höhe
m
der Kapsel) ist mit eimer Klappen-Pyramide (mit 7 dreieckigen Tafeln) versehen.
57 ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 5
Am Aboral-Pol sitzt ein starker eylindrischer Stiel, länger als die Kapsel, aus einer
Reihe scheibenförmiger Glieder gebildet. Die klemen und sehr zahlreichen Tafeln,
welche den Panzer zusammensetzen, sollen die Form eines runden Kammrades haben.
aber nicht mit den Zähnen m einander greifen; vielmehr sollen die Zähne der
benachbarten Platten sich so mit den Spitzen berühren, dass dreieckiee Löcher
zwischen ihnen bleiben. Sehr ähnlich scheinen sich auch die Täfelehen zu ver-
halten, welche den kugelisen Panzer von Cyeloerinus Spaski zusammensetzen (17,
pag. 638, Pl. 32, Fig. 21); jedoch ist diese unter-silurische Art zu unvollständig
bekannt, um die Identität beider Gattungen sicher behaupten zu können; beide
kommen im denselben Vaginaten-Kalken von Esthland vor (!), den „Uveloerinus-
Kalken von Monnalass“.
19. Genus: Oroeystis, Barranoe, 1887.
Orocystites, BARRANDE, 12, pag. 168, Pl. 7, 8.
Aristoeystida mit subregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus einer
inässieen Zahl von grossen hexagonalen Tafeln mit Porenrauten. Theca rundlich
eiförmig, unten am Aboral-Pol zugespitzt und durch emen kurzen
excentrischen Stiel befestigt. Oben am Oral-Pol das vorspringende
Mundrohr und daneben, durch eine tiete Peristom-Bucht ge-
trennt, das konische After-Rohr. Zwischen beiden Darm-
öffnungen, links von der Ventral-Linie, der kleme Gonoporus.
Species typica: Oroeystis Helmhackeri. Barkaspe.
Orocystites Helmhackeri, BARRANDE, 12, pag. 170, Pl. 7, 8.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d 4, Chrustenitz).
Das Genus Oroeystis bildet zusammen mit den drei
foleenden Gattungen die Subfamilie der Oroeystiden, aus-
Orocystis Helmhackeri.
oezeichnet durch die reeuläre Struktur des Platten-Panzers, Copie vach BarraxpE (l. e.).
“ = 2 Mund, 1 After, 3 Gonoporus.
dessen erosse hexagonale Tafeln Poren-Rauten und Rippen-
Sterne zeigen. Auch im übrigen Körperbau erscheinen diese vier Gattungen nächst
verwandt. Oroeystis unterscheidet sich von den übrigen durch die eigenthümliche,
gewissen Aseidien auffallend ähnliche Gestalt der Theca. Dieselbe ist rundlich
eiförmige oder ellipsoid, 30—40 mm lang, 24—27 mm breit, am Aboral-Pol durch
einen kurzen exeentrischen Stiel festgewachsen, am Oral-Pol mit zwei vorspringenden,
abgestutzt kegelförmigen Oeffnungen, welche durch eine tiefe Ventral-Bucht getrennt
sind. Die grössere, etwas höher gelegene Mundötfuung ist einfach, abgestutzt und
scheint in ein dünnwandiges eylindrisches Mundrohr auszugehen; die kleinere, tiefer
ventral gelegene Afteröffnung ist mit einer Klappen-Pyramide versehen. In der
Mitte zwischen beiden Darmötfnungen liegt asyımmetrisch, links von der ventralen
Een Q
Festschrift für Gegenbaur. [o)
Ds Ernst HAECKEL |58
Mittellinie, eme dritte, kleine, kreisrunde Oeflnung, der Gonoporus (vielleicht zugleich
Hydroporus?). Der Plattenpanzer ist dünn, aus grossen, subregulär-hexagonalen
Tafeln zusammengesetzt, deren jede einen erhabenen Stern von 5—7 (meist 6) stark
vorspringenden Rippen trägt.
20. Genus: Heliocystis, Eıcnwarn, 1560.
Heliocrinus, EICHWALD; 1860, 17, pag. 629.
Taf. I, Fig. 25, 26.
Arıstoeystida mit subregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus einer
mässigen Zahl von erossen, meist hexagonalen Tafeln mit Porenrauten. Theca
kugelig oder rundlich-eiförmig, unten am Aboral-Pol abgerundet, frei oder durch
einen kurzen Stiel befestigt. Oben am Oral-Pol die einfache Mundöffnunge und
oleich daneben, links von der Ventral-Linie, der Gonoporus, tiefer unterhalb der After.
Species typica: Helioceystis radiata, Eıcnhwarn, 1860.
Helioerinus radıatus, EicHwALD, 1860, 17, pag. 630, Tab. 32, Fig. 16, 17.
Fundort: Unter-Silur von Russland; Orthoceras-Kalk von Reval.
Das Genus Helioeystis (= Helioerinus) gründete Eicnwarn fir jene
Uvstoideen, welche früher zu Caryoeystis gerechnet wurden, sich aber von den
ächten langgestreckten Formen dieser Gattung durch die kugelige oder rundlich
eiförmige Gestalt der 'Theca unterscheiden. Die Bezeichnung Helioerinus ist passender
in Zelioeystis zu verwandeln. Die Mundöttnung am oberen Pol springt oft in Form
eines kurzen eylindrischen Rohres vor, dessen Mündung glatt und schief abgeschnitten
ist. Gleich daneben links liest die grosse runde Geschlechtsötinung; der After
tiefer unten, aber doch stets im oberen Drittel der Kapsel. Die 6 Sternrippen auf
den grossen hexagonalen Tafeln der blasenförmigen Theca sind im den meisten
Arten dieser Gattung auffallend stark entwickelt und rechtfertigen die Bezeichnung
Helioeystis; selten sind einzelne 5 strahlige und 7 strahlige Tafeln zwischen die 6strahli-
gen eingeschaltet. Einige Species dieser Gattung sind fast vollkommen kugelig (oder
eigentlich „endosphärische Polyeder“); sie sind sehr ähnlich Eehinosphaera , von der
sie sich durch den Mangel der Brachiolen unterscheiden. Bei anderen Arten ver-
längert sich die vertikale Hauptaxe und die Kapsel wird eiförmig oder birmförmie.
Man kann diese beiden Gruppen als Subgenera unterscheiden, das sphärische Z/elio-
erinum und das eitörmige oder birnförmige Heliopirum:
I. Subgenus: Helioerinum, Species globosae:
1. Heliocystis granatum (= (aryocystis granatum) L, Buch, 11, pag. 17, Taf. I, Fig. 20.
2. Heliocystis baltica (= Echinosphaera baltica) EıcuwALn, 17, pag. 630.
3. Heliocystis aranea (— Echinosphaerites aramea) VOLBORTH, 16, pag. 184, Tab. IX, Fie. 2, 3.
4. Heliocystis prominens (— Caryoeystis prominens, ANGELIN, 13, pag. 29, Tab. XII, Fig. 18—21.
5. Helioceystis geometriea (— (aryocystis geometrica) ANGELIN, 13, pag. 29, Taf. XII. Fig. 22— 24.
59] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 59
Il. Subgenus: Heliopirum: Species ovatae vel piriformes.
6. Heliocystis radiata (= Helioerinus radiatus) EıcnwALo, 14, pag. 630, Tab. 32, Fig. 16, 17.
7. Heliocystis ovalis (= ÜCaryocystis ovalis) ANGELIS, 13, pag. 28, Pl. 27, Fig. 11a, b.
8. Helioeystis tenuistriata (= Caryocystis tenuistriata) ANGELIN, 13, pag. 29, Tab. XI,
Fig. 25, 26 (copirt auf unserer Taf. II, Fig. 25, 26).
9. Heliocystis alutacea (= Caryocystıs alutacea) ANGELIN, 13, pag. 29, Tab. XIII, Fig. 10-—15.
21. Genus: Caryoeystis, Leoronn Buch, 1845.
Caryocystites, LEoroL» Buch, 1845; 11, pag. 19.
Heliocrinus, EıcuwAuLp, 17, pag. 629.
Taf. II, Fig. 27.
Aristoeystida mit subregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus einer
miässigen Zahl von grossen, meist hexagonalen Tateln mit Poren-Rauten. Theca
langgestreckt, eylindrisch oder fast spindelförmig, unten am Aboral-Pol durch einen
kurzen Stiel befestigt. Oben am Oral-Pol die kleme Mundöffnung und dieht daneben
(links) der Gonoporus; viel tiefer (in der Mitte oder der unteren Hälfte der Kapsel)
der After.
Species typiea: Caryocystis testudinarla. lLuoroLn Buen, 1845.
Caryocystites testudinarius, LEoroLn Buch, 1845; 11, pag. 19, Taf. I. Fig. 20.
Sphaeronites testudinarius, HısinGer, 1837; Lethaea Sueecica, pag. 92, Tab. XXV, Fig. 9d.
Fundort: Unter-Silur von Scandinavien und Russland.
Das Genus (aryoeystis gründete Bucn für zwei Arten seiner Uystideen, von
denen die eine (Caryoeystites granatum) später von Eıonwarn als Typus seiner Gattung
Helioerinus abgetrennt wurde (= Heliocystis, pag. 58). Die andere, langgestreckte
Art, Caryocystis testudinaria, betrachten wir als Typus dieser Gattung (Buen, 1. ce.
Taf. I, Fig. 20). Die eylindrische Theca ist fast 4 mal so lang als breit (75 mm
lang, 20 mm breit), oben und unten etwas verdünnt und abgerundet. Ihre Axe ist
etwas verhogen. Am Aboral-Pol scheint sie unten durch eimen sehr kurzen Stiel
befestigt zu sein. Oben am Oral-Pol ist eine sehr kleine, zweilippige Mundöffnung
sichtbar, und dicht daneben (links von der Ventral-Linie) ein runder Gonoporus.
Der grosse runde After liegt ungefähr in der Mitte der Länge. Der Panzer wird
durch S—9 alternirende Zonen von grossen, regelmässig sechseckigen Platten mit
Poren-Rauten gebildet; im jeder Zone liegen ringsum 6—8 Platten neben emander.
Verschieden von Bucw's Origimal-Form ist diejenige, welche AxcenLm unter dem
gleichen Namen sehr sorgfältig abgebildet hat (13, pag. 29, Tab. XII, Fig. 4—9).
Die Kapsel ist hier spindelförmig, nach beiden Polen konisch verjüngt; der Mund
ein Längsspalt mit verdiekten Lippenrändern; der After durch eine Klappen-
Pyramide geschlossen. Besonders interessant ist bei dieser Form, die man als Caryo-
cystis Angelini unterscheiden kann, die dreitheilige Form des Gonoporus (l. e. Fig. 6);
8*
60 Ersst HAECcKEL |60
sie erimmert an Dentoeystis (vergl. pag. 5l). Eme dritte Form hat Eıcnwan als
Caryoeystis pumila beschrieben (17, pag. 629, Tab. 32, Fig. 19 a—e.). Die Tafeln,
welche ihre Kapsel zusammensetzen, sind viel grösser, aber weniger zahlreich (nur
+ Zonen). Der After liegt viel weiter hinten, in der Nähe des Stieles.
22. Genus: Holveystis, Harn, 1868.
Holocystites, Hauu 24, Report 20, pag. 311, Pl. 12, 12A.
Megacystites, Haıı, 24, Ibid. pag. 380.
Megacystis, ANGELIN, 1878, 13, pag. 29.
Taf. II, Fig. 28.
Aristocystida mit subregulärem Platten-Panzer, zusammengesetzt aus einer mäs-
sigen Zahl von grossen, meist hexagonalen Tateln (mit Poren-Rauten ?). Theca lang-
gestreckt, eylindrisch oder länglich birnförmig, am dünneren Aboral-Pol m einen
evlindrischen Stiel übergehend. Am Oral-Pol sind nur zwei Oetfnungen sichtbar,
der centrale Mund und dieht daneben der excentrische After (?).
Species typica: Holoeystis ceylindrica, Harr. 1868.
Holocystites cylindricus, Ha, 24, pag. 311, Pl, 12, Fig. 7.
Caryoeystites cylindricus, HALL, 1860, Ann. Rep. Geol. Wisconsin.
Fundort: Ober-Silur von Nord-Amerika (Wisconsin).
Das Genus Holocystis (= Megacystis) wurde von Hann für eine Anzahl von
nordamerikanischen Uvstoideen gegründet, welche sich von der nächstverwandten
Caryoeystis durch den Mangel des Gonoporus unterscheiden sollen. Die eylindrische
Theca ist 3—4+ mal so lang als breit (S0—90 mm lang, 20
30 mm breit), unten
meist etwas verdünnt und durch einen kurzen Stiel befestigt. Oben am Oral-Pol
befindet sich die centrale runde Mundöttnung (ohne Spur von Brachiolen-Ansatz),
und dieht daneben eine zweite, excentrische Oeffnung, welche entweder der After
oder der Gonoporus ist. Im letzteren Falle würde der After (— als „dritte“, von
Harn vermisste Oeffnung —) weiter hinten oder nahe der Stiel-Basis zu suchen sein,
wie bei dem europäischen, schr nahe verwandten Caryoerimıs. In der That ist in
einigen Figuren von Harn (l. ec. Pl. 12) hinten eine grössere Oetfnung angegeben,
welche er als Stiel-Ansatz deutet. Es entsteht aber die Frage, ob Holoeystis nicht
(— ebenso wie Aristoeystis) nur in der Jugend durch einen Stiel befestigt, später
frei ist. Die langeestreckte evlindrische Körperform ermnert an Ascoeystis und an
dieHolothurien. Die sechs Species von Holoeystis, welche Harı. abbildet (— sämmt-
lich aus dem ober-silurischen Niagara-Kalk von Wisconsin —), unterscheiden sich
theils durch die Form der Theca, (bald mehr eylindrisch, bald mehr länglich birn-
törmig), theils durch die verschiedene Täfelung des Panzers. Diese ist bei den
meisten schr regelmässig, aus 6—) Zonen von grossen, hexagonalen Platten zusammen-
61] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN, 61
gesetzt; nur bei Holocystis alternata (1. e. Pl. 12, Fig. 9, copirt auf unserer Taf. Il,
Fig. 28) ist zwischen je zwei Gürtel von grossen Tafeln ein schmaler Gürtel von
kleineren emgeschaltet; dieser Modus der Panzer-Bildung ist sonst selten.
Vierte Familie der Amphorideen:
Palaeocystida, E. Haroxer, 1895.
Pulaeocystida, E. HAECKEL, 1895; 50, pag. 5.
Echinosphaeritida, NEUMAYR, 1889, 8, pag. 413 (partim!)
Echinosphaeritida, Zurrer, 1895, 7, pag. 154 (partim!)
Taf. 1.
Familien-Charakter: Amphorideen mit monaxoner, ott kugeliger, meistens
bimförmiger oder eiförmiger Theca, deren Querschnitt kreisrund ist. Platten-Panzer
vollständig, aus zahlreichen klemen polygonalen Taten ohne bestimmte Ordnung
zusammengesetzt, auf der dorsalen und ventralen Seite nicht verschieden. Mund am
oberen Pole der vertikalen Hauptaxe, mit einem radialen Peristom und einem
Kranze von (3—5 oder mehr) geeliederten Brachiolen.
Die Familie der Palaeocvstida umfasst diejenigen Amphorideen, deren
Theca monaxon ist und deren Mundöttnung von Brachiolen oder „Aermehen‘
umgeben war, d. h. von Tentakeln mit gegliedertem Kalk-Skelet. Durch die Aus-
bildung dieser „Mundarme“, welche dentlich artikulirt, oft mit Pinnulae und Saum-
plättchen besetzt sind, nähert sich diese Familie den ächten Uystoideen (besonders
den Glyptoeystiden), sowie auch den älteren Urinoideen; sie unterscheidet sich aber
von letzteren wesentlich dadurch, dass die „Arme“ noch den Charakter einfacher
„Mundfühler“ behalten und nicht vom Munde auf die Theca in aboraler Direktion
hinüber rücken. Daher fehlen auch den Palaeoeystiden vollständig die Ambulacren
und die perradialen, in deren Mittellinie verlaufenden Subvektoren, nebst den
Prinzipal-Kanälen. Ich stelle zu dieser Familie die Genera Arachmocystis, Echinosphaera,
Palaeoeystis und Comaroeystis; wahrscheinlich sind ihnen auch die cambrischen Genera
Acantheeystis und Archaeoeystis anzuschliessen. Sie enthält demnach einen Theil der-
jenigen Genera, welche Nevmarr (8, und nach ihm Zirren, 7) als Cystoideen-Familie
der Echinosphaeritida zusammengefasst haben. Aber zu diesen letzteren werden
auch armlose Genera gerechnet ((aryoeystis, Oroeystis, Dendroeystis u. A.).
Die Theca der Palaeocystiden ist, an sich betrachtet, monaxon,
weder bilateral, noch radial — wenn man von den Oeflnungen derselben und von dem
Brachiolen-Kranz absieht. Sie ist fast rein kugelig bei Echinosphaera, und Trinema-
eystis, eitronenförmig bei Citroeystis, birnförmig bei Arachnoeystis, Acanthocystis und
Palaeoeystis, becherförmig bei Archaeoeystis, ellipsoid bei Comaroeystis. Demnach sind
62 Ernst HAscKEL [62
bei Kehinosphaera und Trimemaeystis alle Durchmesser der Kapsel von fast gleicher
Länge, während bei den Uebrigen der vertikale (die Hauptaxe) stets grösser ist als
die horizontalen (Queraxen). Am aboralen Pole ist die Kapsel meistens durch einen
kurzen Stiel befestigt; bei Arachnocystis wird derselbe so lang als die Theca und
geht, nach oben verdickt, allmählich in diese über; bei Comaroeystis und Archaeoeystis
scheint der schlanke Stiel eylindrisch zu sein und sich scharf von dem Basal-Pole
der Theca abzusetzen. Echmosphaera sass auf dem Meeresboden mit einer wurzelartigen
Basıs unmittelbar aut.
Der Platten-Panzer der Theca besteht bei allen Palaeoeystiden aus einer
schr grossen Zahl von klemen polygonalen Platten, welche gewöhnlich unregelmässig
geformt und angeordnet sind, überwiegend fünfeckig und sechseckig; nur bei
(omaroeystis und Acanthoeystis, sowie theilweise bei Behinosphaera, sind die hexago-
nalen Tafeln meistens von gleicher Grösse. Bei Arachnoeystis finden sieh oft an
einigen (unbestimmten) Stellen der Theca einzelne grössere elliptische Platten. Die
Tafeln der meisten Palaeocystiden sind dureh deutliche Poren-Rauten verbunden
(vergl. pag. 22). Die parallelen Sutur-Kanäle oder Nahtbänder, welche dieselben
(senkrecht zu den Suturen) bilden, bleiben bald auf die Peripherie der Platten
beschränkt (Comaroeystis), bald erreichen sie fast deren Centrum (Palaeoeystis).
(Gewöhnlich wölbt sich in der Mitte jeder Tafel ein glatter Hügel vor, von welchem
5, 6 oder 7 radiale Rippen gegen deren Ecken vorlaufen; diese Rippen trennen
zugleich die benachbarten (lreieckigen Rauten-Hälften. Eine deutliche, porenlose,
homogene Deckschicht überzieht die ganze Aussenfläche des Panzers, so dass
keimerlei Kommunikation der „„Poren“-Kanäle nach aussen möglich ist; bei einigen
Palaeoeystiden wird auch eine homogene innere Deckschicht beschrieben.
Thecal-Ostien sind wahrscheinlich bei allen Palaeocystiden drei vorhanden:
der eentrale Mund (am oberen Pol der verticalen Hauptaxe), der excentrische After,
und die klemere „dritte Oefinung“, die wir als Gonoporus deuten. Indessen ist
die letztere nicht immer nachweisbar. Die Mundöffnung liegt bald central im
oberen Pol der Theca, bald am oberen Ende eines rüsselförmigen Vorsprungs,
welcher als Hals (Collum) bezeichnet worden ist (Axası, 13, Tab. XIV); seine
Basis ist meistens von 5 Oral-Platten umgeben (sehr deutlich und konstant bei
Arachnoeystis). Die spezielle Mundbildung ist in den Gattungen der Palaeoeystiden
übrigens schr verschieden und direkt abhängig von der Ausbildung der Mundarme.
— Die After-Oeffnung ist stets ansehnlich, erösser als der Mund, und liegt
ziemlich entfernt von diesem, meistens an der Grenze des oberen und mittleren
Drittels der Kapselhöhe. Der After erscheint stets durch eine „Klappen-Pvramide“
geschlossen, welche meistens aus 5, selten 6 oder mehr dreieckigen Tafeln zusammen-
gesetzt ist. — Auch der kleine Gonoporus, die kreisrunde Geschlechts-Oeffnung
(— und zugleich Hydroporus? —) scheint oft mit einer Klappen-Pyramide bedeckt
gewesen zu sem; sie liegt meistens in der Mitte zwischen Mund und After, links von
‚der ventralen Mittellinie; bisweilen ist sie nahe an den Mund herangerückt; bei
(itroeystis liegt sie in der Wand des Mundrohrs.
63] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 653
Die Mundarme (Drachiola) erscheinen bei den Palaeoevstiden zum ersten
Male als selbstständige skelethaltige Organe, und zwar als reine Peristom-Theile,
welche bald unmittelbar aus den Ecken der Mundspalte, bald aus dem oberen Rande
fojgte)
des erhöhten Mundrohres sich erheben, ganz unabhängig von der Panzer-Kapsel des
Rumpfes. Daher zeigt diese letztere auch keine Spur von radialer Platten-
Ordnung, wie sie bei den Urimoideen und Uvystoideen bemerkbar ist. Ich lese auf
diesen Unterschied deshalb das grösste Gewicht, weil ich daraus auf die einfache
primäre Bildung des Ambulacral-Systems schliesse; dasselbe bestand hier nur aus dem
Mundring, dem Stein-Kanal (nebst Hydroporus) und den Kanälen der Mundtentakeln;
dagegen fehlten ächte Radial-Gefässe (= Prinzipal-Nanäle) in der Theca noch ganz
und ebenso Subvektoren. Im Uebrigen besitzt das Skelet der Brachiolen hier schon
denselben Bau, wie an den ächten Kelch-Armen der Uystoideen und Urmoideen.
‚Jeder Mundarm besteht aus emer einfachen (eimzeiligen) odes doppelten (zweizeiligen)
Reihe von Gliedern, die gelenkig verbunden sind. An der oralen (oder ventralen)
Seite derselben verläuft em Subvektakel oder eine „Ambulaecral-Rinne“ ; diese ist
oft mit eimer paarigen Reihe von Saum-Plättchen zugedeckt. Von den Gliedern der
Brachiolen gingen oft gegliederte Pinnulae aus, die jedoch selten deutlich erhalten
sind (z. B. bei Comaroeystis, Tat. I, Fig. 4). Ueberhaupt ist der Erhaltungs-Zustand
der Arme meistens leider sehr unvollkommen.
Die Zahl der Mundarme zeigt innerhalb dieser Familie wichtige Unter-
schiede, welche mir zur Charakteristik der Genera am meisten geeienet erscheinen.
Arachnoeystis hat drei sehr lange und schlanke Mundarme (länger als die Theca);
ihr Skelet besteht aus zwei alternirenden Platten-Reihen, Pinnulae fehlen; sie ent-
springen «dicht nebeneinander aus dem oberen Ende des Mundrohres, dessen Basis
‚ von fünf rundlichen Platten umkränzt ist. Ebenso entspringen auch die drei Arme
von Echinosphaera; hier bleibt aber nur der unpaare (frontale) Arm einfach, die beiden
paarigen theilen sich alsbald gabelförmig in zwei Aeste, so dass auch hier fünf
schwache Aermehen den Mund umgeben. Bei Palaeoeystis entspringen die fünf Arme
getrennt von den finf Mundecken, jeder durch eine Oralplatte an der Basıs gestützt.
Dieser pentaradiale Bau ist der erste Anfang jener fünfarmigen Bildung, welche für
die ächten Orinoideen so charakteristisch ist. Bei (omarocystis finden sich nur vier
Arme, welche schlank und mit Pinnulae besetzt sind; sie entspringen paarweise von
den beiden Ecken eines schmalen Mundspaltes; bei dieser Gattung schemt der fünfte
(frontale) Arm rückgebildet zu sein. Eine grössere Zahl von fadenförmigen, langen
und dünnen Aermehen findet sich in den alten beiden cambrischen Gattungen aus
Böhmen, bei Acanthoeystis (15) und bei Archaeoeystis (25). Diese letzteren Zahlen
sind in sofern von Interesse, als sie später in der Ontogenie der Ambulacren bei vielen
Echinodermen eine wichtige Rolle spielen, das Pentadeecal-Stadium mit 15, und
das Pentapalmar-Stadium mit 25 Tentakeln (vergl. unten die Pomoeystida,
Fie. 6—10, und die Glyptocystida, a INNE Fig. 36 38).
64 ERNST
HAECcKEL
System der Palaeocystida.
Subfamilien: Brachiolen:
I. Subfamilie:
Trinemaeystida Drei Mundarme, sehr
(— Arachnoeystida) lang und dünn.
Drei Mundarme, un-
getheilt,einfach. Mund Drei Mundarme, kurz
dreispaltig. und stark.
II. Subfamilie:
Citroeystida
(= Echinosphaerida)
Fünf Mundarme (selten
Fünf Mundarme (pri- | Basis entspringend.
mär aus dreitheiliger, | | Fünf Mundarme (selten
sekundär aus fünf- | sechs), aus dreitheili-
theiliger Basis ent- gem Mundrohr ent-
springend). springend.
FünfMundarme, getrennt
aus fünftheiliger Basis
entspringend.
III. Subfamilie:
Comaroeystida , ( Vier Mundarme (in zwei
lateralen Paaren); der
fünfte (frontale) Arm
Vier Mundarme (in |
zwei Paaren).
rückgebildet.
IV. Subfamilie:
Fünfzehn
einen
Acanthocystida Mundarme,
Zahlreiche Mund-
arme (10 — 15 — 25
geschlossenen
Kranz um den Mund
oder mehr, in einen | bildend (Pentadekal-
’
Kranz dicht um den Kranz).
Mund gestellt). Fünfundzwanzig Mund-
arme, einen Kranz
um den Mund bildend
(Pentapalmar- Kranz).
23. Genus:
vier), aus dreitheiliger |
Theeca:
Theca birnförmig, lang
Mund
j
gestielt. drei-
lippie.
Theca kugelig, unge-
stil. Mund drei-
spaltig.
Theca kugelig, ungestielt,
Mundspalt triradial.
Theca citronförmig, kurz
gestielt.
| eylindrisches Rohr.
Theca birnförmig, ge-
0
stielt. Mund penta-
| radial. |
|
| Theca ellipsoid, lang
Mund
| schmaler Längsspalt.
gestielt. ein
Mund ein |
Theca rübenförmig, un- |
ten in einen
kreisrund ?)
Theca becherförmig, lang
|
| gestielt. (Mund kreis-
| rund?)
kurzen |
| Stiel verdünnt. (Mund
=]
164
Genera:
. Arachnoeystis
(infuwnusta).
. Trinemaeystis
(riradiata).
Echinosphaera
(aurantium).
. Citroeystis
(eitrus).
5. Palaeoeystis
(pentolena«).
. Comaroeystis
(punctata).
. Acanthoeystis
(briareus).
. Archaeoeystis
(medusa).
Arachnoecystis, Nrunarr, 1889.
Arcachnoeystites, NEUMAYR, 8, pag. 408.
Dar. Reseller lhh:
Palaeoeystida mit drei langen einfachen Brachiolen. welche dieht beisammen
von den Lippen der kleinen dreieckigen Mundöffnung entspringen. Iheca birm-
65] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 65
förmig, mit einem langen dünnen Stiel. Panzer-Platten irreeulär-polygonal, ohme vor-
tretenden Rippen-Stern.
Species typica: Arachnocystis infausta, Neumare, 1889.
‚trachnocystites infaustus, NEUMAYR, 8, pag. 408.
Echinosphaerites infaustus, BARRANDE, 12, pag. 155, Pl. 22—25, 39.
Fundort: Ober-Cambrium und Unter-Silur von Böhmen.
Das Genus Arachnoeystis gründete Neumark (1889, 1. ce.) für die ansehnliche
Amphorideen-Form, von welcher Barraspe unter dem Namen Echinosphaerites in-
‚faustus zahlreiche Exemplare sehr genau beschrieben und abgebildet hat. Charak-
teristisch smd für diese Gattung die drei langen und schlanken, einfachen, ruthen-
förmigen Brachiolen, welche aus zwei alternirenden Plättchen-Reihen bestehen und
keine Pinnulae tragen. Sie übertreffen den Körper selbst an Länge und entspringen
dieht neben einander aus dem abgestutzten Rande des kurzen Mundrohrs. Die Theca
ist birnförmig oder eiförmig, am oberen diekeren Ende um den Mund zusammen-
gezogen, am unteren dünneren Ende in den langen biegsamen Stiel übergehend,
welcher gesen die aborale Basis verdünnt und mit zwei Reihen, oben verdickt und
mit 3—4 Reihen von kleinen alternirenden Plättchen bedeckt ist. Der Kapsel-Panzer ist
aus sehr zahlreichen und kleinen, irregulär-polygonalen Platten zusammengesetzt,
welche an den Nähten durch Poren-Rauten verbunden sind. Einzelne grössere
elliptische Platten wölben sich warzenförmig an wechselnden und unbestiimmten
Stellen der Kapsel hervor. Sowohl die äussere als die innere Fläche der Panzer-
Kapsel ist von einer soliden, porenlosen Deckschieht überzogen, so dass jede Oetfmnung
der „Porenkanäle* (oder „Nahtbänder“) nach innen und aussen ganz ausgeschlossen
erscheint. Finf porenlose ' grössere Platten von ovaler Gestalt umgeben die Basis
des Mundrohrs. Fünf ähnliche, «latte, dreieckige Tateln setzen die Klappen-Pyra-
miden des Afters zusammen.
24. Genus: Trinemaeystis, E. Hascrer (nov. gen.).
Palaeoeystida mit drei kurzen emfachen Brachiolen, welche unmittelbar von
den Lippen der dreispaltigen Mundötlnung entspringen. Theea kugelig, ungestielt,
Panzer-Platten subreenlär-hexagonal, mit vortretendem Rippen-Stern.
Species typica: Trinemacystis triactis, E. Havroxer.
Eehinosphaera aurantium, var. briachs, J. MÜLLER, 25, pag. 61.
? Echinosphaerites Gyllenhali, QUENSTEDT, 28, Tab. 114, Fig. 26—39.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien.
Das Genus Trinemaeystis stelle ich für diejenigen, bisher zu Zehinosphaer«
gerechneten Formen der Palaeoeystida auf, deren kugelige Theca unten ungestielt
Festschrift für Gegenbaur, 9
66 ap Ernst HAECKEL [66
(oder nur mit eimem kurzen Stiel-Ansatz versehen) ist, oben aber drei kurze einfache
Arme trägt. Unter dem Genus Echinosphaera (oder Echinosphaerites) wurden bisher
eine ganze Anzahl von kugelisen (oder subglobosen) Palaeoeystiden begriften, die
£:
offenbar mehrere Gattungen repräsentieren; das ergiebt sich schon aus emer ver-
i gleichenden Prüfung der zahlreichen,
höchst sorgfältigen Figuren, welche
Angerin unter dem Namen Zchinosphaera
aurantium auf seiner Tafel XIV (Fig. 1
bis 21) abgebildet hat, ebenso wie der
vielen Abbildungen, welche (Juessreot
zusammengestellt hat (28, Tab. 114,
Fig. 20—44). Auf die Gattung Kehino-
sphaera im engeren Sinne (= Urystallo-
Fig. 5. cystis) beschränke ich diejenigen For-
Trinemacystis triaetis. Er een n
h R 2 | men, deren drei Mundarme sich (alle
A die ganze Theca, von der Anal-Seite. B das Peristom mit den 3 B i R Br
drei Mundarmen, von oben. C die Klappen-Pyramide des Afters. oder theilweise) gabelig theilen; Typus
D einige Panzer-Platten mit Poren-Rauten (pag. 22). o Mundöft- ze “= Ei RR: el Je.
nung, h Mundrohr, a After, g Gonoporus, b Basis, am eine Sub- derselben ist die gEW öhnlichste Art:
vektiy Tlinno, (0,SEIatien unten, DER In LEchinosphaera aurantium. Dagegen
unterscheide ich als Trinemacystis jene
älteren Formen, deren drei. Brachiolen einfach bleiben, und die sich also zunächst an
die vorhergehende Arachmocystis anschliessen. In der palaeontologischen Praxis ist diese
Unterscheidung allerdings schwierig, weil die Arme nur selten gut erhalten sind;
theoretisch ist sie aber sehr wichtig, weil sie den stufenweisen Uebergang aus der
primären tyiradialen in die sekundäre pentaradiale Form demonstrirt (ähnlich
wie unter den Fungoeystiden die Genera Glyptosphaera, Protoerinus und Fungoeystis).
Dieser Umbildungs-Vorgang ist polyphyletisch; er hat sieli mehrmals in verschiedenen
Gruppen wiederholt.
25. Genus: Eehinosphaera, Wantengerg, 1821.
Echinosphaerites, WAHLENBERG, 1821, Art. Soc. Sc. Upsal. Vol. VIII, pag. 52.
Echinosphaera, ANGELIN, 1878; 13, pag. 28, Tab. XIV.
Orystalloeystis, E. HAEcKEeL (= Echinosphaera sensu strielissimo !)
Taf. I, Fig. 3—3E.
Palaeoeystida mit fünf kurzen Brachiolen, welche dicht beisammen aus den
Lippen einer dreitheiligen Mundöffnung entspringen, je zwei laterale Aermchen aus
gemeinsamer Basis jederseits. Theca kugelig ungestielt. Panzer-Platten subregulär-
hexagonal, mit vortretendem Rippen-Stern.
67] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN., 67
Dpecies typica: Echinosphaera aurantium, Axcknn, 1878.
Echinosphaera aurantium, ANGELIN, 13, pag. 28, Tab. XIV, Fig. 1—21; Tab. XXVII, Fie. 9.
Ychinus aurantium, GYLLENHALL, 1772; Vet. Acad. Stockholm Handl., pag. 239, Taf. VIII, IX,
Ychinosphaerites auantium, VOLBORTH, 1846, 16, pag. 169—183, Taf. IX.
Sphaeronites aurantium, HisınGer, 1828, Anteckningar IV, pag. 195.
Orystallocystis aurantium, E. HAEcKEL, Taf. I, Fig. 3—3E,
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien und Russland.
r
Das Genus Echinosphaera ss. vestr. (= Orystallocystis) ist die bekaäinteste und
verbreitetste Form der Palaeoeystiden; grosse Massen dieser kugeligen „Kr b: stall-
Aepfel‘ finden sich in den untersilurischen Vaginaten- Kalken von Skandinatien und
Russland vor. Gewöhnlich ist aber nur die Theca, deren Hohlraum von radialen
Kalkspath-Krystallen erfüllt ist, gut erhalten. Dagegen sind die Aermchen: niemals
vollständig und nur selten ihre Basal- Theile konservirt.- An den besterhaltenen
Exemplaren gehen vom Oral-Pol der vertikalen Axe aus der dreischeukeligen Mund-
spalte drei Er und kurze Arme ab; sie wurden zuerst von VoLsortn (16) und
genauer von J. Mürzer beschrieben (25). An eimem vorzüglich ‚erhaltenen Exem-
plare aus hrreden finde ich fünf kurze gegliederte Arm-Reste vor (Taf. [,; ‚Eies23)*
der eine frontale Mundarm, welcher unpaar vom Centrum des dreispaltisen Mundes
nach vorn abgeht (dem After entgegengesetzt), bleibt einfach; die beiden anderen,
paarigen Arme, welche von den lateralen , nach hinten seriehteten Mundspalten
abgehen, theilen sich gabelspaltig. Uebrigens hat schon Vorsorru diese wichtige
Thatsache abgebildet (16, Tat. IX, Fig. 6) und Jonanses Mürrer das Verhalten der
Platten genau beschrieben (25, pag- 60; Taf. VI, Fig. 2, 3). Die beiden posteralen
Brachiolen scheinen stärker zu sein, als die beiden pectoralen. Pinnulae-Ansätze sind
an den Gliedern der zweizeiligen Aermcehen nicht deutlich zu erkennen, wohl aber
zwei Reihen von Saumplättchen, welche die ventrale (oder orale) Ambulacralfurche
zudecken; Vonsorru beschreibt sie genau und bezeichnet sie als „Tentakeln“. Der-
selbe fand unter den sehr zahlreichen (mehr als tausend) genau untersuchten Exemplaren
von Sphaeronites einzelne, welche nicht die gewöhnliche Dreizahl der Mundarme
zeigen, sondern statt deren 4 oder 2. Diese Varietäten sind desshalb interessant,
weil sie zu den anderen Gattungen dieser Familie hinüberführen, namentlich zu
Comarocystis. Während das kurze Mundrohr von Echinosphaera gewöhnlich drei-
seitig erschemt (Taf. I, Fig. 2a), wird es dagegen vierseitig bei der vierarmigen
Varietät (Fig. 2e) und Spindeörmig bei der zweiarmigen (2d); die Mundspalte ist
bei der letzteren zweilippig, bei der ersteren kreuzförmig. Bisweilen geht die Gabel-
theilung der beiden lateralen Brachiolen bis zu ihrer Basis hinab; dann entspringen
aus dem Peristom finf Arme nebeneinander (Taf. I, Fig. 3, 3a); diese Form bildet den
Uebergang zu Palaeocystis. Die Basis des Mundrohrs ist auch bei der gewöhnlichen
dreilippisen Form von fünf basalen Mundplatten umgeben. Die Klappen-Pyramide
der excentrischen After-Oeffuung (= „Ovarial-Oeffnung“ von Buch und Vorsorrn) wird
meistens von 5 oder 6 dreieckigen Klappen gebildet, seltener von 4, 6 oder 8.
9*
68 Ernst HAECKEL [68
Zwischen beiden Darm-VOeftnungen, jedoch näher dem Munde, und etwas links von
der ventralen Mittellmie, Iimgt der kreisrunde Gonoporus (wahrschemlich vereinigt
mit dem Hydroporus). Die Distanz und die besondere Form der drei Thecal-Aper-
turen scheint bei Zchinosphaera vielfach zu variiren, ebenso die Beschaffenheit der
polygonalen irregulären Panzerplatten, welche in grosser Zahl und ohne bestimmte
Ordnung die Kapsel zusammensetzen. Auch ihre spezielle Struktur, die Verhältnisse
der Poren-Rauten, der Tafel- Nähte und Ornamente, erscheinen sehr variabel, wie
besonders die schönen Abbildungen von Axcernin zeigen (13, Tab. XIV). Genauere
Untersuchung dieser Verhältnisse (— namentlich auch an Durehsehnitten und
Schliffen der Tafeln —) dürfte zur Unterscheidung mehrerer Arten führen.
26. Genus: Citroeystis, E. Harcrer, nov. gen.
kchinosphaera et Echinosphaerites AUTORUM, partim!
te 1 BU
Palaeoeystida mit fünf oder sechs kurzen Brachiolen, welche aus der oberen
Mündung emes eylindrischen dreitheiligen Mundrohrs entspringen, je zwei laterale,
aus gemeinsamer Basis. T'heca eitronförmig oder bimförmig, mit kurzem Stiel.
Panzer-Platten subregulär-hexagonal, mit vortretendem Rippen-Stern.
Species typica: Citroeystis eitrus, B. Havcer.
Sphaerontles cilrus, HISINGER, 1837; Lethaea suecica, pag. 91, Taf. XXV, Fig. Sa.
Echinosphaera eılrus, KLOEDEN, 1834, Verstein. der Mark Brandenburg, pag. 234.
Echinosphaera aurantium, partim! ANGELIN, 1878; 13, Tab. XIV, Fig. 4, 5, 5b.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien.
Das Genus (Üitroeystis gründe ich für diejenigen, bisher zu Echinosphaera
serechneten Palaeoeystiden, bei denen die fünf Mundarme nicht unmittelbar von
einer fünfspaltigen Mundöffnung getrennt abgehen, wie bei Palaeoeystis, sondern von
(ler oberen dreitheiligen Oeffnung eines eylindrischen Mundrohrs, welches sich am
Oral-Pol der Kapsel erhebt. Auch liegt der Genital-Porus nicht in der Kapsel-Wand,
zwischen Mund und After (wie bei Echönosphaera), sondern in der Wand des Oral-
Tubus (= Collum), wie es Angeuın sehr naturgetreu abgebildet hat (13, Tab. XIV,
Fig. 4). Aus dem oberen Rande dieses Mundrohrs erheben sich drei gegliederte
Brachiolen, von «denen der unpaare frontale (dem After gegenüber) einfach bleibt,
während die beiden paarigen lateralen sich gabelförmig in je zwei Aermchen theilen
Taf. I, Fig. 2). Bisweilen scheint sich auch der Frontal- Arm zu gabeln, so dass
sechs Mundarme entstehen (Anger, 13, Tab. XIV, Fig. 5, 5b). Die Theca von
Citroeysiis ist nicht kugelige und unten abgerundet, wie bei Echinosphaera s. vestr.
(— Crystalloeystis), sondern eitronförmig
toR]
unten in einen kurzen Stiel ausgezogen.
69] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 69
27. Genus: Palaeocystis, Bırıumes, 1858.
Palaeoeystites, BiLLınGs, 15, pag. 68.
Taf. I, Fig. 5, 5A, 5B.
Palaeoeystida mit fünf schlanken, sleichmässig entwickelten Brachiolen, welche
getrennt von den fünf Eeken des Mundes entspringen. Theca birnförmig, mit kurzem
Stiel. Panzer-Platten subregulär-hexagonal, mit vorspringendem Rippen-Stern.
Species typica: Palaeoeystis pentolena, E. Hascrer, nov. spec.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika (Canada).
Das Genus Palaeocystis gründete Birrınes für mehrere nordamerikanische
Eehinodermen, von denen Harn Panzer- Fragmente unter dem Namen Aetinoerinus
tenuiradiatus beschrieben hatte. Die hexagonalen Tafeln derselben zeichnen sich
vor denen anderer Uystoideen und Amphorideen dadurch aus, dass die Nahtbänder
(Porenkanäle der Porenrauten) beinahe bis zur Mitte der Platten reichen und sich
auch im speziellen Verhalten etwas unterscheiden. Ich kann diesem Unterschiede
keine Bedeutung beimessen (vergl. pag. 23). Dagegen finde ich bei einem Fragmente
der oberen Thecal-Hälfte, dessen hexagonale Platten eine ähnliche Struktur zeigen,
das Peristom so genügend erhalten, dass ich daraus auf die Anwesenheit von fünf
gegliederten Mundarmen schliessen kann, die getrennt aus der oberen Oeffnung des
kurzen Mundrohres entspringen. Das betreffende Bruchstück (aus dem Unter -Silur
von Nord-Amerika) zeigt eine ähnliche Mundbildung, wie sie Barranpe von Arachno-
cystis abgebildet hat (12, Pl. 23, Fig. 17, 18); während aber hier nur drei Arme
von der oberen Mündung der Proboseis abgehen, spaltet sich dieselbe dort deutlich
in fünf Arme von gleicher Stärke; leider ist nur die Basis derselben, mit einigen
undeutlichen Gliedern erhalten. Natürlich lässt sich nicht bestimmen, ob dieses Frae-
ment wirklich derselben Gattung angehörte, wie die drei von Birnınes beschriebenen
Arten, an denen die Thecal-Oetfnungen und Arme fehlten (Palaeoveystis tenwiradiata,
Palaeocystis Dawsoni und Palaeoeystis Chapmani). Da jedoch die Platten-Struktur
sehr ähnlich ist wie bei Palaeoeystis tenwiradiata (15, pag. 69, Fig. 1—3), beziehe
ich die neue Species auf dasselbe Genus und nenne sie Palaeoeystis pentolena. Die
Bildung von fünf eimfachen Brachiolen, welche getrennt aus dem Mundrohre ent-
springen, erscheint mir von hoher Bedeutung. Uebrigens geht auch bei der gewöhn-
lichen Orystalloeystis aurantium die Gabeltheilung der beiden lateralen Arme bisweilen
bis dieht an den Mund heran. so dass nicht drei, sondern fünf Arme direkt vom
Peristom zu entspringen scheinen (Taf. T, Fig. 3, 3 A) Zur Gattung Palaeocystis
gehört vielleicht auch die kleine fünfarmige Amphoridee, welehe Harrı. als Crinoeystis
chrysalis beschrieben hat (24, Report 20, 1868, pag. 318, Pl. 12a, Fig. 10, 11)
= (rinoeystites chrysalıs.
70 Ernse HABCKEL [70
25. Genus: Comaroecystis, Bınziınas, 1856.
Comarocystites, BILLINGS, 15, pag. 61, Pl. V.
Taf. I, Fig. 4-4C.
Palaeocystida mit vier langen, gefiederten Brachiolen, welche paarweise von
den beiden Ecken einer schmalen Mundspalte entspringen. Theca birnförmig oder
ellipsoid, scharf abgesetzt von dem dünnen, eylindrischen Stiel. Panzer-Platten sub-
regulär-hexagonal, ohne Rippen-Stern.
Speeies typica: Comarocystis punctata, Bıuuinas.
Comarocystites punctatus, BILLInGs, 15, pag. 61, Pl. V.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika (Canada).
Das Genus (omarocystis ist bisher nur durch die Darstellung bekannt, welche
Biruıngs von einer unter-silurischen Art aus Nord-Amerika gegeben hat. Danach unter-
scheidet sich dasselbe von den verwandten Palaeocystiden besonders durch 'eme eigen-
thiimliche Waben-Struktur des Panzers, dessen regehnässige hexagonale Platten eine
grubenförmige Vertiefung zeigen; die Nahtbänder bilden keine Rauten-Figuren, sondern
Trapeze. Wichtiger als dieser Unterschied in der Tafel-Struktur scheint mir die
Thatsache zu sein, dass Comaroeystis nur vier Brachiolen besitzt, welche paar-
weise von den beiden Ecken einer langen, schmalen Mundspalte ausgehen. Die
beiden posteralen werden von Biruıses (— welcher irrthümlich den After für den
Mund hält —) als „vordere“ bezeichnet, die beiden pectoralen als „hintere“. Das
fiinfte (frontale) Aermehen scheint ganz verschwunden zu sem; man kann durch
tiickbildung desselben, und durch Auseinanderrücken der beiden Arm-Paare Comaro-
eystis von Palaeoeystis ableiten. Die Brachiolen scheinen lang und dünn zu sein,
wie bei Arachnoeystis (— länger als die Theca —); sie bestehen aber nur aus einer
Reihe von Gliedern, welehe eylindrisch, 4 mm lang sind und je eine (oder zwei?)
fadenförmige, gegliederte Pinnula tragen. Der ceylindrische Stiel (4 mm diek) ist aus
einer Reihe von dünnen Platten zusammengesetzt und scharf abgesetzt von der
eiförmigen oder ellipsoiden (40 mm langen) Kapsel. Der Stiel scheint lang zu sein
und zeigte an einem Exemplar bei 80 mm Länge noch keine basale Verdünnung.
Zwischen der longitudinalen Mundspalte und dem ventralen After (welchen eine
Klappen-Pyramide deckte) scheint ein kleiner Gonoporus zu liegen.
29. Genus: Acanthoeystis, Barranoe, 1887.
Acanthocystites, BARRANDE, 12, pag. 180, Pl. 2, Fig. 13—15.
Taf. I, Fig. 6—6B.
Palaeoeystida mit 15 langen und dünnen, einseitig gezähnten Brachiolen,
welche einen Kranz um den Mund bilden. Theca rübenförmig oder länglich birn-
71] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. zn
förmig (gestielt?). Panzer-Platten subregulär-hexagonal, mit marginalen Stern-
tippen, ohne Poren-Rauten.
Acanthocystis briareus, Barkanoe, 1887.
Acanthocystites briareus, BARRANDE, 12, pag. 181, Pl. 2, Fig. 13—15, 31, 32.
Fundort: Mittel-Cambrium von Böhmen (C); Ginetz.
Das Genus Acanthocystis gehört zu den ältesten Amphorideen, aus dem Mittel-
Cambrium, und zeichnet sich durch den Kranz von 15 dünnen und langen Aermehen
aus, welche um den Mund herum dicht neben emander sitzen; sie scheinen länger
als der Kelch zu sein und sind an einer Seite fem gezähnelt (einzeilig geoliedert?).
Von der rübenförmigen Kapsel fehlt der untere Theil. Die kleinen Tafeln des
Panzers sind ziemlich regelmässig hexagonal, in der Mitte mit einer runden Ver-
tiefung (— wie bei Comarocystis? —); von deren Umkreise gehen 20—30 starke
radiale Rippen nach dem Rande der Tafel. Eigentliche „Poren-Rauten“ fehlen.
30. Genus: Archaeoeystis, Barranoe, 1887.
Archaeoeyslites, BARRANDE, 12, pag. 94, Pl. 2, Fig. 4—6.
Taf. I, Fig. 7—7B.
Palaeocystida mit 20—25 langen und dünnen Brachiolen, welche einen Kranz
um den Mund bilden. 'Theca becherförmig, mit einem dünnen, gegliederten Stiel.
Panzer-Platten sehr klein und zahlreich, irregulär-polvgonal.
Species typica: Archaeocystis medusa. Barranve, 1887.
Archaeocystites medusa, BARRANDE, 12, pag. 95, Pl. 2, Fig. 4—6.
Fundort: Mittel-Cambrium von Böhmen (C), Wosek.
Das Genus Archaeoeystis wurde von Barraxpe für ein einzelnes, unvollständig
erhaltenes Exemplar gegründet, welches er in einem cambrischen Rieselknollen ein-
geschlossen fand. Die becherförmige Kapsel scheint mit sehr klemen und zahlreichen,
irregulär-vieleckigen Plättehen dieht gepflastert zu sein. Sie ist unten scharf abge-
setzt von dem dünnen, eylindrischen Stiel, dessen kurze, scheibenförmige Glieder
eimen Kranz von feinen, horizontal abstehenden Borsten zu tragen scheinen. Die 20
bis 25 dünnen Arme, welche oben um dem Mund herum einen Kranz bilden, sind
gegliedert und scheinen am inneren (oralen) Rande ebenfalls feine Borsten zu tragen.
Der Körperbau dieser eigenthümlichen Gattung ist zu unvollkommen bekannt, um
sie sicher in der Familie der Palaeoeystida einreihen zu können. In meiner vor-
läufigen Mittheilung (1895, pag. #) hatte ich die hypothetische Stammfamilie der
Amphorideen als Archaeoeystida bezeichnet.
Zweite Klasse der Ecehinodermen:
Cystoidea, Lsororn Buch, 1845.
Oystidea, Lrororn Buch, 1845; „Ueber Cystideen eingeleitet durch die Entwickelung der Eigenthüm-
lichkeiten von Caryocrinus ovnatus“. Abhandl. Berlin. Akad.
Cystoidea, AUTORUM, partim!
Eehinodermen mit bilateral-radialer Grundform des Körpers, mit emem
radialen Anthodium, welches aus mehreren (2—5 oder mehr) Ambulaeren zusammen-
gesetzt ist. Theca monaxon oder radial, am Aboral-Pol der Hauptaxe selten frei,
meistens direkt aufsitzend oder durch einen Stiel befestigt. Tegument selten mit
einem beweglichen Schuppen-Panzer, meistens mit einem starren Platten-Panzer,
welcher aus sehr zahlreichen polygonalen Täfelchen irregulär zusammengesetzt ist;
häufig sind letztere theilweise zu grösseren Tafeln verschmolzen. Mundöfnung stets
central, am Oral-Pol der Hauptaxe, selten eine (uerspalte, oft kreisrund, meistens
radial-gespalten, mit 3—5 Lippen. After stets excentrisch, auf der Ventral-Seite, mit
Klappen-Pyramide. Zwischen Mund und After meistens ein Gonoporus („dritte Oeff-
nung“), selten noch ein Hydroporus („vierte Oeftnung“). Skeletale Gliedmaassen
sind meistens in Form von Pinnuletten entwickelt, seltener als ein Peristom- Kranz
von radialen Brachiolen, oder als em Gürtel von Thhecal-Brachien.
Die Klasse der Oystoideen (— nach Ausschluss der Amphorideen! —)
enthält eine grosse Anzahl von palaeozoischen Echinodermen, welche theils durch
die primitive Einfachheit ihrer Organisation, theils durch ihre eigenthümliche Difte-
renzirung sich von den übrigen Klassen des Stammes unterscheiden. Einerseits sind
sie durch Uebergangs-Formen (unten) mit ihren Amphorideen-Ahnen verknüpft, ander-
seits (oben) mit den höher entwickelten Klassen der Pentorchonien. Einige Gattungen
der Uystoideen finden sich versteinert schon im Cambrium neben ihren Uystoideen-
"Ahnen; die grosse Mehrzahl aber findet sich im Silur, besonders im Unter - Silur.
Viel geringer ist die Zahl der Arten im Devon, und im Carbon kommen nur
noch vereinzelte Ueberreste vor. In der permischen Periode scheint die Klasse bereits
ganz ausgestorben zu sein.
73] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 73
Grenzen der Öystoideen-Klasse. Die unvollkommene Kenntniss, welche
wir von der Organisation des Weichkörpers in dieser tformenreichen, aber nur fossil
bekannten Klasse besitzen, gestattet uns, ihre Grenzen gegen die verwandten Klassen
des Echinodermen-Stammes nur theilweise und unsicher abzustecken. Leichter ist
diese Abgrenzung nach unten hin. gegen ihre Amphorideen-Ahnen. Zwar bilden unter
den letzteren die Palaeocystiden einen unmittelbaren Uebergang zu den Uystoideen ;
aber von diesen, wie von allen anderen Amphorideen unterscheiden sich die Uystoideen
bestimmt und klar durch die Ausbildung des Anthodium. Der erste Beginn und
die stufenweise Ausbildung dieser „„Ambulacral-Rosette“, wie sie uns in den beiden
Familien der Pomoeystiden und Fungoeystiden entgegentritt, beweist eimerseits deren
Abstammung von jenen Amphorideen, andererseits die Richtigkeit der Hypothese,
welche m der Cystoideen-Klasse die Stamm-Gruppe aller übrigen Eehinodermen
erblickt. Diese alle sind Anthodiaten; sie alle besitzen perradiale Prinzipal-Kanäle, welche
vom Hydrocircus aus centrifugal m das Tegument der Theca hinein wandern und
an deren ventraler Oberfläche, zusammen mit den darüber selegenen Subvektoren
(oder Himmernden „Zufuhr-Rinnen des Tegumentes‘) die ächten Ambulacra bilden.
Den Amphorideen fehlen diese „Ambulacral-Felder* noch ganz.
Schwieriger ist die Abgrenzung «der Uystoideen nach oben hin, gegen die
iibrigen Klassen der Anthodiaten; deun hier entwickeln sich mehrfach interessante
Conneetiv-Formen, welche unmittelbar von verschiedenen Zweigen der Cvystoideen-
Klasse zu den einzelnen Pentorchonien -Klassen hinüberführen. Die Agelacystiden
erscheinen nahe verwandt den Stammformen der Pygocineten (Zchinideen, Ophiureen,
Asterideen), — (die Anthocystiden (Uystoblastus) denjenigen der Blastoideen, die
Glyptocystiden denjenigen der Crinoideen; die Ascocystiden stehen sehr nahe den
Stammformen der Holothurien (falls sie nicht selbst dazu gehören). Wie weit es
jetzt schon möglich ist, diese höheren Echmodermen-Klassen scharf zu definiren und
von der gemeinsamen Stammgruppe der Uvstoideen abzugrenzen, habe ich im zweiten
Theile meiner „Systematischen Phylogenie* zu zeigen versucht.
Klassifikation der Cystoideen.
Als der geistreiche Geologe und Palaeontologe Leororn Buch vor 50 Jahren
die Klasse der Uystoideen begründete, unterschied er sie als „armlose Urinoideen“
von den armtragenden ächten Urimoideen; er beschrieb damals sieben verschiedene
Arten als Typen von fünf Gattungen. Seitdem hat sich die Zahl der beschriebenen
Genera um mehr als das zehnfache erhöht (30 Amphorideen und 45 CUystoideen). Vie
sieben Cystoideen-Arten von Buen (Lit. No. 11) gehören zu folgenden Familien:
1. Sphaeronites aurantium, 11, pag. 14, Tab. I, Fig. 21, 22. — Palaeocystida.
2. Sphaeronites pomum, 11, pag. 16. — Pomoeystida.
3. Caryoeystites gramatum, 11, pag. 17, Tab. I, Fig. 8-10. — Oroeystida.
4. (aryoeystites testudinarius, 11, pag. 19, Tab. I, Fig. 20. — Oroeystida,
Festschrift für Gegenbaur. 10
74 Ernst HAEcKEL [74
5. Hemicosmiles pyriformis, 11, pag. 20, Tab. I, Fig. 11, 12. — Hexalacystida.
6. Syeoeystites angulosus, 11, pag. 21, Tab. I, Fig. 15—19. — Syceocystida.
7. Oryptoerinites cerasus, 11, pag. 25, Tab. I, Fig. 13, 14. — Syeocystida.
Jonanses Mürner, 1854, (25, page. 58—66) beschrieb zuerst genauer die
Struktur-Verhältnisse der Kelchtafeln und ihrer Poren; er unterschied danach drei
Gruppen von Cystoideen: I. Rhomboporita (Rhombifera), mit Poren-Rauten,
ll. Diploporita, mit Doppel-Poren, IH. Aporita, ohne Poren der Kelch-Tafeln.
Diese Eintheilung wurde von den meisten folgenden Autoren beibehalten, so auch
von Zırmen (1876) in seinem Handbuch der Palaeontologie, in welchem die bis dahin
bekannten Genera sorgfältig zusammengestellt und charakterisirt sind (29, pag. 405);
hier sind bereits 40 verschiedene Genera aufeeführt; jedoch befinden sich darunter
10 ungeniigend bekannte.
Die Zahl dieser 30 Genera schien verdoppelt zu werden, als 1387 W. Waagen
den VIl. Band des grossen Werkes veröftentlichte, welches Joacmm Barkanoe (12) über
„Le Systeme Silurien du Centre de la Boh@me“ geschrieben hatte (vergl. Anhang I). Auf
den 39 Tafeln dieses kostbaren Werkes, welches erst vier Jahre nach dem Tode des
Autors erschien, sind 30 Genera und sehr zahlreiche Species abgebildet; doch sind
unter den Gattungen 10 nur unvollkommen bekannt, so dass ihre Zahl auf 20
reduzirt wird. Da BarranvEe den Organismus der Echmodermen nur sehr unvoll-
kommen kannte, verzichtete er auf eine Klassitikation seiner Uystideen und ordnete
dieselben nach dem Alter in drei Gruppen; in jeder derselben werden die Genera
in alphabetischer Reihenfolge beschrieben.
Das mhaltreiche Werk von Barkaspe, mit mehr als 300 (uartseiten Text, ist
unter allen bisher erschienenen Werken über Cystordeen nicht allem das umfang-
reichste, sondern auch das werthvollste durch die grosse Zahl von zuverlässigen
Beobachtungen und höchst sorgfältigen Abbildungen. Allein der Text steht mit den
letzteren oft in auffälligem Widerspruch und darf nur mit grosser Vorsicht und
Kritik benutzt werden. Seme grossen Mängel werden durch die besonderen Umstände
entschuldigt, unter welchen der ausgezeichnete Verfasser zur Abfassung des Textes
schritt; dieselbe wurde im 84. Lebensjahre durch den Tod unterbrochen, nachdem
Barraspe mit unermüdlichem Eifer und Fleiss 40 Jahre lang die kostbaren fossilen
Schätze der cambrischen und silurischen Schichten von Central-Böhmen gesammelt
hatte. Während dieses langen Zeitraums wechselten natürlich die Anschauungen des
Verfassers vielfach; ältere Beobachtungen wurden mit neueren oft in nicht glück-
licher Weise kombinirt; viele Notizen gingen auch wohl verloren. Vor Allem aber
ist zu berücksichtigen, dass BarranpEe in erster Linie Sammler und Beobachter war,
dass er aber von der Organisation der Eehmodermen nur eine sehr unvollkommene
Vorstellung besass; die neueren Untersuchungen über die vergleichende Anatomie
“und Ontogenie dieses merkwürdigen Thier Stammes blieben ihm ganz fremd. Nur
so lässt es sich erklären, dass er das innere Dermal-Skelet der Cystoideen als eine
äussere Schale (ähnlich eimer Mollusken-Schale) betrachtet, mit welcher der lebendige
„eigentliche Thierkörper* nur locker zusammenhing. Die bedeutungsvollen Ocffnungen
75] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 75
der Theea werden öfter im Texte nicht erwähnt, während die naturgetreuen Abbil-
dungen sie deutlich zeigen. Die eigenthümlichen „Hydrophora palmata“ (— subteg-
minale Antliodien —), welche offenbar @lyptoeystiden angehören, werden irrthümliech
drei Gattungen von Aristocystiden zugeschrieben, obwohl die Beschaffenheit ihrer
Theca deren Besitz ausschliesst. Dei Ascocystis wird der prismatische Körper als
sechskantig beschrieben und (auf falsch konstruirten (uerschnitten) abgebildet, obeleich
aus den vortreffliehen Abbildungen zweifellos hervorgeht, dass er fünfkantie war.
Bei Mitrocystis beschreibt Barkanpe die verschiedene Platten-Täfelung der dorsalen
und ventralen Theca-Hälfte als eme „bizarrerie inexplicable* und erklärt sie dadurch.
dass der Rückenpanzer die „äussere Schale“, der Bauchpanzer dagegen „der Körper
leute)
des 'Thieres selbst“ sei (12, page. 165). Trotz dieser und vieler anderer seltsamer
Irrthiimer bleibt das Werk von Barraspe eine höchst werthvolle Fundgrube von
wichtigen Beobachtungen; nur missen sie mit scharfer Kritik, eingehender Aufmerk-
samkeit und grosser Vorsicht benutzt werden.
Meremor Nevmayr (18859) widmete m dem ersten Bande seiner „Stimme des
Thierreiches“ den Cystoideen zum ersten Male eine eingehende phylogenetische
Betrachtung (8, pag. 400414). Er führte den Nachweis, dass die bisher gültige
Eintheilung der Cvstoideen auf Grund der Poren-Bildung in den Panzertafeln ganz
inmatürlich und unhaltbar und die Deutung der Poren selbst grossentheils irrthiimlich
sei (8, pag. 412). Mit Recht wies er darauf hin, dass viel wichtiger die Bildung
der „ambulacralen Organe der Uystoideen sei, welche hier einen höheren Grad von
Manmnigfaltigkeit und Veränderlichkeit zeigen, als in irgend einer anderen Abtheilung
der Eehinodermen“ (8, pag. 410). Darauf hin versuchte er, „wenigstens einige gute
natürliche Gruppen zu unterscheiden“, nämlich 1. Sphaeronitida (mit drei Sub-
familien: A. Sphaeronitina, B. Aristocystina. U. Mesitma). 2. Echmosphaeritida und
3. Pleurocystida (= Anomocystida, Woopwarn, 1880, 26). Neunark betrachtet die
Uystoideen als die gemeinsame Stammgruppe der Echinodermen, welche durch ver-
bindende Uebergangs-Formen mit den anderen Klassen des Stammes zusammenhänge.
Diese Auffassung wurde dann im bestimmterer Form zur Klassifikation benutzt von
Sreinmann und Döperrem (1890) in ihren „Elementen der Palaeontologie* (9, pag. 176
185); sie unterscheiden vier Familien der Cystoideen. Von diesen stellen die
Eueystidea (I) die typische Hauptgruppe der Klasse dar (Glyptosphaera, Echino-
sphaera, Lepadoerinus); die Uystechinoidea (II) führen von diesen zu den
Echinideen hinüber (Mesites, Oystocidaris); die Uystasteroidea (III) schlagen die
Brücke zu den Asterideen und Ophiureen (Agelacrinus); die Uystocrinoidea
endlich (IV) bilden den Anschluss an die ächten Urmoideen (Sycocystis, Caryoerinus,
Poroerinus).
Ferix Bernarn (1895) unterscheidet in semen Zlements de Palcontologie folgende
sechs Familien der Uystoideen: 1. Aristoeystida, 2. Echinosphaeritida, 3. Glypto-
sphaeritida, 4. Caryoerinida, 5. Callocystida, 6. Pleurocystida, (30 pag. 205). Zimren
kombinirt neuerdings in seinen „Grundzügen der Palaeontologie“ (1895) diese Ein-
theiluing mit der von Neumark versuchten; er unterscheidet acht Familien (nach
10*
76 Ersst HAsScKEL [76
Ausschluss der Camaroeystida, welche Wurzel-Rnollen von ächten Crinoideen sind:
vergl. Anhang Il: Zobolithes). 1. Aristocystida (N.), 2. Sphaeronitida (N.), 3. Echino-
sphaeritida (N.), 4. Cryptocrinida (Z), 5. Caryoermida (B.), 6. Anomaloeystida (W.),
7. Calloeystida (B.), 8. Agelacrınida (H.).
Orro Jarrer (1895) hebt in seinem Vortrage über „Die Organisation der
Uystoideen“ besonders hervor, dass diese Echinodermen „keime emheitliche Abtheilung
darstellen. sondern in zwei sehr verschiedene Formenkreise zerfallen“ (49. pag. 109).
Er stellt die Theeoidea (unsere Agelacystida) als besondere Klasse den ächten
Uystoidea gegenüber; „der charakteristische Unterschied der Cystoideen gegen-
iiber den Thecoideen besteht darm, dass ihr Kelch-Skelet eine geschlossene Kapsel
bildet, welehe dem Ambulacral-Organ nur in dem oben gelesenen Mund eine Austritts-
öffnung freilässt‘“ (49, pag. 111). Die weitere Unterscheidung von Gruppen unter
den Uystoideen versucht Jarker hauptsächlich auf Grund der Unterschiede, welehe
das von ihm so genannte „Hydrophoren-System“ zeigt, d. h. „diejenigen Einrich-
tungen, welche dem Ambulacral- System seinen Inhalt zuführen“ (vergl. hierüber page. 6).
Während ich die Agelacystiden für jüngere, relativ hoch organisirte und regulär
differenzirte Uystoideen halte, sagt Jarkern von ihnen: „Die Thecoidea stehen ihrer
gesammten Organisation nach unzweifelhaft am Ausgangspunkt der Pelmatozoa; alle
diese müssen das Entwickelungs Stadium jener durchlaufen haben. Denn einfacher
organisirte Pelmatozoen als diese kann es kaum gegeben haben“ (49, pag. 110).
Die neue Klassifikation der Cvstoideen, welche ich selbst 18505 in meiner vor-
läufigen Mittheilung über „Die cambrische Stammeruppe der Eehinodermen“
vorgeschlagen habe und welche in der vorliegenden Abhandlung weiter ausgeführt
ist, geht von wesentlich anderen Gesichtspunkten aus, als diejenigen meiner Vorgänger.
Während diese letzteren, als Palaeontologen, sich vorzugsweise an die Zusammen-
setzung der Panzerkapsel und die Struktur ihrer Tateln hielten, steht für mich im
Vordergrunde die Difterenzirung des Ambulacral-Systems und die mnige erbliche
Beziehung, welche dieselbe vermöge des biogenetischen Grundgesetzes zu den
bekannten Erschemungen in der Ontogenie der Echinodermen besitzt. Darauf
gestützt, trenne ich zunächst die Klasse der Amphorideen, (als ältesten Echino-
dermen, ohne Anthodium!) ganz von den ächten Üystoideen; diese letzteren sind,
gleich allen iibrigen Echinodermen, Anthodiaten, mit emer „Ambulacral-Rosette“
versehen. Unter diesen „ächten Oystoideen‘“ unterscheide ich sechs Familien, welche
sich auf zwei Subklassen oder Ordnungen vertheilen: I. Mikroplacta oder Zuey-
stidea (mit den vier Familien der 1. Pomoeystida, 2. Fungoeystida, 3. Ayelacystida
und 4. Ascoeystida; Theca irregulär zusammengesetzt aus sehr zahlreichen kleinen
Täfelchen) und II. Mesaplacta oder Parcystidea (mit den beiden Familien der
5. Calloeystida und 6. Glyptocystida; 'Theca subregulär zusammengesetzt aus einer
geringen Zahl von grossen Tafeln (13—20, meistens 18 oder 19).
AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN.
System der Cystoidea.
—]
Ordines:
I. Ordnung:
Microplaecta
(= Enucystidea.)
Theca mit irregulärem
Platten - Panzer, zu-
sammengesetzt aus
zahlreichen kleinen,
polygonalen Täfelchen
(meistens 40— 80, oft
mehreren Hunderten).
II. Ordnung:
Megaplacta
(= Parcystidea.)
Theca mit subregulärem
Platten - Panzer, zu-
sammengesetzt aus
einer geringen Zahl
von grossen polygo-
nalen Tafeln (13—20,
meistens 18 oder 19).
Familiae:
IE
Pomoeystida.
Antho-
regulär - penta-
5 Ambulaeren
sehr kurz, mit wenigen
Aesten.
A
Theca monaxon.
dium
radial.
11.
Fungoeystida,
I
I
T'heca monaxon. Antho-
aium irregulär. 2 bis
5 Ambulaeren lang,
meist uniserial.
ITTE
Agelacystida.
|
Theea pentaradial. An-
thodium regulär. 5 Am-
bulaeren ausgedehnt,
dicht gefiedert.
IV.
Ascoeystida.
Theca pentaradial, An-
thodium komplet. 5
Prinzipal-Kanälelang.
Ein Kranz von Mund-
armen.
V.
Calloeystida.
Theca ohne Armgürtel
und ohne freie Arme;
mit 2 bis 5 langen,
offenen, oft verästelten
Ambulacren.
AL,
Glyptoeystida.
Theca mit einem Gürtel
von freien Armen,
welcher den dorsalen
Keleh von der ven-
tralen Kelchdecke
trennt. 3—5 kuıze,
verdeckte oder subteg-
minale Ambulaeren.
Subfamiliae:
Ia. Sphaeronitida.
Theca mit5—20 Brachiolen
Anthodium scharf
markirt.
| Ib. Proteoeystida.
de-
Theca mit 25 oder
Brachiolen. Anthodium
nicht demarkirt.
IIa. @lyptosphaerida.
Theca mit 3 oder 5 faden-
förmigen Ambulacren.
IIb. Maloeystida.
Theea mit 2, 4, 6—9 ketten-
förmigen Ambulacren.
IlJa. Hemieystida.
Theca mit beweglichem
Schuppen-Panzer.
Theca mit starrem Platten-
Panzer,
| IIIb. Asterocystida.
| IV. Ascoeystida.
Theca fünfseitig, prisma-
tisch, mit horizontaler
Hauptaxe.
Va. Anthoeystida,
Theca eine 5seitige Pyra-
mide, mit 5 Ambulaeren.
Vb. Apioeystida.
Theca eine 4seitige Pyra- |
mide, mit 4 Ambulacren.
Ve. Pseudocrinida.
Theca eine 2seitige Linse
mit 2 Ambulaeren.
VIa. Hexalacystida.
Theca mit triradialer Grund-
form; 3 oder
Ambulaeren.
VIb. Sycoeystida.
Theca mit pentaradialer
Grundform; 5 oder 5mal
| x Ambulacren.
|
mehr
3malx|
»munwH
Genera:
Pomonites.
Sphaeroniles.
Pomoeystis.
. Pomosphaera.
5. Eueystis.
Proteoeystis.
(rlyptosphaert.
Protoerinus.
Fungoeystis.
. Malocystis.
. Amygdalocyslis.
Hemieystis.
Agelacystis.
Lepidodiseus.
5. Agelaeystis.
Uyothoeystis.
Gomphoeystis.
Asterocystis.
. Asteroblastus.
. Edrioeystis.
. Mesites.
. Psolocystis. ©)
Thunioeystis. C)
. Ascocystis.
Cystoblastus.
Callocystis.
. Anthoeystis.
Apioeystis.
. Sphaeroeystis.
. Staurocystis.
. Lepadoerinus.
2. Pseudoerinus.
3. Hemicosmites.
Hexalacystıs.
. Enmeacystis.
Caryoerinus.
\ (37. Sycocystis.
138.
[39.
‚140.
141. Lichenocystis.
. Mimoeystis.
. Homoeystis.
Echinoeystis.
Uryptoerinus.
Hypoerinus.
Glyptocystis.
. Palmacystis.
1
78 Ernst HascKEL [78
Theeca der Cystoideen,
Die Theca oder „Kapsel“ der Cystoideen schliesst sich im den meisten und
wichtigsten Beziehungen an die Verhältnisse ihrer Amphovideen-Ahnen an; mur
zeigt sie bei den ersteren eine weit mannigfaltigere und reichere Formen - Entwieke-
lung als bei den letzteren. Der wichtigste Unterschied in der Theea-Bildung beider
INlassen besteht darin, dass alle Cystoideen am Oral-Pol der Panzer-Kapsel ein
radiales Anthodium besitzen, welches allen Amphoriüleen völlig fehlt. Man kann
bei den Cystoideen desshalb auch den Oral-Theil der Theca, soweit die Ambulaeren
des Anthodium reichen, als Kelchdecke bezeichnen (Epitheca, Epicaly® oder
„Ventral-Kapsel“), den aboralen Theil als eigentlichen Kelch (Zypotheca, Caly«
oder „Dorsal-Kapsel“). Indessen sind diese beiden Hauptbezirke der Kapsel nur bei
zwei Familien mehr oder weniger scharf abgegrenzt, bei den Aygelaeystida und
(Glyptocystida; bei den übrigen Familien ist gewöhnlich der ambulacrale (ventrale)
Theil der Theca vom antambularen (dorsalen) Theile nicht scharf geschieden. Behufs
eingehender Vergleichung der 'Theca-Formation bei den Oystoideen und Amphorideen
wird es zweckmässig sem, hier wie dort nach einander zu betrachten: 1. Die reale
(resammttorm der Theca, 2. die ideale Grundform, 3. das Anthodium und die
Radial-Struktur, 4. die aborale Stielbildung, 5. die Thecal-Ostien, 6. die Zusammen-
setzung des Panzers, 7. die Brachiolen.
l. Die reale Gesammtform der Theca ist bei den meisten (Üystoideen
ähnlich wie bei den Amphorideen, bei der Mehrzahl „‚birnförmig, eiförmig oder fast
kugelig“‘, so namentlich m den Familien der Pomocystida und Fungocystida, bei den
Calloeystida und Glyptoeystida. Dagegen ist bei den meisten Agelacystida die vertikale
Hauptaxe verkürzt, so dass die Kapsel niedergedrückt, halbkugelig oder scheiben-
törmig erscheint. Umgekehrt ist die Hauptaxe bei den Ascoeystida verlängert und
beim erwachsenen, freibeweglichen Thiere wohl aus der vertikalen in die horizontale
Lage übergegangen, wie bei den Tolothurien; die dehnbare Theca nimmt hier eine
langgestreckte, evlindrische oder füntseitig-prismatische Form an. Aehnlich ist sie
auch bei den drei böhmischen Glyptoeystiden-Gattungen: Lichenoeystis, Mimocystis
und //omoeystis. In einigen CUystoideen prägt sich die bilateral-asymmetrische Form
der lateral-komprimirten Kapsel stärker aus, so bei Syeoeystis und Glyptoeystis; in
der stark komprimirten, höchst abweichenden Calloeystide Pseudoerinus nimmt sie
sogar die seltene Form einer bieonvexen Linse an, die senkrecht auf dem Rande
steht; ähnlich bei der mandelförmigen, ebenfalls „zweistrahligen" Amygdaloeystis.
Wenn hingegen das pentaradiale Anthodium stärker hervortritt, wird mehr der
Charakter der fünfseitigen Pyramide ausgeprägt.
2. Die ideale Grundform der Theca ist bei den Cystoideen wesentlich
verschieden von derjenigen ihrer Amphorideen-Ahnen. Zu der ursprüngliehen bilateral-
symmetrischen Grundform, welche sie von den letzteren durch Vererbung erhalten
haben, tritt hier als eime wichtige neue Erwerbung die Radial-Struktur, bedingt
durch die Entstehung des radialen Anthodiums. Indem nun diese neue, durch
79] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 79
Anpassung an festsitzende Lebensweise entstandene Grundform mit jener älteren
erblichen „Zweiseitigkeit“ kombmirt und auf alle übrigen Echinodermen durch
Vererbung übertragen wird, entsteht jene eigenthümliche Kombination von bilateraler
„Asymmetrie“ umd radialer „Regularität“, welche wir mit emem Worte als Amphi-
pleurie bezeichnet haben (3, Buch IV, pag. 500). Diese bilateral-radiale
(— meistens pentaradiale —) Grundform ist für alle Anthodiaten charakteristisch,
d. h. für alle Eehinodermen mit einziger Ausnahme der Amphorideen. Die prinzipiell
bedeutende, promorphotische Kluft, welche diese beiden Hauptgruppen des Echino-
dermen-Stammes trennt, wird sofort deutlich, wenn man die maassgebenden Axen der
(Grundform und ihre Pole betrachtet. Die drei Euthynen oder idealen Richtaxen
bleiben bei allen C'ystoideen dieselben, welche wir vorher bei ihren Amphorideen-Ahnen
unterschieden haben (pag. 14); 1. Die Prinzipal-Axe mit oralem und aboralem
Pole, 11. die Sagıttal-Axe mit dorsalem und ventralem Pole; Ill. die Lateral-
Axe mit rechtem und Iinkem Pole. Auch die mediane Ventral-Linie, welche
direkt vom centralen Munde zum excentrischen After führt, sowie die sagittale
Median-Ebene, welche den Körper in zwei spiegelgleiche Hemimeren theilt, bleibt
bei den Oystoideen dieselbe wie bei den Amphorideen. Die letztere wird auch hier
immer durch drei geometrische Punkte fest bestimmt, die Mittelpunkte des Mundes,
des Afters und der Insertions-Basis (oder des Stieles). Zu diesen drei ursprünglichen
Richtaxen kommen aber nun bei den Üystoideen noch die radialen Kreuzaxen,
welche dureh die Entwickelung der Ambulacren und ihrer perradialen Subvektoren
bestimmt werden, ursprünglich drei oder fünf. Eine von diesen fällt stets in die
Sagittal-Axe, während die zwei oder vier anderen sich paarweise zu beiden Seiten der
Median-Ebene gruppiren. Die Variationen und Umbildungen, welche dieses radiale
Anthodium schon innerhalb der Cvstoideen-Klasse erleidet, sind von so hohem
alleemeinen Interesse und so weitreichender spezieller Bedeutung, dass wir sie als
Ursachen der mannigfaltisen Radial-Struktur später noch besonders in's Auge
fassen müssen.
3. Die Radial-Struktur der Theca, welche die ächten Cystoideen so
wesentlich von ihren Amphorideen-Ahnen unterscheidet, ist in erster Limie durch die
Entwickelung des Anthodiums bedingt, dessen Verhältnisse wir nachher noch beim
Ambulacral-System gesondert betrachten werden. Hier sollen zunächst diejenigen
promorphotischen Erscheinungen kurz betrachtet werden, welche für das klare
Verständniss der radiären Grundform von fundamentaler Bedeutung sind. Ich
bezeichne ein für allemal die primären Kreuzaxen oder die „Strahlen erster Ordnung“,
welche bei den Echinodermen gewöhnlich schlechtweg Radien genannt werden, als
Perradien; in ihnen liegen die Median-Linien der Ambulaeren, ihre Subvektoren
und Prinzipal-Kanäle. Dagegen unterscheiden wir als Interradien oder „Strahlen
zweiter Ordnung“ die sekundären Kreuzaxen, welche den Winkel zwischen je
zwei benachbarten Perradien halbiren. In manchen Fällen ist es nützlich, auch noch
Adradien oder tertäre Kreuzaxen zu unterscheiden, d. h. „Strahlen dritter
Ordnung“, welche den Winkel zwischen je einem Perradius und Interradius halbiren;
Ss0 Ernst HAECKEL [80
ihre Zahl ist natürlich stets doppelt so gross wie die der Ersteren. Wir hätten
demnach zur exakten Darstellung der anatomischen Lagerungs-Verhältnisse bei der
gewöhnlichen pentaradialen Grundform der Echinodermen zu unterscheiden :
A. 5 Perradien, B. 5 Interradien und U. 10 Adradien. Indessen unterliegt die
normale Fünfzahl der Parameren schon innerhalb dieser Klasse wichtigen Variationen.
Die vertikalen Meridian-Ebenen, welche wir durch die vertikale Hauptaxe und die
Perradien legen, nennen wir kurz „Perradial-Ebenen“, diejenigen, welche durch die
Hauptaxe und die Interradien gelegt werden, „Interradial-Ebenen“. Der ganze
Körpertheil, welcher zwischen je zwei benachbarten Interradial-Ebenen liegt, ist ein
Astromer oder Paramer, ein „Sternstück‘; die Perradial-Ebene ist die „sekundäre
Median-Ebene“ oder „Sagittal-Ebene‘“ des bilateral gebauten Astromeres, welche
dasselbe in em Paar spiegeleleiche Hälften theilt: ZAntimeren. Der ganze Körper
einer regulär pentaradialen CUystoideen-Person (z. B. Asteroblastus, Cystoblastus) wird
dureh die 5 Interradial-Ebenen in 5 kongruente Astromeren oder 5 Paar Antimeren
getheilt (abgesehen von der excentrischen Lage des Afters in einem Astromer).
Grundzahlen der Cystoideen. Die normale Fünfzahl der Astromeren ist
alleemein vorhanden im folgenden drei Familien: Pomocystida, Agelacystida, Asco-
eystida. In den übrigen drei Familien ist dieselbe zwar vorherrschend, aber nicht
selten durch eine andere Zahl ersetzt. Ich unterscheide dabei zwischen primären
und sekundären Abweichungen von der Fünfzahl. Als primäre Abweichung betrachte
ich nur die Dreizahl; diese ist schon unter den Palaeocystiden dadurch vorbereitet,
dass zuerst nur drei Arme am Munde auftreten: Arachnocystis. Zwei von diesen
gabeln sich bei Eehinosphaera, so dass wir dann 5 Brachiolen haben, einen unpaaren
(frontalen) und zwei Paar laterale. Dasselbe Verhältniss wiederholt sich unter den
Fungoeystiden bei G/yptosphaera und Protoerinus; von dem dreispaltigen Munde
gehen drei Subvektoren aus, von denen der unpaare (frontale) einfach bleibt, die
beiden paarigen (lateralen) sich gabeln. Die fünf so entstandenen Ambulacral-
Rinnen trennen sich später bis zum Munde herab und entspringen dann einzeln vom
Mundring (Fungocystis). Auch in der Familie der Glyptoeystiden nimmt die ältere
Subfamilie (Hexalacystida) ihren Ausgang von dreistrahligen, die jüngere (Sycocystida)
von fünfstrahligen Formen. Diese Thatsachen gestatten die Vermuthung, dass
zunächst aus zweiseitigen Amphorideen dreistrahlige (Arachnoeystiden) entstanden
sind, indem ein unpaarer (frontaler) Mundarm sich zwischen den ursprünglichen
beiden lateralen entwickelte; indem dann letztere sich gabelig theilten (in einen
vorderen thoracalen und einen hinteren paranalen Arm), entstand der pentaradiale,
Kranz, dessen Fünfzahl dann erblich wurde. Die angeführten triradialen Uystoideen,
die mehreren verschiedenen Familien angehören, scheinen zu zeigen, dass der
triradiale (primäre) Iypus noch in mehreren Gruppen fortbestand neben dem
_ (sekumdären) pentaradialen Typus, der später allgemein herrschend wurde.
Als sekundäre Abweichungen von der Fiünfzahl, welche erst später aus dieser
(dureh Rückbildung von mehreren Ambulaeren) hervorgegangen sind, betrachte ich
diejenigen Cystoideen, die nur vier oder zwei Subvektoren besitzen. Maloeystis unter
81] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. sl
den Fungoeystiden, und die Subfamilie der Apioeystida unter den Calloeystiden,
besitzen nur vier Ambulaeren; hier ist der frontale, unpaare Subvektor verschwunden.
Bei Ampygdaloeystis unter den Fungoeystiden und bei Pseudoerinus unter den Callo-
eystiden verschwinden noch ein paar laterale Subvektoren, so dass nur zwei gegen-
ständige übrig bleiben (em vorderer thoracaler und der gegenüber stehende hintere
paranale, der dem anderen Antimer angehört). Die Theca nimmt in Folge dessen
hier die seltene Form einer bikonvexen, vertikal stehenden Linse an. Ebenso auf-
fallend ist die regulär vierstrahlige Form von Stauroeystis, auf dessen Oral- Fläche
die vier gleichen Ambulacren ein rechtwinkeliges Kreuz bilden. Durch die Vermitte-
lung von anderen tetraradialen Apioeystiden (Apioeystis) lässt sich auch diese ab-
norme Form von pentaradialen Ahnen ableiten (Calloeystis, Cystoblastus, vgl. unten).
4. Der Stiel der Cystoideen (Peduneulus). Die Theca ist bei der grossen
Mehrzahl in dieser Klasse am aboralen Pol durch einen kräftigen Stiel am Meeres-
boden befestigt gewesen. Nur bei den älteren Formen, besonders denjenigen, deren
Theca sich der Kugelform nähert (Pomocystida, Fungocystida), war dieselbe bald
unmittelbar mit dem aboralen Pol aufgewachsen, bald nur durch einen sehr kurzen
Stiel befestigt. Mit sehr breiter Basis sind meistens die platt gedrückten Agelacystida
an den Boden angewachsen; hier kann sogar die Theca die Gestalt eimer flachen,
kreisrunden oder pentagonalen Scheibe annehmen, deren ganze untere, dorsale Fläche
(Hypotheca) der Unterlage, meistens eine Muschelschale, aufgewachsen ist, während
die obere, ventrale Fläche (Zpitheca) von dem pentaradialen Anthodium eingenommen
wird. Durch einen seur starken, geringelten Stiel sind die hoch entwickelten Familien
der Calloceystiden und Glyptoeystiden ausgezeichnet. Gewöhnlich ist der Pedunculus
hier eylindrisch, etwa so lang als die Theca, und nach unten verdünnt; er ist meist
gegliedert und es scheint, dass bisweilen die Glieder oder Scheiben, gleich den
köhren eines Teleskops, in emander geschoben werden konnten (wie bei Anomoceys-
tiden und Rotatorien). Vielleicht diente auch die geräumige Höhle, welche der dicke
Stiel enthalten zu haben scheint, als Brutraum zur Aufnahme der Eier und Embryonen,
wie bei ZLepas. Einige Cystoideen waren nur in der Jugend gestielt und wurden
später frei (Protocrinus, Ascocystis u. A.).
5. Thecal-Ostien der Uystoideen. Allgemein lassen sich an der Panzer-
Kapsel bei den Cystoideen, ebenso wie bei den Amphorideen, zwei Oeffnungen
erkennen; die kleinere, centrale, am Oral-Pol der Hauptaxe, ist der Mund; die
grössere, excentrische, auf der Ventral-Seite, der After. Zwischen beiden Darm-
Oeffnungen liegt auf der Bauchseite bei der Mehrzahl der Cystoideen eine „dritte
Oetinung“, die gewöhnlich — wohl mit Recht — als Gonoporus oder Geschlechts-
öffnung gedeutet wird. Endlich ist auch bei einzelnen Gattungen noch eine vierte
Oeffnung nachweisbar, welche derjenigen von Aristocystis zu entsprechen scheint
(Hydroporus?); sie liegt in der Nähe des Mundes (Proteocystis, Glyptosphaera).
Ob die eigenthümlichen „Kamm-Rauten“ der Calloeystiden und Glyptocystiden
zweiklappige Thecal-Ostien darstellen, ist noch unsicher.
Fostschrift für Gegenbaur. 11
89 Ernst HAECKEL [82
A. Der Mund (Osculum) liegt bei allen Cystoideen, ebenso wie bei ihren
Amphorideen-Ahnen, am Oral-Pol der Hauptaxe; er zeigt aber hier eine viel grössere
Mannigtaltigkeit der Bildung als bei den letzteren. Diese T'hatsache ist in erster
Linie durch die verschiedenartige Entwickelung der Ambulacren bedingt, welche vom
Munde ausgehen. Je nachdem die Grundzahl derselben drei oder fünf beträgt,
erscheint der Mundspalt entweder dreilippig oder fünflippig; er kann aber auch kreis-
rund oder polygonal sein. Bisweilen entwickeln sich zwischen den drei oder fünf
perradialen Mundspalten ebenso viele imterradiale Oral-Platten (gabelförmig bei
manchen Asterocystiden), oder ein Kranz von difterenzirten Peristom-Platten. Häufig
zeigt der Mundspalt bei den Cystoideen eine ausgeprägt amphipleure Gestalt, welche
die Hufeisen-Form des primären, larvalen Hydrocoel-Bogens wiederholt, so z. B. bei
vielen Pomoeystiden und Fungocystiden. Der Mund erscheint hier meistens als ein
bilateral-symmetrischer Querspalt, von dessen Mittelpunkt nach vorne der unpaare,
frontale Subvektor abgeht, während die beiden seitlichen Mundwinkel in zwei laterale
Zufuhr-Rinnen auslaufen, die sich alsbald gabelförmig theilen, in je einen vorderen
(thoracalen) Ast, und emen hinteren (paranalen) Ast; die beiden Pektoral-Aeste diver-
siren nach vorn, die beiden Paranal-Aeste nach hinten. Wenn das unpaare frontale
Ambulacrum rückgebildet wird (— bei den Apiocystida, den vierstrahligen Callo-
cystiden —), so nimmt der Mund die Form eines Längsspaltes an, von dessen Frontal-
önde die beiden pektoralen, vom Anal-Ende die beiden paranalen Subvektoren diver-
sirend abgehen (Apioeystis, Sphaerocystis). Wenn dann die vier Ambulacren gleich
werden und sich unter gleiche Winkel ordnen, so wird die Oral-Fissur zu einem recht-
winkeligen Kreuz (medusen-ähnlich, Staurocystis). Wenn aber drei Ambulacren ver-
schwinden und nur zwei gegenständige übrig bleiben (bei Amzygdalocystis und
Pseudocrinus), so wird der Mund ein schräger Spalt, der von vorn und links nach
hinten und rechts geht; das ergiebt sich aus der Lage des Afters, weicher in diesen
beiden seltsamen zweistrahligen Gattungen, nicht etwa in der Mitte einer Seite der
linsenförmigen Kapsel liegt, sondern am linken hande des hinteren (rechten para-
nalen) Ambulacrum. In vielen Cystoideen wird der Mundspalt von eimer Reihe kleiner
Saumplättchen eingefasst, welche sich auch auf die Ränder der von ihm ausgehenden
Ambulacral-Rinnen fortsetzen; jedoch sind dieselben selten gut erhalten. Die Familie
der Glyptoeystida zeichnet sich dadurch aus, dass das Anthodium, und somit auch
der centrale Mund, subtegminal oder „unterirdisch“ wird, wie bei vielen älteren
Urinoideen (den Hypascocrinen, s. unten).
B. Der After (Anus) liegt bei allen Oystoideen excentrisch auf der Ventral-
Seite, bald sehr nahe dem Munde (die meisten Pomoeystida und Fungoeystida), bald
weiter entfernt (die meisten übrigen Cystoideen). Gewöhnlich bleibt er jedoch in
‚der oberen Hälfte der Theca; seltener rückt er in die untere hinab (z. B. G/ypto-
eystis). Ganz am Aboral-Pol, wie bei den Holothurien, liegt der After nur bei der
merkwürdigen, diesen nächst verwandten Ascocystis. Gewöhnlich (— wahrschemlich
immer! —) ist die ansehnliche After-Oeffnung von emer beweglichen „Klappen-
Pyramide“ bedeckt und ausserdem häufig von einem Ringe kleiner „Periproktal-
83] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. s3
Plättehen“ umgeben. Die Zahl der dreieckigen Klappen, welche die After-Pyramide
zusammensetzen, ist sehr wechselnd, zwischen 3 und 15, meistens 5 oder 6, selten
7-9. Früher hielt man die „Klappen-Pyramide des Afters“ für die „„Ovarial-( )eftnung“
und betrachtete sie als eine, für die Klasse der Cystoideen höchst charakteristische
Eigenthümlichkeit. Aber ganz dieselbe Bildung kommt nicht nur den meisten
Amphorideen zu, sondern auch manchen Holothurien (Psolus u. A.).
Ü. Die Geschlechts-Oeffnung (Gonoporus). Bei vielen (vielleicht bei
allen?) Oystoideen liegt zwischen Mund und After auf der Bauchseite eine kleine
„dritte Oeffnung“, welche früher für den After gehalten wurde, jetzt aber ebenso
wie bei den Amphorideen als Genital-Porus gilt. ‚Jedoch ist dieselbe nieht nach-
zuweisen bei den Agelacystiden und Ascocystiden, sowie bei einem Theile der übrigen
Cystoideen. In den älteren beiden Familien der Pomoecystida und Fungoeystida ver-
hält sich diese Genital-Oetinung noch gerade so wie bei ihren Amphorideen-Ahnen ;
sie liegt etwas näher dem After als dem Munde, asymmetrisch, etwas rechts von der
ventralen Mittellinie. Bisweilen ist die kleine runde Geschlechts-( )effnung von einer
Klappen-Pyramide bedeckt, gleich dem After. Bei den Calloeystiden (— und einem
Theile der G/yptocystiden —) scheinen an Stelle dieses unpaaren Gonoporus ein paar
laterale Genital-Oeffinungen mit kamm-Rauten zu treten (s. unten). Eine unpaare
„vierte Oeffnung‘“, ähnlich derjenigen von Aristoeystis (pag. 50) ist auch bei
einigen ÜUystoideen nachzuweisen; bei Proteoeystis erscheint sie als ein kleiner @Quer-
spalt (zwischen Mund und After); bei G/yptosphaera an derselben Stelle als eine drei-
eckige, quer gestreifte Platte, die schon ihr Entdecker, Vorsorrm, als „Madreporen-
Platte“ deutete (1846, 16, pag. 189). Ob diese „vierte Oeffnung“ wirklich der
Hydroporus war, und ob sonst dieselbe mit dem Gonoporus vereinigt war (wie bei
manchen Holothurien und den Echmideen), bleibt einstweilen zweifelhaft (vergl. pag. 17).
D. Die Kamm-Rauten (Peetinirhombi = „Pectinated rhombs) sind
eigenthümliche Lokal-Bildungen der Theca, welche fast ganz auf die Familie der
Calloeystida beschränkt erscheinen; ausserlem kommen sie nur bei einzelnen Glypto-
eystiden (Syeoeystis, Glyptocystis) vor, sowie bei einer Anomoeystide (Pleuroeystis ?).
Bei den meisten Callocystiden sind drei Kamm-Rauten vorhanden und liegen an
ganz bestimmten Stellen: zwei paarige, adanale, oben zu beiden Seiten des Afters;
die dritte unpaare (basal-frontale) dem After schräg gegenüber, vorn unten über der
Stiel-Insertion. Letztere ist vielleicht Genital-Mündung, erstere Madreporiten? Indessen
ist sowohl das feinere anatomische Verhalten wie die physiologische Deutung dieser
eigenthümlichen Gebilde noch ganz unsicher.
6. Der Kapsel-Panzer der Uystoideen. Der charakteristische Platten-
Panzer, welchen die Cystoideen von ihren Amphorideen-Ahnen geerbt haben, zeigt in
der ersteren Klasse eine weit grössere Mannigfaltigkeit und Vollkommenheit der
Bildung als in der letzteren. Dieser wichtige Unterschied ist m erster Linie durch
die mannigfaltige Entwickelung des Anthodiums bedingt, welches den Amphorideen
noch ganz fehlt; bei den Cystoideen dagegen ist diese Ambulaeral-Rosette nicht nur
allgemein vorhanden, sondern sie zeigt auch neben eimander alle Stufen historischer
11*
st Ernst HAECKEL [84
Ausbildung und einen stetig wachsenden Einfluss auf die Skelet-Bildung der ganzen
Kapsel. Als zwei Hauptgruppen der Cystoideen habe ich die beiden Ordnungen der
Microplacten und Megaplacten unterschieden. Bei den Mieroplacta (oder Eueys-
tidea) ist das Panzer-Skelet der Theca aus sehr zahlreichen polvgonalen Täfelchen
von geringer oder mittlerer Grösse zusammengesetzt (mindestens 40—80, oft mehrere
Hundert); dieselben sind meistens ohne alle Ordnung zu einem festen Pflaster durch
Nähte zusammengefügt, bisweilen aber decken sie sich schuppenartig mit abgerundeten
Rändern, so dass der „„Schuppen-Panzer“ des Corium dehnbar und beweglich bleibt
(Hemicystida). Auch wenn sich die Täfelchen der Microplaeten mehr oder weniger
regelmässige in Längs- oder Quer-Reihen ordnen, besitzt diese Anordnung meistens
keine morphologische Bedeutung. Bei den Megaplacta (oder Pareystidea) ist
dagegen der Platten-Panzer des Kelches aus einer beschränkten Zahl von grösseren
Tafeln zusammengesetzt (13—20, meistens 18 oder 19); diese sind gewöhnlich in
mehrere (3
4) transversale Zonen geordnet, und diese subreguläre Anordnung
gewinnt dadurch eine gewisse morphologische Bedeutung, dass sie in bestimmter
Korrelation zur Bildung des radialen Anthodium steht. Manche Megaplacten
(sowohl Calloeystiden als Glyptocystiden) nähern sich dadurch den ächten Urinoideen,
und von eimigen (z. B. Uryptocrinus und Hypoerinus) ist es selbst zweifelhaft, ob sie
nicht rückgebildete Zalacriniden sind. Die Art und Weise, wie die Panzer-Platten
zusammengefügt und geformt sind, ist im übrigen innerhalb der sechs Cystoideen-
Familien so mamnigfaltig, dass wir auf die spezielle Beschreibung derselben verweisen
miissen. Die grösste Mamnigfaltiekeit zeist im dieser Klasse die feinere Struktur und
Ormamentik der Panzer-Platten; bald sind dieselben solid oder fein porös, bald mit
einfachen Poren oder „Doppel-Poren“ ausgestattet; in anderen Gruppen wieder
treten „Poren-Rauten“ auf. Da diese Verhältnisse selbst bei nalıe verwandten
Gattungen emer Familie sehr variabel sind, können sie nicht zur Unterscheidung
der Familien benutzt werden. (Vergl. oben pag. 19, 22.)
7. Appendikeln der Theca bei den CUystoideen. Alle Cystoideen
sind mit Ambuletten oder „äusseren Anhängen des Ambulacral-Systems“ ausgestattet,
welche als Tast- und Greif-Organe sowie als Kiemen fungirten. Die C'ystoideen haben
diese wichtigen „Ambulacral-Pedalien“ von ihren Amphorideen-Ahnen durch Vererbung
erhalten; während aber bei den letzteren alle diese Anhänge als Oral-Ambuletten
auf das Peristom beschränkt bleiben und nur bewegliche „Mundfühler“ (Oral-
Tentakeln) darstellen, kommen dazu bei den Cystoideen als neue Erwerbung noch
die Thecal-Ambuletten oder „Kapselfühler“ (Thecal-Tentakeln); man kann sie
auch als Fingerchen (Digitella) bezeichnen. Zur Stütze und zum Schutze dieser
zarten und weichen Tentakeln entwickeln sich bei den meisten (vielleicht bei allen)
C'ystoideen Kalkkörperchen, bald in der Aussenwand der Tentakeln selbst (— ähnlich
wie in den Mundfihlern der Holothurien —), bald als selbstständige Pinnuletten oder
Brachiolen. Wenn die Verkalkung dieser Appendikeln zu ihrer Erhaltung in fossilem
Zustande genügt, so können sie uns, im Zusammenhange mit den Ambulacren,
werthvolle Aufschlüsse über die Anordnung der zarten Ambulacral-Anhänge und die
85] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. s5
systematischen Beziehungen der Gruppen liefern. Die wichtigsten Verschiedenheiten
derselben werden bei der Besprechung der Ambulacren erwähnt werden; hier genügt
es hervorzuheben, dass bei den meisten Uystoideen keine freien Brachiolen vor-
kommen; solche finden wir eigentlich als freie gegliederte Mundärmehen nur am
Peristom bei den Ascoeystida (— vielleicht Holothurien? —). Wirkliche Kelcharme
(Brachia, ähnlich denen der Urinoideen), am Ende der radialen Subvektoren, haben
die Glyptocystida. Die übrigen vier Familien besitzen nur Pinnuletten, als
gegliederte (einzeilige oder zweizeilige) Anhänge an den Rändern der Ambulacren;
die kleinen Gelenk-Facetten an deren Rändern (an den Seiten-Aestchen der Sub-
vektoren) deuten ihre ursprüngliche Stellung an. Die centrifugale Wanderung der
primären Mundtentakeln erklärt die phylogenetische Entstehung dieser Thecal-Appen-
dikeln (vergl. unten das Anthodium der Pomoeystida).
Malacom der Cystoideen.
Die hypothetischen Vorstellungen, welche wir uns vom einstigen Bau des
Weichkörpers machen können, beruhen bei den fossilen Cystoideen ebenso wie
bei ihren Amphorideen-Ahnen, theils auf der Deutung der erhaltenen Skelet-Reste,
theils auf der vergleichenden Anatomie und Ontogenie der übrigen Echinodermen,
vor Allen der Holothurien. Jedoch sind die morphologischen und physiologischen
ürkenntnisse, die wir so indirekt gewinnen, bei den Cvystoideen viel reichhaltiger
und bedeutungsvoller als bei den Amphorideen; denn die Ausbildung der radialen
Ambulacren, welche den letzteren noch ganz fehlen, lässt sich bei den ersteren
Schritt für Schritt verfolgen. Da aber die stufenweise Entwickelung der Ambulaeren
auch die Ausbildung der meisten und wichtigsten übrigen Organe beherrscht, des
Nerven-Systems, Blutsgefäss-Systems u. s. w., so können wir weiterhin aus der Mor-
phologie und Phylogenie des Ambulacıal-Systems der Cystoideen auch wichtige
Schlüsse auf diejenige der übrigen Organe ziehen.
1. Tegument-System. Die Hautdecke war bei allen Cystoideen, ebenso wie
bei ihren Amphorideen-Ahnen, aus zwei verschiedenen Schichten zusammengesetzt,
Oberhaut und Lederhaut. Die Oberhaut (Epidermis) wurde durch ein einschiehtiges
„äusseres Körper- Epithel“ gebildet, welches aus dem EBroderm der Larve hervor-
gegangen war und deren Flimmer-Decke theilweise behalten hatte. Die darunter
gelegene Lederhaut (Corium), die aus dem Mesoderm (Mesenchym) entstandene
Cutis, bildete eine Konnektiv-Lage, innerhalb deren die Skleroblasten sämmtliche
Skelettheile erzeugten.
2. Subvektiv-System. Die flimmernden „Zufuhr-Organe*, welche
als „Subvektiv-Rinnen“ oder „Epineural-Kanäle“ dem eentralen Munde der Uystoideen
die Nahrung zuführten, zeigen in dieser Echinodermen-Klasse eine weit höhere und
mannigfaltigere Ausbildung als bei ihren Amphorideen-Ahnen. Bei diesen letzteren
beschränkten sie sich auf die Subvektakeln, d. h. auf die Flimmer-Rinnen, welche
s6 Ernst HAECKEL [86
an der Ventral-Seite der circoralen Tentakeln oder Brachiolen die Nahrung direkt
zum Munde hinführten; die Theca selbst blieb dabei unbetheiligt. Bei den Cystoideen
hingegen begegnen wir zum ersten Male den Subvektoren, d. h. den perradialen
Flimmer-Rinnen auf der Ventral-Seite der Theca, jenen charakteristischen Organen
aller Anthodiaten, welche zusammen mit den darunter gelegenen Prinzipal-Kanälen
des Ambulacral-Systems das Anthodium zusammensetzen. Das Nähere über die
mannigfaltige Differenzirung dieser „Ambulacral-Rosette* und über inre Zusammen-
setzung aus dem exodermalen Subvektiv-Stern und dem entodermalen Ambulacral-
Stern werden wir unten bei der Betrachtung des Ambulacral-Systems anführen. Das
besondere phylogenetische Interesse, welches die Cystoideen-Klasse in dieser Hinsicht
darbietet, beruht darauf, dass wir bei ihnen erstens die frühesten Anfänge der
Anthodium-Bildung finden (Pomoeystiden und Fungocystiden), und zweitens verbindende
Uebergangs-Stufen zu den verschiedenen Formen der „Ambulacral-Rosette* in den
übrigen Klassen der Anthodiaten; die Ascocystiden (Ascoeystis) führen unmittelbar
hinüber zu den Holothurien, die Anthocystiden (Cystoblastus) zu den Blastoideen, die
Glyptoeystiden (Caryoerinus, Mimocystis) zu den Crinoideen, die Asterocystiden
(Asteroblastus, Mesites) zu den Pygocmeten (Echinideen, Ophiureen, Asterideen). Bei
den meisten Cystoideen bleiben die Subvektoren und ihre Seitenäste offene „Flimmer-
Rinnen“ an der Oberfläche der Ventral-Kapsel;-bei einigen Familien aber sinken sie
in die Tiefe und verwandeln sich bereits im Epineural-Kanäle oder „Subtegmmale
Ambulacren“ (Ascocystida, Glyptocystida u. A. (vergl. unten die „Hydrophora
palmata“, pag. 92).
3. Muskel-System. Der ursprüngliche, von den Vermalien und Amphori-
deen durch Vererbung erhaltene Hautmuskel-Schlauch, bestehend aus einer subeu-
tanen, äusseren Ringmuskel-Schicht und einer inneren Längmuskel-Schicht, wird sich
bloss bei jenen Cystoideen noch mehr oder weniger erhalten haben, bei denen der
Platten- Panzer des Corium beweglich blieb, so bei einzelnen Fungoeystiden (Proto-
crinus) und Glyptocystiden (Lichenoeystis, Homocystis), bei den schuppentragenden
Hemicystiden und den Ascoeystiden; die letzteren haben vielleicht schon dieselben
perradialen Längsmuskel-Paare besessen, wie die nahe verwandten Holothurien. Bei
allen übrigen Cystoideen, wo die Panzer-Platten sich durch feste Nähte zur Bildung
einer starren Kapsel vereinigten, dürfte die subeutane Muskel-Platte rückgebildet
gewesen sein, mit Ausnahme derjenigen Muskeln, welche die Bewegungen des Mundes
und Afters vermittelten. Zur Bewegung der Pinnuletten, der Saumplättchen u. s. w.
werden überall kleine Muskeln sich in ähnlicher Weise wie bei den Urmoideen ent-
wickelt haben.
4. Nerven-System. Der bedeutungsvolle Fortschritt, welchen die Cys-
toideen iiber ihre Amphorideen - Ahnen hinaus durch die Ausbildung des Anthodium
“thaten, wird unmittelbar auch im der Entwickelung entsprechender Radial-Nerven
sich gezeigt haben. Zu dem oberflächlichen eircoralen Nervenring, welchen
die Cystoideen von den Amphorideen durch Vererbung erhalten hatten, und von
welchem epidermale Nerven an die circoralen Tentakeln abgingen, traten jetzt drei
06)
—1
87 ] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN.
oder fünf Prinzipal-Nerven, d. h. jene perradialen Hauptstämme des peripheren
Nerven-Systems, welche bei allen Anthodiaten zwischen den superficialen Subvektoren
und den ambulacralen Prinzipal-Kanälen an der ventralen Oberfläche der Theca ver-
laufen. Die wichtigen Familien der Pomocystideen und Fungoeystideen zeigen uns
unmittelbar die bedeutungsvollen Anfänge dieser Anthodial-Organe in der stufen-
weisen Ausbildung der primitiven Ambulaeren; die wahren Ursachen derselben lehrt
uns die vergleichende Ontogenie der Echinodermen im der centrifugalen Wanderung
der Primär-Tentakeln kennen. Bei den meisten Uystoideen werden wahrscheinlich die
Prinzipal-Nerven die ursprüngliche, oberflächliche Lage in der Epidermis bewahrt
haben, wie wir sie noch heute bei Urinoideen und Asterideen finden. Bei denjenigen
Gruppen hingegen, bei welchen die Subvektoren in die Tiefe sanken und sich in
Epineural-Kanäle verwandelten (Aseoeystiden und Glyptocystiden), werden auch die
darunter gelegenen Nervenstämme ihnen gefolgt sem (wie bei den Holothurien und
Echinideen).
5. Sensillen-System. Als Sinnes-Organe der Uystoideen können wir die
älteren Oircoral-Tentakeln betrachten, welche sie von ihren Amphorideen- Ahnen
geerbt hatten, und die neugebildeten T'hecal-Tentakeln des Anthodium, welche den
letzteren noch fehlten. Die beweglichen Pinnuletten, welche wir bei der grossen
Mehrzahl der Cystoideen an den zahlreichen Seitenästen der gefiederten Subvektoren
finden, zeigen uns Zahl und Sitz der kleinen, weichen „Ambulacral-Tentakeln“ an,
welchen sie zum Schutze und zur Stütze dienten. Wenig entwickelt in den beiden
ältesten Familien (Pomoeystiden und Fungoeystiden), zeigen sie in den Familien der
Agelacystiden und Callocystiden eme ähnliche reiche Entfaltung, wie bei dem Asterideen
und Echinideen. Die Ascoeystiden dürften sich ähnlich den Holothurien verhalten
haben; die gegliederten Mundarme derselben konnten sich treftlich fossil erhalten,
weil Kalk in grösserer Menge in denselben abgelagert wurde, als es in den Mund-
fühlern mancher Holothurien der Fall ist. Die G/yptocystiden nähern sich dadurch,
dass sich freie Thecal-Arme an den Distal-Enden der kurzen Subvektoren entwickeln,
den Crinoideen, und wie bei diesen werden sich an der Innenseite der Pinnulae zarte
Ambulacral-Tentakeln aus der Ventral-Seite der Arme erhoben haben.
6. Darm-System. Die beiden Oeffnungen des Darmrohrs, der centrale
Mund und der excentrische After, liegen bei den meisten Cystoideen nicht weit aus-
einander, ebenso wie bei ihren Amphorideen-Ahnen. Bisweilen rückt der After auf
der Ventral-Fläche der Theca bis zur Mitte ihrer Höhe himab, selten noch tiefer
(einige Glyptoeystiden); bei Ascocystis scheint der After an den Aboral-Pol der ver-
längerten horizontalen Hauptaxe verlegt zu sein, wie bei den Holothurien. Bei den
ältesten und primitivsten Uystoideen (Pomocystiden und Fungoeystiden) dürfte das
Darmrohr noch dieselbe einfache Beschaffenheit besessen haben, wıe bei ihren Am-
phorideen-Ahnen; bei den höher difterenzirten Familien ist dasselbe mehr verlängert
und in Spiral-Windungen gelegt gewesen, wie bei Urinoideen und Echinideen; bei
den scheibenförmigen Hemieystiden hat der centrale Darm vielleicht fünf radiale
Blinddärme ausgestülpt, wie bei den ähnlichen Asterideen. Wie sich die drei ursprüng-
s8 Ernst HAECKEL [88
lichen Hauptabschnitte des Enteron, der exodermale Vorderdarm (Schlund), der ento-
dermale Mitteldarm (Magen) und der entodermale Hinterdarm (Dünndarm) m den
verschiedenen Gruppen der Uystoideen difterenzirt haben, darüber geben uns ihre
fossilen Reste keine Andeutung; ebenso auch nicht über das Verhalten des dorsalen
Mesenterium, welches den Darm am Peristom befestigte. Doch giebt Orro Jarker
an, dass Glyptosphaera „einen durchaus abweichenden Verlauf der Mesenterial-Leiste
zeige“ (49, pag. 115).
7. Coelom-System. Die geräumige Leibeshöhle, welche zum grössten
Theile durch das Darmrohr und die Geschlechts-Organe ausgefüllt war, dürfte bei
den älteren und niederen Gruppen der Cystoideen noch dieselben emfachen Bau-
Verhältnisse besessen haben, wie bei ihren Amphorideen-Ahnen (s. oben 8. 27). Bei
den jüngeren und höheren Gruppen haben sieh von dem Megacoel vielleicht schon
separirte Kammern abgezweigt und als lokale „Coelom-Sinus“ (peripharyngaler, peri-
proktaler u. s. w.) eine ähnliche Bedeutung gewonnen, wie bei den höheren Echino-
dermen. Für die Annahme jedoch, dass die Cystoideen bereits eimen Paraxon-Sinus
besessen haben, liegt kem Grund vor; dieser hat ihnen gewiss ebenso gefehlt, wie
den übrigen Monorchonien (Amphorideen und Holothurien).
8. Blutgefäss-System. Die eigenthümlichen „wandungslosen Konnektiv-
Lakunen‘, welche das charakteristische Blutgetäss-System aller Echinodermen zusammen-
setzen, sind bei den Uystoideen vermuthlich ebenso allgemein vorhanden gewesen,
wie bei ihren Amphorideen-Ahnen. Als Theile dieses Systems deute ich hier wie
dort die Poren-Kanäle in den Panzer-Tateln, und namentlich auch die Rauten-Kanäle,
welche an den Suturen der letzteren sich finden (vergl. oben 8. 22). Dagegen ist es
wohl möglich, dass die eigenthümlichen „Doppel-Poren‘ in den Panzer-Platten der
Pomoeystiden, Fungoeystiden, mancher Asteroeystiden u. A. auf Dermal-Kiemen zu
beziehen sind. Grössere Blutgefässe werden wahrscheinlich auch bei den Oystoideen
am Darm gelesen haben (ein dorsales und ein ventrales Gefäss wie bei den Holo-
thurien). Ausserdem aber treten nun in dieser Klasse zum ersten Male die per-
radialen Blutkanäle der Ambulacren auf, welche zwischen den prinzipalen Nerven
und den Ambulaeral-Röhren verlaufen, und welche den Amphorideen noch fehlten.
Die enge physiologische Korrelation, in der diese verschiedenen Organe des Anthodium
stehen, lässt verimuthen, dass sie sich auch gleichzeitig historisch entwickelten.
9). Genital-System. Die einfache Geschlechts-Oeffnung, welche bei der
grossen Mehrzahl der Cystoödeen zwischen Mund und After liegt, gestattet den Schluss,
dass dieselben Monorcehonien waren, gleich den Amphorideen und Holothurien; wie
bei diesen werden nur ein Paar einfache oder verästelte Gonaden vorhanden gewesen
sein, deren gemeinsamer Ausfihr-Gang (Gonoduetus) durch jenen Gonoporus nach
aussen mündete. Da der Gonoductus oder der unpaare Gonaden-Stamm der Monor-
-chonien der Paraxon-Drüse (oder dem „Axial-Organ“) der Pentorchonien entspricht,
wird auch diese letztere den meisten Cystoideen gefehlt haben. Anders werden sich
aber in dieser Beziehung vielleicht die beiden Familien der Agelacystiden und @lypto-
cystiden verhalten haben; jene führen zu den Asterideen, diese zu den Urmoideen
89] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. s9
hinüber; in beiden Familien ist eine „dritte Oeffnung“ der Theca, welche dem’ ein-
fachen Gonoporus der übrigen Uystoideen entspricht, theils noch gar nicht, theils nur
unsicher nachgewiesen; vielleicht mündete hier der Gonoductus in den Enddarm
(Kloake). Da jedoch die Pentaradial-Struktur in diesen beiden Familien eine höhere
Ausbildung zeigt, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie sich auch auf das
Genital-System zu erstrecken begann, und dass dieselben bereits Pentorchonien waren.
r
Ambulacral-System der Cystoideen.
Der wichtigste Unterschied, welcher die Cystoideen von den älteren, bisher
mit ihnen vereinigten Amphorideen trennt, beruht auf der Ausbildung der Ambu-
laeren und der perradialen, in ihrer Mitte verlaufendeu Prinzipal-Kanäle. Diese
typischen Bildungen, welche allen übrigen Echinodermen zukommen und ihre „„Radiär-
Form“ in erster Linie bedingen, fehlten noch den Amphorideen; sie treten zum ersten
Male bei den Cystoideen auf und ihre stufenweise historische Ausbildung lässt sich
Schritt für Schritt verfolgen. Die bekannten Thatsachen, welche uns die vergleichende
Ontogenie der Echinodermen in der Entstehung und Ausbildung der Ambulacral-
Felder unmittelbar vor Augen führt, finden ihre phylogenetische Bestätigung und
Erklärung in der vergleichenden Anatomie der Ambulacren bei den Cystoideen. Von
besonderer Wichtigkeit sind für ihr Verständniss die palingenetischen Verhältnisse
der Holothurien, wie sie zuerst Rıcnarp Sexnox in semer Entwickelungsgeschichte
der Sıymapta digitata (4) vichtig erkannt und für die Stammesgeschichte der Echino-
dermen verwerthet hat.
Als Ambulacra bezeichnet man seit Jomanses Mürrer (1) allgemein die
radialen „Ambulacral-Felder“, welche vom Munde der Echinodermen ausgehen
und auf deren Ventral-Fläche centrifugal über eimen kleineren oder grösseren
Bezirk der Theca sich erstrecken. Die strahlige, einer Rose ähnliche, zusammen-
hängende Gruppe der Ambulacren, oder die „Ambulaeral-KRosette“, bezeichne ich ein
für allemal kurz als Anthodium; ihren Mittelpunkt bildet stets die Mundöffnung.
Dieses ganze, für die Echinodermen höchst wichtige Gebilde besteht anatomisch aus
zwei wesentlich verschiedenen Theilen, aus dem Ambulacral-System und dem Sub-
vektiv-System; ersteres gehört seinem Ursprunge nach dem Entoderm an (Zydro-
coel, Coelom- Taschen), letzteres dem Ektoderm (Epidermis und Corium). Die ober-
flächlichen Rinnen des Subvektiv-Systems sind mit dem ewodermalen Epithel
der Oberhaut bedeckt; dagegen sind die darunter gelegenen Röhren des Ambulacral-
Systems innen vom entodermalen Epithel des Hydrocoels und seiner Fortsätze aus-
gekleidet (vergl. pag. 28). Beide Theile werden vollständig geschieden und zugleich
oestützt durch das dazwischen gelegene Corium, in dessen mesodermalem Binde-
gewebe sich das Ambulacral-Skelet entwickelt.
Für die Phylogenie des Ambulacral-Systems der Eehinodermen ist die Klasse
der Cystoideen von grösster Bedeutung; denn in dieser Klasse beginnt erst die
Festschrift für Gegenbaur. 12
90 Ernst HAECKEL [90
Entwiekelung der Ambulacren und des radialen, aus ihnen zusammengesetzten
Anthodiums. Sie wird dadurch eingeleitet, dass die TWentakeln oder Brachiolen,
welche bei den Amphorideen im Kranze den Mund umgeben, beim Wachsthum des
Peristoms sich vom Munde entfernen und in aboraler Direktion auf die Theca hinüber-
rücken. Die Subvektiv-Rinnen aber, welche an der oralen Innenseite der Tentakeln
verlaufen und dem Munde die Nahrung zuführen, kommen dadurch theilweise in die
Kapsel-Wand zu liegen; und diese perradialen Subvektoren oder „Ambulacral-
Rinnen“ sind es, welche in der Ventral-Kapsel mit vollkommener Sicherheit die
Lage der unmittelbar darunter gelegenen Prinzipal-Kanäle oder „radialen Ambu-
lacral-Gefässe angeben. Auch die Lage des Hydrocircus oder des „eireoralen
Wassergefäss-Ringes“, von welchem die drei oder fünf Prinzipal-Kanäle ausgehen,
wird entweder durch den sternförmigen Mund selbst bestimmt angegeben, oder
durch emen Subvektiv-Circus, einen unmittelbar darüber gelegenen, den Mund
umgebenden Subvektiv-Ring. Diese ektodermalen Subvektiv-Organe mit
ihren mesodermalen Skelet-Theilen sind in der Regel allein der Versteinerung fähig
und daher für die Palaeontologie der Echinodermen von höchster Bedeutung. Dagegen
können von den eigentlichen entodermalen Ambulacral-Organen, welche
unmittelbar darunter lieren, nur selten und ausnahmsweise einzelne Theile erhalten
bleiben. Da jedoch der Verlauf der letzteren bis in seine Einzel-Verhältnisse hinein
derselbe ist wie bei den ersteren, und da beide Organ-Systeme in engster Korrelation
stehen, so dürfen wir aus den realen Struktur-Verhältnissen der versteinerten
Subvektoren bei den Cystoideen die wichtigsten und sichersten Schlüsse auf den
hypothetischen Bau ihres Ambulacral-Systems ziehen.
Die kritische Morphologie des Anthodiums hat demnach schärfer, als
es bisher meistens geschehen ist, die ektodermalen Organe des Subvektiv-Systems
und die entodermalen Theile des Ambulacral-Systems zu unterscheiden. Eigentliche
Am bulacral-Organe des Anthodiums sind alle Theile, welche als Auswüchse aus
dem primär emfachen Hydrocoel entstanden, also 1. der Hydrocireus oder Ambulacral-
Ring, welcher den Mund umgiebt (Wassergefäss-Ring); 2. die Prinzipal-Kanäle oder
perradialen Ambulaeral-Röhren, welche die Perradien oder „Strahlen erster Ordnung“
bezeichnen; 3. die lateralen Fieder-Aeste, welche dieselben an die Thecal-Tentakeln
und ihre Pinnuletten abgeben. Subvektiv-Organe des Anthodiums dagegen,
welche den ersteren entsprechen, sind: 1. Der Subvektiv-Stern des Mundes, welcher
entweder von den perradialen Mundrinnen gebildet wird oder von einem besonderen,
den Mund umgebenden Subvektiv-Rine; 2. die Subvektoren oder die perradialen
Nahrungs-Furchen, welche in der ventralen Kelchdecke verlaufen (— und sich, wenn
Arme an deren Ende stehen, als „Arm-Rinnen“ auf deren Ventral-Seite fortsetzen —);
3. die lateralen Fieder-Aeste, welche die Subvektoren an die Pinnuletten abgeben.
Das Anthodium der Üystoideen zeigt bei seiner mannigfaltigen Entwicke-
lung und Gestaltung folgende wichtige Differenzen in der Zahl und Lage der
Ambulacren, welche dasselbe zusammensetzen: I. Das Anthodium ist regulär drei-
strahlig (Hemicosmites und die übrigen Hexalaeystida) — Anschluss an die Arachno-
91] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN, 91
eystida. — U. Das triradiale geht in das amphipleure pentaradiale Anthodium über,
indem die beiden lateralen Subvektoren sich gabelig theilen (Glyptosphaerida); man
unterscheidet nun einen unpaaren Frontal-Strahl und zwei Paare Lateral-Strahlen
(vordere pektorale und hintere paranale). III. Das Anthodium wird reeulär fünf-
strahlig, indem die fünf Ambulacren gleiche Grösse und Form annehmen: Die
Mehrzahl der Pomoeystida, Agelacystida, Ascoeystida; feıner Cystoblastus unter den
Calloeystida, und einige Glyptocystida. IV. Durch Rückbildung des frontalen Ambu-
lacrum wird das Anthodium vierstrahlig (Apioeystida); anfangs sind die vier Ambu-
lacren noch paarweise verschieden (Apioeystis, Sphaerocystis); später werden sie ganz
gleich und bilden ein rechtwinkeliges Kreuz (Stauroeystis). V. Indem drei Ambulacren
verschwinden, bleiben nur zwei gegenständige übrig, ein linkes vorderes (pektorales)
und ein rechtes hinteres (paranales); beide verlaufen in einer Meridian-Ebene am
Rande der linsenförmigen Theca (Amygdaloeystis und Pseudoerinus).
Form und Grösse der Ambulacren: I. Pomocystida; die Subvektoren
bleiben sehr kurz und entsenden nur sehr wenige (je 2—5) kurze Aeste; die Zahl
der Pinnuletten, welche am Ende derselben stehen, beschränkt sich demnach hier auf
5— 25; das Anthodium bildet ein sehr kleines, regulär pentagonales Schild, das nur
einen sehr beschränkten Raum oben auf der Kapsel einnimmt und sich meistens
scharf von dieser absetzt. II. Fungoceystida; die Subvektoren werden sehr lang
und kriechen als feine fadenförmige Rinnen über den grössten Theil der Theca hin,
dabei kreuzen sie oft die Tafel-Nähte und können sich unregelmässig verästeln ;
meistens geben sie im weiten Abständen (oft einseitig) kleme kurze Seitenäste ab, an
deren Ende eine Pinnulette steht. IH. Acelacystida; das Anthodium ist meistens
regulär pentaradial, seltener amphipleurisch; die fünf Subvektoren sind von gleicher
Länge, bald auf die obere Hemisphäre der T'heca beschränkt, bald auf die untere
übergreifend, fast bis zur Basis (Edrioeystis, Mesites); bisweilen sind die Subvektoren
nicht gerade, sondern gekrümmt, das Anthodium spiral (Agelacrinus, Gomphocystis,
Edrioeystis); auch können die beiden posteralen Subvektoren in entgegengesetzter
Riehtung gekrümmt sem und den After ringförmig umfassen (Lepidodiscus, Agela-
cystis). Die Subvektoren der Agelaevstiden sind stets dieht getiedert, mit zahlreichen
kurzen Seitenästen verschen, an deren Enden Pinnuletten stehen. IV. Ascoeystida;
die fünf Subvektoren sind sehr lang und verlaufen unter der Haut als fünf subteg-
minale Röhren, vom Munde bis zum After, entlang den fünf Kanten der verlängerten,
fünfseitig prismatischen Theca (— vielleicht Holothurien? —). V. Calloeystida;
das Anthodium ist selten regulär pentaradial (CUystoblastus); meistens irregulär oder
stark umgebildet, indem emes oder mehrere Ambulacren rückgebildet, die übrigen
ungleich werden; oft sind sie auch gegabelt oder unregelmässig verästelt (Antho-
cystis, Sphaerocystis); die Subvektoren sind gefiederte offene Rinnen mit zahlreichen
kurzen Seitenästen, an deren Enden Pinnuletten stehen. VI. Glyptocystida; das
Anthodium ist triradial bei den Hexalacystida, pentaradial bei den Sycoeystida; die
Ambulaera liegen subtegminal, indem die kurzen Subvektoren durch Deckplättchen
in geschlossene Kanäle verwandelt sind. Die Verästelung der drei oder fünf
19*
92 Ersst HAECKEL [92
primären Ambulacren ist in dieser Familie innerhalb der Kelchdecke fächerförmig;
erst nachdem ihre Aeste auf die freien Arme übergetreten sind, geben sie kurze
seitliche Finderästehen für deren Pinnulae ab. Auf der inneren (oralen) Seite der
Arme und ihrer Pinnulae verlaufen die Subvektoren als offene Rinnen, erst an der
Basis der Arme, wo sie unter die Kelchdecke tauchen, werden sie zu geschlossenen
Kanälen oder subtermimalen Subvektiv-Röhren.
Die Ambulacren der Cystoideen werden von den meisten Autoren, die sich
mit ihrer Morphologie beschäftigt haben, als niederliegende oder dem Kelche
aufgewachsene Arme bezeichnet. Viele Palaeontologen scheinen dabei anzunehmen,
dass die ansehnlichen thecalen Ambulacren der Agelacystiden, Callocystiden u. s. w.
wirklich ursprünglich freie Arme waren, die sich (ähnlich wie bei der Palacrinide
Barrandeoerinus) auf die Theca nach unten zurückschlugen und dann mit deren
Oberfläche durch Conerescenz verschmolzen. Zırren giebt dieser herrschenden Ansicht
noch neuerdings Ausdruck, indem er sagt: „Bei den Calloeystiden und Agelaeriniden
liegen die Arme mit ihrer Dorsal-Seite entweder auf dem Kelche oder sind m
Rinnen desselben eingebettet; sie kehren ihre Ambulacral-Seite nach aussen und
sind jedenfalls mit einer Reihe alternirend angeordneter Pinnulae besetzt, welche sich
auf kleinen Gelenkflächen neben der Ambulacral-Furche erheben“ (7., pag. 151).
Ich halte diese Homologie der Ambulacren und der Arme nicht für zulässig; denn
sonst müsste man mit demselben Rechte auch die Ambulacren der Echinideen als
„angewachsene Arme‘ bezeichnen. Wie bei den letzteren, so sind auch bei den
Oystoideen die Ambulacren dadurch entstanden, dass die Primär-Tentakeln vom
Munde weg centrifugal auf die Theca hinüber wanderten, dabei Seiten-Aestchen
trieben. aber mit dem Peristom durch die Subvektoren in Zusammenhang blieben.
Hydrophora palmata einiger Uystoideen.
Als eigenthiimliche, subtegminale Bildungen der Kelchdecke hat Barkanne
(12, pag. 41) bei drei angeblichen Cystoideen die von ihm so genannten Hydro-
Fan}
phora palmata beschrieben, und zwar bei drei Gattungen, welche zu unseren
Amphorideen, zur Familie der Aristoeystida (— Subfamilie Piroeystida —)
echören. Die betreffenden Figuren der „Zydrophores palmdes“ sind sämmtlich nur
isolirten Fra@menten entnommen, welche das Peristom, den Mund und seine
nächste Umgebung von der Innenfläche der Theca zeigen (von Aröstoeystis, Pirocystis
und Craterina). Ueberall besteht das Organ aus einem pentagonalen Ring, welcher
den Mund umgiebt und von dessen 5 Ecken 5 fächerförmige Röhren-Büschel aus-
strahlen, jedes aus 5—6 divergenten Äesten zusammengesetzt. Barranpe vergleicht
“dieselben sowohl mit den „Poren-Rauten‘“ der Cystoideen, als mit den „Hydrospiren“
der Blastoideen. Indessen hat schon Nevmayr mit Recht betont, dass weder dieser
noch jener Vergleich zulässig ist, dass es sich vielmehr nur um „innere, subtegminal
gelegene Ambulacral-Rinnen“ handeln könne (8, pag. 409). In der That braucht
93] AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 95
man bloss das subtegminale und pentaradiale Anthodium von manchen Aypaseoerinen
(8, pag. 461) mit demjenigen der drei Amphorideen-Genera zu vergleichen, um sich
von der wirklichen Homologie der beiden ähnlichen Gebilde zu überzeugen. Jedoch
nimmt auch Nevmay« noch unbedenklich an, dass die „Aydrophores palmees" von
Barranoe wirklich zu jenen drei Gattungen gehören, denen er sie zuschreibt; und
diese Annahme theilen alle neueren Autoren, so namentlich auch Biervarn (30,
pag. 202, 205) und Zimmer (7, pag. 149, 153) Gerade diese höchst wichtige An-
nahme halte ich aber für einen folgenschweren Irrthum.
Durch sorgfältiges, wiederholtes Studium der vortreffliehen Abbildungen von
Barranpe und kritische Vergleichung derselben mit den ungenigenden Beschreibungen,
bin ich zu der sicheren Ueberzeugung gelangt, dass jeue vielbesprochenen Hydrophora
palmata zu keiner einzigen von den drei genannten Amphorideen-Gattungen gehören,
zu denen ihr Entdecker sie gestellt hat. Vielmehr muss ich annehmen, dass die
betreffenden Fragmente pentaradialen Glyptoceystiden angehören, den einzigen
Uystoideen, von welchen uns subtegminale Subvektoren bekannt sind (vergl. unten).
Insbesondere lässt mir die treftliche Darstellung, welche Fr. Scummr (18) von Glypto-
eystis pennigera gegeben hat, keinen Zweifel, dass diese Sycocystide dieselben sub-
tesminalen Anthodien besitzt, wie sie Barranpe abbildet. Bei der grossen Wichtigkeit,
welche diese Ansicht für die morphologische Deutung und systematische Stellung der
genannten drei Genera von Aristocystiden besitzt, sche ich mich genöthist, dieselbe
aus der eigenen Darstellung von Barkanpe zu begründen.
I. Aristocystis indeterminata (12, pag. 41, pag. 104, Pl. 14, .Fig. 1—6).
Die Abbildungen beziehen sich auf drei isolirte, ganz unvollständige Fragmente, von
denen Barranpe selbst angiebt, dass er sie nur unsicher und provisorisch zu einer
„unbestimmten Art von Aristoeystis* stelle. Bei der typischen ‘Species dieses Genus
(Aristoeystis bohemica) fand er niemals ähnliche Bildungen vor, trotzdem er sehr
zahlreiche und vortrefflich erhaltene Exemplare derselben genau untersuchte. Auch
sind die drei Fragmente nieht an deren Fundort (Zahorzan), sondern an anderen
Orten gefunden worden (vergl. 12, Explications des Figures 1—6, Pl. 14). Da die
fünf Subvektoren dieser Anthodien sechsästig sind, beziehe ich sie auf die Gattung
Palmacystis; wahrschemlich gehören zu derselben die grossen, sechsstrahligen und
granulirten Panzer-Platten (offenbar von Glyptocystiden), welche Barranpe als „zweitel-
haften Ursprungs“ auf derselben Tafel (14) abgebildet hat (Fig. 24-33).
II. Pirocystis desiderata (12, pag. 172, Pl. 29, Fig. 2934). Die
Abbildungen zeigen zwei isolirte Fragmente eines Cystoideen - Peristoms, welches
BarRANDE „provisorisch“ zu einer unbekannten Art von Pirocystis stellt; bei der
typischen Species dieser cambrischen Gattung (Piroeystis pirum) hatte er diese Bildung
nieht gefunden. Die beiden Bruchstücke waren isolirt in zwei verschiedenen Kiesel-
Knollen eingeschlossen und gehören wahrscheinlich zu zwei verschiedenen Arten von
Glyptocystiden. In dem einen Fragment, Fig. 29—81, zeigt jedes der fünf fächer-
förmigen Ambulaeren 5 Aeste, wie bei @lyptocystis (Genus 44, mit 25 Brachien).
94 Ernst HAECKEL [94
In dem zweiten Fragmente, Fig. 32—34, giebt jeder Subvektor 6 Aeste ab, wie bei
Palmacystis (Genus 45, mit 30 Brachien).
IH. Craterina bohemica (12, pag. 125, Pl. 17, U, Fig. 5, 7: PL. 34%
Fig. 19, 20). Die Abbildungen beziehen sich auf zwei isolirte Fragmente, deren
Zugehörigkeit zu Craterina nicht im mindesten erwiesen, ja sogar höchst unwahr-
scheinlich ist. Craterina (von welcher Barranpe Hunderte von grossen und wohl
erhaltenen Kapseln sammelte!) zeichnet sich vor allen anderen Aristoeystiden dadurch
aus, dass fast immer nur die Dorsal-Theca (= „Keleh“) erhalten ist, fast niemals
dagegen die Ventral-Theca (= „Kelchdecke‘); die Darstellung der letzteren ist in
den wenigen Fällen, wo sie spurweise vorhanden war, ganz unsicher und ungenügend.
Der dickwandige Kelch bildet einen flachen, umgekehrten Kegel oder „Krater“, dessen
verdünnte Basis unten durch einen Insertionszapfen befestigt ist. Die konische Kelech-
höhle öffnet sich aber durch eine weite kreisrunde Mündung, die nach meiner Ansicht
von einer weichhäutigen (oder nur unvollständig mit kleinen Plättchen gepflasterten)
Kelchdecke verschlossen war; die wichtigen Oefinungen in derselben (der centrale
Mund, der excentrische After, und zwischen beiden der Gonoporus) sind niemals deut-
lich erhalten. Dass die abgebildeten „Hydrophora palmata‘“ in einer solehen Kelch-
decke gelegen haben sollten, ist von vornherem höchst unwahrscheinlich; man darf
diese Frage aber sicher verneimen, wenn man den ungenügenden Text von BarranpE
mit seinen sorgfältigen und objektiven Abbildungen kritisch vergleicht. Die eine
isolirte Tafel mit einem Ambulacrum (12, Pl. 17, Fig. 5—7), ist sicher zufällig m
den leeren Kelch einer Craterina hineingefallen. Von dem anderen, sehr schlecht
konservirten Kelche (Pl. 34, Fig. 19, 20) ist es überhaupt ganz zweifelhaft, ob er
zu Craterina gehört; sollte dies auch der Fall sein, so würde die einzige, daran
erkennbare Tafel, mit einem Ambulacrum, ebenfalls zufällig hineingerathen sein.
Auch diese Fragmente gehören sicher einer G lyptocystide an.
üörste Familie der Cystoideen:
Pomoeystida, E. Hascker, 1895.
Pomocystida, E. HAECKEL 50, pag. 9.
Sphaeronitida, M. NEUMAYE, 1889, 8, pag. 415 (pro parte!).
Sphaeronitida, ZITTEL, 1895, 7, pag. 153 (pro parte!).
Familien-Charakter: Cvstoideen mit monaxoner, meistens kugeliger oder
birnförmiger Theca. Platten-Panzer aus zahlreichen irregulären (meist Doppelporen
tragenden) Täfelchen zusammengesetzt. Theca mit vertikaler Hauptaxe, unten am
Aboral-Pol aufgewachsen oder kurz gestielt, oben am Oral-Pol mit einem kleinen,
95] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 95
subregulär fünfstrahligen Anthodium. Vom Munde sehen fünf kurze Ambulacral-
Rinnen aus, die wenige (25, selten mehr) Aeste tragen; am Ende jedes Astes eine
Pinnulette. After dieht neben dem Munde, zwischen beiden rechts der (ronoporus.
Die Familie der Pomoeystiden habe ich (1895, 1. e.) für einen Theil von
jenen ältesten und primitivsten Formen der ächten Cystoideen aufgestellt, welche bis-
her (nach dem Vorgange von Neumark) als Sphaeronitida zusammengefasst wurden.
Sie unterscheiden sich aber von einem anderen Theile dieser letzteren, von den nächst-
folgenden Fungocystida, sehr wesentlich durch die ganz primitive Bildung der Ambu-
laeren, deren phylogenetische Entstehung und Ausbildung hier vom ersten Anfang
an zu verfolgen ist. Die Pomoeystiden besitzen daher eine ganz hervorragende mor-
phologische Bedeutung; sie können nicht allein als die Stammgruppe der ächten
Cystoideen betrachtet werden, sondern aller Echinodermen mit Ambulacral- Feldern
— also eigentlich als die ältesten Ahnen des ganzen Stammes, mit Ausschluss der
noch älteren Amphorideen (und wahrscheinlich auch der Holothurien). Als wich-
tigster und ältester Typus dieser Familie ist die Gattung Sphaeronites (im weiteren
Sinne!) zu betrachten, deren typischer Körperbau namentlich von Axczuın vortrefflich
dargestellt ist (13, Tab. XI). Die meisten Arten stammen aus dem Unter-Silur von
Schweden, nur die böhmische Proteoeystis ist jünger (devonisch).
Die Theca der Pomoeystiden ist meistens kugelig oder subsphärisch, oft auch
eiförmig oder birnförmig, seltener keulenförmig. Gewöhnlich ist sie am Aboral-Pol
durch einen kurzen, dieken Stiel betestigt; bisweilen auch stiellos, mit breiter Basis
aufsitzend. Die zahlreichen kleinen Panzer - Platten, welche die Kapsel zusammen-
setzen, sind meistens ganz irregulär-polygonal, seltener subregulär-hexagonal; sie sind
stets mit Doppelporen ausgestattet, und zwar trägt gewöhnlich jede Platte viele
Doppelporen ohne bestimmte Anordnung (vergl. pag. 19, 22). Bisweilen jedoch liegen
die länglichen Gruben der Doppel-Poren in Meridian - Linien (Pomosphaera oblonga).
Unten geht die Tafelbekleidung unverändert auf den kurzen, dieken Stiel über, der
nur den engeren Basal-Theil der Kapsel darstellt.
Das Anthodium der Pomoeystiden ist von ganz besonderem Interesse; es
nimmt meistens nur einen sehr beschränkten Raum am Oral-Pole der Kapsel ein und
setzt sich als ein pentagonaler Mundschild scharf von dem umgebenden Panzer ab.
Oft ist das vertiefte Peristom-Feld von einem erhabenen Ringwall und Graben um-
geben. Die circorale Ambulacral-Rinne bildet um die centrale Mundötinung
kemen geschlossenen Ring, sondern einen hufeisenförmigen Bogen, der nach hinten,
gegen den After, offen ist; sie wiederholt die charakteristische Bogenform der Hydro-
coel-Sichel, welche bei den palingenetischen Pentactula-Larven aller Echmodermen
den Schlund umwächst. Wie bei dieser letzteren, gehen vom konvexen Rande des
Bogens fünf divergirende kurze Kanäle aus, welche sich zu den fünf Primär-
Tentakeln begeben. Die Mundrinne des Bogens erscheint aber in zwei verschiedenen
Formen; ursprünglich ist sie dreispaltig (so bei Sphaeronites globulus und Pomocystis
suleifera); der unpaare, vordere Ast (dem After gegenüber) bleibt emfach und geht
zum Frontal-Fentakel; die beiden paarigen, seitlichen Aeste gabeln sich und versorgen
96 Ersst HAECKEL [96
die vier paarigen Tentakeln (zwei vordere, laterale und zwei hintere, posterale); —
wenn aber die Gabelung schon an der Basis stattfindet, und die fünf Aeste ausein-
ander rücken, wird die Mundrimne fünfspaltig (so bei Eueystis und Proteocystis).
Die fünf kurzen, feinen Ambulacral-Rinnen bleiben nur bei der Stamm-Gattung
Pomonites einfach, und die einfache Gelenkfacette an deren Distal-Ende zeigt an, dass hier
der Mund von fünf einfachen Tentakeln und Pinnuletten umgeben war. Bei allen übrigen
(— bisher als Species von Sphaeronites unterschiedenen —) Formen theilt sich jede
der fünf perradialen Mundrinnen in je 2—5 divergente este, und am Ende jedes
Astes zeigt sich eine deutliche Gelenk-Facette, auf welcher eine Pinnulette als Stütze
eines Tentakels sass. Die verschiedenen Modi dieser Verzweigung sind von hohem
morphologischen Interesse, da sie in mehreren Gattungen dieser Familie verschiedene
Zustände der Ambulaeren-Genese bleibend darstellen, welche in der Ontogenie
höheren Eehinodermen aufemander folgen. Auf Grund dieser Anschauung scheint
es mir nützlich, in dieser Familie die nachstehend charakterisirten sechs Genera zu
unterscheiden.
Alle Pomoeystiden besitzen drei Kapsel-Oeffnungen, welche sehr nahe
bei einander liegen; der grosse excentrische After unmittelbar hinter dem Munde,
und zwischen beiden auf der rechten Seite (gleich hinter dem rechten posteralen
Ambulacrum) der kleine Gonoporus. An gut erhaltenen Exemplaren sind alle drei
Oetinungen mit einer Klappen-Pyramide versehen, z. B. bei Sphaeronites ovalis (Verel.
Fig. 6—11). Die Zahl der Klappen beträgt am Munde stets fünf (— die unpaare poste-
rale grösser als die vier paarigen lateralen —); am After ist die Zahl wechselnd
(3—9), ebenso auch am Gonoporus (3—5). Die jüngste Gattung, Proteocystis, zeichnet
sich vor den übrigen Pomocystiden dadurch aus, dass die drei Thecal-Ostien sich
weiter von einander entfernen; auch ist hier zwischen Mund und Gonoporus eine
vierte, schlitzförmige Oeftnung sichtbar, wahrscheinlich der Hydroporus (Fig. 11h).
Genera der Pomocystida.
Pomoeystiden-Genus: Typische Species aunlder | En SB: ers ehe
x 0 | Tentakeln | Subvektoren (Peristom)
1. Pomonites | pentactaca | 5 einfach 6
2. Sphaeronites | ponmmm | 10 | dichotom 7
3. Pomoeystis uva 15 | trichotom |
4, Pomosphaera oblonga 20 | vierästig | B)
5. Eueystis rarıpunelata | 25 fünfästig 10
6. Proteocystis Hava | Variat. | irregulär | 11
l. Genus: Pomonites, E. Harcrer (nov. gen.).
Pomoeystida mit fünf Tentakeln und Pinnuletten, je emer am Ende der fünf
kurzen emfachen Subvektoren (oder thecalen Ambulacral-Furchen).
97] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN, 97
Species typica: Pomonites pentactaea, E. Harcrer (nov. spec.). Fie. 6.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien.
Das Genus JPomonites kann als die gemeinsame Stammeattung aller penta-
radialen Oystoideen betrachtet werden; es ist die einfachste und älteste Form dieser
Fig. 6.
Fig. 10.
Fig. 6—11.
Peristom der sechs Genera der Pomoeystiden, von oben gesehen, vergr. o Mund, a After, g Gonoporus, s Subvektoren
(oder Ambulaeral-Rinnen), p Insertionen der Tentakeln (Pinnuletten).
Fig. 6. Pomonites pentactaea. Fig. 7. Sphaeronites pomum. Fig. 8. Pomoeystis uva. Fig. 9. Pomosphaera
oblonga. Fig. 10. Eueystis raripunctata. Fig. 11. Proteoeystis flava. Grösstentheils nach AnGELIN (13, Tab. XI).
Klasse und schliesst sich unmittelbar an die Amphorideen- Ahnen an, und zwar an
Pentactaea. Die fünf kurzen Ambulacral-Rinnen sind hier noch ganz einfach, unver-
zweigt, und am Distal-Ende einer jeden steht eine einzige Gelenk-Facette, zur Auf-
Festschrift für Gegenbaur. 13
98 Ernst HAECcKEL [98
nahme einer einzigen Pinnulette; der Mund war nur von den fünf Primär-Tentakeln
umgeben. Wir können Pomonites von der Ahnen-Gattung Pentactaea einfach dadurch
ableiten, dass die fünf Protentakeln der letzteren (mit ihren Pimnuletten) beginnen,
sich von den fünf Mundecken zu entfernen und in centrifugaler Direktion auf die
Kelehwand hinüber zu wandern.
99m
2. Genus: Sphaeronites, Hısıncer, 1837.
Text-Figur 7 (pag. 97).
Sphaeronites, HISINGER, 1837; Lethaea Sueeica, pag. 91.
Sphaeronis, ANGELIN, 1878; 13, pag. 30, Tab. XI.
Pomoeystida mit zehn Tentakeln und Pinnuletten, je em Paar am Ende der
tinf kurzen gabeltheiligen Subvektoren oder Ambulacral-Furchen.
Species typica: Sphaeronites pomum, Hısıcer, 1837,
Sphaeronites pomum, HisINGER, Lethaea Sueeica, pag. 91, Tab. XXV, Fig. 7.
Sphaeronites pomum, ANGELIS, 13, pag. 30, Taf. XI, Fig. 12; Tab. XXVII, Fig. 14, 16; Tab. XXVIII,
Fig. 10—10b.
Echinus pomum, GYLLENHALL, 1772; Vetensk. Acad. Stockholm Handl, pag. 242, Tab. VIII, Fig. 1—5.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien und Russland.
Das Genus Sphaeronites (— ursprünglich unsere sämmtlichen Pomoeystida
umfassend —) beschränken wir hier auf diejenigen Formen, deren kurze Ambulaeral-
Rinnen am Distal-Ende in ein paar kurze Gabel-Aeste ausgehen, und welche dem-
nach 10 Pinnuletten und dadurch gestützte Tentakeln trugen. Axsceum, welcher die
senauesten Darstellungen des Anthodiums von Pomocvstiden gegeben hat, definirt
sein Sphaeronis: „Area ambulacralis pentagona, vallo eircumdata; paria brachio-
lorum quinque“. Unter den von ihm abgebildeten Sphaeronis- Arten besitzen
(diese Decamerie der Tentakeln:
Sphaeronites pomum, ANGELIN; 13, Tab. XI, Fig. 11, 12.
Sphaeronites globulus, ANGELINn; 13, Tab. XI, Fig. 7—10.
Sphaeronites ovalis, ANGELIN; 13, Tab. XI, Fig. 13—16.
[SV SE
3. Genus: Pomoecystis, E. Harcrer, 1895.
Pomocystis, E. HAECKEL; Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen, 50, pag. 9.
Text-Figur 8 (pag. 97).
Pomoeystida mit 15 Tentakeln und Pinnuletten, je 3 am Ende jeder der
5 kurzen Ambulacral-Furchen (ein unmpaarer terminaler und ein paar laterale).
99] ANMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 9)
Species typica: Pomocystis uva, E. Hazcker..
Sphaeronis uva, ANGELIN, 13, pag. 31, Tab. XI, Fig. 23, 24.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien (Dalecarlien).
Das Genus Pomocystis umfasst jene, bisher zu Sphaeronites gestellten Pomo-
cystiden, deren Anthodium einen Kranz von 15 Pinnuletten trägt. Dieses phylo-
genetische Stadium entspricht jener wichtigen ontogenetischen Stufe, auf welcher bei
vielen Echinodermen die Pentactula 15 Tentakeln trägt. Jeder der fünf primären (per-
radialen) Tentakeln hat an der Basis ein paar laterale Aeste getrieben und hat sich
dabei von seiner Insertions-Basis in distaler Richtung entfernt. Unter den silurischen
oO
von AnGeLın sehr genau abgebildeten Arten seines Genus Sphaeronis (— im weiteren
Sinne! —) zeigen diese typische Pentadecal-Bildung drei Species:
1. Pomocystis uva, ANGELIS, 13, Tab. XI, Fig. 23, 24.
2. Pomocystis suleifera, ANGELIS, 13, Tab. XI, Fig. 19, 20.
3. Pomocystis minuta, ANGELIN, 13, Tab. XI, Fig. 21, 22.
4. Genus: Pomosphaera, E. Harcxer, (mov. gen.).
Text-Figur 9 (pag. 97).
Pomoeystida mit 20 Tentakeln und Pinnuletten, je vier an jeder der fünf kurzen
Ambulacral-Furchen: zwei unpaare (perradiale) und zwei paarige (laterale).
Species typica: Pomosphaera oblonga. E. Harcker.
Sphaeronis oblonga, ANGELIN; 13, pag. 30, Tab. XI, Fig. 17, 18.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien (Dalecarlien).
Das Genus /omosphaera gründen wir für jene Formen von Sphaeronites,
deren Anthodium 20 Pinnuletten und Tentakeln trägt. ‚Jede der 5 kurzen Ambulacral-
Rinnen zeigt vier Gelenk-Facetten, von denen zwei unpaare perradial liegen, die zwei
paarigen zwischen diesen lateral (adradial); von den beiden unpaaren Tentakeln ist der
distale als der ausgewanderte Primär-Tentakel zu deuten, der proximale als der jüngste
der vier Tentakeln. Der typische Vertreter dieser Gattung, Pomosphaera oblonga, von
welchem Axcerin (l. ec.) eine sehr gute Abbildung gegeben hat, zeichnet sich durch
auffallend radiale Anordnung der zahlreichen, grossen und dieht gedrängten Doppel-
poren aus (vergl. die Copie Fig. 9, pag. 97).
5. Genus: Eueystis, Ascers, 1878.
Eucystis, ANGELIN, 13, pag. 31, Tab. XI, Fig. 25—28.
Text-Figur 10 (pag. 97).
Pomocystida mit 25 Tentakeln und Pinnuletten, je fünf an jeder der fünf
kurzen Ambulacral-Furchen (ein unpaarer terminaler und zwei Paar laterale).
13*
100 Ernst HAECcKEL [100
Y
Species typica: Eueystis raripunctata, Axcerm, 1878.
Eucystis raripunctata, ANGELIN, 13, pag. 31, Tab. XI, Fig. 25—28.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien (Dalecarlien).
Das Genus Exeystis wurde von Acer (l. c.) für die kleine Species rari-
punctata gegründet. Die beiden Figuren, welche er vom Anthodium giebt (Fig. 26, 28),
stimmen nicht genau überem und rühren wahrschemlich von verschiedenen Individuen
her. Aus der Vergleichung mit emem anderen schwedischen Exemplar ziehe ich
den Schluss, dass diese Art in entwiekeltem Zustande 25 Tentakeln besitzt, mithin
dauernd jenen bedenutungsvollen Zustand repräsentirt, welcher im der Ontogenie vieler
höheren Echinodermen beim Beginne der Ambulacren-Ausdehnung rekapitulirt wird
(Pentapalmar-Stadium). Der Primär-Tentakel (am Distal-Ende der Ambulacral-
Rinne) hat sich weiter vom Munde entfernt und hat im Proximal-Theil seines Ver-
laufes zwei Paar laterale Aeste getrieben; das proximale Paar ist das jüngste.
r-
6. Genus: Proteoeystis, Barkanoe, 1887.
Proteocystites, BARRANDE, 12, pag. 78, Pl. 29—31.
Text-Figur 11 (pag. 97).
Pomoeystida mit einer variabeln und irregulären Zahl von Tentakeln und
Pinnuletten, meistens zwischen 15 und 25; die Zahl und Anordnung derselben an
den fünf kurzen Ambulacral-Furchen ist verschieden und wechselnd.
Species typica: Proteoeystis flava. Barranoe, 1887.
Proteocystiles flavus, BARRANDE, 12, pag. 80; PIRSIT BUT SAN
Fundort: Unter-Devon von Böhmen.
Das Genus Proteocystis (= Proteocystites) wird durch jene Pomoecystiden
gebildet, welehe sich vor den übrigen Formen dieser Familie durch die unregel-
mässige - Verästelung der kurzen Ambulacral-Rinnen auszeichnen und die veränder-
liche Zahl der Pinnuletten, welche an den Enden ihrer kurzen Aeste stehen. Die
Gattung Proteoeystis bildet dadurch den Uebergang von den regulären typischen
Pomoeystiden zu den irregulären Glyptosphaeriden (pag. 101). Sie nähert sich diesen
letzteren auch dadurch, dass der excentrische After sich weiter von dem centralen
Munde entfernt und dass der Gonoporus zwischen beiden Darmöffnungen ungefähr
in der Mitte liegt, und zwar etwas rechts von der ventralen Median-Linie. Zwischen
der kleinen kreisrunden Geschlechtsöffnung und der grossen fünfeckigen Mundöffnung
(jedoch näher der ersteren) ist oft ein transversaler Schlitz sichtbar, wahrscheinlich
der Hydroporus. Die fünf kurzen Ambulacral-Rinnen, welche von den fünf Mund-
ecken ausgehen, theilen sich an der Basis in je 2—5 divergirende Aeste; die Länge,
die Anordnung und der bogenförmige Verlauf dieser Aeste ist sehr variabel, oft
selbst in den fünf Ambulaeren eines und desselben Individuums sehr verschieden.
101] AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 101
Am Ende jedes fadenförmigen Astes findet sich eine tiefe kreisrunde Gelenk-Facette,
zur Insertion einer Pinnulette. Die Theeca von Proteoeystis ist im Ganzen birn-
törmig, jedoch von sehr variabler Gestalt, bald nahezu kugelig, bald mehr gestreckt
keulenförmig. Die obere Anthodial-Fläche ist abgestutzt; das untere Basal-Ende
läuft in einen kurzen dicken Stiel aus. Die zahlreichen polygonalen Panzerplatten
sind bald irregulär, bald mehr regulär; die Zahl, Form und Anordnung der Doppel-
Poren auf denselben ist sehr variabel; man könnte danach wohl mehrere Species
unterscheiden.
1. Proteoeystis flava, BARRANDE; ].e. Pl, 30, Fig. 1--22. Panzer-Platten irregulär, mit poly-
gonalen Tafeln.
2. Proteoeystis Barrandena, HAEcKEL; 1. ec. Pl. 30, Fig. 23—26. Panzer-Platten subregulär,
mit hexagonalen Tafeln.
Zweite Familie der Cystoideen:
Fungocystida, E. Harcker, 1895.
Fungocystida, E. HAECKEL, 1895, 50, pag. 9.
Sphaeronitida, NEUMAYR, 1889, 8, pag. 415 (pro parte!)
Sphaeronitida, ZurteL, 1895, 7, pag. 153 (pro parte!)
Glyptosphaerida, E. HAECKEL, 1895, 50, pag. 9.
Familien-COharakter: ÜUvstoideen mit monaxoner, meist kugeliger oder
birnförmiger Theca. Platten-Panzer aus zahlreichen irregulären (meist Doppelporen
tragenden) Täfelchen zusammengesetzt. Theca mit vertikaler Hauptaxe, unten am
Aboral-Pol aufgewachsen (oder im Alter frei). Oben gehen vom Munde drei oder
fünf lange Ambulacral-Rinnen aus, welche sich meist unregelmässig verästeln und weit
iiber die Kapsel hinkriechen ; am Ende jedes Astes eine Pinnulette. After vom Munde
entfernt, zwischen beiden in der Mitte der (Gonoporus.
Die Familie der Fungocystida (= Glyptosphaerida) habe ieh (1895) für
jene primitive Gruppe von ächten Cystoideen gegründet, als deren typische Vertreter
die untersilurischen Genera @lyptosphaera, Protoerinus und Fungoeystis zu betrachten
sind. Ausserdem gehören dazu wahrscheinlich noch die beiden Genera Maloeystis
und Amygdaloeystis, aus dem Unter-Silur von Canada. Bisher wurden diese Oystoideen
mit den Sphaeronitiden vereinigt; sie unterscheiden sich aber von den Zomoeystiden
(dureh die eigenthümliche, viel weiter gehende Ausbildung der Ambulaeren. Diese
verlängern sich und kriechen in unregelmässiger Form und Vertheilung über weite
Strecken der Kapsel hin, oft bis nahe an den Aboral-Pol; dabei kreuzen sie oft die
Tafel-Nähte und geben in weitläufiger Anordnung und in sehr unregelmässiger Ver-
theilung kurze Seitenäste ab. Am distalen Ende jedes Astes findet sich eine Gelenk-
Facette, auf welcher eine Pinnulette und em Tentakel stand. Die Zahl derselben
ist sehr variabel und unbestimmt, ein weiterer Unterschied von den Pomoeystiden.
102 Ersst HAECcKEL [102
Bei den meisten Fungocystiden stehen die Pinnulae nur m emer Reihe (uniserial)
an einem Rande der Ambulacral-Rinne (am linken!) —; nur bei Fungocystis stehen
sie in zwei alternirenden Reihen (biseral). Die gegliederten Pinnuletten sind selten
erhalten.
Die Theca der Fungocystiden ist meistens kugelig oder rundlich-eiförmig,
seltener keulenförmig, nach unten verdünnt (Fungocystis), oder mandelförmig, von
zwei Seiten komprimirt (Amygdaloeystis). Die Grösse ist ansehnlich; der Durchmesser
der Kugel erreicht bei G/yptosphaera — einer der grössten Uystoideen — 6—8 cm.
Meistens ist die Kapsel unten am Aboral-Pol aufgewachsen, bisweilen mittelst eines
kurzen Stieles befestiet; bei einigen Arten (Protocrinus) wird sie im Alter frei. Die
Panzerplatten der Kapselwand sind gewöhnlich sehr zahlreich und irregulär polygonal,
ohne jede bestimmte Anordnung. Bei Glyptosphaera tragen sie sehr zahlreiche, bei
Protocrinus weniger zahlreiche Doppel-Poren; bei Fungocystis, wo die Poren emfach
sind, ist eine innere und äussere Deckschicht nachgewiesen. Bei Malocystis und
Amygdalocystis sollen die Poren fehlen.
Kapsel-Oeffnungen finden sich bei Glyptosphaera vier: zwischen dem
centralen Munde und dem excentrischen After liegt in der ventralen Mittellinie (oder
etwas rechts neben dieser) der kleine runde Gonoporus, und zwischen diesem und
dem Munde eine dreieckige oder rhombische Platte („Rhombus“); schon Vorsorrn, der
erste Beobachter derselben, hatte sie vor 50 Jahren als „Madreporen-Platte‘‘ gedeutet (16,
pag. 159), wahrscheinlich mit Recht. Bei den übrigen Fungocystiden ist dieser
Madreporit nicht beobachtet; vielleicht ist hier der Hydroporus mit dem Gonoporus
veremigt. Bei den (— schlecht konservirten! —) canadischen Gattungen Malocystis
und Amygdalocystis werden nur Mund und After abgebildet. Der Mund ist meistens
von (3 oder 5) Platten umgeben, der After mit emer Klappen-Pyramide bedeckt und
meistens weiter vom Mund entfernt, als bei den Pomocystiden. Wie bei diesen, so
geht auch hier die triradiale Mundbildung der pentaradialen voraus.
System der Fungocystida.
3 Ambulacra vom dreispaltigen we kugelig, mit Doppel-Poren, | 1. @lyptosphaera
Munde abgehend, ein unpaares mit 4 Östien. | (Leuchtenbergi).
Theca kugelig, mit Doppel-Poren, (| 2. Protoerinus
frontales und zwei paarige gabel- |
mit 3 Östien. | (Fragum).
theilige. (Alle 5 Ambulacral-
Rinnen uniserial, mit Aesten an
einem Rande.)
au
Ambulacra getrennt vom Munde
ausgehend, biserial (mit alterniren-
Theca birnförmig, mit einfachen | 3. Fungoeystis
—
Poren, mit 3 Ostien. | (rarissima).
den Aesten an beiden Rändern).
Weder 3 noch 5 Ambulacra (baldnur [ Theca kugelig, mit 2 Ostien und
2, bald 7—9), uniserial, unregel- mit 7—9 gewundenen Ambulacren.
mässig verlaufend. Theca
4. Malocystis
(Murchisoni).
mandelförmig, komprimirt, . Amygdaloeystis
(Horealis).
mit 2 Östien und mit 2 gegen-
m un u un
[$1]
ständigen Ambulacren.
103] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 103
7. Genus: Glyptosphaera, ‚Jonısses Mürzer, 1854.
Glyptosphaerites, JOHANNES MÜLLER, 1854, 25, pag. 66.
Text-Figur 12.
Fungoeystida mit kugeliger oder eiförmiger Theca, die an der aboralen Basis
durch einen kurzen Stiel befestigt ist. Mund von fünf Klappen umgeben. Von der
dreieckigen Mundspalte gehen drei lange Ambulacral-Rinnen aus, von denen die
unpaare (frontale) einfach bleibt, die beiden paarigen sich alsbald gabeln; die fünf
tinnen sind von ungleicher Länge, unregelmässig gebogen und meist nur an einer
Seite mit Aesten besetzt (am Iimken Rinnenrand). Zwischen Mund und Gonoporus
ein dreieckiger oder rhombischer Madreporit.
Species typica: Glyptosphaera Leuchtenbergi, Jon. Mürrer.
Glyptosphaerites Leuchtenbergi, JoH. MÜLLER, 25, pag. 66.
Glyptosphaera Leuchtenbergi, ANGELIN, 1878; 13, pag. 31, Tab. XI, Fig. 1—4.
Sphaeronites Leuchtenbergi, VOLBORTH, 1846, 16, pag. 187, Taf. X, Fig. 1-7.
Sphaeronites Leuchtenbergi, QUENSTEDT, 27, pag. 692, Tab. 114, Fig. 10 —16.
Fundort: Unter-Silur von Skandinavien und Russland.
Das Genus @/yptosphaera (= Glyptosphaerites) gründete J. Mürter für eine
der ansehnlichsten CUystoideen-Formen, deren kugelige Kapsel über 7 em Durch-
messer erreichen kann; sie wurde anfänglich
zu Sphaeronites gestellt. Von der dreieckigen
Mundspalte gehen zunächst drei primäre Am-
bulaeral-Rinnen oder Subvektoren aus; von
diesen bleibt die unpaare frontale (dem After
gegenüber liegende) emfach; die beiden paari-
gen dagegen gabeln sich alsbald in einen
vorderen (lateralen) und hinteren (posteralen)
Ast. Die fünf Rinnen kriechen divergirend
über die Theca fort und geben im unresel-
mässigen Windungen kurze Seitenäste ab; diese Eu
2 m .. . . . . Bee e
liegen gewöhnlich nur auf einer Seite der Glyptosphaera Leuchtenbergii (nach VoLzortn).
Rinne und zwar auf der linken. Die vier A die Theea, schräg von der Frontal-Seite und von oben
R = x SW Er: | gesehen. o Mund, a After, & Gonoporus, rh Hydroporus,
Oeffnungen der Kapsel sind bei dieser Gattung („Rhombus“), af Subvektoren oder Ambulaeral-Furchen
sehr d liel 1 heo . el ee e der Theca, f Panzer-Platten (Facetten. Fig. B drei
sehr deutlich une 1egen ziemlich W eıt Aus- Panzer-Platten, © dieselben stärker vergrössert, um die
einander. Der Hydroporus erschemt in Form Eoppe Seoul ugzeigent
eines dreieckigen oder rhombischen, fein quer-
gestreiften Madreporiten und liegt rechts von der ventralen Mittellinie, zwischen dem
Mund und dem kleinen kreisrunden Gonoporus (vergl. oben pag. 83).
104 Ersst HAECcKEL [104
Ss. Genus: Protoerinus, Eıchwarn, 1840.
Protoerinites, EICHWALD, 1840, Silur. Schichten in Esthland, pag. 185.
Fungoeystida mit kugeliger oder eiförmiger Theca, die in der Jugend unten
aufgewachsen, im Alter frei ist. Mund von drei Klappen umgeben. Von der drei-
eckigen Mundspalte gehen drei lange Ambulacral-kinnen aus, von denen die unpaare
(frontale) eimfach bleibt, die beiden paarigen sich alsbald gabeln; die fünf Rinnen
sind von ungleicher Länge, unregelmässig gebogen und meist nur an einer Seite mit
Aesten besetzt (am linken Rinnen-Rand). Zwischen Mund und Gonoporus kein
Madreporit (keine „vierte Oeftinung“).
Species typica: Protocrinus fragum, Eıcnwarn, 1860, 17, pag. 621.
Protoerinites oviformis, VOLBORTH (— non EıcHwALp!! —), 1846; 16, pag. 191, Taf. X, Fig. 8—11.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus Protocrinus (= Protocrinites) steht der vorhergehenden Glypto-
sphaera sehr nahe und theilt mit ihr die dreispaltige Mundöffnung und den
triradialen Ursprung der fünf ungleichen Ambulaeren
sowie den uniserialen Ursprung der Seitenästchen, an
dem linken Rande der letzteren. Jedoch ist die Madre-
poren-Platte, welche bei @/yptosphaera so deutlich zwi-
schen Mund und Gonoporus hervortritt, bei Protoerinus
nicht selbstständig entwickelt; sie scheint hier mit der
Geschlechtsöffnung verschmolzen zu sein. Ausserdem
scheint auch Protoerinus nur in der Jugend festzusitzen,
im Alter frei zu sein. Von dieser Gattung hat Eıcn-
warn (l. e.) zwei verschiedene Species beschrieben:
1. Protocrinus fragum, EICHWALD, 17, Lethaea Rossica,
Fig. 13. pag. 621; — Prolocerinites oviformis, VOLBORTH, 1846, 16, pag. 191,
Dr 1 : frao ac 7 vp r . .
Protocrinus fragum (nach VOLBORTH), Taf, x, Ep Lang, 5, pag. 900, Fig. 641). Theca
Ansicht von oben. Das Anthodium nimmt
die ganze obere Hemisphäre der Theca 2 N
ein. 1 Gonoporus, 2 After mit der Klappen- lang als die horizontale.
Pyramide, 3 Subvektoren (oder Ambu-
lacral-Rinnen).
kugelig oder fast halbkugelig; Vertikal-Axe kürzer oder eben so
93, Protocrinus oviformis, EıcHwALp, 1840. Lethaea
Rossica, pag. 622, Tab. 32, Fig. 14a—c. Theca eiförmig oder
ellipsoid; Vertikal-Axe bedeutend länger als die horizontale.
9. Genus: Fungoeystis, Barraspe, 1887.
Fungocystites, BARRANDE, 12, pag. 157.
Fungoeystida mit keulenförmiger oder eiförmiger Theca, deren unterer Theil
mit abgestutzter Basis aufsitzt. Von der fünfeckigen Mundötfnung gehen getrennt
105] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 105
fünf lange, im Ziekzack gebogene Ambulaeral-Rinnen aus, welche an beiden Seiten
zahlreiche, regelmässig alternirende Aeste abgeben. Zwischen Mund und Gonoporus
kein Madreporit.
Species typica: Fungocystis rarissima,
BARrRANDE, 1887.
Fumgoeystites rarissimus, BARRANDE, 12, pag. 157,
Pl. 17, I, Fig. 1-10.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d 4).
Das Genus Fungocystis unterscheidet
sich von den übrigen Gattungen dieser Familie
durch die regelmässige Bildung der fünf langen
Ambulacral-Kanäle, welche getrennt von dem
fünfeekigen Munde abgehen und in Ziekzack-
linien bis gegen den Aboral-Pol verlaufen ;
ihre kurzen Aeste gehen nicht auf einer, son-
dern auf beiden Seiten der Prinzipal-Kanäle,
in regelmässigen Abständen ab. Zwischen
Mund und After liegt ein ansehnlicher, bogen-
förmiger Schlitz, wahrschemlich der Gono-
Fig. 14.
Fungoeystis rarissima, nach BARRANDE, restaurirt.
An den alternirenden Aesten der Subvektoren sind die
porus, verbunden mit dem Hydroporus; die _Tentakeln hypothetisch eingezeichnet, dagegen die Pinau-
z Er 5) 7 ei £ letten nicht angegeben. o Mund, a After, g Gonoporus,
Konkavität des Bogens ist geoen die Mund- s Subvektoren, t Tentakeln.
[o) ‚ee!
öffnung gekehrt.
-
10. Genus: Maloeystis, Biruımes, 1858.
Malocystites, Bivuıngs, 1858, Geol. Survey Canada, Dee. III, pag. 66.
Fungoeystida mit kugeliger oder rundlich eiförmiger Theca, welche am Basal-
Pol durch einen kurzen Stiel aufsitzt. Von der centralen Mundöffnung gehen mehrere
lange Ambulacral-Rinnen aus, welche sich unregelmässig verzweigen und gabeln, und
gewunden (theilweise in Spiralen) über die Kapselfläüche bis gegen die Basis ver-
laufen; nur an einem Rande eine Reihe von Pinnuletten. Zwischen Mund und After
ist keine dritte Oetfnung sichtbar.
Species typica: Malocystis Murchisoni, Bırrınas, 1858.
Malocystites Murchisoni, Bıruınes; 15, pag. 66, Pl. VII, Fig. 1a—1f.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika (Canada).
Das Genus Malocystis (= Malocystites) ist nebst dem folgenden Amygdalo-
eystis von Birumes im Unter-Silur von Canada gefunden, aber so unvollständig
Festschrift für Gegenbaur. 14
106 Ernst HAECKEL [106
beschrieben, dass die Stellung beider Gattungen in der Familie der Fungocystiden
noch zweifelhaft erscheint. Die zahlreichen polygonalen Platten der Panzerkapsel
sollen solid, nicht porös sein (wie in den vorhergehenden Gattungen). Zwischen dem
centralen Mund (— „Ambulacral-Oeftnung“) und dem excentrischen After (— „Mund-
öffnung“, Biruıes) ist keine dritte Oeftnung sichtbar. Ueber die Beschaffenheit der
langen Ambulacral-Rinnen, die Biruises als „„Aecumbent arms“ beschreibt, lässt sich
nach den Widersprüchen seiner Abbildungen kein klares Urtheil gewinnen; angeblich
sollen gewöhnlich acht Arme da sein, welche in zwei Bündeln von je vier an beiden
Enden der Mundspalte (= „ambulacral groove‘) stehen; die Arme sollen sich unregel-
mässig theilen und in langen Windungen (zum Theil in Spiralen) über den ganzen
Kelch weg kriechen. Wenn man aber die sechs Figuren la bis 1f (l. ce.) kritisch
vergleicht, so wird es wahrscheinlich, dass vom Munde fünf Ambulacral-Rinnen aus-
gehen und dass das unpaare (frontale) Ambulacrum (vorn, vor dem Munde) dreiästig
ist, während von den vier anderen die beiden posteralen (den After umfassenden)
einfach sind, dagegen die beiden lateralen zweitheilig. Die Ambulacren sollen (wie
bei Ampgdaloeystis) nur an einem Rande eine Reihe von Pinnuletten tragen, was
auch mit G/yptosphaera und Protoerinus überemstimmen würde.
ll. Genus: Amygdaloeystis, Birumes, 1854.
Amygdaloeystites, Bruuiınes, 1854, Canadian Journ. Vol. II, pag. 270.
Fungoeystida mit mandelförmiger, zweiseitig komprimirter Theea, deren zuge-
spitzte Basis unten auf einem kurzen Stiel aufsitzt. Von der zweilippigen, vor-
springenden Mundöffnung gehen nur zwei einfache, gegenständige Ambulacral-Rinnen
aus, welche entlang den beiden Kanten der Kapsel verlaufen und nur an einem
Rande eine Reihe von Pinnuletten tragen.
Zwischen Mund und After ist keine dritte Oeff-
nung sichtbar.
Species typica: Amygdaloeystis forealis,
Bırumes, 1854.
Amygdalocystites florealis, BituınGs, 1858, 15, pag. 63,
Pl. VI, Fig. 1a—1e.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika (Canada).
Big. 15.
Amygdaloeystis florealis, nach BILLINGS.
A die Theea von der analen, B von der linken, C von . ; :
der frontalen Seite gesehen. o Mund, a After. Das Genus Amygdaloeystis scheint
nach der unvollständigen Darstellung von
Bırzınss dem vorhergehenden Malocystis nahe verwandt zu sein, unterscheidet sich
aber von ihm, wie von allen anderen Fungoeystiden, durch die auftallende bilaterale
Kompression des mandelförmigen Körpers; es sollen nur zwei gegenständige Ambu-
lacral-Rinnen (= „‚Reeumbent arms“, Biruises) vorhanden sein, welche an den beiden
107] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 107
Kanten der mandelförmigen Kapsel bis gegen die Basis verlaufen und nur an emem
Rande eine Reihe von Pinnuletten tragen. Zwischen dem vorragenden centralen
Munde (= „Ambulacral-Oeffnung“) und der excentrischen Klappen-Pyramide des Afters
(weleher nahe dem Ende des einen Ambulacrum liegt und von Birumes als „Mund“
bezeichnet wurde) ist keine dritte Oeffnung sichtbar. Die hexagonalen Platten der
Theca zeigen keine Poren, aber einen vorspringenden, sechsstrahligen Rippen - Stern.
Dritte Familie der Uystoideen:
Agelacystida, E. Hascker, 1895.
Agelacystida, E. HArcKEL, 50, pag. 9.
Aygelacrinida, Harr, 24, Vol 24, 1872 (pro parte).
Agelaerinida, ZirteL, 7, 1895, pag. 157.
Tafel III, Fig. 27—37.
Familien-Charakter: Uystoideen mit pentaradialer, meist regulärer, selten
amphipleurer 'Theca. Platten-Panzer aus sehr zahlreichen, kleinen (meist Poren
tragenden) Schuppen oder Täfelchen zusammengesetzt. 'Theca mit vertikaler Hauptaxe,
bald scheibenförmig oder halbkugelig, mit breiter Dorsal-Basis aufgewachsen; bald
eiförmig oder keulenförmig, unten in einen kurzen Stiel verdünnt. Oben gehen vom
fünfeckigen Munde fünf lange, perradiale Ambulaecral-Rinnen aus, welche regelmässig
gefiedert sind und ansehnliche Ambulacra bilden, am Rande mit zwei Reihen von
Saum-Plättehen und Pinnuletten eingefasst. Zwischen dem centralen Munde und dem
excentrischen After ist keine dritte Oeffnung sichtbar.
Die Familie der Agelacystida (= Agelacrinida) umfasst eine Anzahl
von charakteristisch geformten Uystoideen, deren phylogenetische Stellung sehr ver-
schieden aufgefasst worden ist. Gemeimsame Charaktere aller Agelaecystiden sind
nach meiner Auffassung folgende: 1. Die Theca ist in eine ambulacrale (ventrale)
Kelchdecke und einen antambularen (dorsalen) Kelch differenzirt. 2. Der dorsale
Kelch ist unregelmässig getäfelt, ohne radiale Anordnung, aus zahlreichen kleinen
Plättchen zusammengesetzt. 3. Auf der ventralen Kelchdecke ist em ansehnliches
Anthodium entwickelt, mit fünf ausgedehnten Ambulacren, welche regelmässig gefiedert
sind und am Rande Pinnuletten tragen. 4. Zwischen dem centralen Munde und dem
excentrischen After ist keine dritte Thecal-Oeffnung wahrnehmbar.
Als zwei Subfamilien in dieser artenreichen Familie unterscheide ich die Hemi-
cystda und Asterocystida. Die Hemieystida entsprechen den „Agelacrinida“ im
engeren Sinne und sind neuerdings von Jarker als besondere Klasse unter dem Namen
Theeoidea abgetrennt worden (49, pag. 110); ihre T'heca ist dehnbar und mit
14*
108 Ernst HAECKEL [108
beweglichen Schuppen bedeckt. Dagegen besitzen die Asterocystida eine starre
Kapsel, die aus unbeweglichen, durch Naht verbundenen Tafeln zusammengefügt ist.
Im Uebrigen erscheint die Organisation beider Subfamilien, und namentlich die regu-
läre Ausbildung ihres pentaradialen Anthodiums, nicht wesentlich verschieden.
Die Theca der Agelacystiden ist stets unten am Aboral-Pol aufgewachsen,
meistens mit breiter Basıs, seltener mittelst eines kurzen Stiels.. Ihre Gestalt ist
mannigfach wechselnd, bei den Hemicystiden meistens flach gedrückt, halbkugelie
oder selbst scheibenförmig; bei den Asterocystiden bald halbkugelig oder becher-
förmig, bald keulenförmig oder fast kugelig. In beiden Subfamilien ist gewöhnlich
die obere (ventrale) von der unteren (dorsalen) Fläche der Theca deutlich geschieden,
so dass man erstere als Kelchdecke (Epicalyx), letztere als Kelch (Calyx) unterscheiden
könnte, wie bei den Urinoideen. Die horizontale Grenze zwischen beiden Theilen ist
häufig durch einen kreisrunden oder pentagonalen Gürtel bezeichnet, der kammartig
vorspringt. Die Anheftung der Agelacystiden auf dem Meeresboden (— häufig auf
Muschel-Schalen —) erfolgte bei der Mehrzahl mit der breiten, aboralen Keleh-Basis.
Seltener ist ein kurzer Stiel entwickelt, und dieser ist nur ausnahmsweise erhalten.
Er scheint bei einigen Gattungen deutlich gegliedert zu sem, ist übrigens ohne
besonderes Interesse.
Thecal-Ostien sind bei allen Agelacystiden nur zwei vorhanden, der cen-
trale Mund oben am Oral-Pol der vertikalen Hauptaxe, und der excentrische After;
das Interambulacrum, in welchem der letztere liegt, ist als anales oder posterales zu
bezeichnen. Der After ist stets mit einer Klappen-Pyramide bedeckt; die Zahl ihrer
dreieckigen Anal-Tafeln wechselt zwischen fünf und zehn. Der Mund ist häufig mit
fünf Zähnen bewaffnet und von besonderen Peristom-Platten umgeben. Eine „dritte
Oetfnung“ ist bei keiner Gattung dieser Familie bisher nachgewiesen.
Die Ambulacren sind bei den Agelacystiden konstant m der Fünfzahl vor-
handen, regulär gefiedert und durch hohe Entwickelung ausgezeichnet. Von den
fünf Ecken des Mundes gehen fünf perradiale Ambulacral-Rinnen aus, welche regel-
mässig alternirende Seitenästehen abgeben; am Ende der letzteren findet sich eine
Gelenkfläche zur Insertion emer Pinnulette (und an deren Basis oft en Porus, zum
Austritt emes Tentakel-Kanals). Viele (vielleicht Alle?) zeigen ausserdem zwei Reihen
von kleinen Saumplättchen, welche die Zufuhr-Rinnen verdecken. Uebrigens bietet
die Vergleichung der verschiedenen Struktur im den Gattungen der Agelacystiden
und ihre Deutung mancherlei Schwierigkeiten. Gewöhnlich bleiben die fünf Ambu-
lacren auf die Kelchdecke beschränkt; aber bei zwei Gattungen, Edriocystis und Mesites,
greifen dieselben weiter nach unten auf den dorsalen Kelch über und wachsen hier
bis gegen die Ansatzfläche hin. Die damit verknüpfte Reduktion der Antambular-
Fläche erinnert an die Echinideen. Während hier die verlängerten Ambulacren
schmal und bandförmig bleiben, wachsen sie dagegen bei Asterocystis und Asteroblastus
in die Breite. Bei fünf anderen Gattungen gewinnen sie dadurch grössere Ausdehnung,
dass sie sich spiralig um die Kelch-Axe winden. In den Gattungen Agelacrinus,
Gomphocystis und Edrioeystis sind alle fünf Radien in gleicher Richtung spiralig
109] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 109
gekrümmt. Die beiden Genera Lepidodiseus und Agelacystis zeichnen sich aber
dadurch aus, dass nur vier Radien in gleicher Richtung gekrümmt sind, der fünfte
aber (der linke posterale) in entgegengesetzter Richtung; so liegt hier der After in
einem Anal-Felde, welches von den beiden posteralen (mit ihrer Konkavität einander
zugekehrten) Ambulacren eingeschlossen wird.
Pinnuletten, als skelethaltige ‚‚Tentakeln“ oder „Finger - Stützen“, waren
wahrscheinlich bei allen Agelacystiden vorhanden; die kleinen Artikulations-Flächen
für dieselben finden sich meistens deutlich ausgeprägt an den Seitenrändern der Am-
bulacra (an den Enden der kurzen Seiten-Aeste der Zufuhr-Rinnen). Aber nur selten
sind diese zarten Gliedmaassen wohl konservirt; sie finden sich z. B. bei Asteroblastus
als lange und dünne, zweizeilig gegliederte Fäden, welche den Ambulacral-Feldern
aufliegen und sie ganz bedecken können (wie bei Blastoideen).
Der Platten-Panzer der Agelacystiden zeigt im Ventral-Theil, entsprechend
der hohen Differenzirung der Ambulacren, eine ziemlich komplizirte und mannig-
faltige Zusammensetzung, während er dagesen im Dorsal- Theil sich relativ einfach
verhält. Hier ist derselbe bei den Hemieystiden aus dünnen, rundlichen Schuppen
zusammengesetzt, deren freie Ränder sich nach oben hm decken. Bei den Astero-
eystiden dagegen besteht er aus dickeren, polygonalen Tafeln, welche durch Nähte
fest zusammengefügt sind; bisweilen können dieselben theilweise verschmelzen (C'yatho-
cystis, Gomphocystis).. Doppel-Poren sind in den Schuppen der Hemieystiden
meistens nicht nachzuweisen, dagegen m den stärkeren Tafeln der Asterocystiden
gewöhnlich gut ausgebildet; doch können sie auch hier fehlen (Cyathocystis, Edrio-
cystis), oder in sehr verschiedenem Grade entwickelt sein, selbst bei Arten einer und
derselben Gattung; so sind sie z. B. bei Asteroblastus stellatus sehr scharf ausgeprägt,
bei Asteroblastus Volborthi kaum nachweisbar (vgl. oben pag. 20). Im Anthodium der
Ventral-Kapsel sind stets die interambulacralen Platten von denjenigen der Ambulaera
verschieden, und an den letzteren können von den eigentlichen „Ambulacral-Platten‘“
die kleinen Saumplättchen unterschieden werden, sowie die Glieder der zweizeiligen
Pinnuletten. In der Umgebung des Mundes sind oft besondere Oral-Platten und
Peristom - Platten entwickelt (fünf grosse interradiale Gabel-Platten bei Asterocystis
und Asteroblastus).
Orro Jarken (49, pag. 110) hält die Hemieystiden (— welche nach meiner
Ansicht von den Asterocystiden höchstens als Subfamilie zu trennen smd —) für „die
primitivsten Formen der Pelmatozoen“ und der Echinodermen überhaupt; er bildet
aus ihnen die besondere Klasse der Thecoidea. Nach memer Auffassung dagegen
gehören dieselben zu den höchst entwickelten Formen der Uystoideen und enthalten
vielleicht schon die Ahnen der Pygoeincten. Wenn auch die bekannten Hemieystiden
nicht direkt als die Urahnen der Asterideen und Ophiureen, die Asteroeystiden
(Mesites) nicht direkt als die Stammformen der Echinideen zu betrachten sind, so
zeigen uns doch diese Aselacystiden deutlich den Weg, auf welchem die hoch
entwickelten und frei lebenden Pygocmeten aus festsitzenden Uystoideen hervor-
gegangen sind. (Vergl. Neumark, 8, pag. 419.)
110 Ernst HAECcKEL [110
Das Malacom der Agelacystiden wird bereits zu Theil eine hohe Stufe
der Ausbildung besessen haben; sicher gilt dies von dem Ambulacral-System, dessen
reguläre, pentaradiale Struktur derjenigen der Pygocincten nicht nachsteht. Die
Konstanz der fünf ansehnlichen, regelmässig gefiederten Ambulacral-Felder, die grosse
Zahl ihrer Seitenäste und der an diesen angehefteten Pinnuletten, ferner die ent-
sprechende Ditferenzirung der fünf Interambeln und des Peristoms, erheben die Agela-
cystiden weit über die meisten anderen Cystoideen. Ich halte es selbst für möglich,
dass dieselben bereits Pentorchonien waren und fünf Gonaden-Paare besassen.
In diesem Falle würden sie eine besondere (neunte) Klasse des Echinodermen-Stammes
bilden, welche neben den Blastoideen und Urmoideen ihren Platz unter den Pelma-
tozoen finden würde; man könnte zur Bezeichnung derselben nach dem Vorgange von
Jaerren den Namen Thecoidea beibehalten.
Vielleicht wird es weiteren Forschungen über die Struktur der Agelaeystida
gelingen, auch noch Anhaltspunkte für die Erkenntniss der bedeutungsvollen Bildung
und Zahl der Gonaden zu gewinnen. Bisher ist bei keiner Gattung dieser Familie
die viel gesuchte „dritte Oetfnung“ gefunden worden ; weder von einem Gonoporus
noch von einem Hydroporus ist eme Spur entdeckt worden. Dieses negative Ergebniss
gestattet aber keine sicheren Schlüsse, da ja auch bei vielen Holothurien «diese Oeff-
nungen nicht auftällig vortreten (vergl. oben pag. 81, 83).
System der Agelacystida.
— —— — -—
Subfamilien: Theeca: Ambulaera: Genera:
une = | —— — — — .— — 2 me rer
I. Subfamilia: |
Hemieystida. Anthodium regulär pen- | ‚Ambulacral-Radien ge- f 1. Hemieystis
Theca dehnbar, mit einem | taradial; alle 5 Am- | rade. \ (granulata).
i \ bulacra gerade oder .
beweglichenSchuppen- : lei = Ricl „ . \Ambulacral-Radien alle F
Panzer. Tafeln rund- in gleicher kuichtung | | eneksleichersRich: [| 2. Agelacrinus
lich (seltener polygo- gekrümmt. | Hinz gekrümmt. \ (worticellatus).
nal), imbricat; meis-
tens (oder immer?) | | Anthodium amphipleu- _Ventraler und dorsaler ee
ohne Doppel-Poren. risch; die beiden Schuppen - Panzer j EN Br
posteralen Ambulacra nicht verschieden. | (eineinnatiensis).
in entgegengesetzter
Richtung gekrümmt
und den After um-
fassend,
Ventraler und dorsaler
Schuppen-Panzer sehr
verschieden, beide J
durch einen Tafel- \
Gürtel getrennt.
He
. Agelacystis
(hamiltonensis).
ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN
Subfamilien:
Theca:
Jet!
II. Subfamilia:
Asteroeystida.
Theca starr, mit einem |
unbeweglichenPlatten-
Panzer. Tafeln ‚poly-
gonal, durch Nähte
fest verbunden, nicht
imbricat; meistens
(oder immer?) mit
Doppel-Poren.
VentraleKelchdecke von
dem dorsalen Kelch
durch einen kreis-
runden Gürtel ge-
trennt. Mund nicht
von Gabel-Platten um-
geben.
Ventrale Kelchdecke von
dem dorsalen Kelch
‚ durch einen decago-
nalen Gürtel getrennt.
Mund von fünf inter-
radialen Gabel-Platten
umgeben.
Ventrale Kelehdecke von
dem dorsalen Kelch
nicht getrennt. Mund
mit Täfelehen ver-
deckt. Ambulacra von
der ventralen auf die
Ambulacra: | Genera:
|
Ambulacra gerade, durch |
5 grosse dreieckige | [| 5. Cyathoeystis
Interradial-Platten ge-
trennt,
Ambulacra spiralig
wunden (alle in
gleicher Riebtung ge-
krümmt),durch Reihen
kleiner Platten ge-
trennt.
Ambulaera mässig breit,
an der Basis nicht
mehrere kleine Kelch-
Platten getrennt.
Ambulaera sehr breit,
an der Basis sich be-
rührend und durch
fünf grosse interradiale
Trapez - Platten ge-
trennt.
| [Ambulacra spiralig ge-
krümmt (alle in glei-
cher Richtung ge-
wunden).
Ambulacra in Meridian-
sich berührend, durch |
| (Plautinae).
. komphoeystis
| (tenam).
N
Asteroeystis
\ (tubereulata).
. Asteroblastus
\ (stellatus).
—_
[0 e)
| 9. Edriocystis
\ (Bigsbyi).
dorsals os eälchHäche | Linien verlaufend, | f 10- Mesites A
hinübergreifend nicht gewunden. Al (Pusirefiskyi).
|
12. Genus: Hemieystis, Harr, 1852.
Hemieystites, Harz, 19, Vol. II, pag. 245.
Cytaster, Haız, 24, Vol. 24, Pl. VI.
Agelacrinites, BARRANDE, 12, pag. 83, Pl. 37.
Taf. III, Fig. 27, 28.
Agelacystida mit beweglichem Schuppenpanzer , dessen rundliche Tafeln
imbriziren. Ventraler und dorsaler Panzer gleichartig. Alle fünf Ambulacra gleich
geformt, gerade, nicht gekrümmt.
112 Erst HAECKEL [112
Species typica: Hemieystis granulata, Harz, 1872.
Hemieystites, (= Cytaster) granulatus, Harz, 24, Vol. 24, Pl. VI, Fig. 1—4.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika und Nord-Europa.
Das Genus Zemicystis und die «rei folgenden, nahe verwandten Gattungen
bilden zusammen die besondere Subfamilie der Hemieystida. Ihre Theca ist
nicht von einem starren Platten-Panzer umschlossen (— wie bei den Asterocystida —),
sondern von einem dehnbaren und beweglichen Schuppen-Panzer. Die zahlreichen
und klemen Schuppen desselben sind rundlich und decken sich von unten nach oben,
so dass ihr freier Rand gegen den Mundpol gerichtet ist. Die versteinerte Kapsel
erscheint gewöhnlich als eme kreisrunde oder pentagonale Scheibe, welche mit ihrer
ganzen unteren (dorsalen) Fläche einem fremden Körper (— gewöhnlich einer
Muschel - Schale
wohlerhaltene Exemplare, welche den Körper in seitlicher Ansicht zeigen (z. B.
Hemicystis granulata, Haın, 1. c., Fig. 2—4). Damm erscheint derselbe als ein
ziemlich geräumiger Beutel, dessen vertikale Hauptaxe grösser ist als die Kreuz-
axen. In anderen Fällen erscheint der Körper der Hemieystiden halbkugelig oder
kelchförmig, mit eingesunkener Kelchdecke (ambulaeraler Ventral-Membran). Man
darf daher wohl annehmen, dass die flache Scheibenform grossentheils erst nach
) aufgewachsen ist. Indessen finden sich bisweilen auch fossile,
dem Tode, durch Zusammendrücken der dehnbaren Theca entstanden ist. Die
Gattung Hemieystis ist nach meiner Ansicht als die älteste und primitivste unter den
Hemicystiden (— und überhaupt unter den Agelacystiden —) aufzufassen; ihre fünf
Ambulacren sind von gleicher Grösse und Form, gerade gestreckt. Es gehören hierher
drei von Harz beschriebene Arten (AHemieystis granulata, Hemicystis stellata und
Hemicystis parasitica, 19); — ferner sieben untersilurische Arten aus Böhmen, welche
Barrınpe abgebildet hat (12, pag. 83—89, Pl. 37, Fig. 1—355).
13. Genus: Agelacrinus, Vanuxem, 1842.
Aygelacrinites, VANUXEM, Geol. Report New-York, pag. 168.
Taf. III, Fig. 29.
Agelaeystida mit beweglichem Schuppen-Panzer, dessen rundliche Tafeln
imbriziren. Ventraler und dorsaler Panzer gleichartig. Alle fünf Ambnlacra gleich
geformt und in gleicher Richtung bogenförmig gekrümmt.
Species typica: Agelacrinus vorticellatus, Harr, 1872.
Streptaster vorticellatus, Hauı; 24, Vol. 24, pag. 215, Pl. VI, Fig. 11—13.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika.
Das Genus Agelaerinus, unter welchem die meisten neueren Autoren sämmt-
liche Hemieystida zusammenfassen, beschränke ich hier auf jene Formen, bei denen alle
Ambulaeren gleich geformt und in gleicher Richtung bogenförmig gekrümmt sind.
113] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 113
Das Anthodium bildet daher (— ebenso wie bei Gomphocystis und Edriocystis —)
einen Spiral-Wirtel mit fünf Bogen-Gängen, von denen ein jeder seine Konkav-Seite
der Konvex-Seite des nächstfolgenden Bogens zuwendet. An den erodirten Exemplaren,
welche Harz von Agelaerinus vortieellatus abgebildet hat, sind theilweise nur die
fünf Ambulacren erhalten, jedes ausgezeichnet durch zwei alternirende, sehr starke
Reihen von Ambulacral-Platten. Ausser dieser typischen Species gehört hierher:
Agelacrinus Dicksoni, Bıruıngs, 1858: 15, pag. 84, Pl. VIII, 3, 4. Diese Art wurde schon 1822 von
BiGsBy im Unter-Silur von Canada bei Ottawa entdeckt und ist die älteste bekannte Form
unter den Hemieystiden.
Agelacrinus Buchianus, FORBES; 14, pag. 521, Pl. XXIII, gehört wahrscheinlich nicht hierher, sondern
zu Edriocystis (vergl. unten).
14. Genus: Lepidodiseus, Harr, 1372.
Lepidodiscus, Hau, 24, Vol. 24, pag. 214, Pl. 6, Fig. 7.
Haplocystites, ROEMER, Verhandl. Nat. Ver. Rheinl. Vol. VIII.
Agelacystida mit beweglichem Schuppen-Panzer, dessen rundliche Tafeln
imbriziren. Ventraler und dorsaler Panzer gleichartig. Ambulacra verschieden;
die beiden posteralen konkav gegen einander gekrümmt
und den After umfassend.
Species typica: Lepidodiscus eincinnatiensis,
Eare, 1872:
DASNVolS>Ar page 214, Bla6,SEie 7.
Agelacrinus cincinnatiensis, ROEMER, Verhandl. Nat. Ver. Rheinl.
Vol. VIII, pag. 372, Taf. II, Fig. 3.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika.
Fig. 16.
Lepidodiscus eineinnatiensis,
von oben gesehen, in der Mitte der
vorhergehenden Gattungen dadurch aus, dass der After Mund. Zwischen den beiden posteralen
Ambulaeren ist der After mit der Klap-
in der Mitte emes interradialen Anal-Feldes liegt, welches pen-Pyramide sichtbar.
Das Genus Lepidodiscus und das nachfolgende
nahe verwandte Agelacystis zeichnen sich vor den beiden
von beiden posteralen Ambulacren bogenförmig umfasst
wird. Der rechte hintere Ambulaceral-Bogen (— in der Ventral-Ansicht der Figur
umgekehrt der linke —) ist daher im entgegengesetzter Richtung gekrümmt, wie
die vier anderen Bogen. Der Schuppen-Panzer von Lepidodiseus ist auf der dorsalen
und ventralen Fläche gleichartig gebildet, während er bei der nachfolgenden
Agelacystis stark differenzirt ist. Die typische Species dieses Genus, Lepidodiseus
cineinnatiensis, findet sich häufig im Unter-Silur der Hudson -River-Gruppe von
Cineinnati, festsitzend auf Muschel-Schalen (gewöhnlich Strophomena alternata). Die
Richtung der Bogen-Krümmungen ist oft wechselnd (— bald vier Bogen konkav
15
Festschrift für Gegenbaur.
114 Ernst HAECKEL [114
nach links, der fünfte nach rechts, bald umgekehrt —). Unter den verschiedenen,
häufig kopirten Figuren, ist die beste diejenige von Harz (l. e. Fie. 7). Dieser
Autor bildet noch eine zweite Art ab, deren T'heca sich durch hohe, fast kugelige
Glockenform auszeichnet; ihre interradialen Schuppen tragen zum Theil einen Knoten
(Ansatz eines kleinen Stachels?): Lepidodiseus (Agelacrinus) pileus, Harn, 24,
Vol. 24, pag. 214, Pl. VI, Fig. 8—10.
15. Genus: Agelaecystis, E. Harcker, 1895.
Agelacystis, E. HAECKEL. Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen, 50, pag. 9.
Taf. III, Fig. 30.
Agelacystida mit beweglichem Schuppen-Panzer, dessen rundliche oder poly-
sonale Tafeln theilweise imbriziren. Ventraler und dorsaler Panzer sehr verschieden,
beide getrennt durch einen vorspringenden, aus breiten Tafeln gebildeten Gürtel.
Ambulaera verschieden; die beiden posteralen konkav gegen einander gekrümmt und
den After umfassend.
Species typica: Agelacystis hamiltonensis, E. Harcker.
Agelacrinites hamiltonensis, VANUXEM, 1842; Geol. Rep. New York.
Agelacrinus hamnltonensis, Harz, 24, Vol. 24, Pl. VI, Fig. 14, 15.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika.
Das Genus Agelacystis habe ich (1895, 1. ce.) für jene Hemicystiden gegründet,
welehe sich durch die starke Ditferenzirung des dorsalen und ventralen Schuppen-
Panzers auszeichnen. Beide Theile der Theca verhalten sich hier ähnlich, wie Kelch
und Kelchdecke der Urmoideen; sie sind durch einen vorspringenden Gürtel -Kamm
scharf getrennt. Der hohe Kamm dieses kreisrunden Gürtels wird durch einen Kranz
von sehr breiten Margimal-Platten gebildet, welche viel grösser sind, als alle übrigen
Tafeln des Schuppen - Panzers. Zwischen ihnen und den sehr kleinen Schüppchen
(des unteren Kelchtheiles liegen mehrere Reihen mittelgrosser Täfelchen. Die Kelch-
decke liest innerhalb des Gürtelkammes wie in emem Krater und ist mit kleinen
polygonalen Plättchen getäfelt. Die fünf schmalen Ambulacren, welche innerhalb
derselben liegen, zeigen die gleiche Bogenkrümmung wie bei Lepidodiscus.
16. Genus: Cyathoeystis, F. Scawmr, 1879.
Cyathocystis, ZITTEL, 1880, Handbuch d. Pal. Bd. I, pag. 414.
Agelacystida mit starrem Platten-Panzer, dessen polygonale Tafeln nicht imbri-
ziren und theilweise verschmolzen sind. Die fünfseitig-pyramidale Kelchdecke ist von
115] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 115
dem becherförmigen Kelche durch einen kreisrunden Gürtel getrennt. Ambulacra
gerade, durch fünf grosse, dreieckige Interradial-Tafeln getrennt.
Species typica: (Gyathocystis Plautinae, F. Scımipr.
Oyathocystis Plautinae, Fr. Scnmipt, 1879, Verhandl. Mineral. Ges. Petersburg.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus ('yathocystis zeichnet sich (nach der unvollständigen Beschreibung
l. e. zu urtheilen) dadurch aus, dass der becherförmige, mit breiter Basis aufgewachsene
Kelch aus einem emzigen Stück besteht. Ebenso sind die fünf interradialen Felder
zwischen den fünf Ambulacren der Kelchdecke durch „je eine grosse dreieckige Inter-
palmar-Platte* emgenommen. Es scheint demnach, dass hier sowohl im dorsalen
als im ventralen Theile der Theca eine weitgehende Verschmelzung der Tateln, welche
dieselbe ursprünglich zusammensetzten, stattgefunden hat (— ähnlich wie bei einigen
Formen von Gomphocystis, der die Gattung auch sonst wohl am nächsten steht —).
Die Kelchdecke (oder Ventral-Kapsel) sitzt auf dem Kelche (der Dorsal-Kapsel) wie
ein Deckel auf, ist von ihm durch emen Gürtel von Randplättchen getrennt und löst
sich leicht ab.
17. Genus: Gomphoeystis, Harn, 1868.
Gomphocystites, Haın; 24, Report 20, pag. 309, Pl. XII, Fig. 14, 15; Pl. XIIa, Fig. 1—6.
Taf. III, Fig. 37.
'Agelacystida mit starrem Platten-Panzer, dessen polygonale Tafeln nicht imbri-
ziven und theilweise verschmolzen sind. Die halbkugelige, ventrale Kelchdecke ist
von dem umgekehrt kegelförmigen, dorsalen Kelche durch eimen kreisrunden Gürtel
getrennt. Ambulacra spiralig, alle in gleicher Richtung gekrümmt, durch Reihen
von kleinen Platten geschieden.
Species typica: Gomphocystis tenax, Harr, 1868.
Gomphocystites tenax, Hat; 24, Report 20, Fi. XL, Fig. 15; PISXTEN ER 12?
Fundort: Ober-Silur (Niagara-Gruppe) von Wisconsin, Nord-Amerika.
Das Genus Gomphocystis wurde von Harz (l. e.) für drei untersilurische
Cystoideen-Arten aus Nord-Amerika gegründet, die sich durch ihre hohe keulenförmige
Gestalt und die scharfe Absetzung der halbkugeligen Kelehdecke von dem umgekehrt
kegelförmigen Kelche auszeichnen. Die After-Oeffnung scheint unmittelbar neben der
Mundöffnung zu liegen. In der Kelchdecke verlaufen, vom Munde ausgehend, fünf
schmale, lange Ambulacra, welche spiralig gedreht sind, alle in gleicher Bogen-
Richtung (wie bei Agelacrinus und Edriocystis). Die vertikale Hauptaxe erreicht 70 mm
15*
116 Ernst HAECcKEL [116
Länge und ist mehr als doppelt so gross, wie die grösste (Jueraxe (an der Grenze
der dorsalen und ventralen Theca, 33 mm). Der starre Panzer ist aus zahlreichen,
fest verbundenen Platten zusammengesetzt, welche nach den unvollkommenen Abbil-
dungen von Harı. zu urtheilen, bei Gomphocystis glans ziemlich regelmässig hexagonal,
bei Gomphoeystis tenax dagegen irregulär-polygonal geformt sind. Sie schemen theil-
weise (— besonders unten im Kelche —) verschmolzen zu sein (wie bei Cyathocystis?),
Jedoch ist der Erhaltungszustand der grossen und oftenbar sehr festgefügten Kapseln
ungünstig (die Oberfläche abgerieben?). In der Kelchdecke verlaufen wahrscheinlich
ursprünglich zehn Paar alternirende Platten-Reihen (je zwei kleinere in den fünf
spiralen Ambulacren, und je zwei grössere zwischen ihnen).
13. Genus: Asteroeystis, E. Harcker (nov. gen.).
Taf. III, Fig. 34.
Acclacystida mit starrem Platten-Panzer, dessen polygonale Tafeln nicht imbri-
ziren. Die fünfseitie-pyramidale Kelchdecke ist von dem schüsselförmigen Kelche
durch einen decagonalen Gürtelkamm getrennt. Ambulacra mässig breit, an der
Basis sich nicht berührend, durch mehrere kleine Platten getrennt.
Species typica: Asteroeystis tubereulata, E. Harcker.
Asteroblastus tubereulatus, FR. SCHMIDT, 1874; 18, pag. 33, Tab. III, Fig. 9.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus Asterocystis und das nachfolgende, nahe verwandte Genus Astero-
blastus zeichnen sich vor den übrigen Asterocystiden durch ihre breiten Ambulaeren
aus, und durch die scharfe decagonale Abgrenzung des dorsalen Kelches von der
ventralen Kelchdecke; ferner durch das charakteristische, regulär-pentagonale Peristom,
welches einen geschlossenen Kranz von fünf interradialen, gabelförmigen Platten
bildet. Die perradialen Ambulacral-Furchen, welche von den fünf Mundecken aus-
gehen, laufen zunächst zwischen je zwei Gabelplatten und bilden dann die Mittel-
furche eines breiten, gefiederten Ambulacral-Blattes. Dieses trapezoide oder eiförmige
Ambulacrum besteht aus 5—10 Paar alternirenden Ambulacral-Platten, deren Breite
nach aussen rasch abnimmt. Die lateralen Rinnen zwischen den letzteren führen zu
je einer Gelenk-Facette, auf welcher (am Seitenrande des Ambulacrums) eine gegliederte
Pinnulette aufsitzt. Wenn die zweizeiligen Pinnuletten vollständig erhalten und auf
die Fläche der Ambulacral-Felder zurückgeschlagen sind, bedecken sie dieselben voll-
ständig, wie bei den Blastoideen. — Der schüsselförmige oder becherförmige Kelch
ist mit sehr zahlreichen polygonalen Platten von ziemlich gleicher Grösse getäfelt,
welche radiale Rippen, sowie zahlreiche Doppel-Poren tragen, und fest verbunden
sind. Im Apex, am Aboral-Pol des Kelches, finden sich vier kreuzständige Basal-
Platten, an welche sich ein kurzer, gegliederter Stiel ansetzt.
117] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 137,
19. Genus: Asteroblastus, Eıcnwarn, 1861.
Asteroblastus, EICHWALD, Bulletin Soc. g&eolog. France Ser. II, Vol. 19, pag. 62.
Ita IDOL, Idren eill— ER%
Agelacystida mit starrem Platten-Panzer, dessen polygonale Tafeln nicht imbri-
ziren. Die fünfseitig-pyramidale Kelchdecke ist von dem schüsselförmigen Kelche
durch einen decagonalen Gürtel-Kamm getrennt. Ambulacra sehr breit, an der Basis
sich berührend, nur durch fünf grosse interradiale Trapez-Platten getrennt.
Species typica: Asteroblastus stellatus, Eıcnwarn.
Asteroblastus stellatus, Fr. SCHMIDT, 1874; 18, pag. 30, Tab. III, Fig. 2—5.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus Asteroblastus stimmt im wesentlichen Bau mit der vorher-
gehenden ancestralen Gattung Asteroeystis überein, unterscheidet sich aber von ihr
durch die eigenthümliche Umbildung des Anthodiums, welches eimen geschlossenen,
vollkommen regulären Ambulacral-Stern mit fünf kurzen und breiten Strahlen bildet.
Diese Transformation ist dadurch entstanden, dass die fünf eiförmigen Ambulacral-
Blätter von Asteroeystis mn ihrem Proximal-Theile sich bis zur Berührung verbreitern;
die fünf dreieckigen oder eigentlich trapezförmigen, interradialen Felder, welche
zwischen je einer Gabelplatte des Peristoms und zwischen den proximalen Seiten-
rändern von je zwei benachbarten Ambulaeren übrig bleiben, werden durch eine
einzige grosse Trapezplatte eingenommen, entstanden aus der Verschmelzung zahl-
reicher kleiner, polygonaler Kelchtafeln, welche bei der Ahnen - Gattung Asteroeystis
diesen „‚proximalen Interambulacral-Raum“ erfüllen. Die Doppel-Poren der Kelch-
Platten stehen bei Asteroblastus stellatus zahlreich in tiefen, auffälligen Gruben,
während sie bei einer verwandten Art, Asteroblastus Volborthi, nur undeutlich in
seichten Gruben zwischen den Radial-Rippen der Tafeln aufzufinden sind. Die Ambu-
lacren der ersteren sind fast rhombisch, aussen spitz, mit zehn Paar Fiederästen, die
der letzteren breit eiförmig, aussen abgerundet, mit sechs Paar Aesten (18, pag. 32,
Tab. II, Fig. 6—8).
20. Genus: Edrioeystis, E. Harckrer.
Edrioaster, BıuuınGs, 1858, 15, pag. 82.
Oyelaster, Bıuıngs 1856, Report Geolog. Survey Canada, pag. 292.
Taf. III, Fig. 35, 36.
Agelacystida mit starrem Platten-Panzer, dessen polygonale Tafeln nicht imbri-
ziren. Theca halbkugelig oder kissenförmig, ihre ventrale Kelchdecke von dem
dorsalen Kelche nicht scharf getrennt. Ambulacra spiralig gekrümmt, alle in gleicher
Richtung gewunden, weit auf die Dorsalfläche übergreifend.
118 Erst HAECKEL [118
Species typica: Edriocystis Bigsbyi, E. Haxckkt.
Edrioaster Bigsbyi, BILLings, 15, pag. 82, Pl. VIII, Ei. 1, 2.
Agelacrinus Bigsbyi, F. SCHMIDT, 18, pag. 34.
Fundort: Unter-Silur von Nord-Amerika (Ottawa).
Das Genus Kdriocystis (= Edrioaster) und das nachfolgende, nahe verwandte
Genus Mesites können als Vertreter emer besonderen Subfamilie der Agelacystiden
betrachtet werden: Edrioeystida. Beide unterscheiden sich von allen übrigen
Gattungen der Familie dadurch, dass die fünf Ambulacral-Felder nicht auf die Ven-
tralfläche der Theca beschränkt bleiben, sondern nach unten sich verlängern und weit
auf die Dorsalflläche hinübergreifen. Sie bahnen hierdurch Verhältnisse an, welche
bei den Eehinideen ihre höchste Ausbildung erlangen; in der That ist auch Mesites
als eine direkte Uebergangsform von den (ystoideen zu den Echinideen betrachtet
worden (vergl. oben pag. 73). Eine weitere Aehnlichkeit mit den letzteren entsteht
dadurch, dass die Theca halbkugelis oder nahezu kugelis emporgewölbt wird; sie
gleicht einem Echinideen, der mit dem Apical-Pole aufgewachsen ist und den Mund
nach oben kehrt. Die fünf schmalen und langen, bandförmigen Ambulacra werden
durch eine Doppelreihe von sehr zahlreichen Ambulacral-Platten gebildet, an deren
Seitenrand je eine Gelenkfläche zur Insertion einer Pimnulette steht. Die breiten Inter-
ambulacral- Felder zwischen Ersteren sind mit sehr zahlreichen und kleinen poly-
sonalen Tafeln irregulär gepflastert; dieselben tragen Doppel-Poren und sind so fest
in einander gefügt, dass die Theca starr und unbeweglich ist, wie bei den meisten
Eehmideen. Daher ist die fossile Theca auch gewölbt erhalten, nicht zusammen-
gedrückt wie bei den ähnlichen Hemieystiden. Die beiden Genera der Edriocystida
unterscheiden sich dadurch, dass die Radien der Ambulacral-Bänder bei Mesites gerade
sind, bei Zdrioeystis dagegen spiralig gedreht (— alle fünf m gleicher Richtung
gekrümmt, wie bei Gomphocystis und Agelacrinus). Ausser der typischen Species von
Uanada (Edrioeystis Bigsbyi) ziehe ich zur Gattung Edrioeystis auch den britischen
Agelacrinus Buchianus, Forses. (1848, 14, pag. 521, Pl. 23).
21. Genus: Mesites, Horruans, 1866.
Mesites, HoFrmAnn; Verhandl. Mineralog. Ges. Petersburg; II. Ser., Vol. I., pag. 1, Tab. I.
Agelacystida mit starrem Platten-Panzer, dessen polygonale Tafeln nicht imbri-
ziven. Theca halbkugelig oder fast kugelig; ihre ventrale Kelchdecke von dem dor-
salen Kelehe nicht scharf getrennt. Ambulaera nicht spiralig gekrümmt, in geraden
"Meridian-Linien verlaufend, weit auf die Dorsalfläche übergreifend.
119] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 119
Species typica: Mesites Pusireffskji, Horrwans, 1866.
Mesites Pusireffskü, F. ScHaipr, 1874, 18, pag. 34, Tab. III, Fig. 10a—d.
Mesites Pusireffskü, NEUMAYR, 1859, 8, pag. 420.
Mesites Pusirefiskii, STEINMANN, 1890, 9, pag. 181, Fig. 176.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus Wesites ist dem vorhergehenden Zdriocystis sehr nahe verwandt
und unterscheidet sich von ihm hauptsächlich dadurch, dass die fünf schmalen band-
törmigen Ambulacren nicht spiralig gekrümmt
sind, sondern in gerader Meridian-Linie vom
Oral-Pol bis nahe zur Basıs verlaufen, an
welcher die halbkugelige oder fast kugelige
Theca mittelst eines kurzen Stiels angewachsen
ist. Ein weiterer Unterschied könnte im Bau
der Ambulacren liegen, deren Ambulacral-
Fig. 17.
Mesites Pusireffskii.
Rinnen hier durch mediale Fortsätze der Am-
an D deck i srl
bulacıal- Platten -bedeekt und’ in „subtegmi- , ,.. der Seite und etwan Son unten Han
nale Röhren‘: verwandelt sind. Jedoch ist oben, r Subvektoren, s Insertions-Basis, a After. C Quer-
f ER g 2 , schnitt durch ein Ambulaerum. t Ämbulacral-Platten,
(deren Deutung schwierig und die Vergleichung e Ambulacral-Kanal (?).
mit den „inneren Ambulacral- Kanälen‘ der
schinideen zweifelhaft; auch bleibt zu untersuchen, ob nicht die weniger gut kon-
servirte Zdrioeystis ähnliche Verhältnisse zeigt.
Vierte Familie der Üystoideen:
Aseoeystida, E. Harerer, 1895.
Ascoeystida, E. HAECKEL, Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen (50, pag. 10).
Taf. IV, Fig. 1—13.
Familien-Charakter: Üystoideen mit pentaradialer, eylindrischer oder
fünfseitig prismatischer Theca. Platten-Panzer aus Längsreihen von zahlreichen Tafeln
zusammengesetzt (?). Theca mit horizontaler Hauptaxe, in der Jugend am zuge-
spitzten Aboral-Pol durch einen dinnen gegliederten Stiel befestigt, später frei.
Mundscheibe abgestutzt, mit einem Kranze von gegliederten Mundarmen umgeben.
Von der fünfstrahligen Mundöffnung gehen fünf subtegminale Ambulacren mit fächer-
törmig divergirenden Aesten zu den fünf Arm-Gruppen und setzen sich unter den
fünf Längskanten der Theca bis zu deren Aboral-Pol fort.
120 Ernst HAECKEL [120
Die Familie der Ascocystiden gründen wir auf die unter-silurische, höchst
interessante Gattung Ascoeystis, von welcher bisher nur Barraxpz eine vortreflliche
Darstellung gegeben hat (12, pag. 115, Pl 32, 33) Trotzdem seine zahlreichen klaren
Abbildungen und seime ausführliche Beschreibung die auffallenden Eigenthümlich-
keiten dieser Uystoidee sehr deutlich erkennen lassen, ist sie dennoch bisher weder
von Palaeontologen noch von Zoologen in ihrer ausserordentlichen Bedeutung gewürdigt
worden. Wie man auf den ersten Blick auf Taf. IV, Fig. 1—13 sieht, handelt es
sich um ein Echinoderm, dessen äussere Form die grösste Aehnlichkeit mit einer
regulären Holothurie (z. B. Cucumaria Fig. 18) besitzt. Der langgestreckte
Körper ist fünfseitig, am aboralen Ende zugespitzt und kurzgestielt, am oralen Ende
Fig. 18. Fig. 19 A. Fig. 19B.
Cucumaria Planei (nach A. Lang). Psolus ephippifer (nach 'THEEL).
Die doppelten Füsschen-Reihen von drei Ambulaeren Fig. 19A. Junges Weibchen, Dorsal-Ansicht. 1 Mundklappen,
sind sichtbar. 1 die zwei kleinen Mundtentakeln, 2Mund, 2 After-Klappen. Fig. 19B. Weibchen, Dorsal-Ansicht. 1 Mund-
3 After. Klappen geöffnet, 3 Mundfühler, 4 Kalktafeln des Rücken-Panzers,
2 After-Klappen.
abgestutzt und mit einem Tentakel-Kranz umgeben. Die zahlreichen, von BarranpE
in den untersten silurischen Schichten (Bande d 2) gesammelten Exemplare seines
Ascocystites sind sämmtlich Quartzit-Abgüsse, welche sehr scharf die eigenthümliche
Gitter-Struktur der Kapsel-Oberfläche erkennen lassen, sowie die Bildung und zwei-
zeilige Gliederung der 25 Brachiolen, welche den Mund in eimfachem Kranze
umgeben, ebenso auch die pentaradialen Verhältnisse ihres Ursprungs. Dagegen ist
die Theca selbst aufgelöst und nur der innere Ausguss ihrer Höhle lässt vermuthen,
‚dass ihre Wand dünn war. Die Deutung der scharf ausgeprägten Bauverhältnisse
ist von Barranpe selbst mit wenig Glück, von anderen Palaeontologen noch gar nicht
121] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 121
versucht worden. Mir erscheint sie von höchstem Interesse, sowohl in allgemeiner
als in spezieller Hinsicht. Durch sorgfältiges Studium aller von Barkanoe (Pl. 32, 33)
gegebenen Figuren (64 an Zahl), sowie durch kritische Benutzung seiner Angaben im
Texte, bm ich zu folgender Deutung gelangt: i
1. Die langgestreckte, einer Holothurie sehr ähnliche Theca von Asco-
cystites war nicht starr, sondern dehnbar und beweglich. Die Figuren 23—31
auf Pl. 32 und 6, 19, 25, 27 auf Pl. 33 (l. ce.) zeigen deutlich, dass die muskulöse
Körperwand eontractil, biegsam und etwas spiralig um die Hauptaxe drehbar war,
wie bei vielen lebenden Holothurien.
2. Die Gesammtform der gestreckten Theca war ein fünfseitiges Prisma,
dessen Aboral-Pol pyramidal zugespitzt, dessen Oral-Pol abgestutzt war und die fünf-
strahlige Mundscheibe trug. Die fünf Kanten des Prisma sind gezähnt und springen
scharf vor. Zwar giebt Barraxpe an, dass die Form des „verlängerten pyramidalen
Sackes'' gewöhnlich sechsseitig, ausnahmsweise auch fünfseitig sei, und er zeichnet
alle seine (hypothetischen!) @Querschnitte hexagonal (Bier, 43 10,724,,.287 7 B1.033):
Indessen liegt hier offenbar eme irrige Deutung der Seiten-Ansicht vor; denn in
Fig. 1—20, Pl. 32 ist nur eine Kante in der Mitte der freien Fläche sichtbar,
dagegen in Fig. 21—31 zwei parallele Kanten (ebenso in Fig. 1, 27, Pl. 33).
Rechnet man dazu die zwei Kanten der lateralen Profil-Konturen, so ergeben sich
fünf longitudinale Kämme; ausserdem lassen die Figuren sämmtlicher Ansichten der
Mundscheibe (Pl. 33, Fig. 2, 3, 7, 12, 13) keinen Zweifel, dass dieselbe subregulär
pentaradial war; zudem giebt Barraxor selbst an, dass dieselbe „constamment ceing
surfaces“ zeige (pag. 117). Die Gesammtform des Körpers von Ascoeystis ist demnach
gleich derjenigen einer regulär-fünfstrahligen Holothurie (Pentacta, Queu-
maria). Die grössten Exemplare hatten eine Länge von 30 mm (— ungerechnet
den Stiel und die halb so langen Aermchen ! —), einen (Juer-Durchmesser von 20 mm.
3. Ascocystis war in der Jugend durch emen aboralen Stiel am Boden
befestigt, im reifen Zustande frei beweglich, gleich emigen Aristocystiden, Fungo-
cystiden, Comatuliden u. s. w. Diese wichtige T'hatsache ergiebt sich unmittelbar aus
der Vergleichung der zahlreichen vortrefflichen Abbildungen, welche Barranpe von
Jungen und von alten Thieren gegeben hat. Die gestielten Jugendformen
(Taf. IV, Fig. 1, 2, — die kleinsten nur 12 mm lang, 3 mm breit —) sind im
hinteren Drittel pyramidal zugespitzt, und auf der aboralen Spitze der füntseitigen
Pyramide erhebt sich ein sehr dünner Stiel, zusammengesetzt aus einer Reihe von
kurzen scheibenförmigen Gliedern, am aboralen Ende scharf zugespitzt (Pl. 32,
Fig. 14—21). Die grössten Stiele erreichten nur 20—25 mm Länge und an der
Basis 1’ mm Dicke. Den erwachsenen freien Reifeformen (Taf. IV, Fig. 3, 4)
fehlt jede Spur des Stiels; der Körper ist hier hinten glockenförmig abgerundet
(Pl. 32, Fig. 13, 16, 23—31). Uebrigens ist der dünne Stiel im Verhältniss zu dem
starken Körper so schwach und am freien Ende so fein zugespitzt, dass er wohl
nicht dazu gedient haben kann, Ascocystis am felsigen Meeresboden zu befestigen.
Vielmehr dürfte dieselbe damit entweder im Schlamme gesteckt haben, oder sie hat
Festschrift für Gegenbaur. 16
122 Ersst HAECKEL [122
ihn als rudimentäres Organ behalten und später ganz verloren; wahrschemlich hat
sich Ascoeystis gleich den Holothurien kriechend bewegt, mit horizontaler Haltung
der Längsaxe, den Mund mit dem Fühlerkranz vorangehend.
4. Das Dermal-Skelet von Ascoeystis, von dem bloss der äussere Abguss
in den (uartzit-Abdriücken erhalten ist, zeigt eine höchst eigenthümliche Struktur;
Barranpe selbst betont, dass sie von derjenigen aller übrigen CUystoideen abweiche.
Zunächst zerfällt die ganze Oberfläche der Theca durch die fünf vorher erwähnten
perradialen Längskanten im fünf schmale und lange interradiale Felder. In jedem
Felde liegt eine einfache oder doppelte (selten dreifache) Längsreihe von sternförmigen
Figuren hinter einander. Die Sterne sind meistens ziemlich regelmässig achtstrahlig,
seltener sechsstrahlig; die vorspringenden Strahlen entstehen dadurch, dass zwischen
den fünf starken perradialen Längskanten schwächere interradiale Rippen verlaufen
und durch transversale Parallelkreise, sowie durch diagonale Balken gekreuzt werden.
Vielleicht entspricht jedem hexaradialen oder octoradialen Stern eine Kalkplatte des
Skelets (ähnlich wie bei Orocystis, Mimocystis und bei vielen Cystoideen). Es ist
aber auch möglich, dass die vorspringenden Strahlen, ähnlich wie bei Oreaster
reticulatus und anderen Asterideen, stärkere Balken im dem retikulären Skelet der
Lederhaut darstellen. Barranpe hebt hervor, dass er keinerlei Platten- und Tafel-
grenzen habe entdecken können. Zirrer (7, pag. 130) hat neuerdings Ascocystis zu
den ächten Crinoideen gestellt, weil der Tafel-Panzer einiger Glyptocriniden eine
ähnliche retikuläre Struktur zeigt (Euerinus, Sagenoerinus, Periechoerinus u. A.;
Axcerm, 13, Tab. 10, 18, 27 ete.). Ich glaube aber, dass diese äussere Aehnlichkeit
(— bei dem sonst ganz verschiedenen Körperbau —) auf blosser Konvergenz beruht.
5. Das Peristom von Ascocystis bildet am abgestutzten Oral- Theile der
Theca eine subreguläre pentagonale Scheibe, an welcher fünf perradiale Brachiolen-
Büschel mit fünf interradialen Gruben des Mundfeldes alterniren (Pl. 33, Fig. 2, 3,
7, 12, 13, 16). Die fünf Peristom-Gruben sind eiförmig, mit dem breiteren abge-
rundeten Ende der Mundspalte zugekehrt; das schmälere Distal-Ende verliert sich
zugespitzt zwischen den fünf Armbüscheln. Eine unpaare (dorsale?) Mundgrube ist
stets grösser als die vier anderen, welche zwei laterale Paare bilden; in die erstere
fällt wahrscheinlich der Hydroporus, vielleicht auch der Gonoporus? Doch ist von diesen
Oeffnungen nichts deutlich zu sehen, ebenso auch nicht vom After, der vielleicht am
Aboral-Pole lag, wie bei den Holothurien. Die einzige deutlich sichtbare Oeffnung
ist die fünfstrahlige Mundspalte, von welcher fünf perradiale Rinnen zu den fünf
primären Tentakeln gehen. An einigen Personen (Pl. 33, Fig. 13) erscheint der
Mund eher dreispaltie, indem ein unpaarer einfacher Radius der grösseren unpaaren
Mundgrube gegenüber liegt; die beiden paarigen lateralen Radien theilen sich erst
weiter aussen in je zwei Gabeläste (Vergl. pag. 80). Es zeigt sich hier wieder der-
selbe Uebergang der triradialen in die pentaradiale Form, wie bei Echinosphaera,
Glyptosphaera und vielen Cystoideen.
6. Der Kranz der 25 Brachiolen oder Mundarme (Taf. IV, Fig. 5, 6)
zeigt sich in mehreren Personen-Abdrücken von Ascocystis vorzüglich konservirt.
123] AMPHORIDERN UND ÜYSTOIDEEN. 123
Bisweilen scheinen sie mehr gleichmässig am pentagonalen Rande des Peristoms ver-
theilt zu sein (Pl. 33, Fig. 15, 19, 25, 27). Gewöhnlich aber zeigen sie sich
deutlich in fünf Gruppen von je fünf Fühlern vertheilt und meistens scheint der
mittlere (perradiale oder primäre) Fühler jeder Gruppe bedeutend stärker zu sein als
die vier lateralen oder sekundären (Pl. 33, Fig. 7, 8, 15—18). Wir finden hier
wieder die wichtige Pentapalmar-Form (Vergl. pag. 100). Die fünf Arme in
jedem der fünf Büschel scheinen schon an der Basis zwischen den Peristom-Gruben
fächerförmig zu divergiren; sie scheinen mindestens die Hälfte der Körperlänge
erreicht zu haben, sind dünn und schlank eylindrisch, zweizeilig :
oO
=
'eoliedert; die beiden
Reihen der Gliederstücke alterniren regelmässig (Pl. 33, Fig. 29).
7. Die fünf Längskanten, welche an dem prismatischen Körper der
Ascocystis vom Armkranz bis zum Aboral-Pol verlaufen, springen im allen Abdrücken
sehr scharf hervor und schemen mir den sicheren Beweis zu liefern, dass unter den-
selben fünf Subvektoren und unter diesen fünf perradiale Prinzipal-
Kanäle, sowie zwischen beiden fünf Prinzipal-Nerven verliefen. Diese fünf scharf
ausgeprägten, parallelen Längskämme der Theca, welche hinten an ihrem pyra-
midalen Aboral-Theil zusammenkommen, zeigen sicher die Existenz eines regulär-
pentaradialen Anthodiums an, und die fünf Ambulacren desselben sind hier ebenso
komplet entwickelt, wie bei der Agelacystide Mesites pag. 119; ebenso wie bei regulären
Holothurien und Echmideen. ‚Jeder perradiale Kamm besteht aus einer Reihe von
zweizähnigen Platten, die 2—3 mm hoch vorspringen, zwischen ihnen schemen
Poren zum Austritt von Thecal-Tentakeln oder Füsschen zu liegen.
8. Die Gesammtheit dieser eigenthümlichen Merkmale, durch welche sich
Ascocystis weit von allen anderen Cystoideen entfernt, scheint mir den Schluss zu
rechtfertigen, den ich schon in meiner „Vorläufigen Mittheilung“ zog (50, pag. 10),
(dass dieses merkwürdige Echinoderm „vielleicht keine (ystoidee ist, sondern eine ächte
silurische Holothurie, oder auch ein Glied jener uralten Verbindungs-Gruppe,
welche von den Cystoideen (— oder direkt von den Amphorideen) zu den Holothurien
hinüberführte“. Die Anwesenheit eines Stieles bei der jugendlichen Ascocystis kaun
gegen diese Auffassung keinen Einwand liefern, da wir auch die silurischen Stamm-
formen der ächten Holothurien, — gleichwie aller anderen Echinodermen — uns
als festsitzend vorstellen müssen; denn nur die Anpassung an die sedentäre Lebens-
weise erklärt die Entstehung der Pentaradial-Struktur.
Genera der Ascoeystida.
Ascocystis drabowiensis Barraspe (l. ce.) — bisher die einzige bekannte Gattung
dieser Familie — nimmt jedenfalls unter den bekannten Echimodermen eine sehr
isolirte Stellung em, gleichviel wie man im Speziellen die Form-Verhältnisse ihrer
fossilen, wohl erhaltenen Ueberreste deuten mag. Auf Grund dieser eigenthümlichen
Bildung wird jeder Forscher, welcher deren Entstehung und Beziehung zu anderen
\ 16*
124 Ernst HAECKEL [124
Formen phylogenetisch zu erklären versucht, nothwendig zu dem Schlusse geführt,
ass dieser isolirte Typus ursprünglich durch eine Kette von unbekannten Zwischen-
Formen mit älteren, theilweise bekannten Formen zusammenhing. Diese letzteren
können wir entweder unter den Cystoideen oder unter den Amphorideen suchen —
und besonders unter derjenigen Gruppe, welche die Stammformen der Holo-
thurien enthielt. Von bekannten fossilen Gruppen würden dabei unter (den
Amphorideen die Palaeocystiden in Frage kommen, unter den Uystoideen die
Agelacystiden. Die wichtigen Umbildungen, durch welche aus einer solchen älteren
Gruppe, eventuell auch direkt aus Pentactaea-ähnlichen Formen, die Vorfahren der
Ascocystis sich allmählich entwickelt haben, würden vor Allem das Ambulacral-
System, das Subvektiv-System und das Skelet- System betroffen haben. Die Aus-
bildung der fünf subteemmalen Ambulaeren, welche unter den fünf perradialen
Längskanten der Theca von Ascocystis verliefen, wird dabei ähnlich wie bei den
nächst verwandten Holothurien erfolgt sein; die Hauptrolle spielte dabei die
centrifugale Wanderung der fünf Primär-Tentakeln vom Oral-Pol nach dem Aboral-
Pol, wie sie in der Ontogenese der meisten Anthodiaten sich noch heute palingenetisch
wiederholt. Als hypothetische Genera der Ascocystiden, welche mindestens
zwei Hauptstufen dieser langen Ahnenreihe bezeichnen, könnten wir provisorisch die
beiden Gattungen Psoloeystis und Thuriocystis aufstellen, erstere mit zehn Tentakeln
und beginnender Bildung der 'Thecal- Ambulaeren, letztere mit fünfzehn Tentakeln
und fortgeschrittener Ausbildung des Anthodium.
22. Genus: Psolveystis, E. Haserer (genus hypotheticum).
Ascoevstida mit zehn Brachiolen und mit beginnender Ausbildung der fünf
superfizialen Ambulacren (entsprechend dem Decanemal - Stadium der jugendlichen
Anthodiaten). Species hypothetica: Psoloeystis deeanema.
23. Genus: Thurioeystis, E. Hascrer (genus hypotheticum).
Ascoeystida mit 15 Brachiolen und mit fortgeschrittener Ausbildung der fünf
Ambnlaeren, welche von der Oberfläche in die Tiefe wandern, unter Umbildung der
superfizialen in subtegminale Subvektoren (entsprechend dem Pentadecal-Stadium der
jugendlichen Anthodiaten). Species hypothetica: Thurioeystis pentadecalis.
24. Genus: Ascoeystis, Barraspe, 1887.
Ascoerinus, BARRANDE, 1843; 12, pag. 115; ZITTEL, 7, pag. 130.
Ascocystites, BARRANDE, 1887, 12, pag. 115, Pl. 32, 33.
Ascoeystida mit 25 Brachiolen (Pentapalmar-Kranz) und mit vollständiger Aus-
bildung der fünf subteeminalen Ambulacren, welche vom Oral-Pol der verlängerten
125] ÄAMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 125
Theca bis zum Aboral-Pol gehen. Der circorale Kranz von 25 Mundfühlern ent-
spricht demjenigen, welchen die jugendlichen Anthodiaten im Pentapalmar - Stadium
zeigen (vergl. pag. 97, Fig. 6—11, und pag. 100).
Species typica: Ascocystis drabowiensis, Barranpe, 1887.
Ascocystites drabowiensis, BARRANDE, 12, pag. 115, Pl. 32, 33.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d 2).
Fünfte Familie der Cystoideen:
Calloeystida, Bersarm (Fer), 1895.
Callocystida, BERNARD, 1895; 30, pag. 206.
Calloeystida, ZiTTEL, 1895; 7, pag. 156.
Taf. III, Fig. 1—26.
Familien-Charakter: Üvstoideen mit radialer, oft zugleich ausgeprägt
bilateraler Theea, mit fünf, vier oder zwei Radien. Platten-Panzer aus wenigen
(3—4#) Zonen von grossen, polygonalen Tafeln zusammengesetzt (13—20, meist 12
oder 19 Kelchtafeln). Theca mit vertikaler Hauptaxe, unten am Aboral- Pol durch
einen sehr starken Stiel befestigt. Oben gehen vom Munde zwei bis fünf lange,
bisweilen verästelte Ambulacral-Rinnen aus, weiche regelmässig gefiedert und mit
Pinnuletten besetzt sind. Freie Arme fehlen. Meistens sind drei Kammrauten vor-
handen (selten nur zwei, oder mehr als drei). After excentrisch.
Die Familie der Calloeystiden vereinigt in sich Charaktere der Agelacystiden
und der @lyptoeystiden; mit den ersteren theilt sie die starke Ausbildung der band-
förmigen, regelmässig gefiederten Ambulacren, ohne freie Arme; mit den letzteren
die Zusammensetzung der Panzer-Kapsel aus einer geringen Zahl von grossen, polv-
eonalen Tafeln; auch sind stets wenige (meistens drei) grosse Kammrauten vorhanden,
welche sich durch konstante charakteristische Form und Lage auszeichnen. Man
kann die Callocystiden von Agelacystiden ableiten, bei denen die zahlreichen, kleinen
Panzer-Platten gruppenweise zu grösseren Tafeln verschmolzen sind.
Die Theca der Callocystiden ist ursprünglich eiförmig, birnförmig oder fast
kugelig, wie bei der Mehrzahl der Cystoideen ; sie unterliegt aber m einigen Gattungen
dieser Familie auffallenden Umbildungen, dadurch bedingt, dass von den ursprünglich
ausgebildeten fünf Ambulacren emes oder drei rückgebildet werden. Stets ist die
feste Panzerkapsel (— abgesehen vom Skelet der Ambulaeren und der After-Pyramide —)
nur aus einer geringen Zahl von grossen, polygonalen Platten zusammengesetzt (13
bis 20). Fast immer sind die 19 Tafeln so in vier horizontale Gürtel alternirend
126 Ernst HAECKEL [126
vertheilt, dass die Stiel-Insertion von vier Basal-Platten umgeben wird; darüber liegen
drei Kränze von je fünf Tafeln. Bei Cystoblastus, welcher zu den Blastoideen hinüber-
führt, sind dieselben schon ähnlich wie m dieser Klasse differenzirt. Die Beziehungen
der einzelnen Platten zu den Ambulacren und den Kamm-Rauten vererben sich inner-
halb der Familie konstant. Die Skulptur der Platten, die meistens einen sechs-
strahligen Rippen-Stern tragen, erinnert besonders an die Glyptocystiden.
Der Stiel der Theca ist bei allen Calloeystiden sehr stark und von cha-
rakteristischer Bildung, gewöhnlich ungefähr ebenso lang oder etwas länger als die
Kapsel. Er stellt eine eylindrische Säule dar, welche sich nach unten konisch ver-
diinnt, dieht geringelt erscheint und aus sehr zahlreichen, kurzen Gliedern zusammen-
gesetzt ist. Oben, wo sich der Stiel an das Aboral-Stück der Theea ansetzt, erreicht
sein Durchmesser ein Drittel oder ein Viertel von demjenigen der letzteren. In der
unteren Hälfte verschmelzen die kreisrunden Stielglieder oft zu einer kompakten,
konischen Säule; in der oberen Hälfte können sie bisweilen in eimander geschoben
werden, gleich den Stücken eines Fernrohrs (ähnlich wie am Schwanze mancher
Rotatorien). Das Distal-Ende ist unten meistens zugespitzt.
Die Ambulacra der Calloeystiden (— welche auch in dieser Familie oft
noch als „angewachsene Arme“ unpassend bezeichnet werden —) sind sehr entwickelt
und verhalten sich ursprünglich ähnlich denjenigen der Agelacystiden. Während aber
bei diesen die fünf Ambulacral-Bänder, welche von den fünf Mundecken entspringen,
stets sehr regelmässig und gleichartig entwickelt sind, ist das bei den Callocystiden
nicht der Fall. Vielmehr zeigt sich meistens (mit Ausnahme des regulär-pentaradialen
Oystoblastus) eine auffallende Neigung zur asymmetrischen oder bilateralen Umbildung
des Anthodium. Sie beginnt bei (allocystis damit, dass das unpaare (frontale) Ambu-
lacrum schwächer wird als die vier übrigen. Dasselbe geht ganz verloren in der Sub-
familie der vierstrahligen Apiocystida. Hier sind die vier Ambulacren anfänglich
noch paarweise gruppirt; das laterale und posterale Paar sind bilateral -symmetrisch
ausgebildet bei Apiocystis und Sphaerocystis, asymmetrisch bei Lepadoerinus. Dagegen
zeichnet sich Staurocystis dadurch aus, dass die vier grossen Ambulacren (und ebenso
die vier imterradialen Felder zwischen ihnen) völlig gleich werden; die Kapsel nimmt
hier die Gestalt eines regelmässig-vierseitigen Prisma an, und somit die regulär vier-
strahlige Grundform (bei Echinodermen eime sehr seltene Form). Ebenso ist höchst
seltsam die auffallende Gattung Pseudocrinus, bei welcher nur zwei gegenständige
Ambulaeren zur Ausbildung gelangen und sich in einer Meridian-Ebene gegenüber-
stellen (das linke laterale und das rechte posterale); man kann diese Form von
Lepadoerinus durch Rückbildung der übrigen Ambulacren ableiten. Die 'Theca
erscheint in Folge dessen bei dem zweistrahligen Pseudoerinus bilateral - komprimirt,
linsenförmig, und die beiden allein vorhandenen Ambulacren bilden zusammen einen
vertikalen Gürtel, welcher fast den ganzen Rand der Linse umzieht, bis zum basalen
Ansatze des Stiels herab. Auch diese Form steht im ganzen Stamm der Echmo-
dermen fast einzig da; nur die mandelförmige Amygdaloeystis (unter den Fungo-
eystiden) zeigt eine ähnliche biradiale Bildung (vergl. page. 106, Fig. 15).
127 ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 5)
| 2
Eine weitere Eigenthümlichkeit mancher Calloeystiden besteht darin, dass ihre
bandförmigen Ambulaeren sich gabelförmig theilen und unregehnässig verästeln
(Sphaerocystis und Anthocystis).. Wahrschemlich ist diese Ramitieation durch die be-
sonderen Bedingungen der Subvection oder Nahrungs-Zufuhr veranlasst worden.
Das Anthodium der Callocystiden erinnert mehrfach an die Verhältnisse
der Fungocystiden. Auch hier prägt sich auffallend die bilaterale Symmetrie aus,
indem das frontale Ambulacrum rudimentär oder anders entwickelt ist als die vier
übrigen. Die Struktur der Ambulacren schemt dieselbe zu sein, wie bei der Ahnen-
Gruppe der Ayelacystiden. Die offenen, schmalen und langen Ambulacral - Rinnen
sind regelmässig gefiedert und von zwei Reihen kleiner, alternirender Saumplättchen
eingefasst. ‚Jedes von diesen trägt eine Gelenk-Facette zur Insertion einer zweizeiligen
Pinnulette. Ausserdem scheinen die schmalen Ambulacral- Rinnen und deren kurze
Seitenäste (die zu den Fingern führten), mit sehr kleinen Deckplättchen bedeckt
gewesen zu sein. Sehr sorgfältig hat die bemerkenswerthen Einzelheiten dieser Struktur-
Verhältnisse Harn bei Calloeystis und Apioeystis abgebildet (19, Vol. II, 1852,
P1.#50,, 51).
Thecal-Ostien sind bei allen Callocystiden mindestens vier vorhanden,
nämlich 1. die centrale Mundöffnung, 2. der excentrische After und 3. 4. zwei
Kamm-Rauten. Gewöhnlich tritt aber dazu noch eine dritte Kamm-Raute, sowie
eine feine Oeffnung rechts am Munde (Gonoporus?).
Der Mund hat in dieser Familie eine wechselnde, von der gewöhnlichen
Form abweichende Gestalt, entsprechend der Zahl und Lage der Ambulaeral-
Rinnen, welche von ihm abgehen. Selten hat der Mund noch die ursprüngliche,
regulär fünfeckige oder kreisrunde Gestalt, so bei Cystoblastus. Schon bei Callocystis
und Anthocystis wird derselbe irregulär fünfspaltig. Bei allen übrigen Gattungen
der Familie ist zugleich mit dem frontalen Ambulacrum auch die vordere Mundecke
verschwunden; der Mund erschemt vierlippig oder zweilippig, meistens m Form
sehen divergent «die beiden
eines Längsspaltes; von dem vorderen Mundwinkel &
lateralen, vom hinteren die beiden posteralen Ambulacral-Rinnen ab. Bei der regulär-
vierstrahligen Staurocystis bildet der Mund em reguläres rechtwinkeliges Kreuz. Bei
Pseudoerinus endlich liegt der Mund als ein femer Längsspalt oben auf dem Rande
der linsenförmigen Theca (gerade gegenüber der basalen Stiel-Insertion) und setzt
sich an beiden Enden direkt in die Ambulacral-Rinnen der beiden, allein vorhandenen
Ambulaeren fort.
Der After liegt bei allen Calloeystiden excentrisch in der ventralen Mittellinie,
in der oberen Hemisphäre der Theca, meistens an der Grenze vom oberen und
mittleren Drittel ihrer Höhe. Die kreisrunde After-Oeffnung ist gross und von einer
Klappen-Pyramide bedeckt, die aus 5—06 dreieckigen Anal-Plättchen sich zusammen-
setzt. Bisweilen ist auch noch ein Ring von kleinen (10—12) Periproctal-Plättchen
erhalten (Rorses, 14, Bl. XI, Eie. 1; Pl. XII, Fig. 6; Harn, 19, Vol. I, Pl./51,
Fig. 13).
128 ERNST HAECKEL [128
Kamm-Rauten (Peetinirhombi, „Pectinated rhombs“*) sind bei allen Callo-
cystiden stark entwickelt, in sehr charakteristischer Zahl, Form und Lage. Gewöhnlich
sind deren drei vorhanden, zwei paarige (oben) und eine unpaare (unten am Kelch).
Die beiden paarigen können als adanale Kamm-Rauten bezeichnet werden, da sie
fast immer zu beiden Seiten des Afters liegen. Die dritte, unpaare Kamm-Raute
(die basal-frontale) liegt dem After schräg gegenüber, vorn unten an der Frontal-
Seite, gleich über der Stiel-Insertion. Bei den vierstrahligen Apioeystida liegt oben
die eine im rechten, die andere im linken Interambulum, und zwar läuft die Rhomben-
Axe rechts ungefähr parallel der ventralen Mittellinie, während sie links senkrecht
auf derselben steht. Die Rhomben-Axe der unpaaren, basal-trontalen Kamm-Raute
nähert sich der horizontalen, ist jedoch etwas schräg von oben und rechts nach unten
und links gerichtet.
Bei dem zweistrahligen, sehr abweichenden Pseudocrinus liegt die unpaare Basal-
Raute unten auf der rechten Seite, der After oben auf der linken Seite der linsen-
förmigen Theca. Bei der fünfstrahligen Oallocystis (und Anthocystis) werden allgemein
irrthümlieh vier Kamm-Rauten beschrieben; eine aufmerksame Betrachtung der
trefflichen Darstellung von Harz (19) ergiebt, dass auch hier nur die gewöhnlichen
drei Rauten sich finden; die unpaare basale (irrthümlich in den Figuren 9 und 13,
Pl. 50, Nr. 19, für eine „dritte obere Raute‘ gehalten) liegt unten rechts neben der
Spitze des Frontal-Ambulacrum. Dagegen scheint Calloeystis multipora (— vielleicht
als besondere Gattung zu trennen —) ausser den drei gewöhnlichen noch zehn kleme
accessorische Poren-Rauten zu besitzen (Biuues, 15, Pl. III). Cystoblastus unterscheidet
sich von allen anderen Callocystiden dadurch, dass sie nur zwei schwache „Poren-
Rauten“ besitzt; beide liegen symmetrisch zu beiden Seiten der dorsalen Mittellinie,
frontal-basal.
Bei allen bekannten Callocystiden besteht jeder Peetinirhombus aus zwei
symmetrisch gleichen, kammförmigen Hälften, welche zwei benachbarten Kelchplatten
angehören und durch deren Verbindungs-Naht getrennt sind; ihre zahlreichen parallelen
Kamm-Zähne sind senkrecht zur Naht gerichtet. Wahrscheinlich hatten die Kamm-
Rauten die Funktion von Madreporiten. Daneben diente vielleicht noch eine von
ihnen zum Austritt der Geschlechts-Produkte. Doch findet sich bei einigen Callo-
cystiden noch ausserdem eine feine Oeflnung, die man als Gonoporus deuten könnte,
rechts neben dem Munde (Calloeystis, Oystoblastus u. A.).
129]
ÄMPHORIDEEN UND ÜVYSTOIDEEN.
Subfamilien:
I. Subfamilia:
Anthoeystida.
Fünf Ambulacra,
gleich oder ungleich
entwickelt. (Grund-
form der Theca eine
fünfseitige Pyra-
mide).
II. Subfamilia:
Apioeystida.
Vier Ambulaecra,
gleich oder
entwickelt.
frontale
ungleich
(Das un-
Am-
bulaerum ist rückge-
bildet). Grundform der
Theca
paare,
eine vier-
seitige Pyramide.
III. Subfamilia:
Pseudoerinida.
Zwei Ambulacra
allein vorhanden (drei
rückgebildet). Grund-
forn der Theca eine
bikonvexe Linse.
Festschrift für Gegenbaur.,
[>11
4
System der Callocystida.
Ambulacren: Theea: Genera:
Ambulacra regulär, | | Theca eiförmig bis kuge- |
gleich, einfach, unge- | |
theilt, Mund kreisrund. |
lig, nur mit 2 basalen
Kamm-Rauten. (Quer-
schnitt”decagonal).
Ambulacra einfach, Theca fünfseitig pyra-
theilweiseungleich(das
frontale
midal oder eiförmig,
3—9 oder
Kamm-Rauten. (Quer-
mit
Mund fünfspaltig.
schnitt pentagonal).
Ambulaera theilweise Theca
ungleich, verästelt.
schwächer). |
Mund fünfspaltig. Rauten. (Querschnitt |
decagonal).
Ambulacra einfach, in Theca vierseitig pyra-
midal oder
mit 3 Kamm-Rauten,
(Querschnittein Recht-
2 gleichen Paaren. eiförmig,
Mund ein Längsspalt.
| eck).
4 Ambulacra gabeltheilig en subglobos, mit 3
oder verästelt, in 2 Kamm-Rauten. (Quer-
Paaren. Mund ein \ schnitt kreisrund).
Längsspalt.
Ambulacra einfach, | (Theca vierseitig pris-
kreuzständig, unter matisch oder fast ku-
4
2
bisch, mit 3 Kamm-
Rauten. (Querschnitt
ein Quadrat).
sich gleich, regulär.
Mundspalt ein Kreuz.
Ambulacra einfach, | | Theca bilateral kompri-
sehr ungleich und mirt, mit 3 Kamm-
unregelmässig. Mund- Rauten. (Querschnitt
spalt ein Kreuz. | oval).
| .
Ambulacra allein ent- | | Theca linsenförmig bi-
konvex, stark bilateral
komprimirt, mit 3
Kamm-Rauten. (Quer-
wickelt, gegenständig,
den Rand der
kalenLinseumfassend.
verti-
Mund ein Längsspalt. | sehnitt lanzeolat).
gss]
\
13 |
birnförmig oder |
eiförmig, mit 3Kamm- |
——
129
. Cystoblastus
(Leuchtenbergi).
Calloeystis
(Jewetti).
Anthoeystis
(Halliana).
Apioeystis
(elegans).
Sphaeroeystis
(multifaseiata).
. Stauroeystis
(quadrifasciata).
. Lepadoerinus
(Gebhardh).
. Pseudoerinus
(bifaseratus).
17
130 Ernst HAECKEL [130
Or
25. Genus: Cystoblastus, Vorsorrm, 1869.
C'ystoblastus, VOLBORTH, Jahrb. f. Mineral., 1869, pag. 124.
Text-Figur 20, 21, 22.
Calloeystida mit fünf einfachen, gleichen Ambulacren, welche ganz regulär
gebaut und von fünf perradialen Gabel-Platten umfasst sind. Theca fast kugelig,
mit regulärem Anthodium in der oberen Hemisphäre; @uerschnitt kreisrund bis
decagonal. Kamm-Rauten nur em Paar (basal-frontal).
Species typiea: (ystoblastus Leuchtenbergii, Vorsorrm, 1870.
Oystoblastus Leuchtenbergü, VoLBoRTH, M&öm. Acad. Petersb. 1870, Vol. XVI, Fig. 11—-16.
QUENSTEDT, 1876; 28, pag. 684 und 724; Taf. 113, Fig. 89 und 114, Fig. 98.
ArnoLD Lang, 1894; 5, pag. 899 und 974, Fig. 640.
Fundort: Unter-Silur von Russland (Vaginaten-Kalk).
Das Genus (ystoblastus zeichnet sich vor den übrigen Callocystiden durch
mehrfache auffallende Eigenthümlichkeiten aus. Das pentaradiale Anthodium ist
vollkommen regulär. Unter den 18 grossen Tafeln der subglobosen Theca zeichnen
sich fünf grosse perradiale Gabel-Platten aus, welche die fünf breiten eiförmigen
Fig. 20. Fig. 21.
Cystoblastus Leuchtenbergii, nach VOLBORTH.
Fig. 20. Ansicht von der rechten Seite und etwas von hinten, Fig. 21 von der oberen (oralen) Seite, Fig. 22 von der
unteren (aboralen) Seite, 1 Interradiale Platten, 2, 3 Perradiale (furcale) Platten, 4 Mund, 5 Anthodium, 6 Gonoporus,
7 Analseite, 8 After, 9 Basal-Platte, 10 Infrabasal-Platte, 11 basaler Stiel-Ansatz, 12 die beiden basal-frontalen Kamm-Rauten.
Ambulaeren in ähnlicher Weise umfassen, wie bei den Blastoideen. Die grosse
excentrische After-Oeffnung liegt in halber Höhe der Kapsel. Eime kleine runde
Oeffnung, welehe in dem Winkel zwischen posteralem und pektoralem Ambulacrum der
rechten Seite liegt, ist wahrscheinlich der Gonoporus. Kamm-Rauten sind nur zwei
vorhanden; sie liegen frontal-basal, symmetrisch zu beiden Seiten der dorsalen Mittel-
linie, gleich über der kreisrunden Insertion des dicken Stieles. Die Median-Ebene,
welche die Kapsel in zwei spiegelgleiche Hälften theilt, geht mitten zwischen beiden
Kamm-Rauten hindureh, ebenso wie dureh die Mitte des Stieles, des Afters und des
131] ÄNPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 131
Mundes. Cystoblastus steht den Agelaeriniden und der Stammform der Calloeystiden
näher als die übrigen Gattungen der Familie; sie schliesst sich aber auch anderseits
an die ältesten Formen der Blastoideen an (Codonaster) und wird namentlich
wegen der fünf Gabel-Platten als eine Uebergangs-Form zu dieser Klasse betrachtet.
26. Genus: Calloeystis, Harn, 1852.
Callocystites, James Harı, 19, Vol. II, pag. 238.
Taf. III, Fig. 18—22.
Calloeystida mit fünf einfachen, zum Theil ungleichen Ambulaeren. Theca
füntseitig-pyramidal oder eiförmig; (Juerschnitt pentagonal. Drei Kamm-Rauten,
(zwei paarige adanale und eine unpaare basal-frontale); ausserdem bisweilen noch
mehrere (bis zehn) accessorische.
Species typica: (alloceystis Jewettii, Harz, 1852.
Calloeystites Jewettü, HALL, 19, Vol. II, pag. 239, Pl. 50, Fig. 12—18.
Fundort: Ober-Silur von Nord-Amerika (Niagara-Gruppe).
Das Genus (alloeystis ist nach meiner Auffassung eines der wichtigsten
und ältesten in dieser Familie; ja man darf es geradezu als die Stamm-Gattung
derselben auffassen (nur (ystoblastus ist älter und steht ferner). Ich beschränke den
Umfang der Gattung auf jene Calloeystiden, deren Kapsel ausgesprochen bilateral-
asymmetrisch und zugleich pentaradial ist, im Besitze von fünf ungleichen, unge-
theilten Ambulacral-Feldern. Als Typus der Gattung betrachte ich jene Form von
Callocystis Jewettü, welche Haır (l. c. Pl. 50) m Fig. 12—18 abgebildet hat;
dagegen trenne ich die andere Form, mit diechotom verzweigten Ambulaeren, als
Typus der folgenden Gattung ab: Anthoeystis. Auch die Form der Theca ist in
beiden Gattungen verschieden. Die Theca von Ualloeystis bildet eime fünfseitige
Pyramide mit abgerundeten Kanten; in der Mitte ihrer pentagonalen Basis inserirt
sich ein dicker eylindrischer Stiel, welcher dicht germgelt, länger als die Kapsel
und gegen das distale Ende verdünnt ist. Auf der Spitze der Pyramide liegt oben
der Mund, von dessen fünf Ecken die langen und schmalen, bandförmigen Ambu-
lacren abgehen. Niemals sind alle fünf vollkommen gleich und regulär gebildet
(wie bei Cystoblastus). Vielmehr ist stets das unpaare (frontale), das dem After
gegenüber liegt, schwächer entwiekelt und kürzer; oft ist auch das rechte pektorale
und das linke posterale Ambulacrum kleiner als die beiden übrigen. Von den drei
Kamm-Rauten liegen die beiden paarigen zu beiden Seiten des Afters, in den posteralen
Interambeln; die Axe der rechten ist longitudinal, die der linken transversal. Die
unpaare basale Kamm-Raute mit schiefer Axe liegt vorn unten im rechten frontalen
Interambel. — Nahe verwandt der britischen Art erscheint eine nordamerikanische:
Ilz=
132 Ernst HaEcKEL [132
(alloeystis multipora (= Glyptocystites multiporus, Birunes, 15, pag. 54, Pl. II).
Zu_ den gewöhnlichen drei Kamm-Rauten sollen hier noch zehn klemere accessorische
kommen; besonders interessant ist aber, dass hier das unpaare frontale Ambulacrum
nur noch als kleines Rudiment vorhanden ist (Uebergang zu Lepadoerinus).
27. Genus: Anthoeystis, E. Harcren (mov. gen.)
Taf. II, Fig. 23, 24.
Calloeystida mit fünf Ambulaeren, welche zum Theil ungleich und unregel-
mässig verästelt oder gabelspaltig sind. 'Theca eiförmig oder birnförmig, Querschnitt
pentagonal. Drei Kamm-Rauten (zwei paarige adanale, und eine unpaare basal-
frontale).
Species typica: Anthoeystis Halliana, E. Hascker.
Callocystites Jewettii, variet. Haır, 19, Vol. II, pag. 239, Pl. 50, Fig. 1—11.
Fundort: Ober-Silur von Nord-Amerika (Niagara-Gruppe).
Das Genus Anthoeystis gründe ich für jene Formen von Calloeystis, welche
sich durch Gabeltheilung oder dichotome Verästelung der Ambulacren von dieser
Stamm-Gattung entfernen. Die Theca ist in Folge dieser stärkeren Entfaltung des
Anthodium im oberen Theile mehr ausgedehnt (birnförmig oder eiförmig); umgekehrt
wie bei Callocystis (mit einfachen Ambulacren und pyramidaler Kapsel). Gewöhnlich
scheint bei Anthocystis das unpaare frontale Ambulacrum einfach und ungetheilt zu
sein, während die vier anderen gabeltheilig sind. In dem von Harn abgebildeten
Individuum (l. ce. Fig. 9) ist auch das rechte posterale Ambulacrum ungetheilt. Die
drei Kammrauten verhalten sich wie bei Callocystis.
28. Genus: Apioeystis, E. Forses, 1848.
‚Apiocystites, EDWARD FORBES, 14, pag. 501.
Taf. III, Fig. 4—9.
Ualloeystida mit vier einfachen, gleichen Ambulacren, welche paarweise von
den beiden Ecken des langen Mundspaltes entspringen. T'heca vierseitig-prismatisch
oder länglich-eiförmig, mit vier abgerundeten Kanten; (uerschnitt rechteckig. Drei
Kamm-Rauten (zwei paarige adanale und eine unpaare basal-frontale).
Species typica: Apiocystis pentremitoides, E. Forses, 1848.
Apiocystites pentremitoides, EDWARD FORBES, 14, pag. 503, Pl. XV.
Fundort: Ober-Silur von England (Dudley).
Das Genus Apioeystis behalte ich bei für jene Formen der Calloeystiden,
bei denen nur vier gleiche und einfache Ambulacra vorhanden sind, welche paar-
133] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 133
weise auf die beiden Antimeren der Kapsel sich vertheilen. Das unpaare Frontal-
Ambulaerum (welches schon bei Calloeystis multipora vudimentär wurde) ist hier
ganz verloren gegangen. Der Mund bildet bei der britischen Apioeystis pentremitoides
einen Längsspalt, von dessen beiden Ecken (vorn und hinten) zwei paarige Ambulacren
abgehen (— in der Figur 4 von Forses (l. e.), welche leicht zu irrthümlicher Auf-
fassung führen könnte, ist der Längsspalt quergestellt —). Sehr genau ist seine
Bildung, sowie die ganze Tafelbildung der Kapsel, von Harn. bei der nahe verwandten
nordamerikanischen Art dargestellt: Apioeystis elegans (aus dem Ober-Silur von Lock-
port; 19, Vol. II, 1852, pag. 245, Pl. 51, Fig. 1-17). Hier sind auch die fünf
Klappen der After-Pyramide sorgfältig abgebildet, sowie die Doppelreihen der kleinen
Saumplättehen, welche die Ambulacral-Furchen und ihre Fiederäste bedecken. Die
drei Kamm-Rauten verhalten sich wie bei allen vierstrahligen Calloeystiden: Die
unpaare basale liegt unten im Frontal-Feld (dem posteralen After diagonal gegen-
über); die beiden paarigen liegen in den Lateral-Feldern, rechts und links.
29. Genus: Sphaeroeystis, Harz, 1859.
Sphaerocystites, JAm£s Hart, 19, Vol. III, pag. 130.
Taf. III, Fig. 10—13.
Calloeystida mit vier verästelten und theilweise ungleichen Ambulaeren, welche
paarweise von den beiden Eeken des langen Mundspaltes entspringen, Theca fast
kuseli» (oder okta@drisch mit abeerundeten Kanten und Ecken). Querschnitt fast
o oO ? x
kreisrund. Drei Kamm-Rauten (zwei paariee adanale und eine unpaare basal-
l {
frontale).
Species typica: Sphaerocystis multifasciata, Harz, 1859.
Sphaerocystites multifaseiatus, Haut, 19, Vol. III, pag. 130, Pl. 7A, Fig. 14.
Fundort: Unter-Devon von Nord-Amerika (Unter-Helderberg).
Das Genus Sphaeroeystis unterscheidet sich von der vorhergehenden Stamm-
Gattung Apioeystis dureh die grössere Ausdehnung und die unregelmässige Verästelung
der vier Ambulaera, welche auch hier paarweise von der vorderen und hinteren Ecke des
Mundspaltes entspringen. In der von Har« gegebenen Abbildung finden sich 18 Aeste;
von diesen kommen drei auf das rechte laterale, vier auf das linke laterale, fünf
auf das rechte posterale und sechs auf das linke posterale Ambulaerum. Hinter der
longitudinalen Mundspalte (welche in der ventralen Mittellinie liegt, findet sich der
After; vor derselben eine kleine „dritte Oeffnung“ (Gonoporus). Von den drei Kamm-
Rauten liegt die unpaare vorn unten im Frontalfeld; die beiden lateralen zu beiden
Seiten der Mundspalte (die rechte mit ihrer Axe derselben parallel, die linke senk-
recht darauf‘).
134 Ernst HAECKEL [134
30. Genus: Stauroeystis, E. IHazeren (nov. gen.).
Taf. III, Fig. 13.
Calloeystida mit vier einfachen, gleichen Ambulaeren, welche ein reguläres
rechtwinkeliges Kreuz bilden und auf den vier Kelch-Kanten bis zum Stiel-Ansatz
hinabwachsen. Theca vierseitig-prismatisch, mit quadratischem @uerschnitt. Drei
Kamm-Rauten (zwei paarige adanale und eine unpaare basal-frontale).
Species typica: Stauroeystis quadrifasciata, E. Harcker.,
Pseudocrinites quadrifasciatus, E. FORBES, 1848; 14, pag. 498, Pl XIII, Fig. 1—13.
Pseudoerinus quadrifasctatus, QUENSTEDT, 1876; 28, pag. 680, Tab. 113, Fig. 77, 78.
Fundort: Ober-Silur von England (Dudley).
Das Genus Staurocystis gründe ich für jene Formen von Psendoerinites,
welche sich durch ihren regelmässig vierstrahligen Bau auffallend auszeichnen. Die
Theca bildet ein reguläres vierseitiges Prisma, dessen abgerundete Kanten von den
vier breiten und starken Ambulacren eingenommen werden. Diese sind in ihrer
ganzen Länge mit zwei Reihen von zweizeiligen Pinnuletten besetzt und bilden oben
ein reguläres rechtwinkeliges Kreuz, in dessen Mitte der quadratische Mund liegt.
Unten wachsen die Ambulaeren, schmäler werdend, bis zur Basis der Kapsel hinab,
wo sie den breiten Ansatz des konischen Stieles berühren. Dieser ist sehr stark,
etwas länger als die Theca, dicht geringelt und gegen das aborale Ende zugespitzt.
Die vier eiförmigen Interambula sind mit wenigen (6—8) grossen polygonalen Platten
belegt; im posteralen liest oben der After (mit sechsklappiger Pyramide), im fron-
talen (unten gegenüber) die unpaare Kammraute; in den beiden lateralen (rechts
und links) oben je eine von den paarigen Pectinirhomben. Von Staurocystis quadri-
faseiata unterscheidet sich eine zweite, verwandte Art (Staurocystis oblonga) durch
längeren, mehr eiförmigen Kelch und viel schmälere Ambulacra. (Forses 1. c.,
pag. 499, Pl. XIV, Fig. 1—14). Vielleicht gehört zu dieser Gattung auch die
kugelige, regulär-vierstrahlige CUystoidee, welche Bankanoe als Staurosoma rarım
beschrieben hat (12, pag. 81, Pl. 31, III, Fig. 1—16); feıner Tiaroerinus quadri-
frons von Lupwis Scnurrze (1866, Echinodermen des Eifel-Kalks, pag. 114,
Tat. XUl, Pier2).
31. Genus: Lepadoerinus, Coxkan, 1840.
Lepadoerinus (= Lepocerinus vel Lepocrinites), Harz, 1859, Vol, III, pag, 125, Pl. VII.
Taf. III, Fig. 14—17.
Calloeystida mit vier ungleichen, asymmetrisch entwickelten, einfacheren
' Armen. Theca stark bilateral-asymmetrisch; Querschnitt eiförmig. Drei Kamm-Rauten
(zwei paarige adanale und eime unpaare basal-frontale.)
135] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 135
Species typica: Lepadocerinus Gebhardi, Harn, 155%.
Lepoerinites Gebhardi, CoXRAD, 1840; Ann. Report Pal. New York, pag. 207.
Lepadoerinus Gebhardi, Harr, 1859, 19, Vol III, pag. 127, Pl. VII.
Fundort: Unter-Devon von Nord-Amerika (Unter-Helderberg).
Das Genus Lepadoerinus zeichnet sich unter den vierstrahligen Oallo-
cystiden durch die auffallende Asymmetrie des bilateralen Anthodium und der Thee:
aus. Die Axe der Kapsel steht schief geneigt, indem ihre Wölbung hinten auf der
Anal-Seite unten stärker ist, während gegenüber auf der Frontal-Seite das längste
Ambulaerum eingesenkt ist. Rechts und links ist der asymmetrische Kelch oben
komprimirt. Die vier Ambulacra bilden oben ein asymmetrisches Kreuz; das linke
pektorale ist viel grösser als die drei anderen und reicht bis zum Stiel-Ansatz herab.
Auch das gegeniüberliegende (rechte posterale) Ambulaerum ist grösser als die beiden
iibrigen. Denkt man sich diese letzteren rückgebildet, so erhält man den Uebergang
zu Pseudocrinus. Die drei Kamm-Rauten verhalten sich in ihrer Lage sehr ähnlich
wie bei Apioeystis. Der starke eylindrische Stiel von ZLepadoerinus ist doppelt so
lang als die Theca, in der oberen Hälfte dieht geringelt: im der unteren Hälfte sind
die Glieder zu einer homogenen Masse verschmolzen. Die schwedische Art (von
Gotland), welche Axceriv sehr gut abgebildet hat, ist von der nordamerikanischen
als Species zu trennen: Lepadocrinus Angelini (13, pag. 32, Tab. XI, Fig. 29—35;
Tab. XIX, Fig. 18—18 ce).
32. Genus: Pseudoerinus, Prarcr, 1843.
Pseudocrinites, PEARCE, 1843; Report of the Dudley Museum.
Phacocystis, E. HAECKEL, 1895, 50, pag. 9.
Taf. III, Fig. 25, 26.
Calloeystida mit zwei einfachen, gegenständigen Ambulaeren, welche den
kreisrunden oder elliptischen Rand der linsenförmigen Theca umfassen. (uerschnitt
der bikonvexen Theca lanzeolat. Drei Kamm-Rauten (zwei paarige adanale und eine
unpaare basal-frontale).
Species typica: Pseudocrinus bifaseiatus, Praxen (1. e.).
Pseudocrinites bifasciatus, E. FoRBES, 1848; 14, pag. 496, Pl. XI, Fig. 1—7.
Phacocystis bifasciata, E. HAECKEL, 50, pag. 9.
Fundort: Ober-Silur von England (Dudley).
Das Genus Pseudoerinus beschränke ich hier auf jene Formen von Pseudo-
crinttes, welche sich durch ihren auffallenden zweistrahligen Bau von allen anderen
Cystoideen (— und von allen Echinodermen überhaupt —) unterscheiden. Es gehören
hierher zwei britische Arten aus dem Ober-Silur von Dudley; beide sind so sorg-
156 Ernst HAEcKEL [136
fältig beschrieben und abgebildet, dass an der Richtigkeit der Darstellung wohl kein
Zweifel erlaubt ist. Die bilateral- komprimirte, scheibenartige Theca hat die Form
einer bikonvexen, kreisrunden (oder etwas elliptischen) Linse, deren Rand von zwei
gegenständigen Ambulacren eingenommen ist; die Linse steht senkrecht auf ihrem
Rande. Ein dicker, eylindrischer Stiel, etwas länger als der Durchmesser der Linse,
ist am Rande derselben, unten am Aboral-Pol der vertikalen Hauptaxe befestigt.
Oben gegenüber, am Oral-Pol befindet sich die kleme Mundöffnung, ein schmaler
Spalt, von dessen beiden Eeken die zwei gegenständigen Ambulacral-Rinnen abgehen,
von derselben Bildung wie bei Staurocystis. Die Zahl der zweizeiligen Pinnuletten-
Paare, welche die beiden Ränder jeder Rinne säumen, beträgt jederseits bei Pseudo-
34 (Forses
l. e., pag. 497, Pl. XII). Der Panzer wird auf jeder Seite der Linse durch wenige
(auf vier Zonen vertheilte) grosse hexagonale Platten gebildet. Auf der einen (linken)
erinus bifasciatıs 12—16, bei dem grösseren P’seudocrinus magnificus 30
Seite der Theca liegt hinten der After, vorm die linke obere Kamm-Raute; auf der
entgegengesetzten (rechten) Seite liegt oben hinten die andere adanale Kamm -Raute,
unten vorn die frontal-basale, unpaare Kamm-Raute.
Sechste Familie der Uystoideen:
Glyptoeystida, E. Harcrer, 1895.
Glyptocystida, E. HAEcKEL, 1895; 50, pag. 10.
Caryoerinida, Ffııx BERNARD, 1895; 30, pag. 205.
Caryoerinida, ZirTeL, 1895; 7, pag. 155.
Taf. IV, Fig. 14—38.
Familien-Charakter: Uystoideen mit radial-bilateraler, oft fast kugeliger
Theca (ursprünglich triradial oder pentaradial). Eine ventrale Kelehdecke ist vom
dorsalen Kelche durch einen Arm-Gürtel geschieden. Platten- Panzer des Kelches
aus wenigen (3—4) Zonen von grossen, polygonalen Tafeln zusammengesetzt (13—20,
meist 18 oder 19 Kelchtafeln). Theca mit vertikaler Hauptaxe, unten am Aboral-
Pol durch einen starken Stiel befestigt. Oben gehen vom Munde drei oder fünf
kurze, verdeckte oder subtegminale Ambulacral-Rinnen aus, mit wenigen kurzen
Aesten, an deren Enden freie Arme stehen. After excentrisch.
Die Familie der Glyptoeystida (= Carycerinida) schliesst sich in der Panzer-
. Täfelung der Theca unmittelbar an die vorhergehenden Callocystida an, unterscheidet
sich aber von ihnen durch den Besitz freier, gegliederter Brachiolen, welche am Ende
von kurzen (meist subtegminalen) Subvektoren stehen. Damit ist zugleich verknüpft
die Ausbildung eines Gegensatzes zwischen dem dorsalen Kelch (Hypotheca, Calya)
und der ventralen Kelchdecke (Epitheca, Epicalyx); beide werden getrennt durch
137] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 1:
co
DS
den Kelchgürtel (Thecozona), d. h. den Insertions -Kranz der Aermehen. Hier-
durch, sowie durch die bestimmtere Täfelung der Theca, schliessen sich die Glypto-
eystiden enger an die ächten Crinordeen an; sie unterscheiden sich aber von diesen
wieder durch die geringe Entwickelung der Arme und durch die tiefe dorsale Lage
des Afters, sowie dessen Klappen-Pyramide. Da eine dritte Kapsel-Oeffnung (— Gono-
porus —) bei den Glyptocystiden nicht nachzuweisen ist, lässt sich auch nicht sicher
entscheiden, ob sie Monorchonia waren (ächte Uystoideen) oder ZPentorchonia (ächte
Urmoideen). Vergl. oben pag. 73 und 88.
Die beiden Grundzahlen in der radialen Gliederung der Echinodermen, Drei
und Fünf, treten auch in dieser hoch entwickelten Cystoideen-Familie noch neben-
einander auf; ich vertheile danach die zahlreichen Gattungen derselben auf zwei
Subfamilien; die niedere Gruppe der Hexalacystida (mit der Stammform Zemi-
cosmites) ist ursprünglich dreistrahlig; dagegen die höhere Subfamilie der Syco-
eystida (mit der Urform Sycoeystis) fünfstrahlig. Die Beziehungen der ersteren
zu den letzteren sind ähnliche, wie wir sie früher unter den Palaeocystiden zwischen
Arachnoeystis und Echinosphaera angetroften haben. (Vergl. pag. 63 und 67.)
Die Theca der G/yptocystida ist ursprünglich eiförmig, rundlich birnförmig,
oder fast kugelig, wie bei der Mehrzahl der Cystoideen. Sie behält diese abgerundete
Form bei den meisten Zexalacystida; dagegen wird sie bei den Sycocystida gewöhn-
lich stark polyedrisch, indem die grossen Kelchtafeln aussen nicht mehr konvex
gewölbt, sondern abgeplattet sind und ihre Naht-Ränder stark vorspringen. In der
Dorsal-Kapsel (Hypotheca) oder dem eigentlichen Kelche (Calyx) ist der Platten-
Panzer aus wenigen (13—20) grossen polygonalen Tafeln zusammengesetzt (— gewöhn-
lich 18 oder 19 —), und diese sind im drei oder vier transversale Zonen geordnet. Bei
der Mehrzahl der Glyptocystiden folgen aufeinander: I. Eine Basal-Zone (B.) mit
vier Tafeln (einem Paar kleineren vorderen und einem Paar grösseren hinteren); II. eine
Costal-Zone (C.) mit fünf oder sechs grossen Tafeln (sechs bei den triradialen
Hexalacystida, fünf bei den pentaradialen Sycoeystida); UI. eme Dorsal-Zone (D.)
mit acht, neun oder zehn kleineren Tateln, welche bald in emen, bald in zwei Gürtel
geordnet sind. Nun folgt der Kelchgürtel, die Thecozona, welche durch die
Insertions-Stellen der Brachiolen gebildet wird; und über diesen, mnerhalb des Arm-
Kranzes, liegt die Ventral-Kapsel (Epitheca), oder die Kelchdecke (Zpicaly).
Sie ist meistens von beschränkter Ausdehnung und wird durch eine wechselnde Zahl
von kleinen Tafeln gebildet; meistens ist dieselbe sehr schlecht konservirt.
Die Grundform der Theca zeigt bei den meisten Glyptocystiden eine
eigenthümliche Kombination von triradialer oder pentaradialer Grundlage (— bedingt
durch die Arm-Entwiekelung —) und von bilateraler Asymmetrie (— bedingt durch
die After-Lage und den Stiel-Ansatz —). Die Ungleichheit beider Antimeren ist bei
den pentaradialen Sycocystiden auffallender als bei den triradialen Hexalacystiden ;
sie tritt um so mehr hervor, je stärker sich unten auf der Ventral-Seite ein grosses
Anal-Feld vorwölbt. Die besondere Form und Grösse der einzelnen Kelchplatten ist
Fostschrift für Gegenbaur. 18
138 Ernst HAccKEL [138
in den Gattungen und Arten der Glyptocystiden vielfach verschieden, und wichtig
für die Species-Unterscheidung.
Die Struktur der Panzer-Platten ist in dieser Familie sehr mannig-
faltig; bei den meisten ist eme zierliche Skulptur der Oberfläche gewöhnlich sehr
ausgeprägt, wie schon der Name der Familie andeutet; in der Mitte der grösseren
Kelchtafen (mit Ausnahme der vier basalen) erhebt sich gewöhnlich ein Central-
Hügel, von welchem sechs erhabene Stern-Rippen nach den sechs Ecken ausstrahlen ;
oft sind dieselben von zierlichen Körner- oder 'Tuberkel-Reihen (oder scheinbaren
Poren) begleitet. Parallel den Rändern der Tafeln laufen erhabene konzentrische
Wachsthums-Linien. Bei Hexalacystis und Echinocystis tragen die grossen Kelch-
tafeln eine Uentral-Warze, auf welcher ein beweglicher Stachel gesessen zu haben
scheint. Gewöhnlich werden auch stark entwickelte Poren-Rauten als charakteristisch
für alle @/yptocystida betrachtet; dieselben sind aber sehr verschieden entwickelt, sehr
stark z. B. bei Homocystis, während sie bei der kaum davon verschiedenen Mimoeystis
ganz fehlen. Bei Caryocrinus sind die Poren-Rauten sehr gut ausgebildet, bei seiner
Ahnen-Form Hemicosmites sehr schwach oder gar nicht. Poren-Rauten fehlen auch
den beiden Gattungen Uryptoerinus (mit glatten, ganz dichten Tafeln) und //ypoerinus
(mit glatten, fein porösen Tafeln). G/yptocystis hat 10—13 Poren-Rauten, Sycocystis
nur drei. Es ergiebt sich schon hieraus, dass diese Bildungen keineswegs die hohe
3edeutung besitzen, die man ihnen bisher zuschrieb (vergl. pag. 22).
Der Stiel der Theca ist in den beiden Subfamilien der Glyptocystida sehr
verschieden. Bei den trinomalen Hexalacystida ist er meistens sehr dünn und lang,
eylindrisch, geringelt, aus gleichartigen dünnen Scheiben zusammengesetzt, welche
sich nicht im einander schieben. Bei den pentanomalen Sycocystida hingegen ist der
Stiel meistens dick und kurz (etwa so lang als der Kelch), dicht geringelt, oben
eylindrisch, unten konisch zugespitzt; die zahlreichen Stiel-Ringe können in einander
geschoben werden, gleich den Röhren eines Teleskops oder den Schwanzeliedern
mancher Rotatorien (ähnlich wie bei den Calloeystida).
Die Brachiolen oder „Aermchen“, welche sich bei allen Glyptocystiden
aus dem Kelchgürtel erheben, sind meistens sehr dünne gegliederte Fäden, welche
bald eimzeilig, bald zweizeilig zu sein scheinen; sie finden sich selten gut erhalten.
Aber ihre Insertions-Flächen am Kelch-Gürtel sind stets deutlich nachweisbar und
von grösster Wichtigkeit für die Unterscheidung der Genera. In beiden Subfamilien
finden sich primäre Gattungen mit der einfachen Tentakel-Zahl: drei bei Femicos-
imites, fünf bei Sycoeystis und Echinocystis. Unter den trinomalen Hexalacystiden
besitzt Hexalacystis sechs, Enneacystis neun, Caryoerinus zwölf (oder 13) Brachiolen.
Unter den pentanomalen Sycocystiden haben drei alte böhmische Gattungen zehn
Aermehen (Lichenoeystis, Mimocystis, Homocystis); dagegen besitzt Glyptocystis 25 (in
fünf Gruppen zu je fünf) und Palmaeystis 30 (im fünf Gruppen zu je sechs). Diese
‚ Zahlen-Difterenzen sind desshalb von hoher morphologischer und taxonomischer
Bedeutung, weil sie mit korrelativen Veränderungen in der Tafel-Struktur der 'Theca
139] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 159
Hand in Hand sehen, und weil sie auf einer gesetzmässigen Multiplikation der
ursprünglich einfachen (drei oder fünf) Primär-Tentakeln beruhen.
Die Subvektoren oder die perradialen „„Ambulacral-Rinnen“, welche von
den drei oder fünf Mundecken zu der Basis der Brachiolen gehen, scheinen bei allen
Glyptoeystiden subtegminal zu verlaufen; sie sind aber nur selten deutlich nach-
weisbar. Bei Hemicosmites, den ich für die älteste Form der ganzen Familie halte,
hat sie Jonmanses Mürrer 1854 sehr genau beschrieben (25, pag. 61, Taf. VI, Fig. 4, 5).
Die drei „Ambulacral-Rinnen“ erscheinen hier als drei gleiche Kanäle, welche von
den drei Eeken des centralen Mundes unter gleichen Winkeln abgehen und gerad-
linig zu den Insertioustlächen der drei Arme verlaufen. Die untere Wand dieser
drei Subvektiv-Kanäle wird von den sechs grossen polygonalen Tafeln der Epitheca
gebildet, ihre obere Wand dagegen von zahlreichen klemen irregulär-polygonalen
Plättchen. Wahrscheinlich bilden diese „‚Deekplättchen‘ ein geschlossenes Dach über
dem Munde und den drei subtegminalen Rinnen, deren Eingang drei Poren an der
Ventral-Seite der Arm -Insertion darstellen. Bei den nächst verwandten, von Hemi-
cosmites direkt abzuleitenden Hexalacystiden (— früher „Caryoerinus“- Formen —)
ist die dreieekige oder sechseckige Epitheca grösser und schon lange als eine gewölbte
„Kelchdeeke“ beschrieben, welche vollkommen geschlossen ist und nur am Rande
eine einzige Oeflnung besitzt, den After (Buen, 11, Taf. I, Fig. 1; Harr, 19, Vol. II,
Pl. 49, Fig. 1v, 1x). Die Mitte der getäfelten Decke wird von einer centralen
Epistomal-Platte eingenommen und einem Kranze von 6—-8 anstossenden Peristomal-
Platten; um diesen herum liegt ein äusserer (marginaler) Gürtel von 15—20 kleineren
irregulären Plättchen. Dann folgt der Kelchgürtel mit den Insertions-Flächen der (6—13)
Arme. Wir miissen annehmen, dass an deren ventraler Seite sich die Subvektiv-
Rinne der Arme in geschlossene Subvektoren fortsetzt, welche unter der Kelchdecke
zu dem „unterirdischen“ Munde laufen.
„Subtegminale Subvektoren“ dieser Art sind wahrschemlieh bei allen
Glyptocystida vorhanden gewesen, bei den finfstrahligen Sycoeystida ebenso gut wie
bei den dreistrahligen Hexalaeystida. Wir kennen sie aber bei den meisten nicht
sicher, da die Kelchdecke nur selten gut konservirt ist. Ich beziehe auf die Epitheca
der Syeoeystiden die HAydrophora palmata, welche Barkaspr genau abgebildet, aber
irrthiimlich auf die Amphorideen-Genera Aristoeystis, Piroeystis und Oraterina bezogen
hat (vergl. oben pag. 92). Bei Glyptocystis (pennigera) bilden die 15 peristomalen
(oder die fünf dreitheiligen) Tafeln der Kelchdecke nur den unteren Boden des
pentaradialen Anthodiums, dessen obere Decke aus den (nicht konservirten) Deck-
plättehen zusammengesetzt war. Vom Ende einer jeden der fünf kurzen Ambulacral-
Rinnen gingen fünf Aeste an die fünf zweizeiligen Brachiolen, die hier fächerförmig
sich erheben (vergl. F. Scmur 18, Taf. I, Fig. 7 g, 7 h). Bei Palmacystis, wo die
fünf Subvektoren der Hydrophora palmata je sechs divergente Aeste zeigen, waren
30 Brachiolen vorhanden (8, pag. 409, Fig. 108).
Thecal-Ostien sind bei den @lyptocystida stets zwei anzunehmen, der
centrale Mund und der excentrische After. Die Mundöffnung ist, wenn die vor-
18*
140 ÖRNST HAECKEL [1140
hergehenden Deutungen richtig sind, allgemein unter der Kelechdeeke versteckt
gewesen, also subtegminal, wie bei den Hypascocrinen (8, pag. 461). Die unter-
irdischen Subvektoren, welche von ihm direkt zu den Armen führten (drei bei den
Hexalacystida, fünf bei den Sycoeystida) öffneten sich erst an der Basis der Arme (auf
deren Ventral-Seite) und gingen hier in deren offene Armrinnen über.
Die Afteröffnung (— früher irrthümlich für den Mund gehalten —) ist
stets excentrisch und von ansehnlicher Grösse. Bei Hemicosmites und bei sämmtlichen
(?) Syeoeystiden liegt sie auf der Bauchseite unterhalb des Kelchgürtels, meistens
sogar in der unteren Kelchhälfte; bei G/yptocystis tmdet sich hier eine sehr grosse,
schief eiförmige Oeflnung, die wahrscheinlich von einer dehnbaren getäfelten After-
Decke geschlossen war. Bei den meisten Hexalacystiden hingegen liegt der After
weiter oben, gleich unterhalb des Armgürtels, oder sogar etwas über demselben, also,
auf der Kelchdecke (wie bei den Crinoideen). Die Klappen-Pyramide, welche den
After schliesst, ist ansehnlich, meist aus 5—6 triaugulären Tafeln zusammengesetzt.
System der Glyptocystida.
Subfamilien:
Brachiolen: | Theca: | Genera:
I. Subfamilia:
Hexalaeystida
(Caryoerinida).
Theca ursprünglich | | 3 Brachiolen (perradial).
Theca birnförmig oder j 1. Hemicosmites
triradial, mit 3 (oder |
fast kugelig. Gürtel \ (piriformis).
x X 3) Brachiolen. dreieckig.
Stiel der Theca meis- Ä e |
tens lang, und dünn, | 6 en (3 perra-
eylindrisch, aus gleich- a: und Sömiesre,
artigen dünnen Schei- iale).
| Theca hexagonal- pris- | | 2. Hexalaeystis
ben zusammengesetzt. | |9 Brachiolen (3 perra- | | Theca eiförmig. Gürtel | [ 3. Enneaeystis
matisch. Gürtel sechs- | ] (verrucosa).
eckig.
diale Paare und 3 dreieckig. N (Buchiana).
(Glyptoeystidatrinoma). | re)
Tafeln des Kelches ge- | :
wölbt, ihre Ränder | | 12 (oder 13) Brachiolen
wenig vorspringend. (3 perradiale Paare
und 3 interradiale
Paare.
Theca eiförmig oder fast |
kugelig. Gürtel kreis-
rund oder sechseckig. | |
4. Caryoerinus
(ornatus).
141]
ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN,
141
Subfamilien :
II. Subfamilia:
Syeoeystida
(Uryptoerinida).
Theca ursprünglich
pentaradial, mit 5
(oder x X 5) Brachi-
olen. Stiel der Theca
meistens konisch, oben |
diek, unten dünn; aus |
Ringen |
zahlreichen
zusammengesetzt, wel-
che gleich Teleskop- |
Ringen in einander
geschoben werden
können.
(Glyptocystida penta-
noma).
Tafeln des Kelches flach,
ihre Ränder stark vor-
springend.
Brachiolen:
5 Brachiolen (perradial)
Theca polyedrisch - bila-
teral, mit 19 Tafeln,
mit Rippen oder
Stacheln.
5 Brachiolen (perradial)
Theca fast kugelig, glatt,
mit 13 Tafeln, ohne
Rippen und Stacheln.
10 Brachiolen (5 perra-
diale alternirend mit
5 interradialen).
Theca eylindrisch - poly-
edrisch oder prisma-
tisch.
25 Brachiolen (5 perra-
diale Armstämme mit
je 5 _ fächerförmig
divergenten Aesten
(Ambulacra pal-
mata).
30 Brachiolen (5 perra-
diale Armstämme mit
je 6
divergenten
(Ambulacra pal-
mata).
|
|
|
|
|
fächerförmig |
Aesten |
—
|
|
|
|
|
|
Hypotheca mit Rippen- |
sternen,ohneStacheln.
IIypotheca ohne Rippen-
sterne, mit Stacheln.
C-Tafeln und D-Tafeln
wenig verschieden,
dicht, nieht porös.
C- Tafeln porös, viel |
grösseralsdieD-Tafeln.
Theca ungestielt, Tafeln
ohne Rippen -Stern, |
ohne Poren-Rauten.
Theca gestielt, Tafeln |
mit Rippen-Stern, ohne |
Poren-Rauten.
Theca gestielt, Tafeln
mit Rippen-Stern, mit
Poren-Rauten.
Theca polyedrisch, bila-
teral, stark asym-
metrisch, mit einem
grossen Anal-Feld auf |
der gewölbten Bauch-
seite.
Theea birnförmig - poly-
edrisch (bilateral ?) (mit
Kamm-Rauten ?)
SE ET
m
|
a) u Vans
cD
je2}
Genera:
. Syeoeystis
(angulosa).
Echinoeystis
(armala).
. Cryptoerinus
(cerasus).
. Hypoerinus
(Schneideri).
. Lichenoeystis
(prisca).
. Mimoeystis
(bohemica).
. Homoeystis
(altera).
. Glyptoeystis
(pennigera).
. Palmaeystis
(palmata).
33. Genus: Hemieosmites, Leororn Bucn, 1840.
Hemicosmites, LzoroLn Buch, 1840, in Karsten’s Archiv für Bergbau, Bd. 15, pag. 32, Taf. I.
Taf. IV, Fig. 14, 15.
Glyptocystida mit drei perradialen Brachiolen.
Theca rundlich, birnförmig
oder fast kugelig, mit dreieckigem Gürtel, unten allmählich in den kurzen Stiel iber-
gehend.
sechs grossen Platten (drei perradialen und drei interradialen).
Hypotheca mit 19 polygonalen Tafeln ArB, 6.C7 ID):
Epitheca mit
142 Ernst HAECKEL [142
Species typica: Hemicosmites piriformis, Lworor» Buch, 1840.
Hemicosmites püriformis, L. Buch, 1845, 11, pag. 20, Taf. I, Fig. 11, 12.
Hemicosmites piriformis, Jos. MÜLLER, 1854, 25, pag. 61, Taf. VI, Fig. 4, 5.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genns Hemicosmites ist als die älteste und primitivste Form unter den
Glyptoceystiden zu betrachten; es ist wahrscheinlich die Stamm-Gattung dieser ganzen
Familie, oder doch wenigstens der triradialen Subfamilie: Hexalaeystida. Die übrigen
drei Gattungen der letzteren lassen sich alle durch Multiplikation der Arme von der
dreiarmigen Hemicosmites ableiten (vergl. oben pag. 138). Anderseits schliesst sich diese
Stammform eng an die dreiarmigen Trinemaecystida und die triradialen Fungoeystida
an. Sie entfernt sich aber von diesen ältesten Formen durch die geringe Zahl,
bedeutendere Grösse und bestimmte Anordnung der Panzer-Platten (19 m der Hypo-
theca, 6 in der Epitheca, zusammen 25). Darin nähert sie sich — ebenso wie alle
anderen @lyptocystida — den Calloeystida. Die Treimung des dorsalen und ventralen
Kapsel-Theiles ist bei /emicosmites noch nieht so ausgesprochen, wie bei den übrigen
Gattungen der Familie; das regulär-triradiale Anthodium nimmt nur emen beschränkten
Raum an dem gewölbten Aktmal-Pol der Theca ein. Die drei kurzen Subvektoren
sind mit kleinen Deckplättchen belegt und öftnen sich erst an der Basis der drei
Arme in deren ventrale Rinnen. Der After liegt tiefer als bei den übrigen Caryo-
eriniden, etwa in halber Kelchhöhe, und ist mit einer Pyramide von fünf oder sechs
Klappen bedeckt.
34. Genus: Hexalaeystis, E. Hascren (mov. gen.).
Caryoerinus (et Caryocrinites), AUTORUM, partim!
Tat, IV, sRie. 16, 1%.
Glyptoeystida mit sechs Brachiolen (drei perradialen und drei interradialen).
Theca hexagonal-prismatisch oder polyedrisch, mit hexagonalem Gürtel, scharf von
dem dünnen Stiele abgesetzt. Hypotheca mit 19 polygonalen Tafen (4 B, 6 C,
9 D). Epitheca wahrscheinlich mit zwölf Platten (?).
Species typica: Hexalacystis verrucosa. E. Hazcrkr.
Hemicosmites verrucosus, Eıcnwauo, 1860; 17, pag. 636, Tab. 32, Fig. 3a, 3b.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus Hexalacystis gründe ich für jene Formen der Caryoerinida,
welche sich durch die Sechszahl der Arme auszeichnen; zu den drei primären,
perradialen Brachiolen von Flemicosmites sind hier noch drei sekundäre, interradiale
‚ Aermehen gekommen, welche mit den ersteren alterniren. In Folge dessen hat auch
der Kelch eine ausgeprägt sechsstrahlige Form angenommen, wie sie namentlich
143] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 143
eine untersilurisch-baltische Form sehr deutlich zeigt, die EıcnwarLn unter dem Namen
Hemicosmites verrucosa abgebildet hat (17, 1. c.). Der grosse Kelch, ungefähr ein
Zoll im Durchmesser, bildet ein regelmässig sechsseitiges Prisma, dessen obere Fläche
von der gewölbten Kelchdecke, die untere von der vierseitig pyramidalen Kelchbasis
eingenommen wird. Die vier Basal-Tafeln sind glatt; die sechs costalen (unteren)
und neun scapularen (oberen) Tafeln der vertikalen Kelehwand tragen einen stark
vorspringenden Rippenstern und im dessen Mitte eine starke Warze, die vielleicht
den Gelenkhöcker eines Stachels bildete.
.
35. Genus: Enneacystis, E. Harcrer (nov. gen.).
Ss)
N
Caryoerinus (et Caryoerinites), AUTORUM, partim!
Taf. IV, Fig. 18, 19.
Glyptoeystida mit neun Brachiolen (drei perradialen Arm-Paaren und drei
interradialen emfachen Armen). Theca eiförmig oder umgekehrt birnförmig, etwas
dreiseitig, mit dreieckigem Gürtel, scharf von dem dünnen Stiele abgesetzt. Hypo-
35 Platten
theca mit 18 polygonalen Tafeln (4 B, 6 0, 3 D). Epitheca mit 30
(darunter sechs grössere centrale).
Species typica: Enneacystis Buchiana, E. Harcrer.
Caryoerinus ornalus, LeoroL» Buch, 1845; 11, pag. 1, Taf. I, Fig. 1—7; Taf. II, Fig. 1—3.
Fundort: Unter-Silur von Russland
Das Genus Enneacystis gründe ich für diejenigen, bisher zu Caryocrinus
gerechneten Formen, welche sich durch den Besitz von neun Armen auszeichnen
(
Caryoeriniden von der vorhergehenden sechsstrahligen Aexalacystis dadurch ab, dass
eine sehr seltene Zahl bei Echinodermen! —). Wir leiten diese neunstrahligen
die drei perradialen Arme sich bis zur Basis herab gabelig theilen, während die drei
interradialen einfach bleiben. Die Insertions-Flächen der neun Arme, sowie deren
Verhältniss zu den acht Tafeln der Scapular-Zone, lassen über die Richtigkeit dieser
Deutung wohl keinen Zweifel. Auch die Ordnung und Form der Kelchtafeln ist
dem entsprechend modifizirt. Der After (mit fünfklappiger Pyramide) liegt hier
etwas asymmetrisch, links von der ventralen Mittellinie der dreieckigen Kelchdecke,
während der benachbarte einfache Arm des analen Interradial-Feldes rechts von
derselben liegt.
36. Genus: Caryocrinus, Tnonas Sar, 1825.
Caryoerinites, TuomAs Say, Journ. Acad. Nat. Se. Philadelphia, Vol. IV, pag. 289.
Taf. IV, Fig. 20, 21.
Glyptoeystida mit 12 oder 13 Brachiolen (drei perradialen und drei imter-
radialen Arm-Paaren, sowie meistens noch einem accessorischen Arm). Theca eiförmig
144 Ernst HAECcKEL [144
oder fast kugelig, mit kreisrundem oder hexagonalem Gürtel, scharf abgesetzt von
dem langen, dünnen, eylindrischen Stiel. Hypotheca mit 18 Tafeln (4 B, 6C, SD).
Epitheca mit 30—36 Platten (darunter sechs grössere centrale).
Species typica: (aryocrinus ornatus, Tuowas Sar, 1825 (l. e. pag. 9).
Caryocrinus ornatus, JAMEs HALL, 1852; 19, Vol. U, pag. 216—227; Pl. 49, 49a, Fig. 1.
Fundort: Ober-Silur von Nord-Amerika (massenhaft bei Lockport).
Das Genus (aryoerinus umfasste ursprünglich nur die zwölfarmige Form,
welche sich massenhaft im Ober-Silur von Nord-Amerika findet und welche von
Tuomas Sar schon vor 70 Jahren gut beschrieben wurde. Ich behalte diesen Caryo-
crinus ornatus, von dem später Harz (l. ec.) eine sehr sorgfältige Darstellung gab,
als massgebenden Typus dieser Gattung bei. Später wurden auch die verwandten
Caryoeriniden, welche sechs oder neun Arme
tragen, mit dem ächten zwölfarmigen (aryoerinus
ornatus vereinigt. Ich finde jedoch bei näherer
Vergleichung der vielen sorgfältigen Darstel-
lungen, welche wir von diesen Hexwalacystiden
besitzen, dass die verschiedene Zahl der Arme
(— und der entsprechenden Ambulaeren! —)
sich sehr wohl zur Unterscheidung von vier
Gattungen in dieser eigenthümlichen Subfamilie
eignet; denn mit der wachsenden Zahl der Arme,
die stets ein Multiplum von drei darstellt, ist
ie. 23.8
Fig. 20,7
Caryoerinus ornatus. auch eine entsprechende Differenzirung der
RIERE - > 7, Sens rn 0
A Kelch mit Stiel (s) und 2 erhaltenen Armen (br). Platten-Zahl und Ordnung in der Theca korre-
I, II, III, die drei Tafel-Kränze der Dorsal-Kapsel. 5 Abe - ö BE
p Poren-Rauten, i Insertions-Stellen der Arme, lativ bedingt; und zwar gilt dies sowohl für
a Atter. B Ventral-Kapsel oder Kelchdecke von TE BREI, 7 Be Te e z r &
eben Fuchs a’ Canfaste Biaih EIER MESE den dorsalen Kelch als für die ventrale Kelch
Tafel des zweiten Kranzes von innen, mit den decke, besonders aber für die Gürtelbildung
Naht-Kanälen (,‚Poren-Rauten oder Hydrospiren‘“) 1 N N ;
zur Aufnahme von Blutgefässen oder Bändern. zwischen beiden. Ich leite demnach Caryocrinus
von Hexalacystis dadurch ab, dass die sechs
Brachiolen sich an der Basis gabelig theilten. Zu den zwölf Armen, die demnach
paarweise auf dem Gürtel vertheilt stehen, kommt gewöhnlich — aber nicht
immer! — noch ein accessorischer dreizehnter auf der linken Seite. Dieser über-
zählige Arm (— ebenso auch bisweilen eine überzählige Kelchplatte auf einer Seite —)
hängt wohl mit der asymmetrischen Lage des Afters zusammen (etwas links von der
- ventralen Mittellinie des bilateralen Panzers).
145]
ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDERN. 145
37. Genus: Syeoeystis, LeoroLn Buch, 1845.
Sycoeystites, LEOoPoLD Buch, 11, pag. 21.
Echino-Enerinus, HERMANN MEYER, 1826, partim!
Gonoerinus, EICHWALD, 1860; 17, pag. 641.
Text-Figur 24.
Glyptoceystida mit fünf perradialen Brachiolen. Theca polyedrisch-eiförmig
und zugleich bilateral-asymmetrisch, mit diekem eylindrischen annulaten Stiel. Hypo-
theca mit 19 Tafeln (4 B, 5 C, 10 D), welche einen zierlichen Rippenstern tragen,
einzelne Poren-Rauten, aber keine Gelenkhöcker für Stacheln. Drei Peetinirhomben.
After in der unteren Hemisphäre.
Species typica: Sycocystis angulosa, Leororn Buch, 1845.
Sycocystites angulosus vel Senckenbergti, LeoroLp Buc#, 11, pag. 21, Taf. I, Fig. 15—-19; Taf. II,
Fig. 6, 7.
Eehino-Enerinus angulosus et strialus, HERMANN MEYER; QUENSTEDT, 28, pag. 668-675, Tab. 113,
Fig. 51—67.
Fundort: Unter-Silur von Russland: Pulkowa.
Das Genus Sycocystis wurde zuerst von Hermans Meyer (1826 1. c.), unter
dem unpassenden Nainen Kehino-Enerinites beschrieben, welcher dann später von Buch
in die passendere Bezeichnung Sycoeystites
umgeändert wurde. Mehrere Arten dieser
Gattung kommen im Unter-Silur von Russland
vor (vergl.
eebenden Typus betrachten wir die zuerst
beschriebene Art: Sycoeystis angulosa (Buch,
l. c.). Diese und die folgende Gattung Echino-
cystis zeichnen sich durch den Besitz von
fünf dünnen Armen aus, welche nahe bei
einander aus den Distal-Enden von fünf per-
radialen Subvektoren entspringen. Der poly-
edrische Kelch ist stark asymmetrisch gebaut
und zeigt eine grosse Anal-Oefinung in der
unteren Hemisphäre auf der vorgewölbten
Bauchseite.
sich durch
Quenstept 28, ]. ec... Als maass-
Die dieken Kelchtafeln zeichnen
18
TE GE:
Fig. 24.
Syeocystis granatum, nach VOLBORTH.
Fig. A, Theca von der Seite, mit wohl erhaltenen fünf
(— scheinbar sechs —) Armen, a After. Fig. B, Theca
von vorn, mit den beiden basal-frontalen Kamm-Rauten
(h, h), s Stiel. Fig. C, Theca von oben, mit dem An-
thodium, o Mund. Fig. D. Analyse der Theca (Tafeln
aus einander gelegt). I, II, III die drei Tafel- Kränze
der Hypotheca. e Basal-Kranz, a After, h Hytrospiren.
starke Rippen-Skulptur aus. Es sind drei Kamm-Rauten vorhanden, von
denen zwei basale unten auf der Dorsal-Seite liegen, dem After gegenüber, die dritte
oben auf der Ventral-Seite, zwischen Mund und After.
Festschrift für Gegenbaur.
19
146 Erxsr HAECKEL [146
38. Genus: Eehinoeystis, Janes Harz, 1868.
Echinocystites, JAMES HALL, 24, 1868, Report 20. Pl. 12, Fig. 10, 11.
Echino-Enerimus, HERMANN MEYER, 1826, partim!
Taf. IV, Fig. 3134.
Glyptoeystida mit fünf perradialen Brachiolen. 'Theca polyedrisch-subglobos
und zugleich bilateral-asymmetrisch, mit dünnem, cylindrischen, annulaten Stiel.
Hypotheca mit 19 Tafem (4 B, 5 C, 10 D), welche keinen Rippen-Stern tragen,
aber theilweise Poren-Rauten und je einen starken centralen Gelenkhöcker zum
Ansatz eines Stachels. Zwei Peetmirhomben. After in der oberen Hemisphäre.
Species typica: Echinocystis armata, E. Harcker.
Echino-Encrinites armatus, EDWARD FoRBEs, 1848; 14, pag. 507, 509, Pl. XVII, XIX.
Fundort: Unter-Silur von England.
Das Genus Echinoeystis gründete Harz ursprünglich für eine ober-silurische
Oystoidee aus Nordamerika (Echinoeystis nodosa, 24, 1. e.); doch ist dieselbe sehr
unvollständig beschrieben. Zu derselben Gattung gehören wahrscheinlich zwei
britische Glyptoeystiden, welche Forsrs als Species von Eehino-Enerinus oder Echino-
Enerinites sehr genau beschrieben hat (Echinoeystis armata et Echinocystis baccata,
14, 1. e. Pl. 17, 18, 19). Dieselben schliessen sich eng an die vorhergehende
Gattung Syeoeystis an und gleichen ihr in der Zusammensetzung der asymmetrisch-
polyedrischen Theca, sowie in dem Besitze von fünf perradialen Brachiolen. Aber
schon Zrrren (29, pag. 422) hat mit Recht hervorgehoben, dass diese beiden britischen
Arten sich von den russischen Echino-Enerimus-Arten (Echinocystis angulosa, striata)
durch mehrere wichtige Merkmale unterscheiden, „welche eine generische Trennung
rechtfertigen dürften“. Die Kelchtafeln von Echinoeystis besitzen nicht die auffallende
Rippen-Struktur von Sycoeystis, dafür aber theilweise Gelenk-Höcker, auf denen
starke Stacheln sassen (je einer auf jeder der fünf Kostal-Platten). Ferner besitzt
Eehinoeystis nur zwei Kamm-Rauten (eine basale unten auf der Dorsal-Seite, und
eine adanale, oben auf der Ventral-Seite); auch ihre Struktur ist verschieden von
derjenigen bei Sycoeystis. Der After liegt bei letzterer in der unteren, bei ersterer
in der oberen Hemisphäre des Kelches.
39. Genus: Cryptoerinus, Leororn Buch, 1845.
Cryptocrinites, L. Buch, 11, pag. 25,
Glyptoeystida mit fünf perradialen Brachiolen. Theca fast kugelig, etwas
finfseitig, mit kleiner runder Stiel-Insertion. Hypotheca mit 13 glatten, soliden Tafeln
117] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 147
(3 B, 5 C, 5 D), ohne Rippensterne, Poren-Rauten und Gelenk-Höcker. After in der
oberen Hemisphäre.
Species typica: (ryptocrinus cerasus, Leororn Buch, 1845.
[Si 1
Oryptocrinites cerasus, L. Buch, 11, pag. 25, Tab. I, Fig. 13, 14; Tab. II, Fig.
Echinosphaerites laevis, PANDER, pag. 147, Tab. II, Fig. 24—26.
Fundort: Unter-Silur (Vaginaten-Kalk) von Russland.
Das Genus Cryptocrinus und das nachfolgende, nahe verwandte Genus
Hypoerinus zeichnen sich vor den übrigen Glyptocystiden durch die geringe Grösse
des Kelches und die geringe Zahl der Hypothecal-Tafeln aus; ferner durch die glatte
Beschaffenheit der soliden oder fein porösen Panzer-Platten; es fehlen sowohl die
Poren-Rauten der beiden vorhergehenden Gattungen, als auch Rippen-Sterne und
Panzer-Stacheln. Zrrren hat desshalb neuerdings für diese Gattungen eine besondere
Familie gegründet: Cryptoerinida (1895, 7, pag. 154). Er zieht dazu auch noch
Echinocystis (Harr) und Porocrinus; dieser letztere ist nach meiner Ansicht keine
Cystoidee, sondern eine ächte Urinoidee; er besitzt ganz dieselbe Zusammensetzung
des Kelches wie der Fistulate Poterioerinus und unterscheidet sich von ihm nur durch
den Besitz von kleinen „Poren-Rauten‘“ (vergl. oben pag. 23, ferner 29, pag. 420
und 9, pag. 183). Sowohl bei Cryptoerinus als bei Hypoerinus ist die Hypotheca
aus 13 Tafeln zusammengesetzt; die drei Basalien umschliessen die kleine kreisrunde
Ansatz-Fläche für einen dünnen Stiel. Darüber folgen zwei Zonen von je fünf
grossen Neiten-Tafeln; die fünf unteren (sepalaren) sind wenig grösser als die fünf
oberen (petalaren). Letztere umschliessen eine sehr kleine pentagonale Kelchdecke,
in welcher fünf kurze Subvektoren vom Munde zu den fünf kleinen Insertionsflächen
der fünf sehr schwachen Arme führen.
40. Genus: Hypoerinus, E. Beyricn, 1864.
Hypoerinus, E. BevrıcH, Abh. Berlin. Acad. 1864, pag. 83, Tab. II, Fig. 16.
Glyptocystida mit fünf perradialen Brachiolen. 'Theca fast kugelig, mit kleiner
runder Stiel-Insertion. Hypotheca mit 13 glatten, porösen Tafem (3 B, 5 C, 5 D),
ohne Rippen-Sterne, Poren-Rauten und Gelenkhöcker. After in der oberen Hemisphäre.
Species typica: Hypocrinus Schneideri, E. Beykicn.
Hypoerinus Schneideri, E. BEykıch, ]. c.; QUENSTEDT, 28, pag. 687. Tab. 113, Fig, 94.
Fundort: Kohlenkalk von Timor.
Das Genus Hypoerinus zeigt dieselbe Zusammensetzung des kugeligen Kelches
und dieselbe glatte Oberfläche wie der vorhergehende Cryptoerinus; es unterscheidet
; 19°
148 ERNST HAECKEL [148
sich von diesem dadurch, dass die zehn Seitenplatten des Kelches nicht solid, sondern
fein porös sind; ferner sind die fünf unteren, sepalaren Tafeln (C) sehr gross, mehr-
mals grösser als die oberen petalaren Tafeln (D); bei Cryptocrinus sind die Platten
beider Zonen fast gleich. Die Insertions-Pfannen der fünf Arme, welche oben am
Peristom-Rande der fünf perradialen Petalar-Tafeln liegen, sind bei H/ypoerinus grösser
als bei Uryptoerinus. Der After (mit Klappen-Pyramide) verhält sich m beiden
Gattungen gleich und liegt m der oberen Hemisphäre der Theca (zwischen Zone C
und D). Namentlich dieses Verhaltens wegen stellen wir beide Genera zu den Ü'ysto-
ideen; wegen ihrer sonstigen nahen Beziehungen zu einfachsten Crinoideen könnte
man sie auch für reduzirte oder verkimmerte Formen dieser Klasse ansehen.
41. Genus: Lichenocystis, Barkanpe, 1887.
Lichenoides (= Lichenocystis) BARRANDE, 12, pag. 183, Pl. 1.
Taf. IV, Fig. 22—23.
Glyptoeystida mit zehn Brachiolen (fünf perradialen und fünf interradialen).
Theca eylindrisch-prismatisch oder fast eiförmig, an der abgerundeten Basis frei,
ungestielt. Calyx mit 20 Tafeln, je fünf in vier Zonen, ohne Poren-Rauten.
Species typica: Lichenoeystis prisca, Barranpe, 1887.
Lichenoides priscus, BARRANDE, 12, pag. 183, Pl. 1.
Fundort: Mittel-Cambrium von Böhmen, Primordial-Fauna, ©.
Das Genus Zichenoeystis, welches Barranpr in den ältesten cambrischen
URLS,
Schichten von Böhmen fand, beschrieb er ursprünglich als Zichenoides; da dieser
Name bereits verbraucht war, ändern wir ıhn in Zichenocystis. Diese Gattung
ist eine der ältesten bekannten unter allen Eehimodermen, und in mehrfacher
Beziehung von hervorragendem Interesse. Die kleine Theca ist 15 mm hoch, 10 mm
breit, im Ganzen eylindrisch oder fast fünfseitig-prismatisch, bisweilen mehr eiförmig,
oben dieker. Unten ist sie abgerundet, ohne Ansatz-Fläche für einen Stiel; — das
fe) ’ 2
erwachsene Thier lebte demnach frei, wenn auch die Jugendform gestielt war. Der
Kelch setzt sich aus zwanzig Tafeln zusammen, in vier Zonen zu je fünf Tafeln. In
der Mitte der abgerundeten Basis liegen fünf sehr kleine, rundliche Basal- Tafeln.
Dann kommen zwei Lateral-Zonen von je fünf grossen, irregulär-polygonalen Tafeln
(jede fast doppelt so lang als breit), Oben ist die abgerundete 'Theca mit fünf
kleineren, rundlichen Platten belegt. Zwischen diesen scheinen sich die zehn Arme
"paarweise zu inseriven; sie sind sehr dünn, fadenförmig, länger als die Kapsel und
zweizeilig (?) gegliedert. Poren-Rauten fehlen; dagegen sind die Kelchtafeln am
Rande gezähnt-gerippt, und die starken Zähne der benachbarten Platten greifen an
8 gerippt; 8
den Verbindungs-Nähten in einander; wenn die Zähne in der Mitte jeder Naht am
149] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 149
grössten wären und nach beiden Enden derselben abnähmen, würden diese Skulpturen
als „Poren-Rauten‘“ imponiren. Ueber die Oefinungen der Theca ist leider bei dieser
uralten wichtigen Cystoidee nichts Sicheres bekannt.
42. Genus: Mimoeystis, Barkanoe, 1887.
Mimocystites, BARRANDE, 12, pag. 163, Pl. 28, I.
Macrocystella, CALLAWAY, 1877; Quart. Journ. Geolog. Soc. London, Vol. 33, pag. 669, Pl. 24, Fig. 13. (?)
Macrocystella, JOHANNES WALTHER, 1886; Palaeontographica, Bd. 32, pag. 194.
Taf, IV, Fig. 28, 29.
Glyptoeystida mit zehn Brachiolen (fünf perradialen und fünf interradialen)
Theea eylindrisch-prismatisch oder polyedrisch, an der Basis mit emem starken annu-
laten Stiel. Calyx mit 15—19 (?) Tafeln, in 3—4 Zonen, ohne Poren - Rauten.
Species typica: Mimocystis bohemica, Barkanoe, 1887.
Mimocystites bohemicus, BARRANDE, 12, pag. 163, Pl. 28, I, Fig. 1—20.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d 2, Trubsko).
Das Genus Mimocystis scheint dem vorhergehenden Zichenocystis sehr nahe
verwandt zu sein und entbehrt gleich ihm der Poren-Rauten. Es unterscheidet sich
von ihm durch den Besitz eines starken geringelten Stieles, der eylindrisch, länger
als die Kapsel und gegen das Ende verdünnt ist. Die grossen Kelch-Tafeln tragen
einen sechsstrahligen Rippen-Stern, welcher stark vorspringt. In dem dreieckigen
Felde zwischen je zwei Rippen treten 1—3 kurze divergente Neben-Rippen vor,
welche senkrecht auf den anstossenden Tafel-Nähten stehen. Man kann sie als die
ersten Ansätze zur Bildung von „Poren-Rauten‘“ betrachten (vergl. pag. 22).
Maeroeystella Mariae (Taf. IV, Fig. 30) hat Cnarues Carvawar (]. c.) eine Glypto-
eystide genannt, welche er in dem ober-cambrischen Tremadoe-Gebiet von England
auffand (bei Wrekin im South-Shropshire). Seine kurze Beschreibung und kleine
Abbildung genügen nicht, um sich daraus ein klares Bild von der Organisation dieser
alten Cystoidee zu machen. Mir scheint aber, dass diese Gattung entweder mit
Mimoeystis oder mit Homoeystis identisch ist; mit ersterer theilt sie die besondere
Bildung des Platten-Panzers, mit letzterer die eigenthümliche Bildung des langen Stiels.
43. Genus: Homoecystis, Barkanpe, 1887.
Homocystites, BARRANDE, 12, pag. 160, Pl. 28, II.
Taf. IV, Fig. 26, 27.
Glyptoeystida mit zehn Brachiolen (fünf perradialen und fünf imterradialen).
Theca eylindrisch-polyedrisch, an der Basis mit einem starken annulaten Stiel. Calyx
mit 15—19 (?) Tafeln, in 3—4 Zonen, mit mehreren (5— 10?) Poren-Rauten.
150 Ernst HAECcKEL [150
Species typica: Homocystis altera, Barkanoe, 1887.
Homocystites alter, BARRANDE, 12, pag. 160, Pl. 28, II, Fig. 1—21.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen (d4), Zahorzan.
Das Genus Homoeystis hat fast dieselbe Organisation wie das vorhergehende
Mimoeystis und unterscheidet sich von ihm wesentlich nur durch den Besitz von
Poren-Rauten; es liegen deren mehrere (5—10?) sowohl im oberen als im unteren
Theile der Theca. Genanes über ihre Vertheilung, sowie über die Lage der Kelch-
Oeffnungen ist leider aus den Abbildungen der (stark zerquetschten) Reste nicht zu
entnehmen. Die Kelchtafeln tragen auch hier einen sechsstrahligen Rippenstern, wie
bei Mimoeystis; aber die starken Naht-Rippen, welche bei der letzteren senkrecht
über die Nähte fortgehen, fehlen hier den meisten Platten (ausgenommen da, wo sie
Poren-Rauten bilden!).
44. Genus: Glyptoeystis, Bırumes, 1858.
Glyptocystites, Bınuınss, 15, pag. 53, Pl. IV (— non HI! —).
Chiroerinus (vel Cheirocrinus), EICHWALD, 17, pag. 646.
Taf. IV, Fig. 36—38.
Glyptocystida mit 25 Brachiolen, welche in fünf Gruppen von je fünf auf dem
Kelchgürtel stehen und von fünf subtegminalen fünftheiligen Ambulacra palmata
versehen werden. Theca bilateral-asymmetrisch, mit einem grossen Anal-Feld auf
der gewölbten Bauchseite, Hypotheca mit 20 irregulär-polygonalen Tafeln (4B, 50,
11D). Epitheca mit fünf dreitheiligen Tafeln.
Species typica: Glyptocystis pennigera, Fr. Schnur, 1874.
Chirocrinus penniger, EICHWALD, 17, pag. 646, Tab. 32, Fig. 1.
Glyptocystites penniger, Fr. ScHMiDr, 18, pag. 15, Tab. I, Fig. 7—12; Tab. II, Fig. 1—3.
Fundort: Unter-Silur von Russland.
Das Genus @lyptocystis wurde von Bırumes (15, pag. 53) für mehrere, sehr
verschiedene Cystoideen aus dem nordamerikanischen Silur gegründet. Sein G/ypto-
cystites multiporus gehört zu Callocystis (vergl. oben pag. 132). Dagegen scheint sein
Glyptocystites Logani (15, pag. 59, Pl. IV, Fig. 2) sehr nahe verwandt mit dem
baltisch-silurischen Glyptocystis penniger, von welchem Fr. Scnumr 1874 eine sehr
sorgfältige und ausführliche Darstellung gegeben hat; wir betrachten daher diese
letztere Art als maassgebenden Typus der Gattung. Dieselbe zeichnet sich sowohl
durch die auffallende bilaterale Asymmetrie des Kelches und der Kelchdeeke aus,
als durch den Gürtel von 25 zweizeiligen Brachiolen, welche in fünf getrennten
Gruppen am Kelehrande stehen. Ihre Vertheilung entspricht ganz derjenigen der
151] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 151
„Hydrophora palmata“, welche Barraxpe von einem böhmischen Fragment gut
abgebildet hat, aber (— sicher irrthümlich! —) einer unbekannten Art von Pirocystis
zuschreibt (12, pag. 41, 172, Pl. 29, Fig. 29—31, non 34\). Vergl. oben pag. 93.
Glyptocystis bleibt permanent auf der bedeutungsvollen Pentapalmar - Stufe
stehen, welche viele junge Echinodermen höherer Klassen in der Ontogenese durchlaufen.
(Fig. 25.) Auch bei G/yptoeystis werden die fünf Subvektoren wahrscheinlich mit
Deckplättchen überdeckt, also „subtegminal“ gewesen sein; umgeben sind dieselben
Fig. 25A. Fig. 25B.
Pentapalmar -Stadium von Asterina gibbosa (nach Lupwic),
A die junge Asteridee, von der Dorsal-Seite, mit dem Reste des eigenthümlichen Larven-Organs, lo, B. Horizontal-Schnitt
derselben dicht unter der Mundfläche, oe Oesophagus, lo Interradius des Larven-Organs. 1, 2, 3, 4, 5 die fünf perradialen
fünftheiligen Anlagen der Ambulacren, entstanden als Ausstülpungen des hufeisenförmigen Hydrocoel-Bogens. ax die beiden
posteralen Ausbuchtungen des letzteren, die sich bald zum Hydroeircus schliessen.
von fünf dreitheiligen Platten-Gruppen (je einer oralen und zwei axillaren). Der
Kelch ist aus 20 irregulär-polvgonalen Tafeln (in vier Zonen) zusammengesetzt, auf
welehen gewöhnlich zehn Poren-Rauten asymmetrisch vertheilt sind. Der dicke
eylindrische Stiel ist stark geringelt, ungefähr so lang als die Kapsel und am Distal-
Ende zugespitzt. Oberhalb seiner Insertion wölbt sich die Bauchseite stark vor und
zeigt eine grosse, schief stehende, rundliche Oeffnung, welche wahrscheinlich durch eine
dehnbare, klein getäfelte Afterhaut geschlossen war.
45. Genus: Palmaecystis, E. Harcrer, nov. gen.
Glyptoeystida mit 30 Brachiolen, welche in fünf Gruppen von je sechs auf dem
Kelehgürtel stehen und von fünf subtegminalen sechstheiligen Ambulacra palmata
versehen werden. Theca polyedrisch, mit einem grossen Anal-Feld auf der gewölbten
Bauchseite (2). Platten-Panzer wahrscheinlich ähnlich Glyptocystis.
152 Ernst HAECKEL [152
Species typica: Palmacystis palmata, FE. Harcker.
Taf. IV, Fie. 39, 40.
Aristocystites indeterminatus, BARRANDE, 12, pag. 41, 104, Pl. 14, Fig. 1—6.
Pirocystites desideratus, BARRANDE, 12, pag. 172, Pl. 29, Fig. 32—34 (— non 29 —31!).
Craterina bohemica, BARRANDE, 12, Pl. 17, Fig. 7.
Hydrophora palmata, BARRANDE, 12, pag. 41; NEUMAYR, 8, pag. 409.
Cystidea dubia, BARRANDE, 12, Pl. 14, Fig. 24—33.
Fundort: Unter-Silur von Böhmen.
Das Genus Palmacystis gründe ich für diejenige Form der Glyptocystiden,
welche 30 Brachiolen besitzt, die höchste bisher beobachtete Zahl der Aermcehen m
dieser Familie. Leider ist diese interessante Gattung, die sich wahrschemlich von
der vorhergehenden Glyptocystis sonst wenig unterscheidet, nur sehr unvollständig
bekannt. Ich beziehe auf dieselbe eme Anzahl von unter-silurischen Fragmenten,
welche Barranpe (12) vortrefflich abgebildet, aber (nach meiner Ansicht) irrthümlich
gedeutet und mehreren verschiedenen Gattungen von Amphorideen und Üystoideen
zugetheilt hat. Es sind dies:
Il. Einzelne grosse hexagonale Kelchtafen mit granulirter Oberfläche, con-
centrischen Wachsthums-Streiten und sechsstrahligem Rippenstern, sehr ähnlich den-
jenigen vieler anderer G/yptocystiden (12, Pl. 14, Fig. 24—33). — II. Drei Frag-
mente — abgelöste Kelchdecken — mit fünf sechsstrahligen Hydrophora palmata,
welche BarranpE einer unbekannten Aristocystis zuschreibt (12, Pl. 14, Fig. 1—6).
III. Eine einzelne abgelöste Kelchplatte mit emer Hydrophore, welche (—- oftenbar
zufällig! —) in einen offenen Kelch von Craterina bohemica hinemgerathen ist (12,
Pl. 17, Fig. 7). IV. Ein einzelnes Fragment (abgelöste Kelchdecke) mit eimem voll-
ständigen Kranze von fünf sechsstrahligen Hydrophora palmata, welches einer unbe-
kannten Art von Pirocystis zugeschrieben wird (14, Pl. 29, Fig. 32—34; das andere
Fragment, Ibid. Fig. 29—31, auf welchem die fünf subtegmmalen Subvektoren
fünftheilig sind, ist auf eine unbekannte Art von G/yptocystis zu beziehen ?).
Ich habe oben bereits die Gründe entwickelt, wesshalb ich diese isolirten
Fragmente auf Glyptocystiden beziehe. (Vergl. pag. 92—94.) Die Organisation und
der Kapsel-Bau der drei Genera von Aristocystiden, auf welche Barranpe dieselben
irrthümlich bezogen hat, sind so verschieden, und von so primitiver Einfachheit,
dass ihre Verbindung mit den hoch-organisirten /ydrophora palmata mir unmöglich
erschemt (vergl. pag. 48 und Taf. II).
> BLLOrLLS mer
zur Morphologie und Phylogenie der
Echinodermen.
Die Amphorideen als die ältesten Echinodermen, ohne Ambulacren —
liefern in ihrer einfachen Organisation und in ihren primitiven Bildungsstufen den
Schlüssel des Verständnisses für die übrigen Klassen dieses Stammes, die Anthodiaten;
die ersteren besitzen für die Erkenntniss der letzteren dieselbe hohe Bedeutung, wie
die Acranier (Amphioxus) für die Vertebraten, wie die Protracheaten (Peripatus) für
die Tracheaten, wie die Promollusken (Amphineura) für die Mollusken.
Aber auch die Öystoideen, die zweite Klasse der Echinodermen, besitzen
für die Erkenntniss der Organisation und Entwickelung dieses Thier-Stammes einen
sehr hohen Werth; denn sie sind die ältesten Anthodiaten und schliessen sich
einerseits eng an ihre Amphorideen-Ahnen an, anderseits an die übrigen Anthodiaten,
mit denen sie vielfach durch Uebergangsformen verbunden erscheinen. Als solche
bedeutungsvolle konnektente Zwischen-Gruppen führen uns die Ascoeystiden zu den
Holothurien hinüber, die Cystoblastiden (Callocystiden) zu den Blastoideen,
die Glyptocystiden zu deu Crinoideen, die Agelacystiden zu den Pygocineten;
und zwar schliesst sich unter den Asterocystiden wohl Mesites am nächsten an die
Echinideen an, dagegen die Hemicystiden an die Ophiureen und Asterideen.
Im zweiten Theile meiner „‚Systematischen Phylogenie“ habe ich die Anschau-
ungen über die Stammesgeschichte der Eehinodermen, zu welchen mich die vorstehenden
Studien über Amphorideen und Cystoideen geführt haben, ausführlich dargelegt; hier
dürfte es zweekmässig sein, ganz kurz die allgemeinen Folgerungen zusammen zu
fassen, zu welchen ich dabei iber die wichtigsten „phyletischen Bildungs-
Stufen“ der einzelnen Organ-Systeme gelangt bin; ich führe nach einander
auf: 1. Das Skelet-System, 2. das Tentakel-System, 3. das Coelom-System, 4. das
Ambulacral-System, 5. das Subvektiv-System, 6. das Nerven-System und 7. das
Genital-System.
Festschrift für Gegenbaur. 20
154 Ernst HAccKEL [154
l. Phyletische Bildungs-Stufen des Skelet-Systems.
Erste Stufe: Lockeres Spieular-Skelet. Im Bindegewebe des Corium
werden zahlreiche einzelne miskroskopische Kalk-Stiicke (Spienla) abgelagert, ohne
bestimmte Anordnung und Verbindung: Die ältesten Amphorideen (Eoeystiden) und
die grosse Mehrzahl der Holothurien.
Zweite Stufe: Inkompletes Placoid-Skelet. Durch. gruppenweise
Verschmelzung kleiner Kalk-Stücke entstehen grössere Kalk-Platten, welche sich theil-
weise zu einem irregulären Pflaster zusammenlegen (ähnlich dem Placoid-Kleide vieler
); zwischen den einzelnen Pflaster-Steinen können in dem beweglichen Corium
Selachier);
grössere oder klemere Lücken bleiben: Amphoracystis und andere Amphorideen, auch
einzelne Cystoideen und Asterideen.
Dritte Stufe: Imbrikates Schuppen-Skelet. Die Kalkplatten werden
zahlreich und legen sich mit ihren Rändern dachziegelartig über einander (gleich
Fisch-Schnppen) ; doch bleibt das Tegument dehnbar und beweglich: Einzelne Amphori-
deen (Dendrocystida), viele Uystoideen (Hemicystida) und einige Holothurien (Psolida);
ferner einige Echinideen (palaeozoische Palechiniden und moderne Eehinothurien).
Vierte Stufe: Bewegliches Tabular-Skelet. Zahlreiche grössere
Kalkstücke (Stäbe, Platten) ordnen sich regelmässig, entsprechend der Bildung des
Anthodium und der Gliederung der Arme; sie verleiien dem Tegument bedeutende
Festigkeit, bleiben aber durch Gelenke oder lockere Nähte beweglich verbunden
(wenigstens in der Peripherie des Körpers): Viele Amphorideen und Cystoideen, sowie
der grösste Theil der Olenaten: Urinoideen, Ophiureen und Asterideen.
Fünfte Stufe: Starres irreguläres Kapsular-Skelet. Zahlreiche
grosse Kalk-Platten verbinden sich im grössten Theile des Tegumentes durch feste
Nähte zur Bildung einer unbeweglichen Panzer-Kapsel; dehnbar und beweglich bleibt
die Hautdecke nur in einem Theile des Anthodiums (mit dem Peristom) und im Anal-
Felde: Viele Amphorideen und Cystoideen, die meisten Blastoideen und Echinideen.
Ursprünglich zeigt dieser starre Platten-Panzer noch keine Radial- Struktur; diese
beginnt erst mit der Ausbildung des pentaradialen Anthodiums.
Sechste Stufe: Starres subreguläres Zonar-Skelet. Die festge-
fügten Panzer-Platten des irregulären Kapsular-Skelets ordnen sich regelmässig in
eme bestimmte Zahl von horizontalen Zonen (Kelch der Blastoideen und vieler
Urinoideen), oder von meridianen Platten-Reihen (Zchinideen). Die pentaradiale
Zusammensetzung dieser subregulären Panzer-Kapsel ist um so mehr ausgeprägt, je
stärker die Entwickelung und Ausbildung des fünfstrahligen Anthodiums ist. Eine
gewisse Homologie der Tafel-Kränze besteht zwischen den einzelnen Gruppen einer
jeden Klasse, aber nicht zwischen den verschiedenen Klassen der Echinodermen.
Das sogenannte „ursprüngliche Echinodermen-Skelet“, welches aus einem
Oral-System (5 interradialen Oral-Platten) und einem Apical-System (5 Basalien,
5 Radialien u. s. w.) zusammengesetzt sein, und durch den ganzen Stamm hindurch
155] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 155
homolog sein sollte (5, pag. 904—996), ist demnach nichts weniger als ursprünglich;
es ist erst spät und polyphyletisch entstanden; die scheinbaren Homologien
beruhen auf Konvergenz. Die Tafel-Kränze der Oroeineten und Pygoeineten sind
nach meiner Ueberzeugung nicht homolog (4 und 26).
Il. Phyletische Bildungs-Stufen des Tentakel-Systems,
Erste Stufe: Ein Paar laterale Tentakeln. Die ältesten Amphorideen
(die Stammform Amphoraea und die Familie der Anomoeystida) besitzen nur ein Paar
symmetrische Mundfühler, deren innerer Hohlraum mit den beiden bilateralen Hydro-
coel-Taschen (Nephridien ?) kommunizirt. Bei den skeletarmen Eoeystida blieben die
Fühler weich und eontractil, wie bei ihren Zelminthen-Ahnen. Bei den gepanzerten
Anomoeystiden dagegen verwandelten sie sich im gegliederte „Mundarme“ (Urinoideen-
ähnlich bei Pleuroeystis).
Zweite Stufe: Trinemaler Tentakel-Kranz. Zwischen den beiden
lateralen Tentakeln entsteht ein dritter unpaarer (frontaler) Mundfühler mit einem
entsprechenden Tentakel-Kanal vom Hydrocircus; Gruppe der „triradialen‘“ Am-
phorideen (Zocystis, Arachnocystis ete.). Bei den nächstverwandten Citrocystida (Behino-
sphaera, Citrocystis) spalten sich die beiden lateralen Tentakeln in zwei Gabeläste,
während der frontale einfach bleibt.
Dritte Stufe: Pentanemaler Tentakel-Kranz. Der triradiale Fühler-
kranz verwandelt sich in den pentaradialen, indem die Gabeltheilung der beiden
lateralen Tentakeln bis zur Basis geht; oder auch: zwischen den beiden primären
lateralen und dem unpaaren frontalen Tentakel wachsen ein Paar pectorale Mund-
fiihler hervor, mit entsprechenden Ausläufern des Hydrocircus; die bedeutungsvolle
Stufe der pentanemalen Amphorideen: Pentactaea, Palaeoeystis etc. Jetzt ist diejenige
phylogenetische Bildungsstufe erreicht, welche in der Pentactula-Larve der meisten
Anthodiaten durch Vererbung wiederholt wird.
Vierte Stufe: Polynemaler Tentakel-Kranz. Die Zahl der Mund-
fühler wird vermehrt, indem zwischen den fünf Prömär- Tentakeln mehrere Sekundär-
Tentakel hervorsprossen, oder indem die ersteren sich verästeln und die Basal- Aeste
selbstständig werden; so bei den polynemalen Amphorideen und bei den meisten Holo-
thurien. Als wichtige Multiplikations-Stufen smd hier besonders zu unterscheiden;
das Pentadecal-Stadium (mit 15) und das Pentapalmar-Stadium (mit 25 Ten-
takeln; vergl. pag. 63 und 151).
Fünfte Stufe: Bildung der Thecal- Tentakeln. Die fünf Primär-
Tentakeln entfernen sich centrifugal vom Munde (in Folge von Peristom-Wachsthum)
und wandern auf die Ventral-Fläche der Theca hinüber; so entstehen gleichzeitig mit
den fünf exodermalen Subvektoren die fünf entodermalen, unter diesen gelegenen
Prinzipal-Kanäle, die perradialen „Haupt-Wassergefässe‘“. Die Bildung derselben
beginnt bei den ältesten Cystoideen (— Pomoeystiden, Fungoeystiden —) und überträgt
20*
156 ERNST HAECKEL 1 56
sich von diesen durch Vererbung auf alle Anthodiaten. bei der grossen Mehrzalıl
der Anthodiaten wird die Zahl der Thecal-Tentakeln sehr gross, und sie ordnen sich
regelmässig in Radial-Reihen. Die ursprünglichen fünf Primär-Tentakeln bleiben
meistens am Distal-Ende dieser Reihen als Terminal-Tentakeln bestehen. (Rück-
bildung der Thecal-Tentakeln findet sich bei mehreren Holothurien-Gruppen (Epedata).
Sechste Stufe: Bildung der Ambulacral-Füsschen. Während bei den
älteren festsitzenden Anthodiaten (Cystoideen, Blastoideen, Crinoideen) die Thecal-
Tentakeln den Charakter der ursprünglichen Oral-Tentakeln behalten und als Organe
des Tastsinnes, der Respiration und Mandukation dienen, verwandeln sich dieselben
später dureh Anpassung an freie Ortsbewegung in lokomotorische Saugfüsschen, mit
terminaler Saugscheibe (Holotlurien, Echinideen, Asterideen).
III. Phyletische Bildungs-Stufen des Coelom-Systems.
Erste Stufe: Aus dem Mitteldarm (Magen) der bilateralen Vermalien-Ahnen
(Astrelminthen) wachsen ein Paar symmetrische Coelom-Taschen hervor (Gonaden).
Bei den ursprünglichen coelenterischen Ahnen kommunizirten dieselben noch mit
dem Darmkanal (wie bei Medusen); bei den späteren Platoden-Ahnen (Turbellarien)
hatten sie sich ganz vom Darm abgeschnürt.
Zweite Stufe: Die beiden einfachen Coelom-Taschen, welche durch ein Paar
Gonoporen nach aussen münden, zerfallen durch eme transversale Striktur in eine
vordere Exkretions-Drüse (Nephridium) und eine hintere Geschlechts-Drüse
(Gonade).
Dritte Stufe: Indem die beiden lateralen Geschlechts-Taschen sich aufblähen
und die Produktion der Geschlechtszellen sich auf einen Theil ihrer Wand beschränkt,
entstehen em Paar geräumige Leibeshöhlen, getrennt durch em medianes (dorsales
und ventrales) Mesenterium; indem ferner das ventrale Mesenterium resorbirt wird,
fliessen sie zu einem einfachen Megacoel zusammen.
Vierte Stufe: Die beiden symmetrischen Nephridien erlitten eine sehr ver-
schiedene Ausbildung, sobald die Anpassung der frei schwimmenden Astrelmmthen-
Ahnen an festsitzende Lebensweise erfolgte. Da die Anheftung auf dem Meeresboden
mit der rechten Seite der Rückenfläche asymmetrisch erfolgte, wurde das rechte
Nephridium rückgebildet (— oder verwandelte sich eine „Klebdrüse‘“ zur
Insertion, ähnlich der „‚Fussdrüsse‘“ von Loxosoma etc. —?). Das linke Nephridium
dagegen wurde zum Hydrocoel, indem das Exkret desselben (— oder das von
aussen aufgenommene Wasser —) in die eircoralen Tentakeln eingetrieben und zu
deren Schwellung benutzt wurde (ähnlich wie bei Pleuropygiern).
Fünfte Stufe: Sekundäre Differenzirungen des Megacoel bei
den Pentorchonien. Während die definitive Leibeshöhle bei den Monorchonien einfach
bleibt und keinen Paraxon-Sinus bildet, spalten sich bei den Pentorchonien von ihr
verschiedene Sinus und Nebenkammern ab; unter diesen ist der wichtigste der asym-
AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 157
metrische Paraxon-Sinus, welcher den Steinkanal und die Paraxon-Drüse (Herz,
Niere, Axial-Organ) sowohl bei den Orocincten als Pygocineten einschliesst.
IV. Phyletische Bildungs-Stufen des Ambulacral-Systems.
Erste Stufe: Primitives Hydrokanal-System der Amphoralien,
der älteren bilateralen Amphorideen. Die Bildung des Ambulacral-Systems beschränkt
sich auf ein Paar laterale Hydrocoel-Taschen (früher Nephridien); diese münden nach
aussen durch ein Paar dorsale (oder laterale?) Hydroporen und setzen sich nach
vorn in die beiden lateralen Mundfühler fort; anfänglich getrennt, verbinden sich
beide Hydrocoel-Kanäle später unter dem Schlunde durch eine Quer-Kommissur und
bilden einen ventralen (dorsal oftenen) „hufeisenförmigen“ Hydrocoel-Bogen (Amphoraea,
Anomoeystida ?).
Zweite Stufe: Circorales Hydrokanal-System der Amphoronien,
der jüngeren, trinemalen und pentanemalen Amphorideen. Indem die frei beweglichen
Amphoralien sich mit der rechten Dorsal-Seite festsetzen und die Axotorsion des
Peristoms nach links und oben erfolgt, wird das rechte Hydrocoel rückgebildet (oder
in eine Klebdrüse zur Insertion verwandelt?); das linke Hydrocoel entwickelt sich
stärker und wird zum Steinkanal (/ydroduectus), seine dermale Oeftnung bleibt als
Hydroporus bestehen (später Madreporit); indem sich zwischen den beiden primären
Tentakeln ein oder mehrere sekundäre entwickeln, erhalten diese entsprechende
Tentakel-Kanäle vom Hydrocoel-Bogen.
Dritte Stufe: Bildung des Hydrocircus. Mit der stärkeren Ent-
wickelung des circoralen Tentakel-Kranzes (innerhalb der Amphorideen-Klasse) dehnen
sich auch die inneren Tentakel-Kanäle aus, sowie der „hufeisenförmige‘“ Hydrocoel-
Bogen, welcher dieselben auf der Bauchseite des Schlundes verbindet; indem die
beiden Schenkel dieses Bogens über dem Schlund auf der Rückenseite verwachsen
und anastomosiren, entsteht der geschlossene „Wassergefäss-Ring“ (Hydrocireus).
Vierte Stufe: Prinzipal-Kanäle der Anthodiaten. Indem die
fünf Primär-Tentakeln der Pentactaea ihre centrifugale Wanderung nach dem Aboral-
Ende der Theca beginnen und an deren Oberfläche die Subvektoren ausbilden,
entstehen gleichzeitig unterhalb dieser „Zufuhr-Rinnen“ die sie stets begleitenden
„Radial- Kanäle“
genannten Hauptröhren des thecalen Hydrokanal-Systems —). Die Seiten-
perradlialen Prinzipal- Kanäle (— die gewöhnlich schlechtweg
Aeste derselben gehen zu den thecalen Tentakeln oder Füsschen.
Fünfte Stufe: Ampullen-Bildungen der vagilen Authodiaten. Die
Ambulacral-Tentakeln, welche ursprünglich bei den festsitzenden Anthodiaten (Cystor-
deen, Blastoideen, Crinoideen) nur als Organe des Tastsinnes, der Respiration und
Mandukation dienten, verwandeln sich bei den frei beweglichen Anthodiaten in loko-
motorische Saugfüsschen, und zur Schwellung derselben entwickeln sich innere
Ampullen (Holothurien, Echinideen, Asterideen).
158 Ernst HAECcKEL [158
V. Phyletische Bildungs-Stufen des Subvektiv-Systems.
Erste Stufe: Circorale Subvektakeln. Die Bildung des Subvektiv-
Systems beschränkt sich auf Flimmer-Bänder oder Flimmer-Rinnen an der Ventral-
Seite der Mundfühler (oder Mundarme) und deren Aeste; diese Subvektakeln führen
direkt die Nahrung dem Munde zu; thecale Subvektoren fehlen noch ganz: Amphoridea.
Zweite Stufe: Offene Subvektoren. Indem die Primär-Tentakeln
(in Folge von Peristom-Wachsthum) sich vom Munde entfernen und centrifugal auf
die Theca himüberwandern, entstehen an deren Ventral-Fläche oftene Nahrungs-
Furchen oder Zufuhr-Rinnen, perradiale Subvektoren: Die meisten Cystoideen und
Blastoideen, die Epascocrinen unter den Urinoideen. Bei den letztern, wie bei allen
‚Asterideen, bleiben diese oftenen „Ambulacral-Rinnen“ auf die Ventral-Seite
beschränkt.
Dritte Stufe: Geschlossene Subvektoren: Die offenen Zufuhr-Rinnen
werden vom Tegument überwachsen und in geschlossene „subtegminale Ambulacral-
Röhren“ oder Epineural-Kanäle verwandelt: Die Glyptocystiden unter den
Cystoideen, die Hypascocrinen unter den Crinoideen, die Holothurien, Echinideen und
Ophiureen der Gegenwart.
Vierte Stufe: Ventrale Anthodien: Die oftenen Subvektoren verästeln
sich. und treten in enge Korrelation zu den darunter gelegenen Seitenästen der
getiederten Prinzipal-Kanäle des Ambulacral-Systems; aus dem Ende jedes Seiten-
Astes erhebt sich ein Thecal-Tentakel (bei den sessilen) oder ein Füsschen (bei den
vagilen Anthodiaten). Die fünf so entstandenen Ambulacren bilden zusammen
das Anthodium oder die „Ambulacral-Rosette“. Dieselbe bleibt auf die Ventral-Seite
der Theca beschränkt bei den meisten (ystoideen und Blastoideen, bei allen Crinoideen,
Ophiureen und Asterideen.
Fünfte Stufe: Komplete Anthodien: Die Ambulacren bleiben nicht
auf die Ventral-Seite des Körpers beschränkt, sondern wandern auf die Dorsal-Seite
hinüber, so dass bloss ein kleines Apicalfeld von ihnen frei bleibt; sie umfassen die
Theca in Form von finf Meridian-Bändern. Diese Ausdehnung tritt schon bei
eimigen (ystoideen auf (Fungocystiden, Mesites, Callocystiden, Ascocystiden); ebenso bei
einigen Blastoideen (Granatoerinus); sie ist allgemein und vollständig in den beiden
Klassen der Eechinideen und Holothurien; unter den letzteren verschwinden jedoch die
Anthodien in mehreren Gruppen durch Rückbildung (bei den Paractinoten und
Molpadonien).
Sechste Stufe: Amphipleure Anthodien: Die fünf Ambulaeren, die
ursprünglich gleich und regulär sind, differenziren sich dergestalt, dass sie ein
bilaterales Trivium und Bivium bilden: bei den sogenannten „irregulären“
Holothurien, Blastoideen und Eehinideen. Diese amphipleuren Anthodien sind poly-
phyletisch, im den drei Klassen unabhängig von einander entstanden; bei den
bilateralen Holothurien ist das Trivium ventral, das Bivium dorsal; bei den irregu-
159] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 159
lären Echinideen und Blastoideen hingegen ist das Trivium frontal, das Bivium
posteral; ähnlich auch bei einigen Cystoideen.
VI. Phyletische Bildungs-Stufen des Nerven-Systems.
Erste Stufe: Bilaterales Nerven-System der Amphoralien. Das
Nerven-Üentrum bildet anfangs eine dorsale Scheitelplatte (Acroganglion), später einen
circoralen Nervenring, welcher um den Mund herum in der Epidermis liegt; von
diesem gehen ein Paar laterale Aeste nach vorn an die beiden Tentakeln, em Paar
andere nach hinten an die „Seitenlinien‘ der Theca: Amphoraea, Anomocystida. Das
Nerven-System hat noch die ursprüngliche bilaterale Bildung der Helminthen-Ahnen
(Platodarien, Rotatorien) beibehalten.
Zweite Stufe: Circoraler Nerven-Kranz der Amphoronien. Indem
zu den beiden lateralen Primär-Tentakeln der Amphoralien noch ein oder mehrere
andere hinzu treten, wird auch entsprechend die Zahl der Tentakel-Nerven vermehrt,
welche vom circoralen Nervenring an die Mundfiühler gehen. Die trinemalen
Arachnocystida (und Eoeystis) haben drei, die pentanemalen Palaeoeystida (und
Pentactaea) fünf Fühler-Nerven u. s. w.
Dritte Stufe: Superfiziale Ambulacral - Nerven der niederen
Anthodiaten. Mit der Entwickelung der thecalen Ambulacren, ihrer Subvektoren
und Prinzipal-Kanäle, geht Hand in Hand die Ausbildung der ambulacralen Nerven-
stimme, welche vom Mundringe abgehen und perradial in den Median-Linien der
Ambulaeral-Felder verlaufen. Ursprünglich liegen diese Prinzipal-Nerven ganz
oberflächlich in der Epidermis, so wohl bei den meisten Cystoideen und Blastoideen;
ferner bei den Epascoerinen unter den Urinoideen, und bei allen Asterideen.
Vierte Stufe: Subtegminale Ambulacral-Nerven der höheren
Anthodiaten. Indem die parallelen Hautränder der offenen Subvektoren sich
nähern und verwachsen (— ähnlich den Medullar-Wülsten der Vertebraten —), ver-
wandeln sich die offenen Ambulacral-Rinnen des Anthodiums in geschlossene
„Epineural-Kanäle“; eleichzeitig sinken die perradialen Ambulacral-Nerven,
welche oberflächlich in jenen Subvektiv-Rinnen lagen, in die Tiefe und verlaufen
nun als subtegminale Prinzipal-Nerven unter den Epineural-Kanälen (— die G/ypto-
eystiden und Ascoeystiden unter den Öystoideen, die Hypascoerinen unter den Örinoideen,
alle Holothurien, Echinideen und Ophiureen der Gegenwart.
Fünfte Stufe: Apicales Nerven-System der Pentorehonien. Während
das ambulacrale oder orale Nerven-System der Monorchonien eine relativ einfache
3ildung zeigt und allein den Körper versorgt, tritt zu demselben bei den Pentorchonien
noch ein besonderes apicales oder aborales Nerven-System, welches sich aus dem
Coelom-Epithel entwiekeln soll (2). Dasselbe versorgt die Dorsal-Seite des Körpers
(besonders die Gonaden) und scheint ein Centrum im Paraxon-Komplex zu
besitzen. Am stärksten entwickelt ist das apicale Nerven-System bei den Crinoideen,
160 Ernst HAEcKEL [160
wo von dem paraxonen Nerven-Üentrum fünf starke perradiale Nerven-Stämme in
die Axen-Kanäle der Arme gehen und in alle ihre Verästelungen (bis in die letzten
Glieder der Pinnulae) emdringen.
VII, Phyletische Bildungs-Stufen des Genital-Systems.
Erste Stufe: Monorchonia: Die drei Klassen der Amphorideen, Holo-
thurien und Cystoideen. Es sind nur ein Paar laterale Gonaden vorhanden,
welche im Coelom zu beiden Seiten des unpaaren Dorsal-Mesenterium liegen; ihr
gemeinsamer Ausführgang (Gonoduetus) ist im diesem eingeschlossen und verläuft
nach aussen zum Tegument, wo er sich durch einen einfachen Gonoporus öffnet. (Bei
einer Gruppe der Holothurien, den Aspidochiroten, ist meistens nur die linke Gonade
entwickelt, die rechte rückgebildet).
Zweite Stufe: Uebergang von den Monorchonien zu den Pentor-
chonien, bei einem Theile der CUystoideen. In Folge der Ausdehnung der fünf Ambu-
lacren und der dadurch veränderten Korrelationen der übrigen Organe zerfällt das
einfache Gonaden-Paar in fünf Paare, welche durch einen Genital-Ring an
einem Ende des Gonoduetus zusammenhängen; dieser letztere verwandelt sich (durch
Arbeitswechsel) in die Paraxon-Drüse, während fünf (oder fünfmal x) neue Gono-
poren zur Entleerung der Gonaden entstehen. Zweifach verschieden verhalten sich
darin die Oroeineten und die Pygoeincten.
Dritte Stufe: Pentorchonia orocincta: sessile Pentorchonien, deren Mund
nach oben gekehrt ist und deren Gonaden sich hier oben an der Ventral-Fläche
entwiekeln. Vom Oral-Pol der Paraxon-Drüse geht ein circoraler Genital-Ring ab,
der den Mund umgiebt, und von dem fünf perradiale Stolonen auslaufen. Die
Gabeläste der letzteren verhalten sich zweifach verschieden in den beiden Klassen
der Pentorchonien; bei den Blastoideen gehen sie an zehn adradiale, im Kelch
gelegene Gonaden, die sich durch zehn ventrale (meist cireorale) Spalten öffnen; bei
den COrinoideen dagegen gehen sie aus dem Kelch heraus auf die Ventral-Fläche der
freien Arme und ihrer Aeste; baumförmig sich verästelnd, erzeugen die Genital-
Stränge erst in den Aesten oder Pinnulae die Geschlechts-Produkte, die direkt nach
aussen entleert werden.
Vierte Stufe: Pentorehonia pygocineta: vagile Pentorchonien, die auf
der Bauchfläche kriechen und deren Mund nach unten gekehrt ist; die Gonaden ent-
wickeln sich an der oberen Seite, auf der Dorsal-Fläche Hier liegt am Aboral-Pol
ein periproetaler Genital-Ring, von welchem fünf interradiale Stolonen abgehen.
Diese verhalten sich in den drei Klassen der Pygoeineten verschieden: sie gehen bei
den Echinideen divekt an fünf interradiale Gonaden, welche sich durch fünf dorsale
Genital-Platten öffnen ; bei den Ophiureen gehen sie an zehn adradiale Geschlechtsdrüsen,
die sich in zehn perigastrale Bursal- Taschen entleeren und durch deren ventrale
Bursal-Spalten nach aussen; bei den Asterideen wachsen die fünf Paar interradialen
Gonaden in die Arme hinein und öffnen sich in verschiedener Weise.
161] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 161
Ursprung und Verwandtschaft der Echinodermen.
Die allgemeine Ansicht der Zoologen iiber die Stellung der Eehinodermen im
Systeme des Thierreiches geht noch heute, wie vor fünfzig Jahren, dahin, dass diese
Hauptgruppe scharf umschrieben und ganz isolivrt dasteht, und dass keine Ueber-
gangsformen zu anderen Thierstämmen existiren. Neumark hat dieser herrschenden
Auffassung noch neuerdings den schärfsten Ausdruck gegeben, imdem er sagte, es
gebe nicht ein einziges Vorkommen unter den Echinodermen, über dessen Stellung
in diesem Typus sich nur das geringste Bedenken erheben könnte (8, pag. 350).
Die genauere Untersuchung und Vergleichung der Amphorideen hat diese allgemein
angenommene Ansicht widerlegt; denn diese älteste Klasse besitzt noch nicht einmal
die Ambulaeren, deren Ausbildung bisher für den Begriff der Eehinodermen unentbehrlich
erschien. Bei den Anomocystiden dürfen wir fragen, wesshalb sie eigentlich als
Echinodermen betrachtet werden; denn ihr bilateraler Platten-Panzer zeigt keine Spur
von radialem Bau, und die mikroskopische Untersuchung desselben hat in den dünnen
Panzer-Platten nicht jene charakteristische Gitter-Struktur erkennen lassen, welche
sonst allen ächten Echmodermen zukommt (vergl. Woopwarn, 26, page. 10). Man
könnte diese merkwürdigen, Urustaceen ähnlichen Amphoralien eher für gepanzerte
Helminthen halten, aus jener Gruppe der Vermalien, zu welcher auch die hypo-
thetischen Würmer-Ahnen der Eehinodermen nach unserer Ansicht «gehört haben.
Jomasses Warner hat schon vor zehn Jahren auf die hohe Bedeutung hingewiesen,
welche die bilaterale unter-silurische Atelocystis, wenn auch nicht als direkte Stamm-
form der pentaradialen C'ystoideen und Orinoideen, doch als nahe Verwandte dieser Stamm-
form besitzt (21, pag. 193). Die Berechtigung dieser Auffassung, welche Neumark
bezweifelte. (8, pag. 413), wurde durch neuere Funde von cambrischen Placoeystiden
(Trochoeystis, Mitroeystis ete.) bestätigt. Wir haben keinen Grund für die Annahme,
dass diese bilateralen Anomoeystiden von pentaradialen Vorfahren abstammen. Wir
leiten «dieselben vielmehr direkt ab von cambrischen bilateralen Eoeystiden, von
der Stammform Amphoraea. Die eigenthümliche Pleuroeystis ist die einzige Gattung
dieser Familie, welche in der Bildung der geeliederten paarigen Arme und in dem
Besitze von drei Paar Kamm-Rauten (?) einige Aehnlichkeit mit anderen Eehino-
dermen (G/yptocystiden?) besitzt.
Dass uns die vergleichende Ontogenie berechtigt, die Echimodermen
jedenfalls von niederen Helmmthen, von irgend einer älteren Gruppe der „bilateralen
wurmartigen Organismen“ abzuleiten, habe ich schon vor dreissig Jahren zu zeigen
mich bemüht (3). Nicht nur die äussere Gestalt der bilateralen Larven und ihrer
Vibrissen, sondern auch ihr wesentlicher innerer Körperbau sind bei Echinodermen
und Vermalien so ähnlich, dass man sie früher überhaupt nicht unterschieden hatte.
Selbst der klar blickende Jonaxses Mürrer, der zuerst den ontogenetischen Zusammen-
hang zwischen den bilateralen Pluteus-Larven und den pentaradialen Astrozoen der
Ophiureen und Echimideen aufdeckte, hielt noch Tornaria für eine ächte Echmodermen-
Larve; ihr Zusammenhang mit den Enteropneusten (Dalanoglossıs) wurde erst
Festschrift für Gegenbaur. 21
162 Ernst HAECcKEL 1162
viel später entdeckt. Auch Aetinotrocha, die Larve von Phoronis, wurde emmal zu
den Eehmodermen gestellt. Trotzdem wollen noch jetzt viele Autoren jene nahe und
innige Verwandtschaft nicht anerkennen; so sagen z. B. Korsenerr und Heer (1890,
45, pag. 306): „Mit der Frage, welcher Art wohl die bilateralen Vorfahren der
radıären Stammform gewesen sein mögen, stehen wir vollkommen in der Luft; die
Ontogenie giebt keine Antwort auf diese Frage.“
Nach meiner Ansicht können die Dipleurula-Larven der Echinodermen den
ächten Vermalien ohne Bedenken angeschlossen werden; die rein bilaterale Körper-
form und der circorale Flimmerkranz sind in beiden Stämmen dieselben, ebenso der
mediane einfache Darm mit den beiden ventralen Oeffnungen, dem vorderen Mund und
dem hinteren After. Neuerdings ist sogar bei einzelnen Astrolarven von Semox u. A.
ein primäres Nerven-System gefunden worden, welches ganz demjenigen mancher
Würmer-Larven gleicht: eine Scheitel - Platte (Acroganelion) und ein Paar laterale
Nervenstämme. Welcher Unterschied besteht überhaupt zwischen den einfachsten
Formen der Astrolarven (Scaphularia, Auricularia) und den mesotrochen Larven
mancher Würmer (Chaetopteriden, Capitelliden)?
Die wesentliche Uebereinstimmung der Organisation m den bilateralen Dipleu-
rula-Larven der Echinodermen und den ähnlichen Larven vieler Vermalien berechtigt
uns aber nicht nur, die ersteren von einem Zweige der letzteren abzuleiten, sondern
auch über den Körperbau einer gemeinsamen älteren Ahnen-Form beider Gruppen
uns bestimmte Vorstellungen zu machen. Als solche betrachte ich vor Allen die
Klasse der Rotatorien. Mit demselben Rechte, mit welchem viele neuere Zoologen
die Trochophora-Larven von Helminthen und Anneliden, die Veliger- Larven von
Mollusken u. s. w. als palingenetische Schattenbilder von uralten Räderthier- Ahnen
dieser Gruppen ansehen, mit demselben Rechte betrachten wir als solche die Dipleurula-
Larven der Echinodermen.
Echinodermen und Rotatorien. Als charakteristische Merkmale der
Organisation, welche den Dipleurula-Larven der Echmodermen und den heutigen
Rotatorien (— als verkimmerten Ueberresten ihrer Trochozoen-Ahnen —) gemeinsam
sind, betrachte ich folgende: 1. Die bilateral-symmetrische Körperform, 2. die eircorale
Flimmerschnur (Vibrissa), 3. den dreitheiligen Darm mit Mund und After, 4. das
primitive Nerven-System (Scheitel-Platte). Dazu kommen noch bei einzelnen Rotatorien
besondere Bildungen, welche auftallende Aehnlichkeit (— wenn auch nur durch
Konvergenz —) mit entsprechenden Organen mancher Astrolarven besitzen. Das
Räder-Organ von Noteus quadricornis (Tat. V, Fig. 9), dessen getäfelter Ricken-
Panzer an denjenigen der Anomocystiden erinnert (Taf. I, Fig. 1—16), ist in drei
Wimper-Lappen gespalten, einen unpaaren frontalen und zwei paarige laterale; ihre
.Lage gleicht derjenigen der drei Mundfühler von Kocystis (Taf. V, Fig. 11) und von
trinemalen Palaeoeystiden (Arachnoeystis, Tat. I, Fig. 1). Stephanoceros Eichhornii
hat sogar einen cireoralen Kranz von fünf langen wimpernden Tentakeln, wie wir
ihn bei Pentactaea voraussetzen (Taf. V, Fie. 12) und bei Palaeocystis weiter
entwickelt finden (Taf. I, Fig. 5). Diese pentanemalen, sowie viele andere Rotatorien
163] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 163
tragen hinten einen Schwanz-Anhang, der zur zeitweiligen oder bleibenden Anheftung
dienen kann, wie bei vielen Amphorideen und Cystoideen. Hier und dort findet sich
sogar oft die gleiche eigenthümliche Einrichtung, dass die einzelnen Röhren-Sticke
des gegliederten Schwanzes in einander geschoben werden können, gleich den Sticken
eines Fernrohrs, so bei Calloeystiden, Glyptocystiden u. A. (vergl. Tat. III, Fig. 1-26).
Eehinodermen und Bryozoen. Nächst den Aotatorien sind es vewisse,
diesen nahe verwandte Bryozoen, bei denen wir morphologische Beziehungen zu
Astrolarven tinden, und zwar besonders zu der festsitzenden Pentactula-Larve.
Namentlich schemt mir Loxosoma singulare, mit emem Kranze von zehn eircoralen
Tentakeln, und einer schiefen Mundscheibe, von Interesse für die Veränderungen,
welche eine bilaterale Vermalien-Form durch Anpassung an festsitzende Lebensweise
erfährt (Taf. V, Fie. 13). Die hohlen, aussen und innen flimmernden Tentakeln
werden allerdings bei den Dryozoen direkt vom Coelom aus mit Lymphe gefüllt, bei
den Amphorideen dagegen vom Hydrocircus aus; allem auch der letztere führt seinen
Ursprung auf das Coelom zurück. Noch näher als diese Bryozoa endoprocta
(Loxosoma, Pedicellina) scheinen den Echinodermen die Pterobranchia zu stehen:
Cephalodiseus, Rhabdopleura (5. pag. 1191-1197). Die eigenthimlichen Coelom-
Bildungen derselben sind besonders wichtig. Der sagittale Längsschnitt durch Cephalo-
discus (5, pag. 1193, Fig. 851) entspricht im Ganzen dem hypothetischen Bilde,
das wir uns von dem Median-Schnitt einer Amphoridee machen können. Auf der
nach oben gekehrten Ventral-Fläche liegen dicht hinter einander vier Oeffnungen:
1. der Mund, umgeben von einem Tentakel-Kranz, 2. die „Eichelpforte“*, die äussere
Oetfnung des Eichel-Coeloms, 3. der Gonoporus, 4. der After. Wenn wir das
unpaare „Eichel-Coelom* (-— welches demjenigen von Balanoglossus homologisirt
wird —) mit dem Hydrocoel der Amphorideen, und seine Oetlnung, die Eichelpforte,
mit dem Hydroporus der letzteren vergleichen, ist die Lage der vier Ostien dieselbe
wie bei Aristoeystis (Tat. IL, Fig. 17, 15). Da anderseits Cephalodiscus und Rhabdo-
pleura auch den Enteropneusten nahe zu stehen scheinen, und diese wiederum
den Ascidien. so kann man diese vereinzelten Ueberreste uralter Helminthen-Stämme
als abgerissene Aestchen eines mächtigen und vielverzweigten Baumes betrachten, aus
welchem zwei divergente Hauptstämme hervorgingen, einerseits die Eehinodermen
(Amphorideen), anderseits die Chordonien (Tunicaten und Vertebraten).
Eehinodermen und Chordonien. Die entfernte Verwandtschaft zwischen
den Sternthieren und den scheinbar ganz verschiedenen Chordathieren wird nicht
allen durch die eben erwähnten Beziehungen beider Stämme zu den Entero-
pneusten angedeutet, sondern auch durch andere Uebereinstimmungen; und zwar
gilt dies für beide Hauptgruppen der Chordonien, für die Mantelthiere und die
Wirbelthiere. Unter den Tunicaten sind es die Ascidien, welche beim Uebergange
von der frei schwimmenden zur festsitzenden Lebensweise ganz ähnliche Umbildungen
erfahren, wie die Amphorideen und CUystoideen. Hier wie dort liegen die beiden Darm-
Oeffinungen bei der planktonischen Larve weit entfernt unten auf der Bauchseite, bei
dem benthonischen sessilen Reifethier dagegen nahe bei einander auf dem Scheitel.
2
164 Ersst HAECKEL [164
System der Echinodermen.
| Charakter der Sub- Subklassen oder
klassen. Legionen.
Cladome, Klassen.
I. Cladom:
Monorchonia 1. Amphoridea. Theca bilateral, frei, dorso- [1 A. Amphoralia
(Noneincta). Anthodium fehlt ganz. ventral differenzirt. | (Archamphoria).
cn Siehe Ambulaeren und Sub- |\ Theca monaxon, sessil, nicht |1 B. Amphoronia
Paar), mit unpaarem vektoren fehlen. dorso-ventral differenzirt. || (Uystamphorta).
dorsalen Gonoduetus. 2, Holothurea. Orale Tentakel-Kanäle aus [2 A. Paraetinota
nn a Anthodium komplet. Kein | dem Hydrocireus. | (Parholothuria).
ee, Platten-Panzer. Subvek- |'Orale Tentakel-Kanäle aus [2 B. Actinopoda
Dtolo ganz. toren geschlossen. | den Prinzipal- Kanälen | (Autholothuria).
Thecozoa. | | entspringend,. |
3. Cystoidea. \(Theca - Panzer mit zabl- [3 A. Mieroplacta
Antihodknsaninal, lkiken- reichen kleinen Platten || (Eueystidea).
Panzer meist starr. Sub- (40—80 und mehr).
vektoren meist offen. |Theca-Panzer mit wenigen [3 B. Megaplaeta
| grossen Tafeln (13—20). | (Pareystidea).
II. Cladom: |
ent | 4. Blastoidea. | ae vegulär- penta- (1 A. Eublastoida”
; Anthodium ventral, Stern- radial; alle 5 Ambulaera | (Pentremitarıa)
Gonaden fünffach (fünf | arme fehlen. Panzer- gleich
oder 5 X x Paare). || Kapsel starr, Subvek- |Anthodium amphipleurisch (4 B. Parblastoida
5 Genital - Stolonen || toren meist geschlossen. | (bilateral). Frontal-Am- | (Astrocrinarla).
perradial, ventral. bulacrum verschieden. |
Paraxon- Drüse mit eirco-
|
|
|
|
|
5. Urinoidea. \(Theca mit Anal - Tafeln, [5 A. Palaerinida
ralem Genital-Sinus. |
Festsitzend auf der,|Anthodium ventral, Stern- stärker als die Arme ent- \ (Tessellata).
Rückenfläche, Mund Arme gegliedert. Panzer- || W ickelt.
oben. Kapsel dorsal starr, ven- 'Theea ohne Anal-Tafeln, (5 B. Neverinida
Pelnatozonl tral dehnbar. Subvek-|| schwächer als die Arme \ (Artieulata).
‚| toren bald offen, bald | entwickelt.
| geschlossen. |
|
|
| |
III. Cladom: | | |
Pentorchonia 6. Echinidea. Theea mit zahlreichen (25 [6 A. Palechinida
(Pygoeineta). | Keine komplet, Stern- bis 75) ee \ (Palechinoidea).
Gonaden fünffach (5|| Arme fehlen. Panzer- von Panzer-Platten.
oder 5 X x Paare). || Kapsel starr. Subvek- Theca stets mit 20 Meri- [6 B. Autechinida
5 Genital - Stolonen || toren geschlossen. | dian-Reihen von Panzer- || (Evechinoidea).
| |
interradial, dorsal.
Platten (in 10 Paaren). |
Paraxon-Drüse mit peri- |
7. Ophiurea. Halbwirbel der Arme ge- (7A. Palophiura
en a Anthodium ventral, Stern- trennt, stabförmig. \ (Palaeophiuroidea).
Enfder Bauehlache| Arme gegliedert. Platten- !Halbwirbel der Arme ver- IK B. Colophiura
Mrd unten: Panzer beweglich. Sub- I schmolzen zu Vollwirbeln. | (Autophiuroidea).
N vektoren geschlossen. | |
| 8. Asteridea. '[Ambulacral - Platten der| 18 A. Palasterida
\|Anthodium ventral, er! Arme alternal. (Enerinasteria).
| Arme gegliedert. Platten- || Ambulacral - Platten der |[8 3B. Colasterida
|| Panzer beweglich. Sub- | Arme konjugal (paar- || (Evonasterta).
vektoren offen. \| weise gegenüberstehend). |
165]
AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN.
165
Stammbaum der Echinodermen.
PENTORCHONIA OROCINCTA.
5 3 Colasterida.
5. Crinoidea.
Neocrinida. R
4. Blastoidea.
Eublastoida.
Palasterida.
Palacrinida. Parblastoida.
Cystoblastida.
Glyptocystida.
Callocystida.
3. Cystoidea.
Eucystidea.
(Microplacta).
Parcystidea.
(Megaplacta).
"ungocystida.
N stıda.
1B. Amphoronia.
(AMPHORIDEA MONAXONIA).
Palaeoeystida. | ites.
Aristoeystida.
ar
Piroeyktida.
Pentact
Progenitor Astronium communis. =+
Notocardia. ze nthes.
Sn
rticulata.
Rotatoria.
Vermlalia.
(Helminthes).
Turbellaria.
Palophiura.
Hemicystida.
Agelaeystida.
Amph ie
Roötatoria.
PENTORCHONIA PYGOCINCTA.
"8. Asteridea.
6. Echinidea.
Autechinida.
7. Ophiurea.
Colophiura.
Be:
Cystechinida.
2. Thuroidea.
(HoLOTHUREA).
Asteroeystida.
Mesites.
Paraetinota.
E
Be:
1A. Amphoralia.
(AMPHORIDEA BILATERALIA).
Anomocystida.
Eoeystida.
+= Confinium Echinodermatum et Vermalium.
Chordonia.
DZ Voss
Vertebrata.
Tunicata.
=> (Stammgrupps aller Coelomarien).
=- (Stammgrupps aller Bilaterien).
Gastra&ades. => (Stammgruppe aller Metazoen).
Gastraea.
166 Ernst HAECKEL [166
Manche Ascidien tragen um die Mundöftfnung auch einen ähnlichen Kranz
von radiären Tentakeln, und andere an beiden Darm-Oeftnungen eine Klappen-
Pyramide, die ganz derjenigen vieler Monorchonien gleicht. Sehr ähnlich der bila-
teralen gepanzerten Holothurien-Form P’solus verhält sich namentlich Chelyosoma (Taf. V,
Fig. 8); bei dieser Ascidie sind die Tafeln des beweglichen Panzers ganz ähnlich
zusammengenäht, wie bei vielen Amphorideen und (Cystoideen mit „Poren -Rauten.*
Den Vertebraten nähern sich die Eehinodermen vor allem durch die eigen-
thümliehe Skeletbildung; sie sind fast die einzigen Wirbellosen, welche gleich
jenen Kalk in grösserer Menge im Corium ablagern und durch Verbindung dieser
Kalktateln ein dermales Tafel-Skelet herstellen. Die Placoid-Schuppen der Fische
und die Panzer-Platten der Stegocephalen haben unter allen übrigen Skelet-Bildungen
die meiste Aehnlichkeit mit dem Haut-Panzer der Echinodermen; sogar die mikro-
skopische Struktur und die Entstehung im Konnektiv bietet mancherlei Ueberein-
stimmung. Mit einem gewissen Recht konnten daher ältere Zoologen die Panzer-
Stiicke der Echmodermen als „Knochen“ bezeichnen. Eine weitere bedeutungsvolle
Uebereinstimmung bietet vielleicht die Entstehung der „Nervenröhren“ in beiden
Stämmen. Die oftene Medullar-Rinne der Vertebraten - Ahnen hatte möglicherweise
eine ähnliche Bedeutung, wie die Himmernden Subvektiv-Rinnen der Echinodermen,
und der Verschluss derselben zum „Medullar-Rohr“*, sowie dessen Versenkung in die
Tiefe des Tegumentes, finden ihr Analogon in der Bildung der geschlossenen Sub-
vektoren oder der „Epineural-Kanäle“ bei Holothurien, Echinideen und Ophiureen.
I. Anhang.
Systematische Determination der Amphorideen und Cystoideen
in BARRANDE, Systeme Silurien du Centre de la Boh&me. Vol. VII. 1887.
Nota: Die I. Spalte erhält die Bezeichnungen von BarRANDE (12), nebst Angabe der Seite und Tafel in seinem
Werke; die II, Spalte die Bezeichnung unseres Systems, die Ill. Spalte die Angabe der zugehörigen Familie
(und in Klammern Ordnung), die IV. Spalte die Subfamilie, nebst Nummer unserer Tafeln. Von den 30 an-
geführten Genera Barranpe's sind 160 ganz unsicher. (Vergl. hierzu pag-. 74).
A. Premiere Subdivision: Cystid6es de la Faune troisi@me. (Silurien superieur.)
II, Il. TE IV.
1. Homocystites12, Homoeystis Glyptoeystida Sycocystida, Taf. IV,
cn Neil, 2 NE altera. (Cyst. Megapl.). Fig. 26, 27.
2. Proteocystites Proteoeystis Pomoeystida Proteoeystida, Text-Fig.
p- 78, Pl. 30. flava. (Cyst. Mieropl.). 11 (pag. 97).
3. Rhombifera 1, p: Forma dubia ! Crinoidea ? Haploerinida? (Stephano-
20), aan JE erinida?).
4. Staurosoma, p. 81, Stauroeystis Calloeystida? Apioeystida? Taf. III,
1b si IUNE eruciata? (Cyst. Megapl.) Fig. 1—3.
ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN.
B. Deuxi&me Subdivision: Cystidees
5. Agelacrinites, p.
835 El 37.
6. Anomaloeysti-
tes, p. 89, Bl. >.
Archaeocystites,
p- 94, Pl. 2, Fig. 4.
8. Aristoceystites,
p. 95, BL 914.
9. Ascoeystites, p.
115, Pl. 32, 33.
10. Baculoeystites, p.
118, Pl. 36, Fig. 1.
11. Balanoeystites, p:
119, SEI 25,117
12. Cardiocystites, pP:
PO Bl231,,N:
13. Craterina, p. 121,
Pl. 17—21.
14. Dendrocystites,
p. 142, Pl. 26, 27.
15A. Deutoceystites,
pe 145 ZBlSl6:
15B. Deutocystites,
m alakzr, able a:
16A. Echinosphaeri-
tes, np 150.2.
22—25.
16B. Echinosphaeri-
tessp- 153, B1S1/6,
Fig. 1—23.
17. Fungoeystites,
5 alayzo 1A
18. Alespilocystites, p.
162, Pl. 38, Fig. 1.
19. Mimocystites, p.
lasH 1a a IE
20. Mitrocystites,
p- 164, Pl. 4, 5.
21. Neocystites, p. 166,
BISATIT.
22. Orocystites, p.
168, Bl.7, 8:
23. Pyrocystites, p.
170, Bl. 29:
24. Rhombifera,p.174,
Pl. 6, Fig. 1—21.
-]
Hemieystis
bohemica.
Placoeystis
ensifer.
Archaeoeystis
medusa.
Aristoeystis
bohemiea.
Ascoeystis
drabowiensis.
Fragmentum dubrm !
Forma vwalde dubia!!
Forma incompleta!
Craterina
excavata.
Dendroeystis
Sedgwickii.
Amphoraeystis
irregularis.
Deutoeystis
modesta.
Arachnoeystis
infausta.
Helioeystis
eonfortata.
Fungoeystis
rarissima.
Forma dubia
(Stephanoerinns?)
Mimoeystis
bohemicea.
Mitroeystis
mitra.
Forma valde dubia !!
Oroeystis
Helmhackeri.
Piroeystis
pirum.
Forma dubia!
de la Faune s&conde.
Agelacystida
(Cyst. Micropl.).
Anomoeystida
(Amphoralia).
Palaeoveystida
(Amphoronia).
Aristoeystida
(Amphoronia).
Ascoeystida
(Holothurea ?)
Aristocystida?
Calloeystida?
Aristoeystida
(Amphoronia).
Aristoeystida
(Amphoronia).
Aristocystida
(Amphoronia).
Aristoeystida
(Amphoronia).
Palaeoeystida
(Amphoronia).
Aristoeystida
(Amphoronia).
Fungoeystida
(Cyst. Mieropl.).
Crimordea ?
Glyptoeystida
(Cyst. Megapl.).
Anomoeystida
(Amphoralia).
Aristoeystida
(Amphoronia).
Aristoeystida
(Amphoronia).
Orinoidea ?
167
(Silurien inferieur.)
Hemieystida, Taf. III
Fig. 27, 28.
Placoeystida, Taf. II,
Fig. 5—7.
Acanthoeystida, Taf. T,
Fig. 7.
Piroeystida, Taf. II, Fig.
e7raltd:
Ascoeystida, Taf. IV,
Fig. 1—13.
Piroeystida?
$)
Apioeystida?
Piroeystida.
Piroeystida, Taf. IT, Fig.
23, 24.
Piroeystida, Text- Figur
3 (pag. 52).
Piroeystida, Taf. II, Fig.
19, 20.
Arachnoeystida, Taf. I
Fig. 1.
$)
Oroeystida, Taf. II, Fig.
25, 26.
Proteoeystida, Text-Fig.
14 (pag. 105).
Haploerinida?
Syceocystida, Taf. IV,
Fig. 28, 29.
Pleuroeystida, Taf. IT,
Fig. 13, 14.
Oroeystida, Text-Figur 4
(pag. 57).
Pirocystida, Taf. II, Fig.
2], 22.
Haploerinida?
Ernst HAECcKEL
[168
©. Troisiöme Subdivision: Cystid@es da la Faune primordiale (Cambrien).
[0]
Su
Acanthoeystites,
p. 180, Pl. 2, Fig.
13192.
26. Cigara, p. 181, Pl.
2, Fig. 34.
27. Lapillocystites, p.
182, Pl. 2, Fie.
27 —80.
28. Lichenoides, p.
1837 BE
29. Pilocystites, p. 185,
Ele2@Rie26.
30A. Trochoeystites
6 5 le, Aber
Acanthoeystis
briareus.
Fragmentum dubium!
Fragmentum dubim !
Lichenoeystis
prisca.
Fragmentum dubrm!
Trochoeystis
bohemiea.
Palaeoeystida
(Amphoronia).
Aristoeystida?
Eoeystida?
Glyptoeystida
(Cyst. Megapl.).
Aristoeystida?
Anomoeystida
(Ampbhoralia).
Acanthoeystida, Maps
Fig. 1—6.
Piroeystida?
Pentactaeida?
(Vergl. Palamphora,
pag. 35).
Syeoeystida, Taf. IV,
Fig. 23—25.
Piroeystida ?
Placoeystida, Taf. II, Fig.
3, 4.
Fig. 1—22.
30B. Trochoeystites
BuepmlsssgBlgs;
Fig. 29—38.
Anomoeystida Placoeystida, Taf. II,
(Amphoralia). Rie.- 722
Trigonoeystis
trigona.
II. Anhang.
Camarocystida — Lobolithes.
Im silurischen System von Böhmen hat BARRANDE (schon vor 50 Jahren) zahlreiche Reste von
grossen Fehinodermen entdeckt, welche er in dem „Programme Gönöral“ seines grossen Cystoideen-Werkes
unter der Bezeichnung „Lobolithes“ anführt (12, pag. 1). Er betrachtet dieselben als Typen einer
neuen, ganz eigenthümlichen Klasse von Echinodermen, welche sich von allen anderen „durch die Ab-
wesenheit jeder Regelmässigkeit“ in ihrer Bildung unterscheiden. BARRANDE hat die unregelmässig rund-
lichen, blasenförmigen Körper dieser merkwürdigen Fossilien, welche mehrere (bis 18) Centimeter Durch-
messer erreichen, auf 13 (noch nicht publizirten) Tafeln seines Werkes abgebildet (vorläufig ‘als Pl. 67
bis 79 bezeichnet).
Aehnliche Körper fand später im silurischen System von Nord-Amerika JAMES HALL; er be-
schrieb sie anfangs (1872) als Cystoideen (im Anschluss an Agelaerinus, 24, 24 pag. 216, Pl. 7, Fig. 1
bis 7: Lichenoerinus Dyeri und Lichenoerinus erateriformis). Später (1879) erklärte er sie dagegen für
die modifizirten, blasenförmig aufgetriebenen Wurzeln von ächten Crinoideen (Scyphoerinus u. A.); es
seien mit Luft gefüllte Schwimm-Apparate. Diese Ansicht theilen auch, brieflicher Mittheilung zu Folge,
die Wiener Geologen, welche die böhmischen Lobolithen genau studirt haben, und welche die Tafeln
von BARRANDE demnächst mit Erläuterungen publiziren werden, Prof. WAAGEN und Dr. Jaun.
169] AÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 169
In seinen trefflichen, vor Kurzem erschienenen Grundzügen der Palaeontologie führt Zittern unter
seinen neun Familien der Cystoideen als dritte (— jedoch mit vorgesetztem ? —) die (amaroeystida an
und definirt sie folgendermassen: „Kelch kugelig, aus zahllosen polygonalen Täfelchen zusammengesetzt,
im Innern durch Scheidewände, welche sich äusserlich durch Einschnürungen erkennen lassen, in 4—6
Kammern abgetheilt, mit dem Scheitel zuweilen aufgewachsen. Unterseite mit langem dünnen Stiel.“
Indessen ersehe ich aus einer brieflichen Mittheilung, dass Zrrter sich jetzt auch der Ansicht von Haut,
WAAGEN und ‚JJAHN angeschlossen hat.
Die 13 lithographirten Tafeln von BARRANDE, welche Herr Professor WAAGEN mir zur Ansicht
zu senden die Güte hatte, enthalten die Abbildungen vieler Lobolithen in natürlicher Grösse: kugelige
oder unregelmässig rundliche Blasen, deren dicke Wand mit kleinen polygonalen Platten getäfelt ist.
Die meisten Kapseln haben die Grösse eines Kindskopfes; die grössten erreichen 0,2 m Durchmesser und
darüber. Die vergrösserten Täfelehen mit ihrer eigenthümlichen Struktur lassen keinen Zweifel darüber,
dass es sich um Echinodermen handelt. Beim ersten Anblick vieler Figuren könnte man denken, dass
sie irreguläre Panzer-Kapseln von einfachen Amphorideen darstellen, ähnlich Arzstoeystis, Deutocystis ete.
Gegen diese Annahme sprechen aber entscheidend zwei Thatsachen: I. die Panzer-Kapseln zeigen keine
einzige Oeffnung, sondern sind völlig geschlossen. An der einen Seite sassen sie unmittelbar dem Meeres-
boden auf (—- sie sind, wie die Beschreibung lautete, „mit dem abgeplatteten Scheitel aufgewachsen“ —);
an der entgegengesetzten Seite erhebt sich aus ihnen eine schlanke Säule, welche mehrere Meter Länge
erreichen kann. II. Diese Säule ist fünfseitig-prismatisch, gegliedert und zeigt vollkommen die Struktur
eines gewöhnlichen ächten Crinoideen-Stiels; die einzelnen Glieder zeigen an den Gelenkflächen eine
centrale Oeffnung (Stielkanal) und eine regulär fünfstrahlige Sternfigur. Diese charakteristische Struktur
ist ausschliesslich der Klasse der (jinoideen eigenthümlich, sie findet sich bei keinen anderen Echinodermen ;
sie fehlt ebensowohl den ächten C'ystoideen, wie den Amphorideen. Diese Thatsache erklärt sich einfach
dadurch, dass bei den Crinoideen allein das „gekammerte Organ“ oder der Fünfkammer-Schlauch sich
von der Basis des Kelehes aus in den hohlen gegliederten Stiel fortsetzt. Dagegen bleibt die Penta-
radial-Struktur bei den Cystoideen auf die eigentliche Theca beschränkt.
Durch eigene Untersuchung einiger trefflich erhaltener Lobolithen, welche Herr Dr. Jaun ge-
sammelt und mir zu übersenden die Güte hatte, konnte ich mich von der Richtigkeit seiner Deutung
überzeugen ; es sind unzweifelhaft blasenförmige Auftreibungen von grossen Ornoideen-Stielen. Jedoch
möchte ich dieselben nicht für „Schwimm-Apparate“ halten, sondern entweder für Brutbehälter oder
(wahrscheinlich) für pathologische Cysten, welche durch Parasiten veranlasst sind. Aehnliche
Bildungen hat LupwiG von GRAFF sowohl bei fossilen als bei lebenden C'rinordeen beschrieben und den
Beweis geliefert, dass sie durch die bekannten Parasiten derselben, Anneliden aus der Gattung Myzo-
stoma veranlasst sind; er vergleicht sie richtig mit „Pflanzen-Gallen“. (Ueber einige Deformitäten an
fossilen Crinoideen, Palaeontographiea Bd. 31, 1885.)
Festschrift für Gegenbanr.
X
170
Ernst HAcECcKEL [170
Litteratur- Verzeichniss.
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29
30
31
32.
34
43
44.
45.
46.
47.
48
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172 Ernst HAECKEL i [172
Tafel-Erklärung.
Tafel 1.
Palaeoeystida.
Fig. 1—1B. Arachnoeystis infausta (= Echinosphaera infausta, Cambrium von Böhmen).
Kopie nach BARRANDE (12, Pl. 22—25). o Mund, von drei Brachiolen umgeben, &g Gonoporus, a After.
Fig. 1a. Der triradiale Mundspalt, zwischen den Insertions-Stellen der drei Arme, umgeben von fünf
Circoral-Platten. Fig. 1b. Der After mit der fünfklappigen After-Pyramide.
Fig. 2—2A. Citroeystis eitrus (— Echinosphaera eitrus, Unter-Silur von Schweden). Fig. 2.
Theca von der linken Seite, o Mund, g Gonoporus, a After. Fig. 2A der Hals („Collum“) oder das
Mundrohr eines anderen Exemplars, von der linken Seite (nach AnGerm, 13, Tab. XIV, Fig. 4).
Fig.3—3E. Crystalloeystis aurantium (= Echinosphaera aurantium, Unter-Silur von Schweden).
(Kopie nach Anger, 13, Tab. XIV). Fig. 3 Theea von der linken Seite, o Mund, g Gonoporus, a After.
Fig. 3A der Mund, mit dem Ursprung der 5 Arme, vergrössert. Fig. 3B drei Tafeln des Panzers, mit
den Rippen-Sternen und Poren-Rauten, vergrössert. Fig. 3C Peristom eines anderen Exemplars, von
oben gesehen, an welchem der Ursprung der fünf Mundarme sehr gut erhalten ist (der unpaare frontale
ungetheilt, die beiden lateralen gabeltheilig); Subvektakeln mit Saumplättchen bedeckt. Fig. 3D. Peristom
eines zweiarmigen (abnormen) Individuums, mit einfachem transversalen Mundspalt (von oben). Fig. 3E
Peristom eines vierarmigen Individuums, mit kreuzförmiger Mundnaht, von oben (Fig. 3D und 3E Kopie
nach VOLBORTH 16, Taf. IX).
Fig. 4+—4C. Comaroeystis punetata (Unter-Silur von Canada). Kopie nach BiruınGs (15,
Pl. V). Fig. 4 das ganze Thier, mit restaurirten vier Mundarmen und Stiel, von der Anal-Seite. o Mund,
a After, p Stiel, Fig. 4A der lange Mundspalt, mit der Insertion der zwei Arm-Paare an beiden Mund-
winkeln. Fig. 4B der After mit fünftheiliger Klappen-Pyramide und fünf Perianal-Plättchen. Fig. 4C
eine Panzer-Platte.
Fig. 5—5B. Palaeoeystis pentolena (Unter-Silur von Canada). Fig. 5 Restauration des
ganzen Thieres mit seinen fünf Armen, nach einem unvollständigen Fragment; Ansicht von der linken
Seite: o Mund, & Gonoporus, a After. Fig. 5A der fünfspaltige Mund, mit dem Ursprung der fünf Arme,
von oben gesehen (Konstruktions-Bild). Fig. 5B eine hexagonale Panzer-Platte mit den Hälften von
sechs Poren-Rauten.
Fig. 6—-6B. Acanthoeystis briareus (Cambrium von Böhmen). Restaurirte und vergrösserte
Kopie nach BARRANDE (12, Pl. 2, Fig. 13—15). Fig. 6 das ganze Thier, mit kompleten 15 Mundarmen
(Pentadecal- Stufe) und mit reconstruirten Tentakeln, von der Anal-Seite; in der Mitte die sechsklappige
After-Pyramide. Fig. 6A eine Panzer-Platte, vergrössert, Fig. 6B Stück eines Mundarmes, vergrössert.
Fig. 7—7B. Archaeoeystis medusa (Cambrium von Böhmen). Kopie nach BARRANDE (12,
Pl. 2, Fig. 4—6). Fig. 7 die Theca mit 25 Armen (Pentapalmar-Stufe). Fig. 7A Fragmente von zwei
“Armen, Fig. 7B das oberste Stück des gegliederten Stieles.
173] ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. l
I
Tafel II.
Anomoeystida Fig. 1-16. — Aristoeystida Fig. 17—28.
Fig. 1, 2. Trigonoeystis trigona (Cambrium von Böhmen). Kopie nach BarkAxpe, 12, Pl..3.
Fig. 1 Dorsal-Ansicht, Fig. 2 Ventral-Ansicht. 6 Mund, & Gonoporus, a After.
Fig. 3, 4. Trochocystis bohemica (Cambrium von Böhmen). Kopie nach BArrAsDe, 12, Pl. 3.
Fig. 3 Dorsal-Ansicht, Fig. 3a der Schwanz, vergrössert; Fig. 4 Ventral-Ansicht.
Fig. 5, 6, 7. Placoeystis balanoides (Unter-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Woonwann.
Fig. 5 Dorsal-Ausicht, Fig. 6 Ventral-Ansicht, Fig. 7 Lateral-Ansicht. Vergl. Text-Fig. 1, 2, pag. 40.
Fig. 8, 9. Anomoeystis cornuta (Unter-Devon von Nord-Amerika). Kopie nach Harz, 19.
Fig. 8 Dorsal-Ansicht, Fig. 9 Ventral-Ansicht.
Fig. 10, 11. Atelocystis Forbesiana (Ober-Silur von Dudley, England). Kopie nach Woon-
wARD (26). Fig. 10 Dorsal-Ansicht, Fig. 11 Ventral-Ansicht.
Fig. 12. Ateloeystis &egenbauri (Ober-Silur von Dudley, England). Nach einem Original-
Exemplar. Dorsal-Seite. Der Schwanz ist nicht conservirt.
Fig. 13, 14. Mitroeystis mitra (Cambrium von Böhmen). Kopie nach BARRANDE (12, Pl. 4, I).
Fig. 13 Dorsal-Ansicht, Fig. 14 Ventral-Ansicht, o Mund, a After.
Fig. 15, 16. Pleuroeystis filitexta (Unter-Silur von Canada). Kopie nach BırrınGs (15, Pl. II).
Fig. 15 Dorsal-Ansicht, Fig. 16 Ventral-Ansicht: o Mund, a After, & Gonoporus? h Hydroporus ?
Fig. 17, 18. Aristoeystis bohemiea (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BArrANDE (12,
Pl. 9, 10). Fig. 17 Ansicht von der rechten Seite, Fig. 18 Ansicht von der Oral-Seite.
Fig. 19, 20. Deutoeystis modesta (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BARRANDE (12,
Pl. 15). Fig. 19 Ansicht von der linken Seite, Fig. 20 Hydroporus (h) und Gonoporen (g)?
Fig. 21, 22. Piroeystis pirum (Ober-Cambrium von Böhmen). Kopie nach BARRANDE (12,
Pl. 29). Fig. 21 Ansicht von der rechten Seite, Fig. 22 Ansicht von der Oral-Seite: o Mund, g Gono-
porus, a After.
Fig. 23, 24. Dendrocystis Sedgwickii (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BARRANDE
(12, Pl. 26). Fig. 23 Ansicht von der linken Seite, Fig. 24 Längssehnitt durch den Rüssel.
Fig. 25, 26. Helioeystis tenuistriata (Unter-Silur von Schweden). Kopie nach AnGELın (13,
Pl. 12). Fig. 25 Ansicht von der linken Seite, Fig. 26 Ansicht von der Oral-Seite: o Mund, g Gono-
porus, a After,
Fig. 27. Caryoeystis testudinaria (Unter-Silur von Russland). Kopie nach LEoroLp BucH
(11, Taf. I). Ansicht von der Ventral-Seite.e o Mund, g Gonoporus, a After.
Fig. 28. Holocystis alternata (Ober-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Harz (24, Pl. 12)
Ansicht von der Ventral-Seite: o Mızad, a After.
Tafel Ill.
Calloeystida Fig. 1—26. — Agelacystida Fig. 27—37.
Fig. 1—3. Stauroeystis quadrifasciata (Ober-Silur von England, Dudley). Kopie nach ForBEs
(14, Pl. 13). Fig. 1. Ansicht von hinten und links. Fig. 2. Ansicht von vorn und rechts. Fig. 3.
Ansicht vom Mundfeld: o Mund, a After.
Fig. 4—9. Apiocystis elegans (Ober-Silur von Nord-Amerika, Loekport). Kopie nach HALL
(19, Vol. II, Pl. 51). Fig. 4 Ansicht von der Bauchseite, Fig. 5 von der rechten Seite, Fig. 6 von der
Rückenseite, Fig. 7 von der linken Seite, Fig. 8 Subvektiv-Kreuz des Mundes, mit den Deckblättchen-
174 Erssr HAscKEL [174
Reihen. o Mund, a After, d rechte paranale Kamm-Raute, | linke paranale Kamm-Raute, f frontale
Kamm-Raute Fig. 9 Stück eines Subvektors; zur Insertions-Fläche jeder Pinnulette geht ein bogen-
förmiger Fiederast, der mit Deckplättchen bedeckt ist.
Fig. 10—13. Sphaeroeystis multifaseiata (Unter-Devon von Nord-Amerika). Kopie nach
Harn (19, Vol. III, Pl. 7A). Fig. 10 Ansicht von der rechten Seite, Fig. 11 von der Mund-Seite,
Fig. 12 von der Basal-Seite, Fig. 13 das Anthodium, vergrössert. o Mund, a After, & Gonoporus (?),
d rechte Kamm-Raute, | linke Kammraute, f frontale Kamm-Raute.
Fig. 14—17. Lepadoerinus &ebhardi (Unter-Devon von Nord-Amerika). Kopie nach Harı
(19, Vol. III, Pl. 7). Fig. 14 linke Seite der Theca, Fig. 15 Ventral-Seite, Fig. 16 rechte Seite, Fig. 17
Dorsal-Seitee o Mund, a After, d rechte Kamm-Raute, | linke Kamm-Raute, f frontale Kamm-Raute.
Fig. 18—20. Calloeystis multipora (aus dem Unter-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach BıLLınGs
(15, Pl. III). Fig. 18 ventrale (anale) Seite, Fig. 19 dorsale (frontale) Seite, Fig. 20 Oral-Seite mit
dem Anthodium.
Fig. 21, 22. Calloeystis Jewetti (Ober-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Harr (19, Vol.
II, Pl. 50). Fig. 21 Seiten-Ansicht der Theca (von links). Fig. 22 das Anthodium. o Mund, a After,
d rechte, 1 linke, f frontale Kamm-Raute.
Fig. 23, 24. Anthoeystis Halliana (Ober-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Harz (19,
Vol. II, Pl. 50). Fig. 23 das Anthodium (Buchstaben wie in Fig. 22). Fig. 24 Stück eines Ambulacrums
mit den Pinnuletten.
Fig. 25, 26. Pseudocrinus bifaseiatus (Ober-Silur von England, Dudley). Kopie nach FoRBEs
(14, Pl. 11). Fig. 25 Dorsal-Ansicht der linsenförmigen Theca; oben die rechte paranale, unten (die
frontale Kamm-Raute. Fig. 26 Ventral-Ansicht derselben; oben links der After, rechts die linke paranale
Kanım-Raute.
Fig. 27, 28. Hemieystis granulata (Unter-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Harn (24,
Vol. 24, Pl. 6). Fig. 27 Ventral-Ansicht, Fig. 28 Lateral-Ansicht. a After.
Fig. 29. Agelaerinus Dieksoni (Unter-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach BıruinGs (15, Pl. 8).
Fig. 30. Agelaeystis hamiltonensis (Unter-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Harz (24,
Vol. 24, Pl. 6). a After, z Gürtel der breiten Marginal-Tafeln.
Fig. 31—33. Asteroblastus stellatus (Unter-Silur von Russland). Kopie nach Fr. Scumipr
(18, Tab. III). Fig. 31 Ventral-Ansicht, Fig. 32 Dorsal-Ansicht, Fig. 33 Lateral-Ansicht. b Basis.
Fig. 34. Asteroeystis tubereulata (Unter-Silur von Russland). Kopie nach Fr. ScHmipr
(18, Tab. III). Peristom nebst einem Ambulacrum. o Mund.
Fig. 35, 36. Edrioeystis Bigsbyi (Unter-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Birrıngs (15,
Pl. 8). Fig. 35 vertikaler Meridian-Schnitt durch die scheibenförmige Theca, oben der Mund (0), unten
die schmale Insertion der centralen Basis (b), Fig. 36 ein Stück eines Ambulacrums, asterideenähnlich,
mit vier Poren-Reihen (?).
Fig. 37. Gomphoeystis tenax (Ober-Silur von Nord-Amerika). Kopie nach Hartz (24, Vol.
24, Pl. 12, 13). o Mund.
Tafel IV.
Aseoeystida (Fig. 1—13). — Glyptoeystida (Fig. 14—58).
Fig. 1—13. Ascoeystis drabowiensis (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BARRANDE
(12, Pl. 32, 33). Vergl. pag. 120, Fig. 18, 19.
Fig. 1. Eine junge Ascoeystis, unten durch den Stiel befestigt, oben mit ausgebreitetem
Brachiolen-Kranz,
175] AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. 17:
[do |
Fig. 2. ‘Untere, aborale Körperhälfte einer jungen Ascoeystis, mit dem gegliederten Stiel.
Fig. 3. Eine freie, erwachsene Ascoeystis, mit abgerundetem Hinter-Ende, ohne Stiel.
Fig. 4. Eine freie Ascoeystis, ohne Stiel, an welcher die fünf perradialen Kanten des pris-
matischen Körpers spiralig um die Hauptaxe gedreht sind.
Fig. 5. Peristom-Feld von Ascocystis mit den fünf Arm-Büscheln.
Fig. 6. Peristom-Feld von Ascoeystis mit den fünf interradialen birnförmigen Blasen und den
fünf perradialen Ursprüngen der Arm-Büschel.
Fig. 7. Ein Peristom-Feld von Ascoeystis, ähnlich dem vorigen; die unpaare Anal-Blase ist
doppelt so gross als die vier paarigen (— Poli’sche Blase? —).
Fig. 8. Querschnitt durch die T'heca von Ascoeystis (mit fünf Kanten — nicht mit sechs, wie
die irrthümliche Konstruktion von BARRANDE zeigt.) Vergl. pag. 121.
Fig. 9. Längsschnitt durch den Stiel von Ascoeystis, vergrössert; der Abdruck zeigt deutlich
die Grenzen der Glieder.
Fig. 10. Ein ähnlicher Längsschnitt durch den Stiel wie Fig. 9, vergrössert.
Fig. 11. Stück eines zweizeiligen Mundarms von Ascoeystis, von aussen, vergrössert.
Fig. 12. Längsschnitt durch einen Mundarm, vergrössert.
Fig. 13. Eine Panzer-Platte (?) vom Ascoeystis, mit achtstrahligem Rippen-Stern.
Fig. 14, 15. Hemicosmites extraneus (Unter-Silur von Russland). Kopie nach EıcnwarLn
(17, Tab. 32). Fig. 14 Seiten-Ansicht der Theca. a After, o Mund, b Brachiolen-Insertion. Fig. 15
Mundfeld (Kelchdecke), von oben, mit dem triradialen Anthodium.
Fig. 16, 17. Hexalaeystis verrucosa (Unter-Silur von Russland). Kopie nach EıcnwArn
(17, Tab. 32). Fig. 16 Seiten-Ansicht der Theca. b Brachiolen, ce Stiel-Insertion. Fig. 17 Basal-Ansicht
der Theca von unten mit den vier Basal-Platten und den sechs Platten der zweiten Zone.
Fig. 18, 19. Enneacystis Buchiana (Unter-Silur von Russland). Kopie nach LroroLp Buch
(11, Taf. I. Fig. 18 Seiten-Ansicht der Theca. Fig. 19 Mundfeld (Kelchdeeke) von oben. a After.
Fig. 20, 21. Caryoerinus ornatus (Ober-Silur von Nord- Amerika. Kopie nach Haun
(19, Vol. II, Pl. 49). Fig. 20 Seiten-Ansicht der Theca. Fig. 21 Mundfeld (Kelehdecke) von oben
gesehen, a After, b Insertions-Pfannen der Brachiolen.
Fig. 22—25. Lichenoeystis prisea (Cambrium von Böhmen). Kopie nach BARRANDE (12,
Pl. 1). Fig. 22 Seiten-Ansicht, Fig. 23 die Theca vergrössert, Fig. 24 Basal-Ansicht derselben, Fig. 25
schräge Ansicht der Oral-Fläche.
Fig. 26, 27. Homoeystis altera (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BArrannE (12, Pl.
28, I. Fig. 26 Ansicht von der linken Seite, Fig. 27 Ansicht von der ventralen Seite (a After?).
Fig. 28, 29. Mimoeystis bohemica (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BarrRANDE (12,
Pl. 28, I. Fig. 28 Seiten-Ansicht, Fig. 29 eine einzelne Panzer-Platte.
Fig. 30. Maeroeystella Mariae (Ober-Cambrium von England). Kopie nach CALLawAv (vergl.
oben pag. 149).
Fig. 31—34. Eehinoeystis armata (Ober-Silur von England, Dudley). Kopie nach ForBEs
(14, Pl. 18 19). Fig. 31 rechte Seite, Fig. 32 linke Seite, Fig. 33 Bauchseite, Fig. 34 Peristom.
Fig. 35. Hemicosmites pyriformis (Unter-Silur von Russland), Kopie nach Jomaxnes MÜLLER
(25, Taf. 6, Fig. 4). Das triradiale Anthodium.
Fig. 36—38. Glyptoeystis pennigera (Unter-Silur von Russland). Kopie nach ErcnwAnn
und F. Schmipr (17, 18). Fig. 36 Seiten-Ansicht, Fig. 37 Oral-Ansicht, Fig. 38 Hydrophora palmata
(Anthodium subtegminale). Kopie nach BArRANDE (12). (Vergl. pag. 92—94).
Fig.39, 40. Palmaeystis palmata (Unter-Silur von Böhmen). Kopie nach BARRANDE (12, Pl. 14).
Fig. 39 eine einzelne Panzer-Platte, Fig. 40 Hydrophora palmata. (Vergl. pag. 92— 94.)
176 Ernst HAECKEL [176
Tafel V.
Eoveystida.
Diese Tafel soll die hypothetischen Struktur-Verhältnisse der Eoeystiden erläutern, welche ich
als die gemeinsame Stammgruppe aller Echinodermen betrachte (vergl. pag. 12 und 30). Aus den oben
erörterten Gründen nehme ich an, dass die Organisation dieser ältesten Sternthiere einerseits mit der realen
Pentactula-Stufe der lebenden Echinodermen im Wesentlichen übereinstimmte, andererseits mit dem Körperbau
der übrigen Amphorideen, welche uns durch fossile Skelet-Reste bekannt sind. Die Eocystiden besassen aber noch
kein zusammenhängendes, der Versteinerung fähiges Tafel-Skelet, sondern nur ein lockeres primitives Stückel-
Skelet, gleich den Holothurien. Wir sind daher bei der hypothetischen Rekonstruktion ihres weichen
Körpers und ihrer Ontogenese auf die bekannten Thatsachen der vergleichenden Anatomie und Ontogenie
der heutigen Sternthiere, vor Allen der Holothurien angewiesen.
Die Buchstaben bedeuten in allen Figuren dasselbe: a After. b Basis (Insertions-
Stelle). e Coelom. d Dünndarm (Hinterdarm). e Exoderm (Epidermis). f Fussdrüse (Klebdrüse, viel-
leicht ursprünglich der rechte Hydroporus?). g Gonaden. h Hydroeireus. i Entoderm. k Klappen-
Pyramide des Afters. ] Muskeln. m Magen (Mitteldarm). n Nephridia (Hydrocoel). o Mund (Oseulum).
p Schlund (Pharynx, Stomadaeum). r Mesenterium. s Steinkanal (Hydroductus). t Tentakel-Kanal.
u Nerv. v Flimmerschnur (Vibrissa). w Hydroporus (Wasserloch, Madreporit). x Gonoductus (Geschlechts-
gang). z Geschlechtsöffnung (Gonoporus).
Fig. 1. Cytula der Amphorideen. Die „befruchtete Eizelle“ oder „erste Furchungskugel“,
(Stammzelle), von derselben primitiven Gestalt, wie bei den meisten übrigen Echinodermen.
Fig. 2. Blastula der Amphorideen. Der primitive Keim von Gestalt einer Hohlkugel, deren Wand
aus einer einfachen Schicht von gleichartigen Geisselzellen besteht (Keimhaut, Dlastoderma) (— wie noch
bei vielen heutigen palingenetischen Eechinodermen —).
Fig. 3. Gastrula der Amphorideen. Der zweiblättrige Keim, entstanden durch inkomplete
Invagination der Blastula; zwischen den beiden primären Keimblättern (Entoderm, i, und Exoderm, e)
ist die Gallertmasse ausgeschieden, welche nachher durch Einwanderung einzelner Entoderm-Zellen zum
Mesenchym wird (m). a Urmund (Prostoma, Blastoporus). d Urdarm (Progaster, Archenteron).
Fig. 4. Scaphularia, von der linken Seite; die kahnförmige Dipleurula-Larve der Amphorideen,
aus der Gastrula entstanden durch Differenzirung der konvexen, dorsalen und konkaven ventralen Fläche,
sowie Neubildung des Mundes (0) und Dreigliederung des Darms: p Schlund, m Magen, d Dünndarm.
Fig. 5. Scaphularia, von der Bauchseite, nach Ausstülpung der beiden primären Coelom-Taschen;
diese beginnen sich durch eine Transversal-Striktur in ein vorderes Hydrocoel (n) und ein hinteres
Enterocoel (ec) zu theilen. v Wimperscehnur. Uebrige Buchstaben wie in Fig. 4.
Fig. 6. Seaphularia im Querschnitt, um die Anheftung des Darms durch das dorsale Mesen-
terium (r) zu zeigen, sowie die symmetrische Lage der beiden Coelom-Taschen, von denen ein inneres
(dem Darm anliegendes) Stück zu den Gonaden wird (g).
Fig. 7. Pentactula, die typische pentaradiale Larve, welche nach Srmon’s Pentactaca-Theorie
bei allen fünfstrahligen Eehinodermen während der Astrogenese aus der Dipleurula entsteht. Oral-Ansicht.
Fig. 8. Chelyosoma maecleayanum (in Dorsal-Ansicht), eine gepanzerte Ascidie, welche so-
wohl mit manchen Amphorideen (Orocystida) als mit einigen gepanzerten Holothurien (Psolida) grosse
Aehnlichkeit hat. (Vergl. Fig. 19, S. 120). Wie bei diesen ist sowohl der Mund (o) als der After (a)
durch einer „Klappen-Pyramide“ geschlossen. Die acht polygonalen Tafeln des Rücken-Panzers sind
durch bewegliche Nähte verbunden, und diese werden senkrecht gekreuzt durch Bündel von parallelen,
kurzen und dünnen Muskelfasern. Die Tafeln erscheinen durch dieselben „wie zusammengenäht“, sehr
ähnlich den „Poren-Rauten“ vieler Amphorideen, Cystoideen und Orinoideen. (Kopie nach NicoLAs WAGNER,
Die Wirbellosen des weissen Meeres, 1885, pag. 152, Taf. 18, Fig. 19, 20).
177 ÄMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEEN. m
d
—ı1
Fig. 9. Noteus quadricornis, von der Rückenseite. Dieses bekannte Rotatorium erinnert an
primitive Amphorideen (— besonders Anomocystiden! —) durch die polygonale Täfelung des bilateralen
Rücken-Panzers und den gegliederten Schwanz (— Stiel). Das dreilappige Räder-Organ (mit unpaarem
Frontal-Lappen und paarigen lateralen Wimper-Lappen) erinnert an die drei Tentakeln der trinemalen
Amphorideen (Arachnocystis, Taf. I, Fig. 1; Eocystis, Taf. V, Fig. 11). Vergl. Fraxz LeyvıG, Räder-
thiere, in Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VI, 1855, pag. 53, Taf. IV, Fie. 41.
Fig. 10. Amphoraea dinema, pag. 31. Hypothetische Stammform der Eoeystida, von der linken
Seite gesehen. Die äussere Körperform ist der ähnlichen Helminthen-Form Kabdopleura entnommen. (Vergl.
hierzu Ray-LANKESTER in Quarterly Journ. Mier. Soc. 1884, Vol. 24). In den Schwanz der bila-
teralen Amphoraea, welcher zeitweilig zur Anheftung diente, ist eine „Klebdrüse“ eingezeichnet (ursprüng-
lich das rechte Hydrocoel?). Der Hydrocoel-Ring (h) ist dorsal noch nicht geschlossen.
Fig. 11. Eocystis trinema, pag. 31. Stammform der trinemalen Amphorideen (von der
linken Seite). Zu den beiden lateralen Tentakeln der dipleuren Amphoraea (Fig. 10) ist ein dritter un-
paarer Mundfühler hinzugetreten; dieser „Frontal-Tentakel“ entspricht dem ähnlichen Stirnlappen einiger
Rotatorien (Noteus, Fig. 9).
Fig. 12. Pentactaea pentanema, pag. 32. Stammform der pentanemalen Amphorideen (von
der Ventral-Seite). Diese fünfstrahlige Eoeystide lässt sich von der dreistrahligen Koeystis (Fig. 11) durch
Ausbildung von zwei neuen (pectoralen) Mundfühlern ableiten; diese sind entweder durch Gabelung der
beiden primären lateralen entstanden (wie bei Hchinosphaera), oder durch Einschaltung von ein Paar
neuen Tentakeln zwischen letztere und den unpaaren Frontal-Tentakel. Die äussere Körperform der hypo-
thetischen Pentactaea ist der ähnlichen Stephanoceros Eichhornii entnommen (Vergl. Franz LeyDis,
Räderthiere, in Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. VI, 1855, pag. 5, Taf. I, Fig. 1-5). Nicht nur der fünf-
armige Fühler-Kranz und der aborale Schwanz (— Stiel) kann sich bei Pentactaea sehr ähnlich wie bei
Stephanoceros verhalten haben, sondern auch der dreitheilige Darm mit seinen beiden Oeffnungen. Das
„eigenthümliche Organ“, welches LeyviG (l. ec. pag. 11) „unmittelbar über dem Vormagen“ beschrieben
hat und welches „durch einen deutlichen Gang“ nach aussen mündet, könnte an das Rudiment eines
Hydrocoel erinnern.
Fig. 13. Decamphora loxosoma, Ansicht von der linken Seite, pag. 33. Pentactaeide mit
zehn Mundarmen. Die äussere Körperform ist dem zehnarmigen Loxosoma singulare entnommen. (Vergl.
W. KErERSTEIN in: Zeitschr, f. wiss. Zool., Bd. 12, 1863, pag. 131, Taf. XI, Fig. 29; sowie ferner E.
RaAy-LANKESTER in Eneyelopaedia Britannica, Polyzoa, pag. 169, Fig. 16). Der dicke Fuss oder Stiel
ist durch das Sekret einer Fussdrüse angeheftet (dem Rest des rechten Hydrocoel analog?).
Fig. 14. Protamphora pentadeca, Ansicht von der Dorsal-Seite, pag. 33. Pentactaeide mit
15 Tentakeln. An der Basis jedes der 5 Primär-Tentakeln sind ein paar sekundäre hervorgesprosst. Die
äussere Körperform ist dem Stadium der Antedon-Larve entnommen, welches ebenfalls 15 Mundfühler
trägt (Pentadecal-Stadium). Vergl. WyvırıE Tmonson, Embryogeny of Antedon, in Philosoph.
Transaet. 1865, Pl. 27, Fig. 2.
Fig. 15. Palamphora pentapalma, pag. 33. Ansicht von der Dorsal-Seite. Diese Eocystide
bleibt auf dem wichtigen Pentapalmar-Stadium stehen, mit 25 Mündfühlern. (Vergl. Proteoeystis,
pag. 97, Fig. 10, und G/yptocystis, pag. 151, Fig. 25.)
Festschrift für Gegenbanur. 23
NB. Die obsoleten Namen sind cursiv gedruckt, die gültigen Namen des Systems gesperrt, die Familien-Namen fett.
Acanthoeystida 12, 64.
Acanthocystis 64, 70.
Acanthoeystites 70.
Achradocystis 49, 56.
Achradoeystites 56.
Asgelacrinida 107.
Agelaerinites 111.
Agelacrinus 110, 112.
Agelaeystida 107, 110.
Agelacystis 110, 114.
Amphoracystis 49, 52.
Amphoraea 12, 31.
Amphoraeida 12, 33.
Amphoralia 12.
Amphoridea 9, 12.
Amphoronia 12.
Amygdalocystis 102, 106.
Amygdaloeystites 106.
Anomalocystida 23.
Anomaloeystites 40.
Anomoeystida 12, 33, 37.
Anomocystis 37, 40.
Anomoeystites 40.
Anoplura 39.
Anthoeystida 129.
Anthocystis 129, 132.
Apioeystida 129.
Apiocystis 129, 132.
Apioeystites 132.
Aporitida 49.
Arachnoeystida 64.
Arachnocystis 64.
Arachnocystites 64.
Archaeoeystida 11.
Archaeocystis 64, 71.
Archaeoeystites 71.
Aristocystida 45, 49.
Aristocystis 49, 50.
Aristocystites 50.
Register.
Ascoerinus 124.
Ascoeystida 119.
Ascocystis 120, 124.
Ascocystites 123.
Asteroblastus 111, 117.
Asteroeystida 111.
Asterocystis 111, 116.
Ateleoeystites 41.
Atelocystida 37.
Ateloeystis 37, 41.
? Baculoeystites 167.
? Balanoeystites 167.
? Blastoidoerinus 130.
Calix 54.
Calloceystida 125, 129.
Callocystis 129, 131.
Calloeystites 131.
+ Camaroerinus 168.
7 Camaroeystida 168.
T Cardioeystites 167.
Caryoerinida 136.
Caryoerinites 143.
Caryoerinus 143.
Caryoeystida 45.
Caryocystis 49, 59.
Caryoeystites 59.
T Cheiroerinus 150.
T Cigara 168.
Citroeystida 64.
Citrocystis 64, 68.
Comaroecystida 64.
Comarocystis 64, 70.
Comaroeystites 70.
T Coryloerinus 142.
Craterina 49, 54.
Crinoeystis 69.
? Crinoeystites 69.
Cryptocrinus 147.
Cryptocrinites 147.
Namen der Familien und Gattungen.
Crystalloceystis 66, 67.
Cyathocystis 111, 114.
7 Oyelaster 117.
T Oyeloerinus 56.
? Oyeloeystis 152.
Cycloeystoides 152.
Cystidea 72.
Cystoblastus 129, 130.
Cystoidea 72, 77.
T Cytaster 111.
Decamphora 33, 177.
Dendrocystis 49, 54.
Dendroeystites 54.
Deutoceystis 49, 51.
Deutoeystites 51.
Diploporitida 49.
Kehinoeystis 146.
Echinoeystites 146.
Echino-Enerinus 145, 146.
Echinosphaera 64, 66.
Echinosphaerites 66.
Echinosphaeritida 45, 61.
Edrioaster 117.
Edriocystis 111, 117.
Eoeystida 12, 30.
Eocystis 12, 31.
Eueystidea 77.
Eueystis 96, 99.
Enneacystis 143.
Fungocystida 101, 102.
Fungocystis 102, 104.
Fungoeystites 104.
Glyptoeystida 136.
Glyptoeystis 150.
Glyptoeystites 150.
Glyptosphaera 102, 103.
Glyptosphaerida 101.
Glyptosphaerites 103.
Glyptosphaeritida 101.
179] Ernst HAECKEL, AMPHORIDEEN UND ÜYSTOIDEFN. 179
Gomphocystis 111, 115.
Gomphoeystites 115.
T Gonocrinites 145.
T Gonverinus 145.
T Haploeystites 113.
Haploporita 49.
Helioerinum 58.
Heliocrinus 58.
Heliocystis 49, 58.
Heliopirum 59.
Hemicosmites 142. |
Hemieystida 110.
Hemicystis 110, 112.
Hemicystites 111.
f Heteroeystites 146. |
Hexalacystis 142.
Hexalaeystida 77, 140.
Holoeystida 60.
Holocystis 49, 60.
Homocystis 149. |
Homoeystites 149. |
7 Hybocystites 147. |
Hypoecrinus 147. |
f Iuglandoerinus 142.
Lapilloeystis 33. .
Lapilloeystites 33.
Lepadocrinus 135.
Lepidodiseus 110, 113.
T Lepoecrinites 135.
Lichenoerinus 148.
Lichenocystis 148.
Lichenoides 148.
Lobolithes 168.
Macrocystella 149.
Malocystis 102, 105.
Maloeystites 105.
Megaeystis 60.
Megacystites 60.
Megaplacta 77.
Mesites 111, 118.
j Mespilocystites 166.
Mieroplaeta 77.
Mimocystis 149.
Mimocystites 149.
Mitrocystis 37, 43.
Mitrocystites 43.
T Neoeystites 147.
Oroeystida 12, 49.
Orocystis 49, 57.
Oroeystites 57.
Palaeoeystida 61, 64.
Palaeocystis 64, 69.
Palaeveystites 69.
Palamphora 33, 177.
Palmacystis 151.
Pareystidea 77.
7 Pasceolus 56.
Pentactaea 12, 32.
Pentactaeida 12, 33.
Phacocystis 135.
T Piloeystites 168.
Piroeystida 12, 49.
Pirocystis 49, 53.
Placoeystida 35, 37.
Placocystis 37, 39.
Placocystites 39.
Pleurocystida 33, 37.
Pleurocystis 37, 44.
Pleurocystites 44.
Pomocystida 94, 96.
Pomocystis 96, 98.
Pomonites 96.
Pomosphaera 96, 99.
Protamphora 12, 32.
Protamphorida 12, 30.
Proteocystis 96, 100.
Proteoeystites 100.
Protocrinites 104.
Protoerinus 102, 104.
? Protoeystis 152.
? Prunoeystites 136.
Pseudocrinida 129.
Pseudocrinites 134, 135.
Pseudocrinus 129, 135.
Pyroeystis 53.
Pyroeystites 53.
7 Rhombifera 167.
Rhomboporita 49.
Sphaerocystis 129, 133.
Sphaerocystites 133.
Sphaeronis 98.
Sphaeronites 96, 98.
Sphaeronitida 94, 101.
Staurocystis 129, 134.
7 Staurosoma 134.
Stephanamphora 33.
? Stephanoerinus 167.
y Streptaster 112.
Sycoeystida 77.
Sycocystis 145.
Syeoeystites 145.
Taxiporitida 49.
Tiaroerinus 134.
Trigonocystis 37, 38.
Trinemacystis 64, 65.
Trochocystis 37, 38.
Trochocystites 38.
T Zygoerinus 132.
23*
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Inhalts - Uebersicht.
Vorwort
Einleitung
Erste Klasse: Amphoridea .
Zweite
Aphorismen zur Morphologie und Phylogenie der Echinodermen
I. Anhang: Systematische Determination der Amphorideen und Uystoideen von BARRANDE
System der Amphorideen
Theca der Amphorideen : > ;
Tafel-Poren der Amphorideen und Cystoideen
Malacom der Amphorideen
Ambulacral-System der Amphorideen
I. Familie: Eoeystida
II. Familie: Anomoeystida
III. Familie: Aristoceystida
IV. Familie: Palaeocystida
Klasse: Cystoidea
System der Oystoideen
Theca der Oystoideen
Malacom der Cystoideen :
Ambulacral-System der Cystoideen
Hydrophora palmata einiger Cystoideen
I. Familie: Pomoeystida
II. Familie: Fungocystida
III. Familie: Agelacystida
IV. Familie: Ascocystida
V. Familie: Calloeystida
VI. Familie: Glyptoeystida
Phyletische Bildungs-Stufen der Organ-Systeme
Ursprung und Verwandtschaft der Echinodermen .
System der Echinodermen
Stammbaum der Echinodermen
II. Anhang: Camarocystida — Lobolithes
Litteratur-Verzeichniss
Tafel-Erklärung
Register: Namen der Familien und Gattungen
101
107
119
125
136
153
154
161
164
165
166
168
170
172
178
Haeckel Taf.l.
Festschrifl für Gegenbaur.
in Leipzig.
Vorlaz vor Wilhelm Engelmann
Palacocyslida.
Haeckel Taf.
Festschrifl für Gegenbaur.
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Leipzig:
on. Wilhelm Engelmann ix
1-26 Callocyslida. 27-57 Agelacystida.
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Fesischrifl für Gegenbaur.
Haeckel Taf-V.
Verlag von Wilhelm Engelmann iz. Leipzig.
kocystida.
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