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Full text of "Die anfänge der merkantilistischen gewerbepolitik in Österreich"

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HARVARD LAW LIBRARY 



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WIENER 



STAATSWISSENSCHAFTLICHE STUDIEN 



HERAUSGEGEBEN 



VON 



EDMUND BERNATZIK UND EUGEN VON PHILIPPOVICH. 



VIERTER BAND. 



Wien und Leipzig:. 
FRANZ DEUTICKE 

1903. 



+ 



9 




Die Verlagsbuchhandlung behält sich das Recht der Übersetzung in fremde 

Sprachen vor. 



>&G b 1930 



K. u. k. Hofbuchdrucker Fr. Winiker & Sehickardt, Brunn. 



Inhalt. 

Seite 

Die Frauen im österreichischen Staatsdienst Von Hans 

Nawiasky I— VIII. 1—246 

Die Entwicklung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhält- 
nisses in Gralizienbis zu seiner Auflösung (1772 — 1848). 
Von Ludwig von Mises I— VI. 247-390 

Die Anfänge der merkantilistischen Gewerbepolitik in 

Österreich. Von Max Adler I— VIII. 391—511 



Wiener Staatswissensehaftliche Studien 

herausgegeben von 

Edmund Bernatzik und Eugen von Philippovich 

in Wien. 

Vierter Band. Drittes Heft. 



K DIE ANFÄNGE 



DER 



MERKANTILISTISCHEN GEWERBEPOLITIK 



IN ÖSTERREICH. 



Von 

MAX ADLER. 



Wien und Leipzig. 
FRANZ DEÜTICKE 

1903. 



Verlags-Nr. 931. 



K. u. k. Hofbuctadrncker Fr. Winiker & Schickardt, Brflnn. 



Inhal tsüb ersieht. 



Seite 

Inhaltsübersicht III 

Verzeichnis der benützten Handschriften und Druckwerke V 

a) Handschriften V 

b) Druckwerke VI 

I. Einleitung 

II . Die soziale und wirtschaftliche Lage des österreichischen 

Handwerks am Ende des 17. Jahrhunderts .... 4 

1. Die Reste der Handwerkersolidarität 5 

2. Gewerbe demente und Gewerbepolitik 13 

III. Die Anfänge der merkantilistischen Gewerbe- und Wirt- 

schaftspolitik 32 

1. Die Vorbereitung des Merkantilismus durch die öster- 
reichischen Staatsökonomen 32 

2. Die politische und finanzielle Lage des Staates ... 45 

3. Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik ... 51 

IV. Der Kampf der Zünfte gegen die neue Gewerbe- und Arbeits- 

verfassung 67 

1. Die „Störer" 67 

2. Fabrik und Verlag 85 

V. Der Gesellenstand 93 

1. Das Arbeitsverhältnis 94 

2. Gesellenverbindungen und Gesellenkämpfe .... 100 

VI. Territoriale und Reichs-Gewerbereform 105 



Verzeichnis der benützten Handschriften 

und Druckwerke. 



A. Handschriften. 

Aus dem Archiv des Ministeriums des Innern (IV. F. 28, Gewerbe in genere, 

N.-Öst. 1522—1749). 

Neue Ordnung Kaiser Maximilians II. für die Hof befreiten, 15. Juni 1572. 
Verbot der Errichtung von Zünften ohne landesfürstliche Bewilligung, 

23. Jänner 1617. 
„ Allerun terthänigst-Gehorsambster Vorschlag einer neuen Ge werbt, Handt- 

werkhs- und Zunfft-Ordnung, Mittels diser Ordnung eines ergebigen 

Gefälls pro aerario Camerali." Anonym, aus dem Anfang des 18. Jahrh. 
Aktenstücke zur Affaire Wiest, 1709. 
Aktenstücke zur Affaire Neuhold, 1702, 1712, 1726, 1727. 
Bericht des kaiserlichen Konkommissarius in Regensburg, Freiherrn 

v. Kirchner, 28. April 1722. 
Patent vom 20. Juni 1722 „wegen der widerspenstigen Handwerks-pursch 

und deren Bestraffung". 
Originalbericht der Hofkommission in Handwerkssachen bezüglich der 

Besteuerung gewerbetreibender Livräbedienter, 13. März 1726. 
Referate der Hofkanzlei vom 23. Juni 1733 und vom 13. August 1736 über 

die Beschwerden der Bürger gegen die „Dekreter" und gewerbetreibenden 

Livr£bedienten ; Resolutionen hierüber, 15. Mai, 18. September und 

4. Oktober 1736. 
Referat der Hofkanzlei vom 12. August 1741 über die Zahl der Wiener 

Hofbefreiten und Schutz verwandten, speziell der darunter befindlichen 

Akatholiken, mit gewerbestatistischen Tabellen aus dem Jahre 1736. 

Aus der Hofbibliothek: 

Referat Dr. J. J. Bechers über Handel und Gewerbe in den kaiserlichen 

Erblanden, 1674 (Nr. 12.467). 
Handschriftlicher Vermerk in P. Abraham a Santa Clara's „Mercks Wienn* 4 

(1680), 1681. 

Aus dem Hofkammerarchiv: 

„Instruction und Ordnung für unser Kay. Commercien Collegium, wie 
daßselbe hinführo die das(igen) Commercien betrefende materien von 
unsertwegen fürnehmen, handien und verrichten solle, 44 1711 (Alt 4743, 
Commerz 1749—1769, Nr. 1). 

Ausweis über die bei der k. k. Nadel- und Drahtzugfabrik zu Lichtenwörth 
bei Wr.-Neustadt befindlichen Personen nebst Angabe ihrer Besoldungen 
und Kostgelder, 23. April 1751 (Alt. 4747, Commerz 1749—1756, Nr. */i). 



VI Verzeichnis der benützten Handschriften und Druckwerke. 



B. Druckwerke. 

P. Abraham a Santa Clara, Mercks Wienn, "Wien 1680. 

M. Arnould, De la balance du commerce, et de relations commerciales 

ext^rieures de la France, Paris 1791. 
J. L. E. Graf v. Barth-Barthenheim, Osterreichische Gewerbs- und 

Handelsgesetzkunde, I. T., I. Bd., Wien 1819. 
J. J. Becher, „Politische Discurs," 2. Aufl., Frkf. 1673. 

— „Närrische Weisheit und weise Narrheit," Frkf. 1683. 

H. A. Berlepsch, Chronik der Gewerke, St. Gallen, ohne Datum, III. Bd. 
H. J. Bi der mann, Die technische Bildung im Kaisertume Osterreich, 
Wien 1854. 

— Geschichte der österreichischen Gesammt-Staats-Idee (1526 — 1804), 
I. Abt., Innsbr. 1867, II. Abt., ebend. 1889. 

Adolf Bruder, Die Behandlung der Handwerkerkorporationen durch die 

Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts, in der „Zeitschrift für die 

gesammte Staatswissenschaft", Tüb. 1880, S. 484 ff. 
Karl Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft, 2. Aufl., Tüb. Ib98. 
P. delaCourt, „Interest von Holland, Oder: Grundfäste der Holländischen 

Wohlfahrt," von V. D H (Van der Hoeve = de la Court). Deutsche 

Übersetzung, T" Amsterdam 1665. 
Codex Austriacus, herausgeg. v. Guarient, I., IL, III., IV. T., Wien, 

Lpz. 1704—1752. 
Codex Ferdinandeo-Leopoldinus, herausgeg. v. Weingarten, Prag 

1720. 
Wiener Diarium, Nr. 33, 1703. 
Christian d'Elvert, Geschichte und Beschreibung der (kgl. Kreis- und) 

Bergstadt Iglau, Brunn 1850. 
Franz Eulenburg, Das Wiener Zunftwesen, in der „Ztschr. f. Sozial- 

u. Wirtschaftsgeschichte", Freib., II. Bd. 
Job. Falke, Geschichte des deutschen Handels, II. Bd., Lpz. 1860. 
Jak. v. Falke, Die Wiener k. k. Porzellanfabrik, Wien 1887. 
Henry W. Farn am, Dio innere französische Gewerbepolitik von Colbert 

bis Turgot, in Schmollers „Staats- u. sozial wiss. Forschungen", I. Bd.,. 

4. Heft, Lpz. 1878. 
Fontes rerum Austriacarum, Diplomataria et acta, 27. Bd., Die 

Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Osterreich 

im 17. Jahrh., her. v. Jos. Fiedler, Wien 1867. 
Frankfurter Relationen („Jacobi Franci Historische Beschreibung 

aller denckwürdigen Geschichten" etc.) 1673 ff. 
Karl Friedr. Gerstlacher, Handbuch der teutschen Reichsgesetze r 

IX. T., Karlsruhe 1788. 
Otto Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, I. Bd., Rechtsgeschichte 

der deutschen Genossenschaften, 1868. 
Alex. Gigl, Geschichte der Wiener Marktordnungen, Wien 1865. Drei 

österreichische Industriezweige im XVI. u. XVII. Jahrhundert, in den 

„Bl. des Ver. f. Landesk. N.-Ö.s", IV. Jahrg., Neue Folge, 1870. 
J. V. Goehlert, Historisch-statistische Notizen über Niederösterreich* 

in den „Bl. des Ver. f. Landesk. N.-Ö.s", V. Jahrg., N. F., 1871. 



1 Verzeichnis der benützten Handschriften und Druckwerke. VII 

Jak. Gomilschak, Zünfte in Radkersburg und Materialien zu ihrer 

Geschichte, in den „Beitr. zur Kunde steierm. Geschichtsquellen", 

Graz, 16. Bd. 
Eberh. Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der 

angrenzenden Landschaften, I. Bd., Städte u. Gewerbe^eschichte, 

Straßb. 1892. 

Jak. u. Wilh. Grimm, Deutsches Wörterbuch, I. u. IV. Bd., Lpz. 

1854 u. 1877. 
Grünhagen, Der materielle Zustand Schlesiens vor der preußischen 

Besitzergreifung, in der „Ztschr. f. preuß. Gesch. u. Landeskunde", 

X. Jahrg., Berl. 1873. 
Gust. v. Gülich, Geschichtliche Darstellung des Handels, der Gewerbe 

und des Ackerbaues, II. Bd., Jena 1830. 

Herrn. Hallwich, Die erste Fabrik in Reichenberg, Reichenb. 1869. 

— Reichenberg und Umgebung, Reichenb. 1872/74. 

— Anfänge der Groß-Industrie in Osterreich, Wien 1898. 

Hans J. Hatschek, Das Manufakturhaus auf dem Tabor in Wien, in 

den „Staats- u. sozial wiss. Forschungen", VI. Bd., 1887. 
Jos. R. v. Hauer, Beiträge zur Gesch. der österr. Finanzen, Wien 3 848. 
Hje n n i g e s, Meditationes ad instrumentum pacis Caesareo-Suecicum, sp. VII., 

1706 ff. 
Edm. Freih. v. Heyking, Zur Gesch. der Handelsbilanztheorie, 

Berl. 1880. 
Ph. W. v. Hörnigk, „Oesterreich Über alles, wann es nur will" etc., 

jg£ir Ausg. (ohne Autornamen), 1684. 
Jos. F r e i h. v. Hormayr, Wien, seine Geschichte und Denkwürdigkeiten 

' IV. Bd., Wien 1823. 
Ludw. Hüb n er, Geschichte der Reichenberger Tuchmacherzunft 

Reichenb. 1879. 
Joh. Quintin Graf Jörger, „Unterschiedliche Motiven, Und Anders", 

IV. T., 1690 (Hofbibliothek). 

K. Th. v. Inama-Sternegg, Die volkswirtschaftlichen Folgen des 
30-jährigen Krieges für Deutschland, im „Histor. Taschenbuch", her. 
v. Raumer, 4. Folge^Ö. Jahrg. 1864. 

— Art. „Hörnigk" im 13. Bd. der „Allg. deutschen Biogr.", Lpz. 1881. 

— Bevölkerung des Mittelalters und der neuen Zeit bis Ende des 
18. Jahrhunderts, im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften", 
II. Bd., Jena 1891, Art. „Bevölkerungswesen". 

W. G. Kopetz, Allgemeine österreichische Gewerbs-Gesetzkunde, 

Wien 1829. 
Franz Krone s, R. v. Marchland, Handbuch der Geschichte Österreichs, 

IV. Bd., Berl. 1879. 

Joh. George Leib, Von Verbesserung Land und Leuten, etc., Lpz. u. 

Frkf. 1710. 
Arnold Luschin v. Ebengreuth, Österreichische Reichsgeschichte, 

Bamberg 1896. 
G. Marchet, Art. „Schroeder" in der „Allg. deutschen Biographie", 

32. Bd., Lpz. 1891. 



VIII Verzeichnis der benützten Handschriften und Druckwerke. 

H. A. Mascher, Das deutsche Gewerbewesen von der frühesten Zeit bis 

auf die Gegenwart, Potsdam 1866. 
Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der Industrie in 

Osterreich und die orientalische Kompagnie, Innsbr. 1882. 
Sigm. Mayer, Die Aufhebung des Befähigungsnachweises in Osterreich, 

Lpz. 1894. 
Rieh. Mayr, Die wirtschaftliche Ausdehnung Westeuropas seit den 

Kreuzzügen, in Helmolts „Weltgeschichte", 7. Bd., Lpz. u. Wien 1900. 
Franz Freih. v. Mensi, Die Finanzen Österreichs von 1701 — 1740, 

Wien 1890. 
Moritz Meyer, Geschichte der preußischen Handwerkerpolitik, Minden, 

I. Bd. 1884, II. Bd. 1888. 
Bob. v. Mohl, Geschichte und Literatur der Staats Wissenschaften, III. Bd., 

Erlangen 1858. 
KarlOberleitner, Die Finanzlage Niederösterreichs im 16. Jahrhundert, 

im „Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen", 30. Bd., Wien 1863. 
Oppenheim, Art. „Becher" in der „Allg. deutschen Biogr.", 2. Bd., 

Lpz. 1875. 
Joh. Jos. Pachner, Sammlung derer Reichs-Schlüsse, L, IL, IV. T., 

Regensb. 1711 ff. 
A. F. Pribram, Die niederösterreichischen Stände und die Krone in der 

Zeit Leopolds L, in den „Mitteilungen des Instituts f. österr. Geschichts- 
forschung", 14. Bd. 
— Das böhmische Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, in den 

„Beiträgen zur Gesch. der deutschen Industrie in Böhmen", VI. Bd., 

Prag 1898. 
Esaias Pufendorf kgl. Schwed. Gesandten in Wien Bericht über 

Kaiser Leopold, seinen Hof und die österreichische Politik 1671 — 1674, 

her. v. Karl Gustav Heibig, Lpz. 1862. 
Heinr. Reschauer, Gesch. des Kampfes der Handwerkerzünfte u. der 

Kaufmannsgremien mit der österr. Bureaukratie, Wien 1882. 
HansRizzi, Das österreichische Gewerbe im Zeitalter des Merkantilismus, 

in der „Ztschr. f. Volkswirtsch., Sozialpolitik u. Verwaltung", Wien u. 

Lpz. 1903, S. 71 ff. 
Wilh. Röscher, Geschichte der National Ökonomik in Deutschland, 

14. Bd. der „Gesch. der Wissenschaften in Deutschland", München 1874. 
Georg Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, 

Lpz. 1877. 
Edm. Schebek, Böhmens Glasindustrie und Glashandel, Prag 1878. 
Ludw. Schlesinger, Zur Gesch. der Industrie in Oberleutensdorf, in 

den „Mitteilungen des Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen* 

III. Jahrg., Prag 1865. 
Gust. Schmoller (unter Mitwirkung v. W. Stieda), Die Straßburger 
Tucher- und Weberzunft, Straßb. 1879. 

— Studien über die wirtschaftliche Politik Friedrichs d. Gr. und Preußens, 
überhaupt v. 1680 — 1786, im „Jahrb. f. Gesetzgebung, Verwaltung u. 
Volkswirtschaft", Lpz. 1884. 

— Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, Verwaltungs- und 
Wirtschaftsgeschichte, Lpz. 1898. 



Verzeichnis der benützten Handschriften und Druckwerke. IX 

Bruno Schoenlank, Soziale Kämpfe vor 300 Jahren, Lpz. 1394. 

— Art. „Gesellenverbände" im „Handwörterb. der Staats Wissenschaften", 
VI. Bd., 1900. 

Rieh. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl., 
Lpz. 1894. 

Wilh. v. Schröder, Fürstliche Schatz- und Rentkammer, Ausg. v. 
1704, Lpz. 

Jak. Gottlieb Sieber, Abhandlung von den Schwierigkeiten, in den 
Reichsstädten das Reichsgesetz v. 16. Aug. 1731 wegen der Misbräuche 
bey den Zünften zu vollziehen, Goslar u. Lpz. 1771. 

Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, Lpz. 1902. 

Fr. Wilh. Stahl, Das deutsche Handwerk, I. u. einziger Bd. 
Gießen 1874. 

A. Starzer, Geschichte der landesfürstlichen Stadt Korneuburg, 
Korneub. 1899. 

W. Stieda, Art. „Zunftwesen" im „Handwörterb. der Staatswissen- 
schaften«, VI. Bd., 1894. 

Franz Tschischka, Geschichte der Stadt Wien, Stuttg. 1847. 

Karl Uhlirz, Die Bruderschaft der Lust- und Ziergärtner in Wien bis 
zum Jahre 1768 (ohne Datum und Druckort). 

K. Walcker, Geschichte der Nationalökonomie, V. Bd. des „Handbuches 
der Nationalökonomie", Lpz. 1884. 

Karl Weiß, Geschichte der Stadt Wien, Wien 1872. 

Karl Werner, Urkundliche Geschichte der Iglauer Tuchmacherzunft, 
Lpz. 1861. 

Georg W i o b e, Zur Geschichte der Preisrevolution des XVI. u. XVII. 
Jahrhunderts, in den „Staats- u. sozialwiss. Beiträgen", her. v- 
Miaskowski, Lpz. 1895, II. Bd. 

Cölestin Wolfsgruber, Regesten aus dem Arch. des Benediktiner- 
stiftes Schotten in Wien, in den „Quellen zur Gesch. der Stadt Wien", 
her. v. Anton Mayer, III. Bd., Wien 1897. 

J. v. Zahn, Ferdinand III. und Leopold I. vom westfälischen bis zum 
Karlowitzer Frieden (1648—1699), IX. Bd. der Sammlung „Öster- 
reichische Gesch. für das Volk", Wien 1863. 

— Nachträge zu den Materialien zur innem Geschichte der Zünfte in 
Steiermark vom 15. bis inkl. 17. Jahrhundert, in den „Beiträgen zur 
Kunde Steiermark. Geschichtsquellen", 18. Jahrg., Graz 1882. 

Georg Heinr. Zincke, „Cameralisten-Bibliothek," Lpz. 1751/52, III. T. 
Hans v. Zwiedinec k-S üdenhorst, Deutsche Geschichte im Zeiträume 

der Gründung des preußischen Königtums, I. Bd., Stuttg. 1890. 
Otto v. Zwiedineck-Südenhorst, Das Schlossergewerbe in Graz, in 

den „Schriften des Vereins für Sozialpolitik", LXXI. Bd., Lpz. 1896, 

S. 207 ff. 



I. Einleitung. 

Die bedeutsame Umwälzung, die der Übergang vom lokalen 
zum territorialen, nationalen und internationalen Wirtschafts- 
system im europäischen Kulturleben des 16 v 17, und 18. Jahr- 
hunderts hervorrief, war aufs engste mit jenen historischen Ver- 
änderungen verknüpft, die mit den religiösen Reformbestrebungen 
eingesetzt hatten und mit der Umbildung der einzelnen noch 
ständisch und körperschaftlich gegliederten Nationen in den 
modernen „Staat" endigten. Die mittelalterliche Gesellschafts- 
organisation, die ihr Gepräge von dem Widerstreit der Ideen des 
Gottes- und Weltkönigtums erhalten hatte, war überall noch von 
einem stark sozialen Element durchsetzt gewesen. Der neuzeit- 
liche Staat, der unter der Führung eines fürstlichen oder 
oligarchischen Absolutismus gegenüber der religiösen Frage das 
zeitweilige materielle Interesse in den Vordergrund stellte, war 
bestrebt, die alten Genossenschaften und Verbände, welche sich 
aus jener Gesellschaftsorganisation noch erhalten hatten, auf- 
zulösen und den Einzelnen in ein ausschließliches Abhängigkeits- 
verhältnis von der Staatsmacht zu bringen. 

Dieser Kampf zwischen der alten körperschaftlichen 
Gliederung und der neuen auf geldwirtschaftlicher Grundlage 
sich bildenden individualistischen Gesellschaftsverfassung 1 ) war 
nun im 17. Jahrhundert, in der Zeit des Colbert 'sehen Frank- 
reich, in der Zeit der aufkommenden Handelsbilanz, in der Zeit 
jener endlosen Staatskriege, die sich aus dem Zusammentreffen 
der politischen und wirtschaftlichen Gegensätze entwickelt hatten, 
an einem entscheidenden Wendepunkte angelangt. Es kam nun, 
bei der gesteigerten Spannung der interpolitischen Beziehungen 2 ), 

*) Vgl. Georg Wiebe, Zur Geschichte der Preisrevolution des 
XVI. und XVII. Jahrhunderts, in den „Staats- und sozialwiss. Bei- 
trägen", herausgegeben von Miaskowski, Lpz. 1895, 2. Bd., 2. H., 
S. 246. 

2 ) G. Schmoller, Studien über die wirtschaftliche Politik 
Friedrichs des Großen und Preußens überhaupt von 1680 — 1786, im 
„Jahrb. f. Gesetzgebung, Verwaltung u. Volks wirtsch. u , Lpz. 1884, S. 43. 

Wiener staatswisa. Stadien. IV. Bd., 3. Heft. 26 



2 Einleitung. [392 

überall darauf an, bis zu welchem Grade die Staatsmacht im- 
stande gewesen war, sich jener Kräfte, die aus dem Boden der 
wirtschaftlichen Entwicklung erwachsen waren, zu bemächtigen 
und sie zu ihrer eigenen Erstarkung auszunützen. Wo der Staat 
diesen Weg gegangen war, dort hatte er alle Autonomie- 
bestrebungen in seinem Innern niedergerungen und zumal dem 
Kampf der gewerblichen Körperschaften um ihr Selbstbestim- 
mungsrecht die Grundlage entzogen, sei es, daß die Zünfte in- 
folge des Überwiegens der Handelselemente ihre Existenzberech- 
tigung verloren hatten (Holland), sei es, daß die königliche 
Zentralmacht durch straffe Reglementierung das gesamte Zunft- 
wesen unter staatliche Aufsicht stellte (Frankreich, später auch 
Preußen), sei es endlich, daß die Zünfte innerhalb einer eigen- 
artigen Staatsverfassung von vornherein keinen ausschließlich 
wirtschaftlichen, sondern einen vorwiegend politischen Charakter 
trugen (England). Indem diese Staaten das gewerbliche Aufsichts- 
recht von den Zünften und Städten übernahmen, unterzogen sie 
dasselbe bloß einer Umbildung im Sinne einer geschlossenen staat- 
lichenWirtschaftspolitik 1 ) und schufen so, kleine Engherzigkeiten ins 
Große übertragend, jenes System des Merkantilismus, das zwar 
die wirtschaftlichen Kräfte der Nationen zu reicher Entfaltung 
gebracht, zugleich aber die europäischen Völker auf Jahrhunderte 
hinaus in kultureller und geistiger Beziehung voneinander 
getrennt und den historischen Kampf der mittelalterlichen 
Universalideen mit dem individualistischen Materialismus der 
Neuzeit zu Gunsten des letzteren entschieden hat. 

In Deutschland, dem großen Schlachtfeld der kulturellen 
und politischen Kämpfe jener Zeit, war diese Entscheidung durch 
die unheilvolle Kulturspaltung verzögert worden. Die beiden 
großen Kulturlager, die sich nach den Religionskriegen in 
Deutschland gegenüberstanden, hielten sich in politischer 
Beziehung das Gleichgewicht und verhinderten gegenseitig das 
Aufkommen einer machtvollen Einheitspolitik. 

Der Zersplitterung in den Verfassungsverhältnissen ent- 
sprachen die ungeklärten und zerrütteten wirtschaftlichen Zu- 

l ) Bob. v. M o h 1, Gesch. und Literatur der Staatswissenschaften, 
Erlangen 1855/58, 3. Bd., S. 296; G. Schmoller, a. a. 0., S. 22; 
K. Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft, 2. A., Tüb. 1898, 
S. 110; Franz Eulenburg, Das Wr. Zunftwesen („Ztschr. f. Sozial- 
u. Wirtschaftsgesch.", 2. Bd.), S. 94; R i c h. M a y r, Die wirtschaftliche 
Ausdehnung Westeuropas seit den Kreuzzügen (Helmolts Weltgeschichte, 
7, Bd., Lpz. u. Wien 1900), S, 104, 



393] Einleitung. 3 

stände. Längst waren damals jene Tage vorüber, die das deutsche 
Städtewesen auf seiner Höhe gesehen hatten. Der mächtige 
Hansabund, der fremden Städten und Königen seinen Willen 
diktiert hatte — eine Parallelerscheinung zu den weltlichen und 
kirchlichen Universalideen des Mittelalters *) — war zerfallen, 
als die in seinem Machtbereich gelegenen Territorien politisch 
und wirtschaftlich selbständig geworden waren. Die kommer- 
ziellen Vorteile, die sich aus der Entdeckung der neuen Handels- 
und Verkehrswege ergaben, die großen Silber- und Goldschätze 
aus Amerika, dessen Edelmetallproduktion seit der Mitte des 
16. Jahrhunderts die europäisch-afrikanische um ein beträchtliches 
überholt hatte 2 ), waren hauptsächlich den Ländern Westeuropas 
zugeflossen, während Deutschland, obzwar unter den Edelmetall 
produzierenden Ländern Europas an erster Stelle stehend, einen 
großen Teil seines Geldreichtums im Austausch gegen die fremd- 
ländischen Manufaktur waren verlor. Das Reich war aus seiner 
Vermittlerrolle im europäischen Handelsverkehr verdrängt worden 
und geriet in wirtschaftliche Abhängigkeit von den Weststaaten, 
die es als Absatzmarkt ausbeuteten. Dazu kam noch die Schwäche 
und Unentschiedenheit der inneren Wirtschaftsverfassung, die, 
soweit sie sich innerhalb der alten korporativen Organisations- 
formen bewegte, jeglicher wirtschaftlichen Gesamttendenz von 
Staat und Reich widerstrebte, zumeist aber, den überhasteten 
Reformen der merkantilistischen Staatspraxis ausgesetzt, den 
letzten Rest ihres sozialen Inhalts verlor. Seit dem Eindringen 
des römischen Rechts und dem Emporkommen des Absolutismus 
fuhrt die staatliche Gewalt Schlag auf Schlag gegen die autonome 
Verwaltung und Justiz der zünftigen Behörden, ohne daß es 
zugleich gelungen wäre, die fallen gelassene Organisationsidee 
durch eine gleichwertige neue zu ersetzen. Zum Brennpunkt 
aller staatswirtschaftlichen Fragen wurde der Fiskus, dessen 
Interesse die Förderung einer schrankenlosen individuellen 
Erwerbsfreiheit erheischte, während er die genossenschaftliche 
Organisationen durch seine stetig sich mehrenden Ansprüche 3 ) 
zwang, an ihrer eigenen Zersetzung mitzuarbeiten. 



1 ) Edm. Freih. v. Heyking, Zur Gesch. der Handelsbilanz- 
theorie, Berlin 1880, I. T., S. 3. 

2 ) Wiebe, a. a. 0., Tabelle S. 272 f. 

3 ) Vgl. Herrn. Ign. Bidermann, Die technische Bildung im 
Kaisertume Osterreich, Wien 1854, S. 7; Mor. Mayer, Gesch. der 
preußischen Handwerkerpolitik, • I. Bd., Minden 1884, S. 52 £, 

26* 



4 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [394 

- Das Reich als Ganzes konnte dem wachgewordenen Bedürf- 
nisse nach wirtschaftlicher Neuorganisation nur in ganz unzu- 
reichendem Maße Genüge leisten. Und wenn auch einzelne 
Territorialstaaten, wie Brandenburg — Preußen, Braunschweig — 
Hannover *), später auch Osterreich und Sachsen, sich mit Erfolg 
bemühten, den Übergang von der lokalen zur landschaftlichen 
und territorialen Ordnung der gewerblichen Verhältnisse inner- 
halb ihres Gebietes durchzuführen, so stand diese Regelung nicht 
nur im Widerspruch mit den bereits weit über das Territorium 
hinausreichenden Verkehrs- und Handelsinteressen der einzelnen 
Länder 2 ), sie widerstrebte überdies, in ihren letzten wirtschaft- 
lichen und politischen Konsequenzen, dem Interesse der deutschen 
Reichseinheit. Daher zeigt denn der Entwicklungsgang der 
merkantilistischen Praxis im gesamten Reich wie in den einzelnen 
Territorien nicht jene durchsichtigen und einfachen Linien, wie 
etwa in den Weststaaten, die schon früh zu geschlossener poli- 
tischer Einheit gelangt waren. Wie diese Politik in Osterreich 
dennoch auf dem Gebiete der gewerblichen Arbeitsverfassung 
im weiteren Sinne dieses Wortes durchgedrungen ist, bis sie mit 
der Annahme des Reichsschlusses vom 4. September 1731 zur 
endgiltigen Beseitigung der Zunftautonomie geführt hat, soll im 
Folgenden dargestellt werden. 



IL Die soziale und wirtschaftliche Lage 
des österreichischen Handwerks am Ende des 

17. Jahrhunderts. 

• 

Von der allgemeinen Mobilisierung aller Besitzwerte, die, 
mit der Grundrentenaccumulation beginnend, seit dem Empor- 
kommen der städtischen Kultur das ganze europäische Wirt- 
schaftsleben in die Bahn der kapitalistischen Betriebs- und Ver- 
kehr sweise gelenkt hat, waren die kaiserlichen Erblande nach 
der formellen Beendigung der Religionskriege noch wenig berührt 
worden. Die Notwendigkeit einer zusammenfassenden inner- 
politischen Führung, die in Westeuropa Hand in Hand mit der 



*) Gr. S c h m o 1 1 e r, Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, 
Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte, Lpz. 1898, S. 382 f. 

2 ) G. Schmoller (unter Mitwirkung von W. Stieda), Die Straß- 
burger Tucher- und Weberzunft, Straßb. 1879, S. 540. 



3951 Die Beste der Handwerkersolidarität. 5 

zentralistischen Staatswirtschaft ging, war hier bis an die Wende 
des 17. und 18. Jahrhunderts in der Praxis noch fast gar nicht aner- 
kannt. Innere und auswärtige Kriegswirren, der relativ bedeu- 
tende Einfluß der Stände, die zahlreichen ethnographischen, 
kulturellen und staatsrechtlichen Unterschiede innerhalb des 
weitausgedehnten Ländergebiets verhinderten lange Zeit die 
Ausgestaltung der habsburgischen Hausmacht zu einem einheit- 
lich geleiteten Verwaltungs- und Wirtschaftskörper und sicherten 
so der bodenständigen und lokalen Handwerksverfassung eine 
ungewöhnlich lange Lebensdauer. Bis in die letzten Decennien 
des 17. Jahrhundertss ist sich die Regierung der politischen 
Bedeutung wirtschaftlicher Fragen kaum bewußt. Erst als durch 
den Verlauf und die Ergebnisse des spanischen Erbfolgekrieges 
der Blick der österreichischen Staatsmänner auf die interstaat- 
lichen Wechselbeziehungen des europäischen Wirtschaftslebens 
gerichtet worden war, und vollends, als nach der Zurückdrängung 
der osmanischen Herrschaft ein noch unentwickelteres Wirt- 
schaftsgebiet im Osten sich eröffnet hatte, wendet sich auch die 
Aufmerksamkeit der österreichischen Regierung und Diplomatie 
den Fragen einer systematischen äußeren und inneren Wirtschafts- 
politik zu. Bis dahin ist Osterreich mehr Objekt als mittätiger 
Faktor der neu-europäischen Wirtschaftsbestrebungen. Diese 
Passivität trägt aber alle Merkmale der Übergangsperiode an 
sich. Die kapitalistische Strömung ist hier zwar nicht so mächtig, 
ein Erwerbsleben im neuzeitlichen Sinne des Wortes zu schaffen, 
sie reicht aber gerade hin, den traditionellen volksgenossenschaft- 
lichen Charakter der Handwerksorganisation nach und nach auch 
hier fast spurlos verschwinden zu machen. 

1. Die Beste der Handwerkersolidarität. 

Es ist ein Kennzeichen müder Epochen, daß sie historische 
Folgeerscheinungen, denen ihrerseits wieder nur die Bedeutung 
von Trägern und Erregern der Entwicklung zukommt, mitten 
im Fluß der Ereignisse als dauernde Einrichtungen stabilisieren, 
indem sie sie mit dem Geist ihrer eigenen Erschlaffung und 
zähen Langlebigkeit erfüllen. Durch eine solche Erstarrung und 
Verdinglichung aller Lebenswerte *) charakterisiert sich Deutsch- 

l ) Vgl* "1 ähnlichem Zusammenhange den Gegensatz: „Persön- 
lichkeit und Dinglichkeit der Verbände bei Gierke, Das 
deutsche Genossenschaftsrecht, I. Bd., Rechtsgeschichte der deutschen 
Genossenschaften, 1868, S. 8 ff., sowie die treffende Charakterisierung 



6 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [396 

land in der Zeit nach dem „30jährigen Kriege". Die landes- 
herrliche Macht, die einen jahrzehntelangen Kampf um ihr 
spezifisches Regierungs- und Kulturprinzip geführt hatte, hielt 
ihre qualifizierte Führung fest und wandelte sich zum fürstlichen 
Absolutismus ; zugleich vollzog sich der endgiltige Übergang vom 
Lehensadel zum Hof- und Beamtenadel. Die kirchlichen Kulte 
waren nach einem entscheidungslosen Ringen um ihre weltlichen 
Symbole in einen Zustand des Dogmatismus und Formensinns 
geraten. Das ganze öffentliche Leben und die Kunst verrieten 
ihre Schwäche durch die oberflächliche Annahme ausländischer 
Moden und formeller Äußerlichkeiten. Der soziale Gedanke 
endlich, dessen Weiterführung und Entwicklung an der Kultur- 
spaltung gescheitert war, geriet nun entweder unter die Vormund- 
schaft des fürstlichen Absolutismus, der ihn seiner Industrie- und 
Finanzpolitik anzupassen suchte ; oder aber man meinte mit der 
jener Zeit ganz besonders eigentümlichen Verwechslung von 
Folge und Ursache in der unstreitbar sozialen Form der Zunft 
einen sozialen Inhalt gefunden zu haben. Der eine wie der 
andere Standpunkt war unhistorisch und konnte nach dem 
gänzlichen Verfall des mittelalterlichen Zunftwesens für die Frage 
der innern Reorganisation des Handwerks billigerweise nicht in 
Betracht kommen. 

Der Ursprungscharakter der Zunft war religiös-sozialer 
Natur gewesen. Hervorgegangen aus dem einverständlichen 
Bestreben, die Reibungsmomente des wirtschaftlichen Lebens zu 
verringern, sollte sie jedem einzelnen Handwerker einen gewissen 
Grad von Selbständigkeit garantieren, ohne ihn jedoch ein fest- 
gesetztes Existenzmaximum überschreiten zu lassen. Zu ihren 
nächsten Aufgaben gehörte es, Produktion und Verkauf, Arbeits- 
zeit, Arbeitslohn und Arbeitsvertrag zu regeln, die Zahl der 
Hilfskräfte zu bestimmen, Rohmaterialien zu beschaffen und zu 
verteilen und für die Errichtung der erforderlichen gemeinsamen 
Anlagen, wie Walkmühlen, Färbhäuser, Tuchhallen u. s. w., 
aufzukommen, deren Benützung dem einzelnen gegen mäßiges 
Entgelt freistand. Hatten jedoch derartige Funktionen die Insti- 
tution der Zunft ehedem zu einer unentbehrlichen gemacht und 
ihr sogar den Charakter eines „Amtes" verliehen, so war nun- 



des bezüglichen historisch-biologischen Vorganges durch Gr. S i m m e 1 (in 
der Ztschr.: „Das freie Wort," Frkf. 1901, I. Jahrg., 6. H.): „Die 
Bedeutung jedes einzelnen gesellschaftlichen Elementes ist in die ein- 
seitige Sachlichkeit seiner Leistung übergegangen." 



397] Die Reste der Handwerkersolidarität. 7 

mehr an die Stelle der früheren sozialen Betätigung, die sich 
dem Volksganzen organisch eingefügt hatte, im Verlauf des 
aufgedrungenen Existenzkampfes das nackte wirtschaftliche 
Selbstinteresse getreten. Die bindende und organisatorische Kraft 
der Zünfte war den gesteigerten Anforderungen der Produktions- 
und Konsumtionsverhältnisse nicht mehr gewachsen: der Staat 
nahm einen immer größeren Teil der gewerbepolizeilichen 
Befugnisse für sich in Anspruch x ). 

Auch das österreichische Zunftwesen war in dieser Periode 
bereits auf dem Punkte der Rechtsversteinerung angelangt. Auch 
hier entspann sich der Rechtskampf zwischen Staat und Zunft. 
Wie aber in Osterreich dem ständischen und körperschaftlichen 
Wesen überhaupt ein größerer Einfluß eingeräumt war als in 
andern Staaten, so gestaltete sich hier auch der Widerstand der 
Zünfte zu einem zäheren und erfolgreicheren als etwa in Frank- 
reich oder Preußen. 

Die lokalen Handwerksprivilegien mit ihren alten Bann- 
und Verbietungsrechten präponderierten in Osterreich noch zu 
einer Zeit, wo in den meisten Ländern Westeuropas das Privi- 
legienkapital bereits durch das Geldkapital expropriiert, die 
Ware bereits zum Gegenstand interlokaler und interstaatlicher 
Gewinnspekulationen geworden war. 

Zunächst unterlag das Produktionsquantum des einzelnen 
Meisters der althergebrachten Beschränkung. So setzt z. B. die 
Ordnung der Reichenberger Tuchmacher vom 16. Jänner 1664 
fest, daß künftighin kein Meister in 14 Tagen mehr als ein 
breites Tuch von „Zwei-, Drei- oder Viersiegler Haaren" ver- 
fertigen oder verfertigen lassen dürfe, „damit hinfüro das Hand- 
werk in bessern Beruff und mehren Auffnehmen gerathe und 
die Tücher nicht obenhien, wie bißhero geschehen, verfertiget 
werdeu und also dardurch der Käuffer nicht vervortheilt, auch 
der arme Meister nicht gar verterbet werde, sondern sich neben 
dem reichen erhalten könne" 3 ). Die Müller der Asperer Zeche 

x ) Adolf Bruder, Die Behandlung der Handwerkerkorporationen 
durch die Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts (in der „Ztschr. f. die 
gesamte Staatswissenschaft"), Tübingen 1880, S. 484 ff.; Heinr. 
Reschauer, Geschichte des Kampfes der Handwerkerzünfte und der 
Kaufmannsgremien mit der österr. Bureaukratie, Wien 1882, S. 6 ff.; 
G. Schmoller, Die Straßburger Tucher- und Weberzunft, a. a. 0., 
S. 533, 552. 

2 ) H. Hall wich, Beichenberg und Umgebung, II. Halbb., 
Reichenb. 1874, S. 53. 



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8 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [398 

erringen im Jahre 1680 das Zugeständnis, daß kein Meister mehr 
als eine Mühle betreiben dürfe. Hat er zwei, so muß er die 
zweite einem andern Müller um Billiges überlassen 1 ). Ebenso 
bezeichnet es die Radkersburger Schneiderordnung von 1728 als 
einen alten lokalen Brauch, daß keiner mehr als 3 „Stock" 
(Stühle) besetzen dürfe, sei es mit Gesellen oder Lehrbuben. 
Nur 2 Wochen vor den 3 größten Feiertagen ist dies gestattet. 
Im übrigen darf eine Ausnahme nur mit Bewilligung der Obrig- 
keit gemacht werden 3 ). Tritt in derartigen Verfügungen die 
soziale Grundstimmung des zünftigen Beschränkungsrechtes noch 
ziemlich deutlich zu Tage, so enthält die bezügliche Anordnung 
des Iglauer Tuchmachergewerks vom Jahre 1670 einige nähere 
Bestimmungen, die bereits auf eine weitgehende im Unterschied 
der Besitzverhältnisse begründete Klassendifferenzierung der 
Privilegienrechte schließen lassen. Es durfte darnach ein 
Ratsverwandter nur 12 breite, 24 vordere, 7 Boy und 2 Gallustücher, 
Geschworener 

Ansässiger „„„_ „.„„_ „ 

Inwohner „ 8 „ 18 „ 7 „ „ 2 „ 

fabrizieren 3 ). Den patrizischen Ständen der Ratsverwandten und 
Geschworenen wird also bezüglich der Fabrikation der wert- 
volleren und einträglicheren „breiten" Tücher ein größerer 
Spielraum gewährt als der übrigen Handwerkerschaft. 

Das Bestreben der Zünfte, für den einzelnen Meister eine 
Art Existenzmaximum zu fixieren, fand seine notwendige Er- 
gänzung in ihrem zähen Festhalten an den alten Preis- und 
Lohnsätzen. Auf die große Teuerung des 30-jährigen Krieges 
war eine Periode der Billigkeit gefolgt ; die Preise waren niedriger 
als zu Beginn des Jahrhunderts 4 ). Allein die österreichischen 
Zünfte zeigten sich von allen Preisschwankungen unberührt. 
Immer häufiger wurden Klagen der Konsumenten laut, daß 
„Lohn, Stuck, Gemächt und Arbeit" nie abnähmen, „es seyen 
der Lebensmittlen halber wohlfaile oder bekleme Zeiten" 5 ). 

*) Patent v. 10. Febr. 1680, Art. 55, Cod. Austr., IL T., S. 23. 

3 ) Jak. Gomilscbak, Zünfte in Radkersburg und Materialien 
zu ihrer Geschichte, in den „Beitr. zur Kunde steierm. Geschichtsquellen", 
16. Bd., S. 64. 

8 ) Karl Werner, Urkundliche Geschichte der Iglauer Tuch- 
macherzunft, Lpz. 1861, S. 96. 

4 ) Wiebe, a. a. 0., S. 215. 

ö ) Handwerkerpatent v. 9. Dez. 1689, P. 7, Cod. Austr., I. T., 
S. 458 ff. 



399 1 Die Reste der Handwerkersolidarität. 9 

Billigere Arbeit wurde mit „Ausschelten a oder Geldstrafe bedroht. 
Mit aller Strenge wurde darauf geachtet, daß vor dem Beginne 
einer bestellten Arbeit die eventuellen früheren Verbindlichkeiten 
des Auftraggebers andern Meistern gegenüber gelöst sein 
mußten 1 ), daß ferner eine begonnene Arbeit nur durch denjenigen 
beendigt werde, der sie übernommen hatte 2 ). 

Die Maßregeln, die der Zunft ihre soziale Eigenart bewahren 
und insbesondere gewisse nichtbürgerliche Elemente von vorn- 
herein ausschließen sollten, nahmen an Zahl und Absonderlich- 
keit beständig zu. Von „Mißbräuchen" der Zunftprivilegien zu 
sprechen, wie die damaligen Regierungen es taten, hieße die 
Dinge nur von einer Seite betrachten. Es sind Zeichen einer 
nervösen, unruhigen Furcht vor einer drohenden Ära schranken- 
losen Erwerbstreibens, die den verendenden Organismus der 
werktätigen Volksgenossenschaft zu immer härterer und krasserer 
Auslegung seiner Prohibitivrechte drängt ; nur daß in jener Zeit 
der steigende Bevölkerungsüberschuß und das Bedürfnis der 
Kapitalisten und Regierungen nach industriellen Arbeitskräften 
jene Maßregeln als besonders lästig empfinden lassen. Hieher 
gehört in erster Linie die Einrichtung der „geschlossenen Zunft", 
d. h. der Gebrauch, daß nur eine bestimmte Anzahl von Mit- 
gliedern in der Innung geduldet wurde. So setzen es z. B. die 
Schiffsmüller der Asperer Zeche auf ihre Bitte vom 7. Dez. 1674 
durch, daß in ihrem neuerlich restringierten Distrikt, der von 
Korneuburg bis zum Einfluß der March in die Donau reichte, 
„über jetzige darin befindliche Anzahl von 39 Schiff-Mühlen sambt 
der Hoff-Mühlen zu Ortt keine mehr eingeführt, noch auf einigen 
neuen Mühlschlag denen Grund-Obrigkeiten eine Licentz gegeben, 
noch ein anderwerts erkauffender alter Mühlschlag allda an- 
gehangen oder angerichtet werden solle." 8 ) Ein weiterer natür- 
licher Beschränkungsgrund erwuchs aus der patriarchalischen 
Tradition, die in erster Linie Familienangehörige, zunächst also 
die Söhne und Schwiegersöhne der Zunftgenossen, für die In- 
korporierung in Betracht zog. Fernestehende waren selten will- 
kommen. Man gab ihnen unnütze und schwierige Meisterstücke 
auf, nahm ihnen Mißratenes weg, ließ sich bei der Beschau von 
parteiischen Motiven leiten und verhängte über nicht beförderte 



*) Ebend., P. 10 u. 11. 

3 ) Ebend., P. 12. 

») Cod. Austr., I. T., S. 91 f. 



10 Die soz. u. Wirtschaft]. Lage am Ende des 17. Jahrb. [400 

Gesellen noch obendrein eine Geldstrafe. 1 ) Aus ähnlichen Beweg- 
gründen wurden die Inkorporationskosten mit Absicht sehr hoch 
bemessen 2 ). Die Wiener Schuhmacherinnung fordert für die Ein- 
verleibung der Schuster auf dem freien Landgut in St. Ulrich 
24 fl. und die Quatembergelder 3 ). Das Einkaufsgeld für die 
Wiener „Fischkäufler" wird durch ein Patent vom 14. Juli 1687 
auf 50 fl. reduziert; nur für diejenigen, die eines „Fischkäuflers a 
Tochter oder Wittib ehelichen, soll es bloß 25 fl. betragen 4 ). 
In andern Fällen mag die Einkaufssumme noch bedeutend höher 
gewesen sein. Ein Steuerprojekt aus der Regierungszeit Karls VI. 5 ) 
bezeichnet als die "Hauptursache der Handwerker-„Mißbräuche tf 
das Privilegium der Zünfte, ihre Aufnahmsbedingungen stellen 
zu dürfen, welches Recht jedoch bei ihnen zu einem Monopo- 
lium und Propolium ausgeartet sei. Ein Schlosser z. B. brauche 
zur Erlangung des Meisterrechts mindestens eine Summe von 
300 fl. 6 ) Mit der Zeit wurde sogar der Eintritt in die Lehrzeit 
erschwert. So erließen Ausschuß und Mitel der Iglauer Tuch- 
macherzunft am 2. April 1700 eine Verfügung, wonach die 
Lehrjungen die Summe von 5 Schock, die sie bei ihrem Eintritt 
in die Lehre zu bezahlen hatten, nach der Freisprechung nicht, 

1 ) Ebend., S. 458 ff., P. 4. 

2 ) Ebend., P. 3. 

8 ) Cölestin Wolfsgruber, Regg. aus dem Archiv des Bene- 
diktinerstiftes Schotten in Wien, in den „Quellen zur Gesch. der Stadt 
Wien«, her. v. Anton Mayer III. Bd., Wien 1897, S. 120, Nr. 2780, 
Vergleich vom 11. Juni 1677. 

4 ) Cod. Austr., I. T., S. 353. 

5 ) Ms. im Archiv des Min. des Innern (IV. F. 28, Gewerbe in 
genere, N.-Ost. 1522 — 1749) anonym, ohne Angabe einer Jahreszahl. 
Die Abfassung des Libells dürfte in die Zeit zwischen 1728 und 1731 
fallen. Für den letzteren terminus spricht der Umstand, daß der epo- 
chale Reichsschluß von 1731 in der Schrift nirgends erwähnt wird, was 
im Fall ihrer späteren Datierung bei der Ähnlichkeit der beiderseitigen 
Materien sicherlich der Fall gewesen wäre. Als untere Grenze wäre das 
Jahr 1728 anzusetzen. Nach Siegm. Mayer (Die Aufhebung des Befähi- 
gungsnachweises in Osterreich, Lpz. 1894, S. 254) ist nämlich dem auf 
der Münchner Bibliothek befindlichen Original jenes Projekts („ Aller- 
un terthänigst — Gehorsambster Vorschlag einer neuen Ge werbt, Handt- 
werkhs- und Zunfft-Ordnung, Mittels diser Ordnung eines ergebigen 
Gefälls pro aerario Camerali") ein „Verzeicbnuß" der in Wien befind- 
lichen Handwerker aus dem Jahre 1728 beigegeben, wonach also der 
„Vorschlag" selbst in oder nach diesem Jahr entstanden sein müßte. 

6 ) Die Ziffern des „Vorschlags" sind allerdings nicht sehr zuver- 
lässig, da sie in erster Linie das Interesse des Fiskus berücksichtigen. 



401] Die Reste der Handwerkersolidarität. 11 

wie herkömmlich, zurückerhalten sollten; auch wurde verboten, 
den Lehrlingen das übliche Lehrkleid zu geben 1 ). 

Solchen Abwehrbestrebungen kam die zünftige Tradition 
zu Hilfe, die aus Sitte, Recht und Aberglauben eine Fülle von 
Ausschließungsgründen entwickelt hatte. Zahlreiche Bevölkerungs- 
schichten galten bei den Zünften von vornherein als handwerks- 
untauglich. Berufe wie die der Abdecker, Grerichtsdiener, Bader, 
Müller, Leinweber, Spielleute, Schäfer u. a. 3 ) waren für „ un- 
ehrlich" erklärt und durften, wie ihre Kinder, nicht in Dienst 
und Arbeit genommen werden. Die Ordnung der Ledererzunft 
in Radkersburg 3 ) verbietet den Umgang und die Gemeinschaft 
mit dem Freimanne sowie das Berühren der Leichen und Aase ; 
Felle von Hunden und Katzen durfte niemand kaufen, verkaufen 
oder verarbeiten, auch durfte man diese Tiere bei Strafe von 
1 Pfd. Wachs nicht töten. In Niederösterreich wurde demjenigen, 
der, wenn auch mit gutem Grund, einen Hund tötete, das 
Handwerk gelegt, er selbst wurde „infam" gemacht und verstoßen 4 ). 
Dasselbe widerfuhr demjenigen Handwerksgesellen, der ein 
Mädchen „aus zweiter Hand" ehelichte 5 ). Insbesondere aber waren 
die Ausleger und Ausüber des verhaßten römischen Rechtes, die 
Gerichtsfunktionäre und ihre gerichtlichen Strafmittel, dem Miß- 
trauen der Zünfte ausgesetzt. Es erscheint wie ein trotziger 
Vorbehalt, wenn die zünftige Wiener Handwerkerschaft erst nach 
dem umständlichsten Ceremoniell einwilligt, sich an dem Bau des 
Amtshauses zu beteiligen, das im Jahre 1722 in der Rauhen- 
straße errichtet werden sollte. Zuerst mußte der betreffende 
kaiserliche Befehl auf dem Rathause verlesen werden ; der Unter- 
richter mußte sich mit den Meistern und Gesellen in feierlichem 
Zuge nach dem Amtshause verfügen, um ihnen zu zeigen, daß 
es von Verbrechern ganz leer sei; dreimal rief er der Stadt 
Befehl, daß keiner dem andern wegen der Beteiligung an den 
Bauarbeiten einen Vorwurf machen solle; dann erst tat jeder 



x ) Karl Werner, Urkundliche Geschichte der Iglauer Tuch- 
macherzunft, Lpz. 1861, S. 96 f. 

2 ) Cod. Au str., I. T., S. 458 ff. 

8 ) Jak. Gomilschak, Zünfte in Radkersburg und Materialien 
zu ihrer Geschichte, in den „Beitr. zur Kunde steierm. Geschichtsqaellen", 
Graz, 16. Bd., S. 62 (Ordnung v. 20. Juni 1616, gleichlautend bestätigt 
am 26. Juni 1660, Art. 13 u. 10). 

4 ) Cod. Austr., I. T., S. 458 ff., P. 14. 

5 ) Ebend., P. 15. 



12 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [402 

von den Anwesenden drei Streiche an das Haus und sprach es 
so völlig frei und „ehrlich" 1 ). 

Bei dem Mangel bürgerlicher Selbstbestimniungsrechte blieb 
freilich die Ausbildung starker lokaler Zünfte in den österreichi- 
schen Städten dauernd erschwert. Dagegen war der interlokale 
Zusammenhang des Handwerks ein um so engerer. Nicht bloß 
durch das natürliche Kommunikationsmittel der Gesellenwanderung. 
Die einheitliche Verfassung des gesamten Handwerks beruhte 
nicht zuletzt auf der führenden Stellung der Hauptladen gegen- 
über den provinziellen Nebenladen. Die Hauptlade gab in wirt- 
schaftlichen und juristischen Fragen den Ton an, ihre Privilegien 
waren verbindlich für die der Filialladen, ja, sie besaß sogar 
das Recht der direkten Einflußnahme auf die Einkaufung der 
Meister in der Provinz. So erstreckte sich beispielsweise das 
Geltungsgebiet der Wiener Hauptinnungen bis über die Landes- 
grenze hinüber 2 ). Eine ähnliche Stellung beanspruchte Prag als 
Vorort der böhmischen Zünfte. Insbesondere bildeten die Tuch- 
macherzünfte Böhmens eine Art Rechtsverband, an dessen Spitze 
die Prager Innung stand 8 ). Der praktische Zweck solcher inter- 
lokalen Verbände war wieder ein rein prohibitiver : es sollte durch 
sie in erster Linie dem „Für kauf", d. h. dem Einkauf von 
Rohmaterialien und Handwerkserzeugnissen für den Weiterver- 
kauf gesteuert werden. Auf diesem Gebiete waren die Erfolge 
der Hauptinnung freilich oft sehr exklusiver Art. So, wenn 
z. B. die Wiener Schneider das Zugeständnis erringen, daß 
„Tändler, Gewändtier, Störer, oder jemands ander erfrembder 
auf denen Tändl- oder anderen freyen Jahrmärckten allhier" kein 
neugeschnittenes Gewand verkaufen dürfen 4 ). 

überhaupt boten die Jahrmärkte den häufigsten Anlaß zur 
Durchbrechung der interlokalen Handwerkersolidarität. Hier, wo 
die Innung sich in die feilschende Krämerkompagnie verwandelte, 
machte sich zu allererst und ganz von selbst der zersetzende 



*) Jos. Freih. v. Hormayr, Wien, seine Geschichte und Denk- 
würdigkeiten, Wien, 1823, 4. Bd., S. 262. 

2 ) Die Zunft der Wiener Kämpeimacher z. B. sucht ihren Einfluß 
bis nach Olmütz in Mähren auszudehnen, wogegen jedoch das Olmützer 
Handwerk erfolgreich Beschwerde fuhrt (Resolution v. 16. Nov. 1677, 
Cod. Austr., I. T., S. 640). 

3 ) Ludw. Hübner, Geschichte der Reichenberger Tuehmacher- 
zunft, Reichenberg 1878, S. 78 f. 

4 ) Resolution v. 27. März 1688, Cod. Austr., II. T., S. 440 f. 



403] Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 13 

Einfluß des handelskapitalistischen Elements im Handwerk 
bemerkbar. Streitigkeiten über Produktionsabgrenzung und 
Verkaufsrecht x ) standen auf der Tagesordnung, ohne daß im all- 
gemeinen der Jahrmarktsbesuch sich besonders lohnend gestaltet 
hätte. Mit Recht bemerkt denn auch J. J. Becher 2 ), es sei 
sehr übel mit den Handwerkern bestellt, wenn sie mit ihren 
Waren auf den Jahrmärkten herumlaufen und so mehr Reisegeld 
verzehren, als ihr Erlös beträgt. 

Am entschiedensten und dauerhaftesten hat sich die innere 
Einheit der Handwerksverfassung in der Gesellenorganisation 
erhalten. Wie die Meisterzunft, so verdankte auch die Gesellen- 
bruderschaft ihren Ursprung zumeist religiös-sittlichen Zwecken. 
Die leichtere Beweglichkeit des Gesellenelements gegenüber dem 
Meisterstande schuf hier jedoch ungleich günstigere Vorbedin- 
gungen für die Bildung und Aufrechterhaltung interlokaler Ver- 
bände. In diesen besaß der Gesellenstand eine treffliche Organi- 
sation zur Pflege des Korpsgeistes, ein nie versagendes Mittel 
zur Kontrolle und, wenn nötig, zur Ausübung seiner alther- 
gebrachten Gerichtsbarkeit über die Handwerksgenossen. Und 
wenn auch die Kraft dieser interlokalen Verbände unter dem 
Überhandnehmen der Staatsgewalt erheblich gelitten hat, so war 
es doch nur ihrem Einflüsse zuzuschreiben, wenn die Gesellen- 
frage, die seit dem Ausgange des Mittelalters zur brennendsten 
aller Handwerkerfragen geworden war, fortan nicht mehr von 
der Tagesordnung der inneren Politik Deutschlands verschwand. 

2. Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 

Mag nun auch ein beträchtlicher Teil des Handwerks sich 
bereits offenkundig der Realisierung von Handelsprofit zugewendet 
haben : im allgemeinen war der Boden für eine Industrialisierung 
Österreichs auf Grundlage des Großkapitals noch nicht vorhanden. 
Hiezu fehlte in erster Linie jene Sättigung mit Bevölkerungs- 
massen, die allüberall erst den Erwerbsstachel der modernen 
Konkurrenz hervorzutreiben geeignet ist, jene Gelegenheit zur 
Bildung großer disponibler Industrierentenfonds, wie sie sich im 
volks- und städtereichen Westen bot. 



x ) Resolution v. 6. Juni 1696 in Angelegenheit der Konkurrenz- 
streitigkeit zwischen den Wiener und Passauer Taschnern, Cod. Aus tr., 
II. T., 8. 330. 

3 ) Joh. Joachim Becher, Politische Diskurs, 2. A., Frkf. 1673, 
S. 10. 



14 Die soz. u. wirtachaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [404 

Die Bevölkerungszahl der Erblande dürfte nach dem 30- 
jährigen Kriege die des damaligen Holland kaum um vieles 
überragt haben 1 ). Noch lagen auf dem entvölkerten Lande die 
Spuren der Kriegsnot. „Den Krieg betreffend, a sagt Hörnigk in 
seinem Hauptwerke 2 ), „so haben die Teutsche Erbländer nun in 
vier und zwanzig Jahren, auser was sich nemlich in Unter- 
Osterreich zugetragen, keinen Feind im Eingeweid gehabt. Und 
gleichwohl ist vieler Orten der elende Anblick noch so frisch, 
ob wäre der Feind erst gestern oder vorgestern abgezogen. So 
gar, wo auch in hundert Jahren kein Krieg hinkommen, glaubt 
man, zwey oder drey hundert Burger, guten theils arme Tag- 
löhner, seyen etwas in einer Landstatt." Die Häuser und Kul- 
turen lagen wüst. In den Städten und Märkten des Landes unter 
der Enns — außer Wien — hatte der gesamte Schätzungswert 
der Häuser, Weingärten, Acker, Wiesen und Gewerbe im 
Jahre 1560 bei 522.779 Pfd. betragen; bis zum Jahre 1665 sank 
er auf 243.201 Pfd. Die Anzahl der bewohnbaren Häuser, die 
sich 1560 auf 1696 belaufen hatte, betrug im Jahre 1665 nur 
mehr 936; daneben gab es 1756 baufällige und 710 ganz ver- 
fallene Häuser 3 ). Die Einfälle der Türken und Ungarn richteten 



x ) P. de 1 a Court, „Interest von Holland, oder : Grundfäste der 
Holländischen Wohlfahrt, u von V. D. H. (Van der Hoeve = de la 
Court), deutsche Übersetzung, T' Amsterdam 1665, 8. Kap., berechnet 
die Einwohnerzahl Hollands auf 2,400.000. Für die österreichischen 
Erbländer existieren aus jener Zeit keine genauen statistischen Daten. 
Die erste Volkszählung (1754) ergab für Österreich (ohne Ungarn) bloß 
6,134.558 Einwohner (K. Th. Inama-Sternegg, Bevölkerung des 
Mittelalters und der neuen Zeit bis Ende des 18. Jahrhunderts, im 
„Handwörterbuch der Staatswissenschaften", II. Bd., Jena 1891, Art. 
„Bevölkerungswesen", S. 437). 

2 ) Ph. W. v. Hörnigk, „Oesterreich Über alles, wann es nur 
will. Das ist: wohlmeinender Fürschlag, Wie mittelst einer wolbestellten 
Lands-Oeconomie, die Kayserl. Erbland in kurzem über alle andere 
Staat von Europa zu erheben und mehr als einiger derselben von denen 
andern Independent zu machen. Durch einen Liebhaber der Kayserl. 
Erbland Wolfart« (ohne Autornamen), 1. A., 1684, S. 113. 

3 ) So gab es im Jahre 1665 

in Klosterneuburg 156 bewohnbare, 215 baufällige und 41 verfallene 
„ Krems 106 „ 133 „ „156 „ 

„ Langenlois 105 „ 193 „ „ 28 „ 

„ Brück 43 „ 135 „ „ 48 „ 

Häuser (Karl Oberleitner, Die Finanzlage Niederösterreichs im 

16. Jahrhundert, Arch. f. Kunde österr. Geschichtsquellen, 30. Bd., 

Wien 1863, S. 25 f.). 



405] G-ewerbeelemente und Gewerbepolitik. 15 

besonders in diesem Lande arge Verheerungen an. Die unter- 
österreichischen Stände beantworteten eine Aufforderung des 
Kaisers vom 16. Dezember 1707, die in Ungarn stehenden 
Truppen mit Nahrungsmitteln und Pferdefutter zu versorgen, 
mit einer Erklärung, worin sie u. a. anführen, daß infolge der 
ungarischen Einfälle 16.000 Häuser im Lande öde stünden und 
daß mit Einrechnung der in den Jahren 1656 und 1683 an- 
gerichteten Verwüstungen 8000 Häuser niedergebrannt worden 
seien 1 ). Durch die Belagerung Wiens war vornehmlich der Wiener 
Handwerkerstand in Mitleidenschaft gezogen worden, dessen an 
der Stadtperipherie gelegenes Besitztum am allermeisten den 
feindlichen Angriffen ausgesetzt gewesen war 2 ). Nach der Auf- 
hebung der Belagerung machte sich der Mangel an Arbeits- 
kräften insbesondere im Baugewerbe empfindlich fühlbar. Hatte 
doch überdies das „große Sterben" fünf Jahre vorher den größten 
Teil der hauptstädtischen Bevölkerung dahingerafft 3 ). Nur die 
außergewöhnlichen Zeitumstände bewogen zu der außerordent- 
lichen Maßregel, daß man fremden Bauhandwerkern die Erlaub- 
nis erteilte, in Wien, in den Vorstädten und auf dem Lande 



x ) Biedermann, Gesch. der österr. Gesamt-Staats-Idee, a. a. O-, 
II. Abt., S. 141, Anm. 66. 

2 ) Infolge der Verringerung der Häuser in der inneren Stadt, die 
immer mehr zum Wohnsitz der vornehmeren und wohlhabenderen 
Bevölkerungsschichten ausgestaltet wurde, sahen sich die handwerk- 
treibenden Einwohner größtenteils auf die äußeren Stadtteile beschränkt 
(Karl Weiß, Gesch. der Stadt Wien, Wien 1872, II. Abt., S. 254 f.). 
Im Jahre 1550 hatte die innere Stadt Wien ca. 1015 steuerbare Häuser 
besessen, im Jahre 1706 besaß sie deren nur mehr 586 (Oberleitner, 
a. a. 0., S. 27). 

3 ) P. Abraham a Santa Clara schätzt in seinem „Mercks 
Wienn" (Wien 1680) die Zahl der im Jahre 1679 an der Pest Ver- 
storbenen auf 70.000. Das Exemplar der Wiener Hofbibliothek enthält 
jedoch auf einer der letzten leeren Seiten einen handschriftlichen Ver- 
merk aus dem Jahre 1681, worin diese Zahl unter dem ausdrücklichen 
Hinweis: „P. Abrah. sagt 70.000 p. 154 tt auf 140.514 korrigiert wird. 
Davon entfielen nach /des Verfassers Aufstellung 59.484 auf die innere 
Stadt, 30.470 auf die Vorstädte und 50.560 auf die Umgebung. Für 
die innere Stadt ist die Zahl der Todesfälle von Monat zu Monat aus- 
gewiesen; dem Verfasser — er nennt sich Hilar. Adelsheim — standen 
also wahrscheinlich amtliche Daten zur Verfügung. — In Prag starben 
im Jahre 1680 32.000 und bei einem neuerlichen Ausbruche in Wien 
in den Jahren 1713 und 1714 8644 Menschen an der Pest. (H. Hall- 
wich, Reichenberg und Umgebung, I. Halbb., Reich enb. 1872, S. 293; 
Weiß, a. a. O., S. 82.) 



16 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [406 

ohne Behinderung vonseiten der Zünfte zu arbeiten, jedoch ohne 
Präjudiz für deren Privilegien und vorbehaltlich einer weiteren 
Verfügung *). 

Die Gesamtzahl der Handwerksmeister und Gesellen in den 
Städten und Märkten der Erblande betrug im Jahre 1674, also 
noch vor den letzterwähnten Bevölkerungsverlusten, nach einem 
Referat Dr. J. J. Bechers ca. 100.000 2 ), zu denen noch un- 
gefähr 50.000 n Störer a (samt den Hof- und Herrenbefreiten) 
hinzukamen. In Wien gab es um diese Zeit bloß 1679 bürger- 
liche Hand werksleute mit 4000 Gesellen und daneben über 
4000 „Stör er" und Befreite. In Prag, wo 20 Jahre vorher 
1245 Handwerker ansässig gewesen waren, gab es im Jahre 1674 
nur mehr 355 und von diesen lebten kaum 100 in auskömm- 
lichen Verhältnissen. Iglau hatte damals bloß 300 Bürger; vor 
dem 30-jährigen Kriege hatte es im Tuchmachergewerbe allein 
7 — 8000 Personen beschäftigt. Löwenberg in Schlesien zählte 
im Jahre 1674 nur 258 verarmter Bürger ; 50 Jahre vorher hatte 
es 1700 Bürger gehabt, darunter 700 Tuchmacher. Reichenbach 
in Schlesien hatte vorzeiten 400 > Barchentweber beherbergt; 
1674 besaß es im ganzen kaum 150 Bürger. Klagenfurt zählte 
in diesem Jahre nicht mehr als 200, Judenburg, früher eine 
ansehnliche Stadt, nicht mehr als 68 Handwerksmeister und 
insgesamt etwa 90 Bürger. In ähnlicher Weise war die Hand- 
werkerbevölkerung anderer Städte, wie Stein, Ybbs, Enns, Kloster- 
neuburg und Korneuburg zurückgegangen. 

Es waren keine günstigen materiellen Vorbedingungen, 
unter denen die österreichischen Länder nach dem äußeren 
Abschluß der deutschen Religionskriege in den politischen und 
wirtschaftlichen Kampf der europäischen Staaten eintraten. 



x ) Cod. Austr., I. T., S. 457 f. 

2 ) „Referat Dr. J. J. Bechers, Rom. Kays. Maj. Commercien 
Raths, wie die Commercien, auch gemeiner Handel und Wandel gegen- 
wärtig in Ihro Kays. Maj. Erblanden beschaffen seye, auch wie solchem 
durch restabilirung eineß Commercien Collegij könnte geholffen werden, 
daß sie denn Kays. Erblanden zur Ehr und nutzen beßer florirten. 
Überreicht Ihro Kayserl. Maj. zu Laxenburg den 11. May. 1674 u (Ms. 
in der Wiener Hofbibliothek Nr. 12, 467). 

Die obige Zahl ergab sich, wie aus einer Bemerkung in Bechers 
Referat (Blatt 60) hervorgeht, aus den Erhebungen, die sein Schwager 
Hörnigk im Auftrag des Kaisers angestellt hatte. Eine genaue und 
verläßliche Gewerbestatistik ist für diese Zeit ebensowenig vorhanden, 
wie eine allgemeine Bevölkerungsstatistik. 



407] Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 17 

Überdies hatte sich die Staatsgewalt zunächst verpflichtet geglaubt, 
den Kulturkampf im Innern beendigen zu müssen. Aber wenn 
Frankreich ohne sonderliche Einbuße an seiner wirtschaftlichen 
Macht es sich gestatten konnte, hunderttausende industrieller 
Arbeiter und Unternehmer durch die Aufhebung des Edikts von 
Nantes aus dem Lande zu weisen, — für Osterreich wurden die 
Maßregeln der Gegenreformation von entscheidender Bedeutung. 
Nicht nur wegen des zeitweiligen Entgangs an industriellen 
Arbeitskräften, obzwar auch dieser ins Gewicht fällt; ganze 
Industriezweige, wie die Blechschmiederei und Blaufärberei in 
Böhmen, waren durch die Ausweisung der Arbeiter aus dem 
Lande verbannt worden 1 ), die böhmischen Bergwerke, Tuch- 
manufakturen und Leinenwebereien, sowie die Eisenwerke der 
Steiermark verloren einen großen Teil ihrer Arbeiter 2 ), und 
durch die Gegenreformation in Tirol wurden gerade die kapitals- 
kräftigsten Bevölkerungskreise betroffen 3 ). Aber was das Wich- 
tigste war : Osterreich hatte sich durch die gegenref ormatorischen 
Maßregeln auf Jahrzehnte hinaus die Hände gebunden. Dies 
wurde erst fühlbar, als im Verlaufe der Reichstagsverhandlungen 
über die Handwerker-„Mißbräuche a die Frage der Beschaffung 
industrieller Arbeitskräfte sich immer deutlicher als der Angel- 
punkt der ganzen innern Wirtschaftspolitik Deutschlands dar- 
stellte. 

Außer der Eisenindustrie^ die besonders in Niederösterreich 
(Waidhofen a. d. Ybbs), Ober-Steiermark, Kärnten, Krain und 
Schlesien gepflegt wurde 4 ), der Leinenmanufaktur, die ihren Sitz 
in Krain, Mähren, Deutsch-Böhmen und Schlesien hatte, und der 
Tuchmacherei in den letzteren drei Ländern 5 ), gab es in den 
Erblanden bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts keine eigent- 
liche Industrie für den Bedarf weiterer Kreise. Weder die Ur- 



x ) Hörnigk, a. a. 0., S. 110 ff. 

2 ) K. Th. v. Inama-Sternegg, Die volkswirtschaftlichen 
Folgen des 30-jährigen Krieges für Deutschland, im „Histor. Taschen- 
buch 44 , her. v. Raumer, 4. Folge, 5. Jahrg., 1864, S. 73. 

3 ) Arnold Luschin von Ebengreuth, Österreichische 
Reichsgeschichte, Bamberg 1896, S. 385 f. 

4 ) Hörnigk, a. a. 0., S. 112; 

5 ) Ebend., S. 253. — Über die bedeutende Industrie Schlesiens, 
dessen Wohlstand hauptsächlich auf der Tuch- und Leinenmanufaktur 
und dem russisch-polnischen Handel beruhte, vgl. Grünhagen, Der 
materielle Zustand Schlesiens vor. der preußischen Besitzergreifung, in der 
n Ztschr. f. preuß. Gesch. u. Landesk.", X. Jahrg., Berl. 1873. 

Wiener staatswiss. Studien. IV. Bd., 3. Heft. 27 



18 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [408 

Produktion noch die gewerbliche Produktion war eine nennens- 
werte. Zu einer Zeit, wo Colbert an den Intendanten von 
Montpellier schrieb, die Leiter der Fabriksunternehmungen müßten 
selbst so viel Geschäftsgeist aufbringen, die ungünstigen Kon- 
junkturen zu überwinden, da staatliche Autorität und Hilfe diesen 
Mangel nicht ersetzen könne 1 ), war die österreichische Bevölke- 
rung in industriepolitischen Fragen noch ganz und gar indiffe- 
rent, während die Wortführer des industriellen Merkantilismus 
alles vom Eingreifen der Staatsmacht erwarteten. Nicht nur die 
westeuropäischen Staaten, auch die großen deutschen Städte 
waren dem österreichischen Handwerk in technischer Beziehung" 
weit überlegen 2 ). Das große Geschenk, das Kaiser Leopold im 
Jahre 1699 der Pforte übersandte, war von einem Augsburger 
Juwelier angefertigt worden 3 ). Die Hauptstadt beschränkte sich 
auf die Produktion für den lokalen Bedarf. Viele Handwerker 
betrieben hier neben ihrer Profession als altes Wiener Spezifikum 
den Weinbau, der selbst in mittleren Jahren 'ein lohnenderes 
Erträgnis lieferte als die Gewerbe 4 ). Unstreitig lag dem Charakter 
des Österreichers der Gedanke an intensive industrielle Erwerbs- 
tätigkeit ferne. Selbst Hörnigk, der es in allem den emsigen 
Nachbarn gleichtun möchte, muß zugeben, daß insbesondere bei 
den Wienern „die Lüsternheit und die Sehnung nach fröhlichem 
Leben gleichsam zu einem allgemeinen Herkommen erwachsen" 
sei, wenn er auch in seiner patriotischen Besorgnis hinzufügt, 
daß es ihnen „zu denen Fabricaturen" weder an Geschicklich- 
keit noch „application" mangle, „wann nur Willen, Aufmunterung 
und Anführung da ist" 5 ). Inländische Hutfabrikate, Posamentier- 
arbeiten, Perücken, Stickereien und Galanteriewaren kämen als 
„französisch" in den Handel. Einheimische Kunstfertigkeit gelte 
nichts, das Ausland werde allezeit bevorzugt, weshalb denn die 
besten „Künstler" nach Frankreich und Holland auswanderten 6 ). 



x ) 1671, nach K. Walcker, Gesch. der Nationalökonomie, Lpz. 
1884, S. 15. 

2 ) Franz Krone s, Handbuch der Geschichte Österreichs, IV. Bd., 
Berl. 1879, S. 455 ff.; Weiß a. a. O., II. Bd., S. 254 f. 

3 ) H. A. Berlepsch, Chronik der Gewerke, St. Gallen, ohne 
Jahreszahl, III. Bd., S. 83. 

4 ) Weiß, a. a. 0., IL Bd., S. 252. 

5 ) Hörnigk, a. a 0., S. 89 f. 

6 ) Ebend., S. 182 f.: auch H. J. Bid ermann (die technische 
Bildung im Kaisertume Österreich, S. 15, Anm.) sieht sich zu der 
Bemerkung veranlaßt, daß die technische Bildung weder in Osterreich 



409] Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 19 

Der österreichische Handel war bis in die ersten Jahrzehnte 
des 18. Jahrhunderts eine Domäne des Auslandes. Daher der 
verhältnismäßig bedeutende Ausfuhrhandel mit Rohprodukten. 
So lag z. B. der Handel mit Eisenwaren aus Steiermark seit 
jeher in den Händen der Nürnberger und Augsburger, die 
besonders zu Kriegszeiten einen schwunghaften Waffenhandel 
betrieben 1 ). Frankreich, Holland, England und einzelne Reichs- 
städte exploitierten den stetig wachsenden Luxusbedarf des öster- 
reichischen Konsums durch die Einfuhr von Manufakturen, die 
zum größten Teil aus österreichischem Material angefertigt waren. 
Aus dem industriereichen Schlesien wurde insbesondere Flachs 
und Wolle ausgeführt 2 ). „Aus unserm Quecksilber," sagt Hör- 
nigk, „wird uns von Venedig und Amsterdam Sublimat, Prae- 
cipitat und Zinober zugeführt. Aus unsern Bley kommt uns 
von andern Orten das Menig und Bleyweiß zu. Unser Kupffer 
wird zu Mompelier zu Grünspan. Aus demselben und unserm 
Gallmey werden uns anderswo gemachte Meßine Geschirr zu- 
gebracht. Die Vogtländer und Oberpfälzer schicken uns die aus 
unser Pilsnischer langer Woll gewebete Wüllenzeug in das Hauß. 
Die Anneberger und Niederländische Spitzen werden aus unserem 
Schlesischen Garn und Zwirn geklüppelt und uns in mehr als 
hundertfachen Preiß wiederum aufgehencket a 3 ). 

Aber auch das inländische Handelsgewerbe befand sich 
zumeist in fremden Händen oder war mindestens an die Inter- 
essen des Auslandes gebunden. Die Notwendigkeit, den immer 
bunter und vielschichtiger sich gestaltenden Konsumbedürfnissen 
Rechnung zu tragen, brachte den Händler in Berührung mit dem 
interstaatlichen Markt- und Geldverkehr, dessen Konjunkturen 
für ihn maßgebender wurden als die Rücksicht auf die ein- 
heimische Produktion. Die Lederhändler ließen die Häute außer 
Landes gerben, die Tuchhändler das Gespinst außer Landes ver- 
weben 4 ). Das inländische Handwerk machten die großen Händler 
durch das System der Verlagsarbeit von sich abhängig. So standen 



eine so niedrige, noch in Frankreich eine so hohe gewesen sei, wie 
man gemeiniglich annehme. • 

*) Joh. Falke, Geschichte des deutschen Handels, II. Bd., 
Lpz. 1860, S. 161 ff. 

3 ) Gust. v. Gülich, Geschichtliche Darstellungen des Handels, 
der Gewerbe und des Ackerbaus, II. Bd., Jena 1830, S. 281. 

8 ) Hörnigk, a. a. 0., S. 109 f. 

4 ) Bechers Referat v. 1674. 

27* 



20 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrb. [410 

z. B. die Verhältnisse im Iglauer Tuchgewerbe, wo die Tuch- 
händler auf Grund ihrer Privilegien die ausschließliche Berechti- 
gung besaßen, die einzelnen Tuchmacher mit Wolle zu versorgen. 
Nach Abzug des Wollenpreises erstanden sie dann die fertigen 
Produkte um sehr geringen Preis. Immer wieder wußten es die 
Kaufherren zu hintertreiben, daß fremde Kaufleute günstigere 
Bedingungen stellten. Die Beschwerden der Tuchmacher blieben 
wirkungslos, da die Händler nur an ihren Privilegien festhielten *). 

Außerhalb der Kaufherren- und Krämerzunft stand die 
Genossenschaft der „Niederlagsverwandten" in Wien. Es waren 
dies andersgläubige, ausländische Kaufleute, die das Recht besaßen, 
in Wien Verkaufsgewölbe zu eröffnen und Handelsgeschäfte zu 
treiben. Sie hatten außer Zöllen, Mautgebühren und außer- 
ordentlichen freiwilligen Beiträgen keine Steuern zu entrichten 
und unterstanden unmittelbar der kaiserlichen Jurisdiktion 2 ). 
Nach der Niederlagsordnung vom 22. Jänner 1515 s ) durften sie 
nur in grosso und nur mit ausländischen Gütern handeln. 
In Wahrheit trieben sie jedoch auch Kleinhandel mit inländischen 
Waren, die sie im Lande von den Juden aufkauften und für 
ausländische ausgaben. Sie überschwemmten mit ihren billigen 
Waren das Land, bezogen aber von demselben nichts anderes 
als Bargeld. Nach Bechers Meinung fügten sie dem Lande 
größeren Schaden zu als die aus diesem Grunde vertriebenen 
Juden 4 ); sie galten ihm als eine wahre „Niderlag u der öster 
reichischen Erbländer 5 ). 

Die Klage der Handwerker über die jüdischen Händler 
war in dieser Zeit eine allgemeine. In industriereichen Gegenden 
setzten sich diese mit den Grundobrigkeiten in Verbindung und 
bewogen sie durch Gewährung finanzieller Vorteile zur Über- 
lassung von Handelsmonopolen; aus ihren „herrschaftlichen 
Niederlagen" mußten sodann die Handwerker ihre Rohstoffe 
beziehen 6 ). In Vorderösterreich beherrschten sie, wie in ganz 

l ) Karl Werner, Urkundliche Gesch. der Iglauer Tuchmacher- 
zunft, Lpz. 1861, S. 82 ff. 

2 )J. L. E. Graf v. Barth-Barthenheim, Österreichische 
Gewerbs- u. Handelsgesetzkunde, I. T., 1. Bd., Wien 1819, S. 40 f. 

») Weiß, a. a. 0., S. 246 f. 

4 ) Eine gewisse Anzahl von Juden wurde mit Erlaß vom 2. Aug. 
16&9 für ewig aus Niederösterreich abgeschafft. Ähnliche .Edikte erflossen 
in den Jahren. 1670 und 1673 (Cod. Austr., I. T., S. 560 ff.) 

5 ) Bechers Referat v. J674. . 

6 ) Hübner, a f a. 0„ S, 64, ff. 



411] Gewerbeelemente und Gewetbepolitik. 21 

Süddeutschland, den Viehhandel l ), in den böhmischen Ländern 
insbesondere den Woll- und Tuchhandel. Nach Bechers 
Schätzung besaßen sie in Prag allein gegen 2000 Gewölbe voll 
bürgerlicher Waren und Manufakturen 2 ). Ein Bericht der 
böhmischen Statthalterei vom 5. August 1717 bezeichnet das 
Vorwiegen des jüdischen Handels nicht nur als ein Hindernis 
für die Einführung der Zeug- und feineren Tuchmanufaktur, 
sondern auch als einen effektiven Schaden für die bereits be- 
stehende Tuchindustrie. In Prag, dem Hauptmarkte für Tücher, 
könne seit Jahren kein einziger Christ mit Landtüchern handeln ; 
es habe zwar ein Braunauer christlicher Tuchhändler sich etabliert, 
derselbe werde aber, „gleich wie es ihme die Juden selbst schon 
prognostiziret," binnen kurzem von den Juden ruiniert sein 8 ). 
Schon im Landtagsschluß von 1650 war die Ausweisung aller 
seit 1. Jänner 1618 ohne spezielle königliche Erlaubnis in Prag 
angesiedelten Juden verlangt worden. Allein die Kammer wollte 
auf die Einnahmen, die ihr aus der Judensteuer zuflössen, nicht 
verzichten; daher scheiterten damals wie in der Folgezeit alle 
auf Ausweisung der Juden abzielenden Bestrebungen 4 ). Wohl 
aber beschlossen sämtliche Tuchmacher und Rotgerber des König- 
reichs Böhmen im Jahre 1651, in alle Zukunft von den Juden 
keine Wolle und kein ungegerbtes Leder zu erkaufen „bei Ver- 
lust des Handwerks" 5 ). 

Zu den kapitalskräftigsten Gewerbeelementen zählte end- 
lich das städtische Patriziat. Durch glückliche Spekulationen mit 
städtischen Gründen und Grundzinsen, durch weitausgreifende 
Unternehmungen im Warenhandel und Kreditgeschäft war dieser 
Stand allgemach zur wohlhäbigsten und einflußreichsten Klasse 
des Bürgertums geworden. Vermöge seiner Kapitalsmacht übte 
er einen starken Druck auf die minder bemittelte Bevölkerung 
aus, von der er sich, eine Art bürgerlicher Kaufmannsadel, in 



X ) Vgl. Eberhard Gothe in, Wirtschaftsgeschichte des Schwarz- 
waldes und der angrenzenden Landschaften, I. Bd., Städte- und Gewerbe- 
geschichte, Straßb. 1892, S. 435. 

2 ) Bechers Referat v. 1674. 

3 ) Hallwich, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., IL Halbb., 
S. 68 ff., 64 ff. 

4 ) A. F. Pribram, das böhmische Kommerzkollegium und seine 
Tätigkeit, in den n Beiträgen zur Geschichte der deutschen Industrie in 
Böhmen", VI. Bd., Prag 1898, S. 55 ff. 

5 ) Hall wich, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., IL Halbb., 
S. 302. 



22 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [412 

Sitte und Lebenshaltung vollkommen getrennt hatte. Vieler 
Orten gelang es den Patriziern, die gesamte städtische Ver- 
waltung dauernd zu monopolisieren, zum Nachteil der übrigen 
Bürgerschaft, die sich durch den „perpetuierlichen Rat a um 
ihren Anteil am Stadtregiment gebracht sah 1 ). „In etlichen 
Stätten," sagt Becher mit Beziehung auf dieses gemeinschäd- 
liche Vorrecht, „seind die Ratsherren perpetuirlich, und darneben 
von allen imposten und contributionen frey, kauffen die Grund 
in ihren burgfrieden an sich, führen auch die Handelschaft, 
machen, dass ihre Erben auch in den Rath kommen. Solcher 
gestalt kompt die übrige Bürgerschafft umb die liegende Gütter 
und negotiation, und muss gleichwohl die Last der gemein allein 
tragen, also nothwendig verderben. Und wann man gleich, wie 
denn Mit Leydenten Stätten 2 ) zu helffen, bisweilen zusammen 
Kunfften, und deliberation hält, so kommen doch die Jenige von 
den Stätten allein dazu, welche sich beßer, als die burger befinden, 
auch zu weilen Ursach an der gemein Verderben seyn, nehmlich 
die Rathsherren, welche auf Ihre Mühl Reden." 8 ) Großen Ein- 
fluß besaß das Patriziat in Wien, wo nach der Stadtordnung von 
1526, die bis 1783 in Kraft blieb, die 12 Mitglieder des Stadt- 
rats aus der Mitte der behausten Bürger genommen wurden, 
die aber kein Handwerk betreiben durften. Nur in den äußern 
Rat von 76 Mitgliedern, der bloß die Bedeutung eines Beirats 
hatte, konnten auch Handwerker gelangen 4 ). 

Die Zentralisationsversuche, die in den zwei Jahrhunderten 
seit Ferdinands I. Regierung auf dem Gebiete des Gewerbe- 
wesens unternommen worden waren, trugen zu deutlich den 
Charakter äußerlich-administrativer Vorkehrungen und er- 
mangelten zu sehr der konkreten, durch eine Fülle von Wirt- 
schaftsobjekten dargebotenen Anlässe, um dauernd wirken zu 
können. Wie scharf auch die zahlreichen Handwerkerpatente 
immer wieder den zentralistischen Standpunkt der Regierung 
betonten — sie blieben eben nur Deklarierungen von Regierungs- 
absichten, solange die vorhandenen Ansätze kapitalistischer 
Wirtschaftsformen noch nicht zu tatsächlichen Stützen einer 
zentralistischen Wirtschaftspolitik geworden waren. Überdies 
aber mußten noch zwei Bedingungen hinzutreten, um die alte 



*) Laschin, a. a. 0., S. 450 f. 
2 ) S. S. 31 u. 81. 
8 ) Bechers Referat v. 1674. 
4 ) Luschin, a. a. 0., S. 446. 



413] Gre Werbeelemente und Gewerbepolitik. 23 

bodenständige, zugleich aber einheitlich organisierende Handwerks- 
verfassung durch die formell zwar ebenfalls einheitlichen, ihrem 
inneren Wesen nach jedoch individualisierenden und zersplittern- 
den Wirtschaftsnormen der merkantilistischen Territorialpolitik 
zu ersetzen : die endgiltige Wendung der Konsum enteninter essen 
zur Luxuskultur des westeuropäischen Städtelebens und die 
finanzielle Zwangslage des Staates, die der systematischen Aus- 
nützung der gewerblichen Volkskraft insbesondere im Hinblick 
auf die rivalisierenden Tendenzen der Nachbarterritorien nicht 
länger entraten wollte. Alle diese Bedingungen begannen sich 
für Osterreich in vollem Maße erst seit der Wende des 17. zum 
18. Jahrhundert einzustellen. 

Das Bestreben nach möglichster Beschränkung der Zunft- 
autonomie und damit nach strenger Unterordnung des Hand- 
werks unter die Grundobrigkeit und den städtischen Eat hatte 
die österreichische Handwerkerpolitik schon seit jeher gezeigt. 
Die Wiener Stadtverfassung von 1526, in der sich bereits ein 
direkter Einfluß des römischen Rechtes konstatieren läßt, hebt 
die Gerichtsbarkeit der Zünfte ausdrücklich auf, damit nicht der 
Meister oder Knecht „jr selbs Richter seie". 1 ) In der gleichen 
Richtung bewegen sich die Handwerkerordnung für die fünf 
niederösterreichischen Länder von 1527, die wesentlich gleich- 
lautende niederösterreichische Polizeiordnung von 1552 2 ), die 
Landesverordnungen für Tirol 8 ) und die zahlreichen Patente des 
16. und 17. Jahrhunderts gegen die Handwerker- „Mißbräuche". 

Gegenüber den konservativen Preis- und Lohnsätzen der 
Zünfte sucht die Regierung ihre sehr eingehenden, der jeweiligen 
Preiskonjunktur angepaßten Taxen und Verordnungen zur 
Geltung zu bringen. In der Taglohnsatzung vom 31. Mai 1673 
für die Maurer, Zimmerleute und Tagwerker wird den Handels- 
leuten und Handwerkern anbefohlen, die Preise ihrer Waren 
herabzusetzen 4 ). In einem Bericht vom 15. März 1688 schreibt 
die niederösterreichische Regierung an den Kaiser: „So ist man 
auch sonderlich beflissen gewesen, die grosse Theurung, so seit- 
hero der Türckischen Belagerung nicht allein in allen Comesti- 
bilibus eingeschlichen, sondern auch durch die Handwercks- 



x ) Franz Eulenburg, Das Wiener Zunftwesen, in der „Ztschr. 
f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte,« Freib., II. Bd., S. 93 ff. 
2 ) Ebend. 

s ) Luschin, a. a. 0., S. 452. 
4 ) Cod. Au str., II. T., S. 324 ff. 



24 Die soz. u. wirtgchaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [414 

Leuthe gleichsamb ad beneplacitum eingeführt worden, abzu- 
stellen und in eine billiche Moderation, wie es modernus rerum 
Status leidet, zu bringen. Und weilen es auch vorhin in diesem 
Land an guten Satzungen nicht, sondern viel mehr an der 
manutenenz ermanglet, als werden die Transgressores mit öffent- 
lichen Bestraffungen angesehen, dardurch andern einen Schrocken 
zu machen, und zur Observanz der Satzungen anzuhalten 1 )." 
Am 21. Juni des darauffolgenden Jahres wurde eine Handwerker- 
Preisordnung erlassen s ), auf deren Bestimmungen auch im Hand- 
werkerpatent vom 9. Dezember 1689 hingewiesen wird 8 ). 

Mit derselben Genauigkeit wurde auch die Frage der 
lokalen Produktionsabgrenzung behandelt. Brandenburg hatte 
auf diesem Gebiet bereits den entscheidungsvollen Schritt zur 
Kombinationspolitik vollzogen, die beiden Teilen die Produktion 
der strittigen Ware gestattete 4 ). Die österreichischen Behörden 
standen hierin noch für lange Zeit auf dem Boden des zünftigen 
Berufskonservatismus, eröffneten aber damit immer wieder die 
Möglichkeit zu hartnäckigen Gewerbeprozessen, die erst mit der 
detaillierten Festsetzung der beiderseitigen Produktionsbefugnisse 
endigten. Die Riemer machten den Sattlern 5 ), die Schneider den 
Pfaidlern 6 ), die Uhrmacher den Schlossern 7 ) ihre Produktions- 
rechte streitig. Hiebei spielte der Unterschied zwischen den alt- 
bürgerlichen und den unter dem zentral istischen Regime neu- 
gegründeten Genossenschaften eine große Rolle. Langwierige 
Kämpfe, die der niederösterreichischen Regierung und dem 
Wiener Rat viel zu schaffen gaben, entbrannten zwischen dem 
noch jungen (seit 1628 bestehenden) Gewerbe der Lustgärtner 
und einigen verwandten bürgerlichen Zünften, wie denen der 
Obstler, Greisler, Küchengärtner, Kranzeibinder u. s. w. Da die 
Lustgärtner unter Regierungsjurisdiktion standen, richteten sich 
die Angriffe der bürgerlichen Zünfte gewissermaßen gegen die 



*) Joh. Quintin Graf Jörger, „Unterschiedliche Motiven, 
Und Anders,« 4. T., 1690. 

2 ) Cod. Austr., III. T., S. 290 ff. 

3 ) Cod. Austr., I. T., S. 458 ff., P. 7. 

4 ) Mor. Meyer, a. «. 0., IL Bd., Minden 1888, S. 26. -- 
„Man darf sagen : wie die Freimeisterschaft die Brücke zur subjektiven 
Gewerbefreiheit schlug, so bereitete die Kombinationspolitik den Weg 
zur objektiven Gewerbefreiheit vor" (ebend., S. 27). 

5 ) Vergleich v. 11. Febr. 1682, Cod. Austr., IL T., S. 253. 

6 ) Vergleich v. 21. Febr. 1698, Cod. Austr., IL T., S. 292. 

7 ) S. S. 78 ff. 



415 1 Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 25 

Regierung selbst. Schon im Jahre 1678 hatten die bürgerlichen 
Küchengärtner gelegentlich die von den Lustgärtnern feilgehal- 
tenen Sämereien durch die Rumorsoldaten konfiszieren lassen. 
Bürgermeister und Rat entschieden nun zwar im Jahre 1688 
zu Gunsten der Lustgärtner und diese Entscheidung wurde gegen 
den Rekurs der bürgerlichen Küchengärtner vom Kaiser bestätigt ; 
ebenso errangen die Lustgärtner im Jahre 1709 einige Zugeständ- 
nisse gegen die Greisler. Aber erst durch die Entscheidung vom 
Jahre 1768 wurde der Streit endgiltig beigelegt, indem den Lust- 
gärtnern als Hausoffizieren sowohl die Bestandnehmung von 
Gärten als auch der Privathandel mit Blumen, Früchten und 
grünen Waren verboten wurde 1 ). 

Rein prinzipieller Art und ohne nachhaltige Wirkung in 
der Praxis sind ferner die Bestimmungen der bereits genannten 
Handwerksordnung von 1689 gegen die zünftigen Prohibitiv- 
rechte. Das Patent wendet sich gegen den Gebrauch der „ge- 
schlossenen Zünfte" und setzt fest, daß die Verminderung oder 
Vermehrung der Mitgliederzahl Sache der Obrigkeit sein solle 2 ). 
Diese Bestimmung wird in der „Renovatio Privilegiorum" vom 
7. Juni 1706 wiederholt, jedoch mit dem Unterschied, daß nun- 
mehr bloß von einer eventuellen Vermehrung der Mitgliederzahl 
die Rede ist, die sich der Kaiser nach Notwendigkeit vorbehält 3 ) — 
also zugleich eine Einschränkung der zünftigen wie der ständi- 
schen Freiheiten. Gleichwohl enthält noch die Iglauer Tuch- 
macherordnung vom 3. Mai 1725 eine Bestimmung, wonach die 
Zahl der Innungsmitglieder auf 400 herabgesetzt wird 4 ). In der 
Frage der Meisterprüfung sucht die Verordnung von 1689 einen 
liberaleren Modus herbeizuführen, indem sie dem Wiener Magistrat 
sowie den Ortsobrigkeiten auf dem Lande befiehlt, zu allen 
Handwerksakten 1 oder 2 Kommissäre zu entsenden 6 ). Auch 
sollen die übermäßigen Inkorporationskosten herabgesetzt 
werden 6 ). Bezüglich des Unterschieds zwischen Haupt- und 
Nebenladen wird den Wiener Zünften im allgemeinen bedeutet, 
daß ihnen außer einer „prärogativen und schlechten recognition u 



*) Karl U h 1 i r z, Die Bruderschaft der Lust- und Ziergärtner in 
Wien bis zum Jahre 1768 (ohne Datum und Druckort), S. 19 ff. 

2 ) Cod. Austr., I. T., S. 458 ff. 

3 ) Ebend., III. T., S. 518. 

4 ) Werner, a. a. 0., S. 106. 

5 ) Cod. Austr., I. T., S. 458 ff., P. 4. 

6 ) Ebend., P. 3. 



26 Die 80z. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrh. [416 

kein weiteres Recht gegen die Nebenladen zustehe, und daß die- 
jenigen, welche sich in eine Filiallade einverleiben lassen wollen, 
sich in Wien nicht anzumelden brauchen l ). Die Unehrlichkeits- 
erklärungen sollen, unter weitgehendster Schonung der Sitte und 
des Herkommens, möglichst eingeschränkt 2 ), die Kinder „unehr- 
licher" Professionisten wieder zur Arbeit zugelassen werden 3 ). 
Wie wenig Erfolg indes die letztere Maßregel hatte, bewies die 
von Jahr zu Jahr wachsende Zahl der bettelnden Abdecker und 
Gerichtsdiener. So wurde denn durch die Bettlerordnung vom 
26. März 1693 neuerdings angekündigt, man wolle, „wann künff- 
tig ein- oder mehr zu ihrer Eltern Profession nie applicirte 
Kinder, die sich eines Ehren-Brieffs würdig zeigen wurden, vor- 
kommen mögten, denenselben in Gnaden zuhelffen jedesmal eine 
gnädigste Reflexion machen". 4 ) 

Die Kampfmittel des „Scheltens" und „Auftreibens", des 
„Unehrlichmaehens" und „Nachschreibens" waren in der Hand 
der Zünfte zu gefährlichen Waffen geworden^ Kaiser Ferdinand III. 
hatte sich veranlaßt gesehen, einen eigenen Erlaß über das 
„Schelten" herauszugeben 6 ). Der Erlaß verbietet das „Schelten" 
da es wider natürliche Billigkeit und geschriebenes Kecht, sowie 
auch gegen die Handwerksordnung Ferdinands I. gerichtet sei. 
Der Schelter hat fürderhin seine Bezichtigung vor der» Orts- 
obrigkeit des Gescholtenen binnen 14 Tagen vorzubringen und 
innerhalb eines gesetzten kurzen Termins nachzuweisen, widrigen- 
falls er an Geld und Leib gestraft wird, Abbitte und alle gebühr 
liehe Satisfaktion leisten, sowie Unkosten und Schaden ersetzen 
muß. Die Beweislast fällt immer dem Schelter, nie dem Beschul- 
digten zu. Das Nachschreiben ist gänzlich untersagt. Doch setzt 
die Behörde gelegentlich ihre eigene Verordnung außer Kraft. 
So, wenn sie den bürgerlichen Hufschmieden von Wien aus- 
drücklich die Erlaubnis des Nachschreibens erteilt für den Fall, 
daß ein Handwerksbursch nach ungebührlichem Verhalten an 
einen andern Ort entweicht 6 ). Oder wenn sie in einem andern 
Falle die Scheltung der Gesellen und Lehrjungen selbst wieder 



x ) Ebend., P. 5. 

2 ) Ebend., P. 8, 10, 11, 12, 14, 15. 

8 ) Ebend., Zusatz. 

4 ) Ebend., I. T., S. 207. 

5 ) Ebend., S. 463 f., Erlaß v. 26. Jänner 1656. 

6 ) Ebend., S. 462, Verordnung v. 23. Aug. 1680. 



417] Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 27 

mit der Strafe des Scheltens bedroht 1 ). Derselben Inkonsequenz 
macht sich ja noch die Reichsverordnung von 1731 schuldig. 

Neben dem „ Schelten" ? das gleicherweise von Meistern und 
Gesellen betrieben wurde, war insbesondere das „Schenken" und 
„Zechen" der wandernden Gesellen samt allen damit zusammen- 
hängenden Handwerksbräuchen Gegenstand der staatlichen Auf- 
merksamkeit. Die zahlreichen Reichsverordnungen 2 ) und terri- 
torialen Gesetze über den Gegenstand zeigen, welch große 
Bedeutung die Behörde diesen Bräuchen beimaß. Für Nieder- 
österreich waren schon unterm 1. August 1567 und unterm 
12. November 1671 Patente erflossen, womit die Zusammenkünfte, 
Kollationen, Abend- und Ausschenken der Gesellen bei schwerer 
Ungnade und Strafe von 1 fl. Rh. verboten wurden 3 ). Durch 
die Handwerksordnung von 1689 werden nun die „geschenkten 
Handwerke" (Tuchscherer, Zinngießer, Sattler u. a.) mit Hin- 
weis auf das bezügliche Verbot in den Reichsrezessen von 1548 
und 1577 neuerdings gänzlich aufgehoben 4 ). Eine tatsächliche 
Wirkung kam jedoch dieser „Aufhebung" ebensowenig zu wie 
den meisten andern Handwerkerreglements dieser Periode. 
Wirksam wurden die territorialen Verfügungen erst nach der 
Durchbrechung der interlokalen Handwerkersolidarität durch 
die Reichsgesetzgebung. 

Wenn nun der in seiner Konstituierung begriffene moderne 
Staat die Leitung des gesamten Produktionswesens sowie die 
zünftige Gerichtsbarkeit an sich zu bringen sucht, so sind für 
ihn hiebei in erster Linie fiskalische und steuertechnische Gründe 
maßgebend. Die städtische Zunft mit ihrer strengen Kontrolle 
der Produktion, mit ihrer starren Exklusivität gegenüber dem 
Störergewerbe in Stadt und Land, bot einen trefflichen statisti- 
schen Behelf für die Steuerkontingentierung, den der Staat vor- 
erst nicht zu entbehren vermochte, wie oft man auch in der 
Theorie die Aufhebung der Zunftinstitution in Betracht ge- 
zogen hat 5 ). 

*) Ebend., II. T., S. 279, Verordnungen v. 18. Aug. 1676 und 
v. 14. Sept. 1677 in der Streitsache zwischen den Wiener und Grazer 
Schnürmachern. 

*) 1530, 1548, 1559, 1566, 1570, 1577, 1594, 1666 u. 1672; 
letztere wurde erst 1726 publiziert (W. Stieda, Art. „Zunftwesen" im 
Handwörterbuch der Staatswissenschaften, VI. Bd., 1894, S. 878 ff.). 

8 ) Cod. Austr., I. T., S. 456 f. 

4 ) Ebend., S. 458 ff., P. 13. 

5 ) Mor. Meyer, a. a. O., I. Bd., S. 52 ff. 



28 Die soz. u. Wirtschaft!. Lage am Ende des 17. Jahrh. [418 

Die ungünstige Finanzlage Österreichs, die sich um die 
Wende des 17. Jahrhunderts als ausgesprochene Geldnot bei 
Hofe und in der ganzen Bevölkerung äußerte, hatte ein überaus 
drückendes Steuersystem im Gefolge. Zur bisherigen Landes- 
kontribution traten nunmehr die verschiedenen Formen der 
„Akzise". Auf Vorschlag des Grafen J ö r g e r wurde im Jahre 1682 
eine allgemeine Vermögenssteuer für alle Erbländer nach gleichen 
Grundsätzen und ohne Befragung der Stände eingeführt 1 ) — 
ein ganz außergewöhnlicher Vorgang, da im übrigen die Steuer- 
verwaltung eine Aufgabe der Landschaften war 2 ). Wie im 
Jahre 1667 bei einem ähnlichen Anlasse die Stände Branden- 
burgs 8 ), so erhoben nun auch die österreichischen Stände hef- 
tigen Widerspruch gegen die neue Steuer, deren zentralistische 
Tendenz ihren partikulären Sonderinteressen zuwiderlief. Ein 
Ausschuß aus allen Erbkönigreichen und Ländern, der im 
Jahre 1696 zusammentrat, sprach sich gegen die Einführung 
der geplanten Akzisen und Aufschläge aus. Tatsächlich wurde 
damals die Akzise nur in Schlesien eingeführt, dessen Repräsen- 
tanten zugestimmt hatten 4 ). Einen neuerlichen Protest erhoben 
die niederösterreichischen Stände in der Landtagsschrift vom 
29. November 1707 5 ). Doch zeigt die Vermögenssteuerordnung 
vom 24. November 1702 6 ), daß die neue Steuer unterdessen in 
den niederösterreichischen Landen Eingang gefunden hatte. Die 
Ordnung bestimmt, daß die Meister neben ihrem Vermögen und 
ihren Einkünften auch die Zahl der Gesellen attestieren und 
außer ihrem Meisterskontingent (2 Gr. von jedem fl.) auch für 
jeden Gesellen 1 fl., in den Städten zu Händen der Kommission, 
auf dem Lande zu Händen des Herrn, zu erlegen haben. Dieser 
Betrag sei jedoch vom Sold oder Lohn abzuziehen. In dieser 
Form entsprach die Vermögenssteuer ungefähr der branden- 
burgischen Akzise, die ebenfalls keine reine Konsumtionssteuer, 
sondern eine direkte Grund-, Gewerbe- und Kopfsteuer war 7 ). 



*) Luschin, a. a. O., S. 479, Gutachten vom 14. April 1679. 

2 ) Ebend., S. 474. 

8 ) Mor. Meyer, a. a. 0., I. Bd., S. GO ff. 

4 ) H. J. Bid ermann, Gesch. der österr. Gesamt-Staats-Idee, 
a. a. 0., II. Abt., S. 98, Anm. 19. 

5 ) Ebend. 

6 ) Cod. Austr., II. T., S. 369 ff. 

7 ) Mor. Meyer, a. a. 0., I. Bd., S. 60 f. Die erste Akzise- 
Ordnung (für Berlin — Köln) erging schon im Jahre 1641; fakultativ 



419J Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 29 

In Böhmen und Glatz wurde die Akzise als Klassensteuer ein- 
geführt x ) — mit welchem Erfolg, besagt ein Passus in der Chronik 
der Stadt Komotau: „Was der Accis ist, das weiß Böhmerlandt 
schon zu sagen, nachdem er 1709 unter Kaiser Josef I. ein- 
geführt; 1714 aber durch Karl VI. wieder aufgehoben worden. 
Während dieser Dauer: da wurden Bettelleuth! aa ) 

Was die Stände zur Opposition gegen die Akzise trieb, war 
insbesondere auch der Umstand, daß sie durch die staatliche 
Gewerbesteuer ihre eigenen Patrimonialrechte gegenüber den 
Zünften angegriffen sahen. Dies zu verhindern hatten die Stände 
ein wesentliches materielles Interesse. An vielen Orten handelte 
es sich der Grundobrigkeit um die erfolgreiche Vertretung von 
Besitzansprüchen und Steuerforderungen, deren Geltendmachung 
sowohl gegenüber einer autonomen als auch gegenüber einer 
staatlich reglementierten Körperschaft sich naturgemäß sehr 
schwierig gestalten mußte. Erfolg hatten indes die ständischen 
Bestrebungen nur in der ersteren Beziehung. Während sich noch 
im Jahre 1651 die ßeichenberger und Friedländer Bürger in 
einer gegen die Grundobrigkeit gerichteten Eingabe an die 
Prager Statthalter als des Königs freie Kronlehensuntertanen 
bezeichnen 8 ), sieht sich im Jahre 1706 die Reichenberger Tuch- 
macherzunft, die stärkste in ganz Böhmen, bereits genötigt, eine 
Einladung der Jungbunzlauer zu gemeinsamem Vorgehen gegen 
die sächsischen Tuchhändler mit der Motivierung abzulehnen, 
daß die Reichenberger Tuchmacher, als ihrer „gnäd. Erb- und 
Grundt-Obrigkeit Leibeigene Untertanen" nicht in der Lage 
wären, selbständige Verfügungen zu treffen 4 ). In den nieder- 
österreichischen Ländern kommt der Konflikt zwischen den 
Ständen und Handwerksgenossenschaften beim Regierungsantritte 
Leopolds I. zum Ausbruch. Den Handwerkerzünften war die 
Erlaubnis erteilt worden, sich nach der Ankunft des Kaisers aus 
Frankfurt um die Bestätigung oder Erweiterung ihrer Privilegien 
zu melden. Durch eine Mitteilung der deputierten Räte vom 



und versuchsweise wurde die Akzise in Brandenburg im Jahre 1667 
eingeführt (ebend.). 

x ) Cod. Austr., III. T„ S. 574 ff. 

3 ) H. J. Bidermann, Die technische Bildung im Kaisertume 
Österreich, a. a. 0., S. 17 f. 

s ) Hallwich, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb. 
S. 265 ff. 

4 ) Hübner, a. a. 0., S. 78 f. 



30 Die soz. u. wirtschaftl. Lage am Ende des 17. Jahrb. [420 

28. Mai 1658 hievon unterrichtet, betonten die 3 Stände ihr 
Recht, vor irgend einer diesbezüglichen Entscheidung des Herr- 
schers vernommen zu werden, da sonst „den Landesmitgliedern, 
an ihrer Jurisdiktion merklich Eingriff geschehe". Die Regierung 
forderte nun die Stände auf, ihre Beschwerden vorzubringen. 
Die Stände verharrten auf ihrem vermeintlichen Rechtsstand- 
punkte 1 ). Erst im Jahre 1661 entschlossen sie sich zur Formu- 
lierung ihrer Beschwerden, die in der Handwerksordnung von 
1689 2 ) volle Berücksichtigung fanden. Die Verordnung verbietet 
in erster Linie die Erteilung von Privilegien an „Künstler" und 
Handwerker ohne Konsens der Obrigkeiten, sowie die Präterier- 
ung der Grundobrigkeit als erster Instanz durch die klage- 
führenden Zünfte. Dieser Einfluß der Stände auf das Gewerbe- 
wesen erscheint auch im Reichsschluß von 1731 festgehalten. 
Sehr deutlich spiegelt sich die Verschiebung der Machtver- 
hältnisse in den stetig wachsenden Ansprüchen der grundherr- 
lichen Steuerverwaltung, besonders dort, wo ein betriebsames 
Gewerbe eine ausgiebige Besteuerung zu ermöglichen schien. 
Außer der regulären Urbarsteuer, dem Hausgulden der Unter- 
tanen 3 ), wurde unter allen möglichen Titeln eine große Zahl 
außerordentlicher Steuern eingehoben. Da gab es „Walkmühlen- 
zinse", „Stuhlgelder", „Ortstaler", „Weberzinse" 4 ) und Natural- 
abgaben 5 ), deren Erträgnisse oft reichlicher waren als die der 
sämtlichen obrigkeitlichen Dorfschaften 6 ). 

Außer der spezifischen Gewerbesteuer forderte auch der 
Staat noch zahlreiche andere außerordentliche Abgaben. In dem 
Zeitraum von 1650 bis 1710 ergingen Steuerausschreibungen auf 
Vieh, Leder, Fleisch, Papier, Tabak, Straßenbenützung, Wein- 
ausfuhr, Salzgenuß, Tanzvergnügen, Handelsbefugnis und Kapital- 
besitz 7 ). Um dem drohenden finanziellen und militärischen 

x ) A. F. Pribram, Die niederösterreichischen Stände und die 
Krone in der Zeit Leopolds I. (Mitteilungen des Instituts für österr. 
Geschichtsforschung, 14. Bd., S. 589 ff.) 

2 ) Cod. Austr. I. T., S. 458 ff., erweitert am 9. Dezember 1689 
(ebend.). 

8 ) Luschin, a. a. 0., S. 474. 

4 ) Nähere Zahlenangaben bezüglich der Reichenberger Verhältnisse 
bei Hall wich, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb., S. 318 ff. 
und bei Hübner, a. a. 0., S. 68. 

6 ) Bechers Referat von 1674. 

6 ) H a 1 1 w i c h, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb., S. 367. 

7 ) Bidermann, Die technische Bildung im Kaisert. Osten*., 
a. a. 0., S. 17 f. 



421] Gewerbeelemente und Gewerbepolitik. 31 

Zusammenbruch vorzubeugen, beantragte der Präsident der 
Hofkammer, Graf Starhemberg, am 11. Dezember 1703 in 
geheimer Konferenzsitzung neben andern außerordentlichen 
Steuern auch die Einziehung verschiedener Depositengelder 
sowie der Kapitalien in den Laden der Zünfte als Zwangsanleihe 
gegen Rückzahlung nach Friedensschluß. Man beschränkte sich 
jedoch darauf, den betreffenden Amtern und juristischen Per- 
sonen ein „freiwilliges" Subsidium abzufordern, das allerdings 
keinen nennenswerten Ertrag lieferte 1 ). 

Wie Zunft- und Steuerpolitik, so verquickte man auch Zunft- 
und Steuerreform. Charakteristisch für die leitenden ökonomischen 
Grundsätze jener Zeit ist das bereits angeführte anonyme Steuer- 
projekt aus der ßegierungsperiode Karls VI. 2 ) Der Vorschlag 
geht dahin, es möge eine neue Handwerksordnung erlassen 
werden, worin insbesondere die großen Unkosten beim Eintritt 
in die Meisterschaft abzustellen wären. Dafür solle man eine 
Zunftsteuer einheben. Es werde z. B. einem Schlosser leichter 
fallen, dem Arar jährlich 10 — 12 fl. zu erlegen, als die 300 und 
mehr fl. zu entrichten, die er zur Erlangung der Meisterschaft 
brauche, abgesehen von den sonstigen Jahresbeiträgen an die 
Zunft. Dadurch ließe sich eine jährliche Steuersumme von 
63.242 fl. erzielen. Das Projekt kam zwar nicht zur Ausführung, 
doch findet sich eine ähnliche Idee bereits im Patent vom 12. April 
1725 verwirklicht, das den Ausfall einer Steuersumme von 17.626 fl., 
die den 18 sogenannten „mitleidenden" Städten und Märkten in 
Niederösterreich von ihrer jährlichen Kontributionsquote abge- 
schrieben worden war 3 ), durch die Einkünfte aus der Erteilung 
der Schutzdekrete zu ersetzen sucht 4 ). 



*) Franz Freih. v. Mensi, Die Finanzen Österreichs von 1701 
bis 1740, Wien 1890, S. 95 ff., Anm. 3, S. 97. 

2 ) S. S. 81. 

3 ) Die 18 „mitleidenden" Städte und Märkte hatten die Hälfte 
jenes Fünftels der jährlichen Landeskontribution beizusteuern, das in 
Niederösterreich auf den 4. Stand entfiel. Diese Quote wurde auf die 
einzelnen Häuser je nach Maßgabe ihres kapitalisierten Ertragswertes 
und des Einkommens aus Handel und Gewerbe aufgeteilt. (Mens i, a. a. 
0., S. 17 ff.) 

4 ) Referat der Hofkanzlei v. 12. Aug. 1741 (auf Verlangen der 
Königin) über die Zahl der Hofbefreiten und Schutz verwandten zu Wien 
sowie über ihre konfessionellen Verhältnisse, Ms. im Arch. des Min. 
des Innern, IV. F. 28, Gewerbe in genere, N.-Öst. 1522 — 1749; 
s. S. 182 f. 



32 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [422 

III. Die Anfange der merkantilistischen Gewerbe- 

und Wirtschaftspolitik. 

1. Die Vorbereitung des Merkantilismus durch 
die österreichischen Staatsökonomen, 

Der erste Anstoß nach der merkantilistischen Richtung 
hin ging in Osterreich von dem Westdeutschen Dr. Johann 
Joachim Becher 1 ) aus, der nach mehrjähriger Tätigkeit in 
kurmainzischen und bairischen Diensten seit Anfang des Jahres 
1666 in Wien 2 ) wirkte, wo er sogleich eine Reihe kommerzieller 
und industrieller Neuerungen ins Leben rief. Seine Vorbilder 
suchte er in der Wirtschaftspolitik der westeuropäischen Länder, 
insbesondere in denjenigen Hollands. Der politische Aufschwung 
dieses Landes, sagt er in seinen „Politischen Discursen", sei 
einzig und allein aus seinen kommerziellen Erfolgen zu erklären. 
Nur vermöge seiner großen Handelsmacht sei es in der Lage, 
so kostbare Kriege zu führen 8 ). Als seine Hauptaufgabe be- 
trachtete Becher den Kampf gegen die wirtschaftliche Über- 
macht Frankreichs. Tatsächlich war die Gefahr einer französi- 
schen Weltherrschaft vielleicht niemals größer als zur Zeit 
Ludwigs XIV 4 ). Wenn jedoch Becher die wirtschaftliche Ab- 



*) Geb. zu Speier 1635, gest. zu London 1682 (Oppenheim 
in der „Allg. deutschen Biographie", 2. Bd. Lpz. 1875, S. 201 ff.). — 
Von den Naturwissenschaften ausgehend lernte Becher auch Handwerke 
und Handwerksgebräuche kennen und geriet auf diesem Wege — seiner 
eigenen Angabe zufolge — in das Studium politicum und juridicum 
(ebend.). 

2 ) Becher, Politische Discurs, a. a. O., S. 419 f. 

3 ) Ebend., S. 174 f, 

4 ) Ausführlich äußert sich hierüber Joh. George Leib in seinem 
Werk: „Von Verbesserung Land und Leuten, und wie ein Regent seine 
Macht und Ansehen erheben könne" (Lpz. u. Frkf. 1710, „Vierdte 
Probe," Vorrede) : Er habe schon von Anfang an die Meinung geäußert, 
daß man dem Bourbonischen Hause Spanien nicht überlassen dürfte, 
„ sintern ahln Franckreich, was zur Oeconomia regia gehöret, exact ver- 
stehet, und dieserwegen die unarbeitsamen Spanier, wie es bereits schone 
thut, mit seiner ingenieusen Nation so viel immer möglich meliren, hie- 
durch aber die anjetzt in Spanien gäntzlich darnieder liegende Manu- 
facturen in kurtzen auf einen weit andern Fuß setzen, mithin seine 
Commerzien vor allen andern Reichen erheben und ausbreiten, Engel- 
und Holland vornehmlich umb die Ihrigen bringen und hiedurch ein 
Reich und Land nach dem andern mit viel leichterer Mühe als sonsten 
unter sein Joch zwingen, auch die ihme bißanhero gantz unmöglich ge- 
machte Universal-Monarchie umb so viel eher ins Werck richten würde." 



423] Die Vorbereitung des Merkantilismus durch Staatsökonomen. 33 

hängigkeit der Deutschen von Frankreich und insbesondere die 
Nachahmung des französischen Modewesens verspottet, so handelt 
er zwar von seinem kulturellen und nationalen Standpunkt aus 
ganz folgerichtig, aber dieser franzosenfeindlichen Haltung 
widerspricht seine eigene Tätigkeit als Nationalökonom. Seine 
Theorie atmet den Geist des Colbertismus. Der Mißerfolg seiner 
Unternehmungen ist nicht in letzter Linie darauf zurückzuführen, 
daß er Maßregeln und Einrichtungen, die sich in Frankreich als 
zeitenreif erwiesen hatten, unter ganz anders gearteten Vor- 
bedingungen ohneweiters auf österreichischen Boden zu ver- 
pflanzen gedachte. 

Als Zentralstelle für die Einführung und Verteilung der 
neuen Manufakturen 1 ) wurde zunächst im Februar des Jahres 
1666 das Wiener Kommerzkollegium gegründet 2 ) und Becher, der 
hiezu die Instruktion geliefert hatte 8 ), als Rat in dasselbe auf- 
genommen 4 ). Allein die Sitzungen des Kollegiums fanden sehr 
selten und unregelmäßig statt. Auch eine Beschwerde, die Becher 
hierüber zu Ende des Jahres 1671 an den Kammerpräsidenten 
Grafen Georg Ludw. von Sinzendorf richtete 5 ), hatte keinen 
Erfolg. Hauptsächlich um die Notwendigkeit der Wiederher- 
stellung des Kommerzkollegiums darzulegen, überreichte er dem 
Kaiser am 11. Mai 1674 das bereits mehrfach erwähnte Referat 
über die erbländischen Handels- und Gewerbeverhältnisse. Er 
führt darin aus, daß dieses Institut in den meisten europäischen 
Ländern schon bestehe ; so in Spanien (praesidente de la contrac- 
tion zu Sevilla, Junta de medios zu Madrid), Schweden, Däne- 
nark, Frankreich, England, Holland, Brandenburg 6 ) und Sachsen. 
Das österreichische Kommerzkollegium dagegen sei sogleich in 
seiner Blüte erstickt. In den 8 Jahren seines Bestehens hätten 
nicht 8 Ratssitzungen stattgefunden 7 ). Der Handwerkerstand 

*) Als Hauptmanufakturen hatte. Becher die Seiden-, Woll- und 
Leinenmanufaktur ins Auge gefaßt (Becher, Politische Discurs, a.a.O., 
S. 454 ff., 466 ff., 474 ff.). 

a ) Ebend., S. 481 ff. 

3 ) Die Instruktion wurde am 22. Febr. 1666 vom Kaiser rati- 
fiziert, ebend. 

4 ) 4. Febr. 1666, ebend., S. 492 f. 

5 ) Hatschek, a. a. 0., S. 23. 

6 ) Mor. Meyer, a. a. 0., I. Bd., S. 99, verlegt die Errichtung 
des brandenburgischen Kommerzkollegiums in das Jahr 1684, ebenso 
Mas eher, a. a. 0., S. 356. 

7 ) Bechers Referat v. 1674, a. a, 0., 3. Kap. 

Wiener staatewias. Stadien. IV. Bd., 3. Heft. 28 



34 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [424 

bedürfe der Aufsicht. Es sei sehr bedenklich, ein solch großes 
„Corpus" „ohne Rath, Regierung und Direction zu lassen". 
Gegenwärtig habe die Obrigkeit bloß in Recht- und Schuld- 
sachen mit den Gewerbsleuten zu tun. „Was aber ihr auf- 
nehmen in Handwerk (woran gleichwohl gemeiner Handel und 
Wandel meisten theils ligt) betrifft, da ist niemand, der sie 
höret, noch sich ihrer annimbt, Eben als wann nicht an 
100.000 Mann Bürger und derer Nahrung dem gemeinen Wesen 
wo nicht mehr dannoch so viel gelegen wäre, als an 100.000 
Soldaten im Feld, welche zu Regiren und zu Ernähren um so 
viel Kostbare und Theuere Generalen, Obristen, Offizir, Com- 
mißarien etc. erfordert und erhalten werden, da doch solches 
bey allen disen Handwercks Leuten zu practiren etwan ein 
Commerzien Collegium von sechs oder acht personen sufficient 
wäre." x ) Dem Kommerzkollegium fiele ferner die Aufgabe zu ? 
über Vorschläge und Erfindungen von „Plantagien" und Manu- 
fakturen zu beraten, deren er einen ganzen Katalog beifügen 
könne 2 ). Die ersten Meister und Manufakturisten müsse man 
aus dem Ausland berufen. Einem eventuellen Einwand, daß auf 
diese Weise Ketzer ins Land kämen, hält er entgegen, daß die 
besten Meister in Italien, Frankreich, Brabant, Holland und in 
der Schweiz zum größten Teil katholisch wären. „Wann Anstalt 
und Verlag 3 ) an der Hand wären," führt er dann fort, „getraute 

x ) Ebend., 1. Kap. 

2 ) Schon am 15. Dez. 1668 hatte Graf Sinzendorf für seine 
Seidenfabrik in Walpersdorf, die nach den Plänen Bechers errichtet 
worden war, ein Privilegium auf 15 Jahre erlangt (Becher, Politische 
Discurse, a. a. O., S. 506 ff.); überdies war mit Erlaß v. 1. Mai 1669 
trotz des Protestes der Wiener Kaufleute (ebend., S. 503 ff.), die aus 
dem Handel mit ausländischen Seidenwaren großen Gewinn zogen, eine 
Seidenkompagnie gegründet und zugleich die Seideneinfuhr verboten 
worden (Cod. Austr., II. T., S. 296 f.). Becher empfiehlt nun im 
Referat, die ganze Seidenmanufaktur und -fabrikation, sowie die Gold- 
und Silberweberei von der Kompagnie und vom Hofkammerpräsidenten 
zu erhandeln und nach Tirol zu verlegen, die Leinenmanufaktur und 
den Leinenhandel in dem „Ländel ob der Enns u und in Schlesien zu 
restabilieren, die Ledermanufaktur in Böhmen, die Wollmanufaktur in 
Mähren und Österreich und endlich die Textilindustrie im allgemeinen 
in den „mitleidenden Städten" einzuführen, die dadurch „populirt" und 
wieder „nahrhaft" gemacht werden könnten. (Referat v. 1674. 4. Kap.; 
über die „mitleidenden Städte" vgl. S. 22, 31 u. 81.) Die Vorschläge 
Hörnigks bezüglich der Verteilung der Manufakturen weichen in manchen 
Punkten von denjenigen Bechers ab. (Vgl. Horni gk, a f a. 0,, S, 253 ff.) 

3 ) = Vorschuß („Vorlage"). 



425] Die Vorbereitung des Merkantilismus durch Staatsökonomen. 35 

ich mir Jährlich auf 1000 Familien in die Erbland zu bringen 
und hielte dise Werbung so nutzlich, als Soldaten werben, dann 
dadurch kompt ein Land in populosität und Nahrung." Die fremden 
Meister möge man privilegier en oder in privilegierte geschlossene 
Handwerke reduzieren 1 ). Zur Hereinbringung der 2 Tonnen 
Gold, die man jährlich zur Ausführung aller dieser Maßregeln 
benötige, beantragt Becher eine Auflage von 1 — 2 kr. per Tag 
auf jeden der 100.000 Handwerker ; das ergäbe für jeden Hand- 
werker monatlich 1 / 2 — 1 fl., also insgesamt eine jährliche Steuer- 
summe von 600.000 — 1,200.000 fl. Eine solche Besteuerung 
hielte er nicht für beschwerlich, da seiner Meinung nach Meister 
und Gesellen an Feiertagen für gewöhnlich doppelt so viel ver- 
spielen und vertrinken ; auch wäre die Auflage durch den Hand- 
werker vom Käufer hereinzubringen 2 ). 

Die Schrift hatte nicht die gehoffte Wirkung. Das 
Kommerzkollegium wurde in der nächsten Zeit nicht mehr ein- 
berufen. 

Die Ablehnung der administrativen Grundlage entschied 
zugleich den Mißerfolg der weitreichenden Industriepläne 
Bechers. Was ihm noch fernerhin gelang, trägt den Charakter 
der Vereinzelung und des Experiments an sich. Der erste und 
einzige dauernde Erfolg ward ihm in der Zuchthausfrage zu teil. 
„Die Bettelleuth zu zwingen und von der Strassen zu halten" 
gab es seiner Anschauung nach kein besseres Mittel als ein 
„Zucht- und Werckhaus" 3 ). Damit wäre zugleich ein industrieller 
Vorteil verknüpft. Er kann diejenigen nicht loben, die verordnen, 
daß man die Bettler vertreibe. Ja er würde sogar empfehlen, 
fremde Bettler zu industriellen Zwecken ins Land zu bringen 4 ). 
Auf seine Anregung hin begann» man im Jahre 1671 mit der 
Errichtung eines Zuchthauses in der ehemaligen Judenstadt zu 
Wien 5 ). In dieses Haus sollten zufolge der Instruktion vom 
24. Juli 1671 nicht nur das herrenlose und zahlreiche Bettler- 
volk und sonstiges schlimmes Gesindel, wie leichtfertige Weibs- 
personen und Kupplerinnen, sondern auch die „trutzige Dienst- 
boten" und die „unbändige Handwercks-Pursch" gebracht 
werden. Insbesondere Wurden solche Leute mit dieser Strafe 



x ) Referat v. 1674, a. a. O., 4. Kap. 

a ) Ebend., 6. Kap. 

8 ) Politische Discurs, a. a. O., S. 172. 

4 ) Ebend., S. 244. 

5 ) Ebend,, S. 643 ff. 



28* 



36 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [4^6 

bedroht, die sich mit ihrer Hände Arbeit selbst erhalten konnten L ). 
Auf Bechers Antrag ist ferner die Errichtung eines Zentral - 
arbeitshauses in Wiener-Neustadt zurückzuführen 2 ). Aber erst 
unter der Regierung Karls VI. wurden die Zwangsarbeitshäuser 
in Osterreich allgemein eingeführt 8 ). 

Nicht so leicht als die Dekretierung der Zwangsarbeit war 
die Schaffung einer Anstalt für freiwillige industrielle Arbeit. 
Das Institut, dessen sich Becher für diesen Zweck bediente, war 
das „Kay serliche Kunst- und Werckhaus", späterhin das Manu- 
fakturhaus auf dem Tabor genannt 4 ). Worauf es den beteiligten 
Kreisen ankam, geht aus dem „Accord a vom 21. Mai 1675 her- 
vor, der zwischen Becher und dem Hofkammerpräsidenten 
Grafen von Sinzendorf abgeschlossen wurde 5 ). Dem „Accord" 
zufolge fragte Sinzendorf zunächst nach einem „fundus", „damit 
man bei diesen schwähren Zeiten die hochbenöttigten Geltmitteln 
nit aus der Kays. Cammer-Cassa dahin anwenden müsse;" 
worauf dann Becher in einem Aufsatz einen Plan auseinander- 
setzte, wie man metallische Farben, für die nach seiner Berech- 
nung über 100.000 Rtl. ausgegeben wurden 6 ), mit Hilfe eines 
chemischen Laboratoriums selbst erzeugen könne; auch seien 
ihm gewisse chemische und mechanische Industrien, wie Berei- 
tung der Majolic, Verstärkung der Weine, Zeitigung der Metalle 
und vorteilhafte Goldscheidungen, ferner Bereitung, Spinnung 
und Verwebung der Wolle zu allerhand Zeugen bekannt, 
„welches alles bis dato noch nit in den Erblanden gebräuchlich, 
läuffig, zünfftig a sei, daher leicht privilegiert und ohne jemandes 
Präjudiz und Schaden leicht eingeführt werden könne 7 ). Mit 
einem Kapital von 7000 Rtl., die ihm für das Unternehmen 
zur Verfügung gestellt worden waren, nahm Becher den Bau 
des Manufakturhauses in Angriff 8 ). Schon am 19. März 1676 ist 
er in der Lage, dem Kaiser in einem Referat mitzuteilen, daß 
das Haus erbaut und eingerichtet sei und nur mehr der „Con- 
tinuation" bedürfe. Das Manufakturhaus war als ein staatliches 



x ) Cod. Austr., II. T., S. 545 ff. 

2 ) Becher, Politische Discurs, a. a. O., S. 649. 

3 ) Bid ermann, a. a. 0., IL Abt., S. 66 und 305, Anm. 186. 

4 ) Hatschek, a. a. O., S. 25 ff. 

5 ) Ebend., S. 75 f., Beil. I. 

6 ) Ebend., vergl. die übereinstimmende Berechnung Hörnigks, 
a. a. 0., S. 254. 

7 ) Ebend. 

8 ) Ebend., S. 34 ff. 



426] Die Vorbereitung des Merkantilismus durch Staatsökonomen. 37 

Gewerbeunternehmen geplant, das eine Anzahl teils neuer, teils 
wenig ausgeübter Gewerbe in sich vereinigen sollte 1 ). Daß es 
nur als Musteranstalt gedacht war, deutet darauf hin, daß 
Becher in derselben Richtung eine durchgreifende Aktion großen 
Stiles vorbereitete. Becher war kein Anhänger der Zunftauf- 
hebung; er hält im Gegenteil die — allerdings staatlich beauf- 
sichtigte — Zunft wegen des Fehlens der ausländischen Kon- 
sumtion in Deutschland für unentbehrlich 2 ). Aber seine fabriks- 
mäßigen, auf dem Prinzip der kumulativen Produktion beruhenden 
Unternehmungen waren, wenn sie durchdrangen, ganz darnach 
angetan, die Zunftinstitution ihrem innern Wesen nach zu ent- 
werten. Daher der Widerstand, insbesondere von Seiten des 
handeltreibenden Bürgertums, das sich übrigens bereits durch 
die Becherschen Kompagnieprojekte 3 ) direkt angegriffen fühlte. 
Das Privilegium für das Manufakturhaus wurde am 15. Oktober 
1676 erteilt. Becher mußte jedoch über Einflußnahme Sinzendorfs 
einen für das Unternehmen sehr ungünstigen Revers unter- 
schreiben 4 ), worin er sich verpflichtete, als Entgelt für das 
Privilegium dem Kaiser 2 Prozent aus dem Erlös aller fabri- 
zierten und verkauften Waren „als gebürende recognition", 
ferner den gewöhnlichen Zollaufschlag und dergleichen Gebühren 
sowie die kaiserlichen Steuern ordentlich und unverweigerlich 
zu entrichten. Er sah sich also enttäuscht, wenn er gehofft hatte, 
daß man das Unternehmen als ein staatliches betrachten und 
dementsprechend fördern werde. Auch das Rechtsverhältnis war 
ein unhaltbares. Bechers Stellung war die eines übrigens wenig 
begünstigten Privatunternehmers, der den Intriguen des leicht- 
fertigen Sinzendorf und den Anfeindungen seitens der Wiener 
Kaufleute schutzlos preisgegeben war. Da den Arbeitern der 
Lohn nicht regelmäßig bezahlt werden konnte, war es seinen 
Widersachern ein leichtes, sie der Fabrik abspenstig zu 



1 ) Es enthielt ein großes chemisches Laboratorium, worin u. a. 
die „Wahrheit und Nutzbarkeit der Alchymi", einer Lieblingswissen- 
schaft des Kaisers, demonstriert werden sollte, ferner eine Werkstatt 
zur Herstellung von Majolicgeschirr und Hausgeräten, eine Apotheke, 
eine Seidenmanufaktur mit 3 Bandmühlen, eine Wollmanufaktur als 
Hauptzweig aller Industrien, eine venetianische Glashütte und eine 
„Schellenbergische Schmelzhütte" für Gold- und Silbererze (ebend.). 

2 ) Becher, Politische Discurs, a. a. 0., S. 115, 
•) Vergl. ebend., S. 503 ff., 609 ff., 763 ff., 172. 
4 j Hatschek, a. a. 0., S. 81, Beil. III. 



38 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [428 

machen 1 ). Die Waren fanden wenig Absatz, der Betrieb stockte, 
die Instrumente wurden verschleppt und zerstört. Nur die Band- 
manufaktur, die einigermaßen Anklang fand, blieb erhalten; sie 
wurde aus dem Hause genommen und dem Bischof Rochas über- 
geben, der schon seinerzeit für die Berufung Bechers gewirkt 
hatte 2 ). Becher war bereits zu Ende des Jahres 1676 von Wien 
abgereist, teils um das Reichsedikt vom 7. Mai 1676 wegen Ver- 
bietung und Konfiskation französischer Waren zur Durchführung 
zu bringen, teils um in Westdeutschland und Holland tüchtige 
Manufakturmeister für das Manufakturhaus anzuwerben. Es ist 
wahrscheinlich dem Einflüsse Sinzendorfs zuzuschreiben, daß 
Becher von dieser Reise nicht mehr nach Wien zurückkehrte 3 ). 
Die Leitung des Manufakturhauses wurde nun an Wilhelm 
Freiherrn v. Schröder übertragen. Dieser hatte schon im 
Jahre 1674 dem Kaiser ein ausführliches Gutachten über den damali- 
gen Zustand der Manufakturen in den Erblanden überreicht und 
Vorschläge erstattet, „wie die Commerzien befestigt, ersprießlich 
erweitert, perpetuiert und in specie zu dero kaiserlichem Cameral- 
nutzen eingerichtet werden möchten". 4 ) Wahrscheinlich war das 
Werk unter Schröder noch im Betrieb 5 ). Während der Türken- 
belagerung brannte das Haus bis auf den Grund nieder 6 ). Als 
man nach der Errettung aus der Türkengefahr die Notwendig- 
keit fühlte, das Gewerbewesen aufs neue zu beleben, wurde auch 
die Wieder erbauung des Manufakturhauses ins Auge gefaßt. 
Schröder verlangte im Jahre 1684 von der Hofkammer, deren 
Präsidium nach der Absetzung des Grafen Sinzendorf (1679) und 
nach dem Tode seines Nachfolgers, des Freiherrn v. Abele, an 
den Grafen Andreas Rosenberg übertragen worden war, die un- 
entgeltliche Überlassung des Grundes und beantwortete die Fragen 
einer für diese spezielle Angelegenheit eingesetzten Kommission 
mit einer Schrift unter dem Titel : „Gehorsamer Bericht Wilhelm 
v. Schröders wegen Wiedererbauung des Manufacturhauses aufm 
Tabor". 7 ) Hatte Becher vor allem die kommerzielle Seite der 



x ) Ebend., S. 42 ff., 48, 50 f. Vergl. S. 59 f. 
2 ) Ebend., S. 51, 45. 
8 ) Ebend., S. 49 f. 

4 ) Röscher, a. a. 0., S. 294; Marchet in der „Allg. deut- 
schen Biographie", 32. Bd., Lpz. 1891, S. 531. 

5 ) Hatschek, a. a. 0., S. 57. 

6 ) Ebend., S. 57 f. 

7 ) Ebend., S. 81 ff., Beil. III. 



429] Die Vorbereitung des Merkantilismus durch Staatsökonomen. 39 

Angelegenheit betont, so beschäftigte sich Schröder, gewitzigt 
durch die seinem Vorgänger in den Weg gelegten Hindernisse, 
hauptsächlich mit der rechtlichen Stellung des Manufakturhauses, 
mit seinem Verhältnis zu den staatlichen und zünftigen Behörden. 
Dem genannten Bericht zufolge dachte sich Schröder das Manu- 
faktürhaus 1. als eine staatliche oder doch vom Staat privilegierte 
Anstalt zur Ausbildung tüchtiger Handwerker; 2. als eine 
gewerbliche Musteranstalt und 3. als Mittel zur Hebung von 
Export und Import 1 ). Bezüglich seiner leitenden Grundsätze 
verweist Schröder auf ein Gutachten, das er seinerzeit für einen 
Reichsstand ausgearbeitet habe 2 ). Als das Hauptübel des ganzen 
Gewerbewesens bezeichnet er in diesem Gutachten die „Innungen 
und narrischen Handwerksordnungen der Zünffte u , deren von 
alten römischen Kaisern überkommene Privilegien nicht eher 
abgeschafft werden könnten, solange nicht „communi cönsensu 
statuum Imperii" auf dem Reichstage vorgegangen würde. In- 
zwischen aber könne diesem Unwesen durch die Erriehfcmg 
eines Manufakturhauses auf die einfachste Art ein Riegel vor- 
geschoben werden. Dieses Haus solle eine Freistätte sein für 
alle nicht zunftmäßigen Handwerker, sie kämen wo immer her. 
Dabei müßte das Haus kein die Rechte der Zunft einschränkendes 
Privilegium bekommen. Es würde genügen, den im Hause 
beschäftigten Handwerkern das Recht zu erteilen, das Handwerk 
ungehindert im Hause zu lehren und ihre Lehrlinge, „sobald sie 
zur perfection kommen, a ohne Rücksicht auf die Zahl der Lehr- 
jahre freizusprechen. Die Freigesprochenen sollten befugt sein, 
sich im ganzen Lande wo immer niederzulassen, ihr Handwerk 
frei auszuüben und Lehrlinge auszubilden. Vom Wanderzwang 
wären sie befreit. Die Lehrlinge müßten im Hause eingeschrieben 
werden und der Lehrbrief würde „sub sigillo des Hauses" aus- 
gestellt, so daß zwischen dem Manufakturhause und den schon 
außerhalb Wohnenden immer ein gewisser Zusammenhang 
bestünde. So könnte sich die Einrichtung im ganzen Lande 
verzweigen. Diese Handwerksbetriebe würden sich sehr rasch 
vermehren, erstens, weil eine große Zahl der Lehrjahre sowie 
die Wanderpflicht wegfielen, und daher jeder binnen kurzer 
Zeit in der Lage wäre, sich niederzulassen, Geld zu gewinnen 
und Lehrjungen aufzunehmen, dann aber auch aus dem Grunde, 



*) Ebend., S. 62 f. 

2 ) Ebend., S. 87 ff., Beil. IV. 



40 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [430 

weil die betreffenden Handwerker von den Zünften nicht 
gelitten würden und daher im Lande bleiben müßten, um dort, 
wo sie privilegiert sind, ihr Handwerk zu treiben. Sie könnten 
sieh also nicht verlaufen und es sei gut so ; denn „nicht das im 
Lande herumblauffen, sondern das fleissige arbeiten perfectionirt 
einen solchen Kerl a . Jeder von diesen Handwerkern könne ins 
Manufakturhaus kommen, um alles zu besichtigen und sich von 
den Werkmeistern informieren zu lassen. Bezüglich der Art der 
Privilegierung empfiehlt Schröder die Methode der Engländer, 
wonach die Lizenzen verkäuflich sind. So genieße der Hand- 
werker sein Privileg und die Manufaktur erleide keinen Schaden. 
Ein Privilegium privativum begehrte Schröder bloß für die 
Kupfermanufaktur und die Glashütte ; im übrigen genügte seiner 
Ansicht nach ein Privilegium cumulativum, das ja allerdings die 
wichtigste Vorbedingung für die Loslösung vom sachlichen 
Beschränkungsrechte der Zünfte in sich enthielt *). Doch erschien 
es *ihm nicht genug Schutz und Garantie, daß das Haus der 
niederösterreichischen Regierung unterstehen sollte, wie dies 
wahrscheinlich bei allen privilegierten Unternehmungen der Fall 
war. Er wünschte die Aufnahme des Hauses unter die Hof- 
befreiungen als das „hoffbefreyte Haus a2 ). „Denn wie die Hoff- 
befreyten jeder seiner Profession nach arbeiten, handeln und 
wandeln darff, also würde sub hoc nomine auch dieses Haus 
privilegiret seyn, womit auch zugleich ein großer Stein des An- 
stoßes aus dem Wege gelegt würde, daß nemblich die Juris- 
diction über das Haus von der Regierung weg und nachm Hoff 
unter den Hoffmarschall gezogen werde. Denn es ist bekannd, 
daß die burgerschafft solchen Befreyungen feind ist und ihnen 
in Weg leget, was sie kan, wan nun etwan eine Differenz sich 
ereignen sollte, so weis man wol, dass die Herren Statthalter 
es alle Zeiten mit dem burgermeister und dieser mit seinen 
burgern es halt, also hatte das Haus Niemanden, der es schüzen 
wird, aber wan der Herr Hoffmarschall es unter sich hat, so 
wird es damit ebenso gehalten wiebishero mit denHoffbefreyten" 8 ). 
Erst am 16. Mai 1685 erfloß die Entscheidung der Hof- 
kammer, worin sie sich mit dem zustimmenden Gutachten des 
Rat von Abrecht und der Niederösterreichischen Kammer- 
prokuratoren einverstanden erklärt. Der Kaiser erteilte seine 

x ) Vergl. S. 105. 

2 ) Hatschek, a. a. 0., S. 86, Beil. III. 

») Ebend. 



431] Die Vorbereitung des Merkantilismus durch Staatsökonomen. 41 

Einwilligung, und am 20. Dezember 1685 wurde das Dekret an 
Schröder ausgefolgt 1 ). Am 18, Oktober 1686 wurde der Grund 
als Eigentum Schröders grundbücherlich einverleibt. Allein zur 
Wiedererbauung des Manufakturhauses kam es nicht mehr 2 ). 
Schröder wurde noch zu Ende des Jahres 1686 nach Ungarn 
berufen und starb im Jahre 1689 als Zipses Kammerrat, wie es 
heißt, in größter Dürftigkeit 3 ). 

Äußerlich weniger hervortretend, aber dennoch von nach- 
haltigstem Einflüsse auf die zeitgenössische und spätere Staats- 
wirtschaft und Staatswirtschaftslehre, war die Wirksamkeit 
Philipp Wilhelms von Hörnigk 4 ). Daß er eine nennenswerte 
praktische Tätigkeit in gewerblichen Angelegenheiten entwickelt 
hätte, ist kaum anzunehmen; erwiesen ist bloß, daß er um das 
Jahr 1674 vom Kaiser den Auftrag erhielt, statistische Er- 
hebungen über den Stand der Gewerbeverhältnisse zu pflegen 5 ). 
Seine Bedeutung liegt auf schriftstellerischem Gebiete. In seinem 
Hauptwerke „ Osterreich über Alles" stellt er sich als der konse- 
quenteste Vertreter des politischen Merkantilismus in Osterreich 
dar. Noch nachdrücklicher als Becher betont er die Notwendig- 
keit, daß der Kaiser in der Industriefrage die Initiative ergreife, 
u. zw. nicht nur in seiner Eigenschaft als Oberhaupt des Reiches, 
sondern auch als Besitzer so hochgesegneter und ausgedehnter 
Länder 6 ). Er steht auf demselben Standpunkte wie der Verfasser 
einer kurz vorher 7 ) erschienenen anonymen Abhandlung „Teutsch- 

x ) Ebend., S. 67 f. 

2 ) Ebend., S. 70 f. 

3 ) Ebend., S. 71 f. — Eine abenteuerliche Version verzeichnet 
Greorg H. Zincke in seiner w Cameralisten-Bibliothek", Lpz., 1751/52, 
III. T., S. 782: Karl Philipp Pescherin habe zur Ausgabe von 
1708 des Schröderschen Hauptwerkes („Fürstliche Schatz- und Rent- 
kammer," 1. Ausg. 1686) eine Zugabe geliefert (Lpz., 1713 bei Boetius), 
die merkwürdige Nachrichten über Schröders Lebensschicksale enthalte; 
darnach wäre er von seinen Feinden ermordet worden. 

4 ) Geb. zu Mainz ca. 1638, gest. ca. 1712 (Inama in der 
„Allg. deutschen Biographie", 13. Bd., Lpz. 1881, S. 157 f.), Jurist, 
ursprünglich im Dienst des bereits genannten Christoph Rojas, Bischofs 
von Croatien, später geheimer Rat des Kardinals Lamberg. Fürstbischofs 
von Passau (ebend.). 

5 ) §. oben §. 16, Anm. 2. Die Tatsache, daß in diesem Jahre .*uich 
Becher und Schröder mit derartigen Untersuchungen hervortraten, steht 
wohl in direktem Zusammenhange mit dem staatsrechtlich und wirtschafts- 
politisch so bedeutsamen Reichsgutachten von 1672. 

6 ) Hörnigk, a. a. O., S. 7. 

7 ) 1684, ebend., S. 4, 6. 



42 Die Anfänge der merk antilis tischen Wirtschaftspolitik. [432 

land über Frankreich", der vorschlägt, es mögen sich die vor- 
nehmsten Reichsstände „einzelner weiß, jeder in seinem eigenen 
Hauß, die wahre Lands-Oeconomie . . . durch bessere Einrichtung 
des Gewerbs und der Manufacturen empfohlen seyn lassen", 
wobei Hörnigk aber zwischen der Landesökonomie und der 
Kameralökonomie ausdrücklich unterscheidet 1 ). In diesem letzteren 
Punkt weicht er insbesondere von Schröder ab, der die ökono- 
mischen Angelegenheiten des Landes vom rein fiskalischen Stand- 
punkt aus behandelt 2 ). Allerdings täuschte sich Hörnigk, wenn 
er annahm, daß wirtschaftliche Maßregeln der einzelnen deutschen 
Territorien im stände wären, den Mangel einer einheitlichen 
Reichsaktion zu ersetzen 3 ). Die Entwicklung der nächsten Jahr- 
zehnte lehrte, daß eine territoriale Gewerbegesetzgebung ohne 
Beeinträchtigung anderer Reichsstände ebensowenig möglich war, 
wie eine Gewerbereform von Reichs wegen ohne Schädigung der 
wirtschaftlich schwächeren Territorien 4 ). 

Hörnigks Vorschläge bezwecken ausschließlich die Schaffung 
eines einheitlichen, dem Ausland gegenüber konkurrenzfähigen 
Wirtschaftsgebiets, und von diesem Gedanken ausgehend gelangt 
er als erster dazu, die einzelnen Teile der großen habsburgischen 
Hausmacht unter dem Gesamttitel „Osterreich" zusammenzufassen. 

Für die Verteilung der neu einzuführenden Manufakturen, 
wie der Seiden- und Tuchmanufaktur, ist ihm neben Gründen 
örtlicher Natur vor allem die Beschaffenheit des vorhandenen 



x ) Ebend. S. 6. 

2 ) Dies deutet schon der Titel des Schröder sehen Hauptwerkes : 
„Fürstliche Schatz- und Rentkammer" an. Eine vermittelnde Stellung 
nimmt J. G. Leib in seinem schon genannten Werke (s. S. 32, Anm. 4) ein, 
indem er Vorschläge erstattet, «Wie ein Regent Land und Leute ver- 
bessern, des Landes Gewerbe und Nahrung erheben, seine Gefällen und 
Einkommen sondern Ruin deren Unterthanen billigmäßiger Weise vermehren 
und sich dadurch in Macht und Ansehen setzen könne („Erste Probe"). 

3 ) Hörnigk, a. a. 0., S. 6. 

4 ) Auch ^Schmoller weist gelegentlich darauf hin, daß das 
preußische Schutzsystem nicht nur gegen Frankreich, Holland und Eng- 
land, sondern auch zugleich gegen die deutschen Nachbarn gerichtet 
war („Studien über die wirtschaftliche Politik Friedrichs d. Gr. und 
Preußens überhaupt v. 1680—1786", a. a. 0., S. 58 f.). Die auf 
möglichste Vermehrung und Mechanisierung des Arbeitermaterials ge- 
richteten Reichsschlüsse gegen die „Mißbräuche" im Handwerk stellen 
im Grunde bloß die innerpolitische Seite der merkantilis tischen Bestre- 
bungen dar und trugen ihrerseits nicht weniger zur wirtschaftlichen und 
politischen Zerklüftung Deutschlands bei, als die territorialen Schutzzölle. 



433] Die Vorbereitung des Merkantilismus durch Staatsökonora en. 43 

Arbeitermaterials maßgebend, wie denn überhaupt die Frage 
der „Bevolckung u in seinem System eine große Rolle spielt. 
Er fände es sogar begreiflich, wenn man zu ihrer Beobachtung 
eigene Stellen und Kollegien errichten würde 1 ). So wünscht er 
z. B. die Verlegung der Wollenzeugmacherei nach Böhmen und 
Schlesien, weil die Bewohner dieser Länder „zu den Wollen- 
Manufakturen insgemein geneigter" und überdies „die fremde 
Bursch aus der Nachbarschaft leichter hineinzuziehen wären". 
Und er bedauert die Stadt Prag, die gerade in letzterer Bezie- 
hung wegen ihrer vielen Obrigkeiten, Gerichte und Instanzen 
weniger günstig gestellt sei 2 ). Er empfiehlt ferner die Anlegung 
neuer Industriestädte nach dem Muster Brandenburgs (Friedrichs- 
werder, Dorotheenstadt) 3 ), sowie die Errichtung jährlicher Wett- 
fabriken, von denen weder Meister noch Gesellen, die Landes- 
kinder sind oder an einem Orte seßhaft zu werden gedenken, 
ausgeschlossen bleiben könnten, und die mit Privilegien und 
anderen Benefizien auszustatten wären 4 ); ein Vorschlag, der 
ungefähr auf die Idee des Becherschen Manufakturhauses hinaus- 
läuft. Wie Becher, der die Verleger für die Grundsäulen der 
produzierenden Stände erklärt 5 ), so mißt auch Hörnigk dem 
Arbeit und Erwerb schaffenden Verlagsystem die größte Be- 
deutung bei. „Ein einziger großer Verläger, u sagt er mit Bezug 
auf die häufigen Zunftstreitigkeiten, „nutzt dem Staat hundert 
mahl mehr, als etlich Dutzend derjenigen, die nur von anderer 
Leute Blut und Aussaugung in Führung unnöthiger gericht- 
licher Process und Handhabung der Chicanerien leben müssen; 
und wolle mich nur niemand zu klarer Erweissung dieser Thesis 
oder dieses Paradoxi, wann es jemand also nennen wolte, an- 
treiben ; dann die Argumenta dörfften nicht allen gefallen." 6 ) 
Noch nicht völlig durchdrungen von der großen Bedeutung des 



*) Hörnigk, a. a. 0., S. 114. 

2 ) Ebend., S. 253 f. 

•) Ebend., S. 256. — Später faßte Karl VI. für die Errichtung 
neuer Manufakturen insbesondere Korneuburg ins Auge und forderte 
der Stadt ein Gutachten ab. Der Stadtrat von Korneuburg verhielt sich 
jedoch ablehnend (A. Starzer, Geschichte der landesfürstlichen Stadt 
Korneuburg, Korneub. 1899, S. 653). 

4 ) Hörnigk, a. a. 0., S. 234. 

5 ) Becher, Politische Discurs, a. a. 0., S. 106. 

6 ) Hörnigk, a. a„ 0., S. 247 f. — Die Häufung der gelehrten 
Ausdrücke deutet darauf hin, daß es Hörnigk hier auf eine direkte 
Verspottung der Zunftjuristen abgesehen hat. 



44 Die Anfänge der merkantil istischen Wirtschaftspolitik. [434 

Kampfes, der zwischen der sozialen, bürgerlich-autonomen Zunft- 
form und dem auf Kapitalbesitz und Arbeitspflicht sich 
gründenden Staatsinteresse begonnen hatte, stellt er sich ohne 
Bedenken und ohne sich auf eine ernsthafte Erörterung des 
Rechtsverhältnisses einzulassen, auf den Standpunkt der Staats- 
notwendigkeit, den er gegenüber den Ansprüchen der Zünfte 
in seiner Weise dahin formuliert, daß „dergleichen Lumpenpossen 
etlicher albern Leut, welche gemeiniglich auf ein Monopoliuni, 
Erpressung unbillichen Wehrts und Druckung der Verleger, 
auch Verhütung, daß ein guter Meister mehr nicht als ein 
schlimmer aufkommen möge, angesehen seynd", nicht die Macht 
haben könnten, „den allgemeinen Wohlstand, die Aufnahme und 
die Erhaltung der Erbland in den Koth vertretten zu lassen" *■). 
Er rät daher, die neu einzuführenden Manufakturen nicht zünftig 
zu machen und erst, bis sie in völligem Flor sind, das weitere 
zu bedenken. Die Italiener, Niederländer und Holländer, die 
zunächst als Lehrmeister berufen werden müßten, seien die Zünfte 
nicht gewohnt und wüßten sich nicht darin zu schicken. Wohl 
■eber möge man den Meistern und Verlegern gegen die tiber- 
mäßigen Ansprüche, den Übermut und die Faulheit der Gesellen 
beistehen a ). 

Mit Hilfe der neuorganisierten Industriebetriebe, gestützt auf 
die Kaufmannschaft, dieses „vornehmste Instrument" zur Förde- 
rung der Landesökonomie 8 ) und durch rationelle Ausbeutung 
der einheimischen Bodenschätze, besonders der Gold- und Silber- 
bergwerke — der reichsten im ganzen christlichen Europa 4 ) — 
könne Osterreich nicht nur seinen zumal in Kriegszeiten so 
empfindlichen „Geldgebresten" 5 ) abhelfen, sondern auch die 
Unterbilanz im Handelsverkehr mit den übrigen Staaten 6 ) 
beseitigen. Und gerade dies letztere erscheint dem Verfasser 
als das Wichtigste. „Dann ob heutigen Tags eine Nation 



x ) Ebend., S. 236 f. 

2 ) Ebend., S, 237 f. 

3 ) Ebend., S. 18 f. 

4 ) Ebend., S. 289 f. 

5 ) Ebend., S. 130, 9 f. (Hinweis auf den Türkenkrieg.) 

6 ) Die 4 ausländischen Hauptmanufakturen (Seide, Wolle, Leinen 
und französische Waren) nennt Hörnigk die 4 verschwenderischen 
Raubtiere, die .allein den Erblanden jährlich ca. 16, mindestens aber 
10 Millionen Gulden entzögen (S. 146. f.). S.. 118 ff. citiert Hörnigk 
die satirischen Ausfuhrungen Bechers über die französischen Manu- 
fakturen. 



435] Die politische und finanzielle Lage des Staates. 45 

mächtig und reich sey oder nicht hangt nicht ab der Menge 
und Wenigkeit ihrer Kräfften oder Reichthum, sondern furnehm- 
lich ab deine, ob ihre Nachbarn deren mehr oder weniger als 
sie besitzen. Dann mächtig und reich zu seyn ist zu einem 
Eelativo worden gegen die jenige, so schwächer und ärmer 
seynd." x ) 

2. Die politische und finanzielle Lage des Staates. 

Die unruhigen und kriegerischen Zeiten mögen der Aus- 
führung der begonnenen und geplanten Unternehmungen wenig 
förderlich gewesen sein. Die Aufmerksamkeit des Staates wurde 
vom materiellen Tagesinteresse in Anspruch genommen. Un- 
geheuren Aufwand verursachte das stehende Heer, dessen Mann- 
schaftsstand in der Zeit von 1673 bis 1705 von 60.000 auf 
132.000 Mann stieg 2 ). Nach den Militärkassenquittungen betrugen 
die Ausgaben für den Krieg gegen die Türken und um Ungarn 
von 1683 bis 1699 insgesamt 136,986.257 fl. 8 ) Eine große Menge 
baren Geldes verschlang in den Jahren von 1673 bis 1710 der 
Unterhalt der kaiserlichen Armeen am Rhein und im Pogebiet 4 ). 
Die riesigen Ausgaben konnten kaum erschwungen werden. 
Nach einem Bericht des schwedischen Gesandten Esaias Pufen- 
dorf betrugen die Einkünfte des Kaisers im Jahre 1673 mit 
Hinzurechnung der Kammergüter, Salzwerke, Zölle, der Berg- 
werke in Ungarn und Tirol und des Friauler Quecksilbers im 
ganzen 9 Millionen Taler Silbermünze 5 ). Der ehemals blühende 
Bergbau war, wie in ganz Deutschland, stark zurückgegangen. 
Joachimsthal, das ergiebigste böhmische Silberbergwerk, das in den 
Jahren 1527 bis 1544 im Durchschnitt jährlich 8954 kg Silber 
produziert hatte, lieferte im 17. Jahrhundert bloß 696 kg pro 

*) Ebend., S. 29. 

2 ) Inama-Sternegg, Die volkswirtschaftlichen Folgen des 
30-jährigen Krieges für Deutschland, a. a. 0., S. 19. 
8 ) Krön es, a. a. 0., IV. Bd., S. 448 f. 

4 ) Frankfurter Relationen („ Jacobi Franci Historische 
Beschreibung aller denckwürdigen Geschichten" etc.) 1673 ff. 

5 ) Esaias Pufendorf, kgl. Schwed. Gesandten in Wien Bericht 
über Kaiser Leopold, seinen Hof und die Österreichische Politik 
1671 — 1674, nach einer Handschrift herausgegeben und erläutert von 
Karl Gustav Heibig, Lpz. 1862, S. 78 f. — „Diese Ansicht stimmt 
zu der gewöhnlichen Durchschnittsberechnung von 12 Millionen Gulden 
(bis 1 686) a (Hansv. Zwiedineck-Südenhorst, Deutsche Geschiebte 
im Zeiträume der Gründung des preußischen Königtums," I. Bd., Stuttg. 
1890, S. 304). 



46 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [436 

Jahr. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Böhmen allein 
jährlich über 12.000 kg Silber produziert; ebensoviel hatten auch 
die tirolisch-salzburgischen Bergwerke ergeben. Seit der Mitte 
des 17. Jahrhunderts betrug die Silberproduktion in ganz Öster- 
reich-Ungarn insgesamt nur 8 — 10.000 kg im Jahresdurchschnitt x ). 
Zwar stand die Gold- und Silbergewinnung der Erblande in 
Europa noch immer an erster Stelle 2 ) ; allein gegenüber dem 
überwiegenden Einfluß, den damals bereits die Einfuhr amerika- 
nischer Edelmetalle ausübte, kam sie nur wenig in Betracht 3 ). 
Der Heeresbedarf, der in dieser Periode fast die Hälfte der 
gesamten Staatseinnahmen verschlang 4 ), mußte auf dem Wege 
unregelmäßig und widerwillig entrichteter Militärkontributionen 
hereingebracht werden. Auf diesem Gebiete machte sich denn 
auch in erster Linie die Notwendigkeit einer Zusammenfassung 
des gesamten Finanzwesens fühlbar. Die Reform der Militär- 
verpflegung vom Jahre 1697, wie sie im Militär verpflegsreglement 
vom Dezember dieses Jahres zum Ausdruck kommt, geht von 
der Anschauung aus, daß die einzelnen österreichischen Länder 
nur Teile eines geschlossenen Ganzen seien, denen der Kaiser 
als oberster Kriegsherr gemeinschaftlich zu tragende Lasten 
auferlege. Das Reglement teilt die gesamte Kriegssteuer in der 
Weise auf, daß bei einem jährlichen Erfordernis von 12 Mil- 
lionen fl. Ungarn 4 Millionen, Siebenbürgen 1 Million, Böhmen 
2,284.722, Schlesien 1,523.148, Mähren 761.577, Innerösterreich 
1,215.478, Niederösterreich 5 ) 810.185 und Oberösterreich 6 ) den 
Rest beisteuern sollten. Nach demselben Modus wurde auch die 
Aufteilung der Truppenkontingente vorgenommen 7 ). 



x ) Wiebe, a. a. 0., S. 262 f., 265. 

2 ) Ebend., S. 264 ff., 272 f., Tabellen S. 265 und 272. Vgl. 
die schon angeführte Stelle bei Hörnigk, a. a. 0., S. 289 f. 

8 ) Von der gesamten Goldproduktion der letzten zwei Jahrzehnte 
des 17. Jahrhunderts entfielen im Jahresdurchschnitt auf Europa und 
Afrika 35'5°/ , auf Amerika 64*5%; von der gesamten Silberproduktion 
auf Europa 9-9%, auf Amerika 90*1% (nach Wiebe a. a. O., S. 272 f.). 

4 ) Die Schätzung Inamas (Die volkswirtsch. Folgen des 30-jähr. 
Krieges für Deutschland, a. a. 0., S. 19), daß die militärischen Aus- 
gaben ca. Ys der Staatseinnahmen betragen hätten, ist wohl zu niedrig 
gegriffen, selbst wenn man bloß die Ausgaben für den Türken- und 
Ungarnkrieg in Rechnung zieht. 

5 ) Das heutige Nieder- und Oberösterreich. 

6 ) D. i. Tirol, Vorarlberg und die Vorlande. 

7 ) Bid ermann, Gesch. der österreichischen Gesamt-Staatsidee, 



437J Die politische und finanzielle Lage des Staates. 47 

Damit war aber nun zugleich die Frage aktuell geworden, 
wie die Steuerkraft der Bevölkerung zu heben wäre. Die Wiener 
Hofkammer, die nach der Auflösung des Kommerzkollegs wieder 
die unmittelbare Leitung des Kommerz- und Manufakturwesens 
übernommen hatte 1 ), brachte die Frage zur Diskussion, indem 
sie am 18. September 1698 zunächst an die österreichische Hof- 
kanzlei ein Requisitionsschreiben erließ, worin sie bekannt gibt, 
der Kaiser habe der „deputirten gehaimen Comission in Came- 
ralibus" einen Bericht darüber abgefordert, „wie das Gelt in 
Ihren Erbkönigreichen und Ländern mehrers in die Circulation 
gebracht werden könnte, also dass solches nicht allein, wie es 
auß der bisherigen leydigen Erfahrung zu ersehen gewest, in 
denen Händen einiger Potentiorum oder solcher, welche einen 
besonderen Wuecher und Monopolium mit demselben treiben, 
steckhen bleibe, sondern unter alle Inwohner und Unterthanen 
der Proportion nach gebracht werden könne." 2 ) Die kaiserliche 
Hofkammer ersucht also die österreichische Hofkanzlei, zu er- 
heben, „was die Governi der Länder für Sentimenti haben" und 
von jeder Regierung ein Gutachten abzuverlangen. Auf Grund 
dieser Gutachten werde dann die Kammer „ein vollkhommenes 
Systema über das Universale deß Commercii respectu aller 
Länder in corpore und auch, wie selbiges particulariter respectu 
eines Jeden Landes insonderheit zu fassen seye a , aufstellen und 
dem Kaiser darüber Vortrag erstatten 3 ). Die ganze Aktion war 
vom Hofkammerrate J. David von Palm eingeleitet worden, der 
damals in der Wiener Hofkammer maßgebenden Einfluß aus- 
übte 4 ). Ein Schreiben gleichen Inhalts erging am 18. Oktober 
desselben Jahres an die böhmische Hofkanzlei. Diese antwortete 
Ende 1699 mit einem Gutachten, worin sie die Hebung von 
Handel und Industrie als das einzige Mittel zur Beseitigung der 
Geldnot bezeichnet und eine Verbesserung der Zunftordnungen 
verlangt, um den fremden Industriellen und Arbeitern, deren 
Mitwirkung unentbehrlich sei, die Ausübung ihrer Gewerbe in 



a. a. 0., II. Abt., S. 39. Bid ermann hält diese Beform für die weitaus 
wichtigste Kundgebung der Gesamt- Staatsidee unter Leopold I. (ebend.). 

x ) Ebend., S. 42. 

2 ) Ebend., S. 113 f., Anm. 23, nach den Miscellen des Grazer 
Statthaltereiarchivs und der Hofdekretsammlung vom September 1698 
im Innsbrucker Statthaltereiarchiv. 

8 ) Ebend. 

4 ) Ebend., I. Abt., S. 42. 



48 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [438 

Osterreich möglich zu machen 1 ). Zugleich übersandte der 
böhmische Kammersekretär Joh. Chr. Borschek sein Gutachten, 
das sich mit dem der Hofkanzlei vollkommen deckt und eine 
ausfuhrliche Begründung desselben darstellt 2 ). In gleichem Sinne 
äußert sich auch eine Kommission aus den böhmischen Ständen, 
die auf Anordnung eines Reskripts vom 23. Oktober 1705 zu- 
sammentrat und am 29. November dieses Jahres ihr Gutachten 
erstattete 3 ). 

So sah sich Osterreich durch die politischen, militärischen 
und finanziellen Verhältnisse auf den Weg der merkantilistischen 
Staatswirtschaft gedrängt, der ihm schon vor Jahrzehnten durch 
die ersten österreichischen Staatsökonomen vorgezeichnet wor- 
den war. 

Zu einer Ausdehnung der merkantilistischen Bestrebungen 
auf die agrarische Produktion fehlte es in den Erblanden an 
einer vorgeschrittenen landwirtschaftlichen Technik und an dem 
Ausbau der nötigen Verkehrswege. Es konnte hier demnach bloß 
die industrielle Produktion in Betracht kommen. 

Ein Bedürfnis nach Einführung der verfeinerten Manufak- 
turen des Auslandes war, wenigstens in den wohlhabenderen 
Konsumentenkreisen, unzweifelhaft vorhanden. Hiefür spricht 
schon die oben dargelegte überaus rege Anteilnahme fremder 
Handelselemente am inländischen Warenverkehr 4 ). Daß Öster- 
reichs Industriebilanz, abgesehen von einzelnen Provinzial- 
bilanzen 5 ), eine passive gewesen ist, geht aus den diesbezüglichen 



*■) P r i b r a m, Das böhmische Kommerzkollegium und seine Tätig- 
keit, a. a. 0., S. 13 ff. 

2 ) Ebend., S. 16 ff. 

3 ) Ebend., S. 23 f. 

4 ) Bezüglich der deutschen Verhältnisse im allgemeinen bestätigt 
diese Auffassung eine französische Handelsbilanz aus den letzten Regie- 
rungsjahren Ludwigs XIV. Darnach führte Deutschland (inkl. Polen) 
nach Frankreich für 8 Millionen Livres Waren aus, u. zw. für 
3,700.000 Livres Manufaktur- und Fabrikserzeugnisse, für 2,300.000 
Livres Rohstoffe, für 2,300.000 Livres Viktualien ; dagegen exportierte 
Frankreich Waren im Werte von 14 Millionen Livres nach Deutschland, 
u. zw. für 5,100.000 Livres Manufakturen — trotz der Verluste an 
Industriekräften durch die Auswanderungen seit 1685, — für 2 Millio- 
nen Livres Rohstoffe und für 7 Millionen Livres Viktualien (M. Ar- 
no uld, De la balance du commerce, et de relations commerciales 
extärieures de la France, I. Bd., Paris 1791, S. 209 f.). 

5 ) So weist eine Bilanz für Böhmen über die Zeit von 1732 bis 
1735 folgende Ziffern auf: 



439J Die politische und finanzielle Lage des Staates. 49 

Klagen der zeitgenössischen Publizistik zur Genüge deutlich 
hervor. Der verfeinerte Bedarf der oberen Gesellschaftsschichten 
zog den fremden Luxus ins Land und durch das geöffnete Tor 
drang der Strom der ausländischen Warenerzeugnisse nach, die 
durch Billigkeit, durch technische Vollendung und durch den 
Reiz der Neuheit die einheimische Produktion zu entwerten 
drohten. An dieser wirtschaftlichen Spannung zwischen dem 
kaufkräftigen Konsum und der durch die inländische Produktion 
gebotenen Bedarfsdeckung fand der Merkantilismus einen seiner 
wichtigsten Stützpunkte. Eine weitere nicht zu unterschätzende 
Förderung erhielt die industrialistische Richtung durch den 
stetig wachsenden Bevölkerungsüberschuß. In den gewerbe- 
reicheren Städten hatte sich ein vieltausendköpfiges Proletariat 
angesammelt, das in der Folgezeit unter der Anleitung technisch 
geschulter Handwerker aus dem Auslande das Hauptkontingent 
für die Fabriksarbeit stellte. Die vielen beschäftigungslosen 
Hände waren für die Behörden ohnedies ein Gegenstand wach- 
sender Besorgnis. In Wien war die Zahl der Bettler so groß, 
daß man vor der Türkenbelagerung zu der Maßregel griff, ihrer 
7000 aus der Stadt zu schaffen x ). In Iglau gab es, wie in anderen 
Städten, zahlreiche Bürger, die, außer stände, sich als Hand- 
werksmeister fortzubringen, um Taglohn dienten, und im Jahre 
1719 zählte die Stadt unter 6246 Einwohnern 386 Bettler 2 ). In 
den 20-er Jahren des 18. Jahrhunderts, als die orientalische 
Kompagnie in Oberösterreich nach Arbeitern für die Linzer 
Schafwollwarenfabrik suchte, wurde die Zahl der Bettler in 
diesem Lande auf 18.000 geschätzt 3 ). Auch an Unternehmern, 
besonders fremder Herkunft, war kein Mangel. Aber das wich- 





Einfuhr 






Ausfuhr 






fl. 


kr. 


/Ä 


fl. kr. 


,Ä 


1732 


3,225.215 


7 


*7. 


4,479.794 45 


3 


1733 


3,149.197 


57 




4,617.161 10 


3 


1734 


2,990.166 


53 


3 


5,871.372 50 


374 


1735 


3,041.906 


15 


41 A 


6,004.048 6 


374 



12,406.486 13 5 3 / 4 20,972.376 53 1 

(Edm. Schebek, Böhmens Glasindustrie und Glashandel, Prag 1878, 
S. 169, Anm., nach den Mss. der fürstl. Kinskyschen Bibliothek*) 

*) Weiß, a. a. O., IL Bd., S. 75. 

2 ) Christian d'Elvert, Gesch. u. Beschreibung der (kgl. Kreis- und) 
Bergstadt Iglau, Brunn 1850, S. 317 f. 

8 ) F. M. Mayer, Die Anfänge des Handels und der Industrie in 
Osterreich und die orientalische Kompagnie, Innsbr. 1882, S. 57 f. 
(s. S. 60). 

Wiener gtaatswiss. Studien. IV. Bd., 3* Heft. 29 



50 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [440 

tigste fehlte: das war die Vorarbeit von Generationen, die auch 
in Frankreich, dem Mutterlande der neuzeitlichen Industrie, die 
volle Entfaltung der industriellen Kräfte erst ermöglicht hatte. 
Geschulte Arbeitskräfte waren selten und vielbegehrt. Mit 
bedeutendem Kostenaufwand und unter Zusicherung weitgehender 
Privilegien suchte man sie aus dem Ausland zu gewinnen. 
Dabei lagen die Verhältnisse für die Einbürgerung der zumeist 
protestantischen Ausländer keineswegs günstig. Das Haus Habs- 
burg stand am Ende eines schweren Kampfes um die kirchliche 
Einheit. Wie in Frankreich *), so galt auch in den österreichi- 
schen Erblanden die Bestimmung, daß nur Katholiken zum 
Meisterrecht fähig seien. Sogar von der Fabriksarbeit sollte zu- 
nächst das protestantische Element ferngehalten werden. Das 
Privilegium vom Jahre 1666 zur Errichtung einer Seidenkom- 
pagnie bestimmt, daß die Kompagnie nur „gute katholische 
Arbeiter" halten solle 2 ). Mit der unaufhörlichen Veränderung 
und Steigerung der Konsumbedürfnisse zumal der obern Gesell- 
schaftsschichten sieht sich die Behörde allerdings zu Konzessionen 
genötigt. Protestantische Apothekergehilfen 8 ), Gärtner 4 ), Gold- 
schmiede 6 ) und andere Professionisten werden zur Ausübung 
ihres Gewerbes in Österreich zugelassen und die seit 1705 er- 
teilten „Privilegia privativa" gewähren den in den Fabriken 
Beschäftigten freie Religionsübung. Aber im Prinzip galt auch 
fernerhin der Katholizismus als Norm. Noch im Jahre 1741 
stellt die österreichische Hofkanzlei gegenüber den Beschwerden 
der Geistlichkeit fest, daß nach der Individualbeschreibung von 
1736 unter den Wiener „Dekretern" und „ Störern" bloß 
101 akatholische Familien zu finden wären und daß die Zahl der 
akatholischen Hofbefreiten bloß 4 betrüge 6 ). Zugleich kündigt 
sie an, daß wie vorher so auch in Hinkunft die Ausübung der 
Profession durch Akatholiken „unter dem Billichen Vorwandt 
der überhäufften Bürgerlichen Maisterschaften Vollends und mit 



*) H. W. Farn am, Die innere französische Gewerbepolitik von 
Colbert bis Turgot (in Schmollers „ Staats- und sozialwiss. Forschungen", 
I. Bd., 4. H.), Lpz. 1878, S. 27. 

2 ) Becher, Politische Discurse, a. a. 0., S. 503 ff. 

3 ) Cod. Austr., I. T., S. 71. 

4 ) S. S. 72 ff. 

5 ) Referat der Hofkanzlei vom 12. August 1741, a. a. 0. 

6 ) Ebend. In öffentlichen Schriften war die Zahl der Akatholiken 
sogar auf etliche 1000 angegeben worden (ebend.). 



441] Merkantili/tische Industrie- und Handelspolitik. 51 

rigor eingestellt a werden solle, was ja mit dem consilium 
abeundi gleichbedeutend sei 1 ). 

Aus solchen Hemmnissen erklärt sich die vielfach zögernde 
und unsichere Haltung Österreichs in der Frage der Industrie- 
förderung. 

3. Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 

Das hervorstechendste Kennzeichen der merkantilistischen 
Staatswirtschaft ist darin zu suchen, daß sie, obgleich eine 
reiche industrielle Tätigkeit voraussetzend, das Hauptgewicht 
auf den Handelsverkehr, auf die Waren- und Geldcirculation legt. 

Der Inbegriff jener zahlreichen und vielseitigen Staats- 
handlungen, aus denen sich die merkantilistische Politik zu- 
sammensetzt, läßt sich in die Gruppe der interpolitischen und 
in die der innerpolitischen Maßregeln scheiden, deren jede wieder 
unter dem Gesichtspunkt von Aktion und Reaktion eine positive 
und eine negative Seite aufweist. Nach außen hin verfolgen 
die merkantilistischen Maßregeln einerseits den Zweck, aus- 
ländische Absatzmärkte für die einheimischen Industrieerzeug- 
nisse zu gewinnen und so den Geldstrom des Handelsverkehrs 
möglichst nach dem Inlande zu lenken; andererseits suchen sie 
die Einfuhr handelsfertiger Erzeugnisse des Auslands und damit 
die Geldausfuhr aus dem Inland möglichst zu erschweren. In 
Hinsicht auf die innere Politik erstrebt der Merkantilismus die 
Schaffung einer reichen einheimischen Industrie, die nicht nur 
den inländischen Konsum möglichst vollständig befriedigen, son- 
dern auch zugleich reichliche Arbeitsgelegenheit bieten soll; 
andererseits aber bedingt die Zusammenfassung der Produktions- 
kräfte in einen geschlossenen Wirtschafts- und Handelskörper 
eine völlig neue Arbeitsorganisation. Die bürgerliche Gewerbe- 
autonomie mußte fallen, wo der Staat das Recht und die Pflicht 
der Ordnung der gewerblichen Produktion für sich in Anspruch 
nahm und damit mußte an die Stelle einer Arbeitsverfassung 
mit korporativer Gebundenheit eine Arbeitsverfassung treten, 
welche das Individuum nicht mehr den Berufsgenossen, sondern 
nur dem Staate gegenüber band. So hat der Merkantilismus 
auflösend und individualisierend in Bezug auf die sozialen 
Ordnungen, reglementierend und zwingend in Bezug auf das 
Verhältnis der Individuen zum Staate gewirkt. 

x ) Ebend. 

29* 



52 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [442 

Die zeitliche und kausale Verknüpfung jener Staatsaktionen, 
die man als „merkantilistische" bezeichnet, weist wie überall so 
auch in Deutschland und Österreich sehr wenig Regelmäßigkeit 
auf und hängt wesentlich von der jeweiligen Situation und 
Auffassung der leitenden Kreise ab. 

Merkantilistische Kundgebungen waren bereits die seit 1548 
wiederholt ergangenen Reichstagsmandate gewesen, die dem 
drohenden Verfall des deutschen Tuchergewerbes durch das 
Verbot der Wolleausfuhr zu fremden Nationen entgegenzuwirken 
suchten 1 ). Für ganz Deutschland war ferner auf Anregung 
Brandenburgs der Reichsschluß vom 27. Jänner 1659 zustande ge- 
kommen, der die Einfuhr ausländischer Industrieerzeugnisse, wie 
Gold- und Silberarbeiten, Galanterie- und Luxuswaren, sowie die 
Ausfuhr von Geld verbot. Am 7. Mai 1676 wurde er als Reichs- 
edikt „wegen Verbiet- und Abschaffung der französischen Waren" 
publiziert. Den Einheimischen wurde eine Frist von 1 Jahre, 
den Fremden eine solche von 2 Monaten gewährt, um die noch 
vorhandenen Vorräte zu verkaufen. Nach Ablauf dieser Frist 
sollten die betreffenden Waren konfisziert werden. Spezialverord- 
nungen für Osterreich ergingen am 9. Dezember 1673 und am 
20. September 1674 2 ). 

Als Mittel zur Hebung des industriellen Exports wurde die 
Herabsetzung der inländischen Zölle, der Ausbau der Handels- 
wege und die Gründung von Handelskompagnien in Betracht 
gezogen. Die zahlreichen Aufschläge und Zölle bildeten ein 
Haupthindernis für den Warenverkehr. Ein Eimer Wein, der 
von Poysdorf in Osterreich unter der Enns nach Oppeln in 
Schlesien transportiert wurde, stellte sich um das Jahr 1674 auf 
das Doppelte des ursprünglichen Preises 8 ). In Böhmen allein 



*) Schmolle r, Die Straßburger Tücher- und Weberzunft, a. a. 0., 
S. 506. 

2 ) Das Reichsedikt wurde im Jahre 1688 erneuert. — Karl 
Friedr. Gerstlacher, Handbuch der deutschen Reichsgesetzte, IX. T., 
Karlsruhe 1788, S. 1404; Cod. Austr., II. T., S. 374. 

3 ) Bechers Referat von 1674 enthält hierüber folgende Auf- 
stellung : 

Preis des Eimers vom besten 1668-er Gewächs . 3 fl. 30 kr. 

Kaiserlicher Aufschlag . . . . . . . 20 kr. 

Landschaftsgebühr (von 1 fl. 4 kr.) . . . . 14 kr. 

Von hier bis Oppeln ....... 6 kr. 

Zu Ratibor an der schlesischen Grenze (kaiserl. und 

kandschaftsaufschlag) , , f , , , 48 kr, 



H 



443] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 53 

betrug die Zahl der öffentlichen und privaten Mauten über 700 x ). 
Schon Leopold I. hatte den Wunsch geäußert, die Durchfuhr 
böhmischer Produkte durch Inner- und Oberösterreich (Tirol) in 
der Richtung zum adriatischen Meer zu erleichtern. Dasselbe 
Bestreben tritt in einem Hofdekret Josefs I. vom 3. Oktober 1708 
zu Tage, das auf den Wunsch der unterösterreichischen Stände 
Verhandlungen mit der böhmischen Hofkanzlei behufs gemein- 
samen Vorgehens wider Vagabunden und wegen Einführung 
wechselseitiger Kompaßbriefe anzubahnen sucht 2 ). Den Handels- 
verkehr Schlesiens mit Hamburg, Holland, England, Spanien 
und Portugal beförderte die Anlage des „neuen Grabens", 
später „Friedrich Wilhelm-Kanal" genannt 3 ). Der natürliche 
Verkehrsweg der Donau nach dem Osten war durch die vor- 
gelagerte Osmanenherrschaft gesperrt. Erst der erfolgreiche Ver- 
lauf der Türkenkriege eröffnete dem Staate die Möglichkeit, 
seine handelspolitische Machtsphäre nicht nur auf dieser Linie, 
sondern auch zu Lande weiter gegen Osten und Südosten hin 
auszudehnen. Dahin hatte schon die Gründung der levantinischen 
Handelskompagnie abgezielt, die im Jahre 1671 nach Bechers 
Plänen entstanden war. Mangel an Fachkenntnissen, uneigen- 
nütziger Führung und sicheren Verkehrswegen hatte damals das 
Unternehmen zum Scheitern gebracht 4 ). Um 1690 trat die Frage 
des Orienthandels wieder für einige Zeit in den Vordergrund. 
Das verbündete Holland suchte den kaiserlichen Hof zu bewegen, 
einen Handelsweg über Fiume nach Konstantinopel zu schaffen 
und ganz nach dem Muster der französischen R^unionsbestre- 
bungen beanspruchte Osterreich, so versichert wenigstens ein 
Bericht des venetianischen Botschafters Federigo Corner, unter 



Fuhrlohn bis Ratibor (26 Meilen), wobei die Fuhrleute 
sich selbst beköstigen, auch Rosse, Wagen und Maut 
bezahlen . . . . . . . . 2 fl. 



Summe . . 6 fl. 58 kr. 

(Von hier noch 12 Meilen mit geringen Unkosten bis 
Oppeln und Breslau.) 

x ) Pribram, Das böhmische Kommerzkollegium und seine Tätig- 
keit, a. a. 0., S..37, 41 f. 

2 ) Bidermann, Geschichte der Österr. Gesamtstaatsidee, a. a. 0., 
IL Abt., S. 21, 144 f., Anm. 73. 

3 ) H. Hall wich, Anfänge der Großindustrie in Österreich, 
Wien 1898, S. 35. 

4 ) J. J. Becher, Närrische Weisheit und weise Narrheit, Frkf. 
1683, S. 151 ff. 



54 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [444 

Berufung auf archivalische Belege das ganze Litorale als Besitz- 
tum der ungarischen Krone und die Herzegowina als eine 
Dependenz Bosniens *). Aber erst unter der Regierung Karls VT. 
gelangten diese Bestrebungen und damit die Kompagnieprojekte 
teilweise ans Ziel. 

Der enge Zusammenhang der Handelsinteressen mit der 
äußeren Politik offenbarte sich beim Ausbruch des spanischen 
Erbfolgekrieges. Am 27. Juli 1702, kaum dritthalb Monate nach 
der Kriegserklärung Österreichs, hob ein kaiserliches Patent das 
Kommerzium mit Frankreich auf. Das Verbot wurde am 
20. Mai 1703 wiederholt und am 29. November dieses Jahres 
auch auf Bayern ausgedehnt 2 ). 

Die innere Verwaltungstätigkeit dieser Jahre galt, in An- 
passung an die äußern Verhältnisse, hauptsächlich der Verein- 
heitlichung des Militär-, Finanz- und Steuerwesens. Sie brachte 
die schon erwähnte Reform der Militärverpflegung und Militär- 
kontingentierung zu stände, sie erschloß dem Staate neue Steuer- 
quellen und suchte dem erschütterten Staatskredit durch die 
Gründung der Wiener Stadtbank aufzuhelfen 8 ). Die Frage der 
finanziellen Kräftigung der Steuerträger war schon im Jahre 1698 
durch das Requisitionsschreiben über den Geldumlauf in Angriff 
genommen worden, und die Errichtung des Versatz- und Frag- 
amtes zu Wien 4 ) bewies, wie tief bereits die Geldnot in die 
bürgerlichen Kreise eingedrungen war. 

Von größter Bedeutung sowohl für die staatlichen Bilanz- 
bestrebungen als auch für die Frage der Besteuerungsmöglich- 
keit waren die zahlreichen Luxuspatente und Kleidertrachtord- 
nungen. Bei Hofe und in den oberen Gesellschaftsschichten, 
vornehmlich bei den Frauen, herrschte die französische Mode, 
die dem einheimischen Gewerbe beträchtliche Geldsummen ent- 
zog. Hörnigk, der mit Becher in der Verurteilung des un- 
deutschen Modewesens übereinstimmt, fordert in seinem Werke 
den Kaiser auf, er möge in der Verachtung der fremden Waren 

1 ) Fontes rerum Austriaca rum, Diplomataria et acta, 
27. Bd., Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und 
Österreich im 17. Jahrhundert, herausg. v. Jos. Fiedler, Wien 1867, 
S. 302 f. 

2 ) Cod. Austr., III. T., S. 446, 449 f., 460 f. 

3 ) Patent vom 15. Juni 1703, Cod. Austr., III. T., S. 497 ff. 
— Jos. Bitter v. Hauer, Beiträge zur Gesch. der Osten*. Finanzen, 
Wien 1848, S. 113 ff. 

4 ) Patent vom 14. März 1707, Cod. Austr., III. T., S. 531 ff. 



445] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 55 

mit gutem Beispiel vorangehen, wozu um so mehr Hoffnung sei, 
als der Kaiser am Tag seines zweiten Beilagers zu Graz (1673) 
sich gegen einen vornehmen Minister geäußert habe, er trage 
nicht einen Faden am Leib, der nicht in seinen Erblanden 
gearbeitet worden wäre 1 ). Ein Versuch, den Luxus der wohl- 
habenden Kreise zu treffen, wurde in der Verordnung vom 
5. Mai 1697 unternommen, wonach jeder, der Gold- oder Silber- 
kleidung tragen wollte, eine Steuer von 10 fl. bar Geld pro Jahr 
zu entrichten hatte 2 ). Die starke Geldausfuhr aus den Erblanden, 
besonders nach Italien, wurde durch die Resolution vom 
3. Dezember 1708 mit dem Hinweis auf die herrschenden 
Kriegszeiten und den drückenden Geldmangel beschränkt. Es 
wurde verboten, Geld ohne Konsens auszuführen und die An- 
ordnung getroffen, daß alle Geldausfuhr und Uberwechslung der 
Landesobrigkeit anzuzeigen sei, welche bei unverdächtigen 
Geldern ohne Einhebung einer Taxe einen Passierschein auszu- 
folgen habe 8 ). In erster Linie aber richteten sich die Luxuspatente 
gegen den Aufwand des „ gemeinen Mannes". In diesem Sinne 
ist bereits die Kleidertrachtordnung vom 28. September 1671 
gehalten, die sämtliche Untertanen mit Ausnahme der 3 oberen 
Stände und der wirklichen Räte in 5 Klassen einteilt und die 
Befugnisse einer jeden Klasse bezüglich des Tragens kostbarer 
Stoffe und Schmuckgegenstände genau feststellt 4 ). Im Jahre 1712 
erging für alle deutsch-erbländischen Provinzen ein scharfes 
Luxusedikt mit besonderer Berücksichtigung des Bauern- und 
Bürgerstandes 5 ). Der Hofkammerpräsident Graf Starhemberg 
erließ am 19. Jänner 1715 an die Grazer Hofkammer die 
Weisung, es mögen „in Anbetracht des Verfalls von Handel 
und Wandel" Erhebungen über den Wohlstand der Bevölkerung 
gepflogen werden, indem er insbesondere darauf hinwies, daß 
der Luxus es sei, der die Steuerkraft des Volkes lähme. Dem- 
gegenüber hebt der Grazer Handelsstand in seinem von der 
Grazer Hofkammer abverlangten Gutachten hervor, daß der 
wirtschaftliche Niedergang hauptsächlich durch den Luxus der 
zahlungsunfähigen Adeligen und Klöster verschuldet werde, 



l ) Österreich über Alles, a. a. 0., S. 277 ff. 

') Hauer, a. a. 0., S. 4. 

8 ) Cod. Au str., III. T., S. 559. 

4 ) Cod. Austr., II. T., S. 153 ff. 

5 ) Bidermann, Gesch. der Österr. Gesamtstaatsidee, a. a. 0., 
II. Abt., S. 9. 



56 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [446 

denen man „ex metu reverentiae" den Kredit nicht verweigern 
könne. Das Gutachten befürwortet die Einführung der Land- 
tafeln zum Schutze des bürgerlichen Besitzes 1 ). Bei einer ähn- 
lichen Gelegenheit konstatiert ein Bericht der böhmischen Statt- 
halterei an das Prager Merkantilkollegium 3 ), daß zwar der 
„gemeine Mann", von dem ein kaiserliches Requisitionsschreiben 
behauptet hatte, er treibe übermäßigen Luxus und kleide sich 
in ausländisches Tuch 8 ), „meistens in Landttüchern vndt höch- 
stens in görlitzer Tuch sich kleide;" wohl aber muß der Bericht 
zugeben, daß die weiblichen Angehörigen der Bürger und Hand- 
werksleute „in gespunnenen Silber vndt Goldt, in seidenen, auch 
reichen Zeigen vndt außländischen Spitzen (fast dem höheren 
Standt gleich) daher gehen, dardurch aber das wenige, was ihre 
respective Männer vndt Vätter mit saurem Schweis mühesamb 
erworben, durch die hoffarth dilapidiren vndt ihre nahrung 
schwächen thetten". 4 ) 

In den erhöhten Steuerforderungen kommt der Zusammen- 
hang zwischen den äußeren und inneren Bestrebungen der mer- 
kantilistischen Wirtschaftspolitik am deutlichsten zum Ausdruck. 
Der Einzelne sollte sein Vermögen für die Zwecke der merkan- 
tilistischen Staatswirtschaft stets zur Verfügung halten; damit 
war aber zugleich als selbstverständlich hingestellt, daß er auch 
seine gewerbliche Kraft dem Staatswillen unterzuordnen habe. 
An diesem Punkte der staatlichen Entwicklung beginnt der 
langsame, aber stetige Umwandlungsprozeß von der genossen- 
schaftlich organisierten Produktion zum fabriks- und handwerks- 
mäßigen Einzelbetrieb. 

Fabriken im Sinne zunftfreier Unternehmungen, die auf 
Arbeitsteilung, modernem technischen Betrieb und Massenproduk- 
tion beruhten, waren schon früher gelegentlich für private und 
lokale Zwecke ins Leben gerufen worden. Schon Wallenstein 
hatte in seinem Herzogtum Friedland Fabriken errichtet, denen er 
die Aufgabe stellte, seine Truppen auszurüsten 5 ). Im Jahre 1672, 

x ) Ebend., S. 35 f., 181 f., Anm. 37 u. 38. 

2 ) Bericht vom 5. August 1717 über die Vorteile der Einführung 
der Zeug- und feineren Tuchmanufaktur in Böhmen, vgl. oben S. 21, Anm. 3. 

8 ) Resolution vom 27. Febr. 1716 an das Prager Merkantilkol- 
legium, Hallwich, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb., 
S. 351. 

4 ) Ebend., II. Halbb., S. 61 f. 

5 ) H. H a 1 1 w i c h, Anfänge der Großindustrie in Österreich, a. a. 0., 
S. 14 ff. 



447] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 57 

also noch vor der Gründung des Wiener Manufakturhauses, 
erhielt ferner der Linzer Ratsbürger und Handelsmann Chri- 
stian Sind auf Antrag der Stände Oberösterreichs ein Privi- 
legium zur Errichtung einer Schafwollwarenfabrik in Linz 1 ), 
die zunächst ebenfalls militärischen Zwecken dienen sollte. Die 
ersten rein industriekapitalistischen Gründungen fanden auf 
böhmischem Boden statt. Christoph Weife errichtet im Jahre 1667 
eine Papierfabrik in Hohenelbe, der später eine solche in Bensen 
folgt 2 ). Wie in Wien der Bischof Rochas 8 ), so wirkte auch im 
nördlichen Böhmen ein geistlicher Würdenträger, der Ossegger Abt 
Benedikt Lit wehr ich, für die Einführung neuer Industrien. Er 
verschrieb einen geschickten Strumpfwirker aus Sachsen, Paul 
Rodig, nach Ossegg, damit er die Arbeitslosen, Kinder und Erwach- 
sene, mit der Strumpfwirkerei und ihren technischen Hilfsmitteln, 
den Spinn- und Spulrädern, Reiß- und Krempelkämmen bekannt 
mache. Im Jahre 1697 war die Errichtung der Wollstrumpffabrik 
beendigt. Sie zählte 15 eiserne Wirkstühle, auf denen anfangs 
nur ausländische Gesellen arbeiteten. Nach und nach zog die 
Fabrik auch die Einheimischen zur Arbeit heran. Noch vor Ab- 
lauf des Jahrhunderts gab es auf der Ossegger Herrschaft gegen 
50 ausgelernte Strumpfwirker, die gehalten waren, daselbst ihr 
Gewerbe auszuüben und nicht in die Fremde gehen durften. 
Von Ossegg aus verbreitete sich die neue Industrie auch in die 
umliegenden Orte, wie Dux, Oberleutensdorf, Bilin, Teplitz, 
Graupen und Klostergrab. Das Unternehnfen, das in mancher 
Hinsicht an die von Becher, Schröder und Hörnigk geplanten 
Musterfabriken erinnert, erwies sich jedoch nicht als lebensfähig. 
Nachdem die Zöglinge der Ossegger Fabrik mit der Zeit aus 
Arbeitern zu selbständigen Handwerkern geworden waren, 
richteten sie die Mutterfabrik durch ihre Konkurrenz zu Grunde 
und kehrten in den 50-er Jahren des 18. Jahrhunderts zur 
Zunftorganisation zurück 4 ). 

Die kurze Regierungszeit Josefs I. brachte eine Reihe tief- 
einschneidender organisatorischer Maßregeln. Im Jahre 1705 
wurde die Bechersche Idee des Kommerzkollegiums wieder auf- 



*) Ebend., S. 30. 

2 ) Ebend., S. 35. 

3 ) S. S. 38. 

4 ) Ludw. Schlesinger, Zur Gesch. der Industrie in Oberleutens- 
dorf, in den „Mitteilungen des Vereines f. Gesch. der Deutschen in 
Böhmen«, III. Jahrg., Prag 1865, S. 88 f. 



58 Die Anfänge der raerkanti listischen Wirtschaftspolitik. [448 

gegriffen. Die Leitung der Gewerbe- and Handelsangelegen- 
heiten in den einzelnen Ländern wurde besonderen „Kommerz- 
Deputationen" übertragen, an deren Stelle seit 1714 eigene 
Merkantilkommissiofien und Kommerzkollegien traten x ). Die 
Fabriksunternehmer wurden durch die sogenannten „Privilegia 
privativa" gegen die Zunftverfassung geschützt. Die „Privilegia 
privativa" gewährten den Fabrikanten Steuerfreiheiten und 
Staatsvorschüsse, die Fabriksgebäude wurden jeder Einquartie- 
rungslast enthoben, die Einfuhr und Nachahmung von Artikeln, 
wie sie die privilegierte Fabrik erzeugte, wurde bei Konfiskation 
und Strafe verboten. Auch Ausländer und Nichtkatholiken 
konnten sich am Fabriksbetrieb beteiligen. Keiner, der bei der 
Manufaktur arbeitete, durfte als Soldat geworben werden, wenn 
nicht der Direktor seine Einwilligung gab und solange er nicht 
seine bedungene Zeit vollendet hatte. Die Gesellen und Lehr- 
linge der Fabrik sollten in ihrem handwerksmäßigen Fortkommen 
nicht behindert werden 2 ). Die erste auf Grund eines solchen 
Privilegiums errichtete Fabrik war die Weinkörner-Olfabrik des 
Adam Ignatius Höger. Das bezügliche Patent erfloß am 
22. April 1709. Die Fabrik sollte in Wien unter dem Namen 
des Kaisers eingerichtet werden und Höger den Titel eines 
kaiserlichen Administrators führen. Ohne Högers Erlaubnis 
sollte niemand innerhalb 16 Jahren in den Erblanden eine solche 
Fabrik errichten und solches Ol feilhalten. Von jedem verkauften 
Zentner Ol sollte Hoger 1 n. an das Ärar entrichten. Er erhielt 
die Befugnis, das Werk unter dem Namen einer „befreiten 01- 
Fabrica a überall mit Einwilligung der Obrigkeit auf seine 
eigenen Spesen einrichten zu dürfen 3 ). Die neue Fabrik wurde 
von der Bevölkerung sehr übel aufgenommen ; schon am 26. Okto- 



*) W. G. K o p e t z, Allgemeine österreichische Gewerbsgesetzkunde, 
Wien 1829, II. Bd., S. 435. 

2 ) Cod. Austr., III. T., S. 727 ff., erneuertes Patent vom 
14. November 1713 wegen der venetianischen „Spiegel-Fabrica" zu 
Neuhaus, die bereits 1701 bewilligt, aber erst einige Jahre nachher ins 
Leben getreten war. — Cod. Austr., III. T., S. 781 f. erneuertes 
Patent vom 22. Jänner 1715 für die „Linzer wüllene Zeug-Manufactur" . 

3 ) Cod. Austr., III. T., S. 593 f. — Für den gleichen Zweck 
war schon am 10. Juli 1569 dem Joh. Franz Rizo, kais. Diener und 
Musikus, ein Privileg auf 6 Jahre erteilt worden. (Alex. Gigl, Drei 
österreichische Industriezweige im XVI. und XVII. Jahrhundert, in den 
Blättern des Ver. f. Landeskunde v. N.-O., neue Folge, IV. Jahrg. 
1870, S. 28.) 



449] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 59 

ber 1711 mußte das Patent erneuert werden, u. zw. erweitert 
durch eine Strafandrohung gegen jene, welche der Fabrik 
Hindernisse in den Weg legen und den Weinkörner-Einsammlern 
und Offizianten die Weinkörner verweigern würden 3 ). In den 
ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts entstanden ferner 
teils mit, teils ohne volle Privilegierung: die Maschinen- und 
Instrumentenfabrik des Schneider und die Blechwarenfabrik des 
Tenninger in der Leopoldstadt 2 ), eine Strumpfwirkwarenfabrik 
am Spittelberg 3 ) und mehrere Seidenmanufakturen, wie die von 
Hengstberger am Neubau (gegr. 1700), die erste Seidenfabrik in 
Wien 4 ), die des Sickingen am Tabor 5 ) und die Taffetfabrik von 
Franz Dunant, wahrscheinlich ebenfalls am Tabor gelegen. Als die 
letztere im Jahre 1718 zur Hälfte abbrannte und Dunant von 
der Regierung ein unverzinsliches Kapital von 10.000 fl. zum 
Wiederaufbau erbat, sagte sie die Unterstützung zu, wenn er 
sich verpflichte, die Seide nur aus den österreichischen Gebieten 
(Neapel, Friaul, ßoveredo) zu beziehen. Die Wiener Kaufleute 
wurden angewiesen, ihm die Seidenwaren abzunehmen, widrigen- 
falls er die Erlaubnis erhielte, nach der Elle zu verkaufen. Es 
wurde beschlossen, ihm zunächst 2000 fl. vorzustrecken und 
diese Summe nach und nach auf die verlangten 10.000 fl. zu 
erhöhen. Das Unternehmen kam aber nicht mehr zu stände 6 ). 
Ein Beispiel von den Schwierigkeiten, mit denen die neuen 
Unternehmungen zu kämpfen hatten, bietet die Geschichte der 
Porzellanfabrik in der Roßau. Ein in Wien lebender Holländer, 
Claudius Innocenz du Paquier, warb für die Wiener Fabrik zwei 
Angehörige der Meißner Porzellanmanufaktur, der ersten ihrer 
Art in Europa (gegr. 1710). Das Privilegium vom 27. Mai 1718 
enthielt keinerlei besondere Vergünstigungen. Es berechtigte die 
Inhaber bloß, ihre mit großer Sachkenntnis und Mühe und ohne 
Inanspruchnahme des Arars hergestellte Porzellanmajolika zu 
erzeugen und sowohl im großen als im kleinen in den Erb- 
ländern zu verkaufen. Die Waren fanden jedoch keinen Absatz, 
die Fabrik geriet in Geldkalamitäten, der unentbehrliche Werk- 

l ) Cod. Austr., III. T., S. 634. Das Patent stammt von Eleonora 
Magdalena Theresia, der Matter Josefs I. 
*) Weiß, a. a. O., IL T., S. 257. 
*) Ebend. 

4 ) Ebend. 

5 ) Ebend. 

6 ) Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der In- 
dustrie in Österreich, a. a. O., S. 62 f. 



60 Die Anfänge der merkantilis tischen Wirtschaftspolitik. [450 

meister und „Arcanist" Stenzel konnte nicht bezahlt werden und 
ging nach zweijähriger Tätigkeit wieder davon, nachdem er 
durch Zerstörung und Verwüstung der Modelle und des Materials 
einen Schaden von 15.000 fl. angerichtet hatte. Die materiellen 
Schwierigkeiten dauerten fort, bis die Fabrik im Jahre 1744 in 
den Besitz des Staates überging 1 ). 

Das Jahr 1718 bezeichnet für die Handels- und Industrie- 
geschichte Österreichs einen wichtigen Abschnitt. Durch den 
Passarowitzer Frieden und den Handelsvertrag mit der Pforte 
wurde das türkische Reich und damit der Orient dem öster- 
reichischen Handel eröffnet. Fast gleichzeitig erfolgten nun zwei 
handelspolitische Aktionen von größter Bedeutung : die Erklärung 
von Triest und Fiume zu Freihäfen und die Errichtung der 
orientalischen oder levantinischen Compagnie 2 ), die, unter viel 
günstigeren Bedingungen ins Leben tretend als ihre Vorgängerin, 
den Levantehandel binnen kurzem wieder zu seiner früheren 
Bedeutung erhob und Wien zum Stapelplatz des mittel- 
europäischen Baumwollhandels machte 8 ). Die Compagnie gründete 
auch eigene Industrieunternehmungen. In Fiume errichtete 
sie zwei Fabriken: eine Kerzenfabrik zur Bearbeitung des 
wallachischen und ungarischen Wachses, das früher zur 
Bearbeitung nach Venedig ausgeführt worden war, und eine 
Fabrik für Stricke und Taue; die Kerzenfabrik stellte jedoch 
noch vor 1730 ihren Betrieb ein 4 ). Im Jahre 1722 ging die 
Linzer Schafwollwarenfabrik in den Besitz der Compagnie über. 
Die Fabrik gründete sich vornehmlich auf den hausindustriellen 
Betrieb. Sie kaufte in den Städten und Dörfern Gespinste zu- 
sammen und forderte die Herrschaften auf, ihre Untertanen zur 
Spinnerei anzuhalten. Es gelang, ca. 1500 von den zahlreichen 
Bettlern Oberösterreichs 5 ) für die Spinnarbeit zu gewinnen 6 ). 



x ) J. v. Falke, Die Wr. k. k. Porzellanfabrik, Wien 1887, 
S. 6 ff. 

2 ) Patent vom 27. Mai 1719, Cod. Austr., III. T., S. 939 ff. 
— Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der Industrie 
in Osterreich und die orientalische Compagnie, a. a. 0., S. 34. 

3 ) Hallwich, Anfänge der Großindustrie in Österreich, a. a. O., 
S. 40. 

4 ) Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der In- 
dustrie in Österreich, a. a. 0., S. 47 f. 

6 ) S. S. 49. 

6 ) Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der In- 
dustrie in Österreich, a. a. 0., S. 48 ff. 



451] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 61 

Am 20. Mai 1722 erhielt die Compagnie neben andern Privile- 
gien die Erlaubnis, Meister, Künstler und Handwerker, auch 
protestantischer Konfession, aus Holland, Schweden, Hamburg 
u. s. w. zum Bau von Schiffen und zur Erzeugung von Gegen- 
ständen für den Schiffsbetrieb herbeizuziehen 1 ). Im Jahre 1726 
errichtete die Compagnie eine Kotton- und Barchentfabrik in 
Schwechat und gab dadurch den Anstoß zur Gründung ähn- 
licher Fabriken in der Umgebung von Schwechat, wie in Potten- 
dorf und Trumau 9 ). Wie alle Fabriksgründungen, so stießen 
auch die Unternehmungen der Compagnie auf lebhaften Wider- 
stand. Die Handelsleute, die Kommunen, die Herrschaften und 
ihre Beamten waren auf die „ketzerischen Negozianten" der 
Compagnie sehr schlecht zu sprechen und tadelten es, daß man 
durch derartige Privilegierungen die Kaufleute um ihren Erwerb 
bringe 8 ). Die Compagnie konnte sich auf die Dauer nicht halten. 
Auch Unternehmungen im Lawschen Stil, wie die Klassen- 
lotterie von 1721, schlugen fehl. Bereits die „ Universalbilanz" 
von 1730 offenbarte die unhaltbare Lage der Gesellschaft. Ein 
Unternehmen nach dem andern löste sich auf; nur wenige blieben 
bestehen und gingen in staatlichen Betrieb über 4 ). 

In Böhmen lag die Aufgabe der Industrieförderung in den 
Händen des böhmischen Kommerzkollegiums, das im Bunde mit 
den Fabrikanten einen harten Kampf gegen die starken Zunft- 
organisationen des Landes zu führen hatte, zumal da Regierung 
und Kammer aus finanziellen Gründen in der Begel auf Seiten 
der Zünfte standen 5 ). Eine Tuchfabrik in Planitz bei Klattau, 
die Joh. Baptist Fremmrich im Jahre 1710 mit Hilfe des Grund- 
herrn Adolf Bernhard Grafen von Martinitz gegründet hatte, 
brachte es zu keiner besonderen Bedeutung 6 ). Größeren Erfolg 
hatte die Tuchfabrik, die Graf Waldstein im Jahre 1713 zu 
Oberleutensdorf errichtete 7 ). Nach den Aufzeichnungen in den 
Rechnungsbüchern betrugen die Gesamtauslagen der Fabrik im 



1 ) Ha 11 wich, Anfänge der Großindustrie in Osterreich, a. a. 0., 
S. 42. 

2 ) Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der In- 
dustrie in Österreich, a. a. 0., S. 58 ff. 

3 ) Ebend., S. 56 ff. 

4 ) Ebend., S. 45, 115 ff. 

5 ) Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a. a. 0., S. 107 f. 

6 ) Ebend., S. 94 f. 

7 ) Ebend., S. 95 f. 



62 Die Anfänge der merkantil istischen Wirtschaftspolitik. [452 

Jahre 1736 40.806 fl. ; für böhmische und schlesische Wolle 
wurden 8780 und 6683 fl. ausgegeben, für spanische hingegen, 
die man über Holland bezog, bloß 3546 fl. 1 ). Der erste Versuch 
zur fabriksmäßigen Verarbeitung der ostindischen Baumwolle 
wurde in Osterreich zu Grottau bei ßeichenberg gemacht, wo 
die Gräfin Gallas im Jahre 1723 die Erlaubnis zur Errichtung 
einer „Tuch-, Zeug-, Strumpf- und Canevasfabrik a erteilte. Das 
Kommerzkollegium in Prag befürwortete das Ansuchen des 
Reichenberger Stadthauptmanns um die kaiserliche Privilegie- 
rung mit der anerkennenden Bemerkung, daß „Supplicant von 
denen Görlitzern, welchen vornemblich die Anrichtung dieser 
Fabrique ein hefftiger dorn und Stachel im Augen ist, undt 
ihme ein nahmhaftes quantum bey deren nachlaßung offeriret, 
sich nicht abwendig machen lassen, sondern in solchen Vor- 
nehmen zu höchsten Nutzen des landes beständig fortfahret". 2 ) 

Schlesiens Handel und Industrie war um die Wende des 
Jahrhunderts durch den nordischen Krieg und das Aufkommen 
der russischen Großmacht stark geschädigt worden. Immerhin 
gelang es der eifrigen Tätigkeit der Behörden, dem Lande in 
den letzten Jahrzehnten der österreichischen Verwaltung einen 
Teil seiner früheren wirtschaftlichen Bedeutung wiederzugewinnen. 
Schon 1716 wurde Gewerbetreibenden, die sich hier niederließen, 
Freiheit von Steuern und Religionszwang zugesichert und am 
1. Juli dieses Jahres erging ein Edikt, um der fortwährenden 
Auswanderung schlesischer Schäfer und Weber nach Rußland 
entgegenzutreten. Durch das Tuchreglement von 1718 und die 
Leinwand- und Schleierordnung von 1724 wurden die Haupt- 
gewerbe einer strengen Beaufsichtigung unterworfen. Weitgehende 
Zollbegünstigungen hoben den Warenverkehr. Die Tuchbereitung 
stieg von 59.000 Stück im Jahre 1720 mit gelegentlichen 
Schwankungen auf 95.700 Stück im Jahre 1735. Binnen kurzem 
überstieg die Warenausfuhr Schlesiens nach den übrigen Erb- 
landen die Einfuhr aus den letzteren um das Doppelte 8 ). 

In Inner Österreich entfaltete seit 1716 die Kommerzien- 
kommission in Graz eine rege Tätigkeit. Sie beschäftigte sich 
in erster Linie mit den Anstalten zur Förderung des Seehandels. 



x ) Schlesinger, a. a. 0., S. 139 f. 

2 ) Hallwich, Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb. 
S. 371 ff. 

3 ) Grrünhagen, a. a. 0., S. 400 ff. 



J 



453] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 63 

Auf ihre Anregung ist die Errichtung des Hauptkommerzien- 
kollegs in Wien zurückzuführen, das 1718, kurz nach dem Ab- 
schluß des Handelsvertrages mit der Pforte, ins Leben trat, ohne 
jedoch in der Folgezeit zu größerer Bedeutung zu gelangen 1 ). 
Es handelte sich damals für Innerösterreich insbesondere um die 
Gründung einer Sozietät für industriellen Kredit. Überdies 
plante man die Errichtung von Fabriken für seidene Strümpfe, 
Leinwand und weiß-irdenes Geschirr, sowie einer Tuchfabrik in 
der Karlau, die zugleich Zwangs- und Arbeitshaus sein sollte 2 ). 
Auch die Kärntner Landschaft trug sich damals mit der Absicht, 
ihre zu Grunde gegangene Tuchfabrik in Klagenfurt wieder ins 
Leben zu rufen 8 ). 

Die Reichshauptstadt hatte nach der außerordentlichen 
Entvölkerung durch die Kriegsereignisse und Pestfälle einen 
beträchtlichen Bevölkerungszuwachs von auswärts erhalten. Die 
Werbungen für die kaiserlichen Truppen zogen viel fremdes 
Volk nach Wien. Bei Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges 
wurden hier allein binnen Jahresfrist 24.000 Mann angeworben, 
darunter eine große Zahl Reichsdeutscher 4 ). Die Vernachlässigung 
der Landwirtschaft durch die merkantilistische Staatsrichtung 5 ) 
mag schon damals eine merkliche Bevölkerungsbewegung vom 
Lande in die Stadt zur Folge gehabt haben. Dazu kam der 
wachsende und immer anspruchsvoller gewordene Konsum der 
Großstadt, der nach den modernen Industriebetrieben und den 
technisch geschulten Arbeitskräften des Auslands verlangte. So 



x ) Bidermann, Gesch. der österr. Gesamt-Staatsidee, a. a. O., 
II. T., S. 34. 

2 ) Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der In- 
dustrie in Österreich, a. a. O., S. 63 f., Denkschrift der inneröster- 
reichischen Kammer von 1721. 

3 ) Zwei Laibacher, Reigersfeld und Mühlbacher, die eine 
Tuchfabrik in Laibach errichten wollten, wurden indes von der Sub- 
delegiertenkommission in Kommerzienangelegenheiten vorläufig mit 
dem Bemerken abgewiesen, sie möchten vorerst die Entwicklung der 
Fabriksunternehmungen in Graz und Klagenfurt abwarten. 

4 ) J. v. Zahn, Ferdinand III. und Leopold I. vom westphäli- 
schen bis zum Karlowitzer Frieden (1648 — 1699), IX. Bd. der Samm- 
lung „Österreichische Gesch. für das Volk", Wien 1869, S. 73. 

6 ) Rieh. M a y r (Die wirtschaftliche Ausdehnung Westeuropas seit 
den Kreuzzügen, in Helmolts „Weltgeschichte", a. a. 0., 7. Bd., 
S. 117) bezeichnet es als das Hauptgebrechen des Merkantilismus, daß 
er die Interessen der Landwirtschaft übersah. 



64 



Die Anfänge der merkantil istischen Wirtschaftspolitik. [454 



zählte denn die Stadt im Jahre 1713 bereits 130.000 Einwohner x ). 
Bis zum Jahre 1736 hatten sich die Bevölkerungsverhältnisse 
durch den Zufluß von außen her derart gestaltet, daß von den 
3345 bürgerlichen Professionisten Wiens 1663 von auswärtigen 
Orten herstammten 2 ). Die nichtbürgerliche Gewerbebevölkerung 
suchte der Staat wenigstens zum Teil auf gesetzlichen Boden 
hinüberzuretten, indem er sie in zwei neugeschaffene Handwerker- 
kategorien einreihte: in die der Hof befreiten und Dekreter. 
Ausländische und akatholische Gewerbsleute, die sich durch 
irgend welche Kunstfertigkeit oder durch Einführung einer 
neuen Industrie auszeichneten, sollten auf diese Weise den An- 
griffen seitens der Zünfte entzogen werden. So wird unter den 
4 verdienstvollen Akatholiken, die im Jahre 1736 mit einer Hof- 
befreiung ausgestattet waren, insbesondere der Engländer Niko- 
laus de la Hay genannt, der die Galanteriearbeit, besonders im 
„Goldverschneiden", in Wien eingeführt hatte 8 ). Auch durch 
die häufige Erteilung von Schutzdekreten auf Grund des Patentes 
vom 12. April 1725, einer Maßregel, die zugleich aus fiskalischen 
und industriepolitischen Erwägungen hervorgegangen war, er- 
hielten gewisse Industriezweige, wie die Band- und Tücher- 
fabrikation, die Galanteriearbeit, die Stickerei und die Seiden- 
manufaktur, eine bedeutende Förderung 4 ). 

Einen Einblick in den Umfang der industriellen Haupt- 
produktion gewährt die stets wachsende Zahl der Einfuhrverbote 
und Schutzzölle. Durch die Beratungen der Subdelegiertenkom- 
mission von 1727 wurden alle diese Prohibitivmaßregeln in ein 
gewisses System gebracht. Darnach zerfielen fortan die fremden 
Warenerzeugnisse in solche, deren Einfuhr überhaupt verboten 
war, und in solche, auf die ein höherer Aufschlag gesetzt wurde. 
Zu den ersteren gehörten: Baum- und Schafwollwaren, halb- 



*) Nach Weiß, a. a. 0., IL Abt., S. 82. 

2 ) Referat der Hofkanzlei vom 12. August 1741, a. a. 0., Beil. A. 



aus 



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» 



ien 1663 ausländn 


»chen Professionisten stammten 




dem Reich 


815 aus Frankreich 


13 


Bayern 


324 „ Polen 


12 


der Pfalz 


323 n Savoyen 


7 


Schlesien 


63 „ Lothringen 


3 


der Schweiz 


45 „ England 


1 


Venedig 


28 (meist Händler) „ Moskau 


1 


Brandenburg 


27 „ Rom 


1 


8 ) Ebend., Text. 






4 ) Ebend. 







^Ä 



455] Merkantilistische Industrie- und Handelspolitik. 65 

seidene Waren, Pferde-, Kalb- und Schafleder, Gold- und Silber- 
Drahtgespinste, Gold- und Silberzeuge, Seidenstrümpfe und 
-Bänder, Hüte, Leinwand-Tischzeuge, Atlas und Brokat 1 ). Für 
Böhmen sollte auf einige dieser Waren (Leder, Gold- und Silber- 
zeuge, Atlas und Brokat) nur ein erhöhter Eingangszoll gelegt 
werden. Höhere Aufschläge für die gesamten Erblande wurden 
festgesetzt auf Tücher, Seidenwaren, Gold- und Silberborten, 
feine wollene und Kastorstrümpfe, Teppiche, deren Erzeugung 
besonders in Böhmen blühte, ferner auf Zinn zur Förderung 
der Schlackenwalder Zinnindustrie und auf Weißblech 2 ). Auch 
für Schlesien, das mittlerweile wieder zum ersten Industrie- und 
Handelslande Österreichs geworden war, wurden wiederholt 
protektionistische Zölle erlassen 8 ). 

Die höheren Aufschläge galten aber nur für Waren, die 
im Inlande konsumiert wurden; für die Durchfuhr waren sie 
nicht zu entrichten, da sich sonst der Handel in die Nachbar- 
länder ziehen konnte. Dagegen wrurde den ungarischen und 
siebenbürgischen Kaufleuten der Weg nach den Messen von 
Frankfurt und Leipzig erschwert, indem sie für Waren, die aus 
diesen Städten herstammten, in Ungarn einen höheren Zoll 
zahlen mußten, als für solche, die sie etwa in Wien oder Breslau 
kauften. Die erhöhten Zölle sollten den Fundus für die Ein- 
lösung der Privatmauten in Böhmen und Osterreich bilden und 
so die Schaffang eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets vorbereiten 



x ) Daß die verschiedenen Luxusverbote, abgesehen von ihrer 
fiskalischen Seite, hauptsächlich als Kundgebungen der merkantilistischen 
Industriepolitik aufzufassen sind, beweisen die verhältnismäßig zahl- 
reichen Privilegien für Gold- und Silbermanufakturen. So suchte ein 
Gold- und Silberbortenfabrikant, namens Stephan Rambo, im Jahre 1725 
für seine nichtzünftige, mit Hilfe französischer „Künstler" betriebene 
Profession um eine „Ordnung wegen Lehrnung deren Jungen und 
Fürderung auch Erhaltung deren Gesöllen a an, welche ihm auch zuge- 
sichert wurde. Im folgenden Jahre empfahl die Subdelegiertenkommission 
in Kommerzienangelegenheiten die Erteilung zweier angesuchter Privi- 
legien für Gold- und Silberwarenfabriken mit der Begründung: da es 
unmöglich sei, den so hoch gestiegenen Luxus „ex rationibus politicis 
abzubringen", so sei es immerhin gut, wenn im Lande derartige Fabriken 
bestünden. Tatsächlich wurden die Privilegien erteilt. (Franz Mart. 
Mayer, Die Anfänge des Handels und der Industrie in Österreich, 
a. a. 0., S. 70 f.) 

2 ) Ebend., S. 73. 

3 ) So z. B. in den Jahren 1718 und 1739. (Hallwich, Anfänge 
der Großindustrie in Österreich, a. a. 0., S. 40 f.) 

Wiener staatswiss. Studien. IV. Bd., 3. Heft. 30 



66 Die Anfänge der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. [456 

helfen 1 ). Doch geschah in der Frage der Mauteneinlösung bis 
zum Regierungsantritt Maria Theresias kein entscheidender 
Schritt 2 ). 

Wie wenig tief übrigens diese, bloß auf den kulturellen 
und gesellschaftlichen Überbau der fiskalisch-kapitalistischen 
Betriebsweise zugeschnittenen Einheitsbestrebungen des Merkan- 
tilismus selbst bei den Landesbehörden zu wurzeln vermochten, 
zeigt die stetig wiederholte Weisung der obersten Verwaltung 
an die Gubernien, über den regionalen und lokalen Wirtschafts- 
und Rechtsbeliebungen der einheimischen Produktion nicht die 
Erfordernisse der modernen Staats Wirtschaft aus dem Auge zu 
lassen 8 ). Daß dies von Seiten der Landesstellen gelegentlich mit 
Bewußtsein geschieht, geht aus der oben erwähnten Denkschrift 
der innerösterreichischen Kammer vom Jahre 1721 4 ) mit aller 
wünschenswerten Deutlichkeit hervor. Es wird dort bezüglich 
der projektierten Tuchfabrik in der Karlau bei Graz folgender- 
maßen argumentiert: zu den „Landwirtschafts-Hauptregeln" 
gehöre es, daß alle Gebrauchsartikel im Lande selbst verfertigt 
würden und daß man das Geld hiefür nicht den Fremden zu- 
wende; zu den „Fremden" rechnet aber die Denkschrift auch 
die Böhmen, Mährer und Schlesier, denen alljährlich aas Steier- 
mark 160.000 fl. für geliefertes Tuch zuflössen, während „dahier 
vill hundert Persohnen theils in Ellendt, theils in liederlichem 
Müssiggang zu großer Beschwehrde des Publici herumbwallen, 
viele Landtskhinder aber ihr Brodt in der Frembde zu suchen 
genöthiget seynd u . 5 ) 

So. war es dem Staate bis dahin nicht einmal noch in der 
Sphäre der politischen Administration geglückt, die staatswirt- 
schaftliche Einheit der österreichischen Länder vollständig zur 
Geltung zu bringen. 



*) Franz Martin Mayer, a. a. 0., S. 73 f. 

2 ) Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a, a. 0., S. 41 f. 

8 ) S. S. 76 f. und 119 f. 

4 ) S. S. 63, Anm. 2. 

5 ) Franz Martin Mayer, a. a. O., S. 63 f. 



457 J Die „Störer«. 67 



IV. Der Kampf der Zünfte gegen die neue Gewerbe- 

und Arbeitsverfassung. 

Noch viel schwieriger mußte sich der Versuch gestalten, 
auf dem Gebiete des Produkt ionswesens selbst ein einheitliches 
Organisationsprinzip zu statuieren. Mit der Durchbrechung der 
zunftgenössischen Produkt ionsform durch den merkantilis tischen 
Staat war die überaus tiefgreifende und bedeutungsvolle Frage 
der Arbeitsorganisation nur aufgeworfen worden, ohne daß jedoch 
damals oder in der Folgezeit eine endgiltige Lösung gelungen 
wäre. Hiezu fehlte es an einer allseitigen und gründlichen Er- 
kenntnis der Verhältnisse. Wo gab es Männer, die im stände 
gewesen wären, nicht nur den Staat vor der drohenden Über- 
wältigung durch den wirtschaftlich ausgereiften Westen zu 
bewahren, sondern auch das alte gute Recht des Bürgers gegen 
die übergroßen Ansprüche der Staatsmacht zu schützen? die 
vermocht hätten, der zunehmenden Masse Deklassierter Unter- 
halt zu bieten und doch zugleich die altbewährten Grenzen des 
Erwerbsstrebens intakt zu erhalten ? — Das eine war zu tun — 
das andere durfte nicht außer acht gelassen werden. Je häufiger 
aber die Behörden unter dem Drucke der außer- und inner- 
politischen Verhältnisse sich genötigt glaubten, in den Über- 
gangsprozeß vom zünftigen Handwerk zum freien Gewerbe zu 
Ungunsten des ersteren eingreifen zu müssen, desto mehr waren 
andererseits die Zünfte gezwungen, ihren Standpunkt zu betonen, 
desto mehr wurde für sie der Kampf gegen die neuen Wirt- 
schaftsformen zur Lebensfrage. Sie führten ihn mit Ausdauer 
und Erbitterung in der Gruppe der Meister wie der Gesellen^ 
erlagen aber schließlich, die einen der Schwäche ihrer inneren 
Organisation, die . andere dem entschiedenen Eingreifen der er- 
starkten Staatsgewalt. 

1. Die „Störer". 

Das unbefugte Gewerbe hatte schon zur Zeit, als sich die 
ersten Spuren merkantilistischer Tendenzen in Osterreich 
zeigten, beträchtliche Dimensionen angenommen. Ein Teil der 
angesammelten nichtbürgerlichen Bevölkerung hatte, ohne die 
Bewilligung der staatlichen oder zünftigen Behörden einzuholen, 
zum Erwerb gegriffen. Um das Jahr 1674 war die Zahl der 
bürgerlichen Handwerker in Wien bereits weit hinter der der 

30* 



68 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeitsverfassung. [458 

„Störer" zurückgeblieben 1 ). Auch auf dem Lande, wo mit der 
zunehmenden Besteuerung und Volksdichtigkeit der Städte immer 
häufiger Ansiedlungen von Handwerkerfamilien stattfanden *), 
wo überdies der Einfluß der städtischen Hauptinnungen sich 
weniger geltend machte, fühlte sich das Störergewerbe heimisch. 
Wollte man den bürgerlichen Handwerkerstand steuerkräftig 
erhalten, so mußte man ihn zunächst gegen diese immer bedroh- 
licher werdende Konkurrenz schützen. Dieser Gedanke liegt 
wohl auch den scharfen Äußerungen zu Grunde, womit Becher 8 ) 
die „Störer" charakterisiert. Er nennt sie Hummeln, die „denn 
nahrhafften Handwercksleuten ihren saweren Schweiß abstehlen, 
und daß brod von dem Maul hinweg nehmen, die arbeit wohl- 
feiler geben, auch solches thuen können, weil sie keine Contri- 
bution und theweren Hauß Zinß als die bürger geben, noch 
ehrliche Gesellen fördern, welche theuer zu unterhalten, sie aber 
Ihre Arbeit nur auf die wohlfeyle, geschwinde und leichtigkeit 
richten, und darzu allerhand Fretter und Pfutscher brauchen." 
Hiezu würden auch die Hof- und Herrenbefreiten gerechnet. „Es 
ist kein Fürst oder Graf beynahe, der nicht einen Handwercker 
under seinen Laqueyen habe, zu geschweigen der Soldaten. Ja 
die Clöster vieler Orten halten Selbsten die Stöhrer auf, laßen 
nicht allein alles darinnen machen, was ihnen vonnöthen, sondern 
laßen auch noch Waaren auf den Kauff verferttigen und schicken 
sie per tertios auf die Jahr Märkt. a4 ) Nicht nur, daß sie wenig 
oder gar nichts zur gemeinen Steuer beitragen, saugen sie die 
bürgerlichen Meister ärger aus, als die größte Kontribution, 
schneiden ihnen die Nahrung ab oder verursachen doch, daß 
ihrer nicht um vieles mehr in den Erblanden zu finden seien 6 ). 



x ) S. S. 16. 

*) „Je dichter die Bevölkerung wurde, je mehr der Verkehr zu- 
nahm, je teurer es in den großen Städten wurde, desto mehr zog sich 
ein Teil des Handwerks in die kleinen Städte und auf das Land." 
(Schmoller, Die Straßburger Tucher- und Weberzunft, a. a. 0., 
S. 538; vgl. auch Moritz M e y e r, Gesch. der preußischen Handwerker- 
politik, a. a. 0., IL Bd., 1888, S. 32.) 

3 ) Im Referat von 1674, a. a. 0. 

4 ) Auch der böhmische Rammersekretär Borscheck verlangt in 
seinem Gutachten Ende 1699, es möge der Geistlichkeit verboten 
werden, die Arbeiten durch ihre Ordensgeistlichen verrichten zu lassen. 
(Pribram, Das böhmische Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a. a. 0., S. 19.) 

5 ) Referat von 1674, 1. Kap. 



459] Die „Störer«. 69 

Immer wieder mußten Resolutionen zur Abstellung der 
„Störer a in den einzelnen Gewerben erlassen werden 1 ). 1693 er- 
schien eine Verordnung gegen die „ Störer" aller Gewerbe 2 ). 
Die zahlreichen Erneuerungen der Zunftprivilegien sind in erster 
Linie auf das Überhandnehmen der unbefugten Handwerker 
zurückzuführen. Die Handwerksordnungen enthalten meist bezüg- 
lich der „Störer" sehr strenge Bestimmungen. So setzt z. B. die 
Radkersburger Schneiderhandwerksordnung vom 4. Juni 16§9 
fest: wer mit „Störern" umgeht oder zecht, zahlt 2 Pf. Wachs 
(Art. 8); wer solches sehen und nicht anzeigen würde, x / 2 -Pf- 
(Art. 9) 8 ). In der Bestätigung dieser Ordnung unterm 29. Dezem- 
ber 1728 werden die betreffenden Bestimmungen noch verschärft : 
Gesellen, die bei „Störern" arbeiten, darf über 14 Tage keine 
Arbeit gegeben werden (Art. 30); die „Störer" werden von der 
Zunft mit 4 Pfd. Pfennigen bestraft (Art. 31); wenn sie sich 
widersetzen, solle* sie durch die Behörden verhaftet werden 
(Art. 32); Landschneider dürfen nicht in der Stadt arbeiten 
(Art. 33); „Störer" werden nach Verbüßung ihrer Strafe von 
der Behörde abgeschafft (Art. 34). Noch unterm 20. Dezember 1741 
wurden die alten Privilegien wegen der vielen „Fretter" unter 
den verschiedenen umliegenden Herrschaften auf Ansuchen der 
Zünfte bestätigt 4 ). 

Auch gegen die zahlreichen Militärhandwerker unter den 
„Arsenalisten", „Piquenierern" und Angehörigen der „Stadt- 
Quardia" standen die Behörden den Zünften bei. Zufolge einer 
kaiserlichen Resolution vom 14. Juli 1687 war es den „Arsiona- 
lischen Lehen- Wächtern" nicht gestattet, wie Bürger in der Stadt 
ein Gewerbe zu treiben. Als sie trotzdem ihr Handwerk weiter 
ausübten, nahmen ihnen die Wiener bürgerlichen Schneider eines 
Tages Waren und Werkzeug weg. Bei dieser Gelegenheit ließ 
der Kämmerer und Arsenalhauptmann, Graf von St. Hilier, einen 
der bürgerlichen Schneider, Simon Lucas, im Arsenal eigen- 
mächtig festnehmen. Der Kaiser sprach ihm jedoch, als er davon 
vernahm, seine Mißbilligung aus und befahl ihm, falls es noch 
nicht geschehen sei, den bürgerlichen Schneider zu entlassen 5 ). 



x ) S. Cod. Austr., I. T., S. 370, 464; II. T., S. 290 ff., 317, 
440 f., etc. 

2 ) Hatschek, a. a. 0., S. 10. 

8 ) Gomilschak, a. a. O., S. 62. 
4 ) Ebend. S. 64. 

3 ) Resolution vom 20. Oktober 1687, Cod. Austr. II. T., S. 441. 



70 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeitsverfassung. [460 

Ebenso wurden die Beschwerden der Wiener bürgerlichen Fleisch- 
hacker über die große Zahl und den ungebührlich ausgedehnten 
Gewerbebetrieb der „Commiss- oder Quardi-Fleischhacker" zu 
Gunsten der Zunft erledigt, allerdings erst, nachdem diese mit 
einer Preiserhöhung und die Stadt Wien mit der Zurückhaltung 
eines Teils ihrer Landeskontribution gedroht hatte 1 ). 

Zweifelhafter war die Haltung der obersten Behörden 
bezüglich der bürgerlichen Beschwerden gegen den Gewerbe- 
betrieb der kaiserlichen Livreebedienten 2 ). Der „esclat" des 
Hofes erforderte die Besoldung zahlreicher „Künstler und Hand- 
werker in wirklichen Hofdiensten", wie Kammermaler, Kammer- 
goldschmiede, Leibbarbierer, „ Guardarobba, u Büchsenspanner, 
Hofschmiede, Hofzuschrotter u. a., denen zugleich das Recht ein- 
geräumt wurde, ihre Kunst und ihr Handwerk nach altem Her- 
kommen ohne ausdrücklichen Freiheitsbrief in Wien auszuüben 3 ). 
Auch andere Hofbedienstete, wie Trabanten und Hartschierer, 
übten zuweilen ein Gewerbe aus und arbeiteten sogar öfters mit 
Gesellen 4 ). 

Allmählich werden diese Hofprivilegien zum Gewerbebetrieb 
auch auf unbezunftete Handwerker außerhalb der Hofdienste 
ausgedehnt. Es waren wohl zunächst ausländische „Künstler" 
und Handwerker, denen der Kaiser oder ein Mitglied des Kaiser- 
hauses auf diese Weise die Ausübung ihres Handwerks in Wien 
ermöglichen wollte 5 ). Später war hiebei hauptsächlich das 
Bestreben maßgebend, wenigstens einen Teil der zahlreichen 
„ Störer u vor den Angriffen der Zünfte sicherzustellen. Die „Hof- 
befreiten" waren von den Zunftverbindlichkeiten und Steuer- 
leistungen der übrigen Handwerker befreit und hatten bloß ein 

x ) Resolutionen v. 1692, 1693, 1698 und 1700, ebend. I. T., 
S. 364, 249. 

2 ) Eine solche erwähnt ein Referat der Hofkanzlei vom 13. Aug. 
1736, Arch. des Min. des Innern, IV. T. 28, Gewerbe in genere, 
N.-Öst. 1522—1749. 

3 ) Cod. Austr., I. T., S. 476 ff. 

4 ) Cod. Austr., IV. T., S. 270 ff. 

°) Die Institution königlicher Freimeister findet bereits in einer 
Goldschmiedeordnung aus dem Jahre 1562 Erwähnung (Hans Rizzi, 
Das österreichische Gewerbe im Zeitalter des Merkantilismus, in der 
„Ztschr. f. Volkswirtsch., Sozialpolitik und Verwaltung", Wien und 
Lpz. 1903, S. 79). Eine der ältesten Hofbefreiungen erhielt ein gewisser 
Domenigo Barchino im Jahre 1583 von Elisabeth, Tochter Maximi- 
lians II. (Alex. Gigl, Gesch. der Wr. Marktordnungen, Wien 1865, 
S. 237). 



461] Die „Störer«. 71 

jährliches Schutzgeld zu entrichten. Schon in den letzten Jahr- 
zehnten des 16. Jahrhunderts war ihre Zahl derart gestiegen, 
daß Maximilian II. sich genötigt sah, für sie eine eigene Ordnung 
zu erlassen 1 ). Beim Regierungsantritt Leopolds I. häuften sich 
wieder die Klagen der Wiener Zünfte über die Mißbräuche und 
das Überhandnehmen der Hofbefreiten. Die Resolution vom 
13. Juli 1660 an den Obersthofmarschall und die Stadt Wien 
versucht nun das Verhältnis zwischen den beiden Handwerker- 
kategorien zu regeln. Es sollten fortan nur mehr die von Leopold 
erteilten Hoffreiheiten Gültigkeit haben. Die übrigen Hofbefreiten 
sollten gehalten sein, das Bürgerrecht zu erwerben, wenn sie ihr 
Gewerbe weiter betreiben wollten. Die Stadt Wien wurde an- 
gewiesen, ihnen nicht nur das Bürgerrecht zu erteilen, sondern 
auch die ihr untergebenen Handels- und Handwerkszünfte zu 
veranlassen, die Betreffenden ohne allzu große Kosten, schwierige 
Meisterstücke und andere schädliche Bedingungen aufzunehmen 2 ). 
Die Entscheidung war also durchaus nicht im Sinne der Be- 
schwerden erflossen. Sie bedeutet vielmehr einen entschiedenen 
Eingriff in die Rechte der Wiener Zünfte. Die Bestimmungen 
zu Gunsten der Bürgerschaft fielen dagegen kaum ins Gewicht. 
So sollten bei einigen Handlungen und Handwerken, wie bei 
den „Eißlern" und gemeinen Gewandschneidern, welche die 
Kleider auf Kauf machen, die Hoffreiheiten gänzlich kassiert 
und keine mehr ausgefolgt werden. Die Zahl der Hofbefreiten 
sollte restringiert werden, vorbehaltlich der kaiserlichen Ent- 
schließung in speziellen Fällen, wie bei Künstlern oder auch 
andern treuen und verdienstvollen Personen. Reiste der Hof 
außer Landes, so hatten nach Disposition und Anordnung des 
Hofmarschalls die Hofbefreiten, welche Handelsleute und Krämer 
waren oder für gewöhnlich Waren vorrätig hielten, den kaiser- 
lichen Hof entweder in eigener Person oder durch einen stell- 
vertretenden Diener, die bloß arbeitenden Handwerker aber in 
eigener Person zu begleiten. Weigerten sie sich dessen, so sollte 
ihr Gewerbe bis zur Ankunft des Kaisers niedergelegt werden. 
Da sich zwischen dem Hofmarschall amt und dem Wiener Magi- 
strat wegen der n Sperrinventur" und der Verlassenschaft nach 
Hofbefreiten öfters Rechtsstreitigkeiten zum Schaden der Gläu- 
biger und Erben ereigneten, die besonders darin ihren Grund 

1 ) Neue Ordnung Maximilians II. v. 15. Juni 1572, Arch. des 
Min. des Innern, IV. F. 28, Gewerbe in genere, N.-Ost., 1522 — 1749. 

2 ) Cod. Austr., I. T., S. 476 ff. 



72 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeitsverfassung. [44)2 

hatten, daß die Verstorbenen zugleich Bürger und Hofbefreite 
gewesen waren, so durfte in Hinkunft ein Bürger nur mit Ver- 
lust seines Bürgerrechtes Hofbefreiter und ein Hofbefreiter nur 
nach Ablegung seiner Hoffreiheit Bürger werden *), eine Bestim- 
mung, die nur geeignet war, die zwischen den beiden gewerb- 
lichen Gruppen bestehende Kluft noch zu erweitern. 

In einzelnen charakteristischen Streitfällen und Episoden 
kommen die vorhandenen Gegensätze zum Ausbruch. 

Langwierige Konflikte ergaben sich im Wiener Gärtner- 
gewerbe aus der Sonderstellung, die ein Teil der zumeist aus- 
ländischen Hof- und Herrschaftsgärtner für sich beanspruchte 2 ). 
Der Kampf wurde auf das religiöse Gebiet hinübergeBpielt, in- 
dem sich die Gegnerschaft der zünftigen Ziergärtner besonders 
gegen die aus dem Reiche eingewanderten, „nach Reichsmanier a 
gelernten protestantischen Gärtner wendete, die bei den öster- 
reichischen Herrschaften und bei Hof sehr gesucht waren. 
Bereits im Jahre 1674 hatte die Wiener Lustgärtnerinnung ein 
Schutzpatent gegen die ungehorsamen Gewerbegenossen erlangt, 
die sich weigerten, an der Fronleichnamsprozession teil- 
zunehmen 8 ). Desgleichen bestimmten die Verordnungen von 
1698 und 1702, „daß die unkatholischen Lustgartner expresse 
entweders zur katholischen Religion sich zu bequemen oder aus 
dem Land zu gehen nachdrücklichst angehalten werden sollten." 4 ) 
Aber allmählich vollzieht sich in den maßgebenden Kreisen ein 
vollständiger Umschwung. Die vorgeschrittene Gewerbetechnik 
der Reichsdeutschen bewog in der Praxis zu Kompromissen. 
Schon der oben erwähnte Bericht derer von Wien aus dem 
Jahre 1719 sieht sich genötigt, lebhafte Klage wegen der Ab- 
nahme des Eifers im katholischen Gottesdienst zu führen. Er 
weiß bereits 3 unter den Gegnern der katholischen Gärtnerzunft 
anzuführen, „nemblich Cornelius Schröder, bei Ihro Durchl. 
Prinz Eugenio, Johann Christian Förster, bei dem Fürst von 
Schwarzenberg und Friedrich Antoni Härtung, bei Sr. Exzellenz 
Herrn Grafen von Harrach zu Prukh an der Leitha Gärtner, a 
die, „der lutherischen Sect zugethan, meristenteils nur lutherische 
Jung in die Lehr nemben, auch sich lutherische Gesellen anhero 
ins Land verschreiben und andurch ihre Sect ausbreiten." 



x ) Ebend. 

2 ) Ublirz, a. a. 0., S. 16 ff. 

s ) Ebend., 8. 27, Urk. im Stadtarchiv. 

4 ) Ebend., S. 17 ff., Bericht derer von Wien aus dem Jahre 1719. 



463] Die „Störer«. 73 

„Anbelangent den Grottsdienst, u fährt dann der Bericht fort, „so 
wird diser um willen sich die kais. und fürstl. und anderer 
Herren Gärtner der Laad und Bruderschaft entziehen wollen, 
also lau gepflogen, daß so vorhin etlich hundert Grartnerspersonen 
demselben beigewohnt, dermahlen kaum 30 oder 40 dabei er- 
scheinen, geschweigend daß die bei denen Quatembermessen 
gepflogene zierliche Beleichtung unterlassen werde." Bürger- 
meister und Rat sprechen sich daher „zur Beibehaltung der 
katholischen Religion, zur Wideremporbringung des bei denen 
Lustgartnern in Abgang kommenden Gottesdienst und Ab- 
stellung aller besorgenden größeren Uneinigkeiten und Irrungen" 
gegen die geforderte Exemption der Hof- und Herrschaftsgärtner 
aus 1 ). Alle diese Argumente machten jedoch offenbar nicht den 
gewünschten Eindruck 2 ), denn im Jahre 1730 wurde mit Hof- 
dekret angeordnet, daß die herrschaftlichen Lust- und Blumen- 



1 ) Ebend. 

2 ) Ahnlich verhielten sich die Behörden gegenüber den Graz er 
Blumen- und Lustgärtnern, als diese im Jahre 1689 unter Berufung auf 
die Notwendigkeit einer religiösen Lebensführung um Erteilung eines 
eigenen Zunftstatuts einkamen. Sie wollen, heißt es in ihrer Eingabe, 
wie andere Zech- und Bruderschaften in Graz, an der Fronleichnams- 
prozession teilnehmen, und da alle diesse „mit Blumen und Khreuzen 
gezühret," so schmerze es sie, die „Urheber und Pflanzer der Blumen tf , 
daß sie nicht auch „bekhrenczter mit brangen terffen" ; sie wollen auch 
sonst insbesondere durch Gottesdienste für Mehrung von Zucht und 
Ehrbarkeit in ihren Kreisen sorgen; solange sie keine Zunft hätten, 
würden ihre Leute auswärts als nicht ehrlich „erlehrnete" und als Fretter 
behandelt. Ein ausführliches, wahrscheinlich vom Landeshauptmann her- 
rührendes Promemoria spricht sich jedoch gegen dieses Ansuchen aus 
(1691) und zwar mit der folgenden Begründung: Die fromme Gesinnung 
der Bittsteller in Ehren erhelle doch aus dem, was man sonst von den 
Handwerkern wisse, daß sie bei ihren Versammlungen nur fressen und 
saufen, Einen und den Andern strafen und allerlei Spesen machen; daß 
sie Fremde, die herkommen, um ihr Handwerk zu treiben, nur hindern 
und strapazieren; daß das Publikum zu den zünftigen Meistern kommen 
muß, ob diese nun ihr Handwerk verstehen oder nicht; dass sie bei 
ihren Zusammenkünften selber die Preise festsetzen und denjenigen, der 
billiger arbeiten will, bestrafen ; übrigens seien in Frankreich, Italien und 
anderwärts, wo es keine Zünfte gebe, die besten Meister zu finden und 
das Publikum stehe sich besser dabei ; und endlich habe man die Petenten, 
die schon 1687 dasselbe Ansuchen gestellt hätten, bereits damals abge- 
wiesen (v. Z a h n, Nachträge zu den Materialien zur inneren Geschichte 
der Zünfte in Steiermark vom 15. bis inkl. 17. Jahrhundert, in den 
„Beiträgen zur Kunde Steiermark. Geschichtsquellen", 18. Jahrgang, 
Graz 1882). 



74 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeits Verfassung. [464 

gärtner, so lange sie keine Jungen halten, nicht zum Eintritt in 
die Zunft gezwungen werden dürfen. Die Streitigkeiten zogen 
sich bis in das Jahr 1762 hinaus und endeten, abgesehen von 
einigen materiellen Vorteilen, die man den zünftigen Gärtnern 
gewährte, mit dem formellen Siege der Hof- und Herrschafts- 
gärtner. Sie wurden von aller Zunft befreit und bei ihrer Reichs- 
raanier hinsichtlich der Aufnahme und Lossprechung der Lehr- 
jungen, sowie der Ausfertigung der Lehrbriefe beschützt 1 ). 

Daß jedoch die Hof Privilegien durchaus keinen ausreichen- 
den Schutz gegen die Angriffe des zünftigen Handwerks boten, 
beweist der Verlauf der Affäre Neuhold, die den niederösterrei- 
chischen und böhmischen Behörden fast drei Jahrzehnte hin- 
durch zu schaffen machte. Am 11. September des Jahres 1702 
hatte Kaiser Leopold den Thomas Neuhold auf dessen Ansuchen 
zum Hofdrechsler ernannt. In dem betreffenden Freiheitsbrief 
war ausdrücklich bemerkt worden, daß er hinsichtlich der Auf- 
nahme und Beförderung der Gesellen sowie in Bezug auf die 
Lehre und das Ledigzählen der Jungen dieselben Freiheiten und 
Gerechtigkeiten genießen solle, wie die bürgerlichen Drechsler- 
meister. An diese Bestimmung, die für die Hofdrechsler über- 
haupt galt, hielt sich nun die Wiener Innung keineswegs, sondern 
erklärte die Gesellen der hofbefreiten Drechslermeister für „unehr- 
lich". In dem darob entstandenen Prozesse fiel die Entscheidung am 
22. Jänner 1712 zu Gunsten der Hofbefreiten aus 2 ). Auf diese Resolu- 
tion gestützt, schickte Thomas Neuhold einige Jahre darauf seinen 
ehelichen Sohn, den Drechslergesellen Franz Lorenz Neuhold, 
den er selbst bei der Wiener Lade aufgedungen und frei- 
gesprochen hatte, nach Prag, damit er dort bei einem Drechsler- 
meister in Arbeit trete 8 ). Nach kurzem Aufenthalt an seinem 
neuen Arbeitsort mußte der junge Neuhold in der „Vier- Wochen- 
schenke" vom 22. Dezember 1726 hören, daß man ihn nicht für 
einen „guth Ehrlichen gesellen" halten wolle, es sei denn, daß 
er von den Wiener Stadtmeistern als solcher anerkannt würde 
und hierüber eine Bescheinigung beibrächte. Zwei Gesellen aus 
Wien hatten ihre Prager Kollegen verständigt, daß Neuhold 

1 ) Uhlirz, a. a. 0., S. 17 ff. 

2 ) Extractus Protocolli dieser Resolution „In Causa deren zweyen 
armen Hofbefreyten Träxler Maistern in Wienn", Ms. im Arch. des 
Min. des Innern, IV. F. 28. Gewerbe in genere, N.-Öst. 1522—1749. 

3 ) Schreiben der Wr. Hofkanzlei vom 1. April 1727 an die böh- 
mische Hofkanzlei, Ms. ebond. 



-- -"1 



465] Die „Störer". 75 

nicht vom bürgerlichen Handwerk sei. Die. Prager Meister wiesen 
nun darauf hin, daß von den hofbefreiten Meistern noch keiner 
jemals ausgelernt habe und beriefen sich überdies auf ihre 
Gesellen, denen sie Sicherheit bieten müßten. Neuholds Ausrede, 
die Wiener Stadtmeister würden schon von selbst schreiben, 
wenn sie etwas gegen ihn hätten, wurde nicht angenommen. Es 
blieb bei dem Beschluß, daß Neuhold einen Schein von den 
Wiener Stadtmeistern und nicht etwa bloß von den Hofbefreiten 
oder vom Hof mar schall vorweisen müsse. Nur dem Umstände, 
daß sein Meister ihn nicht sogleich verabschiedete, wie das Hand- 
werk es verlangte, hatte er es zu verdanken, wenn ihm noch 
eine Frist von längstens 14 Tagen zur Beibringung der Beschei- 
nigung gewährt wurde. Diesen Sachverhalt berichtet nun der 
junge Neuhold unterm 26. Dezember seinem Vater nach Wien, 
indem er ihn bittet, ihm mit den bestmöglichsten Mitteln zu 
Hilfe zu kommen, da er sonst „wahrhafftig von Prag ohne 
schenkh und grues nach hauß" müßte. Die Gesellen zu binden 
sei unmöglich und wenn er schon sogar von Prag hinwegginge, 
etwa in das Reich, so würde er anderswo noch größere Schwie- 
rigkeiten finden. Der Vater möge ihm also, sobald es nur sein 
könne, eine tröstliche Antwort zukommen lassen, damit ihm die 
Schande erspart bliebe, wieder nach Haus zurückkehren zu 
müssen 1 ). 

Es waren also weder die Meister noch die Gesellen allein, 
die dem Ankömmling den Eintritt in das Handwerk versagten; 
die ganze Zunftorganisation setzte sich gegen die Durchbrechung 
des alten Herkommens zur Wehr, 

Nach Erhalt des Briefes schickte Thomas Neuhold die 
Resolution vom 22. Jänner 1712 nach Prag, damit sein Sohn sie 

*■) Brief des jungen Neuhold vom 26. Dezember, ebend. Das 
Jahresdatum 1726 ist nicht angegeben; ein früheres Datum ist jedoch 
nicht anzunehmen, da die unten erwähnte Resolution der Wr. Hof kanzlei vom 
1. April 1727, welche sich auf die in dem Brief geschilderten Vor- 
gänge beruft, bei der prinzipiellen Wichtigkeit der Sache und bei dem 
Umstände, daß Thomas Neuhold als Hofbefreiter mit den Hofkreisen in 
naher Fühlung stand, sicherlich noch vor Verlauf eines Jahres ergangen 
ist. — Der Brief trägt die Aufschrift: „Dises zu Khomen meinen herz- 
liebsten H: Vatter Thomas Neuholdt Kayßerl. hoff-bauambts Träxler 
meister in der Cärner Strasse bey burger Spittall gegen über in Träxler 
laden abzulegen," und die Unterschrift: „Meines herzliebsten H: Vatter: 
getreuer Sohn Franz Lorenz Neuholdt Dräxler gesell, in arbeith bey 
Maister Joachimb Fridrich auf der Kleinen seith in der Pforrer gassc 
in zeich schmittischen hauß abzugeben. u 



76 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeits Verfassung. [466 

bei der Lade als Legitimation vorweise und die Prager Meister 
sich künftig nicht mehr mit der Unkenntnis jenes kaiserlichen 
Befehls entschuldigen könnten. Zugleich befahl er seinem Sohn, 
nicht früher von Prag zu weichen, als bis er über den Verlauf 
der Sache nach Wien berichtet hätte. Die Resolution fand keine 
Beachtung. Das Prager Handwerk bedeutete dem jungen Neu- 
hold, daß in dergleichen Angelegenheiten der Kaiser wohl in 
Wien, nicht aber in Prag zu disponieren habe. Man schaffte ihn 
als unehrlichen Gesellen ohne Gruß und Geschenk von Prag ab, 
verbot sogar, ihm auf der Herberge Speise und Trank zu reichen, 
und so mußte er all sogleich „bey dem schlimmsten winter wetter 
und weeg" und bevor er noch nach Wien hätte berichten können, 
„in einem stuckh alß ein Mitlloser Mensch und wanderen ter 
Pursch bettlendt widerumb anhero nacher wienn laufen," wo er 
elend und krank anlangte. Als Gescholtener erhielt er keine 
Arbeit und lag nun seinem Vater „feiernd über den Hals". 

Diese Darstellung des Sachverhaltes gibt Thomas NeuhoJd 
in dem Gesuch, das er zur Wahrung seiner Rechte bei Hofe 
einreicht l ). Er bittet zum Schluß, der Kaiser möge der hiesigen 
böhmischen Hofkanzlei den Befehl erteilen, schleunigst ihre Ver- 
fügungen zu treffen, damit „nach Untersuchung und befindung 
der Sachen wahren beschaffenheit die Verächter der allerhöchsten 
Kayßerl. geboth zur gebührenden Straff gezogen", er selbst aber 
nebst seinem Sohn „zur billichen Satisfaction propter hierum 
ceßans et damnum emergens gelangen möge". 2 ) 

Daraufhin ergeht am 1. April 1727 an die böhmische Hof- 
kanzlei die entsprechende Verordnung, die den Standpunkt der 
wirtschaftlichen Einheit Österreichs nachdrücklich hervorhebt. 
Das Verfahren der bürgerlichen Drechslermeister in Prag wider- 
spreche der Hoffreiheit, die dem Thomas Neuhold erteilt wurde, 
wie auch der Resolution von 1712, wonach die Gesellen und 
Jungen der Hofbefreiten in allem den Bürgerlichen gleichzu- 
halten seien. Da nun „ein solches nit weniger daß zwischen 
denen Ländern wohleingeführte reeiprocum erfor- 



1 ) Ms. ebend., ohne Datierung (Kopie); die Überreichung des 
Gesuchs dürfte Ende Februar oder anfangs März des Jahres 1727 statt- 
gefunden haben, jedenfalls geraume Zeit nach dem 26. Dezember 1726, 
da seitdem drei Touren von Wien nach Prag und umgekehrt zu rechnen 
sind und jedenfalls kürzere Zeit vor dem 1. April 1727, an welchem 
Tage die Resolution an die böhmische Hofkanzlei erging. 

2 ) Ebend. 



— -1 



467J Die „Störer". 77 

dert a und dergleichen Zwiespalt und Eigenmächtigkeit gar 
nachteilige Folgen und Weiterungen haben dürfte, so erwartet 
die österreichische geheime Hofkanzlei, daß die böhmische Hof- 
kanzlei in dieser Angelegenheit sowie in anderen derartigen 
Fällen die nötigen Verfügungen treffen werde 1 ). 

Allein noch im August desselben Jahres klagt Thomas 
Neuhold in einem neuerlichen Bittgesuch, daß die böhmische 
Hofkanzlei der Verordnung vom 1. April nicht Folge geleistet 
und die bürgerlichen Drechslermeister und Gesellen in Prag 
nicht zur Verantwortung gezogen habe, seine Klagesache also 
noch nicht zur Austragung gelangt sei. Überdies hatten unter- 
dessen, wie aus dem Q-esuch hervorgeht, die Wiener bürgerlichen 
Drechslermeister sich ebenfalls eigenmächtig Genugtuung ver- 
schafft; sie hatten zwei Drechslergesellen, die bei der Frei- 
sprechung Josef Neuholds, eines zweiten Sohnes des Thomas 
Neuhold, zugegen waren, für unehrlich erklärt, ja der Irten- 
geselle, der bei der Ceremonie fungiert hatte, war um 10 Uhr 
nachts, als er schon zu Bette lag, von seinem Meister ohne Gruß 
und Geschenk aus dem Haus gejagt worden. Thomas Neuhold 
bittet also, zu verfügen, daß die Wiener bürgerlichen Drechsler- 
meister und Gesellen als Anstifter der Verfolgung und Zurück- 
treibung seines Sohnes nach Hof zur Verantwortung vorgefordert 
und bei Androhung von Strafe ermahnt würden, die Feindselig- 
keiten gegen die Hofbefreiten einzustellen 2 ). 

Mittlerweile hatte die böhmische Hofkanzlei am 1. August 
1727 gemäß der Resolution vom 1. April an die königl. Statt- 
halterei in Prag ein Reskript wegen Gleichhaltung der Bürger- 
lichen und Hofbefreiten erlassen 3 ). Es wurde nunmehr der nieder- 



1 ) Ms. ebend. 

2 ) Ms. ebend., wie das erste Gesuch ohne , Datierung, aber jeden- 
falls zwischen dem 11. und 22 August 1727 eingereicht, da die Frei- 
sprechung des Josef Neuhold am 11. August stattfand und die weiter 
unten erwähnte Verordnung vom 22. August sich bereits auf die Wiener 
Vorgänge bezieht. Die juristischen Ausdrücke sowie der streng prin- 
zipielle Standpunkt der Gesuche lassen einen Rechtskundigen als Ver- 
fasser erkennen. Aus der Bereitwilligkeit, womit die Wiener Hofkanzlei 
auf seine Intentionen einging, ist zu entnehmen, daß sich ihr eigener 
Standpunkt mit dem seinigen deckte. 

s ) Verordnung der Wr. Hofkanzlei vom 22. August 1727 an die 
n.-öst. Regierung, Ms. ebend. (Die Kopie des Reskripts vom 1. April, 
die der Verordnung zufolge beiliegen soll, fehlt in dem betreffenden 
Faszikel.) 



78 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeitaverfassung. [468 

österreichischen Regierung aufgetragen, auch auf die Übertreter 
der bezüglichen Verordnung von 1712 in Wien zu inquirieren, 
die Schuldigen exemplarisch zu bestrafen und das Universale 
wegen der zu errichtenden Gewerbe- und Handwerksordnung, 
die schon gelegentlich gewerbestatistischer Erhebungen im 
Jahre 1724 beschlossen worden war 1 ), ehestens fertigzustellen 
und nach Hof zu schicken 2 ). 

Die Notwendigkeit einer prinzipiellen und allgemeinen 
Änderung der Gewerbe Verhältnisse machte sich den Staats- 
behörden immer deutlicher fühlbar. Auch das „Dekreter "-Patent 
vom 12. April 1725 war mit dem Vorbehalt erlassen worden, 
daß es nur bis zur Einführung einer „Universal-Grewerb- und 
Zunftordnung" Geltung haben solle 8 ). 

Schutzdekrete waren an und für sieh ebensowenig eine 
Neuerung, wie die Hofbefreiungen. Doch hatte vorerst die Rück- 
sicht auf das bürgerliche Handwerk hierin einige Mäßigung 
geboten. Schon unterm 7. September 1637 erging eine Verord- 
nung an den Hofmarschall, wonach die vom Hofm arschall am t 
zur Treibung der Gewerbe und Hantierungen ausgehenden 
Schutzdekrete fürderhin nicht gestattet sein sollten und die 
Supplikanten diesbezüglich an den Kaiser verwiesen wurden. 
Desgleichen wurde mittels Dekret vom 29. Mai 1643 dem Hof- 
marschallamt und der Stadt Wien mitgeteilt, daß die von 
ersterem ausgegebenen Schutzdekrete und Interimserlaubnisse 
für Handelsleute und Handwerker, welche weder Bürgerliche noch 
Hofbefreite sind, aufzuheben seien 4 ). Bestätigt wurde die Ver- 
ordnung am 12. September 1659, am 22. November 1660 und 
am 6. Mai 1661 5 ). 

Das Hofmarschallamt scheint sich an diese Verfügung nicht 
gehalten zu haben. So wurde auch einem Großuhrmacher namens 
Johann Wiest unterm 11. August 1708 auf unbestimmte Zeit 
ein absolutes Schutzdekret erteilt. Darüber führten nun die 
Wiener bürgerlichen Schlosser und Großuhrmacher Klage, indem 
sie Folgendes gegen ihn vorbrachten: Wiest habe die Profession 



x ) Cod. Austr., IV. T., S. 249. 

2 ) Verordnung vom 22. August 1727. 

3 ) Cod. Austr., IV. T., S. 270 ff. 

4 ) Referat der Hofkanzlei über die Angelegenheit des Johann 
Wiest, überreicht am 3. August 1709, Ms. im Arch. des Min. des Innern, 
IV. F. 28. Gewerbe in genere, N.-Öst. 1522—1749. 

5 ) Ebend. 



J 



469] Die „Störer". 79 

nie dem Handwerksbrauch nach erlernt, denn sein ehemaliger 
Lehrmeister in Schwaben sei nur ein Schlosser, „derentwegen 
er Wiest zwar all hier sich zu einem Groß Uhrmacher verdinget, 
darauf aber sich wenig beflissen, undt nach fruchtlos- vollbrachten 
zwey Lehr- Jahren keine stundt gewandert, sondern lüderlichen 
Leben und Gesellen nachgehangen : darfür noch andere verführet, 
endlichen mit einem vagirenden Weibsbild sich verehelichet, undt 
nun über sechs Jahr lang gestöhret, die Leuth mit seiner 
ohnnützen arbeith angesetzet, ihnen befuegten Meistern ihre 
nahrung entzogen, dem publico aber nicht einen kreutzer con- 
tribuiret hätte." Es habe auch niemals mehr als zwei Hofbefreite 1 ) 
gegeben. Beim Wiener Handwerk Meister zu werden habe sich 
Wiest niemals getraut ; eine landesfürstliche Gnade habe er 
ebenfalls nie verdient und sei in der Tat bereits zweimal wegen 
Mangel an genügender Kundschaft mit seinem Gesuch um Er- 
teilung der Hoffreiheit abgewiesen worden. Dennoch habe der 
Obersthofmarschall demselben am 11. August 1708 ein Schutz- 
dekret erteilt, „dessen er sich auf ewig zu bedienen glaubete. a 
Um eine Hoffreiheit, „die er ohne Lehr- und Gebuhrts Brieff 
niemal, weniger auf eine nicht erlehrnte profeßion erhalten 
wurde," werde er sich ohnehin nicht bewerben; habe doch der 
Obersthofmarschall, als der Wiener Magistrat bei Androhung der 
Geschäftssperre die Vorweisung seines Schutzpatents von ihm 
verlangte, am 7. Juni 1709 ausdrücklich zu seinen Gunsten ent- 
schieden. Unter Berufung auf die Verordnungen vom 22. Novem- 
ber 1660 und vom 6. Mai 1661 bitten also die bürgerlichen 
Schlosser und Großuhrmacher, dem genannten Wiest nicht nur 
keine Hoffreiheit zu erteilen, sondern auch dem Hofmarschall die 
Kassierung seines Schutzdekrets anzubefehlen 2 ). 

Auf Grund dieser Beschwerde bringt nun die Hofkanzlei 
in ihrem Referat vom 3. August 1709 die Verordnungen an den 
Hofmarschall aus den Jahren 1637, 1643, 1659, 1660 und 1661 
in Erinnerung. Sie führt aus, daß bis jetzt kein Hofmarschall 
solche Schutzdekrete erteilt habe. Die betreffenden Bestimmungen 
sprächen ganz klar. Auch sei in dem Schutzdekret des Johann 
Wiest keine bestimmte Zeit angegeben, während die vom Hof 

ausgehenden Schutzdekrete in der Regel nur auf 6 Monate er- 
/ 

x ) Offenbar nur in ihrer Profession ; Wiest rechnen die Beschwerde- 
führenden, wie aus dem Folgenden ersichtlich ist, nicht etwa unter die 
Hofbefreiten, die obige Bemerkung flechten sie nur gelegentlich hi er ein 

2 ) Referat der Hofkanzlei vom 3. August 1709. 



SO Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeitsverfassung. [470 

teilt würden. Die Hofkanzlei meint also, der Kaiser solle die 
oberwähnten Resolutionen erneuern, dem Wiest keine Hoffreiheit 
erteilen und sein Schutzpatent kassieren lassen. Dieser Rat wurde 
approbiert 1 ). Aus Anlaß dieser Affäre erging am 7. November 
desselben Jahres sowohl an den Obersthofmarschall als auch an 
die Stadt Wien eine Verordnung wegen Abstellung der Schutz- 
dekrete 2 ). 

In diesem Falle stand also die Hofkanzlei ganz offen auf 
Seiten der Zünfte. Aber schon anderthalb Decennien nachher, 
im Dekret von 1725, nimmt die Verwaltungsbehörde gerade den 
entgegengesetzten Standpunkt ein. 

• Das Dekret vom 12. April 1725 8 ) bestimmt, daß unbefugten 
Handwerkern und „Störern", die sich einige Zeit in Wien auf- 
halten und weder den bürgerlichen Zünften noch den Hof- 
befreiten einverleibt sind, von Jahr zu Jahr von der Regierung 
und Kammer bis zur Errichtung einer „Universal-Grewerb- und 
Zunftordnung" ein Schutzdekret ausgefolgt werden solle. Doch 
müssen sie ein Schutzgeld erlegen, das von der aus Regierung 
und Kammer verordneten Kommission zu bestimmen sei. Erlegen 
sie kein Schutzgeld, so bekommen sie auch kein Schutzdekret 
und überdies wird ihnen ihr Werkzeug weggenommen. Auch 
unbefugten Handwerkern augsburgischer oder helvetischer Kon- 
fession kann ein solches Schutzdekret erteilt werden, wenn sie 
geschickte Künstler oder Handwerker einer besonderen in Wien 
noch nicht eingeführten Profession sind; doch dürfen sie ihr 
Religionsbekenntnis nicht öffentlich ausüben 4 ). Nicht „ehrlich" 



1 ) 2. September 1709, ebend. ; Josef I. bemerkt am Rande des 
Referats : „Ich thue in allen approbirn, waß die Cantzley hier einratht." 

2 ) Ms. ebend. 

3 ) Cod. Austr., IV. T., S. 270 ff.; vgl. S. 64 f. 
*) Unterm 19. September 1725 berichten die preußischen Gesandten 

in Wien, Brand und Graeve, über die Erteilung der Dekrete Folgendes 
nach Berlin : „Inmittelst ist bey hiesiger Stadt die Verfugung gemachet, 
dass alle in denen Vor-Städten und auf denen frey Gründen sich auf- 
haltende Handwerker, so weder Meister noch Bürger sind, von ihrer 
Nahrung jährlich 6 Kayser Gulden erlegen müssen, wogegen sie ein 
solch Schutz Dekret bekommen, als beyliegend Exemplar, vor einen 
Evangelischen Buchbinder, aus Berlin gebürtig, ausweiset, und solcher 
gestalt ihre Handthierung ungehindert treiben können. Man sagt, dass 
solche Auflage auch auf die handthierende Weibes Personen, als zum 
Exempel Wäscherinnen etc. kommen solle." Das erwähnte Schutzdekret 
ist vom 5. Juli 1725 datiert und verfügt, daß Andreas Tilla, Buch- 
binder, „in Hoff Oesterreichischen Hauss zu St. Ulrichs wohnhafft," 



471] Die „Störer". 81 

Geborenen, die keinen ordentlichen Lehrgang durchgemacht, 
kann auch gratis von Hof aus ein Ehrenbrief, der Lehrbrief, 
und, wenn sie sich durch Fleiß und Energie auszeichnen, nach- 
her auch ein Schutzdekret erteilt werden. Nur wenige Berufe, 
wie Apotheker, Fleischhauer, Maurer, Zimmermeister, Schmiede 
u. a., blieben von den Schutzbefugnissen unberührt. Die Bestim- 
mungen des Dekrets traten zunächst für Wien und Niederöster- 
reich in Geltung, für Böhmen erst im Jahre 1765 x ). 

Über die Motive, die dieser tief einschneidenden Maßregel 
zu Grunde lagen, spricht sich die Wiener Hofkanzlei in ihrem 
Referat vom 12. August 1741 2 ) aus, worin sie auf Verlangen der 
Königin über die Zahl der Hofbefreiten und Schutzverwandten 
zu Wien sowie über die Zahl der darunter befindlichen Akatho- 
liken berichtet. Bezüglich der Schutzdekrete führt sie aus, die- 
selben seien ursprünglich zu dem Zwecke erlassen worden, n umb 
virtuose Künstler zu schüzen und nacher Wienn zu ziehen, 
welche vormahls durch den Neid derer Zünfften verdrungen 
worden waren. u Außerdem aber habe man damals beabsichtigt, 
„nebst der guthen Ordnung zugleich einen fundam zu erzeigen, 
wormit man dem aerario jene 17.000 fl., so einig praegravirt- 
mitleydigen orthen an ihrer Jährlichen Contributionsquota abge- 
schriben worden 3 ), ersetzen könte. a Die Einführung der „Dekreter" 
hatte nun zwar den Aufschwung einiger Industriezweige zur 
Folge gehabt ; zugleich aber war das bürgerliche Gewerbe durch 



befugt sein solle, seine Profession ungehindert auszuüben, sich in den 
Vorstädten sowohl auf bürgerlichen als „außer des Burgfrieds" gelegenen 
Gründen niederzulassen und dort seine erlernte Profession zu treiben, 
doch muß derselbe „primo zu einen jährlichen Schutz Geld Sechs Gulden 
in deren von Wien Steuer Amt gegen Quittung von halb zu halb Jahr 
u. zw. jederzeit vorhinein also gewiss erlegen, wie im widrigen ihine 
das ertheilte Schutz Dekret nebst seinem Werckzeug abgenommen 
werden, Secundo : Selber in seiner Wohnung kein frey offenes Exercitium 
Religionis üben, sondern sich in der Stille, denen Generalien gemäß, 
halten, Tertio : Bey Verlust seines Schutz Decrets alle sowohl in als 
vor der Stadt mit keinem derley Schutz Decret versehene unbefugte 
Handwerker oder Störer Hoff Commission also gleich, zur Fürkehrung 
des weitern hier anzuzeigen schuldig seyn sollet (Mor. Meyer, Gesch. 
der preuß. Handwerkerpolitik, II. Bd., a. a. 0., S. 153 f., Beil. Nr. 63 
und 64.) 

*) Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a. a. O., S. 53. 

2 ) S. S. 31, Anm. 4. 

3 ) S. S. 22 u. 31, Anm. 3. 

Wiener staatswiss. Studien. IV. Bd., 3. Heft. 31 



82 Kamjrf der Zünfte gegen die neue Arbeitsverfassung. [472 

die Überschwemmung mit den neuen Handwerksbetrieben schwer 
geschädigt worden. Die fiskalische Tendenz des Erlasses hatte 
nämlich bewirkt, „daß jene, so das Werck manipuliret, in auß- 
theillung derer Decreten nicht so viel auff die Pollitische grund- 
regulln, als Viellmehr auf die erfordernus des fundi gesehen 
hatten," so daß bereits im Jahre 1732 der Befehl erteilt werden 
mußte, keine weiteren Schutzdekrete mehr auszugeben 1 ). Doch 
liefen immer wieder Beschwerden ein, die der übergroßen Anzahl der 
Schutzdekreter galten 2 ). 

Auch nach der Einführung und Systemisierung der neuen 
Gewerbekategorien bildeten die gänzlich unbefugten „Störer" 
einen Hauptbestandteil der arbeitenden Bevölkerung; ja sie 
nahmen in der Folge rascher überhand als alle andern gewerb- 
lichen Gruppen, obwohl die Behörden sich ihrer mehrmals durch 
Deportation zu entledigen suchten 3 ). Nach einer statistischen 
Aufstellung aus dem Jahre 1734 4 ) waren die einzelnen Kate- 
gorien des Wiener Gewerbes in folgender Stärke vertreten : 
Dekretisten 3184, darunter 2835 Handw. und 349 Handelsl., 
Bürger 2959 „ 2640 „ „ 319 „ 

„Störer« 2189 „ 1966 „ „ 223 „ 

Hofbefreite 256 „ 256 „ „ — „ 



*) Referat der Hofkanzlei vom 12. August 1741, a. a. 0. 

2 ) Referat der Hofkanzlei vom 23. Juni 1733 und Resolutionen 
vom 15. Mai, 18. September und 4. Oktober 1736, Mss. im Arch. des 
Min. des Innern, im selben Faszikel. 

3 ) So ordnet bereits ein Dekret vom 27. Mai 1678 die Abschaffung 
aller Raitzen (Serben) an, die keine Hoffreiheit haben oder diese miß- 
brauchen (Cod. Austr., IL T., S. 202). — Der preußische Gesandte 
Graeve berichtet unterm 21. Juni 1724: „Inmittels verlautet, dass gleich 
nach geendigten Fronleichnams Processionen in hiesiger Stadt und Vor- 
städten, besonders auf denen Frey Gründen, mit denen sogenannten 
Stöhrern oder Beinhasen eine grosse Veränderung vorgehen und solche 
entweder kurzum gegen ein erträgliches Geldquantum Meister, oder nach 
Belgrad gebracht werden sollen, welches auch alles übrige Herren lose 
Gesindel zu gewarten. Weiln nun deren viele viele Tausend seyn, als 
ist über das herumliegende Bayreuthische Dragoner Regiment und die 
gewöhnliche Stadt Guarde das Jörgerische Dragoner Regiment ein- 
gerücket, deme noch mehrere folgen dürfften. Die der Evangelische 
Religion zugethane sehr zahlreiche Handwercker möchten darunter vor- 
nehmlich mitleiden." (Moritz Meyer, Geschichte der preußischen Hand- 
werkerpolitik, II. Bd., a. a. 0., S. 134, Beil. Nr. 39.) 

4 ) J. V. Goehlert, Historisch-statistische Notizen über Nieder- 
österreich, in den Blättern des Ver. für Landeskunde Niederösterreichs, 
V. Jahrg., Neue Folge, 1871, S. 206 ff. (ohne Quellenangabe). 



473] 



Die „Störer". 



83 



Gratisten *) 

Unter der 
Tag- und 
Nacht- 
wache 
stehend 

Universitäts- 
hand- 
werker 2 ) 

Summe 



372 darunter 62 Handw. und 310 Handelsl., 



32 



71 



32 



21 



n 



18 



Ti 



rt 



9013, darunter 7809 3 ) Handw. und 1204 *) Handelsl. 

Danach befanden sich bloß 33*8% der Wiener Handwerks- 
betriebe in den Händen bürgerlicher Meister. Zieht man jedoch 
den geringen Anteil der Bürgerlichen an den Handelsbetrieben 
(26-5 ü /o) m Rechnung, so sinkt ihr Gesamtanteil an den Gewerbe- 
unternehmungen überhaupt auf 32*8%. 

Zwei Jahre darauf hat sich dieses Verhältnis neuerdings 
zu Ungunsten der Bürgerlichen verschoben. Eine amtliche Tabelle 
aus dem Jahre 1736 5 ) weist folgende Zahlen aus: 
Bürger 3345 



Dekretisten 

v Störer a 

Kaiserl. Livreebediente 

Unter der Universität . 

Unter der „Stadt-Quardia" 



3126 
2941 

976 6 ) 



L ) Gratisten hießen die Inhaber anzünftiger (freier) Gewerbe. 
(Ebend.) 

2 ) Jene Gewerbsleute, die unter der Jurisdiktion der Universität 
standen, übten zumeist einen Künstlerberuf aus; unter den 18 Univer- 
sitätshandwerkern des Jahres 1734 gab es 5 Bildhauer, 3 Maler und 
7 Kupferstecher (ebend.). 

8 ) Darunter 128 Bader, 35 Barbierer, 97 Bäcker, 90 Bildhauer, 
40 Kaffeesieder, 190 Maler, 174 Perückenmacher, 1400 Schneider, 
1314 Schuster, 30 Schulmeister (15 Bürgerliche, 2 Dekretisten und 
13 „Störer"), 119 Weber, 500 Tischler, 122 Schlosser, 214 Gold- 
arbeiter etc. 

4 ) Darunter 320 Krämer, 315 Tandler, 39 Greisler, 109 Kräut- 
lerinnen, 248 Brotsitzer (Gratisten), 41 Obsthändler, 65 Hühner- 
händler etc. 

5 ) Beil. 4 zum Referat vom 12. August 1741: Summarium aller 
Mitte Juni 173G in und vor der Stadt befindlichen Professionisten und 
Gewerbsleute; das Summarium ist aus der Dekretisten- und Störerliste 
gezogen, weshalb jene Professionen, bei denen keine Dekretisten und 
Störer vorkommen, darin nicht berücksichtigt sind. 

6 ) Die große Zahl der handwerktreibenden Soldaten und Livree- 

31* 



84 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeits Verfassung. [474 

„\Arsenalisten a ..... 105 

„Piquenirer" ...... 35 

Hofbefreite 301 

Summe . . . 10.829 (Handwerker 
und Handelsleute). 

Gegenüber der außerordentlichen Vermehrung der nicht- 
zünftigen Betriebe verwandelt sich die absolute Zunahme der 
bürgerlichen Gtewerbeunternehmungen in einen relativen Rück- 
gang; ihr Anteil beträgt jetzt kaum 309%« Ein Vergleich der 
Zahlen aus beiden Jahren 1 ) ergibt folgende Tabelle: 

1734 1736 
Zahl der Betriebe 9.013 10.829 (+ 1816 = 20 %) 

3.345 (+ 386 = 13 %) 
7.484 (+ 1430 = 23-6%) 
2.941 (+ 752 = 34-3%) 
301 (+ 45 = 17-6%) 
3.126 (— 58 = 1-8%) 
Bloß die Zahl der unbefugten n Störer a erfuhr einen Zu- 
wachs über dem Durchschnitt von 20% 5 a U e übrigen Gruppen 
blieben dahinter zurück. Die Zahl der Dekreter hatte sogar um 
1*8% abgenommen, was darauf zurückzuführen ist, daß seit 1732 
keine neuen Schutzdekrete mehr erteilt wurden 3 ). Auch die Zahl 



davon zünftig 


2.959 


nichtzünftig 


6.054 


„Störer" 


2.189 


Hofbefreite 


256 


Dekretisten 


3.184 



bedienten bedeutet wohl keine effektive Zunahme, sondern dürfte auf 
das Bestreben der Regierung zurückzuführen sein, diese Kategorien durch 
ausdrückliche Erlaubniserteilungen den Dekretern gleichzustellen und so 
zugleich dem Interesse des Fiskus und den Angriffen der Zünfte Rech- 
nung zu tragen. Tatsächlich verweist die subdelegierte Hofkommission 
in Handwerkersachen in einem Originalbericht vom 13. März 1726 
mehrere Hofdiener, wie Leiblakaien, Trabanten, Hartschierer, Hofdamen, 
Bediente, Reitknechte u. dgl., die sich weigerten, für ihren Gewerbe- 
betrieb ein Schutzgeld zu entrichten, auf das Störerdekret vom 12. April 
1725, das für alle Professionisten Geltung habe, die weder den bürger- 
lichen Zünften noch den Hofbefreiten einverleibt seien (Ms. im Arch. 
des Min. des Innern im selben Faszikel). In der erwähnten Tabelle von 
1734 sind diese beiden Gruppen nur zum Teil berücksichtigt. 

*) Schätzungen aus früheren Jahren, wie diejenigen Bechers für 
das Jahr 1674 (s. S. 16) oder wie die eines „Verzeicbnuß deren 
hier in Wien befindlichen Handtwerchs, Gewerb und Professionen etc." 
(Ms. nach Hatschek, a. a. 0., S. 5, in der Münchner Hofbibliothek), 
wonach die Zahl der Wiener Handwerker im Jahre 1702 ca. 3700 
betragen hätte, können wegen ihrer Unvollständigkeit, resp. Ungenauig- 
keit nicht in Rechnung gezogen werden. 

2 ) Referat der Hofkanzlei vom 12. August 1741. 



475J Fabrik und Verlag. 85 



• 



der Hofbefreiten wurde in den nächsten Jahren, wo es nur mög- 
lich war, reduziert, so daß sie bis zum Jahre 1741 bereits auf 
227 gesunken war 1 ). 

2. Fabrik und Verlag. 

Von der Schaffung zunftfreier Kleinbetriebe nach dem Vor- 
bilde der Wiener Freimeisterschaften war man allgemach sichtlich 
zurückgekommen. Hatte sich einmal der Staatswille als oberstes 
Geltungsprinzip in wirtschaftlichen Fragen durchgesetzt, so war 
ja in der Tat die Beibehaltung der staatlich beaufsichtigten 
Zünfte, die sich zugleich in vieler Hinsicht als ein zeitweiliges 
Gebot der Staatsraison darstellte, ganz und gar unbedenklich. 
Dagegen hatte sich unter den Gesichtspunkten des Umfanges, 
der Bestimmung und der Organisation der Warenerzeugung immer 
deutlicher eine andere Scheidung vollzogen, die den bereits 
keimenden Gegensatz zwischen Klein- und Großbetrieb zum 
Ausdruck bringt: die Scheidung zwischen den zünftigen „Pro- 
fessionisten a auf der einen und den unbezunfteten „Manufakturen 
und Fabriken" auf der andern Seite. Wie rasch diese Entwick- 
lung vor sich ging, beweist die Tatsache, daß schon im Jahre 
1711, also kurze Zeit nach der Herausgabe der ersten „Privilegia 
privativa", ein Regulativ erlassen werden mußte, das auf den 
Modus bei der Systemisierung der neuen Betriebe Bezug nimmt. 
Es ist dies eine Resolution unter dem Titel: „Instruction und 
Ordnung für unser Kay. Commercien Collegium, wie daßselbe 
hinführo die das. (igen) Commercien^ betrefende materien von 
unsertwegen fürnehmen, handien und verrichten solle. u 2 ) Danach 
sollten „Privilegia privativa" für den zunftfreien Gewerbebetrieb 
nur dann erteilt werden, wenn die einzuführende Manufaktur in 
dem betreffenden Erbland bis dahin noch nicht üblich gewesen 
war, wenn sie ferner einen starken Verlag und die ausschließ- 
liche Unterordnung der Arbeitsleute unter die Direktion des 
Verlegers erforderte. 

Durch diese letztere Bestimmung wurde die neue Art von 
Betrieben zugleich nach ihrer sozialbiologischen Seite hin aufs 
allerschärfste gegen die Zunftinstitution abgegrenzt. Die Zunft, 
die mit ihren Wurzeln in dem religiös-sozialen Kulturboden der 



x ) Ebend. 

2 ) Ms. im Hofkammer-Archiv, Alt. 4743, Kommerz 1749—1769 
Nr. 1. 



86 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeite Verfassung. [476 

mittelalterlichen „Zucht" haftete, hatte eine gewerbliche Produk- 
tion nur unter der Voraussetzung der sozialen „Einung tt gestattet. 
Über dem einzelnen Handwerksgenossen stand als richtung- 
gebende und wirtschaftsordnende Gewalt bloß die Satzung der 
Zunft. Soziale Differenzierung und Vermögensunterschiede konnten 
zwar gelegentlich eine ungleiche Handhabung des Zunftrechts bewir- 
ken *) ; ein Überordnungsverhältnis auf rein kapitalistischer Grund- 
lage war im Bereiche der Zunftverfassung prinzipiell unmöglich 2 ). 
Indem jedoch der merkantilistische Staat den kapitalistischen 
Unternehmer nicht nur durch weitgehende, wenngleich bedingte 
Privilegierung dem Zunftrecht gegenüber sicherstellt, sondern 
überdies jenes rein kapitalistisch begründete Überordnungs- 
verhältnis durch ausdrückliche Verzeichnung — vielleicht zum 
erstenmale ! — sanktioniert, gibt er Kunde von dem fundamentalen 
Umsturz, dem inzwischen der Begriff der Arbeit und die Arbeits- 
tätigkeit selbst unterworfen worden war. Dem bürgerlichen Hand- 
werker, dem nur die Berufsgenossenschaft Lebenszweck und 
Richtung gab, trat nun der dienstbare Manufakturist und Fabriks- 
handwerker gegenüber, der sich, freiwillig oder gezwungen, den 
Zwecken des Industrie- und Handelskapitals unterordnete 3 ). 



1 ) S. S. 8. 

2 ) Ein Fall von verlagsähnlichem Verhältnis zwischen Handwerks- 
meistern — der Grazer Hofschlosser Emmelle (1725 — 1750) beschäftigt 
nicht nur die Arbeitskräfte seiner eigenen Werkstatt, sondern überdies 
je einen Meister in Graz und Obersteiermark (Otto v. Zwiedineck- 
Südenhorst, Das Schlossergewerbe in Graz, in den „Sehr, des Ver. 
f. Sozialpolitik", LXXI. Bd., Lpz. 1896, S. 225) — ist wohl damit zu 
erklären, daß der Betreffende als Hofschlosser eben kein echter Zunft- 
angehöriger, sondern eher eine Art „eingekaufter" Freimeister gewesen 
sein dürfte. Übrigens wurde der Vorgang, als er den übrigen Meistern 
bekannt wurde, von Seiten der Zunft beanständet und mit Strafe belegt. 

8 ) Ihre offizielle Festlegung erfährt die neue Betriebsweise erst 
in den Instruktionen vom 4. Jänner und vom 12. Okt. 1754, die aus- 
drücklich zwei Arten von Gewerben unterscheiden: die „Polizei-" und 
die „Kommerzialgewerbe". Die epsteren, von „Professionisten" ausgeübt, 
stehen unter der Leitung der vereinigten Hofkanzlei und haben vor- 
nehmlich den Lokalbedürfnissen Rechnung zu tragen. Zu den letzteren, 
die der Leitung der Hofknmmer unterstellt sind, gehören alle jene Ge- 
werbe, deren Erzeugnisse sich vornehmlich zum Betriebe einer Kaufmann- 
schaft intra vel extra provinciam eignen, im allgemeinen also jene 
Betriebe, aus denen sich später die „Manufakturen und Fabriken" ent 
wickeln, wenn auch der Umfang ihrer Produktion, abgesehen etwa von 
der Montan- und Textilindustrie, für den Anfang ein bescheidener ist. 
(Rizzi, a. a. 0., S. 97.) 



477] Fabrik und Verlag. 87 

Mit der zähen Kraft tiefeingewurzelter sozialer Instinkte 
revoltiert die einheimische Bürgerschaft gegen diese gefahr- 
drohende Wendung. Ihr Unwille richtet sich in erster Linie gegen 
das zumeist ausländische Unternehmertum, dem zuliebe jener 
Keil einer kapitalistischen Arbeitsorganisation in die alte einheit- 
liche Handwerksverfassung getrieben worden war. Zahlreiche 
Gewerke hatten in ihre Ordnung Bestimmungen gegen die Ein- 
wanderung fremder Gewerbetreibender aufgenommen. Die Mehr- 
zahl der ausländischen Handwerker, denen in Wien das Bürger- 
recht zuerkannt wurde, bestand aus Reichsdeutschen 1 ); andere 
Nationen waren in kaum nennenswerten Zahlen vertreten — dies 
zu einer Zeit, wo in Preußen die Einbürgerungen französischer 
R^fugies bereits in die Hunderttausende gingen 2 ). Auch dem 
ausländischen Maschinenwesen stand man noch auf lange Zeit 
mißtrauisch gegenüber. Eine „General-Tabella" über alle Tuch- 
macher in Böhmen, ihren Aufenthaltsort, die Zahl ihrer Werk- 
stühle, sowie die Quantität und Qualität ihrer Tucherzeugung 
weiß bloß einen einzigen Werkstuhl nach holländischer Art an- 
zuführen 8 ). Begünstigte der Staat ein Fabriksunternehmen, so 
mußte im Patent zumeist ausdrücklich auf die zu gewärtigende 
Gegnerschaft der Zünfte Bedacht genommen werden. So erklärt 
das Patent vom 14. November 1713 bezüglich der „Spiegel- 
Fabrika" zu Neuhaus, daß die bei der Fabrik beschäftigten Per- 
sonen nicht belästigt und, welcher Nation sie immer angehören 
mögen, nicht weggeschafft werden dürfen 4 ). Die Linzer Stadt- 
repräsentanz verbietet den Bürgern und Einwohnern, Arbeiter 
oder Beamte der Linzer Schafwollwarenfabrik bei sich zu be- 
herbergen. Ja, sie überredet sogar den Dechanten, keinen Arbeiter 
zu trauen, so daß die Compagnie sich schließlich gezwungen 
sieht, einen Teil der verheirateten Arbeiter zu entlassen und den 
ledigen das Heiraten zu verbieten 5 ). Zu einer feierlichen Rechts- 
verwahrung gestaltete sich ein Gutachten der Reichenberger und 
Friedländer Tuchmacher vom 8. März 1713. Es handelte sich 



x ) S. S. 64, Anm. 2. 

2 ) Moritz Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a.a. O., 
IL Bd., S. 17. 

8 ) Zu KlÖsterle im Saazer Kreis (Pribram, das böhm. Kommerz- 
kollegium und seine Tätigkeit, a. a. 0., S. 278 ff.). 

4 ) Cod. Austr., III. T., S. 727 ff. 

5 ) Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der 
Industrie in Osterreich, a. a. 0., S. 57. 



88 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeitsverfassung. [478 

darum, ob dem Fabriksbesitzer Fremmrich in Planitz die Eröff- 
nung eines Lagers in Prag und anderwärts zu gestatten sei. Das 
Gutachten betont nun, Fremmrich habe schon mit der Errichtung* 
seiner Tuch- und Wollemanufaktur in Planitz keineswegs wohl- 
getan, sondern im Gegenteil „solches widerrechtlich, mithin cum 
jactura alterius et in praejudicium tertii angefangen und sträfflich 
unterfangen, in welchem eine sammentliche Zunft der Tuchmacher 
in diesem Königreich Böheim und wir arme Contribuenten nit 
allein hart gekränket, sondern auch solches Unterfangen unsere 

von uralten Zeiten her allergnädigst habenden Privilegien 

vermög welcher: Keiner, bevoraus aber Ausländer und unan- 
gesessene, keine gemeinen Anlagen tragende Privatpersonen, zu 
Schaden denen Tuchmachern sich einlassen und dadurch in 
ihrem Handel und Wandel bei Vermeidung dero kaiserlichen 
Zorns und Ungnaden, einigen Eintrag und Verhinderung 1 nit 
verursachen sollen, schnurstracks zuwiderlaufen thut." Von der 
Erteilung eines Privilegs an Fremmrich oder gar von einer 
Lizenz zur Errichtung noch weiterer Fabriken in Osterreich 
außerhalb Planitz könne gar keine Rede sein. Die Tuchmacher 
stellen daher an das Kreisamt das dringende Ersuchen, „hohen 
Orts gnädigst zu committiren und darob zu sein, damit dick- 
berührter Joh. Bapt. Fremmrich mit seinem Gesuch und aufrichten 
wollender Manufactur — darwider wir ein- vor allemal solen- 
nissiine protestiren — nit allein abgewiesen, sondern auch die 
zu Planitz bereits unberechtigt unterfangene Fabrik gänzlich 
abgeschafft und wir armen Handwerksleute in diesen schweren 
Zeiten unsre Nahrung ohne dergleichen Turbirung ruhig ge- 
nießen, in widriger Entstehung aber — wie wir nit hoffen — 
nit gänzlich verderbet werden möchten." J ) Tatsächlich wurde 
das Gesuch Fremmrichs nur teilweise genehmigt. Mangel an 
Arbeit zwang ihn bald darauf, den Fabriks betrieb gänzlich ein- 
zustellen ; er verließ das Land, um anderweitig seinen Unterhalt 
zu suchen 2 ). 

Es ist sehr bemerkenswert, daß auch die Regierung, wenn- 
gleich unausgesprochen, die herrschende Anschauung von der 
Inferiorität der Fabriksarbeit zu teilen scheint. War doch im 
Jahre 1681 die neuerfundene Bandwebemaschine sogar von Reichs 



x ) Hall wich, Die erste Fabrik in Reichenberg, Reichenb. 1869 
S. 4 f. 

2 ) Ders., Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb., S. 358. 






479] Fabrik und Verlag. 89 

wegen verboten und das Verbot noch 1719 wiederholt worden 1 ). 
Nicht minder charakteristisch ist die bei den Verwaltungsbehörden 
beliebte Verquickung von Fabriks- und Zuchthausfragen. Der 
Bericht der böhmischen Statthalterei vom 5. August 1717 2 ) spricht 
die Erwartung aus, daß die Einführung der feineren Tuch- 
manufaktur in Böhmen insbesondere mit Hilfe eines projektierten 
„armen -Waisen- undt Arbeitshauses" möglich sein werde. Noch 
deutlicher tritt der erwähnte Zusammenhalt in der Denkschrift 
der innerösterreichischen Kammer von 1721 8 ) zu Tage. Die 
Kammer hält dafür, daß dem herrschenden Elend und Müßig- 
gang durch Errichtung einer Tuchfabrik abgeholfen werden 
könne, die zugleich ein Zwangsarbeitshaus sein müßte. Arme 
arbeitsfähige Leute seien „in kundtbahrlichem Ueberfluß" vor- 
handen. Im ersten Jahre solle man bloß versuchsweise 1000 Stück 
Soldatentuch erzeugen. Bei dieser Arbeit könnten etwa 150 bis 
200 Arme beschäftigt werden. Es sei also notwendig, diese Anzahl 
von Arbeitern unter den Grrazer Straßenbettlern „aufzufangen 
und einzusperren", die andern würden wahrscheinlich aus Furcht 
„retiriren", die Stadt wäre von der schweren Bürde der Vaganten 
gesäubert und die Bürger würden sicherlich ihre Dankbarkeit 
durch reichliche Beiträge für das Fabriksunternehmen bekunden. 
Auch die Hofkammer und die Herrschaften sollten ihre bisher 
für die Bettler bestimmten Summen der Fabrik zuwenden. Ja 
für so verdienstvoll hält die Denkschrift das geplante Zwitter- 
werk, daß sie beantragt, zu seiner Fundierung „Extraordinari- 
Sammlungen" in den Gnadenorten und Kirchen, bei den in Graz 
wohnhaften Kavalieren, Prälaten, Räten, Offizieren und Bürgern 
zu veranstalten und sogar die Pfarrer, Advokaten und Notare 
anzuweisen, allen jenen, die ihr Testament machen wollen, die 
Tuchfabrik bestens für ein Legat zu empfehlen. Das Fabriks- 
gebäude müsse übrigens gemauert und mit Mauern umfaßt sein, 
damit das schlechte Gesindel nicht ausbrechen könne 4 ). — Wenn 
also die innerösterreichische Kammer das Arbeitermaterial für 



x ) Mascher, a. a. 0., S. 441 f.; vgl. auch In am a-Sternegg, 
Die^ volkswirtschaftlichen Folgen des dreißigjährigen Krieges, a. a. 0., 
S. 87 f. 

2 ) S. S. 56, Anm. 2. 

8 ) 8. S. 63, Anm. 2. 

4 ) Das Arbeitshaus wurde jedoch erst unter Maria Theresia ein- 
gerichtet (Franz Mart. Mayer, Die Anfänge des Handels und der 
Industrie in Österreich, a. a. 0., S. 64 ff.). 



90 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeits Verfassung. [480 

die projektierte Fabrik von vornherein ausschließlich aus der 
Masse der deklassierten Bevölkerung erwartet, so zeigt sie damit, 
daß sie sich des klaffenden Gegensatzes zwischen zünftiger und 
staatsbehördlich organisierter Fabriksarbeit ganz und gar bewuüt 
ist. Zugleich aber acceptiert sie den neuen Arbeitsbegriff und 
sucht ihn zu verallgemeinern, indem sie den Zünften zumutet, 
die Meister der Fabrik für „ehrlich" zu halten und ihnen das 
Recht zuzuerkennen, auch ihrerseits Meister und Gesellen zu 
kreieren; ähnlich wie Friedrich I. von Preußen im Patent vom 
10. November 1716 den Gewerken befiehlt, auch solche junge 
Leute als Gesellen aufzunehmen, die das „Raschmachen" im 
Zuchthause erlernt hätten 1 ). 

Tatsächlich bestand das Fabrikspersonal zumal der staat- 
lichen und herrschaftlichen Betriebe im ganzen und großen aus 
Unfreien, aus Leuten, die ihr bürgerliches Selbstbestimmungs- 
recht entweder verloren oder noch nicht gewonnen hatten. 
Zuchthäusler, Vagabunden, Bettler und Waisenknaben werden um 
geringes Entgelt oder ohne jede andere Vergütung als drn 
nackten Lebensunterhalt zur Arbeit herangezogen ; in den herr- 
schaftlichen Fabriken vollends wurde die Arbeit der Untertanen 
einfach als robotmäßige Pflicht gefordert 2 ). Etwas günstiger 
gestaltete sich, wenigstens bezüglich der Lohnverhältnisse, bloß 
die Lage der industriell geschulten Meister und Vorarbeiter 8 ); 



*) Mor. Meyer, Gesch. der preußischen Handwerkerpolitik, a. a. O., 
II. Bd. S. 24. 

2 ) Vgl. Schlesinger, a. a. O., S. 139 f. 

3 ) Durch Wilhelm v. Schröder (Fürstliche Schatz- und Rente 
kammer, Ausg. v. 1704, Lpz., S. 67 ff.) sind uns einige Daten über die 
Lohnverhältnisse zweier Industriezweige: der Kappelmacherei und der 
Zeugmach erei ; überliefert. In beiden arbeiten die Gesellen auf Stücklohn. 
Die Kappelmacher verfertigen „grüne gekrausete käplein u ; aus 1 qu- 
Wolle werden 330 gemacht, der Geselle bekommt für das Hundert 1 fl. 
20 kr. nebst Kost, der Meister verkauft das Hundert um 20 fl. Da ein 
Geselle in der Woche 100 — 120 Stück anfertigt, so stellt sich sein 
wöchentliches Einkommen auf 1 fl. 20 kr. bis 1 fl. 44 kr. nebst Kost. 
Weniger günstig sind die Lohnverhältnisse bei den Zeugmachern. Die 
Bearbeiter der langen Wolle erhalten vom Pfd. 1 Gr. (3 kr.), die der 
kurzen Wolle 2 kr. samt Kost ; der Wochenverdienst beträgt 1 fl. 5 kr., 
resp. 84 kr. nebst Kost. Am schlechtesten sind die Garnspinner bestellt^ 
die es wöchentlich auf höchstens 36 kr. (nebst Kost) bringen. — Die 
herrschaftliche Tuchfabrik zu Oberleutensdorf bezahlte im Jahre 1736 
insgesamt 1935 fl. an Besoldungen. Der Verwalter als oberster Leiter 
bezog 130 fl., der Kontrolleur 120 fl., der holländische Spinnmeister 



481] Fabrik und Verlag. 91 

aber auch hier drückt die teilweise Naturallöhnung den Lohn- 
wert herab und deutet in jedem Falle auf eine Verschärfung des 
Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Unternehmer und dem 
Arbeitenden hin. 

Die bezeichnete Wandlung des Arbeitsbegriffes hatte sich 
schon zu Beginn der Neuzeit im Übergang vom Zeitlohn zum 
Stücklohn angekündigt, dessen Einführung einen wesentlichen 
Schritt auf dem Wege zur Ausbildung der Hausindustrie und 
des Verlagssystems darstellt. Das Verlagswesen erfreut sich von 
Seiten des Staates und der Obrigkeiten einer ganz besonderen 
Begünstigung. Hier bot sich, über die Schwierigkeiten groß- 
kapitalistischer Industriegründungen hinweg, die nächste Gelegen- 
heit zur Anlage und Förderung von Exportindustrien. Die 
böhmischen Grlashandlungscompagnien, Vereinigungen von kleinen 
Verlegern und Meistern auf zunftähnlicher Grundlage, dehnen 
ihren Handel bis nach Portugal aus und erregen durch die 
bedeutende Verbilligung der Glaswaren die Opposition der Glas- 
hüttenmeister, die sich nun ihrerseits zu Rechtsverbänden zu- 
sammenschließen 1 ). Vieler Orten sucht man mit staatlicher Bei- 
hilfe das Tucherhandwerk in den Dienst des Verlagsgeschäftes 
zu zwingen. So hatte eine kaiserliche Kommission, die im Jahre 
1722 zur Beilegung von Zunftstreitigkeiten in Iglau zusammen- 
getreten war, auch in dieser Stadt eine „Woll- und Tuch-Sozietät" 
ins Leben gerufen (1725). Sie war nach dem Muster der im 
Jahre 1592 gegründeten Iglauer „Tuch-Kompagnie" errichtet-, nur 
sollten jetzt nicht bloß Iglauer, sondern auch Handwerker aus 

172 fl., der deutsche Spinn meister 70 fl. Von Arbeitslöhnen findet sich 
keine Spur (Schlesinger, a.a.O., S. 139 f.). — Gelegentlich der 
Übernahme einer Nadel- und Drahtzugfabrik zu Lichtenwörth bei Wiener- 
Neustadt durch das k. k. Hof]tollegium der Münz- und Bergwesens- 
direktion macht ein Ausweis vom 23. April 1751 folgende Angaben 
Aber die Besoldungen und Kostgelder des Fabrikspersonals: In der 
Nadlerei erhält der Verwalter nebst freier Wohnung und Brennholz 
jährlich 300 fl., der Nadlermeister samt 2 Söhnen und einer Tochter 
800 fl. nebst den genannten Naturalien, 4 Nadlergesellen erhalten je 
30 kr. Wochenlohn nebst Kostgeld (ä 10 kr. per Tag), Zimmer und Bett, 
26 Lehrbuben — arme Spitalknaben — erhalten je 2 kr. täglich und 
Kost für 6 kr. per Tag, ein armer italienischer Lehrjunge genießt nur 
dieses Kostgeld. Von den Drahtzugarbeitern erhalten der Meister 
wöchentlich 5 fl. nebst Wohnung und Brennholz, die 4 Drahtzieher- 
gesellen wöchentlich zusammen 2 fl. nebst Zimmer und Bett (Ms. im 
k. k. Hofkammerarchiv, Alt. 4747, Kommerz 1749 — 1756, Nr. 5/1). 
*) Schebek, a. a. 0., S. 357 ff., 365 ff. 



92 Kampf der Zünfte gegen die neue Arbeits Verfassung. [482 

andern Orten an der Compagnie teilnehmen können. Die Tuch- 
macher, besonders die wohlhabenderen unter ihnen, versuchten 
gegen die geplante Einschränkung ihrer Selbständigkeit zu 
protestieren. Sie wendeten insbesondere ein, daß der Wollepreis, 
der an die Sozietät zu entrichten war, auf Grund eines mono- 
polistischen Privilegiums erhöht, dagegen der frühere Tuchpreis 
beibehalten werden solle. Wie ernst die Behörden diesen Wider- 
stand nahmen, geht daraus hervor, daß sie zu militärischen 
Repressalien griffen, um ihn zu brechen. Man ließ in der Nacht 
des 30. Juli 1726, angeblich zur Unterdrückung eines drohenden 
Tuchmacheraufstandes, insgeheim 136 Mann vom althannschen 
Regiment bei den Stadttoren ein, ließ die Haupt- und Torwachen 
besetzen und die Verdächtigen unter den Tuchmachern in ihren 
Betten verhaften. Die zwei Haupträdelsführer transportierte man 
auf den Brünner Spielberg, etliche Weiber in die öffentlichen 
Zwangsarbeitshäuser und sperrte die Stadt auf einige Tage. Bei- 
nahe zwei Monate lang blieb die fremde Besatzung in Iglau. 
Unter ihrem Schutze wurde die neue Einrichtung ins Werk 
gesetzt und überdies die, wie man behauptete, allzu freiheitliche 
Ordnung der Tuchmacher vom Jahre 1725 zum Nachteile des 
Handwerks abgeändert 1 ). 

Mit der Einführung des Verlagssystems hatte auch die 
Frauen- und Kinderarbeit ihren Anfang genommen. Neben den 
armen Meistern, „ Störern a und Gesellen drängen sich nun auch 
in großer Zahl deren Angehörige zur Hausindustrie 2 ). Sogar in 
den bürgerlichen Werkstätten hatte die kärglich entlohnte Frauen- 
arbeit unter dem entschiedensten Proteste der Zunftgenossen 
gelegentlich Eingang gefunden 3 ). 



*) K. Werner, a. a. 0., S. 113 ff. 

2 ) Hörnigk führt als nachahmenswertes Beispiel die Anneberger 
Spitzenindustrie an, die in einem Gebiet von 8 — 10 Meilen ungefähr 
10.000 Weiber und Kinder beschäftige, von denen jedes wöchentlich 
12 — 16 Groschen verdiene; setzt man nur 10 Gr. an, so ergäbe dies 
einen jährlichen Gesamtlohn von 350.000 Rh. fl. (Österreich über alles, 
a. a. Ö., S. 268 f.) 

3 ) Um die Frauenarbeit einzuschränken, beschlossen die Reichen- 
berger Tuchmacher im Jahre 1654, den Spinnerinnen für das Ver- 
spinnen eines Stückes Garn nicht mehr als 6 kr. zu geben; Dawider- 
handelnde sollten ohne Ausrede 4 Wochen des Handwerks müßig gehen 
und mit allen ihren Leuten feiern (Hübner, a. a. 0., S. 57 f.). Wegen 
der Anstellung oder Zulassung weiblicher Arbeitspersonen wurden die 
Wiener Nndler von den Regensburgern und die Käppelmacher in der 



483] Der Gesellenstand. 93 



V. Der Gesellenstand. 

Dieselben Ursachen, die den Zerfall der alten zünftigen 
Organisation und ihre Umbildung in die mannigfachen neuen 
Erwerbstypen hervorriefen, hatten auch im Gesellenstand eine 
tiefgreifende und überaus folgenschwere Differenzierung bewirkt : 
seine Umwandlung in den Arbeiterstand xat' lioyrp — ein 
Prozeß, der bereits im 13. Jahrhundert seinen Anfang nimmt 1 ), 
dessen Ergebnis aber erst im 17. Jahrhundert mit dem Beginn 
der kapitalistischen Industriepolitik deutlich zu Tage tritt, in 
jener Periode der geschichtlichen Entwicklung also, deren 
sozialer Inhalt in der Auflösung und Verdinglichung aller 
gesellschaftlichen Bildungen und ihrer Unterordnung unter den 
Zweck des Staatsganzen zu suchen ist. Der Geselle war nicht 
mehr wie früher der junge Handwerker, der sich dem Meister 
in der sicheren Hoffnung zugesellte *), dereinst ebenfalls zum 
Meisterrecht zu gelangen. Behördliche Autorität und mit der 
zunehmenden Konkurrenz der Arbeitskräfte auch die materielle 



Oberlausitz von den Böhmen und Schlesien* als „unehrlich 41 erklärt 
(Moritz Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. 0., IL Bd., 
S. 179 f., Beil. Nr. 84, Bericht der preuß. Gesandten Brand u. Graeve 
vom 25. Dezember 1725). 

*) Bruno Schoenlank, Soziale Kämpfe vor 300 Jahren. Alt- 
nürnberger Studien. Lpz. 1894, S. 1 ff. u. Art. „Gesellenverbände"* 
im Handwörterbuch der Staats Wissenschaften, IV. Bd. 1900, S. 182 tf. 

2 ) Das etymologische Moment ist in dem ganzen Zusammenhang 
von Fragen, die sich an die historische Wandlung des Arbeitsbegrifles 
knüpfen, von größter Bedeutung. Man vergleiche z. B., wie aus dem 
Begriff des „Handwerks" (ahd. hantwerah, mhd. hantwerc und antwerc) 
der Bestandteil antwerc (= machina, Werkzeug) mit der Zeit fast völlig 
entweicht, um dem andern Bestandteil hantwerc (= artificiura) Platz zu 
machen (Jak. und Wilh. Grimm, Deutsches Wörterbuch, I. Bd., Lpz. 
1854, S. 507, IV. Bd., 2. Abt., Lpz. 1877, S. 423 ; vgl. S. 119, Anm. 7). — 
Der inhaltliche Gegensatz der beiden wurzelverwandten Begriffe „Zunft" 
und „Zuchthaus" wurde bereits gelegentlich implicite angedeutet. 
(S. S. 35 ff., 63, 89 f.). — Wenn nun Schoenlank („Soziale 
Kämpfe vor 300 Jahren," a. a. 0., S. 2) von dem Bestreben spricht, 
„die Gesellenschaft für einen stetig wachsenden Perzentsatz der Arbeiter 
aus einem bloßen Übergangszustand in einen dauernden Zustand zu ver- 
wandeln", so ist damit das Richtige wohl gemeint aber nicht zum 
Ausdruck gebracht ; natürlich sollte nicht der Zustand der Gesellen- 
schaft an und für sich, sondern bloß das Merkmal ihrer wirtschaftlichen 
Unselbständigkeit beibehalten werden. 



94 Der Gesellenstand. [484 

Not trieben den Gesellen ebenso zur Arbeit, wie sie den „ Störer a 
zwangen, dem Zunfthandwerker das Brot streitig zu machen. 

1. Das Arbeitsverhältnis. 

Vor allen andern Faktoren äußert sich hier wieder die 
modifizierende Kraft der erstarkten Staatsgewalt, die sich das 
Recht anmaßt, den Gesellenstand als eine gesonderte, dem Zunft- 
verband in vielen Beziehungen entrückte Körperschaft unter 
seine bevormundende Obhut zu nehmen. In der „Mißbrauchs u - 
verordnung vom 9. Dezember 1689 wird mit Bezug auf die 
Beschwerde, daß die Gesellen, weil man deren nicht jederzeit 
genügend haben könne, ihren Meistern vorschreiben, wie sie im 
Essen und Trinken traktiert werden sollen, als Norm aus- 
gesprochen: die Gesellen sollen so gehalten werden, daß sie 
keinen Grund haben, sich zu beschweren oder sich an andere 
Orte zu begeben x ). Die Bestimmung könnte beim ersten Anblick 
als gesellenfreundlich gelten ; sie ist jedoch im Grunde eine bloße 
Wiederholung der bezüglichen Bestimmung im Augsburger 
Reichsschluß von 1548 2 ) und wie diese schon durch den Mangel 
jeglicher Strafandrohung völlig belanglos. Der wahren Anschau- 
ung der Behörden wie der Öffentlichkeit gibt Becher in seinem 
Referat von 1674 3 ) Ausdruck, wenn er über das „leidige 4 ) 
Gesindt undt handtwercksbursch" Klage führt, „so sich in ihrem 
Preiß übernehmen, Von dem Meister nicht gut genueg im Eßen und 
Trincken tractirt werden können, und so man sie nur mit einem 
krummen Wort anredet, schelten, verschwehren, auf Einmal alle 
aus der Arbeit gehen, rottiren sich und dörffen wohl gar nach 
dem Gewehr greiffen." „Diese Handwercksbursch nun" fährt er 
fort, „deren in denn Kay. Erblanden auf die 40.000, geben 
Ewer Kay. Maj. nicht einen heller, als was sie indirecte* an dem 
Aufschlag auf Speiß und Tranck contribuiren, zihen hingegen, 
daß bare gelt, ja gleichsam dem Meister daß Mark auß den 
Beinen herauß, tragens auß dem Land, und so lang sie in dem 
Land seind, muß Man gleich wohl sie zu defendiren Sich so- 
wohl Ihrer als anderer wegen annehmen und kostbare Land- 
defensiones unterhalten. Wäre also auch hierauf zu reflectiren, 



1 ) Cod. Austr., I. TV, S. 458 ff., P. 18. 

2 ) W. Stieda, Art. „Zunftwesen" im Handwörterbuch der Staats- 
wissenschaften, VI. Bd., 1894, S. 878 ff. 

8 ) A. a. 0., 1. Kap. 

4 ) Spätere Korrektur: „ledige." 



485J Das Arbeitsverhältnis. 95 

wie solcher Leut insolentz zu refraeniren und auf was für con- 
ditiones solche in Ewer Kay. Maj. Erblanden zu dulten und 
darinnen Arbeit finden möchten." — Die Trennung des Gesellen- 
standes von der Zunftorganisation, seine bloße Bewertung als 
Arbeits- und Steuerfaktor im großen Staatskörper erscheint hier 
mit aller Deutlichkeit ausgesprochen. 

Aber es lag dennoch im Interesse der staatlichen Ordnung, 
dem Meister gegenüber dem Gesellen einen „vernünftigen und 
heilsamen Zwang" *) zu gestatten. Diese Erkenntnis war, neben 
fiskalischen Rücksichten, das gewichtigste Motiv für die Erhal- 
tung der Zunftinstitution 2 ). Für Übertretungen im Arbeitsver- 
hältnis enthalten die Handwerksordnungen zumeist ausführliche 
Strafbestimmungen 8 ). Als ein vortreffliches Mittel zur Diszipli- 
nierung des „ledigen Gesind" wie der Handwerksburschem em- 
pfiehlt Becher die Werk- und Zuchthäuser 4 ) ; die Handwerks- 
leute könnten sich daraus ihr Gesinde und ihre Gesellen nehmen 
und brauchten sich mit den „liederlichen Handwercks-Bursch" 
nicht so zu plagen, „welche versoffene Narren nichts können, 
als sich auff ihre Handwercks-Gerechtigkeit beruffen und ihre 
Meister trutzen" und denen auf diese Weise „die Flügel nicht 
wenig beschnitten" würden ). In ähnlichem Sinne ist auch die 
Instruktion vom 24. Juli 1671 bezüglich des neuen Wiener 
Zuchthauses gehalten. 

l ) So formuliert diese Notwendigkeit der Reichsschluß vom 4. Sep- 
tember 1731, Art. 2. 

3 ) Von diesem Standpunkt aus beurteilt auch der mehrfach ge- 
nannte böhm. Kammersekretär Borschek die Frage der Zunftaufhebung, 
indem er in seinem Gutachten von 1699 dagegen anführt, es würde in 
diesem Falle das „ohnedem insolente mechanische Gesindel mit ihren 
numerosen Gesellen und Lehrjungen — als gesetzt in denen Präger 
Städten die Mälzer — unmöglich zu bändigen, sondern man immerfort 
exemplo Holl- und Engeland in nächster Gefahr eines motus universalis 
sein, wohingegen sie jetzo noch ziemlichen einzuhalten und bei ein und 
des änderten Gesellen Exzess demselben auch abwesender, soweit die 
Zunftscommunication reichet, beigekommen und er in seiner Profession 
gestecket werden kann" (Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und 
«eine Tätigkeit, a. a. 0., S. 52). 

8 ) Die Strafen bestanden aus Leistungen in Geld oder Wachs; 
nach der Radkersburger Müller-Hand Werksordnung von 1650 (Art. 18) 
stand dem Meister gegenüber dem Gesellen, der die Vorschriften beim 
Mahlen übertrat, sogar das Recht der körperlichen Züchtigung (des 
„Hobelns") zu (Gomilschak, a. a. O., S. 51 ff.). 

4 ) Becher, Politische Discurs, a. a. 0., S. 244 ff. 

5 ) Ebend., S. 246. 



96 Der Gesellenstand. [486 

Die Beschränkungsmittel der Zunft gegen Außenstehende 
kehrten sich zwar mit voller Wucht auch gegen den Gesellen- 
stand; aber alle jene Bestimmungen, die aus den Jahrhunderten 
der beginnenden Übervölkerung (13. — 16. Jahrhundert) datierten: 
die Begünstigung der Meisterkinder, die Einführung eines kost- 
spieligen und zeitraubenden Meisterstücks (seit der zweiten 
Hälfte des 14. Jahrhunderts), die Erhöhung des Einkaufsgeldes, 
die Geschlossenheit der Zünfte, die Wanderpflicht (seit dem 
15. Jahrhundert) und die Mutjahre l ) verloren an Bedeutung, je 
mehr der Zunftcharakter des Gesellenstandes abhanden kam, je 
größer die Zahl der Gesellen geworden war, die auf ihr Lohn- 
verhältnis endgültig ihren Lebensunterhalt gründeten. Fragen 
der Arbeitsbedingungen traten nunmehr in den Vordergrund. 

Die Gesellenlöhnung hatte bereits mit der Einführung des 
Stücklohns, der darauf berechnet war, das materielle Interesse 
des Arbeitenden an die Quantität der erzeugten Ware zu binden, 
eine entschieden antisoziale Richtung genommen. Aber auch die 
allgemeine Tendenz der Löhne war fast kontinuierlich eine 
sinkende. Die „Preisrevolution" des 16. und 17. Jahrhunderts 
mit ihrem Gefolge von Preisschwankungen 2 ), die systematisch 
betriebene Münzverfälschung, die noch lange über die Kipper- 
und Wipperzeit hinaus andauerte 8 ), und nicht in letzter Linie 
die starke Bevölkerungsvermehrung drückten den Lohnwert 
beharrlich herab. Der stark verminderten Kaufkraft des Geldes 
entsprach die geringe Steigerung der Löhne nur in unvollkom- 
mener Weise 4 ). Überdies kamen tatsächliche Reduktionen vor, 



1 ) Schoenlank, Art. „ Gesellenverbände u im Handwörterbuch der 
Staatswissenachaften, IV. Bd., 1900, S. 182 ff. 

2 ) Die Meinung Fr. Wilh. Stahls (Das deutsche Handwerk, 
T. u. einziger Bd., Gießen 1874, S. 276), die teilweise Naturallöhnung 
sei in jener Zeit der Preisschwankungen sowohl für den Meister als fin- 
den Gesellen von Vorteil gewesen, wäre nur dann stichhältig, wenn es 
feststünde, daß die Meister und Fabriksunternehmer jenen Preisschwan- 
kungen bei der Bemessung des Naturallohnes keine Rechnung trugen. 

8 ) So berichtet das „Wiener Diarium" (Nr. 33) unterm 
24. November 1703: „Ingleichen wurden heunt Abends von Ober-Oester- 
reich 4 Manns- und 3 Weibs- Persohnen allhier gefänglich eingebracht, 
welche vielerley Sorten falsch Geld gemacht haben, die aber sambt denen 
andern falschen Müntzern, allhier schon sitzen, schlechten Lohn davon 
bekommen werden." 

4 ) Wiebe, a. a. 0., S. 174 ff.; Mor. Meyer, a. a. 0., I. Bd., 
S. 26 f.; Georg Schanz, Zur Gesch. der deutschen Gesellen verbände, 
Lpz. 1877, S. 134 f. 






487J Das Arbeitsverhältnis. 97 

die mit der notwendigen Rücksichtnahme auf den Meister und 
die Konsumenten begründet wurden, wie denn überhaupt das 
Bestreben nach Festsetzung eines Maximallohnes vorherrschte. 
Schon eine landesfürstliche Resolution vom Jahre 1352 verordnet 
bei Strafe von 5 Pfd. Wr. Pfennigen einen Taglohn von 5 r 
höchstens 6 Pfennigen x ). Ebenso bestimmt die „Policey Ordnung 
und Satzung" für Wien vom 19. Dezember 1527, daß der Tag- 
lohn der Hauer und Arbeiter die festgesetzte Taxe nicht über- 
steigen dürfe 2 ). Am 13, August 1563 ergeht ein Erlaß gegen 
die übermäßigen Lohnforderungen der Bindergesellen in Wien; 
dürfe doch der Meister selbst von einem Bürger nicht mehr als 
8 Kreuzer des Tags nehmen 3 ). Mit der Begründung, daß die 
früheren Satzungen von 1640 und 1656 nicht eingehalten worden 
seien, ergeht am 17. Juni 1661 neuerlich eine „Taglohnsatzung" 
für die Maurer, Zimmerleute und Tagewerker. Trotz der wohl- 
feilen Zeiten, heißt es dort, steigern sich die Ansprüche der 
Gesellen ins Unerschwingliche. Es werden also für die genannten 
Kategorien Arbeitszeit und Arbeitslohn festgesetzt 4 ), mit dem 
ausdrücklichen Bemerken jedoch, daß diese Satzung „einiger 
Staigerung im geringsten nit wil Ursach geben", so daß sie für 
ungünstigere Lohnverhältnisse nicht gilt. Die Übertreter der 
Satzung, die mehr geben, fordern oder nehmen, haben eine 
bedeutende Geldstrafe zu entrichten. Stehen die Gesellen wegen 
des Lohnes auf, so sollen sie für unehrlich gehalten, „auch 
endlichen als trutzige Gesellen nach Beschaffenheit der Sachen 
mit Leibs-Straff belegt und an das Creutz gespannt werden." 
Die Satzung wurde in der folgenden Zeit je nach dem Stande 
der Lebensmittelpreise wiederholt erhöht oder erniedrigt ) und 

x ) Alex. Grigl, Gesch. der Wr. Marktordnungen, a. a. 0., S. 230. 

2 ) Franz Eulenburg, Das Wr. Zunftwesen, a. a. 0., S. 73. 

3 ) Cod. Austr., IL T. f S. 365 f. 

4 ) Die Arbeitszeit dauerte zwischen Greorgii- und Michaelistag 
(23. April bis 29. September) mindestens von 4 Uhr früh bis 7 Uhr 
abends und von Michaelis bis Greorgii vom Beginn des Tags bis Sonnen- 
untergang; im „großen" Sommer wurden 3, im Frühling und Herbst 2 
und im Winter 1 Feierstunde gewährt. Der Taglohn des Maurer- und 
Zimmergesellen betrug in den genannten Zeiträumen 17 (15), der de& 
„Pallirs" 19 (16), der des Mörtelrührers 13 (11) und der des Tag- 
werkers 12 (10) kr., der des Zi egeldeck ergesellen 33 kr. Der Meister 
erhielt vom Bauherrn für jeden Gesellen den „Meistergroschen" (3 kr. ; 
Cod. Austr., II. T., S. 324 ff.). 

5 ) So am 9. September 1661, 10. März 1662, 13. März 1668, 
14. Juli 1670 (ebend.). 

Wiener staatawiss. Studien. IV. Bd., 3. Heft. 32 



98 Der Gesellenstand. [488 

durch die Ordnung vom 31. Mai 1673 auch außerhalb Nieder- 
österreichs, zumal in Böhmen und Mähren eingeführt 1 ). In der 
„Neuen Satzung und Ordnung" vom 21. Juni 1689, die sich 
„wider den wucherlichen Gewinn und Lohn" richtet, zeigen 
diese Lohnkategorien im Verhältnis zu 1661 eine absolute 
Steigerung 2 ), dagegen im Verhältnis zu 1686, wo die Löhne in 
Wien einen Höhepunkt erreicht hatten 3 ), einen fast noch größeren 
absoluten Rückgang 4 ). In den folgenden Jahrzehnten, in der Zeit 
der zunehmenden Bevölkerungsdichtigkeit also, blieben die Löhne 
stationär 5 ). Auch in den zahlreichen Verordnungen über den 
„ Weingart s-Baulohn a kommt das Streben nach Maximallöhnen 
zum Ausdruck 6 ) ; auch hier wird wieder sowohl der Bauherr, der 
die Satzung überschreitet, als auch der Arbeiter, der einen 
höheren als den bedungenen Taglohn „erpreßt", strenge bestraft 7 ), 
dies selbst dort, wo eine höhere Arbeitsleistung vorliegt 8 ). 



l ) Als Löhne wurden festgesetzt: für den Polier 20 kr., für den 
Maurer- und Zimmergesellen 18 kr., für den Mörtelrührer 13 kr., für 
den Ziegeldeckergesellen 33 kr. und für den Tagwerker 12 kr. Auf dem 
Lande wurden durchgehends 2 kr. weniger bezahlt. Repetiert wurde die 
Ordnung am 11. April 1680 und am 19. August 1685 (ebend.). 

*) Der Lohn eines Maurer- und Zimmergesellen in Wien und 
4 Meilen Wegs um die Stadt betrug nach der Neuen Ordnung vom 
21. Juni 1689 von Georgii bis Michaelis (resp. umgekehrt) 24 (21) kr., 
der eines Poliers 27 (24) kr. und der eines Tagwerkers 15 (14) kr. 
(Cod. Austr., III. T., S. 290 ff.). 

3 ) Durch die Ordnung vom 12. März 1686 für denselben Greltungs- 
bezirk wurde der Lohn des Maurer- und Zimmergesellen für den Sommer 
mit (höchstens) 33, für den Winter mit (höchstens) 30 kr. festgesetzt 
(Cod. Austr., II. T., S. 328 f.). 

4 ) Bis zur Satzung von 1689 wurden diese Löhne noch öfters 
reduziert, so am 17. April 1687, am 14. Jänner 1688 und später (ebend.). 

5 ) Die Satzung von 1689 wurde noch in den Jahren 1705, 1711 
und 1712 wiederholt (Cod. Austr., III. T., S. 627 f., 661). 

6 ) Die Weingartenordnung vom 31. August 1666 setzt als Lohn 
für einen Mann im Sommer 16, im Winter 15 kr. fest, für ein Weib 
oder einen Buben 10 und 9 kr. „Ehrentrunk, Jausen und Nachtessen 
geben u wird mit Strafe bedroht (Cod. Austr., II. T., S. 425). Weitere 
Verordnungen datieren vom 27. Februar 1687 und vom 9. November 
1696 (Cod. Austr., III. T., S. 396 f.). 

7 ) Cod. Austr., III. T., S. 519, Ordnung vom 8. Juni 1706. 

8 ) Cod. Austr., IV. T., S. 124, Ordnung vom 22. Jänner 1723. 
Es wird darin mißfällig vermerkt, „daß theils Clöster und andere aus- 
wendige Weingartsinhaber, damit ihre Weingarten vor andern gut und 
schleunig gepflogen würden," die Satzung überschreiten. Dies wird 
neuerlich bei Strafe verboten. 



489J Das Arbeitsverhältnis. 99 

Der gesteigerten Betriebsamkeit des Gewerbelebens fiel 
in der Regel auch ein alter Brauch zum Opfer, der im 
Mittelalter als Schutzmittel gegen aufreibende Überarbeit gedient 
hatte: der „blaue Montag". Frühere Verordnungen gegen diesen 
Brauch, wie sie die „Neu Pollicey und Ordnung der Handt- 
wercher u vom Jahre 1527 oder das „Generale" vom 12. Novem- 
ber 1571 *) enthielten, waren wirkungslos geblieben. Der dreißig- 
jährige Krieg hatte zwar den montäglichen „Badgang" der 
Gesellen beseitigt, nicht aber den Feiertag selbst 3 ). Die Hand- 
werkerordnung von 1661 begnügt sich noch damit, den Vorgang 
•zu charakterisieren und seine Abstellung zu fordern 3 ). Die 
Oesellen, heißt es dort, setzen die Arbeit an Werktagen aus und 
verbringen den Tag mit Müßiggehen, Essen, Trinken und gegen- 
seitiger Verführung, wobei dennoch der ganze Wochenlohn von 
<len Meistern gefordert wird, „was sie den ,blauen Montag* 
nennen." Erst in der Erneuerung dieser Ordnung (9. Dezember 
1689) 4 ) geht die Behörde zum direkten Angriff über. Es wird 
verfügt, daß der Geselle bei halbem Werktagsversäumnis den 
halben, bei ganzem den ganzen Wochenlohn verlieren solle ; der 
Meister soll davon jenen Betrag, der ihm für die versäumte Zeit 
gebührt, abziehen und den Rest in die Lade legen, der Geselle 
aber in der Arbeit fortfahren. Bei Widersetzlichkeit oder gar 
Ausstand soll er durch den Rumorhauptmann oder Profoßen, auf 
-dem Land durch den Gerichtsdiener, angehalten werden, die 
versäumte Zeit in Band und Eisen auszudienen. Entläuft er, so 
«oll er von keinem Meister im Lande mehr aufgenommen und 
befördert werden ö ). Doch erzielte auch diese Verordnung keinen 
praktischen Erfolg ; noch im Jahre 1770 mußten Verbote gegen 
■den „blauen Montag" erlassen werden 6 ) und in einzelnen Zunft- 
privilegien wurde er sogar ausdrücklich gestattet. So darf nach 
der Ordnung der Radkersburger Schlosser-, Messerschmied- und 



*) Cod. Austr., I. T., S. 462. 

2 ) Schoenlank, Soziale Kämpfe vor 300 Jahren, a. a. O., 
S. 72 f. 

8 ) Cod. Austr., I. T., S. 458 ff., P. 16. 

4 ) Ebend. 

5 ) Ebend. 

6 ) Stahl, a. a. O., S. 325 ff. In Wien hatte man schon im 
Jahre 1550 versucht, den „blauen Montag" durch Umwandlung des 
Wochenlohnes in Taglohn auszumerzen; allein die betreffende Verord- 
nung hatte sogar auf die ständigen Taglöhnerkategorien, wie Stein- 
metzen und Maurer, keine Wirkung auszuüben vermocht (ebend.). 

32* 



100 Der Gesellenstand. [490 

Btichsenmacherinnung der „Blaumontag a von 2 Uhr an gefeiert 
werden 1 ). Ebenso läßt die Radkersburger Schneiderordnung 
den „Blaumontag a alle 14 Tage zu, falls in die Woche kein 
anderer Feiertag fällt 2 ). 

Hatte in diesem Punkte die Halbheit der merkantilistischen 
Praxis vielfach zur Erhaltung eines alten Gesellenvorrechts bei- 
getragan so schlug sie in einem andern Falle, in der Frage der 
Arbeitskündigung, zum Nachteil des Gesellenstandes aus. Die 
nivellierende Tendenz einer konsequent merkantilistischen Gewerbe- 
politik kommt in den Colbertschen Reglements von 1669 zum Aus- 
druck, wo für den Meister wie für den Gesellen die einmonatliche 
Kündigungsfrist normiert wird 8 ). Im österreichischen Arbeits- 
vertrag überwiegt noch für lange Zeit das Meisterrecht. Anläß- 
lich eines Streitfalles zwischen den Wiener bürgerlichen Meistern 
und Gesellen wegen der von den Meistern aufgebürdeten 14-tägigen 
Kündigung ergeht am 19. August 1701 eine Resolution an die 
niederösterreichische Regierung, wonach auf deren Rat den 
Meistern eine 8-tägige, den Gesellen jedoch nur eine 14-tägige 
Kündigungsfrist eingeräumt wird 4 ). Noch weiter geht die 
Radkersburger Schneiderordnung von 1728. Kein Geselle darf 
danach eigenwillig vor 14 Tagen aus der Arbeit treten ; entlassen 
kann ihn der Meister hingegen jeden Tag 5 ). 

2. Gesellenverbindungen und Gesellenkämpfe. 

Während jene große Masse von Arbeitern, die in den neu- 
geschaffenen Industriebetrieben verwendet werden konnten, ihrer 
ganzen Herkunft und Bestimmung nach von vornherein aus der 
Sphäre sozialer Selbstbetätigung so gut wie ausgeschaltet oder 
mindestens in sozialer Beziehung indifferent war, hatte sich im 
zünftigen Gesellenstande, der sich immerhin noch einer freieren 
Beweglichkeit erfreute, der alte Geist der Widerspenstigkeit und 
des Aufruhrs gegen Meister und Behörden stets wach erhalten* 
Der Interessengegensatz zwischen den Meistern und Gesellen 
war bereits im 14. Jahrhundert in den interlokalen Gesellen- 



x ) Gomilschak, a. a. 0., S. 51 ff., erneuertes Privilegium von 
1665, Art. 7. 

2 ) Ebend., S. 62, erneuertes Privilegium von 1728, Art. 10. 

3 ) Nur bei Unfähigkeit des Gesellen genügten 8 Tage, Farnam^ 
a. a. 0., S. 33. 

4 ) Cod. Au str., III. T., S. 333 f. 

5 ) Gomilschak, a. a. 0., S. 64, Art. 29. 



491] Gesellenverbindungen und Gesellenkämpfe. 101 

verbänden deutlich zu Tage getreten, die sich als Gegengewicht 
gegen die interlokalen Zunftkartelle der Meister herausgebildet 
hatten 1 ). Mit der allmählichen Umbildung des Gesellenstandes 
in den Arbeiterstand hatten auch die urwüchsigen Berufsorgani- 
sationen der Gesellenbruderschaften und Gesellenzechen immer 
bestimmter den Charakter von Interessengliederungen an- 
genommen. Die alte Trinkstube, die „Uerte", der ehemalige 
Schauplatz fröhlichen Lebens und Treibens, war zur Herberge 
geworden — eine sozialbiologisch sehr bezeichnende Wandlung "). 
Die örtliche Gesellenorganisation verfolgte nun hauptsächlich 
<len Zweck, auf die Arbeitsvermittlung Einfluß zu nehmen, den 
■arbeitslosen oder arbeitsunfähigen Mitgliedern zeitweilig Unter- 
kunft zu bieten und die ankommenden Gesellen freizuhalten. 
Die Kontrolle über das Herbergenwesen steht dem Meister- 
verbande zu, dessen sich der Staat nun immer offenkundiger als 
seines Aufsichtsorganes bedient. Eine Resolution vom 10. Juni 
1677, die den Wiener Goldschmiedgesellen die Gründung einer 
Almosenbüchse gestattet, fügt die Einschränkung bei, daß ihre 
Zusammenkünfte und „Besitzung der Laad a nur dann erlaubt 
sein sollen, wenn bei jeder Zusammenkunft 2 Meister (1 Hof- 
befreiter und 1 Bürgerlicher) zugegen sind 3 ). Den Gesellen der 
Iglauer Tuchscherer wird im Jahre 1667 die Bitte, eine eigene 
'Gesellenzeche errichten zu dürfen, von ihren Meistern sogar rund- 
weg abgeschlagen. Die Tuchknappen appellierten an den Rat, der 
unterm 28. Juli 1669 aus diplomatischen Gründen in ihr Be- 
gehren willigte; seine Absicht war, die streitbare Tuchmacher- 
zunft, deren Widerstand gegen die Unternehmungen der Iglauer 
Kaufherren ihm sehr mißfallen hatte, numerisch zu schwächen. 
Notgedrungen gab nun die Zunft ebenfalls ihre Zustimmung, 
zumal, da eine Gesellenauswanderung zu befürchten stand 4 ). 
Tatsächlich war ein derartiger Schritt der Gesellenschaft 
geeignet, ganze Industrien lahmzulegen. Dies zeigte sich 1687 in 
Zittau, wo die Tuchmachergesellen wegen der Nichtbewilligung 
ihrer Organisation auswanderten und so die Meister, die vor dem 
Ruin standen, zur Nachgiebigkeit zwangen 5 ). Ein ähnlicher Fall 



1 ) Schanz, a. a. 0., S. 28 ff. 

2 ) Schoenlank, Art. „Gresellenverbände" im Handwörterbuch 
<ler Staatswissenschaften, a. a. 0., S. 185. 

3 ) Cod. Austr., L T., S. 447. 

4 ) Werner, a. a. 0., S. 83 ff. 

5 ) Mas eher, a. a. 0., S. 341. 



102 Der Gesellenstand. [492* 

ereignete sich 1722 in Reichenberg. Die dortigen Leinweber- 
gesellen, die gleich den Friedländischen unter allen Hilfsarbeitern 
zuerst die Anerkennung ihrer Bruderschaft durch die Meister 
errungen hatten und über einen ziemlichen Grad von Selb- 
ständigkeit verfügten, protestierten gegen die Überwachung ihrer 
„Bruderlade a durch 2 Meister-Alteste und verlangten die Ab- 
setzung ihres Herbergsvaters, dem sie vorwarfen, daß er es mit 
den Meistern hielte. Es kommt zu stürmischen Auftritten. Die 
Gesellen ziehen unter Mitnahme ihrer Lade aus der Städte 
Militär wird aufgeboten, sie zur Arbeit zurückzuzwingen. Da 
fliehen sie über die sächsische Grenze nach Burkersdorf. Erst 
nach Verlauf eines Jahres, da man alle ihre Forderungen 
bewilligt und jedem von ihnen Straflosigkeit und Arbeit zu- 
gesichert hat, kehren sie zurück und erhalten nun sogar die 
Erlaubnis, jene Gesellen, welche sich ihnen nicht angeschlossen 
hatten, zu bestrafen 1 ). 

Das „Schelten" und „Auftreiben" der Gesellen bedeutete 
für den ungestörten Wechsel des Arbeitsortes ein beträchtliches 
Hemmnis. Die behördlichen Verbote stießen allenthalben auf 
passiven Widerstand. Zum offenen Aufruhr kam es aber, als der 
Versuch gemacht wurde, die indirekte Einflußnahme des Gesellen 
auf die Arbeitsvermittlung durch die Wohlverhaltungszeugnisse 
der Meister zu beseitigen und so der meisterlichen Autorität zum 
vollständigen Siege zu verhelfen. Ein kaiserliches Dekret vom 
23. November 1712 ordnete an, daß zur Einführung besserer 
Mannszucht unter den Wiener Schuhknechten sowie zur Bei- 
legung ihrer Streitigkeiten mit den Meistern gedruckte Zettel 
über das Wohlverhalten der Schuhknechte, die sogenannten 
„Kundschaften" 2 ), eingeführt werden sollen. Trotz der verhängten 
Strafen (körperliche Züchtigung, Anschlagen des Namens am 
Galgen, Landesverweisung, Kondamnierung zu Band und Eisen, 
Verschickung auf die Grenzhäuser und Übergabe an die Werber) 
wurde die Annahme der „Kundschaftszettel" beharrlich ver- 
weigert und die Arbeit niedergelegt. Auch die verschärften 



x ) Hallwich, Reichenberg und Umgebung, a. a. O., I. Halbb. r 
S. 363 ff. 

2 ) Die Bemerkung Mor. Meyers (Gesch. der preußischen Hand- 
werkerpolitik, a. a. 0., IL Bd., S. 47), daß das Wort im sächsisch- 
polnischen Entwurf zur Reichsgewerbeordnung (1725) zum erstenmal 
vorkomme, könnte also höchstens für den Verlauf der Reichs Verhand- 
lungen als zutreffend gelten. 



493] Gesellenverbindungen und Gesellenkämpfe. 103 

Edikte vom 4. und 26. Juli 1713 *) hatten keinen Erfolg. Am 
15. Februar 1715 ergeht eine neuerliche Verordnung. Die Schuh- 
knechte, heißt es da, seien ungeachtet der gegen die Wider- 
spenstigen vorgekehrten „ scharfen Exemplifikationen" abermals 
in den Ausstand getreten, rottieren sich zusammen und halten 
gefährliche Zusammenkünfte, ziehen in Müßiggang herum und 
verüben gegen Meister und arbeitende Gesellen „höchst straf- 
bare Thätigkeiten", locken andere, die ihnen nicht anhangen 
wollen, an sich, traktieren sie solang mit Prügel, bis sie sich 
betreffs der „Kundschaftszettel" anschließen und bedrohen die- 
jenigen, die sich die „Kundschaftszettel" bereits einhändigen 
ließen. Es wird ihnen also anbefohlen, die Arbeit binnen 3 Tagen 
wieder aufzunehmen, u. zw. bei Androhung von Verhaftung und 
Kriminalprozeß, Leibes- und Lebensstrafe. Die Wirte, Gastgeber 
und andere sollen ihnen bei schwerer Strafe keinen Unterstand 
geben 2 ). 

Eine Zeit der schärfsten Maßregelungen brach über den 
Gesellenstand herein. Am 8. März 1718 fiel eines der letzten 
Rechte der Wiener Handwerksgesellen: der Brauch des Degen- 
tragens im Sonntagsstaat wurde aus Anlaß vorgefallener Exzesse 
abgeschafft 3 ). Hingegen erbauten die niederösterreichischen 
Stände, wohl mit Rücksicht auf die stattgefundenen Unruhen, 
im Jahre 1721 auf ihre Kosten in der Leopoldstadt eine Kaserne 
für ein Kavallerieregiment; zur Aufrechterhaltung der öffent- 
lichen Ruhe und Sicherheit wurden mehrere Pikette desselben 
zwischen der Stadt und den Vorstädten aufgestellt'). Schon im 
darauffolgenden Jahre brach neuerlich ein Aufstand der. Wiener 
Schuhknechte aus 5 ), den die Regierung mit blutiger Strenge 

x ) Cod. Austr., III. T., S. 692, 713 f. 
3 ) Ebend., S. 784. 

3 ) Nach Franz Tscliischka, Geschichte der Stidt Wien, Stutt- 
gart 1847, S. 365 f. — Das Verbot des Waffentragens wurde aus 
dem gleichen Anlasse auch in Schlesien verfügt (nach S t a h 1, a. a. 0., 
S. 291). 

4 ) Ebend., S. 366. 

ö ) ßidermann (Die technische Bildung im Kaisertume Oster- 
reich, a. a. 0., S. 19) betont mit Recht, daß die sozialpolitische Seite 
dieses Aufstandes bisher fast gänzlich übersehen worden ist. Hall- 
wich (Reichenberg und Umgebung, a. a. 0., I. Halbb., S. 366 f., 
Anm. 47) registriert die Ansicht Bidcrmanns mit der Behauptung, er 
lege den damaligen Aufständen überhaupt eine zu große Bedeutung 
bei. Demgegenüber muß jedoch bemerkt werden, daß gerade Hallwichs 
sonst so inhaltsreiche und darum immerhin schätzenswerte Darbietungen 



104 Der Gesellenstand. [494 

unterdrückte; 2 der Aufruhrer wurden hingerichtet 1 ). Auf diese 
Vorgänge bezieht sich das Patent vom 20. Juni 1722 „wegen 
der widerspenstigen Handwerks-pursch und deren Bestraffung" . 
Das Patent hebt hervor, es sei schon öfter hinterbracht worden, 
daß die Handwerksburschen sich nicht allein ihren Meistern, 
sondern auch der kaiserlichen Obrigkeit „freventlich widersetzen" , 
die aufgestellten Ordnungen nicht einhalten und „wan sie darzue 
Verhalten werden wollen, oder sonst einem gesellen was zue stehet, 
nicht allein zugleich Selbsten auß der arbeit außstehen, sondern 
auch die in der Arbeit Verbleibende Mitgesellen mittels verbottener 
Scheltung auß denen Werckstädten vertreiben, sich zusammen 
rottiren und solger gestalten ihren Ohnfueg durch Spörung der 
arbeit behaubten und an statt das Sye gsellen ihre vermeinte 
beschwärde bey der gehörigen obrigkeit anbringen und ihre 
außrichtung gezimmend erwartten, mit derlei aufrühren ihr ver- 
langen mit truzen und bochen erzwingen wollen." Es folgen die 
üblichen Strafandrohungen, die Erneuerung des Scheltverbots 
und am Schlüsse die Verfügung, daß das Patent in die Meister- 
und Gesellenlade gelegt und alle Quartal sowie bei jeder Zu- 
sammenkunft vorgelesen werden solle 2 ). 

Indem die Gesellen sich gegen den vom Staat bevormun- 
deten Meister wandten, griffen sie zugleich die staatliche Auto- 
rität an. Was aber diesen Angriffen eine ganz besondere Bedeu- 
tung verlieh, war die Tatsache, daß sie in eine Zeit fielen, wo 
der Staat unter dem Drucke der allgemeinen Weltlage aufs leb- 
hafteste damit beschäftigt war, sich nach außen und innen hin 
wirtschaftlich zu konsolidieren. Die geänderten Wirtschaftsver- 
hältnisse hatten den Mangel einer passenden Arbeitsorganisation 
aufgedeckt und in vielen Fällen bereits zu Abbröckelungen von 
der Machtsphäre der Zunftinstitution geführt; die Gesellen- 
aufstände aber lieferten dem Staat den Vorwand, an die innere 
Organisation der Zunft selbst Hand anzulegen, die durchgehende 
Einheit der volksgenossenschaftlichen Berufsgliederung durch 
eine gemeinsame Aktion der merkantil istischen Regierungen 
endgültig zu beseitigen. 



an einer gewissen Einseitigkeit leiden, indem sie die Frage des „indu- 
striellen Aufschwungs" allzusehr in den Vordergrund rücken. 

*■) Tschischka, a. a. 0., S. 366. 

2 ) Ms. im Arch. des Min. des Innern, IV. F. 28. Gewerbe in 
genere, N.-Öst. 1522—1749. 



495] Territoriale und Reichs-Gewcrbereform. 105 



VI. Territoriale und Reichs-Gewerbereform. 

Wie der Staat den alten Verband der Zunftgenossen- 
schaften lockerte und so den einzelnen Meister in erhöhtem 
Maße den Schwankungen der Erwerbsverhältnisse preisgab, so ent- 
kleidete er auch den Gesellen seines Zunftcharakters, nahm ihm sein 
.gefährliches Verbindungsrecht und seine Gerichtsbarkeit und reflek- 
tierte ausschließlich auf seine Eigenschaft als Arbeiterindividuum, 
^ine Entwicklung, die bereits durch die individualisierende Wirkung 
■des eingedrungenen römischen Rechts vorbereitet worden war 1 ). 
Nichts ist bezeichnender für die auflösende und mechanisierende 
Tendenz des innerpolitischen Merkantilismus als das Aufkommen 
•des Prinzips der gewerblichen Kumulation oder Kombination, wie 
es insbesondere in der Gewerbegesetzgebung Preußens zu Tage 
tritt. Friedrich Wilhelm I. bringt gelegentlich seine Meinung 
über die Sache in drastischer Weise zum Ausdruck, indem er 
^iuf eine Eingabe des Berliner Generalkommissariats vom 
23. Februar 1718, die sich im allgemeinen für die Beibehaltung 
der geschlossenen Zünfte ausspricht, in einer Randnote entgegnet, 
daß es in Holland, Brabant, Frankreich und England, wo keine 
Zünfte bestünden, bessere Arbeiter gebe als in Deutschland und 
sodann fortfährt: „Die Innung kan ich im Reich nit aufheben, 
^aber das kan ich tuhn, das ich lasse Mester werden sonder geldt 
jzu zahlen und lasse arbeitten wer will, So wie es hier unter die 
Franzosen ist, heute ist er ein Becker, Morgen wirdt er ein 
«trumpf Stricker gesell und so weitter." 2 ) Eines der Hauptmerk- 
male des späteren Maschinenzeitalters, der Verzicht auf die 
berufliche Qualifikation des Produzenten, kündigt sich hier 
bereits deutlich an. Zugleich aber lag es im Wesen der merkan- 
tilistischen Bevölkerungspolitik, eine möglichst große Zahl von 
Arbeitskräften für die einheimische Industrie zu gewinnen, 
solcher Arbeitskräfte freilich, denen die Waffe der interlokalen 
Organisation so gut wie völlig entwunden sein mußte. Daher 
das unaufhörliche Drängen Preußens nach einer gemeinsamen 
Beschlußfassung aller deutschen Territorien gegen die Handwerker- 
„Mißbräuche u , wie es ja auch in der Frage des Reichsverbots 



x ) Otto Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, I. Bd., Rechts- 
geschichte der deutschen Genossenschaften, 1868, S. 647. 

2 ) Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. 0., 
II. Bd., S. 21. 



106 Territoriale und Reichs-Gewerbereform. [496« 

französischer Manufakturen die Initiative ergriffen hatte. In beiden 
Fällen aber war das Bestreben der preußischen Politik nur 
darauf gerichtet, die übrigen Reichsstände auf einen gemein- 
samen Beschluß zu binden, um sodann mit voller Energie den 
merkantilistischen Standpunkt des preußischen Staates zur Gel- 
tung zu bringen. 

In der Haltung Österreichs tritt diese aus der Doppelnatur 
der deutschen Wirtschafts- und Verfassungsverhältnisse resul- 
tierende Zwiespältigkeit der territorialen Interessen schon während 
der langwierigen Reichsverhandlungen über die Zunftreform aufs 
allerdeutlichste zu Tage. Den Wendepunkt bezeichnet das Reichs- 
gutachten von 1672. Bis dahin hält es die in wirtschaftlicher 
und verwaltungstechnischer Beziehung noch wenig geklärte 
Politik der habsburgischen Hausmacht für ungefährlich, diese 
„schlechten Dinge" zur Sprache zu bringen; aus diplomatischen 
Gründen sucht sie den Gegenstand sogar möglichst lange auf 
der Tagesordnung festzuhalten. Von da ab jedoch führt Oster- 
reich durch sein passives Verhalten den völligen Stillstand der 
Verhandlungen herbei, um erst nach Verlauf von mehr als einem 
halben Jahrhundert, nachdem es auch innerhalb seiner eigenen 
Grenzen die Grundlagen einer merkantilistischen Politik ge- 
schaffen, den Reichsschluß auch tatsächlich zur Durchführung 
zu bringen. 

Die Notwendigkeit einer allgemeinen Zunftreform war schon 
in den Wahlkapitulationen von 1661 betont worden 1 ). Im Oktober 
des Jahres 1666, gelegentlich der Beratungen über das Münz- 
wesen, wurde beschlossen, die Regelung des Polizeiwesens, in 
dessen Bereich auch die Handwerkerangelegenheiten fielen, den 
speziellen Obrigkeiten zu überlassen. Es wurde bloß auf An- 
regung Straßburgs, Regensburgs und Nördlingens das Überein- 
kommen getroffen, den Reichskonstitutionen und besonders den 
Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1567 zur Anerkennung zu 
verhelfen 2 ). Im Mai des Jahres 1667 brachte jedoch Österreich 
und im Bunde mit ihm das Kurfürstenkollegium es dahin, daß 
die Angelegenheit dennoch in Beratung gezogen wurde. „Die 
Ursach," sagt Henniges 3 ), der brandenburgische Vertreter auf 

*■) W. Stieda, Art. „Zunftwesen" im Handwörterbuch der Staats- 
wissenschaften, 1894, 6. Bd., S. 878 ff. 

3 ) Ebend. 

3 ) Henniges, Meditationes ad instrumentum pacis Caesareo- 
Suecicum, spec. VII. 1706 ff., S. 1370 f. 



497] Territoriale und Reichs-Ge Werbereform. 107 

dem Reichstage, „mag gewesen seyn, damit die Fürstliche hie- 
durch von der Capitulation divertiret würden, umb derer vor- 
nehmen und Ausmachung dieselbe in die Churfürstliche so 
eyfferig und beständig drangen, diese aber solche delicate materie 
gerne durch tractirung anderer von sich abgewelzet wissen 
möchten, in der Hoffnung, daß wan man ein mahl sich mit Ein- 
richtung einer Polizey-Ordnung werde occupiret haben, dieses 
abermahl ein Arbeit von mehr dann 1 oder 2 Jahren sein 
dörffte: und werde man nachgehends nicht gerne liegen lassen, 
was man angefangen, ehe es ausgemachet, wie mit dem Müntz- 
Wesen auch geschehen." Auch die Reichsstädte, in denen sich der 
zünftige Einfluß besonders stark geltend machte 1 ), waren für 
sofortige Beratung. Allmählich accommodierte sich daher auch die 
fürstliche Bank, „zu mahlen es die Directoria heimblich gerne sahen," 
welch letztere besorgten, es würden auch Materien zur Sprache 
kommen, deren Verhandlung man am liebsten noch verschoben 
oder ganz ausgeschaltet wissen wollte. Wurde doch von einigen 
die Beratung des „punctus Justitiae" und der Reichs-Hofrats- 
Ordnung gefordert, womit Osterreich keineswegs einverstanden 
war ; es ließ auch ausdrücklich verlauten, daß es damit noch zu 
früh sei. Der Einwand Magdeburgs, daß dieser Punkt schon seit 
1613 zur Beratung stehe, bewog Osterreich erst recht, auf die 
Verhandlung der Polizeiordnung zu dringen. Es sollten jedoch 
nur 3 Punkte auf die Tagesordnung gesetzt werden: 1. „von 
Duelliren und Kugelwexeln," 2. „wie die Commercia in Römi- 
schen Reich wieder in bessern Stand zu bringen" und 3. „von 
Einrichtung der Zünfften und Abschaffung deren Mißbrauch." 2 ) 
Zum erstenmal wurde dieser dritte Punkt im Juli 1669 proponiert, 
wobei Kur-Brandenburg in beiden höheren Kollegien zur Er- 
wägung stellte, „ob nicht in Betrachtung der mannigfaltigen 
übermäßigen Excessen samt den daher entspringenden schädlichen 
consequentien entweder sothane Zünfte gänzlich zu cassiren oder 
doch wenigstens so genau zu coerziren, daß denen Ständen und 
Obrigkeiten die freye Macht und Gewalt, hierinnen zu ihrer 

x ) „Es kann im Zweifel niemand durch eineu andern Weg zur 
Ratsherrenstclle gelangen, als eben dadurch, daß er ein Mitglied einer 
Zunft und von derselben zum Ratsherrn erwählet werde" (Jak. Gott- 
lieb S i e b e r, Abhandlung von den Schwierigkeiten, in den Reichsstädten 
das Reichsgesetz vom 16. August 1731 wegen der Mißbräuche bei den 
Zünften zu vollziehen, Goslar und Lpz. 1771. Der Verfasser war Syn- 
dikus v. Goslar.) 

2 ) Henniges, a. a. 0., S. 1370 f. 



108 Territoriale und Reichs-Gewerbereform. [498 

Lande und Unterthanen AufFnehmen und Nutzen nach befinden 
zu verordnen, publica Imperii lege gegeben werde; Zumahlen 
ohne deme die Stände in denen den Zünften und Innungen er- 
theilten Privilegiis oder derselben contirmationen sich jedesmahl 
die Gewalt vorbehielten, solche entweder zu mehren, zu verringern 
oder gar zu cassiren 1 )". Die landespolizeiliche Gewalt wurde nicht 
mehr als ausreichend erachtet ; bei der interlokalen Erstreckung 
der zünftigen Machtsphäre konnte die staatliche Reglementierung 
des Handwerks nur auf der Grundlage eines Reichsgesetzes er- 
folgen. Diese Auffassung fand allgemeine Anerkennung. Dagegen 
behauptete sich gegenüber dem Vorschlag auf gänzliche Ab- 
Schaffung der Zünfte der besonders von Osterreich und Salzburg 
vertretene Grundsatz: „Maneat usus et tollatur abusus." Es 
wurde bloß beschlossen, zunächst den Städten einen Bericht ab- 
zufordern, der als Beratungsmaterial dienen sollte. Dadurch 
wurde die Angelegenheit abermals 2 Jahre verzögert, so daß 
erst am 29. Mai 1671 die Verhandlungen im Fürstenrate auf- 
genommen werden konnten. Wieder stellte Brandenburg, unter- 
stützt von Braunschweig-Celle und Braunschweig-Calenberg, den 
Antrag, die Zünfte aufzuheben. Als Osterreich und Salzburg 
opponierten, weil die Zünfte in allen Reichskonstitutionen immer 
wieder aufs neue bestätigt worden seien, schlug Brandenburg vor, 
es solle der Ortsobrigkeit anheimgestellt werden, jedem Bürger 
durch einen „Zettel" an die Zunftmeister den Handwerksbetrieb 
zu ermöglichen. Auch dieser Antrag, für den fast die ganze 
weltliche Fürstenbank stimmte, wurde abgelehnt. Dennoch wurden 
auf Betreiben Salzburgs die Verhandlungen im Plenum weiter- 
geführt und nach umständlichen Debatten, wobei es sich ins- 
besondere um die Frage der territorialen Hoheitsrechte handelte, 
kam endlich das Reichsgutachten vom 3. März 1672 2 ) zu stände, 
welches in einer Reihe von Bestimmungen die Autonomie der 
Meister- und Gesellenzünfte zu beseitigen sucht und dessen 
Haupttendenz dahin gerichtet ist, das zünftige Handwerk den 
Zwecken der merkantilistischen Industriepolitik endgültig dienst- 
bar zu machen. 

Das Gutachten enthält zwei Bestimmungen, deren gegen- 
seitiger Widerspruch von vornherein an der ernsten Absicht 
seiner Urheber zweifeln läßt. Während nämlich der Schlußsatz 



1 ) Ebend., S. 1403 ff. 

2 ) Ebend., S. 1538 f.; abgedruckt bei Job. Jos. Pachner, 
Sammlung derer Reichsschlüsse, I. T., Regensb. 1711, S. 554 ff. 



499] Territoriale und Reichs-Gewerbereform. 109 

die gleichmäßige Anwendung des Gesetzes in allen Territorien 
erwartet, bestimmt er zugleich, daß den Obrigkeiten, die von 
Kaiser und Reich Regalien besitzen, alle landesherrliche Gewalt, 
daher auch die Möglichkeit einer Änderung vorbehalten bleiben 
solle 1 ). Es war aber klar, daß die einzelnen merkantilistisch 
wirtschaftenden Territorien sich auf Grund dieser Gewalt wohl 
den Vorteil der angebahnten Gewerbefreiheit zuwenden, hingegen 
die nachteilige Wirkung, die eine Erhöhung der staatlichen 
Kontrolle auf den Zufluß industrieller Arbeitskräfte ausüben 
mußte 2 ), möglichst auf die konkurrierenden Nachbarländer über- 
wälzen würden. An eine gleichmäßige Anwendung der landes- 
herrlichen Macht war also schon aus diesem Grunde nicht zu 
denken. 

Während der ganzen vorhergegangenen Reichstagsverhand- 
lungen hatten die Vertreter Österreichs zwar eine zustimmende, 
in objektiver Hinsicht aber wenig zielbewußte Haltung ein- 
genommen, wie ja auch in der innern Politik der Erblande noch 
kein entscheidender Kurs vorhanden gewesen war. In den 70-er 
und 80-er Jahren tritt jedoch ein völliger Umschwung ein. Es 
ist, als ob Osterreich plötzlich zum Bewußtsein der Situation 
gekommen wäre. Nachdem es noch an dem Zustandekommen 
des Reichsgutachtens von 1672 regen Anteil genommen hatte, 
zieht es sich nun auf einmal von den Verhandlungen zurück 
und bringt auch in den folgenden Jahrzehnten den Bestrebungen 
nach Schaffung eines Reichsgesetzes kein sonderliches Interesse 
entgegen. „Und damit," sagt Henniges mit Hinweis auf das 
Reichsgutachten, „wurde auch diese Sache in so weit abgethan, 
daß bißhero hievon wenig mehr auff dem Reichstag gehöret 
worden ; ausser daß anno 1 680 verschiedene Stände, und insonder- 
heit Chur-Mayntz erinnern lassen, wie daß die bei denen Hand- 
werkern oder Innungen eingerissene Mißbrauch, excessen und 
insolentien hin und wieder im Reich mehr überhand als ab- 
nahmen." 8 ) Im Kommissionsdekret vom 23. Jänner 1681 4 ) ver- 
sprach zwar der Kaiser, nachdem er über Antrag Salzburgs am 
18. Oktober 1680 um Notifizierung des Reichsgutachtens und 
Hinausgabe desselben in Form eines Reichsedikts ersucht worden 

*) Diese Bestimmung war schon in der Reichspolizeiordnung von 
1548 enthalten gewesen. 

2 ) S. S. 43, Anm. 2. 

8 ) Henniges, a. a. 0., 1409 f. 

4 ) Pachner, a. a. O., II. T., S. 291. 



110 Territoriale und Reichs-Gewerbereforin. [500 

war 1 ), die eheste Ausfertigung der erforderlichen Edikte; allein 
die Angelegenheit blieb bis zum Reichsschluß von 1731 ohne 
Entscheidung. 

Die Reichstagsverhandlungen hatten vor allem klärend 
gewirkt; sie hatten gezeigt, welche Richtung Österreich in der 
innern Wirtschaftspolitik einzuschlagen hatte, um sich nicht nur 
wirtschaftlich, sondern auch politisch als deutsche Vormacht 
behaupten zu können. Schon die Handwerkerordnung vom 
9. Dezember 1689 bedeutete neben der mehr registrierenden als 
selbsttätig eingreifenden Resolution von 1661 2 ) einen entscheidenden 
Schritt im Sinne der merkantilistischen Grewerbepolitik. Zwar wird 
hier noch die Grundobrigkeit als erstrichterliche Instanz anerkannt ; 
doch tritt bereits der bevormundende Standpunkt des Staates gegen- 
über den Meistern und Gesellen sehr deutlich hervor und es zeigt 
sich insbesondere ein lebhaftes Bestreben nach Vermehrung der 
Arbeitskräfte durch Heranziehung solcher Bevölkerungsschichten, 
die bisher vom zünftigen Handwerk ausgeschlossen waren. Auch 
die Aufhebung der Zünfte wurde in Erwägung gezogen. Kurze 
Zeit nach dem Requisitionsschreiben von 1698 über den Geld- 
umlauf erging, wahrscheinlich auf Anregung des bereits genann- 
ten Hofkammerrats J. David v. Palm 8 ), der Befehl, Unter- 
suchungen über die Mängel des gewerblichen Zunftwesens an- 
zustellen 4 ). Das betreffende Hofdekret ordnet an, man möge die 
Stadt- und Marktmagistrate befragen, „ob und wie die Zunfften 
abzuschaffen oder wenigstens dergestalten, daß sie Keinem, der 
in einer Stadt oder Markht sich bürgerlich niederlassen und ein 
Handtwerk oder Gewerb treiben wolte, hindern oder in ihr 
Zunftgremium zu tretten necessitieren könnten, zu restringieren 
wären", „nachdeme in andern Königreichen und Republiquen die 
Zunfften entweder nit üblich oder doch nit also privilegiert 
seindt, dass derentwegen Keiner, der nicht zunftmäßig ist, zu 
arbeiten und sein Gewerb zu treiben befuegt sein sollte." 5 ) Die 
böhmische Statthalterei antwortet unterm 15. November 1699 mit 



x ) Ebend., S. 285 f. 

2 ) Beide Verordnungen im Cod. Austr., I. T., S. 458 ff. 

3 ) Nach Bidermann, Gesch. der österr. Geaamt-Staatsidee, 
a. a. 0., I. Abt., S. 113 f., Anm. 23. 

• 4 ) Bidermann, ebend., fand ein darauf bezügliches Hofdekret 
vom 13. März 1699 im Innsbrucker Statth.- Archiv. — Kopetz, 
a. a. 0., I. Bd., S. 19, erwähnt Akten im Prager Statth.-Arch. 

5 ) Bidermann, Gesch. der österr. Gesamt-Staatsidee, a. a. 0., 
II. Abt., S. 90 f., Anm. 13. 



501] Territoriale und Reichs-Grewerbereform. 111 

-einem Gutachten, worin sie ausführt, die Kassierung der Zünfte 
sei trotz der großen Mißbräuche bedenklich, „weilen dieselbe 
mit denen im römischen Reich stabilirten Zünften dermahlen eine 
unauflösliche Connexion haben" und bei Aufhebung der Zünfte 
die Gesellen beiderseits für untüchtig gehalten würden. Zudem 
seien ja die „titulo oneroso u erworbenen Zunftprivilegien „meistens 
«tuf die gute Ordnung und Polizei, auch ad puritatem sanguinis 
et orthodoxae fidei eingerichtet", weshalb eine Wegnahme der- 
selben und die Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit den 
Mitgliedern der Zünfte „schwer und betrüblich fallen thäte". 
Die Statthalterei schlägt also vor, daß fremde Handwerker und 
Künstler gehalten sein sollen, sich durch Erwerbung des Bürger- 
rechts und der Meisterschaft „gegen einer leidentlichen Gebührnus 
und Vorzeigung einer Prob, was sie verstehen thun a , zu inkor- 
porieren; hingegen solle das Handwerk sie „ohne Zumuthung 
der Wanderschaft oder vorgehende Meisterjahren" aufnehmen, 
ihnen auch die Förderung und Aufdingung der Gesellen sowie 
die „Auslehrnung" der Jungen zugestehen. Die Akatholiken 
sowie die Handwerker neuartiger Professionen sollten auf 4 oder 
5 Jahre mit einer Hoffreiheit versehen und durch 1, 2 oder 
3 Jahre von allen Steuerleistungen befreit, hierauf aber, wenn 
sie weder ihren Glauben wechseln noch das Bürgerrecht erwerben 
würden, wieder entlassen werden, nachdem inzwischen die ein- 
heimischen Katholiken die Profession von ihnen erlernt hätten l ). — 
Diesen Kompromißstandpunkt hat sich die österreichische Gewerbe- 
politik auch tatsächlich zu eigen gemacht. 

Allein nicht nur in der Frage der Zunftaufhebung, auch 
bezüglich jener Einschränkungen der Zunftrechte, die in der 
bloßen Erweiterung der freien Gewerbebefugnisse bestanden, 
war eine Reichs Vereinbarung erforderlich, um den interlokalen 
Zusammenhang der Zünfte zu beseitigen. Einem solchen Reichs- 
schluß konnte aber eben nur die Bedeutung einer vorbeugenden 
Maßregel zukommen ; das Schwergewicht lag in der territorialen 
Gesetzgebung. 

Der österreichische Staat war denn auch ernsthaft 
bestrebt, die unmittelbare Leitung seines Gewerbewesens in die 
Hand zu bekommen. Was Brandenburg schon zu Ende des 
17. Jahrhunderts gelungen war, die Unterordnung der feudalen 



x ) Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a. a. O., S. 50 f. 



112 Territoriale und Reichs-Gewerbereform. [502" 

Interessen unter das zentralistische Staatsprinzip l ) 7 das wurde in 
Osterreich durch Josef I. in Angriff genommen, unter dessen 
Regierung die ersten Spuren des absolutistischen Liberalismus 
zu Tage treten. Durch das Patent vom 1. Oktober 1708 wurde 
zugleich mit der Aufhebung der Sternberger Seilerzunft, die der 
Grundherr Joh. Adam Andr. Fürst v. Liechtenstein eigen- 
mächtig errichtet hatte, die Verfügung getroffen, daß niemand 
mehr in der Markgrafschaft Mähren dergleichen Zünfte errichten 
und privilegieren dürfe; es sollte jedoch den privatim errichteten 
Zünften freigestellt bleiben, um die Bewilligung des Kaisers ein- 
zukommen 2 ). Es folgte die Gründung der Kommerzkollegien, 
die Einführung der „Privilegia privativa" und speziell für die 
böhmischen Erblande die „königliche Pragmatica" vom 6. Sep- 
tember 1718, wonach zur Vermeidung langwieriger Zunftstreitig- 
keiten an Stelle des schriftlichen das mündliche Prozeßverfahren 
vor eigens bestellten Kommissionen angeordnet wurde 8 ). Für das 
Gebiet der Reichshauptstadt ergingen jene zahlreichen Verord- 
nungen, die einerseits die Schaffung einer möglichst breiten 
gesetzlichen Basis für nichtzünftige Gewerbebetriebe 4 ), anderer- 
seits die Zügelung des unruhigen und fluktuierenden Gesellen- 
elements 5 ) bezweckten. Alle diese Maßregeln verfolgten nur ein 
Ziel : die Schaffung eines einheitlichen, von den übrigen Staaten 
unabhängigen Wirtschaftsgebiets. Den Abschluß des Werkes 
sollte die Einführung einer „General-Gewerbe- und Zunft-Ord- 
nung" bilden, die Karl VI. schon im Jahre 1724 gelegentlich 
gewerbestatistischer Erhebungen angekündigt hatte 6 ). 

Auf dem Reichstag aber wiederholte sich das diplomatische 
Spiel, das schon ein halbes Jahrhundert vorher so ergebnislos 
verlaufen war. Im Vordergrund der Verhandlungen stand die 

x ) Vgl. Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik , 
a. a. O., I. Bd., S. 60. 

2 ) Codex Ferdinandeo-Leopoldinus, herausg. von Joh. 
Jak. Equite de Weingarten, Prag 1720, S. 665. — Eine Verordnung 
Matthias* vom 23. Jänner 1617, womit für Niederösterreich die Errich- 
tung von Zünften ohne landesfürstliche Bewilligung verboten wurde (Ms. 
im Arch. des Min. des Innern), war ohne dauernde Wirkung. 

3 ) Ebend., S. 732. 

4 ) S. 58 f., 64, 70 ff. 
ö ) S. S. 95, 101 ff. 

6 ) Cod. Austr., IV. T., S. 249. Dieselben Erhebungen wurden 
im nächsten Jahre in Ungarn und im Jahre 1727 in Innerösterreich 
vorgenommen (Bidermann, Gesch. der Österr. Gesamt-Staatsidee, 
a. a. 0., IL Abt., S. 315, Anm. 208). 



503] Territoriale und Reichs -Gewerbereform. 113 

Oesellenfrage, deren einheitliche und gleichmäßige Lösung aber 
bei dem Widerstreit der verschiedenen staatsrechtlichen Interessen 
gänzlich ausgeschlossen war. Der industrielle Vorteil einer durch- 
gehend^ strengeren Gesellenzucht mußte unbedingt jenen Staaten 
zufallen, die auf dem Gebiete politischer und wirtschaftlicher 
Konzentration bereits einen Vorsprung erreicht hatten. Osterreich 
handelte also ganz folgerichtig, wenn es gegenüber den drin- 
genden Vorstellungen Preußens und Sachsens eine vorsichtig 
abwägende Haltung einnahm. Als gelegentlich einer neuerlichen 
Urgierung des kursächsischen Gesandten am Wiener Hofe 
{v. Zech) auch dem kaiserlichen Konkommissarius in Regens- 
burg, Ifreiherrn v. Kirchner, zu Anfang des Jahres 1722 ein 
Bericht abgefordert wurde, befürwortete dieser zwar die Geneh- 
migung des Reichsgutachtens, riet jedoch, mit dem Beifügen, 
«daß er eher für die gänzliche Aufhebung als für die vorgeschla- 
gene Verbesserung der Zünfte wäre, die Sache durch ein Kom- 
missionsdekret binnen kurzem an den Reichskonvent zu bringeu, 
um diesem unbeschadet der Genehmigung des Reichsgutachtens 
das Projekt mit Berufung auf die Länge der verflossenen Zeit 
•zur eventuellen Revidierung abermals vorzulegen x ) — im Grunde 
also ein Vorschlag, der auf neuerliche Vertagung der Angelegen- 
heit hinauslief. 

Dennoch war ein Reichsbeschluß auf die Dauer nicht zu 
umgehen. Einen Begriff von der Heftigkeit und Wirkungsweite 
jener Kämpfe, die dort entstanden, wo das alte Handwerksher- 
kommen mit den Erfordernissen der merkantilistischen Staats- 
verwaltung zusammenstieß, liefert der Aufstand der Tuchmacher- 
Gesellen zu Lissa in Posen (1723). Fast das gesamte Tuchmacher- 
handwerk Mitteleuropas wurde in diese Streitsache hineingezogen. 
Es zeigte sich dabei die bemerkenswerte Erscheinung, daß die 
brandenburgischen, sächsischen und polnischen Zünfte für die 
Meister von Lissa eintraten, während die schlesischen, böhmischen, 
mährischen, ungarischen und österreichischen Zünfte es mit den 
Gesellen hielten 3 ). Da der Reichsabschied bei dem Widerstand 
der Reichsstädte und der passiven Haltung Österreichs sich ver- 
zögerte, beabsichtigte Preußen, wenigstens ein Separatabkommen 
mit den benachbarten Staaten (Sachsen, Polen, Hannover, Braun- 

x ) Ms. im Arch. des Min. des Innern, IV. F. 28., Gewerbe in 
«genere, N.-Öst, 1522 — 1749. 

2 ) Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. O., 
IL Bd., S. 34. . 

Wiener gtaatswiag. Studien. IV. Bd., 3. Heft. 33 



114 Territoriale und Reichs-Gewerbercform. [504 

schweig, Osterreich) herbeizuführen. Es käme insbesondere darauf 
an, schreibt Hille, der Direktor der Neumärkischen Kriegs- und 
Domänenkammer, in einer Eingabe 1 ) an den König, die innere 
Verbindung der inländischen mit den benachbarten ausländischen 
Tuchmachergewerken aufzuheben ; dann könne man viel leichter 
Bestimmungen treffen, wodurch die inländischen über die aus- 
ländischen Zünfte 2 ) gehoben würden. Der Zeitpunkt sei sehr 
günstig, die polnisch-sächsische Aktion zu unterstützen, da der 
Kaiser wegen der Wirren in Wien und in Schlesien derzeit um 
so eher zum Abschluß eines Übereinkommens bereit sein werde. 
Dem österreichischen Staat konnte aber bei seinem Mangel an 
industriellen Arbeitskräften die Einwanderung fremder Gesellen, 
die sich als Folge einer strengeren Gewerbegesetzgebung der 
Nachbarländer ergeben mußte, nur willkommen sein. Bestimmend 
mögen auf die Haltung Österreichs die Bedürfnisse technisch 
vorgeschrittener Gewerbe gewirkt haben, wie denn die Nadler 
ausdrücklich erklärten, daß ihnen die inländischen Gesellen nur 
für die grobe Arbeit genügten, während sie für die feinere Arbeit 
meistenteils Gesellen aus den preußisch-brandenburgischen Län- 
dern benötigten 8 ). Osterreich hatte also keinen Grund, sich für 
die von Preußen angestrebte Vereinbarung einzusetzen, wenn 
schon der Kaiser als Reichsoberhaupt sich genötigt sah, dem 
allgemeinen Verlangen nach einem Reichsgesetz Rechnung zu 
tragen. Unterm 25. Dezember 1725 wissen die preußischen Ge- 
sandten bereits aus Wien zu berichten, daß daselbst eine Kom- 
mission „zur Abstellung derer Handwercks-Mißbräuche" unter 
dem Vorsitz des n. ö. Referendarius v. Blömegen zusammen- 
getreten sei 4 ) und am 16. Jänner 1726 fügt Graeve hinzu, es 
habe den Anschein, als sei man in Wien gesonnen, „nunmehro 
mit Ernst zum Werck zu thun. a5 ) In diesem Jahre brach der 
große Aufstand der Augsburger Schuhknechte aus und die 
Reichsversammlung stellte aus diesem Anlasse an den Kaiser 
neuerlich das Ersuchen um Ratifizierung der früheren Reichs- 



x ) „Principia Regulativa wegen Abschaffung der Handwerkermiss- 
bräuche bey denen in- und ausländische Tuchmacher-Zünfften" 
(30. August 1723, ebend., S. 36). 

2 ) Soll wohl hier soviel bedeuten wie Manufakturen. 

3 ) Bericht der preußischen Gesandten Brand und Graeve aus Wien? 
(25. Dezember 1725, Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerker- 
politik, a. a. 0., IL Bd., Beil. Nr. 84, S: 179 f.) 

4 ) Ebend. 

5 ) Ebend., Beil. Nr. 88, S. 182 f. 



505] Territoriale und Reichs-Gewerbereform. 115 

gutachten über die Handwerker- „Mißbräuche." x ) Das kaiserliche 
Kommispionsdekret vom 12. Mai 1727 verspricht nun zwar die 
Erfüllung dieser Bitte, will aber doch abwarten, ob vor der 
Publikation nicht noch von irgend einer Seite etwas hinzuzufügen 
wäre, nachdem seit 1672 „die Zeiten und Weltsachen sich viel 
und merklich geändert 2 )." Ein neuerliches Kommissionsdekret 
vom 23. Oktober 1730 kündigt endlich die bedingungslose Publi- 
^ierung der Reichsgutachten an — falls nicht in nächster Zeit 
«in Abänderungsvorschlag ergehen sollte 8 ). Noch immer wird 
also die Möglichkeit einer Verzögerung offen gelassen. Aus jenen 
Tagen stammt ein Bericht der preußischen Gesandten am Wiener 
Hofe, wonach dem Fortgang der Verhandlungen insbesondere 
«der Umstand hinderlich sei, daß die Referenten in Handwerker- 
sachen sich seit einigen Monaten in Triest befänden, um dort 
die österreichischen Handelsinteressen wahrzunehmen 4 ). Wenn 
nichts anderes, so ist dieses Detail geeignet, den Nachweis zu 
liefern, daß der „Zauderpolitik" Österreichs keine andere Ur- 
sache zu Grunde lag, als der bedenklichen Hast der preußischen 
Diplomatie. 

Immerhin begannen am 19. Februar 1731 die Verhandlungen 
auf dem Regensburger Reichstag 5 ). Am 22. Juni 1731 kam das 
Reichsgutachten zu stände 6 ), am 16. August 1731 erfolgte die 

Intimation an Kur-Mainz und die andern ausschreibenden 
Fürsten 7 ) und am 4. September desselben Jahres die kaiserliche 
Ratifikation 8 ). 



x ) 4. Oktober 1726, Pachner, a. a. 0., IV. T., S. 204 ff. 
Außer dem Reichsgutachten vom 3. März 1672 und dem Reich san suchen 
■vom 18. Dezember 1680 war noch am 16. März 1707 eine Wieder- 
holung des letztern ergangen, u. zw. anläßlich des Vorgehens der großen 
Hüttenstube der Steinmetzen zu Straßburg, also einer außerhalb des 
Reichs domizilierenden Körperschaft, welche sich die Gerichtsbarkeit 
über die Steinmetzen-Meister Und Gesellen des römischen Reiches an- 
gemaßt hatte (ebend.). 

2 ) Ebend., S. 263 ff. 

3 ) Ebend., S. 333. 

4 ) Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handelspolitik, a. a. O., 
II. Bd., S. 61 (Bericht vom 2. September 1730). 

5 ) Ebend., S. 63, nach einem Bericht des preußischen Gesandten 
in Regensburg, v. Broich. 

6 ) Pachner, a. a. 0., IV. T., S. 347 ff. 

7 ) Ebend., S. 373 ff . ; daselbst der Wortlaut der Verordnung. 

8 ) Ebend., S. 354 f. 

33* 



116 Territoriale und Reichs-Gewerbereform. [50S 

Die Verordnung wiederholt im allgemeinen nur die 15 Punkte 
•des Reichsgutachtens von 1672, erweitert sie jedoch durch einzelne 
verschärfte Bestimmungen insbesondere gegen die Gesellen und 
ihr Verbindungsrecht. Zu dem Verbot des Gesellenauftreibens 
kam nun die Verstärkung der meisterlichen Kontrolle durch 
Einführung der Wohlverhaltungszeugnisse, und die Verfügung,, 
daß die Originale des Geburts- und Lehrbriefs bis zur Erlangung 
der Meisterschaft in der Meisterlade des Aufdingungsortes hinter- 
legt und nur von Fall zu Fall Abschriften davon gegen Ent- 
richtung einer Schreibgebühr *) ausgestellt werden sollten (P. 2) r 
bedeutete für die Freizügigkeit des Gesellen wie für die Auf- 
rechterhaltung seines interlokalen Zusammenhangs mit den Hand- 
werksgenossen ein empfindliches Hemmnis. Indem man so vor 
allem die verpönte Gesellengerichtsbarkeit durch das obligatorische 
Aufsichtsrecht der Meister zu verdrängen suchte, stellte man 
zugleich die so außerordentlich erhöhte Gewerbetätigkeit gegen- 
über den „Missbräuchen" der Gesellen noch nachdrücklicher, als 
dies im vorhergegangenen Reichsgutachten geschehen war 2 ), in 
den Schutz der Behörden (P. 3, 4, 5, 7, 9, 11, 13), hob die alten 
Gesellenvorrechte sowie jene Gebräuche, die den fortwährenden 
Kontakt der Gesellen untereinander vermittelten 8 ), auf und kün- 
digte nun auch gegen eventuelle Gesellenaufstände die schärfsten 
Repressalien an (P. 9; 6, 7, 8, 9, 10; 5). Die wenigen Bestim- 
mungen, die sich auf die Meisterzünfte beziehen, verfügen die 
Aufhebung des Unterschieds zwischen Haupt- und Nebenladen, 
die Abschaffung allzugroßer Aufding-, Lehr-, Lossprech- und 
Meisterkosten, sowie unnützer Meisterstücke und anderer „Miss- 
bräuche" (P. 6, 7, 12, 13), durch welche den Kommerzien Ab- 
bruch getan würde. Hieher gehörten insbesondere die Vorrechte 

x ) Diese betrug 30 bis (höchstens) 40 kr., die Gebühr für die 
Ausstellung eines neuen Attestes beim Wechsel des Arbeitsorts (höch- 
stens) 15 kr. 

*) Neu waren insbesondere die ausdrücklichen Verbote des „Auf- 
stehens 4 * aus der Arbeit, der großen „Geschenke** — in Hinkunft 
sollten höchstens „Geschenke" im Werte von 15 — 20 kr. Rh. gereicht 
werden — und des Betteins (P. 5, 7), sowie die Bestimmung, daß 
Unterbrechung der Arbeitszeit durch irgend einen Dienst nicht hand- 
werksuntauglich machen solle (P. 9). 

8 ) Neu hinzugekommen waren: die Aufhebung des Unterschieds- 
zwischen „geschenkten" und „ungeschenkten" Handwerkern (P. 7), die 
Einziehung oder Restringierung etwa ausgestellter Gesellenbriefe (P. 10) r 
das Verbot der Bruderschaftssiegel — da die Gesellen ja ohnedies keine 
Bruderschaft bilden dürften — (P. 6) und des Degentragens (P. 9). 



507] Territoriale und Reichs-Gewerbereform. 117 

der Meisterangehörigen, die „geschlossenen" Zünfte, das Fern- 
halten tüchtiger Meister vom Handwerk und die Festsetzung 
eines Maximums an Arbeitskräften (P. 13, Abs. 7). Bei Dawider- 
handeln droht die Verordnung mit Aufhebung der Zünfte 1 ). 
Der Reichsschluß sollte den Meistern und Gesellen publiziert, 
jährlich vorgelesen, auf den Zunftstuben oder Herbergen an- 
geschlagen, besonders aber den Lehrjungen bei der Lossprechung 
unter Gelöbnis vorgehalten werden (P. 4). Endlich sollte auf 
gleichmäßige Durchführung des Gesetzes, sowie auf Ausarbeitung 
einer „billig-mäßig-beständigen Tax- und Gesindeordnung" Bedacht 
genommen werden (P. 15). Der frühere Schlußpassus der Ver- 
ordnung, wonach den Reichsständen kraft ihrer Regalien alle 
landesherrliche Gewalt, daher auch die Möglichkeit einer Ände- 
rung vorbehalten blieb, wurde nunmehr der prinzipiellen Ein- 
gangsbestimmung des Reichsgutachtens, welche alle Zusammen- 
künfte, Artikel und Gebräuche der Handwerker von der obrig- 
keitlichen Bewilligung abhängig machte, als staatsrechtliche 
Klausel angefügt (P. 1). 

So war nun zwar ein einheitliches Gesetz erzielt worden, 
aber noch lange kein einheitliches Vorgehen in der Handwerker- 
frage. Hatte die Durchführung von Reichsgesetzen schon seit 
jeher an der mangelhaften Publikation gelitten 2 ), so war diese 
nun, wo zu den staatsrechtlichen Gegensätzen der staatswirt- 
schaftliche Interessenkampf hinzutrat, noch weit schwieriger 
geworden 3 ). Von allen Seiten erhoben sich Bedenken wegen der 
Form der Publikation, unter allerlei staatsrechtlichen Ver- 
wahrungen suchte man der Reihe nach das Risiko der ersten 
Publikation von sich abzuwälzen. Unterm 16. Februar 1732 
berichten die preußischen Gesandten aus Wien, daß es mit der 
Verkündigung des Edikts in Osterreich, Böhmen, Mähren und 
Schlesien noch gute Weile habe 4 ). In Böhmen war schon 
am 16. November 1731 ein allgemeines Handwerkerpatent er-: 



*) Auch diese Bestimmung war neu. 

2 ) Rieh. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 
2. A., Lpz. 1894, S. 634. 

8 ) yj Vielleicht ist kein Gesetz in Deutschland, welches in der 
Ausführung mehr Hindernisse gefunden und noch findet, als das bekannte 
Reich sgesetz wegen der Abstellung der Misbräuche bey den Zünften und 
Handwerkern" (Sieb er, a. a, 0., S. 2). 

4 ) Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. 0., 
II. Bd., S. 65. 



1 18 Territoriale und Reichs-Gewerbereform. [508 

schienen 1 ), dessen Bestimmungen aber nicht eingehalten wurden. 
Die Publikation verzögerte sich nun auch im ober- und nieder- 
sächsischen und demzufolge auch im fränkischen Kreise 2 ). Der 
sächsische Vertreter in Wien (v. Lautensack) erklärte, daß man 
in Sachsen die Publikation nicht annehmen werde, es geschähe 
denn gleichzeitig mit Böhmen und Österreich. Eine ähnliche 
Erklärung ließ auch die preußische Regierung durch ihre 
Gesandten in Wien, Dresden und Regensburg abgeben 8 ). Zugleich 
suchte sie Sachsen, Braunschweig, Anhalt und Hessen für eine 
gemeinsame Publikation am 10. März zu gewinnen. Allein Sachsen 
lehnte ab 4 ). Andererseits weigerte sich Preußen, die Form des 
kaiserlichen Edikts zu acceptieren, da „bekandter massen Ihro 
Kay serlicher Majestät die Potestas Legislatoria im Teutschen 
Reich nicht vor Haubts, noch allein zustehet, sondern der 
Churfürsten, Fürsten und Stände Concurrentz und Bewilligung 
dazu erfordert wird". 5 ) Osterreich wieder erklärte, „dass von der 
Reichskanzlei keine Intimationes an die Böhmische und Oster- 
reichische Kanzlei ergangen, noch ergehen würden, u. zw. aus 
der Ursache, weil noch anno 1711 zu Fürth a. M. zwischen 
Kur-Mainz und den Böhmischen und Osterreichischen Bevoll- 
mächtigten ein Vergleich geschlossen sei, infolge dessen von der 
Kaiserlichen Reichshof-Kanzlei keine Insinuanda anzunehmen, 
sondern man wohl gar die erlassenden Ausschreiben uneröffnet 
zurückgeben wolle." 6 ) Dagegen erließ der Kaiser am 14. April 
1732 auf Anregung der Stadt Frankfurt a. M. neuerlich ein 
Kommissionsdekret an das Reich, womit an die bereits unterm 
16. August 1731 erfolgte Intimation des Reichsgutachtens er- 
innert und dessen Ausführung gefordert wurde 7 ). Allein der 
1. Mai 1732, der als gemeinschaftlicher Termin für die Publikation 



1 ) Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a. a. 0., S. 54. 

2 ) Sieber, a. a. O., S. VI. f. 

3 ) 26. Februar 1732 (Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerker- 
politik, a. a. 0., IL Bd., S. 66). 

4 ) Ebend. 

5 ) Aus dem w Vorschlag des preußischen Kabinets-Ministeriums an 
das General-Direktorium betreffend die Art der Publikation des Kaiser- 
lichen Edikts" (19. Februar 1732, ebend., S. 295, Beil. Nr. 222). 

6 ) Erklärung des geh. Reichs-Referendarius v. Glaudorf auf eine 
Anfrage des preuß. Gesandten (nach einem Bericht der preuß. Gesandten 
aus Wien vom 16. Februar 1732, ebend., S. 65). 

7 ) Pachner, a. a. 0., IV. T., S. 372 ff. 



509] Territoriale und Reichs-Ge Werbereform. 119 

festgesetzt worden war 1 ), verstrich ohne Ergebnis. Ja sogar als 
Osterreich die Publikation tatsächlich, wenn auch ohne durch- 
greifenden Erfolg, in einzelnen JLandesteilen vollzogen hatte, 
verharrten die andern Reichsstände in ihrer zuwartenden Haltung. 
Schon am 19. April 1732, ungefähr zu gleicher Zeit mit dem 
letzten Kommissionsdekret, war in Osterreich eine „Allgemeine 
Zunft- und Handwerks-Ordnung" 2 ) erschienen, wodurch die 
Bestimmungen des ßeichsgesetzes, allerdings mit geringen Ande- 
rungen und ohne Bezugnahme auf den ßeichsschluß, für Oster- 
reich ob und unter der Enns in Geltung gesetzt wurden, in einer 
solchen Form also, daß der Erlaß bloß als Ausführung des 
kaiserlichen Beschlusses von 1724 3 ) angesehen werden konnte. 
Die Publikation der Ordnung erfolgte am 13. Juni 1732 und am 
21. Juni wurde dasselbe Patent auch in Innerösterreich veröffent- 
licht 4 ). Nur den Zentralstellen in Tirol und in den Vorlanden wurde 
(unterm 24. Mai 1732) der Wortlaut der Reichsverordnung über- 
mittelt, nachdem sie das niederösterreichische Statut als auf den 
schwäbischen Reichskreis nicht anwendbar bezeichnet hatten 6 ). 
Die gemeinsame Publikation für das ganze Reich wurde 
endlich auf den 30. September 1732 festgesetzt und an diesem 
Tage auch in den meisten Orten unter dem passiven Widerstand 
der Zünfte vorgenommen 6 ), die sich vielfach darauf beriefen, 
daß in der Verordnung nur von Mißbräuchen bei den Hand- 
werkern, nicht aber bei den Amtern, Gilden und Innungen die 
Rede sei : 7 ) ein letzter Versuch, die Autonomie des bürgerlichen 
Handwerks gegen die neustaatliche Auffassung der Gewerbe- 
tätigkeit auszuspielen. Die Gesellen drohten in vielen Fällen mit 
dem Verlassen des Arbeitsortes, wenn man das Patent genau 
durchführen und die „Kundschaftszettel" fordern würde. In 



x ) Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. 0., 
II. Bd., S. 65. 

2 ) Ein gedrucktes Exemplar im Arch. des Min. des Innern. 
5 ) S. S-. 142, Anm. 6. 

4 ) Pribram, Das böhm. Kommerzkollegium und seine Tätigkeit, 
a. a. O., S. 54. 

5 ) Bidermann, Gesch. der österr. Gesamt-Staatsidee, a. a. O., 
II. Abt., S. 70 -f., 313 f., Anm. 211. 

6 ) Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. 0., 
II. Bd., S. 66 f. 

7 ) Sieb er, a. a. 0., S. 11, bemerkt hierüber: „Obgleich diese 
Äusserung irrig ist, so muß doch der, so aufrichtig seyn will, gestehen, 
daß man ihnen diese Art zu schließen eben nicht verargen kann. a 



120 Territoriale und Reichs-Gewerbereform. [510 

Frankfurt a. O. wurde diese Drohung tatsächlich von der Mehr- 
zahl der Gesellen verwirklicht, so daß die großen Bestellungen 
für die Zeit der Messe (17. Oktober 1732) nicht ausgeführt 
werden konnten 1 ). In Osterreich kam überdies hinzu, daß die 
Verordnung seitens der Behörden sehr nachsichtig gehandhabt 
wurde. In Breslau wurde, wie gerüchtweise verlautete, die Exe- 
kution des Patents suspendiert 2 ) und noch am 10. Juni 1733 
mußte infolge einer Beschwerde Salzburgs an die Tiroler Behör- 
den der Auftrag ergehen, die Kundmachung bestimmt binnen 
14 Tagen vorzunehmen 3 ). 

Erst nach der allgemeinen Publikation trat der diplomatische 
Erfolg Preußens deutlich zu Tage. Während seine straffe bureau- 
kratische Verwaltung die strikte Durchführung des zunftfeind- 
lichen Reichsschlusses ermöglichte, während es zu Gunsten einer 
konsequent merkantilistischen Gewerbepolitik jeden Widerstand 
gegen das Edikt mit Strenge unterdrückte 4 ), hatte die Verkün- 
digung des Reichsschlusses in den benachbarten Gebieten, wie 
in Sachsen und Schlesien, wo die gleichen verwaltungspolitischen 
Vorbedingungen fehlten, nur den Erfolg, daß die Gesellen 
massenweise das Land verließen 5 ). War dies auch nicht immer 
im direkten Interesse Preußens gelegen, so bedeutete auf alle 
Fälle ein Entgang an industriellen Arbeitskräften für die benach 
harten Territorien eine schwere wirtschaftliche Schädigung. Daß 
es übrigens Preußen bei seinen Bemühungen um ein Reichsgesetz 
weniger um eine prinzipielle Entscheidung, als vielmehr um die 
wirtschaftliche Bindung der übrigen Territorialmächte zu tun 
gewesen war, beweist seine Verordnung vom 17. Februar 1734, 
wonach Handwerksbursche aus fremden Ländern, die keine 
Geburts- und Lehrbriefe noch „Kundschaften" vorlegen können, 
nur ein Attest über ihr Wohlverhalten von ihrem letzten Arbeits- 
orte beizubringen brauchen 6 ). Damit hatte Preußen eine der 



x ) Schmoller, Umrisse und Untersuchungen, a, a. O., S. 396. 

2 ) Ebend. 

3 ) Bidermann, Gesch. der österr. Gesamt-Staatsidee, a. a. O., 
II. Abt., S. 71. 

4 ) Schmoll er, Umrisse und Untersuchungen, a. a. 0., S. 397; 
Mor. Meyer, Gesch. der preuß. Handwerkerpolitik, a. a. 0., IL Bd., 
S. 67. 

5 ) Ebend., S. 68, Bericht der kurmärkischen Kammer an den 
König (19. Oktober 1732). 

6 ) Ebend., S. 76. 



511] Territoriale und Reichs-Gewerbereform. 121 

wichtigsten Bestimmungen des Reichsschlusses von 1731 für sein 
eigenes Gebiet selbst außer Kraft gesetzt. 

Die scheinbar einheitliche Stellungnahme der deutschen 
Territorien in der Frage der Gewerbereform war gleichbedeutend 
gewesen mit einer Erklärung der gegenseitigen wirtschaftlichen 
Kampfbereitschaft. Nur wenige Jahre verstrichen und es ent- 
brannte der schlesische Krieg, den Osterreich mit dem Verlust 
seines reichsten Industrielandes bezahlte. Die erste militärisch- 
politische Probe auf das merkantilistische Exempel war zu Un- 
gunsten Österreichs ausgefallen. Die prinzipielle Richtung seiner 
Gewerbepolitik aber war mit der Annahme des Reichsschlusses 
von 1731 gleichwohl dauernd festgelegt. 



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